Skip to main content

Full text of "Gesundheit und Erziehung: neue Folge der Zeitschrift für Schulgesundheitspflege"

See other formats


Google 


This  is  a  digital  copy  of  a  book  that  was  prcscrvod  for  gcncrations  on  library  shclvcs  bcforc  it  was  carcfully  scannod  by  Google  as  pari  of  a  projcct 

to  make  the  world's  books  discoverablc  online. 

It  has  survived  long  enough  for  the  Copyright  to  expire  and  the  book  to  enter  the  public  domain.  A  public  domain  book  is  one  that  was  never  subject 

to  Copyright  or  whose  legal  Copyright  term  has  expired.  Whether  a  book  is  in  the  public  domain  may  vary  country  to  country.  Public  domain  books 

are  our  gateways  to  the  past,  representing  a  wealth  of  history,  cultuie  and  knowledge  that's  often  difficult  to  discover. 

Marks,  notations  and  other  maiginalia  present  in  the  original  volume  will  appear  in  this  flle  -  a  reminder  of  this  book's  long  journcy  from  the 

publisher  to  a  library  and  finally  to  you. 

Usage  guidelines 

Google  is  proud  to  partner  with  libraries  to  digitize  public  domain  materials  and  make  them  widely  accessible.  Public  domain  books  belong  to  the 
public  and  we  are  merely  their  custodians.  Nevertheless,  this  work  is  expensive,  so  in  order  to  keep  providing  this  resource,  we  have  taken  Steps  to 
prcvcnt  abuse  by  commercial  parties,  including  placing  lechnical  restrictions  on  automated  querying. 
We  also  ask  that  you: 

+  Make  non-commercial  use  ofthefiles  We  designed  Google  Book  Search  for  use  by  individuals,  and  we  request  that  you  use  these  files  for 
personal,  non-commercial  purposes. 

+  Refrain  fivm  automated  querying  Do  not  send  automated  queries  of  any  sort  to  Google's  System:  If  you  are  conducting  research  on  machinc 
translation,  optical  character  recognition  or  other  areas  where  access  to  a  laige  amount  of  text  is  helpful,  please  contact  us.  We  encouragc  the 
use  of  public  domain  materials  for  these  purposes  and  may  be  able  to  help. 

+  Maintain  attributionTht  GoogXt  "watermark"  you  see  on  each  flle  is essential  for  informingpcoplcabout  this  projcct  and  hclping  them  lind 
additional  materials  through  Google  Book  Search.  Please  do  not  remove  it. 

+  Keep  it  legal  Whatever  your  use,  remember  that  you  are  lesponsible  for  ensuring  that  what  you  are  doing  is  legal.  Do  not  assume  that  just 
because  we  believe  a  book  is  in  the  public  domain  for  users  in  the  United  States,  that  the  work  is  also  in  the  public  domain  for  users  in  other 
countries.  Whether  a  book  is  still  in  Copyright  varies  from  country  to  country,  and  we  can'l  offer  guidance  on  whether  any  speciflc  use  of 
any  speciflc  book  is  allowed.  Please  do  not  assume  that  a  book's  appearance  in  Google  Book  Search  mcans  it  can  bc  used  in  any  manner 
anywhere  in  the  world.  Copyright  infringement  liabili^  can  be  quite  severe. 

Äbout  Google  Book  Search 

Google's  mission  is  to  organizc  the  world's  Information  and  to  make  it  univcrsally  accessible  and  uscful.   Google  Book  Search  hclps  rcadcrs 
discover  the  world's  books  while  hclping  authors  and  publishers  rcach  ncw  audicnccs.  You  can  search  through  the  füll  icxi  of  ihis  book  on  the  web 

at|http: //books.  google  .com/l 


Google 


IJber  dieses  Buch 

Dies  ist  ein  digitales  Exemplar  eines  Buches,  das  seit  Generationen  in  den  Realen  der  Bibliotheken  aufbewahrt  wurde,  bevor  es  von  Google  im 
Rahmen  eines  Projekts,  mit  dem  die  Bücher  dieser  Welt  online  verfugbar  gemacht  werden  sollen,  sorgfältig  gescannt  wurde. 
Das  Buch  hat  das  Uiheberrecht  überdauert  und  kann  nun  öffentlich  zugänglich  gemacht  werden.  Ein  öffentlich  zugängliches  Buch  ist  ein  Buch, 
das  niemals  Urheberrechten  unterlag  oder  bei  dem  die  Schutzfrist  des  Urheberrechts  abgelaufen  ist.  Ob  ein  Buch  öffentlich  zugänglich  ist,  kann 
von  Land  zu  Land  unterschiedlich  sein.  Öffentlich  zugängliche  Bücher  sind  unser  Tor  zur  Vergangenheit  und  stellen  ein  geschichtliches,  kulturelles 
und  wissenschaftliches  Vermögen  dar,  das  häufig  nur  schwierig  zu  entdecken  ist. 

Gebrauchsspuren,  Anmerkungen  und  andere  Randbemerkungen,  die  im  Originalband  enthalten  sind,  finden  sich  auch  in  dieser  Datei  -  eine  Erin- 
nerung an  die  lange  Reise,  die  das  Buch  vom  Verleger  zu  einer  Bibliothek  und  weiter  zu  Ihnen  hinter  sich  gebracht  hat. 

Nu  tzungsrichtlinien 

Google  ist  stolz,  mit  Bibliotheken  in  Partnerschaft  lieber  Zusammenarbeit  öffentlich  zugängliches  Material  zu  digitalisieren  und  einer  breiten  Masse 
zugänglich  zu  machen.     Öffentlich  zugängliche  Bücher  gehören  der  Öffentlichkeit,  und  wir  sind  nur  ihre  Hüter.     Nie htsdesto trotz  ist  diese 
Arbeit  kostspielig.  Um  diese  Ressource  weiterhin  zur  Verfügung  stellen  zu  können,  haben  wir  Schritte  unternommen,  um  den  Missbrauch  durch 
kommerzielle  Parteien  zu  veihindem.  Dazu  gehören  technische  Einschränkungen  für  automatisierte  Abfragen. 
Wir  bitten  Sie  um  Einhaltung  folgender  Richtlinien: 

+  Nutzung  der  Dateien  zu  nichtkommerziellen  Zwecken  Wir  haben  Google  Buchsuche  Tür  Endanwender  konzipiert  und  möchten,  dass  Sie  diese 
Dateien  nur  für  persönliche,  nichtkommerzielle  Zwecke  verwenden. 

+  Keine  automatisierten  Abfragen  Senden  Sie  keine  automatisierten  Abfragen  irgendwelcher  Art  an  das  Google-System.  Wenn  Sie  Recherchen 
über  maschinelle  Übersetzung,  optische  Zeichenerkennung  oder  andere  Bereiche  durchführen,  in  denen  der  Zugang  zu  Text  in  großen  Mengen 
nützlich  ist,  wenden  Sie  sich  bitte  an  uns.  Wir  fördern  die  Nutzung  des  öffentlich  zugänglichen  Materials  fürdieseZwecke  und  können  Ihnen 
unter  Umständen  helfen. 

+  Beibehaltung  von  Google-MarkenelementenDas  "Wasserzeichen"  von  Google,  das  Sie  in  jeder  Datei  finden,  ist  wichtig  zur  Information  über 
dieses  Projekt  und  hilft  den  Anwendern  weiteres  Material  über  Google  Buchsuche  zu  finden.  Bitte  entfernen  Sie  das  Wasserzeichen  nicht. 

+  Bewegen  Sie  sich  innerhalb  der  Legalität  Unabhängig  von  Ihrem  Verwendungszweck  müssen  Sie  sich  Ihrer  Verantwortung  bewusst  sein, 
sicherzustellen,  dass  Ihre  Nutzung  legal  ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  ein  Buch,  das  nach  unserem  Dafürhalten  für  Nutzer  in  den  USA 
öffentlich  zugänglich  ist,  auch  für  Nutzer  in  anderen  Ländern  öffentlich  zugänglich  ist.  Ob  ein  Buch  noch  dem  Urheberrecht  unterliegt,  ist 
von  Land  zu  Land  verschieden.  Wir  können  keine  Beratung  leisten,  ob  eine  bestimmte  Nutzung  eines  bestimmten  Buches  gesetzlich  zulässig 
ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  das  Erscheinen  eines  Buchs  in  Google  Buchsuche  bedeutet,  dass  es  in  jeder  Form  und  überall  auf  der 
Welt  verwendet  werden  kann.  Eine  Urheberrechtsverletzung  kann  schwerwiegende  Folgen  haben. 

Über  Google  Buchsuche 

Das  Ziel  von  Google  besteht  darin,  die  weltweiten  Informationen  zu  organisieren  und  allgemein  nutzbar  und  zugänglich  zu  machen.  Google 
Buchsuche  hilft  Lesern  dabei,  die  Bücher  dieser  Welt  zu  entdecken,  und  unterstützt  Autoren  und  Verleger  dabei,  neue  Zielgruppcn  zu  erreichen. 
Den  gesamten  Buchtext  können  Sie  im  Internet  unter|http:  //books  .  google  .coiril  durchsuchen. 


•~Viil^ 


*^-- 


:^(i.sj^ 


I 


^^y^^jr;^  ^ 


->*  :^  ^-' 


:-- — ^ 


^^  ^.^  ^-  J^ylJ^  ^  «^  >^  ^  J^  4^  ^  Ci^  4Tv 


-^ /^^  t^ '^P' ^  »-^  4^  ^- *>^ y1J>.  ^  «^  >^  Sj  J^  4^  ^  t^  4^  ^  i-^ 4>v  VJ  fc^  ^  ^^  , 

/^U^    ^U,S\     /p^vj/>S      ^ ^>'~     /jT*--"     ^-'^    .-T.-.^'  ^y."^,      >!-!! 
^^OCy    ^>wO'^    ^^Jrvw^'^     ^N40«</'       >.^^        .,'"^^x       -i.    .••.'     ---»1  ■•-■■'       ^  "^  .- 


^^  >-.  ^  'Ü/ 


vV- 


//i>,  s^  w''  a|\\  ^  >^  /m  ^^  >-^  ^  i.» 


-^  €o3?    •^*"'~     ■''-'     -^-"^^   "^' 


^iV, 


aV  ^ 


(cz; 


Ju'?^4l.^1^> 


^S^^  &k^  rr-'S  sl.H^->  'c:^-!--^  ^'":'^^'  ^:-:--  ^- 


^ 


6 


^^^j:^^ 


mV. 


s;.  ^ 4^^1^4;^^ii1^;^^^^^^  -^-'  /^^  ^ -"^  '^^ 


>n\  ^  J>'  ,0'  ^^  -'^   m  -^  ^'''  -oN  ^  ^  /^x  ^  '^'^  -'.  i 

^  -^      "-^Vx  X*»  >*V  >-v  ^v  -yi.-v 


r:^-;:^ 


-.-"^ 


v^^vv     /i/^^     /s^u^vN     ,>tuK.    /y-\^'^    ■^^^,    cii'^'r*,    <c:'-^    ^£"^    '>^;>'^    ''.r;-:r    \^\;^^    ■^■^'^r^,'    v^/'-r.     , 


/<U   -> 


^-^w^^^^V^ 


TS'!]? 


föit^)  -fcr-S^  .'cr-.r-T^   ^cir-T^^   '^^Jl-^    cr^-r,    •^-^•-^'   v:.^:-?^  ♦^;>^^    "^'- 
^^'^  &^'  ^^   <^^    ^^-  ^^.^'  '^rt^    ^r^  ^^^:  ■-: 


.  ^^^-  ^^%  ^^  •^^^^'  ^-^'^^  <^^^  -^-  '^".•-'  '-.'^  ^--^-^  ^^ 


'^v 


S  ^^^fi^  Ö5^  <^5B,   ^^,   ''^-&^   '<—^    -.:^'>    -^^'->.    c^~--;     :r-   --. 


■>i  w«^/iVv  '^  *y' /T^v  "^  ^  ''Ik^ 


^Elr-^  s-^sJl  «SJ^>   l^rr^    ^^S*^   ^^.^-^-y    ^r^—^    C^."- :^    ''r~  '  "^     ^  -'.t'    'CT-    ^      <r:    :i"S     »_.-_;-*     <~j;^-'r5»    ■<'■         ^ 


^^'  ^^^^  ^^,   •^^  '^^<^    .«C^^>   ■cr^r:>^    sc-'  r:>    •;_    '  ^.    c_:r^     w  "^  --■     :z  :.-^      -:~?    '^^^- 
»-^•-    yiüf^.    ^u^c\     />^LJ^O\     >>^LJ^C\     />*^^s^.     /v^^^v^      ^.'  ,»o-       -^    ^-^        ''  _  ■         '  •.  -        "  ■         / '  —  _      ,  '■  --  ■ 


f...^,   ,_.__  ^»öÄW'''    ^CTWC^  ^^^TWC^    ^-^^    ^^'^     «6-^    -c:!--^;    'c:r;j^.    ■<'. 

5  "^^5^  ^^  ^ffi^  ^Ä^  ^^'  ^^^'   ■^--r?'  ^'-~-"^'    <•--/.-.-  'cV.r;     r  .'-r^^    ,^r:; ->  <.-7.  ^>>  k^':.;-/    v' 


Mrr  V«  •^ 


l)/  ^  <-v  mV/  ^  rv  M>^  >^  --v  ^li^  y^  '^^irr  ^  '-V  ''il^ ,<*  -"^ 


•^r^wi^^ 


^  ,-s  ^i"   -^  -V  Mi''  >^  '^  M>' '11' 


"  ^  ^^  ^^^^  ■'^-'^'  '^  '"^"^    '^'■■^'  *^  5^    '^- 


a>  Ägs^  ^"S^'  ^^--x^-t"         -■-   ^    •  '"  "'^'-'J"^'  ''-  -  "-    ■'-  ■"      '"      ' 


.y^/  ^  ^  rj:i/    -^'^  mV   >'^  r^  ^'J' 


'k^. 


,    -y.  ^  -  4KN3  (^^4^^  ü?^>tfW^  C^4K^  i^x^>^  >^  /}>  ^:-  u^  47v  ^  >>  ^X^^  ^  *^  >1)^  ^  ^-  ><>  ^  -^  '♦>' 


V1>' 


J>^        ^--  -  ^M.  -- 

L^/?-\x^^^x4;  ^^^^,;^W^-^  r:vs^^;r'^^':r  ^.'"'^^  ^'  '^  '^^'  .<^  ^  ''^'  .-T  '^•,'^''  r"  >  '^'    .' 


/JA  ■■" 


v^   -  - 


•s^  wyr  ^- 


■  U  ■^-' 


!l 


ML 


>'^'^J^:^'^''^^^^'"^.> 


'  -?  ;  '    y--^    ■'V 


M>. 


>' 


.633 


ZEITSCHRIFT 

FÜB 

SCHÜLGESUNDHEIT8PFLEGR 

Begeündbt  von  De.  L.  KOTELMANN. 

BEDIGIEBT 

TOH 

PKOFBSsoR  DR.  FR,  ERISMANN  in  Zürich. 


^     I 


SEGHSZEHNTEB  BAND. 

1903. 


Mit  4  Abbildangen  im  Text. 
HIT  EINEB  BEILAGE:  ' 

DER  SCHULARZT. 

Unteb  besonpebeb  Mitwibkung 
VON  HoFEAT  De.  P.  SCHUBERT  in  Nüenbeeg 

BEDIGIEET  VON 
#  • 

PBOFESSOB  DB.  FR.  ERISMANN  in  zübich. 


HAMBURG  mro  LEIPZIG, 

VEELAG  VON  LEOPOLD  VOSS. 

1903. 


Yerlagsaiutalt  und  Draokerei  Aotien-Gesellsohaft 
(Tonn.  J.  F.  Biohter)  in  Hamburg. 


Zeitselirift  für  Sclmlgesiiiidheitspflege. 

Inhalt. 


Originalabhandlungen. 

über  die  BesiehiiDgen  zwiBohen  körperlicher  Entwiokelnnff  und  Schulerfolg. 

Von  Dr.  med.  F.  A.  Schmidt  and  Hanptlehrer  H.  H.  LsssBinoH  in  Bonn      1 
Die  Aproaechia  nasalis  bei  Schulkindern.    Von  Dr.  J.  M.  C.  Mourov-Haag      7 


Wie  wird  die  Sohulgesundheitspfiege  Gemeingut  der  Schale?  Von  Dr.  med. 

A.  Baus,  Seminararzt  in  Sohwäb.-Qmund 10 

Begierangsbesohlüsse  betrefft  Beinhaltung  der  Schulen  in  Norwegen.   Von 

M.  K.  H&kovsov-Hanbbv,  Lehrer  und  Obaenrator  in  Trondl^'em 16 

Die  Bntwiokelung  der  Sohularst-Inititution  in  Deutachland  und  der  Sohulant 

in  Rostock.    Von  Dr.WsxBoBtock 68.168 

Über  die  Gefährlichkeit  der  Schultinte.  Von  Dr.  med.  B.  HxTMAxir,  Aanitent 

am  hygiemschen  Institut  zu  Breslau 81 

Die  „Nürnberger  Schulbank''  und  die  j^Bettigbank".    Von  Oberbaurat  a.  D. 

W.  BKCTio-München 88 

Erwiderung  auf  die  obenstehenden  AusfShrungen  des  Herrn  Bsttig.    Von 

Ingenieur  Sichslstibl  und  Dr.  med.  SoHUBBBT-Nürnberg 92 

Ober  Schulturnen  und  freie  Leibesübungen.    Von  C.  Maül,   Direktor  der 

Groläherzogl.  Badisohen  Tumlehrerbildungsanstalt  in  Karlsruhe 189 

Die  Geanndheitslehre  in  der  preufsischen  Volksschule.    Von  Cabl  Biohtbb- 

Strausberg ; 143 

Weitere  Materialien  zur  Statistik  der  SchulTersaumnisse  und  ihrer  Ursachen. 

Von  Direktor  Emaxukl  BAYBpWien 165 

Der  Handarbeitsunterricht  yom  augenSrztlichen   Standpunkt.     Von  Dr.  E. 

H.  Opfbnhbdgbr,  Augenarzt  in  Berlin 211 

Das  Schulgebaude   und   seine  Einrichtung  in   Frankreich   und  in  Elsals- 

Loihringen.    Von  Dr.  med.  Alfbbd  Kuhn,  prakt.  Arzt  zu  Strafsburg- 

Nendorf 217.  278.  448.  686 

Die  orthopädischen  Übungen  im  k.  k.  Offizierstöchter-Erziehungs-Institut 

zn  Hemals  in  Wien.  Von  Prof.  J.  Pawbl,  Universitätslehrer  in  Wien  271 
Warme  Fufse  in  der  Schule.  Von  H.  Pla.cc,  Journalistin  in  Berlin- 
Friedrichshagen  847 

Staubbindende  ^iTsbodenöle   und    ihre  Verwendung.     Von   Dr.  Enobls. 

(Ans  dem  Institute  für  Hygiene  und  experimentelle  Therapie  zu  Mar- 

borg.    Abteilung  für  Hygiene.    Vorstand  Prof.  Bonhoff) 849 

Zur   Hygiene    des  Ünterrichtsplans.     Vortrag    im   Ärztlichen   Verein   zu 

Nürnberg  am  6.  MSrz  1908.    Von  Dr.  med.  Bichard  Landau,   städt. 

Schularzt  in  Nfirnberg 878 

a» 


1 


IV 

8«lt« 

Aoge  und  Kaust  in  der  Schale.  Von  KreiBarzt  Dr.  H.  BERGBR-Hannover.  433 
Ober  die  Reinigung  der  Volkisobalklassen  (Betrachtangen  and  Materialien). 

Von  Dr.  med.  Moritz  FüRST-Hambarg 441.  545 

Schalpantoffeln  in  Amsterdam.  Von  Dr.  med.  J.  M.  C.  MouTOK-Haag. . . .  531 
Über  Verletzan|fen  des  Aages  und  Schaltinte.    Von  Dr.  E.  H.  Oppbnhiimsr, 

Augenarzt  m  Berlin 533 

Kleine  Schalklassen.    Von  C.  Riohter  in  Strausberff 615 

Ein  Beitrag  zur  Frage  über  die  Anwendung  der  staubbindenden  Fufsboden- 

öle  für  Schnlraume.   Von  fl.  Sohmbrl,  Oberlehrer  der  Mittelschule  für 

Mädchen  zu  Darmstadt 621 

Zur  Statistik  der  Nervosität  bei  Lehrern.    I.  Beitrag  von  Dr.  Balf  Wich- 

MAKK,  Nervenarzt  in  Bad  Harzburg 626.  696.  776 

Epidemische  Augenentzündungen  in  Schulen.    Von  Dr.  W.  Fbilchsnfbld 

in  Gharlottenburg 677 

Die  Unternehmungen  des  Vereins  für  Ferien  -  Wohlfahrtsbestrebungen  in 

Hamburg.    Von  W.  Hsnz  in  Hamburg 683 

Ein  Beitrag  zur  Schulgesundheitspflege.  Von  Dr.  Carl  HsvKio-Leipzig  . .  751 
Über  die  zweckm&fsige  Einrichtung  von  Schularztstellen  in  Städten  mittlerer 

Gröfse.    Von  Dr.  med.  WBX-Lübeck 756.  856 

Landerziehungsheime  gegen  die  Tuberkulose.  Von  Dr.  Georq  Libbb,  Heil- 
anstalt Waldhof,  Elgershausen 770 

Das  Nationalkon  vikt  in  Tivoli,  schulhygienisch  beleuchtet.  VonDr.med.etphil. 

L.  KoTBLMANV-Hamburg 849 


Ans  Versammlungen  und  Vereinen. 

Seite 

Die  Notwendigkeit  der  Schulärzte.    Von  Dir.  E.  B^YR-Wien 19 

Der  Leipaer  Jugendspielplatz  und  die  Pflege  der  Jugendspiele.  12.  Jahres- 
hauptversammlung des  „Vereins  zur  Gründung  und  Erhaltung  von 
Jugendspielplätzen  in  Leipa*'.    Mitget.  von  Jos.  Jüst,  Schriftführer  . .     21 

Internationale  Tuberkulosekonfereoz  in  Berlin,  Oktober  1902.  Aus  einem 
Vortrage  von  Sanitätsrat  Dr.  Obbrtüschbn 23 

Zur  Sprachpflege  in  den  Nebenklassen.    Aus  einem  Vortrage  von  Dr.  med. 

GuTZMANN-Berlin 24 

Ursache  und  Verhütung  der  Tuberkulose  mit  besonderer  Beziehung  auf  die 
Schulverhältnisse.  Aus  einem  Vortrage  von  Dr.  J.  Rühbmank  im 
Berliner  Verein  für  Qesundheitspflege 24 

Volks-  und  Schulbäder  in  Holland.  Aus  den  Verhandlungen  des  am 
13.  September  1902  im  Kurhause  von  Scheveningen  eröffneten  Kon- 
gresses über  die  Einrichtung  und  den  Betrieb  von  Volks-  und  Schul- 
bädem 95 

Über  die  verschiedenen  Formen  von  Jugendfürsorge  in  Duisburg.  Bericht, 
erstattet  vom  Schriftführer  des  Vereins  für  Jugendfürsorge  in  der 
Sitzung  vom  22.  Oktober  1902 175 

Die  Leibesübungen  auf  den  Hochschulen.  Nach  einem  vor  der  „Qesell- 
schaft  für  wissenschaftliche  Gesundheitspflege  in  Zürich^  von  Seminar- 
lehrer J.  Spühler  gehaltenen  Vortrage.    (Autoreferat) 236 

Zur  Schularztfrage.  Vortrag,  gehalten  von  Pro£  A.  Schattenvroh  in  der 
Vollversammlung  der  Osterreichischen  Gesellschaft  für  Gesundheits- 
pflege (Monatsschrift  für  Gesundheitspflege,  1902,  No.  11) 298 

Der  vierte  Verbandstag  der  Hilfsschulen  Deutschlands  in  Mainz.  Von 
K.  BASBDOw-Hannover  und  Stadtschulrat  Dr.  Wehre  ahn,  L  Vorsitzender 
des  Verbandes  der  Hilfsschulen  Deutschlands 387 

Über  Anzeichen  beginnender  Nervosität  in  den  Schularbeiten  der  Kinder. 
Wamungssignale  für  die  Erziehung.  Vortrag,  gehalten  in  der  Leipziger 
Ortsgruppe  des  Deutschen  Vereins  für  Volkshygiene  am  24.  März  1^3 
von  Dr.  Spitznbb 395 


V 

8tlt« 

Die  Tierte  JabretYenftmmliing  des  Allgememen  denteohen  YereinB  för  Sohol- 
geeimdheitepflege  am  2.  und  8.  Juni  1908  in  Bonn.  Bericht  Ton  Dr. 
Rudolf  Abbl,  SegiemngB-  und  Mediiinalrat  in  Berlin 468 

Der  Anteil  der  Yolkssohole  an  der  Yolksgerandheitspflege.  Vortrug,  ge- 
halten an  der  Qeneralyersammlung  der  Provinzialyereine  rheinisoher 
nnd  westfälischer  Lehrerinnen  am  18.  April  1903  Ton  FrL  Kobtk- 
Bochnm 667 

Die  Titigkeit  der  Mediainalbeamten  anf  dem  Gebiete  der  Schulhygiene. 
Vortrag,  gehalten  an  der  amtlichen  Yersammlni^  der  Mediiinalbeiunten 
des  Beg.-Bes.  Minden  am  20.  November  1902  von  Kreisant  Dr. 
ScHLüTSB-Oütersloh  (Zeiiachr,  f.  Mtd.-BecmU,  1908,  No.  12) 569 

Die  Tierte  Jahresversammlnng  der  Schweiserischen  Oesellsdiaft  för  Schal- 
gesnndbeitspflege  am  16.  n.  17.  Mai  in  Schaffhaosen.  Yon  Dr.  med. 
KniLvr-Zürich 682 

Sechster  Dentscher  Kongreis  fSr  Yolks-  und  Jngendspiele  yom  5. — 7.  Juli 
1903  ZQ  Dresden.  Nach  einer  Mitteilong  yon  Studiendirektor  Professor 
BATDT-Leipsig,  Geschäftsführer  des  Zentralansschnsses 705 

Die  lY.  schweizerische  Konferenz  für  das  Idiotenwesen  am  11.  und  12.  Mai 
1903  in  Luzem.    Yon  Dr.  med.  KBAFT-Ztirich 788 

Die  Schule  im  Kampfe  gegen  den  Alkoholismus.  Yortrag,  gehalten  von 
W.  Weiss,  Sekundarlehrer,  in  der  Yersammlung  des  Schweizerischen 
Yereins  abstinenter  Lehrer  und  Lehrerinnen  bei  Anlals  des  XX.  Lehrer- 
tages 10711.  JuH  1908 793 

Die  Stellung  des  Knabenhandarbeitsunterrichts  im  Erziehunffswesen  Deutsch- 
lands und  anderer  Länder.  Yortrag,  gehalten  von  Dr.  A.  Pabst  in 
der  Hauptversammlung  des  deutschen  Vereins  für  Knabenhandarbeit 
zu  Bremen  am  8^4.  Oktober  1903.    Mitget  von  C.  v.  SoHBNCKXHDOBrf- 

..     Gorütz 794 

über  die  Wirksamkeit  der  Sektion  unffarischer  Schulärzte  und  Lehrer  der 
Hygiene  im  Jahre  1900—1902.  Von  Dr.  W.  Gbnxbsioh,  Assistent  am 
hygienischen  Institut  zu  Budapest 878 

Warum  müssen  besondere  Sohulaugenärzte  angestellt  werden?  Yortrag 
und  Diskussion  in  der  hygienischen  Sektion  der  Schlesisohen  G^ell- 
schafl  am  29.  April  1908 881 


Kleinere  Mitteilungen. 

86lt« 

Fragebogen   über   die  Schulanfänger   der  konfessionell-gemischten  Yolks- 

schule  zu  Frankenthal  (Pfalz) 26 

Die  FSrsorge  für  mittellose  Schulkinder  in  Gtenf 27 

Desinfektion  von  Schulbüchern  in  Amerika 28 

über  einen  eigenartigen  Fall  von  hysterischer  Stimmlosigkeit  bei  einem  Kinde, 

von  Dr.  P.  BaiD« 29 

Die  traurigen  Schulzustände  in  der  Provinz  Posen 29 

Eine  Lungenheilstätte  f or  Lehrer  und  Lehrerinnen  in  Frankreich 29 

Ferienkolonie  für  Studenten  in  Ungarn.    Mitget  von  Max  Gutticamk  ....  30 

Zu  den  Frequenzverhältnissen  der  Ikarliner  Yolksschulen 80 

Über  den  Miisbrauch  des  Tabakranchens  unter  Schulkindern  in  Holland . .  80 

Der  Yerein  zur  Beköstigung  bedürftiger  Schulkinder  in  Dresden 81 

Die  Kindersanatorien  in  Kopenhagen  und  Umgebung 31 

Kinderarbeit  in  Amerika,  von  Dr.  P.  F.  Barbous 31 

EindervolkskSchen  Berlins 31 

^e  städtische  Schulzahnklinik  in  Strafsburg 32 

Über    die   Beziehungen   zwischen   Brmödung,    Raumsinn    der   Haut   und 

Muskelleistung 97 

Die  Messung  der  Helligkeit  von  Arbeitsplätzen  in  Schulen 100 

Die  Karre  als  Feind  der  Kindergesundheit 101 


VI 

Seite 

Über  die  Bedeutung  der  Erziehang  und  Belehrung  für  die  Prophylaxe  der 

yenerisohen  Krankheiten 102 

Die  Desinfizierung  Ton  Schulbüchern 102 

Eine  neue  Ventilationseinrichtung  für  Schulzimmer 102 

Über  Eohlenoxydyergiftung  in  einer  Schule 103 

ScJiule  und  Alkohol.    Yorschläge  des  Schweizerischen  Vereins  abstinenter 

Lehrer  und  Lehrerinnen 104 

Untersuchung  der  Zähne  bei  Schulkindern 105 

Tuberkulöse  Belastung  und  Obrenkrankheiten  bei  Schulkindern 105 

Über  die  schädlichen  Folgen  allzufrühen  Schulbesuchs 106 

Über   die    Bedeutung   der    Übung    der   linken   Hand.      Mitget.   von   Dir. 

E.  BATB-Wien , 178 

Schwimmunterricht  für  Hamburger  Volksschüler 179 

Ein  hygienischer  Fortbildungskursus  für  Leiter  und  Lehrer  höherer  Lehr- 
anstalten    179 

Errichtung  von  Erholungsstätten  für  Kinder  in  Osterreich 179 

Eine  Vereinigung  abstinenter  Studenten  in  Heidelberg 180 

Die  hygienische  Ausbildung  der  Lehrer 180 

Die  Zahnkaries  —  eine  Volksseuche.    Mitget.  von  Dir.  E.  BATB-Wien.. . .  180 

Eine  Erholungsstätte  für  kranke  Kinder 181 

Eine  eigentümliche  Motivierung  für  die  Notwendigkeit  der  Schulärzte  ....  181 

Über  Schwachsinnigen-Erziehung 181 

Die  Vertikalsohiebfenster  für  Schulen 182 

Das  Bauchen  der  Schulkinder 188 

Augenkrankheiten  in  New  Torker  Schulen 184 

Kinderausbeutung  in  Schweden 184 

Der  12.  Kursus  für  Mädchentumen  in  Winterthur  (Schweiz) 184 

Über   Schulgebäude   und   Lehrerwohnungen   zu    Anfang   des   neunzehnten 

Jahrhunderts 184 

öffentliche  Fürsorge  für  stotternde  Schulkinder 239 

Über  Unterricht  und  Erziehung  schwachsinniger  Kinder 239 

Über  die  Fortschritte  der  Schnlgesundheitspüege  in  Braunschweig 240 

Die  Hörfähigkeit  der  Schulkinder 240 

Schwachbeföhigt«  in  New  Yorker  Schulen 241 

Fürsorpre  für  kränkliche  Schulkinder  in  Posen 241 

Vor  Witterungseinflüssen  geschützter  Spielraum  für  Schulkinder 241 

Gtegen  die  Schleppe  in  den  Schulen 242 

Ohrenkrankheiten  bei  Schulkindern  in  England 243 

Bekämpfung  des  Alkoholismus  durch  die  Schule.    Mitget.  von  J.  Petebsbv- 

Kiel 243 

Das  Gesetz,  betreffend  gewerbliche  Kinderarbeit  in  Deutschland 245 

Über   die   Erfolge   der   Behandlung   erholungsbedürftiger   Kinder   in   den 

Hamburger  Kinderheilstätten  im.  Jahre  1902 * 300 

Über  die  Verwendung  von  Dustless-Öl  in  Schulzimmem 302 

Über  die  Benutzung  des  Schulbrausebades  in  den  städtischen  Schulen  zu 

Plauen  i,  V.  und  Glauchau 303 

Die    Schule    für   zurückgebliebene    Kinder    in   Amsterdam.     Mitget.   von 

Dr.  med.  J.  M.  C.  MoDTON-Haag 303 

Gegen  die  kritiklose  Anwendung  von  orthopädischen  Apparaten  bei  Rück« 

gratsverkrümmungen.    Mitget.  von  Dir.  E.  Bat»- Wien 303 

Aufruf  eines  Schularztes  an  die  Lehrer.    Mitget.  von  Dr.  H.  Kopoztkski, 

Schularzt  in  Warschau 304 

Zahnpflege  in  den  hamburgischen  Volksschulen 306 

Gesundheitsverhältnisse  und  körperliche  Entwicklung  der  Volksschulkinder 

in  Dresden 306 

Die  Segnungen  eines  Bade-  und  Erholungsaufenthaltes 306 

Augenkranke  Schulkinder  in  Posen 307 

Steilschrift  in  den  Schulen  Kroatiens  und  Slavoniens.    Mitget.  von  Dir.  £. 

BAYB-Wien 308 

Antrag,  den  Volkssohulkindem  freies  Frühstück  zu  gewähren 308 


vn 

Balte 

Über  die  Verlegung  der  Sommenchtdferien  in  Wien 396 

Bin  medizinisch  -  padagogiaohei  Instiint.     Mitget.  von  Dr.  med.  J.  M.  C. 

^     MouTov-Haag , . . ,  898 

Über  die  Steilschrift  nnd  das  Verhältnis  der  Lehrer  zu  derselben 399 

Klage  eines  Ostprenlsen  aber  fehlende  Schnlzimmerventilation 400 

Zor  Heform  des  Handarbeitsunterrichts  far  Madchen  in  den  Schalen 401 

Die   Fafsboden   und   die  Schulzimmer  Kassels.    Mitget  von  Stadtschalrat  ! 

Dr.  BoBinuiiKvKassel 401 

Gegen  das  Prafungswesen  und  besonders  segen  die  Entlaasungsprüfungen 

an  öffentlichen  Lehranstalten  in  ihrer  heutigen  Form 401 

SrziehuDgsanstalten  auf  dem  Lande 403 

Landerziehungsheime  (Manaisadirift  für  Oeaundheitspflege,  1908,  Kp.  8)  . .  404 

Neue  Untersuchungen  über  das  Schulkopfweh , 405 

Speisung  von  Sohuikindem  in  Nürnberg , . , , 405 

Ist  der  Unterricht  im  Turnen   eine  leiditere,  angenehmere  Arbeit  als  der 

wiasenscbaftüche?    Mitget.  von  Dr.  W.  GsNUSiOH-Budapest 492 

Zur     Elimiuierung    gMundheitsschädlicher   Einflüsse    des   Schulgebfindes. 

Mitget  von  Dr.  W.  GENBRSiCH-Budapest 493 

Besondere  Leibesübungen  für  engbrüstige  Kinder 494 

Ferien-  und  Stadtkolonien  in  Zwickau 494 

Schale  und  körperliche  Erziehung  in  Schottland.  Mitget.  von  Dr.  Sievbuho- 

fiamburg 495 

Ein  Baftpflichtfall  vor  Gericht 496 

Zur    Frage   der   Sputumbeseitigung  in   der  Schule.    Mitget.  von  Dr.  Lxo 

BüBOBBSTHN-Wien » 496 

Ünbewuiste  einseitige  Gehörschwfiche.    Mitget.  von  Dr.  SiivKKiNQ-Hamburg  497 

Über  MiTsstfinde  der  Schnlbedfirfnisanstalten  in  Berlin 498 

Organisation  der  Zahn-  und  Mundpflege  in  den  Schulen 499 

Zur  Hebung  der  Körperpflege  in  der  Mädchenvolksschule 499 

Die  Veranstaltung  internationaler  Kongresse  far  Schulhygiene 600 

Über  die  Frage  der  Maturitätsprüfung  an  den  österreiehischen  Mittelschulen. 

Mitget.  von  Dir.  E.  BAYE-Wion BOO 

Über  die  Fürsorge   für  schwachsinnige  Kinder  in  Bayern   {Münch.  med» 

Woehenschr.j  1903,  No.  22) BOO 

Die  Beinigung  der  städtischen  Schulen  in  Berlin 501 

Sorge   für  die  Zähne  der  Schulkinder.    Mitget  von  Frau  Dr.  Mausizio- 

Zürich 602 

Mehr  Klassenwanderungen  als  bisher 572 

Die  Beschaffang  von  Verbandskästen  für  Schulen 572 

Alkohol  und  Schule 572 

Die  Ferienkolonien  in  Leipzig 573 

Die  Beaufsichtigung  der  Schulen  und  das  neue  englische  ünterrichtsgesetz  674 

Ferienkolonien  in  Basel 575 

Goeducation  oder  Geschlechtertrennung? 675 

Über  die  Unterrichtspansen  an  den  Österreichischen  Mittelschulen 676 

Mängel  der  körperlichen  Erziehung  in  England 677 

Schulbäder  in  Posen 578 

Wechsel  der  Fufsbekleidung  in  der  Schule  (Deutsche  Warte) 579 

Die  Schule  im  Dienste  der  öffentlichen  Wohlfahrt 679 

Die  New  Yorker  Erziehungsanstalt  für  Verbrecher 679 

Das  Kindersanatorium  in  Bed  Bank 580 

Die  Förderung  der  Volks-  und  Jagendspiele 641 

Die  Verwendung  der  Kinder  zum  Kehren  und  Beinigen  der  Schulzimmer.  642 

Über  die  Hilfsschulen  Deutschlands 642 

Gegen  die  Kinderausbeutang  durch  die  Industrie 643 

Über  das  Stottern  als  seelische  Hemmungserscheinung 643 

Der  österreichische  Verein  zur  GMndung  und  Erhaltung  von  Erholungs- 
und Feierabendhäusem  für  Lehrerinnen.    Mitget.  von  Dir.  E.  Bats^ 

Wien 644 

Die  Badeverhältnisse  der  Volksschulkinder  in  Greifswald 707 


vm 

Seit« 

Staubfreie  Tornhallen 707 

Ein  Krtippelheim  in  Holland.    Mitg.  Ton  Dr.  MonroN-Haag 708 

Häufigkeit  der  Sehstorungen  bei  I^brerinnen.    Mitget.  Ton  Dr.  H.  Wioh- 

MANV-Harcbarg 708 

Über  die  Erziehung  körperlich  minderwertiger  Kinder  in  London.   Mitget. 

von  Dr.  SDsyvKiHG-Hamburg 709 

Anweisungen  über  das  Verhalten  bei  geistiger  Arbeit.    Mitget.  von  G^ym- 

nasiallehrer  H.  E.  HAss-Kopenbagen 711 

Mangelnde  Zahnpflege  in  englischen  Schulen 712 

Statistische  Erhebungen  in  höheren  Schulen  durch  Herrn  Prof.  Dr.  med. 

et  phiL  GsiESBAOH  in  Malhausen  (Eisafs) 795 

Schularzt  und  Elternhaus 799 

Die  Frage  der  Sohulzahnärzte 799 

Eine  Schulbadestunde 800 

Über  Hefblage  und  Schriftrichtung 802 

Über  den  zweckmäfsigsten  Belag  der  Schulhöfe 803 

Stammlerkurse  in  Düsseldorf 882 

Ereisschulinspektion 882 

Die  Untersuchung  der  Schulkinder  auf  Schwerhörigkeit  ist  ein  dringendes 

Bedürfiiis 882 

GefahrUche  Bleistifte 883 

Preulsisches  Schuldend •  • .  883 

Der  Austausch  yon  Schülern  zwischen  den  verschiedenen  Eiassen  der  Hilfs- 

schule 883 

Über  die  Haftpflicht  der  Lehrer 884 


Tagesgeschiohtliohes. 

Seite 

Die  Beinignng  der  Schulzimmer 32 

Gerichtshöfe  zur  Aburteilung  von  Kindern  in  New  York 33 

Kinderelend 33 

Ein  Kinderbrausebad 33 

Zulassung  der  Mädchen  in  Gymnasien,  Realgymnasien  und  Realschulen ...  33 

Vereinigung  abstinenter  Studenten  in  Tübingen 83 

Die  Einführung  von  Unterricht  über  den  Antialkoholismus 84 

Vorträge  über  Ghesundheitslehre  in  höheren  Lehranstalten 34 

Zahnärztliche  Poliklinik  für  Volksschulkinder  in  Darmstadt 34 

Gesetz   über  die  Erziehung  und  den  Unterricht  nicht  vollsinniger  Kinder 

im  Grofsherzogtum  Baden 34 

Eine  Preisangabe  für  die  Errichtung  von  Fortbildungsschulen  für  junge 

Mädchen.    Mitget.  von  Dr.  med.  AxMANN-Erfurt 107 

Sine  neue  schulhygienische  Zeitschrift 107 

Hygienische  Unterrichtskurse  für  Lehrer 108 

Hygienische  Spucknäpfe  in  den  Wiener  Schulen.    Mitget.  von  Dir.  E.  Batb- 

Wien 108 

Hilfsschule  für  schwachbefabigte  Kinder 108 

Jugendfürsorge  in  Breslau 108 

Schutzhalle  auf  dem  Schulhofe 109 

Gänzliche  Abschaffung  der  Trinkgefäfse 109 

Die  Trachomerkrankungen  in  den  New  Yorker  Schulen 109 

Zum  4.  Verbandstag  der  Hilfsschulen  Deutschlands  in  Mainz 186 

Deutscher  Verein  für  öffentliche  Gesundheitspflege 186 

Volks-  und  Jugendspiele  in  Deutschland  1903 186 

Über  Erziehung  und  Schule  im  Kampfe  gegen  den  Alkobolismus 187 

Die  schweizerische  Gesellschaft  für  Schulgesundheitspflege 187 

Diphteritis-Epidemie  in  Harlem  (Illinois) 187 

Frauen  in  den  Schulbehörden 187 


IX 

Schulhygienische  Venammlang  der  inte  and  Lehrer  der  Moskauer  Land- 
schaft    188 

Schlechte  SchtÜTerhältnisse  im  Staate  Quebec  (Ganada) 188 

Zur  Forderung  der  Zahnpflege  bei  Schulkindern 188 

Die  Schulmisöre  in  Rixdorf 188 

Über  den  praktischen  Wert  der  einzelnen  Schulbanksysteme 189 

Über  Bekämpfung  des  Alkoholismus  durch  die  staatlichen  Unterrichts-  und 

Erziehungsanstalten  in  der  Schweiz 189 

Reduktion  des  Lehrstoffes  in  den  Primarschulen 189 

Der  9.  internationale  Kongrefs  gegen  den  Alkoholismus  in  Bremen 246 

JnitiatiYbegehren  auf  Reduktion  der  täglichen  Schulzeit 246 

Bildungsanstalt  für  sdiwaohsinnige  Kinder  beider  Konfessionen 246 

Fnnorge  für  die  infolge  Austrittes  aus  der  Schule  Tom  Armenetat  entlassenen 

Kinder  im  Kanton  Bern 246 

Ferienkursus  über  Schulhygiene.    Mitget  von  Prof.  Bbbkhxim 246 

Znohtagungsrecht  der  Lehrer :  246 

Zu  Ounsten  des  Schulranzens 246 

Fürsorge  für  skrophulose  Schulkinder  in  Straisburg 247 

SchulgesundheitspAege  in  Oberfranken 247 

Der  Gesundheitszustand  der  Dresdener  Schulkinder 247 

Haftpflicht  der  Stadtgemeinde  gegenüber  Schulkindem 247 

Zusammenwirken  von  Ärzten  und  Lehrern  zur  Hebung  des  Gesundheits- 
zustandes der  Schuljugend , 248 

Berliner  Verein  für  Schulffesundheitspflege 248 

Pflegeschwestem  an  öffenüichen  Schulen  in  New  York  und  Brooklyn 248 

Weibliches  Pflegepersonal  für  die  Schule  in  London 248 

Die  erste  hessische  zahnärztliche  Poliklinik  für  Volksschulkinder 248 

Sine  Ausstellung  auf  dem  Gebiete  der  Schulgesundheitspflege  in  Dresden.  248 
Beseitigung  der  Mithilfe  der  Kinder  an  der  Reinigung  der  Schulhäuser  . .  249 

Aufnahme  von  Mädchen  in  das  kantonale  G^ymnasium  in  Zürich 808 

Schulärzte  in  Berlin 808 

Einrichtung  von  Sommerwohnungen  für  arme  Kinder 808 

Neuwahl  des  Leiters  der  körperlichen  Ausbildung  der  New  Yorker  Schuljugend  309 

Scharlach-Epidemie  in  Boston 809 

Podcenkrankheit  in  Edinboro 309 

Zur  Frage  der  Einrichtung  eines  zahnärztlichen  Dienstes  in  der  städtischen 

Volksschule  in  Markiroh 809 

Kampf  mit  dem  Schulstaube 309 

Gegen  den  Schulstaub 309 

Das  Schulbad  in  Gera 809 

Gieichlegung  der  Ferien 309 

Antrag  auf  Anstellung  besonderer  Ziüinärzte  für  Schulkinder 310 

Unterweisung  der  Volksschulkinder  in  Zahnpflege 310 

Die  Granulöse  in  den  Volksschulen  Ostpreauens 310 

Internationale  Ausstellung  far  physische  Erziehung 310 

Ferienkolonien  in  Hamburg 310 

Eine  neue  Tintentafel 310 

Tabakrauchen  und  Schule 311 

Fürsorge  für  schwachbefähigte  Schulkinder  in  Charlottenburg 311 

IV.  Jahresversammlung   des   Allgemeinen   Deutschen   Vereins   für  Schul- 
gesundheitspflege in  Bonn  405 

Reorganisation  der  Milchkuren  in  Zürich 406 

Eine  Denkschrift  des  Schweiz.  Vereins  abstinenter  Lehrer  und  Lehrerinnen  407 
Pflegeanstalt  für  geistesschwache,  bildungsfähige   „blödsinnige'  Kinder  in 

Zürich 407 

Fragebogen  über  den  Gesundheitszustand  der  neueintretenden  Schulkinder 

in  Düsseldorf 407 

Das  Verbot  des  Spielens  der  Kinder  in   den   Öffentlichen  Gartenanlagen 

Wiens 408 

Das  New  Yorker  Hospital  für  verkrüppelte  Kinder 408 


X 

8«it« 

Messnngen  des  Tageslicht^  in  den  Schalen  Glevelands « 409 

Eine  £nqaSte  über  die  Zahnpflege  der  Volkssohüler 409 

Mafsregeln  gegen  die  Weiterverbreitung  der  Tuberkulose  in  der  Schule . .  409 

Ein  neues  Gesetz  gegen  Kinderarbeit  in  Amerika 410 

Ein  Protest  gegen  Hausarbeiten  für  die  Schule 503 

Bleistifte  als  Diphterieverbreiter 503 

Ferienausflüge  in  Sohöneberg 503 

Ferien-Stottererkolonie  für  städtische  Volksschulkinder  in  Zürich 503 

Die  sanitäre  Bedeutung  der  „ Lichtlinien **  der  Schreibhefte 603 

Ober  die  Bildung  von  Fähigkeitsgruppen  in  den  Volksschulen  der  Stadt 

Zürich 504 

Wie  erhält  man  sich  gesund  und  erwerbsföhig? 504 

Untersuchung  des  Wassers  in  Schulbrunnen 504 

Die  neuesten  schulärztlichen  Untersuchungen  in  den  städtischen  Schulen 

Berlins 605 

Ein   Jugendferienhort  in  Zürich  • 505 

Die  Nichteinführung  des  Handarbeitsunterrichtes  in  der  fünften  Mädchen- 
klasse zu  Glückstadt 605 

Aufruf  zur  Gründung  internationaler  Kongresse  für  Schulhygiene 580 

Aufsätze  über  den  Alkohol  in  die  Lesebücher  aufzunehmen 584 

Belehrung  der  Schulkinder  über  den  Schaden  des  Alkoholgenusses 584 

Trinksitteureform  in  der  Studentenschaft 585 

Einfiufs  der  Mütter  auf  den  Alkoholgenufs  der  Kinder 585 

Eine  sehr  vernünftige  Verfügung  über  die  Schulpausen 586 

Sexualhygienische  Unterweisung  für  Fortbildungsschüler 586 

Die  Lage  der  Londoner  Volksschulkinder 586 

Städtische  Schulzahnkliniken  in  Stralsburg,  Darmstadt  und  Essen 587 

Der  Keuchhusten  in  Leipzig 587 

Kursus  über  Moralpädagogik  in  Zürich 587 

Organisation   des  ersten  internationalen  Kongresses  für  Schulgesundheits- 
pflege   644 

Über   die   zahnärztliche   Poliklinik   des   Vereins   hessischer   Zahnärzte   zu 

Darmstadt 644 

Eine  neue  Zürcherische  Pflegeanstalt  für  bildungsunfähige,  blöde  Kinder  .  646 

Dr.  RioHABD  Landau  f , 7\2 

Schulhygienische  Vorlesungen  in  Hamburg 712 

Freie  Fahrt  für  Schulwanderungen 712 

Der  erste  hellenische  Erziehungskongrefs 712 

Sommerpflege  für  schwächliche  schulentlassene  Kinder 713 

Hilfsklassen  für  schwachsinnige  Kinder  im  Haag.   Mitget.  von  Dr.  Mouton- 

Haag 713 

Schulbäder  in  Landschulhäusern 713 

Einführung   eines   zahnärztlichen   Dienstes  in   den  städtischen  Elementar- 
schulen in  Markirch 714 

Über  die  Gefahr  des  Alkoholgenusses  und  die  j^ufgabe  der  Schule  an  der 

Bekämpfung 714 

Badeeinrichtungen  in  den  Liegnitzer  Schulen 714 

Über  körperliche  Züchtigung  in  englischen  Schulen 714 

Förderung  der  Augenuntersuchungen  an  Schulen 715 

Ausstellung  über   die   Hygiene   des   Kindesalters,    Kleidung,    Schul-   und 

Unterrichtswesen  in  St.  Petersburg 715 

Neues  Realschulgebäude  in  Sonneberg 715 

Unentgeltlicher  Heilkursus  für  stotternde  Kinder  in  Wandsbek 715 

Erhebung  über  die  Schulgebäude  in  Preufsen «  715 

Gesundheitsregeln  für  Schulkinder  im  Grofsherzogtum  Weimar 803 

Die  gesundheitliche  Überwachung  der  Schulen  in  Preulsen  durch  besondere 

Schulärzte 804 

Neues  Lehr-  und  Erziehungsinstitut  für  Mädchen 804 

Besprechung  über  die  Zahnpflege  der  Volksschüler  in  Österreich 805 

Transportable  Schnlpavillons  in  Berlin 80& 


XI 

MI« 

Gesiindlieitspfiege  im  VolluschalimteiTioht 806 

Städtische  SobulsahnSrete  in  St.  Petenbnrg 806 

Forsorge  für  geistig  zarüokgebliebene  Kinder  in  Berlin 806 

Xnrse  far  stotternde  Kinder  der  Qemeindeschulen  in  Berlin 885 

Unterbringung  von  Stadtkindern  auf  dem  Lande 885 

Beqneme  Beinigang  der  Schalzimmer 885 

Untenochnng  der  Zahne  sämtlicher  Schalkinder 885 

Klassen  für  geistig  znräckgebliebene  Kinder 885 

Ober  die  Fr^e  der  Be?aocination  der  Schalkinder  in  Mähren 886 

I.  Internationaler  KongreÜB  für  Schulhygiene  in  Nürnberg 887 


Amtliohe  Verfügnngen. 

8«ite 

Bestimmungen,  betreffend  Bekämpfung  der  Läosesucht  in  den  Volksschalen 

der  Stadt  Zürich,  vom  8.  Oktober  1902 34 

mit  Anleitung  an  die  Eltern,  betreffend  die  Bekämpfung  der  Läosesacht    85 

Erlais  über  ein  Sohulmaseum  in  Wien.    Mitget  von  Dir.  £.  BATB-Wien  .     36 

ErlaXs  des  Ministers  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinalangelegen- 
heiten, betreffend  Bau  und  Einrichtung  ländlicher  Yolksschulhäuser, 
vom  20.  Dezember  1902 109 

Die  Begnadigung  verurteilter  Jugendlicher.  Verordnung  des  österreichischen 
Justizministeriums  vom  25.  November  1902 112 

Bau  und  Einrichtung  ländlicher  Schulhäuser.   (Preufsen ) 249 

Kreisschreiben  der  Erziehungsdirektion  des  Kantons  Zürich  an  die 
Schalbebörden  und  die  Lehrerschaft  der  Primarschule,  betreffend 
die  Untersuchung  der  in  das  schulpflichtige  Alter  eingetretenen  Kinder 
auf  das  Vorhandensein  geistiger  *  und  körperlicher  Gebrechen,  vom 
27.  April  1903 410 

Desinfektion  von  Büchern  und  Schreibheften.  Rundschreiben  des  Bezirks- 
schulrates der  Stadt  Wien  vom  13.  Juni  1903 606 

Die  jährliche  Stoffverteilung  (Pensen Verteilung)  der  Volksschule  hat  auf 
Gegenstände,  wie  Bekämpfung  der  Trunksucht,  Gesundheitspflege,  wirt- 
schaftliche Verhältnisse  etc.,  Bücksicht  zu  nehmen.-  Rundschreiben 
des  preulsischen  Ministers  für  geistliche  etc.  Angelegenheiten  vom 
31.  Januar  1903 506 

Brlafs  des  Ministers  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinal- Angelegen- 
heiten, betreffend  die  Abhandlung  des  Frauenarztes  Dr.  Julius  Kbibb 
„Wie  sollen  sich  unsere  jungen  Mädchen  kleiden ?**  vom  17.  April  1903. 
preufsen) 588 

Beschfliffenheit  der  in  den.  Schulen  gebrauchten  Hefte 588 

Ober  den  Wert  und  die  Stellung  der  Hausaufgaben  im  Erziehungs-  und 
Unterrichtsplane  der  allgemeinen  Volksschule.  Erlafs  des  Bezirks- 
sohuLrates  der  Stadt  Wien  vom  4.  Juli  1903 589 

Gesetz,  betreffend  Kinderarbeit  in  gewerblichen  Betrieben,  vom  30.  März 
1903 646 

Vergünstigungen  für  Schulfahrten  und  Ferienkolonien  in  Preufsen 716 

Regelung  der  Unterrichtszeit  und  der  Weihnachtsferien  an  den  Mittel- 
schulen in  Österreich.    Verordnung  vom  21f  August  1903 807 

Ennittelung  und  Feststellung  von  Typhuserkranknngen  bei  Schulkindern. 
Erlafs  des  preafsischen  Ministers  der  geistlichen,  Unterrichts*  und 
Medizinalangelegenheiten  vom  26.  August  1903 808 

Ausfertigrang  ärztlicher  Zeugnisse  zur  Begründung  von  Schulversänmnissen. 
Erlafs  der  k.  k.  Landesregierung  in  Kärnten  vom  25.  September  1902  890 


xn 


Literatur. 


Besprechungen.  ^^ 

R.  Landiv,  Nervöse  Schalkinder.    Von  Sanitatsrat  Dr.  ALTSOHOL-Prag  ...     87 
EsoHLB,  Das  Arbeitssanatorium.    Von  Fb.  FsxKZBL-Stolp  in  Pommern....     88 
JoHANNBS  BsBKDioBB,  Zwci  Elternabende  im  Dienste  der  Volks-  und  Schul- 
hygiene.   Von  Fr,  FBSNZXL-Stolp  in  Pommern 88 

M.  Fbabnkbl,  Die  20  histologischen  und  osteologischen  medizinischen  Staats- 
examen. Vorträge  mit  Berücksichtigung  der  zahnärztlichen  Prüfungs- 
aufgaben.   Von  Dr.  Eugbn  Müllxb,  Zahnarzt  in  Wädenswil 89 

A.  Spitznbb,    Die  pädagogische   Pathologie  im   Seminarunterricht.     Von 

Dr.  Baub,  Seminararzt  in  Schwäb.-Gmünd 115 

Fr.  SoHMiD,  Die  schulhygienischen  Vorschriften  in  der  Schweiz.    Von  Dr. 

Paul  SoHüBBBT-Nümberff 116 

H.  SuGK,  Die  Hygiene  der  Schulbank.  Von  Direktor  Ehanubl  BATB-Wien  . .  190 
Fb.  FftVNZBL,  Die  Organisation  der  Hilfsschule.  Von  Bektor  OBOTB-Hannover  193 
Bbbobb,   Kreisarzt  und  Schulhygiene.    Von  Kabl  Rollbb,   Oberlehrer  in 

Darmstadt 194 

St.  RüziOKA,  Studien  zur  relativen  Photometrie.   Von  Professor  W.  Pbaus- 

viTZ-Graz  252 

Aliob  Batbvhill,  On  the  Teaching  of  Hygiene  in  the  schools  and  Colleges 

of  the  United  States  of  America.    Von  Dr.  SiBYSEiNO-Hamburg  .....  252 
£.  VON  SoHBNKBNDOBFF  uud  F.  A.  ScHHiDT,  Jahrbuch  für  Volks-  und  Jugend- 
spiele.   Von  J.  SpüHLBB-Zürich 312 

E.  Jbssbn,  Zahnhygiene  in  Schule  und  Haus.  Von  H.  MiirBizio-Zürich  . .  318 
H.  Bbicbbnbach,  Ueber  den  Einfluis  der  Farbe  künstlicher  Lichtquellen  auf 

die  Sehschärfe.    Von  Dr.  A.  STBioBB-Zürich 814 

F.  ZoLLiNGBB,    Weltausstellung  in  Paris.     Bestrebungen  auf  dem  Gebiete 

der  Schulgesundheitspflege  und  des  Kinderschutzes.    Von  F.  Ebismank- 

Zürioh 411 

Pfibteb,   Die  Erziehung  und  Behandlung  seelisch  Belasteter  in  Haus  und 

Schule.    Von  ScHifin-MovNABD-Halle  a.  S 414 

J.  Kbebs,  Wie  sollen  sich  unsere  jungen  Mädchen  kleiden?  Von  Direktor 

Em ABUBL  BATB-Wien 414 

W.  Elbttb,  Erziehung  nerröser  und  nerros  beanlagter  Kinder.    Von  Dir. 

Emabübl  BATB-Wien 415 

P.  AM  Ebdb,  Das  Schulbrausebad  und  seine  Wirkungen.     Von  Dr.  Kbaft- 

Zürich 508 

WiLH.  Fbilohbkfbld,  Die  Gesundheitspflege  des  Auges  nebst  Batgeber  zur 

Berufswahl  für  Augenleidende.     Von  Dir.  Emabubl  BATB-Wien 509 

A.  Baub,  Lehrerkrankheiten.     Sonderabdruck   aus  A.  Baub,   Das   kranke 

Schulkind.    Von  Dr.  KBAPT-Zürich 590 

A.  Baüb,   Die  Ermüdung  der  Schüler  im  neuen  Lichte.    Von  Dr.  Kbaft- 

Zürich 592 

Giov.  Colombini,   La  Scrittura  diritta  in  Italia.     Von  Ph.  Mazakabini, 

Lehrer,  Wien 658 

König,  Ohrenuntersuchungen  in  der  Dorfschule.  Von  Dr.  LAüBi-Zürich . .  654 
A.  Baumoabten,   Neurasthenie,  Wesen,  Heilung,  Vorbeugrang.    Von  Wet* 

OABDT- Würzburg , 717 

J.  Pohl,  Das  Haar.    Die  Haarkrankheiten,  ihre  Behandlung  und  die  Haar- 

pflege.    Von  Dr.  HBuss-Zürich 718 

W.  Sabgbnt,  The  Evolution  of  the  Little  Ked  Sohoolhouse.  Von  Ober- 
lehrer Kabl  RoLLBB-Darmstadt 718 

0.  M.  WooDWABD,    A   new  Era  in  the  Public  Schools  of  St.  Louis.    Von 

Oberlehrer  Kabl  RoLLBB-Darmstadt 809 

W.  E.  Iqnatibff,  Die  elektrische  Beleuchtung  der  Schulzimmer  vom  sani- 
tären Standpunkt  aus  (russisch).    Von  F.  EaiSMAKN-Zärich 809 

Fb.  Frbbzbl,  Die  Hilfsschulen  für  Schwachbegabte  Kinder.    Von  H.  Graf- 

Zürioh 811 


xin 

Seite 

G.  Port,  Hygiene  der  Zähne  and  des  Mondes  im  gesunden  vnd  kranken 
Zustande.    Von  Dr.  STOPPAHi-Zärich 811 

H.  Th.  Mathjas  Hktbb,  Die  SchaUtitten  der  Zakonft  Von  Prof.  C.  Hm- 
TBiORB-Wien 892 

J.  J.  Grob,  Die  normalen  Körperhaltungen.  Beitrag  eot  Lösung  der 
Schulbank-  und  der  Sohriftfrage.    Von  F.  ERisiiAinr-Ziirieh 898 


Bibliographie. 
40.    194.    415.    609.    655.    813. 


Verzeiohnis  der  Mitarbeiter  im  Jahre  1908 XIII 

Sachregister 916 

Namenregister 923 


Verzeichnis  der  Mitarbeiter, 

welche  im  Jahre  1903  Beiträge  geliefert  haben. 


Abbl»  Rud.,  Dr.  med.,  Begiemngs-  und  Medisinairat  in  Berlin. 

AxMAjnr,  Dr.  med.,  Schularst  in  Erfurt. 

Basedow,  E.,  in  Hannover. 

Baus,   A.,  Dr.  med.,  Seminarlehrer  in  Schwab.-Gbnünd. 

Bayb,   Emahitsl,  Sohuldirektor  in  Wien. 

Bbbokji,  H.,  Dr.  med.,  Kreisarst  in  Hannover. 

BxBNHsnf,  Prof.,  in  Ghreifswald. 

BoBNMAHir,  Dr.,  Stadtschulrat  in  Kassel. 

BüROBBSTBiK,  Lbo,  Prof.,  in  Wien. 

Engbls,  Dr.  med.,  am  hyg.  Institut  in  Marburg. 

EaisMAim,  F.,  Prof.  Dr.  med.,  Vorstand  des  Gesundheitswesens  der  Stadt  Zürich. 

Feilchsnteld,  W.,  Dr.  med.  in  Charlottenbur^. 

Frxnzbl,   Fb.,    Leiter  der  stadt.   Hilfsschule   für   Schwachbegabte  Kinder  su 

Stolp  i.  P. 
FüBST,  Mobitz,  Dr.  med.  in  Hamburg. 
Gbnebsich,  W.,  Dr.  med.  in  Budapest  (hyg.  Institut). 
Gbap,  H.,  Lehrer  in  Zürich. 
Gbotb,  Bektor  in  Hannover. 

HIkonson-Haicssk,  M.  K.,  Lehrer  und  Observator  in  Trondlgem. 
Hass,  H.  E.,  Gymnasiallehrer  in  Kopenhagen. 
Henhio,  C,  Dr.  med.  in  Leipzig. 
Hbnz,  W.,  in  Hamburg. 
Hbüss,  Dr.  med.  in  Zürich. 

Hetmakv,  B.,  Dr.  med.,  Assistent  am  hygienischen  Institut  in  Breslau. 
HniTBAaBB,  C,  Prof.  in  Wien. 


XIV 

HoBBix,  H.,  in  Dofseldorf. 

Just,  Jos.,  Schriftführer  des  Vereins  zur  Qnindnng  und  Erhaltung  yon  Jugend- 

spielpIatEen  in  Leips. 
EopczTNSKiy  H.,  Dr.  med.,  Sohularst  in  Warschau. 
EoTELMAiTN,  L.,  Dr.  med.  et  phil.  in  Hamburg. 
Kraft,  A.,  Dr.  med.,  Schularzt  in  Zürich. 
Kuhn,  Alfr.,  Dr.  med.,  prakt.  Arzt  in  Strafsburg-Neudorf. 
LAin>AU,  RiOH.,  Dr.  med.,  Schularzt  in  Nürnberg. 
Laubi,  Dr.  med.,  Ohrenarzt  in  Zürich. 
LsssENiCH,  H.  H.,  Hauptlehrer  in  Bonn. 
LiBBE,  G.,  Dr.  med.,  Heilanstalt  Waldhof,  Elgershausen. 
Maul,  C,  Hofrat,  Direktor  der  Tumlehrerbildungsanstait  in  Karlsruhe. 
Maxtbizio,  Zahnärztin  in  Zürich. 
Mazakabini,  Ph.,  Lehrer  in  Wien. 
MouTON,  J.  M.  C,  Dr.  med.  in  Haag. 
Müller,  Eugen,  Dr.  med.,  Zahnarzt  in  Wadenswil-Zürich. 
Oppbnhbimbr,  E.  H.,  Dr.  med.,  Augenarzt  in  Berlin. 
Pawbl,  J.,  Prof.,  Üniversitats-Tumlehrer  in  Wien. 
Pbtbbsbn,  J.,  in  Kiel. 
Pfeiffer,  Dr.  med.  in  Weimar. 
Plack,  H.,  Journalistin  in  Berlin-Friedrichshagen. 
Plausnitz,  W.,  Prof.  in  Graz. 
Baydt,  Prof.  und  Studiendirektor  in  Leipzig. 
Bbttio,  W.,  Oberbaurat  a.  D.  in  München. 
Bichtbr,  C,  in  Strausberg. 
Roller,  K.,  Oberlehrer  in  Darmstadt. 
ScHBNCKENSoBFF,  E.  VON,  Reichstagsabgeordueter  in  Görlitz. 
ScHMBEL,  H.,  Oberlehrer  in  Darmstadt 
SoHMiD-MoNNARD,  Dr.  med.,  Kinderarzt  in  Halle. 
Schmidt,  F.  A.,  Dr.  med.  in  Bonn. 

ScHTTBBBT,  P.,  Dr.  med.,  Augen-  und  Ohrenarzt  in  Nürnberg. 
SiBYBKiNO,  Dr.  med.  in  Hamburg. 
Spühlbb,  J.,  Seminarlehrer  in  Zürich. 
Stbiobr,  A.,  Dr.  med.,  Augenarzt  in  Zürich. 
Stoppani,  Dr.  med.,  Zahnarzt  in  Zürich. 
Wbhbhahn,  Dr.,  Stadtschulrat  in  Hannover. 
Wez,  f.,  Dr.  med.  in  Bostook. 
Wbtoandt,  Dr.  med.,  Privatdozent  in  Würzburg. 
WiOHMANN,  Ralf,  Dr.  med.,  Nervenarzt  in  Bad  Harzburg. 


Der  Sehiüiirzi 

Inhalt. 


Mto 

1.    43 

Von  der  Redaktion {    21.  119 

41.  199 


{ 


Originalabhandlungen. 

Die  Loenng  der  Schalarztfrage  auf  dem  Lande.     Von  Kreisarzt  Dr. 

Hbikbioh  BsBGBB-Hannoyer 5.    47 

Die  Schnlarzifrage  in  Wien.    Von  J.  Pawel,  Universitätslehrer 8.    50 

Zur  Schularztfrage  in  Österreich.    Von  Sixomxtkd  ERAUSS-Wien 22.  120 

Schularzt  und  Armenarzt.    Von  Dr.  med.  FiUNKBKBUBGBB-Numberg. .    41.  199 

Über   schulärztliche  Statistik    und  die  Prinzipien  bei   Auswahl  derf   58.  253 

sogenannten  ärztlichen  Beobachtungsschnler.    Von  Dr.  Sjlkosohx    69.  315 

Schularzt  in  Breslau (105.  421 

Zur   Qeechichte   des   Schularztwesens  in  Österreich.    Von  Sanitätsrat 

Dr.  Altschul  in  Prag 101.  417 

Nachtrug  zu  der  Arbeit:  Über  schulärztliche  Statistik  und  die  Prinzipien 
bei  Auswahl  der  sogenannten  ärztlichen  Beobachtungsschnler.    Von 

I^.  Samosch,  Schularzt  in  Breslau 105.  421 

117.  511 


Das  Schularztwesen  in  Deutschland.  Bericht  über  die  Ergebnisse 
einer  Umfrage  bei  den  groiseren  Städten  des  Deutschen  Beiches. 
Von  Dr.  Paul  ScHUBBBT-Nürnberg 


137.  595 
183.  725 
217.  823 
243.  895 
(Ports,  f.) 


Über  die  Notwendigkeit  der  Anstellung  von  Schulärzten  an  höheren I  y^»'  ^^X 
Lehranstalten.    Von  Dr.  Samosch,  Schularzt  in  Breslau 1  qqq'  015 


Ans  Versammlnngen  nnd  Vereinen. 

Btltt 

Die  Schularzt-  nnd  Überbürdungsfrage  {Zeitschr,  f.  Med.'Beamtey  1903, 

No.  2) 26.  124 


XVI 


Kleinere  Mitteilungen. 

Seite 

Kleinere  lOtieiluiigen  über  Anstellung  and  Tätigkeit  von  Sohnlärzten 

{Münch.  med»  WocJiensehr,) 10.    52 

Die  Anstellung  von  Schulärzten  in  Mülhausen  i.  E 11.    63 

Keine  Schulärzte  mehr 11.    53 

Schulärztliche  üntersuchungsergebnisse  in  der  Schweiz 11.    58 

Der  Kreisschularzt 12.    54 

Zur  Schularztfrage  in  Berlin 12.    54 

Zur  Schularztfrage 12.    54 

Tätigkeit  der  Schulärzte  in  Nüniberg 27.  125 

Schulärzte  in  Berlin  (Dtach.  med.  Wochensehr,,  1903,  No.  5) 29.  127 

Über  die  neue  Dienstanweisung  fOr  die  Schulärzte  an  den  Gemeinde- 

sohulen  zu  Berlin 29.  127 

Schulärzte  in  Kiel 29.  127 

Aufgaben  der  Schulärzte  in  Düsseldorf 29.  127 

Anstellung  eines  Schularztes  in  Augustusburg 30.  128 

Anstellung  von  Schulärzten  in  München 30.  128 

Über  die  Schularztfrage.    Mitget.  von  Dr.  NsüBATH-Wien 30.  128 

Die  ärztliche  Überwachung  der  Schulen  in  New  York 31.  129 

Schulärztliches  aus  New  York 81.  129 

Die  Anstellung  von  Schulärzten 31.  129 

Schularzt  und  Armenarzt 44.  202 

Schulärzte  in  Forst 45.  203 

Schulärzte  in  Braunschweig 45.  203 

Zahnärztliche  Untersuchung  der  Schulkinder  in  Stettin 47.  205 

Die  Frage  der  Schulärzte  in  Elmshorn 47.  205 

Schulärzte  in  Görlitz /2O6'  748 

4V.  I    59    261 

Über  Neueinfahrung  von  Schulärzten <    yg'  ooc 

Schulärztliche  Vorträge 60!  262 

Besultate  der  Schüleruntersuchungen  in  Dresden 60.  262 

Schulärzte  in  Japan.    Mitget.  von  Prof.  BuBGSRSTBiN-Wien 61.  263 

Schularzt  und  Berufswahl 61.  263 

Weibliche  Schulärzte /  61.  263 

Über  Einführung  von  Schulärzten  in  einigen  Städten  der  Vereinigten 

Staaten.     Mitget.  von  Prof.  Carl  HiNTKÄOBB-Wien 79.  325 

Die  Schularztfrage  in  Sachsen 79.  325 

Kosten  der  Einführung  der  Schulärzte  in  Wien 80.  826 

Schulärzte  in  Kassel.  Mitget.  von  Stadtschulrat  Dr.  BosNMAKN-Kassel  80.  326 
Ärztliche  Untersuchung  der  neueintretenden  Schüler.    Mitget.  von  Dr. 

ScHMiD-MoNKARD,  Halle  a.  S 81.  327 

Zur   Schulzahnarztfrage   in   Hamburg.     Mitget.   von  Dr.  Hugo  Levt- 

Hamburg 81.  327 

Schulhygienisches  aus  Österreich 82.  328 

Anstellung  von  Schulärzten 106.  422 

Eine  zahnärztliche  Poliklinik  für  Volksschulkinder  in  Darmstadt.  Mitget. 

von  Dr.  Hugo  LsvT-Hamburg 107.  423 

Augenuntersuchungen  in  London.    Mitget.  von  Dr.  SisvEKiNG-Hamburg  108.  424 

Morbiditätsstatistik  der  Wiener  Schulkinder 109.  425 

Das  Meldewesen  ansteckender  Krankheiten  bei  Schulkindern.    Mitget. 

von  Dr.  SiEvEKiNG-Hamburg 109.  425 

Schulärzte  für  mittlere  und  höhere  Schulen 125.  519 

Zahnärztliche  Untersuchungen  in  Schulen 127.  521 

Tätigkeit  eines  Landschularztes 128.  622 

Zur  Anstellung  von  Schulärzten  in  Stettin 128.  522 

Ärztliche  Besichtigung  der  Schulen  in  Hamburg 128.  522 

Zur  Anstellung  von  Schulärzten 128.  522 


xvn 

8«ito 

Neue  Schttliiwte {  231*  837 

Sohulänte  in  Colambia 129*.  523 

Ausbau  der  Sohularztordnang  in  Nornberg 147.  605 

Sohulänte  in  Fürth 148.  606 

Begolatir  der  Sektion  ungarischer  Schulärzte  nnd  Lehrer  der  Hygiene. 

Mitget.  von  Dr.  W.  GBKEBsicH-Budapest 148.  606 

Die  Schularztfirage  im  ostpreurdschen  Bektorenverein 149.  607 

Antrag  auf  Anstellung  von  Schalärzten  in  Bielitz 149.  607 

Der  Bomatologisohe  Unterricht  an  den  Präparandenanstalten  in  Budapest  149.  607 

Schularzte  für  Privatschulen 149.  607 

Yolkstiimliche  Belehrung  über  die  Bedeutung  von  Schulärzten 149.  607 

Über  Anstellung  von  Schulärzten  an  mittleren  und  höheren  Schulen .  150.  608 

Schulärztinnen 150.  608 

Zur  Schularztfrage  in  Berlin.  Mitget.  von  Prof.  Dr.  A.  HABTHANK-Berlin  205.  747 

Ohrenärztliche  Untersuchungen  von  Schulkindern 206.  748 

Die  Schularztfrage  in  Eisenach 207.  749 

Schularzteinrichtung  far  Dresden-Land 207.  749 

Über  die  Neuregelung  des  schulärztlichen  Dienstes  in  Berlin 231.  837 

Zahnärztliche  Untersuchung   von  84  Kindern  der  Magdeburger  Hilfs- 
schulen.   Mitget.  von  Dr.  med.  FBAiTKENBüBOBR-Niimbexg 231.  837 

Schulärzte  in  Görlitz.    Mitget.  von  Stadtarzt  Dr.  RsiicEB-Göriitz 232.  838 

Schulärztliches   aus   Hessen.     Mitget.   von  Oberlehrer  Kabl  Roller- 

Darmstadt 248.  900 

Die   Bedenken   des   Breslauer   Stadtarztes   gegen  die  Anstellung  von 

Schulaugenärzten.    Mitget.  von  Dr.  HEiMAim-Charlottenburg 249.  901 

Anstellung  von  Schulärzten  in  Fürth 250.  902 

Amtsarzt  und  Schulärzte  in  München 250.  902 

Schulärztinnen  in  Charlottenburg 250.  902 

Über  die  Tätigkeit  der  Schulärzte  in  Ratibor 251.  903 

Die  Frage  der  Anstellung  von  Schulärzten  für  die  Mittelschulen 252.  904 


Literarische  Besprechungen. 

Seite 

ScHMU)  -  MoNNABD,    Die    Aufgaben    des    Schularztes.     Von   Dr.  Paul 

Schubert 14.    56 

Mabr  -  Hamburg,   Der   Schularzt    und    Dr.  Arthur  Hartmann.     Von 

Dr.  LAiTDAU-Nürnber^ 15.    57 

H.  Merevith  RiOHARDfi,  Thc  sanitary  control  of  schools  with   special 

reference  to  the  Education  Bill.    Von  Dr.  Sievbrkivg  Hamburg . .    32.  130 

K.  Roller,  Das  Bedürfiiis  nach  Schulärzten  für  die  höheren  Lehr- 
anstalten.    Von  Dr.  med.  Ernst  VEiT-Pra^ 32.  130 

Jahresbericht  über  die  Verwaltung  des  Medizinalwesens,  die  Kranken- 
anstalten und  die  öffentlichen  Qesnndheitsverhältnisse  der  Stadt 
Frankfurt  a.  M.    Von  Dr.  SiBVBKiNO-Hamburg 48.  20G 

0.  Schanze,  Lehrer,  Ergebnisse  und  Wert  schulärztlicher  Untersuchungen. 

Von  Dr.  STEiNHARDT-Nümberg 48.  206 

Eduard  Quirsfbld,   Ergebnisse   einer  Schulkinderuntersuchung.    Von 

Dr.  ALTSCHUL-Prag 62.  264 

Hugo  Stbrnfbld,   Wünschenswert  oder  notwendig?    Ein  Beitrag  zur 

Schularztfrage  in  München.   Von  Dr.  M.  FRANKBNBURGER-Nümberg   82.  328^ 

Hugo  Stbrnfbld,  Entgegnung  auf  das  Referat  von  Dr.  Frankbnburger 

in  No.  5  des  „Schularzt"  (S.  82—85) 129.  52a 

A.  Stbiobb,    Zweck   und  Methode   der  Augenuntersuchungen   in   der 

Volksschule.    Von  Dr.  E.  HBiMANN-Charlottenburg 190.  524 

Sehnlgesandheitspflege.    XVI.  b 


XVIII 

S«lte 

B.  GoHN,  Professor,  Wamm  müssen  besondere  Schulaugenärzte  angestellt 

werden?    Von  Dr.  Ernst  flEiMANV-Gharlottenburg 151.  609 

£.  Wiener,   Die   Sohulärstefrage   in   Österreich.    Von  Dr.  Altschül- 

Prag 237.  843 


Amtliche   Verfägungen,    Berichte  und  Dienstordnungen 

für  Schulärzte. 

Beltt 

Dienstordnung  für  die  Schulärzte  an  den  Volksschulen  der  Stadt  Aachen. 

(Vom  1.  April  1901) 16.    58 

Dienstanweisung  für  die  Schulärzte  in  Danzig.    (Vom  27.  Juni  1901).    37.  135 

Diendtan Weisung  für  die  Schulärzte  der  Stadt  Bonn.    (Vom  6.  Februar 

1899) 50.  208 

Ministerialerlafs  des  Herzogl.  Meiningenschen  Kultusministeriums,  be- 
treffend Beaufsicbtigrung  und  Instandhaltung  der  Schulgebäude  usw., 
vom  24.  Juü  1902 64.  266 

Aussohreiben  des  Herzogl.  Meiningenschen  Staatsministeriums,  betreffende   66.  268 
die  Anlage  von  Schulhäusem,  vom  24.  Juli  1902 \   86.  332 

Anweisung,  die  ärztliche  Überwachung  der  Herzogl.  (Gymnasien,  Real- 
gymnasien und  der  Herzogl.  (Meiningenschen)  Realschulen  betreffend, 
vom  1.  Mai  1901 90.  336 

An  die  sämtlichen  Schulärzte  (Erlafs  des  Herzogl.  Meiningenschen  Staats- 

ministeriums  vom  6.  Januar  1903) 96.  342 

Anweisung,  die  ärztliche  Überwachung  des  Herzogl.  (Meiningenschen) 

Lehrerseminars  betreffend,  vom  2.  Mai  1901 99.  345 

Ordnung  für  die  gesundheitliche  Überwachung  der  städtischen  Volks- 1^  110.  426 
schulen  zu  Chemnitz  durch  Schulärzte  und  Lehrer  v.  22.  März  190l\  131.  525 

Dienstanweisung  für  Schulärzte  in  ländlichen  Gemeinden.    Erlafs  des 

Grofsherzogl.  Hessischen  Ministerium  des  Innern  vom  13.  Jan.  1903 152.  610 

Dienstanweisung  für  die  Schulärzte  an  den  Gemeindeschulen  zu  Berlin 

vom  3.  April  1903 169.  671 

Jahresbericht  über  die  schulärztliche  Tätigkeit  in  den  Mittel-  und  Stadt- 
schulen der  Haupt-  und  Residenzstadt  Darmstadt  im  Schuljahr 
1902/1903.    Von  Dr.  Buohhold,  Schularzt 207.  749 

Dienstordnung  für  die  Schulärzte  der  Stadt  Nürnberg  vom  1.  Dez.  1903  263.  905 


r  171.  673 

PersonalverseiclmiB  der  Scholärste  des  Deutschen  Reiches  . .  .<  240.  846 

[  258.  910 


XIX 


Verzeichnis  der  Mitarbeiter, 

welche  im  Jahre  1903  Beiträge  geliefert  haben. 


Altscbxjl,  Dr.  med.,  k.  k.  Sanitätsrat  in  Prag. 

Bbrgbs,  H.,  Dr.  med.,  Kreisarzt  in  Hannover. 

BoBNMAiTK,  Dr.,  Stadtschnlrat  in  KaBsel. 

Buchhold,  Dr.  med.,  Schularzt  in  Darmstadt. 

BüBGSBBTBiN,  Lso,  Prof.  In  Wien. 

Frakkknbübgbr,  Dr.  med.  in  Nürnberg. 

Gbnebsich,  Dr.  med.  in  Budapest  (hyg.  Institut). 

Habthaith,  A.,  Prof.  Dr.  in  Berlin. 

Hbdcavk,  Ebnst,  Dr.  med.  in  Charlottenburg. 

HiKTBloBB,  C,  Prof.  in  Wien. 

Xbaübs,  Sibomuni),  Blindenlehrer  in  Wien. 

Landau,  Rich.,  Dr.  med.,  Schularzt  in  Nürnberg. 

Lbyt,  Hugo,  Dr.  med.  in  Hamburg. 

Nbübath,  Dr.  med.  in  Wien. 

Pawel,  J.,  Universitäts-Tumlehrer  in  Wien. 

Reimbr,  Dr.  med.,  Stadtarzt  in  Görlitz. 

Bolleb,  Eabl,  Oberlehrer  in  Darmstadt. 

Samoscb,  Dr.  med.,  Schularzt  in  Breslau. 

SiBVEKiNO,  Dr.  med.  in  Hamburg. 

ScBMiD-MoNMARD,  Dr.  med.,  Kinderarzt  in  Halle  a.  S. 

ScHUBBBT,  P.,  Dr.  med.,  Augen-  und  Ohrenarzt  in  Nürnberg. 

Stbibhabdt,  Dr.  med.  in  Nürnberg. 

Stbbntbld,  Hugo,  Arzt  in  München. 

Ysrr,  Ebnst,  Dr.  med.  in  Prag. 


b* 


lettfilttlt  fit  Si||ilf|tfiiti)i|ett0)i|leiie. 

XVI.  Jahrgang.  1903.  No.  1. 


(ftrt|ittitUb^it]t)l]ttt9t]t. 


über  die  Beiiehiiiigeii  swiMhen  korperlioher  Entwieklnng 

und  Behnlerfolg. 

Von 

Dr.  med.  F.  A.  Schmidt  und  Hanptlehrer  H.  H.  Lessekich 

in  Bonn. 

Der  Frage,  ob  zwischen  den  Fortschritten  in  der  Sohnle  nnd 
denen  in  der  körperlichen  Entwicklung  irgend  ein  nachweisbarer 
Zusammenhang  bestehe,  mit  andern  Worten,  ob  grölsere  körperliche 
Tüchtigkeit  im  ganzen  nnd  groben  anch  einer  besserer  geistigen 
Leistongs&higkeit  entspreche,  hat  man  wiederholt  durch  zifFem* 
m&bige  Erhebungen  bei  Schülern  rerschiedener  Schulsysteme  näher 
zu  treten  versucht.  So  fanden  in  Aulsland  Graziakow  und  nach 
ihm  Sac]|^  —  letzterer  auf  G-rund  von  Messungen  bei  mehreren 
Tausend  Gymnasiasten  der  Stadt  Moskau  — ,  dafs  bei  den  Schülern 
mit  besserem  Studienerfolg  die  durchschnittliche  Körperlänge  in  den 
yerschiedenen  Altersstufen  stets  eine  gröbere  war,  als  bei  den  gleich- 
alterigen  Schülern  mit  schlechtem  Studienerfolg.  Ähnliche  Unter- 
suchungen stellten  in  Nordamerika  Pobteb   und   Mac  Donald  an. 

Mit  Becht  erregten  die  Untersuchungen  Pobtebs  in  St.  Louis 
gröüseres  Au&ehen.  .Denselben  lagen  Messungen  und  Erhebungen 
bei  33000  Schülern  und  Schülerinnen  der  achtklassigen  Volksschulen 
in  St  Louis  zugrunde,  ein  Material,  welches  noch  durch  Erhebungen 
über  Schulkinder  der  Kindergärten  einerseits,  der  Mittelschulen  an- 
dererseits, ergänzt  wurde.  Das  Ergebms  war,  dafs  durchgehende 
und  in  überraschend  gesetzmäfsiger  Weise  von  Kindern 
der  gleichen  Altersstufe  diejenigen,  welche  einer  höheren 

SehulgMiindheitipfleg«.  XVI.  1 


Sohulklasse  angehörten,  anch  ein  gröfseres  durcbschnitt- 
liclies  Körpergewicht  aufwiesen,  während  die  in 
einer  niederen  Klasse  zurückgebliebenen,  also  geistig 
schwächeren  Kinder,  ein  geringeres  durchschnittliches 
Körpergewicht  zeigten.  Ein  gleiches  Ergebnis  hatten  die 
Messungen  der  Körperlänge,  des  Brustumfangs,  des  Querduroh- 
messers des  Schädels. 

G^gen  die  Allgemeingiltigkeit  dieser  Erhebungen  und  gegen  die 
Bestimmung  der  Mittelwerte  nach  der  sogen.  G-ALTONschen  Berech- 
nungsart  hat  man  eine  Reihe  von  Einwänden  erhoben.  Darauf 
näher  einzugehen,  müssen  wir  uns  versagen,  weil  uns  das  Original 
der  PoBTEJELschen  Untersuchungen  nicht  zugänglich  war  und  uns 
lediglich  die  allerdings  ziemlich  ausführlichen  Angaben  des  Hand- 
buchs der  Schulhygiene  von  Bübgbbstein  und  Netolitzky  vor- 
lagen. Wir  wurden  aber  dadurch  angeregt,  diese  Verhältnisse  für 
unsere  Bonner  Volksschulen  nachzuprüfen. 

Die  Grundlagen  dazu  waren  uns  geboten  durch  die  sogenannten 
G^undheitsbogen,  welche  seit  der  Anstellung  von  Schulärzten  in 
der  Stadt  Bonn  über  jedes  die  Volksschule  besuchende  Kind  geführt 
werden.  Diese  Gesundheitsbogen  enthalten,  für  jedes  Schuljahr  neu 
festgestellt,  Messungen  der  Körperlänge  und  des  Körpergewichts. 
Diese  Messungen  und  Wägungen  werden  bei  allen  unseren  Schulen 
im  Monat  Mai  vorgenommen.  Wir  benutzten  zu  unseren  Aufistel- 
lungen die  letzte  Messung  vom  Mai  1902.  Zur  Verfügung  standen, 
nach  Ausscheidung  einer  Anzahl  von  ungenau  ausgefüllten  Bogen, 
sichere  Angaben  über  4260  Knaben  und  Mädchen  —  allerdings  ein 
Material  von  bescheidenem  Umfange.  Die  beigegebenen  Tabellen 
I  und  II  zeigen,  wie  sich  diese  Schulkinder  auf  die  verschiedenen 
Klassen  und  Altersstufen  verteilen. 

Nunmehr  ermittelten  wir  für  jede  Altersstufe  in  den  einzelnen 
Klassen  —  Knaben  und  Mädchen  gesondert  —  den  einfachen  Durch- 
schnitt der  Ziffern  über  Körperlänge  und  -gewicht  und  ordneten 
diese  Durchschnittsziffern  nach  den  Altersstufen  und  Schulklassen. 
Das  Ergebnis  ist  in  Tabelle  III  und  IV  zusammengestellt. 

In  Übereinstimmung  mit  den  Angaben  Pobtebs  zeigt  sich  auch 
für  unsere  Schüler  und  Schülerinnen:  dafs  bei  beiden  Geschlechtem 
und  in  allen  Altersstufen  von  gleichalterigen  Schulkindern  diejenigen, 
welche  in  einer  höheren  Schulklasse  sich  befinden«  also  in  der  Schule 
gut  fortgekommen  sind,  auch  eine  gröüsere  Körperlänge  und  ein 
gröüseres    Körpergewicht    aufwiesen.      Es    ist    also    bei    unsern 


3 


TaMIe  I. 


Knaben  der  Yolkssohnlen  Bonns 

(Mai 

1902) 

. 

KlMse 

Alter 

5-« 

6-7 

7-8 

8—9 

9—10 

10—11 

ii-ia 

la— 18 

18— U 

14—15 

Sa. 

I 

1 

35 

180 

141 

8 

810 

II 

2 

49 

124 

52 

21 

1 

249 

m 

46 

129 

53 

16 

6 

— 

260 

IV 

58 

195 

46 

20 

11 

3 

1 

884 

V 

86 

185 

34 

10 

3 

8 

821 

VI 

66 

215 

45 

14 

1 

841 

vn 

79 

207 

28 

4 

818 

Sa. 

79 

27S 

824 

292 

291 

286 

285 

212 

171 

6 

2118 

TftbeU«  n. 


Mädchen  der  YolksBoholen  Bonns  (Mai  1902). 


Klasse 

Alter 

6-6 

6-7 

7-8 

8-9 

9—10 

10-11 

11-11 

la-ia 

18— U 

14—16 

Sa. 

I 

46 

110 

105 

1 

262 

n 

41 

102 

52 

27 

3 

226 

III 

58 

162 

74 

26 

7 

817 

rv 

52 

149 

50 

19 

8 

4 

282 

V 

72 

202 

49 

16 

5 

2 

1 

847 

VI 

56 

200 

45 

18 

1 

820 

VII 

97 

283 

52 

7 

889 

Sa. 

97 

2S9 

824 

806 

274 

260 

246 

198 

144 

4 

2142 

äiS 

< 

^a  B  - 

f 

1 

Od 

Q 

CO 
Ol 

115,1 

112,8 

• 

117,6 
114,8 

«3 

Ol 

22,7 
22,1 
21,3 

• 

S 
1^ 

©« 

Q 

Ol 

^ 

Ä 

CO 

• 

HA 

1 

Q 

Ol 

±    1 

ig 

IS 
Ol 

0)     «3 

o   e« 

Q  ® 

m 

HA      H'       N-i      HA 

S  18  S  8 

ifh.     OO     «4     l#k 

Q 

•i 
Ol 

0) 
CO 

^  SS  s 

CO     CD     OD 

• 

HA      1^      M       NA 

SS  S  £!  S 

Ol 

-    1 
o 

• 

S  S  <S  3 

•4     -q    O    KO 

146,1 

142,0 
141,1 
137,2 

Ol 

•  r 

86,1 

35,4 
83,3 
31,5 

148,4 

145,6 

Ol 

-r 

« 

• 

S  3 

O 

CT- 

00 


i3  ;3 

<1 

*!2      Ö      »^      HH 

<    P    •-•    "^ 

r 

00 

s- 

Ml 

.s 

CO 

Q 

Ol 

Q 

1-^ 

CO 

115,8 

111,7 

21,2 

19,7 

—  1 

• 

115,4 
115,1 

O 

Q 

•i 
Ol 

24,0 

22,5 
22,5 

• 

HA 

Ol 

H* 

1 

OD 

Q 

Ol 

o« 

Ol 

CO 

Q 

ST 

OO 

Ol 

«     OD 

Ol  "e. 

H* 

09 

M     H*     5* 

S  SS  8 

'^v   ^J-s    "L^ 
0)    O     ^^ 

Q 

Ol 

•  T 

0» 

^  SS  s 

«#            «#           ^ 

O     00     OD 

188,0 

137,1 
185,2 
131,5 

o 
3i 

88,0 

31,3 
30,3 
28,6 

• 

148,0 

138,6 
138,5 

!f 

• 

85,0 

33,0 
31,8 

146,4 

145,2 

09    00 

O)     06 

-N-     OD 

• 

o 


9 

?! 


o 

0 


I 

Q 

OD 

P 
P' 

Q 

o 

t3- 


o  3 

CO  o 


0 

f 

i 

s 


r 


2.8- 

•  s. 

p 
o 

P' 
0 

s 

OD 

Ol 

0 

0 
0 
P' 


9 
*^ 
OD 
OB 


0 


Sehülern  im  DuroliBolinitt  eine  kräftigere  KOrperent* 
wieklnng  auch  mit  einer  besseren  geistigen  Leistungs- 
fähigkeit verbunden.  Om  ein  Beispiel  herauszugreifen,  so  be- 
trug bei  den  zwOlQährigen  Mädchen,  welche  die  erste  Klasse  erreicht 
hatten,  die  durchschnittliche  Eörperlänge  146,1  cm,  das  durch- 
schnittliche Körpergewicht  36,1  kg.  Fttr  die  noch  in  der  zweiten 
Klasse  befindlichen  zwölfjährigen  Mädchen  waren  die  entsprechenden 
Ziffern  142  cm  und  35,4  kg;  fär  die  in  der  dritten  Klasse  zurück- 
gebliebenen 141  cm  und  88,3  kg.  Das  sind  mithin  recht  beträcht- 
liche Unterschiede.  In  andern  Erlassen  sind  solche,  wie  die  bei- 
gegebenen Tabellen  zeigen,  zum  Teil  noch  mehr  ausgesprochen. 

Nun  muls  allerdings  auf  einen  umstand  aufmerksam  gemacht 
werden,  der  geeignet  scheinen  kann,  den  Wert  der  Aufetellung,  so- 
weit sie  in  durchweg  gesetzmäfsiger  Weise  die  in  einer  höheren 
Sehulklasse  befindlichen  Kinder  körperlich  besser  entwickelt  er- 
scheinen lä(st,  als  die  einer  tieferen  Klasse  angehörenden  Alters- 
genossen, einigermaben  in  Frage  zu  stellen.  Nämlich  in  den  rer- 
schiedenen  Jahresklassen  der  Schüler,  und  zwar  insbesondere  für 
die  ersten  Schuljahre,  bestehen  doch  noch  besondere,  in  den  Ta- 
bellen nicht  ersichtliche,  geringe  Altersunterschiede,  welche  nicht 
auiser  acht  gelassen  werden  dürfen. 

Die  Aufnahme  in  unseren  Volksschulen  zu  Beginn  des  Sommer- 
halbjahres geschieht  in  der  Weise,  daüs  als  schulpflichtig  in  die 
Vil.  Klasse  eintreten  alle,  die  zu  dem  gedachten  Zeitpunkte  das 
sechste  Lebensjahr  bereits  erreicht  haben,  oder  bis  zum  1.  Oktober 
dee  betreffenden  Jahres  noch  erreichen  werden.  Von  den  Schülern  und 
Schülerinnen  der  VII.  Klasse  sind  also  die  füni^ährigen  durch- 
schnittlich etwa  bVi  Jahr  alt.  Was  dagegen  die  sechsjährigen  be- 
trifft, so  beträgt  zwar  das  Durchschnittsalter  der  zu  diesem  ersten 
schulpflichtigen  Jahrgang  gehörigen  fl^/s  Jahre;  das  Yerhältnis  der 
fünf-  zu  den  sechsjährigen  Schülern  der  VII.  Klasse:  79  :  207  (bei 
den  Schülerinnen  97  :  233)  zeigt  aber,  dafs  unter  diesen  sechsjährigien 
der  VII.  Klasse  ein  grolser  Bruchteil  —  gegen  ein  Drittel  —  sich 
befindet,  welcher  schon  vor  einem  Jahre,  und  zwar  mit  dem 
Durchschnittsalter  ron  b^i  Jahren,  schulpflichtig  gewesen  war.  Von 
dem  Recht,  noch  nicht  roll  entwickelte  schulpflichtige  Kinder  noch 
einmal  auf  ein  Jahr  zurückzustellen,  wird  gerade  bei  denen,  die 
das  sechste  Lebensjahr  noch  nicht  voll  erreicht  haben,  ron  der 
Schulkommission  besonders  ausgiebiger  Q^brauch  gemacht.  Dies  in 
Betracht  gezogen,  kOnnen  wir  das  Durchschnittsalter  der  sechsjährigen 


in  der  YLL  Klasse  auf  mindestens  6^A  Jahre  ansetzen.  Daraus 
ergibt  sich,  daüs  in  den  einzelnen  Säulen  der  verschiedenen  Alters* 
klassen  die  der  obersten  Ziffer  entspreohenden  und  der  jedesmal 
höchsten  Klasse  angehörenden  Schüler  und  Schülerinnen  einige  — 
aber  höchstens  drei  —  Monate  älter  sind  im  Durchschnitt,  als  die 
der  zweithöchsten  Ziffer  entsprechenden.  Es  könnte  daher  vermutet 
werden,  dais  der  hier  obwaltende  unterschied  in  G-röJse  und  Ge- 
wicht dem  diesbezüglichen  natürlichen  Wachstum  zuzuschreiben  sei. 
Das  ist  nun  nicht  der  Fall.  Für  unsere  Schüler  ist  das  mittlere 
jährliche  Wachstum  4,6  cm  hinsichtlich  der  Körperlänge,  2,4  kg 
hinsichtlich  des  Körpergewichts.  Für  drei  Monate  betrüge  dajs 
Wachstum  also  1,15  cm  und  0,6  kg.  Der  Unterschied  aber  in 
Körperlänge  und  Körpergewicht  zwischen  den  in  der  höchsten  Klasse 
innerhalb  jeder  Altersstufe  befindlichen  Schülern  und  den  in  der 
nächstfolgenden  Klasse  sitzenden  beträgt  im  Durchschnitt  1,77  cm 
und  1  kg.  Die  Tabellen  UI  und  IV  zeigen,  dafs  für  die  in  einer 
niederen  Klasse  zurückgebliebenen  gleichalterigen  Schüler  die  Unter- 
schiede in  Länge  und  Grewicht  aufserordentlich  grois  sind.  Somit 
wird  durch  jene  Altersdifferenz  von  etwa  drei  Monaten,  die  nach 
dem  elften  Jahre  hin  immer  geringer  wird,  von  da  ab  überhaupt 
nicht  mehr  besteht,  die  Beweiskraft  der  Durchschnittsziffem  nicht 
in  Frage  gestellt.  —  Genau  so  liegen  die  Verhältnisse  bei  den 
Mädchen. 

Kun  hat  man  gegen  die  PoBTEBschen  Aufstellungen  auch  den 
Einwand  erhoben,  dals  auf  diese  Beziehungen  zwischen  Schulerfolg 
und  körperlicher  Entwicklung  die  Wohlhabenheit  bezw.  die  Armut 
der  Eltern  der  Schulkinder  gröfseren  Einfluis  besitze.  Die  Kinder 
der  Armen  seien  im  Durchschnitt  körperlich  sohlechter  entwickelt 
und  wären  auch  diejenigen,  welche  in  der  Schule  weniger  Erfolg 
hätten,  d.  h.  geistig  weniger  leisteten.  Inwieweit  für  unsere  Volks- 
Schüler  in  Bonn  dies  hinsichtlich  der  körperlichen  Entwicklung 
zutrifft,  haben  wir  nicht  ermitteln  können.  Dagegen  trifft  dies  sicher- 
lich nicht  hinsichtlich  der  geistigen  Leistungen  zu.  Denn  in  un- 
serer Stadt  bestand  bis  vor  etwa  sechs  Jahren  eine  besondere  Ar- 
menschule, die  katholische  sogen.  „  Freischule ".  Diese  Schule  nun 
stand  hinsichtlich  ihrer  Leistungen  niemals  zurück  gegen  die  an- 
deren Volksschulen  der  Stadt,  in  denen  die  Kinder  der  mittleren 
und  besser  gestellten  Bürger  sassen  (die  Kinder  der  reicheren 
Bürger  befinden  sich  in  den  Vorschulen  der  beiden  Gymnasien  oder 
den  Töchterschulen).    Im  Gegenteil  waren  die  Ergebnisse  der  Schul- 


erziehung  in  der  früheren  Freisohole  stets  sehr  achtenswerte.  Eis 
wird  aber  von  Interesse  sein,  wenn  später  anoh  anf  die  Gymnasien 
sieh  die  sohnlärztliohe  Tätigkeit  erstrecken  wird  —  was  doch  nnr 
eine  Frage  der  Zeit  ist  — ,  die  entsprechenden  Vergleiche  zwischen 
diesen  SohttlerD  nnd  denen  der  Volksschnlen  anzustellen. 

So  zeigen  denn  nnsere  Ziffern  in  überzeugender  Weise,  dafs 
wenigstens  für  nnsere  Schulen  die  körperlich  besser  entwickelten 
Kinder  anch  geistig  mehr  leisten.  Der  Musterknabe  mit  zartem 
schwächlichem  Körper,  aber  hoch  entwickelter  Intelligenz  einerseits, 
der  faule,  dicke  Schlingel,  der  immer  sitzen  bleibt,  andererseits  — 
das  sind  entgegen  landläufiger  Vorstellung  keine  häufiger  vorkom- 
menden Typen,  sondern  das  sind  nur  Ausnahmen,  Ausnahmen,  welche 
des  Kontrastes  wegen  so  besonders  auffallen.  Daher  denn  auch  die 
Häufigkeit  ihres  Vorkommens  vielfach  so  stark  überschätzt  wird. 
Für  gewöhnlich  also  bietet  ein  gesundes,  körperlich  wohl 
sich  entwickelndes  Kind  die  meiste  Gewähr  auch  für  eine 
gute  geistige  Leistungsfähigkeit,  wie  sie  sich  im  Schul- 
erfolg ausspricht.  Gründer  Geist  im  gesunden  Körper  ist 
wahrlich  mehr  als  ein  blofses  Schlagwort.  Dafs  dies  allenthalben 
und  mehr  wie  bisher  beherzigt  werde,  ist  zum  Heil  unserer  Jugend 
dringend  zu  wünschen. 


ia  nasalis  bei 

Von 
Dr.  J.  M.  C,  MouTON-Haag. 

„Über  Aprosechia  nasalis''  ist  der  Titel  einer  in  holländi- 
scher Sprache  publizierten  Broschüre  (Qeneeshundige  Sladen.  V. 
Reihe,  No.  12.  Verlag  von  Erohn  F.  Bohn.  Haarlem,  1898),  in 
welcher  Dr.  A.  A.  G.  Güte,  Professor  der  Otorhinologie  zu  Amster- 
dam, das  auch  für  die  Schulgesundheitspflege  höchst  wichtige  Thema 
Uar    und   faislich   behandelt.      Da  meiner  Ansicht  nach  in  dieser 


^  Dieter  Aufsatz  befindet  sich  schon  seit  längerer  Zeit  in  den  Händen 
der  Redaktion,  ist  aber  durch  ein  Versehen  der  Druckerei  zurückgestellt 
worden  nnd  liegen  geblieben. 


8 

kleinen  Abhandlung  auch  für  die  Leser  dieser  Zeüschrifl  yiel 
Interessantes  enthalten  ist,  möchte  ich  hier  einiges  daraus  mit- 
teilen. 

Güte  selber  war  der  erste,  der  im  Jahre  1887  auf  dem  ersten 
niederländischen  Kongreis  für  Natnr-  und  Heilkunde  zu  Amsterdam 
die  Anfinerksamkeit  der  Ärzte  auf  einen  Symptomenkomplex  lenkte, 
welchen  er  mit  dem  Namen  „Aprosechia  nasalis^  bezeichnete,  d.  h. 
eine  Hemmung  beim  Konzentrieren  der  Gedanken  [nQoai%8iv  tov 
vovv)  auf  einen  bestimmten  Gegenstand,  die  durch  eine  Abnormalitftt 
in  der  Nasenfunktion  verursacht  wird.  In  eben  demselben  Jahre 
hielt  Güte  einen  Vortrag  über  diesen  Gegenstand  in  der  Natur- 
forscheryersammlung  zu  Wiesbaden,  welcher  in  der  ^I^e^chen  med. 
Woehenschr.^ ,  1887,  No.  43,  veröffentlicht  wurde,  und  im  Jahre 
1888  berichtete  er  über  neue  Erfahrungen  auf  diesem  Gebiete  auf 
der  NaturforsoherversammluDg  zu  Köln  {„Deutsche  med.  Wochen- 
schnfi"",  1888,  No.  40). 

Der  erste  Fall,  durch  welchen  die  Aufinerksamkeit  Gutes 
auf  diesen  Gegenstand  gelenkt  wurde,  darf  als  Paradigma  gelten 
und  verdient  demgemäfs  Erwähnung:  ein  Junge  von  sieben  Jahren 
konnte  nicht  durch  die  Nase  atmen,  und  obwohl  er  schon  ein 
ganzes  Jahr  in  die  Schule  gegangen  war,  hatte  er  noch  gar  nichts 
gelernt,  nur  die  ersten  drei  Buchstaben  des  Alphabets  wuüste 
er  auswendig.  Güte  fand  den  Nasenrachenraum  durch  adenoide 
Vegetationen  verstopft  und  entfernte  dieselben;  schon  eine  Woche 
später  konnte  der  Knabe  das  ganze  Alphabet  auswendig. 

Die  Ursachen  der  Funktionsstörung  der  Nase  sind  im  kurzen 
folgende:  adenoide  Vegetationen  im  Cavum  pharyngo-nasale;  eine 
Schwellung  der  Nasenschleimhaut,  zumal  der  unteren  Muschel;  Un- 
regelmässigkeiten im  Bau  der  Nasenscheidewand,  die  das  Entstehen 
von  Schwellungen  begünstigen. 

Die  Symptome  der  Aprosechia  sind  dreierlei: 

1.  Dem  Patienten  wird  es  schwer,  sich  eine  Vorstellung  zu 
bilden  von  dem,  was  man  ihm  Neues,  speziell  Abstraktes, 
beizubringen  sucht:  er  ist  stumpfsinnig. 

2.  Der  Patient  hat  groüse  Mühe,  die  Vorstellungen  zu  be- 
halten: er  leidet  an  Gedächtnisschwäche.' 

3.  Der  Patient  kann  nur  mühsam  seine  Gedanken  auf  einen 
bestimmten  Gegenstand  lenken:  Aprosechia  im  engeren 
Sinne. 


9 

Ganz  merkwUrdig  ist  es,  daiSs  die  Kinder  manchmal  dem  Unter- 
richt in  allen  Fftohem  gni  folgen  können,  mit  Ausnahme  der  Mathe- 
matik; hier  geht  es  nicht,  will  es  nicht  gehen.  Nach  der  Ansicht 
QüTBs  liegt  der  Grund  dieser  Tatsache  darin,  daÜB  die  Mathematik 
meist  abstrakte  Voratellnngen  erfordert. 

Im  allgemeinen  könnte  man  nach  dem  vorhergehenden  behaupten, 
dab  ee  sich  in  der  Aprosechia  nasalis  um  eine  derartige  Störung  der 
Gehimfonktionen  handle,  welche,  nach  Guyb,  sich  aus  einer  er- 
schwerten Zirkulation  der  Lymphe  im  Gehirn  erklären  lielse,  wo- 
durch die  Produkte  des  Gehirnstoffwechsels  nicht  rasch  genug  ab- 
gefklhrt  werden.  Durch  Untersuchungen  von  Schwalbb,  Axel  Ket 
und  Pbbtziüs  ist  nachgewiesen  worden,  daJB  die  Lymphräume  des 
Gehirns  mit  den  LymphgefälBen  der  Nase  kommunizieren,  und  also 
die  intrakranielle  Lymphe  zum  Teile  die  Nasenschleimhaut  passieren 
mu&.  Werden  nun  durch  die  Schwellung  dieser  Schleimhaut  ihre 
Lymphgeft&e  mehr  oder  weniger  gedrückt,  so  wird  natürlich  die 
Abfahr  der  Lymphe  entsprechend  gehemmt  sein  und  eine  Retention 
der  Stoffweohselprodukte  im  Grehim  stattfinden,  welche  die  Funktion 
desselben  beeinträchtigt. 

Dazu  kommt  nun  noch  etwas:  Bei  Atmung  durch  die  Nase 
ist  die  Aspiration  des  venösen  Blutes  nach  dem  Hersen  viel  gröfser 
als  bei  Atmung  durch  den  Mund,  weil  im  letzteren  Fall  die  Atem- 
bew^^gen  oberflächlicher  sind.  Da  nun  die  Patienten  selbstver- 
ständlich durch  die  obturierenden  Affektionen  der  Nase  gezwungen 
werden,  zum  Teile  wenigstens,  durch  den  Mund  zu  atmen,  läüst  auch 
die  Aspiration  des  venösen  Blutes  aus  dem  Kopfe  zu  wünschen 
übrig;  und  da  gleichfalls  nachgewiesen  ist,  dals  die  intracerebrale 
Lymphe  aulserdem  durch  die  Arachnoidalzotten  nach  dem  venösen 
Sinus  abgeführt  wird,  so  ist  es  klar,  dals  infolge  der  Nasenaffektion 
auch  auf  diesem  Wege  die  Lymphe  schwerer  als  sonst  aus  dem  Gre- 
him entfernt  und  demnach  auch  die  Retention  der  Stoffwechsel- 
produkte in  diesem  Organe  begünstigt  wird. 

Wenn  man  sich  das  alles  nun  klar  vorstellt,  wird  es  niemanden 
wundem,  dalis  nicht  jeder,  der  mit  adenoiden  Vegetationen,  Schwel- 
lungen etc.  im  Nasenrachenraum  behaftet  ist,  in  einem  gewissen 
Grade  an  Aprosechia  leidet;  wird  doch  bei  jedem  Individuum  die 
Frage  sein,  inwieweit  durch  die  Nasenaffektion  die  Abfuhr  der  in« 
trakraniellen  Lymphe  auf  den  beiden  Wegen  gehemmt  ist;  ist  das 
flindemia,  und  dadurch  die  Retention  der  Stoffwechselprodukte,  grofs, 
80  wird  die  Aprosechia   deutlich   ausgesprochen  sein;    im  entgegen- 


10 

gesetzten  Falle  wird  sie  weniger  deutlich  hervortreten.  So  fiemd 
GcrzE  unter  152  Patienten  mit  adenoiden  Vegetationen  62  mit 
starker,  32  mit  geringer  und  58  mit  gar  keiner  Aprosechia. 

Ausdrücklich  betont  Gute,  dals  er  seine  Arbeit  nur  als  eine 
Ergänzung  zu  dem  betrachtet,  was  Wilhelm  Meyeb  zu  Kopen- 
hagen zuerst  über  diese  Krankheit  geschrieben  hat. 

Ohne  weiteres  wird  jedem,  der  sich  mit  der  SchulgesuDdheits- 
pflege  beschäftigt,  die  groise  Bedeutung  dieser  Affektion  einleuchten; 
wird  es  doch  manchmal  geschehen,  dais  ein  Kind  durch  Stumpf- 
sinn, Dummheit,  Unaufmerksamkeit  u.  dgl.  den  Eltern  und  Lehrern 
zum  Verdruls  und  Ärger  wird,  obwohl  alles  mögliche  getan  wird, 
um  dem  Kinde  auch  nur  einige  Kenntnis  beizubringen;  schliefalich 
wird  das  Kind  dann  zum  Arzt  geschickt,  der  durch  eine  rationelle 
Behandlung  den  „dummen^  Burschen  in  einen  fleifisigen,  tüchtigen 
Schüler  umwandelt. 

Wie  notwendig  ist  es,  dafs  diejenigen,  denen  das  Wohl  unserer 
Kinder  anvertraut  ist,  von  den  wichtigsten  Anforderungen  der 
Schulhygiene  einige  Kenntnis  haben,  wie  notwendig  auch,  dais  dem 
Schularzt,  der  mit  warmer  Hingabe  seine  schöne  Pflicht  zu  erfüllen 
sucht,  die  Schultüren  weit  geöffiiet  werden,  damit  er  neben  dem 
Lehrer  im  Interesse  der  Schuljugend  tätig  sein  kann. 

Güte  sind  wir  zu  groisem  Dank  verpflichtet,  weil  er  uns  noch 
einmal  darauf  aufmerksam  gemacht  hat,  wie  nötig  es  ist,  die  Apro- 
sechia nasalis  zeitig  zu  erkennen  und  womöglich  zu  heilen. 


Wie  wird  die  Schulgesnndheitspflege  Gemeingut  der  Schule? 

Von 

Dr.  med.  A.  Baüb, 
Seminararzt  in  Schwäb.-Gmünd. 

Es  ist  kein  Zweifel,  dais  die  Schulgesundheitspflege,  aus  ihren 
Kinderschuhen  herausgetreten,  allmählich  mehr  und  mehr  Boden  fafst 
und  sich  die  Anerkennung  der  £ixistenzberechtigung,  ja,  der  Existenz- 
notwendigkeit  allgemein  erworben  hat.  Wir  danken  dies  dem 
Greiste  vieler  Schulmänner,  die  wohl  verstanden  haben,  wo  sie  der 
Schuh  drückt;  wir  danken  es  der  mutigen  Initiative  und  energischen 


11 

Mitarbeit  von  Ärzten,  die  durch  ihre  Untersnchungen  der  Schul- 
hygiene eine  wissenschaftliche  Grrundlage  gaben  und  mit  ihren 
Kenntnissen  das  wachsende  Pflänzchen  befruchteten;  wir  danken  es  der 
gemeinschaftlichen  Arbeit  yon  Ärzten,  Lehrern,  Technikern  und  Yer- 
tretem  der  städtischen  und  staatlichen  Behörden,  wie  sie  im 
Deutschen  Verein  für  öffentliche  Gresundheitspflege  und  in  neuester 
Zeit  im  Allgemeinen  deutschen  Verein  für  Schulgesundheitspflege 
zur  Geltung  kommt,  und  wir  danken  es  —  last  not  least  —  auch 
den  Schulverwaltungen  unserer  Städte,  die  in  richtiger  Erkenntnis 
der  hohen  Bedeutung  der  Schulhygiene  schon  zahlreiche  Forderungen 
derselben  rerwirklicht  haben.  Dank  diesen  Faktoren  ist  die  Schul- 
gesundheitspflege am  Baume  der  allgemeinen  Hygiene  nicht  der 
schwächste  Zweig  geworden,  und  ihre  Früchte  sind  nicht  die  ge- 
ringsten und  nicht  die  wenigsten.  Trotz  alledem  ist  es  der  Schul- 
hygiene noch  nicht  gelungen,  in  dem  MaTse,  wie  es  sein  sollte, 
Gemeingut  der  Schule  zu  werden,  den  Schullehrer  in  seiner  Gesamt- 
heit zu  interessieren  und  für  sich  einzunehmen. 

Woher  kam  oder  kommt  dies?  fragt  sich  jeder,  dem  daran 
gelegen  ist,  die  Chancen  der  Einführung  der  Schulhygiene  in  Lehrer- 
kreisen günstiger  zu  gestalten.  Der  Lehrer  befürchtet  in  erster 
Linie,  daJs  mit  der  Schulhygiene  dem  Arzte  die  Thüren  der  Schule 
zu  weit  geö&et  werden,  und  dals  mit  ihm  ein  neuer  Inspektor  in 
die  Schule  einziehe. 

Die  Praxis  hat,  wie  uns  scheint,  bereits  den  Beweis  geliefert, 
uad  wird  es  auch  weiter  beweisen,  dais  dem  nicht  so  ist.  Der 
Schulhygieniker  ist  besser  als  sein  Ruf.  Nicht  seine  persönlichen 
Interessen,  sondern  das  allgemeine  Wohl  ruft  den  Arzt  auf  den  Plan 
und  veranlaJst  ihn,  der  Schule  Ratschläge  zu  erteilen;  seine  Sorge 
um  das  zukünftige  Geschick  des  Volkes  ist  es,  welche  ihn  als  den 
rechtmäfingen  Vertreter  der  Hygiene  bezeichnet.  Dem  Arzt  müssen  die 
Thüren  der  Schule  geöffiiet  werden,  damit  er  »seine  Ratschläge  in 
dem  mannigfaltigen,  Geist  und  Körper  angreifenden  Schulbetrieb 
erteile,  warne  und  dem  Kinde  zu  dem  verhelfe,  was  es  im  Leben 
am  meisten  braucht  —  einen  gesunden  Geist  in  einem  gesunden 
Körper.  Mit  dem  Polizeiknüppel  in  der  Hand  von  Schule  zu  Schule 
zu  schreiten  und  den  Lehrer  zu  desavouieren,  ist  nicht  eines  ge- 
bildeten Mannes  Sache,  und  es  wird  der  yemünftige  Arzt  dem 
Lehrer  stets  ein  wohlwollender  Berater  und  Freund  sein,  der  ihm 
seine  Verantwortlichkeit  erleichtert  und  ihn  seine  Lehrziele  leichter 
erreichen  labt.     Können  die  Lehrer  ihr  Vorurteil  gegen  die  ärztliche 


12 

Tätigkeit  in  der  Sohnle  ablegen  und  sich  entschlielsen,  dem  Tnn 
des  Arztes  Vertrauen  entgegen  zu  bringen,  dann  ist  fCLr  die  allgemeine 
Verbreitung  der  Gesundheitspflege  in  der  Schule  sehr  viel  erreicht, 
—  den  Ideen  derselben  würde  nicht  nur  Gehör  geschenkt,  sondern 
sie  würden  in  die  Tat  umgesetzt  werden. 

Aber  es  thut  not,  nicht  nur  das  Vertrauen  der  Lehrerwelt  zu 
erringen,  das  Müstrauen  derselben  gegen  die  Ärzte  zu  zerstreuen, 
sondern  auch  kein  neues  MiTstrauen  aufkommen  zu  lassen  und  das 
erworbene  Vertrauen  zu  erhalten.  —  Bs  darf  dem  Arzte  niemals 
in  den  Sinn  kommen,  in  die  Berufissphäre  des  Lehrers  direkt  ein- 
zugreifen; er  nimmt  ja  auch  für  sich  und  seinen  Beruf  dasselbe  in 
Anspruch  und  bekämpft  die  Kurpfuscher,  wo  er  nur  kann,  mit  Recht. 
Der  Arzt  soll  in  seinem  Verkehr  mit  der  Schule  nicht 
zum  pädagogischen  Pfuscher  werden.  „Suum  cuiquel*' 
Jedem  das  Seine:  dem  Arzte  die  Kranken  und  die  ärztliche  Seite 
der  Schulhygiene,  dem  Lehrer  der  pädagogiche  Teil.  Freilich  geht 
es  schwer,  die  Berufssphäre  der  Ärzte  und  Lehrer  in  Bezug  auf  die 
Schulhygiene  haarscharf  zu  sondern.  ESs  giebt  gewisse  Grenzgebiete, 
in  denen  die  Tätigkeit  des  Arztes  und  die  des  Lehrers  ineinander 
übergreifen,  und  in  denen  beide  sich  brüderlich  die  Hand  reichen 
sollen,  um  etwas  Gedeihliches  in  gemeinsamer  Arbeit  zu  erzielen. 
Diese  Grenzgebiete  sollen  nie  der  Schauplatz  fron  Grenz  Streitig- 
keiten werden,  damit  es  keinen  „tertius  gaudens^  gi^bt,  die  Sache 
selbst  aber  gro&en  Schaden  leidet. 

Ein  Grenzgebiet  besonders  heikler  Art  ist  die  Hygiene  des 
Unterrichts.  Gewifs  wird  der  Lehrer  zugeben,  dafs  es  Sache  des 
Arztes  ist,  durch  spezielle  Untersuchungen  den  Einfluls  des  Schul- 
unterrichtes auf  das  leibliche  und  geistige  Wohlergehen  der  Kinder 
darzuthun.  Wie  abzuhelfen  ist,  das  ist  und  bleibt  Sache  der  Schul- 
yerwaltung  und  der  Lehrerschaft.  Die  Schulprogramme  aufzustellen, 
Hitzferien  zu  diktieren,  die  Ferien  und  Pausen  zu  bestimmen  etc.  etc., 
bleibt  ihr  Recht.  Die  Hygiene  der  Kinder  dagegen  dürfte  in  der 
Hauptsache  gleichmäisige  Verteilung  zwischen  Lehrer  und  Arzt  finden. 
Dem  Lehrer  ftlllt  die  ständige  Beobachtung  der  Kinder  in  Bezug 
auf  ihre  geistige  und  körperliche  Entwickelung  zu,  während  der 
Arzt  unter  Berücksichtigung  derselben  und  seiner  eigenen  Unter- 
suchungen die  Beurteilung  der  Gesundheitsverhältnisse  der  Kinder 
übernimmt  und  der  Schule  entsprechende  Ratschläge  erteilt.  Niemals 
soll  der  Arzt  Anspruch  darauf  machen,  seinen  Rat  zum  Befehl 
werden  zu  lassen.    Es  ist  dies  auch  nicht  notwendig,  denn  der  ein- 


13 

sichtige  Sehnlmann  wird  einen  woUgemeinten  Rat  gut  yerstehen, 
einem  yerblendeten  aber  wird  hierdurch  wenigstens  die  Möglichkeit 
genommen,  anszustrenen,  der  Arzt  sei  ein  neuer  Inspektor,  der  in 
der  Schule  befehlen  will.  Ich  glaube,  dafis  bei  gegenseitigem  gutem 
Willen  sich  die  Beibeflftchen,  die  auf  Grenzgebieten  stets  vorhanden 
sind,  allmfthlich  abschleifen  werden,  und  dals  dann  leicht  das  ftir  die 
Gesundheit  der  Schulkinder  Vorteilhafteste  geschaffen  werden  kann. 

Damit  aber,  dals  die  Schulärzte  das  Vertrauen  der  Lehrer  er- 
werben und  erhalten,  ist  nicht  alles  getan,  —  man  mufs  auch  den 
Lehrer  in  den  Stand  setzen,  die  Schulhygiene  als  solche  lieb  zu 
gewinnen,  eine  Freude  an  ihr  zu  haben.  Dies  geschieht  nur  durch 
einen  methodischen  Unterricht  in  der  Hygiene  an  den 
Lehrer-Seminarien,  femer  durch  Fortbildungskurse,  durch  schul- 
hygieniache  Vorträge  in  den  Lehrerkonferenzen,  sowie  durch  Be- 
fruchtung der  Lehrenrereinspresse  mit  hygienischen  Aufsätzen,  die 
populär  und  anregend  gehalten  sind. 

Die  Notwendigkeit  hygienischen  Unterrichtes  an  den  Lehrer- 
Seminaren  ist  allgemein  anerkannt,  und  wird  derselbe  wohl  in  ab- 
sehbarer Zeit  überall  eingeführt  werden.  —  Von  Wichtigkeit  für 
den  Erfolg  scheint  mir  zu  sein,  dafs  er  genügend,  erschöpfend  ist, 
und  dafs  zu  diesem  Zweck  mit  den  Unterrichtsstunden  nicht  zu  sehr 
gekargt  werde.  Es  ist  nicht  möglich  mit  10-^12  Unterrichtsstunden, 
wie  es  die  Württembergische  Begierung  vorschreibt,  auch  nur  das 
Interesse  für  die  Sache  bei  einem  Seminaristen  zu  wecken,  ge- 
schweige denn  nachhaltige  Wirkungen  zu  erzielen.  Wenn  ein 
Hygieneunterricht  nutzbringend  werden  soll,  mufs  er  gründlich  sein, 
keine  Halbheit  schafiPen  und  nur  so  ein  bischen  Anstrich  von  Hygiene 
bringen,  damit  man  sagen  kann,  „auch  Hygieneunterricht  wird  an 
den  Seminarien  erteilt''.  Ein  richtiger  Hygieneunterricht  muJis,  auf 
anthropologischem  Wissen  ruhend,  systematisch  aufbauen,  —  nur  so 
wird  er  in  Fleisch  und  Blut  übergehen,  was  um  so  mehr  zu  geschehen 
hat,  wenn  der  Seminarunterricht  die  einzige  hygienische  Quelle  ist, 
aus  der  der  Lehrer  zu  schöpfen  angehalten  wird.  Wenigstens  eine 
Woohenstunde  ist  daher  das  Mindestmals,  welches  man  verlangen 
mufs,  will  man  mit  dem  Hygieneunterricht  seinen  Zweck  erreichen. 
Wer  den  Unterricht  in  der  Schulhygiene  erteilt,  wäre  uns  schliefs- 
lieh  gleichgültig,  wenn  er  nur  gut  erteilt  wird. 

Diese  letztere  Forderung  führt  mich  nun  aber  trotzdem  auf  die 
Personenfrage.  Wer  die  geeignetste  Persönlichkeit  sei,  den  Hygiene- 
unterrioht  in  den  Volksschullehrer-Seminarien  zu  erteilen,  hat  neuer- 


14 

dings  im  Vordergmiid  der  Erörterungen  gestanden.  Seminardirektor 
Andbeae  ans  Kaiserslautern  Iiat  in  seinem  Referat  an  der  dies- 
jährigen Jahresversammlung  des  Deutschen  Vereins  für  Sohulgeennd- 
heitspflege  den  Pädagogen  als  den  geeignetsten  Mann  für  den 
Unterricht  herausgefunden;  er  meint,  der  Arzt  sei  nicht  Pädagoge 
und  könne  die  Hygiene  nicht  so  gut  lehren  wie  jener.  Es  steht 
mir  als  Lehrer  der  Hygiene  an  einem  Volksschullehrer-Seminar  nicht 
gut  an,  eine  Lanze  für  den  Arzt  als  Lehrer  einzulegen,  also 
gleichsam  pro  domo  zu  sprechen.  Ich  sagte  ohen,  es  sei  mir  einerlei, 
wer  den  IJnterridit  erteile,  wenn  er  nur  gut  erteilt  würde.  Um 
das  Prädikat  eines  guten  Lehrers  der  Hygiene  zu  erwerben,  braucht 
man  aber,  wie  ich  glaube,  kein  Pädagoge  zu  sein.  Es  kommt  gewils 
beim  Hygieneunterricht  mehr  auf  den  Inhalt  als  auf  die  Form 
an.  Ob  der  Lehrer,  auch  wenn  er  auf  der  Universität  Hygiene- 
vorlesungen genossen  hat,  den  Unterricht  in  diesem  Fache  ebenso 
gut  oder  besser  erteilen  kann,  als  der  Arzt,  der  ein  langjähriges 
Medizinstudium  und  Erfahrungen  am  Krankenbett  hinter  sich  hat, 
überlasse  ich  dem  Urteil  der  maisgebenden  Faktoren.  Immerhin  ist 
zu  sagen,  dais  die  Hygiene  eine  ärztliche  Wissenschaft  ist,  an  der 
in  erster  Linie  der  Arzt,  in  zweiter  und  dritter  Linie  der  Lehrer 
und  Architekt  mitwirken  soll,  also  wäre  auch  dem  Arzt  die  erste 
Stelle  des  Lehramts  einzuräumen. 

Man  könnte  mit  gleichem  Recht  verlangen,  der  Lehrstuhl  für 
Hygiene  an  der  Hochschule  müsse  durch  einen  Pädagogen  besetzt 
sein,  denn  nur  er  bringe  durch  seine  Lehrtüchtigkeit  das  Fach  an 
den  Mann.  —  Im  übrigen  wird  der  Erfolg  und  das  Urteil  der  Be- 
hörden wohl  entscheidend  sein,  wem  der  Lehrauftrag  in  der  Schul- 
hygiene werden  soll,  wenn  man  Erfahrungen  über  die  Lehrtätigkeit 
der  Ärzte  und  der  Lehrer  gesammelt  hat. 

Meine  mehrjährige  Erfahrung  als  Lehrer  der  Schulhygiene  wie 
als  Haus-  und  Schularzt  am  Schullehrer-Seminar  Gmünd  sagt  mir 
endlich,  dals  es  nichts  Natürlicheres  gibt,  als  die  Theorie  und  Praxis 
der  Hygiene  an  Lehrer-Seminarien  in  eine  Hand  zugeben,  da  sich 
doch  beide  enge  aneinander  schlieisen,  wenn  man  nicht  unnötiger- 
weise einem  Dualismus  Vorschub  leisten  will.    Doch  genug  hiervon. 

Der  Unterricht  in  der  Schulhygiene  muls  an  denLehrer-Seminarien 
möglichst  gründlich  sein,  da  die  meisten  Schullehrer  nach  dem 
Examen  auch  in  der  Schulhygiene  keine  weitere  Ausbüdung  er- 
halten. Was  daraus  wird,  wissen  wir  alle,  die  wir  einst  lateinische 
und  griechische  Hexameter  wohl  anzufertigen  im  stände  waren,  einige 


15 

Jahre  aber  nach  dem  Abiturientenexamen  schon  beträchtliche  Ein- 
butae  an  nnseren  Kenntnissen  erlitten  haben.  Ganz  genan  so  wird 
es  mit  der  Schulhygiene  bei  den  Lehrern  gehen,  wenn  sie  keine 
Repetitionsknrse  in  derselben  erhalten,  wenn  ihnen  nicht  G-elegenheit 
geboten  ist,  ans  ihren  Zeitschriften  und  in  Eonferenzrortrftgen  immer 
und  immer  wieder  ihr  hygienisches  Denken  zu  unterstützen,  wenn 
sie  nicht  immer  wieder  Anregung  zum  hygienischen  Erziehen  und 
G^ewöhnen  der  Schulkinder  erhalten.  Ich  glaube,  es  sollte  nicht 
80  schwer  sein,  diesem  allem  Rechnung  zu  tragen.  Zu  allen  mög- 
lichen EuTBen  werden  die  Lehrer  einberufen,  könnte  nicht  auch 
einmal  gelegentlich  eines  solchen  über  Hygiene  gedacht  werden?  Es 
würde  sicher  nicht  belasten  —  weder  die  EHnanzen  der  Schule 
noch  die  Arbeit  des  Lehrers  — ,  wenn  während  eines  sechswöchent- 
liehen  Obstbaumzucht-,  Bienenzucht-,  Zeichnen-,  Handfertigkeits- 
kurses  etc.  ein  Stündchen  der  Hygiene  gewidmet  werden  könnte. 

Auch  Vorträge  hygienischen  Lihalts,  teils  von  Ärzten,  teils 
von  Lehrern,  würden  gewifs  mancherlei  Anregung  bieten,  die  Schul- 
hygiene in  praxi  zu  pflegen.  Endlich  dürfte  das  Halten  schul- 
hygienischer  Zeitschriften  das  Literesse  für  die  Schulhygiene 
im  Lehrerstand  wach  erhalten ;  schulhygienische  Referate  von  Original- 
artikeln sollten  mehr  als  bisher  in  den  Yereinsblättem  Platz  finden, 
—  sie  werden  ihre  Schuldigkeit  thun  und  dem  Lehrer  seine  Arbeit 
in  der  Schule  selbst  erleichtern. 

Man  könnte  nun  sagen,  dafs  das  Schularztsystem  alles  dies 
unnötig  mache;  die  Schulärzte  einzuführen  sei  das  einzig  Richtige. 
Solange  man  aber  noch  mit  den  vielen  Vorurteilen  der  Lehrer  zu 
kämpfen  hat  und  die  Geldfrage  bei  EinfOhrung  der  Schularzt- 
Listitution  eine  so  grolse  Rolle  spielt,  auch  sonst  noch  die  Be- 
rechtigungs-  und  Notwendigkeitsgründe  von  Schulbehörden  und 
Lehrern  so  vielfach  noch  in  Abrede  gestellt  werden,  wird  es  noch 
geraume  Zeit  anstehen,  bis  der  Schularzt  allgemeinen  Eingang  in 
der  Schule  finden  wird.  Lizwischen,  denke  ich,  wäre  es  gut,  diese 
Vonurteile  zu  zerstreuen  und  den  Lehrer  für  die  Schulhygiene  zu 
gewinnen  durch  einen  anregenden,  gründlichen  Unterricht  in  der 
Sehulgesundheitspflege,  und  durch  seine  Weiterbildung  vermittels 
besonderer  Kurse,  sowie  durch  die  Literatur.  Werden  gar  noch  die 
Wünsche,  die  ich  in  dieser  Zeitschrift^  vor  Jahresfrist  die  Seminar- 
Ärzte    vorbringen   lieis,    erfüllt,    dann  wird  die  Schulhygiene  ganz 


^  Jahrgang  1901,  S.  207. 


16 

gewifs  allmählich  Gemeingut  der  Schule,  was  geschehen  muÜB,  will 
man  fdr  die  Schulpraxis  EVüchte  von  ihr  erwarten,  will  man  haben, 
dab  der  Schularzt  Sympathien  finde,  die  notwendig  sind,  um  seine 
Tätigkeit  zu  einer  rollkommen  erspriefslichen  werden  zu  lassen.  Ich 
denke,  es  ist  besser,  wir  pflügen  zunächst  den  Boden,  auf  den  wir 
diese  Aussaat  bringen  wollen,  als  wir  streuen  einen  guten  Samen 
in  ein  Erdreich,  das  demselben  nicht  palst,  wo  er  nur  schlecht 
keimen,  vielleicht  gar  ersticken  wird,  wo  die  Früchte  nur  spärlich 
eingeheimst  werden.  Der  Lehrerstand  verlangt  mit  Becht,  dab  man 
sein  Gebiet  respektiere,  wir  verlangen  dies  auch  mit  Bezug  auf  das 
unsrige;  wir  wollen  nicht  einbrechen  in  Fremder  Gehege,  wie  wir 
auch  Herr  in  unserem  flauae  sein  wollen.  Dagegen  wünschen  wir, 
in  gegenseitigem  Vertrauen  und  Hand  in  Hand  mit  dem  hygienisch 
wohlgebildeten  Lehrer  zu  gehen  und  ihn  zu  beraten,  wie  auch  er 
vertrauensvoll  seine  Wünsche  und  Erfeüirungen  uns  entgegenbringen 
möge;  dann,  und  nur  dann  wird  die  Schulhygiene  ein  Gemeingut 
der  Schule  werden,  ihr  selbst  zum  gröisten  Nutzen. 


BegieninffBbeschlttise  betreff  Beinhaltimg  der  Schulen 

in  Norwegen. 

Von 

M.  K.  BIkonson- Hansbn  in  Trondhjem. 

Vor  einigen  Jahren  wurde  durch  den  norwegischen  Lehrerverein 
die  Frage  aufgeworfen  über  bestimmte  Begeln  und  Verordnungen  in 
betreff  der  Schulreinigung  in  Landbezirken,  nebst  einigen  anderen 
ümständoD,  die  dahin  zielten,  die  Verbreitung  von  Ejrankheiten 
durch  die  Schulen  zu  verhindern.  Es  zeigte  sich  nämlich,  dals  die 
Beinlichkeit  in  den  Stadtschulen  in  den  letzten  paar  Jahrzehnten 
grofse  Fortschritte  gemacht  hatte,  dafs  also  die  Mängel,  welche  die 
Schulen  der  Landbezirke  in  dieser  Richtung  noch  aufweisen,  be- 
sonders stark  hervortreten  mulsten,  und  es  wurde  hierdurch  die 
Überzeugung  geweckt,  dafs  sogleich  etwas  zur  Verbesserung  getan 
werden  müsse.  Ea  wurde  ein  Vorschlag  für  solche  Malsregeln  aus- 
gearbeitet,   der   entweder  als  Gesetz  oder  als  Verordnung  erlassen 


17 

werden  konnte.  Der  Entwurf  mnfste  viele  Instanzen  dnrohmaohen, 
und  dies  erforderte  Zeit.  Indessen  kam  das  Gesetz  vom  8.  Mai  1900 
betrefiEs  besonderer  Maüsnahmen  gegen  tuberkulöse  Krankheiten,  und 
§  11^  dieses  Gresetzes  gab  der  Sache  den  letzten  Stofs  in  fortschritt- 
licher Richtung,  so  dais  sie  endlich  durch  die  Resolution  des 
Kronprinzregenten  vom  1.  Juni  1902  geregelt  werden  konnte.  Durch 
diese  Resolution  wurde  folgendes  festgesetzt: 

A.  Verordnungen,  betreffend  das  Reinhalten  u.  s.  w. 

der  Schulen. 

§  1.  Es  ist  verboten  auf  die  Fulsböden  der  Schulzimmer  oder 
Gftnge  zu  spucken.« 

§  2.  Spucknäpfe  in  Schulzimmem  und  auf  Grängen'  sollen 
immer  etwas  Wasser,  Sand,  feuchtes  Sägemehl  oder  Torfmull,  ge- 
hackte Wachholderbeeren  oder  Fichtennadeln  enthalten.  Sie  sollen 
tftglich  gereinigt  und  ihr  Inhalt  entweder  verbrannt,  oder  in  Kloaken, 
am  Strand  oder  in  Erdlöcher^  ausgeleert  werden. 

§  3.  Sowohl  Lehrer  als  Kinder  müssen  ein  Taschentuch  oder 
die  Hand  vor  den  Mund  halten,  wenn  sie  husten.  Wie  man  sich 
gegenüber  von  schulberechtigten  Kindern,  die  an  Tuberkulose,  mit 
Auswurf  verbunden,  leiden,  zu  verhalten  hat,  wird  in  jedem  einzelnen 
Falle  von  der  Gesundheitskommission  des  Ortes  bestimmt. 

§  4.  In  jeder  Pause  sollen  die  Schulzimmer  wenigstens  fünf, 
und  nach  beendigter  Schulzeit  15  Minuten  gelüftet  werden,  am 
liebsten  durch  Zugluft,  sofern  das  Wetter  es  erlaubt.  Wenn  die 
Schullokalitäten  mit  Luftheizung  durch  Heizkammem  oder  mit 
mechanisch  betriebenen  Ventilationsvorrichtungen  versehen  sind,  kann 
die  Gesundheitskommission  hierin  Einschränkungen  erlauben. 


^  Hier  wird  nämlich  festgesetzt,  dafs  allgemeine  Bestimmungen  über  Mafs- 
regeln  gegen  die  Verbreitung  solcher  Krankheiten,  unter  anderem  auch  für 
Schalen  geltend,  erlassen  werden  müssen. 

'  Gegen  das  Ausspucken  macht  sich  jetzt  in  Norwegen  eine  energische 
Oppodtion  geltend.  Die  Blätter  bringen  stetige  Aufrufe,  wie  z.  B.  „Arbeite 
gegen  die  Spucksohweinerei**.  In  Kirchen  und  Versammlungslokalen,  in  Korri- 
doren und  auf  Treppen  finden  sich  Anschläge  wie:  „Spucke  nicht  auf  den 
Fafsbodenl*'  „Spucke  nicht  auf  die  Treppe!"  Nach  den  Polizeibestimmungen 
für  Trondhjem  ist  es  yerbotent  auf  Trottoirs  und  Spazierwegen  zu  spucken. 

•  S.  diese  Zeitschrift,  1891,  No.  6,  S.  292-294. 

^  Wenn  der  Inhalt  der  Spucknäpfe  in  ein  Erdloch  ausgeleert  werden 
kann,  meint  man  wohl  auch,  dafs  das  Loch  zugeschüttet  werden  soll. 

Schnlgesundheitspflege.  XVI.  2 


18 

§  5.  Die  VentilationskaDäle  —  sowohl  ZuleituDgs-  als  Ab- 
leitungskanäle,  sollen  wenigstens  einmal  jährlich  gereinigt  werden. 
Aulserdem  soll  öfters  nachgesehen  nnd  jede  Verstopfiing  gleich 
entfernt  werden. 

§  6.  Die  Fnfsböden  der  Schnlzimmer  sollen  täglich  mit  nassen 
Lappen  oder  Bürsten  gereinigt  werden.  Fensterpfosten,  Schnlpnlte, 
Bänke,  Wandtafeln  nnd  anderes  Inventar  soll  täglich  mit  nassem 
Lappen  abgewischt  werden.  Wenigstens  einmal  wöchentlich  werden 
die  Fufsböden  nnd  Gänge  der  Schnlzimmer  samt  Inventar  mit  Seife 
oder  Soda  und  Wasser  gereinigt.  Wenigstens  einmal  jährlich  —  im 
Herbst  vor  dem  Beginn  der  Schule  —  sollen  auch  Decke  und 
Wände  abgewaschen  werden.  Getünchte  Decken,  die  nicht  abzu- 
waschen sind,  sollen  wenigstens  einmal  jährlich  getüncht  werden. 
Bitzen  in  den  Fufsböden,  worin  Staub  und  Schmutz  sich  ansammeln 
kann,  sollen  verkittet  oder  auf  andere  Weise  dicht  gemacht  werden. 
Wenn  möglich,  sollen  die  Fuisböden  der  Schnlzimmer  gemalt  oder 
gefirnilst  sein.  An  den  Eingangsthüren  der  Schule  sollen  immer 
Matten  oder  Kratzer  angebracht  sein. 

§  7.  Gegenstände,  die  beim  Reinigen  benutzt  worden  sind, 
müssen  nach  jedesmaligem  Gebrauch  sorgfältig  rein  gespült  werden. 

§  8.  Die  Schulzimmer  sollten  nicht  zu  öffentlichen  Sitzungen 
oder  Versammlungen  benutzt  werden.  Geschieht  dies  dennoch,  so 
mufs  das  Zimmer,  bevor  es  wieder  als  Unterrichtslokal  benutzt  wird, 
jedesmal  sorg&ltig  durchlüftet  und  gründlich  gereinigt  werden. 

§  9.  In  den  Klosetts  der  Schulen  mufs  strenge  Reinlichkeit 
gehalten  werden.  Die  Klosettbehälter  mtLssen  so  oft  geleert  werden, 
dafs  keine  Uberfüllung  stattfindet,  und  es  soll  durch  Beimischung 
von  Torfmull,  Sägemehl,  Erde,  Asche  oder  ähnlichem  dafür  gesorgt 
werden,  dafs  sich  kein  Gestank  entwickelt. 

§  10.  Wer  die  Aufsicht  darüber  führen  soll,  dafs  die  in  dieser 
Verordnung  verlangte  Lüftung  und  Reinhaltung  stattfinde,  wird  für 
jede  Schule  von  dep  kompetenten  Schulbehörden  bestimmt. 

§  11.  Findet  die  Gesundheitskommission,  dafs  ein  Schullokal 
infolge  Uberfüllung  oder  wegen  Feuchtigkeit,  Unreinlichkeit,  un- 
genügender Beleuchtung  oder  Lüftung  der  Gesundheit  der  Kinder 
schädlich  ist,  so  kann  sie  von  den  Schulbehörden  verlangen,  daCs  sie 
den  vorgefundenen  Übelständen  abhelfen ;  sie  kann  sogar  die  Benutzung 
des  Lokals  solange  verbieten  bis  ihren  Forderungen  nachgekommen  ist. 

§  12.  Ein  Exemplar  dieser  Regeln  soll  man  immer  in  jeder 
Schule  angeschlagen  finden. 


19 

Soweit  die  Verordnungen.  Wie  man  sieht,  gelten  sie  für  sämt- 
liche Schulen  des  Beiches;  doch  hahen,  wie  oben  erwähnt,  im  Laufe 
der  letzten  Jahre  die  Reiulichkeitsbestrebungen  in  den  städtischen 
Schulen  im  allgemeinen  solche  Fortschritte  gemacht,  dals  diesen 
Verordnungen  eigentlich  schon  längst  Genüge  gethan  ist.  Nur  §  5 
konnte  auch  für  die  Schulen  in  Städten  noch  von  Bedeutung  sein, 
denn  man  hat  kaum,  trotz  dem  Bäte  der  Hygieniker,  den  Heizungs- 
und Ventilationsanlagen  in  den  Schulen  überall  die  nötige  Auf- 
merksamkeit geschenkt.^ 

Wenn  wir  zum  SchluCs  einen  Vergleich  anstellen  zwischen  dem 
Entwurf,  der  als  ^primus  motor^  in  dieser  Sache  diente,  und  dem 
Besultut,  das  nun  als  offizielle  Verordnung  vorliegt,  so  mufs  gesagt 
werden,  dals  wir  hier  mehrere  bedeutungsvolle  Punkte  des  Entwurfs 
vei-misaen,  die  verdient  hätten,  in  die  Verordnung  aufgenommen  zu 
werden.  Nicht  einmal  eine  so  natürliche  Forderung  des  Entwurfs, 
wie  die  war,  dals  jedes  Schullokal  eine  Waschvorrichtung  haben 
sollte,  hat  die  verschiedenen  Instanzen  durchlaufen  können,  ohne 
gestrichen  zu  werden.  Trösten  wir  uns  auch  in  diesem  Falle  mit 
den  Worten:  „Etwas  ist  besser  als  nichts^.  Wir  haben  nun  doch 
gewisse  Normen.  Und  es  darf  wohl  gesagt  werden,  dals  die  oben- 
erwähnten norwegischen  Verordnungen  einen  guten,  sicheren  Schritt 
in  fortschrittlicher  Bichtung  auf  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  be- 
deuten. Und  es  ist  eine  alte  Erfahrung,  dafs  ein  Schritt  andere 
nach  eich  führt.     Das  ist  das  Gesetz  der  Entwickelung. 


'  8.  diese  ZeUsehnft,  1896,  No.  3,  S.  142—143. 


^!t0  Detfammlnngen  unl  ))etettten. 


Die  Notwendigkeit  der  Schulärzte. 

In  einer  vor  knrzem  stattgehabten  Versammlang  des  Vereins  für 
Gesundheitspflege  in  Wien,  in  welcher  Prof.  Dr.  Schattbnfboh  ein- 
dringlich die  Anstellung  von  Schulärzten  empfahl,  führte,  der  „^.  Fr.  Fresse*" 
(31.  Oktober  1902)  zufolge,  Direktor  E.  Bayb  folgendes  ans:  Die  hygie- 
nischen Kenntnisse  des  Lehrers,  des  Schulleiters  u.  s.  w.  reichen  in  vielen 
FflUen  nicht  ans;  selbst  hygienische  Vorlesungen  und  derartige  Fortbildangs- 
korse  werden   nicht  im  stände  sein,   den  Lehrer  in   einer  solchen  Weise 

2* 


20 

auszubilden,  dafs  er  allen  Anfordenmgen  in  hygienischer  Hinsicht  entsprechen 
könne.  Sein  Wissen  betreffs  Schulhygiene  wird  gewisse  Grenzen  haben, 
über  die  hinaus  seine  hygienische  Tätigkeit  nicht  leicht  gehen  kann.  Der 
Lehrer  bedarf  in  der  Ausübung  seines  Berufes  in  gesundheitlicher  Richtung 
der  Unterstützung  eines  Spezialisten,  nämlich  eines  Schularztes.  Der  Lehrer 
sieht  zum  Beispiel,  dals  die  Körperhaltung  eines  Kindes  nicht  normal  ist. 
Er  ist  aber  in  den  meisten  Fällen  nicht  in  der  Lage,  sagen  zu  können^ 
diese  oder  jene  Ursache  liegt  diesem  Leidenszustande  zu  Grunde,  durch 
diese  oder  jene  Veranstaltung  kann  das  Leiden  gehoben  oder  gemindert 
werden.  Man  könnte  nun  einwenden,  man  brauche  hierzu  keinen  Schul- 
arzt, die  Eltern  mögen  sich  an  den  Hausarzt  wenden.  Für  die  Behebung 
eines  Übels  ist  es  auch  gleichbedeutend,  in  der  Frage  der  Prophylaxis 
aber  wird  die  Stimme  des  Schularztes  weit  schwerer  ins  Gewicht  fallen, 
da  er  mit  dem  Boden  besser  vertraut  ist,  auf  dem  operiert  wird,  und 
weil  er  im  stände  ist,  eine  Malsregel  einheitlich  durchzuführen.  Nur  ein 
Beispiel  hierfür:  Früher  war  es  einem  SchuUeiter  leichter  möglich,  einen 
Eiuflufs  betreffs  der  Wiederimpfung  auf  die  Eltern  auszuüben.  Heute  ist 
es  mit  Rücksicht  auf  die  Bestrebungen  der  Anhänger  des  Naturheilver- 
fahrens  nicht  mehr  leicht  möglich.  Ein  Schularzt  wird  sich  mit  dieser 
Frage  eingehend  beschäftigen  können.  Soll  der  Amtsarzt  zugleich  Schul- 
arzt sein,  so  mufs  das  Physikatsexamen  nach  der  Seite  der  Schulhygiene 
hin  eine  Erweiterung  erfahren.  Direktor  Bayr  kann  sich  nicht  damit 
einverstanden  erklären,  da(s  jeder  Arzt  ohne  weiteres  Schularzt  sein  könne. 
Am  zweckmäfsigsten  erscheint  es  ihm,  wenn  Ärzte,  die  Lust  und  Liebe 
zu  dem  Amte  eines  Schularztes  haben,  speziell  hierzu  ausgebildet  werden. 
Um  den  Schulärzten  eine  mehr  unabhängige  Stellung  zu  sichern,  wäre  die 
Einführung  von  staatlichen  Schulärzten  jener  von  städtischen  vorzuziehen.^ 
Eine  der  wichtigsten  Aufgaben  des  Schularztes  besteht  in  der  Unter- 
suchung der  neueingetretenen  Schüler.  Bei  solchen  Untersuchungen 
werden  sich  mannigfache  Resultate  zeigen,  so  zum  Beispiel  hinsichtlich  des 
Sehvermögens.  Es  ist  bekannt,  dais  diese  Untersuchungen  bei  kleineren 
Kindern  schwieriger  sind  als  bei  gröfseren.  Es  wird  eine  diesbezügliche 
Untersuchung  während  der  ganzen  Schulzeit  sich  öfters  als  notwendig  er- 
weisen. Es  ist  femer  durch  ärztliche  Untersuchungen  der  Beweis  geliefert 
worden,  dafs  schon  im  vorschulpflichtigen  Alter  eine  Reihe  schwerer  und 
leichterer  Skoliosen  und  nachweisbare  Deviationen  der  Wirbelsäule  vor- 
kommen. Die  Schule  kann  also  nicht  als  alleinige  Ursache  der  Skoliose, 
nicht  einmal  aller  leichteren  Formen  derselben  angesehen  werden;  die 
Schule  gibt  jedoch  Gelegenheit,   beliebte  Haltungen,   die  selbstverständlich 


^  Anm.  d.  Red. :  Wir  würden  es,  im  Gegensatz  zu  Direktor  E.  Batb,  sehr 
bedauern,  wenn  die  städtischen  Schulärzte  verstaatlicht  wurden.  Der  Initiative 
der  Städte  ist  es  ja  zu  verdanken,  wenn  wir  überhaupt  Schulärzte  haben.  Sie 
mögen  und  sollen  ihnen  auch  verbleiben.  Der  Staat  bietet  leider,  nach  dem 
bisherigen  Verhalten  der  Staatsregierungen  in  dieser  Frage  zu  urteilen,  keine 
Gewähr,  dafs  von  ihm  aus  die  Institution  der  Schulärzte  besonders  begünstigt 
werde,  hat  er  doch  eigentlich  sozusagen  noch  nirgends  für  seine  Schalen,  die 
es  bekanntlich  besonders  nötig  hätten,  Schulärzte  angestellt. 


21 

jenem  Fehler  angepafet  sind,  längere  Zeit  einzuhalten.  Das  skoliotische 
Kind  sitzt  skoliotisch;  es  sitzt  so,  wie  es  gewachsen  ist.  Für  den  Lehrer 
ist  das  Vorhandensein  einer  schlechten  oder  skoliotischen  Haltung  nicht 
leicht  zu  hestimmen,  in  vielen  Fällen  vielleicht  gar  nicht.  Es  gehört 
hierzu  ein  rascher  Blick,  alle  Symptome  sogleich  zn  erkennen-,  dies  erreicht 
man  oft  erst  nach  jahrelanger  Beschäftigung  mit  diesem  Kapitel  der  Hygiene. 
Der  Lehrer  hat  auch  die  Kinder  nicht  ausgezogen  vor  sich.  Daraus  ergibt 
sich,  dab  die  Untersuchungen  des  Arztes  ein  sicherer  und  leichter  festzu- 
stellendes Resultat  ermöglichen. 

yfie  wichtig  eme  ärztliche  Untersuchung  ist,  dafür  gab  Direktor  Bayb 
Beispiele  aus  seiner  Schulpraxis  an.  In  der  unter  seiner  Leitung  stehenden 
Schule  befinden  sich  durchschnittlich  etwas  mehr  als  400  Kinder.  Zu 
Beginn  des  heurigen  Schu^ahres  wurde  bei  fünf  neu  eintretenden  Schülern 
Skoliose  ärztlich  bestimmt.  Von  den  in  der  Schule  befindlichen  wurde 
bereits  früher  bei  16  Skoliose  und  bei  10  schlechte  Haltung  gefunden. 
Dies  ergibt  31  Schüler  mit  nicht  normaler  Haltung.  Kurzsichtigkeit 
wurde  bei  fünf  neueingetretenen  und  bei  17  bereits  in  der  Schule  befind- 
lichen Kindern  konstatiert,  in  Summe  22  Kurzsichtige  im  heurigen  Schul- 
jahre. Auch  die  Mund-  und  Zahnpflege  der  Kinder  werde  durch  den 
Schul^^  eine  bessere  Pflege  erfahren.  Mit  der  Forderung,  dafs  der 
Schularzt  Vorträge  blols  für  Lehrpersonen  halten  solle,  kann  sich  Direktor 
Bayb  nicht  einverstanden  erklären ;  sondern  es  sollten  auch  solche  für  die 
Schüler  der  Gewerbeschulen  gehalten  werden,  damit  sie  einen  Einblick  er- 
balten« auf  welche  Weise  sie  sich  ihre  Cresundheit  erhalten  können.  Der 
Schularzt  werde  hier  sehr  segensreich  wirken  können  und  vieles  würde 
sich  im  gesundheitlichen  Interesse  der  Kinder  günstiger  gestalten.  Wenn 
nach  dnem  besonderen  Schularzt  verlangt  wird,  sei  damit  nicht  gesagt, 
dals  die  Zustände  unseres  Schulwesens  auf  hygienischem  Gebiete  sich  ver- 
schlechtert haben,  sondern  es  sind  die  Ansprüche  an  die  hygienischen 
Verhältnisse  der  Schule  gestiegen,  und  zwar  in  demselben  Grade,  wie  das 
Wissensgebiet  sich  erweitert  hat. 


Der  Leipaer  Jngendspielplatz  und  die  Pflege 

der  Jngendspiele. 

12.  Jahreshauptversammlung  des   „Vereins  zur  Gründung  und 
Erhaltung  von  Jugendspielplätzen  in  Leipa*^. 

Mitget.'jvon  Jos.  Just,  Schriftführer. 

Der  Vorsitzende,  k.  k.  Realschuldirektor  Rüd.  Walda,  hob  in  seiner 
ErOfi&inngsrede  den  mächtigen  Fortschritt  des  Jugendspiel-  und  Sportwesens 
im  allgemeinen  hervor.  Behörden  und  Vereine  wetteifern,  geeignete  Plätze 
für  die  Erholung  und  Kräftigung  der  heranwachseuden  Jugend  zu  gewinnen 
und  zu  erhalten.  So  hat  unter  anderen  die  Böhmische  Sparkasse  in  Prag 
dem  Deutschen  Vereine  für  Jugendspiele  in  Prag  eine  Spende  von  100  000  K 
zukommen  lassen,  welche  zunächst  zur  Erwerbung  und  zweckmäfsigen  Ein- 
richtung eines  eigenen  geräumigen  Spielplatzes  in  den  königl.  Weinbergen 
verwendet  werden  soll.     Leider  drohe   das  englische  Vorbild  des  Sportes 


22 

grofee  Nachahmung  zu  finden.  Soweit  das  im  allgemeinen  Volksleben  oder 
innerhalb  der  militärischen  Kreise  der  Fall  ist,  sei  dagegen  nichts  einzu- 
wenden. Durch  den  Sport  werde  ein  Wettstreit  körperlicher  Fertigkeiten 
trotz  mancher  Auswüchse  hervorgerufen.  Allein  in  die  Schule  gehöre  der 
Sport  nicht,  weil  er  das,  was  für  die  Gesundheit  wertvoll  ist,  vielfach  ins 
Gegenteil  verkehrt,  weil  er  die  einseitige  £nt Wickelung  einzelner  Kräfte 
und  Fähigkeiten  an  die  Stelle  der  wünschenswerten  Durchbildung  des 
ganzen  Körpers  setzt,  und  weil  er  mit  allen  seinen  Erregungen  wett- 
eifernden Ehrgeizes  mit  Notwendigkeit  von  den  geistigen  Zielen  ablenkt 
und  eine  innere  Sammlung  unmöglich  macht.  Für  unsere  Jugend  sei  eine 
zunehmende  Berücksichtigung  der  körperlichen  Übungen  ebenso  erwünscht, 
als  der  Sport  nachteilig  ist.  Gewifs  sei  nichts  dagegen  zu  sagen,  wenn  die 
Schüler  derselben  Altersstufen,  zuweilen  auch  die  einer  ganzen  Anstalt, 
mit  einander  wetteifern,  aber  aller  eigentliche  Sport,  alles  Hervortreten 
in  die  Öffentlichkeit,  alles  „  Rekordmachen **  sei  ein-  für  allemal  von  Obel. 
Es  wäre  erwünscht,  wenn  an  allen  höheren  Lehranstalten  der  Nachmittags- 
unterricht derart  beschränkt  werden  könnte,  dafs  Zeit  fQr  regelmäßige 
körperliche  Übungen  gewonnen  würde.  Von  nicht  zu  unterschätzender 
Bedeutung  wäre  es,  wenn  die  erwachsene  deutsche  Jugend  das  Spiel  mehr 
pflegen  würde,  und  unsere  deutschen  Turner  könnten  sich  ein  grofses  Ver- 
dienst um  das  Volkstum  erwerben,  wenn  sie  den  Spielen  der  Erwachsenen 
Förderung  zu  teil  werden  liefsen,  denn  die  Spiele  seien,  wie  schon  Jahn 
hervorgehoben  hat,  eine  notwendige  Ergänzung  zum  Turnen. 

Der  Schriftführer,  Jos.  Just,  erstattete  einen  ausführlichen  Bericht 
über  die  Tätigkeit  des  Vereins  zur  Gründung  und  Erhaltung  von  Jugend- 
spielplätzen im  elften  Vereinsjahre  1901 — 1902.  Der  Mitgliederstand  habe 
infolge  der  Werbetbätigkeit  eine  erfreuliche  Zunahme  erfahren.  Dem 
Vereine  gehören  182  Leipaer  und  81  auswärtige  Mitglieder  an.  Den 
Jugendspielplatz  in  einem,  berechtigten  Anforderungen  entsprechenden  Stande 
zu  halten  und  den  Besuch  und  geregelten  Jugendspielbetrieb  zu  fördern, 
war  der  Ausschufs  nach  Kräften  bemüht.  Die  Wege  und  Plätze  wurden 
im  Frühjahre  ausgebessert,  die  Einfassungen  und  Pflanzungen  hergerichtet. 
An  den  Spieltagen  im  April,  Mai,  Juni,  Juli,  September,  Oktober  wurden 
die  dem  Vereine  gehörigen  Spielgeräte  und  Behelfe  in  der  Unterkunfthalle 
auf  dem  Spielplatze  bereit  gehalten  und  vom  Vereinsdiener  zur  freien  Be- 
nützung ausgefolgt.  Der  Besuch  des  Spielplatzes  war  auch  im  verflossenen 
Vereinsjahre  ein  sehr  lebhafter  und  ein  Beweis,  dafs  mit  der  Anlegung  des 
Jugendspielplatzes  einem  tiefwurzelnden,  allgemeinen  Bedürfnisse  der  Schul- 
stadt Leipa  entsprochen  worden  ist.  Der  Ausschufs  hat  die  Veranstaltung 
eines  „Unterrichtskurses  für  Jugendspiele"  in  Leipa  für  die  Zeit  vom  17. 
bis  23.  Juli  beschlossen.  Der  Verein  stellt  den  Spielplatz  und  alle  erforder- 
lichen Spielgeräte  und  Behelfe  zur  Verfügung  und  hat  beim  k.  k.  Landes- 
schulrate  um  Gewährung  einer  Beihilfe  aus  Staats-  und  Landesmitteln  zur 
Deckung  der  ziemlich  erheblichen  Kosten  nachgesucht.  Mit  den  Vereins- 
zwecken  (zu  welchen  auch  Einführung  und  Pflege  von  Jugendspielen, 
Förderung  und  Verbreitung  der  Erkenntnis  von  der  Notwendigkeit  und 
Wichtigkeit  von  Jugendspielplätzen  und  Jugendspielen  gehört)  erscheint  die 
Veranstaltung  eines  Jugendspielkurses  wohl  vereinbar,  welcher  ein  besonders 


23 

wirksames  Mittel  sein  wird  zur  Aasbildnng  sachkundiger  Spielleiter,  zur 
Erzielnng  geregelten  Spielbetriebes,  zu  immer  grölserer  Ausbreitmig  der 
ernsten,  zielbewofsten  Pflege  der  fttr  die  körperliche  Ausbildung  der  Jugend 
so  wichtigen  Bewegungsspiele.  In  der  wichtigsten  Lebensfrage  des  Vereins, 
die  Sicherung  des  Bestandes  des  vom  Vereine  mit  einem  Eostenaufwande 
Yon  Aber  6000  fl.  geschaffenen  und  erhaltenen  Jugendspielplatzes  be- 
treffend, kann  der  Ausscbufs  leider  noch  nicht  über  einen  günstigen  Erfolg 
der  diesbezüglichen  Bemühungen  berichten.  Immerhin  hat  die  Stadtgemeinde 
Leipa  Yorläufig  die  Verlängerung  des  am  30.  September  1902  endigenden 
Pachtrerhältnisses  bezüglich  des  der  Herrschaft  Neuschlofe  gehörenden 
Grundes  erwirkt  und  wegen  Erwerbung  des  Platzes  im  Wege  des  Aus- 
tausches die  Verhandlungen  eingeleitet. 


Internationale  Tnberknlosekonferenz  in  Berlin, 

Oktober  1902. 

Sanitätsrat  Dr.  Obertüschen  betont  die  Notwendigkeit,  im  Kampfe 
gegen  die  Tuberkulose  die  Schule  mit  hereinzubeziehen,  und  zwar  in 
doppeltem  Sinne.  Die  Schule  darf  nicht  eine  Ansteckungsquelle,  ein  Ver- 
breitungsherd für  die  Krankheitserreger  werden;  sie  mufs  daher  in  ihren 
Einrichtungen  so  viel  wie  möglich  auf  alle  hygienischen  Bedürfoisse  Rücksicht 
nehmen,  allen  anerkannten  hygienischen  Bedürfhissen  entsprechen.  Aufserdem 
muls  die  Scliule  erzieherisch  und  aufklärend  auf  die  ihr  anvertraute 
Jugend  hinzuwirken  suchen.  Wie  wir  dem  j^Berl,  TagehL^  entnehmen, 
fafste  der  Beferent  seine  Mitteilungen  folgendermalsen  zusammen: 

An  der  Lösung  dieser  Kulturaufgabe  mufs  sich  auch  die  Schule  be- 
teiligen. Das  Recht  erwächst  der  Schule  aus  ihrer  Stellung  als  Haupt- 
trägerin  der  Kultur  und  Förderin  alles  menschlichen  Fortschritts  überhaupt, 
die  Pflicht  entspringt  aus  der  Eigenschaft  der  Schule  als  obligatorischer, 
staatlicher  Einrichtung,  von  der  verlangt  werden  mufs,  dafs  sie  Lehrer 
wie  Schüler  möglichst  gegen  die  Ansteckungsgefahr  der  Tuberkulose  schützt. 
Die  Mitwirkung  der  Schule  bei  dem  Kampf  gegen  die  Tuberkulose  hat 
auszugehen:  a)  von  der  Heilbarkeit  der  Tuberkulose,  b)  von  ihrem 
Charakter  als  einer  ansteckenden  Krankheit. 

Die  aus  der  Heilbarkeit  der  Tuberkulose  der  Schule  erwachsenden 
Pflichten  verlangen:  1.  dafs  jedes  tuberkulöse  Kind  vom  Schulunterricht 
auszuschlieisen  und  möglichst  in  eine  Kinderheilstätte  zu  bringen  ist;  2.  dafs 
jeder  tuberkulöse  Lehrer  vom  Unterricht  fem  bleibt  und  ohne  Verlust  seines 
Gehaltes  so  lange  in  Anstaltsbehandlung  bleibt,  wie  dies  ärztlich  für  not- 
wendig befanden  wird. 

Bezüglich  der  Verhütung  der  Ansteckungsgefahr  kann  sich  die  Schule 
auCserdem  in  weitestem  Umfange  durch  Mafsnahmen  der  Prophylaxe  be- 
thätigen,  die  sowohl  direkt  gegen  die  Übertragung  der  Krankheit,  als  auch 
indirekt  auf  die  Bekämpfung  der  namentlich  durch  die  Disposition  sich 
ergebenden  Gefahr  der  Verbreitung  gerichtet  sind.  Die  direkte  Prophylaxe 
kann  bei  der  Natur  des  Krankheitserregers  (TuberkelbaciUus)  und  wegen 
seiner  greisen  Verbreitung  nur  bedingten  Wert  beanspruchen.    Der  Haupt- 


24 

wert  ist  auf  die  indirekte  Prophylaxe  zn  legen,  die  in  der  Hauptsache 
folgende  Mafsnahmen  mnfaTst :  a)  Gröfsere  Berflcksichtignng  der  freien 
Leibesübungen,  insbesondere  der  zur  Kräftigung  der  Lunge  und  des  Herzens 
dienenden,  vor  allem  auch  während  der  Reifezeit  vom  14.  bis  19.  Jahre 
(höhere  Schulen,  kaufmännische  und  Fortbildungs-,  gewerbliche  und  Lehr- 
lingsschulen), b)  Mitwirkung  der  Schule  bei  der  Berufswahl,  c)  Möglichste 
Unterstfltzung  aller  Bestrebungen,  die  zur  Kräftigung  der  heranwachsenden 
Jugend  beitragen,  d)  Belehrung  der  Schu^ugend  über  die  Natur  der  Infek- 
tionskrankheiten, beziehungsweise  die  Mittel  zu  ihrer  Verhütung  durch  auf 
dem  Seminar  hinreichend  vorgebildete  Lehrkräfte  (Anschauungsunterricht). 
Die  Durchführung  der  Forderungen  läfst  sich  nur  erreichen  unter 
steter  Mitwirkung  ärztlicher  Kräfte,  daher  ist  eine  wirksame  Mit- 
hilfe der  Schule  bei  der  Schwindsuchtsbekämpfung  nur  bei 
der  überall  durchzuführenden  Anstellung  von  Schulärzten 
zu  erreichen. 


Zur  Sprachpflege  in  den  Nebenklassen. 

Dieses  Thema  behandelte  Direktor  GüTZMANN  unlängst  in  der  Ver- 
sammlung des  Vereins  für  Sprachpflege  in  Berlin.  Nach  einer 
Charakterisierung  der  Schüler  dieser  Klassen  zeigte  der  Vortragende,  dals 
aus  psychologischen  oder  physiologischen  Gründen  sich  hier  die  sprachlichen 
Schwierigkeiten  häufen;  die  Erfahrung  lehrt»  dals  hier  Stotterer  in  dreimal 
so  hohem  Prozentsatz  wie  in  Normalklassen,  Stammler  in  noch  viel  höherem 
Ma&e  und  in  vielfach  recht  schweren  Formen,  und  aufserdem  Silbenstolpem, 
Echolalie,  Poltern,  Brodeln  und  andere  Störungen  vorkommen.  Gützmann 
gab  aus  seiner  reichen  Erfahrung  schätzenswerte  praktische  Winke  über 
die  Behandlung  von   Sprachstörungen  und    stellte   folgende   Forderungen: 

1.  „Die  Lehrer  der  Nebenklassen  müssen  mit  dem  Wesen  und  dem  Ab- 
stellungsveri'ahren     der    verschiedenen    Sprachgebrechen     vertraut    sein." 

2.  „Zur  Abstellung  der  verschiedenen  Formen  des  Stammeins,  wie  auch  zur 
Sprachpflege  überhaupt,  sind  hauptsächlich  in  Verbindung  mit  den  Sprech- 
und  Leseübungen  methodische  Artikulationsübungen  vorzunehmen,  für  welche 
der  Lektionsplan  Zeit  und  Platz  vorzusehen  hat.  Für  stotternde  Kinder 
in  den  Nebenklassen  sind  besondere  Unterrichtskurse  einzurichten.^  In 
der  nachfolgenden  Debatte  wurde  betont,  dafs  auch  in  allen  Klassen  der 
Normalschule  methodisch  geleitete  Artikulationsübungen  in  Verbindung  mit 
Tum-  und  Atemübungen  vorgenommen  werden  müßten;  auch  wurde  eine 
Statistik  der  Sprachgebrechen  in  den  Nebenklassen  gewünscht. 


Ursache  und  Verhfltnng  der  Tuberkulose  mit  besonderer  Beziehung 

auf  die  Schulyerhältnisse. 

Vortrag  von  Dr.  J.  Ruhemann  im  Berliner  Verein  für  Schulgesundheitspflege. 

Der  Vortragende  liefs  folgende  Gesichtspunkte  hervortreten:  Einmal 
ist  es  für  die  Erkenntnis  der  Entstehung  der  Tuberkulose  wichtig,  auf  die 
körperliche  Disposition  sorgfältig  zu  achten.    Das  Studium  dieser  Disposition 


25 

ist  ebenso  notwendig,  wie  die  eingehende  Beschäftigung  mit  den  biologi- 
schen Verhältnissen  der  den  tnberknlösen  Prozefs  selbst  hervorrafenden 
KocHschen  Bacillen.  Gerade  für  das  Schnlalter  kommen  diese  dispositio- 
nellen, angeborenen  nnd  erworbenen  Momente  sehr  in  Betracht.  Hierher 
gehören:  die  Entwicklung  des  Brustkorbes,  der  Wirbelsäule,  femer  der 
nachhaltige  Einfluls  akuter  Infektionskrankheiten,  wie  Masern,  Keuchhusten, 
Affektionen  der  Atmungsorgane,  insbesondere  der  Grippe.  Vor  allem  wies 
der  Vortragende  auf  den  noch  nicht  genügend  gewürdigten  Zusammenhang 
zwischen  Grippe  und  nachfolgender  Tuberkulose  hin.  Aber  auch  andere 
bösartige  Spaltpilze  wie  Lungenentzflndungs-  und  Eitererreger,  können  in 
hervorragender  Weise  an  dem  Ausbruche  der  Tuberkulose  beteiligt  sein. 
Sodann  erwähnte  der  Vortragende  die  Schwankungen  in  den  Giftigkeits- 
graden der  Tuberkelbacillen.  Dadurch  erkläre  es  sich,  dais  sie  einmal 
selbst  bei  Yorhandener  Disposition  nicht  wirksam  werden,  und  dafs  sie 
andererseits  so  mächtige  Giftstoffe  besitzen  können,  um  auch  ohne  die 
Faktoren  der  Disposition  die  Krankheit  ausbrechen  zu  lassen.  Die  Er- 
klärung für  diesen  Virulenzgrad  der  Schwindsuchtserreger  sucht  der  Vor- 
tragende in  den  Beziehungen  zur  Sonnenscheindauer  zu  finden.  Je  längere 
Sonnenscheindauer,  desto  weniger  Tuberkulose  und  Influenza.  Wenn  auch 
das  schulpflichtige  Alter  verhältnismäfsig  kleine  Zahlen  in  der  Tuberkulosen- 
statistik gegenüber  der  Häufigkeit  am  Ende  des  zweiten  Lebencoahrzehntes 
aufweist,  so  ist  man  doch  verpflichtet,  mit  allen  zur  Verfügung  stehenden 
Mitteln  Vorbeugungsmafsregeln  in  der  Schule  und  zum  Teil  durch  die 
Schule  (Wichtigkeit  der  Schulärzte)  zu  treffen.  Und  zwar  soll  die  Auf- 
nahme der  an  Tuberkulose  erkrankten  Schüler  verhindert,  tuberkulöse 
Lehrer  femgehalten,  für  Reinlichkeit  in  den  Schulzimmem  gesorgt  werden. 
Sodann  sollen  die  die  Krankheit  vorbereitenden  dispositionellen  Momente 
durch  zweckmä&ige  schulhygienische  Anordnungen  in  ihren  schädigenden 
Einfltissen  gemildert  werden.  Die  theoretisch  nicht  unbegründete  Forderung, 
besondere  Schulklassen  beziehungsweise  Schulen  für  tuberkulöse  Kinder  zu 
errichten,  hält  R.  nicht  für  durchführbar;  sie  würde,  abgesehen  von  allen 
anderen  Momenten,  an  den  Umständen  scheitern,  dafs  der  Eindmck  der 
Zugehörigkeit  zu  einer  derartigen  Gemeinschaft  Siecher  auf  das  Gemüt 
der  Kinder  von  unheilvollerer  Wirkung  sein  dürfte  als  sich  durch  die 
prophylaktische  Bedeutung  einer  solchen  Institution  für  die  Allgemeinheit 
verantworten  lassen  dürfte;  auch  würde  es  nicht  gerade  leicht  sein^  gesunde 
Lehrer  für  derartige  Stellungen  zu  finden.  y^Berl  Tageblatt,'^ 


tiltxnttt  Ütitteiitttisen* 


Einen  Fragebogen  Aber  die  Schnlanftnger  hat  die  Konfessionell- 
gemischte Volksschule  zu  Frankenthal  (Pfalz)  eingeführt.  Wir  geben  diesen 
Fragebogen,  den  wir  der  kgl.  Lokalschulinspektion  Frankenthal  verdanken, 
unverkürzt  wieder: 


26 


An  das  Elternhaus:  Um  auf  die  etwaigen  Fehler  imd  Schäden 
der  Kinder  in  der  Schale  gebührend  BUcicsicht  nehmen  za  können,  ersuchen 
wir  um  gewissenhafte  Beantwortung  der  umstehenden  Fragen  und  um  Rück- 
gabe des  Bogens  binnen  3  Tagen. 

Der  Lehrer  ist  bei  Beantwortung  der  einzelnen  Fragen  zur  Beihilfe 
gerne  bereit. 

Name  des  Kindes : geh zu 

Sohn  (Tochter)  des ,   Konfession : , 

erste  Impfung:    ,   zweite  Impfung: 


Fragen: 
1.  a)  Welche  von  den  nebenbezeichneten  Krank- 
heiten hat  das  Kind  überstanden? 


Antworten: 
1.  a)  Masern,  Scharlach, 
Diphtherie,      Typhus, 
Keuchhusten,     Ohren- 
krankheiten,     Augen- 
krankheiten,    Gehirn- 
entzündung,   englische 
Krankheit?     (Die  ge- 
habte Krankheit  ist  zu 
unterstreichen!) 
b)  Welche  sonstigen  Krankheiten  hat  das  Kind        b) 
überstanden? 

2.  Wie  alt  war  es  damals?  2. 

3.  Sind  Nachteile  zurückgeblieben  und  welche?        3. 
Ist  das  Kind  4.  kurzsichtig?  4. 

5.  Schielt  es?  5. 

6.  Ist  es  schwerhörig?  6. 

7.  Stottert  es?  7. 
Ist  es  8.  lungenkrank?  8. 

9.  herzkrank?  9, 

10.  mit  Bruchschaden  behaftet?  10. 

11.  mit  schiefem  Rückgrat?  11 

12.  Ist  ein  Fehler  in  Mund,  Rachen-    12. 
höhle,  Nase  bemerkt  worden? 

13.  Hat  es  eine  Hautkrankheit?  13. 
Ist  es  14.  epileptisch?  14. 

15.  Klagt  es  häufig  über  Kopfschmerz?   15. 
Ist  es  16.  dem  Alter   entsprechend  körper-    16. 
lieh  und  geistig  entwickelt? 

17.  oder  geistig  und  körperlich  zurück-    17 

geblieben  und  weshalb?  

18.  Welche    sonstigen    Fehler    sind-    18 

anzugeben?  

Bemerkung:  Etwaige  vertrauliche  Mitteilungen  über  das  Kind  sind 
dem  Lehrer  von  Vater  oder  Mutter  persönlich  zu  erstatten. 

Wer  hat  vorstehenden  Fragebogen  ausgefüllt?   (Vater?  Mutter?  Pflege- 
eltern? Grofseltern?  Hausarzt?  Lehrer?) 

(Das  Zutreffende  ist  zu  unterstreichen!) 


27 

Bemerknng  fflr  den  Lehrer:  Dieser  Fragebogen  ist  aafznbewahren 
and  bei  Elassenändemng  des  Schülers  dem  betreffenden  Lehrer  zuzustellen. 
Nach  auswärts  geht  der  Bogen  nicht,  nur  ein  kurzer  Auszug  hieraus 
ist  dem  Überweisungsscheine  beizugeben! 

(Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dafs  ein  derartiger  Fragebogen,  wenn 
er  richtig  und  mit  Verständnis  ausgefüllt  wird,  einen  grofsen  Wert  besitzt. 
£r  bildet  die  Grundlage  eines  Gesundheitsscheines,  der  das  Kind  durch 
seine  ganze  Schulzeit  begleiten  und  dem  Lehrpersonal  als  Bichtungslinie 
für  die  individuelle  Behandlung  des  Kindes  dienen  soll.  Nicht  empfehlens- 
wert scheint  uns  nur,  dafs,  wie  offenbar  vorausgesetzt  wird,  dieser  Frage- 
bogen in  der  Mehrzahl  der  Fälle  nicht  von  einem  Arzte,  sondern  von 
einem  Laien  (Eltern,  Lehrer)  ausgefüllt  werden  soll,  während  hierzu 
eigentlich  nur  der  Arzt  (Hausarzt,  Schularzt)  berufen  ist.  Wollen  wir 
hoffen,  dafs  dies  in  Frankenthal  wirklich   der  Fall  sein  werde.     D.  Red.) 

Die   F&rsorge    ffir    mittellose  Sehalkinder   ist,    wie   man   der 

j^Frankf.  Ztg,*^  schreibt,  in  Genf  sehr  gut  organisiert.  Die  Speisung  der 
Kinder  geschieht  hier  allerdings  nicht  aus  städtischen  oder  kantonalen 
Mitteln,  sondern  durch  private  Vereine,  die  „Guisines  scolaires^.  Ihre 
Wirksamkeit  ist  ermöglicht  durch  reiche  Spenden  an  Geld  und  Lebens- 
mitteln. Die  Bauern  der  Umgebung  spenden  Feldfrüchte,  die  zu  Beginn 
des  SehuJIjahres  aus  den  Dörfern  abgeholt  werden,  Vereine  veranstsdten 
Bazars  und  Unterhaltungen  zu  Gunsten  der  „Schulküchen'' ;  auch  das 
Stadttheater  stellte  sich  an  einem  Abende  in  ihren  Dienst  (das  Beinerträgnis 
der  Vorstellung  vom  9.  ds.  Mts.  warf  2000  Fr.  für  die  „Schulkttchen"  ab); 
Mitglieder  und  Nichtmitglieder  leisten  jährliche  Beiträge,  und  viele  Fabri- 
kanten stellen  sich  mit  Geschenken  grölserer  Quantitäten  ihrer  Er- 
zeugnisse ein. 

Die  Unterstützung  von  Seite  der  Stadt  besteht  in  der  unentgeltlichen 
Überlassung  der  Lokalitäten.  Wo  dies  irgendwie  möglich,  wurde  ein 
verfagbarer  Baum  als  Speisesaal  und  Küche  eingerichtet.  In  einigen 
Schulen  mit  beschränkten  Räumlichkeiten  wird  der  Turnsaal  mittags  regel- 
mälsig  in  einen  Speisesaal  umgewandelt.  Bei  den  beiden  neuen,  jetzt  im 
Baue  begriffenen  Schulen  ist  schon  a  priori  auf  einen  geeigneten  Speiseraum 
und  eine  Küche  Bedacht  genommen.  An  bezahltem  Personal  besitzt  jede 
Schulküche  nur  eine  Köchin.  Ihr  stehen  Lehrerinnen  als  freiwillige  Ge- 
hilfinnen und  als  Aufseherinnen  zur  Seite.  Die  Bewirtung  der  Kinder 
geschieht  durch  Mitglieder  des  Komitees,  Bürger  aus  dem  Schulquartiere. 
Täglich  haben  vier  dieser  „Kommissare''  Dienst.  Sie  verpflichten  sich  am 
Beginne  des  Schu^ahres,  einmal  in  der  Woche  des  Amtes  zu  walten. 
Handwerker,  Kaufleute,  Wirte,  Ingenieure  u.  s.  w.  befinden  sich  unter 
diesen  freiwilligen  Kellnern  oder  richtiger  Bewirtern. 

Dadurch  ist  es  den  vier  bestehenden  „Cuisines  scolaires''  ermöglicht, 
mit  dem  verhältnismäfsig  geringen  Aufwände  von  30000  Fr.  im  Schul- 
jahre täglich  gegen  600  Schulkinder  zu  bespeisen.  Nicht  blofs  die  völlig 
mittellosen  Schulkinder  können  an  den  Mahlzeiten  teilnehmen,  sondern  auch 
die  Kinder  jener  Eltern,  die  zwar  nicht  mittellos,  aber  tagsüber  nicht  zu 
Hanse  sind.  Die  letzteren  zahlen  für  die  Mittagsmahlzeit  30  Cts.  Doch 
ist   ihre  Zahl   verschwindend  gering;   auf  100  Teilnehmer  entfallen  durch- 


28 

schnittlich  5  zahlende  Kinder.  Die  Mahlzeit  besteht  täglich  ans  Snppe, 
Fleisch  mit  Zuspeise  und  einem  Dessert.  Nebenbei:  die  Mahlzeiten  sind 
wirklich  schmackhaft  and  nahrhaft.  Die  Kinder  selbst  sitzen  yergnflgt  aaf 
den  Holzbänken  nm  die  langen  Tische,  jedes  hat  sein  eigenes  Trinkglas  vor 
sich.  Wie  das  schwatzt  und  lacht  und  lärmt  1  Aber  man  lä£st  sie  lärmen. 
Die  Konunissare  —  selbst  Familienväter  —  haben  für  jedes  Ednd  einen 
freundlichen  Blick  oder  ein  freundliches  Wort.  Da  gibt  es  kein  Ein- 
schüchtern und  dafflr  auch  keine  Duckmäuserei.  Die  Kinder  fahlen  sich 
frei,  gar  nicht  bedrückt,  und  das  muis  ihre  Entwickelung  entschieden  wohl- 
tuend beeinflussen.  Nach  SchluCs  der  Mahlzeit  erfolgt  der  Aufbruch.  Die 
Kinder  geben  den  „Kommissars*^  die  Hand  und  eilen  dann  Arm  in  Arm 
die  Treppen  hinunter.  Laut  geht  es  auch  dabei  zut  Die  grölseren  Schul- 
mädchen helfen  noch  das  Geschirr  abräumen  und  die  Tische  reinigen, 
dann  eilen  auch  sie  hinunter  in  den  Hof  oder  in  den  Schulsaal,  wo  bis 
zu  Schulbeginn  allerlei  Kurzweil  getrieben  wird. 

Die  neueren  Schulen  haben  gedeckte  Höfe,  so  dals  die  Kinder  selbst 
bei  Regenwetter  nicht  zum  Aufenthalte  in  den  geschlossenen  Schulräumen 
gezwungen  sind. 

Die  Bewirtung  der  Kinder  beginnt  vom  Schulbeginne  an  durch  den 
ganzen  Winter  bis  in  den  Monat  April.  In  den  Sommermonaten  whrd  von 
der  Bespeisung  der  Kinder  abgesehen,  weil  die  Yerdienstverhältnisse  der 
Eltern  in  dieser  Zeit  günstiger  sind. 

Aber  mit  der  Speisung  durch  die  „Cuisines  scolaires**  ist  die  Für- 
sorge fär  die  Schulkinder  noch  nicht  erschöpft.  Eine  ungemein  nützliche 
und  wohlthuend  wirkende  Einrichtung  ist  die,  dafs  die  Kinder,  deren 
Eltern  aufser  Hause  arbeiten  und  erst  spät  abends  heimkehren,  nach 
Schulschluls  unter  Aufsicht  besonderer  staatlicher  Lehrkräfte  im  Schnl- 
gebäude  verbleiben  und  sich  die  Zeit  —  ganz  nach  freier  Wahl  —  durch 
Spiel  oder  Arbeit  vertreibeh  können.  Im  Winter  halten  sie  sich  in  den 
warmen  Räumen  auf,  im  Frühling  oder  Sommer  unternehmen  sie  unter 
Führung  des  Aufsehers  oder  der  Aufseherin  gemeinsame  Spaziergänge. 

Täglich  um  6  ühr  abends  wird  an  alle  Kinder  ein  Stück  Brot,  ein 
Stück  Chokolade  und  etwas  Obst  verabreicht.  Diese  Mahlzeit  erhalten  die 
Kinder  durch  das  ganze  Jahr,  auch  nach  Aufhören  der  Mittagsmahlzeiten. 
Sie  kehren,  wenn  auch  vielleicht  nicht  satt,  so  doch  jedenfalls  nicht  mit 
leerem  Magen,  am  Abend  heim.  Der  Aufenthalt  im  Schulhause  ist  ihnen 
bis  8  Uhr  abends  gestattet.  Da  finden  wohl  die  meisten  ihre  Eltern 
zu  Hause. 

Jedes  Kind,  ohne  Unterschied  der  Konfession  und  Landeszugehörigkeit, 
wird  dieser  Fürsorge  teilhaftig.  Wer  die  vergrämten  und  bleichen  Gesichter 
der  hungernden  und  notgedrungen  auf  der  Strafse  umherirrenden  Kinder 
anderer  Grolsstädte  mit  diesen  Kindern  vergleicht,  wird  auf  den  ersten 
Blick  den  ganz  gewaltigen  Nutzen  dieser  Institutionen  erkennen. 

Desinfektion  von  Schnlbflchern  in  Amerika,  über  einen  beachtens- 
werten Schritt  der  Gesundheitsbehörde  des  nordamerikanischen  Staates  New- 
Jersey  in  Bezug  auf  Schutz  vor  Ansteckung  durch  Schulbücher  teilen 
die  ^ÄUg.  unssensch,  Berichte  aus  New-Tark""  folgendes  mit:  In  der 
Hauptstadt  dieses  Staates  ist  ein  Yersnchskabinett   zur  Desinfektion  von 


29 

Bttcbem,  KindergarteDgeräten  und  anderen  Gegenständen  eingerichtet 
worden,  die  von  den  Pfleglingen  der  öffentlichen  Schalen  benntzt  werden. 
Das  Kabinett  ist  ans  Holz  hergestellt,  hat  einen  Ranmgehalt  von  24  Knbik- 
Mb  und  ist  yollkommen  dicht  verschliefsbar.  Als  Desinfektionsmittel  wird 
Fonnaldehyd  benntzt.  Damit  dieses  Gas  genügend  in  die  Gegenstände 
eindringen  kann,  werden  die  Bttcher  anfrecht  und  weit  geöffnet  aufgestellt. 
Jeden  Tag,  nachdem  die  Schüler  den  Unterricht  yerlassen  haben,  werden 
sämtliche  von  ihnen  benutzten  Gegenstände  in  das  Kabinett  gebracht  und 
dort  der  Desinfektion  unterworfen.  Wenn  sie  am  nächsten  Morgen  zum 
erneuten  Gebrauch  an  die  Schüler  verteilt  werden,  ist  ein  Geruch  des  des- 
infizierenden Grases  an  den  Gegenständen  mit  glatter  Oberfläche,  also  an 
Büchern,  Federhaltern  und  ähnlichen  Geräten,  nicht  erkennbar,  während 
er  an  Zeug,  z.  B.  wollenen  Bällen,  lange  haften  bleibt.  Durch  scharfe 
Prüfungen  soll  nachgewiesen  worden  sein,  dafs  die  geschilderte  Mafs- 
nafame  genügt,  die  Bücher  in  allen  ihren  Teilen  vollkommen  keimfrei  zu 
machen. 

Über  einen  eigenartigen  Fall  hysterischer  Stimmlosigkeit  bei 

eiBem  Kinde  berichtet  Dr.  P.  Bside  in  ^Tke  Edinburgh  Med.  Jowm,^ 
(August  1902).  Ein  Knabe  von  12  Jahren  machte  sich  im  jugendlichen 
Übermut  das  Vergnügen,  an  einem  Hause  die  Glocke  zu  ziehen  und  dann 
wegzulaufen.  Er  wurde  von  einem  Herrn  ergriffen  und  in  das  betreffende 
Haus  zurückgebracht,  ohne  aber  weiter  bestraft  zu  werden.  Infolge  des 
ausgestandenen  Schrecks  verlor  der  Ejiiabe  für  längere  Zeit  die  Sprache, 
und  aUe  ärztlichen  Bemühungen,  ihm  dieselbe  wieder  zu  verschaffen,  waren 
vergebens.  Erst  nach  V«  Jahren  erlangte  der  Patient  unter  eigenartigen, 
fast  an  klassische  Vorbilder  erinnernden  Umständen  die  Sprache  wieder: 
Sein  Bruder  hatte  für  einige  Augenblicke  das  Zimmer  verlassen,  und  der 
Yater,  momentan  seines  Sohnes  Leiden  vergessend,  herrschte  ihn  an,  die 
Mutter  zu  rufen.  Der  Knabe  tat,  wie  ihm  befohlen,  und  befreite  sich  so 
von  seinem  Leiden. 

Die  traurigen  SebulzEstände  in  der  Provinz  Posen  sind  zur  Ge- 
nüge bekannt.  Am  traurigsten  dürften  sie  jedoch  im  Kreisschulinspektions- 
bezirk  Grätz  sein.  Nach  einer  Mitteilung  der  „iVettös.  Lehrerztg.**'  zählt 
der  Bezirk  47  Schulen;  davon  sind  überfüllt  1  evangelische,  26  katho- 
lische Schulen.  18  Schulen  haben  über  je  100  Schüler,  5  Schulen  150 
bis  200  Kinder.  Mehr  als  200  Kinder  zählt  die  Schule  in  Zemsko,  die 
zum  1.  Oktober  v.  J.  durch  die  Schule  zu  Bielawy  entlastet  werden  sollte. 
Durchschnittlich  entfallen  auf  1  Lehrer  79  Kinder.  Nicht  besetzt  sind 
12  Stellen,  das  sind  etwa  15  Prozent. 

Eiiie  Lungenheilstätte  fBr  Lehrer  und  Lehrerinnen  soll  dem- 
nächst in  Frankreich  gegründet  werden.  Wie  die  ^^euss,  Lehrer etg."^ 
mitteilt,  geht  die  Anregung  zu  dem  Unternehmen  von  der  nationaJen 
Lehrervereinigung  aus,  die  sich  zu  diesem  Zwecke  mit  den  „Soci^t^s  ami- 
cales  d'instituteurs*^  in  Verbindung  gesetzt  hat.  Die  letzteren  werden  jähr- 
lich einen  Zuscbuis  von  40000  Francs  zu  den  Betriebskosten  beisteuern, 
während  die  auf  800000  Francs  geschätzten  Baukosten  durch  eine  Lotterie 
aufgebracht  werden  sollen.  Jeder  französische  Lehrer  soll  zehn  Lose 
dieser  Lotterie  zum  Preise  von  1  Franc  für  das  Stück  zum  Weitervertrieb 


30 

übernehmen.     Aufserdem  hofft  man  auf  Unterstfltznngen  des  Staates  und 
der  Gemeinden.     Die  Anstalt  soll  100  Betten  erholten. 

Ferienkolonie  für  Stndenten  in  Ungarn.  Wie  Max  Gtjttmann 
in  „KihToer  und  Geist''  (No.  14)  mitteilt,  hat  Graf  Johann  Pallft  dem 
ungarischen  Staate  eine  Ferienkolonie  im  Werte  von  3  Millionen  Kronen 
geschenkt,  die  fttr  120  Stndenten  der  höheren  Schulen  ohne  Unterschied 
der  Konfession  bestimmt  ist.  Diese  Kolonie  nmfafst  7000  Joch  Waldnng 
der  Herrschaft  Biebersbnrg  bei  Prefsburg  und  einen  Teil  des  romantisch 
gelegenen  Schlosses  gleichen  Namens.  Diese  Spende  übertrifft  daher  noch 
die  Wiener  Ferienkolonie  in  Steg  bei  Zell  am  See  im  Salzkammergut,  die 
nur  für  100  Studenten  aus  Wien  eingerichtet  ist. 

Zn  den  Freqnensyerhältnissen  der  Berliner  Volksschnlen  be- 
merkt der  Bericht  der  städtischen  Schuldeputation  über  das  Berliner  Volks- 
schulwesen für  1901/02,  es  sei  im  letzten  Jahre  trotz  der  nur  geringen 
Zunahme  der  Kinderzahl  doch  auf  eine  erhebliche  Vermehrung  der  Klassen 
hingewirkt  worden.  Dadurch  sei  die  durchschnittliche  Besetzung  der  Klassen 
weiter  verringert  und  die  Zahl  der  „fliegenden"  Klassen  vermindert  worden. 
Die  Durchschnittsbesetzung  sei  im  letzten  Jahre  zwar  wieder  nur  um  etwa 
ein  Kind  pro  Klasse  (von  rund  50  auf  rund  49  Kinder)  heruntergegangen, 
aber  bei  der  hohen  Gesamtzahl  von  4342  Klassen  sei  schon  das  ein  Erfolg. 
Die  fliegenden  Klassen  betrachte  die  Schulverwaltung  als  einen  Notbehelf, 
zu  dem  sie  ungern  greife,  der  sich  aber  kaum  ganz  werde  vermeiden 
lassen.  Die  Frequenz  der  Gemeindeschulen  hänge  von  den  nicht  voraus- 
zusehenden Schwankungen  der  Bevölkerungszahl  der  einzelnen  Stadtteile 
ab.  Hätte  man  —  bemerkt  hierzu  der  „  Vorwärts^  —  nur  nicht  so  lange 
an  dem  Grundsatz  festgehalten,  die  Schulhäuser  bis  auf  den  letzten  Raum 
und  die  Klassenzimmer  bis  auf  den  letzten  Platz  zu  besetzen.  Dadurch 
hat  man  sich  selber  auf  Jahre  und  Jahrzehnte  hinaus  der  Möglichkeit  be- 
raubt, auch  einen  unerwartet  hohen  Zuwachs  immer  noch  ohne  Mühe  unter- 
bringen zu  können.  Soll  hier  in  absehbarer  Zeit  gründliche  Besserung 
geschaffen  werden,  dann  wird  die  durchschnittliche  Klasseufrequenz  eben 
doch  um  mehr  als  ein  Kind  pro  Jahr  verringert  werden  müssen. 

Dafs  die  Unterrichtserfolge  der  Gemeindeschulen  keine  günstigen  sind 
(nur  51  Prozent  der  Kinder  gingen  von  der  ersten  oder  der  Oberklasse 
ab),  das  erklärt  der  Bericht  nicht  aus  der  hohen  Frequenz  und  anderen 
Mängeln  der  Berliner  Gemeindeschule,  sondern  aus  dem  häuflgen  Schul- 
wecbsel  infolge  Verzuges  und  aus  dem  Zuzug  von  auTserhalb,  namentlich 
aus  polnisch  sprechenden  Gegenden.  Genannt  werden  dafür  noch  ein  paar 
andere  Ursachen,  die  „mehr  oder  weniger  den  Kindern  die  Erreichung  des 
Lehrzieles  erschweren**:  verschiedene  Begabung  der  Kinder,  Heranziehung 
zu  gewerblicher  Beschäftigung,  ungünstige  sanitäre  Verhältnisse  und  „viel- 
leicht eine  nicht  ganz  den  Verhältnissen  entsprechende  Verteilung  des 
Unterrichtsstoffes^*.  Hinsichtlich  der  beiden  letztgenannten  Ursachen  sei 
Wandel  geschaffen  worden  durch  Anstellung  von  Schulärzten  und  Einführung 
eines  neuen  Lehrplans. 

Über  den  Hifsbranch  des  Tabakranchens  nnter  seinen  Schnl- 

kindem  hat  ein  holländischei'  Lehrer  Untersuchungen  angestellt.     Alle, 
die  nur  einmal  zum  Scherz  oder  aus  Neugier  geraucht,   zählte  er  nicht, 


31 

sondern  nnr  diejenigen,  die  eine  Zigarre  oder  eine  Pfeife  za  Ende  rauchen 
konnten,  ohne  dafs  ihnen  übel  wurde.  Das  betrübende  Resultat  war,  dals 
es  unter  den  Kindern  bis  zu  sieben  Jahren  neun  Raucher  gab,  unter  denen 
Yon  sieben  bis  zehn  Jahren  elf,,  und  unter  denen  über  10  Jahren  neun. 
Es  waren  also  zusammen  29  Raucher,  wobei  zu  bemerken  ist,  dafs  die 
Schule  nur  58  Schüler  hatte. 

Der  Verein    znr    BekSsti^ng   bedfirftiger   Schalkinder    in 

Dresden  hat  nach  einer  Mitteilung  der  „Fädag.  Ztg."  (Novbr.  1902)  im 
vorigen  Winter  täglich  an  525  arme  Schulkinder  warme  Mittagskost,  ins- 
gesamt 50715  Portionen  im  Werte  von  10143  Mk.  gespendet. 

Die   Eindersanatorien  in   Kopenhagen  nnd  Umgegend.    Eine 

private,  philantropische  Gesellschaft  hat,  wie  das  „Nordiskt  Medicinskt 
Arkw*"  (1902,  Afd.  ü,  No.  17)  berichtet,  seit  1890  in  Hellebak  an  der 
Nordküste  von  Seeland  ein  Sommer-Sanatorium  für  Rekonvalescenten  und 
skrophulöse  Kinder  gegründet.  Anfangs  waren  nur  gemietete  Lokalitäten 
vorhanden,  seit  1896  aber  besitzt  die  GeseUschaft  ein  eigenes  Gebäude. 
Es  sind  bis  jetzt  in  55791  Tagen  insgesamt  1786  Kinder  behandelt  worden, 
Knaben  und  Mädchen  monatlich  abwechselnd.  Die  Ausgaben  betrugen  für 
das  Jahr  5421  Kronen,  pro  Tag  also  76  öre.  Die  Gesellschaft  plant, 
noch  eine  zweite  Anstalt  zu  errichten,  damit  Knaben  und  Mädchen  gleich- 
zeitig Aufnahme  finden  können.  Der  ärztliche  ßericht,  den  Dr.  Högsbbo 
verfalst  hat,  rühmt  die  ausgezeichneten  Resultate  auch  eines  kurzen  Auf- 
enthaltes in  diesem  Sanatorium. 

Kinderarbeit  in  Amerika.  In  der  letzten  Nummer  der  ^St  Louis 
Medical  Bewiew''  lenkt  Dr.  P.  F.  Babboüe  die  Aufmerksamkeit  auf  die 
Verhältnisse  in  den  Südprovinzen  der  Voreinigten  Staaten.  Dort  befinden 
sich  die  grofsen  BaumwoUmanufakturen,  die  in  ihren  Fabriken  fast  aus- 
nahmslos Frauen  und  Kinder  beschäftigen.  Alle  Bestrebungen,  den 
herrschenden,  menschenunwürdigen  Zuständen  ein  Ende  zu  machen,  sind 
an  dem  Widerstand  der  einflufsreichen  Grofsindustriellen  bis  jetzt  ge- 
scheitert, der  Süden  der  Vereinigten  Staaten  ist  eben  noch  immer  das 
gelobte  Land  der  Sklaverei.  So  darf  es  geschehen,  dafs  nach  ungefährer 
Schätzung  mehr  als  16000  Kinder  unter  14  Jahren  11 — 12  Stunden 
täglich,  während  der  Saison  sogar  noch  des  Nachts,  für  10 — 15  Gents 
arbeiten  müssen. 

Kindervolkskficlien  Berlins.  Der  Berliner  Verein  für  Kinde  rvolks- 
kttchen  hat  nach  seinen  Verwaltungsberichten  über  die  Jahre  1900/02  aus 
eigenen  Mitteln,  Aufführungen,  Gemeindebeiträgen,  Spenden,  Vermächtnissen 
nnd  den  Beiträgen  zahlender  Kinder  an  den  durchschnittlich  118  Speise- 
tagen 1900/01  täglich  durchschnittlich  2602  Portionen,  1901/02  sogar 
2869  Portionen,  im  ganzen  304468  und  335695  Portionen  verabreicht. 
Um  den  Kindern  den  Weg  von  der  Schule  zur  Küche  zu  verkürzen,  sind, 
wie  die  „Soc.  Praxis''  mitteilt,  für  den  WTinter  1902/03  12  Küchen  in 
allen  Stadtteilen  errichtet,  die  von  ehrenamtlichen  Vorsteherinnen  geleitet 
werden.  Die  Küchen  sind  so  gelegen,  dafs  sie  notleidende  Kinder  von 
223  Schulen  versorgen  können.  Das  schöne,  aber  kaum  erreichbare  Ziel 
des  Vereins  ist,  dafür  zu  sorgen,  dafs  es  in  Berlin  keine  hungernden 
Kinder  gebe.     Dazu    bedarf   es    allerdings    noch    mancher  Spenden.     Bis 


32 

jetzt  zählt  der  Verein  2222  Mitglieder.    Mögen  sich  ihm  noch  Tiele  andere 
anschlie&en. 

Die  städtische  Schnlsahnklinik  in  Strafsbnrg,  die  nnter  der 
Leitung  des  Dr.  Jessen  steht,  hat  die  Heransgabe  einer  „Die  Zähne  und 
ihre  Pflege*^  betitelten  Wandti^el  mit  sehr  anschaulichen  Abbildungen  ver- 
anlafst.  Dieselbe  enthält  auch  einige  Sätze,  die  sich  auf  die  Entwicklung 
und  die  Besorgung  der  Zähne  beziehen. 


fla^tt^tfäfxäflixäftt. 


Die  Reinigung  der  Schnlzimmer.    Unter  diesem  Titel  bringt  das 

j,Berl  Tagehl.^  einen  mit  J.  E.  unterschriebenen  Artikel,  dem  wir  fol- 
gendes entnehmen. 

Vielfach  hört  man  Klagen,  dalis  die  Unterrichtsräume  der  Schulen 
nicht  oft  oder  nicht  gründlich  genug  gereinigt  werden.  Selbst  von  Lehrern 
und  Schülern  höherer  Schulen  wird  darüber  geklagt,  dals  wohl  die  An- 
ordnung, sämtliche  Unterrichtszimmer  zwei-  bis  dreimal  wöchentlich  zu 
reinigen,  bestehe,  dafs  sie  aber  durchaus  nicht  immer  in  gehöriger  Weise 
befolgt  werde.  Auch  in  Berlin  sind  seit  langer  Zeit  Beschwerden  über 
mangelhafte  Reinhaltung  der  Schnlzimmer  vernommen,  von  der  Stadtver- 
waltung aber  bisher  inmier  als  unbegründet  bezeichnet  worden,  bis  neuer- 
dings die  staatlichen  Aufsichtsorgane  dieser  Frage  ihre  Aufmerksamkeit 
zugewendet  haben.  Dabei  hat  sich  ergeben,  dafs  die  bisher  dreimal 
wöchentlich  vorgenommene  Reinigung  der  Lehrzimmer  in  den  Berliner 
Gemeindeschulen  tatsächlich  ungenügend  ist,  dafs  aber  namentlich  bei 
Schulen  in  Mietsräumen  und  bei  solchen  Anstalten,  die  dem  Forbildungs- 
schulunterricht  dienen,  in  Zukunft  gründlicher  gereinigt  werden  muls. 

Man  kann  sich  nur  wundem,  dafs  man  bei  dem  schon  vor  Jahren 
energisch  aufgenommenen  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose  der  Reinhaltung 
der  Schulen  bisher  noch  so  wenig  Aufmerksamkeit  zugewendet  hat,  und 
dafs  tägliche  und  gründliche  Säuberung  aller  Unterrichtsräume  nicht  schon 
lange  als  dringendes  Erfordernis  anerkannt  und  durchgeführt  worden  ist; 
denn  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dafs  in  Räumen,  wo  30  bis  40  oder 
noch  mehr  Personen  verschiedenster  Stände  verkehren,  ganz  unvermeid- 
liche Stauhaufwirbelungen  und  manche  Ansteckungsgefahren  bestehen.  Die 
preufsische  Aufsichtsbehörde  hat  daher  auch  der  Berliner  Stadtverwaltung 
empfohlen,  in  Zukunft  täglich  eine  gründliche  Reinigung  der  Schulräume 
vornehmen  zu  lassen.  Man  hat  sich  dabei  bisher  nun  probeweise  sogenann- 
ten Stauböles  zum  Durchtränken  der  Dielen  bedient  und  damit  so  gute  Er- 
fahrungen gemacht,  dafs  dasselbe  wahrscheinlich  ziemlich  allgemein  zur 
Einführung  kommen  wird.  Es  ist  dringend  zu  wünschen,  dafs  auch  die 
übrigen  Bundesstaaten  dem  Beispiele  Preufsens  folgen  und  den  Gemeinde- 
verwaltungen   tägliche    und    gründliche    Reinigung    aller  Unterrichtsräume 


33 

nachdrücklich  znr  Pflicht  machen  werden ;  dagegen  dürfen  weder  technische 
noch  finanzielle  Bedenken  zur  Geltang  kommen.  Wo  es  sich  um  die  Ge- 
sunderhaltung von  Schulkindern  und  von  Schullehrern  handelt,  können 
Mehrkosten  als  AusfQhrungshindemisse  nicht  gelten.  Überdies  ist  es  vom 
finanziellen  Standpunkte  aus  zweckmäfsig,  mit  der  erhöhten  Sauberkeit  in 
den  Schulzimmem  auch  die  Sauberkeit  und  dadurch  mittelbar  auch  die 
Gesundheit  der  Schuljugend  zu  fördern.  Je  gesünder,  je  kräftiger  diese 
Schuljugend  heranwächst,  um  so  widerstandsfähiger  wird  sie  Krankheiten 
gegenüber.  Und  solch  ein  allgemein  verbesserter  Gesundheitszustand  macht 
sich  schliefslich  doch  bei  dem  Armen-  und  Krankenpflegeetat  bemerkbar. 
Es  gibt  noch  einen  ganz  direkten  Weg,  trotz  der  Mehraufwendungen  für 
Reinerhaltung  der  Schulzimmer,  dennoch  den  Gesamtausgabenetat  für  das 
Berliner  Schulwesen  nicht  höher  anschwellen  zu  lassen.  Man  braucht  nur 
den  gegenwärtig  bei  allen  den  Berliner  Schulbauten  getriebenen  über- 
mäßigen Fassadenluxus  einzuschränken,  und  die  Mehraufwendungen  für  die 
verbesserte  Reinigung  der  Klassen  sind  reichlich  wieder  ausgeglichen. 

OerichtshSfe  cur  Aburteilmif;  von  Kindern,  die  sich  gegen 
Strafgesetze  vergangen  haben,  sind  seit  einiger  Zeit  in  New  York  ein- 
geführt worden.  Es  wird  dadurch  verhütet,  dafs  die  kleinen  Übeltäter 
mit  der  Verbrecherwelt  in  Berührung  kommen.  Nicht  nur  das  ganze 
prozessuale  Verfahren  ist  dem  kindlichen  Verständnis  angepafst  und  darauf 
berechnet,  durch  eine  gewisse  Feierlichkeit  einen  tiefen  Eindruck  auf  das 
junge  Gemüt  zu  machen,  sondern  auch  die  durch  den  Kindergerichtshof 
zuerkannten  Strafen  fassen  lediglich  die  Besserung  der  kleinen  Sünder, 
zumal  durch  Versetzen  in  ein  anderes,  sittUcheres  „  Milieu '^^  ins  Auge. 
Kindergerichte  funktionieren  bereits  auch  in  Chicago  und  dürften  demnächst 
in  Missouri  eingerichtet  werden. 

Einderelend.  Wie  die  Tagesblätter  melden,  wurde  vor  kurzem  in 
Ilmenau  (Thüringen)  in  der  Bürgerschule  durch  Umfrage  festgestellt,  dafs 
über  100  Eander  zur  Schule  gekommen  waren,  ohne  vorher  irgend  etwas 
Warmes  genossen  zu  haben !  Der  Rektor  liess  den  Armen  in  der  Zwischen- 
pause Kaffee  reichen.     Wer  aber  wird  es  weiterhin  tun? 

Ein  Kinderbransebad  soll  in  Berlin  vom  Verein  für  Volksbäder  ein- 
gerichtet und  in  Mietsräumen  untergebracht  werden. 

Ffir  Zulassung  der  Mädchen  in  Gymnasien,  Realgymnasien  und 

Realschulen  zu  petitionieren  beschlofs,  wie  das  ^^Päd.  Wochenhh^  mit- 
teilt, der  Wiesbadener  Frauentag  auf  Antrag  von  Frau  Regnies  in  Frank- 
furt a.  M.  Der  Antrag  wurde  u.  a.  damit  begründet,  dafs  dieses  Ziel 
finanziell  leichter  zu  erreichen  sei  als  die  Schaffung  gymnasialer  Mädchen- 
schulen, namentlich  in  kleineren  Orten.  Dr.  Knittel  teilte  aus  den  Er- 
fahrungen badischer  und  württembergischer  Gymnasialschulen  mit,  dafs  der 
gemeinsame  Unterricht  von  Knaben  und  Mädchen  nirgends  nachteilig 
empfunden  worden  sei.  Es  wurde  mehrfach  darauf  hingewiesen,  dafs  die 
süddeutschen  Staaten  gerade  in  Erziehungsfragen  ein  nachahmenswertes 
Beispiel  geben. 

Eine  Vereinigung  abstinenter  Studenten  hat  sich,  wie  die  j^Ah- 

stinence^  mitteilt,  am  Anfang  des  laufenden  Wintersemesters  in  Tübingen 
gebildet. 

Sehalgesandheitspflege.  XVI.  3 


34 

Für  die  EinfBhraiig  yon  Unterricht  fiber  den  Antialkoholismag 

hat  sich  in  neuester  Zeit  der  Verein  abstinenter  Schweizer  Lehrer  aus- 
gesprochen. Um  hierfür  Propaganda  zu  machen,  hat  das  Zentralkomitee 
beschlossen,  Hand  in  Hand  mit  dem  Vereine  abstinenter  Studenten  zu  gehen. 

Vorträge  Aber  Oesandheitslehre  in  hSheren  Lehranstalten.    Auf 

Anordnung  des  preufsischen  Kultusministers  werden  jetzt,  wie  wir  der 
„Soc.  Praxis^  (No.  6)  entnehmen,  an  acht  Gymnasien  und  Kealschulen  in  Berlin 
und  Umgegend  je  vier  einstündige  Vorträge  über  die  wichtigsten  Kapitel 
der  Schulhygiene  gehalten.  Die  Vorträge  behandeln:  1.  Die  Bedeutung 
der  Mikroorganismen  für  die  öffentliche  Gesundheitspflege,  2.  die  Ernäh- 
rung mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Alkoholfrage,  3.  die  individuelle 
Hygiene  mit  Berücksichtigung  des  Sports  und  4.  die  Hygiene  der  geistigen 
Arbeit  und  die  Pflege  der  Sinnesorgane.  Zur  Übernahme  dieser  Vorträge 
soll  sich  eine  Reihe  erster  Kräfte  bereit  erklärt  haben.  An  den  Vorträgen 
nehmen  die  Schüler  der  drei  obersten  Klassen  teil ;  auch  ist  es  den  Lehrern 
und  den  Eltern  der  Schüler  gestattet,  denselben  beizuwohnen.  Von  dem 
Ausfall  des  Versuches  wird  es  abhängen,  ob  diese  Einrichtung  zu  einer 
dauernden  sich  gestalten  und  weiterhin  auch  in  den  höheren  Lehranstalten 
anderer  Städte  eingeführt  werden  soll. 

(Wir  halten  dieses  Unternehmen,  trotz  der  ihm  zu  Grunde  liegenden 
sympathischen  Tendenz  für  verfehlt,  weil  es  offenbar  unmöglich  ist,  vor 
gänzlich  unvorbereiteten  jungen  Leuten  in  4  Stunden  mit  Aussicht  auf  Er- 
folg vier  Fragen  zu  behandeln,  von  denen  jede  den  Gegenstand  einer 
ganzen  Reihe  von  Vorträgen  bilden  soUte.     D.  Red.) 

Eine  sahnSrztliche  Poliklinik  für  Volksschnlkinder  in  Darm- 

stadt  wurde  vor  kurzem  eröffnet*  Wie  die  „Soc.  Praxis"^  (No.  11)  mit- 
teilt, ist  das  neue  Institut  eine  mit  Unterstützung  der  Stadtverwaltung  ins 
Leben  gerufene  Gründung  des  Vereins  hessischer  Zahnärzte,  dessen  Be- 
mühungen die  Errichtung  in  erster  Linie  zu  danken  ist. 

Ein  die  Erziehung  nnd  den  Unterrickt  nicht  yollsinniger  Kin- 
der regelndes  Gesetz  für  das  Grofsherzogtum  Baden  ist  unterm  11.  August 
V.  J.  veröffentlicht  worden. 


^nttiit^e  Herfitgtinsen. 


Bestimmnngen,  betreffend  Bekämpfung  der  Länsesncht  in  den 

Volksscknlklassen  der  Stadt  Zflrieh. 

(Vom  8.  Oktober  1902.) 

Art.  1.  Die  Lehrerschaft  bringt  dem  Stadtarzte  unter  Angabe  sämt- 
licher Personalien  diejenigen  Kinder  zur  Kenntnis,  welche  mit  Läusen  odei 
Nissen  behaftet  sind.  Auch  der  Stadtarzt  untersucht  bei  seinen  Schul- 
besuchen die  Kinder  auf  das  Vorhandensein  von  Kopfparasiten. 


35 

Art.  2.  Die  Eltern  der  mit  Läüsen  oder  Nissen  behafteten  Kinder 
werden  Tom  Stadtarzte  darch  die  Schnlkanzlei  anfgefordert,  die  nötigen 
BeinigangSYorkehmngen  zn  treffen.  Sie  erhalten  eine  gedruckte  Anleitung 
Aber  die  Art  des  Reinigungsverfahrens.  Zwecks  Vornahme  der  Reinignng 
erhält  das  Kind  einen  dreitägigen  Schnlnrlanb,  von  dessen  Erteilung  die 
Schulkanzlei  dem  Lehrer  des  Kindes  und  dem  Stadtarzte  Mitteilung  macht. 

Art.  3.  Ergibt  eine  nach  fünf  Tagen  durch  den  Stadtarzt  vorgenom- 
mene Untersuchung,  dais  die  Reinigung  nur  mangelhaft  oder  gar  nicht 
vollzogen  wurde,  so  wird  auf  Antrag  des  Stadtarztes  vom  Vorstände  des 
Gesundheitswesens  die  amtliche  Reinigung  angeordnet.  Dieselbe  ist  erst- 
malig unentgeltlich,  im  Wiederholungsfalle  können  den  Eltern  die  Kosten 
und  gegebenenfalls  eine  Bufse  auferlegt  werden. 

Art.  4.  Die  amtliche  Reinigung  wird  von  einer  hierfdr  angestellten 
weiblichen  Person  in  der  Wohnung  der  Eltern  der  Schulkinder  vollzogen; 
wo  sich  dem  Vollzuge  in  der  Wohnung  ernstliche  Hindernisse  entgegen- 
stellen, kann  Überweisung  an  das  Kantonsspital  stattfinden. 

Art.  5.  Kinder,  welche  an  schweren  Folgezuständen  der  Läusesucht 
erkrankt  sind,  deren  Heilung  ärztliche  Behandlung  erfordert,  können  auf 
Antrag  des  Stadtarztes  vom  Vorstande  des  Gesundheitswesens  vom  Schul- 
besuche ausgeschlossen  werden.  Vom  Schulausschlusse  ist  dem  Vorstande 
des  Schulwesens  und  dem  Lehrer  des  Kindes  Kenntniss  zu  geben. 

Im  Namen  des  Stadtrates: 

Der  I.  Vizepräsident:  Der  Stadtschreiber: 

El.  Hasler.  Dr.  Bollinger: 


AnleitiiBg  an  die  Eltern ,  betreffend  die  Bekämpfung 

der  Läusesacht. 

Bei  der  stattgehabten  ärztlichen  Untersuchung  Dires  Kindes 

hat  sich  auf  dessen  Kopfe  Ungeziefer  vorgefunden.  Da  dieses  leicht 
schwere  Krankheiten  verursacht,  und  zudem  die  Gefahr  seiner  Übertragung 
auf  andere  Personen  besteht,  ist  im  Interesse  Dures  Kindes,  Ihrer  Familie, 
sowie  der  Schule  eine  gründliche  Reinigungskur  unerläfslich.  Falls  Sie  nicht 
vorziehen,  Ihren  Hausarzt  zu  Rate  zu  ziehen,  wird  Ihnen  folgende  Be- 
handlungsweise  empfohlen :  In  erster  Linie  ist  das  Abschneiden  der  Haare, 
namentlich  wenn  das  Ungeziefer  reichlich  vorhanden  ist,  sowie  bei  Krusten- 
und  Borkenbildung,  notwendig.  Sodann  reiben  Sie  jeweilen  abends  (doch 
ja  nicht  in  der  Nähe  des  Lichtes  oder  der  Lampe)  dem  Kinde  den  be- 
haarten Kopf  mit  einer  Mischung  von  Petroleum  und  Olivenöl  (zu  gleichen 
Teilen)  tfichtig  ein  und  bedecken  ihn  mit  einer  Haube  oder  einem  am 
Halse  festschliefsenden  Kopftuche.  Am  folgenden  Morgen  wird  der  Kopf 
mit  warmem  Wasser  und  Schmierseife  gereinigt  und  mit  einem  feinen 
Kaoune  durchgekämmt.  In  dieser  Art  und  Weise  besorgen  Sie  die  Reini- 
gung an  drei  aufeinanderfolgenden  Tagen,  während  welcher  Zeit  das  Kind 
vom  Schulbesuche  dispensiert  ist.  Zur  Entfernung  der  zurückbleibenden 
Nissen  reiben  Sie,  solange  noch  Nissen  vorhanden  sind,  die  Haare  büschel- 
weise zwischen  1  oder  2  ntit  Essig  getränkten  Tüchern.    Sollte  nach  Verlauf 

3* 


36 

von  fünf  Tagen  eine  erneute  ärztliche  Untersuchung  zeigen,  dafs  der  Kopf 
Ihres  Kindes  nicht  genügend  gereinigt  ist»  so  wird  zwangsweise  Reinigung 
des  Kindes  durch  die  Schule  angeordnet  werden. 


Erlafs  Aber  ein  Schnlmuseum  in  Wien. 

Bezirksschulrat  der  k.  k.  Reichshaupt- 

und  Residenzstadt  Wien. 

G.  Z.  7435. 

An  sämtliche  Schulleitungen. 

Wien,  am  2.  September  1902. 

Das  k.  k.  Ministerium  fttr  Kultus  und  Unterricht  hat  mit  Erlafs 
vom  7.  Juni  1902,  Z.  12551,  Nachstehendes  anher  eröffnet: 

In  Wien  hat  sich  eine  Gesellschaft  gebildet,  welche  den  Namen 
^Gesellschaft  zur  Gründung  und  Erhaltung  eines  österreichischen  Schul- 
museums^  führt  und,  wie  der  Name  besagt,  die  Gründung  und  Erhaltung 
eines  österreichischen  Schulmuseums  in  Verbindung  mit  einer  Zentral- 
bibliothek in  Wien  anstrebt. 

Vorzüglichster  Zweck  dieses  Museums  ist:  ein  möglichst  klares  und 
anschauliches  Bild  des  österreichischen  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens 
in  den  einzelnen  Ländern  Gisleithaniens  von  den  ältesten  Zeiten  bis  auf 
unsere  Tage  zu  liefern  und  die  besten  Schuleinrichtungen  des  In-  und 
Auslandes  in  Musterform  vorzuführen-,  durch  eine  permanente  Ausstellung 
Schüler,  Lehramtszöglinge,  Eltern  und  andere  an  Schul-  und  Erziehungs- 
fragen Beteiligte  von  den  zweckentsprechendsten  Schulgeräten  und  Lehr- 
mitteln in  Kenntnis  zu  setzen,  und  seltene,  sehr  kostspielige  Lehrmittel, 
welche  nicht  leicht  für  die  Schule  angeschafft  werden  können,  Schülern 
und  Lehrern  wie  auch  dem  Publikum  zur  eingehenden  und  leicht  zu 
erreichenden  Anschauung  zu  bringen.  Femer  wird  beabsichtigt,  Anregung 
zu  neuen  Ideen  und  Arbeiten  zu  bieten,  speziell  durch  eine  reichhaltige 
Bibliothek  dem  Streben  der  Lehrerschaft  nach  allgemeiner  und  fachwissen- 
schaftlicher Ausbildung  in  entsprechender  Weise  Rechnung  zu  tragen,  und 
endlich  durch  einschlägige  Vorträge  und  Demonstrationen  auf  dem  Gebiete 
des  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens  belehrend  und  fortbildend  zu  wirken." 
Nachdem  der  Zweck  und  die  Ziele  der  genannten  Gesellschaft,  welcher 
die  Unterrichtsverwaltung  mit  einem  einmaligen  Beitrage  als  Stifter  bei- 
getreten ist,  in  jeder  Beziehung  anerkennenswert  erscheinen,  wird  die 
Schulleitung  beauftragt,  die  unterstehende  Lehrerschaft  auf  das  gedachte 
Unternehmen  aufmerksam  zu  machen. 

Vom  Bezirksschulrate  der  Stadt  Wien. 
Der  Vorsitzende-Stellvertreter: 

(Gez.)    GUGLEE. 

(Mitget.  V.  Dir.  E.  BATR-Wien.) 


37 


fitteratitr. 


BesprQohnngen. 

Dr.  med.  Righabd  Landau,  städtischer  Schularzt  zn  Nürnberg.  NervSse 
Sehulkinder.  Vortrag,  gehalten  in  der  Kommission  fflr  Schnlgesond- 
heitspflege  zu  Nflmberg.    Hamburg,  Leopold  Voss.   1902.  8  ®.  40  S. 

Als  sachkundiger  und  erfahrener  Arzt,  der  die  einschlftgigige  Literatur 
vollständig  beherrscht,  gibt  uns  Landau  in  der  kleinen  lesenswerten 
Schrift  ein  anschauliches  Bild  von  der  schon  im  Kindesalter  vielgestaltigen 
Nervosität  der  Schulkinder.  Mit  vollem  Rechte  werden  die  soge- 
nannten Wunderkinder  als  ..nahezu  pathologisch**  bezeichnet,  Mozabt  und 
wenige  andere  sind  Ausnahmen.  „Die  abnorm  hohe,  angeborene  Fähigkeit 
wird  hier  zur  Quelle  einer  außerordentlichen  Reizwirkung  auf  die  Gehirn- 
zellen, welcher  nach  Analogien  von  allerhand  Organreizungen  eine  aufser- 
ordentliche  Erschlaffung  folgen  mufs  —  das  aufserordentliche  Mafs  aber 
von  Reizung  und  Erschlaffung  stellt  das  Pathologische  dar.'' 

Der  Schulkopfschmerz,  die  Hysterie  der  Schuljugend  und  nament- 
lich die  psychischen  Schulepidemien  erfahren  eine  eingehende  Wür- 
digung, und  namentlich  die  letzteren  werden  an  der  Hand  sehr  interessanter 
Beispiele  aus  der  Fachliteratur  ausführlich  besprochen;  aus  diesen  Beispielen 
sei  als  besonders  lehrreich  die  von  y.  Holwede  in  der  Braunschweiger 
Bflrgerschule  bei  42  Mädchen  im  Alter  von  8 — 14  Jahren  beobachtete 
hysterische  Epidemie  hervorgehoben,  bei  welcher  das  erste  Kind  nach 
einer  anstrengenden  Turnstunde  von  dem  Leiden  ergriffen  wurde, 
ein  schlagender  Beweis,  dafs  das  Turnen  keineswegs  imm^r  nur  als  eine 
Erholung  nach  geistiger  Arbeit  aufgefafst  werden  kann,  sondern  auch  an 
das  Nervensystem  bedeutende  Anforderungen  stellt. 

unter  den  Ursachen  der  nervösen  Störungen  der  Schulkinder  nennt 
Landau  au  erster  Stelle  die  erbliche  Belastung:  Kinder  von  Trinkern, 
von  hysterischen  Mflttern  oder  neurasthenischen  Vätern,  Angehörige  solcher 
Famüien,  in  denen  es  Geisteskranke  gab,  sind  der  Gefahr,  nervös  zu  er- 
kranken, in  weit  höherem  Mafse  ausgesetzt.  Als  Gelegenheitsursachen 
werden  angeführt:  zu  frtther  Besuch  der  Schule,  zu  früher  Beginn  des 
Unterrichtes,  Art,  Betrieb  und  Plan  des  Unterrichts,  Überbflrdung  durch 
Hans-  und  Ferienaufgaben.  Diesen  durch  die  Schule  selbst  gegebenen 
Ursachen  werden  als  aufs  erhalb  der  Schule  gelegene  veranlassende 
Momente  aufgezählt:  vorzeitiger  Genufs  von  Nervenreizmitteln 
(Kaffee,  Thee,  Tabak  und  Alkohol),  der  vielfach  unterschätzt,  während 
die  vorzeitige  geschlechtliche  Reizung  nach  Ansicht  des  Verfassers  „eher 
etwas  überschätzt  wird*',  ohne  dafs  damit  gesagt  sein  soll,  dafs  man  dieses 
Übel  in  vernünftigen  Grenzen  schon  in  der  Schule  nicht  bekämpfen  soll 
und  kann.  Eines  der  wichtigsten  Momente  ist  die  fehlerhafte  Erziehung. 
.Soll  das  Nervöswerden  der  Kinder  verhütet  werden",  bemerkt  der  Ver- 


38 

fasser,  „genügt  es  nicht,  wenn  wir  Schulhygiene  betreiben  nnd  betätigen. 
Im  Hause  mnfs  man  der  Schale  helfen!  Im  Hause  mulB  man  von 
vornherein  und  grundsätzlich  die  Erziehung  nicht  nur  zu  einem  klugen, 
sondern  mehr  noch  zu  einem  gesunden  Kinde  erstrebt  werden.*"  Darin 
mufs  man  dem  Verfasser  entschieden  beistimmen.  Die  kleine  Schrift 
Landaus  verdient  weiteste  Verbreitung  in  den  Kreisen  der  Lehrer  — 
und  Eltern!  Dr.  ALTSCHUL-Prag. 

Dr.  EsCHLE.  Das  Arbeitesanatorilim.  München  1902.  Verlag  der 
ärztlichen  Rundschau  (Otto  Gmelin).     26  S.   8  ^.   Preis  1  M,. 

Der  Verfasser  vorliegender  Schrift,  Direktor  der  Kreis-Pflegeanstalt 
Sinsheim  in  Baden,  versteht  unter  Arbeitssanatorinm  eine  solche  Anstalt, 
die  für  eine  Reihe  an  sich  ganz  verschiedener  Krankbeitsformen  bestimmt 
ist,  in  der  aber  die  Landwirtschaft  und  eine  Anzahl  gewerblicher  Betriebe 
das  Band  bilden  sollen,  das  ihre  Insassen  vereinigt.  In  unserer  Zeit,  wo  alles 
Individualisierung  und  Spezialisierung  verlangt,  erscheint  es  sehr  bedenk- 
lich, verschiedene  Kategorien  von  Krankheitserscheinungen  in  einer  einzigen 
gröl&eren  Anstalt  sammeln  und  behandeln  zu  wollen.  Wenn  die  anregenden 
Erwägungen  des  Verfassers  auch  geeignet  erscheinen,  die  Bedenken  gegen 
derartige  Einrichtungen  zu  zerstreuen,  so  müssen  wir  dennoch  hervorheben, 
dafs  es  einer  längeren  Prüfung  nnd  Erfahrung  bedürfen  wird,  um  in  der 
beregten  Angelegenheit  greifbare  Mafsnahmen  zu  gewinnen.  Immerhin  aber 
verdienen  seine  Ausführungen  eine  gewisse  Beachtung,  da  sie  Vorschläge 
von  tief  einschneidender  Bedeutung  für  den  Ausbau  von  Wohlfahrtsein- 
richtungen  in  weitgehender  Beziehung  bieten. 

Fb.  FKENZ£L-Stolp  i.  Pommern. 

Johannes  Bebningeb.  Zwei  Elternabende  im  Dienste  der  Yolks- 
nnd  SchnUiygiene.  Zeitgemäfse  Mahnworte.  Donauwörth  1902.  Verlag 
von  Ludwig  -Auer.    63  S.    8  ^    Preis  60  Pf. 

Der  Verfasser  bringt  in  der  Schrift  zwei  Vorträge  zum  Abdruck, 
die  er  in  ^Elternabenden^  gehalten  hat.  Der  erste  Vortrag  behandelt  die 
Frage:  ^Wie  kann  das  Elternhaus  zur  Förderung  und  Wahrung 
der  gesundheitlichen  Verhältnisse  unserer  Jugend  beitragen?'' 
Es  wird  darin  über  die  Ursachen  und  die  Bekämpfung  der  Bückgrats- 
Verkrümmungen,  Lungenleiden,  Gehörleiden,  Sprachgebrechen  und  der  Ner- 
vosität gesprochen.  Die  Darstellung  ist  gemeinverständlich,  anregend  und 
durchaus  zutreffend,  wenn  auch  mitunter  etwas  schematisch.  Besonders 
lobend  wollen  wir  den  tiefen  Ernst  der  Sprache  hervorbeben,  der  deutlich 
erkennen  lä&t,  welch  giolse  Besorgnis  der  Verfasser  für  das  Wohl  der  ihm 
anvertrauten  Jugend  hegt.  Man  merkt  es  ihm  an,  dafs  er  zur  Hebung 
erkannter  Schäden  alle  Hebel  in  Bewegung  setzen  möchte,  um  schädigende 
Einwirkungen  wirksam  zu  beseitigen. 

Der  zweite  Vortrag  verbreitet  sich  über  die  schädlichen  Wirkungen 
des  Alkohols  auf  Körper  und  Geist  des  Kindes.  Die  Alkoholfrage 
wird  nach  folgenden  Gesichtspunkten  behandelt:  1.  Der  Alkohol  vergiftet 
den  jugendlichen  Körper,  insbesondere  aber  das  Gehirn  und  die  Nerven  der 
Kinder.     2.  Er  gefährdet  die  Sittlichkeit  der  Kinder  und  führt  sie  zur 


39 

ünbotmftfeigkeit.  S.  £r  lenkt  ihren  Appetit  in  falsche  Bahnen.  4.  Er 
macht  die  Kinder  schon  frühzeitig  za  Trinkern.  Die  AnsfÜhningen  dieses 
Vortrags  sind  durchweg  objektiv  gehalten,  sie  berOcksichtigen  auch  die 
wissenschaftlichen  Forschungen  der  Neuzeit  auf  diesem  Gebiete  und  zeichnen 
sich  durch  verständnisvolle,  ansprechende  Behandlung  des  Gegenstandes 
aus.  —  Für  Yolksbibliotheken,  sowie  fQr  Schulen  und  Fürsorgevereine 
können  wir  die  Schrift  zur  Anschaffung  dringend  empfehlen.  Sie  bietet 
gerade  das,  worauf  es  zur  Förderung  und  Wahrung  der  gesundheitlichen 
Verhältnisse  unserer  Jugend  in  unseren  Tagen  notwendig  ankommt. 

Fb.  F&ENZEL-Stolp  i.  Pommern. 

M.  Fbabkkel.  Die  20  hiatologisclieB  und  osteologischen  medüini- 
sehen  Staatsexamen.  YortrSjse  mit  Berflcksichtigiiiig  der  zahn- 
Irztlichen  PrfifliBgsaQf gaben.  Leipzig,  H.  Härtung  &  Sohn,  1902. 
Kl.  8«.     221  S. 

In  zwei  für  sich  abgeschlossenen  Teilen  steUt  der  Verfasser  in  knapper 
Form  Histologie  und  Osteologie  so  zusammen,  wie  sie  dem  vor  dem  Examen 
stehenden  Studierenden  als  Repetitorium,  mit  wenigen  Ausnahmen,  nicht 
wohl  mundgerechter  geboten  werden  könnten.  Jeder  Teil  besitzt  einen 
Anhang,  in  welchem  speziell  die  zahnärztlichen  Prüfungsfragen  berück- 
sichtigt sind,  und  zwar  so,  dals  in  diesem  Anhange  bei  der  Aufzählung 
der  verschiedenen  Fragen  entweder  auf  die  entsprechenden  Vorträge  im 
Hauptteil  hingewiesen  ist,  oder  dafs  die  betreffenden  Vorträge  anhangweise 
bearbeitet  sind. 

Im  Vorworte  des  ersten  Teiles  stellte  der  Verfasser  das  Buch  in  den 
Dienst  der  Kommilitonen,  die  vor  dem  Staatsexamen  das  histologische  und 
osteologische  Gebiet  gründlich  und  doch  in  aller  Kürze  wiederholen  wollen. 
Ich  glaube,  dafs  damit  die  Bedeutung  des  Werkes  ziemlich  erschöpft  ist. 
Über  den  Rahmen  des  Repetitoriums  kann  das  Buch  schon  deshalb  nicht 
hinausgehen,  weil  man  sich  aus  dem  Text  kein  klares  mikroskopisches  Bild 
machen  kann.  Einzelne  Abschnitte,  wie  V  und  VHI,  sind  etwas  lücken- 
haft und  ungenau;  femer  ist  meiner  Ansicht  nach  die  histologische  Ent- 
Wickelungsgeschichte  etwas  stiefmütterlich  behandelt. 

Aus  den  speziell  zahnärztlichen  Vorträgen  wird  sich  jeder  Kandidat 
manches  Wissenswerte  aneignen  können,  doch  halte  ich  sie  speziell  mit 
Bezug  auf  unsere  schweizerischen  Examinationsverhältnisse  für  nicht  ganz 
ausreichend. 

Was  ich  vom  ersten  Teile  bemerkte,  gilt  auch  teilweise  vom  zweiten, 
doch  ist  dieser  viel  umfangreicher  und  auch  ausführlicher  als  der  erste. 
Immerhin  bleibt  er  Repetitorium.  Der  speziell  zahnärztliche  Teil  ist  hier 
besser,  umfafst  jedoch  nur  die  Mundhöhle,  ohne  auch  die  für  zahnärztliche 
Zwecke  wissenswerten  Nachbargebiete  zu  streifen.  Jedenfalls  würde  der 
ganze  zweite  Teil  noch  an  Wert  gewinnen,  wenn  nicht  Osteologie,  Sjn- 
desmologie  und  systematische  Anatomie  allzu  sehr  durcheinander  gewürfelt 
wären;  etwas  mehr  Lichtung  des  Materials  wäre  erwünscht. 

Der  Autor  bemerkt  allerdings  im  Vorwort  zum  zweiten  Teil,  dafs  er  in 
diesem  osteologischen  Teile  alle  die  Gebiete  zusammengefaßt  habe^  die 
zwar  der  Natur  nach  zusammen  gehören,   jedoch  bisher  in  verschiedenen 


Werken,  jedes  in  ausfOhrlicber  Weise,  bearbeitet  worden  sind.  Über  den 
Wert  dieser  Einteilnng,  so  wie  sie  vorliegt,  läfst  sieb  streiten.  Als  Be- 
petitorium  ist  das  Bncb  zu  empfeblen. 

Dr.  Eugen  Mülleb,  Zahnarzt  in  Wädensweil. 


Bibliographie. 
Die  mit  *  bezeichneten  Werke  wurden  der  Redaktion  zugesandt 

*Ännual  Report  of  (he  MediccU  Officer  of  Health,     City  and  Conntry  of 

Bristol.     1901.     8^     126  S.     Bristol,  1902. 
Brücemann,  Rektor.    Elternabende.    Die  Jugendfürsorge,    H.  10,    1902. 
BURGASS,   Dr.,    Oberlehrer.      Welche  Bedeutung    beansprucht   die  Pflege 

körperlicher  Übungen  in  der  Fürsorge  um   die  schulentlctösene  Jugend 

und  wie  ist  derselben  gerecht  zu  werden  ?   Monatsschr.  f.  d.  Tarnwesen, 

H.  11,  1902. 
CUTLITS.     Soll  man    das  Schliefsen  der  Schulen  in  Zeiten  von  Röteln- 

epidemien  guüieifsen?     Monv.  hyg.  (Brüssel),  XYIII,  S.  145. 
Daries,  Hughes  R.    Ungenügende  Waschgelegenheiten  in  Mädchenschulen. 

Brit.  med.  Joum.,  1901,  II,  S.  888. 
*£sMARCH,  Erw.  v.    Die  Wirkung  von  Formalinwasserdämpfen  im  Des- 

infekHonsapparat.     Sep.-Abdr.   a.  d.  Hyg.  Rnndschan,   No.  19,    1902. 
♦Fischer,    Alb.,    Dr.      Über  das  hausliche  Leben  der  Schüler.     Grols- 

Lichterfelde,  Bruno  Gebel.     Kl.  3^     28  S.     JH.  0,60. 
♦FOERSTER,  Fb.  W.,  Dr.     Bedeutung  und  Methoden  des  Morälunterrichts 

in  der  Schule.     Ber.  über  d.  Verhdlgn.  d.  Züricherischen  Schnlsynode 

V.  1902. 
Fuchs,  Hans.    Die  Bedeutung  der  Zahnpflege  für  die  Gesundheit.    Nene 

Bahnen.     XIÜ.  Jahrg.,  H.  12.     1902. 
Gramsb,  R.    Ein  wichtiges  Kapitel  aus  der  Schulhygiene.    Bl&tt.  f.  Volks- 

gesundheitspfl.,  I,  S.  101. 
Gbbene,   Edw.    M.     ÄretUche  Untersuchung   der  Kinder.     Philad.  med. 

Joum.,  Vn,  S.  360. 
GOSSLBB,    y.,    Fräulein.      Überwachung   kränklicher    Schulkinder.     Rote 

Kreuz  (Berlin),  XIX,  S.  103. 
GUTZWILLEB,    St.,    Oberst.     Über  die  körperliche  Ausbildung   bei  Jung 

und  Alt.    Schweiz.  Bl.  f.  Wirtschafts-  und  Sozialpolitik,  H.  21,  1902. 
H ABTMANN,  A.     Über  Körpergewichtsveränderungen   erholungsbedürftiger 

Kinder  in  der  Basler  Kinderheüstätte  Langenbruck.     Ztschr.  f.  Tuber- 
kulose und  Heilstätten wesen,  11,  S.  241. 
Herz,  Hart.    Der  Handarbeitsunterricht  in  der  Hamburger  Volksschule. 

Pädag.  Reform,  No.  51,  1902. 
"'Heermann,  A.,  Dr.     Vorschriften  aus  dem  Gebiete  der  Krankenpflege. 

Leipzig,  Härtung  &  Sohn.     El.  8^.     Mit  Abbildgn.     M.  2, — . 
HintrAger,    Carl,    Prof.      Musterpläne  für  kleine  Volksschulhäuser  in 

den  verschiedenen  Ländern.     Das  Schulhaus,  No.  10,  1902. 
'^Jessen,   Dr.,   Strafsbnrg.     Die  Zähne  und  ihre  Pflege.     Wandtafel  mit 

Zeichnungen  und  Anweisungen.     Strafsburg  i.  E.   bei  J.  H.  Ed.  Heitz, 

1902.     JH.  1.20. 


41 

*JÜKGST,  Hugo,  C.  Die  Furcht  vor  dem  Kinde,  Ein  modernes  Scherben- 
gericht  El.  8®.   39  S.   Leipzig,  Hermann  Seemann  Nachfolger.  JM.  0,50. 

*Kalb,  6.  Die  Endbenhandarhdt  in  geschlossenen  Erziehungsanstalten. 
Yortr.,  geh.  anf  d.  Hanptvers.  d.  Deutsch.  Yer.  f.  Knahenhandarb.  zn 
Angsbarg.     Sond.-Abdr.  a.  d.  Bl.  fOr  Enabenhandarbeit.     8^.     8  S. 

KsMeiES,  Ferb.  Die  Entunckhmg  der  pädagogischen  Psychologie  im 
19,  Jahrhundert.  U.  Ztschr.  f.  päd.  Psychol.,  Pathologie  n.  Hygiene, 
H.  4,  1902. 

*KUMA6ZBWSKT,  W.  Meine  Eräuterhur  hei  Ltmgenschwindsucht  Heidel- 
berg, Höming  &  Berkenbusch.     8®.     24  S.     J^.  1, — . 

Krausib,  R.  Qesundheitsschädigungen  durch  die  Schule.  Hygieia.  Statt- 
gart, XIV,  No.  306. 

*Levx,  Paul  Emil,  Dr.  Die  natürliche  Willensbildung.  Praktische 
Anleitong  znr  Selbsterziehnng.  Leipzig,  Yoigtl&nder.  El.  8^.  194  S. 
M.  2, — ,  geb.  Jt  3, — . 

LiMARAEis,  L.  P.,  Apbry  und  AVLONITIS.  Vorschriften  für  Schullehrer 
des  türkischen  Beiches  über  die  Prophylaxe  in  den  Schulen  gegen  akute 
und  (ironische  ansieckende  Krankheiten.  6az.  mM.  d'Orient  (Ck)n8tan- 
tinopel),  XLY,  S.  439,  469. 

LIPPSRT,  R.,  Dir.  Die  tJberbürdungsfrage  in  den  Lehrerbildungsanstalten 
ElsafS'Lothringens.     Pädag.  Bl&tter,  1902,  No.  12. 

^LOBEDANK,  Dr.  Die  Augenkrankheiten^  ihre  Verhütung  und  Behandlung. 
Mit  14  Abbildgn.  München,  Yerl.  d.  ÄrzÜ.  Rundschan.  Gr.  8^.  76  S. 
JL  2,—. 

LOBSIEN,  Marx.  Memorieren.  Ein  experimenteller  Beitrag.  Ztschr.  f. 
pädag.  Psycho!.,  Pathologie  u.  Hygiene,  H.  4,  1902. 

*Marr,  Dr.  Der  Schularzt.  Sond.-Abdr.  a.  d.  Ärztl.  Yereinsbl.  f. 
Deutschland,  No.  485.     Jahrgg.  1902. 

*MiGHEL,  Gustav,  Dr.  Die  Hautpflege  des  gesunden  Menschen.  Ärzt- 
liche Ratechläge.  El.  8®.  28  S.  München,  1902.  (Yerl.  d.  „ÄrzÜ. 
Rundschau^)     ü.  0,60. 

^NlGBLi,  H.,  Schulsekret&r.  Das  Schulwesen  der  Stadt  Zürich.  Sep.- 
Abdr.  a.  d.  Schweiz.  Zentralbl.  f.  Staats-  und  Gemeindeyerwaltg.    1902. 

Percepied,  E.  Die  Gymnastik  in  der  Schule.  Normandie  m^d.  (Ronen), 
XYH,  S.  106. 

Philbrick,  J.  C.  Die  Gesundheit  der  Mädchen  in  höheren  Schulen. 
West.  M.  Rev.  (lincohi),  YI,  S.  7. 

PiMMER,  YiCTOR.  Zur  Hygiene  in  den  Wiener  Volks-  und  Bürger- 
schulen. Mitteil.  d.  Yer.  z.  Pflege  des  Jugendspiels  (Wien),  1901,  No.  9. 

PUTBRMANN,  J.  Über  den  Einflufs  der  Schulprüfungen  auf  den  Gircu- 
laHonsapparatj  ein  Beitrag  zu  den  Untersuchungen  über  den  Blutdruck 
mitUls  des  Gärtnerschen  Tonometers  (poln.).  Gazeta  lekarska,  No.  7 
und  8,  1902. 

^Rammoul,  A.  J.  Untersuchung  von  200  Lehrbüchern  in  sanitärer  Be- 
ziehung (russ.).     Wjestnik  d.  Hygiene  etc.,  Nov.  1902. 

Russell,  £dw.  und  Porter,  A.  E.  Untersuchung  über  die  chemische 
und  bakteriologische  Beschaffenheit  der  Luft  in  Sc^iulräumen.  Journ. 
of  the  State  med.  (London),  1901,  S.  322. 


42 

Sargent,  D.  A.     Ideale   der  physischen  Ersnehung.    Med.  News  (New- 

.York),  LXXIX,  S.  4. 
♦SOHATTBNFROH,    A.,    Dr.,   Prof.      Zur  Schularztfrage.     Sep.  -  AMr.  a. 

Mooatsschr.  f.  Gesondhtspfl.,  No.  11,  1902. 
Sghenebnbobff,   V.     Bewegu/ngsspide   der   weibUchen  Jugend,     D.  Ge- 

meindeztg.  (Berlin),  No.  XL,  1902. 
Die  EräfUgv/ng  der  weiblichen  Jugend  durch  Bewegungs- 
spiele.    Gesundheit  (Leipzig),  XXVI,  S.  136. 
*Sghmid-Mohnabd.    Die  HaUesche  Kinderheilsiätte  und  ihr  Anteil  an  der 

Bekämpfung    der    Tuberkulose   im  Jahre  1902.     4®.     4  S.     Mit  Ab- 
bildungen. 
Schmidt,  F.  A.,  Dr.     Einiges  über  die  Behandlung  der  Freiübungen  im 

Schulturnen.     Körper  n.  Geist,  No.  17,  1902. 
* Unser   Körper,    Handbuch   der  Anatomie,    Physiologie   und 

Hygiene  der  Leibesübungen.    Zweite  Aufl.    Mit  557  Abbildgn.    Leipzig, 

Voigtländer.    Gr.  8^    643  S.    JH.  12,—,  in  Ganzleinenband  M.  14,—. 
*  Sechsundzwanzigster  Bericht  und  Bedmung   über  die  Ferienkolonien  und 

Milchkuren  erholungsbedürftiger  Schulkinder  der  Stadt  Zürich  für  1901. 

Zürich,  1902. 
SiHONBTTA,   LülGi.     Bemerkungen  über   Schulhygiene.     L'Ingegn.  igien. 

(Turin),  H,  S.  272. 
*Stiehl,  E.    Eine  Mutterpflicht,  Beitrag  zur  sexuellen  Pädagogik.    El.  S^ 

46  S.     Leipzig,  Hermann  Seemann  Nachf.     Jli.  0,50. 
TOBEITZ,  A.     Zur  Bekämpfung  der  Infektionen  in  der  Schule.    Arch.  f. 

Kinderheilkunde,  XXXI,  S.  81. 
Verordnung  des  Qrofsherz.  Sachsen^Weimarschen  Staatsministeriums  vom 

6.  Dez.  1900  betr.  die  Zahn-  und  Mundpflege  bei  Schulkindern.    Ver- 

öffentl.  d.  k.  Gesundheitsamtes,  XXY,  S.  519. 
*Wbhrlin,  Ed.,  Prof.     Volksimterhaltung  und  Kunst.    Vortr.,  geh.  in  d. 

Winterversammlg.  d.  Gemeinnützigen  Gesellsch.  des  Bezirks  Zürich.    1901. 
Wbrnigee,  E.,  Prof.     Versuche  über  DusÜess-Öl  und  seine  Verwendung 

in  Schulen.     Gesundheit,  No.  22,  1902. 
^^Wiceenhagen,  H.,  Prof.    Körperliche  Übungen  und  Schulhygiene.    Sep.- 

Abdr.  a.  „Die  Reform  d.  höh.  Schulwesens  in  PreuJ&en^  v.  D.  Lexis. 
WOLFP,   H.,  Dr.     über    die   neueren    Methoden   zur   Lichtprüfung    auf 

Arbeit^lätzen.     Ztschr.  f.  Medizinalbeamte,  No.  21,  1902. 
ZiMiiBRMAKN,  C.     Licht  Und  Bänke  in  der  Schule.    Joum.  of  the  Amer. 

med.  Assoc.  (Chicago),  XXXVI,  S.  177. 
*ZoLLiNGER,  Fr.,  Erziehungssekretär.    Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  der 

Schulgesundheitspfiege   und   des    Kinderschutzes.      Bericht    an    den    h. 

Bundesrat  d.  Schweiz.  Eidgenossenschaft  (Weltausstellung  in  Paris,  1900). 

Mit  103  Fig.  im  Text  und  einer  gröCseren  Zahl  von  ülustrat.  als  An- 
hang.    Gr.  8^.     305  S.     Zürich,  Orell  Füssli. 


§tv  ^d^ulutfi 


I.  Jahrgang.  1903.  No.  1. 


Von  der  Redaktion! 

Das  Schnlarztwesen  hat  im  Laufe  der  letzten  Jahre  eine  er- 
freuliche Entwicklung  nach  Tiefe  und  Breite  hin  erfahren.  Mit  der 
stfirkeren  Betonung  der  gesundheitUohen  Überwachung  nicht  nur  des 
Schulhauses,  sondern  auch  jedes  einzelnen  Schulkindes  begann  eine 
regere  Anteilnahme  der  städtischen  Behörden,  insbesondere  nachdem 
das  preuüsisohe  Kultusministerium  sein  anerkennendes  Rundschreiben 
erlassen  hatte.  Zur  Zeit  sind  allein  im  Deutschen  Reiche  in 
33  Städten  gegen  200  Schulärzte  angestellt. 

Seit  ihrer  Gründung  hat  die  ,,Zeits€hrifl  fwr  Schulgesundheüs- 
pflege^  der  Schularztfrage  volle  Beachtung  zugewendet,  ja  man  darf 
behaupten,  dals  sie  durch  ihre  maJBYolle,  stets  dem  Erreichbaren 
Rechnung  tragende  Auffassung  von  den  Aufgaben  und  den  Kompe- 
tenzen des  Schularztes  mit  dazu  beigetragen  hat,  die  Klärung  der 
Ansichten  auf  diesem  einst  so  viel  umstrittenen  Gebiet  zu  fördern 
und  der  praktischen  DurohfQhrung  die  Wege  zu  ebnen.  Inzwischen 
haben  sich  die  schulärztlichen  Erfahrungen  im  In-  und  Ausland  von 
Jahr  zu  Jahr  gemehrt,  und  wieder  war  es  die  ,, Zeitschrift  für 
Schulgesundheüspfiege^  y  welche  dieser  Entwicklung  mit  Aufmerksam- 
keit folgte,  ihren  Lesern  alles  Wesentliche  mitteilte  und  alle  neu 
auftretenden  Unterfragen  der  Beantwortung  näher  zu  bringen  suchte. 

Die  meisten  Veröffentlichungen  aus  schulärztlichen  Kreisen  sind 
in  unserer  Zeitschrift  niedergelegt,  so  dafs  dieselbe  schon  jetzt 
in  gewissem  Sinne  als  Organ  der  Schulärzte  des  deutschen 
Sprachgebietes  gelten  kann. 

Der  Sehnlarxt.  L  1 


2  44 

Um  auch  in  Znknnft  in  gleichem  Geiste,  aber  mit  einem  der 
waohsenden  Ausdehnung  des  Sohularztwesens  entsprechenden  gröJseren 
Nachdruck  dieses  Feld  bearbeiten  zu  können,  wird  nunmehr  ein 
besonderer  Abschnitt  der  Zeitschrift  ausschliefslich  diesem  Zweck 
gewidmet  sein. 

Dadurch  soll  keineswegs  aus  dem  flauptteil  der  Zeitschrift  jede 
schulärztliche  Abhandlung  grundsätzlich  verbannt  werden.  Wichtige 
und  allgemeine  schulärztliche  Fragen,  die  den  gesamten  Leserkreis 
der  Zeitschrift  zu  interessieren  geeignet  sind,  werden  auch  in  Zukunft 
im  allgemeinen  Teile  der  Zeitschrift  behandelt  werden. 

Anderseits  liegt  aber  eine  Fülle  von  Stoff  vor,  dessen  Wichtig- 
keit ftb:  den  praktischen  Schularzt  unverkennbar  ist,  dem  aber  die 
Mehrzahl  der  übrigen  Leser  nur  geringes  Literesse  entgegenbringen 
würde. 

Alle  schulärztlichen  Verordnungen  in  Staat  und  Gemeinde,  die 
mannigfachen  voneinander  abweichenden  Dienstanweisungen,  die 
Jahresberichte  und  statistischen  Zusammenstellungen,  Besprechungen 
über  den  Gang  und  die  Technik  gewisser  Untersuchungen,  femer 
die  Vertretung  gemeinsamer  Standesinteressen,  Personalnachrichten, 
ein  möglichst  vollständiger  schulärztlicher  Literaturnachweis,  das 
alles  sind  Dinge,  die  am  besten  in  einem  gesonderten  Abschnitt 
übersichtlich  zusammengestellt  werden,  um  dem  praktischen  Schul- 
arzt ein  nützliches  und  erwünschtes  Bepertorium  zu  bieten. 

Dank  dem  selbstlosen  Entgegenkommen  der  Verlagsbuchhandlung 
wird  diese  Bereicherung  der  Zeitschrift  ohne  Preiserhöhung 
durchgeführt  werden. 

Die  bisherigen  Leser  unserer  Zeitschrift  erleiden  durch  die 
Neuordaung  des  Stoffes  keine  Einbufse;  in  schulärztlichen  Kreisen 
wird  die  Einrichtung,    wie  wir  hoffen,   beifällige  Aufnahme  finden. 

Prof.  Dr.  Fe.  Eeismann  Hofrat  Dr.  Paul  Schubert 

Zürich.  Nürnberg. 


45  3 

Auf  Eisuchen  der  Redaktion  haben  folgende  Ärzte  sich  bereit 
erklärt,  alfi  Mitarbeiter  am  y^ Schularzt^  zn  wirken: 

Abel,  Dr.,  Regierung«-  n.  Medizinalrat,  Berlin  —  Axmann,  Dr.,  Arzt, 
Erfurt 

Baginsky,  A.,  Dr.,  Professor,  Berlin  —  Baner,  Dr.,  Ohren-  o.  Kehlkopf- 
arzt, Nürnberg  —  Beerwald,  Dr.,  Arzt,  Berlin  —  Benda,  Dr.,  Arzt,  Berlin 

—  Bendiz,  Dr.,  Privatdozent,  Berlin  —  Berger,  Dr.,  Kreisarzt,  Hannover  — 
B  er  lein,  Dr.,  Arzt,  Wiesbaden  —  Bernhard,  Leopold,  Dr.,  Arzt,  Berlin  — 
Bienstock,  Dr.,  Hals- und  Ohrenarzt,  Mühlhansen  —  Blasins,  Dr.,  Professor, 
Brannschweig  —  Blezinger,  Jnl.,  Dr.,  Medizinalrat  n.  Oberamtsarzt,  Cann- 
statt  —  Blumen feld,  Dr.,  Hals-  und  Lungenarzt,  Wiesbaden  —  Bresgen, 
Dr.,  Hals-,  Nasen-  n.  Ohrenarzt,  Wiesbaden. 

Classen,  Dr.,  Arzt,  Orube  in  Holstein  —  Cohn,  Hermann,  Dr.,  Professor, 
Breslau  —  Güster,  Dr.,  Arzt,  Zürich  —  Czerny,  Dr.,  Professor,  Breslau. 

Dietrich,  Dr.,  Geheimer  Medizinalrat  u.  vortragd.  Bat  im  Kultusminist., 
Berlin  —  Dieudonnö,  Dr.,  Stabsarzt  u.  Privatdozent,  Würzburg. 

Edel,  Dr.,  Sanitätsrat,  Berlin   —   Emmerich,  Dr.,  Professor,  München 

—  V.  Esmarch,  Dr.,  Professor,  Oöttingen  —  Eulenburg,  Dr.,  Oeh.  Med.-Rat, 
Berlin  —  Eversbusch,  Dr.,  Professor,  München. 

Falkenhein,  Dr.,  Professor,  Königsberg  —  Feilohenfeld,  Dr.,  Augen- 
arzt, Gharlottenburg  —  Fla  tau,  Dr.,  Hals-  u.  Ohrenarzt,  Berlin  —  Franke  n- 
burger,  Dr.,  Arzt,  Nürnberg  —  Friedländer,  Dr.,  Sohularzt,  Breslau  — 
Förster,  Fritz,  Dr.,  Kinderarzt,  Dresden  —  Fülöp,  Dr.,  Arzt,  Budapest  — 
Fürst,  Moritz,  Dr.,  Hamburg. 

Qenersich,  Dr.,  Assistenzarzt,  Budapest  —  Glowalla,  Dr.,  Arzt, 
Eonigshütte  —  Gruber,  Max,  Dr.,  Professor,  München  —  Gutenberg,  Dr., 
Schularzt,  Darmstadt. 

Hamburger,  Ernst,  Dr.,  Breslau  —  Hartmann,  Arthur,  Dr.,  Professor, 
Berlin — Hei  mann,  Dr.,  Augenarzt,  Charlottenburg  —  He  nie,  Dr.,  Sohularzt, 
Hamar  in  Norwegen  —  Herker,  Dr.,  Privatdozent,  München  —  Hertel,  Axel, 
Dr.,  Professor  u.  Kommunalarzt,  Kopenhagen  —  Honigmann,  Dr.,  Wiesbaden 

—  Hflls,  Dr.,  Schularzt,  Berlin. 

Jacobitz,  Dr.,  Stabsarzt,  Karlsruhe  in  Baden  —  Jessen,  Dr.,  Schul- 
zahnarzt, Privatdozent,  Strafsburg  i.  E.  —  Juba,  Dr.,  Schularzt,  Budapest. 

Kafemann,  Dr.,  Privatdozent,  Königsberg  —  Kessler,  Dr.,  Stabs- 
arzt a.D.,  Mannheim  —  Kindt,  Dr.,  Medizinalrat,  Bezirksarzt,  Grimma  — 
Kirchner,  Dr.,  Geh.  Ober-Medizinalrat,  Berlin  —  Kocher,  Dr.,  Professor, 
Bern  —  Königshöfer,  Professor  u.  Sanitätsrat,  Stuttgart  —  Kotelmann, 
Dr.,  Augenarzt,  Hamburg  —  Kraft,  Dr.,  Stadtarzt,  Zürich  —  Krug,  Dr., 
Hofrat,  Schularzt,  Dresden  —  Kruse,  Dr.,  Professor,  Bonn  —  Kuhn,  Dr., 
Arzt,  Straisburg-Neudorf  —  Kühner,  Dr.,  Arzt,  Coburg. 

Landau,  Dr.,  Schularzt,  Dresden  —  Langsdorf,  Dr.,  Arzt,  Darmstadt  — 
Laquer,  Dr.,  Stabsarzt,  Frankfurt  a.  M.  —  Leder,  Dr.,  Medizinahrat  u.  Kreis- 


4  46 

arzt,  Lavban  —  Lessner,  Dr.,  Professor,  Schularzt,  Oedenburg  i.  Ungarn  — 
Lenbuscher,  Dr.,  Professor,  Regienmgfs-  u.  Medisinairat,  Meiningen  —  Levy, 
Dr.,  Zahnarzt,  Hambnrg  —  Lobe  dank,  Dr.,  Stabsarzt,  Augenarzt,  Hann.- 
Münden  —  Lode,  Dr.,  Professor,  Innsbruck  —  Löffler,  Dr.,  Professor, 
Greifswald. 

Marr,  Gustav,  Dr.,  Arzt,  Hamburg  —  Merkel,  Dr.,  Medizinalrat  u. 
Bezirksarzt,  Nürnberg  —  Mouton,  Dr.,  Arzt,  Haag  i.  Holland  —  Moses, 
Julius,  Dr.,  Arzt,  Mannheim. 

Neuburger,  Dr.,  Augenarzt,  Nürnberg  —  Neumeister,  Dr.,  Arzt, 
Breslau  —  Nordmann,  Dr.,  Arzt,  Colmar. 

Oebbeoke,  Dr.,  Stadtarzt,  Breslau  —  Oppenheimer,  Dr.,  Augenarzt, 
Berlin. 

Pagel,  Dr.,  Professor,  Berlin  —  Pauli,  Dr.,  Arzt,  Lübeck  —  Pfeiffer. 
Dr.,  Physikus,  Stadtarzt,  Hamburg  —  Pluder,  Dr.,  Hals-  u.  Ohrenarzt,  Ham- 
burg —  Poetter,  Dr.,  Stadtbezirksarzt,  Chemnitz  —  Prausnitz,  Professor, 
Graz  —  Proskauer,  Professor,  Charlottenburg. 

▼.Bänke,  Dr.,  Professor,  München  —  Radziejewski,  Dr.,  Augenarzt, 
Berlin  —  Hapmund,  Dr.,  Begierungs-  u.  Geh.  Med.-Rat,  Minden  L  W.  — 
Reimer,  Dr.,  Stadtarzt,  Görlitz  —  Benk,  Dr.,  Geh.  Med.-Rat,  Ministerialrat 
im  Min.  d.  Inn.,  Direktor  d.  Zentralst,  f.  öfif.  Gesundheitspfl.,  Dresden  - 
Riffel,  Dr.,  Professor,  Karlsruhe  i.  B.  —  Rosenfeld,  Leonh.,  Dr.,  Orthopäd, 
Nürnberg  —  Roth  mann,  Dr.,  Schularzt,  Nürnberg. 

Samosch,  Dr.,  Arzt,  Breslau  —  Schanz,  Fritz,  Dr.,  Augenarzt,  Dresden 

—  Schattenfroh,  Dr.,  Professor,  Wien  —  Schenker,  Dr.,  Lehrer  d.  Hy- 
giene, Aarau  —  Schmeichler,  Dr.,  Augenarzt,  Brunn  —  Schmid-Monnard, 
Dr.,  Kinderarzt,  Halle  —  Schmidt-Rimpler,  Dr.,  Professor  u.  Geh.  Med.- 
Rat,  Halle  —  Schulthess,  W.,  Dr.,  Dozent,  Zürich  —  Schuschny,  Dr., 
Professor  u.  Schularzt,  Budapest  —  Seok,  Dr.,  Sanitätsrat,  Ensisheim  i.  ELsaTs 

—  Seitz,  Dr.,  Professor,  München  —  Sieveking,  Dr.,  Physikus,  Hamburg  — 
Silberschmidt,  Dr.,  Dozent,  Zürich  —  Spiegelberg,  Dr.,  Kinderarzt, 
München  —  Spiess,  Dr.,  Geh.  San.-Rat,  Stadtarzt,  Frankfurt  a.  M.  —  Steiger, 
Dr.,  Augenarzt,  Zürich  —  Steinhard,  Dr.,  Schularzt  u.  Kinderarzt,  Nürnberg 

—  Stich,  Dr.,  Hofrat,  Nürnberg  —  Stick  er,  Dr.,  Professor,  GieÜBen  — 
Stock  er,  Dr.,  Augenarzt,  Luzem  —  Ströszner,  Dr.,  Assistent  am  bakter. 
Institut  Budapest. 

Thiersch,  Dr.,  Mitglied  d.  Landes-Med.-Koll.,  Leipzig  —  Tiedemann, 
Dr.,  Arzt,  Bremen  —  Tö plitz,  Dr.,  Schularzt,  Breslau  —  Trump,  Dr., 
Privatdozent,  München 

Veit,  Dr.,  Schularzt,  Prag  —  Vierodt,  Dr.,  Professor,  Hofrat,  Heidel- 
berg —  Vossius,  Dr.,  Professor,  Giefsen. 

Wehmer,  Dr.,  Regierungs-  u.  Medizinalrat,  Berlin  —  Weygandt,  Dr., 
Privatdozent,  Würzburg  —  Weyl,  Th..  Dr.,  Privatdozent,  Charlottenborg. 


I 


47 


<Dri|i]talab^ati)tltiii|eti* 


Die  Lösung  der  Schnlarstfrage  auf  dem  Lande. 

Von 
Ejreisarzt  Dr.  Heinbich  Bergeb,  Hannover. 

Aus  Greifswald  meldet  die  j^Preufsische  Lehreriseitung^  die 
Trauerkunde,  dafs  die  dort  seit  zwei  Jahren  bestehende  Einrichtung 
der  Schulärzte  am  1.  April  190S  wieder  aufgehoben  werden  soll. 
Die  Motivierung,  dals  die  fragliche  Einrichtung  mehr  theoretische 
Bedeutung  habe,  dafs  sie  mehr  im  Interesse  der  Wissenschaft  als 
der  Schule  liege,  dafs  Schulärzte  wohl  im  allgemeinen  mit  Nutzen 
wirken  können,  dals  aber  in  einer  Stadt  von  der  Gröfse  Greifswalds, 
wo  anch  dem  Ärmsten  unentgeltlich  ärztliche  Hilfe  in  Kliniken  und 
Polikliniken  zur  Verfügung  stehe,  ein  BedtLrfnis  für  Schulärzte  nicht 
vorliege,  muls  das  gröiste  Erstaunen  erregen.  Eis  scheint  hier  eine 
▼oUkommene  Unkenntnis  über  Aufgabe  und  Tätigkeit  des  Schul- 
arztes vorzuliegen,  die  durchaus  nicht  in  ärztlicher  Behandlung, 
sondern  nur  in  Überwachung  des  Gesundheitszustandes  der  Kinder 
besteht,  und  es  ist  doppelt  bedauerlich,  dafs  gerade  aus  einer  deutschen 
Unirersitätsstadt  diese,  alle  wahren  Freunde  der  Schuljugend  betrü- 
bende Kunde  kommt.  Der  Beschlufs  geht  aber  lediglich  vom  M  agistrat 
ans  und  dürfte  in  den  ärztlichen  und  schulfreundlichen  Kreisen 
Greifswalds  selbst  ebensolches  Kopfischütteln  erzeugt  haben,  wie  in 
den  femerstehenden. 

Über  die  Notwendigkeit  und  den  Segen  der  Schularzteinrichtung 
in  groben  und  gröfseren  Städten  besteht  ja  schon  längst  keinerlei 
Zweifel  mehr,  aber  es  entsteht  naturgemäls  die  Frage,  ob  die  Zweck- 
mäbigkeit  der  Einrichtung  an  Städten  mit  20 — 30000  Einwohnern 
die  Grenze  findet. 

Dafs  das  nicht  der  Fall  sein  kann,  das  wird  der  ohne  weiteres 
zugeben,  der  für  das  Wesen  der  Schularzteinrichtung  das  richtige 
Verständnis  hat.  Wem  aber  das  letztere  fehlt,  der  wird  die  neue 
Institation  an  keinem  Orte,  unter  keinen  wie  immer  gearteten  Ver- 
hältnissen billigen. 


6  48 

In  letzter  Zeit  haben  ja  anch  kleinere  Städte,  mit  10000  und 
weniger  Einwohnern,  Schulärzte  angestellt  nnd  sind  begeistert  ffir  die 
nene  Saohe.  Die  gerade  in  solchen  Städten  gemachten  Erfahrungen 
werden  hoffentlich  bald  zu  allgemeiner  Kenntnis  gebracht  werden 
und  voraussichtlich  die  Verbreitung  der  Schulärzte  mächtig  fördern. 

Die  Stimmen  mehren  sich,  welche  die  allgemeine  Schularzt- 
einrichtung verlangen  und  triftig  begründen;  Sachsen-Meiningen  hat 
bereits  ermunternde  Erfahrungen  damit  gemacht. 

Einer  der  Hauptgründe  ist  der,  daüs  es  auf  dem  Lande  meistens 
schlimmer  aussieht,  als  in  den  Städten,  und  dais  der  Landschularzt 
deshalb  nicht  weniger  notwendig  ist,  wie  der  Stadtschularzt. 

In  dieser  Erkenntnis  ist  der  Kreisarzt  in  Preulsen  durch  das 
Gesetz,  betreffend  die  Dienststellung  des  Kreisarztes  und  die  Bildung 
von  Gesundheitskommissionen  vom  16.  September  1899,  zum  Kreis- 
Schularzt  gemacht  worden.  Dals  dadurch  ein  grofser  Schritt  vor- 
wärts geschehen  ist  in  der  Fürsorge  um  die  heranwachsende  Jugend, 
die  Zukunft  des  Volkes  und  des  Staates,  wird  von  allen  Vaterlands- 
freunden mit  Dank  anerkannt. 

Die  Tätigkeit  des  Kreisarztes  wird  auf  dem  Gebiete  der  Schul- 
hygiene manches  Erspriefsliche  zeitigen.  Nachdem  jetzt  die  Neu- 
einrichtung zwei  Jahre  erprobt  ist,  dürfte  es  an  der  Zeit  sein,  zu 
fragen,  ob  sie  den  Wünschen  der  wahren  Freunde  der  Jugend,  dem 
Begriff  des  Schularztes  entspricht. 

Die  Tätigkeit  des  Kreisarztes  an  der  Schule  ist  im  wesentlichen 
eine  periodische,  fünQ ährige;  sie  fafst  ins  Auge  die  Schuleinrioh- 
tungen  und  die  Schulkinder.  Die  Untersuchung  der  ersteren  und 
ihre  hygienische  Verbesserung  (soweit  dies  die  vorhandenen  Geld- 
mittel erlauben)  kann  wohl  in  fünfjährigen  Perioden  vorgenommen 
werden,  obwohl  in  einem  Lustrum  sich  manches  verschlechtern  kann. 
Doch  liefse  sich  wohl  auch  in  der  Zwischenzeit  gelegentlich  ein 
wachsamer  Blick  hinwerfen.  Aber  der  springende  Punkt  bei  der 
ganzen  Sache  ist  der  Gesundheitszustand  der  Kinder,  die  Ein- 
wirkung der  Einrichtungen  auf  diesen,  die  körperliche  und  geistige 
Beife  der  neu  in  die  Schule  eintretenden  Kinder,  ihre  Fähigkeit,  die 
Schule  ohne  Schaden  an  der  Gesundheit  zu  besuchen;  und  dazu 
kann  eine  fünfjährige  Kontrolle  nicht  genügen. 

Dals  der  Staat  nicht  gleich  mit  der  allgemeinen  Schularzt- 
einrichtung vorgegangen  ist,  ist  verständlich  und  durchaus  zu  billigen. 
Es  handelt  sich  um  eine  neue  Kosten  verursachende  Malsnahme,  da 
gilt  es,  vorsichtig  abwägen  und  den  natürlichen  Gung  abwarten,  dem 


49  7 

Guten  —  und  wirklich  Gutes  findet  selbst  den  Weg  —  den  Weg 
ebnen;  ist  seine  Zeit  im  Laufe  der  natürlichen  Entwicklung  gekom- 
men, so  wird  der  Staat  mit  Freuden  die  Einrichtungen  treffen,  die 
ja  seine  eigene  Wohl&hrt  fördern. 

Es  scheint,  als  ob  denjenigen,  welche  der  allgemeinen  Schularzt- 
einrichtung  für  Stadt  und  Land  das  Wort  reden,  der  Sieg  werden 
wird,  und  wir  Freunde  der  Jugend,  Freunde  des  Vaterlandes,  werden 
uns  des  Sieges  freuen. 

Besondere  Beachtung  verdient  die  nicht  geringe  Zahl  der- 
jenigen, welche  zwar  theoretisch  zu  dieser  Partei  gehören,  aber 
einer  praktischen  Lösung  der  Frage  ungläubig  gegenüberstehen.  Ihr 
Tollständiges  Herüberziehen,  die  Beseitigung  ihrer  Bedenken  ist  eine 
nicht  unwichtige  Aufgabe,  da  sie  die  gute  Sache,  wenn  sie  ganz 
überzeugt  sind,  nicht  unwesentlich  stärken  werden. 

Die  Lösung  der  Sohularztfrage  auf  dem  Lande  ist  nicht  so 
schwierig,  als  es  scheint.  Die  Schularzteinrichtung  hat  sich  anzu- 
lehnen an  die  Distriktsarzteinrichtung.  Der  Kreis  zer&llt  in  Di- 
strikte —  sagen  wir,  ein  Kreis  von  30000  Einwohnern  in  8  Distrikte; 
fbr  jeden  Distrikt  wird  ein  Distriktsarzt  angestellt,  und  zwar  für  den 
Distrikt,  der  das  hauptsächlichste  Feld  seiner  allgemeinen  ärztlichen 
Tätigkeit  ist.  Eine  besondere  Besoldung  dafür  ist  nicht  nötig,  wenn  der 
Distriktsarzt  in  seinem  Bezirk  Impfarzt,  Schularzt  und  Vertrauensarzt 
ist.  Diese  Tätigkeiten  werden  ja  an  sich  schon  bezahlt;  als  Schularzt 
würde  er  für  etwa  700  Schulkinder  in  seinem  Bezirke  etwa  150  Mark 
bekommen,  das  ergäbe  eine  Mehrbelastung  für  den  Kreis  von 
1200  Mark,  eine  unzweifelhaft  erschwingliche  Summe. 

Auf  die  allgemeine  segensreiche  Tätigkeit  der  Distriktsärzte 
(Vorträge  in  ihrem  Bezirk,  Verbesserung  und  Organisation  der 
£[rankenpflege  u.  s.  w.),  auf  das  Gute  der  ganzen  Einrichtung  (Ver- 
wachsen mit  dem  Bezirk,  feste  Verhältnisse,  Sammlung  von  Er- 
fahrungen, letzte  hygienisch  durchgebildete  Instanz)  will  ich  hier 
nicht  näher  eingehen.  Im  April  und  Mai  sind  die  in  den  Schulen 
des  Bezirks  neu  eingetretenen  Kinder  zu  untersuchen,  um  Weih- 
nachten findet  die  Besichtigung  aller  Kinder  statt.  Im  Sommer  und 
zwischen  Weihnachten  und  Ostern  erfolgen  gemeinsame  Konferenzen 
mit  dem  Kreisarzt,  um  ein  einheitliches  Handeln  zu  gewährleisten. 
Die  Distrikts-Schulärzte  haben  Kataster  über  die  ansteckenden 
Krankheiten  unter  den  Schulkindern  zu  führen,  und  jährliche  sum- 
marische Berichte  an  den  Kreisarzt  bezw.  durch  den  Kreisarzt  an 
den  Landrat  zu  erstatten.     An  den  periodischen  kreisärztlichen  Be- 

Der  Sctanlarzt.  I.  2 


8  50 

Biohtigungen  nehmen  die  Distrikts-Schulärzte  teil  und  haben  einmal 
jährlich  die  Schule  und  ihre  Einrichtungen  zu  besichtigen,  mit  Be- 
rücksichtigung des  letzten  Ergebnisses  bei  der  Besichtigung  durch 
den  Kreisarzt.  Dadurch  dürfte  die  Schularztfiage  für  das  Land  im 
wesentlichen  gelöst  sein.  v 


Die  Schularztfrage  in  Wien. 

Von 

J.  Pawel,  Universitätslehrer. 

Am  17.  Dezember  d.  J.  fand  in  Wien  die  Vollversammlung 
der  Gesellschaft  für  Ghesundheitspflege  statt,  in  welcher  die  Frage 
der  Schulärzte  neuerdings  einer  eingehenden  Besprechung  unter- 
zogen wurde.  Der  Yoi-sitzende  der  Versammlung,  Sektionschef  Dr. 
Ritter  von  Küsy  besprach  die  Schularztfrage  hinsichtlich  ihrer  Be- 
deutung für  die  Volksgesundheit.  Diese  Frage  sei  gerade  jetzt 
recht  dringend,  da  gegenwärtig  das  Hauptgewicht  auf  die  Ver- 
hütung von  Krankheiten  gelegt  werde.  Man  müsse  trachten,  die 
heranwachsende  Generation  widerstandsfähig  zu  machen,  indem  man 
die  Vorbedingungen  zur  Entstehung  der  Krankheiten  aus  der  Welt 
schaffe.  Dazu  sei  besonders  die  Schule,  der  Sammelpunkt  der 
Jugend,  geeignet.  Auch  sei  es  im  Interesse  des  Unterrichtes  ge- 
legen, die  körperliche  Entwicklung  des  Kindes  zu  pflegen,  denn 
nur  so  könne  man  auch  auf  die  geistige  einen  wesentlichen  Einflufs 
ausüben.  Von  den  Schulärzten  können  die  Keime  der  Krankheiten 
früh  entdeckt  und  die  Krankheitsanlage  durch  Gegenmafsregeln 
schnell  bekämpft  werden.  Die  Schulkinder  sollten  auch  mit  den 
Grundsätzen  der  Gesundheitspflege  bekannt  gemacht  werden,  damit 
diese  für  das  ganze  Leben  in  Fleisch  und  Blut  übergingen.  Diese 
Aufgabe  aber  werde  sich  ohne  Vermittelung  von  Schulärzten  nie 
lösen  lassen  können. 

Privatdozent  Dr.  Zappbet  weist  auf  die  Frage  der  Lungen- 
krankheiten hin,  die  dem  Schularzt  ein  ausgiebiges  Arbeitsfeld  er- 
öffne. Von  Schulkindern,  welche  im  Jahre  1900  von  einem  Wiener 
Ferienheimvereine  auf  das  Land  geschickt  wurden,  waren  42  lungen- 
kranke Knaben  unter  449,    im  Jahre  1901    46  unter  438    und    im 


51  9 

Jahre  1902  46  unter  467  Knaben.  Von  345  Mädchen  litten  im  Jahre 
1900  35,  1901  von  354  35  und  1902  von  342  34  an  dieser  Krankheit. 
Diese  Zahlen  überraschen  durch  die  Gleichheit  ihrer  Höhe.  Dabei 
seien  andere  Krankheiten,  wie  der  Augen,  der  Ohren,  der  Knochen 
u.  a.  gar  nicht  berücksichtigt. 

Direktor  Bayb  weist  darauf  hin,  daiis  die  Tätigkeit  des  Schul- 
arztes ohne  Störung  des  Unterrichts  durchführbar  sei.  Auch  das 
Elternhaus  würde  die  Einrichtung  dankbarst  begrülsen,  welche  um 
so  wirksamer  wäre,  wenn  man  die  Schüler  in  bestimmten  Zeiträumen 
untersuchte.  Viele  Krankheiten  blieben  ja  den  Augen  der  Eltern 
verborgen,  so  namentlich  die  Verkrümmungen  der  Wirbelsäule,  denen 
man  von  Seite  der  Arzte  durch  wirksame  Mittel  entgegenwirken 
könnte. 

Dr.  Fbank  verweist  auf  die  zahlreichen  Erkrankungen  infolge 
schlechter  Zähne.  Darunter  müsse  oft  Ernährung  und  Entwicklung 
arg  leiden,  was  durch  zahnärztliche  Untersuchung  vermieden  werden 
könnte. 

Dr*  HoFBAUB  betont,  daiä  die  gegenwärtige  Art  des  Schul- 
turnens nicht  ganz  den  Anforderangen  der  Gesundheitspflege  ent- 
spreche. Beim  Turnen  werde  viel  Staub  erzeugt,  daher  wären 
Sportübungen  (11)  besser,  so  namentlich  das  Schwimmen. 

Dr.  Handee  besprach  Wesen  und  Verhütung  von  Rückgrat- 
verkrümmungen und  empfahl  besonders  Turnkurse  und  eine  ent- 
sprechende Beschränkung  des  Handarbeitsunterrichtes  bei  Kindern, 
welche  zu  Verkrümmungen  neigen.  —  Impfdirektor  Dr.  Paul  forderte 
die  hygienische  Ausbildung  der  Lehrer  in  besonderen  Fortbildungs- 
kursen. —  Frau  Direktor  Sohwabz  klagte  über  die  Überbürdung  der 
Schulmädchen  mit  Handarbeiten.  Hier  wäre  dem  Schularzt  ein  Feld 
erspriefslichster  Wirksamkeit  geboten.  —  Lehrer  Kbaus  sprach  über 
die  Frage  der  Schulreinigung  und  schilderte  einige  bestehende  Mifs- 
stände.  Der  Staat,  welcher  die  Kinder  zwinge,  in  die  Schule  zu 
gehen,  habe  auch  die  Pflicht,  sie  vor  gesundheitlichen  Schädigungen 
zu  bewahren.  —  Dr.  von  Hovobka  regte  eine  Statistik  der  Rück- 
gratsverkrümmungen bei  Schulkindern  an.  — -  Schulrat  W.  Wiedeb- 
HOFEB  wies  darauf  hin,  dafs  die  neueren  Schuleinrichtungen  den 
gesundheitlichen  Anforderungen  genügen,  mit  den  noch  bestehenden 
alten  könne  nicht  auf  einmal  aufgeräumt  werden.  —  Professor  Dr. 
Schattenfboh  hob  die  Wichtigkeit  der  Untersuchung  der  Schul- 
kinder hinsichtlich  des  Gesundheitszustandes  der  Augen  und  Ohren 
hervor.     Auch    die  Fürsorge    für   die    Lehrerschaft   gehöre   in    das 


10  52 

WirkungBgebiet  des  Schularztes.  Schlieislich  machte  der  Vorsitzende 
die  MitteiluDg,  dafs  die  Schalärztefrage  einem  besonderen  Komitee 
zugewiesen  wurde,  und  dankte  den  zahlreich  erschienenen  Ärzten 
und  Lehrern  für  das  Interesse,  welches  sie  der  wichtigen  Frage 
entgegengebracht  haben. 


Aitxntxt  Üttttetluusen. 


Kleinere    Mitteilungen    fiber  Anstellung   und  TStigkeit   Ton 

Schulärzten.  In  Stettin  sollen  als  Schalärzte  anfser  einem  Augen-,  einem 
Nasen-,  Ohren-  und  Zahnarzte  zehn  Ärzte  angestellt  werden,  von  denen 
jeder  600  Mk.  jährlich  erhält.  Ihre  Aufgabe  besteht  in  der  Untersuchung 
der  Neuaufgenommenen,  Ausstellong  eines  Gesnndheitsscheines,  den  das 
Eind  während  der  ganzen  Schulzeit  behält,  Abhalten  einer  Sprechstunde 
alle  vier  Wochen  und  Untersuchung  der  gesundheitlichen  Verhältnisse  der 
Schulhäuser.  —  Die  Anstellung  von  Schulärzten  in  der  Umgebung  von 
Berlin  hat  im  letzten  Jahre  bedeutende  Fortschritte  gemacht.  Eine  ganze 
Reihe  von  Vororten  hat  solche  angestellt:  In  Neu-Weissensee  beschlofs 
die  Gemeindevertretung  einen  Schularzt  anzustellen,  während  die  Schaffung 
dreier  weiterer  Schularztstellen  in  Aussicht  genommen  wurde.  —  Von  den 
gröfseren  Vororten  ist  nur  Wilmersdorf  der  Frage  bisher  nicht  näherge- 
treten. —  Rummelsburg  hat  sich  entschieden  gegen  die  Anstellung  von 
Schulärzten  erklärt.  Anerkannt  wurde,  dafs  gerade  in  diesem  Orte  mit 
seiner  starken  Arbeiterbevölkerung  Kinderkrankheiten  häufig  genug  auf- 
treten. Das  Institut  der  Schulärzte  wäre  bei  der  Armut  eines  erheblichen 
Teiles  der  Einwohner  nur  dann  von  wirklichem  Nutzen,  wenn  es  möglich 
wäre,  die  erkrankten  Kinder,  besonders  bei  den  häufig  auftretenden  Augen- 
und  Ohrenleiden,  in  einer  Gemeindeanstalt  auf  Gemeindekosten  behandeln 
zu  lassen.  Da  dies  zur  Zeit  der  finanziellen  Schwierigkeiten  wegen  nicht 
möglich  ist,  will  man  erst  die  Erfolge  abwarten,  die  andere  Vororte  mit 
den  Schulärzten  erzielen.  —  In  Ober-Schöneweide,  wo  ein  Schularzt 
angestellt  ist,  sind  die  leitenden  Kreise  auf  die  neue  Einrichtung  nicht  son- 
derlich gut  zu  sprechen.  Sie  behaupten,  es  handle  sich  dabei  um  eine 
kostspielige  Modefrage  ohne  wirkliche  Vorteile  für  die  Kinder,  und  weisen 
darauf  hin,  dafs  sich,  trotz  der  energischen  Tätigkeit  des  Schularztes,  die 
Masern  unter  den  Schulkindern  nicht  haben  eindämmen  lassen.  Dagegen 
ist  man  in  Lichtenberg  mit  der  Tätigkeit  der  Schulärzte  sehr  zufrieden, 
ebenso  in  Pankow  und  Reinickendorf.  In  den  meisten  Vororten  beträgt 
das  jährliche  Honorar  ffir  jeden  Schularzt  500  Mk.,  wofür  die  Ärzte  in 
jeder  Woche  zwei-  oder  dreimal  die  Klassen  und  die  einzelnen  Kinder  zn 
besichtigen  oder  zu  untersuchen  haben,  um  darüber  dem  Gemeindevorstand 
Bericht  zu  erstatten.  {y^Münch.  med.   Wochenschr,^) 


53  11 

Die  ABstellmig  tob  SehnUriten  in  Mfllkausen  i.  E,  ist  kürzlich 

im  dortigen  Gemeinderat  im  Prinzip  beschlossen  worden.  Die  Regelang 
der  Frage  ist  der  Schul-  nnd  Hygienekonmiission  znr  n&heren  PrQfong 
aberwiesen. 

Keine  SebnMrEte  mehr.  In  Greifswald  wird,  wie  der  j^Brmfs. 
Lekrergtgy'  berichtet  wird,  das  Institut  der  Schnlftrzte  nach  zwe^fthrigem 
Bestehen  am  1.  April  1903  zu  Grabe  getragen  werden.  Das  Bflrger- 
schafUiche  Kollegium  hatte  den  Wunsch  geftuisert,  dafs  auch  ihm  die  Be- 
richte der  Schulärzte  vorgelegt  würden.  Das  war  denn  auch  in  diesem 
Jahre  geschehen.  Das  Bürgerschaftliche  Kollegium  überwies  genannte  Be- 
richte der  Gesundheitskommission  mit  dem  Ersuchen,  zu  prüfen,  ob  sie 
nicht  einheitlicher  und  zweckentsprechender  gestaltet  werden  könnten.  Die 
Kommission  empfahl  auf  Grund  ihrer  Verhandlungen,  die  Schulärzte  zu- 
nächst weitere  zwei  Jahre  fungieren  zu  lassen,  jedoch  eine  Konzentration 
ihrer  Tätigkeit  unter  Leitung  des  Kreisarztes  eintreten  zu  lassen.  Der 
Magistrat,  der  sich  demnächst  mit  der  Angelegenheit  befafste,  beschlols 
jedoch,  die  betreffende  Etatsposition  (1000  Mk.)  im  nächsten  Jahre  zu 
streichen  und  den  4  Schulärzten  am  1.  Oktober  d.  J.  zu  kündigen.  Die 
fragliche  Einrichtung  habe  mehr  theoretische  Bedeutung ;  sie  liege  mehr  im 
Interesse  der  Wissenschaft  als  der  Schule,  jedoch  sei  auch  die  wissen- 
schaftliche Ausbeute  gering.  Das  Bürgerschaftliche  Kollegium  stimmte  dem 
Magistratsbeschlufe  zu,  indem  es  sich  der  Ansicht  anschlofs,  dafe  die  Schul- 
ärzte im  allgemeinen  wohl  mit  Nutzen  wirken  könnten,  dafs  aber  in  einer 
Stadt  von  der  Gröfse  Greifswalds,  wo  die  Kliniken  jedem  Kranken  oder 
Leidenden,  auch  dem  Ärmsten,  ohne  Entgelt  offen  ständen,  für  Schulärzte 
kein  Bedürfnis  vorhanden  sei. 

SchnUntliehe  üntenmelinngsergebmsse  in  der  SebweiE.    Im 

Jahre  1897  wurde  in  der  Schweiz  eine  Zählung  der  schwachsinnigen, 
körperlich  gebrechlichen  und  sittlich  verwahrlosten  Schulkinder  ausgeführt, 
die  in  verschiedener  Beziehung  lückenhaft  geblieben  war.  Um  ausreichende 
nnd  zuverlässige  Feststellungen  über  abnorme  Kinder  zu  beschaffen,  wurde 
eine  alJljährlich  statt6ndende  Untersuchung  der  in  die  Schule  eintretenden 
Kinder  durch  die  Schulärzte  in  16  Kantonen  angeordnet.  In  den  Jahren 
1899  und  1900  wurden,  wie  die  y^Stat  Korr,*^  der  y^Schweizerischm  Sta^ 
Hstik^  (Jahrg.  1901)  entninmit,  zusammen  107968  Kinder  mit  dem  Er- 
gebnis untersucht,  dab  darunter  15595  Kinder  =  144  aufs  Tausend  als 
nicht  völlig  normal  erklärt  werden  mufsten.  Davon  waren  2578  mit  gei- 
stigen Gebrechen  behaftet,  und  zwar  waren  blödsinnig  83,  schwachsinnig 
in  höherem  Grade  552,  in  geringerem  Grade  1943.  Die  Zahl  der  Schwach- 
sinnigen ist  infolge  sorgfältigerer  Prüfung  im  letzten  Berichtsjahre  gegen 
das  vorhergehende  gesunken;  dagegen  blieb  das  Verhältnis  der  körper- 
lichen Gebrechen,  die  leichter  festzustellen  sind,  in  beiden  Jahren  annähernd 
das  gleiche.  Es  litten  daran  in  den  Jahren  1899  und  1900  zusammen 
12906  Kinder,  und  zwar  an  Augenfehlem  6895,  an  Gehörfehlem  2032, 
an  Fehlern  der  Sprachorgane  1833,  an  Nervenkrankheiten  130  und  an 
anderen  Krankheiten  2016;  sittlich  verwahrlost  waren  111  Kinder.  Von 
den  15595  nicht  normalen  Kindem  konnten  14262  =  915  a.  T.  dem 
Unterricht  in   der  öffentlichen  Volksschule  folgen;  für  1333  =  85  a.  T. 


12  54 

wurde  Überweisung  an  eine  Spezialklasse  oder  -anstalt  angeordnet.  Für 
ein  Jahr  von  der  Schale  aasgeschlossen  warden  1899  367  and  1900 
362  Kinder. 

Der  Kreissebalarzt  war  das  Thema  eines  in  der  Dezembersitzong 
des  Danziger  Lehrervereins  von  Herrn  Lehrer  Joffe  abgestatteten  Refe- 
rats. In  derselben  Sitzung  hielt  Herr  Kreisarzt  Dr.  Haase  einen  längeren 
Vortrag  über  Infektionskrankheiten  in  Beziehung  auf  die  Schule. 

Zur  Schnlarzlfrage  in  Berlin  schreibt  man  der  „Münchn.  med. 
Wodienschr.**  (No.  47)  folgendes:  Endlich  scheint  auch  in  Berlin  die  Schnl- 
arztfrage  wieder  in  Fluis  zu  kommen.  Nur  mit  grofsem  Widerstreben 
war  der  Magistrat  dem  Gedanken,  Schulärzte  anzustellen,  Oberhaupt  naher 
getreten.'  Nach  langen  Verhandlungen  und  Erörterungen  hatte  er  sich  yor 
etwa  3  Jahren  entschlossen,  einen  Versuch  mit  10  Schulärzten  an  einigen 
Gemeindeschulen  zu  machen.  Das  Ergebnis  dieses  Versuches  sollte  die 
Richtschnur  für  die  weitere  Behandlung  der  Angelegenheit  geben.  Soweit 
Berichte  Aber  die  Tätigkeit  der  Schulärzte  veröffentlicht  wurden,  muis 
das  Ergebnis  als  durchaus  befriedigend  betrachtet  werden;  denn  irgend- 
welche ünzuträglichkeiten  sind  nicht  bekannt  geworden,  wohl  aber  eine 
ganz  beträchtliche  Zahl  von  Fällen,  in  denen  durch  das  Eingreifen  des 
Schularztes  Infektionskrankheiten  erkannt  und  ihre  Verbreitung  verhütet 
wurde,  minderbegabte  Kinder  den  für  solche  eingerichteten  Sonderklassen 
überwiesen  wurden  u.  s.  w.  Da  inzwischen  auch  in  vielen  anderen  grolsen 
und  kleinen  Städten  die  ärztliche  Mitwirkung  an  den  Aufgaben  der  Schule 
sich  durchaus  bewährt  hat,  so  sollte  man  annehmen,  dafs  nunmehr  auch 
die  letzten  Bedenken  gegen  die  allgemeine  Einführung  dieser  Einrichtung 
in  Berlin  gefallen  wären,  zumal  da  die  finanzielle  Seite  der  Frage  bei  dem 
Millionenetat  der  Stadt  nicht  ins  Gewicht  fallen  kann.  Aber  die  städtische 
Verwaltung  scheint  jede  Überstürzung  ängstlich  vermeiden  zu  wollen;  die 
Schuldeputation  hat  dem  Magistrat  vorgeschlagen,  die  Zahl  der  Schulärzte 
auf  30  zu  erhöhen  und  diese  mit  der  Beaufsichtigung  einer  bestimmten 
Zahl  von  Kindern  zu  beauftragen.  Aus  der  Stadtverordnetenversammlung 
heraus  ist  jedoch  eine  Anregung  zu  einem  etwas  beschleunigteren  Tempo 
ergangen;  es  wurde  ein  Antrag  gestellt,  den  Magistrat  zu  ersuchen,  vom 
1.  April  1903  ab  an  jeder  Gemeindeschule  einen  Schularzt  anzustellen. 
Wird  dieser  Vorschlag  ausgeführt,  so  würden  in  Berlin  etwa  260  Schul- 
ärzte tätig  sein.  Abgesehen  von  dem  günstigen  Einflufs  dieser  Tätigkeit 
auf  die  Gesundheitsverh&ltnisse  unserer  Schulkinder  würden  sich  sicherlich 
aus  dem  reichhaltigen  Beobachtungsmaterial  manche  neue  Gesichtspunkte 
gewinnen  lassen,  die  der  Entwicklung  der  Schulgesundheitslehre  und  so 
auch  den  allgemeinen  hygienischen  Verhältnissen  zu  gute  kämen. 

Zar  Schalarztfi*age  ninmit  das  „Berliner  Tageblatt''  in  No.  653 
vom  24.  Dezember  1902  in  folgender  Weise  Stellung: 

Der  allgemeine  deutsche  Verein  für  Schulgesundheitspflege  hat  sich 
mit  einer  Bittschrift  an  den  Reichstag  gewendet,  um  die  Anstellung  von 
Schulärzten  im  deutschen  Reich  in  die  Wege  zu  leiten.  Die  Wichtigkeit 
des  schulärztlichen  Amtes  ist  von  niemandem  mehr  bestritten.  Eine  ge- 
ordnete Schulgesundheitspflege  ist  aber  ohne  die  dauernde  Ein-  und  Mit- 
wirkung des  Schularztes   auf  die  Ausgestaltung  des  Schulwesens   nicht  zu 


65  13 

denken.  Nicht  blofs  die  Überwachung  des  Gesundheitszustandes  der  schul- 
pflichtigen Jugend  fUlt  in  den  Wirksamkeitsbereich  des  Schularztes,  son- 
dern auch  die  Hebung  und  die  Erweckung  des  jugendlichen  Sinnes  für  die 
Bedeutung  der  Gesetze  der  Gesundheitspflege  und  der  Pflichten,  deren  Be- 
rflcksichtigung  sie  von  jedem  einzelnen  fordert.  Je  mehr  man  über  die 
Stellung  des  Schularztes  im  Rahmen  der  Schulverwaltung  nachdenkt,  einen 
um  so  bedeutsameren  Platz   wird  man  ihm  unbedingt  einräumen  mflssen. 

Es  war  daher  sehr  wohl  angebracht,  wenn  der  allgemeine  deutsche 
Verein  ffir  Schulgesundheitspflege  in  seiner  diesjährigen  Generalversamm- 
lung eine  Resolution  fafste,  die  dahin  ging,  bei  den  Regierungen  und 
Stadtverwaltungen  auf  Anstellung  von  Schulärzten  in  allen  deutschen  Bun- 
desstaaten, und  zwar  in  den  Städten  und  auf  dem  platten  Lande,  hinzu- 
wirken, außerdem  einen  zweckmäfsigen  hygienischen  Unterricht  in  den 
Lehrerbildungsanstalten  sowie  in  den  Schulen  einzurichten.  Ganz  folge- 
recht wird  auch  in  der  dieser  Resolution  beigefügten  Begründung  ausein- 
andergesetzt, daÜB  der  Staat,  der  den  Schulzwang  gesetzlich  eingeführt  hat, 
auch  die  Verpflichtung  hat,  nach  Möglichkeit  die  mit  dem  Schulbesuch 
unter  Umständen  verbundenen  Gefahren  für  die  Gesundheit  der  Kinder 
und  auch  der  Lehrer  einzuschränken,  zu  beseitigen.  All  das  ist  unbedingt 
als  richtig,  ja,  als  notwendig  zuzugeben.  Und  dennoch  kann  man  sich  mit 
dem  von  dem  allgemeinen  deutschen  Verein  für  Schulgesundheitspflege  zur 
Erreichung  eines  sehr  erstrebenswerten  Zieles  beschrittenen  Wege  nicht 
einverstanden  erklärten. 

Das  deutsche  Reich  hat  gar  keine  Befugnis,  sich  in  die  inneren  Schul- 
angelegenheiten der  Einzelstaaten  einzumischen.  Das  ist  völlig  der  Kom- 
petenz der  Einzelstaaten  vorbehalten.  Allerdings  ist  dem  Reiche  auf  Grund 
des  alinea  15  im  Artikel  4  der  Reichsverfassung  überlassen,  „Mafsregeln 
der  Medizinal-  und  Veterinärpolizei''  anzuordnen  und  deren  Durchführung 
mit  Zuhilfenahme  der  landesgesetzlichen  Behörden  zu  erzwingen ;  allein  die 
Einführung  von  Schulärzten  dürfte  kaum  als  eine  „Maisregel  der  Medizinal- 
polizei'' aufzufassen  sein.  Das  Schicksal  der  Petition  im  Reichstage  ist 
mit  Sicherheit  vorauszubestimmen. 

Im  Wege  der  Reichsgesetzgebung  ist  der  Schularztfrage  nicht  beizu- 
kommen. Hier  können  nur  die  Einzelstaaten  helfen.  In  der  Tat  hat  ja 
auch  die  diesjährige  Generalversammlung  des  Vereins  für  Schulgesundheits- 
pflege in  ihrer  Resolution  ganz  klar  ausgesprochen,  dafs  bei  den  Regierun- 
gen, das  heilst  bei  den  Landesregierungen  im  Gegensatze  zum  Reich,  auf 
die  Anstellung  von  Schulärzten  eingewirkt  werden  möchte.  Will  der  aU- 
gemeine  deutsche  Verein  für  Schulgesundheitspflege  die  Anstellung  von 
Schulärzten  überall  im  Reiche  durchsetzen,  dann  bleibt  kein  anderer  Aus- 
weg, als  die  Volksvertretungen  der  Einzelstaaten  und  die  Regierungen  mit 
Bittschriften  anzugehen,  die  gesetzliche  Regelung  der  an  und  für  sich  gar 
nicht  hoch  genug  zu  veranschlagenden  Schularztfrage  endlich  vorzunehmen. 
Dieser  Weg  ist  ja  allerdings  beschwerlich,  umständlich  und  zeitraubend, 
allein  es  gibt  keinen  anderen.  Das  Reich  ist  in  dieser  Frage  nicht  zu- 
ständig. 


14  56 


ixitxaxxf^t  ßtfpxt^nn^tn. 


Dr.  ScHMiD-MoNNABD.     Die   Aufgaben   des   ScbularEtes.    Politisch- 
anthropologische Revue.  I.  Jahrg.  No.  3. 

In  knrzen,  scharf  geprägten  S&tzen  stellt  Verfasser  seine  schalärzt- 
liches Glaubensbekenntnis  auf.  Der  ärztliche  Berater  der  Schule  kann 
nicht  durch  den  hygienisch  gebildeten  Lehrer  ersetzt  werden,  wohl  aber 
ist  die  yerständnisYolle  Mitwirkung  des  Lehrers  unentbehrlich.  Dem  Schul- 
arzt mufs  Gelegenheit  zu  Anregungen  auf  schulhygienischem  Gebiet  ge- 
geben sein,  durch  Teilnahme  an  den  Sitzungen  der  Schulkommission,  und 
durch  Rücksprache  mit  dem  Direktor.  Notwendig  ist  die  Untersuchung  der 
Neuaufzunehmenden  auf  genflgende  körperliche  Rüstigkeit  und  auf  die  Fähig- 
keit, stundenlanges  Sitzen  in  geschlossenen  Räumen  ohne  Schaden  zu  er- 
tragen. Jedoch  will  Verfasser  nur  die  schwächlich  erscheinenden  Kinder 
einer  näheren  Untersuchung  teilwerden  lassen  und  nur  für  sie  sollen  Ge- 
sundheitsscheine ausgefüllt  werden.  Wir  können  dieser  Ansicht  nicht  bei- 
pflichten. Die  schulärztlichen  Erfahrungen  in  W^iesbaden,  Leipzig,  Frank- 
furt, Chemnitz  und  an  vielen  anderen  Orten  lehren  im  Gegenteil,  dafs  der 
Hauptwert  der  schulärztlichen  Tätigkeit  in  der  genauen  Untersuchung  aller 
Kinder  zu  suchen  ist,  weil  sehr  häufig  bei  gesund  aussehenden  und  für 
gesund  geltenden  Kindern  die  Keime  sehr  beachtenswerter  Leiden  entdeckt 
werden,  die  bis  dahin  den  Eltern,  dem  Lehrer  und  dem  oberflächlich 
inspizierenden  Bück  des  Schularztes  entgangen  waren. 

Mit  Recht  wird  die  Tätigkeit  des  Schularztes  ganz  besonders  für  die 
schwachbefähigten  Zöglinge  der  Hilfsschulen  gefordert,  weil  sie  wohl  ohne 
Ausnahme  auch  körperlich  rückständig  sind. 

Bei  der  Schulentlassung  soll  schulärztlicher  Rat  hinsichtlich  der  Be- 
rufswahl erteilt  werden. 

Schulhygienische  Vorträge  bei  der  Lehrerschaft  wünscht  Verfasser  nur 
fakultativ  und  von  Fähigkeit  und  Neigung  des  Arztes  abhängig  gemacht 
zu  sehen.  Hingegen  möchte  er  dem  letzteren  auch  die  Aufgabe  eines 
Lehrerarztes  zuweisen,  der  Urlaubszeugnisse  auszustellen,  der  Lehrerüber- 
bürdung  vorzubeugen,  und  gegebenenfalls  für  Gehaltsaufbesserung  der  Lehrer 
einzutreten  hat. 

Bezüglich  der  Hygiene  des  Unterrichts  warnt  Verfasser  den  Arzt  vor 
schnellem  Urteil  und  Einreden  in  den  Lehrplan.  Unsere  deutschen  Dienst- 
ordnungen für  Schulärzte  verleihen  auch  kaum  irgendwo  Befugnisse  dieser 
Art.  W^ohl  aber  wäre  es  wünschenswert,  wenn  ein  oberschulärztlicher 
Berater  den  Zentralschulbehörden  beigegeben  wäre,  um  der  Hygiene  des 
Unterrichts  die  richtigen  Wege  zu  weisen.        Dr.  Paul  Schubert. 


57  16 

Dr.  MABB-Hambarg.  Der  Schularzt  und  Dr.  Arthur  Hartmann.  ^^{Äreü. 

Vereinsblatt*' .  1902,  No.  485  u.  487.) 

Dr.  MA.BK  eifert  in  seinem  Artikel  in  No.  485  des  ^ÄreÜ,  Yereinshl,"' 
gegen  eine  angeblich  von  Habtmann  aufgestellte  Idee,  dafs  der  Schalarzt 
den  Eltern  der  krankbefnndenen  Kinder  Anleitung  geben  mflsse,  wie  sie 
ihr  Kind  behandeln  müfsten.  Mit  Emphase  heischt  er,  dafs  die  Schulärzte 
bleiben  mögen,  wie  sie  sind,  d.  h.  Untersucher,  aber  niemals  Behandler 
der  Schüler  —  „oder  sie  sollen  nicht  sein".  Auf  diesen  Angriff  erwidert 
Habthann,  dais  er  nicht  die  Behandlung  der  krankbefundenen  Kinder 
den  Schulärzten  zuschieben  will,  sondern  einen  „direkten  Einflufs  auf  die 
Behandlung  der  gefundenen  Schäden  and  Leiden".  Er  gibt  Mabb  zu, 
dafs  sich  das  Bild  von  der  Tätigkeit  der  Schulärzte  jetzt  gegen  früher 
geändert  habe,  weist  aber  Mabbs  Angriffe  gegen  die  ganze  Einrichtung 
als  unberechtigt  entschieden  zurück  und  verweist  auch  auf  tatsächliche 
Erfolge,  die  gegenüber  der  Ausbreitung  der  Myopie,  den  Rückgratsver- 
krümmungen  und  besonders  den  Ohrenleiden  erzielt  wurden. 

Marb  erwidert  in  No.  487,  dafs  der  Schularzt  überhaupt  keine  Macht 
habe,  die  Behandlung  zu  beeinflussen;  das  Interesse  der  Schule,  zu  wissen, 
ob  die  Schulrekruten  gesund  seien,  gibt  er  zu,  meint  aber,  die  Schule 
könne  neben  Geburts-  und  Impfschein  eine  Gesundheitsbeglaubigung  beim 
Schuleintritt  verlangen,  und  in  den  Fällen,  wo  eine  solche  fehle,  könne 
sie  der  Armenarzt  ausstellen.  An  die  Erfolge,  die  Habtmann  hervor- 
bebt, glaubt  Mabb  nicht  und  sieht  einen  Nutzen  nur,  wenn  die  Zentral- 
behörde gut  hygienisch  beraten  wird,  während  Beaufsichtigung  und  Betrieb 
hygienischer  Einrichtungen  von  Lehrern  und  Schuldienern  ebenso  gut,  wie 
von  Schulärzten  versehen  werden  könne.  Bei  Verdacht  auf  Schwachsinn 
oder  Fehler  in  den  Sinnesorganen,  der  schon  bei  längerem  als  zwei- 
jährigem Verweilen  in  einer  Volksschulklasse  entsteht,  untersuche  in  Hamburg 
der  Vertrauensarzt  der  Oberschulbehörde,  um  diese  Kinder  eventuell  der 
Hilfsschule  für  Sckwachbefähigte  oder  der  Taubstummenanstalt  zu  über- 
weisen. Doch  bestehe  in  Hamburg  für  Schwachsinnige  und  Taubstumme 
kein  Schulzwang.  (I!) 

Habtmann  erwidert  nochmals  mit  Belegen  für  die  Erfolge  der  schul- 
ärztlichen Tätigkeit  (Blezingebs  schulärztliche  Untersuchungen  in  Stadt 
und  Land,  y^Württemb,  Med.  Carresp.-Bl,^  1901,  44/45).  Die  Verquickung 
der  schulärztlichen  Tätigkeit  mit  der  armenärztlichen  sei  von  den  meisten 
Stadtverwaltungen  mit  guten  Gründen  abgelehnt  worden  — ,  wohin  sie 
führe,  beweise  der  Magdeburger  Vorgang,  auf  den  das  von  Mabb  ange- 
zogene Bild  vom  Schuhputzer  passe.  Die  Hamburger  Fürsorge  sei  unge- 
nügend and  Mabbs  zu  Grunde  gelegten  Annahmen  seien  irrig.  Sach- 
unkenntnis  verrate  die  Behauptung  von  den  geringen  Erfolgen  der  Schularzt- 
institution.  Beweis  dafür  sei  die  Umwandlung  von  Provisorien  in  dauernde 
Zustände,  sei  der  einstimmige  Beschluls  der  zumeist  von  Verwaltungs- 
beamten und  Pädagogen  besuchten  letzten  Jahresversammlung  des  Allgem. 
Deutechen  Vereins  für  Schulgesundheitspflege,  auf  Anstellung  von  Schul- 
ärzten in  Stadt  und  Land  bei  Regierungen  und  Stadtverwaltungen  hinzu- 
wirken. 


16  58 

Da  Mabb  keine  persönlichen  Erfahrangen  besitzt  und  ihm  Hamburg 
leider  kein  Beobachtungsfeld  fQr  die  Tätigkeit  \on  Scbalärzten  bietet,  so 
können  seine  theoretischen  Bedenken  und  seine  Meinungen  die  Erfahrungen 
der  Praxis  und  die  Tatsachen  nicht  erschüttern.  n^^A^j  teurer  Freund, 
ist  alle  Theorie,  und  grün  des  Lebens  goldner  Baum.^  Ganz  aulser  acht 
ist  in  dieser  Debatte  Mabb-Habtmann  die  segensreiche  Tätigkeit  der 
Schulärzte  gegenüber  Verbreitung  von  Infektionskrankheiten  in  den  Schulen 
und  durch  die  Schule  gelassen.  Dr.  LANDAU-Nümberg. 


Dienstordnungen  fBr  Schnlärzte. 

Dienstordnung  für  die  Schulärzte  an  den  Volksschulen 

der  Stadt  Aachen.^ 

Die  Schulärzte  haben  in  den  ihnen  anvertrauten  Schulen  den  Gesund- 
heitszustand der  Schüler  sowie  die  gesundheitlichen  Verhältnisse  der  zur 
Schule  gehörenden  Räumlichkeiten  und  Einrichtungen  zu  überwachen;  sie 
sollen  ferner  der  Schul  Verwaltung  und  den  Lehrpersonen  in  Fragen  der 
Schulgesundheitspflege  Auskunft  erteilen. 

Sie  sind  verpflichtet,  alle  in  diese  Aufgaben  fallenden  Aufträge  des 
Oberbürgermeisters  der  Stadt  Aachen  auszuführen. 

Insbesondere  liegt  den  Schulärzten  folgendes  ob: 

§  1- 

Die  Schulärzte  haben  die  neueintretenden  Schüler  genau  auf  ihre 
Körperbeschaffenheit  und  ihren  Gesundheitszustand  zu  untersuchen ,  nm 
festzustellen,  ob  sie  einer  dauernden  ärztlichen  Überwachung  oder  beson- 
deren Berücksichtigung  beim  Schulunterricht  (z.  B.  Ausschliefsung  vom 
Unterricht  in  einzelnen  Fächern  —  wie  Turnen  und  Gesang  — ,  Anweisung 
eines  besonderen  Sitzplatzes  wegen  Gesichts-  oder  Gehörfehlers  u.  s.  w.) 
bedürfen. 

Aufser  dieser,  in  den  ersten  4 — 6  Wochen  des  Schuljahres  vorzu- 
nehmenden genaueren  Untersuchung  sollen  die  neueintretenden  Schulkinder 
in  den  ersten  8  Tagen  bereits  einer  äufseren  ärztlichen  Revision  unter- 
zogen werden,  behufs  Ermittelung  von  übertragbaren  Krankheiten  und 
Ungeziefer. 

Über  jedes  untersuchte  Kind  ist  ein  dasselbe  während  seiner  ganzen 
Schulzeit  begleitender  „Gesundheitsschein"  nach  dem  von  der  Stadtver- 
waltung festgestellten  Formular  zu  führen.  Der  Kopf  dieses  Formulars 
ist  durch  den  Klassenlehrer  auszufüllen. 


*  In  zuvorkommender  Weise  zur  Verfügung  gestellt  vom  Oberbürgermeister 
der  Stadt  Aachen. 


59  17 

Erscheint  ein  Kind  einer  st&ndigen  ärztlichen  Überwachung  bedflrftig, 
80  ist  dorch  den  Schularzt  der  Vermerk:  „ärztliche  Kontrolle^  auf  der 
ersten  Seite  oben  rechts  zu  machen. 

Die  Spalte  betr.  »allgemeine  Konstitution"  ist  bei  der  Aufnahme- 
untersuchung ffir  jedes  Kiud  auszufallen  und  zwar  nach  den  Kategorien 
qgut,  mittel  und  schlecht*".  Kinder,  deren  allgemeine  Konstitution  als 
„schlecht"  bezeichnet  ist,  sind  so  lange  dem  Schularzte  bei  jedem  regel- 
mäßigen Besuche  desselben  in  der  Schule  (§  2)  vorzufahren,  bis  der 
Schularzt  sie  ausdracklich  auf  ihrem  Gesundheitsschein  als  dessen  nicht 
mehr  bedflrftig  bezeichnet.  (Die  Bezeichnung  „gut"  ist  nur  bei  vollkommen 
tadellosem  Gesundheitszustand  und  „schlecht**  nur  bei  ausgesprochenen 
Krankheitsanlagen  oder  chronischen  Erkrankungen  zu  wählen.) 

Die  Ergebnisse  werden  in  den  Gesundheitsschein  eingetragen.  Die 
Spalten  6,  7,  8  werden  nur  im  Bedürfhisfalle  ausgefallt,  wenn  sich  bei 
der  Aufnahmeuntersuchung  oder  im  Laufe  der  späteren  Schuljahre  hierher 
gehörige  Fehler  oder  Erkrankungen  herausstellen. 

Die  Wägungen  und  Messungen  werden  von  den  betr.  Klassenlehrern, 
welche  sich  dabei  der  Hilfe  des  Schuldieners  bedienen  können,  zu  Beginn 
eines  jeden  Schulhalbjahres  vorgenommen  und  in  die  betr.  Spalte  einge- 
tragen. (Abrundung  auf  Vs  cm  und  ^/4  kg.)  Der  Brustumfang  wird  vom 
Arzte  genaessen,  jedoch  nur  bei  Kindern,  die  einer  Lungenerkrankung  ver- 
dächtig sind,  oder  deren  allgemeine  Konstitution  im  Gesundheitsschein  als 
„schlecht*^   bezeichnet  ist. 

§2. 

In  der  ersten  Woche  eines  jeden  Monats,  in  welcher  Unterricht  statt- 
findet, hält  der  Schularzt  in  der  Schule  Sprechstunde  ab.  Zeit:  Vormittags 
10  bis  nicht  Ober  12  Uhr.  Hierzu  ist  dem  Arzte  ein  freies  Zimmer  zur 
Verfügung  zn  stellen.  Die  nähere  Bestimmung  dieses  Tages  erfolgt  durch 
Vereinbarung  des  Schularztes  mit  dem  Hauptlehrer. 

Wünscht  der  Arzt  an  einem  anderen  als  dem  verabredeten  Tage  die 
Schule  zu  besuchen,  so  hat  er  dies  mindestens  3  Tage  früher  dem  Haupt- 
lebrer  mitzuteilen  und  mit  demselben   einen  anderen  Tag  zu  vereinbaren. 

Bei  unvorhergesehenen  Behinderungen  gilt  der  nächstfolgende  Wochen- 
tag als  Besuchstag. 

Die  erste  Hälfte  der  Sprechstunde  dient  zu  einem  Besuche  mehrerer 
Klassen  während  des  Unterrichts. 

Die  Besuche  sind  so  einzurichten,  da£s  jede  Klasse  2  mal  während 
eines  Schulhalbjahres  besucht  wird. 

Bei  diesen  Besuchen  werden  sämtliche  Kinder  einer  äufseren  Revision 
unterzogen;  bei  besonderen,  zu  sofortiger  Besprechung  geeigneten  Beobach- 
tongen  wird  von  dem  Lehrer  Auskunft  gefordert  und  ihm  solche  auf  Ver- 
langen erteilt. 

Erscheinen  hierbei  einzebe  Kinder  einer  genaueren  Untersuchung 
bedürftig,  so  ist  diese  nachher  in  dem  ärztlichen  Sprechzimmer  vorzunehmen. 

Gleichzeitig  dienen  diese  Besuche  auch  zur  Revision  der  Schullokali- 
täten und  deren  Einrichtung,  sowie  zur  Kontrolle  über  Ventilation,  Heizung, 
körperliche  Haltung  der  Schulkinder  etc. 


18  60 

Der  Arzt  wird  bei  seinem  Besuche  in  den  Klassen,  bei  seinen 
Fragen  n.  s.  w.  alles  vermeiden,  was  der  Autorität  des  Lehrers  in  den 
Augen  der  Schiller  nachteilig  sein  könnte.  Wenn  er  Veranlassung  hat, 
auf  Schäden  aufmerksam  zu  machen  oder  Wflnsche  auszusprechen,  so  soll 
das  nicht  Tor  den  Schfllem  geschehen. 

Den  zweiten  Teil  der  Sprechstunde  bildet  die  genauere  Untersuchung 
der  zu  diesem  Zwecke  vom  Schularzte  zurflckgestellten,  sowie  der  demselben 
Ton  den  Lehrern  aus  besonderer  Veranlassung  (KrankheitsYerdacht  etc.) 
zugeführten  Kinder  der  nicht  besuchten  Klassen. 

Die  Gesundheitsscheine  sämtlicher  zur  Untersuchung  kommenden  Kinder 
sind  von  dem  Klassenlehrer  dem  Arzte  yorzulegen.  Fflr  Benachrichtignng 
der  übrigen  Klassen  und  Zuführung  der  betr.  Kinder  zu  sorgen,  ist  Sache 
des  Hauptlehrers. 

§3. 

Die  ärztliche  Behandlung  erkrankter  Schulkinder  ist,  abgesehen  Ton 
der  ersten  Hilfe  in  NotfäUen,  nicht  Sache  des  Schularztes  als  solchem. 
Erscheint  eine  Behandlung  notwendig,  so  sind  die  betr.  Eltern  hiervon 
zu  benachrichtigen.  Die  Benachrichtigung  der  Eltern  ist  Sache  des 
Klassenlehrers. 

§4. 

Erscheint  dem  Schularzte  die  Untersuchung  eines  Schulkindes  durch 
einen  Augen-  oder  einen  Nasen-,  Ohren-,  Mund-,  Kehlkopfspezialisten 
angezeigt,  so  hat  er  das  betreffende  Kind  dem  hierfür  von  der  Schulver- 
widtung  bezeichneten  Spezialarzte  zu  überweisen.  Der  Spezialerzt  hat  die 
Untersuchung  nur  auf  besonderen  Antrag  des  Hauptlehrers  in  der  Schule, 
anderenfalls  in  seinem  Geschäftszimmer  auszuführen. 

§  6. 

Der  Schularzt  ist  verpflichtet,  auch  aulserhalb  der  regelmäßigen 
Sprechstunden  in  dringlichen  Fällen,  insbesondere  beim  Verdacht  einer 
ansteckenden  Krankheit  sowie  bei  Unföllen,  auf  Antrag  des  Hauptlehrers 
in  der  Schule  zu  erscheinen  und  seine  Tätigkeit  auszuüben,  auch  in  solchen 
Fällen  den  ihm  vom  Lehrer  zugeschickten  Schulkindern  Untersuchung  und 
—  soweit  nötig  —  erste  Hilfe  zu  teil  werden  zu  lassen. 

Die  behördlichen  Vorschriften  über  das  beim  Auftreten  ansteckender 
Krankheiten  zu  beobachtende  Verfahren  bleiben  durch  diesen  §  unberührt. 

§6. 

Die  Gesundheitsscheine  sind  in  den  betr.  Klassen  in  einem  dauerhaften 
Umschlage  aufzubewahren  und  bleiben,  solange  sie  nicht  von  dem  Ober- 
bürgermeister eingefordert  werden,  in  der  Schule. 

Die  Scheine  mit  dem  Vermerk  „Ärztliche  Kontrolle"  sind  dem  Arzte 
bei  jedem  Besuch  in  der  Klasse  vorzulegen.  Tritt  ein  Kind  in  eine 
andere  Schule  übefr,  so  ist  sein  Gesundheitsschein  dahin  in  geschlossenem 
Briefumschläge  von  dem  Hauptlehrer  zu  übersenden. 


61  19 

§7. 

Die  Schnl&rzte  haben  mindeetens  je  einmal  im  Sommer-  und  im 
Winterhalbjahr  die  Schnllokalitäten  and  deren  Einrichtangen  zn  revidieren. 
Über  die  hierbei  —  wie  bei  den  sonstigen  Besuchen  gelegentlich  —  be- 
obachteten M&ngel  der  zn  überwachenden  RAnme,  Einrichtungen  und  Gegen- 
stande, sowie  Unzutr&glichkeiten  in  der  Handhabung  der  Reinigung,  Lüf- 
tung, Heizung  und  Beleuchtung,  femer  über  die  etwa  an  diese  Beobachtungen 
zu  knüpfenden  Vorschläge  erstatten  die  Schulärzte  ungesäumt  Bericht  an 
das  Oberbürgermeisteramt. 

§  8. 

Ein  Recht  zu  selbständigen  Anweisungen  an  die  Lehrpersonen,  sowie 
an  die  Schuldiener,  steht  den  Schulärzten  nicht  zu.  Glauben  sie,  dafs 
seitens  der  genannten  Personen  den  von  ihnen  in  Bezug  auf  die  Behand- 
lung der  Kinder  oder  die  Hygiene  der  SchuleinrichtuDgen  gemachten  Vor- 
schlägen nicht  in  genügender  Weise  Rechnung  getragen  wird,  so  ist  hier- 
über ebenfalls  Bericht  an  das  Oberbürgermeisteramt  zu  erstatten. 

In  dringlichen  Fällen  können  die  betreffenden  Mitteilungen  auch  münd- 
lich zn  Protokoll  erklärt  werden. 

§9. 

Behufs  Erreichung  eines  gleichartigen  und  möglichst  zweckmäßigen 
Vorgehens  treten  die  Schulärzte  mindestens  einmal  jährlich  und  zwar  nach 
Schlnla  eines  jeden  Schn^ahres,  femer  so  oft  zu  einer  Besprechung  zu- 
sammen, als  der  Oberbürgermeister  sie  hierzu  einladet.  Bei  diesen  Be- 
sprechungen werden  die  vom  Oberbürgermeister  an  die  Gesamtheit  der 
Schulärzte  gerichteten  Fragen  besprochen,  femer  die  gemachten  Erfahrangen 
ausgetauscht  und  die  etwa  bei  der  städtischen  Schulverwaltung  anzuregen- 
den Maßnahmen  von  allgemeiner  Bedeutung  erörtert.  Die  Schulärzte 
wählen  fär  diese  Besprechungen  in  der  am  Schlüsse  eines  jeden  Schul- 
jahres stattfindenden  Konferenz  für  das  folgende  Schuliahr  einen  Vorsitzen- 
den ans  ihrer  Mitte,  welcher  in  Tätigkeit  tritt,  soweit  nicht  der  Ober- 
bürgermeister oder  sein  Stellvertreter  den  Vorsitz  ergreift.  Der  Vorsitzende 
kann  die  Konferenz  der  Schulärzte  auch  während  des  Schuljahres  berufen ; 
von  dem  Orte  und  der  Zeit  des  Zusammentretens  ist  dem  Oberbürger- 
meister rechtzeitig  Mitteilung  zu  machen.  Auf  Fragen  in  schulgesundheit- 
lichen Angelegenheiten,  welche  der  Oberbürgermeister  an  die  Gesamtheit 
der  Schulärzte  gerichtet  hat,  erteilt  der  Vorsitzende  nach  stattgehabter  Be- 
ratung die  Antwort. 

§  10. 

Die  Schulärzte  haben  bis  zum  1 5.  Mai  jeden  Jahres  über  ihre  Tätig- 
keit und  ihre  hierbei  gemachten  Erfahmngen  in  dem  abgelaufenen  Schul- 
jahre einen  schriftlichen  Bericht  dem  gemäfs  dem  vorigen  Paragraphen 
gewählten  Vorsitzenden  einzureichen. 

Der  letztere  hat  diese  Einzelberichte  mit  einem  kurzen  übersicht- 
lichen Gesamtbericht  bis  zum  1.  Juni  dem  Oberbürgermeister  vorzulegen. 
Bei  der  Aufstellung  der  Berichte  sind  insbesondere  folgende  Punkte  zu  be- 
rücksichtigen : 


20  62 

1.  Übersichtliche  Znsammeiistellang  der  Resultate  bei  den  Unter- 
suchungen der  Aufnahmeklasseu, 

2.  Zahl  der  abgehaltenen  Sprechstunden  bezw.  ärztlichen  Besuche  der 
Klassen, 

3.  Anzahl  und  Art  der  wichtigeren  Erkrankungsfälle,  die  in  den 
Sprechstunden  zur  Untersuchung  gekommen  sind, 

4.  etwa  erfolgte  besondere  ärztliche  Anordnungen, 

5.  Anzahl  der  an  die  Eltern  gesandten  schriftlichen  ,, Mitteilungen" 
und  deren  Erfolg, 

6.  Anzahl   der  unter    „ärztlicher  Kontrolle^   stehenden   Schulkinder, 

7.  summarische  Angabe  der  im  Laufe  des  Schu^ahres  gemachten 
Ausstellungen  hinsichtlich  der  Schuleinrichtungen  sowie  der  Hand- 
habung der  Hygiene. 

§  11. 

Yerlässt  ein  Schularzt  aufserhalb  der  Schulferien  auf  länger  als  eine 
Woche  die  Stadt,  oder  ist  er  durch  Krankheit  oder  andere  unabwendbare 
Gründe  an  der  Wahrnehmung  seiner  Obliegenheiten  verhindert,  so  hat  er 
den  Oberbflrgermeister  rechtzeitig  hiervon  zu  benachrichtigen  und  fttr  kosten- 
lose Vertretung  zu  sorgen. 

§  12. 

Für  die  Mühewaltung  erhalten  die  Schulärzte  aus  der  Stadtkasse  eine 
Vergütung,  welche  vierteljährlich  nachträglich   denselben  ausgezahlt    wird. 

§  13. 

Die  Annahme  der  Schulärzte  erfolgt  auf  unbestimmte  Zeit  mit  dem 
jedem  Teile  zustehenden  Rechte  der  vierteljöhrlichen  Kündigung.  Sollte 
ein  Schularzt  die  Erfüllung  seiner  Dienstobliegenheiten  verweigern,  so  kann 
der  Oberbürgermeister  das  Vertrags  Verhältnis  sofort  auflösen. 

§  14. 

Der  Oberbürgermeister  behält  sich  vor,  diese  Dienstordnung  abzu- 
ändern oder  zu  erweitern. 

Aachen,  den  1.  April  1901. 

Der  Oberbürgermeister. 
In  Vertretung: 

HERTZOa. 


Zusendungen  und  Zuschriften  werden  erbeten:  für  die  Zeitschrift  an 
Herrn  Prof.  Dr.  Fr.  Erismann  in  Zürich,  Plattensir.  37,  speeieü  für  den 
Schularzt  an  Herrn  Hofrat  Dr.  med.  P.  Schubert  in  Nürnberg,  Fleisch- 
brücke  10^  direkt  oder  durch  die  Verlagsbuchhandlung  Leopold  Voss  in 
Hamburg. 


Jritfidnft  fir  Si||«l0rfin)ilirit0|iflf0r. 

XVI.  Jahrgang.  1903.  No.  2. 


(ArtstnaU^aniluiiseii. 


Die  Entwicklimg  der  Schnlant-IxiBtitatioiL  in  Deutschland 

und  der  Schnlant  in  BoBtock.^ 

Von 

Dr.  Wbx- Rostock. 

Im  Laufe  der  letzten  Jahre  haben  sich  die  Magistrate  fast  aller 
grOiseren  Städte  Deutschlands  mit  der  sogenannten  „Schularztfrage^ 
beschäftigt.  Während  nnr  vereinzelte  Stadtverwaltungen  sich  der 
Anstellung  von  Schulärzten  gegenüber  ablehnend  oder  abwartend 
verhielten  (Bremen,  Stettin,  Frenzlau,  Karlsruhe,  Mühlhausen),  ist 
jetzt  in  60  bis  80  deutschen  Städten  diese  Institution  eingeführt 
worden.  Da  dürfte  es  wohl  an  der  Zeit  sein,  nun  auch  in  Rostock, 
welches  nach  dem  Ergebnis  der  letzten  Volkszählung  1900  in  der 
Reihe  der  deutschen  Städte  an  61.  Stelle  steht,  der  Schularztfrage 
nfther  zu  treten. 

Bevor  jedoch  Vorschläge  gemacht  werden,  die  speziell  auf 
Rostocker  Verhältnisse  zugeschnitten  sind,  sei  es  zum  Verständnis 
der  ganzen  Bewegung  gestattet,  einiges  über  deren  geschichtliche 
Entwicklung,  über  die  Schwierigkeiten,  die  sich  der  Einführung  der 
Schulärzte  entgegenstellten,  und  über  deren  Aufgaben  und  Tätigkeit 
Torauszuschicken.  Femer  müssen  auch  noch  auf  Grund  der  bisher 
gemachten  fjrfahrungen  die  Abschnitte:  Organisation,  Unkosten  und 
Gehalt,  Grenzen  der  schulärztlichen  Tätigkeit,  wer  soll  Schularzt 
werden?  und  endlich  die  Erfolge  besprochen  werden. 


^  Wo  im  Text  als  LiteratnraDgabe  nur  Zahlen  (z.  B.  Ol,  10,  627)  an 
gegeben  sind,  besehen  rieh  dieselben  aaf  Jahrgang,  Heft  and  Seitenzahl  der 
„ZeÜMhrifi  für  Sekulgnundkeitapfltge^, 

SehulgeBundheitspfleffe.  XVI.  4 


64 

Als  Material  zu  dieser  Arbeit  standen  mir  neben  einer  Anzahl 
von  Lehrbüchern  und  Broschüren  hauptsächlich  die  verschiedenea 
Jahrgänge  dieser  Zeitschrift  zur  Verfügung.  Femer  haben  mir  die 
Magistrate  von  40  Städten  auf  eine  bezügliche  Bitte  die  Dienst- 
anweisungen, Formulare  und  ihre  sonstigen,  die  Sohularztinstitutioii 
betrefiPenden  Drucksachen  bereitwilligst  zur  Verfügung  gestellt  oder 
einzelne  hierauf  bezügliche  Fragen  beantwortet. 

I. 

Die  Entwicklung  der  Schularztfrage  ist  nicht  an  den  Namea 
eines  einzelnen  Mannes  oder  einer  Stadt  geknüpft,  sie  ist  vielmehr, 
einem  inneren  Bedürfnis  entspringend,  in  mehreren  Städten  and 
Ländern  unabhängig  voneinander  aufgetaucht.  Schon  am  Ende  des 
18.  Jahrhunderts  machten  sich  Bestrebungen  geltend,  welche  dahin 
zielten,  Übelstände  zu  beseitigen,  die  der  Gesundheit  der  Schüler 
drohten,  nur  wollte  man  dazumal  die  Hilfe  der  Polizei  hierfür  in 
Anspruch  nehmen.^ 

Aus  der  ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhxmderts  ist  besonders 
der  sogenannte  „LoRiNSEB-Schulstreit^  über  die  Überbürdungsfrage 
bekannt  geworden  (hervorgerufen  durch  das  Buch  des  Medizinalrat 
Dr.  LoBiNBEB  in  Oppeln:  „Zum  Schutze  der  Gesundheit  in  den 
Schulen**). 

Dieser  Streit  zog  sich,  ohne  ein  praktisches  Ergebnis  zu  haben, 
durch  viele  Jahre  hindurch,  litt  aber,  ebenso  wie  spätere  Bestrebungen 
ähnlicher  Art,  an  ofifensichtlichen  Übertreibungen  und  machte  es 
dadurch  den  Gegnern  leicht,  mit  Gegenbeweisen  erfolgreich  auf- 
zutreten. 

Obwohl  immer  wieder  das  Verlangen  nach  sanitärer  Über- 
wachung der  Schulen  laut  wurde,'  obwohl  sie  von  keinem  geringeren 
als  ViBCHOW  1869  in  einer  Broschüre:  „Über  gewisse,  die  Gesund- 
heit benachteiligende  Einflüsse  der  Schulen^  gewünscht  wurde,'  kam 
man    in  Deutschland    nicht    über    theoretische  Erwägungen    hinaus. 


^  RoLLEB :  Das  Bedürfnis  nach  Schulärzten  filr  höhere  Lehranstalten.  S.  6 
und  7.  —  Sepp  :  Über  die  Anstellung  von  Schulärzten  (Verhandl.  d.  Vereins  f. 
öfifentl.  Gesundheitspflege  in  Magdeburg.  1901.  S.  2.  —  Gohn:  Die  Schularztfrage 
in  Breslau  (Zeitachr,  f.  SchtOgesundheitspfl,  1898.  Heft  11.  S.  580). 

*  Sohübmeyer:  Handbuch  der  Medizinalpolizei,  Erlangen  1848.  —  Pappbiv- 
hbih:  Handbuch  der  Sanitätspolizei,  Berlin  1868.  —  Falk:  Die  sanitätspolizei- 
liehe  Überwachung  höherer  und  niederer  Schulen,  Leipzig  1868. 

'  ZeiUcTw,  f,  SchulgesundJieitapfl,  1898.  Heft  11.  S.  680. 


65 

Auch  Disknaeionen  auf  den  Natarforscherversammlnngen  und  den 
Versammlungen  des  deutschen  Vereins  für  öfiFentliche  Gesundheits- 
pflege fahrten  nicht  weiter. 

EiTst  als  im  Jahre  1880  der  Breslauer  Ophthalmologe  Professor 
Hermann  Cohn  mit  seinen  gründlichen  und  umfassenden  Augen- 
untersQchungen  Breslauer  Schulkinder  auf  der  Naturforsoherversamm- 
lung  vor  die  breitere  Öffentlichkeit  trat  und  schlagend  nachwies,  wie 
in  der  Schule  die  Kurzsichtigkeit  klassenweise  erheblich  zunimmt, 
kam  ein  firischerer  Zug  in  die  Angelegenheit;  weite  Kreise  inter- 
essierten sich  für  die  erschreckenden  Zahlen,  und  überall  wurden 
Nachprüfungen  angestellt,  die  zu  dem  gleichen  Ergebnis  führten. 
Bald  dehnte  man  die  ursprünglichen  Augenuntersuchungen  auch  auf 
die  Untersuchungen  anderer  Organe  aus  und  kam  zu  ähnlichen 
Befanden. 

Leider  geriet  die  so  rührige  Bewegung  durch  einen  gewissen 
Übereifer  einiger  ihrer  Vertreter,  die  nach  einem  „Schularzt  mit 
diktatorischer  Gewalt"  riefen,  teilweise  wieder  ins  Stocken,  weil 
dieser  Ruf  einen  Sturm  der  Entrüstung,  vor  allem  in  Lehrerkreisen, 
entfesselte. 

Doch  die  Behörden  waren  aufmerksam  geworden ;  aus  einzelnen 
Städten  kam  die  Nachricht,  „dafs  man  für  Schulangelegenheiten  dem 
Magistrate  ein  sachverständiges  ärztliches  Mitglied  beigeordnet  habe''. 
Aus  diesem  ursprünglichen  ärztlichen  Beirat,  der  natürlich  bei  der 
grofsen  Anzahl  von  Schulen  und  Schülern  keine  so  umfassende 
Tätigkeit  entwickeln  konnte,  wie  man  es  von  ihm  wünschen  mufste, 
entstand  daiin  allmählich  der  Schularzt,  wie  wir  ihn  heute  kennen. 

Für  diesen  ist  die  Einrichtung  von  Schularztstellen  in  Wies- 
baden grundlegend  und  vorbildlich  geworden.  Dort  wurde  im  Jahre 
1896  auf  Betrieb  des  Stadtrats  Professor  KAiiLE  ein  geordneter 
schulärztlicher  Dienst  eingeführt,  es  wurden  anfangs  versuchsweise 
vier  und  im  nächsten  Jahre  endgültig  sechs  Schulärzte  angestellt. 
Die  günstigen  Berichte  über  diese  Einrichtung  veranlafsten  im  Jahre 
1898  den  Kultusminister  von  Bosse,  eine  Ministerialkommission 
nach  Wiesbaden  zum  Studium  des  Schularztdienstes  zu  entsenden, 
welche  nach  einem  langen  und  eingehenden  Bericht  ihr  Urteil  über 
die  dortige  Einrichtung  dahin  zusammenfafste:  j^Die  bisherigen  Er- 
fahrungen haben  bewiesen,  daüs  die  Anstellung  von  Schulärzten  für 
Volks-  und  Mittelschulen  einen  nicht  zu  unterschätzenden  Nutzen 
für  die  Schule  und  Schüler  bietet,  dais  dieselbe  mit  den  Schul- 
zweoken  wohl  vereinbar  und  unter  gleichen  oder  ähnlichen  Verhält- 

4* 


66 

nissen  wie  in  Wiesbaden  ohne  grö&ere  Schwierigkeit  praktisch 
durchführbar  ist.  Insbesondere  ist  nach  dieser  Untersuchung  hervor- 
zuheben,  daJs  die  bekannten,  gegen  den,  Schularzt  erhobenen  Be- 
denken, die  man  auch  in  Wiesbaden  gehegt  hatte,  durch  die  Er- 
fahrung nicht  bestätigt  sind.*^  —  Es  ist  daher  nur  zu  wünschen,  dafe 
das  dankenswerte  Vorgehen  der  städtischen  Behörden  in  Wiesbaden 
zahlreiche  Nachahmung  finden  und  dafs  damit  die  fortschreitende 
Entwicklung  unseres  preulsischen  Schulwesens  auf  diesem  für  die 
Volksgesundheit  so  wichtigen  Gebiet  der  Schularzteinrichtung  end« 
gültig  gesichert  werden  möge.^ 

Seitdem  sind  in  ca.  65  deutschen  Städten  Schulärzte  nach 
Wiesbadener  Muster  angestellt. 

Es  würde  natürlich  zu  weit  führen,  die  schulärztlichen  Verhält- 
nisse auTserdeutscher  Staaten  hier  zu  besprechen,  doch  mag  erwähnt 
werden,  daiis  die  nordischen  Länder  lange  vor  Deutschland  mit  der 
Einführung  von  Schulärzten  begonnen  haben.  Es  gibt  heute  solche 
in  Schweden,  Norwegen,  Dänemark,  Österreich,  Italien,  Galizien,  der 
Schweiz,  Frankreich,  England,  Schottland,  Belgien,  Ungarn,  Serbien 
und,  aufserhalb  Europas,  in  Japan,  Ägypten,  den  Vereinigten  Staaten, 
Argentinien  und  Chile. 

In  Schottland  und  Bulsland  hat  man  schon  Schulärztinnen,  und 
in  den  Vereinigten  Staaten  ist  sogar  ein  Neger  als  Schularzt  an- 
gestellt. 

n. 

Wir  könnten  jetzt  mit  Fug  zur  Besprechung  der  Aufgaben  und 
der  Tätigkeit  des  Schularztes  übergehen,  wollen  aber  die  Besprechung^ 
des  Widerstandes  und  der  Schwierigkeiten,  die  sich  ihm 
entgegenstellten,  sowie  der  Einwände,  die  gegen  seine  Anstellung 
gemacht  wurden,  vorweg  nehmen  und  deren  Grundlosigkeit 
beweisen.  Es  empfiehlt  sich  diese  Anordnung  einmal,  weil  sie  dena 
historischen  Verlauf  der  Dinge  entspricht,  sodann,  weil  die  gleichen  Ein- 
wände, wie  sie  überall  dort  mit  photographischer  Treue  wiederkehren, 
wo  in  Versammlungen  oder  in  Magistratsberatungen  die  Schularzt- 
frage zur  Diskussion  stand,  voraussichtlich  auch  in  Bestock  wieder- 
kehren werden,  endlich  aber,  weil  der  Widerstand  immer  seinen 
Grund  hatte  in  der  Unkenntnis  dessen,  was  eigentlich  der  Schularzt 
soll  und  will. 


^  SoHLOOKOW,  Der  Kreisarzt.  Bd.  I.  S.  261. 


67 

Ja,  was  ist  denn  eigentlich  dieser  Scfialarzt,  nnd  was  bedeutet 
er?  ünsoholdige  Gremüter,  sagt  Dr.  SEPP-Magdebnrg  in  einem  Vor- 
trag über  die  Anstellnng  von  Sohnlärzten  (1.  o.  S.  5),  verlangten  Tom 
Soholarzt,  er  solle  ganz  nene  Lehren  der  Sohnlgesnndheitspflege  auf- 
stellen, er  solle  neue  Grundsätze  über  das  Einfallen  des  Lichtes, 
über  Lage  der  Sohulhäuser,  Erneuerung  der  Luft  geben,  er  solle 
neue  Regeln  der  Körperhaltung  schaffen,  kurz,  er  solle  etwas  neues, 
noch  nicht  dagewesenes  bieten.  Andere  stellen  sich  unter  dem  Schul- 
arzt einen  Mann  vor,  der  in  das  Innere  des  Schullebens  mit  eiserner 
Faust  eingreift  und  dem  Schulleiter  und  -Lehrer  allerhand  Yor- 
Bchnften  machen  kann.  Andere  wieder  glauben,  dafs  der  Schularzt 
in  der  Schule  eine  Art  Poliklinik  einrichten  und  den  praktizierenden 
Ärzten  Konkurrenz  machen  wolle.  Nichts  Yon  alledem  ist  zutreffend. 
Aber  aus  diesen  unklaren  Vorstellungen  heraus,  die  noch  genährt 
werden  durch  zu  weitgehende  Forderungen  einzelner  übereifriger 
Vorkämpfer,  und  aus  dem  gegenseitigen  Miüsverständnis  zwischen 
Ärzten  und  Schulmännern  erwuchsen  der  guten  Sache  grimmige 
Gegner. 

Da  waren  es  zuerst  und  am  heftigsten  die  Lehrer,  die  dem 
Schularzte  Opposition  machten.  Man  fand  in  ihren  Kreisen  vielfach 
die  Befürchtung  ausgesprochen,  es  werde  in  den  Schulärzten  eine 
neue  Aufsichtsbehörde  geschaffen,  ein  Polizeibüttel  oder  Inspektor  in 
die  Schule  gebracht,  und  als  wollten  die  Ärzte  sich  anschicken,  ein 
Gebiet  zu  erobern,  welches  ihnen  fremd  sei  und  das  sie  doch  nicht 
beherrschen  könnten.^  So  äuTserte  sich  in  der  Magdeburger  Schularzt- 
debatte Dr.  phil.  BiiATH  (1.  c.  S.  11),  dais  in  der  Beihe  der  Lehrer 
eine  Abneigung  gegen  jeden  Eingriff  in  die  Rechte  und  Pflichten  der 
Pädagogen  weit  verbreitet  sei.  Daneben  her  ginge  das  Bewulstsein 
der  Lehrer,  durch  ihre  langjährige  Erfahrung  und  bei  dem  täglichen 
Verkehr  mit  den  Schülern  einen  Blick  für  die  notwendigen  hygie- 
nischen Mafsregeln  erworben  zu  haben.  Bei  der  gleichen  Gelegen- 
heit verlangte  der  Lehrer  Weber  (1.  c.  S.  12),  im  Interesse  des 
Erziehungsideales  müsse  die  Lehrerschaft  fordern,  dafs  die  Hand- 
habung der  Schulgesundheitspflege  in  vollem  ümfiang  den  Lehrern 
übertragen  würde,  nicht  Ärzten.  Ähnliche  Ansichten  wurden  überall 
verfochten:  in  Berlin  gab  1893  in  der  Stadtverordnetenversammlung 
Direktor  Dr.  Sohwalbe  (93.  2.  80)  sein  Urteil  dahin  ab,  dafs  der 
Gesundheitszustand  der  Schüler  vollauf  befriedige;  die  Lehrer  seien 


^  Hasküsb,  Neue  Bahnen.  1899.  Heft  10. 


68 

im  stände»  die  Kontrolle  wirksam  zu  üben,  jeder  Eingriff  in  die 
inneren  Verhältnisse  der  Schule  sei  zorüokzn weisen ;  und  der  Stadt- 
schulrat Dr.  Bertram  erklärte  die  beantragte  Anstellung  von  Schul  - 
ärzten  für  ein  MiJstrauensYotum  gegen  die  Schuldeputation:  „Waa 
würde  die  Annahme  des  Antrages  nach  auTsen  hin  für  einen  Ein- 
druck machen?"  (93.  2.  80).  Auch  die  Direktoren  der  Braun- 
schweigischen Gymnasien  verhielten  sich,  1893  zur  Meinungsäuüserung 
aufgefordert,  ablehnend,  da  der  Beweis  nicht  erbracht  sei,  dais  der 
Mangel  an  Schulärzten  irgendwie  nachteilig  auf  den  Gesundheits- 
zustand der  Schüler  gewirkt  habe.  Dagegen  versuchten  sie  nach- 
zuweisen,  dafis  die  Anstellung  von  Schulärzten  entbehrlich  sei 
(93.  12.  88). 

So  beurteilte  man  noch  vor  wenigen  Jahren,  hauptsächlich  aus 
Unkenntnis,  die  Schularzt&age.  Nun  ist  es  interessant,  zu  verfolgen, 
wie  mit  dem  weiteren  Bekanntwerden  seines  Zweckes  und  seiner 
segensreichen  Tätigkeit  die  Feinde  des  Schularztes  allmählich  zu 
seinen  Freunden  wurden.  Während  noch  1897  die  Idee  von  der 
Anstellung  spezieller  Schulärzte  auf  der  ganzen  Linie  der  Berliner 
Lehrerschaft  die  entschiedenste  Bekämpfung  fand  (98.  4/5.  276), 
unterbreitete  diese  schon  1899  den  beteiligten  Behörden  Grundsätze 
über  die  Aufgaben  des  Schularztes  (99.  8/9.  535).  Ihr  befangener 
Standpunkt  kennzeichnet  sich  dabei  allerdings  noch  durch  die  Auf- 
stellung des  Schiulissatzes:  ^Der  Schularzt  hat  nicht  die  Stellung 
eines  Vorgesetzten''.  Auch  anderswo  verliels  die  Lehrerschaft  ihren 
ablehnenden  Standpunkt;  sie  sah  ein,  dals  sie  bei  allem  Interesse 
doch  nicht  im  stände  sei,  ohne  Mitwirkung  des  ärztlichen  Standes 
die  Forderungen  der  modernen  Hygiene  in  der  Schule  zu  erfüllen. 
Man  mulste  es  daher  mit  Freuden  begrüfsen,  wenn  gerade  in  einer 
Stadt  wie  Bremen,  wo  die  Behörden  sich  ablehnend  verhielten,  die 
Lehrerschaft  1901  einstimmig  die  Resolution  annahm:  Die  Schule 
bedarf  zur  vollkommeneren  Verwirklichung  ihrer  Aufgaben  der  Mit« 
arbeit  der  ärztlichen  Wissenschaft,  d.  h.  eines  für  die  Schulhygiene 
vorgebildeten  Schularztes  (Ol.  10.  627).  Direktor  SEEHAüSEN-Marburg 
kommt  in  seinem  Referat  auf  dem  XI.  hessischen  Städtetage  1900 
zu  dem  Schluls,  dais  auch  er  von  seinem  Standpunkt  als  Lehrer  die 
Anstellung  von  Schulärzten  für  wünschenswert  halte,  nachdem  die 
auswärtigen  Erfahrungen  ergeben  hätten,  dafs  der  Schulbetrieb  von 
der  Tätigkeit  der  Schulärzte  nur  günstig  beeinflulst  werde  und  Mifs- 
helligkeiten  ausgeblieben  seien  (00.  8/9.  474).  So  ist  auch  in  dem 
Bericht   über   die  schulärztliche  Tätigkeit    in  Darmstadt   1899   aus- 


69 

drücklioh  auf  das  gute  Einyemehmen  zwischen  Ärzten  nnd  Lehrern 
hingewiesen:  «Ejs  hat  sieh  hier  wie  überall  gezeigt,  dafs  die  theo- 
retischen fiefbrohtnngen»  es  könne  durch  die  Tätigkeit  des  Arztes 
die  Stellung  und  das  Ansehen  der  Lehrer  geschadigt  werden,  sich 
in  der  Praxis  durchaus  nicht  verwirklichen,  und  es  ist  schwer  er- 
klärlich, daÜB  von  manchen  Seiten  immer  wieder  dieser  Einwand  an- 
gefahrt wird.  Der  Lehrer  soll  die  Empfindung  haben,  dals  durch 
die  EinfOhrung  des  Schularztes  die  eigene  angreifende  und  verant- 
wortliche Stellung  nicht  erschwert,  sondern  erleichtert  wird** 
(99.  11.  641). 

Treffend  ruft  Ewald  in  der  „Berüner  Minischen  Wochenschrift'' 
(1899.  No.  49)  dem  widerstrebenden  Lehrer  zu:  „et  tua  res  agitur*"; 
es  ist  auch  für  den  Lehrer  nicht  gleichgültig,  ob  er  einen  groiSran 
Teil  seines  Lebens  in  gut  gelüfteten  und  gereinigten,  richtig  tempe- 
rierten und  hell  beleuchteten  Bftumen  zubringt  oder  unter  entgegen- 
gesetzten Verhältnissen;  es  ist  auch  für  den  Lehrer  nicht  gleichgültig, 
ob  ihm  die  Beurteilung  der  Leistungen  seiner  Schüler  und  die 
Möglichkeit  eines  regelrechten  Fortschrittes  der  Klasse  erschwert  wird 
durch  psychische  Fehler  und  chronische  oder  akute  Störungen  ein- 
zelner, die  zu  erkennen  und  zu  bewerten  nicht  dem  Pädagogen, 
sondern  dem  Arzte  zufällt  (99.  5/6.  335). 

Ein  neuer  G^ichtspunkt  zu  Ghinsten  des  Schularztes  ist  seit 
der  Einführung  des  Bürgerlichen  Gesetzbuches  hinzugekommen  durch 
die  Frage:  »Wie  steht  es  mit  der  Haftpflicht  des  Lehrers  für  die 
ihm  anvertrauten  Kinder?^  Diese  Frage  hat  schon  mehrfach  die 
Gerichte  beschäftigt;  sie  ist  zwar  noch  nicht  abgeklärt,  doch  wird 
es  dem  Lehrer  lieb  sein,  einen  Teil  der  Verantwortung  auf  die 
Schultern  anderer  legen  zu  können. 

Ganz  wunderbar  mutet  es  einem  an,  wenn  man  hört,  dals 
Arzte  dort  Protest  einlegen,  wo  es  sich  um  die  Erweiterung  der 
ärztlichen  Tätigkeit  handelt,  wo  ihnen  ein  Feld  neuen  Schaffens 
bereitet  werden  und  ihnen  eine  neue  Einnahmequelle  entspringen 
soll.  Und  doch  ist  dies  der  Fall  gewesen,  und  zwar  auch  hier  aus 
Unkenntnis  der  tatsächlichen  Verhältnisse,  aus  MiTsverstehung  der 
Aufgaben  und  der  Wirkung  des  Schularztes.  Sein  oberster  Grund- 
satz ist  „Phrophylaxe",  und  nicht,  wie  man  anfangs  meinte,  „Therapie". 
Aus  diesem  Mibverständnis  heraus  und  in  der  Furcht,  der  Schularzt 
könne,  wenn  er  die  Kinder  in  der  Schule  behandele,  sich  an  die 
Familien  herandrängen,  erhoben  Berliner  Äfzte  energischen  Einspruch 
(98.  4/5.  276).    Sie  fanden  bald  darauf  in  der  Wiener  medieinischen 


70 

Wochenschrift  folgende  Abfertigung:  „Ärztliche  Kreise  fürohien,  es 
könne  die  Tätigkeit  des  Schularztes  das  freie  Arbeitsfeld  des  prak- 
tischen Arztes  noch  mehr  einengen,  als  dies  schon  die  Kassengesetz- 
gebung getan  hat.  Eine  solche  Befürchtung  erscheint  sehr  kleinlich 
und  ist  nur  zu  sehr  geeignet,  das  Ansehen  der  Ärzte  noch  mehr  zu 
schädigen,  als  es  schon  jetzt  der  Fall  ist.^ 

Ein  Verdrängen  der  pHausärzte**  ist  übrigens  aus  dem  Grunde 
schon  gänzlich  ausgeschlossen,  als  der  Schularzt,  wie  schon  erwähnt, 
nur  Prophylaxe  und  nicht  Therapie  treibt  und  ihm  eine  Behandlung 
der  Schulkinder  überall  untersagt  ist.  Wie  viele  von  den  Familien, 
deren  Kinder  der  Schularzt  zu  untersuchen  bekommt,  haben  übrigens 
einen  „Haus^'arzt??  Eine  Kollision  mit  diesem  ist  auch  aus  dem 
weiteren  Grunde  gänzlich  ausgeschlossen,  als  die  „Gesundheits- 
scheine'', von  denen  später  die  Rede  sein  wird,  ebensogut  yon  einem 
anderen  Arzte  ausgefüllt  werden  können.  Wollen  also  die  Eltern 
aus  irgend  einem  Grunde  ihr  Kind  nicht  vom  Schularzte  untersuchen 
lassen,  so  ist  es  den  Hausärzten  unbenommen,  die  verlangte  Unter- 
suchung vorzunehmen  und  den  vorschriftsmäfsigen  Schein  auszufüllen. 

Durch  diese  Bestimmung  ist  ein  für  allemal  dem  Vorwurf  die 
Spitze  genommen,  dafs  die  Schulärzte  den  praktischen  Ärzten  Kon- 
kurrenz machen.  Sogar  das  Gegenteil  davon  ist  der  Fall,  denn  der 
Schularzt  führt  ihnen  neue  Patienten  zu.  Er  soll  die  Eltern  auf 
die  Krankheiten  der  Kinder  aufmerksam  machen  und  sie  veranlassen, 
zur  Heilung  dieser  Leiden  die  Hilfe  der  praktischen  Ärzte  nach- 
zusuchen. 

Wo  man  diese  Punkte  den  Ärzten  auseinandergesetzt  und  sie 
über  die  Tätigkeit  des  Schularztes  aufgeklärt  hat,  da  sind  auch  sie 
warm  für  die  Schularztinstitution  eingetreten;  so  hat  unter  anderem 
der  Deutsche  Ärztetag  einstimmig  erklärt,  daüs  die  bisherigen  Er- 
fahrungen die  Einsetzung  von  Schulärzten  allgemein  als  dringend 
erforderlich  erscheinen  lassen. 

^Ein  neuer,  schon  jetzt  möglicher  Weg  zur  Bekämpfung  der 
Kurpfuscherei  ist  die  Einführung  von  Schulärzten^,  schreibt  Dr.  med. 
KEissia- Hamburg  im  Ärzü-  VereinsbhU  1900,  No.  416,  und  be- 
richtet zum  Beweise  hierfür  über  einen  Aufsatz  eines  früheren  Theo- 
logen, jetzigen  Inhabers  einer  Erziehungsanstalt,  welcher  sich  energisch 
gegen  die  überflüssige  und  unnütze  Einführung  von  Schulärzten 
sträubt:    ^Wir  vom  Stabe  der  Naturheilbewegung  müssen  diese  Art 

der  Reform  erst  recht  tief  beklagen an  ein  Vordringen  der 

nichtmedizinischen    Richtung    ist    in    Schulkreisen    nicht   mehr    zu 


71 

denken jede  andere  Ansicht  als  die  des  Schularztes  ist  dann 

verpönt."  Also  der  Schularzt  ist  schädlich,  weil  er  der  Kurpfuscherei 
getehrlich  werden  könnte.  „Mehr  brauchen  wir  nicht  zu  wissen", 
schreibt  Dr.  med.  Reissig  daran  anknüpfend,  „um  noch  energ;i8cher 
als  zuvor  für  die  Schulärzte  in  die  Schranken  zu  treten^  (00. 
10.  573). 

Eine  dritte  Gruppe  von  Widersachern  fand  der  Schularzt  in 
den  Architekten  und  Baubeamten.  Sie  warfen  ihm  zwar  nicht 
öffentlich  den  Fehdehandschuh  hin  und  nahmen  nicht  einen  so  er- 
bitterten Kampf  gegen  ihn  auf,  wie  es  die  Lehrer  taten,  hielten  ihn 
aber  doch,  wenigstens  soweit  seine  Tätigkeit  die  Hygiene  der  Schul- 
hansbauten  betraf,  f&r  durchaus  überflüssig.  Sie  sagen,  dafs  alle 
Fragen  über  die  Hygiene  des  Schulhauses  in  ihren  Lehrbüchern  be- 
antwortet ständen  und  dafs  überall  gesetzliche  und  behördliche  Be- 
stimmimgen  über  Bau  und  Einrichtung  der  Schulräume  gegeben 
seien.  Diese  Bestimmungen  nehmen  nun  aber,  wie  Schübebt  (99. 
8/9.  466)  richtig  bemerkt,  vielfach  einen  Standpunkt  ein,  der  viel- 
leicht vor  zwanzig  Jahren  als  berechtigt  gelten  konnte,  jetzt  aber 
in  manchen  Teilen  überholt  ist. 

Femer  fürchten  diese  Elemente  eine  Verzögerung,  wenn  der 
Schularzt  ihnen  in  ihre  Pläne  hineinredet,  ihnen,  die  doch  über  ähn- 
liche Bauten  eine  viel  eingehendere  praktische  Erfahrung  haben. 
Letzteres  zugegeben,  wird  ihnen  aber  doch  wohl  der  Bat  eines  Mannes 
nicht  immer  unwillkommen  sein,  der  in  der  Hygiene  zum  mindesten 
ebenso  Fachmann,  vom  Standpunkte  des  Arztes  sein  Urteil  abgibt. 
Dann  werden  nicht  solche  Fehler  vorkommen,  wie  sie  Schübebt 
(99.  8/9.  470)  in  der  Kritik  eines  neugebauten  Nürnberger  Gym- 
nasiums schildert,  die  er  mit  den  Worten  schlieist;  „Dafs  infolge- 
dessen unabsehbare  Generationen  von  Schülern  in  diesen  neuerrich- 
teten Räumen  durch  unheilbaren  Lichtmangel  der  Kurzsichtigkeit 
zugeführt  werden,  das  beweist  doch  recht  augenftUig,  wie  sehr  der 
Staat  für  seine  Schulen  einen  ärztlichen  Beirat  nötig  hat^.  Kommt 
derartigen  „unheilbaren*'  Schäden  gegenüber  nun  wirklich  eine  kurze 
Verzögerung  in  Betracht,  die  durch  Zuziehung  des  Ar2tes  vielleicht 
einmal  entstehen  könnte?  Nur  selten  wird  übrigens  der  Schularzt 
in  die  Lage  kommen,  Pläne  für  Neubauten  begutachten  zu  müssen, 
denn  neue  Schulen  entstehen  nicht  alle  Tage,  wohl  aber  ist  das 
wahre  Feld  seiner  bauhygienischen  Tätigkeit  in  der  Durchführung 
der  notwendigen  schultechnischen  Veränderungen  und  Verbesserungen 
in  schon  bestehenden  Schulen  gegeben. 


72 

Da  sind  ihm  die  Teohoiker  nur  dankbar  und  haben  nie  Wider- 
spruch gegen  ärztliche  „EinmischuDg^  erhoben. 

Die  letzte  Gruppe  von  Gegnern  sollen  angeblich  die  Eltern 
sein.  Sie  kann  schnell  erledigt  werden,  denn  so  oft  auch  von  Seiten^ 
die  dem  Schularzt  feindlich  gesinnt  waren,  die  Frage  aufgeworfen 
ist:  was  werden  die  Eltern  dazu  sagen?  können  die  sich  einen 
solchen  Eingriff  in  die  Rechte  und  Pflichten  des  Hauses  gefallen 
lassen?  ist  doch  tatsächlich  niemals  von  elterlicher  Seite  Protest  er- 
hoben. Wollen  diese  ihr  Kind  nicht  vom  Schularzt  untersuchen 
lassen,  so  steht  es  ihnen  ja  auch  frei,  einen  anderen  Arzt  damit  zu 
betrauen  und  zu  bezahlen. 

Wohl  haben  vereinzelt  Eltern  auf  die  Mitteilung,  ihr  Kind 
habe  Ungeziefer,  dies  in  einer  Form  bestritten,  die  ihrem  Bildungs- 
grade entsprach,  gegen  die  Sohularztinstitution  als  solche  sich  jedoch 
nicht  aufgelehnt. 

in. 

Bei  den  vorstehenden  Besprechungen  ist  die  Aufgabe  und 
Tätigkeit  des  Schularztes  mehrfach  gescreift.  Im  nachstehenden 
sollen  seine  Aufgaben  näher  präzisiert  werden,  wobei  an  der  Hand 
der  verschiedenen  Dienstanweisungen  gezeigt  werden  wird,  wie  er 
seine  Tätigkeit  ausübt.     Dieselbe  erstreckt  sich  auf: 

a)  Hygiene  des  Unterrichtes, 

b)  „  „     Schulgebäudes  und  seiner  Einrichtungen, 

c)  „  ^     Schulkindes. 

a)  Die  Hygiene  des  Unterrichtes  zer&llt  wiederum  in 
zwei  Unterabteilungen,  die  der  Lehrmethode  und  der  Lehrmittel. 

Erstere  handelt  von  der  Aufstellung  des  Stundenplanes,  der 
zweckmälsigen  Verteilung  des  Lehrstoffes,  der  richtigen  Abwechslung 
zwischen  schweren  und  leichten  Stunden,  der  Verteilung  körperlicher 
Anstrengungen  und  geistiger  Arbeit,  der  Zahl  der  Unterrichtsstunden, 
Länge  der  Pausen,  Dmfang  der  häuslichen  Arbeiten,  Stunde  des 
morgendlichen  Schulbeginns,  Handhabung  des  Turnunterrichts,  femer 
von  der  Heftlagerung  mit  der  Bestimmung  ob  Steil-  oder  Schräg- 
schrift u.  s.  w.  —  Die  Hygiene  der  Lehrmittel  betrifft  die  Über- 
wachung der  Unterrichtsmaterialien,  als :  Druck  der  Bücher,  Liniierung 
der  Hefte,  Farbe  der  Linien,  Beschaffenheit  von  Papier,  Tinte, 
Zeichenmaterialien,  Kreide  (enthält  bisweilen  Arsenik  I)  und  der- 
gleichen mehr. 

Der  Ansicht  vieler  Schulmänner,  dafs  die  Regelung  dieser 
Punkte    ihr  ureigenstes  Gebiet   sei,    ist   eine   gewisse  Berechtigung 


73 

nicht  abzusprechen,  aber  auch  nur  für  den  Fall,  daDs  der  Arzt  hierin 
ein  selbständiges  Verfbgnngsrecht  beanspruchen  sollte.  Er  will  aber 
der  Schulleitung  nur  als  sachverständiger  Berater  zur  Seite 
stehen,  und  das  Lehrerkolleg,  das,  allerdings  in  wohlmeinender  Ab- 
sicht, nur  allzu  oft  geneigt  ist,  in  seinen  Ansprüchen  an  die  Lei- 
stungen der  Schulen  zu  weit  zu  gehen,  von  der  Bedeutung  und 
Notwendigkeit  einer  streng  durchgeführten  Hygiene  des  Geistes 
überzeugen.  Gerade  die  mangelhafte  Regelung  der  oben  aufgeführten 
Punkte  war  es  ja,  die  den  Ruf  nach  Schulärzten  laut  werden  lieJs, 
die  in  der  Form  der  Überbürdungsfrage  seit  Jahrzehnten  die  ein- 
schlägigen Kreise  beschäftigt.  Bis  heute  ist  die  Überbürdungsfrage 
noch  nicht  entschieden,  sie  kann  auch  nur  durch  Zusammengehen 
und  gemeinsames  Arbeiten  von  Ärzten  und  Schulmännern  ihrer 
Lösung  näher  gebracht  werden,  will  man  sich  nicht  von  vornherein 
auf  den  Standpunkt  von  Hippels  stellen,  welcher  mit  den  Worten 
»Bildung  und  Kenntnisse  lassen  sich  nun  einmal  nicht  erwerben 
ohne  eine  gewisse  Schädigung  des  Körpers"  die  Flinte  einfach  ins 
Korn  warf  (98.  11.  695). 

Während  nun  RoLLEB-Darmstadt  (1.  c.  S.  31  u.  32)  es  von  dem 
Willen  des  Direktors  abhängen  lassen  will,  ob  er  das  Gutachten 
des  Arztes  in  Sachen  der  Hygiene  des  Unterrichtes  entgegennehmen 
will  oder  oicht,  wünscht  EsiSMANN-Zürich,  dais  der  Direktor  hierzu 
verpflichtet  werde.  £!r  könne  vielleicht  durch  die  Verhältnisse 
gezwungen  werden,  anders  zu  bestimmen,  als  der  Arzt  es  rät,  müsse 
dann  aber  seine  Motive  angeben. 

So  berechtigt  gewifs  der  Wunsch  des  Schularztes  nach  Beteili- 
gung an  der  Hygiene  des  Unterrichtes  ist,  vermifst  man  doch  in  den 
meisten  Dienstanweisungen  Berücksichtigung  desselben.  Nur  in  den 
Dienstanweisungen  von  Aachen,  Bonn,  Charlottenburg,  Danzig, 
Flensburg,  Königsberg  und  Offenbach  findet  sich  mit  geringer  Modi- 
fikation der  Passus:   „Die  Schulärzte  haben den  Leitern  und 

Lehrern  der  Schulen  in   schulhygienischen  Fragen   die  nötige  Aus 
kunft  zu  erteilen^. 

Ist  somit  dem  Schularzt  gar  nicht  oder  nur  in  beschränktem 
Mafse  eine  direkte  Mitwirkung  bei  der  Hygiene  des  Unterrichtes 
gestattet,  so  bleibt  es  ihm  natürlich  trotzdem  unbenommen,  Mifs- 
stände,  auf  die  er  trifft,  in  den  alljährlichen  Berichten,  deren  An- 
fertigung zu  seinen  Pflichten  gehört,  oder  auf  den  schulärztlichen 
Konferenzen  zu  besprechen  und  so  zwecks  Abstellung  zur  Kenntnis 
der  Behörde  zu  bringen. 


74 

Eine  weitere  Einwirkung  auf  die  Hygiene  des  Unterrichtes  ist 
den  Schnlärzten  dadurch  gegeben,  dafs  fast  alle  Dienstanweisungen 
sie  verpflichten,  alljährlich  in  den  Lehrerkonferenzen  Vorträge  über 
die  wichtigsten  Kapitel  der  Schulgesundheitspflege  zu  halten.  Diese 
Vorträge,  auf  die  ich  nicht  näher  eingehen  will,  sind,  besonders  von 
der  Lehrerschaft  stürmisch  verlangt,  ein  gutes  Zeichen  für  das  Liter- 
esse der  Lehrer,  sowie  fär  ihr  Bedürfnis  nach  Belehrung  in  Sachen 
der  Schulhygiene.  Es  kann  daher  nur  dringend  empfohlen  werden, 
derartige  Vorträge  in  den  wenigen  Städten,  wo  sie  noch  nicht  gehalten 
werden,  nachträglich  einzuführen,  zumal  in  ihnen  dem  Schularzt 
Gelegenheit  gegeben  ist,  sich  im  Gebiete  der  Dnterrichtshygiene  er- 
folgreich zu  betätigen. 

b)  Der  Hygiene  des  Schulhauses  und  seiner  Einrich- 
tungen sind  dickleibige  Bücher  gewidmet.  Alle  dabei  in  Betracht 
kommenden  Fragen  hier  erörtern  zu  wollen,  würde  weit  über  den 
Rahmen  dieser  Arbeit  hinausgehen.  Daher  sei  (an  der  Hand  des 
Kapitels:  „Ärztliche  Schulrevision "  in  EüLENBuna- Bachs  Schul- 
gesundheitslehre)  nur  über  den  Umfang  der  schulärztlichen  Tätigkeit 
einiges  kurz  gesagt. 

Bei  Neubauten  kommt  die  Wahl  des  Bauplatzes  hinsichtlich 
Lage,  Beschaffenheit  und  Umgebung,  femer  bei  der  Aufstellung  des 
Planes  die  zweckmäfsige  Berücksichtigung  aller  hygienischer  Mo- 
mente in  Betracht.  Sodann  sind  die  Mauern,  Fundamentierung 
betreffs  Abhaltung  der  Bodenluft;  und  des  Grundwassers,  die  Anlage 
der  Schornsteine,  Fenster  und  Korridore,  die  Konstruktion  der 
Decken  und  Fufsböden  in  hygienischer  Beziehung  zu  beurteilen. 
Um  dies  tun  zu  können,  bedarf  es  physiologischer  Kenntnisse,  die 
man  nur  bei  einer  ärztlichen  Durchbildung  voraussetzen  kann.  So- 
dann bezieht  sich  die  schulärztliche  Tätigkeit  sowohl  bei  Neubauten, 
als  auch  bei  schon  bestehenden  Schulen  auf  das  Trinkwasser,  die 
Beschaffenheit  der  Luft,  der  natürlichen  wie  der  künstlichen  Be- 
leuchtung, auf  die  Sitzraumfläche  und  die  Subsellien,  die  allgemeine 
Reinlichkeit,  die  Heizung  und  Ventilation,  die  Beschaffenheit  der 
Bedürfnisanstalten,  die  Turnhallen,  Spielplätze  und  Schulgärten. 

Hiermit  ist  aber  die  Mitwirkung  des  Schularztes  bei  der  Hygiene 
der  Gebäude  und  seiner  Einrichtungen  durchaus  nicht  erschöpft,  er 
wird  vielmehr,  kraft  seiner  hygienischen  Vorbildung,  sowie  seiner 
anatomischen  und  physiologischen  Kenntnisse,  noch  bei  vielen  anderen 
Fragen  in  die  Lage  kommen,  dem  Lehrer  ratend  zur  Seite  zu  stehen. 
Daher  wird  letzterer,  auch  wenn  ihm   der  jetzt  vielfach   von   ihm 


75 

and  fbr  ihn  geforderte  Unterricht  in  Sohnlhygiene  zu  teil  geworden 
ist,  nie  der  Mitwirkung  des  Arztes  entbehren  können,  ebensowen^ 
wie  der  Arzt  bei  der  Handhabung  und  Ausftihrang  der  schnl- 
hygienischen  Yorsohrifien  des  Lehrers  entbehren  kann.  Damit  ist 
für  die  Ausübung  der  schulärztlichen  Tätigkeit  ein  wichtiger  Finger- 
^^  gegeben:  es  soll  der  Schularzt  immer  im  Verein  mit 
dem  Lehrer,  nie  ohne  ihn  gehen.  Nur  so  werden  beide  ihr 
hohes  Ziel,  die  Heranbildung  an  Körper  und  Geist  gesunder  Staats- 
bürger, erreichen;  nur  dann  kann  das  Ideal  Montesquieus,  dafs 
die  Schulen  nicht  einen  Leib  und  einen  Öeist,  sondern  einen 
Menschen  erziehen  sollen,  in  Erfüllung  gehen. 

Ebenso  wie  mit  den  Lehrern,  soll  der  Schularzt  mit  den  Bau- 
beamten  Hand  in  Hand  gehen.  Die  Königsberger  Dienstanweisung 
war  die  erste,  welche  dem  Schularzt  bei  den  zweimal  im  Jahre 
Yorznnehmenden  Untersuchungen  aller  Schulräume  die  Zuziehung 
des  städtischen  Baubeamten  vorschrieb.  Die  Anwesenheit  dieses 
Beamten  hält  Professor  vox  Esmargh  (99.  7.  376)  für  ganz  besonders 
zweckmäisig  und  er  empfiehlt  deshalb  die  Aufnahme  dieser  Be- 
stimmung in  andere  Dienstanweisungen.  „Einmal  wird  Edch  dadurch 
die  Durchführung  nötiger  schultechnischer  Veränderungen  und  Ver- 
bosserungen  merklich  vereinfachen  und  beschleunigen  lassen,  sodann 
werden  Schularzt  wie  Baubeamter  bei  dieser  Gelegenheit  von  ein- 
ander lernen  können.  Ich  habe  wenigstens  öfters  den  Eindruck 
gehabt,  dafs  dies  tatsächlich  der  Fall  gewesen  ist.*' 

Die  yersohiedenen  Dienstanweisungen  regeln  die  Tätigkeit 
der  Schulärzte  bei  der  Hygiene  des  Schulhauses  dahin,  dafs  sie 
erstens  ^mindestens  einmal  im  Winter  und  einmal  im  Sommer  die 
SchttUokalitäten  und  deren  Einrichtungen  zu  revidieren  haben.  Die 
Hierbei,  wie  bei  den  sonstigen  Besuchen  gelegentlich  gemachten 
Beobachtungen  über  die  Beschaffenheit  der  zu  überwachenden  Gegen- 
stände, sowie  über  die  Handhabung  der  Keinigung,  Lüftung,  Heizung, 
Beleuchtung  und  die  etwa  an  diese  Beobachtung  sich  anschlieisenden 
Vorschläge  sind  von  den  Schulärzten  in  das  für  diesen  Zweck  bei 
dem  Schulleiter  aufliegende  Buch  einzutragen.*'  Ob  diese  Revisionen 
nun  vom  Schularzte  allein  oder  gemeinsam  mit  dem  Baubeamten 
und  Direktor  geschehen,  darüber  bestimmen  die  verschiedenen  Dienst- 
anweisungen verschieden;  zu  empfehlen  wäre  jedenfalls  eine  ge- 
meinsame Besichtigung.  —  Zweitens  dienen  die  Besuche,  welche 
der  Schularzt  gelegentlich  der  sogenannten  „ Sprechstunden*'  den 
einzeben  Klassen  abstattet,  „auch  zur  Revision  der  Schullokalitäten 


76 

und  deren  Einrichtungen,  sowie  zur  Kontrolle  tiber  Ventilation, 
Heizung  u.  s.  w.*^  Es  werden  nämlicH  alle  14  Tage  in  der  zweiten 
Hälfte  der  Sprechstunde  einige  Erlassen  während  des  Unterrichtes 
besichtigt,  derart,  dafs  jede  einzelne  zweimal  während  des  Halbjahres 
an  die  Reihe  kommt;  so  in  Wiesbaden,  Erfurt,  Kassel,  Königsberg, 
Eriedrichshagen,  Elmshorn,  Schöneberg,  Chemnitz,  Frankfurt  a.  H., 
Flensburg,  Offenbach.  Eine  alle  vier  Wochen  wiederkehrende  Sprech- 
stunde und  somit  eine  einmalige  Besichtigung  jeder  einzelnen  Klasse 
haben  Posen,  Dresden,  Plauen,  Gharlottenburg,  Leipzig,  Breslaa, 
Nürnberg,  Danzig,  Aachen  und  Bonn  eingeführt.  Dabei  steht  dem 
Schularzt  ein  B.echt  zu  selbständigen  Anweisungen  an  die  Schulleiter 
und  -lehrer,  sowie  an  die  Pedelle  und  sonstigen  Schulbediensteten 
nicht  zu.  Olauben  die  Arzte,  dafs  den  von  ihnen  in  Bezug  auf  die 
Hygiene  der  Lokalitäten  gemachten  V^orschlägen  nicht  in  genügender 
Weise  Rechnung  getragen  wird,  so  bringen  sie  ihre  bezüglichen 
Beschwerden  bei  den  zuständigen  Behörden  vor.  Am  Schlüsse  jedes 
Kalender-  bez.  Rechnungsjahres  haben  die  Schulärzte  in  ihren  Be- 
richten auch  eine  summarische  Angabe  über  ihre  Beanstandungen 
bezüglich  Lokalitäten  und  dergleichen  einzureichen. 

c)  Der  Schwerpunkt  der  schulärztlichen  Tätigkeit  liegt  in  der 
Hygiene  des  Schulkindes.  Während  in  den  beiden  ersten 
Abschnitten  von  den  Mafsnahmen  die  Rede  war,  welche  der  Ge- 
samtheit der  Schulkinder  zu  gute  kommen,  handelt  dieser  von  den 
Mafsnahmen,  welche  zum  Wohle  des  einzelnen  Individuums  getroffen 
werden  sollen.  Die  Notwendigkeit  einer  gesundheitlichen  Über- 
wachung der  Einzelnen  ist  vielfach  in  Zweifel  gezogen;  ich  gebe 
deshalb  einige  Zahlen,  welche  das  Verhältnis  der  gesunden  und 
kranken  Kinder,  sowie  die  Häufigkeit  der  einzelnen  Erkrankungs- 
formen erkennen  lassen,  im  nachstehenden  wieder. 

1.  Allgemeiner  Gesundheitszustand. 

Wiesbaden  45,7  %  gut,    45,6  mittel,    8,7  schlecht 

Offenbach  (00.  1.  26)  20     7o    „      71,4      „        8,6       „ 

Darmstadt  (99.  1 1.  640)  26,3  7o    „      68,6      „         5,1       „ 

Charlottenburg  (Ol.  11.  668)    11,6  7o    „      84,5      „         4,0       „ 
Leipzig  (Ol.  11.  690)  54     7o    „      46,0  bedürfen  d.  Behandl. 

Schweden  (95.  12.  293)  39     7o    gesund,  61  %  krank  [Sohul- 

mädchen  der  wohlhabenden  Gesellschaftsklassen] 
Boston  (97.  2.  104)  von  rund  15000  Kindern  9200  krank. 


77 

2.  Erkrankungen  der  Augen. 

Wiesbaden     13,6  %  augenkrank  inkl.  Sehstörung. 

Offenbach        7,4%  »  »  » 

Leipzig  25,9%  .  « 

München:      Kurzsichtigkeit  steigt  von  16,5%   im  fünften  auf 

54  %  im  zwölften  Schuljahre  (Dr.  Segoel,  94.  5.  284). 
London:  in  den  Elementarschulen  haben   60%  nicht  normale 

Brechkraft  (Dr.  Alpoet,  98.  1.  36). 
Vereinigte  Staaten:    in    den    öffentlichen    Schulen    betrftgt    die 

Durchschnittszahl  der  Kurzsichtigen  30%. 

3.  Erkrankungen  von  Hals,  Nase,  Ohren  und  dergl. 

Wien :  bei  2500  Kindern  leiden  96,6  %  (I)  in  den  unteren  und 
68,3  %  in  den  oberen  Klassen  an  geschwollenen  Hals- 
drüsen (Dr.  Yolland). 

London:  10%  aller  Schulkinder  leiden  an  Schwellung  etc.  der 

Rachentonsillen. 
Leipzig:    17,7%    haben    mangelhaftes    Hörvermögen,     11,9% 

Rachenerkrankungen. 

4.  Skoliose,  Rachitis. 

Wiesbaden:  7,6%  Skoliose. 

München:  33%  Rachitis  (Dr.  Bbunneb  93.  3.  153). 
Dresden :   Skoliose   steigt  von  14,5  %  im  achten  auf  32  %  im 
sechzehnten  Lebensjahr  (94.  5.  293). 

Aus  diesen  Zahlen  ergibt  sich  mit  Notwendigkeit  das  Verlangen, 
sowohl  die  gesunden,  wie  auch  diejenigen  Kinder,  die  an  irgend- 
welchen E^rankheiten  oder  Fehlern  leiden,  mit  einiger  Sicherheit 
Yor  den  schädlichen  Einflüssen  der  Schule  oder  vor  gegenseitiger 
Ansteckung  zu  bewahren.  Dies  kann  aber  nur  durch  eine  regel- 
m&fsige  Untersuchung  aller  Kinder  beim  Eintritt  in  die 
Schule  und  durch  Wiederholung  der  Untersuchung  in  be- 
stimmten Zwischenräumen  ermöglicht  werden.  Durch  eine 
genaue  Feststellung  des  Gesundheitszustandes  jedes  einzelnen  Kindes 
kann  auch  der  Neigung  des  Publikums,  jede  zufällig  während  des 
schulpflichtigen  Alters  auftretende  Krankheit  der  Schule  zur  Last 
zu  legen,  am  besten  die  Spitze  genommen  werden.  Die  anfangs 
fragwürdige  Durchführbarkeit  solcher  Untersuchungen  ist,  wie  bereits 
erwähnt^  in  Wiesbaden  zuerst  praktisch  bewiesen  und  sie  sind  seitdem 


78 

überall  eingeführt  worden,  wo  man  Schalärzte  anstellte.  Man  hat  mit 
Bezug  auf  diese  Seite  der  Tätigkeit  des  Schularztes  von  „  Schüler ''- 
Ärzten  oder  „Hausärzten  der  Schule"  (freilich  ohne  Befugnis  der 
ärztlichen  Behandlung)  gesprochen,  (of.  Ej^auss,  Bericht  über  die 
Schularztfrage.) 

Nur  durch  diese  individuellen  Untersuchungen  können  den 
Kurzsichtigen  und  Schwerhörigen  richtige  Plätze  angewiesen  werden, 
können  ünterleibsbrüche  gefunden  und  beim  Turnen  entsprechend 
berücksichtigt  werden;  nur  auf  diese  Weise  kann  die  „dilatative 
Herzschwäche  der  Kinder^  diagnostiziert  werden,  auf  deren  Be- 
deutung Mastiub^  die  Schulärzte  aufs  eindringlichste  hinwies.  Nur 
so  ist  es  möglich,  für  die  „Hilfsschulen  für  Schwachbegabte^,  die 
jetzt  überall  im  Entstehen  sind,  das  richtige  Material  zu  finden. 
Gerade  auf  die  psychiatrische  Tätigkeit  des  Schularztes  muiüs  Gewicht 
gelegt  werden,  denn  in  Bezug  auf  die  richtige  Erkenntnis  von 
Geistesschwäche  und  Geistesstörung  wird  heutzutage  in  den  Schulen 
noch  viel  gesündigt,  da  die  Geistesstörungen  bei  Kindern  häufiger 
sind,  als  man  anzunehmen  geneigt  ist.  (94.  11.  593.)  Gedanken- 
flucht, Zwangsideen  und  Halluzinationen,  das  moralische  Irresein 
und  die  pathologische  Lüge  werden  als  Unaufmerksamkeit,  Unge- 
zogenheit und  Verworfenheit  gedeutet,  bestraft  und  verschlimmert.* 

Diesen  und  vielen  anderen  Erkrankungen,  speziell  der  habi- 
tuellen Skoliose,  den  Augen-  und  Ohrenkrankheiten  (Trachom  und 
Bachentonsille),  der  Tuberkulose  und  —  last  not  least  —  der  Läuse- 
sucht soll  die  Aufmerksamkeit  und  Tätigkeit  des  Schularztes  ge- 
widmet sein. 

In  dem  oben  erwähnten  Bericht  an  den  Kultusminister  von 
Bosse  wird  femer  hervorgehoben,  „dafs  diese  Untersuchungen  die 
Möglichkeit  bieten,  den  Ausschluls  von  Kindern  mit  ansteckenden 
Krankheiten,  Krätze,  Ungeziefer  und  dergleichen  rechtzeitig  zu  be- 
wirken, die  Hineintragung  von  AnsteckuDgskeimen  in  die  Schul- 
räume, die  Infektion  anderer  Kinder  zu  verhindern  und  der  Not- 
wendigkeit eines  hierdurch  öfters  herbeigeführten  Schulschlusses  er- 
folgreich vorzubeugen  (Sohlockow,  1.  c.  S.  239). 


^  Verhandlangen  d.  XVII.  KongresBee  f.  innere  Medizin  n.  Berliner  ÄrEte- 
Eorrespond.  1901.  No.  18. 

'  Cassel,  „Was  lehrt  die  Untersuchung  der  geistig  minderwertigen  Schul- 
kinder?" Berlin  1901.  —  Laqubb,  „Über  schwachsinnige  Schulkinder.*  Halle 
1902.  —  Baüb,  „Das  kranke  Schulkind.""    Stuttgart  1902.    Femer  94.  11.  6^3. 


79 

Auf  Gnmd  der  yersoliiedenen  Dienstan  Weisungen  haben  die 
Schnlftrzte  die  neueintretenden  Schäler  genau  auf  ihre  Körper- 
besohaffenheit  und  ihren  Gesundheitszustand  zu  untersuchen,  um 
festzustellen,  ob  sie  einer  dauernden  ärztlichen  Überwachung  oder 
besonderer  Berücksichtigung  beim  Schulunterricht  bedürfen. 

AuJser  dieser,  in  den  ersten  vier  bis  sechs  Wochen  des  Schul- 
jahres Torzunehmenden  genauen  Untersuchung  sollen  die  neu  ein- 
tretenden Schulkinder  in  den  ersten  zwei  bis  drei  Tagen  bereits 
einer  ftulseren  ärztlichen  Revision  unterzogen  werden,  behufs  Er- 
mittelung von  übertragbaren  Krankheiten  und  Ungeziefer. 

Über  jedes  untersuchte  Kind  ist  ein  dasselbe  während  seiner 
Schulzeit  begleitender  „  Gesundheitsschein "  auszufüllen.  Erscheint 
ein  Kind  einer  ständigen  ärztlichen  Überwachung  bedürftig,  so  ist 
der  Vermerk  „ärztliche  Kontrolle"  auf  der  ersten  Seite  oben  rechts 
zu  machen.  Die  Spalte  betreffend  „ allgemeine  Konstitution"  ist 
bei  der  Aufnahmeuntersuchung  für  jedes  Kind  auszufüllen,  und 
zwar  nach  den  Kategorien  „gut",  „mittel"  und  „schlecht". 

Kinder,  deren  allgemeine  Konstitution  als  „schlecht"  bezeichnet 
ist,  sind  solange  als  unter  ärztlicher  Kontrolle  stehend  zu  behandeln, 
bis  der  Schularzt  sie  ausdrücklich  auf  ihrem  Gesundheitsschein  als 
dessen  nicht  mehr  bedürftig  bezeichnet. 

Die  anderen  Rubriken  werden  nach  Bedürfnis  ausgefällt. 
In  derselben  Weise  haben  die  Schulärzte  sämtliche  Schüler  des 
dritten,  fünften  und  achten  Jahrgangs  zu  untersuchen.  Es  ist  hierbei 
besonders  zu  beachten  und  zu  vermerken,  ob  und  in  welcher  Weise 
früher  bemerkte  Erkrankungen  sich  geändert  haben.  Die  Gesamt- 
konstitntion  und  deren  Änderung  ist  in  jedem  Falle  anzugeben. 

Alle  14  Tage  —  wenn  ansteckende  Krankheiten  auftreten  auch 
häufiger  —  hält  der  Schularzt  an  einem  mit  dem  Schulleiter  vorher 
verabredeten  Tage  (z.  B.  dem  ersten  und  dritten  Donnerstag  des 
Monats)  in  der  Schule  „Sprechstunde"  ab.  Zeit:  vormittags  10  bis 
12  Uhr.  Hierzu  ist  dem  Arzt  ein  eigenes  Zimmer  zur  Verfügung 
zu  stellen. 

Die  erste  Hälfte  der  Sprechstunde  dient  zu  einem  je  10  bi& 
15  Minuten  dauernden  Besuche  von  2  bis  6  Klassen  während  des 
Unterrichts.  Jede  Klasse  soll  zweimal  während  eines  Halbjahrs 
besucht  werden.  Dabei  werden  sämtliche  Kinder  einer  äuiseren 
Revision  unterzogen;  bei  besonderen,  zu  sofortiger  Besprechung  ge- 
eigneten Beobachtungen  wird  von  dem  Lehrer  Auskunft  gefordert 
und  ihm  solche  auf  Verlangen  erteilt. 

Sehnlgesundheitspflege.  XVI.  5 


80 

Erscheinen  hierbei  einzelne  Kinder  einer  genaueren  ünter- 
snehnng  bedürftig,  so  ist  diese  nachher  in  dem  ärztlichen  Sprech- 
zimmer Yorzanehmen. 

Ans  pädagogischen  Rücksichten  wird  vom  Arzt  erwartet,  dais 
er  hierbei  jedes  Blolsstellen  eines  Lehrers  vor  der  Klasse  in  takt- 
ToUer  Weise  vermeidet. 

In  der  zweiten  Hälfte  der  Sprechstunde  sind  etwa  erforderliche 
genauere  Untersuchungen  vorzunehmen. 

Auch  sind  hierbei  Kinder  aus  anderen,  an  dem  Tage  nicht 
besuchten  iOassen  dem  Arzte  zuzuführen,  besonders  bei  Verdacht 
auf  ansteckende  Krankheiten. 

Die  Gesundheitsscheine  sämtlicher  zur  Untersuchung  kommender 
Kinder  sind  vom  Klassenlehrer  dem  Arzte  vorzulegen ;  der  betreffende 
hat,  wenn  irgend  angängig,  bei  der  ärztlichen  Untersuchung  zugegen 
zu  sein. 

Erscheint  eine  ärztliche  Behandlung  erkrankter  Schulkinder 
notwendig,  so  sind  die  betreffenden  Eltern  davon  zu  benachrichtigen. 
Denselben  bleibt  die  Wahl  des  Arztes  überlassen,  doch  dürfte  sich 
der  Hinweis  auf  erforderliche  spezialistische  Behandlung  in  geeig- 
neten Fällen  empfehlen. 

Die  G-esundheitsscheine  sind  in  den  betreffenden  Klassen  (unter 
Verschlufsl)  aufzubewahren.  Die  Scheine  mit  dem  Vermerk  „ärzt- 
liche Kontrolle*'  sind  dem  Arzt  bei  jedem  Klassenbesuch  vorzulegen. 
Tritt  ein  Kind  in  eine  andere  Schule  über,  so  ist  sein  Gesundheits- 
schein dahin  durch  den  Schulleiter  zu  übersenden. 

Die  Schulärzte  haben  endlich  auf  Antrag  des  Schulleiters  einzelne 
Kinder  in  ihrer  Wohnung  zu  untersuchen,  aber  nur,  um  festzustellen, 
ob  Schulversäumnis  gerechtfertigt  ist. 

Vorstehende  Ausführungen  sind  grölstenteils  der  Wiesbadener 
Dienstanweisung  im  Auszug  entnommen;  in  ähnlichem  Sinne  sind 
auch  alle  übrigen  Dienstanweisungen,  soweit  die  Hygiene  des  Schul- 
kindes betroffen  wird,  gehalten. 

(Schlafs  folgt  im  nächsten  Heft.) 


81 


Über  die  OefUirlichkeit  der  Schnltinte. 

Von 

Dr.  med.  B.  Hetmann, 

AssiBtent  am  hygienischen  Institut  za  Breslaa. 

Im  Febmar  1901  verö£EentliohteD  die  Schweüferischen  Blätter  für 
Gesundheitspflege  unter  der  Überschrift  „Über  die  Greffthrlichkeit  der 
Schnltinte"  folgende  Warnung  vor  der  Schnltinte: 

„Wie  eine  bakteriologische  Yersnchsanstalt  anläMioh  ünter- 
snchnngen  von  Tinten  auf  deren  schädliche  Bestandteile  festgestellt  hat, 
finden  sich  in  den  meisten  Tinten  Schimmelpilze  und  andere  gesund- 
heitsschädliche Bakterien  massenhaft  vor.  Namentlich  in  solchen, 
welche  nach  jedesmaligem  Gebrauch  nicht  sogleich  wieder  zugedeckt 
werden.  Kleine  Tiere,  wie  Meerschweinchen,  Mäuse  und  Ratten  etc., 
welchen  solche  Pilze  eingeimpft  wurden,  gingen  schon  nach  wenigen 
Tagen  zu  Orunde.  Hieraus  erklären  sich  die  traurigen  Vorkomm- 
nisse, wo  unbedeutende  Stiche  mit  einer  in  Tinte  getauchten  Feder 
Blutvergiftungen  und  den  Tod  der  betreffenden  Person  zur  Folge 
hatten.  Viele  Kinder  haben  nun  die  üble  G-ewohnheit,  die  Tinten- 
feder in  den  Mund  zu  nehmen  und  sogar  abzulecken,  wodurch  die 
Pilze  und  Bakterien  durch  den  Speichel  in  den  Magen  gelangen  und 
dort,  wenn  auch  nicht  direkt  eine  Blutvergiftung  verursachen,  so 
doch  den  Keim  zu  Erkrankung  legen  können.  Andere  gedenken, 
wenn  sie  in  der  Schule  oder  zu  Hause  einen  Tintenklex  ins  Heft 
gemacht  haben,  die  Sache  dadurch  in  Ordnung  zu  bringen,  dais  sie 
ibn  sogleich  ablecken.  Daher  ist  es  Pflicht  der  Lehrer  und  auch 
der  Eltern,  ihre  Kinder  schon  früh  auf  die  Schädlichkeit,  ja  Giftig- 
keit mancher  Tinten  aufmerksam  zu  machen  und  ihnen  jene  Unarten 
bei  Zeiten  abzugewöhnen.  ** 

Die  Belehrung  wurde  von  der  2jeitschrift  für  Schulgesundheits- 
pflege  (Bd.  XIV,  S.  185)  abgedruckt  und,  unter  Berufung  auf  die 
letztere,  seitens  der  Regierung  zu  Minden  zum  Gegenstand  einer,  im 
AmfUchen  Schdhlatt  (5.  Jahrgang,  No.  3)  bekannt  gegebenen  Ver- 
fügung erhoben,  in  welcher  den  Lehrern  zur  Pflicht  gemacht  wurde, 
die  Kinder  vor  einer  gesundheitsschädlichen  Verwendung  der  Schul- 
tinte nach  Möglichkeit  zu  bewahren. 

6* 


82 

Dieser  Erlais  wurde  alsbald  anch  in  den  Tageszeitungen  Mindens 
yeröffentlicht,  fand  von  da  seinen  Weg  in  zahlreiche  weitere  Blätter 
nnd  erweckte  allenthalben  lebhaftes  Interesse  nnd  nicht  geringe  Be- 
sorgnis. In  medizinischen  Elreisen  aber  mnfste  man  sich  fragen,  wie 
es  möglich  gewesen  sei,  eine  so  ernste  Gefahr  bisher  gänzlich  zu 
übersehen.  Dieselbe  eingehender  nachzuprüfen,  schien  hiernach  eine 
dringende  Anfgabe.  In  diesem  Sinne  habe  ich  auf  Anregung  von 
Herrn  Prof.  Flügge  die  Literatur  nach  bisher  vorliegendem,  dies- 
bezüglichem Material  durchgesehen  und  einige  Versuche  angestellt, 
über  deren  Ergebnisse  im  folgenden  kurz  berichtet  werden  soll. 

Nach  Ausweis  der  umfangreichen  Literaturberichte  von  Baum- 
GABTEN,  Koch  u.  a.  scheint  bisher  über  die  vorliegende  Frage  nur 
eine  einzige  Arbeit,  von  Mabpkann,^  vorhanden  zu  sein.  Ahnlich 
wie  der  Erlais  knüpft;  der  Verfasser  an  die,  im  AnschlulB  an  Schreib- 
federstiche nicht  selten  eintretenden,  schweren  Blutvergiftungen  an 
und  geht  ihrer  Ursache  mittels  bakteriologischer  Untersuchung  von 
Tintenproben  nach.  Die  hierbei  eingehaltene  Technik  war  folgende: 
Eine  mittels  eines  brennenden  Zündhölzchens  ausgeglühte  Platinnadel 
wurde  in  die  zu  untersuchende  Tinte  eingetaucht  und  dann  in  ein 
mitgebrachtes  festes  Gelatineröhrchen  einmal  eingestochen.  Dasselbe 
wurde  zu  Hause  —  oft  erst  am  folgenden  Tage  —  im  Wasserbade 
verflüssigt,  die  gut  gemischte  Probe  in  ein  Kulturschälchen  aus- 
gegossen, bis  zu  acht  Tagen  im  Brutschrank  gehalten  und  schlie&lioh 
die  Zahl  der  in  dieser  Zeit  entwickelten  Kolonien  festgestellt.  Ihre 
Menge  gestattet  nach  Mabpmann  insofern  eine  quantitative  Schätzung 
der  in  der  Tinte  vorhandenen  Keime,  als  „ein  dünner  Platindraht 
höchstens  2  mg  des  Cntersuchungsmaterials  enthält,  wenn  man  nicht 
au  tief  eintaucht". 

Das  Ergebnis  dieser  Untersuchungen  war,  dafs  sich  in  67  Proben 
von  Eisen-Gallus-Tinten  fanden: 

Penicillium  glaucum 67  mal, 

Aspergillus  flavus 12    „ 

Eurotium  repens 3    „ 

Mucor  racemosus 18    „ 

Mucor  mucedo 29    „ 

Briaria  elegans 2    „ 


^  Mabpmann  :  Über  das  Vorkommen  von  Bakterien  und  Pilzen  in  Schreib- 
nnd  Schultinten.  Mitteilunfifen  aus  Mabpmakns  bakteriologischem  Laboratorium 
in  Leipzig.     CentraJblatt  für  Bakteriologie.   Abt.  L    Bd.  XXL 


83 

Oidinm  albam 11  mal 

Hefe 6    ^ 

aufserdem  „mehr  oder  weniger  Bakterien  oder  Mikrokokken^. 

In  weiteren  elf  Sohultinten  ans  Nigrosin  fanden  sich  anch 
Schimmelpilze  und  Bakterien;  desgleichen  in  einer  B«ihe  blauer  und 
roter  Tinten.  Von  sieben  Blauholz-Chromsäuretinten,  die  weiterhin 
untersucht  wurden,  werden  nähere  Angaben  nicht  gemacht. 

Eiine  genauere  Bestimmung  der  beobachteten  Bakterienarten  ist 
in  der  Arbeit  nicht  enthalten.  Nur  wird  angegeben,  dafs  Mikro- 
kokken  und  Sarcinen,  ebenso  die  Gelatine  yerflüssigenden  Bacillen 
selten  vorkamen,  dagegen  yorzugsweise  zur  Gruppe  des  Elartoffel- 
baoillus  gehörige  Formen. 

Bezüglich  der  Pathogenität  der  gefundenen  Bakterien  wird 
berichtet,  daüs  aus  einer,  drei  Monate  lang  offenstehenden  Nigrosin- 
tinte  zweimal  ein  zu  der  Proteusgruppe  gehöriger  Bacillus  gezüchtet 
wurde,  der,  auf  Mäuse  verimpft,  den  Tod  der  Tiere  in  vier  Tagen 
herbeiführte.  Weitere  pathogene  Bakterien  wurden  nicht  gefunden. 
Gleichwohl  £afst  MABPMAiof  das  Ergebnis  seiner  Untersuchungen 
dahin  zusammen,  „dals  die  am  Eingang  erwähnten  Blutvergiftungen 
auf  pathogene  Bakterien  zurückzuführen  sind,  die  sich  in  den  ver- 
schiedensten Tinten  entwickeln  können^,  daüs  daher  die  mafsgebenden 
Persönlichkeiten  diese  Gefahr  nicht  unbeachtet  lassen  und  womöglich 
zur  Beseitigung  derselben  das  einmalige  Aufkochen  der  Schultinte 
verfugen  möchten. 

Es  bedarf  für  den  Sachverständigen  kaum  einer  ausführlichen 
Begründung,  wenn  ich  Mabpmanns  Versuchsanordnung  ebensowenig 
einwandsfirei  nenne,  wie  die  aus  seinen  Ergebnissen  gezogenen  Schlüsse. 
Es  sei  nur  kurz  hervorgehoben,  daJs  die  oft  stundenlange  Auf- 
bewahrung der  beschickten  Gelatineröhrchen  bereits  vor  Anlegung 
der  Zählplatte  zur  Keimvermehrung  führen  und  dafs  andererseits 
die  ausschliefsliche  Verwendung  von  Gelatine  und  die  hierdurch  be- 
dingte niedrige  Brüttemperatur  der  Entwicklung  gerade  der  hier  be- 
sonders interessierenden  Mikroorganismen  hinderlich  sein  mufste.  Wir 
werden  also  mit  der  Möglichkeit  einer  fehlerhaft  gesteigerten 
Menge  von  Mikroorganismen  mit  niedrigem  Temperaturoptimum, 
und  einer  fehlerhaft  verringerten  Menge  von  Mikroorganismen  mit 
höherem  Temperaturoptimum  zu  rechnen  haben.  Hält  man  sich 
aber  trotzdem  an  die  von  Marpjicann  gewonnenen  Resultate,  so  muis 
die  Tinte  weit  eher  für  ungefährlich  als  für  schädlich  erachtet  werden. 
Vor  allem  wurden  gerade  Kokken,   unter  denen  wir  ja  die  wesent- 


84 

liebsten  Erreger  von  Blutvergifiangen  zu  suchen  liaben,  nnr  in 
geringer  Zahl  angetroffen  und  von  den  wenigen  gefundenen  Arten 
wurde  keinerlei  Pathogenität  nachgewiesen.  DaTs  sich  von  anderen 
Bakterien  zweimal  in  Nigrosintinte  eine  für  ^äuse  (in  welchen  Dosen?) 
tödliche  Proteusart  fand,  ist  nichts  Auffälliges,  da  diese  Bacillen- 
gruppe  eine  außerordentliche  Verbreitung  hat,  sich  u.  a.  auch  viel- 
fach im  Munde  gesunder  Menschen  findet,  und  trotz  dieser  zahl- 
reichen Infektionsmöglichkeiten,  denen  gegenüber  eine  Infektion  durch 
Tinte  fast  wie  ein  Kuriosum  erscheint,  Proteuserkrankungen  höchst 
selten  beobachtet  sind. 

Was  aber  zweitens  die  von  Mabpmann  gefundenen  Schimmel- 
pilze anlangt,  so  ist  unter  ihnen  allein  von  dem  Aspergillus  flavus 
eine  schädliche  Wirkung  bei  intravenöser  Injektion  übergrofser  Mengen 
sporenhaltigen  Materials  auf  Tiere  bekannt,  während  die  Aufnahme 
vereinzelter  Sporen  für  Tiere  und  Menschen  völlig  unschädlich  ist. 
Zudem  mub  seine  angebliche  Entwicklung  auf  Gelatineplatten  be- 
rechtigten Zweifeln  begegnen.  Vermutlich  hat  gar  nicht  der  Asper- 
gillus flavus,  dessen  Temperaturoptimum  bei  28^,  also  über  dem 
Schmelzpunkt  der  Gelatine,  liegt,  sondern  irgend  ein  anderer,  ihm 
ähnlicher,  auch  für  Tiere  ganz  harmloser  Schimmelpilz  vorgelegen 

Aus  alledem  ergibt  sich,  dais  Mabpmanns  Versuche  zu  völlig  un- 
richtigen Vorstellungen  von  der  Gefährlichkeit  der  Schultinte  führen. 
Ob  in  der  Schultinte  wirklich  gelegentlich  oder  häufliger  Infektions- 
erreger enthalten  sind,  das  mufs  durch  neue  Versuche  entschieden 
werden.  Solche  Versuche  habe  ich  in  folgender  Weise  angestellt: 
Mittels  steriler,  an  langen  Stahlsonden  befestigter  und  in  sterilen 
Aeagenzröhrchen  eingeschlossener  Wattetupfer,  wie  sie  von  der 
Diphtherieuntersuchungsstation  des  hiesigen  hygienischen  Instituts 
zur  Entnahme  von  diphtherieverdächtigem  Material  zur  Ausgabe  ge- 
langen, wurden  in  zahlreichen  Klassen  mehrerer  Schulen  Proben  aus 
den  Tintenfäischen  ohne  Berührung  ihres  Randes  entnommen  und 
möglichst  bald  (spätestens  nach  zwei  Stunden)  auf  Glycerinagar- 
platten  ausgestrichen.  Dieselben  wurden  zunächst  drei  Tage  lang 
bei  37®  Brüttemperatur,  sodann  noch  mindestens  sieben  Tage  bei 
Zimmertemperatur  gehalten  und  die  entwickelten  Kolonien  nach  Art 
und  Zahl  bestimmt.  Die  Tintenfäfschen,  aus  denen  die  Proben  ent- 
nommen wurden,  standen  fast  sämtlich  in  Vertiefungen  der  Tisch- 
platte, welche  mit  Klappdeckel  verschliefsbar  waren.  Nur  die  Tinten- 
fischen auf  den  Kathedern  entbehrten  häufig  diesen  Deckel  und 
wurden  dann  stets  auch  zur  Untersuchung  herangezogen. 


85 

Die  so  untersuchten  Tinten  hatten  verschiedene  Herkanft.  Da 
den  Sohnlrektoren  lediglich  ein  gewisser  Preissatz  für  die  an  ihren 
Anstalten  zur  Verwendung  kommende  Tinte  yorgeschrieben,  im 
übrigen  aber  freie  Wahl  über  die  Qualität  derselben  gelassen  ist,  so 
stellen  meine  Tintenproben  eine  Beihe  verschiedenartiger  Präparate 
dar,  deren  genauere  Zusammensetzung  auch  dem  Lieferanten  un- 
bekannt, deren  Analyse  aber,  wie  Elsneb  in  der  „Praxis  des ChemUcers*^ 
sagt,  eine  aufserordentlich  schwierige  und  undankbare  Aufgabe  ist. 
Immerhin  dürfte  ihre  Bereitung  und  Zusammensetzung  bezüglich  der 
uns  hier  wesentlich  interessierenden  Punkte  nach  den  Angaben  des 
umfangreichen  y^Neuen  pharmaceuHschen  Manuals"  von  Eugen 
DiSTEBiCH  nur  in  mäJsigen  Grenzen  schwanken.  Nach  Elskeb  sind 
die  Schultinten  vorzugsweise  Blauholztinten,  welche  nach  E.Dibtebioh 
in  folgender  Weise  hergestellt  werden:  200,0  g  Blauholzextraktlösung 
▼erdünnt  man  mit  500,0  Wasser,  erhitzt  im  Dampfbad  auf  ca.  90^  C. 
und  setzt  tropfenweise  eine  Losung  von  2,0  Kaliumdiohromat,  50,0 
Chromalaun,  10,0  Oxalsäure  in  150,0  Wasser  zu,  erhält  die  Tempe- 
ratur von  90^  C.  noch  eine  halbe  Stunde,  füllt  bis  1000  Wasser 
anf  und  setzt  noch  1,0  Karbolsäure  zu.  Nach  zwei-  bis  dreitägigem 
Stehen  gieCst  man  die  klare  Flüssigkeit  ab    und  füllt  auf  Flaschen. 

AuJser  diesem,  unter  dem  Namen  „Schultinte^  oder  „tiefschwarze 
Kaisertinte"  in  den  Handel  kommenden  Präparate  führt  Dieteilich 
als  weitere,  vielverbreitete  Tinte  noch  die  „Schwarze  Anilin-Schreib- 
tinte'' oder  „Schwarze  Schultinte''  an.  Ihre  Herstellung  geschieht 
derart,  dals  20,0  Phenolschwarz  B  mit  60,0  kaltem,  destilliertem 
Wasser  übergössen,  zwei  Stunden  stehen  gelassen  und  dann  mit 
20,0  g  Pulverzucker  unter  Zusatz  von  1,0  Karbolsäure,  0,5  reiner 
Schwefelsäure  und  900  Wasser  bis  zur  völligen  Lösung  verrieben 
werden. 

Wie  ich  durch  mannigfache  Umfragen  in  Erfahrung  bringen 
konnte,  wird  in  den  hiesigen  Schulen  hauptsächlich  die  Kaisertinte 
benutzt.  Von  vornherein  wird  man,  wenigstens  für  die  frische  Tinte, 
ihrer  Bereitung  und  Zusammensetzung  nach  annehmen  dürfen,  dafis 
infolge  der  langen  Einwirkung  hoher  Hitze  auf  das  Gemisch  und 
infolge  seines  Gehaltes  an  desinfizierenden  Mitteln  die  Zahl  der 
Mikroorganismen  nur  eine  geringe  sein  wird.  In  der  Tat  erwies  sich 
frische  Blauholztinte  als  völlig  steril.  Selbst  gröfsere  Mengen  (fünf 
bis  zehn  Tropfen)  lieben  in  Gelatineguis-  oder  Glycerinagar*Ausstrich- 
platten  keinerlei  Keime  aufgehen. 

Ein  entsprechend  günstiges  Ergebnis  hatten  nun  auch  die  aus 


86 

den  Schulzimmern  entnommenen  Tinteoproben:  Von  24,  aus 
Klassen  versohiedener  Schulen  entnommenen  Proben 
blieben  22  bei  der  Anfbewahrnng  im  37^  C.  warmen  Brut- 
schrank völlig  steril;  die  zwei  anderen  Platten  wiesen  je  eine 
Kolonie  zn  den  gewöhnlichsten  Luftbakterien  gehöriger  Keime  auf. 
Nach  Entfernung  der  Platten  aus  der  hohen  Temperatur  und  bei 
weiterer  Beobachtung  und  Zimmertemperatur  kamen  auf  drei 
Platten  noch  vereinzelte,  auf  fünf  Platten  sehr  zahlreiche  Schimnael- 
pilze  zum  Vorschein.  Dieselben  bestanden  ausschlieMich  in  Peni- 
cillium  glaucum. 

Da  Mabpmann  bei  seinen  Versuchen  vorzugsweise  Oallus-Tinten 
benutzt  bat,  so  wurden  weiterhin  auch  diese  zur  Untersuchung  heran- 
gezogen. Ihre  Bereitung  geschieht  aus  Gallusäpfelextrakt  oder  Tannin 
und  krystallisierter  Gallussäure  unter  Zusatz  von  Eisensalzen.  Zur 
Konservierung  wird  l%o  Karbolsäure  beigefugt.  Nach  den  Grund- 
sätzen für  amtliche  Tintenprüfung  vom  1.  August  188  [y^Mitteilungen 
aus  den  Kgl.  technischen  VerstichsanstaUen  IdSS*")  haben  die  zu  Doku- 
menten verwendbaren  Tinten  mindestens  30  g  Gerb-  und  Grallus- 
säure  und  4  g  Eisen  pro  Liter  zu  enthalten.  Sohlüttio  und  Neu- 
mann haben  in  ibrer,  im  Auftrage  der  Tintenfabrik  Leonhabbi  in 
Dresden  verfafstenSchrift  über  die  „Eisengallus-Tinten*'  zwecks  Prüfung 
und  Vergleichung  anderer  Tinten  eine  „  Normaltinte "  von  folgender 
Zusammensetzung  vorgeschlagen:  23,45  Tannin  und  7,79  krjrstalli- 
sierte  Gallussäure  in  50**  warmen  Wassers  gelöst,  mit  10  g  gelöstem 
Gummi  arabicum,  10  g  257oige  Salzsäure,  30  g  Eisenvitriol  und 
1  g  Karbolsäure  (beides  gelöst)  vermischt  und  2,2  g  Bayrisch-Blau 
gefärbt  und  zu  je  1  Liter  aufgefüllt. 

Der  wahrscheinlich  stets  vorhandene  Überschufs  an  freier  Gerb- 
und Gallussäure  gewährt  den  Eisengallus-Tinten  einen  Schutz  vor 
Mikroorganismen  jeder  Art.  Nach  Versuchen  von  Walliczek* 
tötete  eine  0,5  7o  ige  Lösung  von  Tannin  Staphylococcus  aureus  und 
Bacterium  coli  nach  zwei  Stunden,  eine  2%  ige  Lösung  bereits  nach 
einer  halben  Stunde  sicher  ab,  und  Tschibch*  führt  die  interessante 
Tatsache,  dafs  die  Samen  bei  der  Keimung  nicht  den  Schimmelpilzen 
oder  Bakterien  zum  Opfer  fallen,  auf  die  besonders  in  der  Epidermis 
stark  aufgehäuften  Gerbstoffe  zurück. 


*  Walliczbk:  Die  baktericiden  Eigenschaften  der  Gerbsäure  (Tannin  der 
Apotheken).     Centralblatt  für  Bakteriologie.   1894.   Bd.  XV. 
'  TscHiBCH:  Pflanzen- Anatomie.  IL   S.  129. 


87 

Es  konnte  daher  nicht  überraschen,  daCs  sich  dieProben  ver- 
schiedener  Eisengallas-Tinten,  sowohl  in  frischem  wie 
gebranchtem  Zustande,  steril  erwiesen. 

Nachdem  somit  der  Beweis  erbracht  war,  dafs  die  gebränchlichen 
Tinten  keine  Bakterien  nnd  nnr  manchmal  Schimmelpilze  in  erheb- 
licher Menge  enthalten  nnd  die  gefundenen  Formen  durchwegs  harm- 
loser Natur  sind,  schien  es  noch  wünschenswert,  die  Desinfektions- 
wirknng  der  Tinten  bei  künstlichem  Zusatz  grofser  Mengen 
von  Schimmelpilzsporen,  sowie  von  Staphylokokken  und 
Streptokokken  zu  prüfen.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  verschiedene 
Blauholz-  und  Gallus-Tinten  zu  je  3  com  in  Röhrchen  abgefüllt  und 
nach  zweistündiger  Sterilisierung  im  Dampftopf  mit  verschiedenen 
Mengen  konzentrierter  Aufschwemmung  einer  sporenhaltigen  Peni- 
cilliumkultur  und  weiterhin  von  Staphylokokken-  und  Streptokokken- 
reinkulturen versetzt.  Hierauf  wurden  die  Böhrchen  in  den  Brut- 
schrank von  22^  bezw.  37^  gebracht  und  nach  verschieden  langer 
Zeit,  frühestens  nach  einer  Stunde,  Proben  aus  ihnen  auf  Agar  und 
Bouillonröhrchen  verimpft  bezw.  von  den  mit  Penicilliumsporen  ge- 
mischten Böhrchen  Olycerinagar- Ausstrichplatten  angelegt.  Es  ergab 
sich,  dals  die  Penicilliumsporen  bereits  nach  zwölfstündigem  Ver- 
weilen in  der  Tinte  abgetötet  waren,  nur  in  einer  Probe  Elaisertinte 
waren  sie  noch  nach  fünf  Tagen  lebensfähig.  Doch  kann  auch  diese 
Beobachtung  bei  der  völligen  Dngefährlichkeit  des  Penicilliums  zu 
Bedenken  nicht  den  geringsten  Anlais  geben.  Dagegen  wsren  die 
zugesetzten  pathogenen  Bakterien  in  allen  untersuchten  Proben 
bereits  nach  einer  Stunde  völlig  abgetötet,  und  zwar  selbst 
dann  noch,  wenn  die  Tinte  mit  der  gleichen  Menge  Bakterien- 
aufsohwemmung  gemischt  wurde. 

Fasse  ich  demnach  die  Ergebnisse  meiner  Versuche  zusammen, 
80  komme  ich  zu  dem  Schlufs,  dab  die  gebräuchlichen  Tinten 
weder  in  frischem  Zustande  noch  bei  längerem  Gebrauch 
gesundheitsschädliche  Mikroorganismen  beherbergen  und 
insbesondere  gerade  den  Erregern  von  Blutvergiftungen 
gegenüber  eine  sehr  grofse  desinfizierende  Wirksam- 
keit entfalten.  Wenn  sich  gleichwohl  gelegentlich  schwere  sep- 
tische Erkrankungen  an  Schreibfederstiche  anschlielsen,  so  sind  diese 
zweifellos  entweder  auf  die  Einschleppung  pathogener  Keime  von 
der  Hautoberfläche  im  Augenblicke  der  Verletzung  oder  auf  eine 
nachträgliche  Infektion  der  Wunde,  besonders  durch  Ansaugen  mit 
dem  Munde    oder  Berührung   mit  unsauberen  Taschentüchern   und 


88 

Fingern,  zurückzuführen.  Eine  nachteilige  Wirkung  der  vorgefundenen 
Mikroorganismen  aber  auf  den  Magen  durch  dae  gelegentliche  Ab- 
lecken eines  Tintenklexes,  wie  sie  der  eingangs  erwähnte  Erlalb  an- 
zuDehmen  scheint,  ist  undenkbar  und  jede  Besorgnis  auch  in  dieser 
Biohtung  völlig  von  der  Hand  zu  weisen.  Die  Sohultinte  stellt 
vielmehr  ein  in  kleinen  Mengen  völlig  ungefährliches, 
von  pathogenen  Mikroorganismen  freies  Präparat  dar, 
dem  gegenüber  keine  anderen  Mafsregeln  erforderlich  sind, 
als  die  der  Wohlerzogenheit  und  Sauberkeit. 


Die  „Nürnberger  Schulbank''  und  die  „Bettigbank''. 

Von 
Oberbaurat  a.  D.  W.  BEXTio-München. 

Dafs  ich  vor  etwa  neun  Jahren  auf  Grund  meiner  Erfahrungen 
im  Schulhausbau,  welche  ich  als  erster  Stadtbaumeister  in  Dresden 
und  städtischer  Oberbaurat  in  München  gemacht  hatte,  eine  umlegbar 
eingerichtete  Schulbank  erfunden  habe,  darf  ich  wohl,  nachdem  mein 
System  in  mehr  als  900  Orten  des  Reichs  und  des  Auslandes  zur 
Anwendung  gelangt  ist,  als  bekannt  voraussetzen.  Auf  der  „Bettig- 
bank"  sitzen  bis  heute  über  250000  Schüler. 

Einen  besonders  wertvollen  Beweis  für  die  gute  Bewährung  der 
„Bettigbank^  habe  ich  u.  a.  darin  erblickt,  dalB  die  Stadt  Nürnberg, 
deren  zweckmäfsig  eingerichtete  Schulen  in  hohem  Ansehen  stehen, 
seit  dem  Jahre  1896  mit  der  Einführung  der  „Bettigbank"  begonnen 
und  bis  heute  über  8000  derartige  Bänke  beschafft  hat. 

Nun  bin  ich  aber  in  letzter  Zeit  darauf  aufmerksam  gemacht 
worden,  daJB  in  der  Fachliteratur  jetzt  öfter  von  einer  „Nürnberger 
Schulbank^  die  Bede  sei.  Es  sei  diese  Schulbank  von  den  Herren 
Ingenieur  Sichelbtiel  und  Dr.  Schubebt  in  Nürnberg  konstruiert, 
und  im  vorigen  Jahre  in  No.  2  und  9  dieser  Zeitschrift  von  den 
Grenannten  selbst  beschrieben  worden  mit  der  Erläuterung,  dafs  die 
Gremeinden,  welche  umlegbar  eingerichtete  Schulbänke  haben  wollten, 
nicht  mehr  wie  bisher  nötig  hätten,  an  die  Patentinhaber  hohe  Gre- 
bühren  zu  zahlen,  sondern  sich  nur  die  „Nürnberger  Schulbank^ 
anzuschaffen  brauchten  und  dabei  nicht  nur  erheblich  sparten,  sondern 


89 

auch  noch  dazu  etwas  Besseres  bekämen,  als  die  «Bettigbank^  sei; 
denn  ee  werde  von  den  genannten  Herren  die  Benutzung  der  Neue- 
rung duroh  die  AUgemeinbeit  obne  Beanspruchung  einer  Vergütung 
gestattet. 

Die  erwähnte]  Beschreibung  und  eingehende  Schilderung  der 
Vorteile  der  Neuerung  mulste,  da  diese  unter  dem  Namen  „Nürn- 
berger Schulbank^  auftrat,  erklärlicherweise  Eindruck  machen.  Ich 
sah  mich  daher  yeranlalst,  der  Sache  auf  den  Grund  zu  gehen  und 
stellte  folgendes  fest: 

Es  handelt  sich  hier  um  eine  Schulbank,  mit  welcher  ein 
Klaasenzimmer  der  Schule  in  der  Goethestraise  zu  Nürnberg  probe- 
weise ausgerüstet  ist,  und  welche  ich  mir  bereits  vor  zwei  Jahren 
gelegentlich  eines  Besuches  in  Nürnberg  angesehen  hatte;  das  dort 
Oeeehene  hatte  ich  jedoch,  wie  so  manche  andere  Schulbankneuerung, 
in  welcher  ich  einen  besonderen  Wert  nicht  erkennen  konnte,  nicht 
weiter  beachtet.  Daus  ich  bei  dieser  Besichtigung  keine  groJSse 
Meinung  von  der  Sache  bekommen  hatte,  liegt  daran,  dafs  mir  die- 
selbe nicht  als  eine  Verbesserung,  sondern  als  eine  Verschlechterung, 
als  eine  Verballhomisierung  meiner  Schulbank  erschien.  Es  war 
nichts  weiter,  als  die  bis  zum  Jahre  1896  in  Nürnberg  gebräuch- 
liche, dann  aber  abgeschaffte  Schulbank,  welche  die  Herren  Sichel- 
STiEL  und  ScHUBEBT  auf  eine  recht  primitive  Weise  umlegbar  ge- 
macht hatten.  Die  weitere  Beschaffung  solcher  Bänke  für  die 
Nürnberger  Schulen  ist  bis  heute  nicht  in  Frage  gekommen,  vielmehr 
sind  seit  der  Au&tellung  dieses  Probesaales  in  den  Jahren  1901  und 
1902  wieder  wie  bisher  „Bettigbänke^  und  zwar  in  Höhe  von  über 
4600  Stück  für  Nürnberg  beschafft  worden. 

Es  sei  mir  nun  die  Frage  erlaubt:  Wie  kommen  die  Herren 
Sichelstiel  und  Schubert  dazu,  ihre  Schulbank  unter  der  Be- 
zeichnung „Nürnberger  Bank"  bekannt  zu  geben?  Eine  solche  Be- 
zeichnung mufs  doch  so  gedeutet  werden,  als  ob  diese  Schulbank  in 
Nürnberg  jetzt  allgemein  angewendet  werde.  Tatsächlich  sind  auch 
durch  den  bei  der  Veröffentlichung  gewählten  Namen  die  beteiligten 
Kreise  vielfach  irregeführt  worden.  Gerade  da  es  sich  um  die  Stadt 
Nürnberg  handelte,  mufste  diese  Bezeichnung  besonders  stark  ver- 
wirrend wirken,  weil  eben  die  als  mustergültig  bekannten  Schul- 
einiichtungen  Nürnbergs  dazu  veranlassen,  einem  in  ernsten  wissen- 
schaftlichen Organen  als  „Nürnberger  Schulbank '^  beschriebenen 
Subsellium  von  vornherein  höhere  Beachtung  zuzuwenden. 

Hätte  ich  früher  von  der  Veröffentlichung  der  Herren  Sichel- 


90 

STIEL  und  Dr.  Schubert  gehört  und  Aufklärung  geben  können, 
wäre  Schalbehörden  und  Fachkreisen  sehr  viel  Arbeit  erspart  worden. 
Da  nun  aber  die  falsche  Bezeichnung  dazu  geführt  hat,  dafs  die 
0£Fientlichkeit  sich  mit  der  SiCHELSTiEL-ScHTiBEBTschen  „Nürnberger 
Schulbank"  beschäftigt  hat,  so  möge  mir  gestattet  sein,  bei  dieser 
Gelegenheit  auch  zur  Sache  selbst  mich  noch  zu  äulsem:  Meine 
frühere  geringe  Meinung  über  die  Kippvorrichtung  der  „Nürnberger 
Schulbank*^  mufe  ich  in  vollem  Umfange  aufrecht  erhalten,  und  ich 
sehe  die  angebliche  Vereinfachung  auch  heute  noch  als  eine  Ver- 
schlechterung der  „Rettigbank''  an.  Die  Gelenkfüfse,  welche  die 
„Bettigbank"  auf  einer  am  Boden  befestigten,  eigens  hergestellten, 
sehr  niedrigen  Flachschiene  festklemmen  und  um  deren  Achse  sich 
die  Bank  mit  vollkommener  Sicherheit  drehen  und  umlegen  läfst, 
sind  nämlich  einfach  weggelassen  und  statt  derselben  das  Fulsende 
der  Bank  nach  dem  Profile  eines  einspringenden  rechten  Winkels 
ausgehobelt,  so  dafs  man  die  Bank  um  die  Kante  einer  gewöhnlichen 
Winkelschiene,  welche  am  Boden  angeschraubt  ist  und  welche  die 
Herren  Erfinder  in  ihrer  Beschreibung  „Nürnberger  Winkelschiene" 
nennen,  kippen  kann.  Da  nun  keine  Achse  mehr  vorhanden  ist, 
sondern  nur  die  Kante  der  mit  dem  Körper  der  Bank  in  keinerlei 
Verbindung  stehenden  Winkelschiene,  kann  die  Bank  sowohl  im 
aufrechten  als  im  umgekippten  Zustande  ohne  weiteres  verschoben 
werden;  denn  in  beiden  Fällen  ist  mangels  einer  Verbindung  nur 
eine  Anlehnung  vorhanden,  die  natürlich  durch  den  geringsten 
Anlafs  aufgehoben  wird.  Das  Umlegen  gebt  noch  —  allerdings 
immer  nur  unter  der  Voraussetzung,  dafs  die  lose  auf  dem 
Boden  stehenden  Bänke  vorher  genau  an  die  „Nürnberger 
Winkelschiene''  angelehnt  gestanden  haben  —  Verhältnis- 
mäfsig  gut.  Beim  Niederlegen  der  Bank  auf  den  Boden  entsteht 
nun  aber  selbstverständlich  ein  kleiner  Bück.  Dieser  Ruck  verrückt 
dann  die  Lage  der  umgekippten  Bank  infolge  der  Schräge  der 
Pultplatte  und  der  kleinen  Unebenheiten  des  Bodens,  auf  welche  sie 
aufstöüst,  so  dafs  für  das  Wiederaufrichten  und  Zurücklegen  der 
Bank  in  ihre  aufrechte  Stellung  die  obige  Voraussetzung  nicht 
mehr  zutrifft.  Die  Folge  ist,  dafs  hierbei  die  Bank  die  dahinter 
bezw.  davorstehenden  Nachbarbänke  unterwegs  streift  und  nach  voll- 
zogener Wiederaufrichtung  erst  wieder  dicht  an  die  Winkelschiene 
herangeschoben  werden  mufs.  Wenn  man  nun  bedenkt,  dafs  eine 
einzige  Scheuerfrau  an  einem  Nachmittag  ein  ganzes  Stockwerk  rein- 
machen und  aufwischen  soll,  so  liegt  ja  auf  der  Hand,  dafs  sie  nicht 


91 

durch  allerhand  Umständlichkeiten  behindert  werden  darf.  Die  Wahr- 
scheinlichkeit spricht  dafar,  dafs  die  Bänke  stets  ungenau  stehen 
werden.  Auch  die  Schüler  werden  die  Bänke  —  auch  abgesehen  von 
etwaigem  Unfug  —  schon  bei  der  normalen  Benutzung  durch  unvor- 
sichtiges Anstofsen  ,aus  der  Reihe  bringen.  Kurzum,  die  schöne 
Ordnung,  welche  ich  mit  meiner  soliden  Befestigung  erreicht  habe 
und  auf  welche  alle  Schulbehörden,  welche  mein  System  eingeführt 
haben,  mit  mir  stolz  sind,  wäre  dahin.  Eine  am  Boden  liegende 
Schiene  wird  auch  gebraucht,  ebenso  wie  bei  der  „Bettigbank*^,  nur 
dals  die  „Nürnberger  Winkelschiene **  doppelt  so  hoch  sein  muls, 
wenn  das  Elippen  nur  einigermafsen  gehen  soll. 

Was  wird  nun  —  zunächst  ganz  abgesehen  von  einer  Gebühr 
für  die  Erlaubnis  zur  Benutzung  meines  Patentes  —  mit  der  ganzen 
Neuerung  gespart?  Zwei  gufseiseme  Klemmfüfse,  ferner  der  Preis- 
unterschied zwischen  meiner  niedrigen  Fa^onschiene  und  dem  hohen 
Winkeleisen;  dies  dürfte  zusammen  noch  nicht  2  Mark  für  die  zwei- 
sitzige Bank  betragen.  Andererseits  müssen  jedoch  für  eine  am  Saal- 
boden nicht  befestigte  Schulbank  wegen  der  ungesicherten  Breite 
der  Zwischengänge  angemessen  gröJSsere  Zwisohengangbreiten  vorge- 
sehen werden.  Es  müssen  ferner  an  Stelle  der  minimalen  Abstände 
zwischen  den  hintereinander  unverrückbar  befestigten  „Rettigbänken" 
bei  den  SicuELSTiEL-SoHüBEBT-Bänken  auch  hier  angemessen  gröisere 
Abstände  vorgesehen  werden.  Den  Mehrbedarf  an  Grundfläche  be- 
rechne ich  auf  ca.  vier  Quadratmeter  pro  Klassenzimmer,  so  dals 
die  vermehrten  Baukosten  die  etwaige  Ersparnis  wieder  verschlingen 
würden. 

Wenn  es  mir  gelingen  sollte,  durch  meine  obigen  Erläuterungen 
manche  Schulbehörde  vor  zwecklosen  Versuchen  und  Schaden  zu 
bewahren,  so  soll  es  mich  freuen.  Von  den  Herren  Ingenieur  Sichel- 
stiel und  Dr.  Sohubekt  darf  ich  aber  wohl  erwarten,  dafs  sie 
künftig  ihre  Neuerung  als  „Sichelstiel  und  ScHUBEBTsohe  Kipp- 
Vorrichtung**  oder  sonstwie  der  Sache  entsprechend  bezeichnen  werden^ 
aber  nicht  als  „Nürnberger  Schulbank**. 


92 


Erwidenmg  auf  die  obenstehenden  iLiufiUiningen 

des  Herrn  Bettig. 

Von 

Ingenieur  Siohelstiel  nnd  Hofrat  Dr.  med.  Sohubebt- Nürnberg. 

Dafjs  Herr  Oberbaurat  Rettig  in  der  Verteidigung  seines  Bank- 
systems eine  gewisse  Erregung  bekundet,  ist  verzeihlich;  nna  so 
ruhiger  soll  unsere  Erwiderung  sein. 

Herr  Bettio  tadelt  uns  wegen  des  Ausdrucks  „Nürnberger 
Schulbank".  Bei  technischen  Neuerungen  pflegt  man  das  Becht  der 
Namengebung  den  Urhebern  zu  überlassen  und  es  nur  dann  zu  be- 
streiten, wenn  die  Bezeichnung  zu  Verwechslungen  mit  einer  anderen, 
ähnlich  lautenden  Anlafs  geben  und  dadurch  altere  Beohte  verletzen 
könnte.  Dies  ist  im  vorliegenden  Fall  ausgeschlossen,  so  dafs  wir 
Niemandem  eine  Bechtfertigung  des  Kennwortes  „Nürnberger  Schul- 
bank" schulden. 

Wir  wollen  indessen  höflich  sein  und  eine  Erläuterung  nicht 
versagen. 

Unser  Vorschlag  suchte  die  seit  1878  in  Nürnberg  verwendete 
zweisitzige  Schulbank  mit  fester  Minusdistanz  dadurch  der  Forderung 
einer  leichteren  Beinigung  des  Schulzimmers  dienstbar  zu  machen,  dals 
wir  ihr  eine  einfache  und  zweckmäfsige  Einrichtung  zum  Emporklappen 
gaben.  Dieses  alte  Nürnberger  Subsell  war  zwar  etwas  schwer&Uig  in 
der  Form  und  Brettstärke,  sonst  aber  in  den  wichtigsten  Ausmafsen 
(DistanZy  Differenz,  Lehnenabstand  u.  s.  w.)  richtig  berechnet  und 
hat  sich  in  dieser  Hinsicht  durchaus  bewährt.  Das  geht  unter  an- 
derem daraus  hervor,  dafs  auch  Bettio  seine  im  Jahre  1895  be- 
schriebene und  damals  in  mehrfacher  Hinsicht  falsch  dimensionierte 
Bank  im  Laufe  der  Zeit  in  wesentlichen  Stücken  umzuändern  und 
die  in  Nürnberg  seit  langem  gebräuchlichen  Grölsenverhältnisse  an- 
zunehmen genötigt  war.  Wir  erinnern  dabei  an  die  Nulldistanz, 
an  die  zu  schmale  Sitzbank  und  die  zu  geringe  Länge  des  ganzen 
Subsells  in  dem  BsTTioschen  Modell  1895  und  verweisen  auf  die 
hierüber  im  Jahrgang  1901  dieser  Zeitschrift  S.  527 — 529  gegebenen 
Ausführungen.  Es  war  also  unsere  bewährte  alte  Nürnberger  Bank, 
zu  deren   Gunsten  wir  unsere  Vorschläge  machten,  jene  Bank,  wie 


93 

sie  aus  den  sorg&ltigen  Beratungen  der  Nürnberger  Sohulbehörde 
im  Febmar,  März  nnd  Oktober  1877  hervorgegangen  war. 

Dies  ist  der  eine  Grund  für  die  von  uns  gewählte  Bezeichnung. 
Der  zweite  liegt  darin,  dafs  die  Neuerung  von  uns  im  Dienste  der 
Stadt  Nürnberg  und  in  unserer  Eigenschaft  als  Gemeindebevollmächtigte 
bei  Beratung  der  Schulbankfrage  angeregt  wurde,  und  dals  die  Er- 
probung unseres  Vorschlags  in  einer  Nürnberger  Volksschule  durch 
beide  städtischen  Kollegien  beschlossen  und  angeordnet  wurde.  Der 
Yemch  dauert  fort.  Die  Schulbankfrage  hat  seit  jenen  Beschlüssen 
dem  Gremeindekollegium  nicht  zur  Beratung  vorgelegen. 

Soviel  über  die  Berechtigung  der  Bezeichnung  „Nürnberger 
Schulbank". 

Zur  Sache  selbst  genügen  wohl  wenige  Worte,  nachdem  in 
No.  4  u.  5  des  Jahrganges  1901  dieser  Zeitschrifl  von  seiten  des 
Herrn  Haks  Suok,  und  in  No.  9  von  unserer  Seite  ein  so  er- 
schöpfender Meinungsaustausch  stattgefunden  hat,  dals  auch  Herr 
SüCK  in  No.  7  des  Jahrganges  1902  die  Frage  nicht  in  ein  neues 
Lieht  zu  rücken  vermochte. 

Die  von  Herrn  Bettio  gerügte  freiere  Beweglichkeit  der  Nürn- 
berger Schulbank  gereicht  ihr  zum  Vorzug,  denn  sie  erleichtert  das 
Auswechseln  der  Bänke,  und  macht  es  möglich,  zur  besseren  Kon- 
trolle der  Reinlichkeit  zeitweise  die  emporgeklappten  Bänke  ganz 
Ton  der  Schiene  abzurücken.  Wie  leicht  unsere  Umlegevorrichtung 
arbeitet,  beweist  die  schon  Herrn  Sück  gegenüber  erwähnte  Tat- 
sache, daljs  man  in  einer  Minute  die  elf  Bänke  einer  Reihe  bequem 
mit  einer  Hand  emporrichten  oder  auch  in  die  alte  Lage  zurückbringen 
kann,  so  dals  sie  nachher  genau  ausgerichtet  stehen.  Dals  aber  Schüler 
•bei  der  normalen  Benutzung  durch  unvorsichtiges  Anstofsen  die  Bänke 
aus  der  Reihe  bringen",  das  wäre  doch  nur  glaubhaft,  wenn  man 
sich  die  Bänke  auf  Rollen  stehend  denkt.  Mutwillige  Ordnung- 
störuDg  zu  verhüten  ist  Aufgabe  der  Disziplin.  Für  ungebändigten 
Übermut  gibt  es  kein  gesichertes  Stück  im  Schulzimmer;  er  kann 
sich  auch  an  der  „Rettigbank",  am  Lehrerpult,  an  der  Wandtafel 
Q.  8.  w.  recht  mannigfach  betätigen. 

Herr  Rettio  behauptet,  dafs  unser  Winkeleisen  doppelte  Höhe 
erforderte  wie  seine  Schiene.  Eine  soeben  vorgenommene  Messung 
in  zwei  benachbarten  Klassen  des  Götheschulhauses  ergab,  dafs  die 
Kettigschiene  23  mm,  unser  Winkeleisen  25  mm  hoch  istl  So  sehr 
alflo  vermag  das  Augenmafs  auch  den  technisch  geschulten  Blick  zu 
täoBchen. 


94 

Herr  Rbttig  irrt  ferner,  wenn  er  bei  Verwendung  der  Nürn- 
berger Schulbank  den  Mehrbedarf  an  Grundfläche  auf  ca.  4  qm  pro 
Klassenzimmer  berechnet.  Die  Belegzahl  eines  Schulsaales  ist  mit 
„Rettigbänken"  genau  dieselbe,  wie  mit  „Nürnberger  Bänken",  wie 
der  Augenschein  im  Goetheschulhaus  lehrt,  und  wie  ohne  weiteres 
verständlich  ist.  Drei  Reihen  zweisitziger  Subsellien  haben  in  einem 
wie  im  anderen  Falle  in  jedem  Normal-Schulzimmer  der  Tiefe  nach 
Platz.  Für  deren  Länge  kommt  die  von  uns  vorgeschlagene  Ver- 
längerung des  an  der  Winkelschiene  stehenden  Banksockels  um  1  cm 
wahrlich  nicht  in  Betracht,  denn  es  werden  dadurch  bei  einer  Reihe 
von  zehn  Bänken  nur  10  cm  in  der  Längsrichtung  beansprucht.  Us 
wäre  traurig  um  die  Raumökonomie  eines  Schulzimmers  bestellt,  wenn 
diese  10  cm  irgendwie  als  Hindernis  für  die  Belegzahl  einer  Ellasse 
empfunden  werden  könnten. 

Einen  der  wichtigsten  Punkte  in  der  vergleichenden  Würdigung 
beider  Banksysteme  übergeht  Herr  Rettig  mit  Stillschweigen:  Die 
Möglichkeit  gründlicher  Reinigung  des  Fufsbodens.  Bei  allen  längere 
Zeit  in  Benutzung  stehenden  „Rettigbänken"  bilden  sich  an  den 
beiden  Charnieren  jeder  Schiene  Schmutzwinkel,  die  jahraus,  jahrein 
der  Säuberung  entgehen.  Wie  anders  die  glatten  Flächen  des  Winkel- 
eisens. Nirgends  bietet  hier  eine  körperliche  Ecke  dem  Staub  einen 
für  Besen  und  Wischtuch  unzugänglichen  Sammelplatz.  Ein  leichtes 
Rücken  der  aufgerichteten  Bänke  legt  im  Bedarfsfalle,  bei  Gelegen- 
heit des  „grofsen  Reinemachens**,  die  Winkelschienen  von  beiden 
Seiten  frei,  und  macht  sie  dem  Auge  und  dem  Werkzeug  aufs  voll- 
kommenste zugänglich. 

Nun  bliebe  noch  der  Kostenpunkt.  Wir  haben  den  Preis  der 
ümlegevorrichtung  einer  „Nürnberger  Bank"  fertig  verlegt  auf 
Mark  1,35  berechnet  (diese  Zeitschr.  1901,  S.  524)  gegenüber  der  bei 
Rettig  Mark  6. —  betragenden  Kosten.  Herr  Rettio  selbst  berechnet 
die  aus  unserer  Vorrichtung  entstehenden  Kosten  für  jede  Bank 
auf  Mark  2. — ,  das  würde  immer  noch  eine  Ersparnis  von  66V3  % 
seinem  System  gegenüber  bedeuten  oder,  anders  ausgedrückt,  eine 
Ersparnis  von  Mark  4. —  bei  jeder  Bankl 

Herr  Oberbaurat  Rettig  wünscht  eingestandenermafsen  durch 
seine  Darlegung  die  Schulbehörden  von  Versuchen  mit  der  „Nürn- 
berger Schulbank*'  abzuhalten!  Wirtschaftlich  mag  dies  vom 
Standpunkt  des  Herrn  Rettig  aus  sein,  wissenschaftlich  er- 
scheint es  uns  nicht.  Wir  im  Gegenteil  freuen  uns  des  regen 
Interesses,  welches  unserem  einfachen  Vorschlag  im  In-  und  Ausland 


95 

entgegengebracht  wird,  nnd  hegen  die  Überzengnng,  da(i9  auf  diesem 
G^ebiete  nur  eine  vorurteilsfreie  und  yielfaohe  Erprobung,  niemals 
aber  ausschlieJSslich  theoretische  Deduktion  das  Bessere  vom  minder 
Ghiten  zu  sondern  vermag.  Wir  sind  dankbar  für  sachliche  Kritik 
und  weiteren  Yerbesserungsvorschlägen  zugänglich,  glauben  aber, 
daXs  ein  ehrliches  Wollen  Anspruch  auf  vorurteilsloses  Prüfen  er- 
heben darf. 


^UB  Derfantntlitti$eti  nnb  Dereineit. 


Volks-  und  Sebnlblder  in  HoUaiid. 

Aus  den  Yerhandlongen  des  am  13.  September  1902  im  Eurhanse 

in  SchevenlDgen  eröffneten  Kongresses  über  die  Errichtung 

und  den  Betrieb  von  Volks*  und  Schnlbädern. 

Herr  Rutsch,  Oberinspektor  für  Volksgesnndheit,  beschwerte  sich  in 
seiner  Eröffnungsrede,  dafe  überall  viel  mehr  für  Volksgesundmig  gethan 
werde,  als  in  Holland.  Und  doch  sei  die  Sorge  für  die  Reinheit  der  Haut 
eine  der  ersten  Voraussetzungen  der  Gesundheit,  da  die  Haut  als  Wärme- 
rsgolator  eine  sehr  wichtige  Rolle  spielt.  —  Herr  W.  v.  Boven,  Inspektor 
der  Volksgesundheity  führte  aus,  welchen  Anforderungen  ein  Volksbad  ent- 
sprechen mttlste  und  wie  hoch  sich  die  Kosten  für  den  Bau  eines  solchen 
belaufen  würden.  —  Frl.  Wilhelmina  Jansen,  Schatzmeisterin  des  Haager 
Volks-  und  Schulbades,  machte  Mitteilung  von  dem  Stand  und  der  Ge- 
schichte dieser  Anstalt.  Sie  betonte,  dals  Frauen  die  Bäder  noch  immer 
viel  zu  wenig  benutzen  und  dafs  die  Gelegenheit  zur  Benutzung  von  Schul- 
bädem  noch  allzu  selten  sei.  Immerhin  kann  das  Haager  Volks-  und 
Schnlbad  während  der  zehn  Jahre  seines  Bestehens  einen  günstigen  Erfolg 
aufweisen.  Auf  Grund  ihrer  Erfahrung  äufserte  Frl.  Jansen  den  Wunsch, 
dals  Schulbäder  für  Kinder  von  Armenschulen  der  Gemeinde  zur  Last 
faUen  und  die  Bäder  für  andere  Kinder  zu  einem  sehr  geringen  Preise  zu 
haben  sein  sollen.  Im  Jahre  1901  wurden  11400  Bäder  von  Erwachsenen 
nnd  2550  von  Schulkindern  genommen. 

Herr  J.  G.  Y.  Rossem,  Vorstandsmitglied  des  Rotterdamer  Schulbades, 
machte  Mitteilungen  über  dieses  Bad;  Herr  Jolles  über  das  Amheimer 
Volksbad.  Auch  hier  steDte  es  sich  heraus,  dals  die  Anzahl  badender 
Frauen  bedeutend  kleiner  ist,  als  die  der  Männer.  Während  im  Jahre 
1901  die  Anzahl  der  Ton  Männern  benutzten  Bäder  sich  auf  ungefähr 
10600  belief,  hatten  die  Frauen  das  Bad  nur  864  mal  in  Anspruch  ge- 
nommen. Aufserdem  fallen  auf  Knaben  10138,  auf  Mädchen  10090 
Bäder;  das  bedeutet  seit  der  Eröffiiung  des  Bades  eine  Zunahme  Ton  BO 
und  90%.  Durchschnittlich  betrug  der  Preis  pro  Bad  ungefähr  10  Pfennige. 

Sehalgesnndheitspflege.  XVI.  6 


96 

In  der  DiBknBsion  wurde  die  Frage  erOrtert,  ob  bei  den  Schulbftdem 
jedes  Kind  für  sich,  oder  ob  mehrere  zu  gleicher  Zeit  abgebraust  werden. 
Es  stellte  sich  heraus,  dab  in  Amsterdam  drei  Kinder  gleichzeitig  be- 
handelt werden,  und  im  Haag  jedes  Kind  ftr  sich. 

Herr  H.  W.  J.  A.  Sghook,  Schulleiter  in  Amsterdam,  erstattete 
Bericht  über  das  dortige  Schulbad,  mit  dessen  Errichtung  durch  die  Ge- 
meinde im  Jahre  1890  begonnen  und  das.  im  Jahre  1891  erö&et  wurde. 
Dieses  Schulbad  war  das  erste,  mit  welchem  der  Versuch  gemacht  wurde. 
Dasselbe  enthftlt  18  ZeUen,  wodurch  die  Möglichkeit  gegeben  ist,  daGs 
innerhalb  ftinf  Viertelstunden  100  MMchen  und  100  Knaben  sich  baden 
können. 

Mit  wenigen  Ausnahmen  wird  das  Bad  von  allen  Kindern  benutzt. 
Die  Beschwerden  der  Eltern  einiger  Kinder  wurden  fallen  gelassen,  sobald 
sich  die  Leute  persönlich  Ton  der  Einrichtung  der  Anstalt  überzeugt  hatten. 
Mit  Hilfe  einer  Zeichnung  erklftrt  Herr  Schook  die  Ton  ihm  benutzte 
Anstalt.  Diese  ist  derartig,  dals,  wenn  der  Lehrer  an  einer  Stelle  in- 
mitten eines  Kreises  von  Zellen  steht,  er  die  Aufsicht  über  40  Kinder 
zu  gleicher  Zeit  führen  und  für  alle  mit  einem  Griff  die  Wasserhähne 
öffnen  und  schlie&en  kann.  Die  Kinder  kommen  in  Räume  yon  ver- 
sehiedener  Temperatur.  Der  Preis  für  jedes  Bad  beträgt  jetzt  ungefähr 
5  Pfennige. 

Einige  yon  verschiedenen  Seiten  gegen  Schulbäder  vorgebrachte  Ein- 
wendungen werden  von  Herrn  Sohook  auf  Grund  eigener  Erfahrung 
zurückgewiesen.  Die  Vorteile  derselben  sind  unbestreitbar.  Der  Lehrer 
lernt  das  Kind  in  mancher  Beziehung  im  Bad  besser  kennen*,  die  Wäsche 
der  Kinder  wird  innerhalb  14  Tagen  nach  Einführung  der  Schulbäder 
sauberer;  die  Kinder  selber  bekommen  Vergnügen  an  der  ReinUchkeit,  sie 
freuen  sich  über  die  früher  ungekannte  Sauberkeit  ihres  Körpers;  das 
Nachhauseschicken  wegen  Unsauberkeit  kommt  fast  nicht  mehr  vor;  die 
sogenannte  „Schulluft^  wird  bedeutend  besser.  Ob  die  Kinder,  nachdem 
sie  die  Schule  verlassen  haben,  das  Baden  noch  fortsetzen,  hat  noch  nicht 
festgestellt  werden  können.  Wegen  der  grofsen  Beweglichkeit  der  Amster- 
damer Bevölkerung  ist  es  sehr  schwer  zu  kontrollieren,  wo  die  ExschOler 
verbleiben. 

Aus  einem  Vortrag  des  Herrn  de  Jona  geht  hervor,  dals  in  Rotterdam 
noch  viele  Einwendungen  gegen  das  Schulbad  gemacht  werden,  weil  man 
dadurch  das  Verantwortlichkeitsgefühl  der  Eltern  beschränken  würde.  Der 
Referent  hat  schon  seit  sehr  langer  Zeit  Anstrengungen  gemacht  zu 
Gunsten  des  Schulbades,  die  anfangs  scheiterten.  Erst  jetzt  ist  die 
Strömung  etwas  günstiger.  Referent  ist  nicht  dafür,  dais  die  Kinder  etwas 
für  den  Gebranch  des  Bades  bezahlen  sollen,  weil  er  das  Schulbad  in 
mancher  Beziehung  auf  gleiche  Stufe  mit  dem  Turnunterricht  stellt. 

Herr  Schook  ist  der  Ansicht,  dafis  das  Verantwortlichkeitsgefühl  der 
Eltern  nach  Einführung  der  Schulbäder  entschieden  zunimmt ;  es  geht  dies 
schon  daraus  hervor,  dafs  die  Bäder  die  Eltern  zu  öfterem  Wechseln 
der  Wäsche  veranlassen.  Dals  die  besser  situierten  Kinder  för  die  Bäder 
bezahlen  sollen,  billigt  Referent  nicht;  es  sollen  alle  gleich  gehalten  sein, 
sonst  wollen  die  Zahlenden  mit  den  Nichtzahlenden  nicht  zusammen  baden. 


97 

Tmmerfiin  kaaa  Schook  das  Sdudbad  niit  dem  Tunimterrifliit  nicht  g^eich- 
steUeo,  wen  das.  Gesetz  wohl  den  letzteren,  nicht  aber  das  etßteare  tot- 
sehreibt;  er  rechnet  es  zu  den  „geHellschaftlichen  Tng^iden^,  deren  Yer- 
mehning  das  Gesetz  Terlangt.  Die  Beschwerden  einiger  Lehrerinnen  sind 
vorläufig  nicht  za  beseitigen;  wenn  sie  es  «shocking''  finden,  mOssen  sie 
Ton  der  Aufsicht  befreit  werden;  von  neu  eingestellten  Lehrerinnen  kami 
nuin  dann  verlangen,  dab  sie  die  Kinder  begleiten. 

Ans  diesen  Verhandlungen  wird  man  ersehen,  dab  anch  bei  nns  in 
Holland  die  Sache  mit  den  Schnlb&dem  nicht  nnr  in  Flnb  gebracht 
worden  ist,  sondern  dab  anch  flberall,  wo  das  Schnlbad  in  Wirkung  trat, 
gute  Erfolge  damit  erreicht  worden  sind. 

(Mitget.  Ton  Dr.  J.  M.  C.  MoüTON-Haag,) 


ftUitttre  JtUtetlttttjett. 

über  die  Beciehnngen  zwischen  Errnttding,  Banmsiiin  der  Halt 

und  MmskeUeiatug«  Einer  Besprechung  der  so  betitelten  Arbeit  yon 
Thadbaüs  L.  Bolton  (2.  H.  d.  4.  Bd.  der  von  Prof.  KaABPSUN-Heidel- 
berg  herausgegebenen  „Figychol,  Arb.*^)  durch  Dr.  H.  GurzmsN  (y^Mtd,- 
pädag.  Monatsschr.  f.  d.  ge$.  ßpracMlBunde*^ ,  Juni- Juli  1902)  entnehmen 
wir  folgendes: 

Zweck  der  Arbeit  Boltons  war  die  wissenschaftliche  Prttfung  der  Ton 
GsiESBACH  bei  seinen  ftsthesiometrischen  Messungen  (^Energetik  und  Hygiene 
des  Nervensystems  in  der  Schule*'.  Aroh.  f.  Hyg.  XXIY)  und  yon  Kbmsibb 
bei  seinen  ergographischen  Untersuchungen  („Arbeitshygiene  der  Schule 
auf  Grund  Ton  Ermfldungsmessungen*',  Berlin  1898)  erhaltenen  Resultate, 
and  der  aus  denselben  Ton  den  Autoren  gezogenen  Schlufsfolgerungen.  Hierzu 
war  es  nötig,  mit  Hilfe  möglichst  genauer  psychologischer  Versuche  zunächst 
festzustellen,  ob  und  inwieweit  sich  wirklich  ein  gesetzm&biger  Zusammen- 
hang zwischen  geistiger  und  körperlicher  Ermfidung  einerseits,  und  der 
Ranmschwelle  resp.  der  ergographischen  Leistung  andererseits  nachweisen 
liebe.  Hierzu  wurde  an  einer  Reihe  aufeinanderfolgender  Tage  Tor  und 
osch  einer  ermüdenden  Arbeit  eine  Reihe  von  Bestimmungen  der  Raum- 
schwelle mit  dem  Ästhesiometer  und  der  Muskelleistung  mit  dem  Ergo* 
graphen  ansgefbhrt.  Als  Ermfldungsarbeit  benutzte  Bolton  das  fort- 
schreitende Addieren  einstelliger  Zahlen  bis  100  nach  dem  yon  Öhbn 
eingeführten  Verfahren.  Die  Dauer  dieser  Arbeit  wechselte  anfangs  zwischen 
Vs,  1  und  2  Stunden,  später  wurde  stets  eine  Arbeitszeit  yon  2  Stunden 
gewählt.  Zum  Vergleich  wurden  Tage  eingeschoben,  an  denen  2  Stunden 
lang  geruht,  und  solche,  an  denen  2  Stunden  lang  spazieren  gegangen  wurde. 
Um  den  Verlauf  der  Ermfldungswirknngen  yerfolgen  zu  können,  wiederholte 
Bolton  die  Prttfungsaufgaben  nicht  nur  unmittelbar  nach  der  Ermfldungs- 
arbeit, sondern  noch  einmal  Vt  Stunde  spater.  In  der  Zwischenzeit  wurde 
bald  gearbeitet  und  bald  geruht. 

6* 


98 

Bei  den  ÄsthesiometerprOfangen  wurde  die  SteUe  über  der  Nasen- 
wurzel (die  Glabella)  benntzt.  Das  GBiESBACHsche  Ästhesiometer  erwies 
sich  als  zu  schwerfällig.  Bolton  yerbesserte  es,  aber  bei  dieser  Yer- 
besserung  war  es  trotz  aller  Sorgfalt  anmöglich,  beide  Spitzen  völlig 
gleichzeitig  aniznsetzen.  Zu  Anfang  wurde  mit  einem  Abstand  Yon  4  mm 
gemessen,  dann  wurden  die  Spitzen  immer  um  je  1  mm  yon  einander 
entfernt,  bis  der  Abstand  8  mm  betrag,  dann  wurde  wieder  verkleinert  um 
1  mm  bis  zu  4  herunter.  Diese  zehn  Berührungen  wurden  immer  viermal 
hintereinander  ausgeführt.  Auch  umgekehrt  wurde  häufig  verfahren  und 
mit  gröiserer  Entfernung  der  Spitzen  begonnen.  Zwischen  den  einzelnen 
Berührungen  wurde  stets  eine  Pause  von  10  Sekunden  gemacht,  so  dafs 
zu  einer  Versuchsgruppe  von  vier  Keihen  ungefähr  7  Minuten  erforderlich 
waren. 

Zu  den  ergographischen  Versuchen  wurde  die  von  Eeuepelin  an- 
gegebene Abänderung  des  Mossoschen  Ergographen  benutzt.  Das  Gesamt- 
gewicht, welches  bei  jeder  Bewegung  gehoben  werden  mulste,  betrug  ö  kg. 
Die  Hebungen  wurden  alle  zwei  Sekunden  vorgenommen,  bis  keine  Hebung 
mehr  möglich  war.  Nach  einer  Pause  von  einer  Minute  wurde  eine  neue 
Ermüdungskurve  gezeichnet,  nach  einer  weiteren  Pause  von  einer  Minute 
die  dritte. 

Nach  Möglichkeit  wurden  nun  bei  der  Versuchsperson  sämtliche  Um- 
stände in  Betracht  gezogen:  der  Gesundheitszustand,  die  Lebensweise, 
welche  möglichst  streng  geregelt  wurde,  die  für  das  Aufstehen  und  Schlafen- 
gehen bestimmte  Zeit,  welche  streng  innegehalten  wurde.  Die  Versuche 
waren  vormittags  gemacht;  die  Nachmittage  wurden  mit  Lesen,  Unter- 
haltung, Spazierengehen  verbracht. 

Die  Untersuchung  Boltons  ergab,  dafs  die  Resultate  sowohl  des 
Ergographen  wie  auch  die  Ästhesiometerprobe  in  Bezug  auf  die  Ermüdungs- 
messimgen  sehr  ungünstig  waren.  Bolton  hatte  beabsichtigt,  die  von 
Griesbach  und  Eemsies  mitgeteilten  Beziehungen  zwischen  Raumschwdle, 
Muskelleistung  und  geistiger  Ermüdung  zahlenmäfsig  zu  umgrenzen.  Es 
stellte  sich  jedoch  heraus,  dafs  sowohl  die  Raumschwelle,  wie  die  jeweilige 
Muskelleistung  grofsen  und  unberechenbaren  Schwankungen  unterlag.  Einiger- 
mafsen  zuverlässige  Durchschnittswerte  können  nur  aus  einer  sehr  grofsen 
Zahl  vollkommen  planmäßig  angelegter  Versuche  gewonnen  werden.  Die 
einzelne  Raumschwelle  oder  Ergographenkurve  hat  nicht  die  geringste  Be- 
weiskraft. Erst  dann,  wenn  wenigstens  eine  Reihe  von  Tagen  hindurch 
unter  sorgfiUtiger  Vermeidung  aller  konstanten  und  variablen  Fehler  gearbeitet 
wurde,  erschien  es  möglich,  die  Wirkung  bestimmter  Einflüsse  auf  jene 
Grofsen  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  festzustellen.  In  den  drei  Versuchs- 
reihen, die  Bolton  vornahm,  zeigte  sich,  dafs  der  angenommene  Zu- 
sammenhang zwischen  Raumschwelle  und  Ermüdungsgrad  nur  in  der  ersten 
Reihe  andeutungsweise,  in  der  zweiten  kaum,  in  der  dritten  durchaus 
nicht  zu  erkennen  war,  obgleich  die  erzeugten  Ermüdungsgrade  nachweis- 
lich recht  beträchtlich  waren.  Mit  Bestimmtheit  kann  der  Verfasser  sagen, 
dafs  die  Beeinflussung  der  Raumschwelle  durch  die  geistige 
Ermüdung,  wenn  es  überhaupt  eine  solche  Beeinflussung 
gibt,    eine     äufserst    geringfügige    und    unsichere   sein  mufs. 


99 

Damit  ist  natOiüch  jede  Möglichkeit  aasgesehlossen,  die  Baomschwelle 
in  MasBenimtersachtmgen  als  Mafs  der  Ermüdang  zu  benatzen  nnd  ans  ihr 
SchlflBse  Aber  die  Wirkungen  des  Unterrichts  zu  ziehen. 

Ähnliche  Resultate,  wie  bei  der  Prflfong  der  BanmschweUe,  zeigte 
die  Profang  der  Ergographenknrve.  Immerhin  ergab  sich  durch  planm&fisige 
Untersuchung,  dafs  wirklich  Beziehungen  zwischen  Muskelleistung  und 
geistiger  Tätigkeit  zu  bestehen  schienen,  jedoch  waren  sie  gerade  umgekehrter 
Art,  als  sie  Kbmsies  vorausgesetzt  und  aufgefunden  hatte,  denn  es  zeigte 
sich,  da(s  nach  zweistündigem  Bechnen  die  Muskelkraft  erhöht  war,  obgleich 
eine  recht  erhebliche  geistige  Ermüdung  aus  dem  Verlauf  der  Rechenarbeit 
mit  Sicherheit  hervortrat.  Dafis  Beziehungen  der  genannten  Art  überhaupt 
bestehen,  erscheint  unzweifelhaft,  jedoch  scheinen  sie  auiserordentlich  ver- 
wickelt zu  sein.  Bevor  also  Massenversuche  angestellt  werden,  müiste  die 
Wechselwirkung  zwischen  geistiger  Tätigkeit  und  Muskelleistung  im  ein- 
zelnen erst  mal  sorgfältig  geprüft  werden,  so  dafs  man  überhaupt  weiis, 
was  man  mit  der  Ergographenknrve  mifst.  Bolton  betont  auch  die 
Möglichkeit,  auf  dem  Wege  planmäfsiger  Erforschung  einen  tieferen  Einblick 
in  die  herrschenden  GesetzmäCsigkeiteu  zu  erreichen,  die  sich  schon  dadurch 
kennzeichne,  dafs  er  eiae  der  bisherigen  Ansicht  geradezu  widersprechende 
Wirkung  des  Rechnens  auf  die  Ergographenknrve  dargethan  habe,  und 
dadurch,  dals  sich  nach  einem  zweistündigem  Spaziergange  eine  Herab- 
setzung der  Muskelleistung  herausgestellt  habe. 

Schlielslich  meint  der  Verfasser,  dafs  bei  dem  überall  erkennbaren 
Ineinandergreifen  der  verschiedenartigsten  Einflüsse  es  vorläufig  jedenfalls 
als  zweifelhaft  bezeichnet  werden  müsse,  ob  Ermüdungsmessungen  jemals 
in  eine  Form  gebracht  werden  könnten,  die  sie  für  Massenuntersuchungen 
geeignet  mache,  wenn  man  sich  eben  nicht  auf  die  allergröbsten  Tatsachen 
beschränken  wolle.  Sollte  es  aber  doch  gelingen,  so  sei  dies  sicherlich  nur 
dadurch  zu  erreichen,  dafis  wir  durch  sorgfältige  und  umfassende  Vor- 
prüfungen uns  die  genaueste  Kenntnis  von  den  Wechselbeziehungen  der 
verschiedenartigsten  Formen  geistiger  wie  körperlicher  Ermüdung  ver- 
schaffen. 

Die  Schlulssätze  der  Arbeit  Boltons  lauten  folgendermafsen :  1.  Das 
GBiESBACHsche  Ästhesiometer  ist  für  feinere  Raumschwellenuntersuchungen 
oDgeeignet.  2.  Die  Bestimmung  einer  einigermaCsen  zuverlässigen  Raum- 
schwelle erfordert  eine  so  grofse  Zahl  planmäßig  angeordneter  Einzel- 
versuche,  dals  sie  in  einer  einzigen  Sitzung  wegen  der  bald  auftretenden 
Ermüdungserscheinungen  unmöglich  ist.  3.  Irgendwelche  gesetzmäbige  Be- 
ziehungen zwischen  Gröfse  der  Raumschwelle  und  Grad  der  geistigen 
Ermüdung  haben  sich  bisher  auch  in  wochenlang  ausgedehnten,  sorgfältig 
durchgeführten  Versuchsreihen  nicht  nachweisen  lassen.  4.  Die  Raum- 
schwelle ist  in  keiner  Weise  als  Mafs  für  die  Ermüdungswirkung  einer 
geistigen  Arbeit  verwertbar.  5.  Die  Ergographenleistnng  wird  durch  zwei- 
stündiges Addieren  erhöht,  durch  zweistündiges  Spazierengehen  herab- 
gesetzt. 6.  Die  Ergographenknrve  liefert  durchaus  kein  Mab  fOr  die 
Grölse  der  geistigen  Ermüdung. 

(Wir  haben  schon  wiederholt  ausgesprochen,  dals  wir  die  praktischen 
ScUuMolgerungen   für  die  Schule,    die  aus  den  vorhandenen  Ermüdungs- 


100 

itieisraiigen  mit  Bezng  auf  StnndeiiplaD,  geteilten  oder  angefeilten  IJiiteiiicht, 
EÜnfÜgimg  d&  Tittiistttiideii  etc.  etc.  gezogen  -worden  sind,  ftr  verfr&ht 
und  wissenschaftlich  nicht  genügend  begründet  halten.  Schon  die  Arbeiten 
Ton  Lbitba  nnd  Obeb.etzKO'WBKT  hatten  nns  in  dieser  Ansohäntihg  be- 
slfiiltt  ttnd  gezeigt,  dab  die  Scholleitangen  allen  Grand  habdü,  den 
Forderungen  gegehaber,  irekhe,  gestatzt  auf  die  ünteMnchnngen  Otoxs- 
BAOHB,  WAaiTBBs  etc.  TOn  vielen  Seiten  an  sie  berantreten,  grolse  ZürQck- 
haltong  za  bewahren.  Die  dnnihans  objektive  A^rbeit  Bolto'ns  besitzt  für 
die  Entscheidung  dieser  Frage  einen  groben  Wert.     P.  Red.) 

Die  KesguDg  der  Helligkeit  Ten  ArbettspMteMi  in  Selmleii. 

Im  „Jomnal  fW  ChMbOeuehUmg'' ,  Bd.  45,  738  (1902),  beschreibt  Dr. 
Hirao  Kbüss  (Hambnrg),  der  Vorsitzende  des  Deutschen  Vereins  ftlr 
Mechanik  und  Optik,  zwei  neue  Apparate,  welche  ermöglichen  soDen,  in 
einfacher  und  beqaetner  Weise  die  Helligkeit  von  Arbeitsplätzen  zu  be- 
stimmen. 

Der  erste  dieser  Apparate  ist  von  Baurat  Aktok  WincKen  in  Bonn 
erdacht  und  von  ihm  „Helligkeitsprfifer''  benannt  worden.  Mittels  desselben 
kann  in  sehr  kurzer  Zeit  geprflft  werden,  ob  eine  bestimmte,  als  erforder- 
lich erkannte  Helligkeitsstnfe  auf  einem  Arbeitsplatze  vorhanden  ist.  Als 
solche  Helligkeitsstufen  bieten  sich  dar  die  yon  Prof.  Dr.  Hebmann  Gohn 
(Breslau)  aufgestellten  Forderungen,  dab  mindestens  eine  Flftchenhelligkeit 
von  10  Meterkerzen  (im  roten  Lichte)  vorhanden  sein  mufs,  um  überhaupt 
längere  Zeit  lesen  zu  können,  dafe  aber  ein  guter  Arbeitsplatz  eine  Hellig- 
keit Yon  50  Meterkerzen  haben  solle. 

Der  WiNaENsche  Helligkeitsprttfer  besteht  in  einem  viereckigen  ge- 
schlossenen Kasten,  welcher  eine  von  auisen  in  ihrer  Flammenlänge  za 
verändernde  Benzinlampe  enthält.  Bei  einer  bestimmten,  durch  Visier- 
marken an  den  Wänden  des  Kastens  bezeichneten  Flammenhöhe,  wird  diese 
Benzinlampe  auf  einem  weilsen  Karton,  welcher  am  Boden  des  Kastens 
dicht  an  der  der  Lampe  gegenüberliegenden  Wand  angebracht  ist,  eine 
bestimmte  Flächenhelligkeit  hervorbringen.  Die  Marken  fOr  die  Flammen- 
höhe entsprechen  Flächenbelligkeiten  des  Kartons  von  10,  20,  30,  40 
und  60  Meterkerzen.  Unmittelbar  neben  dem  Karton  im  Innern  des 
Kastens  ist  nach  auisen  ein  Ansatz  angebracht,  welcher  ebenfalls  mit  *einem 
Stück  weifsen  Kartons  bedeckt  ist.  Mit  diesem  Ansatz  wird  der  Kasten 
auf  den  zu  prüfenden  Arbeitsplatz  gestellt. 

Die  beiden  Kartons  werden  durch  ein  an  der  Seitenwand  angebrachtes, 
mit  rotem  Glase  versehenes  Okularrohr  betrachtet  und  in  Bezug  auf  ihre 
Helligkeit  miteinander  verglichen.  Erscheint  der  äuJsere  Karton  heller  als 
der  innere,  so  hat  er  eine  gröfsere  Flächenhelligkeit  als  diejenige,  auf 
welche  die  Flamme  eingestellt  ist,  erscheint  er  dunkler,  so  hat  er  eine 
geringere. 

Man  kann  mit  dem  WiNasNschen  Helligkeitsprttfer  die  sämtlichen 
Plätze  einer  Schulklasse  in  kurzer  Zeit  auf  ein  bestimmtes  Helligkeitsmafs 
prüfen  und  sich  ein  zutreffendes  Bild  von  der  Helligkeitsverteilung  ver- 
schaffen. 

Der  zweite  Apparat  ist  von  Kbübs  konstruiert;  er  soll  nicht  zur 
stafenweisen  Prüfung,  sondern  zur  wirklich  genauen  Messung  der  Flächen- 


101 

helligkeit  dienen,  deren  Betrag  ohne  weitere  Rechnnng  direkt  an  einer 
Skala  abgelesen  werden  kann. 

Als  Vergldchslichtqnelle  ist  hier  die  Hefherlampe  gewfthlt,  so  dafi 
man  mit  der  wirklichen  Lichteinheit  arbeitet.  Der  sie  enthaltende  Kasten 
ist  dnrch  einen  ausziehbaren  Balg  mit  einem  LüMHEfi-BBODHUimhen  Photo- 
meterkopf yerbnnden,  dessen  eine  Seite  die  Hefherlampe  beleuchtet.  Ans 
ihrer  Entfernung  in  Metern  Tor  dem  Photometerschirm  ergibt  sieh  ohne 
weiteres  die  Flftchenhelligkeit  in  Meteikerzen.  Der  Photometerkopf  weicht 
aber  von  der  sonst  fiblichen  Form  insofern  ab,  als  die  zweite  Seite  des 
Photometerschirms  nach  aulsen  verlegt  ist,  so  dafs  sie  unmittelbar  auf  den 
Arbeitsplatz,  dessen  Helligkeit  gemessen  werden  soll,  gebracht  werden  kann. 

Der  Apparat  erlaubt  ohne  weiteres  eine  genaue  Messung  innerhalb 
des  Intervalls  von  4  bis  100  Meterkerzen;  um  den  Mebbereieh  erheblich 
zu  erweitem,  ist  innerhalb  des  Photometerkopfes  ein  Rauchglas  angebracht, 
welches  die  Helligkeit  auf  genau  ein  Zehntel  herunterbringt  und  welches 
sowohl  in  den  Verlauf  der  von  der  Hefnerlampe,  als  der  von  dem  Arbeits- 
platz kommenden  Strahlen  gebracht  werden  kann.  Dadurch  vermag  man 
mit  dem  Apparat  Flachenhelligkeiten  von  0,4  bis  1000  Meterkerzen  zu 
messen. 

Der  ganze  Photometerkopf  ist  um  seine  Achse  drehbar,  so  dafs  man 
die  Yergleichsfl&che  auch  in  andere  als  horizontale  Lage  bringen  kann,  ihr 
Winkel  gegen  die  Horizontale  kann  an  einem  Teilmafse  abgelesen  werden. 

Beide  Apparate  sind  bestimmt,  einander  zu  ergänzen.  Wfthrend  der 
billige  und  einfach  zu  handhabende  WiNGEKsche  LichtprUfer  in  den  ver- 
schiedenen Schulen,  Bureaux  und  sonstigen  einer  Stadtverwaltung  unter- 
stellten Anstalten  in  gröfserer  Anzahl  zur  st&ndigen  Eontrolle  der  Hellig- 
keitsverh&ltnisse  vorhanden  sein  mülste,  würde  das  genauere  aber  auch 
kostspieligere  KBÜsssche  Instrument  zur  Helligkeitsmessung  vielleicht  nur 
in  einem  Exemplar  beschafft  werden,  um  einerseits  die  kleineren  Apparate 
gelegentlich  zu  prüfen,  andererseits  in  besonderen  und  streitigen  Fällen 
eine  zuverlässige  Entscheidung  zu  ermöglichen. 

Die  Karre  als  Feind  der  Kindergeanndheit.  In  ärmeren  Volks- 
schichten spielt  die  Karre  als  Transportmittel  eine  nicht  geringe  Rolle. 
Zu  Hunderten  ziehen  Männer  und  Frauen  mit  ihr  in  die  Heide,  um  den 
Winterbedarf  an  Holz  allmählich  herbeizuschaffen.  Aber  auch  in  land- 
wirtschaftlichen Kreisen  ist  die  Karre  nicht  selten  unbedingt  notwendig, 
namentlich  da,  wo  Terrainsteigungen  bedeutender  Art  den  Verkehr  mit 
Wagen  nur  schwer  zulassen,  wie  beispielsweise  in  den  Obstbezirken  der 
Mark  Brandenburg  (Guben,  Werder).  Die  Tagesemten  an  Obst,  Beeren, 
Gemüse  und  dergleichen  sind  vielfach  auch  so  bemessen,  dafs  sie  einem 
Wagen  nicht  Ladung  genug  geben,  daher  denn  die  einräderige  Schiebe- 
karre  am  zweckmälsigsten  erscheint.  Bei  der  oftmals  schweren  Ladung 
wird  die  Jugend  allgemein  zu  Vorspanndiensten  herangezogen,  was  wir  im 
Hinblick  auf  deren  Gesundheit  tief  bedauern.  Der  um  die  Brust  ge- 
schlungene Strick  oder  das  breitere  Band  müssen  notwendigerweise  die 
noch  biegsamen  Brustknochen  zusammendrücken  und  die  Ursache  zu  der 
flachen  Brust  bilden,  deren  Nachteile  niemals  gänzlich  verschwinden  können. 
Derartige  Personen  werden  meistens  an  Engbrüstigkeit  und  Nasenblutungen 


102 

leiden,  wenig  Ansdaner  im  Laufen  haben  und  der  Regel  nach  znin  Militär- 
dienst ontanglich  sein.  Eltern,  Lehrer  nnd  alle,  denen  das  Wohl  der 
Jngend  am  Herzen  liegt,  sollten  sich  deshalb  die  Beseitigung  der  Ge- 
wohnheit des  Earrenziehens  in  genannter  Weise  angelegen  sein  lassen. 
Wenn  schon  die  Yorspanndienste  der  Jngend  nicht  zu  entbehren  sein 
sollten,  so  möge  wenigstens  die  Bmstschlinge  beseitigt  werden.  Allerdings 
wird  das  Ziehen  dadnrch  nnbeqnem  und  es  kann  auch  nicht  die  ganze 
Eörperkraft  des  Kindes  zur  Anwendung  kommen;  das  dürfte  aber  kein 
Grund  sein,  den  alten  Znstand  beizubehalten.  Wir  sind  ganz  und  gar 
für  eine  angemessene  Heranziehung  der  Jugend  zur  Unterstdtzung  der 
Eltern,  sowohl  aus  wirtschaftlichen,  als  auch  aus  erziehlichen  Gründen;  es 
gibt  aber  so  viele  gesunde  Beschäftigungen,  dafs  man  notorisch  schädliche 
unbedingt  beseitigen  sollte.     (Mitgeteilt  von  C.  Richteb  in  Straulsberg.) 

Über  die  Bedeutimg  der  Erziehung  und  Belehrung  ffir  lUe 
Prophylaxe  der  venerischen  Krankheiten  sprach  Kabolina  Wideb- 
STBÖM  in  der  Gesellschaft  Schwedischer  Ärzte.  Rednerin  betonte  —  wie 
wir  einem  Bericht  des  y,Nord.  Med.  Ark,^  entnehmen  —  die  Notwendig- 
keit einer  Aufklärung  der  älteren  Knaben  und  Mädchen  über  geschlecht- 
liche Verhältnisse,  weist  aber  auch  auf  die  Schwierigkeiten  hin,  die  einer 
Behandlung  derartiger  Fragen  in  der  Schule  sich  entgegenstellen.  Der 
richtige  Gang  eines  solchen  Unterrichts  sei  zunächst  die  Darstellung  der 
Anatomie,  Physiologie  und  Hygiene  der  Geschlechtsorgane.  Dieser  Unter- 
richt sei  dem  in  der  allgemeinen  Hygiene  anzugliedern,  aber  allen  in 
Schulen  eingeführten  Lehrbüchern  dieser  Disziplin  fehle  das  Kapitel  über 
die  Geschlechtsorgane.  Erst  in  den  letzten  Jahren  habe  man  an  höheren 
Mädchenklassen  begonnen,  diesem  Mangel  durch  mündlichen  Unterricht 
von  selten  weiblicher  Ärzte  abzuhelfen,  bislang  jedoch  nur  an  einigen  wenigen 
Lehranstalten  Stockholms.  Rednerin  glaubt  nicht,  dafs  die  Zeit  für  eine 
allgemeine  Einführung  eines  derartigen  Unterrichts  schon  gekommen  sei. 
Sie  erwartet  für  die  Jugend  mehr  Erfolg  von  der  stärkeren  Betonung 
ethischer  Prinzipien  überhaupt;  die  Schule  soll  dem  heranwachsenden 
Geschlecht  Ideale  mit  ins  Leben  geben,  die  stark  genug  sein  müssen,  um 
allen  Verlockungen  zu  widerstehen.  Eltern  und  Lehrer  haben  besonders 
darauf  zu  achten,  dafis  die  Kinder  ihre  ersten  Begriffe  von  sexuellen  Dingen 
aus  reinen  Quellen  erhalten,  und  es  sei  bei  allen  derartigen  Unter- 
weisungen die  mündliche  Darlegung  der  schriftlichen  vorzuziehen. 

Die  Desinflziernng  ven  Schnlbfichern  wird  nach  Mitteüung  des 
„Joum,  of  Americ.  Med.  Assoc."  (No.  16)  in  Buffalo  konsequent  durch- 
geführt. Nicht  weniger  als  54000  Bücher  sind  von  den  Beamten  des 
Gesundheitsrats  bis  jetzt  vermittels  Formaldehydgases  desinfiziert  worden. 

Eine  nene  Ventilationseinrichtang  für  Schnlzimmer  wird  vom 

Stadtbaumeister  Mössneb  in  Ludwigsburg  im  „Techn.  Gemeindebl,^  (No.  2) 
beschrieben.  Dieselbe  ist  von  Geobg  Sohneideb  versuchsweise  in  einem 
Schulzimmer  des  Ludwigsburger  Gymnasiums  eingerichtet  worden  und  ist 
folgendermafsen  konstruiert : 

1.  An  der  Decke  werden  zwei  Luftkanäle  mit  einem  Profil  von 
20  X  22  cm  angebracht,  welche  beinahe  bis  auf  die  ganze  Zimmertiefe 
reichen  und  mit  der  Aulsenluft  verbunden  sind.     Diese  von  Holz  herge- 


103 

stellteo  KanAle  haben  seitlich,  in  Abständen  von  10  cm,  oben  und  onten 
15  mm  weite  Öffnungen,  durch  welche  frische  Lnft  in  gleichm&isig  ver- 
teilter Weise  in  das  Zimmer  ausströmt.  Um  bei  besonders  kaltem  Wetter 
tkber  Nacht  keine  zu  grolse  Abkühlung  im  Schulzimmer  zu  erhalten,  sind 
an  den  Luftschlftuchen  Schieber  angebracht,  durch  welche  eine  teüweise 
Absperrung  der  Aulsenluft  ermöglicht  wird. 

2.  um  die  kalte  Luft,  welche  durch  die  Abktihlung  an  den  Fenstern 
entsteht  und  die  zu  Boden  sinkt  und  denselben  erk&ltet,  abzuhalten,  ist 
entlang  der  Fensterwand  ein  Luftkanal  hergestellt,  welcher  diese  Luft 
absangt.  Dieser  Kanal,  der  in  Verbindung  mit  dem  Ofen  gebracht  ist, 
ist  als  Brüstung  hergestellt,  und  bei  den  Fenstern  sind  auf  ein  Drittel  der 
Fensterhöhe  immer  sogenannte  Yorfenster  angebracht,  so  dafs  die  kalte 
Lnft  zwischen  den  beiden  Fenstern  dem  Luftkanal  zugeführt  und  vom 
Ofen  abgesaugt  werden  kann. 

3.  Zur  Ableitung  der  verbrauchten  Luft  ist  ein  Abzugsschacht  von 
0,25  qm  Querschnitt  hergesteUt,  welcher  bis  über  das  Dach  hinausgeführt 
wird.  Derselbe  ist  in  den  Stockwerken  von  Gipsdielen  ausgeführt,  im  Dach- 
stock aber  von  Holz.  Im  Schulzimmer  selbst  ist  sodann  am  Boden  und 
an  der  Decke  im  Abzugskanal  eine  verstellbare  Klappe  angeordnet,  welche 
je  nach  Bedür£us  geöffiiet  werden  kann.  Im  Winter  soll  in  der  Regel 
nur  die  Klappe  über  dem  Fuisboden  geö&et  werden. 

4.  Der  Ofen  ist  auf  eine  Höhe  von  1,5  m  mit  einem  doppelten 
eisernen  Mantel  versehen,  so  daCs  also  die  strahlende  Wärme  möglichst 
Tennieden  wird. 

Bis  jetzt  soll  sich  diese  Einrichtung  gut  bewährt  haben;  die  Luft  im 
Zisuner  soll  ziemlich  rein,  ein  Zug  nicht  fühlbar  sein;  ein  öffnen  der 
Fensterflügel  in  der  Pause  soll  nicht  nötig  sein.  (Warum  dies  als  Vorzug 
gerahmt  wird,  ist  uns  nicht  recht  verständlich.     D.  Red.) 

Über  KohlenoxydYergittmig  in  einer  Schule  berichtet  Med.-Rat 
MAiEB-Heilbronn  im  y^Med,  Korrespondenebl.  d.Württ.  ärMÜ. Landesvereins*'' 
(1902,  No,  43).  Nach  dem  Bericht  der  betreffenden  Lehrerin  hatte  am 
13.  April  vorigen  Jahres,  etwa  eine  halbe  Stunde  nach  Beginn  des  Yor- 
mittagsunterrichts,  ein  Knabe  angefangen  zu  schwanken  und  sich  zu  drehen ; 
bald  darauf  wurde  es  einem  zweiten  Knaben  schlecht  und  kurz  nachher 
f&hlte  sich  die  Lehrerin  selbst  ganz  schwach.  Sie  wurde  dann  sehr 
bald,  und  verhältnismäfsig  plötzlich,  ohnmächtig  und  ist  mit  10 — 12  in- 
zirischen  ebenfaUs  eitoankten  Kindern  von  den  zu  Hilfe  gekonunenen 
Personen  auf  dem  Boden  liegend  gefunden  worden,  während  sich  die  übrigen 
Kinder  schreiend  und  weinend  aus  der  Schule  geflüchtet  hatten.  Nachdem 
die  Kranken  ins  Freie  getragen  worden,  haben  sich  einige  alsbald  wieder  erholt, 
Andere  erst  nach  längerer  Zeit;  die  schwerer  £rkrankten  —  acht  an  der 
Zahl  —  wurden  in  ärztliche  Behandlung  genommen  und  waren  nach  24 
Stnnden  wieder  gesund  und  munter,  so  dafs  der  Unfall  glücklicherweise 
ohne  weitere  schlimme  Folgen  vorübergegangen  ist.  Es  handelte  sich  bei 
den  Erkrankten  zweifellos  um  eine  Kohlenoxydvergiftung,  deren  Ursache 
in  einer  mangelhaften  Verbindung  des  Ofens  mit  dem  Ofenrohre  zu 
suchen  war.  Der  Ofen,  ein  sogenannter  Mantelofen,  zeigte  nach  Ent- 
fernung des  Mantels    einen  ganz   bedeutenden  Defekt   in  der  Wand  des 


104 

inneren  Mantels,  also  des  eigentlichen  Ofens.  Es  war  hier  das  Blech  auf 
beiden  Seiten  durchgebrannt,  so  dafs  beiderseits  eine  grobe  Öfinnng  ent- 
standen war.  Der  Defekt  in  dem  inneren  Mantel  war  wahrscheinlich  all- 
mählich entstanden;  solange  nnn  die  Verbindung  des  Ofens  mit  dem  Ofen- 
rohr noch  gat  und  demzufolge  der  Zug  gegen  das  Kamin  ziendich  stark 
war,  wurden  die  Gase  ins  Kamin  fortgerissen;  nachdem  aber  die  Verbindung 
des  Ofens  mit  dem  Ofenrohr  gelockert  war,  hörte  dieser  Zug  gegen  das 
Kamin  auf,  die  Kohle  im  Ofen  verbrannte  nur  langsam,  so  daft  sich  statt 
Kohlensäure  Kohlenoxyd  bildete,  das  durch  die  Defekte  im  inneren  Mantel 
in  den  Raum  zwischen  äufseren  und  inneren  Mantel  gelangte,  hier  empor- 
stieg und  sich  der  Luft  des  Schulzimmers  beimengte.  Interessant  war 
hierbei  der  Umstand,  dafs  sich  die  Lehrerin  und  die  ohnmächtig  gewordenen 
Kinder  nicht  in  der  Nähe  des  Ofens,  sondern  in  der  diesem  gegentlber 
gelegenen  Ecke  des  Zimmers  befanden.  Das  giftige  Gas  ist  daher  Tom 
Ofen  an  die  Decke  emporgestiegen,  hat  seinen  Weg  der  Decke  entlang 
genommen  und  ist  dann  an  der  dem  Ofen  entgegengesetzten  Wand  des 
Zimmers  herabgesunken. 

Sehnle  und  Alkohol.  Vorschläge  des  Sehweiceriselieit  Vereins 
abstinenter  Lehrer  nnd  Lehrerinnen.  Diese  Vorschläge  lauten  nach 
dem  ^Karrespondenzll.  f.  stud.  Äbstin.'^   (1903,  No.  4)  folgendermalsen : 

„a)  Die  lernende  Jugend  ist  im  Geiste  der  Enthaltsamkeit  und 
Nüchternheit  zu  erziehen.  In  den  Schulbüchern  sollen  alle  jene  Kapitel, 
in  welchen  die  Alkoholika  eine  günstige  Beurteilung  erfahren  und  welche 
in  Widerspruch  mit  den  Tatsachen  über  den  Alkohol  stehen,  ausgeschieden 
werden  nnd  durch  solche,  welche  im  Kampfe  gegen  die  Trunksucht  mitzu- 
wirken bestimmt  sind,  ersetzt  werden.  Auf  der  unteren  Stufe  der  Volks- 
schule können  die  Grundsätze  der  Enthaltsamkeit  im  Anschauungsunterricht, 
im  Lese-  und  Schreibunterricbt  den  Kindern  beigebracht  werden;  ein  selb- 
ständiger antialkoholischer  Unterricht  ist  hier  ausgeschlossen. 

b)  Auf  der  oberen  Stufe  der  Volksschule  ist  den  Kindern  die  Hygiene 
so  zu  lehren,  dafs  ihnen  klare  Begriffe  über  den  Wert  der  Erhaltung  der 
Gesundheit  und  die  ünverletzlichkeit  des  Körpers,  sowie  auch  über  die 
hohe  Bedeutung  der  ununterbrochenen  körperlichen  und  geistigen  Vervoü- 
kommnung  beigebracht  werden.  —  Die  Gesundheitslehre  sei  nicht  blofs 
Hygiene  des  Körpers,  sondern  auch  eine  solche  des  Geistes;  ein  besonderes 
Kapitel  bildet  die  hygienische  Bedeutung  des  Alkohols  nach  jeder  Rich- 
tung —  der  Alkoholismus  mit  all  seinen  Gefahren.  —  Die  Schulbücher 
sind  bei  Neuausgaben  den  wissenschaftlichen  Ergebnissen  der  Alkohol- 
forschung konform  zu  gestalten. 

c)  In  den  Seminarien  sind  die  zukt&nftigen  Lehrer  und  Lehrerinnen 
für  diesen  Unterricht  tüchtig  zu  machen,  indem  der  bisherige  anthropo- 
logisch-physiologisch-hygienische Unterricht  eine  Ergänzung  erhält  in  der 
Hygiene  des  Alkoholismus. 

d)  Die  gleiche  Aufgabe  wird  den  Mittelschulen  zugewiesen. 

e)  An  unseren  höchsten  Bildungsanstalten :  Akademien,  Hochschulen 
u.  s.  w.,  kann  der  Alkoholismus  auf  jeder  Fakultät  seine  Behandlung  er- 
fahren, denn  ein  allgemeines,  in  alle  Gebiete  des  sozialen  und  wirtschaft- 
lichen Lebens  eingreifendes  Übel  soll   auch  von  allen  Seiten  angegriffen 


10b 

und  l)€hftinpft  werden,  sowoU  Yon  selten  der  Jnriöpmdenz,  der  Staats- 
^konomie,  der  FhiloBophie,  wie  der  Medizin  und  der  Theologie. 

f )  Bei  den  vom  Bunde  subventionierten  Anstalten  dttrfte  das  Vorgehen 
des  österreichischen  Ministeriums  ftr  Kultus  nnd  Unterricht  wegleitend 
sem.  In  den  bemf  liehen  Fortbildnngsschnlen  mangelt  überhaupt  bis  heute 
im  allgemeinen  der  hygienische  Unterricht.  In  den  hauswirtschaftlichen 
Fortbildungs-  und  Berufsschulen  mOlste  die  BerQcksichtigung  der  Hygiene 
des  AlkolU)lismus  In  der  Gesundheitslebre  von  grolsem  Erfolge  be- 
gleitet sein." 

Hvtemtekuiig  der  ZSbne  bei  Sehvlkindern.  Durch  den  Zahnarzt 
Dr.  KasIiEWSKI  wurde  mit  Genehmigung  der  Schulbehörde  im  Laufe  des 
vorigen  Sommers  eine  zahnärztliche  Untersuchung  sämtlicher  Yolksschul- 
kinder  in  Kbeydt  vorgenommen.  Diese  Untersuchung  hatte,  wie  die 
^FSdOff.  Bef,"  (1902,  No.  53)  berichtet,  das  betrübende  Ergebnis,  dais 
von  etwa  5900  Kindern  nur  4,37  %  ein  vollständig  gesundes  Gebiis  auf- 
wiesen, während  die  übrigen  Kinder  zusammen  etwa  30000  kranke  Z&hne 
hatten.  Um  dem  Übelstand  emigermafsen  entgegenzutreten,  wurden  sfimt- 
lieben  untersuchten  Kindern  Zettel  eingehändigt,  in  denen  auf  die  Not- 
wendigkeit einer  rechtzeitigen  und  rationellen  Mund-  und  Zahnpflege  und 
auf  die  einfachste  Art  ihrer  Ausübung  hingewiesen  wird. 

TsberknlSse  Belastung;  und  Oltfenkrankheiten  bei  Sehnlkindern. 

Prof.  OSTMAKN  hatte,  wie  er  in  der  y^MOmh,  med.  Wochenschr.^  (1902, 
No.  20)  mitteilt,  in  Marburg  sämtliche  Volksschulkinder  auf  Krankheiten 
des  Ohres  untersucht  und  hierbei  gefunden,  dafs  von  7537  Kindern  im 
Alter  von  5  bis  18  Jahren  2141  =  28,4  Vo  ohrenkrank  waren.  Verfasser 
beschränkte  dann  später  seine  Untersuchungen  auf  acht  Landgemeinden, 
von  denen  sämtliche  Schulkinder,  normal-  wie  schwerhörige,  nach  ihrer 
FamilienzugehOrigkeit  gruppiert  und  fQr  jede  der  Familien  festgestellt  wurde, 
ob  tuberkulöse  Belastung  vorlag  oder  nicht.  Im  ganzen  wurden  676  Kinder 
vom  5.  bis  13.  Lebensjahre  untersucht;  162  =  23,9^/0  derselben  waren 
schwerhörig,  d.  h.  hörten  auf  einem  oder  beiden  Ohren  nur  auf  etwa  ein 
Drittel  der  normalen  Entfernung  oder  weniger.  Beim  Vergleich  mit  der 
tuberkulösen  Belastung  der  Familien  dieser  Kinder  ergab  sich,  dais:  1.  die 
tuberkulösen  Familien  prozentualisch  doppelt  soviel  schwerhörige  Kinder 
haben  als  die  gesunden  Familien;  2.  unter  denjenigen  Familien,  welche 
die  relativ  meisten  schwerhörigen  Kinder  haben,  sich  auch  relativ  am 
häufigsten  tuberkulöse  Belastung  der  Kinder  (73,4%)  findet;  3.  unter  den 
tuberkulösen  Familien  sich  bei  deigenigen,  welche  die  relativ  gröfste  Zahl 
schwerhöriger  Kinder  haben,  auch  relativ  am  häufigsten  die  schwerste 
Form  der  tuberkulösen  Belastung  des  Kindes  findet;  4.  die  tuberkulöse 
Belastung,  die  Entstehung  von  Ohrenerkrankungen  fördert  und  einen  un- 
günstigen Einfluis  auf  den  Ablauf  der  entstandenen  Ohrenerkrankung  ausübt, 
und  zwar  um  so  mehr,  je  schwerer  die  Belastung  ist.  Das  Bindeglied 
zwischen  der  tuberkulösen  Belastung  der  Familien  und  den  Ohrenerkran- 
kungen der  Kinder  erblickt  VeHasser  in  der  erhöhten  Vulnerabilität  der 
Nasen-  und  Bachenschleimhant,  einschlielslich  des  in  ihr  eingeschlossenen 
adenoiden  Gewebes,  und  sodann  in  der  geringeren  Widerstand&raft  des 
Gesamtorganismus  dieser  Kinder  gegen  schädigende  Einflüsse  aller  Art. 


106 

Über  die  schädlichen  Folgen  alkufrfihen  Schnlbesnchs  berichtet 
Dr.  A.  Newsholme,  med.  off.  of  health  for  Brighton,  im  j^Publ  Health^, 
(XIV,  Juli  1902.)  Am  Ende  des  Schuljahres  1900/1901  wurden  die 
Elementarschulen  von  England  und  Wales  von  insgesamt  ca.  6700000  Scbul- 
kindem  besucht.  Von  diesen  standen  im  Alter  von  2 — 3  Jahren  3253, 
3—4  Jahren  205744,  4—5  Jahren  418742,  5—6  Jahren  583167  Kinder. 

Der  Autor  weist  nun  darauf  hin,  da£s  dieser  gar  zu  frühzeitige  Schul- 
besuch erziehliche  Vorteile  nicht  bringt,  jährlich  dem  Staate  1  Million 
Sterling  unnötige  Kosten  verursacht,  die  körperliche  und  seelische  Ent- 
wicklung der  Kinder  schädigt,  die  Morbidität  an  Infektionskrankheiten 
erhöht  und  die  allgemeine  Mortalitätsziffer  steigert. 

Interessant  ist,  dafs  in  Schottland  von  allen  Schulkindern  nur  2,2  %  das 
Alter  von  fünf  Jahren  nicht  erreicht  hatten,  während  in  England  der  Prozent- 
satz 10,9  ist.  Im  Durchschnitt  ist  die  schottische  Bevölkerung  trotzdem 
weiter  voran,  besser  erzogen,  als  die  englische.  Dazu  kommt  allerdings 
auch,  dafs  für  die  geistige  Entwicklung  die  häuslichen  Verhältnisse  dort 
günstiger  zu  sein  scheinen,  als  in  England. 

Die  Luft  in  den  Schulklassen  bei  den  jüngsten  Kindern  ist  bei  einer 
Schfilerzahl  von  60 — 70  Kindern  trotz  aller  Lüftungsvorrichtungen  eine 
hochgradig  verdorbene.  Die  einfachste  Häuslichkeit  ist  für  die  körperliche 
Entwicklung  der  Kleinen  günstiger,  als  solch  eine  überfüllte  Klasse.  Kommen 
nun  noch  Infektionskrankheiten  dazu,  so  ist  der  Schaden  ein  gewaltiger. 
Nach  der  Erfahrung  des  Autors,  als  Medizinalbeamten,  ist  der  Schulbesuch 
unter  fünf  Jahren  eine  wesentliche  Ursache  dafür,  dafs  Masern,  Scharlach, 
Keuchhusten  und  Diphtherie  so  sehr  rasch  und  in  so  verhängnisvoller 
Weise  epidemische  Verbreitung  erlangen. 

Möglichst  frühes  Schliefsen  der  Schule  hält  Verfasser  nach  seiner 
persönlichen  Erfahrung  für  ein  unzweifelhaft  wirksames  Mittel  im  Kampfe 
gegen  die  einheimischen  Infektionskrankheiten,  insbesondere  bei  Diphtherie. 
^Allerdings  kommen  auch  nach  Schlufs  der  Schule  die  Kinder  in  den 
Nachbarhäusern  und  auf  der  Stra&e  miteinander  in  Berührung,  und  es 
scheint  dem  gesunden  Menschenverstand  zu  widersprechen,  eine  Schule  zu 
schliefsen  und  dabei  doch  einen  Verkehr  in  Haus  und  Strafse  zu  gestatten. 
In  der  Praxis  aber  zeigt  sich  der  Schulschlufs  wirksam,  und  wenn  es  bei 
Diphtherie  nicht  gelingt,  das  epidemische  Ausbreiten  durch  Ausschlufs  der 
verdächtigen  Kinder  vom  Schulbesuche  einzudämmen,  so  gibt  es  kein 
anderes  so  wirksames  Mittel  als  den  Schulschlufs.  Gesunde  und  Kranke 
kommen  aufserhalb  der  Schule  eben  doch  nicht  in  so  nahe  Berührung 
als  in  derselben,  besonders  wenn  sie  zu  60  in  einer  Klasse  zusammen- 
sitzen. Dasselbe  gilt  für  Scharlach  in  geringerem  Mafsstabe,  mehr  für 
Masern  und  Keuchhusten.*' 

Verfasser  empfiehlt  Kleine-Kinder-Bewahranstalten,  die  derart  zu  stände 
kommen  sollen,  dafjs  sich  in  einer  bestimmten  Strafise  die  Mütter  zu- 
sammentun und  abwechselnd  die  Fürsorge  der  eigenen  und  der  fremden 
Kinder  übernehmen.  Die  zuständigen  Orts-  und  Zentralbehörden  sollten 
aber  unter  allen  umständen  den  Schulbesuch  der  Kinder  unter  fünf  Jahren 
um  jeden  Preis  verbieten. 


107 


Ha^tt^tf^x^Hx^ti. 


Eine  Preisaufgabe  Ar  die  Errichtnng  Ten  Fertbildnngssebnlen 

ftr  junge  Mädeben  ist  yon  der  K.  Akademie  gemeiimütziger  Wissen- 
schaften zn  Erfurt  für  das  Jahr  1903  gestellt.  Dieselbe  lautet:  „Es  soll 
die  Notwendigkeit  Ton  Fortbildnngsschalen  fOr  die  ans  der  Volksschule 
entlassenen  jungen  Mftdchen  begründet  und  die  Organisation,  sowie  der 
Lehrplan  solcher  Schulen  den  modernen  Anforderungen  entsprechend  dar- 
gelegt werden.  **  Auf  die  beste  der  einlaufenden  Abhandlungen  ist  ein 
Preis  von  500  Mark  als  Honorar  gesetzt.  Der  Verfasser  tritt  das  Eigen- 
tomsrecht  an  die  E.  Akademie  ab,  welche  ausschliefsllch  befugt  ist,  dieselbe 
durch  den  Druck  zu  yeröffentlichen. 

Die  Abhandlung  ist  sauber  und  deutlich  auf  gebrochenen  Foliobogen 
zn  schreiben  und  in  edler,  allgemeinTerständlicher  deutscher  Sprache  ab- 
zufassen. Arbeiten  unter  20  und  über  50  Foliobogen,  sowie  solche,  welche 
den  obigen  Anforderungen  nicht  entsprechen,  bleiben  unberOcksichtigt. 

Bewerber  werden  ersucht,  ihr  Manuskript  in  der  Zeit  Tom  1.  Januar 
bis  zum  1.  Februar  des  Jahres  1904  an  den  Königlichen  Bibliothekar, 
Herrn  Oberlehrer  Dr.  Emil  Stange  in  Erfurt,  einzureichen.  Dasselbe  ist 
mit  einem  Motto  zu  versehen,  darf  aber  den  Namen  des  Verfassers  nicht 
enthalten.  Ein  versiegeltes  Gouvert  ist  beizufügen,  welches  die  vollständige 
Adresse  des  Verfassers  und  das  gleichlautende  Motto  enthält. 

Die  Bewerber  werden  im  Laufe  des  Sommers  1904  von  dem  durch 
das  Preisrichter-EoUegium  gefällten  Urteil  in  Kenntnis  gesetzt.  Die  nicht 
prämiierten  Arbeiten  werden  vernichtet,  falls  nicht  die  Verfasser  bei  der 
Einrdchnng  ihrer  Abhandlung  unter  Beifügung  des  Portobetrages  den  aus- 
drücklichen Wunsch  erklären,  dieselben  zurück  zu  erhalten.  Auf  weiteren 
Schriftwechsel  wird  sich  die  K.  Akademie  nicht  einlassen. 

(Mitget.  V.  Dr.  med.  AxMANN-Erfnrt.) 

Eine  nene  schnlhygienische  Zeitschrijft  gibt  unter  dem  Namen 

„Blätter  für  Schulgestmdheitspflege  und  Einderschute^  die  schweizerische 
Gesellschaft  für  Schulgesundheitspflege  mit  Beginn  dieses  Jahres  heraus. 
Dieselbe  erscheint  als  Beilage  zur  ,, Schweiz.  Lehrerzeitung''  unter  der 
Redaktion  des  Züricher  Schularztes  Dr.  Kraft,  zunächst  nur  sechsmal  des 
Jahres  im  Umfange  eines  Druckbogens.  Die  „Blätter*^  sind  bestimmt  zur 
Orientierung  der  Leser  in  den  einschlägigen  Fragen,  hauptsächlich  auf  dem 
Gebiete  der  Schweiz,  aber  auch  des  Auslandes;  aufserdem  sollen  sie  den 
Mitgliedern  der  Gesellschaft  und  anderen  Interessenten  zum  gegenseitigen 
Meinungsaustausch  und  dem  Vorstande  zur  Bekanntgabe  von  Mitteilungen 
an  die  Mitglieder  dienen.  Es  sollen  zur  Veröffentlichung  kommen  —  und 
zwar  teils  in  deutscher,  teils  in  französischer  Sprache  —  Originalarbeiten, 
Berichte,  amtliche  Erlasse  und  Mitteilungen  in  mäfsigem  umfange  aus 
folgenden    Gebieten:     a)    Schulhaus«    und    Tumhallenbau,    Schulmobiliar; 


108 

b)  Unterrichtshygiene;  c)  physische  Erziehung  der  Jugend;  d)  Hygiene  des 
Lehrers;  e)  ärztliche  SchnlanMcht;  f)  Bestarebnngen  anf  dem  Grebiete  der 
öffentlichen  und  prifaten  Jngendftrsorge  (Kinderschntz) ;  g)  Literator.  — 
Wir  können  uns  nnr  frenen  Aber  diese  neue  literarische  Erscheinung  anf 
dem  Gebiete  der  Schnlgesondheitspflege  in  der  Schweiz;  sie  wird  gewiss 
zur  Propaganda  richtiger  Anschannngen  anf  diesem  Gebiete  unter  der 
schweizerischen  Lehrerwelt  wesentlich  beitragen.  Wir  wttnschen  dem 
jüngeren  Bruder  GlQck  und  Gedeihen.    (D.  Red.) 

BygLeniaehe  Untemehtaknrse  ftr  Lehrer  werden  in  New  York 
Torbereitet.  In  25  Übungen  sollen  —  wie  wir  den  ^Medic.  News*'  (No.  2) 
entnehmen  —  die  Lehrer  vertraut  gemacht  werden  mit  Schnl-Psychologie, 
-Physiologie,  -Bakteriologie,  mit  der  Theorie  und  Praxis  des  Turnunterrichts, 
mit  den  Grundsätzen  der  körperlichen  Ausbildung  Oberhaupt. 

Hygieniaehe  Spueknftpfe  in  den  Wiener  Sehnlen.  In  einer 
Sitzung  des  Bezirksratea  Neubau  (7.  Wiener  G^meindebezirk)  wurde  un- 
längst ein  Antrag  wegen  Aufstellung  hygienischer  Spucknäpfe  in  den  Schulen, 
Amtsgebäuden  und  insbesondere  in  den  MarkthalleUi  sowie  Erlassung  eines 
Verbotes  des  Spuckens  anf  den  Boden  einhellig  angenommen. 

Hierzu  soll  bemerkt  werden,  dab  die  Spucknäpfe,  wenn  sie  aus  billigem 
Stoffe  angefertigt  sind,  beispielsweise  aus  Papiermache  und  mit  Holzwolle 
versehen,  am  ehesten  entsprechen  durften,  da  man  dieselben  mit  Rdcksicht 
auf  ihre  geringen  Kosten,  die  sich  nicht  viel  höher  stellen,  als  die  der  Des- 
infektionsmittel, verbrennen  kann.  (Mitg.  v.  Dir.  E.  BAYB-Wien.) 

Eine  Hilbschale  für  achwachbefUiigte  Kinder  sollinWandsbek 
eingerichtet  werden,  zunächst  einklassig,  ftlr  etwa  25  Knaben  und  Mädchen 
aller  Altersklassen  gemeinsam. 

Jugendfürsorge  in  Breslau.  In  Breslau  hat  sich,  wie  die  „&>jer. 
Praxis^  (No.  17)  mitteilt,  aus  Lehrerkreisen  eine  Vereinigung  gebildet 
mit  dem  beachtenswerten  Ziele,  systematisch  eine  nähere  Verbindung  mit 
den  Eltern  oder  Pflegern  der  Schulkinder  anzustreben  und  gemeinsam  mit 
diesen  nicht  nur  die  geistige,  sondern  auch  die  sittliche  Entwickelung  der 
Kinder  zu  fördern.  Zu  diesem  Zwecke  soll  einmal  jeder  Lehrer  in  der 
Klasse  die  Entwickelung  jedes  Kindes  genau  überwachen  und,  sobald  irgend 
welche  GrOnde  eine  körperliche  oder  sittliche  Gefthrdung  befürchten  lassen, 
sofort  mit  den  Eltern  oder  Pflegern  in  Verbindung  treten,  um  diese  Aber 
ihre  Erziehungspflichten  zu  belehren.  Nutzen  solche  Belehrungen  nichts, 
so  ist  der  Schulbehörde  Meldung  zu  machen.  Sodann  soll  die  Schule  die 
Kinder  bei  der  Berufswahl  unterstfltzen.  um  dies  in  wirksamer  Weise 
zu  ermöglichen,  soUen  vor  den  Abgangsterminen  Aufirufe  erlassen  werden 
um  Anmeldung  freier  Lehr-  und  Dienststellen,  die  dann  von  den  Lehrern 
näher  geprüft  werden.  Die  Eltern  sollen  über  die  wichtigsten  allgemeinen 
Grundsätze  bei  der  Berufswahl  aufgeklärt  werden.  Für  die  Fälle  äuDserster 
Armut  der  Eltern  ist  reiche  Beihilfe  der  städtischen  Armenpflege  vorgesehen. 
Endlich  soll  auch  den  Eltern  beim  Übertritt  des  Kindes  in  eine  andere 
Unterrichtsanstalt  mit  Rat  zur  Seite  gestanden  werden.  —  Wenn  auch 
durch  diese  Bestrebungen  nichts  absolut  Neues  geschaffen  wird,  so  ist  doch 
zu  erhoffen,  dafs  durch  sie  die  bisher  vorhandenen  Einzelbemühnngen  ein- 
heitlicher und  somit  für  die  Gesamtheit  fruchtbringender  gestaltet  werden. 


109 
Eile  Setatstalle  auf  den  Seknlkofo  wül,  wie  wir  der  nSoc. 

Braxi$^  eotnehmen,  die  stftdtische  Schnlverwaltang  Berlins  znnftchst  ver- 
sachsweise  bei  dem  neaen  Gremeindeschnlhaase  heisteUen,  das  in  der  Pntt- 
bnser  Strasse  errichtet  werden  soll.  Darch  eine  offene  Halle  soll  ein  Teil 
des  Schnlhofes  fiberdacht  werden,  nm  es  möglich  zu  machen,  dafs  die 
Schulkinder  auch  bei  Begenwetter  sich  während  der  ünterrichtspaosen  im 
Freien  aofhalten  kOnnen.  Den  Bewegungsspielen  der  nnteren  Klassen  nnd 
besonders  den  Nebenklassen  ffir  schwachbefilhigte  Kinder,  deren  in  dem 
neuen  Schnlhanse  sechs  eingerichtet  werden  sollen,  wird  die  geplante  Schntz- 
halle  sehr  zn  gnte  kommen. 

Eiae  gbuliehe  Abachaffani;  der  TriakgefEase  wird  nach  dem 

qJbunt.  of  Üie  AsHer.  med,  Assoc.^  in  den  Chicagoer  Schulen  geplant. 
Man  beabsichtigt  Fontainen  anzulegen,  deren  besondere  Konstruktion  es 
den  Schfllem  ennOgUchen  soll,  ihren  Durst  ohne  Zuhilfenahme  eines  Bechers 
oder  Glases  zu  löschen. 

Die  TraehOBierkraakaagen  ia  dea  New  Yorker  Sehalea  mehren 
sich,  wie  wir  dem  ^Jaum,  of  ihe  Am.  med.  AssJ^  entnehmen,  in  so  be- 
ängstigender Weise,  dais  das  Gesundheitsamt  mehrere  Ophtalmologen  zu 
einer  Konferenz  berufen  hat,  um  aber  geeignete  Maisnahmen  gegen  eine 
weitere  Verbreitung  dieser  Krankheit  zu  beschliessen.  Seit  £röffiiung  der 
Schulen  in  diesem  Herbst  sind  nicht  weniger  als  6667  Kinder  wegen 
Augenkrankheiten  Tom  Unterricht  ausgeschlossen  worden.  Eine  amtliche 
Statistik  der  in  yerschiedenen  ärztlichen  Instituten  behandelten  Trachom- 
Me  ergibt  fOr  1901  gegen  460,  für  1902  aber  1 673  Erkrankungen. 


iXnttliifie  Herfäjttttjett. 


Erlarg  deg  Ministers  der  geistlichen,  Unterrichts-  aad  Medizinal- 
Aigelegeakeitea,  betreffead  Baa  aad  Einrichtaag  l&adlieher  Volks- 

sehalhlaser,  vom  20.  Dezember  1902. 

Aus  den  auf  den  Runderlals  vom  15.  November  1895  —  U  IIIE 
7422  G  m  A I  —  erstatteten  Berichten  der  Königlichen  Regierungen  habe 
ich  mit  Befriedigung  ersehen,  dals  die  Bestimmungen  der  mit  diesem 
Erlasse  mitgeteilten  Denkschrift  über  Bau  und  Einrichtung  ländlicher  Volks- 
schnlhänser  in  Preulsen  sich  in  ihrer  Anwendung  im  ganzen  bewährt  haben, 
und  dals  ein  Bedürfnis  zur  Abänderung  oder  Ergänzung  dieser  Bestim- 
mungen oder  der  ihnen  beigegebenen  Muster- Entwürfe  im  allgemeinen  jsur- 
zeit  nicht  Yorliegt. 

Wenn  von  einigen  Seiten  bezüglich  einzelner  Anordnungen  Ein- 
wendungen und  Abändemngswünsche  Torgetragen  sind,  so  beruhen  dieselben 
znm   grölseren    Teil   auf   einer  Yerkennung    der  Absicht,  welche    für  die 


110 

Denkschrift  nnd  die  Aufstellung  der  ihr  heigegehenen  Mnster-Entwflrfe 
leitend  war,  nnd  welche  dahin  ging,  zn  zeigen,  wie  vielseitig  sich  Gnmdrils 
und  Anfhau  der  Schnlhänser  gestalten  lassen.  Weit  entfernt,  den  Muster- 
Entwürfen  die  Bedentnng  bindender  Normalien  zu  geben,  sollte  allein  die 
Erftdlung  der  bezeichneten  hygienischen  schul-  und  bautechnischen  An- 
forderungen bei  der  Ausführung  der  Schulbauten  sichergestellt,  im  übrigen 
aber  für  diese  in  jenen  Entwürfen  lediglich  eine  Reihe  von  Beispielen 
mitgeteilt  werden;  denn  es  ist  naturgemäis  nicht  wohl  möglich,  für  alle 
Fälle  verwendbare  Entwürfe  zu  geben.  Die  Art  der  Ausführung  wird  sich 
vielmehr  im  Einzelfall  nach  dessen  besonderen  Verhältnissen  zu  richten 
haben.  Ich  kann  es  aber  auch  nur  als  erwünscht  bezeichnen,  wenn  sich 
die  Ausführung  in  Bauart,  Ausstattung  u.  s.  w.  tunlichst  den  örtlichen 
Verhältnissen  anpafst,  und  damit  nach  Möglichkeit  Beschwerden  vorgebeugt 
wird,  wie  sie  in  neuerer  Zeit  auch  im  Landtage  laut  geworden  sind.  In 
dieser  Beziehung  erwarte  ich  daher,  dafs  die  in  dem  Kunderlasse  vom 
15.  November  1895  und  der  Denkschrift  enthaltenen  Weisungen,  wonach 
die  Entwurfsbeispiele  den  örtlichen  Bedürfnissen  derart  anzupassen  sind, 
dafs  der  Bauausführung  hinsichtlich  der  Anwendung  und  Erhaltung  des 
Ortsüblichen  volle  Bewegungsfreiheit  gewährt  wird,  entsprechende  Beachtung 
finden. 

Einzelne  Regierungen  haben  darauf  hingewiesen,  dafs  die  Ma&e  der 
in  den  Entwurfsbeispielen  vorgesehenen  Eingangsilure  bei  Anbringung  von 
Vorrichtungen  zum  Aufhängen  der  Überkleider  nicht  ausreichen.  Dieser 
Hinweis  erscheint  zutreffend.  Eine  in  mäfeigen  Grenzen  gehaltene  Er- 
weiterung der  Flure  kann  deshalb  in  Fällen,  wo  derartige  Vorrichtungen 
gewünscht  werden  und  nicht  etwa  anderweiten  Bedenken  (z.  B.  Diebstahls- 
gefahr) begegnen,  gut  geheimen  werden. 

Von  anderer  Seite  sind  Wünsche  im  Interesse  einer  Erleichterung  der 
Erwärmung  der  Elassenräume  geäufsert  und  durch  die  Besonderheit  der 
kb'matischen  Verhältnisse  bestimmter  Gegenden  begründet  worden.  Um 
diesen  Wünschen  entgegenzukommen,  will  ich  mich  damit  einverstanden 
erklären,  dafs  unter  derartigen  Verhältnissen,  sofern  im  Einzelfall  die  hin- 
reichende Beleuchtung  der  Elassenräume  durch  die  freie  Lage  des  Schul- 
hauses gesichert  ist,  das  für  die  Fensterfläche  vorgeschriebene  Mindestmafs 
auf  ^/e  der  Bodenfläche  des  Klassenraumes  herabgesetzt,  und  das  Mindest- 
mafs von  3,20  m  für  die  lichte  Höhe  des  Elassenraumes  auch  dann  zuge- 
lassen wird,  wenn  bestimmungsmäßig  ein  höheres  anzuwenden  sein  würde. 

Im  übrigen  aber  wird  auch  fernerhin  an  den  Grundsätzen  des  Rund- 
erlasses vom  15.  November  1895  und  der  zugehörigen  Denkschrift  fest- 
gehalten werden  müssen.  Insbesondere  wird  eine  ErmäTsigung  der  unter 
Ziffer  1 — 4  dieses  Runderlasses  gestellten  hygienischen,  bau-  und  schul- 
technischen Forderungen  nicht  eintreten  können.  Es  gilt  dieses,  wie  ich 
ausdrücklich  gegenüber  abweichenden  Wünschen  hervorhebe,  namentlich 
auch  hinsichtlich  der  Lüftungsvorrichtungen  und  Isolierschichten.  Anderer- 
seits können,  wenigstens  bei  den  mit  staatlicher  Beihilfe  auszuführenden 
Schulbanten,  Wünsche,  welche  hinsichtlich  des  Umfanges  und  der  Aus- 
stattung der  Gebäude  über  die  in  der  Denkschrift  gezogenen  Grenzen 
hinausgehen,  •  nur  bei  ganz  dringenden  Anlässen  berücksichtigt  werden. 


111 

Dabei  wird  indessen  nicht  anlser  acht  zn  lassen  sein,  dafs  die  Denk- 
schrift nur  Landschalhänser  kleinerer  Gattung  im  Auge  hat.  Ihre  Be- 
stimmungen können  daher  bei  vielklassigen  Schnlhänsem  mit  zwei  und 
mehr  Geschossen  neben  dem  Erdgeschosse  nicht  ohne  weiteres  in  Betracht 
kommen.  In  solchen  Fällen  kann  vielmehr  nur  ihre  sinngemäCse  An- 
wendung in  Frage  kommen,  während  im  flbrigen  die  im  Interesse  der 
Verkehrssicherheit  fOr  Gebäude  mit  Yersammlungs-  u.  s.  w.  Räumen  ge- 
gebenen Vorschriften  vom  1.  NoYember  1892  entsprechend  anzuwenden 
sind.  In  derselben  Weise  haben  die  Bestimmungen  der  Denkschrift  auf 
städtische  Schulen  Anwendung  zu  finden,  wobei  namentlich  diejenigen 
hygienischen  sowie  bau-  und  schultechnischen  Charakters  in  Betracht 
kommen. 

Ich  nehme  in  diesem  Zusammenhange  Veranlassung,  auf  die  Not- 
wendigkeit grOndlicher,  in  angemessenen  Zeiträumen  zu  wiederholender 
Reyisionen  der  Schulen  in  Bezug  auf  ihre  bauliche  Unterhaltung  und  Instand- 
setzung hinzuweisen.  Soweit  die  Aufsicht  der  Schulvorstände  bezw.  die 
kommunale  Aufsicht  sich  in  dieser  Hinsicht  nicht  als  ausreichend  erweisen 
sollte,  werden  die  Orts-  bezw.  Ereisschulinspektoren  ihr  Augenmerk  auch 
hierauf  zu  richten  und,  falls  den  gerügten  Mängeln  seitens  der  Baupflichtigen 
nicht  alsbald  abgeholfen  wird,  der  Königlichen  Regierung  behufs  Veran- 
lassung des  Erforderlichen  zu  berichten  haben.  Zugleich  werden  die  Lehrer 
mit  der  Weisung  zu  versehen  sein,  die  ihrerseits  bemerkten  Baumängel 
bei  der  zuständigen  Behörde  rechtzeitig  zur  Anzeige  zu  bringen  und  sich 
dabei  gegenwärtig  zu  halten,  dafs  die  verspätete  Beseitigung  ursprünglich 
unbedeutender  Mängel  mit  vermehrten  Kosten  verbunden  ist. 

Endlich  ist  noch  hervorzuheben,  dafs  sich  unter  Umständen  da,  wo 
es  sich  um  die  Beschaffung  von  Interims-Schulräumen  handelt  (bei  elemen- 
taren ünglOcksftQlen,  Epidemien,  starker  Elassen-Überftülung  und  anderen 
Anlässen),  die  Beschaffung  der  neuerdings  von  mehreren  Fabriken  herge- 
stellten transportablen  Schulbaracken  möglicherweise,  namentlich  in  den 
Bezirken,  zu  empfehlen  ist,  in  denen  mit  einer  wiederholten  lohnenden  Ver- 
wendung gerechnet  werden  kann. 

Einem  weiteren  Berichte  über  die  Bewährung  der  Bestimmungen  der 
Denkschrift  vriU  ich  nach  Ablauf  von  fünf  Jahren  entgegensehen. 

Berlin,  den  20.  Dezember  1902. 

Der  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinal- Angelegenheiten. 

Stüdt. 

An  die  Königlichen  Regierungen, 
ü  IDE  9136. 


Selialfesandheiiipfl«ge.  XVI. 


112 


Die  Begnadi^Dg  venirteilter  Jugendlicher. 

Yerordnnng    des    österreichischen    Jastizministeriams    Tom 

26.  November  1902. 

An  alle  Gerichte  und  Staatsanwaltschaften. 

unter  der  grolsen  Zahl  der  Jagendlichen,  die  dorch  Aasschreitnngen 
der  verschiedensten  Art  gegen  die  bestehenden  Strafgesetze  verstolsen,  be- 
finden sich  viele,  welche  weniger  aas  Verderbtheit  der  Gesinnung,  als  in- 
folge Unbesonnenheit,  VerfObrnng  and  Mangel  an  Reife  handein.  Manche 
anter  ihnen  haben  zwar  jene  Altersgrenze  erreicht,  die  sie  nach  dem  Ge- 
setze verantwortlich  macht,  sie  sind  aber  in  ihrer  seelischen  Entwicklang 
zorfickgeblieben,  so  daTs  sie  entweder  die  Tragweite  ihrer  Handlangen  nicht 
za  erfassen  vermögen  oder  aber  noch  nicht  die  nötige  Willenskraft  erlangt 
haben,  am  aagenblicklichen  Regungen  Widerstand  zu  leisten. 

Bei  vielen  dieser  straffällig  gewordenen  Jagendlichen  bedarf  es  weder 
einer  Zwangserziehung,  noch  aber  des  YoUzuges  der  verwirkten  Strafe,  am 
sie  von  weiteren  gesetzwidrigen  Handlangen  abzuhalten.  Das  gegen  sie 
durchgefllhrte  Strafverfahren,  der  Urteilsspruch  genttgt  als  ernste  und  ein- 
dringliche Mahnung  zur  Umkehr.  Bei  solchen  Jugendlichen  erweist  sich 
oft  der  Vollzug  einer  Freiheitsstrafe  als  eine  Härte,  die  infolge  des  damit 
verbundenen  Makels,  infolge  des  tiefen,  nachhaltenden  Eindruckes  auf  ein 
jugendliches  Gemflt  eine  Wirkung  üben  kann,  deren  Vermeidung  zu  den 
Aufgaben  einer  vom  Geiste  der  Menschlichkeit  getragenen  Strafirechtspfiege 
gehört. 

Bei  den  von  den  Gerichten  zu  stellenden  Gnadenanträgen  sollen 
im  wesentlichen  folgende  Grundsätze  massgebend  sein: 

1.  In  erster  Linie  sind  jene  Unmündigen  im  Alter  von  10 — 14 
Jahren  zu  berücksichtigen,  die  auf  Grund  der  Bestimmung  des  §  269a 
St.-G.  wegen  an  sich  verbrecherischer  Handlungen  von  den  Gerichten  za 
bestrafen  sind,  bei  denen  jedoch  nach  den  Umständen  des  Falles  weder 
der  Vollzug  der  gemäss  §  270  St.-G.  auszusprechenden  Verschliefanng, 
noch  die  Abgabe  in  eine  Besserungsanstalt  gemäfe  §  8  des  Gesetzes  vom 
24.  Mai  1885,  R.^G.-B1.  No.  89,  dem  Strafrechtszwecke  förderlich  er- 
scheint. Zurückgebliebene  körperliche  und  geistige  Entwicklung,  auf  das 
jugendliche  Alter  zurückzuführende  Beweggründe  zur  Tat,  Reue,  ausrei- 
chende häusliche  Zucht  werden  genügende  Anhaltspunkte  dafür  geben,  ob 
der  Verurteilte  des  gnadenweisen  Erlasses  der  Strafe  würdig  erscheint. 

2.  Als  nächste  Altersstufe  kommt  jene  vom  14.  bis  zum  vollendeten 
16.  Lebensjahre  in  Betracht.  In  der  Regel  ist  daran  festzuhalten,  dafs 
der  Verurteilte  noch  nicht  gerichtlich  vorbestraft  sein  und  daTs  die  aus- 
gesprochene und  nachzusehende  Strafe  drei  Monate  Freiheitsstrafe  oder 
500  Kronen  Geldstrafe  nicht  überschreiten  darf. 

Nur  in  Ausnahmefällen,  wenn  eine  Vorbestrafung  ganz  geringfügiger 
Natur  war,  ist  von  der  Voraussetzung  der  Unbescholtenheit  abzusehen,  all- 
gemein ist  aber  zu  beachten,  dafs  es  nicht  blols  auf  die  formelle  Tatsache 
des  Mangels  einer  Vorstrafe,  sondern  vorzüglich  auf  eine  voraosgegangene 
sittliche  und  ehrliche  LebensfQhrung  ankommt. 


113 

Das  G^mdit  mu&  ans  den  ümstftiideB  des  Falles  die  Überzengug 
eiiangt  haben,  dafa  es  im  gegebenen  Falle  des  Straf?ollzagee  nicht  bedarf. 
Die  Art  und  Schwere  der  strafbaren  Handlung,  ihre  Nebennmstflnde,  ihre 
Beweggründe,  das  der  Tat  folgende  Verhalten  des  Tftters  werdra  einer 
sorgfiUügen  Prflfnng  zu  unterziehen  sein. 

3.  unter  den  nnter  2  bezeichneten  Yoranssetzimgen  können  auch 
Jugendliche  in  Alter  ymn  16.  bis  zom  yollendeten  18.  Jahre  der  gnaden* 
weisen  Strafiiachsicht  empfohlen  werden,  wenn  sie  infolge  znrflekgebliebener 
Entwicklung  in  Bezng  anf  Verstand  und  Willenskraft  Jugendlichen  der 
erwähnten  Altersstufen  g^eichznachten  sind. 

4.  Das  Verfahren  richtet  sich  im  allgemeinen  nach  den  im  §  411 
St.-P.-0.  gegebenen  Vorschriften.  Es  ist  jedoch  ein  Gnadengesoch  des 
Yerarteilten  nicht  abzuwarten,  das  Gericht  hat  yielmehr  entweder  sofort 
anläislich  der  UrteilsiUlung  oder  aber  nach  derselben  loa  Amtswegen  bei 
Yorfaand^isein  der  Voraussetzungen  Beschlufe  Aber  die  Frage  zu  fiesen, 
ob  die  gnadenweise  Nachsicht  der  ausgesprochenen  Strafe  zu  beantragen 
sei.  Soweit  dies  ohne  Verzögerung  des  Verfahrens  möglich  ist,  sind  die 
gesetdiclaen  Vertreter  des  verurteilten  Jugendlichen  einzuyemehmen  und 
zur  Äusserung  aufzufordern.  Jedenfalls  sind  jene  umstände  festzustellen, 
die  zur  Stellung  des  Gnadenantrages  Anlals  geben. 

Da  es  sich  hier  um  die  Durchfahrung  von  Weisungen  handelt,  die 
in  Ausabong  des  in  Artikel  13  des  Staatsgrundgesetzes  über  die  richter- 
liche Gewalt  vom  21.  Dezember  1867  vorgesehenen  Gnadenrechtes  ergehen, 
so  ist  in  jedem  Falle  der  Stellung  eines  Gnadenantrages  dieser  Art  mit 
dem  Strafvollzüge  innezuhalten. 

Die  Begründung  der  Verordnung  nimmt  RQcksicht  auf  die  gesamte 
öst^reichische  Strafgesetzgebung  seit  Maria  Theresia,  auf  die  Behandlung 
jugendlicher  Personen  nach  dem  deutschen  und  französischen  Rechte  und 
konunt  sodann  zur  Besprechung  der  bedingten  Verurteilung  oder  des  be- 
dingten Straferlasses.  Die  Begründung  verweist  auf  die  Erfahrung  aller 
Länder,  dafis  der  Vollzug  von  Freiheitsstrafen  gegen  Jugendliche  nur  zu 
leicht  statt  des  erhofften  günstigen  Einflusses  eine  geradezu  verderbliche 
Wirkung  ausüben  kann.  In  der  Mehrzahl  der  Staaten  konnte  das  Gefäng- 
niswesen mit  Rücksicht  auf  den  damit  verbundenen  Kostenaufwand  noch 
nicht  allgemein  dem  Strafvollzug  an  Jugendlichen  entsprechend  eingerichtet 
werden.  Mit  der  Absonderung  Jugendlicher  von  Erwachsenen  ist  die  Auf- 
gabe nicht  erfüllt;  denn  es  ist  nicht  zu  übersehen,  dafs  auch  die  Gemein- 
schaft abgestrafter  Jagendlicher  für  sittlich  unverdorbene,  nur  eines  Fehl- 
trittes schuldige  Jugendliche  groise  Gefahren  in  sich  birgt.  Andererseits 
ist  die  Anwendung  der  Einzelhaft  gegenüber  Jugendlichen  vielfach  unzweck- 
mäfsig  oder  geradezu  unanwendbar. 

„Aus  diesen  Gedanken  heraus  sind^,  fährt  die  Begründung  fort,  „die 
Einrichtungen  der  bedingten  Vemrteilung  und  des  bedingten  Straferlasses 
entstanden.  Zunächst  wurde  dieser  Gedanke  in  Amerika  verwirklicht, 
wenn  auch  nicht  ausschliefslich  in  Bezug  auf  Jugendliche.  Der  Unterschied 
zwischen  bedingter  Vemrteilung  und  bedingtem  Straferlafs  besteht  im 
wesentlichen  darin,  dafs  nach  Ablauf  der  Bewährungsfrist  bei  der  ersteren 
Strafe  und  Verurteilung,    bei    der   zweiten   blofs   die   Strafe   in  Wegfall 


114 

kommt.  Gegenwärtig  ist  man  fast  ausnahmslos  anf  das  System  des  be- 
dingten Straferlasses  übergegangen.  Der  bedingte  Straferlais  fand  auch  in 
Europa,  insbesondere  in  England,  Belgien  nnd  Frankreich  Eingang.  Gegen 
ihn  bestehen  in  Bezug  auf  seine  praktische  Durchführbarkeit  sehr  erheb- 
liche Bedenken.  Vor  allem  kommt  die  Gefahr  einer  ungleichmftfsigen  An- 
wendung in  Betracht,  die  den  Anschein  der  Willkür  und  der  Beyorzugong 
einzelner  erwecken  kann.  Noch  gröfser  erweist  sich  die  Gefahr,  welche 
in  der  Überwachung  des  bedingt  Verurteilten  während  der  ihm  gesetzten 
Bewährungsfrist  für  ihn  selbst  liegt.  Es  ist  schwer  yermeidlich,  dals  in 
grolsen  Staaten,  in  welchen  eine  derartige  Überwachung  einer  gröfseren 
Zahl  von  Organen  übertragen  werden  muls,  die  Wohltat  der  bedingten 
Verurteilung  oder  des  bedingten  Straferlasses  durch  Ungeschicklichkeit  in 
der  Handhabung  zu  einer  schweren  Schädigung  des  Überwachten  in  seinem 
Fortkommen  führen  kann.  Auch  stieCs  die  Festsetzung  der  Bedingungen, 
Yon  welchen  die  Verwirkung  der  Rechtswohltat  abhängig  zu  machen  war, 
überall  auf  groCse  Schwierigkeiten.  So  wenig  nämlich  allgemein  eine  neaer- 
liche  Straffälligkeit  wegen  irgend  einer  geringfügigen  Gesetzesübertretnng 
diese  Verwirkung  begründen  konnte,  so  wenig  bot  der  Mangel  der  Be- 
gehung einer  strafbaren  Handlung  innerhalb  der  Bewährungsfrist  wirklich 
Garantie  für  die  eingetretene  Besserung.  Der  bedingt  Verurteilte,  der 
während  der  Bewährungsfrist  einen  liederlichen,  unsittlichen  Lebenswandel 
führt,  ohne  eine  strafbare  Handlung  zu  begehen,  ist  zweifellos  des  Straf- 
erlasses minder  würdig,  als  deijenige,  der  bei  einem  geordneten  Lebens- 
wandel sich  einer  geringfügigen  Übertretung  schuldig  macht. 

In  Deutschland  wurde  ein  wesentlich  anderer  Weg  eingeschlagen, 
indem  dort  in  den  meisten  Bundesstaaten  unter  bestimmten  Voraussetzungen 
zunächst  der  bedingte  Aufschub  des  Strafvollzuges  im  Wege  der  Justiz- 
verwaltung angeordnet  wird  und  sodann  nach  erfolgreichem  Ablauf  einer 
Bewährungsfrist  die  «Begnadigung  durch  den  Landesfürsten  eintritt.  Auch 
dieser  Weg  unterliegt  den  sich  aus  der  Überwachung  ergebenden  Bedenken, 
er  hat  jedoch  den  Vorzug  der  Erzielung  einer  von  einheitlichen  Gesichts- 
punkten getragenen  Durchführung;  im  wesentlichen  ist  die  bedingte  Be- 
gnadigung in  Deutschland  auf  Jugendliche  beschränkt. 

Es  war  noch  ein  anderer  Weg  gangbar,  erstbestraften,  besserungs- 
fähigen Jugendlichen  den  Strafvollzug  ohne  Gefährdung  des  Strafzweckes 
zu  ersparen.  Diesen  Weg  hat  die  zufolge  kaiserlicher  Entschliefsung  vom 
24.  November  1902  erlassene  Justizministerial- Verordnung  vom  25.  Novem- 
ber 1902  betreten.  Es  ist  dies  der  Weg  unbedingter  Begnadigung  solcher 
Jugendlicher.  In  dem  Falle,  als  sich  der  Begnadigte  des  Erlasses  der 
Strafe  durch  neuerliche  Begehung  einer  strafbaren  Handlung  unwürdig  er- 
weist, kann  dieser  Umstand  im  Bahmen  des  bestehenden  Strafgesetzes  be- 
rücksichtigt werden,  indem  er  als  Rückfälliger  zn  behandeln  ist.  Dieser 
Weg  erscheint  einfacher  und  zugleich  auch  insofern  zweckmässiger,  als  dem 
Verurteilten  die  mit  der  Überwachung  verbundenen  Gefahren  erspart  bleiben.*" 

{„IVemdennBlatt'' ,  30.  Nov.  1902.) 


116 


fiteratitr 


Besprechungen. 

Spitzneb,  A.,  Dr.  Die  pädigogisehe  Patholope  im  Seminarnnter- 
rieht.  Gotha,  £.  F.  Tiedemann,  1902.  8^.  67  S.  JA  —.70. 
Die  Yon  L.  Stbumpell  als  Wissenschaft  gegrflndete  pädagogische 
Pathologie,  d.  h.  die  Lehre  Yon  den  Einderfehlem,  hat  in  dessen  Schfiler 
Dr.  Spitzneb  einen  wannen  Vertreter  gefnnden.  Eine  derartige  Materie  will 
richtig  angefa&t  sein,  sie  will  einen  überlegenen  Interpreten  haben,  damit 
für  die  Praxis  ein  Nutzen  herausschane.  Als  solcher  Interpret  hat  sich 
Dr.  Spitzneb  anch  mit  dieser  Arbeit  erwiesen;  er  hat  des  Pndels 
Kern  aufgegriffen  und  im  Gegensatz  zn  yielen  seiner  Kollegen  klar  ond 
denüich  es  ausgesprochen,  dafe  auch  auf  dem  Gebiete  der  pädagogischen 
Pathologie  es  nur  eine  goldene  Mittellinie  geben  könne,  dab  Pftdagogie 
und  Medizin  in  gegenseitiger  Anlehnung  einander  ergänzen  mflisten,  dab 
aber  trotzdem  das  „Suum  cuique",  Jedem  das  Seine,  im  Auge  behalten 
werden  könne.  Nur  der  Boden  der  Gleichberechtigung  yon  Medizin  und 
Pftdagogie  auf  dem  Gebiete  der  pädagogischen  Pathologie,  meint  Dr.  Spitzneb, 
lasse  Erspriefeliehes,  für  die  Praxis  Brauchbares  wachsen.  Er  erzählt  ^us 
seiner  Lehrthätigkeit  —  es  ist  der  einfachste  Fall  — ,  d<ifs  unter  seinen 
Augen  eine  Schfllerin  erblindete,  die  immer  eine  schlechte  Leserin  war  und 
deshalb  manchen  Tadel  hat  hinnehmen  müssen.  Von  einem  übereifrigen 
Lehrer  wurde  dasselbe  Mädchen  wegen  vermeintlicher  Dickfelligkeit,  Faul- 
heit und  Faselei  mit  kräftigen  Ohrfeigen  gestraft.  Ein  Arzt  stellte  in  der 
Folge  ein  der  Erblindung  rasch  entgegengehendes  Augenübel  fest.  Wenn 
der  Verfasser  die  Überzeugung  in  vielen  Sätzen  ausspricht,  da(s  die  medi- 
zinische Pathologie  den  Lehrer  in  Beurteilung  von  Einderfehlem  unter- 
stützen müsse,  so  wiU  er  nichts  anderes,  als  was  die  iürzte  auch  wollen  — 
er  wiU  haben,  dab  der  Lehrer  vom  Arzt  zu  beraten  und  aufzuklären  sei, 
damit  er  in  Erkenntnis  der  Grundursachen  der  Einderfehler  bei  Behandlung 
der  Einder  keinen  faux  pas  mache.  Ich  glaube,  daCs  der  Verfasser  etwas 
Schwarzseher  ist,  wenn  er  die  medizinische  Literatur  anklagt,  sie  folge 
einer  „starken  Strömung,  die  die  Rechte  der  pädagogischen  Wissenschaft 
wenig  respektiere  und  auf  deren  Gebiete  diktatorisch  auftrete". 

Sehr  treffend  nennt  Sp.  die  pädagogische  Pathologie  ein  stereoskopi- 
sches Bild,  das  bei  binokularem  Sehen  sich  als  reines  dem  Beschauer  dar- 
bieten müsse,  wohl  deshalb,  weil  das  medizinische  Bild  sich  mit  dem 
pädagogischen  genau  decke.  „Der  pädagogischen  Arbeit  auf  Grund  der 
zum  Zwecke  der  Schulgesundheitspflege  veranstalteten  Untersuchungen  der 
Schulkinder  fällt  die  wichtige  Aufgabe  zu  —  meint  Dr.  Sp.  mit  voUem 
Recht  — ,  die  geistigen  Anomalien  der  Einder  zu  konstatieren,  um  im 
Vergleich  und  sie  im  Zusammenhang  mit  den  vom  Arzt  festgestellten  körper- 
lichen Anomalien  so  zu  beurteilen,    dals  eine  wissenschaftlich  stichhaltige 


116 

Grundlage  gewonnen  wird,  von  der  aas  die  Praxis  der  Unterrichts-  nnd 
Erziehnngshygiene  den  einzelnen  Fall  behandeln  kann."  Der  Mediziner  steUt 
odt  Hilfe  des  Lehrers  seine  Ätiologie  fest  und  baut  anf  6mnd  dieser  nnd 
der  Symptome  die  Diagnose  auf;  der  Pädagoge  dagegen  l&lst  mit  Hilfe  der 
Diagnose  des  Arztes  seine  Behandlung  dem  Kinde  in  indiTidoalisierender 
Weise  zu  teil  werden.  —  Manchmal,  ich  gebe  es  gerne  zu,  kommt  der 
Pädagoge  auf  dem  Grenzgebiete  in  den  Gau  des  Arztes,  wie  dieser  zuweilen 
in  das  Gebiet  der  Pädagogie  eindringen  wird.  Wird  jeder  sich  seines 
Obertrittes  bewulst  und  tritt  er  sofort  den  Rückzug  an,  so  wird  es  wohl 
zu  keinen  Kollisionen  kommen.  Lasse  man  dem  Lehrer  seine  Kompet^izen, 
wie  der  Arzt  die  seinigen  beansprucht;  in  yerträglicher  Weise  teile  jeder 
Arzt  und  Lehrer  dem  anderen  seine  Erfahrungen  mit,  dann  wird  das  Kind 
dem  Eltemhause  und  dem  Staat  den  besten  Erfolg  bringen.  Der  Arzt  bedarf 
des  Lehrers  in  Beurteilung  des  Einzelfalles,  wie  der  Lehrer  den  Rat  und 
das  Urteil  des  Arztes  bei  pädagogischer  Behandlung  des  kranken  Ejudes 
notwendig  hat.  Daher  wünscht  auch  Sp.,  dafs  die  pädagogische  Pathologie 
als  Wissenschaft  an  den  Lehrerseminaren  gelehrt  werde.  Dieser  Wunsch 
ist  in  Preulsen  schon  zur  Wirklichkeit  geworden,  indem  dort  die  Neu- 
ordnung der  Lehrerseminare  bestimmt,  dafe  in  der  Psychologie  die  Ent- 
wickelung  des  seelischen  Lebens  der  Kinder  in  ihrem  normalen  Verlauf 
und  in  ihren  wichtigsten  pathologische  Zuständen  zum  Verständnis  zu 
bringen  sei. 

Ich  freue  mich,  mit  der  Schluisthese  Dr.  Spitznbbs  —  No.  1,  2  und  3 
liegen  auiserhalb  des  schulhygienischen  Gebietes  —  meine  volle  Überein- 
stimmung aussprechen  zu  können.  Dieselbe  heilst:  „Bei  der  Seminar- 
ansbildung ist  besonderer  Wert  darauf  zu  legen,  dafs  der  Schüler  die  Be- 
dingungen kernen  lernt,  unter  denen  ein  ersprielsliches  Zusammenwirken 
des  Lehrers  und  Schularztes  auf  dem  gemeinsamen,  die  körperiiche  und 
geistige  Gesundheit  der  Schulkinder  betreffenden  Gebiete  der  Schulhygiene 
möglich  wird.''  Dr.  Baub,  Seminararzt  in  Schwäb.-Gmünd. 

Dr.  Fb.  Schmid,  Direktor  des  Schweiz.  Gesundheitsamtes  in  Bern.     Die 
sehulhygieuisehen  VorschrifteB  in  der  Schweu.    Zusammengestellt 

auf  Anfang  1902.     Anhang  zum  Jahrbuch  der  Schweiz.  Gesellschaft  f. 

Schulgesundheitspflege.     IL  Teil.     1901.     Zürich,  Druck  y.  Zürcher  & 

Furrer,  1902.     439  Seiten.     Preis  6  Frcs. 

Das  Sammelwerk  gibt  in  gedrängter  Zusammenstellung  alle  das  Gebiet 
der  Schulgesundheilspflege  berührenden  Gesetze,  Verordnungen  und  sonstigen 
Erlasse  sowohl  des  Bundes  als  der  einzelnen  Kantone  und  bietet  somit 
für  das  Schulwesen  der  Schweiz  ein  vollständiges  und  übersichtliches  Nach- 
schlagebuch, das  auch  in  anderen  Kulturstaaten  bei  vergleichenden  Studien 
auf  schulhygienischem  Gebiet  treffliche  Dienste  leisten  wird.  Die  ersten 
16  Seiten  enthalten  ein  Verzeichnis  der  in  Betracht  kommenden  Gesetze 
und  Verfügungen,  mithin  eine  Art  Quellenangabe.  Der  Hauptteil  bringt 
eine  systematische  Übersicht  der  einzelnen  in  jenen  Gesetzen  enthaltenen 
Vorschriften,  geordnet  nach  folgenden  Hauptgmppen:  Das  Schulhaus,  das 
Schuhnobiliar,  Schulpflicht  und  Schulzeit,  Schülerzahl  pro  Klasse  und  Ge- 
schlechtertrennung, Unterricht,  Handarbeitsunterricht,  körperliche  Erziehung, 


117 

UBterricht  in  der  Gesnndheitslehre,  Strafen,  spezielle  Vorkehrungen  fltar 
geistig  anormale  Kinder,  Ftlrsorge  fQr  arme  oder  verwahrloste  Kinder, 
KLeinkinderschnlen,  Ma&nahmen  betr.  ansteckende  Krankheiten,  erste  Hilfe 
bei  ünglttcksfUlen,  Unfallyersichening,  sanitarische  Schulanfsicht,  Pri?at- 
sdinlen. 

Die  meisten  dieser  Kapitel  sind  in  eine  Reihe  Unterabteilungen  ser- 
1^,  und  in  jeder  der  letzteren  sind  zunächst  die  allgemein  gOltigen 
Bnndesgesetze  und  -Verordnungen,  soweit  solche  fftr  das  in  Frage  stehende 
Thema  vorhanden  sind,  und  sodann  die  Ortlichen  kantonalen  Verfflgungen 
der  Reihe  nach  im  Wortlaut  angeführt.  Ein  zusammenfassender  and  ver- 
bindender Text  oder  eine  Kritik  sind  nicht  gegeben. 

Da  ein  Auszug  aus  solchem  Werk  unmöglich  ist,  so  sei  es  erlaubt, 
einige  kleine  Stichproben  herauszugreifen,  die  zugleich  die  Mannigfaltigkeit 
der  Vorschriften  in  den  einzelnen  Kantonen  und  die  Fülle  des  Materials 
andeuten  mögen,  welches  der  Verfasser  zu  bewältigen  hatte. 

Über  Instandhaltung  und  Reinhaltung  des  Schulhauses 
(S.  90 — 109)  liegen  von  selten  des  Bundes  keine  Verordnungen  vor. 
Basel-Stadt  läfst  täglich  alle  Schulzimmer  und  Nebenräume  (Gänge,  Treppen  etc.) 
feucht  kehren  und  das  gesamte  Schuhnobiliar  feucht  wischen,  die  Turnsäle 
sollen  überdies  des  Mittags  noch  ein  zweites  Mal  feucht  aufgewischt  werden. 
Ebenso  schreiben  tägliches  feuchtes  Kehren  aller  Schulräume  vor  die 
Kantone  Genf  und  Waadt.  In  Freibarg  soll  dies  täglich  durch  die  Schüler 
selbst  unter  Aufsicht  des  Lehrers  geschehen!  Dreimal  wöchentlich  sollen 
die  Schulräume  in  analoger  Weise  gesäubert  werden  in  den  Kantonen  Zürich, 
Stadt  Winterthur,  Stadt  Bern,  Schaffhausen,  Aargau  und  Thurgau.  Zweimal 
wöchentlich  stattfindende  Reinigung  sind  als  Mindestmafs  vorgeschrieben  in 
Luzem,  St.  GaUen  (hier  jedoch  in  den  städtischen  Schulen  dreimal  wöchent- 
lich feuchtes  Kehren  und  tägliches  Staubwischen)  und  im  Tessin;  letzerer 
Kanton  gestattet  dem  Lehrer,  für  die  Zimmerreinigung  die  Hilfe  der 
Schüler  des  ältesten  Jahrgangs  in  Anspruch  zu  nehmen! 

Das  Kapitel  der  körperlichen  Erziehung  (pag.  253 — 283)  enthält 
die  Unterabteilungen:  Turnen,  Spiele,  Spaziergänge,  Schwimmen,  Eislaufen, 
Waffenübungen,  Schulbäder.  Hier  liegen  allgemeine  Bundesverordnungen 
vor,  welche  das  Turnen  für  alle  Knaben  vom  10.  bis  zum  15.  Jahre 
obligatorisch  machen  und  60  Turnstunden  für  das  Jahr  als  Minimum  fest- 
setzen. Die  Kantone  sind  verpflichtet,  alljährlich  über  den  Turnunterricht 
der  männlichen  Jugend  Bericht  zu  erstatten,  und  der  Bundesrat  behält  sich 
das  Recht  der  Inspektion  des  Turnwesens  in  den  kantonalen  Lehrerbildungs- 
anstalten vor.  Die  Heranbildung  der  Turnlehrer,  die  teilweise  oder  gänz- 
liche Befreiung  vom  Schulturnen  der  männlichen  Jugend  sind  von  selten 
des  Bundes  geregelt.  Im  übrigen  weichen  die  Kantone  vielfach  von  ein- 
ander ab,  insbesondere  hinsichtlich  des  Mädchentumens. 

Zürich  macht  in  der  siebenten  und  achten  Mädchenklasse  das  Turnen 
obligatorisch.  In  Zürich-Stadt  erhalten  in  den  Primär-  und  Sekundär- 
schulen Knaben  und  Mädchen  durch  alle  Klassen  Turnunterricht,  femer 
finden  wöchentlich  zwei  Stunden  lang  Jugendspiele  statt,  und  es  werden 
fakultative  Schwinunkurse  abgehalten. 

Bern  gibt  den  Gemeinden  Ermächtigung,  in  den  Primarschulen  das 


118 

Tomen  auch  fftr  Mädchen  obligatorisch  einzuführen,  in  den  Sekundär- 
schalen  ist  es  für  beide  Geschlechter  obligatorisch.  Schülerreisen  von 
6  bis  12  Tagen  Daner  finden  sumptibns  pnblicis  statt. 

Lozem  stellt  den  Gemeinden  anheim,  wo  sich  tangliche  Lehrerinnen 
finden,  das  Tnmen  auch  für  Mädchen  als  Freifach  einzuführen.  Die  fUr 
Knaben  durch  Bundesgesetz  vorgeschriebenen  60  jährlichen  Turnstunden 
sollen  im  Interesse  des  FreOufttumens  tunlichst  auf  die  Zeit  des  Frül^ahrs 
und  Sommers  Yerlegt  werden.  In  der  ersten  bis  dritten  Klasse  sind  die 
Unterrichtspausen  mit  Spielen  auszufflllen. 

Zug  lä&t  das  Turnen  für  Mädchen  fakultativ. 

Solothum  hält  in  den  Primarschulen  in  allen  Klassen  eine  wöchent- 
liche Turnstunde  und  aufserdem  Spielstunden  und  gemeinsame  Spaziergänge. 

Basel-Stadt  macht  in  den  Sekundärschulen  das  Turnen  auch  für  Mädchen 
obligatorisch,  die  Knaben  werden  klassenweise  zum  Baden  und  zum  Eislauf 
geführt.  Basel-Land  bietet  den  Mädchen  in  den  Sekundärschulen  in  Klasse 
1  und  2  wöchentlich  eine  Turnstunde,  in  Klasse  3  nicht. 

In  Schaffhausen  können  die  Realschülerinnen  zu  Gunsten  des  Arbeits- 
unterrichts vom  Turnen  dispensiert  werden. 

St.  Gallen  hat  für  Knaben  und  Mädchen  in  den  Sekundärschulen 
wöchentlich  zwei  Turnstunden,  in  den  Primarschulen  eine  Stunde.  Häufige 
gemeinsame  Spaziergänge  finden  statt,  im  Interesse  der  Gesundheit  und 
zugleich  zum  Zweck  des  Anschauungsunterrichts. 

Tessin  fordert  au&er  den  Turnstunden  alle  Vor-  und  Nachmittage 
zehn  Minuten  dauernde  körperliche  Übungen. 

Neuchätel  zeichnet  sich  durch  eine  sehr  ins  einzelne  gehende  Prüfungs- 
ordnung für  Turnlehrer  aus,  worin  unter  anderem  Anatomie,  Physiologie 
und  Hygiene  gefordert  wird. 

Genf  stellt  im  Turnen  Knaben  und  Mädchen  gleich. 

Waffenübungen  der  männlichen  Schuljugend  sind  fakultativ  eingeführt 
in  Zürich,  Bern,  Glarus,  Aargau,  Chaux-de-Fond,  Neuchätel  und  Solothum, 
in  letzterem  Kanton  aber  für  die  Kantonschüler  obligatorisch. 

Das  vorliegende  Werk  ist  dringend  einem  jeden  zu  empfehlen,  der 
über  das  in  so  mancher  Hinsicht  musterhafte  Schulwesen  der  Schweiz 
Belehrung  sucht.  Dr.  Paul  SoHüBEBT-Nümberg. 


§tt  $i^]tliirfi 


L  Jahrgang.  1903.  No.  2. 


Auf  Ersuchen  der  Bedaktion  haben  sich  femer  bereit  erklärt, 
als  Mitarbeiter  zn  wirken: 

Altschal,  Dr.,  Sanitatsrat,  Prag. 

Bayr,  Bmanuel,  Direktor,  Wien  —  Bennstein,  Alexander,  Lehrer, 
Wilmersdorf —  Berninger,  Johannes,  Lehrer,  Wiesbaden  —  Bargerstein, 
Dr.,  Professor,  Wien. 

Danker,  Oberlehrer,  Hadersleben. 

Franke,  Dr.,  Stadtschalrat,  Magdebarg  —  Frensel,  Fr.,  Lehrer  in 
Stolp  (Pommern). 

Oerhardi,  Dr.,  prakt.  Arzt,  Ladenscheid  —  Glaaning,  Dr.,  Professor, 
Stadtschobat,  Nürnberg. 

H&konson-Hansen,  Lehrer  a.  Observator,  Drontheim  —  Hergel,  Dr., 
k.  k.  Gymnaaialdirektor,  Aassig  —  Hin  träger,  Professor,  Architekt,  Gries  bei 
Boten  —  Hintz,  0.,  Bektor,  Berlin. 

Janke,  0.,  Bektor,  Berlin. 

Sobrak,  Dr.,  prakt.  Arst,  Breslau  —  Koch,  Adolf,  Lehrer,  Frank- 
furt a.M.  —  Kölle,  Direktor,  Begensberg  bei  Zürich  —  Kraass,  Siegmand, 
Lehrer  am  Blindeninstitat,  Wien. 

Lange,  Dr.,  Augenarzt,  Braanschweig. 

Neafert,  Dr.,  Stadtsohalrat,  Charlottenbarg. 

Richter,  C,  Lehrer,  Strausberg  —  Roller,  Karl,  Oberlehrer,  Darm- 
itadt  —  Buhl,  Dr.,  Stadtschalrat,  Stettin. 

Scharff,  A.,  Hauptlehrer,  Flensburg  —  ▼.  Schenckendorf,  Reichstags- 
abgeordneter,  Görlitz  —  Scheele,  Dr.,  Geheim.  Sanitätsrat,  Wiesbaden  — 
Schottelias,  Dr.,  Professor,  Freibarg  —  Schubert,  Walter,  Lehrer, 
Leipzig-Gohlis  —  Sickinger,  Dr.,  Stadtschulrat,  Mannheim  —  Sternfeld, 
Dr.  Hugo,  prakt.  Arzt,  München. 

Völlers,  G.  0.  J.,  Lehrer,  Hamburg. 

Wickenhagen,  Dr.,  Prof.,  Rendsburg. 

ZoUinger,  Fr.,  Brziehungssekretär,  Zürich. 

BerlehtiglUlg.  Im  ersten  Verzeichnis  ist  Tersehentlich  als  Ort  bei  dem 
Namen  Landau:  Dresden  statt  Nürnberg  gesetzt. 


Der  Sehulant.  L  3 


22  120 


Zur  Schnlarstfirage  in  österreieh. 

Von 

SlEGMÜin)  E^BAUSS 
in  Wien. 

Eine  der  wenigen  Städte  in  Österreioli,  welche  die  regelmftlsige 
ärztliche  Beaafsichtigong  der  Schulen  und  Schüler  durchgeführt 
haben,  ist  die  Landeshauptstadt  Mährens,  Brunn.  Die  Reiohshaupt- 
und  Residenzstadt  Wien  entbehrt  bis  heute  dieser  Einrichtung,  und 
Yorläufig  ist  auch  wenig  Aussicht  vorhanden,  dafs  die  erste  Stadt 
des  Reiches  beispielgebend  yoranschreite.  Ist  es  doch  bisher  nicht 
möglich  gewesen,  bei  Neubauten  von  Schulen  in  Wien  die  Errichtung 
von  Schulbädem  durchzusetzen,  trotzdem  bei  den  Beratungen  über 
Schulbauten  von  Seiten  der  sozialdemokratischen  Gemeinderäte  jedes- 
mal ein  diesbezüglicher  Antrag  gestellt  wird. 

Für  uns  Österreicher  hat  die  Tatsache,  dafs  das  Brünner 
Stadtphysikat  einen  Bericht  über  die  schulärztliche  Tätigkeit  der 
städtischen  Bezirksärzte  für  die  Zeit  vom  September  1901  bis  März 
1902  vorlegt  und  über  die  Ergebnisse  der  vorgenommenen  schul- 
ärztlichen Untersuchungen  berichtet,  besondere  Bedeutung.  Alle 
Freunde  der  Schulgesundheitspflege  in  Österreich  erhalten  durch 
diesen  musterhaften  Bericht  ein  Mittel,  für  ihre  Ideen  neue  An- 
hänger zu  werben.  Der  Bericht  sollte  aber  auch  auiserhalb  Öster- 
reichs verdiente  Beachtung  finden.  Im  folgenden  sei  versucht,  den- 
selben kurz  zu  skizzieren. 

Die  Schulärzte  Brunns  haben  ihre  Tätigkeit  mit  genauen  Be- 
schreibungen sämtiicher  Schulen  der  Stadt  begonnen,  worauf  das 
Stadtphysikat  mit  Recht  besonderen  Wert  legt. 

Die  Beschreibungen  umfassen  Angaben  über  das  Äulsere  der 
Schule,  über  den  Bauplatz,  die  Lage  und  innere  Einrichtung  des 
Schulgebäudes,  die  räumlichen  Verhältnisse,  Helligkeit,  Beleuchtung, 
Heizung,  Ventilation  der  Schulklassen,  die  Schulbänke,  Reinhaltung 
der  Schule  und  Nebenräume,  Tumsaal,  Verkehrsräume,  Klosetts, 
Wasserbezug,  Kanalisation  etc. 

Die  auf  Grund  dieser  Daten  gemachten  Vorschläge  hygienischer 
Natur  waren  folgende: 


121  23 

Fnrsabstreifer.  Soweit  voThanden,  angenügend.  Notwendig 
eine  breite  Matte  ans  Draht  oder  Eieenbändem,  über  welche  die 
Kinder  eine  Strecke  hinweggehen  mtlseen.  Im  Not&Ue  anch  Holz- 
lattenroste.  Die  Reinigung  müfste,  nach  Abheben  der  Fufsabstreifer, 
tilglich  vorgenommen  werden. 

Kleiderhaken  nnd  Schirmständer  wären  in  den  Glängen 
oder  sonst  an  geeigneten  Orten  anzubringen.  Eisenhaken  sind  nicht 
praktisch,  solche  ans  Holz  sind  vorzuziehen. 

Fufsboden.  EjS  sollen  entweder  die  mit  weichen  langen 
FuTsbodenbrettem  versehenen  Schulklassen  mit  Linoleum  ausgestattet 
werden,  oder  es  sind  Biemenfulsböden  einzurichten.  Vorläufig  sollen 
die  Dielen  mit  heilsem  Leinöl  getränkt  werden,  da  die  staubbindenden 
Folsbodenöle  sich  angeblich  nicht  bewährt  haben  sollen. 

Farbe  der  Wände.  Sie  sollen  leicht  blaugrau  oder  grün- 
pau  gehalten  werden.  Die  Decke  sei  rein  weils.  Bis  auf  1,50  m 
Höhe  sollen  die  Wände  der  Schulklassen  und  der  Aborte  mit 
Emailfarbe  gestrichen  werden,  fiot  ist  in  allen  Schulräumen  un- 
bedingt zu  vermeiden. 

Fensterlicht  soll  nur  von  links  einfiEdlen,  Fenster  an  anderen 
W&nden  sind  durch  weiTsgraue  Leinenschieber  abzudämpfen.  Jedes 
Fenster  mulB  weifsgraue  Leinenblender  besitzen. 

Künstliche  Beleuchtung.  Elektrisches  Bogenlicht  wäre 
bei  Anwendung  der  indirekten  Beleuchtung,  besonders  in  Zeichen- 
und  Handarbeitssälen,  sehr  angezeigt.  Gaslicht  bei  Einführung  von 
Auerbrennem  mit  indirekter  Beleuchtung  mittels  Metallreflektoren, 
oder  als  gemischt-indirekte  Beleuchtung  mittels  kegelförmiger,  unter 
der  Flamme  angebrachter  Milchglasschirme,  würde  die  billigste  und 
beste  Beleuchtungsart  abgeben. 

„Die  mangelhafte  Beleuchtung  ist  eine  Hauptursache  des 
bflufigen  Vorkommens  und  der  steten  Steigerung  der  Kurzsichtigkeit, 
sowie  von  Augenkrankheiten  überhaupt,  besonders  nervöser  Art.^ 

Ventilation.  Die  oberen  Fensterflügel  sollten  durchweg  zum 
Umklappen,  mit  Luftzufuhr  gegen  die  Decke  eingerichtet  sein. 
LoftBchächte  aus  dem  Freien  zu  den  Öfen  wären  sehr  notwendig, 
um  gute,  reine,  gewärmte  Luft  in  den  Schulräumen  zu  erhalten. 

Schulbänke.  Abgesehen  von  den  bekannten  Anforderungen 
an  die  Masse  der  Schulbank,  soll  jeder  Sitz  eine  Rückenlehne  er- 
kalten, die  mindestens  bis  zum  unteren  Schulterblattwinkel  reicht. 
Zweckmäfsig  ist  es,  sie  zu  schweifen.  Alle  Kanten  der  Bank  seien 
abgerundet,    die  Tischplatte  um  20^  zur  Horizontalen  geneigt.     Li 


24  122 

jeder  Klasse  müssen  verschiedene,  den  Gröfsenabstafdngen  der 
Kinder  entsprechende  Bankgröfsen  vorhanden  sein.  Am  empfehlens- 
wertesten sind  zweisitzige  Bänke. 

Schrift.  Es  soll  die  Steilschrift  in  allen  ersten  Schalklassen 
eingeführt  und  sodann  zur  FeststeUung  des  Nutzens,  durch  drei 
Jahre  weiter  fortgesetzt  werden. 

Schiefertafeln  und  Schiefergriffel  wären  am  besten  vom 
Schnlgebranche  ausznschlielsen. 

Reinigung  der  Schulzimmer.  Zu  fordern  ist  eine  täg- 
liche Reinigung  der  Räume.  Für  die  Schuldiener  sollte  eine 
Dienstanweisung  ausgearbeitet  werden,  welche  ihre  Verpflichtungen 
bezüglich  Reinigung,  Lüftung  und  Heizung  enthält. 

Es  wäre  Vorsorge  für  die  Bereitstellung  von  Wasohgeschirren, 
Seife  und  Handtuch  in  jeder  Klasse  zu  treffen.  Ebenso  für  zwei 
Trinkgläser  und  einem  Wasserkrug. 

Schulbad.  Welchen  Nutzen  für  die  Erziehung  zur  Reinlich- 
keit an  Körper,  Wäsche  und  E^eidung  die  Schulbäder  bewirken, 
davon  kann  man  sich  in  der  Schule  Wranauergasse  überzeugen.  50 
bis  60  Ednder  baden  alltäglich,  auch  im  Winter;  die  Kinder  sind 
frisch  und  gesund,  rein  und  nett,  wie  selten  an  einer  Schule,  obwohl 
sie  nicht  zu  den  Wohlhabenden  gehören.  Soweit  als  möglich  sollten 
auch  in  den  anderen  Schulen  Bäder  errichtet  werden.  Im  Sommer 
wären  Verteilung  von  Freibade  karten  an  die  Schulkinder  and 
Vorsorge  für  einen  Freischwimmunterricht  erwünscht. 

Grolsgedruckte  Gesundheitsregeln  sind  in  den  Schulgängen 
anzubringen.  Beispiekweise :  „Spucke  nicht  auf  den  Fufsbodenl" 
„Atme  durch  die  Nase.''     „Wasser  ist  das  beste  Getränk.'' 

Schülerfahrten  in  Wald  und  Feld  und  Schülerreisen 
während  der  Ferien  werden  empfohlen. 

Schlie&lich  wird  die  Anschafiung  von  Rettungkasten  (Schal- 
apotheken) dringend  empfohlen. 


Was  die  Untersuchung  der  Schulkinder  betrifflb,  so  wurden 
in  den  städtischen  Volks-  und  Bürgerschulen  Brunns  von  den 
13528  schulbesuchenden  Kindern  18079  (98,5%)  der  ärztlichen  Be- 
sichtigung unterzogen. 

Die  allgemeine  Körperbeschaffenheit  wurde  bei  7770 
Kindern  mit  „gut",  bei  5420  mit  „mittel"  und  bei  197  mit  „schlecht« 
bewertet. 


123  25 

Mit  irgendwelchen  Leiden  oder  Gebrechen  (abgesehen  von 
Augen-  und  Ohrenleiden,  Ungeziefer  und  ünreinlichkeit)  wnrden 
1194  =  9,13%  der  üntersachten  behaftet  gefunden.  Davon  ent- 
fielen anf  Knaben  443  =  6,95%,  anf  Madchen  726  =  11,34%. 

Die  bemerkenswertesten  Leiden  waren  filntarmnt  bei  170  Kindern 
(5  E.,  165  M.),  Herzleiden  30  (16  K.,  14  M.),  chronischer  Nasen- 
katarrh 29  (3  K.,  26  M.),  chronischer  Lungenkatarrh  32  (16  K., 
16  M.),  Skrophulose  60  (27  K.,  33  M.),  Drüsenschwellungen  57 
(13  E.,  44  M.),  Rhachitis  163  (85  K.,  78  M.),  Rückenverkrümmung 
215  (39  K,  176  M.),  Beinfrals  10  (5  K.,  5  M.),  flüftgeleuk»- 
entzünduDg  11  (3  K.,  8  M.),  Ekzem  148  (64  K.,  84  M.),  aus- 
gedehnte Narben  17  (9  K.,  8  M.),  heisere  Sprache  31  (20  K., 
11  M.).  Die  vorgefundenen  Fälle  von  Geistesschwäche  7,  Sprach- 
fehler 21,  Stottern  50  und  Taubstummheit  1,  weisen  darauf  hin, 
dab  für  solche  Kinder  ein  eigener  Unterricht  besteheu  sollte. 

Der  systematischen  Untersuchung  der  Augen  und  Ohren 
▼urden  bis  März  1902  8730  Schulkinder  (4529  K.,  4471  M.)  unter- 
zogen  und  bei  1781  (769  K.,  1012  M.)  oder  20,4  7o  eine  Herab- 
Setzung  der  Sehschärfe  gefunden.  Als  Ursachen  wurden  festgestellt: 
Wahre  Kurzsichkeit  295,  scheinbare  Kurzsichkeit  209,  Übersiohtig- 
keit  and  Anpassungsbeschwerden  461,  flomhautverkrümmungen  203, 
Hornhauttrübung  291,  Starbildung  5  und  entzündliche  Prozesse  am 
Ange  317. 

Schielen  wurde  bei  258  Kindern  (103  K.,  155  M.)  wahr- 
genommen. Davon  entfielen  236  Fälle  (95  K.,  141  M.)  auf  Ein- 
wärts-, 22  Fälle  (8  K.,  14  M.)  auf  Auswärtsschielen. 

Die  Entstehung  der  Schwachsichtigkeit  wird  nicht  allein 
durch  die  Beschäftigung  in  der  Schule,  sondern  auch  durch  die  un- 
kontrollierbaren häuslichen  Beschäftigungen,  Frivatstudien,  Lektüre 
etc.,  bei  angünstiger  Beleuchtung,  schlechter  Haltung  und  dergleichen 
begilnstigt.  Eine  weitere  Ursache  ist  rein  sozialer  Natur:  Vererbung, 
migünstige  Wohnung,  schlechte  Ernährungsweise  etc. 

Schwerhörigkeit  fand  sich  bei  389  Kindern  (208  K.,  181  M.) 
oder  4,45  %  der  Untersuchten. 

Ungeziefer  wurde  bei  1012  Kindern  (64  K.,  948  M.),  Ün- 
reinlichkeit höheren  Grades  bei  850  (64  K.,  786  M.)  wahr- 
genommen.  Die  fortlaufenden  Untersuchungen  bewirkten  eine  auf- 
&Uende  Abnahme  dieser  Übelstände. 

Infektionskrankheiten  kamen  bis  Ende  März  1902  unter 
den  Schulkindern  499  vor,    und  zwar:    Masern  205,    Scharlach  38, 


26  124 

Diphtheritis  26,  Keuchhusten  104,  Mumps  46  nnd  Windpooken 
80  Fälle,  wobei  sowohl  in  der  Schale,  wie  im  Hanse  die  entsprechende 
Nachschau  gepflogen  wurde. 

Bezüglich  des  Alkoholgenusses  wurde  erhoben,  das  2777 
Kinder  Bier,  1055  Wein,  426  Schnaps  und  531  geistige  Getränke 
im  allgemeinen  genossen,  so  daJs  sich  die  Gesamtsumme  der  Alkohol 
genielsenden  Schulkinder  auf  4789  beläuft,  welche  Ziffer  jedenfalls 
hinter  der  Wirklichkeit  zurückstehen  dürfte. 

In  der  Berichtszeit  wurden  die  Schulen  508  mal  begangen, 
Zeugnisse  für  Schulzwecke  wurden  1189  ausgestellt,  an  die  Eltern 
gelangten,  abgesehen  von  den  kurzerhand  erfolgten  Verständigungen, 
1988  Mitteilungen.  Brillen  wurden  für  64  Schulkinder  verschrieben, 
darunter  37  für  unbemittelte  auf  Kosten  der  Gemeinde. 

Seitens  der  Lehrer  wurden  die  Kinder  regelmäGsigen  Körper- 
gewichtsbestimmungen  und  Messungen  unterzogen. 

Der  Bericht  der  städtischen  Bezirksärzte  Brunns  über  ihre 
schulärztliche  Tätigkeit  wird,  so  ist  zu  hofien,  für  Österreich  der 
Ausgangspunkt  einer  wirksamen  Agitation  für  die  Institution  der 
Schulärzte  sein.  Die  Lehrerschaft  wird  es  hierbei  an  nichts  fehlen 
lassen,  aber  es  müssen  auch  die  Ärzte  Österreichs  energisch  für  diese 
moderne  Forderung  eintreten. 


Hub  ^ttfamminn^tn  ititb  ^tttintn. 


Die  Schnlani-  und  Überbtrdmigsfrage 

in  der  Plenar-Yersammlnng  des  Sächsischen  Landes- 
Medizinalkollegiams  yom  15.  Dez.  1902. 

Zu  diesem  Gegenstand  worden  yon  der  Yersammlong  folgende  Be- 
schlüsse gefalst: 

I.  Die  Anstellung  hygienisch  vorgebüdeter  Schulärzte  fär  sämtliche 
Unterrichtsanstalten  des  Landes  bildet  das  Endziel  der  schnlhygieniscben 
Bestrebongen ;  dasselbe  ist  jedoch  zur  Zeit  aus  praktischen  Gründen  noch 
nicht  erreichbar.  —  Dagegen  macht  sich  die  alsbaldige  DnrchfQhmng 
folgender  Mafsnahmen  bereits  jetzt  erforderlich: 

1.  Die  Anstellung  yon  hygienisch  yorgebildeten  Schulärzten  ist  not- 
wendig fär  grofse  nnd  mittlere  Städte^  wünschenswert  (mindestens 
ein  Scholarzt)  fOr  die  Schulen  in  kleineren  Orten. 


125  27 

2.  Es  macht  sich  eiae  Beaa&ichtiguig  in  schoULrstlicher  Hinsicht  für 
sftmtüche  PriTttsdralen  sowie  der  höheren  Lehranstalten  erforderlich. 

3.  In  den  Orten,  in  denen  SchnlArzte  angestellt  sind,  ist  die  Mit- 
wirkung eines  Schularztes  bei  den  SchnlansschQssen  nnd  -Vorständen 
erforderlich. 

4.  Es  ist  anf  eine  schnlhygienische  Ansbfldnng  der  Ärzte  auf  der 
Universität  besonderes  Gewicht  zu  legen. 

5.  Bei  dem  Unterricht  auf  dem  Seminar  sind  die  Grundlagen  der 
Hygiene  bezw.  Schulhygiene  zu  berücksichtigen  und  zwar  tunlichst 
durch  ärztliche  Vorträge. 

6.  In  den  Angelegenheiten  der  Schulgesundheitspflege  sind  auch  die 
Bezirksärzte  stärker  als  bisher  heranzuziehen.  Wo  keine  Schul- 
ärzte angestellt  sind,  soll  der  Bezirksarzt  eintreten  und  die  Schule 
mindestens  jährlich  einmal  rcTidieren,  wobei  er  auch  dem  Ge- 
sundheitszustand der  Schulkinder  besondere  Aufmerksamkeit  zu- 
zuwenden hat. 

7.  Fflr  die  Revisionen  der  Schulen  durch  die  Schul-  bezw.  Bezirks- 
ärzte sind  besondere  Fragebogen  au&nstellen. 

8.  Kein  Schularzt  darf  ohne  Instruktion  angestellt  werden,  die  von 
der  Bezirksschulinspektion  nach  Gehör  des  Bezirksarztes  auf- 
gestellt wird. 

n.  Bezüglich  der  Frage  der  Überbttrdung  von  SchtÜem  und  Lehrern 
hat  das  Kollegium  nicht  zu  der  Ansicht  gelangen  können,  dafs  eine  solche 
bis  jetzt  nachgewiesen  ist,  wohl  aber  hat  man  die  Überzeugung  gewonnen, 
dalk  bereits  von  selten  der  Schulbehörden  den  Verhältnissen  in  dieser 
Richtnng  mit  Erfolg  fortdauernde  Aufmerksamkeit  geschenkt  wird. 

(„ZfecÄr.  f.  Medixf .'Beamte'' ,  No.  2,  1903.) 


tiltintxt  Ütitttiiitiijien. 


Tätigkeit  der  Schulärzte  in  Nflrnberg.  Dem  Nürnberger  Schularzt- 
bericht fiber  das  Schuljahr  1901/1902  ist  zu  entnehmen:  Die  Zahl  der 
scholaiztlich  überwachten  Kinder  betrug  33 144,  so  dais  auf  jeden  der 
zebn  Schulärzte  im  Durchschnitt  3314  Kinder  kommen.  Jede  Klasse  mufs 
vom  Schularzt  allmonatlich  einmal  besucht  werden,  bei  welcher  Gelegenheit 
jene  Kinder  zu  untersuchen  sind,  deren  Untersuchung  im  Interesse  des 
Unterrichts  erwünscht  erscheint. 

In  den  607  Yolksschulklassen  mit  31086  EJndern  wurden  im  Berichts- 
jahre 6162  solcher  Klassenbesuche  gemacht,  wobei  4474  Kinder  untersucht 
vnrdea,  d.  h.  14,39  7o  aller  Schüler. 

In  den  49  Klassen  der  städtischen  Mittelschulen  (drei  höhere  Mädchen- 
schalen,  Handelsschule  für  Knaben  und  Handelsschule  für  Mädchen)  mit 
1876  Zöglingen  wurden  452  Klassenbesuche  mit  21  Schüleruntersnchungen 
gemacht. 


28  126 

Die  28  Kindergärten  nnd  Kinderbewahranstalten  sind  yorschriftsgem&ds 
nur  alle  Vierteljahre  zn  besuchen.  Im  Berichtsjahre  erfolgten  bei  dieser 
Gmppe  insgesamt  101   Besuche  mit  575  Einderuntersochungen. 

Aulser  diesen  regelmäfsigen  Besuchen  haben  die  Schulärzte  auf  Ruf 
aufserordentliche  Inspektionen  yorzunehmen,  und  zwar  insbesondere  dann, 
wenn  akute  Infektionskrankheiten  in  einer  Klasse  auftreten.  In  solchem 
Falle  werden  alle  Kinder  der  Klasse  daraufhin  untersucht,  ob  sich  Zeichen 
der  in  Frage  stehenden  Infektionskrankheiten  vorfinden. 

Derartige  außerordentliche  Klassenbesuche  fanden  statt: 

Bei  den  Volksschulen  601  mal  mit  23  547  Kinderuntersuchungen,  bei 
den  Mittelschulen  34  mal  mit  1168  Untersuchungen  und  bei  den  Kinder- 
schulen 34  mal  mit  1468  Untersuchungen. 

Die  Gesamtzahl  aller  bei  den  regelmäfsigen  und  aufserord^ntlichen 
Besuchen  yorgenommenen  Kinderuntersuchungen  betrug: 

Bei  den  Volksschulen  28011,  d.  h.  90,14  7o  aller  Kinder,  bei  den 
Mittelschulen  1189,  d.  h.  63,38%  aller  Kinder. 

Hierbei  ist  indessen  zu  bemerken,  dals  die  fiberwiegende  Mehrzahl 
dieser  Untersuchungen  in  einfacher  Besichtigung  bestand,  zum  Zweck  der 
FeststeUung  etwa  yorhandener  Symptome  yon  Mumps,  Scharlach  oder  dergl. 

Eine  planmäfeige  Untersuchung  aller  neu  in  die  Schule  eintretenden 
Kinder  findet  vorerst  in  Nürnberg  noch  nicht  statt. 

Der  schulärztliche  Bericht  gibt  keine  Statistik  der  bei  den  Unter- 
suchungen vorgefundenen  Erkrankungen. 

Von  Interesse  ist  es,  wie  sich  die  zum  Zweck  der  Verhütung  von 
Infektionskrankheiten  vorgenommenen  Untersuchungen  auf  die  einzelnen 
Jahrgänge  verteilen.  Die  Zahl  derselben  geht  mit  der  Häufigkeit  der  akuten 
Infektionskrankheiten  gleichen  Schritt  und  nimmt  vom  ersten  bis  zum 
letzten  Schuljahre  stetig  ab.     Es  gehörten  von  den  untersuchten  Kindern 

dem  1.  Schu^ahr  an  13147  Kinder 
»2.        „         „      5198       „ 
„     3.         „         „      4756       n 
»4.         „  „      £Ölv       „ 

„      O.  „  „       l^vl         „ 

„  6.  „  „  1891  „ 
»  7.  „  „  450  „ 
„     o.         „  „        lo9        „ 

Nach  dem  Geschlecht  verteilen  sich  diese  Untersuchungen  auf  13025 
Knaben  und  16156  Mädchen. 

AuTser  diesen  im  Schulgebäude  vorgenommenen  Untersuchungen  wurden 
noch  515  Sprechstundenkonsultationen  erteilt,  55  Hausbesuche  gemacht 
und  547  Zeugnisse  ausgestellt. 

Im  allgemeinen  wird  der  Gesundheitszustand  der  Kinder  in  den 
Vorortsbezirken  als  besser  bezeichnet,  im  Vergleich  zur  inneren  Stadt. 
Schulschlufs  wegen  gehäuften  Auftretens  von  Infektionskrankheit  wurde  im 
Berichtsjahr  für  18  Schulklassen  und  Kinderbewahranstalten  angeordnet, 
und  zwar  einmal  wegen  Scharlach,  in  allen  anderen  Fällen  wegen  Masern. 

Eine  genaue  Untersuchung  fand  bei  allen,  den  Hüfsklassen  für 
Schwachbegabte  zugewiesenen  Kindern  statt. 


127  29 

Bei  der  Auswahl  der  Kinder  fflr  die  Ferienkolonien  wurde  die  Hilfe 
der  Schnlftrzte  in  Ansprach  genommen. 

Die  Überwachung  des  gesundheitlichen  Zustandes  der  Schulhäuser  gab 
nnr  zu  wenigen  Beanstaudungen  Anlafs. 

Die  Nfimberger  Schnlarztordnung  rtthrt  noch  aus  der  Yorwiesbadener 
Zeit  her,  sie  ist  eine  der  ersten  in  Deutschland  gewesen  und  hat  nur  die 
sächsischen  Städte  als  Vorläufer.  Die  im  Laufe  der  letzten  Jahre  immer 
mehr  in  den  Vordergrund  des  Schularztwesens  getretene  allgemeine  genaue 
Untersuchung  aller  Schüler  soll  in  Zukunft  auch  in  Nflmberg  stattfinden 
und  ist  zur  Zeit  Gegenstand  konunissioneUer  Beratung. 

Sehttlärzte  in  BerliB.  Die  Berliner  Stadtyerordnetenversammlung 
hat  in  ihrer  Sitzung  Yom  22.  Januar  Aber  den  Antrag  des  Stadtverordneten 
AuousTiK  und  Genossen,  der  f&r  jede  Schule  einen  besonderen  Schularzt 
fordert,  und  über  eine  Magistratsvorlage  beraten,  welche  eine  Erht)hung 
der  Zahl  der  Schulärzte  von  12  auf  30  und  die  Festsetzung  des  jährlichen 
Honorars  für  jeden  derselben  auf  2000  Mk.  beansprucht.  Nachdem  Stadt- 
terordneter  Dr.  Bernstein  den  AuairsTiKschen  Antrag,  Stadtschulrat 
Dr.  GEBSTENBEBa  die  Magistratsvorlage  befürwortet,  wurde  auf  Antrag 
des  Stadtverordneten  Dr.  Ebeitling  die  Vorlage  einem  Ausschusse  von 
lö  Personen  zur  weiteren  Beratung  überwiesen. 

{„Deutsche  MecUc.   Wochenschr,"  No.  6,  1903.) 

Über  die  neue  DienstanweisuBg  fBr  die  Selinlärzte  an  den 
Gemeindeschnlen  zu  Berlin  wissen  Berliner  Zeitungen  folgendes  zu  be- 
richten: Die  Untersuchung  soll  innerhalb  der  ersten  sechs  Wochen  des 
Schuljahres  stattfinden  und  sich  aufser  auf  den  Körper  auch  auf  die  geistige 
Entwickelung  beziehen.  Nicht  für  schulfähig  Befundene  werden  auf  ein 
halbes  Jahr,  nötigenfalls  noch  länger  zurückgestellt.  Die  Eltern  bezw. 
Vormünder  sind  zuzuziehen.  —  Solche  Kinder,  welche  nicht  ganz  normal, 
2.  B.  kurzsichtig  oder  schwerhörig  sind,  werden  fortlaufend  beobachtet. 
Dasselbe  gilt  fOr  Stotternde,  bezüglich  welcher  besondere  Stotterkurse  ein- 
zurichten sein  werden. 

Der  Schularzt  hat  die  Schule  jährlich  mindestens  zweimal  sowohl  hin- 
sichtlich des  Zustandes  der  Schulkinder,  wie  der  Schulräume  zu  unter- 
suchen. In  dringenden  Fällen  mufs  der  Schularzt  auf  Anrufen  des  Rektors 
aach  sonst  erscheinen. 

Die  Schulärzte  sollen  in  der  Nähe  der  Schalen  wohnen,  für  die  sie 
bestellt  sind.  Sie  haben  nicht  die  Eigenschaft  von  Gemeindebeamten  im 
Sinne  des  Kommunalbeamtengesetzes  vom  30.  Juli  1899.  Der  Dienst- 
vertrag  kann  nur  nach  vorausgegangener  vierteljährlicher  Kündigung  seitens 
des  Schularztes  oder  seitens  des  Magistrats  aufgehoben  werden. 

Seholärzte  in  Kiel.  Die  kürzlich  stattgefundene  Generalversammlung 
der  Ortskrankenkasse  Kiel  hat  als  Punkt  1  einer  Petition  an  die  städtischen 
KQllegien,  wie  die  y^Eiel,  Ztg.^  berichtet,  angenommen:  Die  Anstellung 
einer  ausreichenden  Zahl  von  Schulärzten  für  die  städtischen  Lehranstalten. 

Aufgaben  der  Sehnlftrzte  in  Dfisseidorf.  Von  Ostern  ab  soll, 
nach  einer  Mitteilung  der  „Banner  Ztg,^,  bezüglich  der  ärztlichen  Unter- 
snchong  der  Düsseldorfer  Schuljugend  eine  Erweiterung  der  bisherigen  Auf- 
gaben des  revidierenden  Arztes  in  der  Weise  erfolgen,  daCs  eine  planmäfsige 

Der  Scbalarst.  I.  4 


30  128 

gesundheitliche  Untersuchnng  aller  derjenigen  Schnlneulinge  stattfindet, 
welche  nach  der  Ansicht  der  Eltern  nnd  Lehrer  als  körperlich  rflckstAndig 
zu  hetrachten  sind.  Dem  Lehrer  fällt  dahei  die  Anfgahe  zn,  die  nen- 
aufgenommenen  Kinder  gleich  von  Beginn  des  Schuljahres  an  einige  Wochen 
lang  einer  sch&rferen  Beobachtung  in  Bezug  auf  ihren  Eörperzustand  zu 
unterziehen;  auf  diese  Weise  findet  eine  schnelle  Orientierung  der  Lehrer 
hinsichtlich  des  aufgenommenen  Schülermaterials  statt,  und  die  Eltern 
werden  nicht  yersäumen,  den  Lehrern  die  für  die  besondere  BerQcksichti- 
gung  beim  Unterrichte  notwendigen  Angaben  aus  freien  Stocken  zu  machen. 
Um  fQr  letztere  den  £ltern  noch  bessere  Gelegenheit  zu  geben,  werden 
vom  genannten  Zeitpunkte  an  den  amtlichen  Zustellungsformularen  für  die 
Eltern  Fragebogen  beigefügt,  auf  denen  diese  schon  vorher  ihre  Wahr- 
nehmungen hinsichtlich  des  Gesundheitszustandes  ihrer  Kinder  schriftlich 
zum  Ausdruck  bringen  können.  Diese  A^ngaben,  wie  auch  die  Beobachtungen 
des  Lehrerpersonals,  dienen  als  Grundlage  fQr  die  nunmehr  vorzunehmende 
stadtürztliche  Untersuchung.  Über  den  Befund  erhalten  alsdann  Elternhaus 
und  Schule  eine  entsprechende  Benachrichtigung.  Eine  solche  Regelung 
ist  als  eine  sehr  glückliche  anzusehen,  da  sie  geeignet  ist,  nicht  nur  die 
Schule  zu  einer  nachhaltigen  Beobachtung  der  Kinder  anzuregen,  sondern 
auch  das  Interesse  der  Eltern  für  die  neue  Einrichtung  dauernd  zu  gewinnen. 
An^stttsburf?.  Dem  Vorbilde  anderer  Städte  folgend,  hat  der  hiesige 
Schulvorstand  beschlossen,  auch  für  die  hiesige  Schule  einen  Schularzt 
mit  besonderer  Instruktion  anzusteUen. 

Betreffs  Anstellung  von  Schulärzten  in  MKnchen  haben  die 
Gemeindebevollmächtigten  Dr.  Wagkeb  und  Schön  einen  Antrag  an  das 
Gemeindekollegium  gerichtet.  Der  Verein  für  Yolkshygieno  in  München 
unterstützte  in  einem  ausfährlichen,  an  das  Gemeindekollegium  gerichteten 
Schriftstück  diese  Anregung  und  ergänzte  sie  durch  eine  Reihe  positiver 
Vorschläge  (Unterricht  der  Lehramtskandidaten  in  der  Schulhygiene,  Unter- 
suchung aller  neu  in  die  Schule  eintretenden  Kinder,  Wiederholung  dieser 
Untersuchung  in  gewissen  Zeiträumen,  dauernde  ärztliche  Überwachang 
körperlich  gebrechlicher  und  chronisch  kranker  Kinder,  Anlegung  von 
Gesundheitsbogen,  die  nach  Austritt  aus  der  Schule  auch  für  die  Berufs- 
wähl  und  für  die  Militärmusterung  von  Wert  sein  würden).  Die  Schulärzte 
sollen  vorher  ihre  Qualifikation  nachzuweisen  haben;  es  wird  empfohlen, 
auch  Spezialärzte  anzustellen  und  den  tüchtigsten  Schularzt  zum  Beirat  der 
kgl.  Lokalschulkommission  zu  machen,     {n Münchner  Neueste  Nachricht*^) 

Über  die  Sehnlarztfrage  hat  der  Verein  der  Ärzte  des  I.  Bezirks 
in  Wien  nach  einem  Vortrage  des  Kinderarztes  Dr.  Rudolf  Nemam  fol- 
gende Resolution  beschlossen: 

„Der  Verein  der  Ärzte  des  I.  Bezirks  in  Wien  sieht  in  der  Institution 
von  Schulärzten  eine  wichtige  und  notwendige  Mafsregel,  um  die  den 
mannigfachsten  Gefahren  ausgesetzten  Schulkinder  vor  körperlichen  Schädi- 
gungen zu  bewahren.  Der  Verein  wünscht  für  Wien  zu  besoldende  Schul- 
ärzte mit  ähnlichem  Statut,  wie  es  die  deutschen  Städte  haben,  denen  auch 
die  Aufgabe  zukäme,  Schulunterricht  in  der  Hygiene  zu  erteilen.  Der 
Verein  sieht  in  der  strengen  Trennung  der  Privatpraxis  der  anzustellenden 
Schulärzte   von  ihrer  Tätigkeit  in  der  Schule  ein  wichtiges  Postulat  und 


129  31 

empfiehlt  die  Zulassung  entsprechend  ausgebildeter  praktischer  Ärzte  zam 
Posten  des  Schalarztes." 

£s  wurde  weiters  beschlossen,  die  Resolution  den  ärztlichen  Standes- 
yereinen  Wiens  behufs  Anregung  einer  Stellungnahme  derselben  zur 
Schularztfrage  mitzuteilen.  (Mitget.  y.  Dr.  NEUBATH-Wien.) 

Die  Srztliehe  ÜberwachuBg  der  Sehiden  Ib  New  York  hat,  wie 

wir  den  „Medical  News"  (No.  5)  entnehmen,  sich  fOr  die  hygienischen 
Verhältnisse  der  Stadt  von  der  gröfsten  Bedeutung  erwiesen.  Während 
froher  in  den  unteren  Klassen  die  Ansicht  yerbreitet  war,  da(s  Kinder  mit 
leichten  Krankheiten,  wie  Masern,  Mumps,  besser  in  der  Schule  als  im 
Hause  aufgehoben  seien,  ist  es  einer  eingehenden  Belehrung  gelungen,  die 
Eltern  yon  dem  Wert  prophylaktischer  Mafsregeln  zu  überzeugen.  Während 
des  ersten  Jahres  der  schulärztlichen  Organisation  in  New  York  wurden 
ungefähr  100000  Kinder  untersucht  und  gegen  6000  Kinder  Yom  Schul- 
besuch ausgeschlossen.  Während  der  Sommermonate,  die  fl&r  die  Gresund- 
heit  der  Kinder  besonders  gefthrlich  sind,  dehnte  sich  die  schulärztliche 
Überwachung  in  grofsem  Umfange  auch  auf  Hausbesuche  aus;  insgesamt 
wurden  270000  Familien  besucht. 

Schulintliehes  aus  New  York.  Bei  Gelegenheit  der  letzten  schul- 
ärztlichen Untersuchung  in  New  York  sind  gegen  2000  Kinder  wegen  an- 
steckenden Krankheiten  ausgeschlossen  worden.  Dies  ist  möglich  geworden 
durch  eine  Reorganisation  des  schulärztlichen  Dienstes.  Die  Zahl  der 
Schulärzte  ist  nämlich  bedeutend  herabgesetzt,  zugleich  aber  ihr  Gehalt 
yervierfacht  worden.  Jedem  der  Ärzte  sind  drei  Schulen  unterstellt; 
täglich  wird  eine  Schule  genau  inspiziert,  so  da(s  jeden  dritten  Tag  eine 
eingebende  Untersuchung  aller  Zöglinge  einer  Anstalt  stattfindet.  Auf  diese 
Weise  ist  es  möglich  gewesen,  aUe  diejenigen  Krankheitsfälle  festzustellen, 
die  frfiher  der  natarlich  oberflächlicheren  Untersuchung  entgangen  sind. 

Die  Anstellung  von  SchnlärzteB  befürwortet  der  All g.  Deutsche 
Verein  fflr  Schulgesundheitspflege  in  einem  Rundschreiben  an  die 
Regierungen  und  Stadtverwaltungen.  Die  Grundzfige  der  schulärztlichen 
Tätigkeit  werden  wie  folgt  zusammengefafst:  1.  Begutachtung  aUer  Schulen 
und  ihrer  Einrichtungen;  von  Zeit  zu  Zeit  erfolgende  Kontrolle  dieser  Ein- 
richtungen; 2.  Untersuchung  der  neu  in  die  Schule  eintretenden  Kinder; 
Wiederholung  der  Untersuchung,  jedenfalls  der  krank  befundenen  Kinder, 
innerhalb  gewisser  Zwischenräume  etc.;  3.  Unterstfltzung  und  Förderung 
aUer  mit  der  Schule  auch  im  weiteren  Sinne  zusammenhängenden  hygieni- 
schen Bestrebungen  (Schulbäder,  Heilstätten,  hygienische  Vorträge  u.  s.  w  ). 


32  130 


tiitxaxxf^t  ßtfpxt^nn^tn. 


H.  Mebeyith  Richabps,  The  sanitary  control  of  schools,  with 
special  referenee  to  the  Edncation  Bill.  Pablic  Health,  Bd.  XV, 
No.  3,  S.  121,  Dezember  1902. 

In  einem  Vortrag  vor  der  Society  of  Medical  officers  of 
Health  verlangt  R.,  es  mögen  die  bevorstehenden  Verhandlangen  über 
das  neue  englische  Unterrichtsgesetz  zu  energischer  Förderang  der  hygie- 
nischen Schulaufsicht,  dieses  so  wichtigen  Zweiges  vorbengender  Gesund- 
heitspflege, ausgenutzt  werden.  Der  Staat  mufs  sich  seiner  Verantwortlich- 
keit fdr  den  in  ö£fentlichen  Schalen  untergebrachten  sechsten  Teil  seiner 
Gesamtbevölkerung  bewufst  werden  und  diesem  heranwachsenden  Geschlecht 
seine  Fürsorge  ebenso  gut  widmen,  wie  den  in  Fabriken  und  Kaufläden 
beschäftigten  Erwachsenen. 

Wohl  haben  beamtete  Ärzte  in  einzelnen  Städten  (z.  B.  in  Bristol) 
mit  den  Schulvorständen  soweit  Fühlung  bekommen,  dafs  diese  ihnen  ver- 
dächtige Fälle  von  Infektionskrankheiten  direkt  melden  (was  zur  Verhütung 
weiterer  Übertragungen  von  unschätzbarem  Werte  ist),  wohl  besteht  ander- 
wärts (z.  B.  in  Eccles)  ärztliche  Schulaufsicht,  aber  kein  beamteter  Arzt 
hat  bisher  gesetzlich  das  Recht,  eine  Schule  zu  betreten,  und  sein  Besuch 
ist  dort  natürlich  ungern  gesehen. 

Auch  der  neue  Gesetzentwurf  gibt  den  behördlichen  Schul-KommissioDen 
nur  allgemeine,  nicht  genügende  Fingerzeige  hinsichtlich  der  Hygiene. 
Das  Durchschnittsmafs  von  0,645  m'  Bodenfläche  bei  2,265  m'  Rauminhalt 
für  den  Kopf  ist  recht  knapp! 

In  erster  Linie  mufs  der  beamtete  Arzt  vom  Schulkomitee  hinzu- 
gezogen werden.  Dadurch  wird  auch  die  notwendige  Einheitlichkeit  der 
öffentlichen  Gesundheitspflege  gewahrt.  Er  hat  für  alle  hygienischen  Forde- 
rungen einzutreten,  ihm  ist  der  Zutritt  zu  allen  öffentlichen  Schulen  zu 
gestatten,  seine  Berichte  müssen  Schul-  und  Gesundheitsbehörden  gleich- 
zeitig zukommen.  In  grölseren  Städten  können  zu  seiner  Entlastung  be- 
sondere Schulärzte  ihm  unterstellt  werden. 

In  lebhafter  Diskussion  wurden  R.s  Ausführungen  allseitig  gebilligt 
und  seine  Leitsätze  mit  geringen  Änderungen  angenommen.  Sie  sollen 
als  Ausdruck  der  Ansicht  der  einflufsreichen  Gesellschaft  beamteter  Ärzte 
den  zuständigen  Parlamentsmitgliedern  übermittelt  werden. 

Dr.  SiEVEKiNG-Hamburg. 

Roller,  K.,  Das  Bedfirftiis  nach  Sehnlärzten  fBr  die  hSheren  Lehr- 
austalteii.  Hamburg  1902.  Verlag  von  Leopold  Voss.  8^.  52  S. 
Mk.  —.80. 

Nach  kurzen  geschichtlichen  Streiflichtern  über  die  Entwicklung  der 

Schularztfrage  im  allgemeinen  und  im  Grofsherzogtum  Hessen  im  besonderen 


131  33 

kommt  Verfasser  zu  seinem  eigentlichen  Stoffe:  Besteht  ein  Bedürfnis 
nach  besonderen  Schnlftrzten  für  die  höheren  Lehranstalten? 

Die  Yeranlassong  hierzu  ^g  von  der  Grofsh.  Hess.  Oberschulbehörde 
aus,  indem  dieselbe  im  Jahre  1901  Stellungnahme  zu  dieser  Frage  von 
jeder  höheren  Lehranstalt  verlangte. 

Die  Bezirksftrzte  sind  auch  in  Hessen  trotz  gediegener  Dienstanweisung 
einfach  physisch  nicht  im  stände,  ihren  Verpflichtungen  der  Schule  gegen- 
über nachzukommen,  da  auf  einen  Bezirksarzt  62  Schulen  in  verschiedenen 
Orten,  mit  etwa  11000  Schülern,  kommen.  Anderwärts  ist  es  nicht  besser. 
Von  Schulgesundheitspflege  in  unserem  Sinne  des  Wortes  kann  natürlich 
da  keine  Rede  sein.  Voraussetzung  für  eine  gute  Schulgesundheitspflege 
ist  die  tüchtige  hygienische  Durchbildung  des  Lehrers.  Leider  lädst  sie 
heute  noch  beim  Volksschullehrer  viel  zu  wünschen  übrig;  ebenso,  oft;  noch 
schlimmer,  ist  es  beim  akademisch  gebildeten  Lehrer  bestellt,  um  dem 
abzuhelfen,  macht  Verfasser,  als  Grundlage  verschiedene  bereits  ergangene 
Verordnungen  benutzend,  Vorschlftge,  wie  die  hygienische  Ausbildung  sowohl 
des  Volksschullebrers  als  auch  des  akademisch  gebildeten  Lehrers  geleitet 
werden  soll.  Nachdem  Verf.  das  Verhältnis  des  Schularztes  zum  Lehr- 
körper erörtert  und  darauf  hingewiesen  hat,  daHs  es  bei  taktvollem  Verhalten 
beider  nie  zu  ünträglichkeiten  kommen  kann,  dals  auch  Differenzen  mit 
dem  Hausarzte  durch  die  Instruktionen  für  Schulärzte  ausgeschlossen  er- 
scheinen, geht  er  zu  der  Frage  über:  Bei  welchen  Schulangelegen- 
heiten höherer  Lehranstalten  ist  ein  Bedürfnis  nach  Schul* 
ärzten  vorhanden?  Die  Hygiene  des  Unterrichts  und  der  Lehrmethode, 
sowie  die  Vermeidung  der  Überbürdung  sind  in  Hessen  einheitlich  fürs 
ganze  Land  geordnet  und  zwar,  wie  Verfasser  meint,  zweckmäfsig,  wenn 
er  auch  nicht  leugnet,  dais  das  Zustandekommen  solcher  Bestimmungen 
wesentlich  der  Mitwirkung  von  Ärzten  zuzuschreiben  ist.  Der  Stundenplan 
mufs  in  den  Händen  des  Direktors  bleiben.  Eine  Mitarbeit  des  Schul- 
arztes würde  nur  hinderlich  sein,  und  eine  Begutachtung  desselben  ein 
Abhängigkeitsverhältnis  des  Leiters  vom  Schularzte  erzeugen.  Überdies 
habe  die  Oberschulbehörde  die  Entscheidung  über  den  Stundenplan  in 
Händen,  und  dort  könne  auch  das  Gutachten  eines  Arztes  eingeholt  werden, 
der  ihr  als  Beirat  zugeteilt  wäre.  Das  Facit  lautet:  Die  hygienische 
Überwachung  des  Unterrichts  in  Fragen  allgemeiner  Natur 
ist  nicht  Sache  des  Schularztes,  sondern  der  Zentralschul- 
behörde unter  Zuziehung  eines  ärztlichen  Beirates. 

Auch  dem  Schularzte  die  Befugnis  zu  erteilen,  Sitz  und  Haltung  der 
Schüler  zu  kontrollieren,  ist  nach  dem  Verf.  ganz  unnötig,  denn  selbst  bei 
geringstem  Grade  hygienischer  Bildung  werden  die  Lehrer  das  besser  be- 
sorgen können;  aufserdem  wird  beim  Eintritte  des  Schularztes  der  Unter- 
richt unterbrochen,  und  wenn  dies  nicht  der  Fall  wäre,  würden  doch  alle 
Schüler  sich  aufraffen,  um  in  Gegenwart  des  Schularztes  die  Ehre  des 
Hauses  bezüglich  des  Sitzens  zu  retten.  Auf  ersteres  könnte  man  versucht 
sein  zu  antworten:  Selbst  bei  geringstem  Grade  pädagogischer  Bildung 
werden  wir  Ärzte  die  hygienische  Seite  der  Ünterrichts-Methoden  besser 
beurteilen  können  als  die  Lehrer.  Zweitens  dürfte  jedem  Schularzte  wohl 
so  viel  Selbständigkeit  zugetraut  werden,  dafe  er  den  Lehrer  beim  Betreten 


34  132 

der  Klasse  um  sofortige  Fortsetzung  des  Unterrichts  bittet.  Dafs  dann 
die  Schfller  die  Ehre  des  Hauses  retten  werden,  habe  ich  nie  gesehen, 
denn  die  Kinder  fühlen  zu  gut  heraus,  da(s  der  Schularzt  nicht  ihr  Vor- 
gesetzter ist.  Nur  Schulleiter  und  Lehrer  scheinen  dies  hier  und  da  noch 
zu  fürchten.  Jedenfalls  ist  dieses  Gefflhl  und  die  Besorgnis,  der  Schularzt 
könnte  den  Lehrer  vor  der  Klasse  kompromittieren,  ganz  unberechtigt 
Der  Schularzt  wird  schon  Gelegenheit  finden,  in  kollegialer  Weise  mit  dem 
Lehrer  seine  Wahrnehmungen  zu  besprechen  und  zu  beraten.  Der  Schal* 
arzt  soll  doch  gesundheitlicher  Berater  in  jeder  Schulangelegenheit  sein, 
wo  gesundheitliche  Anforderungen  überhaupt  in  Betracht  kommen,  und  ein 
Berater  ist  nie  ein  Vorgesetzter.  In  gewisser  Beziehung  ist  er  allerdings 
mehr,  er  ist  ein  Vertrauensmann,  mit  dem  man  sich  in  schulgesund- 
heitlichen Fragen  besprechen,  beraten  kann,  ebenso  wie  man  in  pädago- 
gischen Fragen  sich  mit  dem  Lehrer  als  Vertrauten  und  nicht  Vorgesetzten 
beraten  geht.  Hierdurch  kann  jeder  Schulleiter  und  Lehrer  mancher 
Korrektur  seiner  Oberbehörde  entgehen,  die  eventueU  schon  einem  Ver- 
weise nahe  kommen  könnte. 

Auch  die  Kontrolle  Aber  die  Lehrmittel  kann  der  Lehrer  nach  der 
Ansicht  des  Verfassers  besser  besorgen  als  der  Schularzt,  vorausgesetzt, 
da(s  die  Grundsätze  zu  ihrer  Herstellung  behördlich  fixiert  sind. 

Die  Hygiene  des  Schulneubaues  oder  Umbaues  und  seiner  Neueinrich- 
tung soll  einem  ärztlichen  Beirate  der  Oberschulbehörde  unterstehen.  Dem 
Schularzte  untersteht  die  Hygiene  der  bestehenden  Schulgebäude  und  ihrer 
Einrichtungen.  Es  ist  uns  nicht  recht  Terständlich,  warum  auf  diesem 
Gebiete,  einem  eigentlich  mehr  physikalisch-technischen  —  nun  mit 
einem  Male  der  Arzt  infolge  seines  Stadienganges  der  Erfahrenere  sein  soll 
und  hier  den  Schulleiter  auf  vieles  aufmerksam  machen,  d.  h.  ihn  be- 
raten kann,  ohne  das  Odium  eines  Vorgesetzten  auf  sich  zu  laden,  während 
das  physiologische  Gebiet  der  Lehrer  selbst  bei  geringster  hygienischer 
AusbOdung  besser  besorgen  soU  als  der  Arzt.  Das  Umgekehrte  wäre 
meiner  Anschauung  nach  zwar  nicht  richtig,  aber  richtiger. 

Was  die  Hygiene  des  Schulkindes  an  höheren  Lehranstalten  betrifft, 
so  liegt  nach  Ansicht  des  Verfassers  kein  Bedflrfnis  einer  individuellen 
Gesundheitspflege  vor.  Die  Verhältnisse  seien  da  bessere  als  in  den  Volks- 
schulen. Die  Eltern  lassen  hier  die  Kinder  von  Hausärzten  flberwachen 
u.  s.  w.  Den  Schularzt  gehen  nur  allgemein  gesundheitliche  Fragen  der 
Schüler  an,  als  Ernährungsstörungen,  Abspannung,  Nervosität,  Verhütung 
der  Kurzsichtigkeit,  Störungen  des  Allgemeinbefindens,  psychische  Er- 
krankungen, welche  infolge  übermäfsiger,  fortgesetzter  und  einseitiger 
geistiger  Anstrengung  eintreten.  Alles  dies  zu  konstatieren  soll  also  dem 
Schularzt  gestattet  sein,  aber  Abhilfe  zu  schaffen  durch  Beraten  der  Lehrer 
ist  ihm  untersagt,  höchstens  darf  er  der  Oberbehörde  seine  Wahrnehmungen 
mitteilen,  damit  vielleicht  nach  langer  Zeit  Abhilfe  durch  eine  neue  In- 
struktion geschaffen  wird.  Ich  will  ja  durchaus  nicht  behaupten,  der  Arzt 
verstehe  aUes  besser  als  der  Lehrer,  aber  eine  Aussprache  zwischen  Schul- 
arzt und  Lehrer  kann  doch  nur  das  Wohl  des  Schülers  fördern.  Gewiis 
ist  es  nötig,  individuell  die  Gesundheit  der  Schüler  höherer  Lehranstalten 
zu  flberwachen,    da  ja  selbst  die  Schulbehörden  zugeben,    da&  die  höhere 


133  35 

Schule  zn  vielen  Erkrankungen  der  einzelnen  Individuen  Yeranlassnng  gibt, 
deren  Anfdecknng  zu  den  gröfsten  Ermngenschaften  der  Schnlgesnndheits- 
pflege  gehört. 

Ein  Gesnndheitsschein  beim  Eintritt  in  die  höhere  Schule  genflgt,  wie 
Verfasser  meint,  fl&r  alle  neun  Jahre,  höchstens  können  die  Allgemein- 
nntersuchungen  des  Schularztes,  von  denen  eben  die  Bede  war,  noch  kon- 
statieren,  ob  Gebrechen,  die  im  Gesundheitsscheine  angegeben  sind,  zu- 
genommen haben.  Aber  auch  hierzu  ist  eine  individuelle  Untersuchung 
absolut  nötig.  Mit  Bezug  auf  die  Infektionskrankheiten,  wo  doch  meist 
anfangs  schwerere  Erscheinungen  da  sind,  haben  es  nach  Ansicht  des  Ver- 
fassers die  Eltern  oft  mit  der  Zuziehung  eines  Arztes  gar  nicht  eilig,  wo- 
gegen er  vorher,  in  einem  unberechtigten  Optimismus  befangen,  meinte,  die 
Eltern  von  Schfllern  höherer  Lehranstalten  seien  in  der  Lage,  ihre  Kinder 
unter  eine  eingehende  Überwachung  eines  Hausarztes  zu  stellen.  Braucht 
wohl  der  Schulleiter  bei  den  Infektionskrankheiten  die  Mitwirkung  eines 
Schularztes  nur  deshalb,  damit  er  jeder  Verantwortung  enthoben  sei,  wenn 
es  zum  Schliefsen  von  Klassen  oder  der  ganzen  Schule  kftme?  Auch  habe 
der  Arzt  dafOr  zu  sorgen,  dafs  Kinder  mit  flblem  Geruch  aus  Mund,  Nase, 
Ohr  etc.  oder  ekelerregenden  Krankheiten,  solange  aus  der  Schule  ent- 
fernt werden,  bis  das  Leiden  beseitigt  ist,  denn,  wenn  dies  der  Schul- 
arzt tut,  so  kann  dem  Lehrer  daraus  keine  Unannehmlichkeit  erwachsen. 
Immerhin  kommt  Verfasser  doch  zu  dem  Schlüsse,  fflr  sämtliche  höheren 
Lehranstalten  die  Mitwirkung  des  Schularztes  zu  beanspruchen,  oder 
wenigstens  es  zu  versuchen,  aber  bescheiden  muTs  dieser  sein  und  darf 
nicht  zu  Vieles  als  dringend  notwendig  oder  wünschenswert  erklären. 

Eüermit  setzt  sich  Verfasser  in  einen  wohltuenden  Gegensatz  zu  dem 
Ergebnis  der  Umfrage  der  GroCsh.  Hessischen  Oberschulbehörde,  von  der 
eingangs  die  Rede  war.  Sowohl  der  Verein  hessischer  Ärzte,  welcher  vom 
Verfasser  ersucht  worden  war,  zu  dem  Bedürfnis  nach  Schulärzten  für 
höhere  Lehranstalten  Stellung  zu  nehmen,  als  auch  die  Versammlung 
hessischer  Direktoren  sprachen  sich  dahin  aus,  dafe  die  beamteten  Ärzte, 
also  die  Bezirksärzte,  vollkommen  hinreichen,  und  da&  es  einer  persönlichen 
Überwachung  der  einzelnen  Schüler  nicht  bedarf.  In  eigenartigem  Wider- 
spruche stehen  Leitsatz  7  und  8  dieser  ÄuCserung.  Leitsatz  7  besagt: 
qEs  empfiehlt  sich,  daCs  beim  Eintritt  der  Kinder  in  die  Schule  etwaige 
krankhafte  Zustände  der  Schüler  von  den  Eltern  angegeben  werden" ,  während 
Leitsatz  8  aus  diesen  Gründen  ein  Bedürfois  nach  besonderen  Schulärzten 
als  nicht  bestehend  hinstellt.  Es  ist  doch  eine  ganz  falsche  Vorstellung, 
von  den  Eltern  zu  erwarten,  daCs  sie  über  den  Gesundheitszustand  ihrer 
Kinder  Auskunft  zu  geben  in  der  Lage  sind,  ohne  zu  diesem  Zweck  eigens 
ihr  Kind  vom  Arzt  untersuchen  zu  lassen.  Tagtäglich  stölst  der  Schularzt 
auf  schwere  Störungen  und  Erkrankungen  —  und  zwar  nicht  nur  bei  Kindern 
armer  Eltern,  sondern  auch  bei  denen  aus  vermögenden  Familien  — ,  die 
den  Eltern  ganz  unbekannt  sind.  Wann  wird  bei  einem  Schüler  eine 
Tuberkulose  konstatiert?  Meist  wenn  es  schon  zu  schwersten  Erscheinungen 
gekommen  ist.  Wie  oft  entgeht  den  Eltern  oder  wird  von  ihnen  nicht 
beaditet,  wenn  ihr  Kind  mit  Kopfschmerzen  und  anderen  Erscheinungen 
aus   der  Schule  heimkehrt,   die   mit  einer  Kurz-  oder  Weitsichtigkeit  zu- 


36  134 

sanimenh&Dgen?  Wer  schickt  sein  Kind  vor  dem  Schnlbesach  zum  Arzte, 
ob  nicht  ein  Herzfehler  oder  eine  Brachanlage  vorhanden?  Und  selbst  wenn 
die  Eltern  alle  Gebrechen  ihrer  Kinder  genau  der  Schule  mitteilen  wfirden, 
wer  wird  die  Zunahme  dieser  Erkrankungen  erkennen,  wer  wird  unter- 
scheiden, ob  bei  einem  früher  gesunden  Kinde  sich  nicht  eine  schleichende 
Erkrankung  einnistet,  die,  zu  sp&t  erkannt,  f&r  das  Kind  und  seine  Mit- 
schüler verhängnisvoll  werden  kann? 

Der  Lehrer  etwa?  Die  Praxis  widerspricht  dem.  Schon  die  Kranken- 
geschichte der  an  Tuberkulose  gestorbenen  Schulkinder  sollte  alle  Lehrer 
und  Ärzte  eines  anderen  belehren.  Trotz  der  relativ  günstigen  Yerhflltnisae 
zur  Ausheilung  in  der  restitutionskrftftigen  Jagend  sterben  doch  so  yiele 
Kinder  an  dieser  Seuche.  Zu  spät  erkannt,  zu  spät  behandelt.  Alle  nnsere 
Bestrebungen  und  alles  Geld  für  Tuberkuloseheilstätten  werden  umsonst  sein, 
wenn  wir  das  Übel  nicht  an  seiner  Wurzel  fassen.  In  die  Yolksschnle 
sowohl  als  in  höhere  Lehranstalten  treten  die  Kinder  ein  mit  skrophulösen 
Affektionen.  Geistig  angestrengt  und  in  ihrer  Konstitution  geschwächt,  erwerben 
sie  die  Lungenaffektion,  die  den  Todeskeim  in  sich  birgt.  Treten  diese 
Kinder  ins  praktische  Leben,  so  kommt  man  mit  allen  Heilanstalten  schon 
zu  spät.  Gerade  in  der  Schule  hat  man  alle  Menschen  durch  Jahre  in 
Evidenz,  und  Prophylaxe  —  Vorbeugung  wird  es  im  höchsten  Grade 
und  idealstem  Sinne  sein,  wenn  wir  die  Erkrankungen  im  Keime  erkennen 
und  die  jugendlichen  Kranken  in  Kinderheilstätten  einer  Heilung  zuführen 
können.  Nur  der  in  der  Schule  angesetzte  Hebel  kann  Heilung  and 
Besserung  bringen.  Und  das  Geld,  welches  heute  zur  Erstellung  und  zum 
Unterhalt  von  Tuberkuloseheilstätten  für  Erwachsene  geopfert  wird,  wttrde 
fär  Kinderheilstätten  verwendet,   unendlich  viel  bessere  Resultate  zeitigen. 

Möchte  die  Schularztfrage  auch  an  höheren  Lehranstalten  von  einem 
recht  weiten  und  nicht  engherzigen  Standpunkte  aus  beurteilt  und  znr 
Lösung  gebracht  werden.  Med.  Dr.  Ebnst  VEix-Prag. 


135  37 


DtettMi^)^ttntt|ett  fix  S^uiix^it. 


IHenstuiweisans  ftr  die  Schulärzte  in  Dauii;.' 
I.  Amtliche  Stellang  und  Obliegenheiten  des  Schalarztes. 

§  1. 
Der  Schularzt  ist  Mitglied  des  bei  jeder  Schule  gebildeten  Schnl- 
vorstandes.  Als  solches  hat  er  Sitz  and  Stimme  in  demselben  und  ist 
verpflichtet^  den  Sitzungen  desselben  beizuwohnen.  Es  ist  seine  Aufgabe, 
die  für  die  Gesundheitspflege  in  der  Schule  erforderlichen  Mafsnahmen 
anzuregen  und  seine  dahin  zielenden  Vorschläge  dem  Schuhorstande  zu 
unterbreiten.  Die  Ausfflhrung  von  Anordnungen  hygienischen  Charakters 
in  der  Schale  hat  er  mit  dem  Schulvorstande  zu  überwachen. 

§2. 

Der  Schularzt  hat  regelm&fsig  zu  Anfaug  jeden  Schulsemesters  die- 
jenigen Kinder,  welche  in  die  Schulen,  zu  deren  SchulYorstande  er  gehört, 
neu  eingetreten  sind,  genau  auf  ihre  Körperbeschaffenheit  und  ihren  Ge- 
sundheitszustand zu  untersuchen.  Hierbei  ist  festzustellen,  welche  Kinder 
einer  dauernden  ärztlichen  Überwachung  oder  beim  Schulunterrichte  der 
besonderen  Berficksichtigung  bedürfen,  z.  B.  der  Ausschliefsung  yom  Unter- 
richte in  einzelnen  Fächern,  wie  Turnen,  Gesang  oder  der  Beschränkung 
in  der  Teilnahme  am  Unterrichte  oder  der  Anweisung  eines  besonderen 
Sitzplatzes  wegen  Gesichts-  oder  Gehörfehlers  und  dergleichen. 

Über  jedes  Kind,  welches  einer  dauernden  ärztlichen  Überwachung  für 
bedürftig  erklärt  wird,  ist  während  der  ganzen  Schulzeit  ein  Personalbogen 
zn  führen,  der  dasselbe  durch  die  Schule  begleitet. 

§8. 

Die  Untersuchung  ist  möglichst  bald  nach  Beginn  des  Semesters  zu 
einer  mit  den  Rektoren  der  Schulen  yereinbarten  Zeit  in  der  Weise  vor- 
zunehmen, dafs  die  Kinder  gruppenweise  in  Anwesenheit  des  Klassenlehrers 
oder,  soweit  Mädchen  in  Frage  kommen,  einer  Lehrerin  dem  Schularzte 
in  einem  besonderen  Räume  des  Schulgebäudes  vorgeführt  werden.  Die 
Eltern  dürfen  von  dem  Schularzte  zur  Untersuchung  ihrer  Kinder  zugelassen 
werden. 

§4. 

Finden  periodisch  wiederkehrende  Untersuchungen  der  Schulkinder 
durch  Augenärzte  oder  andere  Spezialärzte  statt,  so  hat  der  Schularzt 
dabei  anwesend  zu  sein. 


^  Vom  Magistrat  der  Stadt  Danzig  freuudiichst  zur  Verfügung  gestellt. 


38  136 

§  5. 

Monatlich  einmal  während  der  Zeit  des  Unterrichtes  hat  der  Schul- 
arzt zu  einer  mit  dem  Rektor  zu  vereinharenden  Zeit  die  Schule  zu  be- 
suchen. Er  hat  hierbei  die  Schüler  Ton  2 — 6  Klassen  in  ihren  Klassen- 
zimmern einer  äufseren  Besichtigung  zu  unterziehen  und  femer  di^enigen 
Kinder,  welche  ihm  verdächtig  erscheinen,  oder  die  ihm  aus  den  besichtigten 
oder  auch  aus  anderen  Klassen  besonders  vorgefahrt  werden,  und  diejenigen, 
die  bei  einer  früheren  Untersuchung  unter  dauernde  ärztliche  Überwachung 
gestellt  sind,  womöglich  in  einem  besonderen  Baume  zu  untersuchen.  Falls 
eine  ärztliche  Behandlung  hierbei  für  notwendig  befunden  wird,  sind  davon 
die  Eltern  der  Kinder  durch  den  Bektor  zo  benachrichtigen. 

Die  ärztliche  Behandlung  solcher  Kinder  selbst  ist  nicht  Sache  des 
Schularztes. 

Im  Falle  Auftretens  ansteckender  Krankheiten  sind  die  Schulen  nach 
Bedarf  häufiger  als  monatlich  zu  besuchen,  auch  hat  bei  dem  Verdachte 
auf  solche  der  Schularzt  auf  Ersuchen  des  Rektors  außerordentliche  Re- 
visionen der  Schulkinder  vorzunehmen. 

Jede  Klasse  soll  jährlich  wenigstens  einmal  besucht  werden. 

§6. 

Bei  den  Revisionen  der  Schulräume,  welche  jähriich  durch  Beauftragte 
der  Bauverwaltung  und  der  Schulverwaltung  unter  Zuziehung  des  Stadtarztes 
stattfinden,  hat  der  Schularzt  der  betreffenden  Schule  zugegen  zu  sein. 

§  7. 

Der  Schularzt  ist  befugt,  bei  seinen  Besuchen  in  der  Schule  sowohl 
die  Unterrichts-  wie  auch  alle  anderen  Räume  auf  dem  Schulgmndstflcke, 
z.  B.  Yerwaltungszimmer,  Dienstwohnungen,  Lokalitäten  für  Horte  und 
Haushaltungsunterricht,  Küchen,  Keller,  Klosets  zu  betreten  und  zu  be- 
sichtigen. Werden  dabei  Mifsstände  hygienischer  Art  von  ihm  wahr- 
genommen, so  wird  er  zunächst  den  Rektor  darauf  aufmerksam  machen 
und  die  Abstellung  derselben,  falls  sie  nicht  kurzerhand  von  dem  Rektor 
bewirkt  ist,  im  Schulvorstande  zur  Sprache  bringen.  Lehnt  der  Schul- 
vorstand es  ab,  die  von  dem  Schularzt  gewünschten  Änderungen  vorzu- 
nehmen bezw.  dahin  zielende  Anträge  bei  der  Schuldeputation  zu  stellen, 
so  ist  der  Rektor  auf  Verlangen  des  Schularztes,  verpflichtet,  der  Schul- 
deputation über  die  Anträge  des  Schularztes,  sowie  über  die  Gründe  der 
in  dem  Schulvorstande  erfolgten  Ablehnung  Bericht  zu  erstatten. 

Zu  selbständigen  Anordnungen  ist  der  Schularzt  nicht  berechtigt. 

§  8. 
In  Gemeinschaft  mit  dem  Rektor  und  den  betreffenden  Klassenlehrern 
hat  der  Schularzt  die  für  die  Ferienkolonien  und  Badefahrten  in  Vorschlag 
zu  bringenden,  sowie  zur  Beteilung  mit  Frühstück  zu  bestimmenden  Kinder 
auszuwählen. 

§9. 

Auf  Ersuchen  der  Schuldeputation  oder  des  Rektors  hat  der  Schularzt 
sein  Gutachten  abzugeben  und  zwar  besonders  in  folgenden  Fällen: 


137  39 

a)  bei  Überweisang  von  Schulkindern  an  die  Hilfsklasse, 

b)  bei  Überweisung  an  Hilfsknrse  fflr  Stotternde, 

g)  bei  angeregter  Befreiung  vom  Schnlbesnche  oder  einzelnen  Unter- 
richtsfächern, 

d)  bei  drohender  Verbreitung  ansteckender  Krankheiten. 
Grutachten  ad  d)  bat  der  Schularzt  auch  auf  Ersuchen  des  Stadtarztes  ab- 
zugeben. 

n.  Geschäftsführung  des  Schularztes  und  sonstiges. 

§  10. 

In  jeder  Schule  wird  vom  Rektor  ein  Revisionsbuch  aufbewahrt,  in 
welches  der  Schularzt  Zeit  und  Dauer  seiner  Besuche,  sowie  den  Umfang 
der  dabei  vorgenommenen  Revisionen  und  die  wichtigeren  Wahrnehmungen 
einzutragen  hat. 

§  11. 

Er  hat  jährlich  spätestens  bis  zum  15.  Mai  dem  Stadtarzte  zur  Weiter- 
gabe an  die  Schuldeputation  einen  schriftlichen  Bericht  über  seine  Tätigkeit 
im  abgelaufenen  Schuljahre  einzureichen. 

Dieser  soll  enthidten: 

a)  eine  tabellarische  ziffernmäßige  Zusammenstellung  der  Resultate  bei 
den  Aufnahme-Untersuchungen, 

b)  die  Anzahl  der  in  jeder  Schule  gemachten  Besuche, 

c)  die  Anzahl  und  Art  der  wichtigeren  Erkrankungsfälle,  die  bei  den- 
selben zur  Beobachtung  gekommen  sind, 

d)  die  Anzahl   und  die  Ursachen  der  Befreiungen  vom  Schulbesuche 
oder  von  einzelnen  Unterrichtsgegenständen, 

e)  die  Anzahl  der  Kinder,  für  welche  eine  dauernd  ärztliche  Kontrolle 
für  notwendig  erklärt  worden  ist. 

§  12. 

Die  in  amtlicher  Eigenschaft  gemachten  Beobachtungen  darf  der 
Si^ularzt  nur  mit  Genehmigung  der  Schnldeputation  veröffentlichen. 

§  13. 
Der  Schularzt  hat  an  denjenigen  Konferenzen  teilzunehmen,  welche 
von  der  Schuldeputation  oder  auf  Veranlassung  derselben  von  dem  Stadt- 
arzte behufs  Erreichung  eines  möglichst  zweckmäßigen  Vorgehens  auf  dem 
Gebiet  der  Schulhygiene  und  behufs  Austausches  von  Beobachtungen  und 
Erfahrungen  berufen  werden. 

§  14. 

Will  ein  Schularzt  auTserhalb  der  Zeit  der  Schulferien  auf  länger  als 
eine  Woche  die  Stadt  verlassen,  so  hat  er  die  Schuldeputation  hiervon  zu 
benachrichtigen  und  für  kostenlose  geeignete  Vertretung  zu  sorgen. 

§  16. 
Für  seine  Mühewaltung  erhält  der  Schularzt  ein  vierteljährlich  post- 
numerando zu  zahlendes  Honorar,  dessen  Höhe  nach  der  Anzahl  der  Scbul- 
klassen  bemessen  \nrd;  und  zwar  sollen  gezahlt  werden: 


40  138 

Bis  zu  15  Klassen  einschliefslich  22Ö  Mark  pro  Jahr,  darüber  hinaus 
für  je  5  Klassen  oder  angefangene  5  Klassen  je  75  Mark.  Hierbei  macht 
es  keinen  Unterschied,  ob  in  die  Klassenzahl  eine  oder  mehrere  Schulen 
fallen.  Sind  mit  den  schalärztlichen  Besuchen  Fahrten  in  die  Vororte 
verbanden,  so  werden  die  tatsächlich  aufgewendeten  Kosten  für  Dampfboot- 
oder Eisenbahnfahrt  aaf  Liquidation  gezahlt,  faUs  nicht  für  solche  Fahrten 
ein  Pauschquantum  zugebilligt  ist. 

§  16. 

Seitens  des  Schularztes  sowie  seitens  des  Magistrats  kann  der  An- 
stellungsvertrag am  Ende  jedes  Schulsemesters  nach  vorausgegangener 
vierteljährlicher  Kündigung  aufgehoben  werden.  Kommt  der  Schularzt  den 
eingegangenen  Verpflichtungen  nicht  nach,  so  steht  dem  Magistrat  das 
Recht  zu,  auf  Vorschlag  der  Schuldeputation  einen  Vertreter  auf  Kosten 
des  Schularztes  zu  bestellen. 

§  17. 

Der  Magistrat  behält  sich  das  Recht  vor,  auf  Antrag  der  Schal- 
deputation diese  Dienstanweisung  abzuändern  oder  zu  erweitern. 

Danzig,  den  27.  Juni  1901. 

Der  Magistrat. 

Die  Schuldeputation. 

Delbbügk.  Dr.  Damus. 


Zusendungen  und  Zuschriften  werden  erbeten:  für  die  Zeitschrift  an 
Herrn  Prof  Dr.  Fr,  Erismann  in  Zürich,  PlaUenstr,  37,  spesieü  für  den 
SehularMt  an  Herrn  Hofrat  Dr,  med.  P,  Schubert  in  Nürnberg,  Fleisch- 
brikke  10,  direkt  oder  durch  die  Verlagsbuchhandlung  Leopold  Voss  in 
Hamburg, 


Iritfilnft  füi  Sil|itlgrfinli|tett0|i|lr$r. 

XVL  Jahrgang.  1903.  No.  3. 


Ortjitiaiab^ttMtttt^eti. 


über  Sehnltnmen  und  freie  Leibes&bnngen. 

Von 

Hofrat  A.  Maül, 

Direktor  der  GroÜBhersogl.  Badischen  Tarniehrerbildnngsanstalt  in  Earlsrahe. 

Auf  Seite  722  der  No.  12  dieser  Zeitschrift,  Jahrgang  1902, 
befindet  sioli  eine  Mitteilung  des  Herrn  von  Sgheiykbndobfp  in  Görlitz, 
wonach  der  Vorstand  des  Zentralaussohusses  für  Volks-  und  Jugend- 
8piele  sich  ^auf  das  entschiedenste  gegen  jeden  Versuch,  das  badische 
Tumsystem  zum  herrschenden  zu  machen'',  ausspricht.  Wer  solche 
Versuche  gemacht  habe^  sagt  jene  Mitteilung  nicht.  Ich  erkläre 
daher  zunächst  hier  ausdrücklich,  dals  ich  sie  weder  direkt  noch  in- 
direkt veranlaist  habe.  Meine  Sorge  ging  stets  nur  dahin,  das  Schul- 
tarnen  in  Baden  möglichst  erfolgreich  zu  gestalten.  Wenn  andere, 
die  das  badische  Schulturnen  näher  kennen  gelernt  haben,  wenn  z.  B. 
auswärtige  Turnlehrer,  die  an  den  yon  mir  zur  Ausbildung  von  Turn- 
lehrern abgehaltenen  Tumkursen  teilgenommen  hatten  —  dei*en  sind 
es  bis  jetzt  weit  über  hundert  — ,  sich  bemühten,  die  hiesige  Betriebs- 
weise des  Schulturnens  anderwärts  einzuführen,  so  trage  ich  daftir 
keinerlei  Verantwortung. 

Eine  andere  Frage  ist  es,  warum  solchen  Bemühungen  gerade 
der  Zentralausschufs  zur  Förderung  der  Volks-  und  Jugendspiele  ent- 
gegentritt und  warum  er  es  jetzt  erst  tut,  nachdem  doch  das  badische 
Schulturnen  seine  jetzige  Form  schon  seit  anderthalb  Jahrzehnten 
angenommen  hat. 

Der  Vorstand  des  genannten  Zentralausschusses  begründet  nun 
sein  Auftreten  gegen  das  badische  Schulturnen  mit  der  Behauptung, 

Schnlgesundheitspflege.  XVI.  8 


140 

doroh  dieses  i^ürden  die  BestrebnDgen  des  Zentralaussohusses  indirekt 
naohteilif  bertlkrt,  weil  es  im  wBsentliohen  ein  HaUentornen  sei  und 
die  l\irBi{)ieIe,  sowie  üWhanpt  üs  tomerisohen  Übungen  im  Freien 
hintansetze,  Dinge,  auf  deren  Förderang  ja  gerade  die  Bestre- 
bungen des  Zentndanssohnsses  gerichtet  seien.  Die  ungünstige  Mei- 
nung, die  sein  Vorstand  sich  vom  badischen  Schulturnen  gebildet 
hat,  ist,  wie  ich  vermute,  einerseits  durch  Mitteilungen  über  Äulse- 
rungen  von  mir  entstanden,  die  entweder  unrichtig  wiedergegeben 
oder  unrichtig  aufgefEkCst  wurden,  andererseits  auch  durch  den  Verlauf 
der  Vorführung  von  Elarlsruher  und  Mannheimer  Tumklassen  bei 
Gelegenheit  der  neunten  oberrheinischen  Tumlehrerversammlung  im 
Juli  1902,  denen  über  120  nichtbadische  Turnlehrer  aus  allen  Teilen 
Deutschlands,  aus  Österreich  und  der  Sohweis  beiwohnten.  Da  bei 
diesen  Vorführungen  nur  die  besondere  Art  des  Betriebes  der  Frei- 
und  Qerätübungen^  in  Baden  gezeigt  werden  sollte  —  die  Tumspiele 
und  verwandte  Übungen  waren  auf  der  vorherigen  Versammlung 
(1899  zu  Mannheim)  voi^fbhrt  worden  —  und  da  alle  VorfÜhrongen, 
schon  der  Zeitersparnis  willen,  aber  auch  aus  anderen  Gründen,  in 
IhimhaUen  statthaben  muftten,  so  bildeie  sich  bei  vielen  die  Meinung, 
die  günstigen  ESrgebnisse,  die  hierbei  zu  Tage  trafen,  seien  nur  durch 
allzuweit  gehende  Beschränkung  im  Übungssto£P  und  durch  Vemaoh- 
lüssigung  aller  Übungen  im  Freien  zu  erreichen.  Der  letztgenannte 
umstand  liege  deshalb  nicht  in  Ortlichen  Verhältnissen  begründet, 
meint  nun  auch  der  Vorsitzende  des  Zentralausschusses,  Herr  ton 
SoHBNKSNDOAFP  (vcrgl.  sciue  Erwiderung  in  der  Dewtsehm  Tum- 
jmtung  von  1902,  Seite  1019),  sondern  im  ..badischen  Tumsystem^ 
überhaupt. 

Worin  besteht  nun  aber  das  Wesen  des  sogenannten  „badischen 
Tumsystems"?  Nun,  soweit  ich,  der  „Schöpfer  und  Leiter*'  dieses 
Systems,  es  nach  anderen  „Systemen*  beurteilen  kann,  in  nichts 
anderem,  als  in  dem  besonderen  Nachdruck,  den  das  badische  Schul- 
turnen auf  den  methodischen  Betrieb  der  Frei-  und  Geritttbungen 
des  deutschen  Turnens  legt.  Diese  Übungen  sind  ja,  wie  selbst  der 
Vorsitzende  des  Zentralausschusses  zugibt  (vergl.  Deutsche  TumseUung 
von  1902,  Seite  1019).  „für  eine  regelrechte  Durchbildung  des  Körpers 
eben  ganz  unentbehrlich".    Von  derselben  Seite  wird  auch  zugegeben, 


^  Der  Kürze  halber  verstehe  ich  hier  unter  Freiübungen  alle  systematiBchen 
Übungen  ohne  Gtebramch  von  Geräten,  also  auch  die  Ordnungsübungen,  im  G^egen- 
sats  SU  den  Übungen  mit  Handgeräten  oder  an  befestigten  Geräten. 


141 

dab  sie  mit  deo  Tomspielen  und  den  verwandten  Übongen  ,,gleioli- 
berechtigte  FaktoTen"  seien;  ^keiner  soll  den  anderen  Teil  rerdr&ngen, 
sondern  naoh  allen  Sjräften  fördern  und  stlitsen^.   Demnach  ist  selbst 
an  den  Sohnlen,  denen  die  örtlichen  Verhältnisse  einen  ungehinderten 
Betrieb  der  Tomspieie  and  der  verwandten  Übongen  gestatten,  eine 
Borgfidtige  Pflege  der  Frei-  nnd  Gerftttlbnngen  geboten.    Um  so  mehr 
mnis  dies  o£fonbar  der  Fall  sein  in  Schulen,  deren  Turnen  der  ort- 
liehen  Verhältnisse  wegen  ganz  oder  fast  ganz  auf  Frei-  und  Q«rftt- 
flbungen  beschrftnkt  bleiben  muüs.    Zu  diesen  Schulen  gehören  aber 
leider  bis  jetrt  weitaus  die  meisten,  namentlich  die  städtischen,  und 
swar  sieht  nur  in  Baden,   sondern  auch  anderswo   (man  vergleiche 
den  Bericht  Dr.  GBBsmvBBBGS  über  das  Turnen  an  den  höheren  Schulen 
in  Hamburg  in  der  Zeitschrift  y^Korper  und  C^tid^  von  1902,  No.  1). 
Wegen  dieser  Bedeutung  der  Frei-  und  Gerätllbungen  filr  die 
leibliche   Erziehung   der  Schuljugend   habe   ich    von  jeher  danach 
gestrebt,   durch   Verbesserung   der   Unterrichtsmethode    und    durch 
zweckmftbige  Auswahl   des  Übungsstoffes   das  Turnen  selbst  unter 
den  besohrinktesten  Verhältnissen  &hig  zu  machen,  mindestens  die 
Jngend    zur    GhewandÜieit    und    Anstelligkeit,    zur  Ausdauer,    Be- 
sonnenheit und  Tadoraft  erziehen  und  sie  an  Genauigkeit  und  Pünkt- 
lichkeit im  Tun,  an  Zucht  und  Unterordnung,  an  gute  Körperhaltung 
und  Schönheit  der  Bewegung  gewöhnen  zu  können,  ohne  ihr  und 
ihren  Lehrern  die  Freude  an  der  turnerischen  Arbeit  zu  ndunen. 
Ob  und  inwieweit  mir  dies  gelungen  ist,  mögen  die  genaueren  Kenner 
des  badischen  Schulturnens  beurteilen  und  lälst  sich  wohl  auch  aus 
den  Berichten  von  Teilnehmern  an   der  voijflhrigen  oberrheinischen 
Tnmlehrerversammlung,  soweit  diese  Berichte  in  Fachblättem  (Deutsehe 
Twmßeikmg^  Monatsschrift  für  das  Tunitcesen,  Zeitschrift  ,jKdrper 
GM^^  8chwei»eriscke  Turneeitung)  erschienen  sind,  ersehen. 

Wenn  nun  der  Zentralausschuls  versichert,  seine  auf  Förderung 
der  Jngendspiele  und  verwandter  Übungen  gerichteten  Bestrebungen 
schlössen  keine  Zurücksetzung  des  Turnens  in  Frei-  und  Q^rätübungen 
in  sich,  so  kann  ich  mit  gleichem  Rechte  versidiemy  dafs  mein 
Streben  nach  möglichst  nutzbringendem  Betriebe  des  Turnens  in  den 
zuletzt  genannten  Übungen  keine  Mifsachtung  und  kein  Ausschliefsen 
dss  Tumspieles  u.  s.  w.  mit  sich  bringt.  Das  lehrt  schon  ein  Blick 
in  meine  Tumschriften,  in  denen  dem  Tumspiel  u.  s.  w.  alle  Berück- 
sichtigung zu  teil  wurde.  Das  beweisen  auch  die  turnerischen  Vor- 
führungen von  Tumklassen  auf  der  achten  oberrheinischen  Turnlehrer- 
Versammlung  zu  Mannheim   1899,    wobei  über  1000  Knaben  aller 

8» 


142 

Sclmlgattimgen  Turnspiele»  volkstümliche  Übangen,  and  daneben  Frei- 
und  Gerätübungen  nach  Art  der  in  Karleruhe  im  Jahre  1902  vor- 
geführten, den  yersammelten  Turnlehrern,  worunter  sich  auch  viele  Nicht- 
badener  befanden,  vorzeigten.  Das  beweist  ferner  auch  die  Tatsache, 
dafs  an  den  badischen  Schulen,  denen  ein  ausreichender  Spielplatz  zur 
Verfügung  steht,  wie  z.  B.  in  Heidelberg,  Freiburg  und  Eonstanz, 
neben  dem  nach  den  G-rundsätzen  des  „badisohen  Tumsystems*^  gut 
geleiteten  Turnen  in  Frei-  und  Gerätübungen  ein  wohlgeordneter  und 
ausgiebiger  Spielbetrieb  einhergeht.  Und  endlich  mag  noch  erwähnt 
werden,  dafs  in  den  von  mir  geleiteten  Kursen  zur  Ausbildung  von 
Turnlehrern  und  -Lehrerinnen  die  Tumspiele  stets  ihre  Stelle  finden. 
Übrigens  sind  auch  in  den  Erlassen  der  badischen  ünterrichtsbehörde 
über  Gesundheitspflege  und  über  Turnen  (1884,  1887  u.  s.  w.)  ganz 
ähnliche  Vorschriften  über  die  Leibesübungen  im  Freien  enthalten, 
wie  in  den  preuüsischen  Lehrplänen  vom  Jahre  1901. 

Sollte  trotzdem  der  Spielbetrieb  im  Lande  Baden,  wie  behauptet 
wird,  verhältnismäüsig  geringer  sein  als  in  anderen  Ländern,  so  ist  daran 
weder  das  sogenannte  badische  Turnsystem,  noch  sind  die  badisohen 
Turnlehrer  daran  schuld.  Wir  können  eben  den  Schulen  keine 
Tum-  und  Spielplätze  liefern,  wenn  es  die  Staats-  und  Gemeinde- 
behörden nicht  tun  können.  Wir  können  nicht  einmal  verhindern, 
daüs  schon  vorhandene  Spielplätze  ganz  oder  teilweise  zu  Bauplätzen 
verwendet  werden,  wie  dies  zu  Mannheim  und  Karlsruhe,  hier  mit 
dem  Turn-  und  Spielplatz  der  Tumlehrerbildungsanstalt,  geschah. 

Li  Wirklichkeit  liegt  also  kein  stichhaltiger  Grund  zu  der  Be- 
fürchtung vor,  es  könnte  den  Bestrebungen  des  Zentralausschusses 
indirekt  Schaden  zugefügt  oder  ihnen  gar  „der  Boden  unter  den 
Füfeen  fortgezogen  werden^  (Beutst^  Tumgeitungr  onl902,  Seite  1019), 
wenn  das  Turnen  nach  badischer  Art  gröfsere  Verbreitung  fände. 
Vielmehr  würde  dadurch  nur  der  eine  der  beiden  Faktoren,  die  die 
leibliche  Tüchtigkeit  der  Schuljugend  hervorrufen  sollen,  vielleicht 
an  gar  manchem  Ort  ergebnisreicher  werden  als  bisher,  ohne  dafs 
dadurch  der  andere  Faktor  an  Bedeutung  und  Pflege  Einbuüse  er- 
leiden müHste. 


143 


Die  Geflundheitslehre  in  der  preoTsischen  Volkssohnle. 

Von 

Cabl  RiOHTEB-Straosberg. 

Jeder  Freund  der  Schnlgesundheitspflege  wird  gleichzeitig  alle 
Fortsehritte  auf  dem  weiten  Gebiete  der  G^nndheitspflege  überhaupt» 
sowohl  der  öffentlichen,  als  auch  der  privaten,  mit  Oenngtanng  be- 
grfifsen.  Es  ist  natnrgemäfs,  wenn  der  Schulmann  in  erster  Linie 
fär  Schnlgeeundheit  eintritt,  da  er  fOr  sie  vorwiegend  interessiert  ist, 
ihm  die  tfigliohe  Erfahrung  zur  Seite  steht  und  er  durch  Konzen- 
tration seiner  Ejraft  auf  ein  Teilgebiet  den  Vorteil  des  gröüseren 
Erfolges  erhoffen  darf.  Bin  Kehren  vor  fremden  Türen  könnte  sich 
zudem  leicht  durch  Yemaohlässigung  des  eigenen  Hauses  rächen. 
Und  doch,  mit  dem  Eintreten  für  Schulgesundheit  macht  man  sich 
der  aUgemeinen  Gesundheitspflege  bereits  dienstbar;  der  Teil  Iftlst 
sich  kaum  vom  Gimzen  trennen,  beide  stehen  in  Wechselbeziehung 
zu  einander,  und  wer  für  Gesundheitspflege  in  der  Schule  begeistert 
ist,  kann  diese  Begeisterung  nicht  hinsichtlich  anderer  Gebiete  zur 
Seite  stellen.  Systematisch  auftretende  hygienische  Bestrebungen  im 
Schulwesen  sind  als  eine  Konsequenz  davon  zu  betrachten,  dafs  eben 
die  Hygiene  ihre  Forderungen  auf  allen  Gebieten  des  öffentlichen 
Lebens  zur  Geltung  brachte.  Unzweifelhaft  müssen  in  einer  hygienisch 
emp£lnglich  gemachten,  wiederholt  und  mannigfaltig  angeregten 
Bevölkerung  die  Bestrebungen  für  Schulgesundheitspflege  erhöhtes 
Yerstftndnis,  bereitwilligeres  Entgegenkommen  und  opferfreudigere 
Förderung  finden.  Die  planm&Tsige  Aufklärung  über  die  Gesund- 
heit, dieses  unser  höchstes  irdisches  Gut,  setzt  im  Lande  Preuüsen 
bereits  in  der  Schule  ein.  Wir  erachten  uns  für  berechtigt,  in  einer 
Zeitschrift,  welche  die  Pflege  der  Schulgesundheit  auf  ihre  Fahne 
geschrieben  hat,  den  Nachweis  zu  führen,  in  wie  vielseitiger  Weise 
die  heutige  preuisische  Volksschule  Somatologie  betreibt. 

Der  Volksschullehrer  dringt  bis  in  die  verlassensten  Winkel 
unseres  weiten  Yaterlandes  vor,  wo  hinter  Heiden,  Stumpfen  und 
Dünen  rückständige  Geschlechter  vielfach  noch  ihr  Dasein  führen. 
Gerade  hier  ist  dem  Lehrer  Gelegenheit  gegeben,  als  „Vorposten  der 
(^nndheitspflege",  wie  ihn  Kreisarzt  Dr.  Bbbqsb  auf  der  19.  Haupt- 


144 

versammlang  des  preulsisohen  Medizinalbeamtenyereins  zu  Kassel 
(12.  September  1902)  trefifend  bezeichnete,  innerhalb  und  ausserhalb 
der  Sohnle  eine  ungemein  segensreiche  Tätigkeit  zu  entfalten.  Wenn 
schon  den  reiferen  Schülern  und  Schülerinnen  die  Augen  für  den 
Wert  der  menschlichen  Gesundheit,  für  ihre  oft  leichtsinnige  Yer- 
scherzung  und  andererseits  über  die  rechten  Mittel  zu  ihrer  Erhaltung 
geöffiiet  werden,  so  müssen  allmählich  verständige  Anschauungen  in 
die  noch  so  vielfach  dem  Vorurteil,  Unverstände  und  Aberglauben 
verfallenen  Familien  einziehen.  Manche  Gerichtsverhandlung  gegen 
Kurpfuscher  hat  schon  grelle  Streiflichter  auf  die  in  medizinischen 
Fragen  herrschende  Unkultur  ländlicher  Kreise  geworfen ;  aber  gegen 
die  haarsträubenden  Berichte  früherer  Jahrhunderte  sind  wir  doch 
erheblich  fortgeschritten,  wenngleich  es  dem  hinter  uns  liegenden 
Jahrhundert  noch  lange  nicht  beschieden  war,  wenigstens  die  Reste 
des  Aberglaubens,  dieser  „Schande  des  Menschengeschlechts",  zu  tilgen. 

Die  Gesundheitslehre  ist  durch  die  vielgefeierten  allgemeinen 
Beetimmungen  vom  15.  Oktober  1872  wieder  in  die  preuÜBisohe 
Volksschule  eingezogen.  Wir  sagen  „wieder*',  denn  nur  in  der 
vorangegangenen  Regulativzeit,  von  18&4  bis  1872,  war  die  Lehre 
vom  menschlichen  Körper  der  Volksschule  fremd,  während  sie  in 
älteren  Jahrzehnten  eifrig  gepflegt  erscheint  Das  beweisen  uns  die 
damaligen  Lesebücher,  MKinderfreunde"  genannt;  im  Anfange  des 
19.  Jahrhunderts  erschien  es  als  selbstverständlich,  jedem  Lesebuch 
eine  stattliche  Kapitelzahl  anthropologischen  Lihalts  zu  geben.  Wir 
führen  einige  Überschriften  aus  der  4.  Auflage  des  umgearbeiteten 
RooHOWsohen  Lesebuches  vom  Jahre  1828  an:  1.  Wert  eines 
gesunden  Körpers.  2.  Nützlichkeit  der  Kenntnis  unseres  Körpers. 
3.  Die  Knochen  des  menschlichen  Körpers.  4.  Fleisch,  Muskeln, 
Haut  5.  Herz,  Adern.  6.  Die  Lunge.  7.  Verdauungsweikzeuge. 
8.  Gehirn,  Rückenmark.  9.  Die  fünf  Sinne.  In  Rochows  Kinder- 
fireund  wird  uns  sogar  die  Einführung  des  somatologen  Unterrichts 
begründet.  Der  hoffnungsvolle  Knabe  Rudolf  führte  durch  einen 
unvorsichtig  genossenen  kalten  Trunk  seinen  frühen  Tod  herbei. 
Das  nahm  der  Lehrer  Gotthou)  zur  Veranlassung,  den  gedachten 
Unterricht  aufzunehmen. 

Die  Behandlung  des  menschlichen  Körpers  in  der  Schule  hat 
auch  ihre  Gegner.     Aber  welche  Sache,   und  sei  es  die  allerbeste, 
hätte    sie   nicht  1      Mancher   findet  neben   der  Pflanzen-,  Tier*  und 
Mineialienbetrachtung  keine  Zeit  mehr,  auch  noch  den  Menschen  zu ' 
behandeln.     Wir   erachten  jedoch   den  Menschen,   den  „Herrn  der 


145 

Schöpfang'^y  alfl  mindestens  ebenso  wichtig  wie  seine  Untertanen, 
nnd  wir  wollen  xms  gern  dafdr  interessieren,  was  unseren  Hanstieren 
nfitalieh  oder  sehfldlich  ist»  nachdem  wir  vorher  in  dieser  Hinsicht 
über  uns  selber  klar  geworden  sind.  Anderen  erscheint  das  Objekt 
der  Betraehtong  als  anstO/sig.  In  der  Darstellung  entblolster  Körper- 
teile und  in  der  Offenlegung  innerer  Organe  befürchtet  man  eine 
Verletsung  des  Schamgefühls  und  die  Erregung  sinnlicher  Gedanken. 
Wir  geben  gerne  zu,  dass  dem  pftdagogisohen  Takte  hier  mehr  als 
in  sonstigen  Unterrichtsstunden  die  Aufgabe  ou&llt,  gewisse  Dinge 
gesehiokt  zu  umgehen,  andere  in  unbefangenster  Weise  vorsutragen. 
Aber  die  Bedenken  sind  übertrieben.  £ine  empfehlenswerte  Mab- 
nähme  ist  die  absichtliohe  Versetzxmg  der  Schüler  in  eine  angemessene, 
ernste  Stimmung,  die  sehr  leicht  durch  Berichte  über  tragische  Un- 
glüekafilUe,  die  zu  der  in  Bede  stehenden  Teilbesprechung  in  Beziehung 
stehen,  u.  dgL  herbeigeführt  werden  kann.  Bei  vielen  Organen  wird 
der  Lehrer  ablenkend  auf  das  daheim  so  viel  geübte  Schweineschlachten 
hinweisen,  durch  das  den  Kindern  die  inneren  Teile  des  Säugetieres 
ziemlich  gut  bekannt  geworden  sind,  so  da(s  ein  Vergleich  erheblich 
zum  Yerstftndnis  beitragt,  insbesondere,  wenn  noch  die  Skizze  des 
Lehrers  an  der  Wandtafel  und  sonstige  bildliche  Darstellungen  oder 
Modelle  hinzutreten.  Wir  haben  bei  der  Jugend  stets  ein  freudiges 
Liteiesse  für  den  gedachten  Gegenstand  gefunden ;  auch  überraschten 
uns  viele  Schüler  durch  wohlgelungene,  mit  Fleiis  angefertigte  Nach- 
bildungen —  oftmals  farbig  —  der  vorgeführten  Skizzen. 

Der  Lehrplan  der  Volksschule  verlegt  die  Lehre  vom  mensch- 
liehen Kürper  in  die  1.  und  2.  Klasse  mehrklassiger  Schulen,  also 
etwa  in  das  6.  bis  8.  Schuljahr.  Die  Behandlung  gliedert  sich  regel- 
mftlsig  in  den  anatomischen,  den  physiologischen  und  den 
diätetischen  Teil.  Der  letztere  ist  die  Hauptsache;  er  findet  in 
den  beiden  vorangehenden  seine  Begründung.  Viele  gesundheitliche 
Lehren  sind  den  Schülern  ohne  weiteres  Uar,  sobald  sie  Bau  und 
Leben  eines  Organs  kennen  gelernt  haben.  Wo  wöchentlich  zwei 
Unterrichtsstunden  für  Naturbeschreibung  zur  Verfügung  stehen,  kann 
die  Anthropologie  in  jährlich  4 — 8  Wochen  —  am  besten  zu  Anfang 
des  Wintersemesters  —  erfolgreich  erledigt  werden. 

Der  auf  das  Notwendigste  beschränkte  Stoff  wird  in  folgenden 
Absehnitten  behandelt:  1.  Das  Knochengerüst.  2,  Die  Muskeln. 
2.  Die  Sinne  und  die  Sinnesorgane.  4.  Die  Verdauungs Werkzeuge. 
5.  Der  Blutumlauf.  6.  Die  Atmui^fswerkzeuge.  7.  Gehirn  und 
Nerven.     8.  Die  erste  HUfe  bei  plötzlichen  Unglücksfällen. 


146 

Da  überall  die  Gesundheitslelire  in  den  Vordergrand  treten  soll, 
so  sei  es  uns  gestattet,  hier  eine  Auslese  der  dabei  zu  gebenden 
Hinweise  darzubieten:  Den  Kindern  mob  von  Jugend  auf  zweok- 
mälsige  Nahrung  zur  Bildung  starker  Knochen  gewährt  werden. 
Knochensohwache  Kinder  kratzen  oft  instinktmäfsig  Kalk  aus  der 
Wand,  um  ihn  zu  verzehren.  Kalkhaltige  Nahrungsmittel  sind 
Eier,  Hülsenfrüchte,  gutes  Brunnenwasser.  Der  Arzt  yersohreibt 
bisweilen  Kalkwasser.  Kinder  müssen  nicht  die  Sorge  für  ihre 
gesunden  Knochen  beim  Spiel  etc.  auüser  acht  lassen  (Lämmchen 
auf  der  Weide  als  abschreckendes  Beispiel),  sich  vor  Knochenbrüchen, 
Verstauchungen,  Verletzungen  der  Knochenhaut  bewahren,  die  anver- 
trauten jüngeren  Geschwister  nicht  in  Unachtsamkeit  beim  Tragen 
auf  dem  Arme  überfallen  lassen  und  beim  Turnen  an  Geräten  Dreistig- 
keit immer  mit  Vorsicht  paaren.  Arbeit  stärkt  die  Knochen  (Kutscher, 
Arbeiter),  Müssiggang  schwächt  sie.  (Der  geheilte  Patient  hatte  infolge 
seines  Nichtstuns  365  Krankheiten,  bis  ihn  der  Arzt  zu  sich  kommen 
liels  —  aber  per  pedes.)  Dasselbe  gilt  von  den  Muskeln.  Die  Arbeit 
im  Freien  ist  gesünder,  als  die  in  Fabriken,  das  Landleben  vorteil- 
hafter für  die  Gesundheit  als  das  Leben  in  grossen  Städten.  Das 
Schlagen  auf  den  Kopf  ist  gefährlich.  Die  unterlassene  Zahnpflege 
rächt  sich  durch  Zahnverderbnis  und  Magenkrankheiten  in  späteren 
Tagen.  Empfehlenswert  sind  geordnete  Lebensweise,  Leibesübungen, 
Bäder,  Abhärtung  in  Wind  und  Wetter.  Die  Halstücher  führen  zu 
Halskrankheiten;  die  Matrosen  zeigen  uns,  dafs  Halsbekleidungen 
unnötig  sind.  Ohrringe  der  Mädchen  sind  überflüssig;  beim  Ein- 
stechen der  Ohrlöoher  kommen  nicht  selten  üble  Folgen  vor.  Man 
überläbt  es  besser  den  Wilden,  sich  Binge  durch  Ohren  und  Nase 
zu  ziehen.  Von  aulserordentlicher  Wichtigkeit  ist  die  Haut,  ein 
Ausscheidungsorgan  des  Körpers.  Reinlichkeit  ist  das  halbe  Leben. 
Unreinlichkeit  stört  die  Tätigkeit  der  Haut  und  hat  Krankheiten 
aller  Art  (Ausschlag)  zur  Folge.  Korsett,  Gummischuhe  und  Pelz- 
mütze sind  verwerflich.  Aus  dem  Verbrauch  an  Seife  erkennt  man 
die  Kultur  eines  Volkes.  Haare  und  Nägel  sind  peinlich  sauber  zu 
halten.  Das  Haaröl  ist  meistens  überflüssig;  das  beste  Haaröl  ist 
das  Wasser.  Beim  Barbier  und  in  Giusithäusem  mufis  man  sich  vor 
Übertragung  ansteckender  Haarkrankheiten  (Flechten,  Weichselzopf) 
hüten.  Dafs  das  Abschneiden  des  Weichselzopfes  den  Tod  nach 
sich  ziehe,  ist  eine  Fabel.  Dem  Auge  sind  laue  Waschungen  dienlich. 
GreUes  Licht,  auch  schneller  Wechsel  von  Licht  und  Finsternis  sind 
schädlich.    Man  darf  nicht  im  Zwielicht  lesen  oder  schreiben,  eben- 


147 

sowenig  in  Büchern,  die  von  der  Sonne  beachienen  sind.  Bei  ent- 
zündeten Angen  ist  Schonung  nötig;  das  Tragen  einer  grauen  Brille 
bringt  oft  erhebliche  Abnahme  des  Schmerzes  hervor.  Fremdkörper 
müssen  zweckmäfsig  beseitigt  werden  (Streichen  nach  dem  inneren 
Augenwinkel ;  bei  Kalk  —  Mohnöleintröpfelung,  nicht  Wasser;  Kohlen- 
stüekcben,  Steinohen,  nach  innen  gebogene  Wimpemhaare  sind  be- 
sonders schmerzhaft).  Vor  Augensalben  ist  zu  warnen,  soweit  sie 
nicht  Tom  Arzte  verschrieben  sind.  Schläge  gegen  das  Ohr  können 
leicht  das  Trommelfell  sprengen  und  Hittelohrausflüsse  hervorrufen. 
Ansammlung  und  Verhärtung  des  Ohrenschmalzes  ist  zu  verhüten. 
Ins  äufsere  Ohr  eingedrungene  Tiere  werden  durch  Eingießen  von 
Öl  herausgebracht.  Ohren watte  ist  dem  gesunden  Organ  verderblich; 
sie  rechtfertigt  sich  nur  in  kranken  Tagen.  (Struwwelpeter  ist  ein 
abschreckendes  Beispiel  körperlicher  Yemachlftssigung.)  Stubenhocker 
leiden  viel  unter  dem  Schnupfen;  das  einzige  Gegenmittel  dauernder 
Art  ist  Abhärtung,  Bewegung  in  Wind  und  Wetter.  Vernachlässigter 
Schnupfen  kann  zur  Polypenbildung  oder  zur  Stinknase  fähren. 
Kinder,  die  nicht  durch  die  Nase  atmen  können,  sind  dem  Arzte 
zur  Operation  zuzuführen  (adenoide  Vegetationen) ;  geschieht  es  nicht, 
80  leiden  die  Kinder  in  ihrer  Sprache,  ihrem  Wohlbefinden,  ihrem 
Gehör  und  ihrem  geistigen  Fortschritte  erheblichen  Schaden.  Die 
rote  Nase  ist  nicht  selten  der  Verräter  des  Trunkenbolds.  Das 
Tabakschnupfen  ist  eine  üble  Gewohnheit,  ebenso  das  Bauchen. 
Wer  in  zu  jungen  Jahren  raucht  oder  trinkt  (Alkohol),  begeht 
Selbstmord,  abgesehen  davon,  dafis  er  sein  Geld  verbringt.  Kleine 
Kinder  dürfen  nicht  Bohnen  oder  Knöpfe  zum  Spielen  erhalten, 
weil  sie  diese  mit  Vorliebe  in  die  Nase  stecken  oder  verschlucken 
(Zeitungsnachricht:  Marmorkugel  in  der  Luftröhre  durch  Kop&tellung 
des  Elindes  herausgebracht).  Es  ist  eine  Unsitte,  wenn  Schneiderinnen 
Stecknadeln  im  Munde  halten.  Nasengeschwüre  sind  mit  gröJster 
Vorsicht  zu  behandeln,  da  sie  auiserordentlich  leicht  bösartig  werden. 
Böse  Buben  verleiten  unerfahrene  Mitschüler  im  Winter  gern,  am 
kalten  Bmnnenschwengel  zu.  lecken.  (Vorsichtl)  Zu  heifse  oder  zu 
kalte  Speisen  oder  Getränke  dürfen  nicht  genossen  werden.  Beim 
Elssen  soll  man  sich  nicht  übereilen  (Tod  durch  Verschlucken  eines 
Fleischstückes),  wenig  sprechen,  gut  kauen  und  MäCsigkeit  bewahren. 
Elindem,  die  sich  verschluckt  haben  und  krampfhaft  husten,  hebt  man 
zwecks  Hilfeleistung  rasch  beide  Arme  hoch.  Erbrechen,  Durchfall, 
Magenbeschwerden,  Kolik  sind  fast  immer  die  Folgen  eigener  Ver- 
sündigung an  seiner  Gesundheit;  die  Ursachen  müssen  erforscht  und 


148 

künftig  yennieden  werden.  Verdorbene  Nahrungsmittel,  Wasser  aas 
Bmnnen  bei  Dnngstfttten  sind  dem  Körper  Gift.  Die  Lebensweise 
sei  einfaob  und  naturgernftCs.  Als  gute  Medizin,  dabei  billiger  als 
die  der  Apotheke,  sind  frische  Luft,  reines  Trink-  und  Badewasser 
und  die  Sonne  zu  betrachten.  Das  Schlafen  m  engen  Löchern  oder 
Kammern  ist  ein  Unverstand,  noch  zumal,  wo  die  gute  Stube  unbenutzt 
ihr  Dasein  fristet.  Heftiges  Nasenbluten  kann  durch  Einstopfen  von 
Eisenchloridwatte  gestillt  werden;  demnächst  ist  ärztlicher  Bat  ein- 
zuholen. Beim  Auftreten  von  Fieber  ist  unter  allen  Umständen 
Bettruhe  erforderlich.  Für  KrankheitsflftUe  sind  einige  bewährte 
Hausmittel  bereit  zu  halten. 

Li  der  Naturlehre  bietet  vorzugsweise  das  Kapitel  von  der 
Wärme  reichlich  Gelegenheit,  gesundheitliche  Weisungen  zu  geben. 
(Sich  nicht  auf  kalte  Steine  setzen,  weil  sie  gute  Wärmeleiter  sind ; 
die  zuträgliche  Zimmerwärme  ist  18^  C;  der  direkten  Wärmestrahlung 
vom  eisernen  Ofen  soll  man  seinen  Körper  nicht  aussetzen;  infolge 
der  Verdunstung  sind  nasse  Kleider  auf  dem  Körper  gesundheitsschäd- 
lich; bei  schwitzendem  Körper  darf  man  nicht  Zug  erhalten,  —  die 
Verdunstung  erzeugt  Kälte,  wird  deshalb  von  uns  beim  Sprengen  der 
Strassen  und  Höfe  absichtlich  hervorgerufen;  Verhalten  beim  Ge- 
witter etc.)  Wiederholt  ist  auf  die  Gefahr  der  noch  immer  vor- 
handenen Ofenklappen  aufmerksam  zu  machen,  auf  den  vernünftigen 
Omgang  mit  Streichhölzern,  auf  die  Möglichkeit  von  Gasvergiftung, 
Verhalten  gegen  elektrische  Anlagen,  gegen  Eisen-  und  Pferdebahnen. 
In  der  Botanik  lernen  die  Kinder  den  Schaden  der  Giftpflanzen 
kennen  (kleine  Geschwister  sind  von  den  Beeren  des  schwarzen 
Nachtschattens  sorgfilltig  fernzuhalten;  Mütter,  die  ihren  unruhigen 
Kindern  eine  Mohnkopfauf kochung  als  Schlafmittel  geben,  versündigen 
sich  an  ihnen,  ebenso  die  Väter,  die  ihren  Ejiaben  geistige  Gretränke 
reichen).  In  der  Zoologie  wird  nicht  verschwiegen  werden,  wie  der 
Umgang  mit  Tieren  der  menschlichen  G^undheit  nachteilig  werden 
kann  (Schlangenbifs,  Aufnahme  von  Parasiten).  Im  Turnunterricht 
werden  Unftüle  seltener  eintreten,  wenn  der  Schüler  aus  dem  Bau 
seiner  Glieder  die  Vorsichtsmafsregeln  zu  ihrem  Schutze  selber  her- 
zuleiten im  stände  ist 

Gesundheitliche  Belehrung  gelegentlicher  Art  und  eine  dem- 
entsprechende  Gewöhnung  wird  dem  Kinde  vom  ersten  Schultage 
an  zu  teil.  Es  muis  am  Körper  und  in  der  Kleidung  sauber  zur 
Schule  kommen,  muls  gerade  sitzen,  mufe  in  den  Dntenrichtspausen 
regelmälsig  die  Fenster  öffnen  (auch  im  Winter).    Der  Lehrer  klärt 


14» 

es  wiederholt  über  die  Mafsnahmen  aiir  Sicherung  der  Sohalgesnnd- 
heit  auf,    indem  er  Fragen  stellt  und  sie  mit  den  Kindern  beant- 
wortet: Warum  öfEnen  wir  die  Fenster  nach  jeder  Stunde?   Warum 
liegen  Tor  der  Haustür  die  Sohmutzreinigungsbretter?    Warum  steht 
Tor  dem  eisernen  Ofen  der  Ofenschirm?     Warum  sind  die  Venti* 
lationsklappen    in   den  Wftnden?    Warum   sollt  ihr  die  Schultafel 
stets  feucht,  nicht  trocken  abwischen?    Warum  sind  die  Wände  unten 
mit  Ölfarbe  gestrichen?    Warum  steht  auf  unserem  Ofen  ein  Gefkfs 
mit  Wasser?    Warum  sollen  eure  Kleider  auf  dem  Korridor  hängen? 
Warum  kommt  überall  in  den  Klassen  das  Licht  von  links?  Warum  hat 
unser  Sohulhaus  Steintreppen?     Warum  sind  an  Stelle    der  alten 
Bänke  neue,  zweisitzige  (Rettigbänke)  angeschaffl;  worden?    Warum 
wird  im  Winter  der  Nachmittagsunterricht  um  Vi  Stunde  gekürzt? 
Durch  solche  und  ähnliche  Fragen  wird  in  den  Kindern  das  Be- 
wu&tsein  geweckt,   dals  sie  allenthalben  in  den  Einrichtungen  und 
Mabregeln  der  Schule  von  der  Sorge  um  ihre  Gesundheit  getragen 
werden.    Nichts  ist  vom  Zufall  oder  der  Laune  des  Lehrers  diktiert; 
alles  hat  seine  wohlerwogene  Begründung»  selbst  dann,  wenn  sie  dem 
Kinde  verborgen  erscheint. 

Gittdclioherweise  sind  wir  in  der  Überwindung  der  Zeiten  be- 
grilfen,  wo  es  dem  Lehrer  schwer  fallen  mufste,  gesundheitliche 
Regeln  Torzuschreiben.  Stand  doch  Einrichtung  und  Ausstattung 
des  Schulhauses  zu  ihnen  nicht  selten  in  krassestem  Widerspruche. 
Wie  überall,  so  verlangt  auch  in  der  Befolgung  hygienischer  An- 
weisungen das  Kind  vom  Lehrer  das  Vorbild,  die  Übereinstimmung 
von  Wort  und  Tat;  im  Lehrer  erblickt  es  den  Herrn  der  Schul- 
stnbe  und  folgert:  Wie  der  Herr,  so's  GescherrI  und  umgekehrt. 
Es  hat  kein  Verständnis  dafür,  dals  der  Lehrer  nicht  für  alle  Schul- 
zQstflnde  verantwortlich  sein  sollte,  und  selbst  wenn  es  dieses  hätte, 
so  wäre  schon  die  Erkenntnis,  dais  nicht  überall  des  Lehrers  Lehre 
Berücksichtigung  findet,  ein  der  Erziehung  ungünstiger  Faktor. 

In  den  Schreibheften  der  Schüler  finden  sich  jetzt  vielfach 
gesundheitliche  Belehrungen  als  Anhang.  Wir  lassen  diejenigen 
folgen,  die  vom  Berliner  Lehrerverein  aufgestellt  sind: 

Beleknuj^en  Aber  die  fifesudheitspflege  in  der  Sehnle 

zQsaanmengestellt  von  der  Hygieae-Sektion  des  Berliner  Lehrervereins. 

I.  Pflege  des  Körpers. 

1.  Frische  Luft  und  Sonnenlicht  sind  unentbehrlich  für  die  Erhaltung 
der  QesQndheit;   deshalb  ist  ihnen  freiester  Zutritt  zu  den  Wohnränmen 


150 

und  namentlich  auch  zu  den  Schlafräomen  zu  gewähren.  2.  Härte  dich 
dadurch  ah,  dais  du  täglich  den  ganzen  Körper  kalt  wäschst,  nafskalt  ah- 
reihst  oder  ein  Brausehad  nimmst.  Möglichst  alle  8 — 14  Tage  nimm  ein 
lauwarmes  Reinigungshad.  3.  Während  der  warmen  Jahreszeit  bade  fleilsig 
in  offenem  Wasser,  am  besten  dann,  wenn  die  Badestelle  von  der  Sonne 
beschienen  wird.  Dehne  das  Bad  auf  höchstens  10  Minuten  aus,  reibe 
nach  demselben  die  Haut  mit  dem  Handtuche  und  erwärme  dich  hierauf 
durch  einen  Spaziergang  in  nicht  zu  fest  geschlossener  Kleidung.  Wenn 
möglich,  so  setze  an  sonnigen,  windstillen  Tagen  den  unbekleideten  Körper 
nach  dem  Bade  der  Luft  und  den  Sonnenstrahlen  aus.  4.  Reinige  morgens 
nach  dem  Aufstehen  und  womöglich  auch  nach  jeder  Mahlzeit  Mund  und 
Zähne  und  gurgle  früh  und  abends  mit  frischem  Wasser.  5.  Bewege  dich 
viel  und  lebhaft  im  Freien  (Spielen,  Laufen,  Springen,  Turnen,  Schwimmen, 
Eislaufen,  Arbeiten  im  Garten).  6.  Kleide  dich  nicht  zu  warm.  Trage 
den  Kopf  nur  leicht  bedeckt,  den  Hals  aber  unbedeckt.  Vermeide  gesteifte 
Yorhemdchen,  sowie  das  übermä(sige  Einengen  einzelner  Teile  des  Körpers 
(Korsett,  Leib-  oder  enge  Strumpfgttrtel).  7.  Die  Sohle  des  Schuhwerkes 
entspreche  genau  der  Form  des  FuDses.  Das  Oberleder  sei  an  der  inneren 
Fufsseite  höher  als  an  der  äufseren.  Die  Absätze  fordere  breit  und  niedrig. 
8.  Feucht  gewordene  Kleider,  namentlich  auch  Strümpfe  und  Schuhe, 
ersetze  baldmöglichst  durch  trockene.  9.  Sei  mäfsig  im  Essen  und  Trinken. 
Vermeide  verdorbene,  unverdauliche  Speisen  und  Leckereien;  gewöhne 
dich  dagegen  an  einfache  Kost  und  möglichst  früh  an  nur  drei  Mtihlzeiten 
täglich.  GenieGse  Speisen  und  Getränke  weder  mehr  als  blutwarm  noch 
eiskalt.  Ifs  langsam  und  kaue  gut.  Meide  starke  Beizmittel  (starken 
Kaffee  und  Thee,  scharfe  Gewürze,  viel  Salz,  Tabak,  alkoholhaltige  Ge- 
tränke). Fleisch  genieise  nicht  in  rohem  Zustande.  10.  Hüte  dich  vor 
geistiger  Anstrengung  unmittelbar  nach  der  Hauptmahlzeit  und  nach  über- 
standener  Krankheit.  Lies  nicht  wälirend  des  Essens.  11.  Gehe  früh 
zu  Bett  und  stehe  früh  auf.  Störe  deine  Nachtruhe  nicht  durch  körper- 
liche Anstrengung  und  geistige  Aufregung  unmittelbar  vor  dem  Zubettgehen. 

n.  Pflege  der  Atmungswerkzeuge. 

1.  Atine  mit  geschlossenem  Munde.  2.  Hüte  dich  vor  dem  Einatmen 
von  staubiger  oder  übelriechender  Luft.  Vermeide  das  Aufwirbeln  von 
Staub  im  Zimmer  und  Freien.  3.  Spucke  weder  auf  den  Fnssboden  des 
Zimmers,  noch  ins  Taschentuch  aus.  4.  Gehe  in  jeder  Pause  auf  den 
Schulhof  und  bewege  dich  dort  soviel  als  irgend  möglich  ist.  5.  Arbeite 
im  Sommer  tunlichst  bei  offenen  Fenstern.  Bei  günstiger  Witterung  und 
im  Winter  emeure  die  Zimmerluft  mehrmals  täglich  durch  gleichzeitiges 
öffnen  der  Türen  und  Fenster.  Setze  dich  nicht  dem  Zuge  aus,  zumal 
wenn  du  erhitzt  bist.  Schlafe  in  einem  Räume,  dessen  Fenster  je  nach 
der  Jahreszeit  mehr  oder  weniger  geöffnet  sind,  und  in  welchem  während 
des  Winters  auch  durch  mäßiges  Heizen  die  Luft  erneuert  wird.  Gurgle 
früh  und  abends  und,  reinige  nach  jeder  Mahlzeit  den  Mund  mit  frischem 
Wasser.  7.  Vermeide  es,  beim  Arbeiten  die  Brust  anzulehnen  und  den 
Unterleib*  zu  pressen.  8)  Nütze  deine  freie  Zeit  zu  lebhafter  Bewegung 
in  frischer  Luft  aus  und  stärke   besonders  die  Muskeln  des  Brustkorbes 


151 

und  des  Unterleibes  dtirch  körperliche  Tätigkeit  (Laufen,  Springen,  Spielen, 
Tomen,  Schwimmen,  Eislaufen,  Arbeiten  im  Garten). 

III.  Pflege  der  Augen. 

1.  Lies  nnd  schreibe  nie  in  der  Dämmerung,  fertige  auch  feine 
Handarbeiten  nie  im  Zwielicht  an.  2.  Bei  Tage  wähle  deinen  Platz  mög- 
lichst so,  dafs  du  von  ihm  aus  ein  Stflck  Himmel  sehen  kannst  und  das 
Fenster  sich  zur  linken  Hand  befindet.  Die  Sonnenstrahlen  dürfen  nie 
auf  deine  Arbeit  fallen.  3.  Bedecke  die  Lampe  nicht  mit  einem  dunklen 
Schirm,  stelle  sie  höchstens  einen  halben  Meter  weit  Tor  dich  hin  und 
schiebe  sie  dabei  etwas  zur  Linken.  Das  Arbeiten  bei  flackerndem  Lichte, 
sowie  das  Lesen  während  des  Fahrens  und  beim  Liegen  ist  den  Augen 
schädlich.  Cylinder  und  Milchglasglocke  müssen  stets  auf  der  Arbeits- 
lampe sein.  4.  Beim  Schreiben  halte  den  Oberkörper  aufrecht,  lege  die 
Brust  nicht  an  die  Tischkante  und  neige  den  Kopf  nur  wenig  nach  vom. 
Das  „Kreuz*'  lehne  an  ein  der  Stuhllehne  vorgelegtes  Kissen  (Ranzen). 
5.  Die  Schreibseite  lege  so  schräg  Tor  die  Mitte  der  Brust,  dass  die  Ab- 
striche senkrecht  zur  Tischkante  stehen.  6.  Beim  Lesen  lehne  den  Rflcken 
an  nnd  halte  das  Budi  mit  beiden  Händen  schräg  auf  dem  Tische  fest, 
so  daCs  die  Entfernung  zwischen  Augen  und  Schrift  mindestens  35  cm 
beträgt.  7.  Schreibe  nur  mit  tiefschwarzer  Tinte  auf  scharfe,  tiefblaue 
oder  schwarze  Linien.  Benutze  kein  Linienblatt  und  gewöhne  dich  früh- 
zeitig daran,  ohne  Linien  zu  schreiben.  8.  Wenn  du  Ermüdung  der  Augen 
spürst,  so  ruhe  ein  wenig  aus  und  sieh  während  der  Zeit  ins  Weite  (Freie). 
9.  Nach  schwerer  Krankheit  schone  die  Augen  mehrere  Wochen.  10. 
Dringt  Staub  oder  dergleichen  in  ein  Auge,  so  reibe  dasselbe  nicht,  höch- 
stens streiche  mit  einem  Finger  sanft  auf  dem  oberen  Lid  von  der  Schläfe 
nach  der  Nase  zu;  gelingt  es  nicht,  den  Gegenstand  auf  diese  Weise  zu 
entfernen,  dann  gehe  bald  zum  Arzt.  11.  Bei  eintretenden  Sehstörungen 
und  Augenleiden  wende  dich  an  einen  Arzt;  ein  solcher  kann  auch  nur 
entscheiden,  ob  du  eine  BriUe  nötig  hast,  ob  die  Augengläser  dauernd,  ob 
sie  beim  Schreiben  oder  beim  BUck  in  die  Ferne  (an  die  Tafel)  getragen 
werden  soUen  und  welche  Nummer  der  Gläser  zu  wählen  ist. 

IV.  Pflege  der  Ohren. 

1.  Bewahre  die  Ohren  vor  starken  Erschütterungen.  (Schlage  nicht 
dagegen!  Schreie  nicht  hinein I)  2.  Bohre  nie  mit  einem  spitzen  Gegen- 
stande,  wie  Feder,  Stricknadel,  Zahnstocher  usw.  in  den  Obren  und  stecke 
keinen  festen  Körper  (Bohne  usw.)  hinein.  3.  In  das  Ohr  gedrungene 
Fremdkörper  dürfen  nur  durch  Ausspritzen  mit  lauem  Wasser  entfernt 
werden.  Am  besten  ist  es  jedoch,  in  diesem  Falle  zum  Arzt  zu  gehen. 
4.  Dringt  ein  Insekt  in  das  Ohr,  so  neige  den  Kopf  nach  der  entgegen- 
gesetzten Seite  und  träufle  so  lange  öl  in  den  betreffenden  Hörgang,  bis 
es  getödtet  ist. 

V.  Wie  sollst  du  dich  zu  Hause  zum  Schreiben  und  Lesen  setzen? 

1.  Setze  dich  so,  da(s  du  die  Fenster  (die  Lampe)  zur  linken  Seite 
hast.  2.  Schiebe  beim  Schreiben  den  Stuhl  so  weit  unter  den  Tisch,  daDs 
die  Tordere  Stuhlkante   etwa  2  bis  5  cm   unter   die  Tischplatte    reicht. 


152 

Bei  gerader  Haltung  des  Oberkörpers  darf  die  Brost  die  Tischplatte  nicht 
berühren.  3.  Der  Stahl  sei  so  hoch,  dais  bei  herabhängenden  Armen  die 
Tischkante  in  Höhe  der  Ellenbogen  sich  befindet.  Da  die  gewöhnlichen 
Stuhle  zn  niedrig  sind,  so  lege  ein  Kissen  auf.  4.  Die  Fülse  setze  mit 
der  ganzen  Sohle  auf  den  Boden;  erreichst  du  denselben  nicht,  so  stelle 
eine  Fnfsbank  unter.  5.  Setze  dich  so  auf  den  Stuhl,  dals  die  Brust 
parallel  mit  der  Tischkante  ist,  und  lehne  den  unteren  Teil  des  Rflckens 
{das  ,,Kreuz^)  wftlurend  des  Schreibens  fest  an,  womöglich  an  ein  der 
Stuhllehne  vorgelegtes  Kissen  (Ranzen).  6.  Schlage  die  Beine  nicht  Über- 
einander, weder  am  Knie,  noch  an  den  Knöcheln,  und  ziehe  die  Fttfse 
nicht  unter  den  Stuhl  zurück.  7.  Lege  die  Unterarme  in  der  Nfthe  der 
Eaienbogen  auf  den  Tisch,  halte  mit  der  linken  Hand  das  Heft  fest  und 
schiebe  dasselbe  während  des  Schreibens  weniger  oder  mehr  auf  d^  Tisch, 
Je  nachdem  du  den  oberen  oder  unteren  Teil  beschreibst.  8.  Lege  das 
Heft  so  schräg  vor  die  Mitte  des  Körpers,  dais  die  Grundstriche  der  Schrift 
senkrecht  zur  Tischkante  stehen.  9.  Beim  Lesen  und  Lernen  schiebe  den 
Stuhl  etwas  zurück,  lehne  dich  hinten  an  und  halte  das  Buch  schräg  mit 
beiden  Händen  auf  dem  Tische  fest.  10.  Mädchen  haben  dafftr  zu  sorgen, 
dalis  die  Kleider  gleidmiäOng  auf  der  Sitzfläche  verteilt  sind.  11.  Sowohl 
beim  Lesen  wie  beim  Schreiben  muls  das  Auge  mindestens  85  cm  von 
4er  Schrift  entfernt  sein. 

In  vielfaolien  Lesestücken,  Gedichten  und  Gesängen  findet  auf 
allen  Stufen  das  Streben  der  Schale  Unterstützung,  den  hohen  Wert 
<ler  Gesundheit  in  das  rechte  Licht  zn  rücken ;  sie  sind  wohlgeeignet, 
den  Unterricht  in  der  Gesnndheitslehre  vorzubereiten  oder  zn  er- 
gänzen und  zn  beleben.  Das  Lesebuch  enthält  beispielsweise  folgende 
Stücke:  (Unterstufe.)  Achte  auf  deine  Gesundheit!  Die  Quelle. 
(Mittelstufe.)  Spielet  nicht  mit  Feuert  Gesundheit  ist  ein  greiser 
Schatz.  Der  Seiditum.  Was  frag'  ich  viel  nach  Geld  und  Gut. 
((Oberstufe.)  Unsere  Wohnung.  Die  Herbergen  zur  Heimat.  Die 
Nahrung.  Die  Hülsenfrüchte.  Das  Fleisch.  Essbare  und  giftige 
Pilze.  Das  Trinkwasser.  Reine  Luft.  Vom  Branntweintrinken. 
Von  der  Kleidung.  Die  Reinlichkeit.  Bewegung  und  Arbeit.  Der 
Schlaf.     Pflege  der  Sinne.     Krankenpflege. 

An  der  Hebung  der  Volksgesundheit  muls  jeder  Staatsbürger 
ein  selbstverständliches  Interesse  haben.  Sollte  ihn  nicht  schon  die 
Fürsorge  für  andere,  für  das  Wohl  des  Ganzen  dazu  treiben,  so  doch 
die  Sorge  für  sich  selbst.  Einer  hängt  vom  andern  ab.  Es  kann 
mir  nicht  gleichgültig  sein,  ob  ansteckende  Ejrankheiten  im  Orte 
grassieren,  die  auch  mir  oder  meinen  Familiengliedern  verhängnisvoll 
werden  können,  oder  ob  der  Lieferant  meiner  Nahrung,  der  Bäcker, 
Schlächter,  Brauer,  Obsthändler  usw.  an  sich  selbst  und  in  seiner 
Behausung  hygienisch    einwandsfrei   ist    oder   nicht.     Wer    merkte 


153 

niobt  den  üntersohied  im  Beisen  durch  kolturfreondliobe  Gegenden 
gegenüber  rflokstftndigen  Landesteilen  I  Mit  Beobt  wird  darum 
allenthalben  Gesundheitepflege  in  Verbindung  mit  hygienischer  Be- 
lehrung gefordert,  und  mit  Beobt  haben  die  allgemeinen  Bestimmungen 
dafilr  gesorgt,  iaJk  man  damit  sobon  bei  den  Kindern  an&ngt.  Sobul- 
gesundheitspflege,  Sobulgesundbeitslebre  1  Ihre  Früchte :  Hebung  der 
Volksgesundheit.     Gründer  Körper,  gesunde  Seele! 


Die  Entwicklimg  der  Schnlarit-Inatitiitioii  in  Deutschland 

und  der  Schnlant  in  Rostock. 

Von 

Dr.  Wsx-Bostock. 

(Fortsetsnog  und  SchlaXt.) 

rv. 

Sohwierig  bu  beantworten  ist  die  Frage  nach  der  Organisation 
des  Schulantiresens.  Wenn  erst  einmal,  wie  es  in  Saobsen-Meiningen 
bersits  geschehen  ist  (Ol.  10.  605),  und  wie  es  in  absehbarer  Zeit 
remutUch  überall  geschehen  wird,  der  Staat  die  Begelung  dieser 
Angelegenheit  in  die  Hand  genommen  hat,  wird  der  Schularztdienst 
gleiohm&Cng  über  Stadt  und  Land  ausgedehnt  und  ihm  im  Ministerium 
eine  Spitze  gegeben  werden.  Bis  dahin  bleibt  die  Begelung  den 
jeweiligen  Bedürfnissen  und  konkreten  Verhältnissen  der  einzelnen 
Städte  überlassen. 

Unterstellt  sind  die  städtischen  Schulärzte  den  Magistraten  bezw. 
den  Scbulkommissionen  derselben,  yon  welchen  sie  auch  ernannt 
werden.  Der  preulsisohe  Ministerialbericht  besagt  hierüber:  »Die 
▼OTgesetzten  städtischen  Verwaltungsbehörden  bestimmen,  welche 
Ärzte,  unter  welohen  Bedingungen  und  für  welche  Schulen  sie  bei 
der  Sohulau&icht  zu  beteiligen  sind." 

unter  den  Schulärzten  selbst  fungiert  in  Wiesbaden,  Oassel, 
Soköneberg,  Offenbaoh  der  „älteste  Schularzt  als  primus  inter  pares, 
wfthrend  in  Ohemnitz  und  Aachen  sich  die  Schulärzte  alljährlich 
suB  ihrer  Mitte  einen  „ersten  Schularzt"  wählen.  In  Frankfurt 
steht  der  Stadtarzt   an   der  Spitze   und  dient  als  Vorsitzender  der 


164 

Schiilärzte,  deren  Tätigkeit  er  überwacht  und  einheitlich  regelt, 
ähnlich  in  Breslan,  Leipzig,  Dresden,  Heilbronn  und  Danzig.  Ohne 
jede  Organisation  unter  einander  sind  die  Schulärzte  in  Königsberg, 
Friedrichshagen,  Posen,  Elmshorn,  Plauen,  Düren,  Flensburg,  Nürn- 
berg, Köln,  Bonn.  An  den  Stadtarzt  bezw.  ältesten  oder  ersten 
Schularzt  (oder  an  den  Vorsitzenden  der  Schuldeputation)  haben  die 
Schulärzte  über  ihre  Tätigkeit  in  dem  abgelaufenen  Schuljahr  einen 
schriftlichen  Bericht  einzureichen,  welcher  diese  einzelnen  Berichte 
wiederum  mit  einem  kurzen  übersichtlichen  Ghesamtbericht  dem 
Magistrat  vorlegt. 

Will  ein  Schularzt  aufserhalb  der  Schulferien  auf  länger  als 
eine  Woche  yerreisen,  so  hat  er  den  Magistrat  rechtzeitig  hieryon 
zu  benachrichtigen  und  für  kostenlose  geeignete  Vertretung  zu  sorgen. 
Meistens  vertreten  sich  die  Schulärzte  untereinander. 

Verschiedentlich  ist  das  Verlangen  nach  einem  Oberschularzt 
laut  geworden,  dem  dann  die  Hygiene  des  Unterrichtes  aller  Schulen 
einer  Stadt  unterstände,  während  für  die  Hygiene  des  Schulgebäudes 
und  der  Schulkinder  eine  Anzahl  praktischer  Ärzte  angestellt  werden 
sollte.  Zum  Oberschularzt,  der  eine  spezielle  schulhygienische  Aus- 
bildung genossen  haben  müTste,  sei  am  besten  der  Amts-  (Bezirks-, 
Stadt-)  Arzt  geeignet,  während  die  Schulärzte  dieser  besonderen 
Vorbildung  nicht  bedürften  (96.  7/8.  380).  Auf  das  gleiche  kommt 
der  Antrag  Dr.  Bdbls  hinaus,  der  im  „Kollegialen  Verein **  in  Berlin 
den  Vorschlag  machte,  dafs  in  jeder  Sohulkommission  ein  unbe- 
soldeter Arzt  für  die  Hygiene  des  Unterrichtes  und  Gebäudes  Sitz 
und  Stimme  hätte,  während  für  die  Hygiene  des  Kindes  mehrere 
besoldete  praktische  Ärzte  angestellt  werden  sollten. 

V. 

In  engem  Zusammenhang  mit  der  Organisation  des  Schularzt- 
Wesens  stehen  die  Kosten  desselben.  Da  könnte  jemand  fragen: 
Steht  denn  der  zu  erwartende  Nutzen  im  richtigen  Verhältnis  zu 
den  aufgewendeten  Mitteln?  Diese  Frage  muls  bejaht  werden.  Es 
verhält  sich  mit  den  relativ  nur  kleinen  Summen,  die  für  die 
Schularztinstitution  aufgewendet  werden  müssen,  ähnlich  wie  mit 
den  ungeheuren  Summen,  welche  die  Landes -Versicherungsanstalten 
ausgeben,  um  die  Arbeits&higkeit  ihrer  Versicherten  wieder  herzu- 
stellen oder  auf  eine  Reihe  von  Jahren  zu  verlängern.  Dadurch 
nämlich,  dais  die  Gemeinden  dafür  Sorge  tragen,  dais  die  Krank- 
heiten bei  ihren  Schulkindern  im  Keime  erstickt  werden  und  diese 


155 

zu  einem  gesanden  und  kräftigen  Geschleoht  lieranwaolisen,  wird 
die  Menge  derjenigen,  welohe  der  Fürsorge  des  Untersttttznngs- 
wohnsitzes  anheim&llen,  verringert  werden.  AVie  gewaltig  grolis 
aber  die  Last  ist,  welobe  den  Gemeinden  jetzt  durch  die  Fürsorge 
für  Arme  nnd  Kranke  erwächst,  kann  man  in  dem  Budget  jeder 
Stadtverwaltung  ersehen,  und  jede  Möglichkeit,  gerade  diese  Lasten 
zn  verringern,  muGs  mit  Freuden  begrüfst  werden. 

Auch  bin  ich  überzeugt,  dafs  gewifs  manche  Landesversicherungs- 
anstalt  gerne  bereit  sein  wird,  ihr  segensreiches  Wirken  vorbeugend 
aach  schon  auf  die  noch  nicht  Versicherten  auszudehnen,  da  sich 
hierdurch  die  Zahl  derjenigen  verkleinem  wird,  für  welche  sie  später 
die  Fürsorge  freiwillig  übernimmt  oder  gesetzlich  übernehmen  muüs. 
Sie  kann  dies  tun,  indem  sie  entweder  an  die  Kosten  des  Unterhaltes 
der  Schularztinstitution  beitragt,  oder  dem  Schularzt  Mittel  zur  Ver- 
fäguDg  stellt  zur  Speisung  hilfsbedürftiger  und  Verschickung  kranker 
Schnlkinder  in  Seehospize  und  dergleichen. 

Auf  eine  originelle  und,  wie  er  selber  sagt,  „rauhborstige"  Art 
begründet  Ellingeb  in  seiner  Schrift  „Der  ärztliche  Landesschul- 
inspektor,  ein  Sachwalter  unserer  mifshandelteu  Schuljugend''  die 
Berechtigung  der  Kosten:  „Wenn  nun  aber  für  Militärpferde  ein 
eigener  Korpsrofsarzt  angestellt  ist,  dann  können  auch  wohl  die 
Rinder  auf  einen  Arzt,  der  speziell  für  ihr  körperliches  Wohlbefinden 
besorgt  ist,  prätendieren.  Und  wenn  erst  neulich  in  Württemberg 
20000  Mark  als  Prämie  für  Fohlenzüchter  und  ähnliche  Summen 
für  Zncht-Rindvieh,  -Schafe  und  -Schweine  ausgesetzt  sind,  dann 
wird  man  wohl  auch  noch  die  Kosten  nicht  für  eine  verbesserte, 
sondern  für  die  beste  Gesundheitspflege  der  heranzuziehenden 
Kinder  aufzubringen  im  stände  sein  (citiert  nach  Cohn:  „Die 
Schalarztfrage  in  Breslau*'  98.  11.  581).  Es  sieht  aber  mit  der 
Besoldung  der  Schulärzte  noch  traurig  aus;  es  wird  vieles  verlangt 
und  wenig  gegeben.  Zum  Beweise  dessen  die  umstehende  Tabelle, 
soweit  mir  zu  ihrer  Aufstellung  Material  zur  Verfügung  stand.  Aus 
ibr  ist  gleichzeitig  zu  ersehen,  wie  viele  Kinder  auf  den  einzelneu 
Arzt  kommen.     (S.  156.) 

VI. 

Darüber,  ob  die  schulärztliche  Au£9icht  sich  lediglich  auf  die 
Volks-  und  Mittelschulen  erstrecken  soll,  wie  dies  zurzeit 
meist  der  Fall  ist,  oder  auch  auf  die  höheren  Lehranstalten  und 
Privatsohulen,  sind  die  Akten  noch  nicht  geschlossen ;  es  mehren 

Seholg^smidlieittpfla^e.  XVL  9 


156 


Zahl  der  Sohnlärzte  und  deren  G-ehalt.     Zahl  der  einem 

Schularzt  zugewiesenen  Kinder. 


Zahl  der 

Gesamtsahl 

Ansahl  der 
auf  den  Arst 

Gehalt 

Ort 

Schalärste 

der 
Schulkinder 

kommenden 
Kinder 

des  Arstes 

Wiesbaden 

6 

7000 

1200 

600      jK 
(und  Zulage) 

Darmstadt 

4 

6000 

1000—1500 

400-600  iL 

Offenbach 

3 

5300 

1600—1800 

900       „ 

Frankfurt  a.  M 

10 

19000 

1700—2000 

1000       „ 

Leipzig 

15 

50000 

8000—4000 

600       „ 

Königsberg 

10 

19000 

1800-2000 

600       „ 

Bonn 

3 

— 

600       „ 

Erfuri  •••••••  ••••• 

4 

— 

— 

1600 

Charlottenbarg 

400-1000   „ 
steigend 

Posen 

8 
(davon  2  Spes.) 

— 

SOObe      60  „ 

Breslaa 

25 

50000 

2000 

500       „ 

Berlin 

zunächst 
probeweise 

— 

1800—2000 

600       „ 

Nürnberg 

6 

18000 

3000 

600       , 

Altendorf  (Bhnld)  . 

— 

— 

— 

600       „ 

Dresden 

— 

— 

4000 



Schöneberg 

— 

— 

— 

1000       „ 

Slmshom 

— 

— 

— 

50  Pf.  pr.  Kind 

Plauen 

8 

— 

500      A 

Kopenhagen 

— 

2500 

400    Kr. 

Kiew 

« 

3 
(2  m&nnliebe. 
1  weiblicher) 

— 

1000  Bub.  =* 
9150      A 

Boston 

55 

70000 

1400 

800       ^ 

New  York 

300 

300000 

1000 

^^^ 

1 

157 

sieh  aber  in  der  letzten  Zeit  die  Stimmen,  welohe  verlangen,  dafs  auch 
den  Schülern  dieser  Anstalten  der  Yorzng  einer  ärztlichen  Prophylaxe 
zn  teil  werden  möge.  Allerdings  wird  sich  dabei  die  Tätigkeit  des 
Schularztes  mehr  auf  die  Hygiene  der  Lehrmittel  und  des  Gebäudes 
eistrecken,  da  vermutlich  eine  ganze  Anzahl  von  Kindern  dieser 
Schulen  bausärztliche  Gesundheitsscheine  beibringen  wird.  Dafür 
ist  aber  seine  Tätigkeit  in  den  beiden  genannten  Gebieten  eine  um 
so  grölsere,  als  die  Hygiene  der  Lehrmedioden  auf  den  höheren 
Schulen  viel  mehr  der  Mitwirkung  des  Arztes  bedarf  wie  in  den 
niederen,  und  es  femer  bekannt  ist,  daJs  gerade  die  Gymnasial- 
gebäude  durchweg  hinter  den  hygienisch  weit  besseren,  weil  neueren, 
Yolksschulhäusem  zurückstehen  (cf.  Bollbb,  1.  c.  S.  43).  Auch  in 
Bezug  auf  die  Hygiene  des  Schulkindes  darf  man  nicht  glauben, 
dab  mit  dem  höheren  Stande  der  Eltern  eine  gröfsere  Fürsorge  fEkr 
die  Gesundheit  der  Elinder  einhergehe.  „Es  gibt  einen  ziemlich 
hohen  Prozentsatz  von  Eltern,  die  es  mit  der  Zuziehung  des  Haus- 
antes  durchaus  nicht  eilig  haben  und  deren  Kinder  oft  wochenlang 
mit  ansteckenden  Krankheiten,  wie  Keuchhusten,  Hautausschlägen, 
Augenleiden  etc.  behaftet,  die  Schule  weiter  besuchen  und  den  Qe- 
suidheitszustand  ihrer  Mitschüler  gefährden'',  sagt  der  Oberlehrer 
BoLLES  in  seiner  bereits  mehrfach  citierten  Schrift  „Das  Bedürfnis 
nach  Schulärzten  für  die  höheren  Lehranstalten''.  Auch  dieser  Autor 
kommt  zu  dem  Schluls,  für  sämtliche  höhere  Lehranstalten  die  Mit- 
wirkung des  Arztes  zu  beanspruchen  (1.  c.  S.  50).  —  um  die  Privat* 
schulen  steht  es  ähnlich,  nur  daCs  Gebäude  und  Bäume  derselben  in 
noch  weiterem  Umfange  der  ärztlichen  Aufsicht  bedürfen. 

Auch  soziale  Gründe  sprechen  für  Ausdehnung  der  schulärzt- 
lichen Tätigkeit  auf  alle  Schulen.  Man  hat  vielfach  gesagt:  wenn 
der  Staat  verlangt,  daiis  die  Kinder  die  Schule  besuchen,  so  hat  er 
nickt  nur  das  Kecht,  sondern  die  Pflicht,  dafür  zu  sorgen,  dals 
SebAdliohkeiten,  welohe  unbestritten  dem  Kinde  durch  den  Sohul- 
besnoh  erwachsen  können  und  erwachsen,  nach  Möglichkeit  hintan 
gehalten  werden.  Woher  nimmt  nun  aber  der  Staat  das  Recht,  einer 
Anzahl  seiner  Untertanen  gegenüber  diese  Pflicht  versäumen  zu 
wollen?  Etwa,  weil  andere  diese  Pflicht  übernommen  haben?  Die 
kömien  es  nur  teilweise,  nur  soweit  als  die  Hygiene  des  Kindes 
Wro£Een  wird.  Und  wenn  diese  anderen,  also  die  Eltern,  die  ge- 
•QndheiÜiohe  Kontrolle  ihrer  Kinder  vom  Staat  bezw.  der  Gemeinde 
dnreh  dessen  Arzt  nicht  ausüben  lassen  wollen,  so  mögen  sie  es  un. 
Wtritten  durch  ihren  eigenen  tun,  nur  mufs  verlangt  werden,  dafs 

9* 


158 

68  geschieht.  Wie  der  Schulrekmt  eines  Gymnasiums  bei  der  Auf- 
nahme seinen  Impfschein  ebensogut  yorzeigen  muls,  wie  der  einer 
Dorfschule,  so  mfifste  in  Zukunft  auf  dem  Gymnasium  der 
Gesundheitsbogen  ebensogut  verlangt  und  geführt  wer- 
den wie  in  der  Volksschule. 

vn. 

Ohne  hierbei  einen  bestimmten  Standpunkt  einnehmen  zu  wollen, 
müssen  wir  jetzt  referierend  die  Anforderungen  besprechen,  welche 
von  den  verschiedenen  Seiten  an  die  Vorbildung  der  Schulärzte 
gestellt  werden.  —  Dafs  eine  solche  nötig  ist,  darüber  sind  sich  fast 
alle  einig,  nur  über  das  „wie?**  differieren  die  Ansichten.  Der 
deutsche  Lehrertag  in  Frankfurt  beschlols:  „Schularzt  kann  nur  der- 
jenige praktische  Arzt  werden,  welcher  die  Schulhygiene  zum  Gegen- 
stand seines  besonderen  Studiums  gemacht  hat/'  (Eülenbubg-Bach, 
S.  398.)  Ebenso  verlangt  EBiSMANN-Zürich  (Schweiz.  Gesellscb.  f. 
Schulgesundheitspfiege) ,  dals  womöglich  Ärzte  mit  spezieller  hygie- 
nischer Vorbildung  als  Schulärzte  angestellt  werden.  (99.  11.  661.) 

Diese  Vorbildung  läfst  die  ungarische  Regierung  durch  jährlich 
abgehaltene  dreimonatliche  Kurse  denjenigen  zu  teil  werden,  welche 
Schularzt  zu  werden  beabsichtigen.  Solche  hygienische  Kurse  verlangt 
für  Deutschland  Dr.  WetIi  im  „Korrespondengbl.  d.  Berliner  Ärzte'' 
(1898,  No.  50).  Ihm  wurde  geantwortet  (1899,  No.  1),  dals  lediglich 
die  Teilnahme  an  einem  Kurse  nicht  ausschlaggebend  sein  könnte 
für  die  Beurteilung  der  Frage,  ob  jemand  zur  Anstellung  als  Schul- 
arzt für  &hig  zu  erachten  sei  oder  nicht.  Dagegen  wird  das 
Augenmerk  auf  die  pro  physikatu  geprüften  Ärzte  hingelenkt,  bei 
denen  man  ein  für  die  Schulärzte  genügendes  Mals  hygienischer 
Kenntnisse  erwarten  dürfe.  Femer  entspränge  der  Entschlufs,  sich 
dem  fakultativen  Examen  zu  unterwerfen,  der  Bereitwilligkeit,  an 
der  öffentlichen  Gesundheitspflege  selbsttätigen  Anteil  zu  nehmen; 
auch  erscheinen  die  pro  physikatu  geprüften  Ärzte  im  formellen 
Verkehr  mit  den  Behörden  qualifizierter  als  andere  Ärzte. 

Erwähnt  werden  müssen  an  dieser  Stelle  noch  einige  Modifika- 
tioüto;  In  Paris  hat  man,  ausgehend  von  der  Überlegung,  dals  im 
IntBcossie  von  Gründlichkeit  xmd  doch  Schnelligkeit  spezialistische 
Ausbildung  nötig  sei,  neben  den  Schulärzten  Spezialisten  angestellt; 
dato  -gleiche  ist  in  Posen  der  Fall,  wo  neben  sechs  Schulärzten  zwei 
Spezialisten  (für  Augen  und  Ohren)  tätig  sind.  Zu  dieser  Frage 
äulaert  sioh  Sohilleb  (ref.  99.  10.  575),  dals  man  sich  mit  Etecht 


159 

mit  der  Anstelloog  von  Spezialisten  abwartend  verhalte,  man  müsse 
erst  seben,  wie  weit  siob  ein  Bedürfnis  hierfür  geltend  machen  werde. 
Ebenso  sprioht  sich  Prof.  v.  Ebmabgh  gegen  Spezialisten  ans.  (99. 
10.  591.) 

In  Drontheim  hatte  man  die  Stadtärzte  (nogefähr  unseren  Armen- 
ärzten entsprechend)  mit  der  schulärztlichen  Funktion  beauftragt,  aber 
bei  der  geringen  Zeit,  die  diesen  Ärzten  für  den  Schuldienst  übrig 
blieb,  schlechte  Erfahrungen  damit  gemacht.  (96.  3.  140.)  —  In 
Deutschland  besteht  in  Krefeld  eine  derartige  Einrichtung:  dort  sind 
nach  einem  Schreiben  des  Magistrates  keine  besonderen  Schulärzte 
angestellt;  dagegen  ist  mit  den  Bezirksärzten  die  Vereinbarung  ge- 
troffen, dals  diese  alljährlich  die  neuaufgenommenen  Schulkinder  auf 
SchulfiLhigkeit  untersuchen  (ähnlich  verhält  es  sich  in  Wesel,  Beeck 
bei  Buhrort,  Steele  an  der  Buhr,  Solingen  und  Essen).  Demnach 
entspricht  die  Tätigkeit  dieser  Ärzte  nicht  dem  Schularzt  nach 
Wiesbadener  Muster. 

Die  Einrichtung  in  Heilbronn,  wo  die  Assistenzärzte  des  städti- 
schen Sjrankenhauses  mit  der  Funktion  von  Schulärzten  betraut  sind, 
erscheint  wenig  zweokmälsig.  Es  fehlen  hierbei  nach  Knauss  (Bericht 
über  die  Schularztfirage,  S.  3)  alle  Erfordernisse:  die  Vermeidung 
bftofigen  Wechsels,  die  reifere  Erfisihrung,  die  Autorität  den  Lehrern, 
£ltem,  Kindern  gegenüber,  die  genaue  Kenntnis  der  örtlichen  Ver- 
hältnisse. 

(}egen  alle  diese  Modifikationen  wendet  sich  der  Medizinal- 
referent für  Elsafs-Lothringen  Dr.  Kbibgeb.  Er  äulsert  sich  dagegen, 
dab  man  die  schulärztliche  Tätigkeit  einfach  als  Anhängsel  des  ge- 
gemeindeärztlichen  Dienstes  oder  gar  irgend  eines  speziellen  Faches 
hinstelle.  Doch  müsse  der  Bewerber  einen  Bebhigungsnachweis  er- 
bringen. Femer  hält  er  eine  gewisse  Beife  und  Erfahrung  für 
notwendig  und  verlangt  eine  mindestens  dreijährige  ärztliche  Tätig- 
keit nach  der  Approbation.  Diejenigen  Ärzte,  die  die  Kreisarzt- 
prfifnng  bestanden  hätten,  verdienten  den  Vorzug.  „Daus  aufserdem 
Persönlichkeit,  Auftreten,  Takt  des  Bewerbers  fest  ins  Auge  gefafst 
werden  müssen,  ist  selbstverständlich,  denn  die  Tätigkeit  des  Schul- 
arztes ist  ebenso  schwierig  als  delikat  den  Eltern,  Lehrern  und  be- 
bandelnden  Ärzten  gegenüber.** 

vm. 

Bei  dem  verhältnismäbig  kurzen  Bestehen  der  schulärztlichen 
Institution  sind   eingehende  Erfahrungen  natürlich  noch  nicht 


160 

gemacht  und  kann  über  die  Erfolge  nur  summarisch  bericlitet 
werden.  Sind  doch  seit  Einführung  der  Schulärzte  in  deutschen 
Städten  erst  sechs  Jahre  verstrichen. 

Überall  befindet  man  sich  noch  im  Übergangsstadium,  und  erst 
jetzt  beginnen  die  Kinder  der  Schule  zu  entwachsen,  welche  während 
der  ganzen  Schulzeit  unter  ärztlicher  Aufsicht  gestanden  haben. 
Man  kann  also  heute  erst  von  allgemeinen  Eindrücken  und  Er- 
fahrungen sprechen,  diese  sind  aber  überall  nur  günstig  gewesen. 
Gedruckte  Berichte  liegen  mir  aus  Wiesbaden,  Darmsiadt,  Offenbach, 
Gielsen,  Charlottenburg,  Leipzig  und  Königsberg  vor.  Aus  diesen, 
sowie  anderweitigen  kurzen  Notizen  ergibt  sich,  dals  die  anfangs 
erhobenen  Bedenken  nicht  berechtigt  waren  und  es  nirgends  zu 
Kollissionen  mit  dem  Lehrpersonal  gekommen  ist,  sondern  das  gute 
Einvernehmen  stets  rühmend  hervorgehoben  wird.  Es  wird  ferner 
berichtet,  wie  erfolgreich  das  Wirken  des  Schularztes  in  der  Hygiene 
des  Schulgebäudes  zu  sein  vermag,  wie  häufig  schwere  Mifsstände 
durch  eine  kleine  Änderung,  wenn  auch  nicht  ganz  beseitigt,  so  doch 
erträglich  gemacht  werden  konnten,  wie  man  überhaupt  durch  schritt- 
weises Verbessern  trotz  der  kurzen  Zeit  erhebliches  geleistet  hat. 

Ebenso  wird  mehrfach  betont,  dafs  den  Behörden  gegenüber 
ein  wissenschaftlich  begründetes  Gutachten  des  Schularztes  einen 
ganz  anderen  Effekt  gehabt  hat  als  mehrmalige  Anträge  und  Be- 
schwerden, die  in  derselben  Angelegenheit  vorher  von  der  Schul- 
leitung ausgegangen  waren  (Bolleb,  1.  c.  S.  43). 

Bei  der  AusfÜirung  der  individuellen  Untersuchung  sind  jedoch 
mehrfach  technische  Schwierigkeiten  hervorgetreten,  mit  denen  sogar 
manche  Magistrate  ihren  ablehnenden  Standpunkt  begründet  hahen. 
Es  ist  berechnet,  dals  bei  der  greisen  Anzahl  von  Schulkindern,  die 
auf  den  einzelnen  Arzt  kommen,  dieser  nicht  im  stände  wäre,  die 
Untersuchungen  mit  der  wünschenswerten  G^auigkeit  auszuführen. 
So  wurden  in  Wiesbaden  durchschnittlich  nur  2^/<  bis  3  Minuten 
pro  Kind  für  die  Untersuchung  gebraucht,  eine  Zeit,  in  welcher 
auch  der  Geübteste  natürlich  nicht  im  stände  ist,  eine  eingehende 
Untersuchung  anzustellen,  womöglich  noch  mit  Augen-  und  Ohren- 
spiegel oder  mittels  physikalischer  Methoden.  Auch  ist  berechnet, 
dals  der  Arzt  bei  der  Untersuchung  der  vielen  vorgeschriebenen 
Organe  für  jedes  derselben  nur  den  Bruchteil  eines  Pfennigs  erhält, 
und  dann  die  Vermutung  daran  geknüpft,  daiis  bei  einer  derartigen 
Bezahlung  Liiteresse  und  Genauigkeit  nicht  sehr  grols  sein  könnten. 
Den  einfachsten  Weg,    solche    technischen   Schwierigkeiten    zu    be- 


161 

seitigen,  haben  indeflsen  schon  eine  Anzahl  von  Städten  beeohritten, 
indem  sie  die  Zahl  der  Sohnlärzte  yermehrten  und  damit  die  Zahl 
der  von  jedem  vorzunehmenden  Untersuchungen  verminderten. 
Andererseits  verhält  es  sich  mit  den  zwei  bis  drei  Minuten  pro  Kind 
gar  nicht  so  schlimm:  das  war  anfangs  wohl  der  Fall,  als  Ärzte, 
Lehrer  und  Kinder  noch  nicht  auf  den  Untersuchungsmodus  eingeübt 
waren,  als  auch  diejenigen  regelmä&ig  wieder  mituntersucht  wurden, 
bei  denen  schon  bei  der  Aufnahme  ein  guter  Gesundheitszustand 
festgestellt  war,  und  als  der  Arzt  noch  alle  Rubriken  des  Gesund- 
heitsscheines  selber  ausfallen  muDste.  Jetzt  werden  aber  fortlaufend 
nur  diejenigen  untersucht,  welche  einer  dauernden  Kontrolle  be- 
dürfen, oder  zur  Zeit  als  krank  erscheinen;  eine  generelle  Untere 
sacbung  findet,  abgeeehen  von  der  ersten,  nur  noch  im  dritten,  fünften 
imd  achten  Schuljahre  statt,  und  endlich  besorgen  jetzt  SohuUehrer 
und  -diener  einen  Teil  der  Tätigkeit  mit,  die  anfangs  auch  dem 
Schularzt  zufiel,  wie  z.  B.  Messen  und  Wägen.  Auch  die  Bestimmung 
der  Sehschärfe  hat  man  praktischerweise  soweit  den  Lehrern  über- 
lassen, als  diese  feststellen,  ob  die  Augen  ihrer  Schüler  einer  be- 
stimmten Mindestforderung  genügen.  Wird  diese  letztere  nicht 
erreicht,  so  untersucht  der  Arzt  und  stellt  den  Grund  fest.  So 
haben  sich  in  praxi  auch  diese  theoretischen  Bedenken  als  unbe- 
grfindet  erwiesen. 

Bin  weiteres  Bedenken,  welches  im  Laufe  der  Zeit  auftrat  und 
besonders  am  Bhein  diskutiert  wurde,  betraf  die  Ausfüllung  der  &%• 
BondheitsbOgen.  Einmal  wurde  in  einer  Anzahl  dieser  Formulare 
genaueste  Auskunft  verlangt  über  hereditäre  Verhältnisse  und  zweitens 
erfahren  die  Schulkinder  die  Diagnosen  ihrer  Elrankheiten.  Bei  dieser 
Handhabung  bestände,  so  wurde  mit  Recht  gesagt,  die  Gefahr,  dafs 
in  das  jugendliche  G^müt  ein  Stachel  gelegt  und  ihm  die  kindliche 
Harmlosigkeit  und  Heiterkeit  genommen  würde.  Es  würden  die 
Kinder  gestempelt  als  mit  etwas  Bösem  behaftet;  die  Gespielen 
eines  solchen  Kindes  zögen  sich  von  ihm  zurück,  betrachten  es  mit 
IGtleid  oder,  wozu  ja  die  Mitschüler  besonders  geneigt  sind,  über- 
schütteten es  mit  Spott. 

Angaben  über  die  Gesundheitsverhältnisse  der  Eltern  auf  diesen 
quasi  amtlichen  Scheinen  vertrügen  sich  nicht  mit  der  Pflicht  der 
ärztlichen  Diskretion  und  könnten  schwere  soziale  Schädig:ungen  der 
Familien  zur  Folge  haben.  Diese  Bedenken  sind  gewifs  berechtigt. 
Man  hat  daher  die  Bubrik  „hereditäre  Verhältnisse^  fortgelassen  und 
die  Einrichtung  getroffen,   daJs  die  Kinder  ihre   Gesundheitsbögen 


162 

nicht  in  die  Hand  bekommen.  Diese  werden  vielmehr  vom  Lehrer, 
welcher  der  beruflichen  Verschwiegenheit  natürlich  ebenso  unter- 
liegt wie  der  Arzt,  unter  VerschluiB  genommen,  und  die  „Mitteilung^ 
an  die  Eltern*'  wird  ohne  Wissen  der  Kinder  in  verschlossenem 
Couvert  an  ihre  Adresse  befördert.  Somit  sind  auch  diese  Bedenken 
zerstreut. 

GewUs  wird,  wenn  man  im  Laufe  der  Jahre  erst  mehr  Er- 
fahrungen gesammelt  hat,  noch  das  eine  oder  andere  Bedenken  auf- 
tauchen; man  darf  jedoch  hoffen,  dafs  auch  die  ferneren  sich  ohne 
Schwierigkeit  beseitigen  lassen,  ebenso  wie  sich  schon  jetzt  eine  ganze 
Anzahl  als  unberechtigt  herausgestellt  hat. 

Recht  günstige  Erfahrungen  hat  man  seit  Einführung  der  Schul- 
ärzte allerorts  mit  der  Verteilung  von  Frühstück  (warmen  Milch- 
suppen und  dergleichen  mit  Semmeln),  das  an  hilfiBbedürftige  und 
schwächliche  Kinder  während  einer  Zwischenpause  verabfolgt  wird, 
gemacht.  Diese  EinriohtuDg  bestand  zwar  schon  früher  in  einigen 
Städten,  ist  aber  durch  die  Schulärzte  weiter  ausgebaut  und  hat 
ungeteilten  Beifall  gefunden  (z.  B.  in  Gieüsen,  Darmstadt,  Wiesbaden, 
Offenbach,  Oharlottenburg).  Die  Mittel  dafür  sind  durch  private  Wohl- 
tätigkeit aufgebracht  und  fliefsen  um  so  reichlicher,  als  duich  den 
Schularzt,  welcher  die  betreffenden  Kinder  auszusuchen  hat,  die 
Garantie  gegeben  ist,  daCs  diese  Wohltat  auch  den  wirklich  Bedürf- 
tigen zu  teil  wird.  Ebenso  hat  man  es  vielfSeush  den  Schidärzten 
überlassen,  die  Auswahl  unter  den  Kindern  zu  treffen,  welche  sich 
zur  Behandlung  in  Sol-  und  Seebädern  oder  zur  Verschickung  in 
sogenannte  Ferienkolonien  eignen. 

rx. 

Nach  dem  Vorstehenden  kann  ich  mich  mit  Vorschlägen  für 
die  Anstellung  von  Schulärzten  in  Rostock  kurz  fassen.  Es 
gibt  in  Rostock  nach  einer  mir  von  Herrn  Bürgermeister  Dr.  Simonis 
gütigst  gemachten  Mitteilung 

a)  drei  höhere  Schulen. 

1.  Gymnasium . . .  J  ^^^^^  Stadtschule  mit  778  Schülern 

2.  Realgymnasium  J 

3.  Realschule „    803 


Total  1581  Schüler 


163 

b)  zehn  Elementarsohulen. 

1.  Friedrich-Franz-Knabensohnle mit  842  Sohülern 

2.  „  „       Madohensohule „    440  Schülerinnen 

3.  St.  Georg-Enabensohnle „    771  Schülern 

4.  „       „        Mädchenschule „    704  Schülerinnea 

5.  Altstädtische  Enabenschnle „    284  SchtÜem 

6.  „  Mädchenschule „    196  Schülerinnen 

7.  Margarethen- Knabenschule „    466  Schülern 

8.  „  Mädchenschule „    557  Schülerinnen 

9.  Augustenschule „    556  Schülern 

10.  Vorstädtische  Knabenschule „    523  Schülern 

Total  5339  Schüler 

c)  Priyatschulen. 

1.  Höhere  Töchterschulen:  Burchardt, 
Bierstedt,    Kopeke,    Stender,    Balck 

in  Summa mit  872  Schülerinnen 

2.  Priyatschulen  auf  der  Stufe  der  Y olks- 
und  Bürgerschulen :  Bilderbeck,  Brose- 
manu,  Topel,  Kietz,  Pfiugk,  Hennings, 

Paschen,  Kahl  in  Summa „    818  Kindern 

Total  8610  Schüler. 

Für  die  8610  Schüler  und  Schülerinnen  müftten  auf  Grund 
der  Tabelle  in  Abschnitt  V  sieben  Schulärzte  mit  einem  Gehalt  von 
je  900  Mark  aus  der  Zahl  der  praktischen  Ärzte  gewählt  werden, 
sodals  auf  jeden  Schularzt  12^1400  Kinder  kämen. 

Eine  besondere  Dienstanweisung  für  diese  Schulärzte  hier  auf- 
stellen zu  wollen,  hieise  nur  das  in  Abschnitt  HI  schon  einmal  Ge- 
sagte wiederholen.  Sie  würden  am  besten  unter  sich  jährlich  einen 
ältesten  bezw.  ersten  Schularzt  zu  wählen  haben  (cf.  Abschnitt  IV), 
der  die  Befugnisse  eines  Vorsitzenden  hätte.  So  müTsten  sich  die 
Verhältnisse  gestalten,  wenn  man  in  Rostock  nach  dem  Vorgang  der 
anderen  Städte  die  Anstellung  von  Schulärzten  beschlösse. 

Zum  SchluCs  möchte  ich  mir  jedoch  noch  einen  Vorschlag  er- 
lauben, der,  auf  Rostock  angewendet,  vor  dem  erstgenannten  System 
wesentliohe  Vorteile  bieten  würde. 

Der  Erfinder  des  Wortes  Schularzt  Dr.  EiiLuiaEB- Stuttgart 
Wtte  darunter  einen  Arzt  verstanden,  der  seine  ganze  Berufstätigkeit 
nur  der  Schule  widmete  und  dafür  ein  Gehalt  von  5  bis  8000  Mk. 


164 

beziehen  sollte.  Dieser  Vorschlag  ist  später  in  Vergessenheit  ge- 
raten, da  ja  die  moderne  Sohnlarztbewegang  auf  dem  Wiesbadener 
System  basiert,  nach  welchem  mehrere  praktische  Ärzte  mit  der 
Nebenbeschäftignng  als  Schularzt  betraut  werden. 

Mein  Vorschlag  geht  nun  dahin,  dafs  in  Rostock  ein  Schularzt 
mit  dem  Verbot  der  Ausübung  yon  Privatpraxis  als  Beamter  der 
Stadt  mit  einer  Stellung  und  einem  Gehalt  unge&hr  dem  Stadtrichter 
entsprechend  angestellt  werden  möge.  Damit  würden  viele  Bedenken 
beseitigt  und  keine  neuen  geschaffen  werden. 

Die  Zahl  der  Schulen  und  Schüler  ist  in  Rostock  gerade  so 
grols,  dafs  die  ärztliche  Arbeit  einesteils  von  einem  Arzte  gut  be- 
wältigt werden  kann,  anderenteils  aber  auch  die  Tätigkeit  desselben 
genügend  in  Anspruch  genommen  würde.  Bei  Einrichtung  einer  für 
jede  Schule  alle  14  Tage  wiederkehrenden  Sprechstunde  würden  die 
acht  Volksschulgebäude,  die  grofse  Stadtschule  und  die  Realschule  zu- 
sammen zehn  Vormittage,  insgesamt  zwölf  Wochentage  gleich  zwei 
Wochen  beanspruchen,  es  würde  demgemäls  jeder  Vormittag  besetzt 
sein.  Am  Nachmittag  würde  die  häusliche  Sprechstunde  fär  die 
Untersuchung  erkrankter  oder  krankheitsverdächtiger  Kinder  aus 
denjenigen  Schulen  stattzufinden  haben,  die  an  dem  jeweiligen  Tage 
gerade  nicht  besichtigt  worden  sind. 

Dieser  Stadtschularzt,  der,  wie  erwähnt,  keine  Privatpraxis 
treiben  darf,  könnte  von  der  Stadt  gelegentlich  mit  medizinalpoHzei- 
liehen  Funktionen  auch  auf  anderen  Q^bieten  betraut  werden  und 
würde  sich  mit  dem  Stadtphjrsikus  zu  vertreten  haben.  Er  müfste 
natürUoh  das  für  die  beamteten  Ärzte  vorgeschriebene  Examen  ab- 
gelegt haben. 

Durch  diesen  Vorschlag  glaube  ich  einen  Weg  gezeigt  zu  haben, 
der  nicht  nur  den  geringsten  Kostenaufwand  verursacht,  sondern 
auch  am  sichersten  den  hohen  Anforderungen  gerecht  wird,  die  an 
die  schulärztliche  Tätigkeit  gestellt  werden  müssen. 


165 


Weitere  Materialien  rar  Statistik  der  Bchnlyersaiimnisse 

und  ihrer  UrBachen. 

Von 
Direktor  Emanxtel  BAYB-Wien. 

Im  12.  Heft  des  Jahrganges  1901  dieser  Zeitschrift  habe  ich 
meine  ersten  Zosammenstellangen  über  die  Schulyersärimnisse  und 
ihre  Ursachen  in  der  yon  mir  geleiteten  Mädohensohnle  publiziert 
und,  ohne  weitere  Schlüsse  ans  den  beigebrachten  Zahlen  zn  ziehen, 
auf  einige  nicht  uninteressante  Erscheinungen  aufmerksam  gemacht. 
Die  damalige  Statistik  bezog  sich  auf  das  Schuljahr  1 900/ J  901.  In 
gleicher  Weise  habe  ich  nun  das  Material  für  1901/1902  zusammen- 
gestellt, und  sind  die  folgenden  Tabellen  im  allgemeinen  nach  den- 
selben Gesichtspunkten  geordnet  wie  die  früheren.  Auch  die  Be- 
rechnung und  Bedeutung  der  Prozentzahlen  in  den  einzelnen  Tabellen 
ist  die  nämliche  wie  früher. 

Die  I.  Tabelle  enthalt  statistische  Angaben  über  die  ^  Zahl  der 
Abeenzen  in  den  beiden  Jahreshälften  und  ist  eingeteilt  in  drei  grolse 
Gmppen:  Durch  Krankheit  entschuldigte,  anderswie  ent- 
schuldigte  und  nicht  entschuldigte.  Die  Prozentzahlen  stellen 
das  Verhältnis  der  yersäumten  ganzen  Sohultage  zur  Gesamt- 
zahl der  Schultage  dar.  Die  Gesamtzahl  der  Schulyersäumnisse 
beträgt  für  alle  Klassen  10405  halbe  oder  5202  ganze  Tage,  was 
0,62%  aller  Schultage  (1900/1901:  5,35%)  aller  Schultage  ausmacht. 
Von  10405  yersäumten  halben  Schul  tagen  sind  8389  (80%)  durch 
Krankheit,  die  übrigen  durch  anderweitige  umstände  yerursacht. 
Anf  den  Winter  fallen  beinahe  doppelt  so  yiel  Versäumnisse  durch 
Krankheit  als  auf  den  Sommer.  Die  anderweitigen  Versäumnisse 
sind  im  Sommer  zahlreicher  als  im  Winter.  Die  höheren  Klassen 
seigen  weniger  Absenzen  als  die  niedrigen ;  namentlich  sind  die  Ver- 
säumnisse durch  Krankheit  bei  den  oberen  Klassen  seltener  als  bei 
den  unteren.  Dieselbe  Erscheinung  wiesen  schon  die  Tabellen  fär 
das  Schuljahr  1900/1901  auf. 

Die  n.  Tabelle  zeigt  die  Zahl  der  wegen  Krankheit  aus- 
gebliebenen Schülerinnen  und  die  Zahl  der  yersäumten 
ganzen  Schultage  nach  den  einzelnen  Krankheitsformen 


166 


Tabelle  I. 

Die  Sohulversäumnisse 
während  des  Zeitraumes  Yom  1.  Oktober  1901 

für  Mädchen  in  Wien,  sechster 


l 

Zahl  der  s&mtliohen  ein-    11 
geschriebenen  Kinder       1 

Zahl  der  gesamten  gansen  1 
Schaltage  w&hrend  des  Zeit- 1 
raumes  v.  1.  Okt  bis  SO.  Juni 

Versäamnisae  duroh 

Krankheit  entschuldigt 

(halbe  Soholtage) 

Anderweit  entschuldigte 

Versäumnisse 

(halbe  Sohultage) 

im 
ganzen 

Winter 

Sommer 

im 
ganzen 

Winter 

Sommer 

abs. 

7o 

abs. 

7o 

abs. 

Vo 

abs. 

Vo 

abs. 

Vo 

abi. 

Vo 

1 

79 
39 

196 

1673 

6,40 

1136 

3,66 

638 

1,73 

228 

0,73 

188 

0,44 
0,24 

90 
118 

0,29 

2a 

212 

732 

4,42 
6,62 
4,28 
5,67 

691 

1030 

468 

946 

3,67 

141 

0,86 

168 

0,96 

40 

0,71 

2b 

67 
49 

206 

1649 

4,40 

619 

2,22 

224 

0,95 

143 

0,61 

81 

0,37 

da 

212 

891 

2,26 
3,77 
2,24 

2,60 

423 
474 
180 
206 

2,03 

816 

0,16 
1,16 
1,19 

119 

103 

92 

0,67 

197 

0,94 

db 

69 

212 

1419 

1,89 

290 

0,41 

* 

187 

0,74 

4a 

39 

42 

210 

647 

3,33 

367 

1,09 

196 

0,56 

103 

0,63 

4b 

210 

648 

3,67 
3,42 
2,33 

442 
382 
182 

1,16 

160 

0,86 

42 

0,23 

108 

0,61 

6a 

89 

209 
209 

669 
•371 

2»03 

1,14 

227 

189 

1,39 

280 

1,71 

148 

0,90 

132 

0,80 

6b 

38 

1,18 

171 

1,07 

62 

0,89 

109 

0,68 

441 

i 

210 

11 

DireH- 
seioin 

8389 

1 

4,53 

6492 

2,96 

2897 

1,57 

2012 

1,08 

887 

0,48 

1126 

0,60 

Tabelle  I. 

im  Schuljahre  1901/1902, 

bis  30.  Juni  1902,  an  der  allgemeinen  Volksschule 

Bezirk,  Kopernikusgasse  15. 


167 


NIeiit  entschuldigte 

yersanmnisse 
(halbe  Schnltage) 

Zahl  der 
sämtlichen 

Versäumnisse 

Zahl   der  Schfllerinnen,  die 
durch  eine  Infektionskrank- 
heit ein.  Wohnungsgenossen 
die  Schule  veiiäumten 

Zahl  der  versäumten 
ganzen  Schnltage 

7o 

Zahl  der  Schfllerinnen.  die 

durch  Krankheit  der  Eltern 

die  Schule  vera&umten 

Zahl  der  versäumten 
ganzen  Schultage 

Winter 

Sommer 

(halbe 
Schultage) 

abs. 

Vo 

abs. 

«/o 

abs. 

Vo 

7o 

— 

— 

— 

1901 

6,18 

7 

47 

0,30 

3 

7 

0,04 

— 

— 

— 

— 

890 

5,88 

2 

28,5 

0,34 

— 

— 

— 

— 

1778 

7.59 

4 

53 

0,46 

3 
1 

20 
9,5 

0,17 

— 

— 

1207 

5,80 

— 

— 

— 

0,09 

— 

0,01 

— 

1709 

6,82 

5 

37,5 

0,14 

1 

9 

0,03 

3 

— 

745 

4,54 

1 

20 

0,24 

4 

83,5 

0,40 

— 

— 

798 

4,52 

2 

10,5 

0,11 

3 

14,5 

0,16 

— 

— 

1 

0,006 

840 

5,15 

4 

44,5 

0.54 

2 

5,5 

0,06 

— 

— 

— 

— 

542 

8,41 

8 

24,5 

0,80 

5 

32 

0,40 

3 

— 

1 

— 

10405 

5,62 

28 

265,5 

0,28 

22 

131 

0,14 

168 


a 

d 
d 

OD 

9 

M 

d 

08 

d 
.    o 

•TS     ® 
03    J^ 

Ha 

03 

d 
d 

0) 

nö 

M 
o 

00 

► 
d 

C8 


03 


Auf. 

gebrochener 

Kopf 

3    2     ^   1      ^ 

1 

o 

1 

o" 

1 

1 

i  t  ^  t     i 

1 

$ 

1 

1 

1 

1 

1 

ii9aniJ9i9q9g 
a9^irm<x^-X9  19P  iq«Z 

1 

lO 

*H 

1 

1H 

1 

1 

■> 

7 
o 

3    1     ^    1      ^ 

1 

o 
o 

1 

09 

O 

o 

&   M    -»•    i       j§ 

>          a 

OD 

CO 

03 

1 

Oft 

1H 

s 

n9na|a9iBq9S 
a99YV«ii|j9  X9V  iq«z 

la 

»H 

•H 

-^ 

«H 

« 

s 

a 
< 

i  ^   &  1     ^ 

1 

1H 

T 

1 

O 

o" 

• 

50 

ä   1    j     g        s 
?       -3 

1 

CO 

04 

1 

04 

08 

n9aii}ji9iiiq9S 
a9ii|ii«i3|J9  J9P  iq«7 

Oü 

CO 

1 

04 

*H 

CO 

y^ 

d 

0» 
0» 

5 

S     'S     SS,     1 

1 

1 

S^ 

1 

1 

T 

e 

d 

ä   §    -S    ä       5 
S       -3 

1 

1 

QO 

1 

1 

OD 

9 

a9nnfJ9roqos 
a9)i|n«ji|J9  19p  iq«z 

1 

1 

1 

1 

»H 

1 

1 

IN 

d 

»3 

e 

0» 

'S 
'S 

3    1     §•   1      ^ 

■"81 

00 

o 

CO 

o 

^ 

o* 

0« 

o 

IT 

o 

00 
9 

llJ|    1 

04 

8 

1H 

CO 

s 

s 

1^ 

CO 
S4 

s 

■^ 

d 

a9anu9iQqo8 
n9mxni^Ä9  JI9P  iq«z 

S 

04 

CO 

(N 

09 

CO 

«o 

s 

9 

d 

II 

CO 

o 

f- 

ö* 

e6 

1 

1 

9 

S.    «    "^     fe       J5 

§ 

04 

s 

gs 

09 

1 

1 

^ 
P* 

n9nn!J9i{^q9g 
n993|ii«jirJ9  JOP  iq«Z 

CO 

1-M 

»H 

CO 

»H 

f-H 

8 

OQ 

d 

1 

I  1   &  1     =^ 

1 

1 

o 

o 

1 

h 

9 

CO 

1 

1 

f- 
•^ 

s 

1 

« 

•T^ 

a9iinu9iiiq9g 
a9^i|iraj^J9  JI9P  iq«z 

tH 

1^ 

09 

i 

^ 

d 
d 

II 

s    5    t?    g 

1 

1 

1 

T 

>               4 

1 

i6 

a9aa]J9i|^q9S 
n9na«J3ri9  J9P  |q«z 

1 

1 

04 

1 

09 

£ 

S    5     §•    1       ^ 

1 

CO 

1-M 
00 

o 

1 

T 

11^?       i 
5       -S 

*-4 

1 

CO 

8" 

s 

1 

1 

aoMaw^M  Jap  ra«z 

S 

1 

*H 

C^ 

00 

CO 

s 

jepulx 
a9noq9{jii9«Mnio  n9qo{|9inf  8  J9p  iqvz 

CO 

$ 

^ 

$ 

00 

s 

i- 

aania 

1-t 

«8 
99 

09 

j 

eo 

4 

£ 

Xi 
lO 

169 


e 
• 

1 

1 

s  i   £  1     »° 

CO 

1 

1 

1 

£  1  t  1      . 

1 

1 

« 

n8an}J8|Bq9g 
nd)ifa«j^J9  Jidp  iq«7 

0» 

1 

« 

flC 

1   1    5-  1     ^ 

1 

1 

o- 

1 

►               4 

1 

1 

aona{ji8ii}q3s 
n9)iiav^j9  jop  nni^ 

1 

1 

1-1 

^ 

3 

flC 

s  ^   &  1     ^ 

1 

o 

o* 

£1*1  1 

nonii]jioi{|q98 
nv^^uvjuAO  jop  iq«z 

1 

1 

iH 

^ 

3         ^ 

.  E  Ä  fl 

id<  «P  ^    0 

SE  «'S 
•|S,| 

S    5    %   5 

1 

o 

1 

1 

E  1  iP  1     1 

l 

00 

1 

3 

aoouijaii^qos 
aa^^uvjiiao  jap  iq«^ 

^ 

tH 

1 

09 

8 

a 

§  1   1  1     ^ 

1 

4 

o" 

1  1  *  H     i 

*-4 

SS 

S 

adanuoroqog 
n9t3rii«j3f J9  J9p  mvz 

00 

CO 

1 

S 

'S 

a 

s 

3    5    5   1      ° 

T 

1 

r» 

ä   1    1   1       j 

8 

1 

ix9an|J9roqo8 
n99^avji|J9  J9P  iq«z 

IH 

^ 

1 

09 

Varioellen 

2      2      &     ö        ^ 

|S 

(M 

Is- 

2" 

1 

5 

i  1  ^  1     s 

>              4 

is 

s 

1 

0^ 

a9an|ji9ii}q98 
a9)^avji|ji9  J9P  iq«z 

^<N 

04 

1 

1 

CO 

Letohtet 
Unwohlsein 

§  1    s-  1 

ei» 

O 

04 

04 

CO 

9»- 

ä  (g    -^    'S 

>              4 

o 

lÖ^ 

CO 

s 

CO 

•0 

a9ixn]J9iBq9g 
Q9|iin«Jir<xo  J9P  iq«7 

s 

^ 

s 

^ 

$ 

S 

s 

^ 

s 

S 

mm 

s 

1     'S     &     §        ^ 

tS          ri          BD        iSi 

1 

1 

o 

1 

1 

1 

1    1     ^    1        1 

1 

1 

o 

8 

1 

1 

1H 

1 

CO 

09 

u9niiu9iDqos 
a9iiin«JYJ9  J9P  nw^ 

1 

1 

^ 

CO 

1 

1 

1H 

1 

f-H 

0^ 

jdpnra 
aevoqouiioseJSato  aoqoii^mf «  jap  iii«2 

g 

CO 

$ 

s 

S 

5ü 

^ 

s 

i 

«■■«ra 

»-* 

^ 

09 

es 
CO 

£ 

Ol 

£ 

Ä 

170 


Tabelle  m. 
Zahl  der  versftumten  Tage  aaf  1  kranke  Schülerin. 


Krankheitsfermen 

Zahl  der 

erkrankten 

SchQlerinnen 

Zahl  der 

Ters&umten 

g^ansen  Tag^e 

Anf  eine 

erkrankte 

SchQlerin 

kommen  ver- 

Bftamte  Tafre 

1.  Leichtes  UnwohlBein 

331 

1673 

5,0 

2.  Halsleiden 

69 

485 

6,3 

8.  Masern 

39 

482 

12.3 

4.  MumDS 

24 

185 

7,7 

^'  «»■"•"f "  ••_ • 

6.  Lunflrenkatarrh 

23 

362,5 

15,7 

6.  Anflreniibel 

11 

147 

13,3 

7.  Blatarmut 

9 

142 

16,7 

8.  Ohrübel 

9 

93,5 

10,3 

9.  Auftrebrochener  Kopf 

7 

124 

17,7 

10.  Scharlach 

1 

4 

116 

29,0 

11.  Fenchtblattem 

2 

35,5 

17,7 

12.  loflaenza 

2 

63 

81,5 

13.  Hantausschlaff 

2 

113 

56,5 

14.  Keuchhusten 

2 

71.6 

35,7 

15.  Gelenkrheuinatisnias 

2 

34,6 

17,2 

_ 

16.  Varicellen 

2 

21 

10,5 

17.  Diphtheritis 

1 

18 

18,0 

18.  Rotlauf 

1 

7.6 

7,5 

19.  Röteln 

1 

2.6 

2»5 

Ml 

4187 

7,«8 

i.  DnrehBohniti 

171 

Die  Prozentsahlen  drttoken  das  Verhältnis  der  yersäumten  ganzen 
Sehnltage  zur  Gesamtzahl  der  von  allen  Schülerinnen  der  betreffenden 
Klasse  in  der  Schule  yerhraohten  Tage  ans.  Die  meisten  Absenzen- 
tage  (1673  =  1,81%  aller  Sohnltage)  werden  durch  leichtes  Un- 
wohlsein verursacht.  Dann  kommen  die  Masern  mit  482  (0,52  V) 
versäumter  Tage;  sodann  Halsleiden  mit  486  (0,47%)  Absenzrai- 
tagen  und  der  Lungenkatarrh  mit  S62  (0,31%)  versäumten  Schul- 
tagen. In  den  Abteilungen  kamen  Varicellen  vor,  die  im  ganzen 
197  (0,21%)  Absenzentage  verursachten,  und  in  zwei  Abteilungen 
Mumps  mit  185  (0,20%)  Absenzentagen.  Wegen  Augenübel 
entstanden  147  (0,16%),  wegen  Scharlach  116  (0,12%),  wegen 
aufgebrochenem  Kopf  124  (0,137o),  wegen  Ohrenttbel  98 
(0,10%)  versäumte  Tage.  Die  übrigen  Erankheitsformen  verursachten 
nur  spärliche  Absenzen  und  eine  geringe  Zahl  versäumter  Tage. 
Das  Erankheitsbild  ist  wohl  im  ganzen  beinahe  dasselbe  wie  im 
Jahre  19(X)/1901,  unterscheidet  sich  aber  doch  in  einzelnen  Details 
wesentlich  von  demselben. 

Tabelle  III  stellt  die  Schwere  der  Erkrankungen  an  den  ein- 
zelnen Erankkeitsfonnen,  d.  h.  die  Zahl  der  Versäumnistage 
jeweilen  auf  ein  einzelnes  Kind  dar.  Am  längsten  wurde  die 
Schule  versäumt  bei  Hautübeln  ("56,5  Tage  auf  eine  kranke  Schülerin), 
sodann  bei  Keuchhusten  (je  36,7  Tage)  und  bei  Influenza  (je 
31,5  Tage).  Im  Durchschnitt  kommen  auf  eine  erkrankte  Schülerin 
7,63  versäumte  Tage  (1900/1901 :  9,6  Tage). 

Tabelle  IV  enthält  einige  Angaben  über  die  Häufigkeit  der 
Myopie,  der  schlechten  Körperhaltung  und  der  Skoliose 
in  den  einzelnen  Klassen.  Die  in  der  Tabelle  angebrachten  An- 
merkungen geben  Aufschlufs  über  die  Besonderheiten  einzelner  Fälle. 

In  Tabelle  V  findet  sich  eine  detaillierte  Verteilung  der  Schul- 
versäumnisse auf  die  einzelnen  Krankheitsformen,  wie  sie  in  der 
Klafise  3  b  beobachtet  wurden.  Am  stärksten  treten  die  Absenzen  durch 
Halskrankheiten  und  Husten  hervor;  dann  kommen:  leichtes 
Unwohlsein,  Mumps  und  Zahnschmerzen.  Übrigens  entspricht 
die  Zahl  der  Erkrankungen  meist  nicht  derjenigen  der  versäumten 
Tage:  28  Schülerinnen  mit  längerem  Unwohlsein  versäumten  nur 
39  Tage,  wogegen  zwei  Schülerinnen  mit  Scharlach  63  Tage  und 
eine  Schülerin,  die  an  Lungenkatarrh  erkrankt  war,  sogar  85  Tage 
versäumte.  Der  Häufigkeit  der  Zahnschmerzen  kann  man  wohl  ent- 
nehmen, daiis  die  Zahnpflege  noch  im  argen  liegt. 

SchalgeflondbeUspflegfe.  XVI.  10 


172 


Tabelle  IV. 

Gebrechen  der  Sinnesorgane, 


1 

Kurz- 
slohtigkeit 

wurde 

im  heurigen 

Schuljahre 

Tom 
Augenariie 
konetatieri 

Waren 

bereite 

ale 

kuri- 

■ich- 

tige 

Kinder 

in  der 

Klaeee 

Samme 

der 

Kurzsioiltigen 

Anmerkuigen 

abs. 

•/. 

aba. 

•/» 

1 

^■^ 

^^^ 

""" 

2a 

4* 

10.26 

4 

10,25 

•  Von  dieeen  Sehfllerinnen  waren  3  Sehfiie- 
rinnen  eehon  im  Vorjahre  beim  Augen- 
arxt. 

2b 

3b 

1* 

2,04 

1 

2 

4,06 

*  Am  8.  Nov.  1901  eingetreten,  hat  auch 
ekoliotieche  Haltung. 

db 

4* 

4,77 

2 

6 

10,16 

•  Bei  einer  Sehülerin,  die  aeit  der  1.  Klaeee 
hier  ist,  machte  die  Klaaaenlehrerin  die 
Eltern  auf  die  Kurseiehtiffkeit  aufknerk- 
eam:  dooh  erst  heuer  führten  eie  das 
Kind  dem  Augenarite  xu.  Eine  Sehfilerin 
trat  am  3.  Okt.  1901,  die  andere  am 
80.  Jan.  1902  in  die  hiesige  Schule  ein. 
Eine  blutarme  flehfilerin,  seit  der 
1  Klasse  (1.  SehuÜahr)  hier,  ist  im  Laufe 
des  heurigen  Sohuljahres  kurssiehtig  ge- 
worden ;  die  andere  hat  einen  Bindehaut- 
katarrh. 

4a 

4b 

3» 

7,14 

3 

7.14 

*  Aufser  diesen  drei  kurssichtigen  Schule- 
rinnen  schielt  eine  SehQlerin.  Eine 
Schülerin  ist  erst  im  .Vorjahre  einge- 
treten; die  Eltern  willigten  indessen  Bei 
allen  erst  heuer  in  nie  Untersuehang 
ein. 

5a 

2» 

5,128 

3 

5 

12,82 

•  Eine  Schülerin  ist  seit  der  1.  Klasse  an 
dieser  Anstalt  und  ist  bereits  seit  ihrer 
Kindheit  mit  chronischem  Augenkatarrh 
behaftet;  die  andere  ist  seit  Beginn  des 
Schuljahres  hier  und  ist  auch  skoUotisch. 

5b 

2* 

5,26 

1 

3 

7,89 

*  Eine  Sehülerin.  die  auch  an  einem  Augen- 
katarrh  gelitten  hat.  ist  seit  der  1.  Klasse, 
die  andere  seit  3.  Okt.  1901  hier.  Über- 
dies ist  in  dieser  Klasse  eine  Schülerin 
mit  Hornhautflecken  und  schwachsichtig, 
eine  andere  Schülerin  sehwaohsichtie. 

16 

28 

1 

1 

173 


TabeUe  IV. 
WirbelBftaleverkrümmang  etc. 


Wegen 

tehleohter 
Orper- 
haHuna 

teuer  iadie 

Klinik 

gewiesen 

Schlechte 

(skolio- 
tisehe) 

Haltung 

wurde 
konstatiert 

Skellose 

wurde 
konstatiert 

BereiU  mit  Skoliose  iD^I 
der  Klasse  vorhandenll 

Summe 

der 

skelletl- 
schon 
Kinder 

Anmerkungen 

aba 

•/• 

aba 

•/• 

abs. 

•/o 

aba 

Vo 

2» 

2,53 

1 

1,26 

l»» 

1,26 

~— 

1 

1,26 

*  Eine  Schfllerin  sn  Beginn  des  Sehnt- 
Jahres  an  die  Klinik  gewiesen ;  die 
andere** trat  während  des  Sehn!- 
Jahres  in  einem  Alter  t.81.  Mai  ein. 

3 

7,69 

1* 

2,56 

2** 

5,12 

2 

5,12 

*  BereiU  im  Vorjahre  konstatiert 
(Repetentin).  *•  Zu  Beginn  des 
Schuljahres  in  die  hiesige  Anstalt 
eingetreten. 

4 

7,01 

2» 

8,50 

2** 

8,50 

1 

8 

5,26 

*  Eine  Schfllerin  hat  den  linken  Arm 
l&nger  und  steif,  infolgedessen  die 
Selureibhaltnng  nicht  korrekt. 

**  Eine  Schfllerin  kam  bei  Beginn 
des  Schuljahres,  die  andere  im 
April  IMS  hierher. 

4 

8,16 

8» 

6,12 

1 

2,04 

1 

2,04 

*  Eine  Schfllerin  ist  auch  kurssichtig* 
(am  8.  Nov.  1901  hierhergekommen), 
eine  andere  ist  auch  ohrenleidend. 

6 

10,16 

1* 

1,69 

5»» 

8,47 

1 

6 

10,16 

*  Infolge  ftrstlieh  konstatierter  Blut- 
armut. Muskelsohwftche  und 
sehlecnte  Bm&hmng. 

**  Überdies  wurde  beiswei  anderen 
neu  eingetretenen  Schfllerinneii 
(IC  Sept.  1901,  11.  Not  1001)  vom 
Hausarzte  Skoliose  konstatiert; 
ansferdem  bei  einer  Schfllerin,  die 
am  11.  Nov.  1901  gleichfalls  ein- 
trat» ungleiche  Hflftenhöhe. 

8 

20,51 

4* 

10,25 

4»* 

10,25 

4 

10,25 

*  Zwei  ächfllerinnen  sind  im  vorigen 
und  Bwei  im  heurigen  SchuUsAre 
(6.  Nov.  1901,  33.  Juni  1903)  ein- 
getreten 

**  Zwei  Schülerinnen  sind  im  Juni  1901 
und  Bwei  xu  Beginn  des  heurigen 
Schuljahres  eingetreten. 

3 

7,14 

1 

15,88 

8* 
1* 

7,14 

5** 

*  Sehr  kurxsichtig,  daher  schlechte 
Haltung  beim&khreiben;  seitdem 
Brillentragen  die  Haltung  sehr 
gebessert. 

6 

2,56 

12,82 

]•• 

6 

15,38 

•  Diese  Schfllerin  ist  seit  16.  Mai  1903 

an  der  hiesigen  Schule. 
«*  Eine  Schfllerin  ist  seit  der  8.  Klasse 

(8.  Schuljahr)  hier,  swei  seit  Beginn 

und  swei  spater  eingetreten. 
*•  Bei  ihrem  Eintritt  &  die  8.  Klasse 

wurde  Skoliose  konstatiert. 

1 

2,63 

1 

1* 

2,63 

•  Am  3.  April  1908  eingetreten. 

$7 

17 

20 

-1 

1 

28 

Der  Ohrenarxt  konstatierte  Schwer- 
hörigkeit: 
bei  einer  Schfllerin  der  3.  KL  b 

(Yangjfthriges  Leiden)." 

10* 


174 


a 

o 


9 
M 
M 

0 

08 

M 

a 

9 

n 

9 

d 

•  »•4 

08 


^    CO 

"Z  ; 
•S  -5 
fr»  M 

« 

OQ 

OQ 

•  »-• 

d 

a 

d 

00 

"d 

9 

d 
d 


»4 

• 


7 
1 

a 

1 

e 

5 

:S- 

QbrigM  leinhtos 
Unwohlsein 

i     8    f 

1  ä  1 

►                   OB 

s 

s 

s 

J9p  ni»z 

Od 

t- 

33 

0» 

1 

o 

s 

■ 

1 

m 

1 

£§ 

§ 

OD 

J9P   iii»z 

«D 

;:; 

lO 

1 

1 

<=5. 
CO 

e 

e 

Od 

o 
o 

2 

o 

9 

s 

1       & 

C*9 

Od 

CO 

aop   iq«z 

(N 

fH 

- 

1 
1 

2 

2* 

1 

• 
9 

CO 

• 
fi 

e 

1   i  ^ 

1    "  1 

kO 
C>9 

j©p  iq«z 

- 

CO 

CO 

1 
1 

0» 

e 

CO 

OO 

1 
f 

•    S 
e    ^ 

• 

eo 
Od* 

1    .    1 

1   s  f 

eo 

CO 

g 

CO 

1H 

J9P   M«z 

0<l 

«>• 

03 

E 
1 

1 

e 

o 

1 

C» 

B 

£ 

AB 

rH 

a 
S 

Ul 

OQ 

•Sil 

5                   OD 

it99aiu[ntrji[ja 

94 

C^ 

CO 

E 
1 

© 

1 

s 

Od 

1 

CO 

1  .  & 

i     3     ^ 

5   "  -g 

>                   CO 

s$ 

OD 

lO 

s 

a9J8im3[a«J3[j[a 
J9P   iq»z 

eo 

fH 

11 

176 


Uns  Herftntntlttiifett  mib  lleretiieii< 


über  die  yencliiedeiien  Forneii  der  Jngendflmerge  in  Duisburg. 

Bericht,  erstattet  vom  Schriftführer  des  Vereins  für  Jagen'd- 
fllrsorge  in  der  Sitzung  am  22.  Oktober  1902. 

Zweck  des  Vereins  ist,  das  Wohl  der  körperlich,  sittlich  oder  wirt* 
schaftlich  gefUirdeten  Jagend  mit  allen  zn  Gebote  stehenden  Mitteln  za 
fördern,  und  zwar  soll  diese  JogendfDjrsorge  das  ganze  Jagendleben  im 
Aage  behalten,  sich  also  erstrecken  aof  das  yorscholpflichtige,  das  schul- 
pflichtige and  nachscholpfiichtige  Alter. 

Was  das  vorschalpflichtige  Alter  anbelangt,  so  weist  der  Be- 
richterstatter aof  die  Mtktterabende  hin,  die  in  verschiedenen  Stfldten 
eingerichtet  sind,  am  den  Müttern  über  Emührang,  Pflege  and  Erziehung 
der  Kinder  Belehrung  zu  bieten.  Wichtig  sind  auch  Besuche  in  den 
Familien,  und  in  manchen  Füllen  wird  eine  materielle  Unterstützung 
nötig.  Gegen  pflichtvergessene  Väter,  die  ihre  Familie  der  Verwahrlosung 
überlassen,  ist  ein  rücksichtsloses  Vorgehen  zu  veranlassen. 

Während  des  schulpflichtigen  Alters  hat  die  Jugend  zwar  einen 
greisen  Halt  in  der  Tätigkeit  der  Schule.  Aber  nicht  selten  entziehen 
sich  Kinder,  sogar  unter  Beihilfe  ihrer  unverst&ndigen  Eltern,  dem  Schul- 
unterrichte anhaltend.  Nach  vielfachen  Erfahrungen  machen  solche  Schul- 
bomnüer  gewöhnlich  in  verhftltnismülisig  sehr  kurzer  Zeit  Bekanntschaft 
mit  dem  Strafrichter  und  oft  sogar  mit  dem  Gefibignis.  So  mu&te  auch 
in  Duisburg  eine  Anzahl  solcher  Kinder  in  Fürsorge -Erziehung  gebracht 
werden. 

Da  auch  weniger  ausgedehnte  Schulversüumnis  von  grolsem  Nachteil 
flkr  ein  Kind  ist»  muCs  man  es  bedauern,  dab  häufig  gewissenlose  Mütter 
namentlich  die  heranwachsenden  Mädchen  wegen  angeblicher  Krankheit  aus 
der  Schale  halten  und  dann  zu  Hause  zu  den  anstrengendsten  Arbeiten 
gebrauchen.  Zwar  hat  sich  die  infolge  der  Regierungsverfügung  vom 
12.  Juni  1900  eingetretene  schärfere  Bestrafung  der  Schulversäonmisse 
recht  heilsam  erwiesen,  doch  erscheint  es  nicht  unwichtig,  die  Aufinerk- 
samkeit  unserer  Vereinsmitglieder  auch  auf  diesen  Gegenstand  zu  lenken, 
denn  je  allgemeiner  man  die  schädlichen  Zustände  beachtet,  desto  eher 
werden  sie  verschwinden. 

Eine  wichtige  Form  der  Jugendfürsorge  für  Schulkinder  sind  die  Hil  fs- 
klassen  für  Schwachbegabte.  In  diesen  kann  der  Lehrer  wegen  der 
geringeren  Schfllerzahl  das  einzelne  Kind  mehr  seiner  Eigenart  entsprechend 
erziehen  und  gewöhnen. 

Wie  eng  der  Zusanunenhang  zwischen  geistiger  und  sittlicher  Rück- 
sUadigkeit  ist,  hat  sich  hierselbst  ganz  auffällig  dadurch  gezeigt,  dab 
gende  die  Schüler,  welche  das  Ziel  der  Volksschule  nicht  erreicht  hatten, 
in  der  Fortbildungsschule  durch  Ungezogenheit  unangenehm  auffielen. 


176 

Ferienspielknrse  sind  seit  einer  Reihe  von  Jahren  hier  in  immer 
weiterem  Umfange  eingerichtet  worden  und  haben  nicht  blofe  der  körper- 
lichen Entwicklung  unserer  Jagend  gedient,  sondern  sind  anch  ein, Ab- 
lenknngsmittel  gewesen  gegenüber  vielen  Verlocknngen,  denen. die  städtische 
Jngend  in  ihrer  freien  Zeit  ausgesetzt  ist. 

Ferien-  und  Wanderkolonien,  wie  man  sie  in  einer  grotsen  Anzahl 
von  Städten  mit  sehr  gutem  Erfolge  fQr  die  körperliche  und  geistige  Ent- 
wicklung der  Kinder  eingerichtet  hat,  sind  hier  noch  nicht  vorgesehen 
worden,  jedoch  schickt  die  städtische  Verwaltung  aus  den  Mitteln  der 
Theodore  vom  Rath -Stiftung  eine  grölsere  Zahl  von  kränkelnden  Schul- 
kindern in  Bäder.  Gleichfalls  erhalten  auf  Kosten  des  Vaterländischen 
Frauenvereins  zahlreiche  Kinder  Solbäder  in  der  hiesigen  städtischen  Bade- 
anstalt. Allein  im  Monate  Juli  1902  wurden  1498  solcher  Bäder  gewährt. 
Derselbe  Verein  hat  im  vorigen  Winter  die  Mittel  aufgebracht,  um  an  sämt- 
lichen hiesigen  Schulen  den  ärmsten  Kindern  morgens  warme  Milch  und 
Brötchen  zu  verabreichen. 

Ih  anderen  Städten  sind  fdr  Schulkinder  wohl  sogenannte  Kinder- 
horte eingerichtet;  es  werden  die  Kinder  in  ihrer  freien  Zeit  meist  von 
edelgesinnten  Damen  beaufsichtigt,  zur  Anfertigung  von  Schularbeiten  und 
sonstiger  zweckmäfsiger  Beschäftigung  sowie  zu  geordnetem  Spiel  an- 
geleitet. 

Die  Fürsorge  für  die  schulentlassene  Jugend  erfreut  sich  gegenwärtig 
der  gröfsten  Beachtung,  weil  man  allgemein  erkannt  hat,  dafs  die  Jugend 
im  Alter  von  14  Jahren  noch  nicht  hinreichend  gefestigt  ist,  um  den  ihr 
drohenden  sittlichen  und  wirtschaftlichen  Gefahren  standzuhalten.  Lauert 
doch  die  Verführung  an  allen  Ecken  und  Enden  auf  die  unerfahrenen 
Menschen  1  öffentlich  ausgelegte  Bilder  und  Schriften  sowie  manche  Schau- 
stellungen sind  darauf  berechnet,  die  Sinnlichkeit  der  jungen  Leute  zu 
reizen.  Manche  Erwachsene  gehen  geradezu  darauf  aus,  die  Jugendlichen 
zur  Unbotmäfsigkeit  gegen  die  Eltern,  zur  Verachtung  jeder  Autorität,  zur 
Vergeudung  von  Geld  und  Jugendkraffc  zu  verleiten. 

Für  die  Schulentlassenen  ist  es  zunächst  sehr  wichtig,  den  rechten 
Beruf  zu  wählen  und  einen  geeigneten  Lehrherm  zu  bekommen.  Bei  der 
Berufswahl  sind  einerseits  die  Neigungen  sowie  die  körperlichen  und 
geistigen  Fähigkeiten  des  Betreffenden  zu  beachten,  anderseits  ist  zu  be- 
rücksichtigen, welche  Aussichten  der  Beruf  für  das  spätere  Fortkommen 
gewährt.  Um  den  Eltern  und  den  jungen  Leuten  die  Berufswahl  zu  er- 
leichtem, arbeiten  an  verschiedenen  Orten  Ärzte,  Lehrer  und  Fachleute 
zusammen  und  sorgen  nicht  blols  für  den  einzelnen,  der  ihren  Beistand 
wünscht,  sondern  wenden  sich  auch  wohl  mit  ents^irechender  Belehrung  an 
die  Öffentlichkeit.  Vielfach  erleichtert  man  die  Wahl  eines  sogenannten 
gelernten  Berufes  durch  Vergünstigungen  verschiedener  Art,  wohl  gar  durch 
Geldunterstützung. 

DaTs  neben  der  praktischen  Berufsarbeit  eine  dieselbe  ergänzende 
Unterweisung  in  allgemeinen  und  sachlichen  Kenntnissen  für  die  jungen 
Leute  unbedingt  notwendig  ist,  braucht  zur  Zeit,  wo  mit  der  Einführung 
der  Fortbildungsschulpflicht  allenthalben  vorgegangen  wird,  nicht  weiter 
betont  zu  werden. 


177 

Notwendig  ist  es,  darauf  hinzuweisen,  dafs  die  Jugendlichen  auch 
lernen  müssen,  ihre  arbeitsfreie  Zeit  in  richtiger  Weise  zu  körperlicher  und 
geistiger  Erholung  und  Anregung  zu  benutzen.  Nach  dieser  Richtung  hin 
wirken  auch  in  Duisburg  verschiedene  Jugendvereine  recht  segensreich. 
Diese  ermuntern  nicht  blols  zu  gesittetem  Lebenswandel,  sondern  bieten 
auch  Belehrung  und  Unterhaltung  durch  Vorträge,  durch  Lesen  guter 
Bflcher,  durch  Musik,  Gesang,  Spiel,  Turnen,  Schwimmen  usw.  Zugleich 
fehlt  es  nicht  an  Anregung  zu  rechter  Verwendung  des  verdienten  Geldes, 
an  Hinweisen  auf  das  fdr  die  Jugend  so  wichtige  Sparen.  Die  Gelegenheit 
hierzu  kann  gar  nicht  leicht  genug  gemacht  werden.  So  bemflht  man  sich, 
namentlich  den  jungen  Leuten  einen  sittlichen  Halt  zu  bieten,  die  entweder 
der  Familie  entbehren,  oder  an  ihr  nicht  den  rechten  Halt  haben.  Leider 
stehen  nicht  blofs  viele  Jugendliche,  sondern  auch  zahlreiche  Eltern  in  un- 
verständlicher Weise  solchen  wohltätigen  Vereinsbestrebungen  höchst  gleich- 
gflltig  gegenüber. 

Wenn  nun  schlielslich  trotz  aller  Ffirsorgebestrebungen  doch  manche 
jange  Leute  vöUig  zu  verwahrlosen  drohen,  bietet  das  Fürsorgeerziehungs- 
gesetz eine  recht  wirksame  Handhabe,  um  den  tieferen  Fall  aufzuhalten 
md  die  Übeltäter  möglichst  auf  den  rechten  Weg  zurückzuführen.  Glück- 
licherweise bedingt  die  Unterbringung  eines  schulentlassenen  Kindes  in  der 
Regel  weniger  Kosten,  aufserdem  hat  sie  ganz  naturgemäfs  den  heilsamsten 
Einflufe  auf  andere  gefährdete  Jugendliche  und  auf  pflichtvergessene  Eltern. 
Nach  einem  Bericht  des  Herrn  Landrats  Schmidt  in  Düsseldorf  wurden 
io  der  Rheinprovinz  allein  während  eines  halben  Jahres,  nämlich  vom 
1.  April  bis  1.  Oktober  1901,  106  männliche  und  91  weibliche  schul- 
entlassene Kinder  in  Fürsorgeerziehung  untergebracht. 

Das  Werk  der  Jugendfürsorge  erfordert  zahlreiche  Mitarbeiter. 
Bernfsmälsig  sind  dazu  verpflichtet  die  Eltern,  Lehrer,  Geistlichen, 
Gemeindebeamten,  Richter  und  Waisenräte.  Aber  auch  freiwillige  Mit- 
arbeiter dürfen  nicht  fehlen,  weil  sonst  der  Eifer  mit  der  Zeit  zu  leicht 
erlahmen  und  die  Tätigkeit  manchmal  nur  mehr  dem  Buchstaben  der  Vor- 
schrift gerecht  werden  könnte. 

Die  allenthalben  ins  Leben  getretenen  Fürsorgevereine  wollen  helfen, 
wo  nur  ii^end  ein  sozialer  Schaden  sich  zeigt.  Sie  suchen  je  nach  der 
Eigenart  des  vorliegenden  Falles  weitere  Mitarbeiter  heranzuziehen  und 
alle  Kräfte  in  den  Dienst  ihrer  hohen  Aufgabe  zu  stellen.  Als  recht 
wackere  Bundesgenossen  haben  sich  inmanchen  Vereinen  die  Frauen  erwiesen. 
Sie  leisteten  unschätzbare  Dienste  in  der  Feststellung  der  Familienverhältnisse 
anner  Kinder  und  in  der  Einwirkung  auf  Mütter  oder  Pflegeeltern. 

Die  private  und  kirchliche  Liebestätigkeit  sowie  die  öffentliche  Armen- 
pflege müssen  zusammenwirken,  um  besonders  dann  zu  helfen,  wenn  das 
Ffirsorgeerziehungsgesetz  versagt,  wenn  es  sich  also  darum  handelt,  ein 
noch  nicht  verdorbenes  Kind  seiner  schlechten  Umgebung  zu  entziehen. 
Schon  im  voraus  mufs  man  fär  solche  Fälle  geeignete  Pflegestellen  er- 
mitteln, damit  gegebenenfalls  ein  Kind  schnell  und  mit  wenig  Kosten  gut 
untergebracht  werden  kann.  Schnelle  Anwendung  und  Durchfährung  der 
gesetzlichen  Mittel  dient  nicht  nur  zum  Wohle  des  betr.  Kindes,  sondern 
wirkt  auch  abschreckend  auf  pflichtvergessene  Eltern. 


178 

Vieles  läfet  sich  auf  unserem  Arbeitsfelde  leisten,  selbst  ohne  materielle 
Mittel,  nur  durch  die  rastlose  persönliche  Tätigkeit  der  Mitglieder*  Ihnen 
mab  es  vor  allem  gelingen,  die  Überzeugung  von  der  hohen,  sittiiehen, 
wirtschaftlichen  und  vaterländischen  Bedeutung  des  Jugendschutzes  in  immer 
weitere  Kreise  unserer  Bevölkerung  zu  tragen  und  die  Aufmerksamkeit  auf 
Schäden  im  Völksleben  zu  lenken,  damit  auf  die  Jugend  unter  allen  Um- 
ständen die  erforderliche  Rücksicht  genommen  wird  und  Ge&hren  mögUchst 
von  ihr  abgehalten  werden.  („i2AeJM«  u.  BmhrMeiig,^). 


:ftleittere  iKttteilmifeii. 


über  die  Bedeitnng  der  Übung  der  linken  Hand  äufsert  sich 

J.  LiBERTT  TABD-Philadelphia  in  seinem  Werke  „Neue  Wege  zur  künst- 
lerischen Erziehung  der  Jugend,  Zeichnen,  Handfert^keit,  Natnrstudium,  Kunst" 
(für  Deutschland  herausgegeben  von  der  Lefarervereinigung  für  die  Pflege 
der  künstlerischen  Bildung  in  Hamburg,  R.  Voigtländers  Veriag,  Leipzig  1900) 
im  5.  Kapitel  „Beidarmiges  Zeichnen"  folgendermaisen:  „Warum  soll  die 
Arbeit,  die  mit  der  rechten  Hand  getan  werden  kann,  auch  mit  der  linken 
gemacht  werden?  In  vielen  Handwerken,  die  Geschicklichkeit  erfordern, 
werden  beide  Hände  gebraucht;  je  geschickter  die  linke  Hand  ist,  desto 
tüchtiger  der  Arbeiter.  Künstler,  die  das  beidarmige  Zeichnen  fir  töricht 
halten,  denken  nicht  daran,  dab  wir  nicht  versuchen  wollen,  mit  der  linken 
Hand  zu  zeichnen  und  zu  malen.  Wir  benutzen  sie  ans  piiysiologischen 
und  erziehlichen  Gründen.  Der  physidogische  Grund  für  die  beidhftndigen 
Übnngen  ist  die  Tatsache,  dafs  die  gleichen  Muakelbewegungen  physiologisch 
zusammengeordnet  sind.  Die  Bi<dogie  lehrt,  daCs  der  Erfolg  intensiver  und 
dauerhafter  ist,  je  mehr  die  Sinne  in  harmonischer  Tätigkeit  zusammen- 
wirken. Wenn  ich  mit  der  rechten  Hand  arbeite,  benutze  ich  die  linke 
GMurahälfte,  wenn  die  linke  Hand  tätig  ist,  die  rechte.  Die  bewufste 
Bewegung  setzt  bestimmte  motorische  Zentren  des  Gehirns  in  Aktion,  jeder 
Wechsel  in  der  Bewegung  ein  anderes.  Wird  die  Bewegung  mit  Kraft 
und  Genauigkeit  durehgeftihrt,  so  wird  dadurch  die  Entwicklung  des  ent- 
s]Mrechettden  motorischen  Zentrums  gefördert.  -  Durch  diese  organische 
Tätigkeit  wird  Gehirn  und  Geist  entwickelt  Ich  ghmbe  last,  dab  Gehirn 
und  Geist,  Gedanke  und  Embildung  kräftiger  werden,  je  fester  die  Ver- 
bindung jeder  Hand  mit  der  entsprechenden  Grehimhailte  ist  und  mit  je 
grösserer  Leichtigkeit  beide  zusammenvnrken.  Die  Resultate  meiner  Methode 
sM  mir  ein  Beweis  dafür. 

Ich  erwarte  bessere  Resultate  von  der  rechten  Hand,  wenn  die  linke 
mit  ihr  zugleich  übt.  In  ca.  24  %  aUer  Gewerbe  gebraucht  der  Arbeiter 
beide  Hände  ganz  frä,  und  bei  gewissen  Besehäftigungen,  wie  Schnitzen, 
ModeUieren  u.  s.  w.,  muls  die  rechte  Hand  ebenso  wie  die  linke  arbeiten. 
Es  ist  daher  die  Übung  beider  Hände,  abgesehen  von  den  physiologischen 
und  geistigen  Vorteilen,  für  viele  Gewerbe  wichtig. 


179 

Die  alte  Erziehung  vernachlässigte  beide  Hände,  nicht  allein  die  linke. 
Wir  dtirfen  so  wunderbar  gebaute  körperliche  Werkzeuge  nicht  länger  bei 
der  Erziehung  ignorieren.  Th.  Bell  sagt  („Die  Hanct*,  S.  134):  ,,Die 
mensebliehe  Hand  ist  so  wunderbar  gebildet,  so  schön  geformt,  hat  ein 
solch  feines,  jede  Bewegung  genau  leitendes  GeAlhl,  beantwortet  jeden 
Willenimpuls  so  unmittelbar,  als  ob  sie  selbst  der  Sitz  des  Willens  wäre. 
Ihre  Handlungen  sind  so  kunstvoll,  frei  und  zart,  dafs  es  kaum  eine  Vor* 
Stellung  von  ihrer  Zusammengesetztheit  und  von  allen  Beziehungen,  die  sie 
zur  Dienerin  des  Geistes  macht,  geben  kann.  Wir  benutzen  sie  unbewulst, 
wie  wir  atmen,  und  haben  alle  Erinnerung  an  die  schweren  Anstrengungen 
verloren,  durch  die  sie  vollkommen  ward."  Auch  MstssoNiEB  ist  der 
Ansicht :  „Es  wäre  ein  grolser  Vorteil,  beide  Hände  gebrauchen  zu  können. 
Kindern  sollte  dies  zur  Gewohnheit  gemacht  werden **. 

(Mitg.  V.  Dir.  E.  BAYB-Wien). 

Sehwinmimterricht  flir  flambnrger  Yolkssehttler.    Seit  einigen 

Jahren  hat  die  Oberschulbehörde  Kurse  veranstaltet,  um  hiesige  Lehrer  zu 
Schwimmlehrern  ffir  Knaben  auszubilden,  da  der  Schwimmunterricht  an  den 
hiesigen  Knabenschulen  seit  einigen  Jdiren  einen  größeren  umfang  an- 
genommen hat.  An  dem  Unterricht  beteiligen  sich  die  Knaben  der  zweiten 
Klassen,  und  zwar  wird  der  Unterricht  so  gehandhabt,  dafs  während  des 
Sommers  ein  Teil  der  Turnstunden  dem  Schwimmunterricht  dienstbar  ge< 
macht  wird,  so  dafs  eine  Abteihing  der  Knaben  turnt,  die  andere  aber  in 
erae  nahe  Badeanstalt  zum  Schwimmen  geht.  Im  vorigen  Sommer  erhielten 
Schfller  aus  28  Volksschulen  Unterricht  im  Schwimmen  und  zwar  aus  elf 
Schulen  in  Hallenbädern,  aus  zwölf  Schulen  in  Fktlsbade-Anstalten ;  ca. 
80  %  der  Unterrichteten  haben  das  Schwimmen  erlernt,  manche  derselben 
sind  auch  im  Retten  oder  in  Wiederbelebnngs-Versuchen  unterwiesen 
worden.  Diese  praktische  Einrichtung  hat  also  günstige  Erfolge  zu  ver- 
zeichnen. Mit  einem  Brausebad  ist  bisher  nur  eine  Doppelscbule  ver- 
sehen. Aus  einigen  Klassen  benutzten  64  bezw.  66  ^/o  der  Schüler,  ans 
andern  aber  nur  29  bezw.  31  und  33  %  die  Brausebäder. 

Bii  kygieiischer  FortbildnBgsknrsM  für  Leiter  «nd  Lehrer 
hikerer  Lehranstalten  hat,  wie  wir  der  „800.  J^axis"  entnehmen,  vom 
5.  bis  8.  Jan.  d.  J.  zum  ersten  Mal  in  der  Provinz  Posen  gemäfs  dem 
in  dem  kaiserl.  Erlafs  vom  26.  Nov.  1900  ausgesprochenen  Wunsche  nach 
Forderung  und  Belebung  der  Schulgesundheitspflege  stattgefunden.  Es 
bandelt  sich  hier  um  einen  ersten  Versuch,  die  Lehrer  direkt  an  den 
Aufgaben  der  Schulhygiene  zu  beteiligen  —  ein  Beginnen,  das  unserer 
Sympathie  wert  ist  und  hoffentlich  Nachahme  finden  wird. 

Erriehtnig  von  ErhehingsatStten  Ar  Kinder  in  Oaterreieh. 

Durch  die  in  der  Ersten  internationalen  Tuberkulosekonferenz  in  Berlin  im 
OJEtober  V.  J.  gegebenen  Anregungen  veranlafet,  hat  in  einer  seiner  letzten 
Sitzungen  der  niederOsterreichische  Landtag  ein  Programm  betreffend  Mafe- 
regeln  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose  aufgestellt  und  hierin  u.  a.  auch 
(he  Errichtung  von  Erholungsstätten  für  tuberkulöse  oder  infolge  durch- 
gemachter schwerer  Erkrankungen  körperlich  herabgekommene  Kinder  vor- 
fesehen.  Auf  Grund  einer  vom  Landesausschufs  eingeleiteten  Enqn6te  soll, 
wie  die   „8ob.  Praxis"'    mitteilt,    bereits  in  diesem  Frtlhjahr  an  die  Ein- 


180 

richtnng  mehrerer  solcher  Erholangsstätten  gegangen  werden.  Als  Vorbild 
soll  die  Tom  Heilst&ttenverein  vom  Roten  Krenz  in  Berlin  in  Betrieb  ge- 
setzte Kindererholongsstätte  in  SchOnholz  dienen.  Es  sollen  in  der  Um- 
gebung von  Wien  mehrere  Waldkomplexe  im  Ansmafse  von  einem  Hektar 
leihweise  übernommen  und  auf  demselben  je  eine  Baracke  nnd  Liegehalle 
errichtet  nnd  daselbst  erholungsbedürftige  Kinder  vom  1.  Mai  bis  Ende 
September,  in  der  Zeit  von  8  Uhr  früh  bis  zum  Eintritte  der  Dämmerung, 
untergebracht  werden.  Die  Kinder  werden  in  der  Erholungsstation  voll- 
ständig verköstigt.  Kindergärtnerinnen  werden  die  Überwachung  und  Be- 
schäftigung leiten.  Es  wäre  dringend  zu  wflnschen,  dafs  dieser  Gedanke 
eine  recht  fruchtbare  Ausgestaltung  erhielte  und  auch  andere  Staaten  zur 
Nacheiferung  anregte. 

Eine  Yereinigiuig   abstinenter   Studenten    hat   sich,    wie   die 

„Ähstmence^  mitteilt,  am  17.  Dez.  v.  J.  in  Heidelberg  gebildet. 

Die  hygienische  Ausbildung  der  Lekrer  wurde  —  wie  wir  dem 
^Brit  med.  Jaum,*^  entnehmen  —  unifingst  in  einer  Konferenz,  die  das 
Bredford  College  und  das  Sanitary  Institute  einberufen  hatten,  erörtert. 
Professor  C.  S.  SHERBiNOTON-Liverpool  führte  aus,  dals  eine  auf  wissen- 
schaftlicher Grundlage  beruhende  Schulhygiene  eine  notwendige  Forderung 
der  Zeit  sei.  Die  sanitären  Einrichtungen  in  den  meisten  Volksschulen 
genügten  keineswegs;  England  müsse  gro&e  Anstrengungen  machen,  um 
den  Vorsprung,  den  Deutschland,  Frankreich,  die  Vereinigten  Staaten  von 
Nord- Amerika  in  dieser  Beziehung  gewonnen  haben,  wieder  einzuholen.  Im 
besonderen  müsse  man  die  Lehrer  fQr  schulhygienische  Bestrebungen  za 
gewinnen  suchen;  jedem  Pädagogen  müsse  Gelegenheit  geboten  werden,  die 
Haupttatsachen  der  Physiologie  und  Gesundheitspflege  kennen  zu  lernen 
und  sich  anzueignen.  Dr.  J.  KBBB-London  wies  auf  die  engen  Beziehungen 
zwischen  Schule  und  Haus  hin  und  betonte,  dals  gerade  die  Schule  durch 
eine  geeignete  Unterweisung  der  Kinder  die  beste  Gelegenheit  biete,  den 
wichtigsten  sanitären  Lehren  und  Vorschriften  in  den  Familien  Eingang 
zu  verschaffen. 

Die  Zahnkaries  —  eine  Yolksseuche.  Über  dieses  Thema  sprach 
am  28.  Januar  in  einer  im  Hörsaale  des  hygienischen  Universitätsinstitutes  ab- 
gehaltenenPlenarversammlung  der  österreichischen  Gesellschaft  für  Gesundheits- 
pflege der  Präsident  des  Vereins  der  Zahnärzte  Wiens,  Dr.  Johann  Frank, 
und  wies  an  der  Hand  statistischer  Daten  die  Gefahren  nach,  welche  die 
Unterschätzung  dieser  Volksseuche  in  sich  birgt.  Der  Schwerpunkt  der 
Aktion  zur  Sanierung  der  Volkskrankheit  „schlechte  Zähne**  sei  in  die 
Volksschule  zu  verlegen,  da  schon  beim  Eintritte  in  dieselbe,  also  im 
sechsten  Lebensjahre,  die  Untersuchungen  ergeben  hätten,  dafs  jedes  dritte 
Kind  zahnkrank  sei.  Im  16.  Lebensjahre  seien  es  bereits  70%,  ja  eine  in 
Deutschland  durchgeführte  Untersuchung  an  jungen  Leuten  habe  sogar  die 
traurige  Tatsache  zu  Tage  gefördert,  dafs  von  20000  Untersuchten  nur 
1000  gesunde  Zähne  besafsen.  Der  Vortragende  kommt  nun  auf  die  Ent- 
stehungsursache  der  Zahnkrankheiten  zu  sprechen  und  erörtert  sodann  die 
schädlichen  Folgen  für  Beruf,  Aufnahmefähigkeit  in  geistiger  Beziehung 
u.  s.  w.  sowie  die  Wirkungen,  welche  schlechte  Zähne  an  der  Gesundheit 
haben   können.     Um   diesen  Übelständen  zu    steuern,    müfsie   die  Unter- 


181 

snchnng  des  Mundes  der  Schalkinder  auch  bei  ans  durch  Schulärzte  er- 
folgen. Die  Behandlung  der  erwachsenen  Unbemittelten  in  eigens  zu  diesem 
Zwecke  den  Spitälern  angegliederten  zahnärztlichen  Abteilungen  wäre  eben- 
falls zu  inaugurieren  und  für  eine  Popularisierung  einer  entsprechenden 
Zahnpflege  Sorge  zu  tragen.  Der  Vortrag  wurde  mit  grofsem  Beifalle 
aufgenommen.  (Mitget.  y.  Dir.  E.  BAYH-Wien). 

Eine  ErholungsstXtte  f&r  kranke  Kinder  nach  dem  Muster  der 
Tom  Berliner  VolksheOstättenverein  im  SchOnholzer  Forst  eingerichteten  wird 
in  Wien  geplant.  Der  niederösterreichische  Landtag  beschlofs  —  wie  die 
„  Voss.  Zig,^  mitteilt  —  far  die  Bekämpfung  der  Tuberkulose,  die  von 
alters  her  in  Wien  zahlreiche  Opfer  fordert,  besondere  Aufwendungen  zu 
machen.  Der  Inspektor  der  niederösterreichischen  Landes -Wohltätigkeits- 
anstalten, Dr.  Gebenti,  unterbreitete  dem  Landesausschusse  einen  breit- 
angelegten und  weitschauenden  Plan  zur  Bekämpfung  der  Kindertuber- 
kulose  in  Wien,  der  sich  auf  die  in  der  Berliner  Kindererholungsstätte 
erprobten  Grundsätze  stützt.  Es  sollen  in  den  Wiener  Schulen  die  tuber- 
kulösen und  tuberkulose-yerdächtigen  Kinder  ausgelesen  und  den  Kinder- 
erholungsstätten zugeführt  werden.  Zu  diesem  Zwecke  werden  in  der  Um- 
gebung Wiens  alsbaJd  sechs  Kindererholungsstätten  errichtet.  Die  Kinder 
verbleiben  in  der  Erholungsstätte  solange,  wie  dies  nach  dem  Urteile  des 
Arztes  erforderlich  ist.  Die  gesamten  Kosten,  einschliefslich  deijenigen  fär 
die  Fahrt  der  Kinder  von  ihrer  Wohnung  zu  der  Erholungsstätte,  über- 
nimmt der  Landesausschuls.  An  der  Leitung  der  Wiener  Kindererholungs- 
stätten werden  sich  die  Wiener  Kinderschutzstationen  beteiligen.  In  einer 
vom  Landesausschufö  einberufenen  Versammlung  ist  der  von  Dr.  Gebenti 
ausgearbeitete  Plan  unter  Beteiligung  von  Sachkundigen,  insbesondere  der 
Professoren  der  Kinderheilkunde  Monti  und  Esghebich,  gebilligt  worden. 
Es  wird  damit  gerechnet,  bis  1000  Wiener  Kindern  zugleich  die  Erholungs- 
stättenpflege zu  teil  werden  zu  lassen. 

Eäne  eigentflmliehe  Hotiviemng  fBr  die  Notwendigkeit  der 
SehnUrzte  bringt  ein  Einsender  im  ^Fädag^Wochmhl''  (7.  Januar  1903). 
Derselbe  meint,  es  erkläre  sich  nur  vom  engen  Standes-Interesse  aus,  wenn 
Schulärzte  gefordert  werden,  z.  B.  um  die  Lage  eines  Schulgebäudes 
gutznheifsen,  um  die  Luft  in  den  Schulräumen  etwa  vor  und .  nach  einer 
Unterrichtsstunde  zu  untersuchen,  um  das  Heizsystem  zu  begutachten,  um 
die  Lage  des  Gebäudes  in  Rticksicht  auf  die  Menge  des  einfallenden  Lichts 
zu  beurteilen  und  dergl.  m. ;  dies  seien  alles  Fragen,  die  der  Naturwissen- 
schaftler der  Anstalt  ebenso  gut  oder  besser  entscheiden  könne,  als  der 
Arzt  (?  D.  R.).  Dagegen  empfehle  es  sich,  dafs  die  Schule  einen  Arzt 
halte,  damit  derselbe  ex  officio  verpflichtet  wäre,  die  Schüler  kennen  zu 
lernen  und  dadurch  besser  in  den  Stand  gesetzt  würde,  beispielsweise 
Kopfschmerzen  als  Ursache  für  Tumdispensation  zu  bescheinigen  als  ein 
der  Schule  femstehender  Arzt. 

Über  Sehwaehsinnigen-Erziehnng  sprach  der  Berliner  Stadtschul- 
inspektor Dr.  VON  GiZYCKi  in  dem  Kursus  über  Gesundheitspflege  in 
der  Schule,  den  der  Deutsche  Verein  für  Volkshygiene  im  Laufe  dieses 
Winters  fär  Lehrer  und  Lehrerinnen  abhielt.  Nach  einem  Berichte  der 
^Jugendf&rsorge*'  (1.  Januar  1903)  führte  der  Vortragende  u.  a.  aus,  dafs, 


182 

wie  die  Schulärzte  festgestellt  haben,  gewöhnlich  nfthere  Angaben  Aber  das 
Verhalten  der  schwachsinnigen  Kinder  w&hrend  der  ersten  Jngen^iahre 
fehlen  nnd  zwar,  weil  der  Zustand  des  Schwachsinns  schwer  von  dem 
einer  langsam  sich  entwickelnden  Normalität  zu  unterscheiden  ist,  und  den 
meisten  Eltern  das  Urteil  zu  einer  richtigen  Charakterisierung  fehlt.  Erst 
in  der  Volksschule  werden  die  Schwachsinnigen  genau  erkannt.  Bisher 
¥mrden  sie  nach  einem  zwe^ährigen  Besuche  der  Normalschule  der  Neben- 
klasse  überwiesen.  Man  will  künftig  in  Beriin  von  dieser  Bestimmung 
abgehen  und  die  Überschulung  schon  nach  kürzerer  Zeit  gestatten,  wenn 
eine  Feststellung  des  Schwachsinns  früher  möglich  ist.  Man  steht  jedoch 
dabei  auf  dem  Standpunkte,  dafs  keine  andere  pädagogische  Untersuchung 
die  nötige  Klarheit  über  das  Wesen  der  Kinder  schaffen  kann,  als  die 
Beobachtung  auf  der  Unterstufe  der  Volksschule,  wo  der  Gegensatz  zwischen 
dem  Verhalten  der  Normalen  und  der  Schwachsinnigen  fortwährend  deutlich 
hervortritt.  Auf  Grund  exakter  Zahlenbeweise,  die  das  Ergebnis  sorg^- 
tiger  Beobachtung  waren,  und  die  in  ihrer  Art  heute  noch  einzig  dastehen 
dürften  in  der  Literatur  der  Schwachsinnigen-Erziehung,  stellte  der  Vor- 
tragende mit  Bezug  auf  das  Milieu,  aus  dem  die  Schwachsinnigen  hervor- 
gehen, folgendes  fest: 

1.  Die  meisten  Schüler  der  Nebenklassen  entstammen  Arbeiterkreisen. 

2.  Bei  dem  größeren  Prozentsatze  der  Schüler  herrscht  im  Eltern- 
hause  andauernd  wirtschaftliche  Schwäche.  In  kausalem  Zusammenhang 
damit  stehen  die  Gegensätze:  hohe  Kopfzahl  des  Hausstandes  und  Enge 
des  Wohnraums,  Dürftigkeit  und  bedenkliche  Eigenart  der  Schlafgelegenheit, 
mangelhafte  oder  nur  mittelmäfsige  Ernährung. 

3.  Die  Erziehung  der  schwachsinnigen  Kinder  durch  die  Eltern  ist 
in  vielen  Fällen  eine  unverständige,  verkehrte;  sehr  oft  bleiben  diese 
Kinder  sich  selbst  überlassen,  während  Vater,  Mutter  und  die  älteren  Ge- 
schwister dem  Gewerbe  nachgehen.  Viele  Eltern  halten  ihre  schwach- 
sinnigen Kinder  ebenfalls  zur  Erwerbstätigkeit  an,  allerdings  oft  ohne  Rück- 
sichtnahme auf  die  körperliche  Konstitution  derselben. 

4.  Ein  hoher  Prozentsatz  der  Eltern  schwachsinniger  Kinder  ist 
erblich  belastet  (50 — 72  %).  Neben  Tuberkulose,  Alkoholismus,  Lnes, 
Nerven-  und  Geisteskrankheiten  spielen  sittliche  Defekte  oft  eine  gleich  ver- 
hängnisvolle Rolle  für  die  betr.  Kinder. 

Die  gesundheitliche  Minderwertigkeit,  der  Einflufs  des  Milieus  prägen 
sich  bei  den  meisten  Kindern  schon  im  Äufseren  aus.  An  der  Hand  gut 
gelungener  Photographien  wies  der  Vortragende  darauf  hin,  wie  Aussehen, 
Gestalt  und  Haltung  bei  einzelnen  Kindern  den  Schwachsinn  verraten.  Bei 
einer  genaueren  Betrachtung  der  Kinder  entdeckt  man  eine  Reihe  so- 
genannter Degenerationszeichen,  denen  aber  für  die  Diagnose  des  Schwach- 
sinns nicht  absoluter  Wert  beigemessen  werden  kann. 

Die  Vertikalsehlebfenster  Ar  Schnleo  verteidigt  im  „Sc^nOhaus*' 
(No.  12,  1902)  Architekt  Vogel- Hannover.  Die  Kippflügel  werden  von 
ihm  verworfen,  auch  der  im  allgemeinen  als  der  zweckmäbigste  anerkannte 
Kipp-Oberflügel  mit  unterer  Drehachse,  bei  welchem  die  kalte  Luft  nach 
oben  gegen  die  Zimmerdecke  geleitet  wird  und  erst,  nachdem  sie  sich 
etwas  erwärmt  hat,  mit  den  im  Zimmer  anwesenden  Personen  in  Berührung 


183 

koiunt  Dem  gegenüber  empfiehlt  TO01!L  die  Vertikal scbiebfesster, 
die  Tor  allem  den  Yorzng  haben  sollen,  dafe  sie  eine  genane  Einstellung 
der  Lnftzirkolation  ermöglichen;  man  loum  hier  sowohl  den  oberen  Flflgel 
herablaasen,  wie  den  «nteren  heran&chieben,  so  da(s  beliebig  schmale 
HoTizontabchlitze  entstehen,  der  eine  oben,  bei  dem  die  yerbranchte  warme 
Luft  anstritt,  der  andere  nnten,  bei  dem  die  kalte  an  der  Anisenwand  zom 
Folsboden  herabsinkt,  ohne  Zng  zn  veranlassen.  (Wir  mttssen  gestehen, 
dafe  nie  die  Ansftthmngen  des  Verfassers  nicht  flberzengend  erscheinen,  nnd 
dab  es  beim  Heraofscbieben  cter  unteren  Flügel^  wenn  erhebliche  Tem* 
peratordifferenzen  zwischen  Innen-  nnd  Anlsenlnft  vorhanden  sind,  nicht 
ohne  anüebsame  Folgen  fdr  die  dem  Fenster  znnftchst  sitzenden  SchtQer 
abgehen  wird.  Bis  auf  weiteres  werden  wir  die  gewohnten,  sich  nach 
innen  nnd  oben  öffnenden  Kippflügel  den  Schiebefenstern  noch  vorziehen. 
D.  Red.) 

Das  Arachen  der  Sehnlkmder.  Auf  die  Gefahren,  mit  denen  die 
ständig  zunehmende  schlechte  Grewohnheit  der  heranwachsenden  Jngend, 
Zigaretten  zu  rauchen,  ihre  körperliche  Entwicklung  bedroht,  lenkt  ein 
en^cbes  Blatt  die  Aufmerksamkeit.  Von  den  verschiedenen  Arten,  Tabak 
zn  ranchen,  ist  das  Zigarettenrauchen  am  beliebtesten  nnd  bequemsten, 
aber  auch  am  gefährlichsten.  Besonders  stark  ist  die  Wirkung  des  Rauchens 
anf  das  Nervensystem.  Das  leichte  Zittern  der  Hände,  das  falsche  Sehen, 
die  muregelmäfsige  Herztätigkeit,  die  gestörte  Verdauung,  die  schleimige 
Zonge  und  die  reizbare  Kehle  sind  alles  Zeichen  des  vielen  Rauchens. 
Früher  kaufte  der  Strafeeigunge  fQr  seinen  Penny  einige  Unzen  Gewtkrz- 
zQcker  oder  gebackene  Früchte  und  Mehl  und  erhielt  so  wenigstens  etwas 
Nahrang.  Heute  verkünden  seine  untersetzte  Figur  und  seine  runzeligen 
Z&ge  seine  Entartung.  Der  Arzt  eines  Kinderkrankenhauses  in  einer 
großen  Provinzstadt  schreibt  das  frühzeitig  gealterte  und  müde  Aussehen 
der  Kinder  der  Stadt  der  herrschenden  Mode  des  Zigarettenrauchens  zu. 
Bas  ist  das  wohlerwogene  urteil  eines  wissenschaftlich  geschulten  Beob- 
achters. Die  Mediziner  haben  es  immer  verdammt,  dais  die  Jugend  Tabak 
rancht,  und  das  Übel  wird  durch  die  Zigaretten  sehr  vermehrt.  Eine 
Untersuchung,  die  an  einer  Klasse  von  Studenten  der  Tale-Universität  vor- 
genommen wurde,  zeigte  merkwürdige  Ei^ebnisse.  Acht  Jahre  lang  stellte 
man  Vergleiche  zwischen  Rauchern  und  Nichtrauchern  an.  Gegenüber  den 
Baochern  gewannen  die  Nichtraucher  24  %  an  Gewicht,  37  Vo  an  Gröise, 
42%  an  Taillenumfang  und  8,36  Kubikzoll  an  Lungenausdehnung.  So 
anfallend  war  die  „verkümmernde^  Wirkung  des  Tabaks  auf  Menschen  in 
der  EntwicUnng.  Die  Gesetzgebungen  von  33  Staaten  Nordamerikas  ver- 
bieten daher  den  Verkauf  von  Tabak  an  Burschen  unter  16  oder  18  Jahren, 
und  im  norwegischen  Storthing  hat  man  drastische  Malsregeln  gegen  den 
Verkaof  von  Tabak  an  Kinder  in  den  Stfldten  ergriffen  und  die  Polizei 
ermftchtigty  aus  den  Händen  der  Knaben  Tabak  und  Pfeifen  zu  nehmen, 
die  man  in  ihrem  Besitz  findet.  Ähnliche  Bestimmungen  findet  man  auch 
in  anderen  europäischen  Ländern.  Den  hier  geschilderten  Gefahren  —  sagt 
das  ^^ädag.  Wochmbl^  (28.  Januar  1903)  — ,  die  durchaus  nicht  über- 
trieben sind,  müssen  auch  wir  Lehrer  die  allergrölste  Sorgfalt  schenken; 
^e  rauchenden  Tertianer  sind  ja  leider  keine  Seltenheit. 


184 

Angenkrankheiten  in  New  Yorker  Sehnlen.     Die  mit  giofser 

Sorgfalt  durchgefahrtea  Untersachnngen  der  New  Yorker  Schalen  haben 
eine  erschreckend  weite  Verbreitong  Yon  ansteckenden  Angenkrankheiten 
ergeben;  hauptsächlich  sind  von  ihnen  diejenigen  Teile  der  Stadt  betroffen, 
die  von  eingewanderten  rassischen  Juden  bewohnt  werden.  Von  60000 
Kindern  worden  laat  Bericht  der  y^MediccU  News^  (No.  6)  6000  aagenleidend 
befanden;  über  1000  derselben  mausten  sich  jsofort  einer  Operation  unter- 
ziehen. Im  allgemeinen  treten  die  Krankheiten  mehr  bei  Knaben  wie  bei 
Mädchen  auf.  In  einem  einzigen  Monat  sind  allein  900  neue  Fälle  ge- 
meldet —  eine  Mahnung,  wie  notwendig  eine  genaue  amtliche  KontroUe 
ist.  Die  Schulärzte  haben  Weisung  erhalten,  im  besonderen  die  Kinder 
der  untersten  Stufen  zu  beachten,  die  Augen  und  Hände  derselben  einer 
gründlichen  Untersuchung  zu  unterziehen.  Während  des  Bestehens  der 
schulärztlichen  Institution  sind  über  2000000  Kinder  untersucht  und 
40000  von  ihnen  aus  hygienischen  Gründen  vom  Unterricht  ausgeschlossen 
worden. 

Kinderansbentttng  in  Schweden.  In  ihren  Jahresberichten  klagen, 
nach  einer  Mitteilung  der  y^Soc,  l^axia^,  die  schwedischen  Gewerbe- 
inspektoren über  die  vielfachen  Yerstöfse  der  Fabrikanten  gegen  die  wenigen 
gesetzlichen  Bestimmungen  über  Kinderschutz.  In  den  meisten  Fällen  gibt 
eine  zu  lange  Arbeitszeit  für  Kinder  von  11 — 13  Jahren  Veranlassung  zum 
Einschreiten.  Zu  Bestrafungen  sowohl  der  Fabrikanten,  als  auch  in  ein- 
zelnen Fällen  der  Eltern  und  Vormünder  fährte  oft  der  Umstand,  dals 
Mindeijährige  gezwungen  wurden,  fortdauernd  und  jede  Nacht  zehn  Standen 
Nachtarbeit  zu  verrichten.  Allerdings  mufe  berücksichtigt  werden,  dals  die 
Kinderschutzbestimmungen  in  Schweden  noch  jungen  Datums  sind,  und  dafs 
ein  Teil  der  Übertretungen  wohl  mehr  auf  Unkenntnis  des  Gesetzes  als 
auf  bösen*  Willen  zurückzuführen  ist. 

Der  12.  Kvrs  fflr  Midchentnrnen,  der  vom  Schweizerischen  Tum- 
lehrerverein  arrangiert  wurde  und  im  Anschlufs  an  den  Turnlehrertag  am 
6.  Oktober  v.  J.  in  Winterthur  (Kanton  Zürich)  begonnen  hatte,  fand  am 
Samstag,  25.  Oktober,  durch  die  übliche  Inspektion  seinen  Abschlufs.  Eine 
stattliche  Anzahl  von  Teilnehmern,  27  Lehrer  und  10  Lehrerinnen,  machten 
denselben  mit.  Das  tägliche  Programm  des  dreiwöchigen  Kursus  sah 
sieben  Arbeitsstunden  vor,  die  vereinzelt  Vorträgen  und  schriftlichen 
Arbeiten  gewidmet  waren.  Die  Schlufsinspektion  ergab  ein  sehr  günstiges 
Resultat.  An  derselben  beteiligten  sich  auch  Abgeordnete  des  zürdierischen 
Erziehuogsrates  und  der  städtischen  Behörden. 

Über  Schnlgebände  und  LehrerwohnEngen  ze  Anfang  des  oeun- 
zehuten  Jahrhunderts  schreibt  man  der  „Voss.  Ztg.*  aus  Weimar:  Bei 
dem  Interesse,  das  aus  Anlals  der  Landtagsverhandlungen  in  Berlin  von 
neuem  auf  die  unwürdigen  Trakehner  Schulznstände  gerichtet  worden  ist, 
dürfte  ein  Hinweis  auf  jedenfalls  auch  ganz  ungewöhnliche  Zustände  am 
Platze  sein,  die  im  Jahre  1816  in  einer  kleinen  Residenz  in  Thüringen 
dem  damaligen  leitenden  Direktor  des  Gymnasiums  zu  höchst  beachtens- 
werten, in  scharfer  Tonart  gehaltenen  Beschwerden  AnlaiSs  gaben.  So 
drohte  im  Sommer  des  Jahres  1816  die  Decke  des  Lehrzimmers  der 
Primaner,  worüber  die  ganze  Last  der  Schulbibliothek  ruhte,  einzustürzen, 


185 

anch  die  Orgel  im  Festsaal  der  Anstalt  war  banfilUig  geworden.  „Daneben" 
—  so  lautet  der  Bericht  an  die  OberbehOrde  wörtlich  —  «lastet  aber  dem 
Lehrzimmer  der  Sekondaner  des  Qnartns  Küchenherd,  der  steinerne  Fnls- 
boden  der  Qoartaskflche  nnd  die  ganze  Kirchenbibliothek  nebst  Scheide- 
wftndeo,  welche  zwei  Kftmmerchen  von  der  Kflche  nnd  nnter  sich  abson- 
dern .  .  .  Mir  scheint  die  Gefahr  des  Deckeneinstnrzes  beider  Lehrzimmer, 
nnd  somit  anch  der  daninterliegenden  Tertia-  nnd  Qnartalehrzimmer, 
schaoderiiaft  grols  nnd  gewils.  Bricht  es  aniser  der  Schulzeit,  so  sind  die 
ganze  grö&ere  und  kleinere  Schulbibliothek  Vernichtet;  nnd  schon  der 
Bau-  und  MObelschade  wird  sich  auf  mehr  als  1000  Taler  belaufen. 
Bricht  es  aber  w&hrend  der  Schulzeit,  so  können  die  jetzt  zusanmien  262 
Selektaner,  Primaner,  Sekundaner,  Tertianer  und  Quartaner  samt  ihren 
fünf  Lehrern;  ja,  wenn  gerade  die  jetzt  39  Seminaristen  in  Sekunda  mit 
anwesend  sind»  301  Schfiler  zugleich  aufe  grftTslichste  umkommen.*'  Und 
ttber  die  Gebrechen  seiner  Amtswohnung  berichtet  der  Direktor  wörtlich 
wie  folgt:  „Durchs  Dach  des  Hauptgebäudes,  vom  heraus,  regnet  es  seit 
drei  bis  yier  Jahren  in  einem  fort  stromweise.  Vor  drei  Jahren  (1813) 
wurden  die  Direktoratsdftcher  befahren ;  aber  gerade  vom  heraus  hatte  der 
Iflderiiche  Tflncher  Löcher  gelassen.  Seit  ein  oder  zwei  Jahren  konnte  ich, 
aller  wiederholten  mündlichen  und  schriftlichen  Bitten  ungeachtet,  keine 
Ausbesserung  der  alten  durchlöcherten  Dftcher  erlangen.  „Es  fehle  an 
Geld*'  u.  s.  w.  Seit  einigen  Jahren  strömt  also  Regen-  und  Schneewasser 
durch  Vorder-,  Seiten-  und  Hintergebäude-Dächer  herein;  es  geht  alles  zu 
Grunde  und  yerfault,  die  Kalkdecken  fallen  herunter.  Man  ist  des  Lebens 
kaum  sicher.  Bald  mufs  der  Direktor  ausziehen.  Zwei  Schlafkammem 
sind  wegen  des  Hineinregnens  und  Kalkherabfallens  lebensgefährlich;  die 
dritte  Schlafkammer  ebenso  durch  Erkältung  seines  Weibes  nnd  seiner 
armen  Kinder.  Denn  die  Fenster  der  Haupt-Schlafkammer  der  Familie 
auf  den  Hof  hinaus  sind  unten  so  verfault,  ausgefressen  und  offen,  dais 
aller  Wind  schrecklich  auf  der  Frau  und  der  Kinder  Betten  streicht,  man 
im  Winter  erfrieren  möchte,  durch  diese  Löcher  unter  den  Fenstern  das 
Schneegestöber  auf  die  Betten  bekommt,  Zug,  Nässe  und  Kälte  an,  über 
und  in  den  Betten  unerträglich  und  doch  anderswo  keine  Zuflucht  mehr 
zu  finden  ist.  Denn  auch  durch  zwei  andere  Schlafkammem  regnet  es  so, 
dafe  man  durch  herabfallenden  und  fallen  wollenden  (1)  Deckenkalk  im 
Bette  erschlagen  werden  kann.  Alles  ist  seit  Jahren  wegen  der  Dächer 
nnd  unten  ausgefaulten  (offenen)  Fenster  nnd  Fensterbretter  mit  münd- 
lichen und  schriftlichen  Bitten  versucht  und  erschöpft  worden.  Vergebens! 
Sehr  viel  habe  ich  seit  neun  Jahren  für  mein  Geld  reparieren  lassen,  ohne 
Verpflichtung!  Ich  darf  aber  doch  meinem  Amtsnachfolger  nicht  alles  ver- 
geben und  verderben.  An  beiden  Holzställen  fehlen  eine  Anzahl  Latten. 
Einst  wurden  (1806  glaube  ich)  eine  Menge  Soldatenpferde  in  meinen  Hof 
gezogen  und  an  die  Latten  gebunden,  wodurch  sie  losgerissen  und  zer- 
brochen wurden.**  Die  hier  auszugsweise  gemachten  Mitteilungen  zeigen 
den  armen  Schulmeistern  nnd  Schülern  im  fernen  Osten,  dafs  Ahnliches 
gschon  dagewesen'' ;  freilich  fallen  die  im  vorstehenden  geschilderten  Mängel 
in  die  materiell  gedrückte  Zeit  nach  den  Freiheitskriegen,  und  heute 
schreiben  wir  190S! 


186 


9ft9esi|efd|td|tHd|es< 


Zu  4.  Verkuidstag  der  HilfMelmlen  DentsehhuidSy    der    am 

14.,  15.  und  16.  April  in  Mainz  stattfinden  soll,  ladet  der  Ortsaasschnfs 
die  Interessenten  ein  —  insbesondere  die  staatlichen  und  kommunalen  Be- 
hörden, die  Ärzte,  Geistlichen,  Juristen,  Schulleiter,  Lehrerinnen,  Lehrer, 
Schul-  und  Yolksfreunde.  unter  den  in  Aussicht  genommenen  Yerhand- 
lungsgegenständen  sind  besonders  erwähnenswert:  1.  ein  Referat  aber  die 
Frage,  ob  Kinder  zwangsweise  der  Hilfsschule  zugeführt 
werden  können  (Ref.  Rektor  Grote- Hannover),  und  2.  ein  Referat 
über  das  Schwachbegabte  Kind  in  Haus  und  Schule  (Ref.  Hllfis- 
Schulleiter  Delitsgh- Plauen).  Auch  soll  eine  Beratung  über  die  dem 
2.  Verbandstage  vorgelegten  Leitsätze  über  die  Organisation  der 
Hilfsschule  stattfinden.  Im  Aufruf  wird  darauf  hingewiesen,  dafs  geg^eD- 
wärtig  in  unge&hr  100  deutschen  Städten  Hilfsschulen  gegründet  seien. 

Deutscher  Verein  für  öffentliche  Geanndheltapflege.  Nach  einer 
Mitteilung  des  ständigen  Sekretärs,  Geh.  Sanitätsrat  Dr.  Spibss  in  Frank- 
furt a.  M.,  wird  die  diesjährige  Jahresversammlung  des  Vereins  in  den 
Tagen  des  16.  bis  19.  September  in  Dresden  stattfinden,  unmittelbar 
vor  der  am  21.  September  beginnenden  Versammlung  Deutscher  Nator- 
forscher  und  Ärzte  in  Gassei. 

Folgende  Verhandlungsgegenstände  sind  in  Aussicht  genommen: 

1.  Nach    welcher   Riditung    bedürfen   unsere    derzeitigen    Mafs- 

nahmen  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose  der  Ergänzung? 

'2.  Die  gesundheitliche  Handhabung  des  Verkehrs  mit  Milch. 

3.  Die  Bauordnung  im  Dienste  der  öffentlichen  Gesundheit. 

4.  Hygienische    Einrichtungen    der    Gasthäuser   und   Schank- 
stätten. 

5.  Reinigung  des  Trinkwassers  durch  Ozon. 

Volks-   nnd  Jngendspiele  in  Deutschland  1903.    Der  Zentral- 

Ausschufis  für  Volks-  und  Jugendspiele  in  Deutschland  hält  in  diesem 
Jahre  die  folgenden  Versammlungen  und  ünterrichtskurse  ab: 

1.  VI.  deutscher  Eongrefs  vom  5.  bis  7.  Juli  zu  Dresden,  woselbst, 
me  bekannt,  während  des  ganzen  bevorstehenden  Sommers  eine  einzig- 
artige deutsche  Städte- Aus  Stellung  im  grofsen  Stile  stattfinden 
wird.  Hauptkongrefsredner:  Oberbürgermeister  a.  D.  Wittinq -Berlin, 
Professor  Dr.  Walbeteb- Berlin  und  Dr.  med.  F.  A.  Schmidt -Bonn. 
Daneben  Musterspiele  und  Schwimmvorführungen  nach  neuerer  Methode. 
Am  5.  Juli  gehen  den  eigentlichen  Kongrefsverhandlungen  die  schon  in 
weiteren  Kreiden  rflhmlichst  bekannt  gewordenen  •  Dresdener  vater- 
ländischen Festspiele  voran,  welche  im  Rahmen  eines  im  vorbild- 
lichen Sinne  gehaltenen  Volksfestes  neben  Turn-»  Frei-  und  volks- 
tümlichen Übungen  auch  die  verschiedensten  Jugend-  und  Volksspiele 
vorfahren. 


187 

2.  Spielknrse   für  Lehrer. 

a)  Altena  Tom  24.  bis  29.  Mai,  anzumelden  beim  Tnrninspektor 
Karl  Mölleb.  b)  Bielefeld  vom  24.  bis  30.  Mai,  Obertarnlehrer 
Fb.  Schmale,  c)  Bonn  vom  24.  bis  30.  Mai,  Dr.  med.  F.  A.  Schmidt. 
d)  firannschweig  vom  24.  bis  30.  Mai,  Gymnasial-Direktor  Dr.  Eol- 
DEWET.  e)  Frankfurt  a.  M.  vom  22.  bis  30.  Mai,  Tominspektor  W. 
Weidenbüsch.  i)  Greifswald  i.  P.  vom  26.  Juli  bis  1.  Angnst,  üni- 
TersitAtstnrnlehrer  Dr.  H.  Wehlitz.  g)  Hadersleben  vom  14.  bis 
18.  April,  Oberlehrer  Dünker.  h)  Königsberg  i.  Fr.  vom  2.  bis 
9.  Angast,  Stadtschnlrat  Dr.  Tbibükait.  i)  Liegnitz  vom  1.  bis  6.  Juni, 
Gymnasialtamlehrer  M.  Gerste,  k)  Posen  vom  24.  bis  29.  Angnst, 
Obertamlehrer  Eloss.  1)  Stolp  i.  P.  vom  8.  bis  13.  Jnni,  Dr.  0. 
Preussneb.  m)  Zwejibrtlcken  i.  d.  Pfalz  vom  8.  bis  16.  Angnst, 
Lehrer  Fbitz  Bühleb. 

3.  Spielknrse  fflr  Lehrerinnen. 

a)  Bonn  1.  bis  6.  Jnni,  anznmelden  bei  Dr.  med.  F.  A.  Schmidt. 

b)  Brannschweig    1.    bis    6.    Jnni,      Tnrninspektor     A.    Hermann. 

c)  Frankfurt  a.  M.  27.  Juli  bis  1.  Angnst,  Tm-ninspektor  W.  Weidbn- 
büsch.  d)  Hamburg  vom  14.  bis  18.  April,  Lehrer  Ernst  Fischeb, 
Hasselbrookstr.  13.  e)  Königsberg  i.  Pr.  vom  2.  bis  9.  Angnst,  Stadt- 
schnlrat Dr.  Tbebukait.  f)  Krefeld  vom  2.  bis  6.  Jnni,  Tnmlehrerin 
Martha  Thübm.  g)  Magdeburg  vom  3.  bis  8.  Angnst,  Stadtschnlrat 
Platen.     Die  vorgenannten  Spielknrse  sind  sämtlich  kostenfrei. 

(Mitget.  V.  E,  V.  Schenckbndoket). 

Über  Ersietanng  und  Sehnte  im  Kampfe  gegen  den  Alkoholismns 

werden  A.  DoN-Rotterdam,  Chables  WAKELY-London  nnd  Mrs.  Maby 
HüNT-Boston  am  IX.  internationalen  Kongrefs  gegen  den  Alkoholismns 
sprechen,  der  vom  14. — 19.  April  d.  J.  in  Bremen  stattfinden  wird. 

Die   gehweicerisehe   Oesellsehaft   fBr   Sehnlgesnndkeitgpflege 

versammelt  sich  am  Sonnabend  nnd  Sonntag,  16.  nnd  17.* Mai  d.  J.,  in 
Scbaffhansen.  Znr  Behandlnng  kommen:  „Die  Schnlbäder"  nnd  zwar:  die 
technische  Ansftlhmng,  Ref.  Ingenieur  Paul  LiNEE-Zttrich ;  die  Bedentnng 
der  Schnlbäder  in  hygienischer  Hinsicht,  Ref.  Polizeiarzt  Dr.  OST-Bern; 
die  pädagogische  Bedentnng  nnd  praktische  Dnrchfflhmng,  Ref.  Schnl« 
Inspektor  TUCHSCHMID-Basel.  —  „Die  Ohrennntersnchnngen  in  der  Vdks- 
schüle",  Ref.  Dr.  med.  0.  Laubi,  Ohrenarzt,  ZQrich.  —  „Der  Stundenplan 
der  Mittelschnle,  vom  hygienischen  Standpunkte  ans  betrachtet  und  unter 
besonderer  Berttcksichtigung  der  schweizerischen  Verhältnisse*^,  Ref.  Rektor 
Dr.  EELLEB-Winterthur.  —  Es  sind  auch  einzelne  Votanten  in  französischer 
brache  in  Aussicht  genommen. 

Wegen  einer  Diphtheritis-Epidemie,  die  ungewöhnlich  ernst  auf- 
trat, sind,  wie  „The  Jaum,  of  ihe  Am,  Med.  Assoc.^  (No.  4)  mitteilt, 
die  öffentlichen  Schulen  von  Hartem  (Illinois)  geschlossen  worden. 

Franen  in  den  SehnlbehSrden.  Wie  die  Tagesblätter  melden,  hat 
der  Regiemngsrat  des  Et.  Basel- Stadt  die  Vorlage  des  Erziehungs- 
Departements  betr.  Vertretung  der  Frauen  in  Schulbehörden  zu  Händen 
des  Groben  Rates  genehmigt. 

Sehalgesandheitepflege.  XVI.  11 


188 

Eine  setaulhy^enisehe  Versammlung  der  Ärzte  und  Lehrer  der 

Moskaner  Landsehaft  wird  im  Oktober  d.  J.  stattfinden.  Sie  hat  zum 
Zweck,  die  wesentlichsten  Fragen  der  Schnlgesimdheitspflege,  Insoweit  sie 
die  Schalen  auf  dem  Lande  betreffen,  in  Beratung  zu  ziehen.  Auf  der 
Tagesordnung  stehen  u.  a. :  Die  Erörterung  der  wesentlichsten  medizinisch- 
hygienischen Bedürfnisse  der  Schulen,  die  Durchsiebt  der  bestehenden  Vor- 
schriften über  die  Einrichtung  der  Schulen,  die  Versorgung  der  Schulen 
mit  Trinkwasser  und  die  Organisation  der  SchOlersuppen,  die  Verteilung 
der  Lehrfächer  auf  die  Schulstunden,  die  erzieherische  Bedeutung  der 
Volksschule,  die  Organisation  der  ärztlichen  Schulaufsicht  u.  s.  w.  (Man 
scheint  in  Bufsland  in  Bezug  auf  die  Befriedigung  der  hygienischen  Be- 
dflrftiisse  der  Landschulen  weiter  zu  gehen  als  mancherorts  in  den  Kultur- 
staaten des  westlichen  Europa.     D.  Red.) 

Sehlechte   Schalyerhiltnisse  im   Staate  Quebec  (Canada).    In 

der  Februarsitzung  der  «St.  Francis  Medical  Association*"  schlug  Dr. 
Stevenson,  Inspektor  der  öffentlichen  Gebäude  Quebecs,  vor,  eine  Ein- 
gabe an  die  Regierung  zu  richten  und  gegen  die  schlechten  Schulverhält- 
nisse  zu  protestieren.  Seine  Klagen  richteten  sich  laut  Mitteilung  des 
y^JofUfm,  of  ihe  Am.  Med,  Ass.**  (No.  4)  hauptsächlich  gegen  eine  gesund- 
heitsschädigende Überanstrengung  der  Kinder  und  gegen  die  hygienisch 
voUständig  ungenflgenden  Schullokalitäten. 

Zar  FSrderong  der  Zahnpflege  bei  Sehnlkindem  hat,  wie  die 

„Bonner  Ztg.^  mitteilt,  die  städtische  Schulverwaltung  in  Bonn  unlängst 
jeder  Klasse  der  Volksschulen  sowie  dem  Lehrpersonal  eine  kleine  Schrift 
des  geschätzten  Bonner  Zahnarztes  Dr.  R.  F.  Günthbb  zustellen  lassen, 
worin  das  Notigste  Aber  die  Mund-  und  Zahnpflege  in  Form  von  „zehn 
goldenen  Regeln^  mit  kurzen  Erläuterungen  niedergelegt  worden  ist. 
Aulserdem  erhielt  jedes  Kind  ein  Exemplar  dieser  Regeln  (ohne  Erläute- 
rungen) auf  einem  Plakat,  das  zum  Aufhängen  in  den  Wohn-  und  Schlaf- 
räumen eingerichtet  ist.  Die  Regeln  enthalten  in  knappen,  jedem  Schul- 
kinde yerständlichen  Sätzen  Angaben,  auf  welche  Weise  und  wie  oft  die 
Zähne  zn  reinigen  sind,  welche  Wassertemperatur  zum  Spülen  des  Mundes 
die  richtige  ist,  welcher  Gegenstände  man  sich  zum  Reinigen  bedient  und 
dgl.  m.  Das  Vorgehen  der  Schulverwaltung  ist  auf  das  wärmste  zu  be- 
grOfsen,  da  die  Mund-  und  Zahnpflege  gerade  in  den  breiteren  Volksschichten 
noch  sehr  im  argen  liegt. 

Die  Schnlmisere  in  Rixdorf  scheint  kein  Ende  nehmen  zu  wollen. 
Zwar  ist  beschlossen  worden,  bis  zum  Herbst  1903  ein  neues  Doppel- 
Schulgebäude  zu  errichten,  doch  wird  es  wohl  nicht  möglich  sein,  mit  den 
Torhandenen  Klassenräumen  bis  dahin  auszukonunen.  Die  Schfilerzahl  ist 
von  2800  auf  3026  gestiegen,  so  dals  in  aller  Eile  Parallelklassen  unter 
Streichung  einzelner  Unterrichtsstunden  eingerichtet  werden  mufsten.  Auch 
die  Lehrer  sind  in  Bezug  auf  die  Anzahl  der  Unterrichtsstunden  an  der 
Grenze  der  Leistungsfähigkeit  angelangt;  die  von  der  Regierung  vor- 
geschriebene Anzahl  der  Maximalstunden  ist  schon  teilweise  überschritten 
worden.  Rechnet  man  dazu  das  Korrigieren  der  Aufgaben  zu  Hause,  so 
kann  man.  sich  von  der  geistigen  Abspannung  der  Lehrer  ein  Bild  machen. 
Nach  dem  Etat  der  Gemeinde  beträgt   die  Anzahl  der  Lehrkräfte  an  den 


189 

hiesigen  Volksschulen  51.  Es  kommen  demnach  anf  jede  Lehrkraft  etwa 
60  Schfiler.  Dnrch  Gemeindebeschlnfs  sollen  vom  1.  April  1903  zwei 
Lehrer  nnd  eine  Handarbeitslehrerin  eingestellt  werden.  Das  heifst,  dafe 
alles  beim  alten  bleiben  soll,  denn  zum  1.  April  wird  wiedemm  eine 
Steigenmg  der  Schttlerzahl  zn  konstatieren  sein,  welche  die  Leistungsfähigkeit 
der  neuen  Lehrkr&fte  vollständig  in  Ansprach  nimmt. 

Über  den  praktischen  Wert  der  einzelnen  Sehnlbanksysteme 

fand  anlangst  eine  lebhafte  ErOrterong  in  der  SchuWorstandssitznng  der 
Stadt  Weimar  statt.  Die  Aussprache  zeigte,  dafs  sich  die  wider- 
sprechendsten Ansichten  vorfinden,  sowohl  in  den  Kreisen  der  Techniker 
als  auch  in  demjenigen  der  Schulmänner.  In  der  Lehrerschaft  Weimars 
scheint  die  Yorstellung  die  herrschende  zu  sein,  dafs  einer  festgeschraubten 
Bank  unbedingt  der  Vorzug  vor  der  Schwellenbank  zu  geben  sei,  während 
Herr  Stadtbaurat  Schmidt  sich  ganz  entschieden  gegen  derartige  Bänke 
aussprach,  weQ  sie  nicht  nur  die  Fufsböden  ruinierten,  sondern  auch  eine 
grAndliche  Reinigung  der  Schulräume  unmöglich  machten.  Schulvorstands- 
mitglied Hebmann  Schmidt  als  Referent  betonte,  dafs  er  sich  persönlich 
von  der  Reinlichkeit  der  Klassen  mit  angeschraubten  Bänken  überzeugt 
habe;  er  könne  nur  sagen,  dafs  er  die  peinlichste  Sauberkeit  in  den  be- 
treffenden Klassen  vorgefunden  habe.  Da  die  Meinungen  in  dieser  Frage 
weit  auseinander  gingen,  so  sei  es  am  besten,  wenn  die  Mitglieder  des 
Schulvorstandes  Gelegenheit  nähmen,  die  einzelnen  Banksysteme  persönlich 
in  Augenschein  zu  nehmen. 

(Mitget.  V,  Physikus  Dr.  Pfeipfbr- Weimar). 

Über  BekämpftiDg  des  Alkoholismns  dureln  die  staatliehen 
üntemehts-  nnd  finiehnngsanstalten  richtet  der  Vorstand  des 
schweizerischen  Vereins  abstinenter  Lehrer  und  Lehrerinnen  eine  Eingabe 
an  den  Bundesrat.  Die  Eingabe  ist  unterzeichnet  von  einer  Reihe  von 
Ärzten  und  Professoren  in  der  Schweiz. 

Eine  Rednktion  des  Lehrstoffes  in  den   Primarsehnlen   plant, 

wie  die  Tagesblätter  melden,  der  neue  Erziehungsdirektor  des  Kantons 
Graubünden.  In  einem  Kreisschreiben  der  Erziehungsdirektion  an  die 
Schulinspektoren  werden  dieselben  angewiesen,  die  Prüfung  in  allen 
Fächern  selbst  durchzufahren,  mit  aller  Energie  gegen  ein  sinnloses  Aus- 
wendiglernen, sowie  gegen  jede  Oberflächlichkeit  im  Unterricht  anzu- 
kämpfen, ganz  besondere  Aufmerksamkeit  den  Leistungen  in  der  Mutter- 
sprache zuzuwenden  und  bei  der  Beurteilung  der  Schulen  nicht  zu  grofses 
Gewicht  auf  die  behandelte  Stoffmenge  zu  legen,  sondern  mehr  die  Art  der 
Behandlung  zu  berücksichtigen. 

Es  wird  sicherlich  viele  Lehrer  —  gewifs  nicht  die  schlechtesten  — 
and  Schüler  in  der  Schweiz  herum  geben,  die  nach  diesem  trefflichen 
ErlaCs  nicht  übel  Lust  hätten,  nach  Graubünden  auszuwandern.  Hoffentlich 
kommt  man  endlich  auch  anderorts  dazu,  mit  dem  geistlosen  Drill,  der 
stumpfsinnig  machenden  Auswendiglemerei  und  der  Überladung  des  Lehr- 
plans abzufahren. 


11' 


190 


£tteratttr. 


Besprechungen. 

Hans  Süge.     Die   Hygiene   der  Sebnlbank.     Mit   17   Abbfldungen. 

Berlin.     Yerlag  von  Wiegandt  &  Grieben.     1902.     8^.     74  Seiten. 

Preis  2  Mk. 

Wenn  man  Yon  den  Gefahren  spricht,  welche  unserer  Jugend  während 
der  Schulzeit  durch  den  Aufenthalt  in  den  Schulräumen  drohen,  so  erblickt 
man  diese  nicht  zum  kleinsten  Teile  in  dem  Zwang  zum  anhaltenden  Sitzen 
in  der  Schulbank.  Es  ist  daher  erklärlich,  dafs  die  hygienische  Wissen- 
schaft diesem  Einrichtungsgegenstande  ein  besonderes  Augenmerk  zuwendet. 
Die  zahlreichen  Banksysteme  und  nicht  minder  die  grofse  Zahl  von  Ab- 
handlungen sind  ein  Beleg  für  die  Bestrebungen  auf  diesem  Gebiete.  Der 
gröbte  Teil  der  Bankliteratur  wird  aus  den  Begleitschreiben  der  Erfinder 
zu  ihrem  Erzeugnisse  gebildet,  die  jedoch  wegen  der  nicht  immer  einwand- 
freien Objektivität  nur  selten  ein  klares  Bild  von  dem  Wesen  der  Schul- 
bankfrage geben.  Andere  Schriften  bringen  eine  Aufzählung  aller  bisher 
versuchten  Konstruktionen  und  haben  somit  nur  ein  historisches  Interesse. 
Ein  Mangel  herrscht  nach  der  Ansicht  des  Verfassers  noch  an  theoretisch- 
praktischen Büchern,  die  in  erschöpfender  Weise  alle  die  Forderungen 
begutachten,  die  an  eine  gute  Schulbank  zu  stellen  sind.  In  der  vorliegen- 
den Schrift  beschäftigt  sich  der  Autor  hauptsächlich  mit  der  Hygiene  der 
Schulbank,  die  nach  seinem  Ausspruche  bei  den  bisherigen  Yeröffentlichungen 
entschieden  zu  kurz  gekommen  ist.  Bis  letzt  hat  man  als  fast  einziges 
Moment  die  Körperhaltung  zur  Bank  in  Beziehung  gesetzt  und  sich  begnügt, 
daraus  die  nötigen  sanitären  Anforderungen  an  die  Schulbank  herzuleiten. 
Man  hat  andere  wichtige  Momente,  wie  Beschaffenheit  der  Decke,  Fnfe- 
bodenbelag,  Beinigung,  Lüftung  usw.  grölstenteils  mit  Stillschweigen  über- 
gangen. 

Verf.  wendet  sich  sodann  zu  den  schlechten  Folgen,  die  aus  dem  schon 
erwähnten  Zwang  zum  schlechten  Sitzen  resultieren,  und  bemerkt:  „Zu  den 
bekanntesten  und  mit  der  Bank  direkt  in  VerbiDdung  gebrachten  Schul- 
krankheiten gehören  die  Formen  der  seitlichen  Rückgratsverkrümmung  oder 
Skoliose".  Nach  meiner  auf  Grund  langjähriger  Erfahrung  erworbenen 
Ansicht  ist  dieser  Ausspruch  unrichtig,  da  in  erster  Linie  die  seitliche 
Rückgratsverkrümmung  nicht  mit  der  Bank,  sondern  mit  der  schrägen 
Heftlage  direkt  in  Verbindung  steht.  Von  der  Richtigkeit  des  Gesagten 
kann  sich  jedermann  dort,  wo  die  Steilschrift  richtig  betrieben  wird,  mit 
Leichtigkeit  überzeugen.  Damit  soll  keineswegs  ausgesprochen  sein,  dafs 
eine  richtig  dimensionierte  Bank  usw.  nicht  vorteilhaft  wäre.  Aber  das 
eine  steht  fest:  Mag  die  Bank  noch  so  gut  gestaltet  sein,  eine 
andauernde  richtige  Körperhaltung  beim  Schreiben  der 
Schrägschrift  wird   sie   nicht   bewirken   können,    da  nicht  sie, 


191 

sondern  das  Auge  der  maßgebende  Faktor  des  Schreibaktes  ist;  and  da 
wir  das  Ange,  den  malsgebenden  Faktor  des  Schreibaktes,  nicht  dem 
Schreiben  angemessen  konstruieren  oder  formen  können,  so  sind  wir 
gezwungen,  den  Schreibakt  dem  Ange  entsprechend  zu  gestalten,  und  dies 
kann,  wie  die  Erfahrung  zeigt,  nur  dadurch  erfolgen,  dafs  wir  Steilschrift 
(senkrechte  Handschrift)  flben  lassen,  unbektlmmert  darum,  ob  sie 
schneller  oder  langsamer  als  die  Schrägschrift  ausgefQhrt  werden  kann. 
Sitzen  bei  der  Ausfflhrung  der  Steilschrift  die  Kinder  einer 
Klasse  nicht  korrekt^  so  ist  dies  eine  Pflichtvers&umnis  der 
Lehrkraft.  Die  aufrechte  Haltung  des  Oberkörpers,  welche  die  Steil- 
scbrift  ermöglicht,  ist  es  aber,  bei  der  die  Arbeitshaltung  am  längsten 
ohne  £rmtldung  ertragen  werden  kann.  Die  Bank  kann  die  normale 
Körperhaltung  nur  unterstfltzen.  Dafs  sie  bei  der  Schreibhaltung  durchaus 
nicht  die  wichtigste  Rolle  spielt,  dies  beweist  mir  einerseits  die  gute 
Schreibhaltung  steilschreibender  Gewerbeschaler,  die  oft  in  Bänken  sitzen, 
die  nicht  fQr  sie,  sondern  für  Volksschtüer  bestimmt  sind;  anderer- 
seits die  schlechte  Schreibhaltung  schrägschreibender  GewerbeschOler  in 
eben  diesen  Bänken.  Dabei  soll  keineswegs  ausgesprochen  sein,  dafs  beim 
Schreiben  der  Steilschrift  keine  Ermüdung  entsteht;  dieselbe  tritt  bekannt- 
lich, wie  der  Verfasser  gleichfalls  betont,  bei  jeder  Körperhaltung,  die 
längere  Zeit  ohne  Wechsel  andauert,  ein,  ja  selbst  beim  Liegen.  Es  ist 
daher  ein  sanitäres  Grebot  der  Notwendigkeit,  die  Schreibtätigkeit  in  der 
Schulzeit  nicht  in  unnötiger  Weise  auszudehnen.  Ich  meine  hier  ins- 
besondere das  Schreibenlemen  zweier  Schriftsysteme,  das  so  viele  Schreiben 
bei  Erlernung  der  Orthographie.  Berttcksichtigt  man  aber,  dafs  die  Kinder 
8  Jahre  ihres  Lebens  in  der  Schule  zubringen  und  während  dieser  Zeit 
zu  täglich  vier-  bis  fftn£9tflndigem  Stillsitzen  genötigt  sind,  so  ist  es  wohl 
klar,  dafs  die  Bank,  auf  der  diese  Zeit  zugebracht  wird,  fOr  den  Organismus 
des  Schülers  Yon  besonderer  Wichtigkeit  ist.  Als  einen  sehr  traurigen 
Irrtum  bezeichnet  der  Verfasser  die  Anschauung,  als  wäre  die  Skoliose 
nur  ein  „Schönheitsfehler".  Eine  beigegebene  Abbildung  aus  Pasghes 
orthopädischem  Institute  in  Dessau  unterstützt  seine  Ausführungen  in  dieser 
Hinsicht.  Hierauf  schreitet  er  zur  Besprechung  der  Körperhaltung  mit 
Bezug  auf  die  Bank  und  verlangt;  dafs  sich  der  Körper  des  Kindes  beim 
Sitzen  im  stabilen  Gleichgewicht  befinde,  und  dafs  der  Eintritt  des  Er- 
müdungszustandes möglichst  weit  hinausgeschoben  werde,  dafs  die  Bank  also 
sowohl  „Sicherheit*'  als  auch  „Bequemlichkeit**  bieten  müsse.  Dabei  weist 
er  auf  die  Schädlichkeiten  eines  zu  hohen  oder  zu  niedrigen  Pultbrettes 
hin  und  nennt  jene  Bank,  deren  Lehne  nur  bis  zum  Kreuz  führt,  ein 
wahres  Marterwerkzeug.  Er  wendet  sich  nun  zu  den  Momenten,  die  an- 
gesichts der  Forderung:  möglichst  grofse  Sitzfläche,  Sicherung  der  auf- 
rechten Stellung  des  Oberkörpers  in  der  Arbeitshaltung  (mit  Berück- 
sichtigung der  am  häufigsten  geleisteten  Arbeit  „Schreibhaltung"  genannt) 
und  AufTangen  des  zurückgelehnten  Körpers  bei  der  Buhehaltung,  in  Betracht 
kommen.  Diese  sind!  die  Sitzfläche,  Höhe  und  Breite  derselben;  Ent- 
fernung zwischen  Pult  und  Sitzbrett,  Lehnenabstand,  Form  der  Lehne. 
Er  fordert  ein  schmales  Bücherbrett,  das  so  hoch  angebracht  und  soweit 
znrückliegen  soll,   dafs  der  Schüler  daran  niemals  einen  Stützpunkt  für 


192 

seine  Beine  finden  kann.  Die  Mappe  des  Schülers  sollte  bei  zweisitzigen 
Bänken  entweder  zwischen  den  beiden  Plätzen  oder  aufsen  an  den  Sitz- 
wangen Platz  finden;  letzteres  wäre  nach  meiner  Ansicht  vorzuziehen. 

Verf.  vergegenwärtigt  anch  die  Gründe,  die  gegen  die  beweglichen  Kon- 
struktionen sprechen.  Sodann  bespricht  er  die  Wirkung  des  zn  beiden  Seiten 
verkürzten  Sitzbrettes  und  zeigt  an  Abbildungen  die  ÜbelständOi  welche  sich 
bei  gleicher  Länge  des  Sitzbrettes  mit  dem  Pultbrette  ergeben  können.  Zur 
Anbringung  des  Tintenfasses  schlägt  er  aus  pädagogischen  (Verdecken  durch 
das  Schreibheft)  und  wissenschaftlichen  Gründen  die  Mitte  zwischen  den 
beiden  schreibenden  Annen  vor,  ohne  jedoch  zu  bemerken,  dafs  hierdurch 
die  Hand  des  rechts  Sitzenden  den  Weg  mit  der  eingetauchten  Feder 
entweder  über  einen  Teil  der  Schreibfläche  zurücklegen  oder  einen  zeit- 
raubenden Umweg  machen  mufs.  Ob  dies  bei  Schrägschrift  einen  Vorteil 
bietet,  darüber  fehlt  mir  die  Erfahrung,  bei  Steilschrift  entfällt  der  päda- 
gogische Grund. 

unter  Hinweis,  dafs  die  Unzukömmlichkeit  des  Aufstehens  oder  Heraus- 
tretens  ans  einer  Bank,  die  Null-  oder  Minusdistanz  habe,  durch  verschiedene 
Vorrichtungen  (bewegliches  Pult  oder  beweglicher  Sitz  usw.)  ermöglicht 
werden  müsse,  gelangt  Verf.  zur  Besprechung  des  Ein-  und  Austretens  bei 
einer  mit  ^ost  versehenen  zweisitzigen  Bank  mit  unbeweglichen  Teilen. 
Abbildungen  unterstützen  auch  hier  seine  Erläuterungen. 

Der  nun  folgende  Teil  des  Buches  bildet  gewissermafsen  den 
Schwerpunkt  der  ganzen  Arbeit. 

Verf.  würdigt  hier  in  eingehender  Weise  die  Beziehungen,  die  zwischen 
der  Schulluft  und  der  Schulbankfrage  bestehen,  und  die  bis  jetzt  in  der 
Bankliteratur  nicht  so  in  den  Vordergrund  getreten  sind.  Aus  den  an- 
geführten Untersuchungen  kommt  er  zu  der  Folgerung:  Jede  mehrsitzige 
Bank  bedeutet  für  den  Schüler  eine  direkte  Gefahr,  weil  der  verstärkte 
Kohlensäuregehalt  auf  den  Mittelplätzen  gesundheitliche  Nachteile  herbei- 
führt. Denn  das  dort  sitzende  Kind  ist  genötigt,  immer  wieder  stark  ver- 
dorbene Luft  einzuatmen.  Im  Interesse  der  Hygiene  muls  darum  gefordert 
werden,  dafs  die  Schulbank  höchstens  zweisitzig  sein  darf. 

Als  zweites  hygienisch  wichtiges  Moment  der  Schulluft  bezeichnet  der 
Autor  deren  Temperatur.  Die  Gefahr,  dafs  sich  die  Kinder  durch  die  auf  dem 
Fufsboden  herrschende  niedrige  Temperatur,  die  mit  der  in  Brusthöhe  stark 
kontrastiert,  eine  Verkühlung  zuziehen  können,  kannnur  durch  Anbringung  eines 
Rostes  für  die  FüCse  beseitigt  werden.  Die  Verwendung  eines  solchen  ist  heute 
durch  das  Umlegen  der  Bänke  möglich,  da  hierdurch  der  Reinigung  kein 
Hindernis  entgegengestellt  wird.  Im  Gegenteil  kann  durch  umlegbare 
Bänke  die  Reinigung  bequemer  und  gründlicher  als  bei  den  übrigen  Bank- 
systemen vorgenommen  werden.  Durch  das  mit  Rillen  oder  Schlitzen  ver- 
sehene Fufebrett  kann  auch  das  nasse  Schuhwerk  leichter  trocknen  usw. 

Um  geschlechtlichen  Verirrungen  vorzubeugen  verlangt  Sück,  dafs 
sich  die  Rückwand  der  Bank  auf  schmale  Leisten  mit  weiten  Öffnungen 
beschränkt. 

Das  Buch  würde  es  im  vollsten  Mafse  verdienen,  dafs  jeder  Lehrer» 
jeder  Schularzt  in  dasselbe  Einsicht  nähme. 

Direktor  Emanubl  BAYB-Wien. 


193 
Fb.  Fkknzel.    Die  (hrganiflatioii  der  Hilfsselmle.    Sep.-Abdr.  a.  d. 

Mediz.-pftdag.  MonatSBchrift  f.  d.  ges.  Sprachheilkunde.     Maiheft  1902. 

In  der  Yorliegenden  Schrift  behandelt  der  Verfasser  nach  einander 
1)  die  Entwicklung  der  Hilfsschulen,  2)  die  Notwendigkeit  der  Hilfs- 
schulen, 3)  die  Auswahl  der  Kinder  f&r  die  Hilfsschule,  4)  Zweck  und 
Ziel  der  HLlÜBSchulen,  5)  die  innere  Organisation  der  Hilfsschulen  (hygie- 
nische Schul-  und  Unterrichtseinrichtungen,  Lehrplan  der  Hilfsschulen, 
Zahl  der  Klassen  und  Schaler,  Lehrer  der  Hilfsschulen,  der  Arzt  in  der 
Hilfssdiule),  6)  soziale  Einrichtungen  zur  Fürsorge  der  Hilfsschfller,  7) 
Schema  zum  Personalbuch  für  Hilfsschtüer. 

Dieser  umfangreiche  Stoff  kann  in  einer  37  Seiten  zählenden  Broschüre 
eingehend  und  allseitig  erwägend  nicht  zur  Darstellung  kommen.  Vielmehr 
bat  der  Verfasser  mit  richtigem  Blick  die  wichtigsten  Punkte  geschickt 
zusammengestellt  und  in  angenehmer  Form  zur  Behandlung  gebracht.  Die 
Schrift  ist  deshalb  in  erster  Linie  geeignet,  Laien  auf  dem  Gebiete  des 
Hilfsscbulwesens  mit  dem  jüngsten  Zweige  der  Volksschuleinrichtnngen 
schnell  und  ausreichend  bekannt  zu  machen.  Bei  Neueinrichtung  von 
Hilfsschulen  wird  deshalb  die  yorliegende  Arbeit  gute  Dienste  leisten. 
Aber  auch  der  Fachmann  wird  die  sachkundigen  Darbietungen,  die  sich  im 
ganzen  an  die  Verhandlungen  des  Verbandes  der  Hilfsschulen  Deutsch- 
lands anlehnen,  mit  Interesse  und  Gewinn  lesen«  —  Etwas  befremdet  hat 
uns  der  Umstand,  dals  der  Verfasser  bei  dem  Kapitel  über  die  Tätigkeit 
des  Arztes  in  der  Hilfsschule,  abweichend  von  seiner  sonstigen  Gepflogen- 
heit, an  die  Stelle  seiner  eigenen  Darlegungen  die  Äufserungen  des  Bres- 
lauer Arztes  Dr.  Göbke  aufgenonunen  hat.  Der  Umstand,  da(s  diese 
Auslassungen  den  Widerspruch  der  Pädagogen  herrorrufen  werden,  konnte 
doch  ftlr  eine  Schrift,  die  Torwiegend  der  Orientierung  und  nicht  der 
Polemik  dienen  soll,  nicht  mabgebend  sein;  und  der  andere  Grund,  dafs 
jene  Ausführungen  wenig  bekannt  sind,  würde  nur  dami  ausschlaggebend 
sein  können,  wenn  sie  eine  weite  Verbreitung  wirklich  verdienten.  Aus- 
lassungen aber,  die  durchaus  zu  verkennen  scheinen,  dafs  die  Hilfsschule 
in  erster  Linie  eine  Unterrichts-  und  Erziehungsanstalt,  mithin  eine  päda- 
gogische und  nicht  sanitäre  Einrichtung  ist,  können  als  Gegenstand  ernster 
Erwägungen  nicht  in  Frage  kommen.  Jede  Hülfsschule  soll  sich  der  Wohl- 
tat eines  ärztlichen  Beirats  erfreuen;  wenn  aber  Dr.  Göbkb  z.  B.  schreibt: 
„Aus  all  dem  Gesagten  geht  klar  hervor,  dals  nicht  nur.  die  Anwesenheit 
eines  erfahrenen  und  psychiatrisch  vorgebildeten  Arztes  bei  der  Umschulung 
der  Kinder  notwendig  ist,  sondern  dafs  diesem  allein  die  Entscheidung 
in  der  schwierigen  und  wichtigen  Frage  überlassen  werden  mufs  ....•' 
oder:  „Die  ganze  körperliche  Erziehung  der  Kinder  .  .  .^wird  nur  unter 
Leitung  und  Aufsicht  eines  sachverständigen  Arztes  in  befriedigender  Weise 
gehandhabt  werden  können  ...*',  oder:  „Der  Arzt  mufs  eigentlich  dauernd 
den  Lehrer  unterstützen  und  kontrollieren*',  so  haben  diese  Auslassungen 
für  den  Pädagogen  nur  ein  Interesse,  weil  sie  zeigen,  wie  eigenartig 
Dr.  GÖBKE  seine  Stellung  als  Schularzt  der  Hilfsschule  auffafst.  Meines 
Erachtens  wäre  es  besser  gewesen,  wenn  der  Verfasser  der  vorliegenden 
Schrift  dem  in  Rede  stehenden  Abschnitte  seine  eigene  Bearbeitung  mit- 
gegeben hätte.     Zum  Schlufs   bemerke  ich,   dafs  ich   bezüglich  der  Ver- 


194 

Wendung  der  Rettigbank  in  Hilfsschulen    genau  entgegengesetzter  Ansicht 
bin.     Im  übrigen  aber  empfehle  ich  die  schätzenswerte  Arbeit  aufs  beste. 

Rektor  GBOTE-Hannoyer. 

Kreisarzt  Dr.  Bebgeb:   Kreisarzt  und   Schulhygiene«    (Nach   einem 
Vortrag,    gehalten    auf   der   XIX.  Hauptversammlung    des  Preufsischen 
Medizinalbeamten-Yereins  zu  Kassel  am  12.  September  1902)  Hamburg 
und  Leipzig.     Verlag   von    Leopold  Voss.    1902.    8^.    88  S.     Preis 
M  1.50. 
Nach    den    ausfQhrlichen  Auszügen    aus   der  vorliegenden   Arbeit    in 
No.  11  und  12  (1902)  dieser  Zeitschrift    ist    es    kaum   noch  nötig,    auf 
den  Inhalt   derselben  an  diesem  Orte  weiter  einzugehen.    Die  Broschüre 
kann    in    ihrem    ersten  Teile  als  ein  geschickt  zusammengestellter  Leit- 
faden   der    Schulhygiene    betrachtet  werden,    der  uns  in  gedrängter 
Aufeinanderfolge    die    einzelnen    Gebiete   der  Schulhygiene   vorführt.     Im 
weiteren  gibt  uns  Verfasser  seine  Ansichten  Aber  die  Frage  nach  beson- 
deren Schulärzten  kund,  die  um  so  beachtenswerter  sind,   als  sie  aas 
dem  Berufe   des  Verfassers  als  Kreisarzt  und  seinen  Erfahrungen  bei 
den  amtlichen  Schulbesichtigungen  erwachsen  sind.     Mit  den  mafs- 
vollen  Forderungen  und   wohlmeinenden  Vorschlägen  des  Verfassers  kann 
sich  der  Pädagoge  in  jeder  Hinsicht  einverstanden  erklären.     ViTir  unter- 
lassen es  nicht,  die  Lektüre  der  BEBGEBschen  Arbeit  jedem,  der  beruflich 
direkt  oder  indirekt  mit  schulhygienischen  Fragen  in  Berührung  tritt,  aufs 
wärmste  zu  empfehlen.  Kabl  Eollbb,  Oberlehrer  in  Darmstadt. 


Bibliographie. 
Die  mit  *  beieiohneten  Werke  worden  der  Bedaktion  zugesandt. 

*Altbnbubg,  0.,  Dr.  Psychologische  Rätsel  in  der  Schule.  Gesundheits- 
warte der  Schule,  No.  2,  1903. 

*Ah  Ende,  Paul.  Das  Schulbrausebad  und  seine  Wirkungen.  Braun- 
schweig, Vieweg  &  Sohn,  1903.     13  S.     A  0,40. 

Andbeab,  Dr.,  Seminardirektor.  Was  können  die  Volksschulseminare  tun, 
um  die  künftigen  Lehrer  hygienisch  ausmbUden?  Pädagog.' Blätter, 
No.  10,  1902. 

*AnnaU  d^igiene  sperimentale,  e  diretti  del  Prof.  Angblo  Cblli.  Vol.  XIII 
(N.  S.),  Fase.  L    1903. 

Baginset,  A.,  Prof.  Die  Bedeutung  der  Seehospige  (Heilstätten  an  der 
See)  für  die  Behandlung  der  Skrophuhse  und  der  örtlichen  Tuberkulose 
der  Kinder.     Beil.  zur  Hyg.  Rundschau,  No.  3,  1903. 

*Baumgabtbn,  Alfbbd,  Dr.  med.  Neurasthenie,  Wesen,  Heilung,  Vor- 
beugung.   Für  Ärzte  und  Nichtärzte.    Wörishofen,  1903.    8®.    347  S. 

*Baub,  A.,  Dr.,  Seminararzt.  Die  Ermüdung  der  Schüler  in  neuem 
Lichte.  Mit  zahlr.  Figuren.  Berlin,  Gerdes  &  Hödel,  1902.  Gr.  8^. 
M.  0,60. 

* Lehrerkrankheiten.     Sond.-Abdr.    aus  A.  Baub,   Das  kranke 

Schulkind.     2.  Aufl.     Stuttgart,  F.  Enke.     8<>.     47  S. 


195 

BODS,   WiLH.,    Dr.     SchiOe  tmd  AJkoholfirage.     Weimar,    Bode,    1902. 

go     IV— 183  S.     Ä  2,40. 
BüHBnre,  Dr.  med.     Über  die  Verwendung  des  LusÜessöles  m  Sehulen. 

Gesimdheit,  No.  3,  1903. 
BuBSASS,   Dr.,   Oberlehrer.     Über  die  Begkhungen  nmcAe»  Ktmst  und 

leibUeher  Übung.     Körper  u.  Geist,  No.  25,  1908. 
*CoHK,  Hbbm.,  Prof.     Blendung  und  Finstemis  im  Theater.    Sep.-Abdr. 
a.  d.  Wochenschr.  f.  Therapie  n.  Bjg,  d.  Auges.     Jahrg.  YI,  No.  15. 
*Dreiunddreif8ig8ier  Jahresbericht  des  k.  Landes-Medmnal'KoUegiums  ^Über 
das  Medisfinahoesen  im  Königreiche  Sassen  auf  das  Jahr  1901,    Leipzig, 
Vogel,  1902.     Gr.  8^.     402  8. 
*Eingabe   an  den  hohen  Bundesrat  der  schweiserisehen  Eidgenossenschaft^ 
sowie  die  heh.  Begierungen  sämtUcher  Kantone  der  Schweig  behufs  An- 
bahnung  einer   energischen   Bekämp/Ung   des  ÄlkohoUsmus   durdi  die 
siaatUchen  Unterrichts^  und  Ersriehungsanstalten.    Vom  Schweiz.  Verein 
abstinenter  Lehrer  und  Lehrerinnen.    Mit  üntersttltzang  Ton  Professoren 
nnd   Ärzten    der  Schweiz.     Jannar   1903.     Herisau,  Schl&pfer  A  Gie. 
4».     11  8. 
Ergebnisse  der  Sommerpflege  in  Deutschland  (Ferienkolonien,  Kinderbeil- 
stfitten  n.  s.  w.)  im  Jahre  1900.    Bericht  der  Zentralstelle  der  Verehii- 
gnngen  ftr  8ommerpflege  in  Deutschland.    Berlin,  Pntticammer  A  Mflhl- 
brecht,  1902.     Gr.  8^     53  8.     Ji.  1,60. 
^EsMABOH,  E.  y.,   Prof.     Versu(he  über  FenstemischenheiMunff.     Sond.- 

Abdr.  a.  d.  Ges.  Jng.,  1901,  No.  18. 
*Gesunde  Jugend^    Zeitschrift  f.   (Gesundheitspflege   in  Schule  und  Haus, 
n.  Jahrg.,  H.  5/6.     Mit  3  Abbildungen  im  Text.     1903.     Leipzig  u. 
Berlin,  B.  G.  Teubner. 

Originalabhandlungen : 
Brandbis.     Über  KOrperergiehung  tmd  Voiksgesundheit. 
Am  Enbb,  Paul.     Das  SekuXbrausebad  und  seine  Wirkungen. 
8GHANZB,  G.,  Lehrer.    Ergebnisse  und  Wert  sehuiOrßÜicher  Unter- 

suehungen. 
Gebhabdi,  K.  A.,  Dr.    Erwiderung  auf  den  Artikel  r^Die  deutsche 
Schnfl""  V.  Herrn  Adam  Böder  im  „Bhein.  Kurier*"  (Wiesbaden) 
vom  29.  Aprü  1902. 
GüTTMAKN,  Max.    Unterricht  und  ErmUdung.    Körper  u.  Geist,  No.  23, 

1908. 
Hbir,  Mary.    Der  Handarbeitsunterricht  in  der  Hamburger  Volksschule. 

Pftdag.  Reform,  No.  51  u.  52,  1902. 
*HCBPPB,  Fbbd.,  Prof.    Bemerkungen  Mur  Tuberhulosefirage.    8ond.-Abdr. 

a.  d.  Prag.  Mediz.  Wochenschr.,  XXVU,  No.  52,  1902. 
*HüL8,  Dr.,  Schularzt.    Die  Schulbank  mit  fester  NuU-  oder  Mmusdistane. 

Padag.  Ztg.,  No.  87,  1902. 
^Jahrbuch    der    Schweigerischen    OeseUsehaft    für    SdnUgesundheitspflege. 
HI.  Jahrg.    1902.     Ztlrich,    Druck  u.   Eomm.-Verlag  von  Zttrcher  & 
Furrer.     Gr.  8^     92  S.     Mit  Planen  der  Schulh&user  Basels. 

Wbttbbwald,  X.,  Dr.     Beruht   Über   die  Jahresversammlung  der 
schweig.  G^eseOschaft  f.  Schulgesundheitspflege  in  Basel. 


196 

BüBCEHARDT,  Albrbcht,  Prof.    Die  Bekämpfung  der  ansUekmden 

Krankheiten  in  der  SchtUe, 
SIB6RI8T,  A.,    Dr.,    und  Stbigbr,    Dr.     Zweck  tmd  Methode  der 

AugenuntersiuJhungen  in  den  YolksschtUen. 
Rbbsb,  H.,  Regierungsrat.    Die  neueren  Schtdhäuser  in  Basel.    Mit 
21  Tafeln  nnd  2  Tabellen. 

*Jb8SBN,  Ernst,  Dr.  med.  Zahnhygiene  in  Schule  und  Haus.  Eine  Er- 
gänzung und  Erläuterung  der  Wandtafel  „Die  Zähne  und  ihre  Pflege'' 
mit  10  Abbildgn.     Straisburg  1.  E.,  Heitz,  1903.     Gr.  8^     46  S. 

*IaNATlBBF,  W.  J.  Die  hygienische  Beurteilung  der  Beleuchtung  van 
Klassenzimmern  mit  elektrischem  Licht  (Photometrische  Untersuchungen.) 
Russ.     Mit  Zeichnungen.     Moskau,  1903.     Gr.  8®.     114  S. 

KlNDLBB,  M.,  Schuldirektor.  Katechismus  einer  natürlichen  Schülgesund- 
heitspflege.     Obercrinitz,  S.  Hilmar  Kandier,  1902.     8^.     51  S. 

KlBNSCHBRF.  Über  Schülerwanderungen.  Neue  Pädag.  Ztg.,  No.  10, 
1903. 

Klbttb,  W.,  Dr.  Erziehung  nervöser  und  nervös  beanlagier  Kinder. 
Berlin,  Deutscher  Verlag,  1902.     Gr.  8^     32  S.     M.  0,60. 

^KöHLBR,  0.,  Zahnarzt.  Eröffnungsfeier  der  zahnärztUchen  Poliklinik  fUr 
Volksschulkinder  des  Vereins  hessischer  Zahnärzte  zu  Darmstadt.  Sep.- 
Abdr.  a.  Odontol.  ßlätter,  VII,  No.  18.  Berlin,  Oranienburgerstr.  38. 
8^     16  S.  u.  AbbUdgn. 

Kovlcs,  Rdd.  Die  körperliehe  Erziehung  in  Ungarn.  Monatsscbr.  f.  d. 
Turnwesen,  No.  2,  1903. 

KrIpblik,  Emil,  Prof.  Alkohol  und  Jugend.  Nach  einem  Vortrage. 
Basel,  Schriftstelle  des  Alkoholgegnerbundes,  1902.  8^.  16  S.  Frs.  0,10. 

*Kraus,  Sibqmünd.     Schulärzte.     Neues  Frauenleben,  No.  2,  1903. 

"^Krbbs,  Jul.,  Dr.  med.  Wie  sollen  sich  unsere  jungen  Mädchen  kleiden? 
Mit  12  AbbUdgn.    Breslau,  Heinr.  Handel,  1903.    8^    16  S.  M.  0,25. 

Laufbnbbrg,  P.,  Lehrer.  Die  Beformhank.  Centralbl.  f.  öff.  Gesund- 
heitspfl.,  1903,  1.  u.  2.  Heft. 

*LbubU8CHBR,  Prof.  Tuberkulose  und  Schule.  Die  Gesundheitswarte  der 
Schule,  No.  1  u.  2,  1903. 

Mikulicz,  v.,  Prof.,  und  Tomasczbwski,  Valeska.  Orthopädische  Gym- 
nastik gegen  Bilckgratsverkrümmtmgen.  Für  Ärzte  u.  Erzieher.  Mit 
103  Figuren  im  Text.     Jena,   G.  Fischer,    1902.     103  S.     M.  3,—. 

MiTTBNZWBY,  L.,  Schuldircktor.  Die  schädlichen  Folgen  der  Trunksucht 
und  ihre  Abwehr  auch  durch  die  Schule.  Beitrag  zur  Schul-  und  Volks- 
gesundheitspflege. Leipzig,  Siegismund  &  Volkening,  1903.  Gr.  8^. 
111-23  S.     Ji.  0,60. 

Nbubndorff,  Dr.,  Rektor.  Zur  Tumlehrerbildungsfrage.  Monatsscbr.  f. 
d.  Tumwesen,  H.  12,  1902. 

*  Offizieller  Bericht  über  die  XIX.  Hauptversammlung  des  Preufsisdien 
Medizinälbeamtenvereins  zu  Cassel  am  12.  Sept.  1902.  Berlin,  Fischer, 
1902.     8«.     69  S. 

*PteBZ,  Abbl,  J.,  Dr.  Memoria  correspondiente  al  afU>  1901  presentada 
d  la  Direccidn  general  de  inshuccidn  publica.  Montevideo,  1902. 
Gr.  8^     296  S. 


197 

*FlSiJfFWRj  R.,  Prof.,  und  Pboskaubr,  B.,  Prof.    EncyUopääie  der  Hy- 
Stent.     Lief.   1--7.     Leipzig,   F.  C.  W.  Vogel.     4^     320  S.     Jede 
Lief.  JL  2,-. 
Pfisteb,   H.,   Prof.  Dr.     Die  Erziehung   und  Behandlung    seelisch  Be- 
lasieier  in  Haus  und  Schule,    Münch.  mediz.  Wochenschr.,  No.  7  u.  8, 
1903. 
*P0HL,  J.,  Dr.     Das  Haar,    Die  Haarkrankheiien,  ihre  Behandlung  und 
die  Haarpflege,    5.  Aufl.    Stattgart  a.  Leipzig,  Deatsche  Yerlagsanstalt, 
1902.     Kl.  8^     170  S.     Geh.  M.  2,50,  geb.  it.  3,50. 
*QuiR8FELD,   Eduard,  Dr.,  Bezirksarzt.     Ergebnisse  einer  Schulkinder^ 
Untersuchung.     Prag,  mediz.  Wochenschr.,   No.  26,   29,   31,   34,  36, 
39,  40,  41,  43,  46,  47,  48,  49,  52. 
Salomon,  Aligb.    Der  Schute  der  Kinder  vor  Mifshandking,    Die  Jagend- 

ftrsorge,  H.  3,  1903. 
SCHBBBBL,  S.,  Dr.  med.     Moderne  Schulgesundheitspflege.     Reclams  Uni- 
versum, 18.  Jahrg.,  Heft  41.     5.  Juni  1902. 
*SCHBNCKBND0RPP,  E.  V.  und  SCHMIDT,  F.  A.,  Dr.    Jahrbuch  fä/r  VoUcs- 
und  Jugendspiele,     XI.  Jahrg.,    1902.     Leipzig,    R.  Voigtl&nder.     8^. 
364  S. 

Originalabhandlungen : 
Schmidt,  F.  A.,  Dr.     Körperpflege  und  Tuberkulose, 
Habnbl,  Hans,  Dr.,  Nervenarzt,    über  Ermüdung  und  Erholung. 
MöLLBR,  Karl,  Tuminspektor.    Die  kunster/nehlichen  Bestrebungen 

und  ihr  Verhältnis  eu  den  Leibesübungen. 
BURGBRSTEIN,  Lbo,  Dr.     Über  einige  Punkte  der  Schulgesundheiis- 

pflege. 
y.  BiBBERSTBiK,  M.     Ein  System  der  ästhetischen  Gymnastik. 
Schmidt,  F.  A.,  Dr.     Die  turnerische  Behandlung  des  Schritts. 
POBLCHAU,  Dr.     Das  Badewesen  der  Vergangenheit. 
Friebel,   R.      Mittel   und    Wege   eu/r   weiteren    Verbreitung    der 

Volks-  und  Jugendspiele, 
Matthbs,  Dr.    Die  Bedeutung  der  Volks-  und  Jugendspiele  für  die 
nationale  Wehrkraft. 
*SCHUYTBN,  M.  C,  Prof.    Stad  Antwerpen,    Fäedologisch  Jaarboek.    3**  en 
4*«  Jaargang,  1902 — 1903.    De  Nederlandsche  Boekhandel  Antwerpen- 
Gent.    Leipzig,  F.  Brandstetter.     8®.     482  S. 
Originalahhandlungen  : 
Schütten,  M.  G.    Sind  die  Kinder  der  gut  situierten  Antwerpener 

Eltern  muskelstärker  als  die  Sjnder  armer  Eltern? 
Schütten,  M.  C.    Die  Variationen  der  Muskelkraft  und  der  geistigen 

Entwicklung  der  SchtUkinder, 
Schonte,  G.  J.,  Dr.    Die  Untersuchung  der  Beleuchtung  der  Schulen. 
Schütten,  M.  C.     Verhältnis  zwischen  Schulklasse  und  Altersstufe 

der  Schüler. 
GuNZBURQ,  J.,  Dr.     IJber  den  Zander-Apparat  und  die  Messung 

der  Skoliose. 
Schütten,  M.  G.      Versuch  einer  vollständigen  Kindesanalyse. 
Schütten,  M.  G.  tber  die  Variationen  des  Gedächtnisses  der  Schüler. 


198 

^Sechszehnier   Jahresbericht    der   Jugendhorte   Zürich   1.      1901 — 1902. 

Kl.  8^     39  S. 
*8iehenter  Bericht  Ober  die  Hüfssd^tUe  fiir  Schwachbeßhigte  in  Le^eig  auf 

die  Zeit  von  Ostern  1901  bis  Ostern  1902.    Leipzig,  Hesse  &  Becker, 

1902.     8^     27  S. 
SlBFRiG,  S.    The  normal  School  hygiene,  London,  Simpkin,  1902.  Gr.  8^ 

*00  S.     3  sh.  6  d. 
*Thomas,  K.  Alkohol  md  Volksschule.  Padagog.  Ztg.,  No.  38  a.  39,  19Ö2. 
'*TOLLERT,  J.,  Prof.    Ein  Wort  über  die  Gesundheitslehre  als  Unterridtts- 

gegenständ.     KOrper  and  Geist,  No.  20,  1902. 
"^WiNDHBüSBR,    E.,  Dr.     Tüberkulosebekämpftmg  u/nd  Schule.     Hambarg 

und  Leipzig,  Voss.     8^     24  S.     iL.  0,50. 
*Wlassae,  R.,  Dr.     Die   Beeinflussung    der  HimfunkUonen    durch    den 

Alkohol.     Ergebnisse  einer   amtl.  Umfrage  über   den  Alkoholismus  in 

Österreich.     Sond.-Abdr.  a.  d.  Verh.   d.  YIII.  intern.  Kongr.  gegen  d. 

Alkoholismus.     Wien,  1901.     8^     21  S. 


§tt  $<l^ttliirfi 


I.  Jahrgang.  1903.  No.  3. 


SM^^B 


Ihre  Mitarbeit  am  Schularzt  haben  femer  zugesagt: 

Bornmann,  Max,  Stadtsohulrat,  Kassel 
DSrr,  Lehrer,  Nümberg. 
Ig],  Dr.,  Stadtphysikus,  Brunn. 

Meyer,  Emy,  stadt.  Lehrerin,  Stockholm   —   Müran,  Dr.,  Augenarzt, 
Stettin. 

Both,  Dr.,  Professor,  Zfirich. 
Sem  1er,  Dr.,  Sohnlarzt,  Berlin. 
Wehrhahn,  Dr.,  Stadtachnlrat,  Hannoyer. 


(ArtgitiiiUb^tiMititseti. 


Schvlarst  nnd  Armenarst. 

Von 

Dr.  med.  Fbakkenbubgbb- Nürnberg. 

Mit  dieser  Frage  beschäftigt  sich  der  erste  Teil  einer  ^Denk- 
schrift des  Vereins  der  Berliner  Armenärzte,  betreffend  die  Anstellung 
Ton  Schulärzten,  die  Neuregelung  der  armenärztliohen  Verhältnisse 
und  die  Besoldung  der  Armenärzte^,  welche  im  Auftrage  des  Vereins 
von  dessen  Vorstand  verfafst  ist  und  den  städtischen  Behörden  über- 
reicht wurde.  Wir  erfahren  daraus  zunächst,  dals  ein  geringer  Teil 
schulärztlicher  Pflichten  bisher  von  den  Berliner  Armenärzten  ausgeübt 
werden  mulste,  indem  sie  nach  ihrer  Dienstanweisung  gehalten 
waren  „auf  Verlangen  der  Sohuldeputation  und  der  Sohulkom- 
mifisionen  Gesundheits-  und  Krankheitsbescheinignngen  unentgeltlich 
auszustellen",  und  zwar  nicht  nur  für  die  armenärztlich  behandelten 
Personen,  sondern  in  allen  Fällen,  „in  denen  namentlich  die  Schul- 
deputation bezw.  Schulkommission  die  ärztliche  Untersuchung  wünschen 
sollte". 

Der  Schalarst  I.  5 


42  20O 

Entgegen  dem  hier  betätigten  Prinzip  soll  nun  geplant  sein, 
bei  der  Verleihung  der  neuen  (18)  Sohularztstellen  Armenärzte 
grundsätzlich  auszuschliefsen.  (Bisher  waren  v^on  den  zehn 
Schulärzten  vier  Armenärzte.)  Dagegen  wendet  sich  dieser  Teil  der 
Denkschrift  in  kurzen  Ausführungen,  gipfelnd  in  dem  Satze,  dafs 
für  die  Beurteilung  der  Befähigung  zum  Schularzt  lediglich  ärztliche 
und  verwaltungsteohnische  Eigenschaften  maisgebend  sein  dürfen. 
Die  Qualifikation  zum  Schularzte  besitze  jeder  gebildete  Arzt  ohne 
weiteres,  warum  also  nicht  der  Armenarzt?  Die  Anstellung  von 
Armenärzten,  welche  zu  den  Wohnungen  der  Armen  Zutritt  und 
die  Macht  haben,  dem  aus  der  Armut  entspringenden  Schaden  für 
das  körperliche  Befinden  der  Schulkinder  nach  Möglichkeit  zu 
steuern,  biete  für  ein  erfolgreiches  Wirken  Vorteile,  gegen  welche 
die  angeführten  Einwände  zurücktreten  mü&ten.  Wenn  der  erste 
dieser  angeführten  Einwände,  „dafs  die  Anstellung  eines  Armen- 
arztes als  Schularzt  bei  einem  Teil  der  Mitbürger  die  Besorgnis  er- 
wecken könnte,  als  wolle  man  sie  in  ihren  Gemeinderechten  be- 
schränken", wirklich  ernstlich  erhoben  sein  sollte,  so  ist  er  jedenfalls, 
wie  so  viele  gegen  die  Schularzteinrichtung  überhaupt  gemachte 
Einwürfe,  ganz  theoretisch  und  gewaltsam  konstruiert.  In  der  Schule 
ist  der  Schularzt  eben  Schularzt;  ob  er  dabei  zufällig  Armenarzt 
sein  sollte  oder  nicht,  danach  braucht  gar  nicht  gefragt  zu  werden, 
und  es  wird  nicht  danach  gefragt  werden,  ebensowenig  wie  in  dem 
Falle,  wenn  ein  Lehrer  zufällig  Armenrat  ist,  wie  dies  in  der 
Vaterstadt  des  Beferenten  zutrifft.  Zu  fragen  brauchen  nur  die- 
jenigen, welche  einen  Armenarzt  nötig  haben,  und  denen  kann  das 
Zusammentreffen  nur  von  Vorteil  sein. 

Etwas  anders  steht  es  ja  mit  dem  weiteren  Einwände,  dafs  man 
an  Armenärzte,  welche  schon  eine  städtische  Anstellung  besitzen, 
nicht  eine  weitere  verleihen  wolle,  um  die  städtischen  Stellen  mög- 
lichst vielen  Ärzten  zugänglich  zu  machen.  Dieser  Grundsatz,  welcher 
z.  B.  auch  in  Nürnberg  bei  städtischen  Anstellungen  beobachtet 
werden  soll  und  auch  bisher  bei  Schularztanstellungen  teilweise 
befolgt  wurde,  hat  manches  für  sich  und  würde  noch  mehr  für  sich 
haben,  wenn  er  wirklich  strikte  durchgeführt  und  nicht  doch  durch 
nicht  zu  seltene  Ausnahmen  durchbrochen  würde.  Wenn  er  aber 
doch  durchbrochen  wird,  ist  nicht  abzusehen,  warum  dies  nicht  dann 
der  Fall  sein  sollte,  wenn  der  Durchbruch  des  Prinzips  gerade  be- 
sonders im  Interesse  der  Sache  gelegen  ist.  Dafs  das  aber  bei  der 
Verschmelzung  der  Tätigkeit   des  Armenarztes  und  Schularztes  der 


201  43 

Fall  wftre,  darin  kann  Referent  der  Denkschrift  nur  beipflichten  — 
er  glaubt  dabei,  obwohl  selbst  Armenarst,  ebensowenig  als  die 
Berliner  Kollegen  pro  domo,  sondern  nur  für  die  Sache  zn  sprechen 
—  nnd  nnr  den  Wnnsch  äoisem,  die  Motiviernng  der  Denkschrift 
wäre  in  diesem  Punkte  eine  noch  ausführlichere. 

Hat  man  doch  an  manchen  anderen  Orten  in  richtiger  Würdigung 
der  Sachlage  die  schulärztlichen  Funktionen  direkt  den  Armenärzten 
bereits  zugewiesen.  Es  wird  kaum  ein  Zweifel  darüber  bestehen,  daüs 
die  Mehrzahl  der  Kinder,  welche  der  Schularzt  bei  den  ersten  unter- 
snchxmgen  als  gebrechlich  und  kränklich  auszumustern  hat,  nicht 
minder  wie  derjenigen,  welche  späterer  ständiger  schulärztlicher 
Überwachung  bedürfen,  gerade  den  ärmsten  Bevölkerungsklassen 
entstammen.  Der  Armenarzt  kennt  sie  schon  vorher,  er  kennt  die 
Familie  und  die  häuslichen  Verhältnisse,  er  weils,  wo  und  wie  an- 
gepackt werden  mufs.  Er  ist  im  stände,  die  Maljsregeln,  welche  der 
nicht  armenärztliche  Schularzt  eben  nur  empfehlen  kann,  gerade  da, 
wo  Indolenz  der  Eltern,  Nachlässigkeit,  Torheit  oder  böser  Wille  nichts 
tun  will,  auch  einigermalsen  durchführen  zu  lassen.  Er  besitzt  die 
Möglichkeit,  bessere  Emährungsverhältnisse,  bessere  Wohnverhältnisse 
zu  schaffen  und  eine  ständige  Kontrolle  zu  üben.  Er  kann  bei 
Infektionen  für  Isolierung  sorgen  u.  s.  w.  Natürlich  wird  er  nur 
da  eingreifen,  wo  es  notwendig  und  erwünscht  ist,  und  für  diejenigen, 
welche  seiner  nicht  bedürfen,  wird  er  eben  nicht  in  dieser  Richtung 
in  Tätigkeit  treten.  Miüsverhältnisse,  Kompetenzkonflikte  zwischen 
Hansarzt  und  armenärztlichem  Schularzt  würden  sich  sicher  ebenso- 
wenig ergeben,  als  sie  sich,  wie  bereits  jetzt  ah  erwiesen  gelten  kann, 
entgegen  den  vielen  bei  Einführung  der  Schulärzte  geäufserten  Be- 
denken, zwischen  Schulärzten  und  Hausärzten  bisher  ergeben  haben. 

Wir  möchten  wünschen,  dais  die  Denkschrift  in  Berlin  und 
anderwärts  Berücksichtigung  finden  und  dals  es  ihr  gelingen  möge, 
die  mabgebenden  Stellen  von  den  sicherlich  unrichtigen  Bedenken 
abzubringen. 


44  202 


ftleinere  MiiUiiun$tn, 

m 

Sehnlant  und  Amenarst*  Die  anf  Seite  41  dieser  Nammer  von 
Dr.  FBANKBNBUBaEB  Yertretene  Anschaaung  über  die  Yereinigang  der 
Pflichten  des  Schalarztes  und  Armenarztes  in  einer  Person  scheint  nicht 
iJlgemein  geteilt  zu  werden.  So  schreibt  z.  B.  die  „Äügemeine  medünn, 
Geniral-!Zeitung^  in  dieser  Frage  folgendes:  Ein  starkes  Stück  hat  sich  der 
Verein  der  Berliner  Armenärzte  geleistet,  indem  er  an  den  Magistrat  eine 
Denkschrift  richtete,  die  anf  das  Gesuch  hinauslftnft,  seinen  Mitgliedern 
gleichzeitig  die  neu  zu  schaffenden  städtischen  Schnlarztstellen  gegen  eine  ent- 
sprechende Erhöhung  ihres  Gehalts  zu  übertragen.  Früher  hieCs  es,  die 
Armenärzte  sollten  prinzipiell  von  den  Schularztstellen  ausgeschlossen 
werden ;  nichtsdestoweniger  aber  befand  sich  bereits  unter  den  vor  einigen 
Jahren  zunächst  probeweise  angestellten  zehn  Schulärzten  ein  erheblicher 
Prozentsatz  solcher  Herren,  die  Yorher  schon  Armenärzte  waren.  Dies 
Verhältnis,  das  Yon  den  übrigen  Ärzten  als  Unbilligkeit  empfunden  wurde, 
wollen  die  Armenärzte  jetzt  zur  Regel  erheben.  Die  Herren,  die  ihre  im 
Hinblick  auf  die  an  ihr  Amt  gestellten  Anforderungen  jedenfalls  besser  als 
Eassenarztstellen  dotierten  Posten  keineswegs  besonderer  beruflicher  oder 
sonstiger  Tüchtigkeit  verdanken,  führen  zur  Begründung  ihres  Gesuchs 
ihre  besondere  wissenschaftliche  Erprobung  und  ihre  «tech- 
nische^  (gemeint  ist  bureaukratische)  Schulung  an,  ferner  den  Umstand, 
dafs  ihre  armenärztliche  Tätigkeit  ihnen  einen  besonderen  Einblick  in  die 
privaten  Verhältnisse  der  in  Betracht  kommenden  Bevölkerungsschichten 
gewähre.  Die  Fadenscheinigkeit  dieser  Begründung,  die  selbst  für  den 
Nichtarzt  —  wie  aus  Äufsernngen  der  Tagesblätter  hervorgeht  —  nicht 
den  wahren  Beweggrund  der  Herren  zu  verhüllen  vermochte,  liegt  anf  der 
Hand;  denn  die  bureaukratischen  Formalien  lassen  sich  in  wenigen  Stunden 
erlernen  und  drei  Viertel  der  Berliner  Ärzte,  nicht  blofs  die  ca.  85  Armen- 
ärzte, sind  tagtäglich  nicht  nur  als  Kassenärzte,  sondern  auch  privat- 
ärztlich in  deigenigen  Kreisen  beschäftigt,  deren  Kinder  die  Berliner  Ge- 
meindeschulen besuchen.  Die  Armenärzte  haben  also  nicht  den  mindesten 
Anspruch  auf  die  von  ihnen  erstrebte  Monopolisierung  städtischer  Arzt- 
stellen. Dem  Ansehen  des  ärztlichen  Standes  aber  kann  diese  auch  in 
den  öffentlichen  Zeitungen  breit  erörterte  Stelleigagd  durchaus  nicht 
förderlich  sein. 

Von  Seiten  der  Berliner  Armenärzte  wird  zur  gleichen 
Frage  der  „Voss.  Zig."  geschrieben:  „Gegen  die  Kritik  der  Denkschrift 
der  Berliner  Armenärzte,  wie  sie  im  Abendblatt  der  „Voss,  Ztg,*^  vom 
31.  Januar  sich  kundgibt,  und  die  falsche  Auffassung,  die  in  einem 
Bericht  vom  28.  Januar  enthalten  ist,  bitte  ich,  folgendes  erwidern  zu 
dürfen:  Die  Denkschrift  ist  entstanden  als  ein  Protest  gegen  die  den 
Armenärzten  bekannt  gewordene  Anschauung  der  Behörde,  Armenärzte 
bei  der  Verleihung  von  Schularztstellen  grundsätzlich  aus- 


203  45 

zaschliefsen.  Gegen  diese  Anschaanng,  welche  sie  fttr  „ungerecht- 
fertigt*^ erldärt,  wendet  sich  die  Denkschrift,  aber  sie  sagt  in  keinem 
Satze,  daSs  nur  die  Armenärzte  für  die  zn  yergebenden  Schalarztstellen  ge< 
eignet  seien,  oder  gar,  dals  sie  besser  sich  eignen  als  ihre  Kollegen.  Sagt 
sie  doch  wörtlich:  „Die  von  den  Schulärzten  zn  befolgende  Dienstonweisnng 
enthält  nichts,  was  nicht  jeder  gebildete  Arzt  ohne  weiteres  gleich  erfolgreich 
ausfahren  könnte**.  Ist  das  nicht  eine  deutliche  Anerkennung  der  Be- 
rechtigung eines  jeden  Kollegen?  Den  Armenärzten  war,  wie  sie  in  der 
Denkschrift  ausfähren,  bisher  schon  ein  Teil  der  schulärztlichen  Funktionen 
durch  §  18  ihrer  Dienstanweisung  zugeteilt.  Wenn  sie  nun  darauf  hin- 
deuten und  wenn  sie  das  hervorheben,  was  durch  ihr  Amt  und  ihre  bis- 
herige Amtsfährung  nach  ihrer  Meinung  für  sie  spricht,  so  ist  doch  das 
ihr  gutes  Recht,  das  durchaus  nicht  kollidiert  mit  der  Erfüllung  kollegialer 
Pflichten,  deren  sie  sich  vollauf  bewulst  sind.  Wie  sie  das  begrflnden,  das 
kann  nur  im  Zusammenhang  gewürdigt  werden,  und  man  sollte  sich  hüten, 
durch  Sätze,  die  aus  dem  Zusammenhang  genommen  sind,  auch  nur  den 
Schein  eines  unkoUegialen  Verfahrens  zu  erwecken/ 

Dazu  bemerkt  der  Einsender  der  Zuschrift  in  No,  40  der  „Voss, 
Ztg.^i  Mein  Antikritiker  führt  aus,  die  Denkschrift  sage  in  keinem  Worte, 
»dals  nur  die  Armenärzte  für  die  zu  yergebenden  Sehularztsteüen  geeignet 
seien,  oder  gar,  dalis  sie  besser  sich  eignen,  als  ihre  Kollegen^.  Man 
vergleiche  damit  die  folgenden  beiden  Stellen  in  der  Denkschrift:  1.  „Man 
wünschst  mit  Recht  eine  möglichst  grofse  Zahl  von  Schuläizten;  die  Ver- 
waltung würde  durch  die  Übertragung  dieses  Amtes  auf  die  städtischen 
Armenärzte  ohne  weiteres  zusammen  mit  den  bisherigen  zwölf  Schulärzten 
eine  Anzahl  von  100  verwaltungstechnisch  erprobten  .  .  .  wissenschaftlich 
and  praktisch  erfahrenen  Ärzten  zur  Verfügung  haben.  ^  2.  „Es  dürfte  auch 
der  fiskalische  Standpunkt  bei  einer  tnnlichsten  Verwendung  der  Armenärzte 
als  Schulärzte  seine  volle  Rechnung  finden  .  .  .  wenn  hier  und  da  oder 
allgemein  die  Armenärzte  ...  die  Schularzttätigkeit  ausübten,  so  würde 
eine  Erhöhung  ihres  Gehaltes  um  1000  Mk.  gegen  Übernahme  der  Schul- 
arzttätigkeit  an  zwei  oder  drei  Gemeindeschulen  der  Verwaltung  erhebliche 
Ersparnisse  ermöglichen.**  Ist  das  etwa  keine  Anpreisung  der  Armenärzte 
vor  allen  anderen  Ärzten  für  die  Schularztstellen?  und  klingt  nicht  aus 
jeder  Zeile  der  Denkschrift  heraus:  die  Armenärzte  sind  die  geborenen 
Schulärzte,  und  alle  anderen  Ärzte  kommen  höchstens  in  zweiter  Reihe  in 
Betracht? 

Selmlärste  in  Forst.  In  der  Stadtverordnetensitzung  vom  29.  Januar 
wurde  in  Forst  die  Anstellung  von  zwei  Schulärzten  ab  1.  April  d.  J. 
genehmigt.  Ein  zweiter  Antrag,  der  die  Errichtung  einer  Hilfsschule  für 
Schwachbegabte  Ejnder  verlangte,  dürfte  am  1.  April  d.  J.  zur  Ausführung 
kommen. 

SchnUrste  in  Brannsehweii;.  Nach  Berichten  der  Tagesblätter  hat 
der  Magistrat  von  Braunschweig  den  Stadtverordneten  eine  Vorlage  ge- 
macht, in  der  es  u.  a.  heilst :  Die  von  ärztlicher  Seite  früherhin  im  über- 
triebenen und  der  Sache  keineswegs  förderlich  gewesenen  Eifer  hier  und  da 
gestellte  Forderung  einer  ärztlichen  Mitwirkung  bei  der  Hygiene  des 
Unterrichts   (bei  FeststeUung  des  Lehrplans   behufs  richtiger  Abwechslung 

D«r  Sehularxt.  L  Q 


46  204 

der  Unterrichtsstanden,  bei  Bestimmung  des  ohne  Überbürdung  der  Schal- 
kinder zulässigen  Maises  der  häuslichen  Arbeiten  n.  s.  w.)  wird  jetzt  wohl 
allgemein  als  fehlerhaft  und  mit  der  inneren  Organisation  der  Schale  nicht 
Terträglich  anerkannt:  Der  allgemeine  deutsche  Verein  fllr  Schulgesund- 
heitspflege begrenzt  die  der  schulärztlichen  Tätigkeit  zu  überweisenden 
Aufgaben  auf  Begutachtung  der  Schulgebäude  und  ihrer  Einrichtungen,  auf 
Beobachtung  des  Gesundheitszustandes  der  Schulkinder  und  auf  Förderung 
aller  mit  der  Schule  auch  im  weiteren  Sinne  zusammenhängenden  hygienischen 
Bestrebungen,  wie  z.  B.  der  Schulbäder  u.  s.  w. 

Insoweit  die  Forderungen,  die  die  Oesundheitspflege  hiemach  an  die 
Schule  stellt,  sich  auf  die  Beschaffenheit  der  Schulgebäude  und  ihrer  Ein- 
richtungen beziehen,  dflrfte  denselben  hier  eine  gentigende  Beachtung  bereits 
geschenkt  werden,  indem  der  Inhaber  der  hier  vor  mehreren  Jahren  ge- 
schaffenen Stelle  eines  Stadtarztes  die  Aufgabe  hat,  auf  Erfordern  dies- 
bezflglich  sich  gutachtlich  zu  äu&em  und  die  Schuleinrichtnngen  zu  kon- 
trollieren; ttberdies  handelt  es  sich  hierbei  um  nachgerade  allgemein  be- 
kannte und  angewandte  Regeln,  ttber  deren  Befolgung  die  hiesigen 
städtischen  Behörden  und  Organe  nicht  mehr  im  unklaren  sich  befinden. 
In  dieser  Beziehung  halten  wir  dafllr,.  dab  das  öffentliche  Interesse  eine 
behördliche  Feststdlung  und  Überwachung  des  Gesundheitszustandes  der  die 
gehobenen  Schulen  und  mittleren  Bflrgerschulen  besuchenden  Kinder  in- 
sofern nicht  erfordere,  als  die  Eltern  dieser  Kinder  sich  vermöge  ihrer 
äuberen  Stellung  gemeiniglich  in  der  Lage  befinden,  ihrerseits  die  gesund- 
heitliche Überwachung  der  Kinder  durch  einen  Arzt,  wie  solches  im 
groisen  und  ganzen  wohl  auch  geschieht,  ohne  Mitwirkung  der  Stadt  ein- 
treten zu  lassen,  und  dals  zwar  eine  ärztliche  Überwachung  auch  dieser 
Schulen  zu  dem  Zwecke,  um  die  darin  untergebrachten  Kinder  vor  der 
Gefahr  der  Ansteckung  in  der  Schule  zu  bewahren,  wünschenswert,  dals 
jedoch  eine  hierauf  gerichtete  Anordnung  —  zumal  neben  den  städtischen 
Schulen  staatliche  und  private  Anstalten  in  Frage  kommen  —  der  oben 
erwähnten  denmächstigen  „Gesundheitskommission '  zu  ttberlassen  sei.  Da- 
gegen liegt  unseres  Erachtens  Veranlassung  vor,  in  der  zuerst  beregten 
Beziehung  eine  öffentliche  Fürsorge  für  die  der  ärmeren  Bevölkerungs- 
klasse angehörenden  Kinder  der  unteren  Bürgerschulen  ins  Leben  zu  rufen, 
da  es  den  Eltern  dieser  Kinder  wohl  durchgehends  an  Mitteln  gebricht, 
um  ihrerseits  eine  fortgesetzte  Überwachung  der  Kinder  nach  deren  körper- 
licher Entwicklung  hin  eintreten  lassen  und  dadurch  verhindern  zu  können, 
da£s  ihre  etwa  mit  gesundheitlichen  Fehlern  behafteten  Kinder  einem 
Siechtum  verfallen.  Für  jede  untere  Bürgerschule  wird  ein  Schularzt  be- 
stellt. Derselbe  hat  die  neu  eintretenden  Schulkinder  1.  in  den  ersten 
Tagen  des  Schaltjahres  einer  äuOseren  Besichtigung  behufs  der  Ermittlung 
von  übertragbaren  Krankheiten  und  Ungeziefer  zu  unterziehen;  2.  in  den 
ersten  Wochen  des  Schu^ahres  auf  ihren  Gesundheitszustand  genau  zu  unter- 
suchen, um  festzustellen  (und  in  dem  das  Kind  während  seiner  ganzen 
Schulzeit  begleitenden  „Gesundheitsscheine^  zu  vermerken),  ob  ein  Kind 
einer  dauernden  ärztlichen  Überwachung  oder  besonderen  Berücksichtigung 
beim  Schulunterrichte  (z.  B.  Anweisung  eines  besonderen  Sitzplatzes  wegen 
Gesichts-  oder  Gehöriehler  u.  s.  w.)  bedürfe;    3.  in  derselben  Weise,   wie 


205  47 

vorstehend  unter  2.  angedeutet,  die  sämtlichen  Schulkinder  des  dritten  und 
fllnften  Jahrganges  zn  nntersnchen;  4.  alle  14  Tage  —  bei  Epidemien 
hftofiger  —  in  der  Schale  eine  Sprechstunde  abzuhalten,  deren  erste  H&lfte 
zn  einer  ftoiseren  Besichtigung  der  sämtlichen  Kinder  dient,  während  in 
ihrer  zweiten  Hälfte  die  einer  genaueren  Untersuchung  bedürftig  befundenen 
Kinder  in  einem  besonderen  Zimmer  einer  eingehenden  Untersuchung  unter- 
zogen werden.  Die  Behandlung  erkrankter  Kinder  soll  nicht  zu  den  Ob- 
liegenheiten des  Schularztes  gehören;  erscheint  eine  solche  notwendig, 
sollen  die  Eltern  hiervon  benachrichtigt  werden.  —  Wir  sind  der  Meinung, 
dab  es  sich  empfehle,  das  Amt  der  Schulärzte,  deren  zurzeit  9  anzu- 
stellen sein  wttrden,  an  Armenärzte  zu  übertragen,  indem  hierdurch  erreicht 
werden  würde,  dafe  der  Schularzt  die  ihm  als  Armenarzt  überwiesenen 
Kinder  genau  kennen  lernt  und  hiervon  in  seiner  armenärztlichen  Praxis 
wertvollen  Gebrauch  machen  kann.  Die  zur  Besoldung  der  Schulärzte  er- 
forderlichen Kosten  sind  auf  etwa  3600  bis  4000  Mark  jährlich  ver- 
anschlagt. 

Za]uiintli«lie  ÜBtonieliiiiif  der  Sehnlkinder  in  StotüB.    Die 

Stadtverordnetenversammlung  hatte  beschlossen,  den  Magistrat  um  eine  Vor- 
lage betrefis  der  zahnärztlichen  Untersuchung  der  Schulkinder  zu  ersuchen. 
Nach  Prüfung  dieser  Frage  teilte  der  Magistrat  der  Stadtverordneten- 
versammlung mit,  dafis  nach  seiner  Ansicht  von  der  Anstellung  von  Zahn- 
ärzten als  Schulärzte  abzusehen  sei.  Die  bei  anderen  Städten  angestellten 
Erhebungen  haben  ergeben,  dafs  Zahnärzte  für  die  Schulen  nirgends  an- 
gestellt sind,  und  dals  auch  aulserordentliche  Untersuchungen  der  Zähne 
nur  ansnahmsweiBe  in  den  Universitätsstädten  Halle  und  Leipzig  vor- 
genommen worden  sind.  Besonders  anerkannt  werden  vom  Magistrat  die 
von  Breslau  gemachten  Gregengründe,  dafe  einmal  der  Zeitaufwand,  den  die 
Untersuchung  erfordern  würde,  mit  vier  Minuten  für  jedes  Kind,  zu  grob 
sein  würde,  sodann  eine  Ansteckungsgefahr  bei  diesen  Massenuntersuchungen 
des  Mundes,  bei  welchen  ein  besonderer  Apparat,  der  Mundspiegel,  zur 
Anwendung  kommt,  zu  befürchten  ist.  Die  königliche  Regierung  in  Breslau 
hat  sich  dieser  Ansicht  angeschlossen,  auch  der  Herr  Unterrichtsminister 
hat  sich  einer  Yorstellung  der  zahnärztlichen  Untersuchungs-Kommission  für 
das  Königreich  Preufsen  gegenüber  im  allgemeinen  ablehnend  verhalten. 
Der  Referent,  Herr  Dr.  Ifland,  beantragt,  es  bei  dem  Beschlüsse 
des  Magistrats  bewenden  zu  lassen,  während  von  anderer  Seite  der 
Wunsch  ausgesprochen  wurde,  dafis  im  Interesse  def  außerordentlich 
wichtigen  Mundpflege  spätere  Beratungen  ein  positives  Resultat  ergeben 
möchten. 

Die  Frage  der  Schnlärzte  in  Elmshorn  ist  in  Wiederberatung 
gezogen  worden.  Die  j^  Kieler  Neueste  NackricMen^  melden  hierüber  fol- 
gendes: Nachdem  die  städtischen  Kollegien  s.  Zt.  die  Weiterbeschäftigung 
der  Schiärzte  abgelehnt  hatten,  beschäftigten  sie  sich  gestern  infolge  eines 
Antrages  des  Schulkollegiums  von  neuem  mit  der  Frage.  Eine  Rundfrage 
bei  den  Rektoren  hat  ergeben,  dafe  die  Lehrer  gröfstenteils  für  die  Bei- 
behaltung sind.  Die  Rektoren  sind  gegen  die  Einrichtung  in  ihrem  bis- 
herigen Umfang.  Beschlossen  wurde,  den  bisherigen  Etatsposten  von 
1200  Mk.  stehen  und  bei  der  Aufiiahme  der  Schüler   eine  Untersuchung 

6* 


48  206 

Tomehmen  zu  lassen,  Aber  welche  die  Kektoren  eine  Befhndliste  erhalten 
müssen.  Rektoren  und  Lehrer  haben  anfserdem  das  Recht,  erkrankte 
Kinder  zum  Arzt  zn  schicken.  Der  von  den  1200  Mk.  verbleibende  Rest 
soll  in  besonderen  F&llen  zn  Euren  für  arme  Kinder  verwandt  werden. 

SclmlSrzte  in  OSrlitz»  Die  Schnldeputation  hat  einstimmig  dem 
Magistrat  die  Einführung  von  Schulärzten  empfohlen,  und  es  besteht  Aus- 
sieht,  dafs  diese  Anregung  für  das  Jahr  1904  durchgeführt  wird. 


fxittatif^t  ßtfptt^nnitn. 


Jaliresberielit  Aber  die  Venvaltnnii:  des  MedizinalweMis,  die 
Ennkenansialten  und  die  SfeBtlichen  OesmidlieitsYerliUtnisse  der 
Stadt  Frankflirt  a.  M.  XLV.  Jahrg.  1901. 
Über  die  Tätigkeit  der  im  Berichtsjahr  1901/1902  von  11  auf  14 
vermehrten  Schulärzte  entnehmen  wir  dem  Jahresbericht  folgendes:  Die 
Organisation,  angegliedert  an  den  Stadtarzt,  hat  sich  auch  im  dritten  Jahre 
ihres  Bestehens  durchaus  bewährt.  Mifshelligkeiten  sind  nicht  vor- 
gekommen, Lehrer,  Eltern  und  Hausärzte  erkennen  willig  den  Nutzen  der 
Schulärzte  an.  Prinzipiell  haben  sich  diese  für  Beibehaltung  des  Siebenuhr- 
anfangs der  Schulen  beider  Geschlechter  während  der  Sommermonate  aus- 
Anstellung eigener  Schul-Zahnärzte  widerraten.  Die  Haupttätigkeit  erstreckt 
gesprochen  (nur  die  drei  Yorschulklassen  sollen  um  8  Uhr  beginnen)  und  die 
sich  auf  Untersuchung  und  Beaufsichtigung  der  Schulkinder,  wobei  sich 
regelmäfsige  Sprechstunden  als  zweckmäfsig  erwiesen.  Die  Zahl  der  Erst- 
untersuchungen betrug  1723  Knaben  und  1883  Mädchen  in  34  Bürger- 
schulen.    Hinsichtlich  der  Konstitution  ergab  sich  das  Zeugnis: 

bei  Knaben:  40,7  7o  gut,  53%  mittel,  6,3%  schlecht, 
bei  Mädchen:  36,1%  gut,  66,2%  mittel,  8,7  Vo  schlecht. 
Am  ungünstigsten  waren  diese  Verhältnisse  in  den  beiden  Hauptschulen  der 
Altstadt.  Zu  den  Erstnntersuchungen  werden  mehr  und  mehr  die  Mütter 
eingeladen.  Mündlich  dabei  erteilter  Rat  wirkt  besser  als  spätere  schrift- 
liche Meldung.  Die  üngezieferplage  spielte,  besonders  in  den  Mädchen- 
schulen, eine  nicht  unbedeutende  Rolle,  auch  gab  es  hier  mit  den  Schul- 
bädem  oft  Schwierigkeiten.  Dr.  SiEVEKiNa- Hamburg, 

G.  Schanze,  Lehrer.    Ergebnisse  und  Wert  sehnlirztlielier  Unter- 
snehiuigen.     Gesunde  Jugend,  II.  Jahrgang,  Heft  6/6.    1903. 

In  Dresden  wurden  innerhiJb  drei  aufeinander  folgender  Schuljahre 
sämtliche  neu  eingetretene  Elementarschüler  eines  Schularztbezirkes 
ärztlich  untersucht,  jedesmal  etwa  600.  Die  Ergebnisse  dieser  Unter- 
suchungen blieben  sich  im  grofsen  und  ganzen  ziemlich  gleich:  stets  fanden 
sich  40 — 60  %  der  Kinder  mit  gesundheitlichen  Anomalien  behaftet,  Yon 
welchen  ein  grofser  Teil  auf   Blutarmut,    schwächliche  Körperkonstitution 


207  49 

u.  dgl.  sich  bezog,  wfthrend  Erkranknngen  der  einzelnen  Organe  jeweils 
nur  yerhältnisrnftlsig  geringe  Zahlen  aufwiesen.  Weitere  üntersochnngen 
an  allen  neueintretenden  Kindern  der  Dresdener  Schulen  sollen  vom 
laufenden  Scho^'ahre  an  stattfinden.  Aus  den  vergleichenden  Tabellen  über 
die  Ergebnisse,  welche  bei  den  Untersuchungen  von  Neuaufgenommenen 
in  neun  Stftdten  des  In-  und  Auslandes  gefunden  wurden,  ergaben  sich 
interessante  Resultate,  die,  obwohl  die  Ungldchmäfsigkeit  der  einzelnen 
Berichte  manche  Frage  offen  lälkt,  doch  in  anderen  wesentlichen  Punkten 
ttbereinstinmien.  So  wurden  im  allgemeinen  überall  gegen  ÖO  Vo  der 
Untersuchten  nicht  ganz  gesund  befunden:  Schöneberg,  der  Yorort  der 
deutschen  Millionenstadt,  bildet  mit  62  %  die  Grenze  nach  der  ungün- 
stigen, die  schulhygienische  Musterstadt  Zürich  mit  33%  nach  der  gün- 
stigen Seite  hin;  dazwischen  liegen  Dresden  und  Leipzig  mit  44  bezw.  41, 
Wiesbaden  50  bezw.  65  %,  u.  s.  w.  Ähnliche  Übereinstimmung  besteht 
bezüglich  der  Körperkonstitution,  bezüglich  Skrophulose  und  Rhachitis. 
Dub  die  beiden  letztgenannten  in  den  höheren  Klassen  seltener  geworden 
oder  sogar  ganz  geschwunden  sind,  wie  eine  weitere  Yergleichstabelle 
zwischen  den  Ergebnissen  der  ersten  (oder  Aufiiahme-)  Untersuchung  und 
denmi  an  den  filteren  Schülern  zeigt,  ist  wohl  keinem  Ärztlichen  Leser  auf- 
ftllig.  Über  diese  körperlichen  Mftngel  wachsen  die  Kinder  wfihrend  der 
Schulzeit  eben  hinaus ;  dagegen  erfahren  andere  Leiden,  wie  Blutarmut  und 
Augenkrankheiten,  eine  Steigerung;  in  Darmstadt  von  6  auf  13  bezw. 
2:6%,  in  Schöneberg  14:17  bezw.  10:14%,  in  Weimar  2:5  bezw. 
3:10%. 

Die  bei  diesen  Untersuchungen  gemachten  Entdeckungen  sind  nun  Tor 
allem  für  die  befallenen  Kinder  von  hohem  Wert.  In  den  meisten  Städten 
erhalten  die  Eltern  eine  schriftliche  Mitteilung  über  den  ärztlichen  Befund, 
und  wie  häufig  den  damit  gegebenen  Anregungen  Folge  geleistet  wird,  be- 
weisen z.  B.  die  Zahlen  Yon  Weimar,  woselbst  bei  100  Benachrichtigungen 
65-,  in  einem  anderen  Jahre  bei  185  75  mal  Erfolg  konstatiert  werden 
konnte.  Aber  auch  für  Lehrer  und  Schule  sind  die  Untersuchungen  be- 
deutungsvoll: Kücksicht  auf  die  mit  chronischen  Katarrhen,  mit  Mandel- 
und  Drüsenschwellung  behafteten  Kinder,  Anweisung  besonderer  Sitzplätze 
bei  Sehstörungen  und  Schwerhörigkeit,  Dispens  vom  Handarbeits-  oder 
Turnunterricht  u.  s.  w.  ergeben  sich  von  selbst  als  Forderung  aus  den  ge- 
fundenen Resultaten.  Dafs  auch  die  Gesellschaft  (Staat  und  Gemeinde) 
aus  solchen  schulhygienischen  Maßnahmen  Nutzen  zieht,  leuchtet  wohl 
ohne  weiteres  ein. 

Verfasser  schliefet  seinen  mit  groCser  Sachkenntnis  geschriebenen  Auf- 
satz mit  einem  Appell  an  Städte  und  Staaten,  schulärztliche  Untersuchungen 
einzuführen.  Dr.  Steinhabdt- Nürnberg. 


50  208 


Dte»|lor)ttttit«|ex  fir  S^ifuUt^it. 


DienstaBweisniig  fBr  die  SehvUrst«  der  Stadt  BoBn.* 

§  1- 

Die  Schulärzte  haben  in  den  ihnen  anvertrauten  Schulen  den  Gesund- 
heitszustand der  Schfller,  sowie  die  gesundheitlichen  Verhältnisse  der  zur 
Schule  gehörenden  Räumlichkeiten  und  Einrichtungen  zu  überwachen;  sie 
sollen  femer  den  Leitern  und  Lehrern  der  Schulen  in  Fragen  der  Schul- 
gesundheitspflege die  nötige  Auskunft  erteilen.  Sie  sind  daher  verpflichtet, 
alle  in  diese  Aufgaben  fallenden  Aufträge  der  Stadt  gewissenhaft  ans- 
zuftlhren.     Insbesondere  wird  den  Schulärzten  folgendes  obliegen. 

§  2. 

Neueintretende  Schfller  sind  von  dem  Schalarzte  möglichst  bald  nach 
ihrem  Eintritt  auf  ihren  Gesundheitszustand  zu  untersuchen,  wobei  fest- 
zustellen ist,  ob  das  Kind  einer  besonderen  Berücksichtigung  beim  Unter- 
richt bedarf  (z.  B.  AusschlieCsnng  oder  Beschränkung  in  einzelnen  Fächern, 
Turnen,  Singen,  oder  Anweisung  besonderer  Sitzplätze  bei  Eurzsichtigkeit, 
Schwerhörigkeit). 

Den  Eltern  ist  nach  Eintritt  ihrer  Kinder  in  die  Schale  die  bevor- 
stehende Untersuchung  alsbald  mit  der  Aufforderang  bekannt  zu  machen, 
dalis  sie,  wenn  sie  die  Untersuchung  durch  d^  Schularzt  nicht  wünschen, 
den  erforderlichen  ärztlichen  Nachweis  durch  einen  anderen  approbierten 
Arzt  nach  dem  vorgeschriebenen  Formular  zu  erbringen  haben. 

Über  jedes  Kind  wird  ein  Gesundheitsbogen  ausgefallt,  welcher  das 
Kind  von  Klasse  zu  Klasse  bis  zur  vollendeten  Schulzeit  begleitet  und  bei 
etwaigem  Schulwechsel  ebenfalls  mitgegeben  wird.  Kinder,  welche  einer 
besonderen  ärztlichen  Beobachtung  bedürfen,  erhalten  einen  diesbezüglichen 
Yermerk  auf  den  Gesundheitsbogen. 

Die  halbjährigen  Körperwägungen,  -Messungen  sind  vom  Schaldiener 
unter  Aufsicht  der  Klassenlehrer  und  nicht  vom  Schalarzt  auszuführen.  Der 
Brustumfang  wird  dagegen  vom  Arzte  gemessen  und  soll  gemessen  werden, 
wenn  Verdacht  auf  chronische  Lungenerkrankung  vorliegt. 

§3. 

In  jeder  Schule  wird  von  dem  Schularzte  jeden  Monat  während  der 
Schulstunden  zwischen  10  und  12  Uhr  vormittags  oder  zwischen  2  und 
4  Uhr  nachmittags  an  einem  vorher  festgesetzten  Tage  eine  Sprechstunde 
in  Gegenwart  des  Leiters  bezw.  der  Leiterin  der  Schule  abgehalten.  Letz- 
tere haben  den  Schularzt  bei  seinen  Klassenbesuchen  zu  begleiten  und  die 
erforderliche  Schreibhilfe  zu  leisten.  In  der  Regel  soll  die  Sprechstunde 
nicht  über  zwei  Stunden  ausgedehnt  werden.    Ist  der  Schularzt  aosnahms- 


'  Vom  Magistrat  gütigst  znr  Verfogang  gestellt. 


209  51 

weise  verhindert,  die  Sprechstunde  abzuhalten,  so  hat  er  dem  Leiter  der 
Schale  davon  möglichst  frühzeitig  Kenntnis  zu  geben  and  zugleich  einen 
anderen  Tag,  etwa  acht  Tage  sp&ter^  für  die  Sprechstande  vorzuschlagen. 

Im  ersten  Teile  der  Sprechstunde  werden  stets  zwei  bis  vier  Klassen 
einem  etwa  10  bis  16  Minuten  dauernden  Besuche  des  Schularztes  unter- 
zogen, wobei  dieser  die  sämtlichen  Kinder  der  Klasse  äufserlich  untersucht 
und  die  etwa  einer  genaueren  Untersuchung  bedürftigen  Kinder  zurückstellt. 
Die  Gesundheitsbogen  mit  dem  Yermerk  „Ärztliche  Beobachtung**  sind  dem 
Arzte  hierbei  jedesmal  besonders  vorzulegen. 

AuÜBerdem  wird  der  Schularzt  selbstverständlich  bei  diesen  Besuchen 
auch  sein  Augenmerk  auf  die  Heizung,  Lüftung,  Beleuchtung  und  sonstigen 
hygienischen  Einrichtungen  der  Klasse  zu  richten  haben.  Etwa  entdeckte 
Mängel  sind,  soweit  sie  von  der  Schule  selbst  beseitigt  werden  können, 
sofort  zur  Sprache  zu  bringen,  jedoch  nicht  in  Gegenwart  der  Schulkinder. 
Soweit  sie  nicht  von  der  Schale  selbst  beseitigt  werden  können,  ist  dem 
Oberbflrgermeisteramt  Anzeige  zu  machen. 

Jede  Klasse  soll  möglichst  zweimal  im  Schulhalbjahr  in  dieser  Weise 
vom  Schularzt  besichtigt  werden. 

Den  zweiten  Teil  der  Sprechstunde  bildet  die  genauere  Untersuchung 
der  zurückgestellten,  sowie  der  dem  Schularzt  von  den  Lehrern  aus  be- 
sonderer Veranlassung  (Krankheitsverdacht)  zugeftthrten  Kinder  anderer 
Klassen.  Zu  diesem  Zweck  wird  dem  Schularzt  ein  geeigneter  leerstehender 
Raum  (Klasse,  Konferenzzimmer)  zur  Verfügung  zu  stellen  sein. 

Der  Gesundheitsbogen  ist  von  dem  Klassenlehrer,  der,  wenn  möglich, 
bei  der  Untersuchung  zugegen  sein  mufis,  zur  Stelle  zu  bringen. 

Kinder,  welche  sich  als  krank  oder  behandlungsbedürftig  erweisen, 
werden,  mit  einer  diesbezüglichen  schriftlichen,  verschlossenen  Meldung 
versehen,  den  Eltern  nach  Hause  geschickt.  Eine  Behandlung  der  Kinder 
findet  durch  den  Schularzt  nicht  statt. 

§4. 

Erscheinen  dem  Schulleiter  Kinder  seiner  Schule  einer  ansteckenden 
Krankheit  verdächtig,  so  kann  dieser,  insofern  nicht  umgehend  ein  Attest 
von  einem  anderen  praktischen  Arzte  beigebracht  wird,  die  Kinder  dem 
Schularzte  jederzeit  in  seine  Sprechstunde  senden  oder  in  dringlichen  Fällen 
denselben  ersuchen,  auch  außerhalb  der  im  §  3  festgesetzten  Zeit  eine 
Sprechstunde  in  der  Schule  abzuhalten. 

Femer  sind  von  dem  Schularzte  diejenigen  Kinder  zu  untersuchen, 
bezüglich  deren  der  Antrag  auf  Zurückstellung  vom  Schulbesuch  gestellt 
ist,  ohne  dafs  ein  ärztliches  Attest  beigebracht  wurde.  Endlich  sind  auf 
Ersuchen  des  Stadtschulinspektors  einzelne  Kinder  vom  Schularzt  zu  unter- 
suchen, wenn  Zweifbi  darüber  bestehen,  ob  Schalversäumnisse  wegen  Krank- 
heit gerechtfertigt  sind. 

§5. 

Die  Schulärzte  haben  strengste  Rücksicht  auf  die  behandelnden  Ärzte 
zu  nehmen.  Sie  haben  es  sich  zum  Grundsatze  zu  machen,  in  allen  Fällen, 
wo  behandelnde  Ärzte  zugezogen  wurden,  nur  nach  Einvernehmen  mit 
diesen  eine  Untersuchung  vorzunehmen  bezw.  ein  Zeugnis  auszustellen. 


52  210 

§6. 
Einmal  im  Jahre  sind  von  dem  Schulärzte  die  gesamten  Bäume  der 
Schulen  anf  ihre  gesundheitliche  Beschaffenheit  in  Gegenwart  des  Schul- 
leiters, des  Stadtschulinspektors,  des  städtischen  Baubeamten  und  des  Yor- 
sitzenden  der  Schulkommission  genauer  zu  untersuchen. 

§7- 
um  ein  möglichst  einheitliches  Vorgehen  der  Schulärzte  herbeizuführen, 

haben  sich  diese  halbjährlich  mindestens  einmal  zu  einer  gemeinsamen  Be- 
sprechung zusammenzufinden.  Mindestens  einmal  im  Jahre  haben  die 
Schulärzte  in  einer  Sitzung  der  Schulkommission  ftber  ihre  Tätigkeit  und 
ihre  Beobachtungen  mttndlich  Berieht  zu  erstatten.  Auüserdem  ist  Yon  den 
einzelnen  Schulärzten  am  Ende  des  Etatsjahres  dem  Oberbflrgermeisteramt 
ein  schriftlicher  Bericht  über  ihre  Tätigkeit  als  Schularzt  einzureichen. 

§  8. 
Jeder  Schularzt  ist  verpflichtet,  einmal  im  Jahre  auf  einer  von  dem 
£rei88c|iulinspektor  angesetzten  Konferenz  den  Lehrern  einen  Vortrag  über 
die  wichtigsten  Fragen  der  Schulgesundheitspflege  zu  halten. 

§  9. 
In  den  Privatschulen  und  Einderbewahranstalten  beschränkt  sich  die 
Tätigkeit  des  Schularztes  auf  die  Untersuchung  der  gesundheitlichen  Ver- 
hältnisse der  zur  Anstalt  gehörenden  Bäumlichkdten  und  Einrichtungen. 
Zu  diesen  Untersuchungen,  welche  jährlich  zweimal  stattfinden,  sind  der 
Kreisschulinspektor  und  der  städtische  Baubeamte  zuzuziehen. 

§  10. 
Muüs  ein  Schularzt  aufserhalb  der  Schulferienzeit  die  Stadt  anf  länger 
als  acht  Tage  verlassen,  oder  ist  er  über  diese  Zeit  hinaus  durch  Krank- 
heit verhindert,  so  hat  er  auf  seine  Kosten  für  seine  Vertretung,  und  zwar, 
wenn  angängig,  durch  einen  anderen  Schularzt,  zu  sorgen,  und  liat  das 
Oberbürgermeisteramt  hiervon  in  Kenntnis  zu  setzen. 

§  11. 

Für  ihre  Mühewaltung  erhalten  die  Schulärzte  eine  Vergütung,  welche 
vierte^fthrUch  nachträglich  denselben  ausgezahlt  wird. 

§  12. 
Die  Annahme  der  Schulärzte  erfolgt  auf  unbestimmte  Zeit  mit   dem 
jedem  Teile  jederzeit  zustehenden  Recht  einer  vierteljährlichen  Kündigung. 

§  13. 
Die  Schulkommission  behält  sich  vor,  diese  Dienstordnung  abzuändern 
oder  zu  erweitem. 

Festgestellt   in   der   Sitzung   der   Stadtverordnetenversammlung    vom 
30.  Dezember  1898. 

Bonn,  den  6.  Februar  1899. 

Der  Oberbürgermeister. 

I.  V.: 

Heuser. 


Jrttfdnfl  fk  Bijntlirfmlliritiitiflrgr. 

XVI.  Jahrgang.  1903.  No.  4. 


<l^rt$titaUbl)anblittt$eit« 


Der  Ha&darbeitsiintMrricht  vom  angeoftritUehen  Standpunkt. 

Von 

Dr.  E.  H.  Oppbnhbimbr, 

Augenant  in  Berlin. 

Anlft&lioh  einer  Eingabe  an  die  SohnlbehOrde  der  Stadt  Berlin, 
in  der  ioh  aof  gewisse  soliadliehe  Einflüsse  der  in  den  hiesigen  (260) 
GemeindesohTilen  betriebenen  Handarbeiten  die  Aufmerksamkeit  zu 
lenken  mir  erlaubte,  wurde  mir  die  Aufforderung  von  der  Behörde 
zn  teil,  einen  Vortrag  Aber  diesen  Gegenstand  im  Verein  der  Ber- 
liner Schulärzte  zu  halten.  Die  folgenden  Betrachtungen  faüsen 
daher  im  wesentlichen  auf  dem  damaligen  Bericht ;  einige  seitens  der 
Vertreter  der  Schulbehörde  in  der  Diskussion  hervorgebrachten  Ein- 
wände habe  ich  bei  G-elegenheit  eingeflochten. 

Seit  Aber  SO  Jahren  ist  der  Handarbeitsunterricht  obligatorisch 
in  Preuisen.  Es  mnüs  daher  Wunder  nehmen,  dals  bei  dessen  Be- 
deutung in  augenhygienischer  Beziehung  o£Eenbar  so  viel  weniger  auf 
diesem  Gebiet  gearbeitet  worden  ist  als  in  der  Hygiene  des  Leeens 
and  Schreibens.  Liegt  das  daran,  dab  es  sich  nur  um  Mädchen- 
schulen oder  nur  um  einen  Nebenunterricht  handelt,  oder  daran,  dab 
den  Ärzten  das  Nähen  etc.  aus  eigener  Anschauung  selten  bekannt 
ist?  Wie  dem  auch  sei,  in  der  Literatur  konnte  ich  nur  wenig  über 
Handarbeiten  ausfindig  machen. 

Als  wichtigstes  ist  das  im  Jahre  1884  über  die  Volksschulen 
filsafe- Lothringens  erstattete  Strabburger  Gutachten  zu  erwähnen, 
in  dem  mehrere  Hauptleitsätze  für  den  Betrieb  des  Handarbeits- 
unterrichts aui^estellt  sind.    Die  Lehr-  und  Handbücher  der  Hygiene 

SebulgesimdheitBpflege.  XVL  12 


212 

fassen  sich  auffallend  knrz.  In  dem  neu  erschienenen  (1899)  Hand- 
buch der  gesamten  Augenheilkunde  von  G-basfe-Saemisgh  (Bd.  X, 
Gesundheitspflege  des  Auges  von  Fiok)  wird  dieses  Thema  gar  nicht 
berührt,  trotzdem  die  Praktiker  von  alters  her  in  bestimmten  Fällen 
ihren  Patienten  jegliche  Handarbeit  zu  verbieten  pflegen.  In  dem 
ausgezeichneten  Lehrbuch  der  Hygiene  des  Auges  von  Cohn  (1892) 
findet  sich  eine  Seite  (üblichen  Drucks)  über  diesen  Gegenstand,  im 
Handbuch  von  B/lginsky-Janke  etwas  mehr  (iVt  Seiten);  im  grofsen 
Handbuch  der  Hygiene  Von  Weyl  sind  einige  weitere  Bemerkungen 
yerzeichnet. 

So  wünschenswert  und  verlockend  dankbar  demnach  eine  gründ- 
liche Durcharbeitung  dieses  Gegenstandes  wäre,  so  fehlte  mir  jedoch 
die  Gelegenheit  und  das  Material,  um  dem  Ziele  gerecht  zu  werden. 
Denn  abgesehen  von  Beobachtungen  aus  der  Praxis,  besonders  aus 
meiner  von  Kindern  relativ  viel  aufgesuchten  Poliklinik,  und  vielen 
mündlichen  Erkundigungen  bei  Frauen  aus  den  verschiedensten  Ge- 
sellschaftskreisen konnte  ich  meine  diesbezüglichen  Erfahrungen  nur 
aus  dem  ca.  1^/t  stündigen  Besuch  mehrerer  Erlassen  (mit  zusammen 
über  100  Schülerinnen)  einer  recht  alten  Berliner  Gemeindeschule 
schöpfen. 

Jede  Handarbeit  vereinigt  in  sich  die  nachteiligen  Einflüsse  der 
Nahearbeit  und  der  sitzenden  Stellung.  Über  die  Nachteile 
der  sitzenden  Stellung  kann  ich  mich,  da  sie  das  Auge  weniger  be- 
trefifen,  kurz  fassen;  sie  treten  überdies  bei  der  Handarbeit  weniger 
oft  in  die  Erscheinung  als  beim  Schreiben,  z.  B.  die  Skoliosen  u.  a. 
Dadurch  schon,  dafe  bei  den  Handarbeiten  die  Arme  nicht  angelegt 
werden  dürfen  —  eine  Forderung,  auf  die  übrigens  nicht  immer 
geachtet  ?mrd  — ,  ist  an  sich  eine  wesentlich  freiere  Beweglichkeit 
möglich.  Dagegen  macht  sich  eine  verschieden  starke,  für  die  Be- 
günstigung der  Kurzsichtigkeit  gewüjs  nicht  belanglose  Kopfneigung 
bemerkbar;  nach  dem  Stralsburger  Gutachten  sollten  die  Arbeiten 
aus  freier  Hand  (Stricken,  Stopfen,  Nähen)  eine  noch  stärkere  Kopf- 
neigung herbeiführen  als  selbst  das  Schreiben.  Im  groüsen  ganzen 
konnte  ich  diese  Tatsache  nicht  bestätigen.  Beim  Stricken  tri£%  sie 
sicherlich  kaum  zu;  bei  den  anderen  Arbeiten  ist  es  allerdings  be- 
quemer fOr  die  Kinder,  die  Arbeit  dicht  an  sich  zu  halten,  woraus 
leicht  eine  gröisere  Kop&eigung  resultieren  könnte  als  beim  Schreiben. 
Als  das  kleinere  und  nicht  zu  vermeidende  Übel  hat  jedoch  die 
möglicherweise  etwas  vermehrte  Kopfheigung  weniger  Bedeutung. 


213 

Waa  nnn  die  Schttdliohkeiten  der  Nahearbeit  anbelangt,  ao 
möohte  ich  diese  nnter  folgenden  G^iohtspnnkten  erörtern: 

1.  Beleaehtangsfrage. 

2.  Farbe  nnd  Feinheit  des  Arbeitsmaterials. 

3.  GröÜBenverhältnisse  der  Arbeiten. 

4.  Stundenplan. 

Ad  1 :  Handarbeiten  sollen  nach  Cohn  bei  Tag  nnd  genügendem 
Oberlieht  aui^eführt  werden,  bei  künstlicher  Beleuchtung  nur,  wenn 
elektrisohes  Licht  zur  Verfügung  steht.  Letztere  Forderung  hat  heut- 
zutage jedoch  weder  fdr  Schulen,  noch  sonst  Geltung ;  denn  selbst  wenn 
eine  indirekte  Beleuchtung,  wie  in  den  meisten  Fällen,  ein  frommer 
Wunsch  bleibt,  so  genügt  in  augenhygienischer  Hinsicht  reichliche 
Gkisglühliohtbeleuohtung  allen  Anforderungen.  Nur  mufs  diese  auch 
in  der  Tat  eine  ausreichende  sein  und  nicht,  wie  dies  in  den  erwähnten 
Sehulzimmern  der  Fall  ist,  aus  nur  vier  feststehenden,  über  1^/t  m 
Ton  den  Subsellien  entfernten  Auerlichtbrennem  bestehen,  die  so 
wenig  Licht  abgeben,  dais  selbst  an  günstigen  Plftteen  ein  Lesen 
kleiner  Druckschrift  auf  30  cm  mir  unmöglich  wurde. 

umgehen  l&bt  sieh  bei  der  Kürze  der  nordischen  Wintertage 
die  künstliche  Beleuchtung  gar  nicht  oder  schwerlich.  Der  Vorschlag 
andererseits,  den  Unterricht  in  den  schlimmsten  Monaten  gänzlich 
einzustellen  (Niggs),  hatte  wenig  Gegenliebe  gefunden;  trotzdem 
möchte  i<di  ihn  für  Schulen  älteren  Schlages  als  sehr  richtig  empfehlen. 
Auch  meine  Forderung,  die  Handarbeitsstunden  in  die  Zeit  zwisehen 
9  bis  2  zu  verlegen,  wurde  als  unausführbar  yerworfen.  Im  übrigen 
möchte  ich  selbst  nicht  zu  viel  Wert  auf  das  Tageslicht  legen ;  denn 
meines  Erachtens  ist  eine  gute  künstliche  Beleuchtung  dem  zumeist 
doch  ungleichmäliBig  verteilten  Tageslicht  vorzuziehen. 

In  der  besichtigten  Schule  wäre  auch  die  Tages be leuchtung 
durch  einige  von  mir  vorgeschlagene  Änderungen  zu  verbessern  ge- 
wesen: 1.  Durch  einen  neuen  Anstrich  der  altersgrauen  Wände  etc.; 
2.  durch  öfteres  Fensterputzen  —  alle  drei  Monate  wurden  die  Scheiben 
gereinigt,  was  für  Berliner  Staubverhältnisse  einer  jährlichen 
Beinigung  in  der  Provinz  vielleicht  gleich  käme ;  3.  durch  Beseitigung 
einiger  Bäume  im  Hof,  die  kaum  1 — 2  m  entfernt  von  den  Schul- 
zimmem  standen.  Es  waren  wohl  Akazien,  die  zum  Glück  so  rück- 
sichtsvoll sind,  ihr  Laub  im  Herbst  zu  verlieren.  Aber  trotzdem 
glaube  ich,  dais  das  Oberlicht,  das  sie  verschlucken,  hygienisch  mehr 
wert  ist  als  das  bilschen  Ozon  und  der  Schatten,  die  sie  den  Kindern, 
und  der  ästhetische  Genufis,  den  sie  den  Lehrerinnen  spenden.    Die 

12* 


214 

Bäume  sollen  jedoch  bleiben,  zumal  ihrer  Gröfse  wegen  eine  Ver- 
pflanzung nicht  möglich  ist  und  eine  zweckmftüsigere  Zucht  nach 
einer  anderen  Richtung  hin  wohl  nicht  anginge. 

Ad  2:  Dunkle  Stoffe  sind  zu  yermeiden ;  eine  B.egel,  die  so  gut 
wie  keine  Berücksichtigung  gefunden  hatte.  Schwarze  Strümpfe  sind 
modemer  als  helle,  und  so  wird  den  Eltern  nachgegeben  und  dunkel 
gestrickt,  was  übrigens  weniger  zu  bedeuten  hat  als  der  umstand, 
dals  auf  allerlei  dunklen  Stoffen  geflickt  und  gestopft  wird;  letzteres 
wäre  sicherlich  einzuschränken  gewesen.  Bei  dieser  Grelegenheit 
empfahl  ich,  in  ausgedehnterer  Weise  Kontrastfarben  in  Anwendung 
zu  ziehen,  ein  Vorschlag,  der  künftig  hier  mehr  Beachtung 
finden  soll. 

Da  den  Eltern  die  Wahl  des  Stoffes  in  den  meisten  Fällen 
obliegt,  so  haben  selten  hygienische  Überlegungen  irgend  welchen  Ein* 
fLxkSB  bei  der  Wahl.  So  konnte  ich  wiederholt  konstatieren,  dais 
gerade  solche  Kinder,  bei  welchen  dies  am  wenigsten  angebracht  war, 
das  feinste  Material  zur  Bearbeitung  hatten.  Es  Ueise  sich  hier- 
gegen ohne  viel  Mühe  ein  Mindestmals  fär  die  Feinheit  der  Stoffe 
von  der  Lehrerin  aufstellen  und  ein  Verteilungsmodus  finden,  der 
diesem  Übelstand  abhelfen  würde. 

Ad  3:  Es  ist  klar,  dals  ceteris  paribus  je  kleiner  der  Gegen- 
stand, desto  gröiser  die  Annäherung  sein  muls,  um  ein  genügend 
greises  Bild  zu  erhalten;  um  so  gröÜBer  demnach  auch  die  hygieni- 
schen Nachteile  für  das  Auge.  Cohn  teilt  in  seinem  Lehrbuch  die 
weiblichen  Handarbeiten  nach  dem  G^chtspunkt  ihrer  Schädlichkeit 
in  yier  Elategorien  ein.  Nach  ihm  führen  feines  Weiisnähen,  eng- 
lisches imd  firanzösisches  Sticken,  Knopf  loohnähen,  Plattstich,  Namen- 
sticken (dritte  Gfruppe)  zur  Kurzsichtigkeit  und  Asthenopie  tmd  sind 
daher  mit  Vorsicht  zu  betreiben;  absolut  schädlich  sei  Spitzen-  und 
Perlensticken  etc.  Diese  Gruppierung,  so  wertvoll  sie  ftür  weibliche 
Handarbeiten  im  allgemeinen  sein  mag,  ist  für  die  Beurteilung  des 
Handarbeitsunterrichts  wenig  zweckdienlich,  da  die  Schularbeiten 
andere  sind. 

Von  diesen  verlangen  das  Stricken  und  das  Zuschneiden  die 
geringste  Annäherung  der  Augen.  Beim  Stricken  wurde  fiast  immer 
die  Distanz  von  25  cm  eingehalten  —  ab  und  zu  nahm  ein  Kind 
die  Arbeit  einen  Augenblick  näher  heran,  um  eine  besondere  Masche 
genauer  zu  studieren.  Bald  sinkt  jedoch  das  Stricken  zu  einer  fast 
automatischen  Fingerbewegung  herab,  die  der  Hilfe  der  Augen 
höchstens  zeitweise  als  Kontrolle  bedarf.     G^gen  das  Stopfen,   das 


215 

Plioken  und  das  gröbere  Nähen  ist  in  dieser  Hinsicht  desgleichen 
^wenig  einzuwenden;  trotadem  ist  zu  bemerken,  dals  die  Kopfiieigong 
liierbei  gröÜBer  ist,  und  dafs  bei  sehr  vielen  Kindern  eine  Distanz 
▼on  26  cm  keineswegs  eingehalten  zu  werden  pflegt. 

Dagegen  wird  in  allen  Schulen  eine  besondere  Naht  eingeübt, 
g«gen  die  ich  energisch  ins  Feld  rücken  zu  mttssen  für  meine  Pflicht 
erachtete.  Es  handelt  sich  um  die  sog.  Steppnaht.  Diese  wird 
so  ausgef&hrty  dafs  in  einer  durch  Herausziehen  eines  Längsfadens 
entstandenen  Leitfnrche  immer  zwei  Fäden  zusammengezogen  werden. 
Sedenkt  man,  dafs  die  einzelnen  Fäden  einen  Abstand  von  kaum 
Vt  mm  haben  —  bei  feinerem  Material  noch  weniger  —  und  dals 
weife  auf  weüs  genäht  wird,  so  kann  man  sich  auch  ohne  praktischen 
Versuch  am  eigenen  Leibe  eine  Vorstellung  davon  machen,  wie  an- 
strengend diese  „Uhrmacher ^-Tätigkeit  für  die  Augen  sein  mnüs,  selbst 
wenn  sie  auch  nur  einige  Minuten  dauern  würde.  Bereits  vom  zehnten 
Jahre  quälen  sich  die  Mädchen  mit  der  Steppnaht  ab.  Unter  anderem 
wird  sie  z.  B.  bei  der  Anfertigung  eines  Mustertaghemdes  verwendet, 
dessen  Front  allein  von  sieben  langen  Reihen  dieser  Naht  geziert 
wird.  Ich  konnte  konstatieren,  dals  der  Augenabstand  beim  Steppen 
ÜEist  allgemein  nur  15  cm  betrug,  oft  weniger;  ein  Vergleich  det 
Nahtverhältnisse  mit  denen  der  Lesesohrift,  bei  der  1^/t — 2  mm 
Buchstabenhöhe  als  Norm  verlangt  werden  und  bei  der  die  Unter- 
brechung in  Worte  und  Sätze,  die  Kontrastschwärze  der  Buchstaben  etc. 
die  Arbeit  erleichtem,  erklärt  die  erstatmliohe  und  unvermeidliche 
Annäherung  der  Augen  beim  Steppen  zur  Q^nflge. 

Was  nun  den  Zweck  des  Steppens  betrifiPt,  so  ist  mir  aus  den 
verschiedensten  Kreisen  versichert  worden,  darunter  von  erfahrenen 
Lehrerinnen,  dals  man  die  Steppnaht  im  späteren  Leben  nie  an- 
wende; denn  die  Naht  ist  überhaupt  keine  Menschenarbeit,  sondern 
Maschinenarbeit.  Wer  später  keine  Maschine  besitzt,  der  wird  sich 
hüten,  eine  so  mühselige  Naht,  wie  die  Steppnaht,  zu  machen,  selbst 
wenn  die  Augen  dessen  fähig  sind,  sondern  man  wird  sich  mit  einer 
anderen  behelfen  oder  besser  und  ebenso  billig  Fertiges  einkaufen. 
Ich  gebe  ja  nun  zu,  dals  die  Schule  nicht  immer  das  „vitae  discimus^ 
zur  Richtschnur  zu  nehmen  hat,  sofern  erziehliche  Momente  zuweilen 
wichtiger  sind.  Aber  selbst  wenn  durch  die  Einübung  des  Steppens 
das  Eand  zur  Sorgfalt  etc.  erzogen  werden  soll,  so  ist  in  jedem  Fall 
die  Hygiene  in  erster  Linie  zu  berücksichtigen.  —  Lnmerhin  hatte 
ich  die  Freude,  wenigstens  das  durchzusetzen,  dalis  künftighin 
weniger  Gewicht   auf  das   peinlich   genaue  Abzählen    der  Fäden 


216 

gelegt  wird;    auch  das  Herausziehen  des  Leitfadens  soll  weg&llen, 
was  ich  selbst  übrigens  als  problematischen  Vorteil  beia^ushte. 

Ad  4 :  In  den  Wintermonaten  sollen  Handarbeiten  nnr  zwischen 
9  und  3  vorgenommen  werden,  und  zwar  sind  zwei  Arbeitsstunden 
nie  hintereinander  abzuhalten.  Die  letztere  Forderung  wird  deswegen 
aufser  acht  gelassen,  weil  durch  das  Auspacken  der  Sachen  zu  viel 
Zeit  verloren  ginge,  als  dab  sich  eine  einzige  Stunde  lohne.  Diese 
Logik  könnte  jedoch  auch  fttr  manchen  anderen  ünterrichtsgegenstand 
geltend  gemacht  werden.  Andererseits  macht  die  Unterbringung  der 
Hauptfächer  in  den  Stundenplan  es  meist  unmöglich,  die  Tages- 
stunden für  Handarbeiten  zu  reservieren.  Meines  Eradhtens  ist  die 
erste  Forderung  übrigens  bei  der  heutzutage  möglichen,  guten  künst- 
lichen Beleuchtung  zu  vernachlässigen. 

Berücksichtigt  man,  dais  wohl  der  fünfte  Teil  aller  Schulkinder 
eine  anormale  Refraktion  aufweist,  so  läist  sich  denken,  wie  schwer- 
wiegend die  schädlichen  Folgen  eines  unhygienisch  eingerichteten 
Handarbeitsunterrichts  sein  müssen.  Abgesehen  davon,  dafs  die  Kurz- 
sichtigkeit, vor  allem  bei  dazu  disponierten  Kindern,  begünstigt 
werden  kann,  steigert  sich  die  Kurzsichtigkeit  bereits  kurzsichtiger 
Kinder;  Übersichtige  klagen  über  Augen-  und  Kopfschmerzen,  ün- 
fthigkeit  mitzumachen  etc. ;  astigmatische  Kinder,  von  denen  in  jeder 
Ellasse  meist  einige  sitzen,  können  beide  Wege  einschlagen.  Li 
vielen  Fällen  genügt  nicht  eine  G-läserkorrektion,  um  den  Augen  die 
nötige  Ausdauer  zu  verschaffen. 

Der  Handarbeitsunterricht  erfreut  sich  bei  den  Kindern  wie  bei 
deren  Eltern  einer  solchen  Beliebtheit  (schon  als  praktisches  Fach), 
dafe  sich  selten  ein  Kind  spontan  meldet,  damit  es  davon  befreit 
werde.  Andererseits  geschieht  dankenswerterweise  seitens  der  Lehre- 
rinnen viel  darin,  bei  verdächtigen  Kindern  die  Augen  untersuchen 
zu  lassen:  ja,  erst  das  Handarbeiten  bringt  manche  Lehrerin  auf 
den  Gredanken,  dafs  das  oder  jenes  Kind  anormale  Augen  hat,  ein 
weiterer  Beweis  dafür,  dais  dieser  Unterricht  die  gröfsten  Anforde- 
forderungen  an  das  Auge  stellt. 

Wir  Ärzte  haben  daher  oft  die  Pflicht,  Atteste  für  solche  Elinder 
auszustellen,  sie  vom  Unterricht  auszuschlieisen  oder,  je  nachdem, 
sie  bedingt  zuzulassen.  Um  bestimmte,  freilich  nicht  absolut  fest- 
stehende Normen  für  die  Dispensationen  an  der  Hand  zu  haben, 
fertigte  ich  seinerzeit  folgende  Zusammenstellung  an: 

Auszuschliefsen  sind:  Kurzsichtige  von  5^  an,  Astigmatische  von 
3^  an,  Kinder,  die  aus  irgend  einem  Ghrunde  weniger  als  ^/s  Seh- 


217 

sohftrfe  auf  beiden  Augen  haben,  oder  solche,  die  gewisse  Augen- 
leiden, wie  Nystagmus  etc.,  aufweisen. 

Bedingt,  d.  h.  nur  zu  den  gröberen  Arbeiten  zuzulassen  sind : 
Kurzsichtige  von  3®— 5^  Astigmatische  |[Yon  V/t^ — 3*,  schielende 
Kinder  oder  auch  solche,  die  auf  dem  einen  Auge  weniger  als 
Va  Sehschärfe  haben,  während  das  andere  nur  Vs  zeigt. 

Zum  Schluls  spreche  ich  meine  Überzeugung  aus,  dalis  der 
Elampf  um  die  Interessen  der  Augenhygiene  Aussicht  auf  die 
schönsten  Erfolge  yerspricht,  wenn  Vorschläge  zur  Beseitigung  yon 
Schäden  überall  solch  bereitwilliges  Entgegenkommen  und  weit* 
gehende  Berücksichtigung  finden,  wie  die  hier  dargelegten  bei  der 
hiesigen  Behörde. 


Das  Schulffebftude  und  seine  Einrichtung  in  Frankreich 

und  in  Elsalk-Lothringen. 

Von 
Dr.  med.  Alp&ed  Kühn, 

prakt.  Ant  za  StraÜBburg-Neudorf. 

In  Frankreich  wurde  die  Schulpflicht  bekanntlich  durch  das 
Gesetz  vom  28.  März  1882  eingeftihrt,^  während  dies  in  Elsals- 
Lothringen  bereits  am  18.  April  1871  geschehen  war.'  Solange  der 
Schulbesuch  &kultatiy  war,  ist  in  beiden  Ländern  fär  die  Schul- 
gesundheitspflege nur  verschwindend  wenig  getan  worden.  Erst 
durch  die  Einftlhrung  des  obligatorischen  Unterrichtes  haben  sich 
die  beteiligten  Begierungen  die  yerantwortliche  Pflicht  auferlegt,  den 
zahlreichen  Gefahren,  welche  sowohl  Schüler  als  auch  Lehrer  in 
der  Schule  bedrohen,  nach  Kräften  entgegenzutreten,  um  nicht  nur 
geistig  gebildete,  sondern  auch  körperlich  gesunde  junge  Leute  zu 
erziehen.  Ohne  die  körperliche  Gesundheit  hat  nämlich  die  Er- 
ziehung ihren  Zweck  verfehlt  und  wird  die  geistige  Ausbildung  zum 
grofsen  Teil,  ohne  Früchte  getragen  zu  haben,  verloren  gehen. 
Wenn  nun  auch  nicht  alle  Nachteile,  welche  mit  dem  Schulbesuch 


'  Becueil  des  travaux  du  comiti  amaultaüf  d*hygihie  publique  de  France. 
Bd.  28,  S.  71. 

*  Sammkmg  der  in  Eleaß-Loikrmgen  geUmidm  GeeeUe,    Bd.  lU,   S.  16. 


218 

yerbimdeu  sindi  yermieden  werden  können,  so  mofs  doch  wenigstens 
danach  getrachtet  werden,  die  in  Betracht  kommenden  G^efediren  anf 
einen  möglichst  geringen  Ghrad  zu  beschränken.  Dieses  Ziel  kann 
natürlich  nnr  mit  Überwindung  zahlreicher  Schwierigkeiten  eneioht 
werden,  nnd  es  sind  zu  diesem  Zwecke  genaue  Vorschriften  erforder- 
lich, die  aber  auch  mit  der  nötigen  Strenge  darchgefährt  werden 
müssen. 

Meine  Aufgabe  soll  es  sein,  etwas  näher  zu  prüfen,  welche  Vor- 
schriften betrefis  der  Erbauung  von  Schulhäusem  in  beiden  Ländern 
zur  Geltung  kommen.  Ich  werde  die  diesbezüglichen  Verfügungen 
zum  Vergleich  heranziehen,  um  dieselben  zu  gleicher  Zeit  einer 
Kritik  zu  unterwerfen.  Hierbei  werden  sich  manche  Mängel  der  in 
Betracht  kommenden  Bestimmungen  entdecken  lassen,  und  es  möge 
mir  dann  gestattet  sein,  Vorschläge  zu  eventuell  nötig  scheinenden 
Abänderungen  zu  machen. 

Dals  bei  der  Konstruktion  der  Schulhäuser  der  Architekt  seinem 
Kunstgeschmack  nicht  allzu  freien  Baum  lassen  darf,  braucht  wohl 
kaum  erwähnt  zu  werden.  Das  Schulhaus  ist  kein  Luzusgebftnde, 
sondern  die  fiinfiEU)hheit  und  praktische  Ausführung  sind  hier  mala- 
gebend,  und  es  muls  die  Schule  hauptsächlich  in  hygienischer  Hin- 
sicht mustergültig  sein. 

Die  wichtigsten  Mabregeln,  welche  „für  die  Anlage,  Einrich- 
tung und  Ausstattung  von  Schulen^  in  Elsals-Lothringen  getrofien 
worden  sind,  finden  sich  vereinigt  in  den  „Bestimmungen  des 
Oberpräsidenten  vom  3.  Juli  ISTG'',^  während  in  Frankreich 
die  betreffenden  Verordnungen  im  |, Reglement  pour  la  oon- 
struction  et  l'ameublement  des  maisons  d'öcoles*'*  enthalten 
sind,  welches  am  17.  Juni  1880  vom  Ministerium  verfügt  wurde. 
Es  muls  vorausgeschickt  werden,  dalis  diese  Bestimmungen  nur  für 
die  Elementarschulen,  dagegen  nicht  für  die  höheren  Lehranstalten 
Geltung  haben.  Für  letztere  bestehen  bis  jetzt  weder  in  Frank* 
reich  noch  bei  uns  bindende  Vorschriften. 

In  Frankreich  war  allerdings  schon  am  15.  Juni  1876  ein 
^circulaire  du  ministäre  de  l'instruction  publique  relative  k  la  pro- 
pagation  et  ä  l'amölioration  des  maisons  d'^oles^  erschienen,  welches 


^  Sammkmg  der  in  EUafa-Lothringen  geUenden  ChuUe.    Bd.  III,    S.  791 
*  DuBBiBAT  et  IvoH,  MomnUl  d^hygihie  icokdre.   S.  112  a.  ff. 


219 

gewisse  hygienisohe  Forderungen  an  die  Sohnlhänser  stellte  nnd  den 
Eltern  die  Glarantie  geben  sollte,  dals  die  G-esondheit  ihrer  Kinder 
doroh  den  obligatorisohen  Scholbesuch  nicht  geschädigt  mrd.^ 

Diese  Zirknlarverfügung  enthält  jedoch  keinerlei  Angaben  über 
die  Art  und  Weise,  wie  die  jin  derselben  genannten  Forderongen 
erfUlt  werden  sollen.  Erst  im  ^B^glement"  von  1880  wird  eine 
genaue  Anleitung  zu  all  den  wichtigen  Fragen,  die  bei  Erbauung 
eines  Schulhaases  in  Betracht  kommen,  gegeben  und  sugleich  vor- 
geschrieben, dais  die  Behörden  sich  streng  an  dieses  „Böglement"  zu 
halten  haben. 

A.    Bauplatz. 

Einer  der  wichtigsten  Punkte,  die  bei  der  Gründung  eiuer 
Schule  in  Betracht  kommen,  ist  die  Wahl  des  Ortes,  auf  dem  sich 
das  zukünftige  Ghbäude  erheben  soll.  Hierbei  hat  man  es  oft  mit 
ganz  verschiedenartigen  Verhältnissen  zu  tun,  je  nachdem  es  sich 
um  eine  Schule  in  der  Stadt  oder  auf  dem  Lande  handelt  Durch 
die  häufig  sehr  beschränkten  und  engen  Ortsverhältnisse  in  den 
Städten  kann  nämlich  die  Handhabung  einer  idealen  Verordnung 
beträchtlich  erschwert  werden. 

Die  französischen  Bestimmungen  des  M-E^l^ment*'  lauten 
betreffs  der  Wahl  des  Bauplatzes  f olgendermafsen :  „1.  Le  terrain 
destinö  ä  recevoir  une  ^cole  doit  dtre  central,  bien  airö,  d'un  acc^ 
facil  et  8Ür,  öloign^  de  tout  Etablissement  bruyant,  malsain  ou  dan- 
gereux,  ä  100  m^tres  au  moins  des  cimeti^ree  actuels.  Le  sol,  s'il 
n'est  exempt  d'humiditä,  sera  assaini  par  le  drainage.''  2.  „L'ötendue 
superficielle  du  terrain  sera  Evalu^  ä  raison  de  dix  m^tres  au  moins 
par  el5ve,   eile   ne  pourra  en  aucun  cas  dtre  införieure  k  500  m*.*" 

Die  Verfügung  des  Oberpräsidenten  in  Elsafs-Loth- 
ringen  bestimmt,  wie  folgt:  „1.  Der  Bauplatz  muTs  frei,  trocken 
und  sonnig  sein,  fem  von  allem,  was  übelriechende  oder  schädliche 
Ausdünstungen  verbreiten  oder  durch  Lärm  und  G-eräusch  den  Unter- 
richt stören  kann.  Eben  deshalb  ist  auch  die  Lage  an  firequenten 
Stralsen  und  Plätzen  möglichst  zu  vermeiden.  Bei  ausgedehnten 
Schulbezirken  ist  darauf  zu  achten,  dals  der  Bauplatz  möglichst  in 
der  Mitte  des  Bezirks  liegt  oder  doch  für  alle  Kinder  gut  erreichbar 
ist.  Auf  dem  Schulplatz  muls  gutes  Trinkwasser  zu  gewinnen  sein 
(§  16).     Über   die  Wahl    des    Bauplatzes   in   gesundheitlicher   Be- 


^  Nabjoux,  Jßeolea  primairea  et  saßes  d'aaik.  S.  296. 


220 

Ziehung  ist  das  Gataohten  des  Kreisantes  einzuholen.  Der  Ban- 
platz  mnfs  eine  solche  GröJse  haben,  dafs  das  Schnlgebände  wo- 
möglieh  frei  zu  liegen  kommt,  und  dafs  für  den  erforderlichen  Spiel- 
und  Turnplatz,  sowie  für  die  Anlage  von  Abtritten  hinreichend 
Baum  vorhanden  ist.  Mufs  das  Schulhaus  in  der  Nähe  einer  Straüae 
errichtet  werden, f [so  ist  wünschenswert,  dals  zwischen  dieser  und 
dem  Schulhause  ein  Vorplatz  belassen  wird,  damit  die  Kinder  beim 
Austritt  aus  dem  Gebäude  [nicht  direkt  auf  die  Straiise  gelangen. 
Der  Sohulplatz  ist  gegen  die  Straüse  hin  mit  einem  Abschluis  zu 
versehen.'' 

a)  Der  Baugrund.  Vor  allem  mufs  der  Boden  trocken  sein. 
Die  Vorschriften  beider  Länder  stellen,  wie  wir  soeben  gesehen 
haben,  diese  Bedingung  an  einen  guten  Bauplatz.  Jedoch  macht 
das  „Reglement''  hierbei  noch  ein  wichtiges  Zugeständnis,  indem  es 
bestimmt,  dafs,  wenn  dies  nicht  der  Fall  ist,  dem  betrefiPenden  Übel- 
stande durch  Drainage  abgeholfen  werden  soll.  Dafs  eine  solche 
Bestimmung  durchaus  nicht  überflüssig  ist,  ergibt  sich  daraus,  dals 
zur  Lage  eines  Schulhauses,  je  nach  den  lokalen  Verhältnissen,  nicht 
immer  ohne  weiteres  ein  seiner  Natur  nach  trockener  Platz,  z.  B. 
Fels-,  Geröll-,  Kies-  oder  Sandboden,  zu  finden  ist.  Diese  Be- 
stimmung hat  demnach  für  einzelne  Fälle  volle  Berechtigung.  Li 
Verbindung  mit  noch  später  zu  erwähnenden  Malsregeln,  die  bei 
der  Konstruktion  von  Schulen  zu  befolgen  sind  (Unterkellern  des 
Hauses,  Isolierschichten),  würde  dieselbe  wesentlich  dazu  beitragen, 
selbst  in  ungünstigen  Fällen  die  nötige  Garantie  für  die  Trocken- 
erhaltung des  Schulgebäudes  zu  bieten. 

b)  Lage  des  Bauplatzes.  Daus  femer  der  Bauplatz  frei, 
also  der  Luft  gut  ausgesetzt  (bien  aärö)  bezw«  sonnig  sein  soll,  darin 
stimmen  die  Verordnungen  beider  Länder  überein.  Alsdann  muüs 
die  Schule  ^möglichst  in  die  Mitte  des  Schulbezirks  zu  liegen 
kommen^,  um  von  allen  Kindern  gleichmä&ig  erreichbar  zu  sein. 
Dies  ist  hauptsächlich  auf  dem  Lande  von  Wichtigkeit,  wo  die 
Kinder  oft  sehr  weit  von  der  Schule  entfernt  wohnen  und  demnach 
auf  dem  Wege  nach  derselben  allen  Wittemngseinflüssen  ausgesetzt 
sind,  wodurch  besonders  im  Winter  ihre  Gesundheit  Schaden  er- 
leiden kann. 

Eine  weitere  Vorschrift  sagt,  dafs  „die  Schule  von  schädlicher 
oder  Lärm  verursachender  Umgebung  frei  sein  muis^  (äoign^  de 
tont  Etablissement  bruyant,  malsain  ou  daugereux).  Diese  Forderung 
ist  zwar  äufserst  berechtigt,  bleibt  jedoch  häufig,  besonders  in  Städten, 


221 

nur  ein  frommer  Wtmsoh,  da  deren  Befolgung  manohmal  mit  nn- 
überwindliohen  Sohwierigkeiten  yerbnnden  ist.  Unter  sohftdlioher 
Umgebung  sind  wohl  hanptsftchlicli  Spitäler,  Kasernen  nnd  vor 
allem  Fabriken  zn  verstehen,  überhaupt  alles,  was  übelrieohende 
oder  sohftdliche  Ausdünstungen  verbreitet,  wie  dies  in  der  „Verfügung 
des  Oberprfisidenten"  noch  wörtlich  ausgedrückt  ist. 

Zu  der  Lftrm  verursachenden  Umgebung  gehören  vor  allem  fre- 
quente  Strafsen  und  Plätze,  die  demnach  möglichst  zu  vermeiden 
sind.  Auf  dem  Lande  und  in  kleineren  Städten,  wo  gewöhnlich 
kein  Platzmangel  besteht,  kann  dieser  Wunsch  meist  mit  Leichtig- 
keit erfüllt  werden.  In  gröfseren  Städten  jedoch,  besonders  in  deren 
älteren  Teilen,  treten  häufig  in  dieser  Hinsicht  grolse  Schwierigkeiten 
auf,  da  oft  mit  dem  besten  Willen  kein  geeigneter  Platz  gefunden 
werden  kann,  der  dieser  Forderung  entspricht.  In  derartigen  Fällen 
muls  daher  durch  andere  Mittel  Abhilfe  gesucht  werden,  denn  bei 
starkem  Stralsenlärm  ist  ein  Unterricht  in  der  Schule  nicht  gut 
möglich.  Die  Schüler  werden  durch  denselben  leicht  zerstreut,  und 
der  Lehrer  ist,  wenn  er  nicht  seine  Zeit  zum  Unterricht  verlieren 
will,  gezwxmgen,  zu  laut  zu  sprechen,  ermüdet  zu  schnell  und 
schadet  dadurch  seiner  Gesundheit.  Für  solche  Verhältnisse,  welche 
die  Wahl  eines  freien  Ortes  fem  vom  Stralsenlärm  unmöglich  er- 
scheben  lassen,  wäre  es  demnach  notwendig,  vorzuschreiben,  dalis  in 
der  nächsten  Umgebung  der  Schule  lärmdämpfende  Pflaster  her- 
gestellt würden.  Dieser  berechtigte  Wunsch  wäre  durch  Verwendung 
eines  entsprechenden  Holzpflasters  oder  eines  Asphaltbodens  ohne 
allzu  groJsen  Geldaufwand  leicht  zu  erfüllen.  Für  manche  Schulen 
bat  dieser  Modus  ai^oh  ohne  entsprechende  behördliche  Bestimmung 
bereits  Eingang  gefunden. 

Nicht  ohne  triftige  Gründe  ist  der  elsafs-lothringischen  Ver- 
fügung noch  beigefügt,  „dab,  wenn  das  Schulhaus  in  der  Nähe  der 
Stralse  errichtet  werden  mufs,  zwischen  dieser  und  dem  Schulhause 
ein  Vorplatz  belassen  werden  soll,  damit  die  Kinder  beim  Austritt 
ans  dem  Gebäude  nicht  direkt  auf  die  StraTse  gelangen.  Der  Schul- 
plata  ist  gegen  die  Strailse  hin  mit  einem  Absohlufs  zu  versehen*'. 
Letzteres  wird  übrigens  auch  im  ^Räglement"  gefordert.  Durch 
diese  Vorkehrung  wird  ofiFenbar  mannigfaltigen  Unglücksftlllen  vor- 
gebeugt, welche  im  entgegengesetzten  Falle  leicht  entstehen  würden, 
wenn  die  Kinder  in  ihrem  jugendlichen  Leichtsinn  und  mit  der 
ibnen  angeborenen  Unaufmerksamkeit  in  gröüserer  Zahl  direkt  aus 
der  Schule   auf  die  Straise  springen  und  sich  so  z.  B.  leicht  der 


222 

Qefahr  auBsetzen  würden,  von  vorbeikommenden  Fnlirwerken  über- 
fahren  zu  werden. 

c)  Grösse  des  Bauplatzes.  Hierin  ist  das  „Reglement**  viel 
bestimmter  als  die  entsprechende  Verordnung  für  Elsals-Lothringen. 
Dasselbe  setzt  nämlioh  genan  die  Anzahl  Quadratmeter  fest,  welche  pro 
Schüler  in  Berechnung  zu  kommen  hat,  und  zwar  10  qm  pro  Schüler 
und  in  jedem  Fall  nicht  unter  500  qm  für  eine  Schule.  Die  „  Verf&gung 
des  Oberprasidenten'^  hingegen  bestimmt  folgendes:  y^Der  Bauplatz 
mufs  eine  solche  Grösse  haben,  dafs  das  Schulgebäude  möglichst  frei  zu 
liegen  kommt,  und  daCs  für  den  erforderlichen  Spiel-  und  Turnplatz, 
sowie  für  die  Anlage  von  Abtritten  hinreichender  Baum  vorhanden  iat^. 
Eis  werden  zwar  in  einem  anderen  Paragraphen  die  Anzahl  Quadrat- 
meter erwähnt,  die  bei  Berechnung  der  Gröise  des  Klassenzimmers 
und  des  Spielplatzes  in  Betracht  kommen.  Es  ist  jedoch  der 
Baum,  der  nach  diesen  später  noch  zu  besprechenden  Bestinunungen 
jedem  einzelnen  Schüler  zukommt,  etwas  knapp  bemessen.  Es  scheint 
mir  daher,  als  ob  eine  genaue  Angabe  der  für  eine  bestimmte  Schüler- 
zahl  notwendigen  Quadratmeter  sehr  praktisch  wäre,  um  bei  Ankauf 
eines  Bauplatzes  einen  unzweideutigen  Anhaltspunkt  zu  haben,  da  er- 
fahrungsgemälis  die  Schulplätze  selten  zu  grofs,  sehr  oft  jedooh, 
besonders  in  den  Städten,  wo  das  Terrain  teuer  ist,  zu  klein  berechnet 
werden.     Dabei  wären  10  qm  pro  Schüler  nicht  zu  viel. 

Der  Bestimmung  der  Gröüse  des  ganzen  Schulplatzes  mulis  natür- 
licherweise die  Festsetzung  der  Schülerzahl  vorangehen,  welche  in 
der  Schule  untergebracht  werden  soll.  In  Frankreich  wird  zu  diesem 
Zweck  nach  einem  Ministerial-Bunderlafs  vom  30.  Juli  1866  so  ver- 
fahren, dais  man  die  Anzahl  Kinder  bestimmt,  die  sich  in  einer 
Gemeinde  vorfinden,  und  zwar  zählt  man  die  Kinder  vom  7.  bis  13. 
Lebensjahr,  wenn  bereits  eine  Kleinkinderschule  vorhanden  ist,  und 
vom  5.  bis  13.  Jahre,  wenn  eine  solche  noch  nicht  besteht.^  Im 
ganzen  darf  jedoch  nach  dem  „B^lement"  von  1880  (No.  11)  die 
sogenannte  „groupe  scolaire'',  d.  h.  Knaben-,  Mädchen-  und  Klein- 
kinderschule zusammen,  nicht  mehr  als  750  Kinder  beherbergen, 
nämlich  300  Knaben,  300  Mädchen  und  160  Kleinkinder.  Diese 
MaTsregel  scheint  nicht  recht  erklärlich,  da  es  doch  vom  hygienischen 
Standpunkte  aus  nicht  viel  schaden  kann,  wenn  in  einer  Schule 
mehr  als  760  Schüler  untergebracht  werden,  vorausgesetzt,  daCs  die 
Gröfse  der  in   Betracht  kommenden  Räumlichkeiten  der  Zahl  der 


>  DuBBUAT  et  Iton:  Manud  dhygüne  scolaire,    S.  67. 


223 

Sohüler  entspricht.  Dals  es  natürlich  zweckentsprechender  ist,  bei 
zn  grolser  Sohülerzahl  eine  weitere  Schnle  zn  errichten,  kann  in 
pftdagogischer  Hinsicht  nicht  bestritten  werden. 

In  der  «YerfÜgnng  des  Oberpräsidenten"  yom  3.  Juli  1876  wird 
(unter  2)  darauf  aufmerksam  gemacht,  „dab  auf  die  Möglichkeit  einer 
späteren  Vergrölsemng  bei  Errichtung  eines  Schulgebäudes  tunlichst 
Bedacht  zu  nehmen  ist**.  Dieser  Bestimmung  muis  man  voll  und 
ganz  beipflichten,  und  ist  dieselbe  besonders  für  Städte  von  grofser 
Bedeutung.  Eine  später  eyentuell  notwendig  werdende  YergröUserung 
des  Schulgebäudes  kann,  wenn  nicht  erneuter  Ankauf  von  Terrain 
in  Aussicht  steht,  nur  auf  Kosten  des  Qesamtplatzes  geschehen,  so 
dab  hierdurch  der  Spielplatz  unter  Umständen  beträchtlich  verringert 
wird.  Um  dies  zu  verhindern,  sollten  die  Verordnungen  noch 
energischer  darauf  dringen,  dafis  bei  der  Erwerbung  des  Bauplatzes, 
wenn  nur  irgend  möglich,  ein  Reserveplatz  mit  erworben  werde, 
damit  nicht  der  in  hygienischer  Einsicht  so  wichtige  Spielplatz  der 
Gefahr  einer  späteren  Verkleinerung  ausgesetzt  ist. 

B.    Orientierung  des  Schulhauses. 

Unter  No.  3  beschäftigt  sich  das  „  Reglement ^  mit  der  ^Orien* 
tation"  des  Schulhauses,  d.  h.  mit  der  Orientierung  der  Schulzimmer- 
fenster&ont  bezüglich  der  Himmelsrichtung.  Die  betreffende  firan- 
zOsifiohe  Vorschrift  lautet  folgendermalsen:  „L'orientation  de  T^cole 
sera  d^terminöe  suivant  le  climat  de  la  rögion  et  en  tenant  compte 
des  conditions  hygiäniques  de  la  localitö'^.  In  einem  Lande  von  der 
Ausdehnung  Frankreichs  können  selbstverständlich  in  diesem  Punkte 
kerne  ganz  präcisen  Verordnungen  erlassen  werden,  die  für  alle 
Schalen  Geltung  hätten,  da  ja  die  Orientierung  eines  Gebäudes  sich 
hanptsächlich  nach  dem  entsprechenden  Klima  zu  richten  hat,  die 
klimatischen  Verhältnisse  der  einzelnen  Gegenden  Frankreichs  aber 
beträchtlich  von  einander  abweichen. 

Schon  eher  wäre  dies  fär  ein  kleines  Binnenland  wie  Elsals- 
Lothringen  möglich.  Hier  entbehren  wir  jedoch  jeder  diesbezüg- 
lichen Verfügung,  wenn  wir  von  dem  ärztlichen  Gutachten  über  das 
böhere  Schulwesen  absehen,  welches  nicht  als  bindende  Vorschrift 
betrachtet  werden  kann.  In  demselben  wird  die  Ost-  oder  Westseite 
empfohlen,  dabei  jedoch  eine  Abweichung  von  20  Grad  nach  Süd  oder 
Nord  gestattet.^    Allerdings  ist  es  sehr  schwierig,  für  alle  Fälle  das 

^  Ärstliches  Gutachten  über  das  höhere  Sohalwesen  Elaars-Lothringens 
1882.    8.  80. 


224 

Biobtige  zu  treffen,  da  ja  jede  Orientierung,  je  nach  den  einzelnen 
Jahreszeiten,  sowohl  Vorteile  als  auch  Nachteile  aufweist.  Daher 
rührt  es  auch,  dafs  die  einzelnen  Autoren  so  sehr  in  ihren  Ansichten 
hierüber  abweichen.  Die  Nord  läge  z.  B.  hat  den  Nachteil,  dals  sie 
kalt  und  lichtschwach,  daher  bei  trübem  Wetter  düster  und  unfreund- 
lich ist.  Dafür  ist  jedoch  das  Licht,  welches  sie  bietet,  ruhig  und 
gleichmälsig  und  wäre  daher  für  Zeichens&le  gut  zu  gebrauchen. 
Die  Südseite  hat  den  groben  Vorteil,  dalis  sie  sonnig  ist  und  daher 
am  meisten  Licht  gewährt,  was  gerade  für  die  Schule  von  greiser 
Bedeutung  ist.  Dagegen  werden  die  Schulzimmer  im  Hochsommer 
leicht  zu  warm.  Die  Westseite  ist  bei  uns  die  sog.  Wetterseite, 
d.  h.  dem  Wind,  Bogen,  Schnee  usw.  am  meisten  ausgesetzt;  dahin- 
gegen hat  sie  den  Vorteil,  dafs  in  den  Vormittagsstunden  bei  immer- 
hin genügender  Beleuchtung  keine  direkte  Bestrahlung  durch  die 
Sonne  erfolgt.  Dafür  ist  dann  in  den  heifsen  Sommertagen  die  Et- 
wärmung  am  Nachmittag  zu  stark.  Das  Gegenteil  bietet  die  Ost- 
lage: hinreichende  Beleuchtung,  aber  direkte  Bestrahlung  und  im 
Sommer  allzu  grofse  Wärme  am  Vormittag.  Dieselben  Vorteile, 
jedoch  weniger  Nachteile  zeigt  die  Bichtung  nach  Ostnordost  und 
Nordost.  Hier  ist  in  den  Vormittagsstunden  ausreichende  Beleuch- 
tung vorhanden.  Direktes  Sonnenlicht  fällt  nur  in  geringen  Mengen 
während  der  ersten  Unterrichtsstunden  in  die  Klassenzimmer,  die 
Erwärmung  wird  keine  übermäfsige,  da  in  den  späteren  Vormittags- 
stunden die  Sonnenstrahlen  nur  in  schräger  Richtung  die  Fensterwand 
treffen.  Aber  vor  Beginn  des  Unterrichts  wird  das  Zimmer  schon 
von  der  Sonne  bestrahlt."  ^  Ziehen  wir  den  Schluis  aus  dieser  Be- 
trachtung, so  sehen  wir,  dafs  es  besonders  darauf  ankommt,  ob  es 
sich  um  den  Vormittags-  oder  Nachmittagsunterricht  handelt.  Wird 
am  Vor-  und  Nachmittag  Unterricht  abgehalten,  so  ist  die  Ostnordost- 
und  die  Nordostseite  vorzuziehen,  wird  dagegen  nur  am  Vormittag 
Unterricht  abgehalten,  so  ist  die  Westseite  gleichfalls  gut  zu 
gebrauchen.  Da  nun  bei  zu  grofser  Hitze  in  EIsafs-Lothringen  der 
Nachmittags-Unterricht  aus&Ut,  so  erscheinen  bei  uns  beide  Orien- 
tierungen zulässig.  Dafs  in  gröüseren  Schulen  nicht  alle  Räume 
nach  der  günstigen  Seite  zu  liegen  kommen  können,  versteht  sich 
von  selbst.  Dann  mögen  diejenigen,  welche  nur  für  kürzere  Zeit 
dem  Aufenthalt  der  Schüler  dienen,  die  ungünstige  Lage  einnehmen. 


^  Baoikbkt:  Handbuch  der  SchuJhyffieney  Bd.  I.  S.  81. 


225 

Für  Zeiohensftle    lie&e  sich,    wie  oben  schon  erwälmt  wurde,   des 
rahigen,  gleiohmäfaigen  Lichtes  halber  die  Nordseite  wählen. 

Wenn  nun  auch  alle  diese  Bedingungen  in  Städten  nicht  immer 
XU  erfällen  sind,  so  könnten  dieselben  dennoch  in  den  betreffenden 
Verfügungen  Aufnahme  finden,  dabei  jedoch  f&r  spezielle  umstände 
Ausnahmen  gestattet  werden. 

C.    Bauart  und  Konstruktion  des  Schulgebäudes. 

Einer  der  Hauptpunkte,  denen  bei  der  Konstruktion  einer  Schule 
die  Aufmerksamkeit  zugewendet  werden  muls,  ist  die  Wahl  eines 
geeigneten  Baumaterials.  Nur  mit  einem  guten  Material  kann  man 
erreichen,  dafs  ein  Haus  fest,  wetterbeständig  und  trocken  ist,  und 
diese  drei  Eigenschaften  muCs  eine  Schule  unter  allen  Bedingungen 
aufweisen.  Hit  welcher  Bauart  man  am  besten  dieses  Ziel  erreicht, 
möge  im  folgenden  gezeigt  werden. 

Was  die  Permeabilität  des  Baumaterials  betrifft,  so  braucht 
dieselbe  beim  Bau  einer  Schule  nicht  besonders  streng  berücksichtigt 
zü  werden,  „da  ja  die  natürliche  Ventilation  durch  die  Wandporen, 
worauf  es  bei  der  Permeabilität  des  Baumaterials  wesentlich  ankommt, 
in  gar  keinem  brauchbaren  Verhältnis  zu  dem  aulserordentlichen 
Ventilationsbedarf  eines  besetzten  Schulzimmers  steht ^.^ 

In  allen  diesbezüglichen  Bestimmungen  ist  nun  das  französische 
.fi^lement^  präciser  im  Wortlaut  als  die  „Verfügung  des  Ober- 
pifisidenten'^.  Letztere  sagt:  „Der  Massivbau  gilt  als  Begel  für  die 
Errichtung  von  Schulgebäuden ^.  Die  Wahl  des  Baumaterials  bleibt 
hiermit  dem  Architekten  yorbehalten,  und  auch  die  Dicke  der  Mauern 
kann  nach  dem  Wortlaut  dieser  Vorschrift  beliebig  sein.  DaCs  aber 
gerade  auf  diesem  Gebiete  sehr  häufig  gesündigt  wird,  ist  hinreichend 
bekannt,  und  es  scheint  mir  demnach  die  firanzösische  Verordnung 
zweckmälsiger  zu  sein,  welche  für  Bruchsteinmauem  eine  Dicke  von 
wenigstens  0,40  m,  für  Backsteinmauem  eine  solche  von  wenigstens 
0,35  m  yerlangt.  „Ijos  mat^riaux  trop  permeables,  tels  que  les  gres 
tendres,  les  molasses,  les  briques  mal  cuites  etc.  sont  exdus  de  la 
construction.^  Man  würde  wohl  nicht  zu  weit  gehen,  wenn  hier  eine 
Vorschrift  betreffend  die  Wahl  von  gesundem,  trockenem  Holze  an- 
geschlossen würde  für  den  Fall,  dais  nicht  ausschlieiSslich  Eisen  an 
ittsen  Stelle  zur  Verwendung   kommt,    wie   dies    in   neuerer  Zeit 


^  BuKGBHiTBiN  nnd  Nbtolitzkt:  Handbuch  der  Schulhygiene  in:  Handbuch 
der  Hygiene  von  Theodor  Wbtl.    S.  15. 


226 

häufig  zu  geschehen  pflegt.  —  Die  Verfügung  des  Oberprftsidenten 
geht  jedoch  in  ihren  Zugeständnissen  noch  weiter,  indem  sie  selbst 
den  Fachwerkbau  gestattet,  „wo  dies  in  besonderen  örtlichen  Ver- 
hältnissen Begründung  findet ''.  Diese  örtlichen  Verhältnisse  sind 
meist  nur  ökonomischer  Art,  denn  der  Umstand,  dafs  das  nötige 
Material  zu  einem  Massivbau  in  irgend  einer  Gegend  Elsaiis-Loth- 
ringens nicht  an  Ort  und  Stelle  gebracht  werden  kann,  ist  wohl  eine 
seltene  Ausnahme  und  kann  sich  höchstens  in  hochgelegenen  Gebirge- 
orten  einstellen.  —  Es  drängt  sich  uns  nun  die  Frage  auf,  ob  denn 
die  Fachwerkbauten  vom  hygienischen  Standpunkt  aus  yerwerflioh 
sind?  Ich  glaube,  dafs  man  auf  diese  Frage  mit  „Nein^  antworten 
kann,  denn  es  lassen  sich  auch  bei  Fachwerkbauten  durch  saoh- 
gemäise  Ausführung  derselben  völlig  gesunde  Bäume  herstellen. 
Dab  dieselben  nicht  so  dauerhaft  sind  und  daher  viel  leichter  und 
eher  reparaturbedürftig  werden,  ist  eine  Frage  für  sich  und  hat  uns 
hier  nicht  näher  zu  beschäftigen.  Der  gröfste  Nachteil  der  Fach- 
werkbauten besteht  darin,  dafs  dieselben  nicht  die  gleiche  Feuer- 
sicherheit gewähren  wie  der  Massivbau.  Wegen  dieser  geringeren 
Feuersicherheit  und  Dauerhaftigkeit  ist  natürlich  der  Massivbau  immer 
vorzuziehen.  Wo  es  jedoch  die  oben  erwähnten  Umstände  gebieten, 
können  vom  hygienischen  Standpunkte  aus  gegen  die  Verwendung 
von  Fachwerkbauten  keine  Bedenken  erhoben  werden,  vorausgesetzt, 
dafis  gewisse,  auf  die  Trockenheit  der  Wände  abzielende  Vorsiohts- 
mafsregeln  beobachtet  werden.^ 

Beine  Holzbauten,  die  man  in  holzreichen  Gebirgsgegenden 
mit  sehr  kaltem  Klima  antri£Et,  gewähren  zwar  einen  guten  Wftrme- 
schutz,  sollten  jedoch  wegen  zu  grober  Feuersgefahr  nur  für  kleinere 
Schulgebäude  gestattet  werden.- 

Nach  all  dem  Gesagten  muJs  der  Massivbau  aus  Backsteinen 
oder  Bruchsteinen  für  Schulen  als  Begel  gelten.  Bei  Verwendung 
der  letzteren  schreibt  das  „  Reglement  ^,  wie  schon  vorhin  erwähnt 
wurde,  eine  Mauerdicke  von  0,40  m,  bei  Verwendung  von  Backsteinen 
eine  solche  von  0,35  m  vor.  In  den  durch  einen  Ministerialerlafs 
vom  18.  Januar  1893  gegebenen  „Instructions  sp^iales  concemant  la 
construction  etc.'*  wird  die  Mauerdicke  bei  Verwendung  von  Back- 
steinen auf  0,45  m  festgesetzt.^  Eine  solche  Mauerdicke  dürfte  für 
die  gewöhnlichen  Verhältnisse  genügen.     Zu  weiche  Sandsteine  und 


^  BAGDfSKT  1.  c.  Bd.  I.    S.  141. 
*  6.  Baudban  1.  c.   S.  49. 


227 

schlecht  gebrannte  Backsteine  sollen  nach  dem  „Reglement''  mit 
Recht  nicht  znr  Verwendung  kommen. 

Bei  der  Herstellnng  der  Fundamente  mnfs  natnrgemälis  das 
Augenmerk  hauptsächlich  darauf  gerichtet  werden,  dais  das  Auf- 
steigen der  Feuchtigkeit  vom  Erdboden  aus  in  das  Gebäude  ver- 
hindert werde. '  Deshalb  wird,  wie  wir  schon  oben  gesehen  haben, 
durch  beide  Verfftgungen  bestimmt,  dafs  der  Baugrund  trocken  sein 
soll.  Ist  jedoch  die  Wahl  eines  feuchten  Terrains  nicht  zu  vermeiden, 
so  ist  im  „Bäglement^  die  Drainage  vorgeschrieben.  Zur  Abhaltung 
der  Bodenfeuchtigkeit  ist  femer  in  beiden  Ländern  die  MaCsregel 
vorgesehen,  dals  der  Fulsboden  des  Erdgeschosses  nicht  in  gleiche 
Höhe  mit  dem  Terrain  gebracht  werden  soll.  Die  ^  Verfügung  des 
Oberpräsidenten"  bestimmt  hierfür  eine  Erhöhung  über  das  Terrain 
von  0,5  m,  das  „Reglement**  dagegen  von  0,60 — 0,70  m  (No.  8). 
Ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  beiden  Verfügungen  besteht 
demnach  in  diesem  Punkte  nicht,  und  dürften  auch  0,50  m  vollauf 
genügen. 

Bestimmte  Vorschriften  werden  gegeben  für  den  Fall,  dafs 
Unterkellerung  des  Gebäudes  unmöglich  ist.  „Si  le  plancher  au 
rez-de-chauss^e  ne  peut  §tre  ätabli  sur  cave,  il  sera  isolö  du  sol  par 
des  espaces  vides**,  sagt  das  „Bäglement'',  während  die  „Verfügung 
des  Oberpräsidenten"  bestimmt,  „dais  bei  nicht  unterkellerten  Räumen 
für  eine  trockene  Lage  (des  Fufsbodens)  Sorge  zu  tragen  ist*'.  WiiB 
dies  geschehen  soll,  ist  in  letzterer  Verfügung  nicht  näher  beschrieben. 
Es  bieten  sich  hierfür  zwei  'Möglichkeiten.  Entweder  stellt  man 
zwischen  Terrain  und  Fufsboden  einen  leeren  Raum  her,  wie  es 
das  „Reglement''  wünscht,  und  läfst  in  demselben  die  Luft  frei  zirku- 
lieren, oder  aber  man  fügt  zwischen  beide  eine  Isolierschicht  ein, 
z.  B.  eine  unter  dem  ganzen  Gebäude  durchgehende  Betonplatte, 
wodurch  das  Eindringen  von  Grundwasser  und  der  Zutritt  der 
Grnmdluft  verhindert  wird.  Selbstverständlich  ist  die  Unterkellerung 
des  Schulhauses  unter  allen  umständen  vorzuziehen. 

Dem  Aufsteigen  von  Feuchtigkeit  in  den  Mauern,  die  sich  in 
direkter  Berührung  mit  dem  Erdboden  befinden,  sucht  die  „Verfügung 
des  Oberpräsidenten^  durch  folgende  Vorschrift  zu  begegnen :  „Sämt- 
liche aufgehende  Mauern  des  Gebäudes  sind  unterhalb  der  Fufs- 
boden des  Erdgeschosses,  aber  über  Terrain,  mit  einer  zur  Abhaltung 
der  aufsteigenden  Erdfeuchtigkeit  geeigneten  Isolierschicht  zu  ver- 
sehen". Diese  Isolierschicht  mufs  demnach  oberhalb  des  Terrains 
das  Hauerwerk  des  Fundamentes  quer  durchsetzen,    um  den  Zweck 

Seholgesnndheitspflege.  XVI.  13 


228 

der  Yorsohrift  zu  erfüllen.  Welohes  Material  am  besten  hierbei  zu 
verwenden  ist,  ob  Beton,  GnJsasphalt  etc.,  ist  nicht  angegeben.  An 
Stelle  genannter  Yorsohrift  wäre  es  vielleicht  praktischer,  zu  be- 
stimmen, daijs  die  ganze  Umfassungsmauer,  soweit  sie  mit  dem  Erd- 
boden in  Berührung  ist,  also  seitlich  und  noch  etwas  über  den  Erd- 
boden hinaus,  mittels  einer  solchen  Isoliersohichi;  vor  .dem  Eindringen 
der  Feuchtigkeit  zu  schützen  ist.  Oder  man  könnte  statt  einer 
solchen  Isolierschicht  eine  Isoliermauer  herstellen,  welche  von  den 
eigentlichen  Umfassungsmauern  durch  eine  etwa  10  cm  breite  Luft- 
schicht getrennt  wäre.  Durch  Anbringen  von  Öänungen  im 
Keller  und  von  Yentilationsröhren  nach  dem  Dachboden  kann  die 
Luft  in  diesem  Hohlraum  zirkulierend  erhalten  werden.  Die  An- 
lage solcher  vertikaler  Luftschichten  wird  übrigens  in  der  elsafa- 
lothringischen  Yerordnung  fär  die  dem  Schlagregen  ausgesetzten 
Umfassungsmauern  empfohlen,  um  das  Eindringen  des  Begenwaasers 
in  dieselben  zu  verhüten,  indem  daselbst  gesagt  wird:  „Für  die  dem 
Schlagregen  ausgesetzten  Umfassungsmauern  empfiehlt  sich  die  An- 
lage von  vertikalen  Luftschichten^. 

Um  dem  Begenwasser  Abflugs  zu  verschaffen,  „sind  an  den 
Dachtraufen  Binnen  mit  Abfallröhren  anzubringen'',  wie  es  in  der 
„Yerfügung  des  Oberpräsidenten"  speziell  erwähnt  wird.  Es  ist  dies 
eine  so  allgemein  angewandte  Mafsregel,  dafs  deren  Fehlen  im 
„B^lement"  wohl  kaum  erwähnenswert  ist.  Beide  YerfSägungen 
fordern  auiserdem,  dals  die  direkte  Umgebung  des  Schulhauses  ein 
Gefälle  zur  Abführung  der  Tagwasser  aufweise:  „Les  pentes  du 
terrain  entourant  la  construction  seront  am^nag6es  de  fagon  k  en 
^loigner  les  eaux'',  sagt  das  „Bäglement",  während  bei  uns  „eine 
Pflasterung  von  mindestens  1  m  Breite  mit  hinreichendem  Gefälle 
zur  Abführung  der  Tagwasser  anzulegen  ist^.  Es  ist  leicht  ersicht- 
lich, dals  eine  solche  Yorkehrung  notwendig  ist,  um  das  Eindringen 
der  Tagwasser  in  die  Fundamente  zu  verhindern. 

„Die  Dächer  sind^,  gemäfs  der  elsafs-lothringischen  Yerfttgnng, 
»mit  feuersicherem  Material  einzudecken.''  Nach  dem^ Wortlaute 
dieser  Yerordnung  kann  man  demnach  zwischen  Ziegel-,  Schiefer- 
oder Metalldach  wählen,  und  können  aufserdem  noch  die  in  neuerer 
Zeit  häufig  angewandten  Holzcementdächer  in  Betracht  kommen. 
Letztere  sind  zwar  nur  bei  niederer  Dachkonstruktion  verwendbar, 
was  jedoch  bei  den  Schulen,  die  einen  hohen  Dachboden  vermissen 
können,  angängig  ist.  In  diesem  Punkte  ist  die  französische  Yor- 
schrift  strenger,  indem  sie  bestimmt:    „La  tuile  sera  employde  ppur 


229 

la  toitore  de  präFörenoe  ä  Fardoise  et  surtont  an  m6tal^.  Die  Me- 
talldäoher  werden  auch  bei  uns  für  Sohnlen  nicht  oder  nur  sehr 
selten  angewandt.  Dieselben  haben  bekanntlich  ein  sehr  hohes 
Wärmeleitongsyermögen  und  übertragen  daher  jeden  Temperatar- 
wechsel schnell  auf  die  nnter  ihnen  liegenden  BAumlichkeiten,  was 
im  Winter  nnd  hauptsächlich  im  Hochsommer  sehr  lästig  und  un- 
gesond  ist.  Ein  weiterer  G-mnd,  weshalb  die  Metalldächer  nicht 
praktisch  sind,  liegt  in  dem  Umstände,  dals  sie  bei  G-ewittem  eine 
groüse  Grefahr  bilden  und  daher  das  Anbringen  von  Blitzableitern 
imentbehrlich  machen. 

Zwischen  Ziegel-  und  Schieferdächern  besteht  in  hygienischer 
Hinsicht  kein  nennensvirerter  Unterschied,  und  hängt  daher  die  Wahl 
hauptsächlich  von  den  zur  Verfügung  stehenden  Geldmitteln  und 
den  lokalen  Verhältnissen  ab. 

Die  Holzcementdäoher  endlich  scheinen  sich  gut  bewährt  zu 
haben.  »Wo  die  Dächer  fachmännisch  richtig  hergestellt  wurden, 
waren  sie  dicht  gegen  Regen,  gewährten  hinreichenden  Schutz  gegen 
Hitze  und  Kälte.  Boten  sie  diese  Vorzüge  nicht  dar,  so  lag  es 
jedesmal  an  nachlässiger  Ausführung  und  technischen  Fehlem."^ 
Es  stände  hiemach  deren  Verwendung  bei  Schulen  in  hygienischer 
Hinsicht  kein  Bedenken  entgegen. 

Was  die  Konstruktion  der  Zwischendecken  im  Schulgebäude 
betriffi,  so  vermissen  wir  im  »Bäglement^  sonderbarerweise  jegliche 
Anleitung  zur  zweckmäfsigen  Anlage  derselben.  Auch  die  „  Ver- 
fügung des  Oberpräsidenten*'  beschränkt  sich  darauf,  die  Anwendung 
der  Windelböden  zu  empfehlen.  „Um  das  Durchdringen  des  Schalles 
von  einem  Stockwerk  in  das  andere  zu  verhindern'',  heiüst  es  in 
letzterer,  „sind  die  Decken  als  Windelböden  zu  konstruieren.''  Diese 
Vorschrift  entspricht  ofiFenbar  nicht  mehr  den  neueren  Anschauungen 
und  wäre  dieselbe  daher  einer  gründlichen  Abänderung  bedürftig. 
Die  Windelböden  bestehen  bekanntlich  aus  sog.  Staakhölzem,  die, 
mit  Stroh  umwickelt,  in^  die  Balkenfächer  eingeschoben  und  mit 
Lehm  betragen  werden.  Oben  werden  die  Balken  bedeckt  mit 
einem  Blindboden,  worauf  der  eigentliche  Fufsboden  zu  liegen 
kommt,  und  unten  werden  dieselben  mit  Brettern  verschalt.  „Diese 
Konstruktion  liefert  zwar  wärme-  und  schalldichte  und  für  Wasser 
undurchlässige  Decken,  wird  aber  wegen  ihres  groüsen  Gewichts  nur 
selten   ausgeführt.     Auch  ist  die  Verwendung  von  Lehm  nicht  un- 


*  Viertelfahressehr.  f,  öffentl  Oesundheitspfl,  Bd.  22,  Sappl.,  S.  115. 

13* 


230 

bedenklich,  weil  er  oft  vegetabilische  Stoffe  enthält  nnd  durch  seinen 
Gehalt  an  Feuchtigkeit  bei  zu  frühem  Verlegen  der  Dielen  etwa 
vorhandene  Schwammsporen  zur  Entwicklung  bringen  kann.**  (Ba- 
GiNSKT  1.  c,  Bd.  I.,  S.  171.)  Der  Windelboden  wird  daher  zweifellos 
übertroffen  durch  die  Zwischendeckenkonstmktion,  welche  mit  Hilfe 
von  Einschubdecken  hergestellt  wird  nnd  bei  der  in  hygienischer 
Hinsicht  am  wichtigsten  ist  die  Anwendung  von  trockenem  Holz 
und  die  Wahl  eines  gesunden  Füllmaterials.  Werden  diese  Be- 
dingungen nicht  erfüllt,  so  kann  das  Holz  faulen  und  der  Haus- 
schwamm (Merulius  lacrymans)  darin  Platz  greifen,  woraus  die  Zer- 
störung des  Holzwerkes  resultiert.  Es  sollten  deshalb  für  die  Schul- 
bauten bindende  Vorschriften  betreffend  das  Füllmaterial  vorhanden 
sein.  Auch  die  Angabe  der  Höhe  der  Füllung  sollte  in  der  Ver- 
ordnung nicht  vermüst  werden,  da  bei  zu  niederer  Füllung  die 
Schalldichtigkeit  nicht  hinreichend  ist.  Man  k(^nnte  hierfür  etwa 
10  cm  .als  Minimum  annehmen.  Noch  besser  wSxe  es  jedoch,  wo 
angängig,  der  Konstruktion  mit  Eisen  und  Beton  den  Vorzug  zu 
geben,  wie  es  in  der  modernen  Bautechnik  vielfach  zu  geschehen 
pflegt.  Es  ständen  dem  auch  vom  ökonomischen  Standpunkte  aus 
keine  Schwierigkeiten  entgegen,  da  ja  Eisen  nicht  viel  teurer  zu 
stehen  kommt  als  Holz.  Dafür  wären  die  Feuergefährlichkeit  der 
Holzbalkendeoken,  die  Möglichkeit  von  Fäulnisbildung  und  die 
eventuell  durch  das  Fülimaterial  bedingten  Gefahren  endgültig  be- 
seitigt. 

Treppen  und  Gänge.  Der  Zugang  zum  Schulhaus  mub  bei 
uxis,  da  nach  der  oben  erwähnten  Vorschrift  der  Parterrefulsboden 
über  dem  Niveau  des  Terrains  liegen  soll,  durch  eine  Treppe  ver- 
mittelt werden.  Befindet  sich  letztere  aufserhalb  des  Gebäudes,  so 
spricht  man  von  einer  Freitreppe.  Die  „Verfügung  des  Oberpräsi- 
denten^,  in  welcher  solcher  Freitreppen  vorgesehen  sind,  bestimmt 
hierfür  folgendes:  „Die  Freitreppe  vor  der  Bingangstüre  ist  aus 
Hausteinen  zu  konstruieren  und  womöglich  mit  einem  Podest  zu 
versehen".  Zunächst  ist  zu  bemerken,  dafs  es  wohl  besser  wäre, 
solche  Freitreppen  ganz  zu  vermeiden,  da  dieselben  im  Winter  wegen 
der  Winterglätte  manche  Ge£Eihren  für  die  Kinder  nach  sich  ziehen. 
Es  wäre  vorzuziehen,  die  Stufen,  welche  zum  Erdgeschofs  führen, 
innerhalb  des  Gebäudes^ anzubringen.  Ist  letzteres  jedoch  unmöglich, 
so  sollte  die  Freitreppe  wenigstens  durch  einen  Vorbau  oder  ein 
Vordach  geschützt  werden.  Dies  hätte  noch  den  grolsen  Vorteil, 
dals   die    Kinder,    welche    zu   früh    zur   Schule  kommen,   bei    ver- 


331 

dcUoeaener  Tür  Dioht  allem  Unwetter  avBgeeetst  wären,  sondern 
dtmh  dieee  Vorkehrung  einigermafsen  Söhnte  filnden.  Noch  besser 
wfixe  eS)  wenn  nahe  dem  Eingange  ein  Wartoranm  angel^  wtrde, 
wo  die  Kinder  oder  auch  die  Angehörigen,  welche  dieselben  abholen, 
sich  aufhalten  könnten.  Im  fransösischen  „R^ement''  ist  roh 
Freitreppe  überhaupt  nicht  die  Bede,  jedoch  wird  daselbst  ein  solcher 
Wartemnm  („Salle  d'attente**)  fiir  die  Sltem  gefbrd^.  Derselbe 
kann  natürlich  auch  den  Kindern  eu  demselben  Zwecke  dienen. 

Beyor  nun  die  Kinder  nach  den  Otogen  und  Treppen  im 
Innern  der  Schule  gelangen,  muls  ihnen  Gfelegenheit  geboten  werden, 
ihre  Schuhe  Ton  Straisenschmnte  asu  befireien.  Leteterer  ist  offenbar 
eine  der  Hauptquellen  des  8chulstaubes,|dessen  G^&hren  hinreichend 
bekannt  sind.  Die  elsais-lothringische  Verfügung  bestimmt  hiersu: 
„Am  FuDb  der  Treppen  sind  Vorrichtungen  aum  Beinigen  der 
Fuisbekleidung  anzubringen^,  wfthrend  im  „B^glement*'  hieran  über- 
haupt nicht  erinnert  wird. 

BuBOBBSTSiN  und  Nbtolidzkt  (1.  c,  S.  31)  schlagen  Tor,  „inner- 
halb des  Hauseinganges  an  den  Seitenwftnden  möglichst  lange,  etwa 
10  cm  über  den  Boden  ragende  Eisenstreifen  mit  darüber  befind- 
licher, passend  hoch  angebrachter  Anhaltsstange  anzubringen.  Weiter- 
hin sind  im  Hauseingang  entsprechend  grolse,  dicke  Kokos-  oder 
Strohmatten  aufzulegen,  an  welchen  die  Schuhe  bezw.  Füfse  allseitig 
ordentlich  von  den  letzten  Schmutzresten  gereinigt  werden  können*^. 
Bagikbky  (1.  c.L,  S.  188)  sagt  dagegen:  „Diese  Fulskrateeiseü  sind 
nicht  zu  empfehlen,  weil  sie  er&hrungsgemüls  selten  benutet  werden, 
d^^goi^  2U  Beschädigungen  der  Kinder  Veranlassung  geben  können. 
Den  zweckmaisigsten  Fufsreiniger  bildet  ein  mit  Schamierbttndem 
versehenes,  abhebbares  Eisengitter,  welches  über  einer  zur  Aufnahme 
des  Schmutzes  bestimmten  Vertiefung  im  Boden  liegt"*.  Baginsky 
will  dieselben  innerhalb  des  Hauses  angebracht  wissen,  da  das  Fufs- 
gitter  bei  Bogen  und  Winterglätte  leicht  schlüpfrig  wird.  „Vor  der 
nach  dem  Erdgeschoß  führenden  Treppe  sind  auiserdem  noch  ein- 
mal diese  Eisengitter-Fursreiniger,  Stehldraht-Fu&matten  oder  auch 
in  einer  entsprechenden  Vertiefung  des  Bo4cn8  liegende  Kokosmatten 
zur  YoUständigen  Steinigung  des  Fufszeuges  erforderlich.*  Diese 
Vorschläge  Bagikskys  sind  vollauf  berechtigt  und  die  von  ihm 
empfohlene  Methode  praktisch.  Bei  dieser  Vorrichtung  gewöhnen 
sich  nämlich  die  Kinder  von  selbst  an  das  Beinigen  der  Schuhe, 
was  bei  der  von  Bvrgebstein  und  Netolitzki  empfohlenen  Ein- 
richtung nicht  so  leicht  der  Fall  wäre. 


232 

Über  die  Konstraktion  der  Gküige  und  der  inneren  Treppen 
sind  yersohiedene  Einzelheiten  in  der  ^  Verf&gung  des  Oberprftüdenten^ 
angegeben,  und  auch  das  „B^lement"  beschäftigt  sich  etwas  ein- 
gehender mit  diesem  Thema.  Die  erstere  enthält  folgende  Bestim- 
mung: „12.  Die  Gänge  und  Treppenräume  eines  Schulgebäudee 
müssen  hell,  geräumig  und  zugfirei  sein.  Die  Breite  der  Haupt- 
gänge darf  nicht  unter  2,5  m  betragen^.  Das  „B^lement*'  hin- 
gegen schreibt  folgendes  vor:  „L'öntrto  des  ölöves  se  fera  par  des 
Couloirs  ou  galeries  d^une  largeur  de  2  mötres,  receyant  directement 
l'air  et  la  lumi^re".  Nach  der  Instruktion  des  Ministenalerlasses 
Yom  18.  Januar  1893  braucht  die  Breite  der  Gänge  in  den  firaneö- 
sischen  Schulen  nur  1,50  m  Tzu  betragen.  Das  „B^lement"  ist, 
wie  man  sieht,  die  Beleuchtung  und  Lüftung  der  Gänge  betreffend, 
etwas  präciser  als  die  elsafs-lothringische  Verfügung,  indem  es  fordert, 
dais  dieselben  direkt  Luft  und  Licht  erhalten  sollen.  Hiermit  ist 
ohne  weiteres  ausgedrückt,  daCs  die  Beleuchtung  der  Gtoge  nicht 
indirekt  erfolgen  darf,  z.  B.  durch  Oberlichtfenster  in  den  oberen 
Füllungen  der  Klassentüren  oder  durch  die  Treppenhäuser.  Nach 
der  Verfügung  des  Oberpräsidenten  wäre  dies  nämlich  erlaubt,  die 
Gänge  könnten  trotzdem  hell  und  auch  zugfrei  sein.  Gesunde  Luft 
kann  aber  nur  dann  in  die  GtiSaxge  kommen,  wenn  von  diesen  aus 
hinreichend  groise  Fenster  ins  Freie  münden.  In  kleinen  Schulen 
können  diese  Fenster  an  den  beiden  Enden  der  Gilnge  angebracht 
werden,  also  zu  beiden  Seiten  derselben  Klassenzimmer  sich  befinden. 
In  gröiseren  Schulen  wäre  es  jedoch  vorteilhafter,  daüs  nur  auf  einer 
Seite  Klassen  untergebracht  und  längs  der  gegenüberliegenden  Seite 
des  Gkmges  Fenster  angebracht  würden,  wodurch  den  hygienischen 
Forderungen  am  besten  entsprochen  würde. 

Was  die  Breite  der  Gänge  angeht,  so  ist  dieselbe  in  beiden 
Verfügungen  zu  knapp  bemessen,  besonders  in  der  für  Elsals-Loth- 
ringen,  obwohl  dies  äuCserlioh  ein  Widerspruch  zu  sein  scheint,  da 
ja  bei  uns  2,50  m,  in  Frankreich  dagegen  nur  2  m  bezw.  1,50  m 
gefordert  werden.  Wie  nämlich  noch  später  erwähnt  werden  wird, 
ist  in  der  „Verfügung  des  Oberpräsidenten **  kein  gedeckter  Spielplatz 
vorgesehen.  Ist  nun  ein  solcher  nicht  vorhanden,  so  müssen  sich 
die  Schüler  bei  schlechtem  Wetter  während  der  Pausen  in  den 
Schulzimmem  aufhalten.  Letzteres  ist  schon  deshalb  nicht  angängig, 
weil  in  den  Pausen  die  Schulzimmer  gut  durchgelüftet  werden 
müssen,  also  Zugluft  notwendig  wird,  in  welcher  sich  die  Schüler 
nicht  aufhalten  dürfen.    Werden  jedoch  die  Gänge  zum  Aufenthalt 


233 

während  der  Pausen  benutzt,  so  müssen  dieselben  selbstverständlich 
viel  breiter  sein  als  2,5  m. 

Hierzu  kommt  noch  der  umstand,  dafs  die  Gänge  vielfach  als 
Kleiderablage  dienen.  Es  heifst  am  Schlüsse  der  „Verfügung  des 
Oberpräsidenten'' :  „Zur  Aufbewahrung  von  Kopfbedeckungen,  Über- 
kleidern usw.  sind  in  den  Schulzimmern  oder,  wo  es  angeht,  in  be- 
sonderen Bäumen  geeignete  Vorrichtungen  anzubringen **.  Die  Auf- 
bewahrung der  Oberkleider  in  den  Schulzimmem  ist  aus  verschiedenen 
Gründen  zu  verwerfen,  besonders  jedoch  wegen  der  durch  dieselben 
bedingten  Luftverschlechterung  bei  nassem  VtTetter.  Nach  dem  VtTort- 
laute  des  „Röglement^  ist  es  in  den  Landschulen  gestattet,  das 
„Vestibüle*^  (Flur)  als  Garderobe  zu  verwenden.  Im  allgemeinen 
soll  jedoch  nach  dem  „R^lement**  in  jeder  Schule  für  jede  Klasse 
ein  besonderer  Raum  für  die  Kleiderablage  vorhanden  sein. 

Vom  hygienischen  Standpunkte  aus  ist  nicht  viel  dagegen  ein- 
zuwenden, dafs  die  Gänge  als  Kleiderablage  dienen,  vorausgesetzt, 
dafs  letztere  demgemäis  praktisch  beigestellt  und  |die  Gänge  hin- 
reichend breit  sind.  Eine  Breite  von  3  m  bis  3,50  m  wäre  hierfür 
durchaus  nicht  zu  viel,  und  man  mufs  daher  die  Breite,  welche  im 
„Bäglement^  für  die  Gänge  vorgeschrieben  ist,  ebenfalls  als  unzu- 
reichend bezeichnen,  besonders  aber  die  Breite  von  1,50  m,  welche 
nach  der  vorhin  erwähnten  Instruktion  in  Frankreich  zulässig  ist. 
Besondere  Kleiderräume  haben  den  groüsen  Vorteil,  dafs  sie 
unter  Verschlufs  gehalten  werden  können.  Ferner  kann  daselbst 
das  Wechseln  von  nassem  Schuhwerk  leicht  vorgenommen  werden. 
Da  jedoch  durch  Herstellung  derselben  die  Baukosten  nicht  unerheb- 
lich erhöht  werden,  die  Kleiderablage  im  Korridor  aber  vom  hygie- 
nischen Standpunkt  aus  nicht  zu  verwerfen  ist,  so  kann  letzterer 
Methode  der  Vorzug  gegeben  werden. 

Über  die  Vorrichtungen  der  Kleiderablagen  soll  hier  nicht  im 
einzelnen  gesprochen  werden.  Nur  das  wäre  zu  betonen,  dafs  dafür 
gesorgt  werden  mufs,  dais  die  VtTände  nicht  durchfeuchtet  werden 
und  auch  der  Fulsboden  besonders  durch  die  Schirme  nicht  zu  sehr 
dnrohnäfst  werde. 

Über  die  Bekleidung  der  Gänge  besteht  bei  uns  keine  nähere 
Verordnung.  Es  kann  hierbei  am  besten  verfahren  werden,  wie  es 
die  entsprechenden  Vorschriften  für  die  Klassenzimmer  begehren. 
Das  „Räglemenf  enthält  gleichfalls  keine  diesbezüglichen  Be- 
BÜinmungen,  die  in  hygienischer  Hinsicht  von  Wichtigkeit  wären. 
Über  die  Konstruktion   der  inneren  Treppen  finden  wir  in 


284 

beiden  Verfügangen  genaue  Bestimmungen.  Was  zunftohst  die  Mafse 
der  Treppen  angeht,  so  werden  in  der  „Verfügung  des  Oberpräsidenten^ 
folgende  Forderungen  gestellt:  „Breite  1,25  m,  Stufenhöhe  nicht 
über  17  cm,  doppelte  Steigung  -|-  einfacher  Auftritt  =  63  cm,  also 
2X  17  -f  einfacher  Auftritt  =  63.  Einfacher  Auftritt  (Breite  des 
Auftritts)  also  63  —  34  =  29  cm.** 

Im  „Beglement^  ist  folgendes  yorgeschrieben :  „Lee  marches 
auront  1,6  m  de  largeur,  0,25  ä  0,30  de  foulöe  et  au  maximum  0,16 
de  hauteur". 

Von  der  Breite  abgesehen  bieten  also  die  beiden  Verordnungea 
keinen  groJlsen  unterschied,  und  es  sind,  was  die  Breite  des  Auftritts 
und  die  Höhe  der  Stufen  angeht,  vom  hygienischen  Standpunkte 
aus  keine  Bedenken  gegen  die  betreffenden  MaJse  zu  erheben.  Die 
bei  uns  vorgesehene  Treppenbreite  von  1,25  m  ist  jedoch  zu  gering. 
EJs  ist  zwar  zu  bemerken,  dais  kleinere  Kinder  die  Treppe  haupt- 
sächlich längs  der  Geländer  oder  längs  der  Wände  benutzen.  Jedoch 
kann  bei  so  engen  Treppen  das  Gedränge  zu  stark  werden,  be- 
sonders am  Schlüsse  des  Unterrichts.  Die  Breite  der  Treppe  wäre 
daher  am  besten  nach  der  Anzahl  Kinder,  welche  dieselbe  benutzen 
sollen,  zu  bestimmen.  Jedenfalls  müiste  man  auch  für  kleinere 
Schulen  mindestens  1,50,  für  grössere  jedoch  2,00  m  fordern. 

Femer  wäre  es  nützlich,  vorzuschreiben,  dals  bei  einer  gröiserea 
Anzahl  Schüler  nicht  nur  eine,  sondern  mehrere  Treppen  vorhandea 
sein  sollten.  Hierauf  nimmt  übrigens  das  „R^lement*'  Rücksicht, 
indem  es  sagt:  „Tonte  äcole  reoevant  plus  de  200  äl^ves  devra  avoir 
un  escalier  ä  chaque  extremitö  du  bätiment"^.  Nach  der  Instruktion 
vom  18.  Januar  1893  ist  diese  Zahl  auf  300  erhöht.^ 

Es  wird  femer  in  beiden  Verfügungen  darauf  hingewiesen,  daüs 
die  Treppe  nicht  gewunden  sein  darf,  und  dais  dieselbe  mit  Podesten 
versehen  sein  muls. 

Die  Gründe,  weshalb  diese  Vorkehrungen  getroffen  werden 
müssen,  sind  leicht  ersichtlich.  Gewundene  Treppen  würden  die 
Kinder  zu  leicht  der  Gefahr  aussetzen,  herabzufallen,  besonders 
wenn  viele  Kinder  miteinander  die  Treppe  benutzen,  wie  dies  doch 
meistens  der  Fall  ist.  Allzu  hohe  Stiegen  ohne  Podeste  würden  die 
Kinder  zu  sehr  ermüden. 

Von  Wichtigkeit  ist  femer  noch  die  Sorge  für  entsprechende 
Geländer  längs  der  Stiegen.    Die  diesbezügliche  Verordnung  lautet 


*  G.  Baüdran  1.  c.   S.  60. 


295 

bei  uns:  „An  der  freien  Seite  ifit  jeder  Treppenarm  mit  einem  soliden 
Handgeländer,  an  der  Wandseite  mit  einfachem  Handgriff  zu  ver- 
sehen. Das  flandgeländer  ist  so  einzurichten,  dais  ein  Hemnter- 
rutschen  der  Kinder  auf  demselben  unmöglich  ist**.  Dieser  Be- 
stimmung entspricht  in  Frankreich  folgende  Vorschrift  im  „R^glement^: 
„Les  barreaux  seront  espac^  de  0,13  d'axe  en  aze;  la  main  courante 
sera  garnie  de  boutons  saillants  placös  ä  1  m  de  distance  au  plus. 
Une  seconde  main  courante  sera  dispos^e  le  long  des  murs**. 

Diesen  Vorschriften  ist  nicht  viel  hinzuzufügen.  Praktisch  ist 
68,  die  Entfernung  genau  anzugeben,  welche  die  Stäbe  des  Geländers 
von  einander  haben  sollen,  wie  dies  im  ,,B^lem«at''  gesohieht. 
Hierdunoh  wird  das  bei  den  Kindern  so  beliebte  Durohkrieohen 
2wisehen  denselben  verhindert.  Auch  ist  es  zweokmäftig,  die  Art 
und  Weise  anzugeben,  wie  man  das  Herunterrutschen  der  Kinder 
auf  den  Geländern  unmöglich  macht.  Die  im  „Röglement^  ange- 
gebenen Knöpfe  sind  hierzu  recht  praktisch. 

In  der  elsaJs-lothringischen  Verfügung  *wird  sohUeJaUch  noch 
gefordert,  „dafs  in  gröfseren  Schulgebäuden  die  Treppen  massiv  her- 
zustellen sind**.  Es  ist  dies  darum  nötig,  damit  die  Treppen  hin- 
reichend fest  und  vor  allem  feuersicher  sind.  Die  einzelnen  Kon- 
stmktionsarten  können  hier  nicht  näher  beschrieben  werden. 

Ist  die  Errichtung  des  Schulgebäudes  vollendet,  so  kann  dasselbe 
nicht  ohne  weiteres  seiner  Bestimmung  übergeben  werden,  sondem 
erst  dann,  wenn  man  sich  davon  überzeugt  hat,  daCs  sowohl  das 
Mauerwerk  als  auch  die  innere  Ausstattung  der  Wände  völlige 
Trockenheit  aufweist.  Die  Art  und  Weise,  wie  dies  festzustellen 
ist,  bleibt  denjenigen  überlassen,  die  hierzu  berufen  sind,  nämlich 
in  Elsals-Lothringen  den  Kreisärzten  und  in  Frankreich  den  „m^decins 
inspecteurs  des  öcoles",  deren  Institution  durch  das  Gesetz  vom 
30.  Oktober  1886  obligatorisch  geworden  ist.  Die  „Verfügung  des 
Oberpräsidenten''  enthält  hierüber  folgende  Vorschrift:  ,,Die  Benutzung 
neu  errichteter  Schulhäuser  ist  erst  dann  statthaft,  wenn  die  völlige 
Trockenheit  zuverlässig  konstatiert  ist;  beim  Massivbau  wird  dies 
frühestens  6  Monate  nach  Vollendung  des  Rohbaues  der  Fall  sein 
können.*' 

(Portsetzong  folgt) 


236 


2.US  Hecfattttttlititseit  ttnb  Heceinem 

Die  Leibesfibnngen  auf  den  Hochschulen. 

Nach   einem  vor  der    „Gesellschaft  für  wissenschaftliche  Gesundheitspflege 
in  Zürich"  vod  Seminarlehrer  J.  Spühleb  gehaltenen  Vortrage. 

(Antoreferat.) 

Die  Pflege  der  Leibesübungen  durch  die  studierende  Jugend  ist  zu- 
nächst für  diese  selbst  von  grofser  Bedeutung.  Einmal  gibt  sie  den  noch 
meist  in  der  Entwicklung  begriffenen  Jünglingen  die  nötigen  Wachstums- 
anregungen, dann  bildet  diese  Betätigung  ein  heilsames  Gegengewicht  gegen 
das  Sitzleben  des  Studenten  innerhalb  und  aufserhalb  der  Kollegien,  femer 
fördert  sie  das  Studium,  insofern  sie  dessen  Unterbrechung  durch  Gesund- 
heitsstörungen seltener  werden  läfst  und  im  Studierenden  eine  Heiterkeit 
des  Geistes  erzeugt,  die  günstig  auf  den  Fortgang  der  Studien  wirkt. 
Leibesübungen  helfen  das  Studentenleben  in  richtige  Bahnen  leiten,  stärken 
den  Willen  und  bilden  im  Individuum  die  Disposition  zu  tatkräftigem 
Handeln,  was  für  den  Studierenden  um  so  wichtiger  ist,  als  ihn  der  jahre- 
lange Schulsitz  in  dieser  Beziehung  schädigt. 

Die  durch  körperliche  Übungen  erzeugte  Rüstigkeit  und  Tatkraft  hat 
eine  gröfsere  Tüchtigkeit  im  Berufe  zur  Folge  und  wirkt  somit  über  die 
Studienzeit  hinaus  segensreich  nach. 

Bedenkt  man,  dafs  aus  den  Reihen  der  Studierenden  eine  grolse  Zahl 
höherer  militärischer  Führer  hervorgehen,  denen  vor  aUem  körperliche 
Rüstigkeit,  Tatkraft  und  Entschlossenheit  eigen  sein  müssen,  so  erblicken  wir 
in  einer  turnenden  studentischen  Jugend  ein  Pfand  ihrer  zukünftigen 
Waffentüchtigkeit.  Und  nur  wenn  die  Studenten  selbst  den  Leibesübungen 
obliegen,  werden  sie  später  auch  als  geistige  Führer  der  Nation  das 
nötige  Verständnis  für  das  im  Volke  mehr  und  mehr  erwachende  Bestreben 
finden,  durch  ausreichenden  Betrieb  von  Leibesübungen  und  damit  ver- 
bundener einfacher  Lebenshaltung  zurückzuerobern,  was  unter  dem  Ein- 
flüsse einseitiger  Berufstätigkeit  und  verkehrten  Lebensgenusses  an  Volks- 
kraft und  Volksgesundheit  verloren  gegangen  ist. 

Nun  ist  es  aber  mit  der  Pflege  der  Leibesübungen  an  den  Universi- 
täten im  allgemeinen  nicht  gut  bestellt. 

In  Deutschland  stehen  (nach  dem  y^Jahrbtich  /.  Volks-  u.  Jugend- 
^mle'^  pro  1901)  an  16  Hochschulen  (=  65%)  Turnhallen  zur  Ver- 
fügung, 10  Hochschulen  (=  35  ^/o)  jetzt  wohl  4  mehr,  weisen  Turnplätze 
auf,  und  auf  7  Hochschulen  (=  24  %)  ist  Gelegenheit  zum  Tennisspiel 
vorhanden.  An  22  Hochschulen  (=  76  %)  sind  Fechtlehrer,  an  52  % 
Reitlehrer,  an  45%  Tanzlehrer  und  an  ebenso  vielen  Turnlehrer,  an  18% 
Schwimmlehrer  angestellt.  Am  idealsten  sind  die  Verhältnisse  in  Tübingen, 
wo  für  alle  Zweige  der  Körperpflege  (aufser  Rudern)  die  nötigen  Einrich- 
tungen vorhanden  und  entsprechende  Lehrer  angestellt  sind,  ja  aufser 
Turnhalle  und  Fechtboden  sogar  Badeanstalt,  Reithaus  und  Tanzboden 
Universitätsinstitute  sind,  die  vom  Staate  unterhalten  werden. 


.237 

Die  Zahl  der  dem  Tarnen  und  Bewegangspiel  obliegenden  dentschen 
Studenten  mag  etwa  5%,    die  dem  Fechten  obliegenden  10%  betragen. 

In  den  Yorlesongsverzeichnissen  verschiedener  deutscher  und  öster- 
reichischer Hochschulen  erscheint  auch  das  Tarnen.  So  haben  diejenigen 
Yon  Grei&wald,  Halle- Wittenberg,  Graz,  Prag  und  Wien  eigentliche  Tum- 
lehrerbildungskurse  mit  dem  nötigen  theoretischen  und  praktischen  Unter- 
richte. Besondere  Turnstunden  finden  wir  in  den  Vorlesungsverzeichnissen 
von  Kiel,  Königsberg,  Münster  i.  W.,  Akademie  Mttnster,  Insbruck  und 
der  technischen  Hochschule  Karlsruhe  angegeben.  Halle- Wittenberg  ver- 
zeichnet einen  gemeinsamen  Tumabend  fttr  nicht  inkorporierte  Studierende 
und  für  Angehörige  nicht  turnender  Korporationen. 

In  den  Vorlesungsverzeichnissen  der  schweizerischen  Hochschulen  finden 
wir  das  Turnen  nur  bei  der  Lehramtsschule  der  Hochschule  Bern  erwähnt. 

Am  aUgemeinsten  ist  auch  bei  uns  das  Fechten  verbreitet.  An  und 
ftir  sich  eine  prftcfatige  Leibesübung,  ist  sie,  ausschUefslich  betrieben,  zu 
einseitig  und  meist  auf  den  geschlossenen  Raum  beschränkt.  Turnen, 
Spiel  und  Tumfahrten  finden  ihre  Pflege  in  der  schweizerischen  akade- 
mischen Turnerschaft,  die  zurzeit  aus  fünf  akademischen  Turnvereinen 
besteht  und  dieses  Semester  (mit  Weglassung  der  auswärtigen  Mitglieder) 
*  9d  Mitglieder  zählt.  Wie  viele  Studenten  dieser  oder  jener  Form  des 
Sportes  obliegen,  Iftfet  sich  nattlrlich  nicht  feststellen. 

Wie  wenig  genügend  diese  Verhältnisse  an  unseren  schweizerischen 
Hochschulen  sind,  möge  an  dem  Beispiel  Zürichs  gezeigt  werden,  das 
durchaus  nicht  in  letzter  Linie  steht.  An  unseren  beiden  Hochschulen 
(Universität  und  Polytechnikum)  mit  ihren  2060  regelrechten  Schülern 
(total  2721  Hörern)  besteht  ein  akademischer  Turnverein,  der  wackere 
Universitätstumverein,  der  aber  nur  31  Aktive  aufweist.  Hierzu  kommen 
noch  etwa  25  Mitglieder  des  Polytechniker  Ruderklubs,  vielleicht  je  eben- 
aoviele  Mitglieder  des  Schützenvereins  schweizerischer  Studierender  und 
des^^^akademischen  Alpenklubs.  ^ine  kleinere  Anzahl  von  Studenten  nimmt 
überdies  an  den  Bestrebungen  bürgerlicher  Tum-  oder  Sportvereine  teil. 

Wie  verbessern  wir  diese  ungenügenden  Verhältnisse?  Von  den  ge- 
schlossenen akademischen  Turnvereinen,  in  welche  Angehörige  andrer 
studentischen  Verbindungen  nicht  eintreten  können,  viele  Studenten  aus  Mangel 
an  Zeit  oder  an  Geld  nicht  eintreten  wollen,  kann  nicht  alles  erwartet 
werden;  wir  müssen  diese  Institation  erweitem  durch  die  Einrichtung  freier 
Tum-  und  Spielgelegenheiten,  wie  an  der  Universität  Basel  durch  den 
Privatdozenten  Dr.  Flatt  ein  Versuch  gemacht  worden  ist.  Unabhängig 
von  der  Hochschule  mag  der  Student  den  Fufswanderungen,  dem  Schwimmen 
und  den  winterlichen  Leibesübungen  obliegen,  für  Reiten,  Radfahren, 
Rüdem  und  Fechten  könnten  die  Hochschulbehörden  mit  Leichtigkeit 
günstige  Mietbedingungen  schaffen,  für  den  Betrieb  des  Bewegungsspieles 
und  des  Turnens  aber  sollte  jede  Hochschule  unentgeltliche  Gelegenheit 
bieten. 

Eine  erste  Aufgabe  ist  nun,  die  Studenten  für  die  Pflege  der  Leibes- 
ftbungen  zu  gewinnen,  und  wenn  dies  in  anbetracht  der  vielen  entgegen- 
stehenden Schwierigkeiten  durchaus  nicht  leicht  ist,  so  sollte  es  doch 
schlielslich  gelingen,  die  akademischen  Bürger  für  eine  Angelegenheit  zu 


238 

gewiaaea,  die  dfisselbe  Volk  angebt,  das  ««s  seiner  H&nde  Arbeit  die 
obersten  Bildongsst&tten  unteiiiält. 

Zur  Beschaffung  der  n&tigen  Hilfsmittel  (Plfttze,  Spiel-  and  Tom- 
gerate  and  Leiter  der  Übungen)  ivUrde  ans  w<^  die  Hilfe  der  Staats-  und 
Hochscbnlbehörden  nicht  mangein.  Als  Leiter  des  Tomens  und  des 
Spieles  können  hierfür  qualifizierte  Dozenten  und  Studierende  inner-  und 
auiserhalb  der  akademischen  Turnvereine,  im  Notfalle  auch  Tnmlehrer  und 
Vorturner  bürgerlicher  Turnvereine  in  Frage  kommen,  and  am  der  Insti- 
tution unter  der  stets  wechselnden  Studentenschaft  Bestand  zu  verleihen, 
könnte    neben   einem  Studenten-  ein  Dozentenansschols  eingesetzt  werden. 

Das  Interesse  für  die  körperlichen  Übongen  und  das  VerstAndnis 
ihrer  hohen  Bedeutung  für  die  Gesundheit  und  für  die  psychischen  Vor- 
gänge sollte  im  ferneren  geweckt  werden  durch  Vorlesungen  über  Ana- 
tomie und  Physiologie  der  Leibesübungen,  die  den  Hörern  aller  Fakolt&ten 
zugänglich  wären.  Vorträge  über  Gesditchte  und  Methoden  der  Leibes- 
übongen  und  Belehrungen  über  die  Methodik  des  Tamunterrichtes  dürften 
sich  anschliefsen,  und  diese  beiden  Vortragsreihen  in  Verbindung  mit  den 
praktischen  Übungen  böten  den  Studierenden  des  Lehramtes  nebenbei 
Gelegenheit,  sich  zu  tüchtigen  Turnlehrern  unserer  Mittelschulen  und 
Seminarien  auszubilden. 

Den  Inhalt  seines  Vortrages  fafete  der  Sprechende  in  folgende  B&tze 
und  Anträge  zusammen: 

Die  Gesellschaft  für  wissenschaftliche  Gesundheitspflege 
erblickt  in  dem  ausreichenden  Betriebe  richtig  gewählter 
Leibesübungen  durch  die  studierende  Jugend  ein  Mittel  zar 
Gesundung  und  Kräftigung  des  studentischen  Lebens,  sowie 
zur  Anlegung  einer  Summe  physischer  und  sittlicher  Eigen- 
schaften, die  auch  dem  späteren  Berufsleben  und  dem  vater- 
ländischen Wehrwesen  zu  statten  kommen.  Sie  hält  im  fernem 
daiür,  dafs  der  Erfolg  der  Bestrebungen,  durch  stramme 
Leibeszucht  eine  gesundheitliche  und  sittliche  Ertüchtigung 
unseres  Volkes  herbeizuführen,  in  hohem  Mafse  von  der 
Stellung  abhängig  ist,  welche  die  künftigen  Führer  der 
Nation  hierzu  einnehmen.  Gestützt  auf  diese  Erwägangen 
beauftragt  sie  ihren  Vorstand,  die  nötigen  Schritte  zu  tun, 
um  an  unseren  beiden  Hochschulen  dem  Betriebe  der  Leibes- 
übungen wie  ihrer  Vertretung  in  den  wissenschaftlichen  Vor- 
lesungen eine  ihrer  Bedeutung  entsprechende  Stätte  zu 
schaffen. 

Ängstliche  Gemüter,  so  führte  der  Referent  zum  Schlüsse  ans,  mögen 
die  Befürchtung  hegen,  die  f^flege  der  Leibesübangen  beeinträchtige  die- 
jenige der  Wissenschaft.  Innerhalb  gewisser  vernünftiger  Grenzen  ist  ge- 
rade das  Gegenteil  richtig.  Und  wer  noch  erwägend  beiseite  steht,  ob 
das  Studium  die  Kürzung  der  auf  das  Sinnen  und  Denken  zu  verwendenden 
Zeit  gestatte,  der  lasse  sich  bestimmen  durch  H.  y.  Tbeisghkes  Aus- 
spruch: „Nicht  der  Gedanke,  sondern  die  Tat  bestimmt  das 
Geschick  der  Völkerl 


289 


IlUtiitre  Jltiietl]tii)tii< 


ftflentlkke  Vtmngt  Ar  rtotterade  Sekulkiiiler.  Vor  mehr  als 
10  Jahren  wurden,  infolge  einer  Anregung  des  Herrn  Dr.  CoiBN,  in  einer 
Komnuinalschnle  des  I.  Bezirks  in  Wien  öffentliche  HeSkorse  fttr  stotternde 
and  stammelnde  Schulkinder  eingerichtet.  Die  Stadt  stellte  die  Schul- 
iokalitftten  zur  freien  Verfllgung  und  yerabreichte  ganz  mittellosen  Kindern 
aodi  die  Textbücher,  Anschaoungstafeln  etc.  unentgeltlich.  Aus  dem  vor- 
jährigen Berichte  des  Dr.  CoisN  geht  nun  hervor,  daCs  im  ersteo  Dezennium 
des  Bestehens  dieser  Kurse  158  vorwiegend  mit  Stottwn  und  Stammeln 
behaftete  Schulkinder  unentgeltlich  behandelt  und  hierb^  durchschnittlich 
60%  Heilungen  und  30%  Besserungen  erzielt  wurden  —  ein  Ergebnis, 
das  im  Vergleiche  mit  dem  anderer  diesbezüglicher  Statistiken  als  ein  sehr 
günstiges  bezeichnet  zu  werden  verdient.  Das  Ziel,  möglichst  wenige  Mife- 
erfolge  zu  haben,  das  der  Kurleitung  stets  vorschwebt,  wird  um  so  eher 
erreicht  werden,  wenn  einerseits  die  Lehrer  durch  wohlwollende  Behandlung 
in  der  Schule,  andererseits  die  Eltern  durch  häusliche  Beobachtung  und 
stete  Aneiferung  zum  fleibigMi  Besuche  der  Heilkurse  diese  Bemühungen 
unterstützen  werden.  Diese  humanitäre  Institution  wird  jedoch,  trotz  ihres 
unstreitigen  Nutzens,  stets  nur  ein  palliatives  Mittel  bleiben,  solange  der 
Staat  oder  die  Gemeinde  nicht  daran  geht,  ähnlich  wie  für  andere  Ge- 
brechen der  heranwachsenden  Jugend,  auch  für  diese  eine  Spezialschule 
zu  errichten,  in  welcher  die  sprachgebrechlichen  Kinder,  bei  Einhaltung 
des  für  normale  Schüler  vorgeschriebenen  Lehrplanes  uod  Berücksichtigung 
ihrer  Übel,  von  kundigen  und  geeigneten  Lehrpersonen  und  unter  der 
Leitung  eines  tüchtigen  Spracharztes  klassenweise  unterrichtet  werden  sollen. 
Nur  eine  solche  Schule  könnte  den  armen  sprachleidenden  Kindern,  die 
ebenso  wie  die  Blinden  und  Taubstummen  das  Recht  auf  öffentliche  Ftlr- 
sorge  haben,  eine  sichere  und  dauernde  Verbesserung  ihres  traurigen  Zu- 
standes  gewähren. 

Auch  in  Berlin  sind  öffentliche  Unterrichtskurse  für  stotternde  Ge- 
meindeschüler eingerichtet.  Dieselben  werden  von  Gemeindelehrern  geleitet, 
welche  sich  die  für  diesen  Unterricht  erforderliche  Vorbildung  erworben 
haben. 

Über  Unterricht  und  Erziehung  schwachsinniger  Kinder  sprach 

in  der  Reihe  von  Vorträgen,  die  der  Deutsche  Verein  für  Volkshygiene 
über  „Gesundheitspflege  in  der  Schule*'  für  Lehrer  und  Lehrerinnen  ver- 
anstaltet, unlängst  Dr.  Y.  GiZYCKi.  Der  Vortragende  sprach,  wie  die 
„TägL  Bundschau*^  mitteilt,  u.  a.  die  Ansicht  aus,  .die  bisher  oft  betonten 
Grundsätze  der  Unterrichtsmethode  bei  Schwachsinnigen,  nämlich  die  An- 
schaulichkeit und  die  häufige  Wiederholung,  seien  unzureichend  und  zum 
Teil  irrefllhrend.  Er  erklärte,  dafs  die  Methode  ihre  Richtlinien  erhalte 
durch  das  Ziel  der  Erziehung:  diese  Kinder  erwerbsfähig  und  sittlich 


240 

tflchtig  zu  machen.  Unter  Beachtung  dieser  Ziele  trete  bei  schwach- 
sinnigen Kindern  das  Wissen  hinter  dem  Können  zurück,  and 
es  müsse  unbedingt  eine  durchaas  praktische  Gestaltung  des  gesamten  Unter- 
richts gefordert  werden.  Diese  letztere  sei,  soweit  sie  sich  auf  die  anzu- 
strebende Erwerbsfähigkeit  der  Kinder  beziehe,  herbeizuftlhren  durch 
Spaziergänge  und  Pflege  der  Selbsttätigkeit  behn  Spiel,  im  Handfertigkeits- 
unterricht und  bei  praktischen  Übungen. 

Über  die  Fortsehritte  der  Sehnlgesundheitspflege  in  Brann- 
sehweig  sprach  am  25  jährigen  Stiftungsfest  des  Vereins  für  öffentliche 
Gesundheitspflege  im  Herzogtam  Braunschweig  u.  a.  Prof  Blasius.  Er 
erwähnte,  dafs  namentlich  auf  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  Grofises  ge- 
leistet worden  sei;  in  dieser  Beziehung  seien  besonders  die  Turnhallen  und 
die  Schulbrausebäder  zu  erwähnen.  Die  Hygiene  des  Unterrichts  wurde 
durch  eine  Reform  der  Stundenpläne,  durch  schulfreie  Nachmittage,  durch 
Ausflüge  und  Ferienkolonien  (im  Harze)  gefördert,  und  die  Frage  der  An- 
stellung Yon  Schulärzten  steht  vor  ihrer  Lösung. 

I)er  flSrf&higkeit  der  Sehnlkinder  ist  bisher  bei  weitem  nicht  die 
genügende  Aufmerksamkeit  zugewandt  worden.  Ein  taubgeborenes  Kind  ist 
Yon  vornherein  vom  Besuch  einer  gewöhnlichen  Schule  ausgeschlossen.  Bei 
schwerhörigen  Kindern  ist  die  Tatsache  in  Erwägung  zu  ziehen,  dafs  nach 
der  Ansicht  hervorragender  Physiologen  die  Erregung  der  Gehörsnerven 
viel  mehr  zur  geistigen  Entwicklung  beiträgt,  als  die  der  Sehnerven.  Daraus 
ergibt  sich  bereits  die  aufserordentliche  Wichtigkeit  der  Feststellung,  da& 
die  Zahl  der  Schulkinder  mit  mangelhaftem  Gehör  sicher  eine  weit  gröfsere 
ist,  als  sie  gewöhnlich  ermittelt  wird. 

Die  Beweise  dafür  hat  Dr.  Bbühii  in  der  Monatsschrift  „Die  Kranken- 
pflege" gesammelt  und  zu  den  notwendigen  Schlufsfolgerungen  verarbeitet. 
Zunächst  mufs  man  bei  der  Behauptung  verweilen,  dafs  das  Gehör  der 
Kinder  viel  zu  selten  geprüft  wird.  Die  Eltern  selbst  können  eine  solche 
Prüfang  ohne  viel  Umstände  vornehmen.  Sie  müssen  sich  dazu  der  Flüster- 
sprache bedienen.  Als  normalhörig  kann  das  Kind  betrachtet  werden,  wenn 
es  auf  beiden  Ohren  mindestens  auf  acht  Meter  weit  die  Flüstersprache 
versteht.  Ein  ganz  normales  Ohr  wird  die  Flüstersprache  allerdings  noch 
auf  20  Meter  Abstand  wahrnehmen,  aber  die  Hörfähigkeit  auf  acht  Meter 
genügt  wenigstens  für  alle  Anforderungen  des  täglichen  Lebens.  Dieser 
mindeste  Anspruch  wird  aber,  wie  gesagt,  von  einer  überraschend  grofsen 
Zahl  von  Schulkindern  nicht  erfüllt.  Im  Jahre  1885  wurden  durch  die 
Lehrer  ohne  Mitwirkung  von  Ohrenärzten  Erhebungen  angestellt,  um  die 
Hörfähigkeit  der  Schüler  in  den  höheren  Schulen  zu  ermitteln,  und  es 
stellte  sich  dabei  heraus,  dafs  nur  2,18%  als  schwerhörig  zu  bezeichnen 
waren.  Nun  hat  sich  aber  durch  die  Untersuchung  seitens  Sachverständiger 
unzweifelhaft  ergeben,  dafs  dies  Verhältnis  leider  viel  höher  ist.  In  Riga 
fand  man  unter  1055  Schulkindern  22%  mit  mangelhaftem  Gehör,  in 
Stuttgart  von  über  6000  gleichfalls  etwa  den  vierten  Teil.  Überhaupt 
kommen  die  ärztlichen  Untersuchungen  über  die  Hörfähigkeit  der  Schul- 
kinder zu  dem  wahrhaft  erschreckenden  Ergebnis,  dafs  etwa  der  vierte  Tefl 
der  Schüler  als  schwerhörig  in  höherem  oder  geringerem  Grade  zu  be- 
zeichnen ist.     Ist  diese  Tatsache  schon  an  sich  höchst  bedenklich,  so  wird 


241 

sie  dadurch  noch  peinlicher,  dafs  sie  eben  in  den  meisten  Fällen  nicht 
erkannt  wird,  so  dals  die  schwerhörigen  Kinder  nicht  die  richtige  Ftkr- 
sorge  während  des  Unterrichts  finden,  Ton  einer  ärztlichen  Behandlung  ganz 
abgesehen.  —  Die  häufigste  Ursache  der  Schwerhörigkeit  bei  Schnlkindem 
besteht  in  einem  Mittelohrkatarrh,  der  sehr  allmählich  einsetzt  und 
schliefslich  mit  einer  hochgradigen  Schwerhörigkeit  oder  Tölliger  Taubheit 
endet,  aber  in  vielen  Fällen  geheilt  werden  kann,  wenn  er  zeitig  zur  Be- 
handlung kommt.  Es  ist,  wie  jeder  einsehen  mu&,  geradezu  ein  Verlust 
am  Nationalvermögen,  wenn  eine  weitverbreitete  Krankheit  so  lange  ver- 
nachlässigt bleibt,  bis  ihre  Heilung  unmöglich  geworden  ist.  —  Als  vor- 
beugende Malsregeln  empfiehlt  Dr.  Bbühl  zunächst  das  Tragen  von  Watte 
im  Ohr,  femer  die  Vermeidung  eines  unzweckmäßigen  Schneuzens  der  Nase 
(es  darf  nar  jedes  Nasenloch  einzeln  ausgeblasen,  aber  nicht  beide  Nasen- 
löcher zugleich  zugehalten  werden),  sodann  eine  besondere  Berücksichtigung 
ohrenkranker  Kinder  beim  Turnunterricht,  und  vor  allem  die  Abstellung 
einer  Ztlchtigung  durch  Ohrfeigen.  Das  Wichtigste,  so  schlie&t 
er  seine  Ausfährungen,  wäre  freilich,  dafs  alle  neu  einzuschulenden  Kinder 
einer  Hörprflfang  unterzogen  würden,  die  womöglich  bei  jedem  Klassen- 
wechsel, jedenfalls  bei  allen  zurückgebliebenen  Schülern  wiederholt  werden 
müiste. 

SehwaehbefSUgte  in  New  Torker  Schulen.    Das  „New  York 

Medic.  Joum,"  (1903,  No.  1)  gibt  an,  dals  laut  amtlicher  Statistik  von 
den  500000  Kindern  in  öffentlichen  Schulen  gegen  8500  schwachbefähigt 
sind.  Also  1,7%  Kinder  können  infolge  ihrer  Veranlagung  das  den  ein- 
zelnen Klassen  vorgesteckte  Ziel  entweder  gar  nicht  oder  nur  mit  einem 
gesondheitsschädlichen  Aufwand  von  Mühe  erreichen;  sie  sind  auf  jeden 
Fall  aulserordentlich  benachteiligt  im  Vergleich  mit  ihren  geistig  regsameren 
Kameraden.  Selbst  wenn  die  Zahlen  zu  hoch  gegriffen  sein  sollten,  lehren 
sie  doch,  dais  es  eine  Kategorie  von  Schülern  gibt,  die  gleicherweise  im 
Interesse  ihrer  Mitschüler,  ihrer  Lehrer  und  ihrer  selbst  vom  öffentlichen 
Unterricht  auszuschliefsen  sind.  Diese  Kinder  dürfen  nicht  den  Idioten, 
Imbecillen,  Epileptischen  eingereiht  werden,  für  die  der  Staat  schon  sorgt; 
sie  sind  im  Besitz  normaler,  aber  nicht  genügend  ausgebildeter  geistiger 
Fähigkeiten,  so  dafs  sie  durchaus  einer  individuellen  Erziehung  bedürfen. 
Sie  in  den  regulären  Schulen  zu  belassen,  würde  gleichbedeutend  sein  mit 
einer  sündhaften  Vernachlässigung  der  intelligenteren  Schüler. 

Aus  allgemein  sozialen  Gründen  mufe  sich  der  Staat,  aus  gesund- 
heitlichen Gründen  mnfs  sich  der  Arzt  veranlafst  sehen,  hier  Abhilfe  zu 
schaffen. 

Fürsorge  fBr  kränkliche  Schulkinder  in  Posen.  Von  selten  der 
Stadt  wird  ein  jährlicher  Zuschufs  von  Mk.  250  zn  die  Krankenküche  ge- 
geben, wofür  diese  im  Laufe  des  Jahres  1000  Portionen  Essen  an  die 
Schüler  und  Schülerinnen  der  Hilfsklassen  verabfolgt,  Aufserdem  gewährt 
der  Vaterländische  Frauenverein  über  1000  Portionen.  Die  Schulärzte 
setzen  sich  mit  den  Rektoren  in  Verbindung,  die  nach  Prüfung  der  häus- 
lichen Verhältnisse  die  Kinder  der  Krankenküche  zuweisen. 

Ein  Yor  Witternngseinflfissen  gesehfitzter  Spielraum  fBr  Schul- 
kinder  wird   neuestens   von  verschiedenen  Seiten  her  gefordert.     „Fast 


242 

• 

durchwegs  fehlt  es  in  unseren  Schalen  —  schreibt  die  „Nat-Ztg.^  —  an 
einem  Ranm,  wo  die  Kinder  an  regnerischen  Tagen  während  der  Pansen 
sich  anfhalten  können,  In  den  Klassen  können  die  Kinder  nicht  bleiben, 
da  infolge  der  AnsdQnstnng  der  nafsgewordenen  Kleider  die  Luft  schon 
nach  einer  Stande  völlig  anbraachbar  and  gesondheitsschädlich  geworden 
ist,  so  dafs  ihre  Emeuerang  eine  dringende  Notwendigkeit  ist.  Aof  den 
Grängen  herrscht  gewöhnlich  eine  derartige  Zagluft,  dafs  ein  längerer  Aof- 
enthalt  ebenfalls  gesnndheitsschädlich  wirken  würde.  Aaf  den  nassen  Hof 
za  gehen,  kann  man  den  Kindern  auch  nicht  ansinnen.  Es  wäre  also  eine 
Wohltat  fär  die  Kinder,  wenn  ihnen  ein  genügend  grofser  Raam  zur  Yer- 
fügang  stände,  der  ihnen  Schatz  vor  der  Witterung  und  Zugluft  gewährt 
und  genügende  Freiheit  zur  Bewegung  gestattet.  Frankreich,  insonderheit 
Paris,  ist  uns  in  dieser  Beziehung  voraus.  Dort  hat  jede  Schule  ihren 
sogenannten  „Pr^au".  Das  ist  ein  Raum,  der  mit  der  Schule  verbunden 
und  grols  genug  ist,  um  alle  Schüler  der  Anstalt  aufzunehmen.  Die  mi- 
nisteriellen Bestimmungen  fordern,  dafs  der  Pr6au  geschützt  und  so  grofs 
sein  soll,  dafs  auf  jeden  Schüler  1,25  m  Raum  kommen.  Hier  bewegen 
sie  sich  an  regnerischen  Tagen  ganz  nach  Belieben,  natürlich  unter  ge- 
nügender Aufsicht.  Der  Raum  liegt  am  Schulhof  zur  ebenen  Erde,  oft  ist 
er  auch  noch  rings  mit  einem  schützenden  Glasdach  versehen.  Vielfach 
vertritt  er  die  Stelle  der  Turnhalle  und  Aula,  da  nicht  jede  Schule  über 
eine  Turnhalle  verfOgt.  Der  Pr^au  liefse  sich  bei  uns  ohne  gröfsere  Mehr- 
kosten sehr  leicht  einrichten;  denn  jede  Schule  hat  doch  eine  Aula  auf- 
zuweisen. Wenn  man  diesen  Raum,  der  ja  nur  zu  Feierlichkeiten  benutzt 
wird,  was  im  Jahre  höchstens  fünf-  bis  sechsmal  geschieht,  in  Klassenzimmer 
teilte  und  dafür  im  ErdgeschoOs  aus  den  Klassenzimmern  einen  „Beweguogs* 
räum"  ausbaute,  so  wäre  der  Raum  sowohl  für  Schulfeierlichkeiten,  wie  als 
Aufenthaltsort  der  Kinder  bei  Regentagen  zu  verwenden.^ 

Gegen  die  Schleppe  in  den  Sehnlen  macht,   wie  wir  dem  „Ptst 

Lhyd^  entnehmen,  der  1.  Schulstuhl  des  YII.  Bezirks  in  Budapest  Oppo- 
sition. In  einer  Eingabe  an  den  Magistrat  bittet  er  denselben,  den  Lehre- 
rinnen das  Tragen  von  Schleppkleidem  in  den  Schulen  zu  untersagen;  zu- 
mindest wären  die  Lehrerinnen  zu  verpflichten,  ihre  Kleider  während  der 
Unterrichtsstunden  aufzustecken  und  fufsfrei  zu  machen.  In  der  Motivierung 
dieses  jedenfalls  beherzigenswerten  Antrages  wird  darauf  hingewiesen,  dafs 
die  Schleppe  in  den  Schulsälen  bei  jedem  Schritte,  den  die  Lehrerin  macht, 
Staubwolken  aufwirble,  welche  nicht  nur  den  Atroungsorganen  der  Schul- 
kinder schädlich  sind,  sondern  nur  zu  oft  Bacillen  freimachen,  welche  die 
Keime  zu  den  gefährlichsten  Infektionskrankheiten  bilden.  In  der  gleichen 
Angelegenheit  hat  vor  etwa  Jahresfrist  ein  anderer  Schulstuhl  eine  Vorlage 
an  den  Magistrat  gerichtet,  ohne  dafs  bis  zur  Stunde  ein  Bescheid  erflossen 
wäre.  Offenbar  wagte  es  die  Behörde  nicht,  in  eine  so  delikate  Sache 
mit  harter  Faust  dreinzufahren,  vielleicht  weil  sie  nicht  recht  wufste,  wie 
das  Ding  anzufassen  sei.  Nun  hat  der  Schulstuhl  des  YII.  Bezirks  sehr 
vernünftig  beantragt,  dafs  die  Schleppe  während  der  Schulstunden  auf- 
gesteckt werden  solle.  So  sind  die  Kinder  vor  den  bösen  Folgen  der 
Schleppe  beschützt  und  die  Schleppe  selbst  ist  doch  gerettet. 


243 

Ohrenkranklieiten  bei  Schnlkiiideni  in  England.  Das  „British 
Med.  Jaum.*^  bringt  an  leitender  SteUe  über  dieses  Thema  einen  Artikel, 
der  weiteste  Beachtung  verdient.  Vor  einigen  Monaten  legte  Mr.  Abthitb 
Chbatle  der  Otological  Society  of  Great  Britain  einen  Bericht  aber  die 
an  1000  Schulkindern  des  Hanwell-Distrikts  vorgenommenen  Ohrenunter- 
snchungen  vor,  der  ein  höchst  trauriges  Bild  von  den  sanitären  Verhält- 
nissen der  dortigen  Schuljugend  entwirft.  Von  1000  Kindern  hatten  nur 
432  ein  normales  Gehör,  d.  h.  sie  vermochten  in  einer  Entfernung  von 
18  Fuis  geflüsterte  Worte  au  verstehen.  Das  Mittelohr  war  in  518,  das 
innere  Ohr  in  1,  das  äufsere  Ohr  in  49  Fällen  angegriffen,  18  F&lle 
waren  durch  Fremdkörper  im  Ohr  gekennzeichnet,  166  Kinder  litten  an 
vergrößerten  Tonsillen  oder  Adenoiden.  Von  diesen  Fällen  konnte 
natürlich  die  Mehrzahl  geheilt  werden,  doch  bleiben  recht  viele  Leiden 
zurück,  die  nicht  nur  das  Hörvermögen  ernstlich  gefährden,  sondern  auch 
die  Gesundheit  und  oft  das  Leben  der  Patienten;  dieser  Bubrik  sind  die 
88  chronischen  Mittelohreiterungen  einzureihen,  von  denen  sechs  eine  so- 
fortige Operation  am  proc.  Mastoideus  notwendig  machten. 

In  derselben  Versammlung  wiederholte  Dr.  Pebmewak  die  Ergebnisse 
seüier  an  203  Liverpooler  Schulkindern  veranstalteten  Untersuchung.  Er 
teilte  die  Schüler  nach  ihren  geistigen  Fähigkeiten  in  drei  Klassen  ein, 
als  gute,  genügende  und  schlechte  Schüler,  und  suchte  dann  ausfindig  zu 
madien,  inwieweit  die  Hörkraft  auf  das  intellektuelle  Vermögen  Einfluls 
hahe.  Die  62  „schlechten"  Schüler  konnten  das  Ticken  einer  Taschenuhr, 
das  in  einer  Entfernung  von  60  Zoll  für  Gesunde  zu  hören  war,  durch- 
schnittlich nur  in  einer  Entfernung  von  3V/i  Zoll  vernehmen,  bei  den 
Ö2  „genügenden'*  Schülern  betrug  der  Abstand  47V8,  bei  den  89  „guten'' 
Schfllem  51  Zoll.  Von  den  14  geistig  unfähigsten  Kindern  hörten  mehrere 
die  Uhr  nur  bei  direkter  Berührung,  andere  in  einer  Entfernung  von 
8 — 12  Zoll,  wenige  erreichten  30 — 40,  ein  einziger  60  Zoll. 

Dr.  MuBBAY  hatte  400  Zöglinge  von  Greenwicher  Schulen  untersucht. 
Er  fand  43  Kinder  gehörleidend;  12  von  ihnen  litten  an  chronischem 
Mittelohrkatarrh  mit  Eiterung,  die  Mehrzahl  an  chronischem  Katarrh  ohne 
Eiterung,  viele  wiesen  vergröfserte  Tonsillen  und  Adenoiden  auf.  Das  Ver- 
hältnis der  gehörleidenden  Kinder  zu  den  gesunden  war  also  =  107,5 :  1000, 
nähert  sich  mithin  sehr  den  Zahlen,  die  Dr.  Bohber  fand  für  die  Sch^ireizer 
Schlfler  (117 :  1000). 

Dr.  Cheatles  Prozentsatz  ist  ganz  bedeutend  höher;  nach  ihm  ent- 
fallen auf  1000  Kinder  520  Kranke.  Diese  auffallenden  Verschiedenheiten 
erklären  sich  größtenteils  aus  den  abweichenden  üntersuchungsmethoden. 
Dr.  Cheatle  untersuchte  jedes  einzelne  Ohr  und  zog  dann  den  Schlufs 
auf  normales  oder  anormales  Hörvermögen,  Dr.  Pebmewan  hingegen  nahm 
das  aryihmetische  Mittel  zwischen  dem  Hörvermögen  beider  Ohren  und 
erklärte  dann  dieses  für  normal  oder  anormal. 

BekAmpfting  des  Alkoholismns  durch  die  Schule.  Folgende 
LeiUfttze  über  dieses  Thema  wurden  der  amtlichen  Lehrerkonferenz  des 
Stadtkreises  Kiel  am  16.  Dezember  1902  vorgelegt: 

I.  Der  Alkoholgenufs    ist   schädlich.     Der   durch   ihn  hervorgerufene 
Schaden  ist  so  weitreichend  und  tiefgreifend,  da(s  er  zurzeit  eines 

Sehalgeinndbeitspflei^.   XVL  14 


244 

der  gröfeten  —  wenn  nicht  das  gröbte  —  Yolksttbel  bildet.  Die 
Gefahr  wächst  nnd  zwar  doppelt  schnell,  da  der  Alkoholkonanm 
beständig  steigt. 
II.  Die  Bekämpfung  des  Alkoholismns  gehört  zu  den  wichtigsten  Auf- 
gaben der  Gegenwart.  Der  BLampf  ist  Sache  des  ganzen  Volkes. 
Die  Schule  ist  ihrer  Gesamtanfgabe  nach  verpflichtet,  mit  Eifer  an 
der  Bekämpfung  des  Alkoholismns  sich  zu  beteiligen. 

III.  Die  Schule  kann  auf  diesem  Gebiete  Hervorragendes  leisten;  ins- 
besondere kann  sie  viel  dazu  beitragen,  dab 

1.  die  Jugend  vor  dem  Alkoholgenufe  bewahrt  bleibt, 

2.  Aufklärung  über  die  Gefahren  des  Alkoholgennsses  im  Volke 
verbreitet  wird,  besonders  aber,  dais 

3.  allmählich  ein  Geschlecht  heranwächst,  das  den  heute  herrschen- 
den Trinksitten  mit  ganz  anderen  Anschauungen  entgegentritt 
nnd  daher  zur  DnrchÄhrung  weitgehender  Beformen  bereit  ist. 

IV.  Dazu  ist  in  erster  Linie  nötig,  dals  der  Lehrer  sich  eingehend  nit 
der  Alkoholfrage  beschäftige. 

V.  Auf  den  Seminaren  muTs  den  Seminaristen  eine  den  neuesten  Er- 
gebnissen der  wissenschaftlichen  Forschung  entsprechende  gründliche 
Belehrung  über  die  Alkoholfrage,  sowie  über  die  methodische  Be- 
handlung derselben  in  der  Schule  gegeben  werden. 

VI.  Aus  den  Schulbüchern,  insbesondere  ans  den  Lese-  und  Realien- 
büchem,  den  Bechen-  und  Liederheften,  muis  entfernt  werden,  was 
falsche  Vorstellungen  vom  Werte  des  Alkohols  hervorruft.  Dagegen 
müssen  geeignete  Stoffe  zur  richtigen  Belehrung  über  die  betäubenden 
Genulsmittel  aufgenommen  werden.  Auch  bei  der  Auswahl  der 
Bücher  für  die  Schülerbibliothekem  sind  diese  Gesichtspunkte  za 
berücksichtigen. 

Vn.  In  der  Schule  hat  die  Belehrung  über  den  Alkohol  haoptsächlich 
im  Unterricht  iu  der  Gesundheitslehre,  der  ein  breiter  Raun  zn 
gewähren  ist,  zu  erfolgen. 
VIU.  In  jedem  Unterrichtsfache  kann  der  Lehrer  gelegentlich  auf  die 
Alkoholfrage  eing^en,  in  manchem  Fache  oft.  Er  soll  es  jedoch 
nur  dann  tun,  wenn  der  Stoff  es  ungezwungen  ergibt,  dann  aber 
gründlich. 

IX.  So  wenig  der  Lehrer  ein  Recht  hat,  in  der  Schule  zu  lehren, 
mä&iger  Gebrauch  von  Opium,  Morphium  u.  dergl.  ist  statthaft 
oder  gar  nützlich,  ebensowenig  hat  er  ein  Recht,  in  der  Schule 
den  mä&igen  Genufs  alkoholischer  Getränke  gutzuheifsen  oder  zu 
empfehlen.  So  gut  er  vielmehr  die  Pflicht  hat,  auch  den  mäbigMi 
Gebrauch  von  Morphium  etc.  zu  verurteilen,  ebensowohl  hat  er  die 
Pflicht,  vor  dem  mä&igen  Alkoholgenuls  zu  warnen. 

X.  Von  gröfster  Bedeutung  ist  das  Beispiel  des  Lehrers.  Lehre  und 
Tun  müssen  im  Einklang  miteinander  stehen.  Es  ergibt  sich  auch 
daraus  für  den  Lehrer  die  Forderung  der  Enthaltung  vom  Alkohol- 
genuÜB. 

XI.  Wer  einstweilen  völlige  Enthaltsamkeit  nicht  fordern  mag,  stelle 
bezüglich  des  Alkoholgenusses  überhaupt   keine   Forderungen;    er 


24Ö 

begnflge  sich  damit,  die  Kinder  eingehend  nnd  dem  wissenschaft- 
lichen Stande  der  Alkoholfrage  entsprechend  über  den  Alkohol  zu 
belehren.  fMitget.  von  J.  PETEBSEK-Eiel.) 

Das  fieaetc,  betreffend  gewerbliehe  Einderarbeit  in  Dentsehland, 

befindet  sich   vor  einer  Reichstagskommission,   die,   wie   wir  der  „Pädag. 
Zig.^  (No.  45,  1902)  entnehmen,  zn  einigen  Paragraphen  Beschlüsse  Yon 
gnindsfttzlicher  Bedeutung  gefafst  hat.  Von  sozialdemolöratischer  Seite  wurde 
beantragt,  den  Schutz  des  Gesetzes  auch  auf  die  in  der  Landwirtschaft  be- 
schftfiigten  Kinder  anszudehnen  nnd  nicht  diese  zwei  Millionen  geplagter 
junger  Geschöpfe  auszuschlielsen.     Von  agrarischer  Seite  her  wurde  dem- 
gegenüber  natürlich  die  Yortreff lichkeit  der  ländlichen  Verhältnisse  im  all- 
gemeinen und  der  ländlichen  Kinderarbeit  im  besonderen  dargelegt;  auch 
die    anderen  Kommissionsmitglieder    waren    nicht    geneigt,   das  Gesetz    in 
dieaer   RichtuAg   sdion  jetzt   zn    erweitem,    znmal  von   den  Regierungs- 
vertretem  Einspruch  gegen   eine  solche  Beschlulsfassung   erhoben  wurde. 
Man  lehnte  also  den  Antrag  ab,  einigte  sich  aber  auf  eine  Resolution,  die 
den  Reichzkanzler  ersucht,  die  Landesregierungen  zu  Erhebungen  über  die 
Verhältnisae  der  in  4er  Landwirtschaft  tätigen  Kinder  zu  bewegen.  —  Als 
Alteragrenze  der  vom  Gesetz  zu  schützenden  Kinder  sieht  der  Entwurf  ^ 
13.  Leben^ahr  vor;  ein  Antrag,  statt  dessen  das  14.  Jahr  zu  setzen,  fand 
wohl  von  einigen  Seiten  üntecstützung,   wurde  aber  doch  schlieislich  ab- 
gelehnt.    Safs  die  Schnl^flicht  in  Bayern  und  Württemberg   bereits   mit 
dem  vollendeten  13.  Lebensjahre  endet,  ist  schuld  an  diesem  bedauerlichen 
Besehlufs.    —   Ebensowenig  Glück  hatte  der  Versuch,    die  Scheidung  der 
„eigenen  und  fremden  **  Kinder,  die  das  Gesetz  vornimmt,  aufzuheben.    Die 
bekannten  Einwände    (unberechtigte  Eingriffe   in   die  Rechte  der  Eltern, 
Unmöglichkeit  der  Kontrolle)  schlugen  alle  Argumente  für  solches  Vorgehen 
zurück.     Wenigstens   aber   gelang    es,    die   in    Fürsorgeerziehung   unter- 
gebrachten Kinder  unter  den  den  „fremden^  Kindern  zugedachten  gesetz- 
lichen SchntE  zn  bringen.  —  §  4  des  Gesetzentwurfs  nennt  die  für  fremde 
Kinder  verbotenen  Beschäftigungsarten  (auf  Bauten,  in  der  Schieferindustrie, 
in  Kalkbrennereien,  Blei-,  Zinn-,  Zinkgiefsereien,  Feilenhauereien  u.  s.  w.). 
Es  wurden  in  der  Kommission  viele  Versuche  gemacht,  den  Kreis  der  ver- 
botenen   Beschäftigungsarten    zu   vergröfsem,    was    auch   hinsichtlich    der 
Arbeit  in  Gipebrennereien,  Schmiede-  und  Schlosserwerkstätten,  Gerbereien, 
im  Schornsteinfeger-  und  im  Speditionsgewerbe  gelang.    Weitere  Anträge, 
anch  das  Kegelaufsetzen,   die  Beschäftigung  in  SchieCsbuden,   das  Rttben- 
vemehen    und   die  Dienstleistung  bei  Treibjagden   zu   verbieten,    drangen 
dagegen  nicht  durch. 


14* 


246 


9a9es9ef4)td|tltd|es. 


Der  9.  Internationale  Eongrefs  gegen  den  Alkoholisrnns  findet 

vom  14. — 19.  April  in  Bremen  statt.  Unter  den  vorgesehenen  „Diskns- 
sions-Themata'^  ist  hier  besonders  zn  erwähnen :  Erziehung  und  Schule 
im  Kampfe  gegen  den  Alkoholismns.  Referenten  sind:  Anton 
DON-Rotterdam,  Ghables  WAKELT-London,  Mrs.  Mary  HuNT-Boston 
(U.  S.  Amerika). 

Ein  InltiatiY^egehren  anf  Reduktion  der  tftgliehen  Sehnlseit 

für  die  Madchen-  und  unteren  Enabenklassen  im  Sinne  der  fakultativen 
Einführung  des  Halbtagsunterrichts  wurde  der  Landsgemeinde  des  Kantons 
Obwalden  (Schweiz)  eingereicht. 

Eine  Bildnngsanstalt  fflr  sehwachsinnige  Kinder  beider  Eon- 
fessionen zu  gründen,  beschlofs  die  Kommission  der  Gemeinnützigen  Ge- 
sellschaft des  Kantons  St.  Gallen  (Schweiz). 

Über  die  Fürsorge  fflr  die  infolge  Austrittes  ans  der  Schule 
Yom  Armenetat  entlassenen  Kinder  referierte  unlängst  Regierungsrat 
RiTSCHABD  in  der  Sitzung  des  Grofsen  Rates  des  Kantons  Bern  (Schweiz). 
Diese  Fürsorge  hat  den  Zweck,  das  Wohl  der  Entlassenen  in  sittlicher, 
geistiger  und  körperlicher  Hinsicht  zu  fördern,  sie  geeigneten  Beschäfti- 
gungen und  Berufstätigkeiten  zuzufahren  und  dadurch  in  den  Stand  zn 
setzen,  ein  ehrbares  Auskommen  zu  finden. 

Einen  Ferienkurs  fiber  Sehulhygiene  wird  im  Juli  d.  J.  in  Greifs- 
wald Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  Löffleb   einstündig  wöchentlich  lesen. 

(Mitgeteilt  von  Prof.  Bbbnheim.) 

Über  das  Zttchtlgnngsrecbt  der  Lehrer  hat  das  Reichsgericht  eine 
bemerkenswerte  Entscheidung  geftllt.  Ein  Lehrer  wurde  von  einem 
Schüler,  der  zwar  nicht  seiner  Klasse,  aber  derselben  Schule  angehörte, 
beschimpft  und  erteilte  ihm  dafür  in  vorschriftsmäßiger  Weise  zwölf  Stock- 
schläge, die  Striemen  verursachten.  Auf  Antrag  des  Vaters  verurteilte 
das  zuständige  Landgericht  den  Lehrer  wegen  fahrlässiger  Körperverletzung 
zu  20  Mark  Geldstrafe,  weil  es  von  der  Ansicht  ausging,  dals  auch  eine 
geringere  Anzahl  von  Schlägen  genügt  hätte.  Das  Reichsgericht  hob  dieses 
Urteü  auf  und  verwies  die  Proze&sache  an  das  betreffende  Landgericht 
zurück,  indem  es  ausführte,  das  Gericht  habe  nicht  zu  untersuchen,  ob  in 
dem  einzelnen  Falle  gerade  vier  oder  acht  Stockschläge  genügt  hätten, 
sondern  es  sei  festzustellen,  ob  das  Züchtigungsrecht  überhaupt  überschritten 
worden  sei.  Demnach  beruhe  es  auf  einem  Rechtsirrtum,  wenn  das  Land- 
gericht aussprach,  dafs  der  Lehrer  sich  im  Rahmen  des  Züchtigungsrechte 
gehalten  habe,  dafs  aber  die  Schuld  des  Schülers  durch  weniger  als  zöwlf 
Stockschläge  gesühnt  gewesen  sei. 

Zu  Gunsten  des  Schulranzens.  Eine  höchst  beachtenswerte  Be- 
kanntmachung hat,  nach  einer  Mitteilung  der   „Ältehburg,  Ztg,^,    soeben 


247 

der  Stadtrat  in  Netzschkau  erlassen,  indem  er  die  Eltern  der  neu  der 
Schale  zuzuführenden  Kinder  aufmerksam  macht,  daüs  sie  den  Kindern 
zum  Schulbflchertragen  einen  Schulranzen  (Schultornister)  statt  einer  Schul- 
tasche anschaffen  möchten.  Durch  die  einseitige  Belastung  des  jugend- 
lichen Körpers,  so  wird  die  Bekanntmachung  motiviert,  wie  sie  das  Tragen 
einer  Schultasche  mit  sich  bringt,  werden  leicht  Rückgrat-  und  Schulter- 
Yerkrflmmungen  u.  s.  w.  hervorgerufen  oder  doch  zum  mindesten  gefördert. 
Ffir  skrophulSse  Selinlkillder.  Wie  wir  der  „Strafsburg.  Ztg^ 
entnehmen,  hat  der  Gemeinderat  von  Strafsburg  auch  dieses  Jahr  die 
Mittel  bewilligt,  aus  welchen  wieder  100  an  Skrophulose  leidenden  Schul- 
kindern Gelegenheit  zu  einer  unentgeltlichen  Kur  in  einem  Soolbade  ge- 
geben werden  soll,  und  zwar  können  von  jeder  Schule  bis  drei  Knaben 
oder  Mftdchen  mit  dieser  Wohltat  bedacht  werden.  Die  sonst  kränklichen 
oder  schwächlichen  Schulkinder  werden  in  den  verschiedenen  Ferienkolo- 
nien im  Laufe  des  Jahres  gepflegt  werden. 

Besfiglieh  der  Sehnlgesnndheitspflege  hat,  wie  die  „Frank,  Zig,"" 

mitteilt,  die  Kreisregierung  von  Oberfranken  eine  Entschlieüsung  er- 
lassen, worin  bemerkt  ist,  dafs  vielfach  die  rechtzeitige  und  vorschrifts- 
mäfeige  Durchheizung  und  Lüftung  der  Lehrzinuner  nicht  vorgenommener 
die  Vorschriften  über  Keinigung  und  Beinhaltung  der  Schulgebäude  nicht 
streng  durchgeführt,  ferner  für  warmes  Schuhwerk  der  eingeschulten  Kinder 
nicht  genügend  gesorgt  werde  und  entschieden  noch  mehr  zu  geschehen 
habe,  um  demjenigen  Kindern,  welche  wegen  weiter  Einschulung  über 
mittag  in  der  Schule  verbleiben  müssen,  eine  warme  Suppe  oder  et^as 
erwärmte  Milch  verabreichen  zu  können. 

Der  Gesundheitszustand  der  Dresdener  Schnlkinder  ist  nach 

den  schulärztlichen  Untersuchungen  kein  befriedigender.  Wie  die  j^Dresd, 
N.  Nachr. ^  mitteilen,  war  nämlich  von  etwa  5000  untersuchten  Kindern 
die  reichliche  Hälfte  krank,  und  zwar  wurden  namentlich  solche  Krank- 
heiten gefunden,  die  auf  mangelhafte  Ernährung  und  ungesunde  Wohnungen 
zorflckEufÜhren  sind.  Abgesehen  von  Lungenkrankheiten,  fanden  die  Ärzte 
19,3%  Blutarme  und  Schwächliche  und  12,4%,  die  an  Erkrankungen 
des  Knochensystems,  besonders  an  Rachitis,  litten.  In  Dresden  gibt  es 
Bezirksschulen  und  Bürgerschulen;  die  ersteren  werden  namentlich  von 
Arbeiterkindern,  die  letzteren  von  Kindern  des  Mittelstandes  besucht.  Es 
gewährt  nun  einen  Einblick  in  die  sozialen  Verhältnisse,  daCs  nach  den 
bei  51000  Schulkindern  angestellten  Messungen  die  Kinder  der  Bezirks- 
sdralen  im  Durchschnitt,  sowohl  im  ersten  wie  im  achten  Schuljahr,  etwa 
3-4  cm  kleiner  waren,  als  jene  der  Bürgerschulen.  Auch  dieser  Gröfsen- 
onterschied  ist  auf  die  verschiedene  Lebenshaltung  in  den  beiden  Bevölke- 
nmgsklassen  zurückzuführen. 

Znr  Haftpfliclit  der  Stadtgemeinde  gegenfiber  Schnlkindern 

hr  Schäden,  welche  auf  Mängel  in  den  Schuleinrichtungen  zurückzuführen 
sind,  ist  eine  Verfügung  bemerkenswert,  die  von  der  Schuldeputation  in 
Berlin  an  die  Rektoren  der  Gemeindeschulen  gerichtet  worden  ist.  Die- 
selbe lautet,  wie  wir  der  ^^Deutsch.  Warte^  entnehmen,  am  Eingange 
folgendermalsen :  „Zu  unserem  Bedauern  haben  sich  mehrfach  Schulkinder 
durch  Einreifsen  von  Banksplittern  verletzt   und    muTsten  auf  Kosten  der 


248 

Stadt  ftrztlich  behandelt  werden!*'  Um  diese Voricoittninifise  nach  Möglich- 
keit za  verliflten,  sollen  fottan  die  Rektofen  halbj&hrlieh,  und  2W8f  $m 
1.  Mftrz  and  am  1.  September  eines  Jeden  Jalktee,  beriebtett,  dab  die 
Bftüke  der  betreitenden  Oemeindeschnle  auf  ihren  Ztrstattd  tdtterstieht  sind. 
Die  bei  dieser  üntersiicbüng  etwa  anfgefnndeiien  Mängel  sind  der  BetaMle 
Bot6tt  Tä  melden. 

Ül^t  <aa  ZnaftHmi^iiwirkeii  tra  inUn  und  hOmm  aar 
leMmg  Am  ffUftundbidtaciutolldea  4#f  Selmffii^eild  sptneb  Professor 
Dr.  A.  HaHtmxnkt  in  der  MAtzsitzong  des  JngendfOrsorge-Verbandes  der 
Beiilner  Lelfferschaft. 

In  BefUnei^  Ytttin  Ar  S^lml^ecrtuiA^ttapflege  sprachen  im  Man 

Obeil^ter  Dr.  KsttsiES  Aber  das  ünterrichtspensum  der  ttnteren  Klassen 
hOhei'er  Lehranstalten  im  Liebte  der  Psychologie  nifd  Hygiene,  und  Prof. 
D^  A.  Baginskt  Aber  die  Aaswahl  der  neneintretenden  Schtdkinder  dnrch 
den  Schalarzt. 

Pfl^^aehwert^n  an  9tetdÜthM  Bekll^ll.  im  Ostende  ron  New 
Tori[  dhd  kftrzlich  nenn  nnd  in  Brooklyn  drei  Pflegeschwestem  an  öffent- 
lichen Scbiüeh  angestellt.  Jede  Yon  ihnen  hat  —  Wie  iHr  dem  ^New 
T&tk  Med.  JoufH^  (Deüettiber  1902)  entnehmen  —  tagUdi  einen  Rund* 
gang  durch  drei  bis  vier  Schalen  ztt  machen  and  sich  den  Kindern  zu 
widmet,  die  ihr  Tom  nntersnchenden  Arzt  zagewiesen  shud.  Nach  Schol- 
schhils  sacht  sie  die  kranken  Kinder  it  ihren  Wolmangen  aof  nnd  steht 
den  Eltern  der  kleinen  Patienten  mit  Rat  und  Tat  zof  Seite.  Hierdarch 
wird  ton  seiteü  der  Schale  aach  eine  gewisse  Kontrolle  geschaffen,  indem 
die  Pflegerinnen  sich  bei  ihren  Besnchen  tergewissera,  daA  die  Kinder 
nicht  langer  als  notwendig  dem  Unterricht  fem  bleiben. 

WeiblielieB  Pflegepersonal  für  die  Schul«,  ün  letzten  Jahre 
—  so  berichtet  das  „British  Med,  Joum.**  -—  wurde  von  dem  Londoner 
„School  Board*'  eine  Pflegerin  angestellt,  die  in  einer  bestfanmten  Anzahl 
Sehulea  die  Kinder  auf  Ünrdnlichkeit,  Hantansschlage,  HaaransMl  u.  s.  w. 
zu  ohtersnchen  hat.  In  besonderen  Fällen  setzt  sie  sich  mit  den  Eltern 
ins  Einvernehmen,  gibt  Anweisung  zu  einer  angemessenen  Pflege  oder  Ter- 
anlaibt  sie,  ärztlidie  Hilfe  in  Anspruch  zu  nehmen. 

Sie  darf  nicht  selbständig  eine  Behandlung  vornehmen,  gibt  nur  Direk- 
tiven fttr  eine  solche,  erieichtert  und  untei*stCitzt  also  die  Arbeit  der  Schul- 
ärzte,  als  deren  Gehflfln  sie  sich  zu  betrachten  hat. 

Die  Einrichtung  bewährte  sich  so  vorzfigllch,  daTs  zwei  weitere  Pflege- 
rinnen angestellt  werden  konnten,  doch  hat  hierbei  die  ungeschickt  abge* 
faikte  Ankündigung  des  School  Board,  die  den  Pflegerinnen  fast  ärztliche 
Beftignisse  einräumte,  in  medizinischen  Kreisen  recht  verstimmt. 

Die  erste  hessische  zahntrztliehe  Poliklinik  flr  Volkaaekil- 
kind^ir  wurde  unlängst  in  Darm  Stadt  feierlich  eröffnet.  Dieselbe  wurde 
durch  den  Verein  hessischer  Zahnärzte  unter  Mitwirkung  von  Privaten  und 
der  städtischen  Verwaltung  ins  Leben  gerufen.  Der  Verein  hat  außerdem 
einen  Preis  von  400  Mark  ausgesetzt  für  das  beste  ztt  Schulzwecken  ver- 
wendbare Werk  über  „das  menschliche  Oebifs  und  seine  Pflege". 

Eine  Ansstellnng  auf  itm  Gebiete  der  Sehnl^eanndkeltai^iege 

soll,    wie   die  Tagesblätter   berichten,    mit   der   im   laufenden   Jahre   in 


249 

Dresden  stattfiodenden  deutschen  StädteavssCeUimg,  nach  deren  Pro- 
llberhanpt  die  Abteihing  „Schulwesen''  in  heryorragender  Weise  be- 
werden  dttrfte,  verbnnden  werden.  Im  Anschlösse  an  diese  Ab- 
teHmg  soD  eine  besondere  Gruppe  fflr  das  BOdnngswesen  der  Erwachsenen 
gebildet  werden,  in  welcher  die  Einrichtungen  der  Städte  anf  dem  Oebiete 
des  Yolksbildnngswesens,  wie  LesehaDen,  VolksbibHoliieken,  Yolksheime 
n.  dergl.,  zur  DarsteOnng  kommen  sollen. 

9M^itigng  1er  Kitliflfe  der  Kmier  an  <er  Kefaiigug  der 

SAllftiuer.  Die  kgl.  R^erong  in  Coblens  hat  bezflgUch  des  Reinigens 
der  Sehnlzhnmer  dnrdi  Sdralhinder  an  den  Enltusminister  eine  Ehigabe 
geriditet,  die  in  ihrer  Hanptsteüe  hintet:  Es  ist  in  letzterer  Zeit  ans  ein- 
zdnen  kuidrfttHehen  Kreisen  heraus  wiedeiiioH  bei  nns  beantragt  worden, 
(fie  Sdinlreinignng  anderweit  zn  r^eln  und  die  Einderarbeit  gftnztich  zu 
untersagen.  Wir  haben  zufbigedessen  neuerdings  hierflber  unsere  sämt- 
liehen  ünterbehOrden  befragt.  Fast  ausnahmslos  ist  die  obige  Anforderung 
(Reinigimg  durdt  Erwadisene)  sowohl  hn  Interesse  der  Oesundheitspflege, 
als  auch  zur  Fdrderung  der  Reinlichkeit  und  Ordnung  in  den  Schulhäusem 
gitg^elften  worden,  und  sdbst  diejenigen  Tereinzelten  Berichterstatter» 
die  f&r  die  einfacheren  Schulverhflltnisse,  hauptsflchlich  im  finanziellen 
Interesse  der  Gemeinden,  das  zmrzeit  bestehende  Herkommen  erhalten  sehen 
mechten,  sind  durchweg  der  Überzeugung^  dafs  eigentlich  nur  durdi  die 
Beseitigung  der  unzureichenden  Kinderbeihilfe  ertrftglidie  Zustande  auf 
diesem  CMdete  geschaffen  werden  können.  Eure  Exzellenz  bitten  wir 
hisnifteb  nunmehr  gestalten  zu  wollen,  dafs  wir  ffOiT  unseren  Terwaltungs- 
bezirk  eine  gleichartige  Bestimmung  treffen. 


Inttlif^e  D(rftt)itit)en. 


Bau  und  ffinriehtu^  I&EdHeker  Scknllüliuer. 

Berlin,  den  20.  Deoember  1902. 

Aue  den  auf  den  Rnnderlafe  Tom  15.  November  1896  —  U.  HI. 
E.  7422,  G.  III.  A.  *•  ^■«-  —  (Zcntrbl.  S.  828)  erstatteten  Berichten 
der  Königlichen  Regierungen  habe  ich  mit  Befriedigung  ersehen,  dafs  die 
Bestimmungen  der  mit  diesem  Erlasse  mitgeteilten  Denkschrift  über  Bau 
rai  Einriditung  l&ndlieher  YolksschuMuser  in  Preufsen  sich  in  ihrer  An- 
wendung in  ganzen  bewährt  haben,  und  dals  ein  Bedttrfnis  zur  Abftnde- 
nmg  oder  Ergänzung  dieser  Bestimmimgen  oder  der  ihnen  beig^^benen 
Mvter-Entwflrfe  im  allgemeinen  zurzeit  nicht  vorliegt. 

Wenn  von  einigen  Sdten  bezflgUch  einzelner  Anordnungen  Einwen- 
duigen  und  Abftnderungswflnsche  vorgetragen  sind,  so  beruhen  dieselben 
zom  gröiseren  Teil  auf  einer  Verkennung  der  Absicht,  welche  f&r  die 
Denkschrift    und    die  Aufstellung   der  ihr  beigegebenen  Muster-Eatwfirfe 


250 

leitend  war,  und  welche  dahin  ging,  zu  zeigen,  wie  vielseitig  sich  Grand- 
rüs  nnd  Anfbaa  der  Schnlh&nser  gestalten  lassen.  Weit  entfernt,  den 
Mnster-Entwürfen  die  Bedeutung  bindender  Normalien  zu  geben,  sollte 
allein  die  Erfüllung  der  bezeichneten  hygienischen  schul-  und  bautecbnischen 
Anforderungen  bei  der  Ausführung  der  Schulbauten  sichergestellt,  im  übrigen 
aber  Air  diese  in  jenen  Entwürfen  lediglich  eine  Reihe  von  Beispielen  mit- 
geteilt werden ;  denn  es  ist  naturgemäis  nicht  wohl  möglich,  für  alle  Fälle 
verwendbare  Entwürfe  zu  geben.  Die  Art  der  Ausführung  wird  sich  viel- 
mehr im  Einzelfall  nach  dessen  besonderen  Verhältnissen  zu  richten  haben. 
Ich  kann  es  aber  auch  nur  als  erwünscht  bezeichnen,  wenn  sich  die  Aas- 
führung  in  Bauart,  Ausstattung  u.  s.  w.  tunlichst  den  örtlichen  Verhält- 
nissen anpafst,  und  damit  nach  Möglichkeit  Beschwerden  vorgebeugt  wird, 
wie  sie  in  neuerer  Zeit  auch  im  Landtage  laut  geworden  sind.  In  dieser 
Beziehung  erwarte  ich  daher,  dafs  die  in  dem  Runderlasse  vom  15.  No- 
vember 1895^  und  der  Denkschrift  enthaltenen  Weisungen,  wonach  die 
Entwurfsbeispiele  den  örtlichen  Bedür&issen  derart  anzupassen  sind,  dafe 
der  Bauausführung  hinsichtlich  der  Anwendung  und  Erhaltung  des  Orts- 
üblichen volle  Bewegungsfreiheit  gewährt  wird,  entsprechende  Beachtung 
finden. 

Einzelne  Regierungen  haben  darauf  hingewiesen,  dafs  die  Mause  der 
in  den  Entwurfsbeispielen  vorgesehenen  Eingangsflure  bei  Anbringung  von 
Vorrichtungen  zum  Aufhängen  der  Überkleider  nicht  ausreichen.  Dieser 
Hinweis  erscheint  zutreffend.  Eine  in  mäfsigen  Grenzen  gehaltene  Erwei- 
terung der  Flure  kann  deshalb  in  Fällen,  wo  derartige  Vorrichtungen  ge- 
wünscht werden  und  nicht  etwa  anderweiten  Bedenken  (z.  B.  Diebstahls- 
gefahr) begegnen,  gut  geheifsen  werden. 

Von  anderer  Seite  sind  Wünsche  im  Interesse  einer  Erleichterung  der 
Erwärmung  der  Elassenräume  geäuCsert  und  durch  die  Besonderheit  der 
klimatischen  Verhältnisse  bestinmiter  Gegenden  begründet  worden.  Um 
diesen  Wünschen  entgegenzukommen,  will  ich  mich  damit  einverstanden 
erklären,  da(s  unter  derartigen  Verhältnissen,  sofern  im  Einzelfall  die  hin- 
reichende Beleuchtung  der  Elassenräume  durch  die  freie  Lage  des  Schnl- 
hauses  gesichert  ist,  das  für  die  Fensterfläche  vorgeschriebene  Mindestmafs 
auf  V«  <^^f  Bodenfläche  des  Elassenraums  herabgesetzt,  und  das  Mindest- 
mais von  3,20  m  für  die  lichte  Höhe  des  Elassenraumes  auch  dann  zu- 
gelassen wird,  wenn  bestimmungsmäfsig  ein  höheres  anzuwenden  sein  würde. 

Im  übrigen  aber  wird  auch  fernerhin  an  den  Grundsätzen  des  Rand- 
erlasses vom  15.  November  1895  und  der  zugehörigen  Denkschrift  fest- 
gehalten werden  müssen.  Insbesondere  wird  eine  Ermäfsigung  der  unter 
Ziffer  1 — 4  dieses  Runderlasses  gestellten  hygienischen,  bau-  und  schul- 
technischen Forderungen  nicht  eintreten  können.  Es  gilt  dieses,  wie  ich 
ausdrücklich  gegenüber  abweichenden  Wünschen  hervorhebe,  namentlich  auch 
hinsichtlich  der  Lüftungsvorrichtungen  und  Isolierschichten.  Anderseits 
können,  wenigstens  bei  den  mit  staatlicher  Beihilfe  auszuführenden  Schul- 
bauten,   Wünsche,    welche   hinsichtlich  des  Umfanges  und  der  Ausstattung 


'  Biese  Zeitschrift,  1896,  S.  221,  282,  347,  423. 


251 

der  Gebftade  über  die  in  der  Denkschrift  gezogenen  Grenzen  hinausgehen, 
nur  bei  ganz  dringenden  Anlässen  berücksichtigt  werden. 

Dabei  wird  indessen  nicht  an(ser  acht  zu  lassen  sein,  dafs  die  Denk- 
schrift nur  Landschulhäuser  kleinerer  Gattung  im  Auge  hat.  Ihre  Be- 
stimmungen können  daher  bei  vielklassigen  Schnlhäusem  mit  zwei  und 
mehr  Geschossen  neben  dem  Erdgeschosse  nicht  ohne  weiteres  in  Betracht 
konunen.  In  solchen  Fällen  kann  yielmehr  nur  ihre  sinngemäfse  Anwen- 
dung in  Frage  kommen,  während  im  flbrigen  die  im  Interesse  der  Ver- 
kehrssicherheit ftlr  Gebäude  mit  Yersanmilungs-  u.  s.  w.  Bäumen  gegebenen 
Vorschriften  vom  1.  November  1892  entsprechend  anzuwenden  sind.  In 
derselben  Weise  haben  die  Bestimmungen  der  Denkschrift  auf  städtische 
Schulen  Anwendung  zu  finden,  wobei  namentlich  diejenigen  hygienischen, 
sowie  bau-  und  schultechnischen  Charakters  in  Betracht  kommen. 

Ich    nehme   in   diesem    Zusammenhange  Veranlassung,    auf   die  Not- 
wendigkeit   gründlicher,    in    angemessenen    Zeiträumen   zu   wiederholender 
Revision  der  Schulen  in  Bezug  auf  ihre  bauliche  Unterhaltung  und  Instand- 
setzung   hinzuweisen.     Soweit   die  Aufsicht  der  Schulvorstände  bezw.  die. 
kommunale  Aufsicht  sich  in  dieser  Hinsicht  nicht  als  ausreichend  erweisen 
sollte,  werden  die  Orts-  bezw.  Ereis-Schulinspektoren  ihr  Augenmerk  auch 
hierauf  zu  richten  und,  falls  den  gerflgten  Mängeln  seitens  der  Banpffichügen 
nicht  alsbald  abgeholfen  wird,    der  Königlichen  Regierung  behufs  Veran- 
lassung  des    Erforderlichen    zu    berichten    haben.     Zugleich    werden    die 
Lehrer  mit  der  Weisung  zu  versehen  sein,  die  ihrerseits  bemerkten  Bau- 
mftngel    bei    der  zuständigen   Behörde  rechtzeitig  zur  Anzeige  zu  bringen 
nnd  sich  dabei  gegenwärtig  zu  halten,  dafs  die  verspätete  Beseitigung  ur- 
sprünglich unbedentender  Mängel   mit   vermehrten  Kosten  verbunden  ist. 
Endlich  ist  noch  hervorzuheben,    dafs    sich    unter   Umständen   da,   wo  es. 
sich  um  die  Beschaffung  von  Interims-Schulräumen  handelt  (bei  elementaren 
Unglflcksftdlen,  Epidemien,  starker  KlassenüberflÜlung  und  anderen  Anlässen) 
die  Beschaffung  der  neuerdings  von  mehreren  Fabriken  hergestellten  trans- 
portabeln    Schulbaracken   möglicherweise   namentlich   in  den  Bezirken  zu 
empfehlen   ist,    in    denen  mit  einer  wiederholten  lohnenden  Verwendung 
gerechnet  werden  kann. 

Einem  weiteren  Berichte  über  die  Bewährung  der  Bestinmiungen  der 
Denkschrift  wiU  ich  nach  Abhiuf  von  fOnf  Jahren  entgegensehen. 

Der  Minister  der  geistlichen  etc.  Angelegenheiten. 

Studt. 
An 
die  Königlichen  Regierungen. 
U.  m.  E.  9136. 

[y^ZontraXbl.  f.  d.  ges.  UfUerr.'Veno.  m  Freufsm*",  Febr.-H.,  1903.) 


252 


£Httainx. 


Bespreohnngen. 

8t.  RuncKA,  Madien  zir  relatl?eB  Photometrie,    Jtrchh  f.  Hfgime, 
Bd.  43.     1909. 

R.  bespricht  die  verschiedeneB  Arten  der  Liditmesflirag,  besonders 
genau  die  chemisefaen  Methoden,  bei  denen  die  chemischen  Wirknngen  der 
Lichtstrahlen  als  ein  Malsstab  fttr  die  Lichtintensftftt  bennt2t  werden,  indem 
man  die  Einwirkung  des  Lichts  anf  leicht  empfindliches  Papier  nntersncht. 
Er  berichtet  weiterhin,  da(h  es  ihm  gelangen,  ein  fttr  derartige  ünter- 
snchnngen  besonders  geeignetes  Papier,  und  zwar  derart  herzustellen,  dads 
es  ohne  Yorschaltnng  eines  blauriolette  Strahlen  absorbierenden  Filters  an 
nnd  ftr  sich  schon  das  Maximum  der  Wirkung  ergibt,  was  deshalb  Ton 
Wichtigkeit  ist,  weil  die  Netzhaut  unseres  Auges  das  Maximum  der 
Empfindlichkeit  im  gelben  Tefle  des  Spektrums  besitzt. 

Verfasser  bespricht  dann  weiter  eine  neue  Methode  der  Liehtmessnng, 
welche  er  als  „relative  Photometrie**  bezeichnet.  Da  es  sich  nun  in 
der  Yorliegenden  Arbeit  nicht  um  eine  fertig  durchgearbeitete,  fdr  die 
Praxis  verwendbare  Methode,  sondern  nur  um  Studien  fftr  Gewinnung  einer 
solchen  handelt,  nnd  da  diese  Studien  verschiedene,  in  einem  kurzen 
Referat  kaum  wiederzugebende  Hypothesen  enthalten,  dürfte  es  sich 
empfehlen,  mit  der  Beschreibung  der  Methode  in  dieser  Zeitschrift  zu 
warten,  bis  R.  dieselbe  mit  seinem  neuen  Papier  ausgearbeitet  haben  wird, 
was  er  in  seiner  Arbeit  in  Aussicht  stellt. 

Professor  W.  PRAirsNiTZ-Gri^. 


Ravbnhill,  Augb,  On  the  TeaeUng*  of  Hygiene  in  the  sehools  and 
eollegea  of  the  United  States  of  Ameriea.  Jeumal  of  the  Semitary 
Insmute.     London,  April  1902.     Vol.  XXTTT,  part  1. 

Verfasserin  schildert  in  ausführlichem  Bericht  die  Eindrücke,  welche 
sie  anf  einer  im  amtlichen  Auftrag  unternommenen  Studienreise  gewonnen 
hat.  In  den  Vereinigten  Staaten  ist  die  Schulverwaltung  nicht  in  europiti- 
schem  Sinne  zentralisiert.  Wohl  bestehen  einheitliche  Orundzüge  für  den 
Lehrplan,  aber  die  Einzelausführung  bleibt  dem  Lehrer  frei  überlassen,  so 
dais  seine  Individualität  und  die  wechselnden  Bedürihisse  der  Schüler  voll 
zur  Geltung  kommen  können.  So  ist  das  Bild  des  Unterrichts  von  an-^ 
regender  Vielseitigkeit,  deren  Reiz  noch  erhöht  wird  durch  die  eigenartig 
ausgeprägte  Selbständigkeit  des  amerikanischen  Kindes  im  Denken  und 
Handeln.  Es  gibt  unter  den  Schülern  keine  gesellschaftlichen  Unterschiede. 
Aller  Unterricht  in  Volks-  und  höheren  Schulen  ist  —  bis  auf  geringe 
Abgaben  ftlr  fortgeschrittene  technische  Kurse  —  völlig  frei.  Die  Kosten 
werden  teils  durch  Steuern  aufgebracht,  teils  durch  grolsartige  Stiftungen 
reicher  Bürger  gedeckt.     Auch  in  den  zahlreichen  Fällen,  wo  die  Schüler 


258 

fern  ytm  ElterBbaas  aufwachsen  misaeii,  ist  ittr  VSMge  und  ffWMbnÜBige 
üaiferlRinft  gesorgt.  Es  ist  —  oft  zm  Sduulan  der  Oesimdheit  —  mchts 
sekeiies,  dab  ein  Kind  durch  Nebenverdienst  sich  den  Unterhalt  ftr  die 
16  BehttQahre  erwerben  mnft. 

In  aHen  Sebiditen  der  Berölhernng  wird  die  Schule  deshalb  mit  be- 
sonderer Liebe  gefordert  und  gepfflegt,  weil  man  sie  aHgemefn  als  einen 
der  Ortmdirfeiler  nationaler  WoUfshrt  nnd  (^esmidheit  würdigt.  Die 
allgeneine  Hygiene  nnd  die  Hygiene  des  Körpers  nehmen  denn  aveh  hn 
UttCerrieht  dnen  heryorragenden  Platz  ein.  IMbei  wird  weniger  aof  ttieo- 
retisebe  Kemitaisse,  als  auf  Anscfaaimng  itnd  praktische  Übnng  Gewicht 
gelegt  Die  Lehrer,  denen  zom  Stndimn  der  Hygiene  tberall  mannigfiuihe 
Gelegenheit  gegeben  wird,  werden  v<m  vornherein  dazn  ansgebüdet  and 
daaernd  dahin  flberwacht,  dab  sie  mit  gutem  Beispiel  vorangehen  imd 
gMehsam  als  lebendige  Predigt  das  Evangelium  der  Hygiene  in  weitesten 
Kreisen  ausbreiten.  Knne  während  der  dreunonatUchen  Sommerferien  und 
Uflätersity' Extension -Lectures  sorgen  Itlr  Auffrischung  und  Fortsdneiten 
ihrer  Kenntnisse  auch  in  diesem  Fadi.  Mehr  und  mehr  werden  neuer- 
dings Leibesübungen  gepflegt  und  Spiele,  wie  Tennis,  audi  Radfahren, 
Schwimmen  u.  a.,  angeregt.  An  manchen  höheren  Schulen  wird  Jedes  Kind 
beim  Eintritt  auf  seinen  Oesundheitszustand  untersucht  und  alQahrlich  nach- 
untersucht.  Bei  dieser  Odegenheit  wird  es  auf  etwaige  Fehler  und  Schwachen 
hhigewiesen  und  seüi  Ehrgeiz  geweckt,  durch  entsprechende  Übungen  solche 
aussi^leichen.     Der  Atemgymnastik  widmet  man  besondere  Soi^gfslt. 

Was  die  Schulgebäude  anlangt,  so  klagt  man  vor  aDem  in  den  West- 
staaten  darfiber,  daCs  das  flbliche  Submissionswesen  in  kurzsichtiger  Krämer* 
Politik  die  Fortschritte  der  Hygiene  hindere.  Bei  der  Planlegung  eines 
Gebäudes  wird  in  erster  Linie  danadi  gestrebt,  vernünftige  Klassenräume 
zu  schalfen,  erst  in  zweiter  Linie  wird  die  äubere  Form  bedacht.  Ein* 
gehender  beschrdbt  der  Bericht  die  Stadtschulen  in  New  York.  Volks- 
schulen finden  sidi  häufig  in  H-Form  gebaut,  wobd  die  langen  Schenkel 
zu  zwei  Pardlelstrafsen  querstehen.  Ziegdrohban  mit  Eisenkonstruktion 
herrscht  vor.  Flache  Dächer,  dicht  mit  galvanischem  Drahtnetz  aberzogen, 
dienen  viel  als  Spielplätze,  die  Luft  ist  vid  klarer,  trockener  und  reiner 
als  in  dem  feuchten  Nordseeklima.  Eine  Aula  fehlt  meistenteils.  Die 
FnfebMen  bestehen  durchweg  aus  gefalzten  Hartholzbohlen.  Konkret  hat 
sieh  auf  Korridoren  nicht  bewährt,  es  stäubt  zu  stark.  Letztere  fidlen 
flbiigens  allgemein  durch  ihre  Brdte  (bis  zu  24  Fuft  =  ca.  7,3  m)  auf, 
sie  sind  mit  Bildern  hübsch  geschmttckt,  hell  und  oft  als  Spiel-  oder  Tum- 
räume  benutzt.  Wendeltreppen  sind  verpönt.  Treppengeländer  haben  häufig 
zwei  Leitstangen  übereinander  ftlr  kleinere  und  gröbere  Kinder.  Alle  Türen 
schlagen  nach  aulsen.  Auf  manchem  Schulhof  ist  ein  grofser  Sandhaufen 
die  Wonne  der  Kleinen.  Eine  kahle  Hofinauer  war  durch  ein  Bild,  das 
Meeresufer  darstellend,  wirksam  geschmückt. 

Bei  Grundrissen  von  höheren  Schulen  wird  die  T-Form  bevorzugt. 
Im  Gegensatz  zu  den  einfachen  Volksschulbauten  herrscht  hier  ein  gewisser 
Luxus,  und  zwar  weniger  an  dem  Gebäude  selbst  als  in  der  Innen- 
einrichtung.  Neben  Treppen  finden  sich  Aufzüge  für  30  Personen.  Künst- 
liche Ventilation  ist  überall  angebracht;  man  sieht  dabei  ab  vom  Filtrieren 


264 

und  Anfeuchten  der  zugeffthrten  Luft,  ac)itet  aber  sorgfältig  auf  möglichst 
reine  Bezugsquellen.  Auf  jeden  Schüler  werden  an  Klassenraum  durch- 
schnittlich 20  Quadratfiifs  und  240—270  Kubikfufs  gerechnet.  Doppel- 
fenster sind  gegen  Kälte  und  Lärm  beliebte  Mittel.  Fenstervorhänge  haben 
durchweg  grüngelbe  Farbe  und  sind  meist  noch  als  Bouleaux  angebracht. 
Die  Aborte  wurden  häufig  dunkel  befunden,  sie  liegen  noch  oft  in  den 
Schulhäusern  selbst,  und  das  übliche  Trogsystem  kann  Geruchsbelästigungen 
nicht  ausschliefen.  Auch  die  Waschgelegenheiten  lassen  zu  wünschen  übrig. 
Die  Kleider  der  Schüler  hängen  auf  den  Korridoren,  einzelne  besondere 
Garderobenräume  waren  schlecht  erleuchtet  und  ventiliert.  Schulbäder  gibt 
es  noch  nicht  viele.  Zur  Klasseneinrichtung  übergehend,  bemerkt  Ver- 
fasserin, dafs  in  neueren  Schulen  verstellbare  Einzelsitze  und  -Tisdie  be- 
vorzugt werden.  Die  Systeme  „Heusinger*',  „Frictionside*^,  „Union**  und 
„Moscher"  sind  auch  in  Deutschland  mit  ihren  Vorzügen  und  Nachteilen 
bekannt.  Eigenartig  fällt  auf,  dafs  oft  drei  Klassenwände  als  schwarze 
Zeichentafeln  aus  Schiefer  oder  Holz  ausgebildet  sind.  Man  will  die  Kinder 
zum  Zeichnen  anreizen  und  sie  dadurch  hindern,  die  Tische  zu  bekritzeln, 
freie  Armbewegung  und  sichere  Strichführung  fördern.  Die  oberen  Teile 
der  Wände,  meist  mattgrün,  -grau,  -gelb  gestrichen,  sind  mit  Bildern 
geziert ;  auch  Blumen,  kleine  Herbarien  oder  Aquarien  fehlen  fast  nirgend, 
so  dals  die  Klasse  ein  viel  behaglicheres  Aussehen  erhält  als  bei  uns.  Die 
Reinigung  der  Klassen,  Vorplätze  und  Treppen  ist  häufig  wegen  mangelnder 
Geldmittel  ungenügend.  Für  Trinkwasser  ist  ausgiebig  gesorgt,  ein  etwa 
1  m  hohes  Becken  mit  einem  durch  Federdruck  senkrecht  hochspritzenden 
Strahle  soll  sich  als  direkte  Trinkgelegenheit  besser  bewähren  als  Fontänen 
mit  Schöpf  becken.  In  der  richtigen  Erkenntnis,  dafs  die  Ernährung  während 
der  langen,  ungeteilten  Schulzeit  von  hervorragender  Bedeutung  für  das 
Körperwohl  und  für  die  geistige  Au&ahmefilhigkeit  der  Kinder  ist,  und  dafs 
da  noch  vieles  im  argen  liegt,  hat  man  mit  grofsem  Erfolg  warme  MaM- 
zeiten  zu  5  cts.  (ca.  20  Pf.)  in  möglichster  Mannigfaltigkeit  bei  ver- 
schiedenen Schulen  eingeführt.  Eigentümlicherweise  sind  die  Spielplätze 
gänzlich  ungenügend  —  oder  sollte  hier  das  englische  Auge  der  Bericht- 
erstatterin zu  verwöhnt  sein?  Die  Schularztfrage  ist  ganz  verschieden 
gelöst,  in  einzelnen  Städten  vollkommener  als  in  anderen.  Die  Über- 
bflrdungs-  und  Überfüllungsfrage  beschäftigt  auch  jenseits  des  Ozeans  die 
Gemüter,  ohne  dort  ihrer  Lösung  näher  gebracht  zu  sein  als  hier.  Klassen 
mit  60  Schülern  sind  keine  Seltenheit,  neue  Klassen  werden  mancherorts 
nur  für  40  Kinder  berechnet.  Zum  Schlufs  werden  noch  einige  private 
Musterschulen  und  die  Kurse  für  schwachsinnige  Schüler  kurz  beschrieben.  — 
Man  sieht,  auch  in  Amerika  ist  noch  nicht  alles  vollkommen,  aber  in 
manchen  Dingen  können  wir  von  dort  viel  lernen. 

Dr.  SiEYEKiNG-Hamburg. 


§tv  $fl^itlitrfi 


L  Jahrgang.  1903.  No.  4. 


<Drt9titalabl|aitblitft9ett. 


über  BchnUritliche  Statistik  und  die  Priniipien  bei  Auswahl 
der  sogenannten  ärstlichen  BeobachtnnfsschtQer. 

Von 

Dr.  Samosch, 

Schularzt  in  Breslan. 

Die  Frage  der  solmlärztliolien  Statistik  und  der  Answahl  ärzt- 
liclier  Beobaohtnngsschüler  sind  Detailfragen  anf  scbnlärztlichem 
G-ebiete,  an  deren  Beantwortung  erst  herangegangen  werden  kann, 
nachdem  eine  genügende  Menge  sohnlärztlicher  Erfahrungen  gesammelt 
worden  ist.  Erfreulicherweise  hat  nun  die  Schularztinstitution  in 
den  letzten  Jahren  eine  derartige  Verbreitung  und  Ausdehnung  ge- 
wonnen, dafs  heute  wohl  schon  der  Zeitpunkt  gekommen  ist,  wo 
wir  die  oben  genannten  Fragen  zur  Diskussion  stellen  können,  um» 
wenn  möglich,  eine  Einigung  deutscher  Schularzte  über  dieselben  zu 
erzielen  und  eine  Einheitlichkeit  in  unserem  Vorgehen  nach  dieser 
Richtung  hin  herbeizuführen.  Eine  sorgftlltige,  einwandsfreie  schul- 
ärztliche Statistik  erscheint  mir  von  prinzipieller,  ja  geradezu  funda- 
mentaler Bedeutung  für  die  Schulhygiene  nach  zwei  Seiten  hin. 
Einerseits  verschafft;  sie  dem  Schularzt  einen  Überblick  über  das  ihm 
anvertraute  Material  und  bietet  ihm  somit  eine  Unterlage  für  eine 
weitere  ersprieisliche  Tätigkeit,  andererseits  dient  sie  fär  die  Behörden 
und  die  Laienwelt  als  unwiderlegliches  Beweisstück  für  den  Wert 
schulärztlicher  Untersuchungen. 

Um  die  behauptete  Wichtigkeit  der  Statistik  ftir  die  Fort- 
entwicklung einer 'praktischen  Schulhygiene  darzutun,  dürfte  es  zu- 

Der  Schulant.  L  7 


64  256 

nächst  zweokmälüsig  sein,  den  bisherigen  Entwicklungsgang  der  Schul- 
hygiene in  greisen  umrissen  kurz  zu  skizzieren. 

Die  Schulhygiene,  eine  Errungenschaft  der  letzten  Jahrzehnte 
des  yergangenen  Jahrhunderts,  nahm  ihren  Ausgangspunkt  dayon, 
dais  durch  zahlreiche,  beweiskräftige  Arbeiten  hervorragender 
hygienischer  Forscher  schwere  G-esundheitsstörungen  bei  Schul- 
kindern als  Folge  des  Schulbesuchs  festgestellt  worden  waren.  Auf 
Grund  dieser  Feststellungen  liels  man  es  sich  angelegen  sein,  die 
äuiseren  Einrichtungen  der  Schule  und  den  gesamten  Schulbetrieb 
auf  ihren  hygienischen  Wert  zu  prüfen;  man  bemühte  sich,  an- 
erkannte Lehrsätze  der  allgemeinen  Hygiene  auf  das  Sondergebiet 
der  Schule  zu  überdragen,  wobei  man  sehr  bald  erkannte,  daTs  die 
Schule  eine  ganz  besondere,  eigenartige  hygienische  Betrachtungs- 
weise verlangt.  Aus  der  allgemeinen  hygienischen  Wissenschaft 
wuchs  als  Spezialzweig  derselben  die  Schalhygiene  heraus.  Mit 
Rücksicht  auf  die  vorwiegend  praktischen  Ziele  und  Zwecke  der 
Schulhygiene  lieisen  die  berufenen  Vertreter  derselben  sehr  bald  den 
Ruf  nach  dem  Schularzt  erschallen,  weil  nur  von  einem  hygienisch 
vorgebildeten  Arzt  zu  erwarten  war,  daTs  er  die  Lehrsätze  der 
Schulhygiene  in  zweckentsprechender  und  nutzbringender  Weise  zur 
Geltung  bringen  würde.  Der  Ruf  nach  dem  Schularzt  wurde  so 
lange  wiederholt,  bis  er  gehört  wurde.  In  dem  Augenblick  aber, 
wo  der  Schularzt  Eingang  in  die  Schule  fand,  war  damit  die  Mög- 
lichkeit einer  wesentlichen,  ja  wie  ich  meine,  für  das  Ganze  unent- 
behrlichen Erweiterung  der  Schulhygiene  gegeben.  Der  kundige 
Blick  des  Arztes  blieb  nicht  blofs  an  den  Mauern,  Heizungs-  und 
Ventilationsvorrichtungen  haften,  sondern  er  schweifte'  sehr  bald  auf 
das  lebende  Material,  auf  die  Schulkinder  hinüber.  Zur  Schulhygiene 
kam  die  Schülerhygiene  hinzu.  Um  Wert  und  Bedeutung  dieses  Teils 
schulhygienisoher  Fürsorge  darzulegen,  bedarf  es  nicht  vieler  Worte. 
Denn  wie  es  von  vornherein  klar  ist,  dafs  man  den  Einflufs  eines 
Milieus  auf  Lidividuen  nur  dann  sachgemäfs  beurteilen  kann,  wenn 
man  beides  kennt,  so  kann  auch  die  hygienische  Bedeutung  der 
Schule  nur  dann  richtig  beurteilt  werden,  wenn  man  das  Schäler- 
material genau  kennt.  Es  gibt  ja  allerdings  eine  Menge  Fragen,  die 
allein  vom  allgemein-hygienischen  Standpunkt  aus  beantwortet  werden 
können,  z.  B.  der  Bauplan,  Ventilation,  Heizung  etc.;  die  Beant- 
wortung der  Frage  aber:  „Welchen  Einflufs  hat  die  Schule 
auf  den  Gesundheitszustand  der  Kinder?^'  setzt  die  Kenntnis 
des  Gesundheitszustandes  der  Schulkinder  überhaupt  voraus.    Nehmen 


257  55 

wir  z.  B.  «DL,  es  leidet  ein  Kind  an  dichten,  zentralen  Hornhaat- 
fleoken;  dieses  Kind  wird,  am  mit  seinen  gesondheitlioh  besser  ge- 
stellten Konkurrenten  gleichen  Sohritt  halten  zu  können,  ein  Plus 
▼on  geistiger  bezw.  nervöser  fijraft  aufwenden  müssen.  Dieser  Mehr- 
aufwand von  geistiger  Kraft  wird  das  kranke  Eand  den  Anstrengungen 
der  Schule  eher  erliegen  lassen,  als  gesunde  Sander.  Ist  nun  hier 
die  Schule  für  den«  durch  sie  angerichteten  Schaden  verantwortlich 
zu  machen?  Nie  und  nimmermehr  1  Die  Homhautflecke  allein 
tragen  die  Schuld.  Ein  anderes  Kind,  das  sich  vollkommen  gesund 
fühlt,  wird  zu  Beginn  des  Schuljahres,  etwa  im  April,  vom  Schul- 
arzt als  durchaus  frei  von  Krankheitserscheinungen  befunden.  In 
den  nächsten  Wochen  siecht  das  Kind  allmählich  dahin,  klagt  viel 
über  Kop&ohmerzen,  fühlt  sich  matt  und  elend.  Der  Schularzt 
stellt  zu  Beginn  der  Sommerferien,  Anfemg  Juli,  hochgradige  Anämie 
fest  und  konstatiert  gleichzeitig,  dals  die  Klasse  des  kranken  Kindes 
dauernd  überfüllt  ist,  und  dab  das  Klassenzimmer  hygienischen  An- 
forderungen durchaus  nicht  entspricht.  Die  vierwöchigen  Ferien 
genügen,  um  das  Band  frisch  aufblühen  zu  lassen.  In  diesem  Falle 
steht  die  Schuld  der  Schule  an  der  beobachteten  Gesundheitsstörung 
auiser  Zweifel.  Die  eben  angeführten  Beispiele  illustrieren  khur  und 
deutlich,  welch  groisen  Wert  Schuluntersuchungen  für  die  Beurteilung 
des  Eiinflusses  der  Schule  auf  den  Gesundheitszustand  der  Kinder 
haben.  Nebenher  möchte  ich  erwähnen,  dals  dieser  Teil  schulärzt- 
licher Tätigkeit  in  erster  Beihe  geeignet  ist,  den  Widerstand  der 
Pädagogen  gegen  die  Schularztinstitution  zu  brechen.  Muls  es  denn 
nicht  jedem  einsichtigen  Schulmann  als  Vorteil  dünken,  von  sach- 
verständiger Seite  über  den  Gesundheitszustand  des  ihm  zur  geistigen 
Bildung  anvertrauten  Materials  aufgeklärt  zu  werden?  Der  Bedeutung 
der  Schülerhygiene  tragen  wohl  alle  Dienstanweisungen  Rechnung, 
indem  sie  dem  Schularzt  auiser  der  Durchfiihrung  der  eigentlichen 
Schulhygiene  die  Beobachtung  und  Überwachung  des  Gesundheits- 
zustandes der  Schüler  zur  Pflicht  machen. 

Wenden  wir  uns  nun  au  der  Frage,  „Welches  ist  die  Grund- 
bedingung für  eine  erspriefsliche  Tätigkeit  auf  dem  Ge- 
biete der  Schülerhygiene?^  so  kann  die  Antwort,  wie  bereits  an- 
gedeutet, nur  lauten:  Zunächst  muTs  der  Gesundheitszustand  der 
Schüler  überhaupt  einmal  festgestellt  werden,  es  muls,  wenn  ich 
mich  so  ausdrücken  darf,  der  gesundheitliche  Tatbestand  erhoben 
werden,  und  zwar  in  Form  einer  möglichst  einwandfreien,  einheitlich 
und  vorurteilslos  zusammengesetzten  Morbiditätsstatistik.    Nun 


56  258 

hat  allerdings  das  Wort  Statistik  in  den  Kreisen  praktischer  Medi- 
ziner einen  etwas  üblen  Beigeschmack.  Was  ist  nicht  alles  schon 
in  der  Medizin  mit  Hilfe  der  Statistik  behauptet,  bewiesen  and 
widerlegt  worden  1  Die  mangelnde  Exaktheit  nnserer  Wissenschaft, 
das  subjektive  Moment,  das  sie  wie  ein  roter  Faden  durchzieht,  der 
menschlich  recht  verständliche  Wunsch  des  klinischen  Forschers, 
klinische  üntersuchungsergebnisse  in  Ermangelung  experimentell  oder 
anderswie  exakt  beweisbarer  Feststellungen  durch  die  Statistik  erhärten 
zu  wollen,  haben  dazu  geführt,  die  klinische  Statistik  etwas  in  MiTs- 
kredit  zu  bringen.  Es  wäre  demgemäß  recht  wünschenswert,  wenn 
wir  Schulärzte,  die  wir  ja  als  solche  Kliniker  sein  müssen,  der 
Statistik  entraten  könnten.  Doch  das  ist  unmöglich,  weil  wir  ver- 
pflichtet sind,  unsere  Resultate  der  ÖfPentlichkeit,  und  zwar  haupt- 
sächlich den  Laien,  zugänglich  zu  machen.  Es  wird  sich  nun  darum 
handeln,  nach  Möglichkeit  bei  unserer  Statistik  Fehlerquellen  aus- 
zuschalten. Das  subjektive  Moment,  das  unserer  Wissenschaft  eigen- 
tümlich ist  und  schon  bei  der  Frage,  wann  liegt  Krankheit  über- 
haupt vor,  eine  erhebliche  Rolle  spielt,  können  wir  nicht  ganz  aus< 
schalten;  wir  können  und  müssen  es  aber  vermeiden,  Statistik  von 
einem  vorgefaisten  Standpunkt  zu  treiben,  etwa  in  dem  Sinne,  daüs 
wir  die  Schädlichkeit  oder  Unschädlichkeit  der  Scbule  bezüglich  des 
Gesundheitszustandes  der  Kinder  erweisen  wollen.  Unsere  Aufgabe 
ist  es  also,  den  Gesundheitszustand  der  Schulkinder  zunächst  einmal 
ganz  losgelöst  von  dem  Milieu  der  Schule  nach  Möglichkeit  objektiv 
festzustellen.  Nur  ein  derartig  unparteiischer  Standpunkt  wird  es 
ermöglichen,  klarzulegen,  inwieweit  soziale  Schäden  auJserhalb  der 
Schule,  und  inwieweit  die  Schule  selbst  den  Gesundheitszustand  der 
Jugend  beeinträchtigt.  Ich  bitte  aber,  mich  hier  nicht  müseuverstehen 
und  etwa  zu  glauben,  dafs  ich  die  Notwendigkeit  schulärztlicher 
Fürsorge  bestreiten  könnte  für  den  Fall,  dais  unsere  Untersuchungen 
die  Schädigungen  aufserhalb  der  Schule  für  wesentlicher  erweisen 
würden,  als  die  durch  die  Schule  bedingten.  Granz  im  Gegenteil 
haben  wir  gerade  in  diesem  Fall  Gelegenheit,  unser  ärztliches  Wissen 
und  Können  im  Interesse  unserer  Jugend  zu  betätigen.  Indem  wir 
nämlich  durch  unsere  amtliche  Tätigkeit  bisher  unbekannte  und  ver- 
borgene Gesundheitsstörungen  aufdecken,  Eltern  und  Erzieher  auf 
die  üblen  Folgen  mangelhafter  häuslicher  Pflege  aufmerksam  machen, 
leisten  wir  der  Allgemeinheit  einen  sozial  und  hygienisch  ungemein 
wertvollen  Dienst.  Bevor  ich  nun  näher  auf  das  „Wie'  einer  guten 
schulärztlichen  Statistik  eingehe,  halte  ich  mich  verpflichtet,  zuvörderst 


259  57 

eine  kune  ZuBammenstellung  der  mir  sugänglioben  Literatur* Angaben/ 
Statistik  betreffend,  zu  geben.  Die  ersten  statistisohen  Zusammen- 
stellungen von  Wert  stammen  meines  Wissens  von  Axbl  Hsbtbl, 
Kommune- Arst  in  Kopenbagen,  der  im  Jabre  1881  die  Resultate 
der  üntersuobung  von  S141  Knaben  und  1211  Mftdoben  der  böberen 
Schulen  yeröffentliehte.  Er  &ud  31  %  der  Knaben  und  39  %  der 
Mädoben  obronisob  krank.  Die  Untersuchung  gesehah  mittels  Frage- 
bogen an  die  Eltern,  in  denen  sehr  detaillierte  Fragen  betreffend 
den  GesundheitsBustand  des  Kindes  zur  Beantwortung  duroh  den 
Hausarzt  enthalten  waren,  und  die  auch  nach  Schlafens-  und  Arbeits- 
seit  zu  Hause  fragten.  Die  Untersuchungen  von  Hbbtsl  sind  auch 
darum  von  greiser  Bedeutung,  weU  sie  die  Anregung  gaben,  dafe 
im  Jahre  1882  in  Dtaemark  und  in  Schweden  Kommissionen  zum  be- 
sonderen Studium  schulhygienischer  Fragen  eingesetzt  wurden.  Die 
Untersuchungaergebnisse  der  schwedischen  Kommission  sind  von  Axel 
Key  in  einem  geradezu  klassischen  Bericht,  der  ien  G-egenstand  in  seitdem 
uneneicditer  Weise  erschöpft,  zusammengestellt.  Axbl  Keys  schul- 
hygienische  Untersuchungen,  von  denen  eine  sehr  gute  auszugsweise 
Bearbeitung  von  Büii&BBSi^aiN  existiert,  imponieren  durch  die  Zahl 
und  Form  der  statistischen  Zusammenstellungen  und  die  fHlUe  der 
Sehlu&folgerungen,  die  aus  diesen  Zusammenstellungen  gezogen 
werden  konnten.  Die  Besultate  der  dänischen  und  schwedisehen 
Kommission  im  einzelnen  hier  anzuführen,  unterlasse  ich  und  be- 
achrfinke  mich  darauf,  die  Angaben  Axbl  Hbbtels  wiederzug^sben, 
der  im  Jahre  1888  in  der  ZeURChrifi  für  SchulgesundheUäpflege  die 
Beeultate  der  drei  Untersuchungsreihen  zusammengefabt  und  folgendes 
fes^estellt  hat :  29  %  aller  Knaben  in  höheren  und  in  Volksschulen 
eind  knnk;  20%  sind  es  bereits  beim  Sohuleintritt;  im  achten 
Liebensjahr  sind  es  28%,  dann  steigt  die  Zahl  der  Kranken  lang- 
sam bis  zum  zdhmiten  Jahre  an,   um  im  elften  Lebensjahre  stehen 


'  Die  folgende  ZnsammenBtellung  soll  keinen  Ansprach  aof  absolnte  Voll 
«tfindigkeit  erheben.  Von  der  Voraussetzung  ausgehend,  dafs  alle  wichtigeren 
Literatnr-Angaben,  die  die  schnlarztliche  Tätigkeit  betreffen,  in  der  ZeÜ^ihrift 
für  SfMlgtHmdKeUtpfltge  in  irgend  einer  Form  erwähnt  sein  würden,  habe  ich 
mieh  darauf  bescfarSnkt,  aalier  den  gebränohiichen  Handbfichem  die  16  Jahr- 
ginge  dAaer  Zdisehrift  daraufhin  dnndizusehen.  Weggelassen  habe  ioh  alle 
Angaben,  die  mir  aus  irgend  einem  Grande  für  wissenschaftliche  Zwecke  nicht 
geeignet  erschienen.  Aufserdem  habe  ich  nur  solche  Statistiken  erwähnt,  die 
den  aUgemeiaeB  OetondheitsKostand  der  Kinder  betreffen.  SperieHe  unter- 
snchnngan  der  Augen  und  Ohren  z.  B.  blieben  unberücksichtigt. 

Der  Sehalant  I.  8 


58  260 

zu  bleiben  oder  zu  fallen.  Im  zwölften  Lebensjahre  wird  jedoch 
das  Maximum  Ton  31  %  erreicht,  dann  sinkt  die  Zahl  wieder  bis 
zum  sechzehnten  Lebensjahr,  um  nachher  wieder  etwas  zu  steigen.  — 
Von  den  Mädchen  sind  41  %  krank;  beim  Schuleintritt  sind  es 
25  %,  im  zehnten  Lebensjahr  43%;  dann  folgt  ein  Stillstand;  mit 
dreizehn  Jahren  wird  das  Maximum  von  51  %  erreicht.  —  loh 
habe  diese  Untersuchungen  etwas  genauer  angefahrt,  nicht  etwa,  um 
sie  als  vorbildlich  für  unsere  Tätigkeit  hinzustellen;  die  ünter- 
suchungsmethoden,  die  wir  in  Deutschland  anwenden,  das  Material, 
das  uns  zur  Verfügung  steht,  läfst  keinen  Vergleich  mit  den 
nordischen  Ländern  zu.  Ich  habe  sie  nur  angefahrt,  weil  sie,  wie 
schon  oben  erwähnt,  die  ersten  wissenschaftlich  wertvollen,  statistischen 
Zusammenstellimgen  betreffend  den  allgemeinen  G^esundheitszustand 
der  Schulkinder  enthalten. 

Von  eminent  praktischer  Bedeutung  fbr  die  Einführung  der 
Schularztinstitution  in  Deutschland  waren  die  im  Jahre  1895  vor- 
genommenen Untersuchungen  von  5000  Schulkindern  in  Wiesbaden, 
bei  denen  25%  der  Schulkinder  als  mit  körperlichen  Gebrechen 
behaftet  erkannt  wurden.  Auf  Grund  dieses  Ergebnisses  wurden  im 
Jahre  1896  in  Wiesbaden  Schulärzte  angestellt,  eine  Tatsache,  die 
darum  von  so  greiser  Bedeutung  ist,  weil  das  preuüsische  Kultus- 
ministerium in  einem  Ministerialerlafs  vom  18.  Mai  1898  die  Wies- 
badener Schularztinstitution  den  preulsischen  Städten  zur  Nachahmung 
empfahl.  Tatsächlich  ist  denn  auch  die  Wiesbadener  Schularzt- 
institution vorbildlich  für  andere  Städte  geworden.  —  Eben&lls  im 
Jahre  1895  wurden  in  Marienberg,  Königreich  Sachsen,  von  12000 
Schulkindern  33  %  für  krank  befanden.  Aus  demselben  Marienberg 
berichtet  Bezirksarzt  Dr.  Oppblt  im  Jahrgang  1902  der  Zeitschrift 
für  Schulgesundheitspflegej  dafs  er  von  1845  Kindern  51  %  für  krank 
befanden  habe.  —  Aus  den  Berichten  des  Schularztes  Dr.  Gbein  aus 
Offenbaoh  über  die  Jahre  1896/97  und  1899/1900  geht  hervor,  dals 
er  von  4393  beziehungsweise  5273  Schulkindern  3711  beziehungs- 
weise 22Ö4  Krankheitserscheinungen^,  mit  Aussohlufs  von  Zahn- 
erkrankungen und  der  unter  ünsauberkeit  aufgeführten  Fälle,  fest- 
gestellt hat.  —  In  Darmstadt  wurden  im  Jahre  1898/99  unter  838 
Lernanfongem  273,  und  unter  4664  älteren  Schülern  2035  Krank- 
heitserscheinungen^ festgestellt;  10,8  %  wurden  in  dauernde  ärztliche 


^  Wieviel  kranke  Individuen  den  Krankbeitsersoheinnngen   entsprechen, 
ist  nicht  angegeben. 


261  59 

Beobaohtung  genommen.  —  Aus  Wiesbaden  wird  beriohtet,  daüs  im 
Jahre  1898/99  von  970  Lemanfängem  51  %  für  krünklioh  befanden 
wurden.  Im  Jahre  1899/1900  waren  von  939  Lemanfängern  55  % 
krank;  Ton  6672  älteren  Schülern  wurden  in  demselben  Jahre  bei 
9,6%  körperliche  Gebrechen  notiert.  —  In  Königsberg  standen  im 
Jahre  1899  von  18258  Kindern  42  %,  und  im  Jahre  1900  von 
18510  Kindern  24  ^/o  in  ärztlicher  Beobachtung.  Zieht  man  aber 
die  Zahl  der  an  GAraohom  Erkrankten,  das  in  den  Berichtsjahren 
epidemisch  auftrat,  ab,  so  sind  die  entsprechenden  Prozentzahlen 
37%  und  20%.  —  In  Cannstatt  wurden  in  zwei  aufeinander  folgenden 
Jahren  Schuluntersuchungen  derart  vorgenommen,  dals  15608  Kinder 
oberflächlich  besichtigt  wurden;  die,  welche  auffielen  oder  sich  selbst 
als  krank  meldeten,  oder  vom  Lehrer  als  krank  bezeichnet  wurden, 
wurden  genauer  untersucht.  Das  Beeultat  war,  dals  im  ersten  Jahre 
11,6  %  der  städtischen  und  7,5  %  der  ländlichen,  und  im  zweiten 
Jahie  12.3  %  der  städtischen  und  7,7  %  der  ländlichen  Eander  fdr 
krank  befunden  wurden.  —  Im  Jahrg.  1901  der  Zeitschrift  fü/r  Schul- 
gesundheitspftege  wird  berichtet,  dafs  ein  Antrag  an  das  sächsische 
Landee-Medizinalkollegium,  betreffend  die  Überwachung  der  Schul- 
kinder im  ganzen  Lande,  damit  motiviert  worden  sei,  dafs  in  Leipzig 
1899  54  %  gesunde  und  46  %  der  ärztlichen  Überwachung  bedürftige 
Kinder  festgestellt  worden  seien.  In  Dresden  sind,  wie  die  oben 
genannte  Zeitschrift  dem  Schwäbischen  Merku/r  entnimmt,  in  einem 
Sohularztbeiirk  50,95%  der  Lemanfilnger  für  leidend  befunden 
worden.  —  In  Schöneberg  betrug  das  Krankenprozent  der  Leman&nger 
62  %  und  in  Leipzig  nach  einer  genauen,  tabellarisch  gut  über- 
sichtlichen Statistik  41,6  Vo.^ 
(SohluA  folgt.) 

'  Die  letzten  drei  Angaben  entstammen  dem  Jahrgang  1902  dieser  Zeit' 
sdifift. 


tiitintxt  iltitteilitit)eft. 

Über  Neueinfflhrnng  yon  Schul&rzten  liegen  ans  mehreren 
deutschen  Städten  Nachrichten  vor.  Strafsburg  hat  nach  Mitteilung 
der  y,8irafsburger  Pöst^  vom  1.  April  ab  zwei  Schulärzte  für  die  innere 
Stidt  angestellt;  vom  nächsten  Jahre  an  sind  drei  weitere  Schulärzte 
^  die  Vororte    in  Aussicht    genommen.     Die    neuemannten    Schulärzte 

8* 


60  262 

Dr.  Belin  and  Dr.  SOHLEsmaEB  hielten  in  einer  amtlichen  Konferenz 
der  städtischen  Elementarlehrer  Vorträge  fiher  die  Funktion  der  Schalärzte 
and  flher  den  Alkoholismas  anter  den  Schfilem.  —  In  Mainz  ist  nach 
langen  Yorrerhandlangen  jetzt  die  yorlänfige  Dienstanweisang  fär  Schalärzte 
fertiggestellt.  Es  sollen  fQnf  Schulärzte  angestellt  werden  mit  je  800  Maik 
Jahresgehalt.  —  In  Saarloais  wurde  ein  Schularzt  in  der  Person  des 
Dr.  Hesse  angestellt.  —  Falkenstein  in  Sachsen  wird  nach  ßesdünfs 
der  städtischen  Kollegien  eine  Schalarztstelle  schaffen.  —  InDuishurg 
war  im  Stadtrat  der  Antrag  auf  Anstellung  Ton  Schulärzten  Ton  der  Stadt- 
schulTerwaltung  bekämpft  worden.  Auf  energisches  Eintreten  von  Dr.  Cop- 
MANK  wurde  indessen  der  Antrag  angenommen,  die  Schularztfrage  einer 
aus  Mitgliedern  der  StadtschulTcrwaltung  und  des  Ärztevereins  bestahenden 
Spezialkommission  zur  Prttfang  zu  unterbreiten.  —  Auerbach  im  Voigt- 
land wird  mit  Beginn  des  neuen  Schuljahres  einen  eigenen  Schularzt  an- 
stellen. Die  Dienstanweisung  wird  sich  der  in  Leipzig  geltenden  an- 
schlieben.  —  In  Stadt  Forst  treten  am  1.  April  die  neuernannten 
Schulärzte  in  Tätigkeit.  —  Den  Landtag  des  Grobhensogtums  Oldenburg 
hat  die  Schularztfrage  in  einer  Februarsitzung  beschäftigt.  Zu  Gunaten 
staatlicher  Anstellung  von  Schulärzten  sprachen  sich  aus  die  Abgeordneten 
SOHULZ,  Ahlhobn,  HEiTMAim  und  Taxjtzen.  Ein  entsprechender 
Antrag  wurde  der  Regierung  zur  PrQfung  fiberwiesen. 

In  Mfinchen  stand  im  Gemeindekollegium  der  Antrag  Dr.  Wacexr 
und  Schön  auf  Einführung  von  Scholärsten  zur  Beratung.  Der  Aussdnis 
hatte  sich  dafür  ausgesprochen,  den  Antrag  dem  Magistrat  zur  WOrdigong  zu 
empfehlen.  Die  Mehrzahl  der  Bevollmächtigten  sprach  sich  fär  den  Au8solni&- 
antrag  aus.  Von  liberaler  Seite  namentlich  wurden  die  f&r  die  Einf&hrung  ^on 
Schulärzten  sprechenden  Gründe  wirksam  und  nachdrücklich  zur  Geltung  ge- 
bracht. Die  uHrunontanen  Redner  sagten,  dab  sie  zwar  nicht  prinzipiell  Gegner 
der  Institation  der  Schulärzte  seien,  dafe  sie  aber  schwere  finanzielle  BedeAen 
dagegen  hätten.  In  namentlicher  Abstimmung  wurde  der  Antrag  des  Aus- 
schusses mit  45  gegen  2  Stimmen  angenonunen.  Der  Antrag  Dr.  Hbi«bl, 
welcher  dahin  lautete,  die  Prüfung  dieser  Frage  einer  ans  Vertretern  der 
Stadt,  des  Staates  und  der  Münchener  Ärzteschaft  zu  bildenden  Konunission 
zu  übertragen,  wurde  mit  grober  Mehrheit  abgelehnt.  GemeindeberoU- 
mächtigter  Dall'Abmi  regte  als  Finanzreferent  des  Gemeindekolleginms 
an,  der  Magistrat  wolle  sich  an  das  Ministerium  wenden  mit  dem  Ersuchen 
um  Übernahme  der  Kosten  ftlr  die  Schulärzte  durcJi  den  Staat.  Dieser 
Anregung  stimmte  das  Kollegium  zu. 

SehnlSratliche  Vortrige  werden  in  Königshatte  (Oberschleeien) 
auf  Anordnung  des  Magistrats  TOr  Lehrern,  Magistratsmitgliedern  und 
StadtTcrordneten  gehalten.  Dr.  Patbzbk  sprach  über  Nervosität  der 
Schulkinder,  Dr.  Kaibeb  über  Tuberkulose  und  ihre  Bekämpfung  durch 
die  Schule. 

Resultate  der  Sehllerutennekugen  ii  Dresdei.    In  dieser 

Stadt  war  bekanntlich  die  allgemeine  Untersuchung  aUer  SdiulBenMnge 
in  der  bisherigen  Schuldienstordnung  noch  nicht  itorgesdirieben,  und 
nur  probeweise  ist  im  Jahre  1902  eine  solche  Untersuchung  Tor- 
genommen    worden.     Über   die    Ergebnisse    derselben   hat   Herr   Lehrer 


263  61 

G.  Schanze  im  Dresdner  pädagogischen  Verein  berichtet  nnd  dabei  den 
Wonsch  aasgesprochen,  es  möge  daraus  eine  st&ndige  Einrichtong  gemacht 
werden.  In  demselben  Verein  teilte  dann  Herr  Lehrer  GbaüPKBB  die 
Resultate  der  Körpermessungen  der  Dresdner  VolksschtQer  mit,  wobei  sich 
a.  a.  ergab,  dais  die  Bflrgerschfller  den  Bezirkaschnlkindam  in  den  Unter- 
klassen durchschnittlich  um  ein  ToUes  Jahreswachstnm,  in  den  Oberklassen 
um  ein  halbes  Jahreswachstum  Toraus  waren.  Die  Sitzengebliebenen  sollen 
durcbfichnittlich  um  ein  halbes  Jahreswachstum  kleiner  sein  als  die  gleich- 
altrigen nicht  Sitzengebliebenen. 

Scklllrzte  in  Japan.  Nach  dem  Tor  kurzem  erschienenen  offiziellen 
Bericht  des  japanischen  Unterrichtsministers  für  das  Verwaltungsjahr  1901 
bis  1902  waren  von  Schulen,  an  welchen  Schul&rzte  wirkten,  6701  Volks- 
schulen, 52  Lehrerbildungsanstalten,  178  Mittelschulen,  42  höhere  Schulen 
für  das  weibliche  Greschlecht,  2  Spezialschulen,  215  technische  Schulen  und 
4  gemischte,  Summa  7094  Schulen^;  an  diesen  wirkten  zusammen  3758 
Schulftrzte.  Die  gesamte  Jahresausgabe  fQr  diese  Schulärzte  war  104  225 
Ten  (tiber  400  000  Mk.)  Verglichen  mit  dem  Stande  des  Vorjahres  ist 
die  Zahl  der  Schulärzte  um  852  angewachsen,  es  gibt  aber  dennoch  Orte, 
weldie  wegen  Mangels  an  entsprechend  qualifizierten  Personen  des  Schul- 
arztes entbehren,  während  in  anderen  aus  finanziellen  Gründen  ein 
Schularzt  mehrere  Schulen  besucht.  Viele  Jahre  werden  noch  vergehen, 
bis  die  Schularzünstitution  vollständig  durchgefOhrt  sein  wird.  —  Die  Schul- 
ärzte inspizieren  die  Schulhäuser,  untersuchen  die  Kinder  beim  Auftreten  von 
epidemischen  Krankheiten  und  ftthren  die  nötigen  PräventivmaCsregeln  durch ; 
beim  Auftreten  von  Infektions-Erkrankungen  in  den  Schulen  selbst  sorgen 
sie  fOr  Isolierung,  eventuell  fOr  Schulschlufs.  Femer  halten  sie  manchmal 
Besprechungen  hygienischer  Fragen  sowohl  mit  den  Kindern,  als  mit  den 
EHem  ab.  Endlich  wurde  die  Aufnahme  des  körperlichen  Entwicklungs- 
zustandes der  Jugend  an  vielen  Schulen  durchgef&hrt,  so  z.  B.  an  296  659 
SchlUem  und  177  651  Schtilerinnen  von  Volksschulen,  8937  männlichen 
und  1373  weiblichen  Zöglingen  der  Lehrerbildungsanstalten  u.  s.  w. 

(Mitget.  V.  Prof.  Dr.  Bübgebstbin). 

Seknlant  nid  Berufswahl.  In  der  y^Chemnitger  AUg.  Ztg.*"  richtet 
Dr.  W.  Nakaueb  unter  der  Aufschrift  „Berufswahl  und  Gesundheit'  ein 
beherzigenswertes  Mahnwort  an  Eltern  und  Erzieher  und  hebt  darin  hervor, 
wie  nutzbringend  das  sachverständige  urteil  der  Schulärzte  wirken  könne, 
wenn  es  beim  Austritt  der  Kinder  aus  der  Schule  in  dem  Sinne  eingeholt 
werde,  ob  der  gesundheitliche  Zustand  des  Kindes  mit  dem  in  Aussicht  ge- 
nommenen Beruf  vereinbar  ist,  oder  ob  eine  andere  Beschäftigung  ärztlich 
empfohlen  werden  müsse.  Bekanntlich  haben  einzelne  Städte, z.  B.  Frankfurt  a.M., 
ihre  Schulärzte  verpflichtet,  auf  Befragen  einen  solchen  Rat  zu  erteilen. 

WeibÜcke  Sehnllrzte.  Der  Verein  „Frauenwohl'  zu  Berlin  hat  an 
den  Magistrat  eine  Eingabe  gerichtet,  worin  er  bittet,  bei  der  in  Aussicht 
genommenen  Anstellung  von  Schulärzten  auch  weibliche  Ärzte  anzustellen. 


^  Die  Summe  der  vorstehenden  Zahlen  wäre  7194;  da  die  Angabe  „7094'' 
«piftar  noch  einmal  wiederkehrt,  dürfte  der  Satifehler  in  einem  der  Summanden 


62  264 


£iterarifd^e  6efpred^ittt$ett. 


Dr.  Eduard  Quibsfeld,  Bezirksarzt  in  Rnmbiirg  in  Böhmen.   Ergebnisse 
einer  Schnlkindernntersnchnng. 

In  No.  26  der  ^Frag,  med.  Wochmschr,''  (26.  Juni)  1902  beginnt 
der  Amtsarzt  Dr.  Quibsfeld  mit  der  Veröffentlichang  der  Ergebnisse  der 
in  seinem  Amtsbezirke  von  ihm  vorgenommenen  Schulkindernntersachiingen 
nnd  beschliefst  die  Publikation  nach  13  Fortsetzungen  in  No.  52  des 
Jahres  1902  der  citierten  Zeitschrift.  Bei  dem  groisen  umfange,  welchen 
die  detailliert  und  mit  groiser  Sorgfalt  und  Sachkenntnis  ansgeftlhrte  Ar- 
beit aufweist,  ist  es  naturgemäfs  kaum  möglich,  ein  ausffihrliches 
Referat  an  dieser  Steile  zu  geben,  es  seien  daher  nur  die  wichtigsten 
Endergebnisse  der  QuiBSFELDschen  Untersuchungen  hier  angefahrt,  und 
es  möge  dabei  betont  werden,  daTs  die  mühsamen  Untersuchungen  dadurch 
wesentlich  an  Wert  gewinnen,  dafs  sie  nicht  nur  in  einer  einzigen  Stadt, 
sondern  in  einem  politischen  Bezirke  ausgefOhrt  wurden,  wodurch  die 
etwa  durch  lokale  Zufälle  verursachten  Fehlerquellen  auf  ein  Minimum 
reduziert  erscheinen. 

Quibsfeld  hat  nach  dem  Yorschlftge  Julius  Mahlebs  mit  dem 
Beginne  des  Schutjahres  1899/1900  alle  neueingetretenen  Kinder  unter- 
sucht und  fOr  jedes  einzelne  Kind  einen  Gesundheitsbogen  angelegt,  der 
durch  die  ganze  Zeit  des  Unterrichtslebens  fortgeführt  werden  soll.  In 
diesem  Gesundheitsbogen  sollen  nachstehende  14  Punkte  mit  Abschluß 
eines  jeden  der  acht  Schuljahre  Berücksichtigung  finden:  1.  Das  Lebens- 
alter. 2.  Die  Körperlänge.  3.  Der  Brustumfang.  4.  Die  vitale  Lungen- 
kapazität. 5.  Das  Körpergewicht.  6.  Die  Entwicklung  der  Muskulatur. 
7.  Der  allgemeine  Ernährungszustand.  8.  Die  Lage  der  Wirbelsäule. 
9.  Die  Entwicklung  der  Schilddrüse.  10.  Die  Sehschärfe  und  Refraktion 
des  Auges.  11.  Interkurrente  Krankheiten.  12.  Das  Auffassungsvermögen. 
13.  Das  Gedächtnis.     14.  Verschiedene  Gebrechen. 

Untersucht  wurden  an  33  Schulen  (darunter  7  Bürgerschulen)  7880 
Kinder,  von  denen  um  0,52  7o  mehr  Knaben  als  Mädchen  waren. 

Es  waren  nur  etwas  mehr  als  ein  Viertel  der  untersuchten  Kinder 
gesund,  der  vierte  Teil  derselben  wies  krankhafte  Veränderungen  des 
Organismus  auf  und  mehr  als  ein  Vb  war  bresthaft.  Im  ersten  Schul- 
jahre fand  sich  die  gröüste  Zahl  der  gesunden  Kinder  mit  35,29%  ^^^ 
Untersuchten  und  im  achten  Schuljahre  die  kleinste  Zahl  derselben  mit 
28,45  >. 

In  101  städtischen  Schulklassen  wurden  4850  und  in  73  Schul- 
klassen der  Landgemeinden  3030  Kinder  untersucht  und  konstatiert, 
dals  sowohl  die  Zahl  der  krankhaft  veränderten,  als  bresthaften  Kinder  in 
den  Landgemeinden  gröüser  ist  als  in  den  Städten,  und  dafs  diese  Differenz 
56  7oo  bezw.  25  ®/oo  aller  Untersuchten  beträgt. 


265  63 

Anämie  wurde  bei  949  =  120,33  Voo  aller  untersnchten  und  bei 
44,53%  aller  krankhaft  Terftnderten  Kinder  gefdnden;  die  Zahl  der 
anftmischen  MAdchen  fibersteigt  jene  der  Knaben  am  16,76%.  Aaf  die 
Kinder  der  städtischen  Schulen  entfallen  von  je  1000  der  Untersnditen 
73,09,  in  den  Landgemeinden  47,33  an&mische  Kinder. 

Die  Zahl  der  anämischen  Kinder  wächst  vom  Anfange  des  ersten 
Scholjahres  bis  zum  Ende  desselben  am  7%  an,  daraus  ergibt  sich,  dafs 
der  Übergang  vom  freien,  angebundenen  Leben  des  nicht  schalpflichtigen 
Kindes  zum  ersten  Schulonterricht^ahre  die  aUeinige  Ursache  der  krank- 
haften Veränderung  ist,  und  darum  ist  die  Stundeneinteilung  ffir  den 
Unterricht  in  der  ersten  Yolksschulklasse  von  der  grölsten  Wichtigkeit. 

Durchschnitüich  waren  12%  der  Kinder  anämisch;  ein  nicht  ge- 
ringer Prozentsatz  der  anämischen  Kinder  ist  aber  nicht  der  Schule  zuzu- 
schreiben: die  anämischen  Kinder  gehörten  in  60,09%  der  Fälle  dem 
Arbeiterstande,  in  34,24%  dem  gewerblichen  Stande  und  nur  in  5,07  % 
der  Fälle  anderen  Ständen  an.^ 

An  Skrophulose  erkrankt  wurden  11,21 7o  aller  Untersuchten  ge- 
funden, und  zwar  waren  in  den  Stadtschulen  96,7  7oo,  in  den  Land- 
sdiulen  133,66  Voo  skrophulös;  72,85%  aus  dem  Arbeiterstande, 
25,79  %  aus  dem  gewerblichen,  der  Rest  1 ,36  %  aus  den  anderen  Ständen. 

Die  Zahl  der  augenleidenden  Kinder  (mit  Ausschlufs  der  Kurz- 
sichtigen) betrug  298  =  57,81  7oo  aller  Untersuchten  und  18,99  % 
aller  Kranken.  69,79%  aus  dem  Arbeiterstande,  28,18%  aus  dem  Ghs- 
werbestande,  2,03%  aus  den  fibrigen  Ständen. 

Die  Rfickenmifsbildungen  wurden  in  nahezu  doppelt  so  grolser 
Anzahl  vorgefunden,  wie  alle  fibrigen  Gebrechen  zusammengenommen. 
283,19  %o  aller  Untersuchten  sind  ,,rttckenmifsb]ldet'' ;  die  Zahl  der 
Knaben  fiberragt  jene  der  Mädchen  um  9,42%. 

Kyphose  und  Lordose  kamen  nur  selten  vor  und  wurden  sämtlich 
bereits  in  die  Schule  mitgebracht.  Die  Skoliose  erreicht  ihre 
höchste  2^1  im  zweiten  Schu^ahre  mit  26,02%  aller  Untersuchten. 
(Diese  Ergebnisse  sind  immerhin  etwas  ungewöhnliche,  und  es  fragt  sich, 
wo  bei  QüiBSFELD  die  krankhafte  seitliche  Bfickgratsverkrfimmung  be- 
ginnt. Bef.)  Mit  Ausnahme  des  zweiten  und  vierten  Schu^ahres  ist  die 
rechtsseitige  Skoliose  in  allen  Jahrgängen  bei  den  Mädchen  häufiger 
als  bei  den  Knaben,  und  ist  die  Zunahme  bis  zum  achten  Schuljahre  bei 
den  Mädchen  eine  weit  gröfsere  als  bei  den  Knaben.  —  Die  links- 
seitige Skoliose  nimmt  vom  ersten  zum  achten  Schuljahre  ab. 

In  den  Städten  ist  die  linksseitige  Skoliose  ungleich  häufiger  (61,29  % 
aller  Skoliosen),  hingegen  ist  die  recittsseitige  Skoliose  in  den  Landstädten 
häufiger:  66,32%  aus  dem  Arbeiterstande,  31,18%  aus  dem  Gewerbe- 
stande, 2,50%  aus  den  fibrigen  Ständen. 


^  AuB  derartigem  statistischen  Materiale  Schlüsse  absaleiten,  wie  es  der 
Verfasser  tut,  halte  ich  nicht  für  korrekt.  Es  mnfs  erst  bekannt  sein,  wie  die 
Zusammensetzung  des  Schnlermaterials  nach  der  fieschäftiganmrt  der  Eltern 
beschaffen  ist.  Gibt  es  z.  B.  in  dem  gesamten  nntersachten  Schtiler- 
material  etwa  60  7o  Arbeiterkinder  und  85%  Rinder  von  Gewerbetreibenden, 
80  sind  die  obigen  Zahlen  nichts  AafE&Uendes.    (D.  Ref.) 


64  266 

Ein  wichtiges  iUiologisches  Moment,  dem  bisher  zu  wenig  Anfinerk- 
saakeit  geschenkt  wnrde,  ist  der  Handarbeitsanterricht  bei  den 
MAdchen  (und  doch  überwiegen  die  Knaben!  Ref.),  der,  wie  er  hente  ge- 
handhabt wird,  einfach  zn  verwerfen  ist. 

Fflr  die  Platzanweisnng  ist  ein  Schalarzt  notwendig,  das  kann  der 
Lehrer  nicht,  so  wertvoll  seine  ünterstfltznng  sonst  anch  ist. 

Die  Klassen  haben  in  der  Regel  zu  viel  Schiller,  so  dais  der  Lehrer 
seiner  Aufgabe  nicht  gerecht  werden  kann. 

Die  Zahl  der  Kurzsichtigen  betrag  735»  93,27 %o  aller  Unter- 
suchten, und  zwar  31,19  %o  Knaben  und  60,81  %o  (fRef.)  Mftdchen. 
In  den  Städten  ist  die  Zahl  der  Kurzsichtigen  gröber  als  in  den  Land- 
gemeinden (um  30%);  in  den  Städten  nimmt  die  Kurzsichti^eit  vom 
ersten  bis  achten  Schuljahre  stetig  zu,  auf  dem  Lande  nur  bis  zum  fünften 
Schuljahre. 

Im  ersten  Schuljahre  ist  die  Zahl  der  Kurzsichtigen  in  den  Städten 
um  2%  gröfeer,  im  achten  Schu^ahre  ist  sie  hier  11  mal  gröiser  als  auf 
dem  Lande;  die  Zahl  der  Knaben,  bei  welchen  die  höchsten  Grade  der 
Myopie  nachgewiesen  wurde,  ist  auf  dem  Lande  gröber  als  in  den  Städten. 

Schwerhörigkeit  wurde  bei  90  =  11,42  7oo  konstatiert  — 
den  größten  Teil  der  Schuld  trägt  das  Elternhaus  — ,  die  Mehrzahl 
der  Schwerhörigen  (72 Vo)  hatte  Infektionskrankheiten  fiberstanden:  Ar- 
beiterstand 68,08  7o,  Oewerbestand  29,78  7o,  die  übrigen  Stände  7,14%. 

An  Sprachfehlern  leiden  4%  aller  Kinder;  277o  mehr  Knaben 
als  Mädchen,  und  auf  dem  Lande  mehr  als  in  den  Städten. 

Schwachsinnig  sind  2%  der  Kinder,  ihre  Zahl  ist  auf  dem  Lande 
gröfser  als  in  den  Städten ;  1  Voo  sind  Epileptiker  (zumeist  Mädchen), 
die  Städte  weisen  eine  gröfsere  Zahl  auf.. 

Die  anderen  Details  mflssen  in  dem  lesenswerten  Originale  nachgesehen 
werden.  Dr.  AxTSCHUL-Prag. 


iXtntli^e  9erftt$tttt$en« 

MiiugteriAlerl&rs  des  HenogL  Meinuigeiiaeheii  KultasmiBisteriima.^ 

Meiningen,  den  17.  April  1900. 
An 
die  Schulvorstände,  Direktoren,  Rektoren 
und  Lehrer  an  den  Volksschulen. 

In  betreff  der  Beaufsichtigung  und  Instandhaltung  der  Schulgebäude, 
der  Lüftung  und  Beheizung  der  Schulräume  und  der  Erhaltung  der  Sauber- 
keit und  Ordnung  darin  und  in  den  Vorräumen  werden  folgende  Bestim- 
mungen getroffen: 


^  Vom   henoglichen   Staataministeriam  für  Kirehen-  and  Sehulensaohen 

gütigst  zur  Veröffentliohang  überlassen. 


267  65 

1.  IHe  Schulvorstände  haben  in  Ansffthning  der  ihnen  durch  das 
Yolksschulgesetz  (Art.  77c)  zugewiesene^  Pflieht  der  Aaisicht  Aber 
die  Schnlgeb&nde,  soweit  nicht  solche  an  mehrklassigen  Schulen 
einem  Rektor  zukommt  (Art.  45,  Abs.  2  a.  a.  0.),  die  Sehulhäuser 
in  ihren  Haupt-  und  Nebenräumen  nach  yorheriger  Verständigung 
mit  dem  betreffenden  Lehrer  in  bestimmten  Zeiträumen,  mindestens 
aber  zweimal  im  Jahre  (FrtÜgahr  und  Herbst),  einer  sorgfältigen 
Besichtigung  zu  unterziehen,  hierüber  ein  Protokoll  aufzunehmen 
und  von  diesem  Abschrift  mit  Bericht  Aber  das,  was  zur  Ab- 
stellung etwa  Yorgefnndener  Mifsstände  geschehen  soll,  beziehungs- 
weise geschehen  ist,  bis  zum  15.  April  und  15.  Oktober  jeden 
Jahres  an  das  Herzogliche  Schulamt  einzureichen. 

2.  Die  Schulzimmer  mflssen  in  der  Regel  jährlich,  mindestens  aber 
alle  zwei  Jahre,  getflncht  werden. 

3.  Dieselben  sind  mindestens  alle  14  Tage,  d.  h.  nach  jeder  zweiten 
Schulwoche,  von  erwachsenen  Personen  gründlich  zu  scheuem, 
geölte  oder  gefirnifste  Fußböden  aber  sorgfältig  aufzuwaschen, 
wobei  sämtliche  Teile  des  Zimmers,  Wände,  Decke,  Öfen,  Fenster, 
Türen,  ßänke,  Schulgeräte  n.  s.  w.,  ordentlich  zu  reinigen  sind. 

4.  Das  Auskehren  der  Schulzimmer  soll  womöglich  täglich,  min- 
destens aber  dreimal  wöchentlich,  und  zwar  mit  Verwendung 
feuchter  Sägespäne  oder  dergleichen  erfolgen,  damit  kein  Staub 
aufgewirbelt  wird;  nach  dem  Kehren  sind  Öfen,  Schulbänke  und 
Schulgeräte  gehörig  zu  säubern. 

5.  In  der  Freiviertelstunde,  wie  nach  Schlufe  des  Vor-  und  Nach* 
mittagsunterrichts  und  nach  Schlufs  der  Fortbildungsschule  ist  für 
gründliche  Lufterneuerung  zu  sorgen,  worauf  überhaupt  der  Lehrer 
mit  aller  Wachsamkeit  zu  sehen  hat. 

6.  Mäntel,  Überzieher,  Tücher,  Mützen,  Schirme  sind,  wo  es  der 
Raum  gestattet,  außerhalb  des  Schulzimmers  aufzubewahren. 

7.  Zur  Ausstattung  des  Schulsaales  gehört  ein  zweiskaliges  Thermo- 
meter, welches  in  Kopf  höhe  der  Kinder  an  geeigneter  Stelle  so 
aufzuhängen  ist,  dals  es  die  Wand  nicht  berührt. 

8.  Die  angemessene  und  zuträgliche  Wärme  für  den  Schulsaal  beträgt 
14-15^  R. 

Bei  einer  Zimmerwärme  von  nur  12^  oder  weniger  mufs 
geheizt  werden. 

Wenn  während  der  Sommermonate  die  Hitze  bei  dem  Schlüsse 
des  Vormittagsunterrichts  bis  20^  R.  im  Schatten  gestiegen  ist, 
sollen  in  der  Regel  die  Nachmittagsstunden  aus&llen  (vergl.  Be- 
kanntmachung vom  3.  Juli  1897  in  No.  105  des  Regierungsblattes 
vom  Jahre  1897). 

9.  Für  gute  Aufbewahrung  der  Lehrmittel,  für  Ordnung  im  Schul- 
schranke  etc.  hat  der  Lehrer  Sorge  zu  tragen,  wie  überhaupt  das 
Schnlzimmer  in  allen  seinen  Räumen  und  Geräten  das  Bild 
musterhafter  Ordnung  darbieten  mufs,  worauf  mit  peinlicher  Sorg- 
falt zu  halten  ist 

10.  Vor  dem  Haupteingang  zur  Schule,  wie  v(Mr  dem  Schnlsaale  s^bst. 


66  268 

bezw.  vor  dem  Treppenaufgang,  mfissen  breite  Folsabtreter  liegen, 
za  deren  regelm&Tsiger  Benutzung  die  Kinder  mit  aller  Strenge 
anzuhalten  sind. 

11.  In  dem  Schulsaai  soll  ein  emaillierter  oder  porzellanener,  mit 
Henkel  versehener  nnd  stets  mit  etwas  Wasser  gef&llter  Spuck- 
napf stehen;  derselbe  ist  regelm&fsig  nach  dem  jedesmaligen 
Kehren  in  den  Abort  zu  entleeren  und  wieder  zu  fallen. 

12.  Schulhof  und  Schulaborte  mfissen  öfter  nachgesehen  und  letztere, 
so  oft  erforderlich,  mindestens  aber  alle  Woche,  gescheuert  bezw. 
aufgewaschen  werden. 

Auch  Spiel-  und  Turnplätze  sind  stets  in  gutem  Zustande  zu 
erhalten. 

Herzogliches  Staatsministerium, 
Abteilung  für  Kirchen-  und  Schalensaclien. 

V.  Hbim. 


Anaaehreiben  des  Herzoglichen  Staatsminiateriiims, 
AbteiluDg  für  Kirchen-  und  Sehulentutchen, 

vom  24.  Juli  1902,  betreffend  die  Anlage  von  Schulhftnsem. 

Auf  Grund  von  Art.  12  und  13,  Abs.  6  des  Volksschulgesetzes  vom 
22.  März  1875  wird  hiermit  an  Stelle  des  Ausschreibens  vom  15.  Mflrz 
1889  Aber  die  Anlage  von  Schulhänsem  fQr  Volksschulen  folgendes  ver- 
ordnet : 

I.  Sachliche  Vorschriften. 

1.  Der  Bauplatz. 

§  1- 

Bei  Wahl  des  Bauplatzes  ist  auf  für  den  Schulbesuch  bequeme,  freie, 
gesunde,  sonnige  Lage,  insbesondere  darauf  zu  sehen,  dafs  den  Schul- 
zimmern und  der  Lehrerwohnung  nicht  das  Licht  durch  Gebäude  und 
Baumpflanzung  auf  den  Nachbargmndstflcken  entzogen,  der  Schulbetrieb 
nicht  durch  geräuschvollen  Straßenverkehr  nnd  Gewerbebetrieb  in  der 
Nachbarschaft  gestört  und  die  Luft  im  Schulhause,  auf  dem  Spiel-  und 
Turnplatz  nicht  dem  Verderb  durch  benachbarte  landwirtschaftliche  oder 
gewerbliche  oder  sonstige  Anlagen  ausgesetzt  ist. 

Darauf,  dafs  ein  Brunnen  mit  gutem  Trinkwasser  in  der  Nähe  ist 
oder  angelegt  wird,  ist  Bedacht  zu  nehmen. 

2.  Das  Schulhaus. 
Allgemeine  Bestimmungen. 

§  2. 

Die  Mauern,  Wände  und  FnfsbOden  des  Schulhanses  sind  gegen  auf- 
steigende Gmndfeuchtigkeit,  sowie  gegen  seitliches  Eindringen  von  Feuchtig- 
keit aus  dem  Erdreich,  aus  Abortgruben  und  Dungstatten,  von  atmosphäri- 
schen Niederschlägen,  von  Abwässern  der  Haushaltung  gehörig  zu  schätzen. 

Gegen  den  Hausschwamm  sind  sichere  Vorkehrungen  zu  treffen. 

Die  Dächer  sind  mit  Dachrinnen  und  Abfallrohren  zu  versehen;  das 
Tagwasser  und  die  Wirtschaftswässer  sind,  wenn  möglich,  durch  Kanalrohre 


269  67 

unter  dem  Erdboden,  jedenftlls  aber  dnrch  sorgfidtig  gepflasterte  Or&ben 
oder  in  Halbrinnen  in  Beton  oder  Zement  mit  gutem  Gefl&lle  so  schnell 
als  möglich  abzuleiten. 

Das  Schulhans  soll  gut,  dauerhaft  und  wohlgefällig,  wenn  auch  in 
einfachen  Formen  hergestellt  werden. 

Schulzimmer, 
a)  Grundfläche  und  Höhe. 

§3. 

Bei  Bemessung  der  Grundfläche  ist  nicht  nur  die  dermalige  Schüler- 
zahl,  sondern  auch  die  voraussichtliche  Zunahme,  sowie  die  Zahl  der  Kon- 
firmanden zu  berQcksichtigen,  die  im  Schulzinmier  unterrichtet  werden 
(vergl.  Art.  12  des  Yolksschulgesetzes). 

Als  durchschnittliches  Mafs  der  Schülersitze  ist  6ö  cm  Breite  und 
77  cm  Tiefe  anzunehmen. 

Die  Entfernung  zwischen  der  vordersten  Schulbank  und  der  Wand 
hinter  dem  Sitz  des  Lehrers  soll  nicht  unter  2  m  betragen. 

An  der  Fensterwand  und  an  der  Rückwand  sind  Gänge  von  mindestens 
60  cm  Breite  erforderlich,  femer,  wenn  mehr  als  fünf  Schüler  in  einer 
Reihe  sitzen,  ein  Mittelgang  von  gleicher  Breite. 

Der  Gang  für  den  Eintritt  der  Schüler  soll  mindestens  1  m  breit  sein. 

Eine  Yergröberung  der  hiemach  sich  ergebenden  Gmndfläche  ist 
zweckmälsig,  dann  aber  notwendig,  wenn  Schlotvorlagen  und  Öfen  (§  4, 
Abs.  3)  den  Raum  schmalem. 

Das  Schulzimmer  soll  nicht  länger  als  lü,ö  m  und  nicht  breiter 
(tiefer)  als  7,5  m  sein;  Säulen  in  demselben  sind  zu  vermeiden. 

Die  Höhe  des  Schulzünmers  soll  im  Lichten  3,5  bis  4  m  betragen; 
ausnahmsweise  kann  sie  auf  3,3  m  ermäfsigt  werden. 

b)  Öfen. 
§4. 

Bei  Schulzimmem  von  über  40  qm  Grandfläche  sind  die  Schlotanlagen 
so  anzuordnen,  dafs  ein  zweiter  Ofen  aufgestellt  werden  kann;  für  Schul- 
zimmer von  über  70  qm  Grundfläche  sind  zwei  Öfen  erforderlich. 

Bei  der  Wahl  und  Stellung  der  Öfen  ist  darauf  zu  achten,  dafe  sie 
den  Raum  ausgiebig  erwärmen  können,  daüs  aber  ihre  Hitze  den  Schülern 
nicht  schadet. 

Die  Entfernung  der  Bänke  von  den  Öfen  soll  nicht  unter  90  cm 
betragen. 

c)  Fenster. 
§5. 

Der  völligen  und  guten  Beleuchtung  der  Schulzimmer  ist  besondere 
Aufmerksamkeit  zuzuwenden. 

Das  Licht  soll  auf  der  linken  Seite  der  Schüler  einfallen. 

Die  Fenster  auf  dieser  Seite  sollen  eine  Gesamtfläche  von  nicht 
weniger  als  ein  Fünftel  der  Grandfläche  des  Schulzimmers  haben;  sie  sind 
tonlichst  nach  Süden,  Südosten  oder  Osten  zu  richten,  die  West-  und 
Nordlage  ist,  wenn  möglich,  zu  vermeiden.  Fenster  hinter  dem  Sitz  des 
Lehrers  sind  unstatthaft;  etwaige  Fenster  an  der  entgegengesetzten  Seite 
mflssen  matte  Scheiben  haben. 


68  270 

Die  Fenster  sollen  so  hoch  wie  möglich  unter  die  Decke  reichen,  die 
BrOstang  etwa  1  m  hoch  sein.  Die  Zwischenräome  zwischen  den  Fenstern 
sind  so  schmal  als  möglich  zu  halten. 

d)  Fufshoden  nnd  W&nde. 
§6. 
Der  Fufshoden  ist  aus  hartem  Holz  (Eichen-,  Buchen-,    Kiefernholz) 
fugendicht  herzustellen,  zu  heizen  und  mit  Stauhöl  zu  tränken. 

Die  Wände  sind  so  zu  färhen  (graublau,  graugrfln),  dafis  die  Farbe 
den  Augen  nicht  nachteilig  wird.  Die  Wände  sind  mit  25  cm  hohen 
Sockelleisten  und  auf  1,5  m  Höhe  mit  Zementputz  und  ölfiEurbenanstrich 
zu  versehen. 

Die  Decke  des  Schulzimmers  ist  zu  weiisen. 

e)  Einrichtungen  zur  Lüftung. 

§  7. 
Um  die  verbrauchte  Luft  ab-  und  frische  Luft  von  aulsen  zuzuffthren, 

sind  ausreichende  Vorkehrungen  zu  treffen,  wozu  Schlote  mit  oberer  und 

unterer  Jalousieklappe  (fttr  Sommer  und  Winter)    und   an    den  Fenstern 

nach  innen  gehende  obere  Elappflttgel  oder  verstellbare  Jalousien  in   den 

Oberflügeln  anzuordnen  sind. 

f)  Ausstattung. 

§  8. 
Zur  Ausstattung  des  Schulzimmers  gehören: 

1.  ein  Tritt  fOr  den  Lehrer, 

2.  ein  Tisch  mit  verschliefsbarem  Tischkasten  und  ein  Stuhl  für  den 
Lehrer, 

3.  wenigstens  zwei  grofse,  drehbare,  schwarze  Wandtafeln  von  Holz 
oder  Schiefer  —  eine  mit  Notenlinien  — , 

4.  Schulbänke  in  genügender  Anzahl  und  von  guter,  den  gesundheit- 
lichen Anforderungen,  insbesondere  nach  Gröfse  und  nach  Abstand 
zwischen  Sitz  und  Tafel  entsprechender  Beschaffenheit,  mit  Tisch- 
platten und  Sitzbrettem  von  hartem  Holz, 

5.  ein  gröfserer,  verschliefsbarer  Schrank  oder  zwei  Wandschränke, 

6.  fOr  jeden  Ofen  ein  genügend  grofser,  aber  nicht  bis  zum  Fufe- 
boden  reichender  Ofenschirm  mit  Doppelwand, 

7.  für  jedes  Fenster  ein  seitlich  auf-  und  zuziehbarer,  übergreifender 
Vorhang, 

8.  eine  tragbare  Treppe  (Treppenleiter)  zur  Benutzung  beim  Reinigen, 
Abkehren  der  Wände,  Öfen  etc., 

9.  ein  Thermometer  (nach  Celsius),  das  in  Kopf  höhe  der  Kinder  an 
geeigneter  Stelle  so  aufzuhängen  ist,  daCs  es  die  Wand  nicht 
berührt, 

10.    ein   emaillierter   oder  porzellanener,   mit  Henkel   versehener  und 
stets  mit  etwas  Wasser  gefällter  Spucknapf. 

(Schlufs  folgt.) 


Iritfilitifl  fit  Si|nlgrfiii^|irtt9|i|lrf|(. 

XYI.  Jahrgang.  1903.  No.  5. 


a^a^B^MKaaBaBaaKs^aBsaBaHaBSB^aaa^BBSBSB^s^« 


orthop&disclien  Übungen  am  k.  k.  OflUentochter- 
ErsiehungB-InBtitut  m  HernalB  in  Wien. 

Von 

Prof.  J.  Pawel, 

Unirenitätslehrer  in  Wien. 

Der  Tarnnnterrioht  an  dem  genannten  Institut  erfreut  eioh  unter 
der  fachmännifloh  tüchtigen  Leitung  des  in  den  Tumlehrerkreisen 
Österreiclis  allgemein  geschätzten  Prof.  Dir.  Josm  Posoh  einer  be- 
sonderen Fürsorge.  Seit  dem  Jahre  1899/1900  hat  Prof.  Posch, 
angeregt  durch  seine  Studien  des  schwedischen  Turnens,  den  Versuch 
nDtemommeni  an  dem  genasmien  Inetitai  auf  besondere  Heikwecke 
abzieUaade  orthopftdisehe  Übungen  Toraanehnan.  Der  Erfolg 
dienr  Übungen  mufii  als  ein  überaus  günstiger  bezeichnet  werden 
oad  zeugt  von  der  fachkundigen  Auswahl  und  Dorohfilhrung  der- 
artiger Heilbewegungeo,  wie  sieh  aus  der  nachstehenden  Zusammen- 
atellong  ersehen  IftÜBt. 

In  Schuljahre  1899/1900  gelangten  folgende  Schülerinnen  zur 
ortkopidiachen  Behandlung: 
J.  K.,     12  JahM,  Scolioais  den.  deactra  II.  Grad,  keine  Besserung. 

L      „      gebessert. 
„       „      geheilt. 


B.  H.,    16 

n 

V 

» 

» 

W.  8.,    16 

n 

f» 

n 

n 

K.M.,    14 

» 

n 

» 

sin. 

N.  P.,    IS 

» 

V 

» 

n 

L.  H.,    16 

n 

V 

» 

71 

G.  J..     12 

n 

n 

9) 

n 

W.  M.,  14 

» 

9t 

11 

n 

8.  Th.,   14V^ 

» 

n 

Inmbalis 

N.  J.,     12 

n 

7» 

dors. 

deztra 

K.J.,    14 

9 

1) 

n 

sin« 

8.  0.,     14V« 

n 

ff 

» 

» 

M.  H.,   16 

1) 

Serratusp 

arese, 

Sehttlgwundheitspfleire.  XVI. 

» 


gebessert. 

15 


272 

L.  M.,    18  Jahre,  Sooliosis  lumbalis  rin.,  gebessert. 

fl.  A,,    I2V4  „  „        dors.  deztra,  „ 

M.  A.,    13        »  n  9»  »  1» 

R.  J.,     13V«  n  n  »  »       H.  Grad,  keine  Besserang. 

Es  wurden  17  Schülerinnen  orthopädischen  Übungen  unterzogen; 
9  wurden  Yollstftndig  geheilt,  bei  5  Schülerinnen  wurde  das  Übel 
gebessert,  und  nur  bei  3  Schülerinnen,  allerdings  mit  weit  vor- 
schrittenem  Übel  IL  Grades,  konnte  keine  Besserung  erzielt  werden. 
Die  erzielten  Erfolge  müssen  als  höchst  günstig  bezeichnet  werden. 
Noch  günstiger  ist  das  Ergebnis  der  in  den  nachfolgenden  Jahren 
unternommenen  Versuche. 

Im  Schuljahre  1900/1901: 

Cz.  0.,  Scoliosis  lumbalis  sin.  I.  Grad,  gebessert 

„       geheilt 
„       gebessert. 


M«  A., 

n 

dors. 

deztra 

7i 

w.  s., 

it 

it 

» 

Jl 

J.   K.., 

n 

» 

» 

1t 

A..    «1 ., 

T» 

99 

n 

1» 

L.  M., 

n 

n 

n 

ii 

H.  A., 

n 

j» 

» 

ff 

n 


Es  wurde  also  bei  sftmtlichen  Schülerinnen,  teils  der  Erfolg  der 
Heilung,  teils  der  Besserung  erzielt  Bemerkenswert  ist,  dals  die 
Schülerin  J.  K.,  bei  der  im  Vorjahre  die  Übungen  keine  Besserung 
aufwiesen,  eine  merkliche  Verbesserung  ihres  Zustandes  feststellen  lieis. 

Geradezu  glänzend  sind  die  Heilerfolge  des  letzten  Schuljahres. 
Der  Behandlung  wurden  im  ganzen  10  Schülerinnen  unterzogen, 
wovon  die  Hftlfte  geheilt  wurde.  Unter  diesen  Schülerinnen  ist  auch 
die  Schülerin  J.  K.,  deren  Übel  im  Schuljahre  1899/1900  keine  Ver- 
besserung aufwies.  4  Schülerinnen  zeigen  eine  wesentliche  Besserung, 
nahezu  in  allen  Fällen  mit  Übergang  aus  dem  IL  Grade  in  den 
T.  Grad,  und  nur  eine  Schülerin,  bei  der  man  mit  den  Übungen  erst 
spttt  beginnen  konnte,   liefs  keine  Änderung  des  Übels  wahrnehmen. 

Dieser  an  sich  so  günstige  Erfolg  des  Turnens  zu  Heilzwecken 
ist  um  so  höher  anzuschlagen,  als  die  Versuche  solcher  Übungen  erst 
Yon  kurzem  Bestand  sind.  Er  beweist  zur  Genüge,  dafs  der  Tumbetrieb 
des  Institutes,  dessen  fürsorgliche  Leitung  auch  sonst  der  leiblichen 
Wohlfahrt  der  Schülerinnen  stete  Aufmerksamkeit  zuwendet,  und  die 
man  zu  den  erzielten  Erfolgen  allen  Bechtes  beglückwünschen  kann^ 
in  fachmännisch  tüchtigen  Händen  ruht.  Mögen  die  nächstjährigen 
Versuche  gleich  günstige  Ergebnisse  bringen  I 


278 


Das  Scliiilgebftiide  und  leine  Einrichtimg  in  Frankreich 

und  in  Elsafii-Lothringen. 

Von 
Dr.  med.  Ai<frbd  Kühn, 

prakt.  Arzt  la  StraTsbarg-Nendorfl 
(FortMtniog.) 

D.   Die  Verteilung  der  einzelnen  Bftnme. 

Wie  sollen  im  Sohnlgebände  die  einzelnen  Bänme  verteilt  werden, 
damit  sie  in  kygienisoher  Hinsicht  ihrer  Bestimmung  entsprechen? 

Dafs  die  Schulsimmer  womöglich  im  Erdgeschois  einsunchten 
sind,  besonders  fläi  die  jüngeren  Schüler,  wird  in  der  Verft^^g 
vom  S.Juli  1876  ausdrttoklioh  bestimmt:  ,,Die  Schulzimmer  sind 
vorzugsweise  im  ErdgesohoÜB  einzurichten;  müssen  dieselben  in 
andere  Stockwerke  verteilt  werden,  so  sind  in  der  Regel  die  Bäume 
des  Erdgeschosses  für  die  jüngeren  Schüler  zu  bestimmen.^  Das 
lyB^lement^  enthalt  eine  fthnliche  Vorschrift. 

Wenn  besondere  Mftdchen-  und  Elnabenklassen  vorhanden  sind, 
so  müssen  dieselben  nach  dem  Wortlaute  der  Vorsobriften  beider 
Länder  von  einander  getrennt  sein.  Die  betreffende  Bestimmung 
in  Blsals-Lothringen  lautet:  „Sofern  besondere  Knaben-  und  Mädchen« 
schulen  eingerichtet  werden,  so  sind  dieselben  durch  besondere  Ein* 
gänge  resp.  Fluren  von  einander  getrennt  zu  halten^,  während  das 
„B^lement''  vorschreibt:  „Dans  tont  groupe  scolaire,  les  bfttiments 
affect^  aux  divers  Services  (teole  de  gargons,  teole  de  filles,  salles 
d'asile)  seront  distincts  les  uns  des  autres.*' 

Das  „B^lement^  fordert  aufserdem  noch,  dafs  die  Kleinkinder- 
schule  nicht  zwischen  Mädchen-  und  Knabenschule  zu  liegen  komme. 
Diese  Maüsregel  ist  hauptsächlich  deshalb  getroffen,  weil  die  Be- 
schäftigungen, denen  man  sich  in  der  Elleinkinderschule  widmet, 
besonders  wenn  die  Kleinen,  wie  es  bei  gutem  Wetter  vorzüglich 
zu  geechehen  pflegt,  sich  im  Freien  aufhalten,  unter  Umständen  störend 
auf  den  Unterricht  der  übrigen  Schüler  einwirken  köDueu,  was  doch 
soviel  wie  möglich  vermieden  werden  muls. 

16* 


>74 

Wichtiger  ist  die  Entsoheidung  der  Frage,  ob  es  sich  empfiehlt, 
LehrerwohnxmgeiL  im  Soholgebftade  unterzubringen  und  ob  vom 
hygienischen  Standpunkte  aus  hiergegen  keine  Bedenken  zu  er- 
heben sind. 

Gegen  die  Unterbringung  von  Wohnungen  innerhalb  des  Sohnl- 
gebäudes  spricht  vor  allem  die  Gefahr,  welche  eine  Infektionskrankheit 
in  den  betreffenden  Familien  für  sämtliche  Schulbesuoher  im  G^olge 
haben  kann.  Diese  Gefahr  wird  yermindert,  wenn  die  Trennung 
von  Sohulräumen  xmd  Lehrerwohnung  streng  durohgeffthrt  wird,  wie 
es  sowohl  die  französische  als  auch  die  elsaJs-lothringische  YerfQgung 
verlangt.  Letztere  schreibt  vor:  ,,  Sollen  Lehrer  Wohnungen  im  Schal- 
gebäude eingerichtet  werden,  oo  sind  dieselben  von  den  Schulräumen 
angemessen  zu  trennen  und  womöglich  mit  besonderem  Eingang  zu 
yersehen.  (Verfügung  des  Oberpräsidenten  vom  3.  JuU  1876.)  Dieser 
Bestimmung  entspricht  auch  im  wesenÜichen  die  entsprechende  Vor- 
schrift im  ^Biglement*^,  wdohes  unter  No.  ö  sagt:  „L'^oole  ei  le 
logement  de  Tinstituteur  seront  itablis  sur  des  emplaoements  distincis 
ou  au  moins  ind^pendants  de  Tautre^. 

E.    Das  Schulzimmer. 

Im  Schulzimmer  halten  sidi  Lehrer  und  Schfller  durofasohiiiit- 
lioh  etwa  sechs  Stunden  pro  Tag  auf.  Dasselbe  muis  daher  mehr 
wie  jeder  andere  Baum  allen  sanitären  Anforderungen  im  vollsten 
Mafse  entsprechen. 

a)  Gröfse  des  Schulzimmers.  Die  Gröise  des  Schuisimmei« 
ist  naturgemäß  nach  der  Anzahl  Schüler  zu  bemeasen,  welche  in 
demselben  untergebracht  werden  sollen.  Was  die  Schülerzahl  betrifft, 
sohreibt  das  „B^glement*  vor:  „Le  nombre  maiiinuni  des  plaoes 
par  dasse  sera  de  50  dans  ies  öcoles  ä  une  dasse  et  de  40  dans  lea 
^cokfi  k  plusieurs  classes^.  Wee^itlich  andere  Bestimmungen  finden 
wir  in  den  „Begulativs^,  welche  der  Beicbskanzler  am  10.  Juli 
1873  für  die  höheren  Lehranstalten  und  am  4.  Januar  1874  für  die 
filem.entar8ohulen  von  Elaata-Lothringm  erlassen  hat.^  Hiemach 
darf  die  Schülerzahl  betragen:  In  den  Elementarschulen  fttr  ein- 
klassige  Schulen  80,  für  mehrklassige  Schulen  in  der  Mittel-  und 
Oberstufe  80,  in  der  Unterstufe  60.  Wir  sehen  als0|  dafii  die 
Sohülersahl  für  eine  Klasse  bei  uns  viel  höher  bemessen  ist  als  in 


^  Sammlunfl  der  in  EUaß-Loihringen  geUmdm  €^etge.    Bd.  lU,  S.  4S9 
u.  531.    Bd.  IV,  S.  öd  a.  dlO. 


27B 

Fnutlcretob.  Etwas  günstiger  sind  die  Zahlen  fär  die  heberen  Lehr* 
anstalten:  in  Seixta  und  Quinta  50,  in  Qnarta  und  Tertia  40,  in 
Seonnda  und  Prima  30. 

Das  Unterbringen  einer  zn  groügen  Sehttleraabl  in  einem  Zimmer 
ist  yom  hygienischen  Standpunkte  ans  streng  za  verwerfen.  Die 
Bedingungen  fdr  Erhaltung  von  guter  Luft,  worauf  es  hierbei  haupt- 
sSehlidi  ankommt,  sind  nftmlich  um  so  schwerer  zu  erfüllen,  je  mehr 
Sehftler  sieb  in  einem  Zimmer  befinden.  Femer  wächst  auch  die 
Gefahr  der  Verbreitung  Ton  Infektionskrankheiten  mit  der  Sehtder- 
zahl.  ScdLliefslioh  mub  zugegeben  werden,  dafs  ein  gewissenhafter 
Lehrer  bei  zu  g^oiser  Schülerzahl  sich  übermftlsig  anstrengen  muis, 
um  ein  einigermalisen  günstiges  Resultat  zu  erzielen.  Es  scheinen 
daher  die  Klagen  mancher  Lehrer  wegen  Überbürdung  durch  zu 
greise  Schülerzahl  vollauf  gerechtfertigt,  und  es  w&re  wünschenswert, 
dafs  man  in  dieser  Hinsicht  den  begründeten  Forderungen  der  Lehrer 
nachkommen  würde.  Die  elsafs- lothringischen  Behörden  sollten 
hierin  dem  Beispiel  der  Franzosen  folgen  und  in  keinem  Falle  über 
50  Schüler  in  einer  Klasse  vereinigen,  tunlichst  sogar  nur  30  bis 
40  Schüler  einem  Lehrer  übergeben.  Dais  hierbei  neben  den  hygie- 
nisehen  Vorteilen  sich  auch  noch  solche  pädagogischer  Art  einstellen 
würden,  sei  nur  angedeutet. 

Aueh  im  wichtigsten  Punkte,  nämlich  der  Bestimmung  des  pro 
Schülarkopf  notwendigen  Banmes,  ist  das  „Rfeglement^  der  bei  uns 
geltenden  Vorschrift  vorzuziehen.  Li  dem  ministeriellen  Hunderlals 
von  18&8  war  der  Baum  fdr  einen  Schüler  auf  1  m'  Bodenfläohe 
imd  4  m'  Baum  (Luflcubus)  bemessen.  Das  ^B^lement^  geht 
jedoch  Veiter  imd  bestimmt:  „La  snrface  de  la  classe  sera  calcul^ 
de  fii^n  k  aasurer  k  chaque  öl^ve  de  1,25  m*  ä  1,50  m^  La  capamt^ 
de  la  salle  de  classe  sera  ealcul^  de  Isfon  ä  assurer  k  chaque  elöve 
im  minimum  de  5  m^tres  cubee  (13).''  „La  hauteur  sous  plafond 
86m  au  moins  k  4  mötres.  Si  l'äclairage  est  unilateral  cette  hauteur 
de?ia  dtre  au  moins  ^gale  aus  deux  tiers  de  la  largeur  de  la  classe 
sngmentäs  de  T^aiaseur  du  mur  dans  lequel  les  fendtres  sont  per- 
ota  (24).*^  Sehen  wir  uns  im  Gegensatz  hierzu  die  „Verfügung  des 
Oberprfisidenten'*  an:  „§  5.  Für  jedes  Kind  ist  eine  Bodenfläohe 
Ton  nicht  unter  0,75  m'  zu  rechnen,  worin  der  erforderliche  Baum 
ter  GängCi  Katheder,  Ofen  xl  s.  w.  mit  inbegriffen  ist.  Ein  Schul- 
ammer  von  80  Kindern  erfordert  somit  eine  Bodenääche  von  min- 
destens 80  X  0,75  =*  60  m'.  Dahingegen  müssen  Schulräume,  welche 
fär  weniger  als  50  Schüler  bestimmt  sind,  für  jeden  derselben  min- 


276 

destens  1  m'  Bodenfläohe  enthalten.''  Am  Ende  des  §  5  wird  weiter 
bestimmt:  „Die  lichte  Höhe  dee  Sohnlzimmers  kann  Kwisohen  3,5 
bis  3,8  m  betragen,  Zimmer  nnter  3,5  m  Höhe  sind  unstatthaft. 
Orondfläohe  und  flöhe  müssen  stets  so  bemessen  sein,  dafs  fttr  jedes 
Kind  bei  natürlicher  Loftemenernng  nicht  nnter  3  m'  Raum  vor- 
handen ist^. 

Der  Unterschied  zwischen  beiden  Verftignngen  ist  also  im  ror- 
liegenden  Falle  ein  sehr  beträchtlicher.  Im  „Bäglement''  werden 
für  höchstens  50  Schüler  mindestens  250  m'  Lnft,  bei  nns  für  80 
Schüler  nur  240  m'  Lnft  als  Minimum  berechnet.  Welche  von 
beiden  Bestimmungen  den  hygienisohen  Forderungen  am  meisten 
entopricht,  braucht  wohl  nicht  näher  beleuchtet  zu  werden.  Selbst 
in  den  Städten  sollte  das  Luftquantum  für  unsere  Schulkinder  und 
Lehrer  nicht  so  knapp  bemessen  werden,  und  es  wäre  wohl  nicht 
zu  viel  verlangt,  wenn  man  jedem  Schüler  mindestens  1  m'  Boden- 
fläche mit  4  m  Zimmerhöhe,  also  4  m'  Luft  zukommen  lielse,  da 
jedoch,  wo  es  die  Verhältnisse  nur  einigermaÜBcn  gestatten,  ebenso 
freigebig  mit  dem  Baume  sein  würde,  wie  in  Frankreich. 

Die  weitere  Besprechung  der  Gröfse  des  Sohnlzimmers  führt 
uns  zu  der  interessanten  Frage,  welche  Form  dasselbe  haben  soll. 
yyLa  dasse  sera  de  forme  rectangulaire^,  sagt  das  „B^lement^, 
während  die  Verfügung  in  Elsais-Lothringen  folgendes  bestimmt: 
„Als  angemessenstes  Verhältnis  der  Länge  zur  Breite  ist  dasjenige 
von  3 :  2  zu  betrachten'' .  Also  auch  hier  wird  die  rechteckige  Form 
vorgeschrieben.  ^Nur  bei  Klassen  für  weniger  als  50  Schüler  ist 
eine  dem  Quadrate  sich  nähernde  Grundform  zulässig",  heilst  es 
weiter.  Ferner  darf  nach  derselben  Bestimmung  „die  Länge  nicht 
über  10  m,  die  Breite  nicht  über  6  m  betragen,  vorausgesetzt,  dafs 
die  Zimmerlänge  vom  Katheder  und  den  SohulbäDken  völlig  aus- 
gefüllt werden  soll  und  die  Beleuchtung  eine  einseitige  ist.  Dieser 
Verordnung  wird  zugleich  deren  Begründung  hinzugefügt,  nämlich 
„damit  die  Schrift  auf  der  an  der  Kathederwand  hängenden  Tafel 
noch  von  den  in  der  letzten  Bankreihe  sitzenden  Schülern  deutlich 
und  ohne  Anstrengung  erkannt  werden  kann^  und  „damit  die  von 
der  Fensterwand  entferntesten  Plätze  noch  hinreichend  beleuchtet 
werden". 

Die  Verordnung  in  Elsafis-Lothringen  ist  also  in  diesen  Forde- 
rungen präciser  als  das  „Reglement''  und  zwar  mit  Recht,  denn  die 
Wirkungen  eines  zu  langen  oderjzu  breiten  Zimmers  sind  sowohl 
für  Schüler  als  auch  für  Lehrer  recht  nachteilige. 


277 

b)  Fufsboden.  Dezselbe  bildet  einen  in  auiitttrer  Beäehnng 
sehr  wichtigen  Beetandteil  des  Sohnlsimmen.  Er  moÜB  widentands- 
fiüiig,  dioht  und  fofswarm  sein  nnd  soll  aufserdem  sickeren  Stand 
gewähren. 

Die  Möglichkeit  der  Bildung  sogenannter  Schwindfugen  ist  su 
Tenneiden,  weil  zwischen  den  Fugen  Staub  und  Wasser  eindringen 
können,  was  besonders  bei  Deokenkonstruktionen  mit  Füllung  leicht 
sehr  nachteilig  werden  kann,  da  hierdurch  in  der  Füllung  eine  Zer- 
setzung organischer  Stoffe  bedingt  wird  und  ein  günstiger  Nährboden 
für  Infektiondceime  entsteht. 

Die  „Verfügung  des  Oberprttsidenten^  bestimmt  hierüber  fol- 
gendes: «Der  Fu&boden  des  Schulzimmers  muls  eben  und  dicht 
sein,  und  wird  derselbe  am  zweckmftfsigsten  gehörig  mit  Leinöl 
getr&nkt.  Die  Dielbretter  müssen  der  Entfernung  der  Unterlaghölzer 
oder  Balken  entsprechend  stark  und*  aus  nicht  zu  weichem  Holz 
gefertigt  sein^.  Das  «Räglement^  dagegen  schreibt  vor:  „Le  sol  des 
classes  sera  revdtu  d'un  parquet  dur,  scell^  sur  bitume,  lorsque  la 
ohose  sera  possible^.  Die  Instruktion  von  1893  erlaubt  jedoch  für 
besondere  FiUe  auch  die  Verwendung  tou  Tannen-  und  Fichtenholz. 
Daselbst  heilst  es  unter  Art.  23:  ,,Le  sol  des  classes  sera  parquet^ 
en  bois  dur,  scellö  autant  que  possible  sur  bitume.  Toutefois  on 
admettra  les  bois  de  sapin  et  de  pin  dans  les  rögions  oü  ils  sont 
seub  en  usage,  sous  la  condition  qu'ils  seront  employäi  par  lames 
^troites  et  pass^  ä  Thuile  de  lin  bouiUante^. 

Den  Fuisboden  mit  Leinöl  zu  tränken,  wie  es  bei  uns  und  in 
dar  soeben  erwähnten  Listruktion  vorgeschrieben  ist,  erweist  sich 
als  sehr  zweckmäbig,  weil  hierdurch  die  Poren  des  Holzes  rerlegt 
welrden  und  so  das  Eindringen  Ton  Staub  und  Wasser  in  dasselbe 
verhindert  wird.  Sehr  unpraktisch  dagegen  scheint  mir  die  Vor- 
schrift zu  sein,  dals  der  Fuisboden  „aus  nicht  zu  weichem  Holz'' 
gefertigt  werden  soll.  Zwedkmälsiger  wäre  es,  die  Holzarten,  welche 
zur  Verwendung  kommen  dürfen,  zu  benennen  (Eichenholz,  gut 
präpariertes  Buchenholz  etc.). 

Femer  wäre  es  von  Wichtigkeit,  die  Breite  und  Länge  der 
Dielbretter  zu  berücksichtigen.  Je  breiter  die  Dielen  sind,  desto 
grölser  werden  die  Schwindfugen,  und  umgekehrt.  Aufserdem  tritt 
bei  breiten  Dielen  häufig  der  Nachteil  auf,  dafs  dieselben  sich 
werfen.  Demnach  ist  es  vorteilhafter,  den  Fuisboden  aus  kurzen, 
schmalen  Holzstücken  herzustellen.  Diesem  umstände  wird  im 
«Böglemenf  Bechnung  getragen«  indem  daselbst  das  „parquet''  ge« 


S78 

fortot  wird,  wonmter  der  aas  knreen,  sehmalen  Sttben  bef gestellte 
Stebfoisboden  m  yerstehen  ist  Diese  Siftbe  könne»  bis  an  1  m 
Länge  haben,  sind  jedoch  am  besten  viel  kürzer.  Dieselben  werden 
entweder  anf  einem  IJnterfaJsboden  (Blindboden)  oder  besser  auf 
Beton  verlegt.  Letztere  Methode  hat  den  Vorteil,  dals  Fenohtig- 
keit  und  Staub  weniger  leicht  in  die  Zwischendecken  dringen  können« 
Bei  der  oben  empfohlenen  Konstraktion  der  Zwisehendeoken  aas 
Bisen  nnd  Beton  kommt  dieselbe  sowieso  meistens  enr  Anwendang. 

Wie  man  ans  diesen  Ansführangen  ersieht,  kommt  die  franzd- 
sisohe  Yerfdgung  den  erwähnten  Forderungen  näher  als  die  ent- 
sprechende Verfügnng  in  EIsalis-Lothringen.  Sie  ist  kOrzer,  dafür 
aber  präeiser,  indem  aus  ihr  die  ganze  Konstruktion  des  FuCsbodens 
ersichtlich  ist.  Wenn  man  aus  beiden  Verordnungen  das  Ghite 
herausnimmt,  so  könnte  man  yielleioht  folgende  Bestimmung  Tor- 
schlagen :  „Der  Fufsboden  des  Schulzimmers  mufs  aus  harten  Holz* 
Stäben  (Eichenholz,  gut  präpariertes  Buchenholz),  als  sogenannter 
Stabfufrboden  (Stabparkett),  hergestellt  sein.  Die  Holzstäbe  sind  auf 
Beton  zu  verlegen  und  vor  dem  Gebrauch  gehörig  mit  Leinöl  za 
tränken.  Wo  es  die  Umstände  nicht  anders  erlauben,  dürfen  längere 
Dielen,  auf  Balken  verlegt,  verwendet  werden.  Es  darf  nur  völlig 
getrocknetes  Holz  zur  Verwendung  kommen''.  Letztere  Bemerkung 
ist  durchaus  nicht  überflüssig,  da  gerade  durch  nicht  gehörig  ge- 
trocknetes Holz  das  Entstehen  der  Schwindfugen  und  das  Werfen 
der  Dielen  verursacht  wird. 

c)  Die  Wände  und  Decken  der  Schulzimmer  müssen  gleich- 
falls mannigfachen  hygienischen  Anforderungen  entsprechen.  Die- 
selben müssen  vor  allem  glatt  sein,  um  das  Absetzen  von  Staub 
möglichst  zu  beschränken.  Sowohl  die  elsais-lothringische  als  auch 
die  französische  Verfügung  berücksichtigt  diesen  Punkt.  Erstere 
besagt:  „Wände  und  Decken  müssen  glatt  sein**,  während  das 
„Reglement''  vorschreibt:  „Les  plafonds  seront  plans  et  unis,  ils 
seront  exöcut^s  en  plätre  (25)^.  „Tons  les  parements  des  murs  de  la 
classe  seront  recouverts  d'un  enduit  qui  les  rendra  lisses  et  unis 
(stuc,  plätre,  peint  ä  l'huile)."  Aus  demselben  Grande  setzt  das 
„Reglement*'  noch  folgende  Vorschrift  hinzu:  „H  n'existera  pas  de 
comiche  autour  des  murs  (26)''.  Weiter:  „Les  angles  formte  par 
la  rencontre  des  murs  lat^raux  avec  les  cloisons  et  les  plafonds  seront 
remplacte  par  des  surfaces  arrondies  concaves,  d'un  rayon  de  0,10  m**. 
Diese  Vorsidttsmafsregeln  sind  durchaus  nicht  in  ihrem  Werte  zu 
unterschätzen. 


27» 

Yos  grober  Wichtigkeit  ist  sehüefrlieh  noek  die  Farbe  der 
Deeken  und  Wftnde.  Für  enstere  ist  die  weiÜM  Farbe  am  geeig« 
netston,  weil  dadnrok  mögliobst  viel  Lieht  reflektiert  wird.  Dieselbe 
ist  aaoh  in  beiden  Ländern  voi^eBohrieben.  »Die  Decken  werden 
am  zweckmäCrigsten  geweirsf,  sagt  die  „Yerf&gang  des  Oberprftsi- 
denten**,  wfthrend  im  „B^glement'^  die  Hentelhmg  der  Decken  ans 
Gips  gewi&nsoht,  also  eben&lls  die  weilse  Farbe  gefordert  wird. 

FOr  die  Wände  darf  selbstrerstttndlieh  anoh  keine  dnnkle  Farbe 
gew&hlt  werden;  reines  Weifs  wäre  jedoch  fbr  die  Augen  zu  hell 
nnd  würde  blenden.  Es  werden  daher  am  besten  grünliche  oder 
blane  Töne  zu  wählen  sein.  »La  teinte  la  plns  faroiable  est  la 
teinte  gris  de  lin**,  sagt  das  „lUglement",  während  bei  nns  die  Wahl 
zwischen  blau  nnd  grünlich  gelassen  wird.  »Die  Wände  sind  ein* 
farbig,  mit  einer  leichten»  blau-  oder  grünlichgrauen,  giftfreien  Farbe 
anzustreichen.^ 

Wohl  mehr  ans  ökonomischen  als  hygienischen  Gründen  schreibt 
das  „B^glement^  noch  vor:  „A  la  hantenr  de  1,20  m  ä  d^at  de 
boiserie,  le  reyfttement  sera  eztentä  en  oiment  ä  prise  lente**.  Jedoeh 
anoh  in  hygienischer  Hinsicht  bietet  eine  solche  Bekleidung  einen 
nennenswerten  Vorteil,  indem  dieselbe  verhältnismäfsig  am  wenigsten 
Stanb  liefert. 

d)  Türen  des  Schulzimmers.  Bei  der  Anlage  ron  Türen 
ist  es  Yor  allem  yon  Wichtigkät,  dieselben  hinreichend  breit  her^ 
zustellen.  Es  wird  hierfür  im  ,,B^lement'^  0,90  m  (nach  der  In- 
struktion von  1893  1  m),  in  der  elsafis-lothringischen  Verfügung  1  m 
bestimmt. 

Wichtig  ist  auch  die  richtige  Wahl  der  Stelle,  an  welcher  die 
Tür  angebracht  werden  soll.  Nach  §  81  des  »Bäglement*  ist  es 
gestattet,  zwischen  zwei  Schulzimmem  eine  Tür  anzubringen:  «Des 
portee  de  communication  pourront  dtre  pratiqu^  dans  les  cloisons 
B^parant  deuz  olasses  contiguös".  Diese  Türen  haben  meines  Er- 
achteos mehr  Nachteile  als  Vorteile,  da  durch  dieselben  der  Unter- 
rieht mannigfache  Störungen  erffthren  kann.  Höchstens  könnte  man 
Doppeltüren  gestatten,  yon  denen  die  eine  mit  einem  schalldichten 
Überzog  yersehen  ist.  In  der  „Verfägung  des  Operpräsidenten"  sind 
solche  Türen  nicht  vorgesehen,  was  auch  richtiger  ist. 

Bei  einseitiger  Beleuchtung  ist  es  praktisch,  die  Bingangstür  an 
der  den  Fenstern  gegenüberliegenden  Wand  anzubringen,  wodurbh 
die  Herstellung  einer  günstigen  Ventilation  bezweckt  wird.  Daher 
beeteht  bei  uns  folgende  Vorschrift:  „Am  geeignetsten  liegt  die  Ein« 


280 

gangatür  in  der  der  Fenaterwand  gegenOberliegenden  Lftngswand,  in 
der  Nähe  der  Hückwand  des  Scholzimmers".  Letztere  Bemerkung 
ist  offenbar  ans  dem  Grunde  hinzugefügt,  um  durch  diese  Anordnung 
die  Sobüler  soviel  wie  möglich  dem  Durchzug  zu  entziehen,  der 
selbst  bei  geschlossenen  Türen  und  Fenstern  entstehen  könnte. 

Das  „fi^lement"  enthält  schlie/slich  noch  folgende»  die  Tflren 
betreffende  Vorschrift:  „Suirant  les  besoins  de  la  surveillance  et  la 
disposition  des  locau^  elles  (les  portes)  seront  pleines  ou  vitröes*'. 
Diese  Forderung  hat  nur  Berechtigung,  wenn  die  Schule  im  übrigen 
unzweckmälsig  angelegt  ist,  was  doch  nicht  der  Fall  sein  soll. 

e)  Beleuchtung  des  Schulzimmers.  Bei  der  Beleuchtung 
des  Schulzimmers  spielt  selbstredend  die  natürliche  Beleuchtung  die 
Hauptrolle.  Diese  möge  uns  deshalb  auch  in  erster  Linie  be- 
schäftigen. 

1.  Tagesbeleuchtung.  Eine  gute  Beleuchtung  ist  erforderlich, 
damit  das  Auge  bei  seiner  Arbeit  nicht  geschädigt  und  die  aus  einer 
ungenügenden  Beleuchtung  resultierende  schlechte  Ebltung  der  Sander 
yermieden  wird.  Das  Licht,  welches  man  im  Schulzimmer  gebraucht, 
darf  jedoch  nicht  zu  intensiv  sein;  es  darf  während  des  Unterrichts 
nicht  das  direkte  Sonnenlicht  zur  Verwendung  kommen,  da  dasselbe 
beim  Lesen  und  Schreiben  stört  und  durch  Blendung  den  Augen 
erheblichen  Schaden  zufügen  kann.  Während  des  Unterrichts  ist 
demnach  ein  diffuses,  gleichmäfsiges  Licht  vorzuziehen.  Dieser  Um- 
stand ist  in  der  „Verfügung  des  Oberpräsidenten^  genügend  berück- 
sichtigt, welche  besagt:  „Bei  Anlage  der  Fenster  ist  zu  beachten, 
daJs  das  Eindringen  von  direktem  oder  durch  naheliegende  Grebäude 
reflektiertem  Sonnenlicht  während  der  Schulzeit  möglichst  vermieden 
wird.  Wo  dies  nicht  zu  vermeiden,  da  sind  zur  Abwehr  des  Sonnen- 
lichts entweder  innere,  die  Fenster  völlig  deckende  Eouleauz  oder 
Markisen  anzubringen;  letztere  empfehlen  sich  vorzugsweise  bei 
direkt  einfallendem  Sonnenlicht,  da  sie  das  gleichzeitige  Öfinen  der 
Fenster  und  eine  gehörige  Luftemeuerung  ungehindert  gestatten. 
Die  Rouleaux  werden  am  zweckmäfsigsten  aus  mattgrauem  Stoff  her- 
gestellt*'.  Ob  die  Markisen  zu  diesem  Zwecke  praktisch  sind,  möchte 
ich  bezweifeln,  da  dieselben  doch  offenbar  den  Nachteil  haben,  das 
Oberlicht  abzuhalten,  ganz  abgesehen  davon,  dals  sie  den  Sonnen- 
strahlen bei  seitlicher  Sonnenstellung  den  direkten  Eintritt  teilweiae 
gestatten. 

Viel  umstritten  ist  die  Frage,  von  welcher  Richtung  das  Licht 
einfallen  soll. 


3S1 

GbtOBS^  hat  seinerzeit  yoigeeehlagen,  das  Idokt  yon  der  Deoke 
her  ein&llen  za  lassen.  Abgesehen  davon,  dais  dieser  Modns  nnr 
in  einstöckigen  Oebänden  oder  in  mehrstöokigen  nnr  in  der  oberen 
ütage  dnrohfELhrbar  wäre,  ist  bu  erwähnen,  dals  derselbe  sieh  nicht 
gnt  znr  Ventilation  der  Sohnlzimmer  eignen  wflrde,  worauf  doch  bei 
der  Fensteranlage  Bfloksiobt  zu  nehmen  ist.  Es  wäre  diese  Be- 
lenohtong  demnach  höchstens  fttr  ganz  spezielle  Bänmci  z.  B.  ftbr 
Zeiohensäle,  empfehlenswert  Nach  dem  „Reglement*  ist  übrigens 
eine  solche  Belenchtungsart  direkt  verboten:  ,L'6clairage  par  nn 
plafond  vitro  est  interdif. 

Am  natfirlichsten  ist  die  Belenohtong  von  der  Seite,  diejenige 
von  vom  oder  von  hinten  ist  dagegen  zn  verwerfen.  Kommt  Licht 
von  vom,  so  blendet  das  die  SdlitQer  und  hindert  sie,  das  an  der 
Wandtafel  Geschriebene  dentlich  zn  sehen.  Kommt  das  Licht  von 
hinten,  so  entsteht  derselbe  Übelstand  für  den  Lehrer,  und  fär  die 
Schüler  werden  hierdurch  auf  den  Schreibheften  Schatten  verursacht, 
welche  nur  allzu  leicht  zur  Annahme  von  verderblichen  Haltungen 
Anlaifl  geben.  Es  bleibt  also  nur  noch  die  Wahl  zwischen  der  so- 
genannten „unilateralen"  und  der  „bilateralen"*  Beleuchtung.  Die 
letztere  kann  aber  sowohl  durch  Schattenbildung  als  auch  durch  eigen- 
tümliche Reflexe  den  Augen  der  Kinder  nachteilig  werden,  während 
bei  der  unilateralen  Beleuchtung  diese  Nachteile  vermieden  sind, 
und  es  wäre  demnach  diese  von  allen  Beleuchtungsarten  die  beste. 
Dais  hierbei  das  Licht  von  der  linken  Seite  her  einfallen  muls,  ist 
selbstverständlich,  da  ja  im  entgegengesetzten  Fall  störende  Schatten 
von  Hand  und  Feder  auf  das  Papier  Mlen.  Diesen  Ausführungen 
entsprechend  wäre  es  wünschenswert,  daüs  die  einseitige  Beleuchtung 
von  links  zur  Vorschrift  gemacht  würde. 

Betrachten  wir  die  entsprechenden  Beetimmungen,  so  sehen  wir, 
daA  das  „Böglement'^  dieser  Forderung  nachkommt,  während  die 
elsaTs-lothringische  Verordnung  auf  einem  etwas  unpraktischen  Stand- 
punkt steht,  indem  sie  folgendes  bestimmt:  ^^Das  Licht  soll  den 
Schülern  zur  linken  Seite  und  etwa  auch  noch  vom  Rücken  her 
ein£Edlen.  Fenster  in  der  Kathederwand  sind  gänzlich  unzulässig, 
und  die  Anlage  von  Fenstern  in  beiden  Längsseiten  ist  nur  in  be- 
sonderen Fällen  ausnahmsweise  gestattet.  Das  „B^Iement^  hingegen 
schreibt  vor:  „L'telairage  unilateral  sera  adopte  toutes  les  fois  que 
les  conditions  suivantes  pourront  dtre  röunies.    1.  Possibilitö  de  dis- 


^  Gboss,  Grandsüge  der  SohalgMondheittpflege, 


28S 

•pomt  d'iiB  jonr  siiflGuBaiit.  2.  Prop<»rtion  oonyenable  entre  la  liantear 
des  fenftfares  et  la  hurgeur  de  la  elaase.^  3.  fitabUssement  de  baies 
pereöeB  sur  la  &oe  opposäe  ä'oelle  de  Töclaiiage  (1  m  X  ^  ii^)  ^t  desti- 
ndes  ä  eervir  h  Taäration  et  ä  rintrodnotion  dn  soleil  pendant  Tab- 
senoe  des  älftree.  Lonsqne  TMairage  sera  unilatöral»  le  jonr  riendra 
nteessairemeiit  de  la  ganohe  des  ä^ves^.  Weiter  heiikt  es:  „Loisqne 
lee  oonditionB  qni  präoMent  ne  pourront  dtre  röalie^,  on  anra 
reooura  h  Föolairage  bilatöteral,  ayeo  öolairage  pltis  intense  k  ganohe 
qu'ä  la  droite.  (16).  On  ne  peroeia  jamais  de  baies  d^älairage  dans  le 
mnr  qni  fait  £eu)e  a  la  table  du  mattre,  ni  ä  plns  forte  raison,  dans 
oelni  qni  £ut  £etoe  ans  ölftres^. 

Die  nnter  No.  16  erwähnten  Bedingungen  sind  Yorsiehtsmab« 
regeln,  die  bei  bilateraler  Beleuchtung  getroffen  werden  müssen. 
Hierdurch  werden  nämlich  die  Lichtkreuzungen  bis  zu  einem  ge- 
wissen Ghrade  unterdrückt,  und  der  Schatten  &llt  ron  links  nach 
rechts. 

Wir  sehen  also,  dab  die  Vorschriften  des  „R^glement^  den 
hygienischen  Forderungen  bezüglich  der  Lage  der  Fenster  ent» 
sprechen,  und  es  wäre  eine  entsprechende  Änderung  der  elsab- 
lothringischen  Verfügung  dringend  wünschenswert. 

Damit  nun  mittels  der  Fenster  den  Zimmern  eine  müglichst 
reiche  Lichtmenge  zugeführt  werde,  müssen  die  Fenster  ein  tunlichst 
groÜBes  Flächenmals  repräsentieren.  Um  hierfür  einen  Mafestab  zn 
haben,  hat  man  yiel£EU)h  die  Grülse  der  Fensterfläohe  zur  Grund« 
fläche  des  Sdhulzimmers  in  Beziehung  gesetzt*  So  bestimmt  auch 
die  ^Verfügung  des  Oberpräsidenten*'  folgendes:  „Die  Gesamtfläche 
der  lichten  Fensteröffiiungen  muls  bei  vollkommen  freier  Lage  min* 
destens  ein  Sechstel  der  Bodenfläche  betragen ;  bei  Beschränkung  dee 
Lichts  durch  Nachbargebäude,  Bäume  u.  dergl.  ist  die  Fensterfläohe 
verhältnismäbig  zu  vergrOfsem«'. 

Dafs  selbst  bei  genauer  Befolgung  dieser  Vorsohrifi  ebe  un* 
genügende  Beleuchtung  einzelner  Plätze  eintreten  kann,  leuchtet  ein. 
Bin  Platz  in  einem  Zimmer  ist  im  allgemeinen  nur  dann  hinreichend 
beleuchtet,  wenn  von  demselben  aus  ein  Stück  Himmel  gesehen 
werden  kann,  und  die  Beleuchtung  ist  offenbar  um  so  besser,  je 
greiser  dieses  Stüdc  Himmel  ist.    Am  besten  wäre  es  daher,  wenn 


^  Diese  Proportioii  mnfs  doh  nach  der  Instruktion  yon  1893  folgender- 
mafsen  verhalten:  Art.  19.  1.  La  hautenr  de  la  classe  devra  etre  Sgale  aox 
denz  tiers  environ  de  la  largenr  (BAcnaur,  ].  o.  p.  51). 


die  Yerfttgnng  anordnen  würde,  dab  von  jedem  Sehülarplate  nach 
links  ein  Stflok  Himmel  siehtbar  seL  Statt  dee  FliehenTeArttnimea 
Ton  1 : 6  könnte  man  das  günstigere  yon  1 : 4  wtlikkn. 

Sine  solche  Verordnung  wäre  aueh  einfacher  nnd  prakttschsr 
als  die  MiisiMfoohende  Vorschrift  im  ,,B^lement^,  weiche  kntst:  ,,Qm 
k  daflse  soit  telairäe  d'nn  cdiö  on  de  plnsienrs  c6täi,  par  tum  faaia 
nniqne  on  par  plnsienrs  fendtres,  ks  dimensuHis  de  ces  ouvertiires 
devront  tonjonrs  dtre  calonlees  de  fsQons  qne  la  lumitee  ^daire  toules 
les  tables.  Dans  le  cas  d'^olairage  bilateral,  lee  baies  plaeöes  ä  k 
ganchc  des  äkyes  seroni  an  moins  ägales  an  largenr  h  Tespace  oceap^ 
par  les  tables". 

Dm  Fenster  werden  dm  Torhin  aufgestellten  Fordernngwi  am 
so  leichtttr  genügen,  je  höher  sie  gegen  die  Decke  geführt  wcidsii, 
d.  h.  je  nfther  der  Fcnsterstons  an  die  Decke  heranxaicht  Nnr  auf 
diese  Weise  kann  den  tieferen  Teilen  des  Schnkinmiers»  für  wcMm 
ja  die  Hauptmasse  des  Lichtes  ans  der  Höhe  kommt,  genügend 
licht  rageführt  werden.  Es  ist  daher  die  in  der  y^VerfiBIgang  des 
Oberprfisidenten''  enthaltene  Bestimmung  recht  zweokmiürigi  »dm 
Fenster  so  hoch  gegen  die  Decke  hinau&ufühien»  ak  konstmktiv 
anlftssig  ist''.  Das  ^BAgiBmuA**^  bestimmt  hierfür  folgendes:  ,fin 
CBS  d'^olairage  nniktäral,  le  lintean  des  fendtres  sera  pkci  an  moins 
4  nne  hanteur  ögale  anx  deux  tieis  de  k  kxgeur  de  k  cksse.  Dans 
toua  ks  caSf  le  dessous  du  lintean  des  Isndtres  devra  atteindne  k 
nivean  du  plafond.**  Die  Instroktion  yon  1893  dagegen  Terkogt 
xwiaohen  oberem  Fensterrand  und  Plafond  ca.  20  cm  Abstand* 

Bei  der  Anlage  der  Fenster  ist  es  femer  ankerst  wichtig»  so 
wenig  lieht  wk  mögtich  durch  die  Pfeikr  zwischen  den  einaelnen 
Fenstern  verloren  gehen  zu  lassen.  Dieselben  müssen  daher  so 
schmal  sein,  ak  es  die  Konstruktion  des  Gkbftudes  zulftfat  In  diesem 
Pnnkie  eeheint  mir  dk  ekab-lothrmgisohe  Verordnung  nicht  streng 
genug  zu  sein,  indem  sk  Pfeikr  bk  zu  1,25  m  gestattet.  »Der 
Wandranm  zwischen  zwei  Fenstern  darf  nicht  ttber  1,25  m  betragen.^ 
Das  «Bäglement*^  will  die  Breite  der  Pfeiler  auf  das  Minimum  be- 
cchrünkt  wissen.  j^Lbl  largenr  des  tmmeaux  söpanmt  ks  fendtres 
4ma  aussi  r^dnite  que  possibk.''  Bei  einem  gut  ausgeführten  Massir- 
bau  könnte  man  wohl  die  Pfnler  zwischen  zwei  Fenstern  auf  0,50  m  be- 
schrftnken,  wenn  man  nicht  eiserne  Sttnlen  ak  Zwischenträger  anwenden 
will,  was  natürlich  vorzuziehen  wäre,  da  hierdurch  die  Trennungsflüohe 
der  Fenster  soft  kleinsk  Mab  reduziert  würde.  Wo  die  Verhältnisse 
es  gestatten,  sollte  man  daher  deren  Anwendung  vorschreiben. 


284 

Dafe  die  Fenster,  wenn  sie  ge5£fnet  sind,  den  Kindern  keine 
GbefiEihr  bieten  dOrfen  hinaasznfiedlen,  versteht  sich  von  selbst.  „Die 
Fensterbrüstungen  müssen^  daher  nach  der  „Verf&g:nng  des  Ober* 
Präsidenten **  „mindestens  1  m  über  dem  Fnlsboden  liegen''.  Hierbei 
kommt  anÜBerdem  noch  in  Betracht,  daüs,  wenn  die  Fenster  tiefer 
nach  unten  gehen  würden,  Blendung  von  nnten  stattfinden  würde. 
Das.  „Bp^lemenf  schreibt  hierfür  eine  Höhe  von  1,20  m  vor. 
„L'i^pni  des  fendtres  sera  ^levä  de  1,20  m  au  dessus  du  sol.** 

2.  Künstliche  Beleuchtung.  Weder  in  Elsafs-Lothringen, 
noch  in  Frankreich  finden  wir  Bestimmungen,  welche  sich  auf  die 
künstliche  Beleuchtung  der  Schulen  beziehen.  Am  besten  wttre  es 
allerdings,  wenn  man  dieselbe  in  den  Schulen  yollkommen  entbehren 
könnte,  denn  es  mufs  zugegeben  werden,  dais  selbst  die  beste  künst- 
liche Beleuchtung  das  Tageslicht  niemals  ersetzen  kann,  und  daÜB 
jede  künstliche  Beleuchtung  Ton  gewissen  Gefahren  für  die  Gesund- 
heit begleitet  ist,  indem  sie  einerseits  die  Luft  rerschlechtert  (mit 
Ausnahme  der  elektrischen  Beleuchtung)  und  andererseits  dem  Auge 
Schaden  zufügen  kann. 

Es  wäre  daher  yorzuziehen,  den  Unterricht  nur  am  Tage  zu 
erteilen.  In  den  Elementarschulen  ist  dies  ja  der  Fall.  Anders  verhalt  es 
sich  jedoch  mit  dem  Unterricht  in  den  sog.  Fortbildungsschulen  (Nacht* 
schulen),  der  abends  nach  dem  Nachtessen  erteilt  wird.  Die  jui^en 
Leute,  die  sich  an  diesem  Unterricht  beteiligen  müssen,  sind  not- 
wendigerweise den  Schädlichkeiten  der  künstlichen  Beleuchtung  aus- 
gesetzt und  haben  daher  auch  Anspruch  auf  möglichst  hygienische 
Handhabung  derselben.  Es  wäre  daher  wünschenswert,  dais  auch 
die  künstliche  Beleuchtung  in  den  Verfügungen  Berücksichtigung 
finden  würde. 

Wir  könnten  im  allgemeinen  die  Forderung,  die  man  an  eine 
gute  Beleuchtung  stellen  muls,  nach  Burgebstein  und  NBTOiiTrzKT 
(1.  c,  p.  111)  in  folgende  Worte  zusammenfassen:  „Eine  gute  Be- 
leuchtung soll  die  nötige  Helligkeit  für  jeden  Schülerplatz  geben, 
richtig  yerteilt  und  so  eingerichtet  sein,  dafs  störende  Schatten  auf 
den  Plätzen,  sowie  blendende  Reflexe  vermieden  werden  und  die 
Kinderaugen  beim  Sehen  auf  die  Tafel  nicht  durch  grelles  Licht 
getroffen  werden;  endlich  soll  sie  die  Luft  möglichst  wenig  verun- 
reinigen und  nicht  durch  Wärmestrahlen  oder  zu  groDse  Wärme- 
produktion belästigen^. 

Im  Hinblick  auf  diese  Forderungen  bietet  ohne  Zweifel  am 
meisten  Vorteile  die  elektrische  Beleuchtung,  und  zwar  in  Form  der 


886 

indirekten  Belenchtong,  welche  in  der  Weise  erzielt  werden 
kann,  dab  man  die  Lichtquelle  dem  Ange  durch  undnrehsichtige 
Befiektoren  entzieht,  welche  unterhalb  der  Flamme  angebracht  sind 
und  allee  Licht  nach  der  Decke  und  den  oberen  Teilen  der  Wände 
werfen,  so  daJb  diese  grofsen  beleuchteten  Flflchen  dann  ala  Licht- 
quelle dienen.  Durch  eine  derartige  Beleuchtung  wird  das  ganze 
Zimmer  gleichmälsig  und  diffus  erhellt;  Schatten  entstehen  nicht, 
wie  man  sich  auch  setzen  mag  (Baoikskt,  1.  c,  Bd.  1,  p.  806). 

Wo  elektrisches  Licht  nicht  vorhanden  ist,  sollte  man  sich  wo* 
mOgUch  des  Leuchtgases  bedienen,  und  zwar  in  der  Form  des  Ghs- 
glflhlichtes  von  Aueb,  welches  von  allen  Beleuchtungsarten  mit  Gas 
am  meisten  Helligkeit  gewährt,  mit  der  geringsten  Wärmeentwicklung 
verbunden  ist  und  auch  die  geringste  Verunreinigung  der  Luft  ver- 
ursacht.  Das  Licht  ist  außerdem  gleichmäfsig,  ruhig  und  weils. 
Das  Gkisglühlicht  eignet  sich  auch  zur  indirekten  Beleuchtung. 

Li  Gegenden,  wo  man  nicht  über  Leuchtgas  verfbgt,  wie  es 
meistens  auf  dem  Lande  der  Fall  ist,  kommt  schliefslich  die  Be- 
leuchtung mit  Petroleum  in  Betracht.  Mit  demselben  kann  eine 
hinreichende  Beleuchtung  erzielt  werden,  wenn  man  sich  hierzu  des 
Petroleum- Regenerativlichtes  (nach  SohuIjKb)  bedient,  bei  welchem 
auüserdem  fbr  Ableitung  der  schädlichen  V erbrennungsprodukte  durch 
ein  Abzugsrohr  gesorgt  ist.  DaÜB  hierbei  nur  gut  gereinigtes  Pe- 
troleum zur  Verwendung  kommen  darf,  versteht  sich  von  selbst. 

Die  Lampen,  welche  die  Tafel  beleuchten,  sollen  gegen  die 
Schüler  zu  durch  undurchsichtige  Schirme  verdeckt  sein,  welche  das 
Licht  auf  die  Tafel  werfen. 

f.  Ventilation.  Die  ausgiebigste  Ventilation  erhält  man  durch 
gleichzeitiges  Öffnen  w)n  Türen  und  Fenstern.  Die  Türen  werden 
wohl  selten  allein  zur  Lüftung  von  Zimmern  benutzt  und  dienen 
hauptsächlich  zur  Herstellung  von  Luftzug  bei  gleichzeitigem  öffnen 
der  Fenster.  Die  letzteren  müs^n,  um  den  Zweck  der  Ventilation 
hinreichend  erfüllen  zu  kOnnen,  von  oben  bis  unten  sich  öffnen 
lassen,  weshalb  auch  schon  die  „Verfügung  des  Oberprfisidenten* 
von  1876  vorschreibt:  „Sämtliche  Fenster  müssen  vollständig  ge- 
öffnet werden  können^. 

Om  andauernd  eine  gute  Luft  in  den  Schulzimmem  zu  erhalten, 
wäre  es  richtig,  die  Luftemeuerung  auch  während  des  Unterrichts 
stattfinden  zu  lassen.  Da  nun  in  vielen  Fällen  das  öffnen  der 
ganzen  Fenster  unzulässig  ist,  so  müssen  dieselben  so  eingerichtet 
sein,  dafs  deren  obere  Teile  gesondert  geüffiiet  werden  können.    Zu 


di«0em  Zwecke  smd  die  Oberlichter  gem&Ts  der  ^Yerftlgiiiig  deB 
OberprfimdeDten^  von  1876  „so  einzurichten,  dafe  eie  nm  eine  hori- 
zontale Achse  drehbar  Bind**,  so  dals  also  dieser  obere  Teil  der 
Fenster  auch  fftr  sieh  allein  geOffiiet  werden  kann.  Die  Y orsdiriften 
über  die  Lflftnng  der  Schnlzimmer  in  Elsafs^Lothringen  yom  22.  ICai 
1901^  präcisieren  diesen  Punkt  noch  etwas  genauer,  indem  sie  fol* 
gende  Bestimmung  enthalten:  ,,Die  Fenster  sind  am  zweckmftfingsten 
dreiflttgelig  einzurichten.  Durch  den  mit  dem  Fensterrahmen  feat 
Terbundenen  Kämpfer  ist  das  Fenster  so  zu  teilen,  dab  der  obere 
Teil  desselben  etwa  V?  der  Gksamtflaohe  bildet,  so  daft  zwei  untere 
und  ein  oberer  Fensterflagel  entstehen.  Der  über  dem  Eftmpfer 
liegende  Oberliohtflügel  ist  als  Kippflügel,  sich  von  oben  nteh  unten 
drehend,  zum  Hereinlegen  ins  Zimmer  bis  zu  einem  Winkel  you 
45^  einzarichten*^. 

Das  ^Bdglement^  von  1880  enthalt  eine  fthnliche  Bestimmung^^ 
welche  lautet:  „Les  fendtres  sont  divisto  en  deux  parties.  Lia 
partie  inf(§rieure,  dont  la  hauteur  sera  ägale  aux  trois  cinqui^mes  de 
la  hauteur  totale,  s'ouyrira  k  battants.  La  partie  sup^rieure,  formte 
de  panneaux  mobiles,  s'ouvrira  &  rintörieur**.  Ont&r  „s'oumra  k 
rint^rieur^  mula  also,  da  dies  im  Qegensatz  zu  „s'ouyriia  k  battants* 
steht,  das  Öfiben  um  eine  horizontale  Achse  zu  yerstehen  sein. 

Ist  es  nun  eigentlich  zu  verwerfen,  dafs  man  die  ganzen  Fenster 
während  des  Unterrichts  öffnet?  Gesundheitsschädlich  kann  das 
öflnen  der  Fenster  werden,  wenn  entweder  dadurch  fühlbare  Zug- 
luft entsteht,  oder  wenn  die  AuUaenluft  zu  kalt  ist  und  durch  das 
Herabsinken  dieser  zu  kalten  Luft  auf  den  Fufeboden  eine  zu  starke 
Temperatnremiedrigung  der  unteren  Luftschichten  stattfindet,  woduroh 
den  ruhig  siteenden  Sdiülem  Gkfzhr  der  Erkältung  droht.  Endlioli 
kann  auch  durch  Öffnen  der  Fenster  die  Gesamttemperatur  des 
Zimmern  zu  tief  sinken.  Das  ständige  Offenhalten  der  ganzen 
Fenster  empfiehlt  sich  daher  besonders  bei  warmer  Temperatur  der 
Aulsenluft,  während  bei  niedriger  Temperatur  am  besten  nur  die 
Oberiichtflügel  offen  gehalten  werden. 

In  diesem  Sinne  sind  die  vorhin  erwähnten  „Vorschriften  über 
die  Lüftung  der  Schulzimmer''  vom  22.  Mai  1901  verfalst,  indem 
dieselben  folgende  diesbezüglichen  Stellen  enthalten:  „Während  der 
heilsen   Jahreszeit   (bei  Aufsentemperaturen  von   mehr  als  20®  C.) 


^  Yorsohriften  tn)6r  die  Lüftung  der  Sehnlshmner  vom  22.  Mai  1961,  den 
Akten  det  Kreitantet  von  8trafid)iirg  entnommen. 


287 

sind  die  Fenster  fortwährend  offen  zu  halten.  Bei  AuiSsientempera- 
tnren  von  mehr  als  15^  C.  ist  die  Luft  der  Schalzimmer  durch 
Offenlassung  der  Oberlichtflfigel  zu  erneuern.  Nur  bei  starkem 
Winde  kann  hiervon  Abstand  genommen  werden.  Bei  stauberfüllter 
Luft  sind  diejenigen  Fenster,  welche  in  der  Windrichtung  liegen, 
geschlossen  zu  halten**. 

In  der  kälteren  Jahreszeit  wäre  es  nattlrlich  gewagt,  alle  Ober- 
lichtfltigel  offen  zu  halten,  da  hierdurch  eine  zu  starke  Abkühlung 
der  Zimmertemperatur  bedingt  würde.  Da  übrigens  bei  gro&er 
Differenz  der  Aufsen-  und  Linentemperatur  der  Luftwechsel  leichter 
und  schneller  erfolgt,  so  genügt  das  Offenlassen  nur  eines  Ober- 
lichtflflgels,  wie  es  die  soeben  genannten  Vorschriften  bestimmen: 
„Auch  in  der  kälteren  Jahreszeit  soll  mindestens  ein  Oberlichtflügel 
offen  gehalten  werden.  Nur  bei  stürmischem  oder  sehr  kaltem 
Wetter  (etwa  von  0^  abwärts)  sollen  auch  diese  Fensterteile  ge- 
schlossen werden". 

Wenn  nun  gegen  das  Öfihen  der  Fenster  während  des  Unter- 
richts zu  gewissen  Jahreszeiten  mit  B«cht  Bedenken  erhoben -werden 
können,  so  mulis  um  so  mehr  auf  die  Ventilation  während  der 
Pausen  Aücksicht  genommen  werden. 

Die  diesbezüglichen  Vorschriften  vom  22.  Mai  1901  in  Elsars- 
Lothringen  lauten  folgendermaisen:  „Während  aller  Erholungspausen 
ist  eine  gründlichere  Lüftung  der  Schulsäle  durch  Öfihen  eines  oder 
mehrerer  Fenster  vorzunehmen.  Bei  einer  Temperatur  unter  0^ 
genügt  ein  V« — 1  Minute,  bei  einer  Temperatur  unter  +  10^  ein 
1 — 2  Minuten  dauerndes  Öffnen  der  Fenster.  Selbst  wenn  die  Luft 
sehr  kali  eintritt,  erwärmt  sich  dieselbe,  wenn  Wände,  Fuisboden 
und  G-eräte  wann  sind,  doch  wieder  sehr  schnell.  Bei  starker  Kälte 
müssen  während  der  Lüftung  die  an  Fenstern  sitzenden  Kinder  von 
diesen  an  eine  vor  Zug  geschützte  Stelle  des  Zimmers  zurücktreten. 
Erlaubt  es  die  Witterung,  so  sind  die  Kinder  in  der  Zwischenzeit 
auf  die  für  sie  bestimmten  Spielplätze  zu  führen". 

Man  kann  nicht  umhin,  diesen  Vorschriften  Beifall  zu  zollen, 
da  dieeelben  vollständig  genügen  und  zudem  möglichst  einfach  sind. 
£s  wäre  jedoch  vorteilhafter,  wenn  die  Schüler  das  ganze  Jahr  hin- 
durch, also  auch  bei  schlechtem  Wetter,  das  Schulzimmer  während 
der  Pausen  verlassen  könnten.  Es  wäre  zu  diesem  Zweck  das  Vor- 
handensein eines  gedeckten  Baumes  (pr^u  couvert)  im  Hofe  erforder- 
lich, wovon  später  noch  eingehender  die  Bede  sein  wird.  Aufser- 
dem  sollten  die  Schüler  nach  jeder  Unterrichtsstunde   auf  den  Hof 

Sehvlgesiindheitspflega.  XVL  IG 


288 

geschickt  werden,  wie  dies  in  den  höheren  Lehranstalten  üblich  ist, 
und  nicht,  wie  es  in  den  Elementarschulen  geschieht,  nur  einmal 
des  Morgens  nnd  einmal  des  Nachmittags.  Auf  diese  Weise  könnte 
man  nach  jeder  Stunde  eine  gründlichere  Lüftang  vornehmen  nnd 
brauchte  sich  nicht  mit  einem  Öffiien  der  Fenster  yon  nur  V> — 2 
Minuten  zu  begnügen. 

Nach  den  bisher  erörterten  „Vorschriften  über  die  Lüftung  der 
Schulzimmer^  mufs  außerdem  noch  in  folgenden  Fällen  durch  Offnen 
der  Fenster  oder  auch  der  Oberlichtflügel  gelüftet  werden:  „Wenn 
die  Luft  des  Schulzimmers  übel  riecht,  wenn  Bauch  auftritt,  wenn 
das  Zimmer  überheizt  ist  (d.  h.  wenn  die  Temperatur  über  20^  ge- 
stiegen ist),  oder  wenn  die  Luft  bei  grofser  Schülerzahl  oder  nafe- 
kalter  Witterung  allzu  wasserreich  ist*'. 

Daifl  auch  aufserhalb  der  Schulzeit  eine  gründliche  Lüftung  der 
Sohulzimmer  vorgenommen  werden  mulis,  versteht  sich  von  selbst. 
Der  YoUständigkeit  halber  mögen  die  diesbezüglichen  Vorschriften, 
welche  bei  uns  zur  Geltung  kommen,  angeführt  werden:  «Nach  Be- 
endigung der  Schulzeit,  morgens  und  nachmittags,  ebenso  vor  Be- 
ginn der  Heizung,  sind  mehrere  Fenster  zu  öfinen.  In  der  wftrmeren 
Jahreszeit  ist  es  zweokmäisig,  die  Fenster  bis  zum  Beginn  des 
Unterrichts  offen  zu  lassen,  wenn  die  AuTsenluft  nicht  staubig  ist; 
in  der  kalten  Jahreszeit  dürfen  die  Fenster  nur  kurze  Zeit  offen 
bleiben,    da  sich  sonst  Fufsboden  und  Wände  zu  stark  abktLhlen". 

Wir  sehen,  dafs  die  erwähnten  Ventilations- Vorschriften  äufiserst 
einfach  sind,  aber  dennoch  alle  in  Betracht  kommenden  Punkte  ge- 
nügend berücksichtigen.  Ähnliche  Bestimmungen  in  Frankreich 
habe  ich  nicht  aufgefunden,  und  wäre  diese  Lücke,  sollte  sie  wirk- 
lich bestehen,  als  eine  recht  beträchtliche  zu  bezeichnen. 

Erklären  wir  uns  mit  einem  Kohlensäuregrenzwert  von  0,3  7o 
einverstanden,  was  wir  nach  den  Ausführungen  Kbisobbs^  ohne 
Zögern  tun  können,  so  müssen  wir  die  erörterten  Ventilations- Vor- 
schriften, die  übrigens  den  im  Jahre  1873  erlassenen  in  den  meisten 
Punkten  entsprechen,  als  völlig  hinreichend  bezeichnen,  zumal  die 
Untersuchungen,  die  Bbunb  in  hiesigen  Volksschulen,  welche  nach 
den  genannten  Vorschriften  gelüftet  werden,  angestellt  hat,  ergeben 
haben,  daifs  der  Kohlensäuregehalt  der  Luft  niemals  mehr  als  0,3  % 
betrug  (1.  c,  S.  105,  Anm.  102).  „Höher  als  0,2  bis  0,3%  steigt 
auch  der  Kohlensäuregehalt  der  Luft  nicht,  wenn  man  auf  jedwede 


^  Kbibgbb,  Der  Wert  der  VentilatioD.  S.  69. 


289 

künstliche  Yentilation  verzichtet  tmd  die  genaDnten  einfEichen  Yen- 
tilatioii8-Voi8chriften  pünktlich  beobachtei  Und  wenn  der  Kohlen- 
sftnregehalt  der  Schnlluft  bei  ungünstigen  Lüftungsbedingnngen,  die 
sehr  selten  sind«  einmal  höher,  auf  0,4  und  0,5  %,  steigen  sollte,  so 
ist  das,  wenn  die  SchuUnft  die  übrigen  erforderlichen  Qualitäten 
hat,  gar  nicht  so  schlimm.*'     (Kbiegeb,  1.  c,  S.  69.) 

Man   kann   demnach   auf  die   künstliche    Ventilation    in   den 
Schulen  völlig  verzichten. 

Nach  der  „Verfügung  des  Oberprfisidenten*'  von  1876  war  die 
künstliche  Ventilation  vorgeschrieben,  indem  mit  der  Heizvorrichtung 
zu  gleicher  Zeit  eine  Ventilationsvorrichtung  verbunden  werden 
mu&te:  „Es  ist  —  sagt  die  Verfügung  —  bei  der  Anlage  der  Heiz- 
vorrichtungen stets  darauf  Bedacht  zu  nehmen,  dais  eine  ausgiebige 
Abführung  verbrauchter  und  Einführung  frischer  Luft  stattfindet. 
Ersteres  ist  durch  Anlage  von  Ventilationsröhren  in  der  Nähe  oder 
in  Verbindung  mit  dem  Schomsteinrohr  zu  bewirken.  Letzteres 
geschieht  am  zweckmülsigsten  durch  einen  unter  dem  Fufsboden 
anzulegenden  Luflkanal,  welcher  die  frische  Luft  dem  zwischen  Ofen 
und  Mantel  befindlichen,  oben  offenen  Baum  zuführt.  Bei  den 
Kachelöfen  mit  Ventilation  tritt  die  frische  Luft  in  ein  vom  Feuer 
umspieltes  Eisen-  oder  Tonrohr.  Sowohl  dieser  Luftkanal  wie  die 
Abzugsrohre  sind  mit  stellbaren  Klappen,  Schiebern  u.  dergl.  zu 
versehen.  Bei  Anlage  von  Zentralheizung  ist  stets  gleichzeitig  auf 
Herstellung  eines  angemessenen  Ventilationssystems  Bedacht  zu 
nehmen**. 

Diese  Verfügung  wurde  durch  die  „Vorschriften  über  die  Lüf- 
tung der  Schulzimmer  vom  22.  Mai  1901"  dahin  abgeändert,  dab 
von  nun  an  die  Anlage  von  Abluftkanälen  für  die  Lüftung  in  den 
mit  Öfen  geheizten  Schulzimmem  unterbleiben  sollte.  Diese  Mais- 
nahme  wird  dabei  folgendermafisen  begründet:  »Die  Anlage  besonderer 
Abluftkanäle  für  die  Entlüftung  der  durch  Öfen  beheizten  Schul- 
Bimmer  soll  in  Zukunft  unterbleiben,  da  die  den  Luftwechsel 
regelnden,  verstellbaren  Klappen  vor  den  Einströmungsöffiiungen  der 
Kanäle  vielfach  unrichtig  oder  überhaupt  nicht  gehandhabt  wurden, 
so  dafs  der  beabsichtigte  Zweck  der  Kanäle  nicht  erreicht  werden 
konnte,  und  da  femer  auch  nach  den  gemachten  Erfahrungen  die  in 
der  kälteren  Jahreszeit  erforderliche  öffiiung  der  dem  Fufsboden  zu- 
nächst befindlichen  Klappe  dieser  Kanäle  dem  Fnüsboden  infolge  der 
im  Baume  entstehenden  Luftbewegung  in  empfindlicher  Weise  ab- 
kühlt.    Aus  den  gleichen  Gründen  sollen«  die  Einströmungsöffiiungen 

16* 


290 

der  bereits  bestehenden  AblufÜcanäle  in  den  bisher  erbauten  und 
mit  Ofenheizung  versehenen  Schulen  dauernd  in  geeigneter  Weise 
geschlossen  werden *'. 

Es  ist  demnach  der  Yentilationsofen,  jedoch  ohne  Abluftkanäle, 
gestattet.  Derselbe  hat  den  Vorteil,  dals  der  Fu&boden  und  die 
unteren  Luftschichten  etwas  w&rmer  werden  als  bei  der  ein&ohsB 
Ofenheizung.  „Ist  der  Ventilationsofen  nicht  mit  Abluftkanälen 
verbunden,  so  wird  auch  die  Luft  für  Schulen  nicht  zu  trocken. 
Auch  eine  Staubgefedir  ist  kaum  vorhanden,  wenn  die  Luft  nicht 
aus  staubigen  Gklngen  bezogen  wird;  der  Frischluftkanal  mub  im 
Freien  mflnden.  Ftlr  letzteren  Fall  genügt,  dals  der  Frisohluftkanal 
bei  staubiger  Witterung  abgestellt  werden  kann  und  abgestellt  wird. 
Staubkammem  sind  überflüssig.^    (ELKOsaER,  1.  c,  S.  70.) 

Li  Frankreich  sind  dagegen  die  Abluftkanäle  nach  der  Lostrok- 
tion  von  1893  noch  vorgeeohrieben,  indem  es  daselbst  heilst: 
(Art.  27.)  ^Des  dispositions  seront  prises  pour  assurer,  concurrem- 
ment  avec  le  chauffage,  une  Ventilation  convenable  de  toutes  les 
partiee  de  la  salle  de  dasse.  Les  orifices  de  l'aco^  de  l'air  pur  qui 
devra  6tre  pris  immMiatement  ä  l'ext^rieur,  et  les  orifices  d'tehappe- 
ment  de  l'air  vici^  aurout  une  suction  süffisante  pour  prä^enir  les 
obstructions."     (G-.  Baüd&an,  1.  c.  S.  52.) 

g)  Heizung.  Wohl  ebenso  unerläislioh  als  die  Erhaltung  einer 
gesunden,  reinen  Luft  im  Schulzimmer  ist  die  Beschaffung  einer  un- 
serem Körper  bekömmlichen  konstanten  Temperatur. 

Deren  Grad  kann  mit  Sicherheit  nur  mittels  eines  Thermo- 
meters bestimmt  werden.  Daher  ist  auch  sowohl  in  Frankreich  als 
in  Elsals  -  Lothringen  die  Bestimmung  getroffen,  dals  sich  ein 
solcher  in  jedem  Klassenzimmer  vorfinden  soll:  „Zur  Begnlienmg 
einer  angemessenen  Temperatur*',  sagt  die  „Verfügung  des  Ober- 
präsidenten",  „ist  in  jedem  Schulzimmer  ein  Thermometer  in  1,5  m 
Höhe  über  dem  FuiBboden  aufzuhängen^.  Die  „Vorschriften  und 
Regeln  über  Heizung  und  Lüftung  der  Schulzimmer*',*  fügt  noch 
folgendes  zu  dieser  Bestimmung  hinzu:  㤠 1.  Dasselbe  ist  auf  einer 
Unterlage  von  Holz  (Brettchen)  oder  von  dicker  Pappe,  1,50  m  hoch, 
von  Fenster,  Tür  und  Heizung  entfernt,  zu  befestigen.  Zur  Beob- 
achtung der  Temperatur  im  Freien  ist  ein  zweites  Thermometer  im 
Hofe  eines  jeden  Schulhauses,  geschützt  vor  direkten  Sonnenstrahlen, 


^  Kleine  Broschüre,   den  Lehrern  StraiflbnrgB  zugestellt    Abgedmcki  in 
EanoBB,  Der  Wert  der  VeiUUaUon.  S.  90. 


291 

Regen  and  Schnee,  anzubringen.*'  Das  „S^lement^  en&ält  folgende 
diesbezügliche  Bestimmung:  „Ghaque  dasse  sera  munie  d'un  thermo- 
mdtre  plac^  ä  une  assez  grande  distanee  du  podle. 

Die  Temperatur  darf  offenbar  in  einem  Schulzimmer,  in  dem 
riele  Personen  zusammen  sich  aufhalten,  nicht  nach  den  individu- 
ellen Empfindungen  eines  einzelnen,  z.  B.  der  Lehrperson,  bestimmt 
werden.  Es  muTs  yielmehr  dasjenige  Temperaturmittel  Berüdcsichti- 
gung  finden,  welches  erfahrungsgemäJs  als  das  zaträgliohste  erscheint. 
BuBNBB^  ist  der  Meinung,  dafis  man  bei  der  in  unseren  Breiten  üb- 
lichen (mittleren)  Bekleidung,  sowie  bei  einer  relativen  Feuchtigkeit 
von  40— 607o,  für  Schulsäle  17—19«^  C.  nehmen  solle.  Die  Ver- 
Ordnung  in  Elsals-Lothringen  gibt  16—20^  C.  oder  13—16^  R.  als 
zulässiges  Mittel  an.  Hiermit  kommt  man  bei  uns  in  den  meisten 
Fallen  recht  gut  aus.  Dahingegen  scheint  die  im  „B^lement''  ge- 
forderte Temperatur  von  14 — 16^  G.  nicht  allen  Anforderungen  zu 
entsprechen.  Eine  Temperatur  von  14^  C.  mOge  für  kräftige,  ältere 
Schüler  genügend  sein,  für  kleinere  Kinder  und  ältere  Lehrer  ist 
sie  sicher  zu  gering,  besonders  wenn  sie  in  einer  Höhe  von  1,5  m, 
also  etwa  in  Kopfhöhe,  gemessen  wird,  wie  dies  auch  ohne  die  be- 
treffende Yoischrift  zu  geschehen  pflegt. 

La  den  bei  uns  geltenden  vorhin  schon  erwähnten  „Vorschriften 
und  JEtegeln  über  Heizung  und  Lüftung  der  Sohulzimmer^,  wird 
nachstehende  Forderung  angestellt:  㤠 4.  Es  ist  Pflicht  des  Lehrers, 
stets  darauf  zu  achten,  dafs  die  Wärme  des  geheizten  Schulzimmers 
mindestens  15^  beträgt,  20^  aber  nicht  übersteigt,  da  überheizte 
Zimmer  ebenso  schädlich  sind  wie  zu  kalte*". 

Hieraus  ergibt  sich  von  selbst  die  Temperatur,  bei  welcher  ge- 
heizt werden  muls.  Da  die  Luft  des  Schulzimmers,  selbst  wenn 
geheizt  wird,  immer  etwas  höher  zu  sein  pflegt  als  die  AuTsen- 
temperatur,  so  braucht  man  meistens  erst  zu  heizen,  wenn  im  Freien 
die  Temperatur  15^  oder  wenig  darunter  beträgt. 

In  unseren  Schulen  gilt  hierfür  folgende  Vorschrift:*  §  2. 
„Wenn  die  Temperatur  im  Freien  10 — 15®  beträgt,  so  ist  es  dem 
iSrmeflsen  des  Lehrers  anheimgestellt,  das  Schulzimmer  heizen  zu 
lassen.  Die  Luft  bewohnter  Bäume  hat  fast  stets,  auch  wenn  letz- 
tere nicht  geheizt  sind,  eine  höhere  Wärme  als  die  Luft  im  Freien, 
such   nimmt   in   der  Regel  die  Luftwärme  bis  etwa  2  Uhr  nach- 


^  RuBRSR,  Lehrbuch  der  Hygiene,  S.  157. 

*  VorBchrifien  und  Begeln  über  Heizung  und  Lfiftang  der  Sehnlsimmer. 


292 

mittags  zn,  so  dafs  das  Einheizen  für  gewöhnliob  noch  niolit  not- 
wendig erscheint.  Sobald  aber  der  Lehrer  bemerkt,  dais  die  Sohüler 
frieren,  so  ist  das  Einheizen  anzuordnen**.  §3.  „Q^ht  die  Lufl  im 
Freien  unter  10®,  so  darf  von  der  Heizung  nicht  abgesehen  werden. 
Die  Schulräume  müssen  bei  Ofenheizung  eine  volle  Stunde  vor  Be- 
ginn der  Schulzeit  geheizt  werden,  damit  nicht  allein  die  Luft, 
sondern  auch  FufsbOden,  Wände  und  Schulgeräte  V«  Stunde  vor 
Beginn  des  Unterrichts  durchwärmt  sind.  Auch  die  Warteräume 
müssen  in  gleicher  Weise  vor  der  Ankunft  des  zuerst  kommenden 
Schülers  durchwärmt  werden.  Bei  Gas-  und  Zentralheizungsanlage 
gelten  je  nach  dem  System  andere  Vorschriften.^ 

Man  kann  wohl  die  Ansicht  aussprechen,  dals  diese  Bestimmungen 
im  allgemeinen  genügen.  Höchstens  könnte  man  darüber  verschie- 
dener Meinung  sein,  ob  bis  zu  10®  die  Heizung  dem  Ermessen  des 
Lehrers  anheimgestellt  werden  soll.  Im  allgemeinen  wird  bis  zu 
10®  Aufsentemperatur  die  Temperatur^  im  Schulzimmer  hoch  genug 
sein,  so  dais  nicht  geheizt  zu  werden  braucht. 

Was  nun  die  Vorschriften  betrifft,  welche  sich  mit  dem  Heizungs- 
system selbst  befassen,  so  fällt  vor  allem  auf,  dals  sowohl  in  der 
elsafs-lothringischen  Verfügung  als  auch  im  „Biglement"  nur  die 
sog.  Lokalheizung  Berücksichtigung  gefunden  hat,  indem  der  so 
wichtigen  Zentralheizung  keine  nähere  Aufmerksamkeit  geschenkt 
wird. 

Bevor  ich  jedoch  näher  erOrtere,  ob  die  Zentralheizung  Auf- 
nahme in  die  Schul- Verordnungen  verdient,  wollen  wir  zunächst 
sehen,  welche  Lokalheizung  nach  dem  Wortlaute  der  Verfügungen 
in  Betracht  kommt,  und  ob  dieselbe  die  an  die  Heizung  zu  stellen- 
den Forderungen  erfüllt. 

„Zur  Erwärmung  der  Schulzimmer  —  sagt  die  „Verfügung  des 
Oberpräsidenten*'  —  sind  Kachelöfen  oder  auch  eiserne  Öfen 
zulässig.  Letztere  sind  so  zu  konstruieren,  dais  sie  nicht  glühend 
werden  kOnnen,  daher  sie  nach  Art  der  Meidinger sehen  Füll-  und 
Regulieröfen  mit  einem  festen  Mantel  zu  umgeben  sind,  in  welchen 
die  frische  Luft  in  der  Nähe  des  FulÜsbodens  eintritt  und  aus 
welchem  am  oberen  Teile  die  erwärmte  Luft  in  das  Zimmer  aus- 
tritt, wobei  die  Öffiiungen  durch  Schieber  zu  regulieren  sind.*"  Die 
entsprechende  Bestimmung  im  „B^glement^  ist  in  folgenden  Sätzen 
zusammengefalst:  „II  (le  poSle)  devra  Stre  gami  d'une  double  enve- 
loppe  mötallique  ou  d'une  euveloppe  de  terre  ouite.  Le  po§le  en 
fönte  ä  feu  direct  est  interdit." 


298 

Eb  ist  leioht  eniohtlioh,  daJB  die  beiden  Bestimmungen  sidi 
decken.  Beide  gestatten  den  Elachel-  und  den  eisernen 
Ofen,  letzteren  jedoch  nnr  unter  der  Bedingung,  dais  er  mit  einem 
doppelten  Mantel  versehen  ist,  und  rerbieten  den  eisernen  Ofen  mit 
einfachem  Hantel,  worunter  offenbar  auch  der  ^poSle  en  fönte  k  feu 
direct''  zu  verstehen  ist. 

Dals  die  Heizung  mittels  des  Kamins  in  den  Verfügungen 
ttberhaupt  nicht  erwähnt  wird,  scheint  uns  hier  in  Elsals-Lothringen 
ganz  selbstverständlich,  und  es  sind  die  mannigfachen  Nachteile  dieses 
Heizungssystems  hinreichend  bekannt.  Wichtig  ist  jedoch,  dals  man 
auch  in  Frankreich  allmählich  davon  abgekommen  ist  und  dasselbe 
in  den  Schulen  keine  Verwendung  findet. 

Wie  schon  erwähnt,  dürfen  sowohl  in  Elsa&Lothringen  als 
auch  in  Frankreich  Kachelofen  (podle  garni  d'une  euveloppe  de 
terre  cuite)  zur  Verwendung  kommen.  Da  dieselben  sich  und  somit 
auch  die  Zimmerluft  nur  langsam  erwärmen,  ist  vorgeschlagen 
worden,  „durch  den  Ofen  eine  Bohre  zu  führen,  welche,  nahe  am 
Boden  beginnend,  in  der  Ebene  der  Ofendecke  ausmündet;  die  in 
dieser  Bohre  lebhaft  erwärmte  Luft  gestattet  eine  rasche  Luft- 
zirkulation durch  den  Zimmerraum '^.^  Hierdurch  wird  offenbar  die 
Erwärmung  der  Zimmerluft  bedeutend  beschleunigt.  Dieses  Ofen- 
system kann  zu  gleicher  Zeit  zur  Herstellung  der  Ventilation 
dienen,  indem  dann  „die  frische  Luft  in  dieses  vom  Eeuer  um- 
spielte Eisen-  oder  Tonrohr  tritt^,  wie  es  in  der  „Verfügung  des 
Oberpräsidenten^  unter  den  Ventilationsvorschriften  bestimmt  ist. 
Kraft  dieser  Vervollkommnung  ist  der  Tonofen  als  ein  für  die 
Schule  recht  zweckmäfsiger  Heizkörper  zu  bezeichnen. 

Was  die  eisernen  Öfen  betrifft,  so  sind  die  betreffenden  Be- 
stimmungen, besonders  bei  uns,  viel  präciser.  Das  Eisen  nimmt 
infolge  seiner  greisen  Leitungsf^gkeit  die  Wärme  aufserordent- 
lich  schnell  auf,  gibt  sie  jedoch  auch  ebenso  schnell  wieder 
ab.  Die  Folgen  davon  sind  bei  nicht  ganz  genau  regulierter  Feue- 
rung zu  rascher  und  zu  grober  Temperaturwechsel,  der  die  Lisassen 
der  Schulzimmer  mannigfachen  Erkältungskrankheiten  aussetzt.  Femer 
wird  das  Eisen  bei  einer  etwas  energischen  Feuerung  leicht  glühend, 
was  dann  eine  allzu  grofse  WärmestrahluDg  xmd  das  Verbrennen 
organischer  Staubbestandteile  der  Luft  zur  Folge  hat.  Diese  Nach- 
teile können  vermieden  werden,  wenn  man  den  Bestimmungen  der 


^  SoHiHTZ,  Die  HeisuDg  and  Ventilation  in  Fabrikgeb&aden. 


294 

ekaCs^othringisdien  Verfagang  nachkommt  und  den  eisernen  Ofen 
mit  einem  Doppelmantel  versieht,  ^in  welchen  die  frische  Lnft  in 
der  Nähe  des  Fnfsbodens  eintritt  nnd  ans  welchem  ans  dem  oberen 
Teile  die  erwärmte  Lnft  in  das  Zimmer  tritt".  Es  sind  dies  die 
nach  Meidingbb  konstruierten  Öfen,  die  WoiiFEBT  -  Öfen  nnd  noch 
viele  andere  in  nenerer  Zeit  hergestellte  Systeme. 

Eine  Kombination  von  Eisen  nnd  Ton  findet  sich  in  den  mit 
Mänteln  versehenen  Begulierfüllöfen.  Hier  vereinigen  sich  die  Vor- 
teile beider  Materialien,  während  die  Nachteile  beider  sich  gegen- 
seitig anfheben. 

Für  die  zu  wählende  Ofengrölse  enthält  die  „Yerfiignng  des 
Oberpräsidenten ^  eine  Anleitung,  indem  sie  bestimmt:  '^^Die  ßröDse 
der  Heizfläche  beträgt  pro  100  cbm  Luftraum  für  eiserne  Öfen  min- 
destens 1  qm,  für  Kachelöfen  6  qm.^  Das  „Böglement"  sagt  da- 
gegen einfach :  „La  surface  de  chauffe  sera  proportionnöe  aux  dimen- 
sions  de  la  salle  ä  chaufPer,  de  &(on  qu'en  moyenne  la  tempörature 
des  salles  atteigne  14  degr^  centigrades  et  ne  d^passe  pas  16  degr^.'' 
Die  Bestimmungen,  welche  die  G-rölse  der  Heizfläche  betreffen,  können 
natürlich  nur  annähernd  den  genaueren  Forderungen  entsprechen,  da 
doch  offenbar  die  vom  Ofen  gelieferte  Wärme  in  jedem  einzelnen 
Fall  besonders  von  der  Menge  des  Heizmaterials  abhängig  ist,  welche 
zur  Verwendung  kommt. 

Einen  genaueren  Anhalt  für  die  Berechnung  der  Ofengrölse  hat 
man  jedenfalls,  wenn  dieselbe  für  eine  gewisse  Anzahl  Quadratmeter 
Zimmerfläche  bestimmt  wird.  Vergleichen  wir  die  in  der  elsafs- 
lothringischen  Verfügung  vorgeschriebene  Oberflächengröfse  mit  den 
Zahlen,  welche  Habtmakn^  gefunden  hat,  so  ist  dieselbe  offenbar 
nicht  hinreichend.  Nach  Habtmakn  kann  nämlich  für  100  cbm 
Bauminhalt  und  Heizung  mit  Ventilation  (Luftzufuhr  von  aulaen) 
bei  eisernen  Öfen  als  ungefähre  Heizflächengrölse  im  allgemeinen 
gerechnet  werden: 

„Für  geschützt  liegende  Bäume  mit  Doppelfenstern  2,4 — 3,0  qm 

Desgl.  mit  einfachen  Fenstern 3,2^-4,0    „ 

Für  ungeschützt  liegende  Bäume  mit  vielen  Doppel* 

fenstem  (Eckräume,  fnüskalte) 3,6 — 4,5 

Desgl.  mit  einfachen  Fenstem 4,8 — 6,8 

Die  kleineren  Werte  gelten  für  grolse  Öfen  und  umgekehrt;  für 
Tonöfen  sind  die  Zahlen  mit  2,5  zu  multiplizieren.  ** 

^  Habtmank,  Banknnde  des  Architekten  (1891),  1.  Band,  8.  926.  2.  Aufl. 
Citiert  nach  Büboirstbiv  nnd  Netolitzct,  1.  c,  S.  158. 


895 

Sind  diese  Bereohnungen  riditig,  8o  mflliste  die  betreffende  Vor- 
schrift abgeftndert  werden,  da  die  daselbst  angegebenen  Zahlen  weit 
unter  denen  von  Habtmakk  bleiben. 

Soll  die  Heizung  der  Öfen  im  Innern  des  Schnlzimmers  selbst 
oder  von  anisen,  vom  Korridor  her,  besorgt  werden?  In  diesem 
Punkte  befinden  sioh  das  französische  „Bäglement^  und  die  »Ver- 
fägung  des  Oberprfisidenten^  in  direktem  Widerspruch.  Letztere 
schreibt  vor:  ^Die  Heizung  der  Öfen  erfolgt  von  innen  mit  her- 
metischem Yerschluls  der  Heiztüre  und  nicht  völlig  schlieisender 
Ofenklappe*^.  Die  Heizung  von  innen  ist  allerdings  yiel&oh  be- 
quemer, besonders  auf  dem  Lande.  Wird  nämlich  die  Heizung  vom 
Korridor  her  besorgt,  so  mufe  diese  Funktion  einer  Dienstperson 
anvertraut  werden.  In  kleineren  Landschulen  ist  jedoch  eine  solche 
meist  nicht  vorhanden,  so  dals  die  Heizung  von  der  Lehrperson 
selbst  überwacht  werden  muis.  In  gröiseren  Landschulen  dagegen, 
wo  es  an  Dienstpersonal  nicht  fehlt^  würde  die  Heizung  vom  Korri- 
dor  aus  vorzuziehen  sein.  Hierdurch  würde  die  Verunreinigung  der 
Zimmerluft  durch  das  Brennmaterial,  die  Asche  und  die  Ver- 
brennungsprodukte  wegfallen,  letzteres  natürlich  nur,  weim  der  Ofen 
nachi  dem  Innern  des  Zimmers  dicht  abgeschlossen  ist.  Aus  diesen 
G-ründen  enthalt  das  „Reglement*'  folgende  Bestimmung:  „Lorsqu'un 
agent  sera  chargä  de  Tallumage  et  de  l'entretien  des  podles  d'une 
^cole,  oes  pogles  auront  leur  Ouvertüre  de  chargement  ä  l'ext^rieur  de 
la  olasse.''  Für  den  FaU,  dafs  ein  solcher  „agent"  nicht  bestellt  ist, 
kann  der  Ofen  von  innen  beschickt  werden,  die  zur  Verbrennung 
nötige  Luft  soll  er  jedoch  trotzdem  von  aufsen  bekommen:  „Le  podle 
prendra  ä  Fext^rieur  Tair  pur  nöcessaire  ä  la  combustion  et  ä  la 
Ventilation".  Bei  dicht  schlieisender  Heiztüre  ist  so  das  Eindringen 
von  ungesunden  Verbrennungsprodukten  in  das  Zimmer  vermieden, 
und  es  sind  daher  die  Vorteile  dieser  französischen  Bestimmung 
nicht  zu  unterschätzen. 

Sonderbarerweise  enth&lt  die  elsafs*lothringische  Verfügung  noch 
eine  Vorschrift  über  die  Ofenklappe,  von  der  gefordert  wird,  „daiS9 
sie  nicht  völlig  schUefsen  darf".  Es  ist  hiermit  die  früher  so  be- 
liebte Ofenklappe  am  Abzugsrohr  gemeint  Es  ist  jedoch  hinreichend 
bekannt,  dals  gerade  durch  das  Schlielsen  der  Ofenklappen,  selbst 
wenn  dies  nur  teilweise  geschieht,  das  Austreten  der  Verbrennungs- 
gase in  das  Zimmer  begünstigt  wird.  Es  wäre  demnach  angebracht, 
das  Anbringen  solcher  Ofenklappen  direkt  zu  untersagen.  Dieselben 
sind  übrigens  in  den  meisten  Städten  durch  besondere  städtische  (poli- 


296 

zeiliohe)  VerordntiDgeD  bereits  verboten,  weil  dorob  das  Sohlieliseii 
derselben  die  Entwicklung  von  Koblenoxydgas  begünstigt  und  hier- 
durch Vergiftungen  yerursacht  werden  können. 

Nach  der  ,, Verfügung  des  Oberprftsidenten*'  ^ist  den  Öfen  eine 
solche  Stellung  zu  geben,  dafs  das  Schulzimmer  möglichst  gleich- 
mäifiig  erwärmt  wird,  ohne  dais  die  Schüler  durch  die  strahlende 
Warme  belästigt  werden**.  Am  besten  ist  „der  Ofen  an  der  der 
Fensterwand  gegenüberliegenden  Längenwand  aufzustellen.  Die  Ent- 
fernung des  Ofens  von  den  ihm  zunächststehenden  Subsellien  beträgt 
mindestens  1  m.^  Letztere  soll  nach  dem  „B^glement''  1,25  m  be- 
tragen. „Un  espace  Ubre  de  1,25  sera  laiss^  entre  le  podle  et  les 
^l^ves.''  Auüserdem  soll  bei  uns  nach  den  „Vorschriften  und  Regeln 
über  Heizung  und  Lüftung  der  Schulzimmer^  folgende  Malsregel 
befolgt  werden:  §  5.  „Die  in  der  Nähe  des  Ofens  sitzenden  Kinder 
sind  vor  dem  Einflüsse  der  strahlenden  Wärme  durch  Ofenschirme 
aus  Weifsblech  zu  schützen,  soweit  solche  nach  der  Beschaffenheit 
der  Öfen  nötig  sind".  Durch  diese  Maisregeln  ist  den  Übelständen 
der  strahlenden  Wärme  für  die  in  der  Nähe  sitzenden  Schüler  nach 
Möglichkeit  abgeholfen.  „Die  Aufstellung  in  der  Mitte  des  Zimmers 
ist  unstatthaft*^,  sagt  die  „Verfügung  des  Oberpräsidenten',  wohl 
hauptsächlich  deshalb,  damit  die  Bauchrohre  nicht  über  die  Köpfe 
der  Sander  geführt  werden,  was  übrigens  im  „B^glement^  aus- 
drücklich yerboten  ist.  „II  est  interdit  de  faire  passer  le  tuyau  ob- 
liquement  audessus  de  la  tdte  des  eläves." 

Die  weitere  Betrachtung  der  Heizungsanlagen  führt  uns  zu  der 
Frage,  ob  man  in  den  Schulzimmern  einer  künstlichen 
Befeuchtung  der  Luft  bedarf  oder  nicht.  Es  wird  diese 
Ma&regel  in  den  „Vorschriften  und  B.egeln  über  Heizung  und  Lüftung 
der  Schulzimmer'  für  gewöhnlich  nicht  für  notwendig  erachtet. 
§  7.  „Die  künstliche  Befeuchtung  der  Schulluft  durch  Verdunsten 
von  Wasser  ist  in  der  Regel  nicht  notwendig,  da  die  groJsen  Mengen 
von  Wasserdampf,  welche  durch  Lungen  und  durch  Haut  abgegeben 
werden,  zur  Befeuchtung  der  durch  die  Heizung  erwärmten  Sohul- 
luft  genügen.  Eine  allzu  dunstige  Luft  ist  ebenso  schädlich  wie 
eine  allzu  trockene.  Die  künstliche  Befeuchtung  ist  nur  bei  der 
Luftheizung  und  bei  Ventilationsmantelöfen  mit  Zuluftkanälen  und 
Abzugskaminen  notwendig.  Auch  in  grolÜsen  Sohulzimmem  mit  wenigen 
Schülern  ist  gegen  das  Verdunsten  von  Wasser  nichts  zu  erinnern." 

In  Frankreich,  wo  die  künstliche  Ventilation  nach  den  Vor- 
schriften der  Instruktion  von  1893  immer  mit  der  Heizung  einher- 


297 

gehen  mnfe,  ist  anoli  fOr  alle  Fälle  die  kttnstliohe  Befenchtiing  vor- 
gesehen :  „n  (le  po^e)  sera  ponrva  d'on  röservoir  k  ean  mtini  d'tine 
sarfaoe  d'^vaporation^.  (Reglement.)  Da&  bei  Vorhandensein  einer 
solchen  Ventilation  die  Befenohtnng  der  Lnft  notwendig  ist»  ebenso 
wie  bei  der  Luftheizung,  geht  ans  folgenden  Tatsachen  hervor :  Das 
SättigungsvermGgen  der  Lnft  für  Wasserdampf  steigt  mit  der  Tempe- 
ratorerhohung,  nnd  zwar  in  rascherer  Proportion  als  die  Temperatur. 
Sie  muls  daher,  wenn  eine  andere  Quelle  fär  Wasserdampf  nicht 
vorhanden  ist,  dem  menschlichen  KOrper  Wasser  entziehen.  Li  den 
Schulzimmem  nun,  in  welchen  durch  die  genannte  künstliche  Ven- 
tilation immer  von  neuem  gewärmte  Luft  zugeführt  wird,  wiederholt 
sich  dieser  Vorgang  fortwährend,  weshalb  die  Luft  als  trocken 
empfunden  wird.  Dies  ist  vor  allem  für  die  Lehrpersonen  sehr 
lästig,  weil  die  Wasserentziehung  besonders  auf  Kosten  der  Schleim- 
häute  geschieht  und  hierdurch  das  Sprechen  beträchtlich  erschwert 
wird.  Diesem  Übelstande  mufe  daher  bei  der  Ventilationsheizung 
durch  künstliche  Befeuchtung  abgeholfen  werden. 

Um  die  Kinder  vor  Verbrennungsgefahr  zu  schützen  und  wohl 
auch  um  dieselben  daran  zu  verhindern,  die  Heizung  nach  eigenem 
Gutdünken  zu  besorgen,  empfiehlt  das  „Reglement",  den  Ofen  mit 
einem  Eisengitter  zu  umgeben:  „II  sera  entourö  d'une  grille  en  fer**. 
Es  ist  dies  durchaus  nicht  unwesentlich,  denn  jedermann  weiTs  aus 
eigener  Erfahrung,  dals  die  Schüler  durch  eigenmächtige  Hand- 
habung der  Heizung  sich  vielfach  zum  Schaden  ihrer  eigenen  Gre- 
sundheit  vergehen. 

Dalis  das  „Reglement''  erlaubt,  einen  Ofen  für  zwei  aneinander- 
stolsende  Erlassen  zu  benutzen,  halte  ich  nicht  für  praktisch,  da  auf 
diese  Weise  sowohl  die  Heizung  als  auch  die  Ventilation  jedes  ein- 
zelnen Schulzimmers  nicht  immer  nach  Bedarf  gehandhabt  werden 
kann. 

Ich  habe  oben  schon  bemerkt,  dals  die  Zentralheizung  weder 
in  der  einen  noch  in  der  anderen  Verfügung  hinreichend  Berück- 
sichtigung gefanden  hat.  Dies  entspriobt  nicht  mehr  der  gegen- 
wärtigen Praads,  da  in  vielen  gröfseren  Schulen  man  in  neuester 
Zeit  die  Lokalheizung  verlassen  hat  und  zur  Zentralheizung  überge- 
gangen ist,  deren  Vorteile  sich  folgendermafsen  zusammenfassen  lassen : 
Bequemere  und  bessere  Regulierbarkeit  der  Verbrennung  und  Aus- 
nutzung des  Brennmaterials,  geringere  Feuergefährlichkeit  als  bei 
Binzelheizung  infolge  der  geringeren  Zahl  von  Feuerstellen,  leichtere 
Möglichkeit  ununterbrochener    Heizung,    gröüsere    Reinlichkeit    des 


298 

SohnlhauBes,  Erleiohterong  der  künstlichen  Ventilation,  nnd  sohlielfi- 
lioh  die  Möglichkeit,  mit  nnbedentenden  Mehrkosten  auch  die  Korri- 
dore nnd  Stiegenh&nser  gleichmftlsig  zu  erwärmen. 

Die  einzelnen  Zentralheiznngssysteme  näher  zu  erörtern,  kann 
hier  nicht  meine  Anfgabe  sein.  Es  wäre  übrigens  nnzweckmäfsig, 
in  einer  Verfügung  das  eine  oder  das  andere  System  Torznschreiben^ 
nnd  es  wird  die  Frage,  welches  System  in  Anwendung  kommen  soll, 
am  besten  in  jedem  einzelnen  Fall  je  nach  den  Umständen  au  ent* 

scheiden  sein. 

(SoUnlB  folgt) 


Uns  ^txfamminuitn  tinb  Detretne«. 


Znr  Schnlarztfrage. 

Vortrag,  gehalten  Yon  Prof.  A.  Schattekfbou  in  der  Yollversammlimg 
der  österreichischen  Gesellschaft  für  Gesundheitspflege. 

{Monatsschrift  für  aemndMtspfUge,  1902,  No.  11.)' 

Nachdem  der  Vortragende  in  einigen  Worten  auf  den  gegenwärtigen 
Stand  der  schnlärztlichen  Einrichtungen  allerorten  eingegangen  ist,  macht 
er  seine  Znhörer  mit  der  yielfach  yorbildlich  gewordenen  Wiesbadener 
Dienstordnung  bekannt  und  weist  auf  einige  Abweichungen  anderer  Städte 
von  dieser  hin.  Er  bestätigt  im  folgenden,  dals  die  schulärztlichen  In- 
stitutionen sich  bis  Jetzt  aufs  beste  bewährt  haben.  Die  Eltern  lernten 
überall  bald  einsehen,  dals  die  Untersuchung  ihrer  Kinder  und  deren  Be« 
aufsichtigung  durch  einen  Arzt  in  den  Schulen  nur  Vorteile  bringen  könne. 
In  Ärztekreisen  ist  das  Müstrauen  gegenüber  den  Schulärzten  so  ziemlich 
aDgemein  einem  fireundlichen  Entgegenkommen  gewichen,  seitdem  man 
erkannt  hat,  dab  die  Behandlung  des  erkrankten  Kindes  niemals  Sache 
des  Schularztes  ist.  Es  kann  ja  auch  nur  eine  Förderung  der  ärztlichen 
Berufsintentionen  durch  den  Schularzt  gewährleistet  werden,  da  in  vielen 
Fällen  erst  über  Intervention  desselben  die  Eltern  für  ihre  Kinder  ärzt- 
liche Hilfe  aufsuchen.  Sehen  wir  uns  nach  den  Erfolgen  um,  welche  die 
schulärztliche  Einrichtung  aufzuweisen  hat,  so  kommt  in  erster  Linie  die 
Entdeckung  von  Krankheiten  bei  der  Untersuchung  der  neu- 
eingetretenen Schüler  in  Betracht.  Anlserdem  sind  noch  bemerkens- 
werte Erfolgein  der  Verbesserung  der  Schüllokalitäten  und  deren 
Einrichtungen  zu  verzeichnen.  Was  die  Verhütung  von  Infek- 
tionskrankheiten betrifft,  so  erwartet  der  Vortragende  nicht  allzuviel 
vom  Schularzte.  Selbst  wenn  der  Lehrer  berechtigt  ist,  jeden  verdächtigen 
Schüler  zum  Arzte  zu  sdücken,   wird  dieser  häufig  nicht  mehr  im  stände 


299 

sein,  einer  Weitervorbreitong  der  ansteckenden  Krankheit  zu  begegnen. 
Den  HanptTorteil  der  Intervention  des  Schnlarztes  bei  ansteckenden  Krank- 
heiten sieht  der  Verf.  darin,  dals  derselbe  im  Falle  des  Schnlschhisses 
bei  der  Desinfektion  rasch  persönlich  eingreifen  kann  und  sich  nicht 
darauf  beschränken  mnb,  alle  diese  Dinge  einfadi  nnr  anzuordnen. 

Mit  Oenngtnnng  konstatiert  der  Verf.,  dab  die  weitaus  gröCste  Mehr- 
zahl der  Lehrer  gegenwärtig  dem  Schulärzte  mit  Vertrauen  entgegenkommt, 
ja  denselben  oft  tatkräftig  fördert  und  unterstatzt.  Eine  selbstyerständ- 
liche  Voraussetzung  fllr  die  gedeihliche  Entwicklung  der  Schu^gend  ist 
es,  dab  Lehrer  und  Arzt  an  deren  Wohl  Hand  in  Hand  ar- 
beiten,  und  jeder  gewissenhafte  Pädagoge  sollte  firoh  sein,  die  schwere 
Verantwortung  f&r  das  Wohl  der  ihm  anvertrauten  Kinder  nicht  aaf  seinen 
Schultern  allein  tragen  zu  müssen.  Die  Quelle  des  ursprünglichen  aUge- 
mein^i  Milstrauens  war  die  Besorgnis,  es  könnte  dem  Schularzte  das  Recht 
eingeräumt  werden,  in  das  Gebiet  des  Unteirichtes  einzudringen.  Auber- 
dem  fOrchtete  man  die  durch  die  ärztlichen  Besuche  verursachten  Störungen 
des  letzteren,  und  weiter  vermutete  man  in  dem  künftigen  Schularzte  einen 
neuen  Vorgesetzten,  der  Schulleitem  und  Lehrern  nach  seinem  GutdOnken 
Weisungen  erteilen  würde. 

Was  den  ersteren  Punkt  betrifit,  so  hat  man  im  allgemeinen  davon 
Abstand  genommen,  dem  Schularzte  jetzt  schon  einen  Einflub  auf  den 
Unterricht  einzuräumen.  Der  Verf.  hält  das  auch  für  richtig.  An  dem 
Lehrplane  kann  er  ebensowenig  wie  der  Lehrer  Veränderungen  vor- 
nehmen, und  wenn  er  auch  dabei  von  den  besten  Absichten  geleitet  wäre. 
Die*  Ermüdungs-  oder  besser  Erschöpfnngsfrage  spielt  auberdem  itür  die 
Volksschule  lange  nicht  die  Rolle  wie  für  die  höheren  Sdinlen.  Ist  so- 
mit dem  Schularzte  gegenwärtig  eine  dh*ekte  Einflubnahme  auf  den  Unter- 
richt unmöglich,  so  wird  er  es  sich  doch  angelegen  sein  lassen  müssen, 
anläblich  seiner  periodischen  Klassenbesuche  auf  Überbürdung  emzelner 
Schüler  zu  achten,  soweit  ihm  gewisse  Symptome,  wie  Nervosität,  Ab- 
nahme des  Körpergewichtes  u.  a.  hierzu  eine  Handhabe  bieten.  Was  die 
Lehnnittelirage  anlangt,  so  weist  der  Verf.  deren  Regelung  den  Zentral- 
stellen unter  Zuziehung  sanitärer  Fachräte  zu.  Auf  die  schulärztlichen 
Inspektionen  während  des  Unterrichtes  will  Verf.  nicht  verzichten;  einmal 
nicht,  weil  der  Arzt  Gelegenheit  haben  müsse,  den  Gesundheitszustand  der 
Schulkinder,  wenn  auch  nur  durch  eine  äuberliche  Inspektion,  fortlaufend 
zu  kontrollieren,  dann  aber  auch  nicht,  weil  in  Bezug  auf  Einrichtungen 
der  Schularzt  eher  in  der  Lage  sei,  seinen  Forderungen  Nachdruck  zu 
verleihen  als  etwa  ein  Klassenlehrer,  der  seine  Wege  bald  verrammelt 
finden  wird.  Aus  diesem  letzteren  Grunde  möchte  Verf.  dem  Schularzte 
auch  die  Fürsorge  über  die  Einrichtungen  in  der  Schule  zugewiesen  haben. 

Am  idealsten  wird  den  schulhygienischen  Forderungen  entsprochen 
werden  können,  wenn  Arzt  und  Lehrer  mit  einander  kooperieren,  speziell 
der  Lehrer  nach  Kräften  den  Schularzt  unterstützt.  Zum  Zwecke  einer 
intensiveren  Heranziehung  des  Lehrers  zu  gemeinsamer  Tätigkeit  ist  eine 
viel  gründlichere  Unterweisung  des  Lehrerstandes  in  der 
Hygiene,  speziell  der  Schulhygiene,  nötig  als  bisher.  Zweckmäbig  ist 
es,  wenn  einerseits  in  der  Lehrerbildungsanstalt  Unterricht  in  den  Grund- 


300 

lagen  der  Hygiene  erteilt  wird,  und  wenn  andererseits  die  Lehrer  Gelegen- 
heit haben,  in  Fortbildnngsknrsen  Kenntnisse  in  schnlhygienischen  Fragen 
zn  erwerben. 

Ein  Grenzgebiet  zwischen  Lehrer  und  Arzt  ist  die  Begatachtnng 
des  Geisteszustandes  der  sogenannten  schwachsinnigen  oder 
minderwertigen  Kinder,  nnd  von  hoher  Wichtigkeit  ist  es,  dals 
letztere  ans  den  Normalschnlen  ausgeschaltet  und  entsprechenden  Hü&- 
schulen  überwiesen  werden,  da  ja  oft  der  ganze  Lernerfolg  durch  einige 
solcher  armen  Geschöpfe  in  Frage  gestellt  wird.  Zweifellos  ist  in  enter 
Linie  der  Psychiater  berufen,  die  Entscheidung,  ob  ein  Kind  schwachsinnig 
ist  und  einer  besonderen  Behandlung  bedarf,  zu  fiUlen,  dem  Arzte  gegen- 
über hat  aber  der  Lehrer,  der  auf  seinen  Erfahrungen  fnÜBt,  manches  vor- 
aus. Jedenfalls  ist  die  Forderung  berechtigt,  dafs  der  Schularzt 
neben  den  Kenntnissen  eines  tüchtigen  praktischen  Arztes 
und  neben  einer  tüchtigen  Ausbildung  in  der  Hygiene  auch 
über  ein  gewisses  Mafs  von  psychiatrischem  Wissen  verfügt. 

Die  Ausführungen  des  Verf.,  die  ich  in  ihrer  Allgemeinheit  billige, 
geben  uns  einen  verstftndlichen  Überblick  über  den  heutigen  Stand  der 
Schularztfrage  für  die  Volksschule.  Vielleicht  findet  Verf.  früher  oder 
später  Gelegenheit,  wie  auch  ursprünglich  beabsichtigt  gewesen  zu  sein 
scheint,  die  höheren  Schulen  in  den  Kreis  seiner  Betrachtungen  zn 
ziehen.  Die  Ausführungen  des  Verf.  haben  der  österreichischen  Ge- 
sellschaft für  Gesundheitspflege  Veranlassung  gegeben,  in  der 
Schularztfrage  selbst  fördernd  vorzugehen  durch  die  Einsetcung  eines 
Komitees  zum  Studium  dieser  Frage,  welches  durch  geeignete  Fachmftnner 
erweitert  werden  soll.  Zur  kritischen  Würdigung  des  SCHATTENi'BOHschen 
Vortrages  verweise  ich  im  übrigen  auf  die  dem  Vortrage  folgende  Dis- 
kussion, und  zwar  insbesondere  auf  die  Ausführungen  des  Direktors 
Emanüel  Bayb  in  seinem  Beferate:  Ist  ein  Schularzt  vom  pftda* 
gogischen  Standpunkte  aus  überhaupt  notwendig.  (Vergl.  Mo- 
natsschr.  f.  GesundheUspfl.  1902.  No.  11.) 

Oberlehrer  Karl  RoLLBB^Darmstadt 


Altintxt  Jtttteilitngen 


Über  die  Erfolge  der  Behandlung  erhoIuBgsbedttrftiger  Kinder 
in  den  Hamburger  Kinderkeilstiitten  im  Jakre  1902  berichten  die 
„Blatt  f.  d.  Hamburg.  Armmwesen**  (Dez.  1902).  Die  unmittelbaren,  in 
den  Kinderheilst&tten  zu  Duhnen,  Westerland*Sylt  und  Oldesloe  erzielten 
Kurerfolge  sprachen  sich  in  einer  Hebung  des  allgemeinen  GesundheitB- 
zustandes,  namentlich  der  Ernährung  und  somit  auch  des  Körpergewichtes 
aus,  das  bei  499  von  529  Kindern  im  Laufe  der  vier  Kurwochen  zwischen 
1 — 10  Pfund  zugenonmien  hat.    Die  Zunahme  betrug  in  der  Mehrzahl  der 


301 

Ftile  2 — 6  Pfund.  Zahlreiche  Kinder  wurden  wegen  Verdacht  anf  Anlage 
zur  Tuberkulose  den  Heflstfttten  übergeben,  wobei  flbrigens  Kinder,  welche 
durch  Husten  oder  Auswurf  fftr  ihre  Umgebung  bedenklich  erscheinen 
konnten,  ausgeschieden  wurden.  Die  Zahl  dieser  Kinder  war  Übrigens  sehr 
gering,  ungemein  wichtig  scheinen  uns  die  folgenden  Bemerkungen,  die 
sich  an  den  Bericht  anschlieben: 

«Wenn  es  nun  —  sagt  der  Berichterstatter  —  in  so  erfreulicher 
Weise  nachweisbar  ist,  wie  sich  solche  Kinder  in  der  kurzen  Zeit  von  drei 
bis  Tier  Wochen  in  den  Kinderheilstfttten  und  Ferienkolonien  bei  guter 
Emfihrung  und  reichlichem  Aufenthalt  in  firischer  Luft  erholen,  und  wenn 
andererseits  der  Arzt  zu  beobachten  Gelegenheit  hat,  wie  bald  dieser  Erfolg 
in  manchen  Fftllen  unter  dem  Einflüsse  der  mangelhaften  Emflhrungs- 
verh&ltnisse  wieder  verschwindet,  so  drängt  sich  der  schon  im  Teijährigen 
Berichte  ausgesprochene  Gedanke  auf,  ob  nicht  durch  eine  umÜEissendere 
und  planmftfsigere  Benutzung  der  Schulspeisungseinrichtungen  der  erzielte 
Erfolg  befestigt  und  so  einem  späteren  Verfall  gerade  dieser  besonders  ge- 
fährdeten Kinder  in  Krankheit  und  Siechtum  mit  Yerhältnismätsig  geringen 
Mitteln  vorgebeugt  werden  könnte. 

Man  wird  in  dieser  Erwägung  bestärkt,  wenn  man  bedenkt,  dafs  die 
in  drei-  bis  vierwOchentHcher  Kurzeit  erzielten,  vielfach  nicht  unbetrilcht- 
lichen  Gewichtszunahmen,  so  erfreulich  sie  an  sich  sind,  doch  zugleich  den 
ernsten  Nachweis  liefern,  dals  sich  die  Mehrzahl  dieser  Kinder  in  einem 
Znstande  der  Unterernährung  befand.  Es  geht  dies  im  besonderen  daraus 
hervor,  dafe  man  so  erhebliche  Gewichtszunahmen  bei  gut  genährten  Kindern 
besser  situierter  Eltern  gewöhnlich  nicht  beobachtet;  bei  solchen  Kindern 
vermag,  wie  z.  B.  in  dem  Jahresberichte  der  Kinderheilstätte  Oldesloe  pro 
1900  hervoi^ehoben  wird,  die  gute  Kost  den  zehrenden  Effekt  der  Sool- 
bftder  etc.  nicht  auszugleichen,  und  das  Körpergewicht  zeigt  daher  in 
manchen  Fällen  sogar  eine  Gewichtsabnahme. 

Ein  solcher  Zustand  der  Unterernährung  aber  hat,  zumal  in  den 
Jahren  der  Entwicklung  des  Jugendlichen  Organismus,  eine  besonders  ernste 
Bedeutung  insofern,  als  er  nicht  nur  bestehende  Krankheitszustände  zu  ver- 
schlimmem und  vorhandene  Krankheitsanlagen  zur  Entwicklung  zu  bringen, 
sondern  auch  Krankheitszustände  hervorzurufen  vermag  (vergl.  das  Auftreten 
der  Skiophulose  in  der  Hälfte  aller  Fälle  bei  Kindern  von  gesunden  Eltern). 

Aus  diesen  Erwägungen  heraus  und  auf  Grund  dieser  Erfahrungs- 
tatsachen schien  es  angezeigt,  die  in  Hamburg  seit  langer  Zeit  bestehenden 
Sebulspeisungseinrichtungen  in  eine  engere  Beziehung  zur  Heilstättenfllrsorge 
der  Kinder  in  der  Art  zu  bringen,  dafs  nach  Rttckkehr  der  Kindar  aus 
den  Heilstätten  die  Kinder  aus  unterstfitzten  Familien  zur  Schulspeisung 
auf  Kosten  der  Armenanstalt,  und  die  Kinder  aus  nicht  unterstutzten  Fa- 
mflien  zur  Schulspeisung  dem  Wohltätigen  Schulverein  empfohlen  worden 
sind.  In  gleicher  Weise  ist  bezfiglich  der  in  den  Ferienkolonien  unter- 
gebrachten und  auch  bezfiglich  der  wegen  Platzmangels  ganz  unberficksichtigt 
gebliebenen  Kinder  verfahren  worden,  soweit  sich  aus  den  ärztlichen  Be- 
richten ein  dringendes  Bedfirfhis  ffir  eine  regelmälsige,  gute  Ernährung 
ergab,  und  insoweit  nach  den  pflegerischen  Berichten  eine  solche  nicht 
dnrch  die  häuslichen  Verhältnisse  gewährleistet  erschien. 


302 

Gerade  von  einer  solchen  engeren  Verbindung  der  Schnlspeisnngs- 
einrichtongen  mit  der  Sache  der  Einderheilstfttten  nnd  Ferienkolonien  darf 
eine  wirksame  nnd  sich  wechselseitig  ergänzende  Förderung  der  Kinder- 
Vorsorge  im  Interesse  der  Erhaltung  der  Yolksgesundheit  sowohl  wie  im 
Interesse  vorbeugender  Armenpflege  erwartet  werden,  zumal  wenn  nicht  nur 
die  Mittel  der  öffentlichen  Annenpflege  für  ihren  beschränkten  Geltungs- 
bereich, sondern  auch  die  reichen  Mittel  der  Privatwohltätigkeit  für  die 
segensreiche  Sache  dieser  Kinderfürsorge  planmäfsig  nach  ärztlichen  Gesichts- 
punkten in  erster  Linie  zu  Gunsten  der  in  ihrer  Gesundheit  nachweislich 
bedrohten  oder  schon  tatsächlich  beeinträchtigten  Kinder  eingesetzt  werdea. 
Nur  das  Auge  des  Arztes  vermag  ja  schon  in  einem  Kinde  den  künftigexi 
Schwindsüchtigen  zu  erkennen,  dessen  Krankheit  vielleicht  erst  nach  zehn 
Jahren  sichtbar  hervortritt.  Solche  Individuen  —  zumal  erblich  belastete  — 
bieten  nämlich  in  der  Tat,  lange  bevor  sie  an  einer  wirklich  badllären 
Erkrankung  leiden,  in  ihrem  Habitus,  dem  Knochenwachstnm,  d^  Muskel- 
entwicklung,  in  ihrem  Wundheilungstriebe,  in  ihrer  Neigung  zu  Schleimhant- 
katarrhen Zeichen  eines  Krankseins,  das  nach  klinischen  Erfahmngen  zu 
den  Yorstadien  der  Tuberkulose  gehört  oder  wenigstens  eine  Neigung  zur 
Tuberkulose  dokumentiert.  Hier  muis  eine  wirksame  Bekämpfung  der 
Tuberkulose  als  Volkskrankheit  einsetzen,  nnd  hier  erscheint  sie  natur- 
gemäb  sehr  viel  dankbarer  und  aussichtsvoller,  als  bei  den  schon  tatsächlich 
an  Tuberkulose  erkrankten  Erwachsenen. 

Und  wie  bei  der  Tuberkulose,  so  ist  es  auch  bei  den  anderen  in  der 
Konstitution  begrändeten  Yolkskrankheiten;  überall  kommt  es  für  eine 
wirksame  Yerhütung  und  Bekämpfung  derselben  darauf  an,  die  auf  dem 
Boden  einer  ererbten  oder  durch  ungünstige  Lebensverhältnisse  erworbenen 
Disposition  sich  entwickelnde  Krankheitsanlage  möglichst  firtthzeitig  zu  be- 
kämpfen, und  das  wird  stets  am  wirksamsten  geschehen  durch  eine  gute, 
regelmäßige  und  zweckmäfsige  Ernähmng,  durch  die  alle  jene  vielfach  un- 
vermeidbaren (xesundheitsschädigungen,  welche  in  den  ungünstigen  Wohn- 
und  Lebensverhältnissen  —  zumal  unserer  modernen  Gro&städte  —  liegen, 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  ausgeglichen  werden  können. 

SchlieMich  mag  an  dieser  Stelle  auch  noch,  wie  im  vorigen  Jahre, 
in  Anregung  gebracht  werden,  ob  es  sich  nicht  empfiehlt,  die  ans  Heil- 
stätten oder  Ferienkolonien  zurückgekehrten  Kinder  in  ähnlicher  Weise, 
wie  dies  bezüglich  der  aus  Sylt  heimgekehrten  ELinder  bereits  von  selten 
der  „Sozialen  Hilfsgruppen",  der  hiesigen  Ortsgruppe  des  Allg.  Deutschen 
Frauenvereins,  geschieht,  der  besonderen  Fürsorge  der  in  der  öffentlichen 
Armenpflege  tätigen  Frauen  zu  unterstellen.  Hierdurch  dürfte  dem  Wohle 
der  Kinder  eine  wesentliche  Förderung  gesichert,  den  Frauen  ein  dank- 
bares Arbeitsfeld  eröffiiet  und  zugleich  die  Privatwohltätigkeit  in  besonders 
glüddicher  Form  zu  einem  die  öffentliche  Armenpflege  ergänzenden  Wirken 
angeregt  werden. 

Über  die  Verwendug  von  DasflessSl  iB  Sehnlzlmmern  teilt  der 
'^33.  Jahresber.  d.  K.  L,'M.'CoU.  über  d,  Medie.-Wes.  i.  Kgr.  Sadtam'^ 
folgendes  mit:  Der  mit  dem  DusÜessöl  in  Ölsnitz  gemachte  Yersuch  ergab,  nach 
einem  Berichte  des  Bezirksarztes,  em  sehr  günstiges  Resultat.  Das  Öl  dringt 
gut  in  den  Fulsboden  ein,  verursacht  keinen  üblen  Geruch,    beim  Kehren 


303 

wird  kein  Stanb  avi^s^wirbelt  und  die  Bftnke  bleiben  frei  yon  Staubbelag. 
Die  Anwendmig  kommt  «nlBerdem  ziemlich  billig  zu  stehen,  denn  die  Kosten 
beliefen  sich  filr  60  (im  Fnisboden  inkl.  Streicherlohn  auf  7^  Mk. 

Yon  den  städtischen  Kollegial  in  Döbeln  ist  beschlossen  worden,  die 
Fn&böden  der  Klassenzinmier  nnd  Korridore  der  städtischen  Schnlen  mit 
einem  jährlich  dreimal  zn  emeaemden  Anstriche  mit  Fnisbodenöl  yerseheo 
zn  lassen. 

Ans  Leipzig  wird  berichtet,  dafs  sich  die  Präparate  des  staubfreien 
Öles  je  länger,  je  mehr  bewähren.  Die  Stanbyerminderong  wird  in  allen 
beteiÜgten  Sehnlen  sehr  angenehm  empfanden.  Das  Streichen  der  Boden- 
flidien  macht  sich  jährlich  etwa  fiänf-  bis  sechsmal  nötig. 

Über  die  Benntinng  des  Sehnlbnnsebades  in  den  attdtiselien 

Seklden  teilt  der  ^33.  Jakresber.  d.  K.  L.-M.-Coü.  über  d.  Meduf.-  Wes. 
f.  Ejffr.  Sadisen^  folgendes  mit: 

Das  SchnUmnsebad  der  YL  Bttrgerschnle  zn  Planen  i.  Y.  wnrde  von 
56%  der  Kinder  benatzt,  nnd  zwar  haben  die  Knaben  6924,  die  Mädchen 
3879  Bäder  genommen.  Der  Preis  eines  Bades  stellte  sich  auf  2  Pf.  — 
Yon  3180  Knaben  nnd  3602  Mädchen  der  YU.  Bttrgerschnle  haben  2370 
=  74%  Knaben  nnd  2139  ==  61 7o  Mädchen,  also  68%  der  Kinder 
Oberhaupt,  das  Schnlbrausebad  benutzt.    Ein  Bad  kostete  der  Stadt  1,5  Pf. 

Die  Schnle  in  Glauchan,  in  welcher  das  Schulbad  eingerichtet  ist, 
zäUt  1000  Knaben  und  1118  Mädchen.  Es  wurden  5883  Bäder  fOr 
Knaben  und  4520  Bäder  fttr  Mädchen,  d.  h.  fOr  jeden  Knaben  fast  6,  fOr 
jedes  Mädchen  reichlich  5  Bäder  gegeben. 

Die  Schule  für  zKrflckgebUebene  Kinder  in  Amsterdam.    In 

dieser  ZeUschrift,  Jahrgang  1900,  S.  44,  machten  wir  dnige  Mitteünngen 
betreffs  dieser  Schule,  welche  yom  „Yerein  f&r  zurflckgebliebene  und  mit 
Sprachfehlem  behaftete  Kinder^  gegilkndet  wurde.  Damals  betrug  die  yon 
der  Stadt  gewährte  Subyention  5000  Fl.  (ungefähr  8300  Mark).  Fflr  das 
laufende  Jahr  wurde  yom  Ausschuis  des  Gemeinderates  der  Antrag  gestellt, 
den  städtischen  Beitrag  auf  12600  Fl.  (21000  Mark)  zu  erhöhen.  Dieser 
YoTBchlag  des  Ausschusses  wurde  yom  Gemeinderat  einem  Ablehnungs- 
antrage aus  dem  Schöbe  der  Yersammlnng  gegenüber  genehmigt. 

Aus  der  Tatsache,  dafe  schon  seit  Jahren  in  Rotterdam  eine  HilfiB- 
schale  besteht,  und  dals  neulich  auch  im  Haag  eine  Hil&klasse  in  Wii^ung 
trat,  sieht  man,  wie  auch  in  Holland  das  Interesse  der  schwachbefähigten 
Kinder,  wenn  auch  yorderhand  in  bescheidenem  Umfange,  gewahrt  wird. 

(Mitget.  y.  Dr.  med.  J.  M.  C.  MouTON-Haag.) 

Gegen  die  kritiklese  Anwendung  Yen  orthop&dischen  Apparaten 
bei  RückgiatsTerkrümmnngen  wendet  sich  in  der  y^ÄrgU.  GentrdUlg.*' 
Dr.  0.  Y.  Hayobka,  Chefarzt  für  Orthopädie  im  Zander-Institute  in  Wien. 
^Die  weiteste  Anwendung  —  sagt  er  —  finden  portatiye  orthopädische 
Apparate  noch  immer  bei  den  Yerkrflmmungen  der  Wirbelsäule  und  des 
^ostkorbes.  Die  Skoliose,  yon  ihren  leichtesten  Formen  bis  zum  wohl- 
tnsgebildeten  Buckel  hin,  bildet  noch  immer  das  ausgiebigste  Feld  fftr  den 
BindagistWL  Und  doch  muis  auf  das  entschiedenste  gegen  die  kritiklose 
imd  unbedachte  Empfehlung  eines  Mieders  bei  allen  Bttckgratsyerkrtimmungen 
Stdhmg  genommen  werden.    Es  ist  besonders  bei  Proyinz-   und  Land* 

Schnlgesiuidheitepflegre.  XVI.  17 


304 

&rzten  eine  beliebte  Methode,  Kinder,  die  mit  schlechter  Haltung,  rändern 
Bücken  oder  mit  Skoliose  in  ihre  Ordination  kommen,  einfach  nach  der 
Stadt  zum  Bandagisten  behnfs  Anfertigung  eines  Geradehalters  oder  Mieders 
zn  schicken.  Dasselbe  wird  in  den  meisten  Fällen  nach  einem  einfachen 
Mafs,  zumeist  ohne  Anprobe,  fertiggestellt  und  der  Partei  nachgeadiickt 
Im  Gewissen  beruhigt  und  voll  Hofihungsfreude  auf  die  nun  gewiüs 
kommende  Heilung,  wird  das  Mieder  dem  Kinde  angelegt.  Der  nllchste 
E£fekt  ist  der,  da(s  das  in  das  zumeist  schlecht  passende  Mieder  ein- 
gezwängte Kind  unter  Unbequemlichkeiten,  wenn  nicht  Schmerzen  aUer  Art 
ächzt  und  stöhnt.  Man  setzt  sich  über  diese  ersten  Qualen  des  Kindes 
mit  der  Beruhigung  hinweg,  dafs  „ein  Mieder  doch  schliefslich  kein  Schlaf- 
rock sei"  und  tröstet  es  selbst  Aber  seine  Leiden  hinweg  mit  dem  Hinweis 
darauf,  dals  dies  so  sein  mflsse  und  da(s  es  sich  ins  Mieder  schon  hinein- 
gewOhnen  werde.  Nachdem  das  Kind  tatsächlich  nach  einiger  Zeit,  vielfach 
auf  Kosten  seines  Appetits,  Schlafes  und  sonstigen  Wohlbefindens,  sich  in 
das  Mieder  „hineingewOhnt''  hat,  nachdem  es  dasselbe  ein  oder  mehrere 
Jahre  getragen,  nachdem  selbst  mehrere  Mieder  verbraucht  worden,  da 
mflssen  sich  Eltern,  Arzt  und  Bandagist  gestehen,  dafs  die  Skoliose  im 
Laufe  der  Zeit  nicht  besser,  ja  sogar  viel  schlimmer  geworden  ist,  dafe 
ans  der  ursprünglichen  leichten  Deviation  und  aus  dem  geringen  „Hflften- 
unterschied**  eine  schwere  Skoliose  mit  starker  Torsion  der  Wirbelsäule, 
mit  starkem  Bippenbuckel  und  mit  starker  Verschiebung  der  Hüftknochen 
entstanden  ist.  Solche  Fälle  sind  leider  aUtäglich.  Noch  niemals  hat  aber 
ein  Mieder  eine  Skoliose  zur  Heilung  gebracht.  Ein  orthopädi^hes  Mieder 
darf  nur  in  gewissen  Fällen,  auch  nicht  wahllos  in  allen,  als  Unterstützungs- 
mittel der  sonstigen  orthopädischen  Behandlung  in  Verwendung  genommen 
werden.  (Mitg.  v.  Direktor  E.  BAYB-Wien.) 

Aufruf  eises  Schularztes  an  die  Lehrer.  Der  Arzt  der  sieben- 
klassigen  Handelsschule  in  Warschau,  Dr.  St.  Kopozykski,  hat  den  fol- 
genden Aufruf  an  die  Lehrer  dieser  Schule  gerichtet. 

Der  Schularzt  bittet:  1.  die  Herren  Klassenleiter  mögen  von 
den  Schülern  im  Falle  eines  mehrtägigen  Ausbleibens  aus  der  Schule  infolge 
einer  Erkrankung  ein  ärztliches  Zeugnis,  soweit  es  möglich  ist,  verlangen. 
Sollte  die  Krankheit  länger  als  fünf  Tage  dauern,  so  ist  der  SchtQer  un- 
bedingt verpflichtet,  ein  ärztliches  Zeugnis  über  die  Art  der  voi^ekommeneD 
Erkrankung  vorzulegen.  Die  Herren  Klassenleiter  werden  gebeten,  alle 
Zeugnisse  an  den  Schularzt  richten  zu  wollen.  2.  Die  Herren  Fach- 
lehrer mögen  den  SchfUem  das  Verlassen  des  Lokales  während  der 
Unterrichtsstunde  untersagen  und  diejenigen  SchtUer,  welche  dringend  und 
wiederholt  darum  bitten,  nachträglich  zum  Schularzt  schicken.  3.  Die 
Herren  Lehrer  mögen  gOtigst  diejenigen  Schfller,  deren  Verhalten  oder 
Aussehen  auf  irgend  welches  Leiden  oder  eine  akute  Ericrankung  hindeutet, 
gleichfalls  zum  Schularzt  in  sein  Untersuchungszimmer  schicken.  4.  Die 
Herren  Lehrer  mögen  den  Schülern  untersagen,  bei  einer  kurzen  Antwort 
von  ihren  Plätzen  aufzustehen;  bei  einer  längeren  Antwort  sollen  die 
Schfller  aus  den  Bänken  herausgehen  und  sich  in  den  Zwischenräumen 
aufstellen.  6.  Die  Herren  Lehrer  werden  gebeten,  der  Haltung  der  Sdifller, 
besonders  beim  Schreiben,  die  grölste  Auftnerksamkeit  schenken  zu  wollen. 


806 

Die  Entfernimg  der  Angea  vom  Hefte  bei  normateichti^en  Knaben  soll 
40 — 50  cm  betragen.  Die  Knaben  mit  Sehstönuigen  sollen  Gliser  nach 
YoTMhnft  eines  Augenarztes  benutzen. 

Die  Wichtigkeit  dieser  Bemerkungen  ist  selbstverständlich. 

Punkt  1  beabsichtigt  eine  gehörige  Kontrolle  der  Gesundheit  des  Schfllers; 
er  soll  die  Eltern  zwingen,  mehr  als  bisher  hierauf  zu  achten  und  das 
Übertragen  infektiöser  Keime  durch  zu  frohe  Rückkehr  in  die  Schule  zu 
▼eiliindeni.  Indem  der  Schularzt  alle  Erkrankungen  des  SchtUers  auf- 
zeichnet, wird  er  zu  einem  genauen  Bilde  des  Gesundheitszustandes  des- 
selben gelangen.  Indem  die  EStem  Teranla&t  werden,  rechtzeitig  ärztliche 
Hilfe  in  Anspruch  zu  nehmen,  wird  manche  ernsthafte  Erkrankung  verhtltet. 
Indem  endlidi  der  behandelnde  Arzt  gezwungen  wird,  ein  Zeugnis  Aber  die 
Krankheit  des  Kindes  auszustellen,  wird  er  dasselbe  nicht  wieder  in  die 
Schule  gehen  lassen,  bevor  die  Gefahr  der  eventueDen  Ansteckung  fttr  die 
Mitschlller  endgftltig  verschwunden  ist. 

Punkt  2  soll  schlechten  Gewohnheiten  vorbeugen,  die  zu  einer  wahren 
Plage  in  mancher  Schule  geworden  sind.  Wenn  der  gesunde  Knabe  sein 
Bedflrfids  in  den  Pausen  zwischen  den  Unterrichtsstunden  befriedigt  hat, 
so  kann  er  ganz  bestimmt  45  Minuten  in  der  Klasse  aushalten  und  sogar 
noch  langer.  Ist  er  genötigt,  Öfter  auszutreten,  so  beweist  das,  dafis  er 
krank  ist,  und  dann  soll  er  ärztlich  untersucht  werden. 

Punkt  8  beabsichtigt  gleichfalls,  die  Verbreitung  infektiöser  Krank- 
heiten  durch  die  Sdrale  zu  verhtlten.  Ein  unp&fsliches  Kind  trflgt  oft 
infektiöse  Keime  in  sich  herum  und  kann  dadurch  fttr  die  Umgebung  ge- 
fthrlidi  sein.  Der  Schularzt,  wenn  es  ihm  gelhigt,  den  Beginn  einer  in- 
fektiösen Krankheit  beim  Kinde  zu  konstatieren,  wird  dasselbe  nach  Hause 
schicken  und  somit  den  Infektionsherd  von  der  Schule  fernhalten. 

Punkt  4  ist  mit  Rflcksicht  auf  die  Konstruktion  der  RsTTio-Bank 
angegeben.  In  dieser  Bank  ist  die  Entfernung  des  Tischrandes  vom  Sitz 
in  horizontaler  Richtung  =s  0.  Zum  Schreiben  ist  das  sehr  bequem,  aber 
wegen  der  Unbeweglichkeit  sftmtHcher  Teile  kann  sich  das  Kind  in  der 
Bank  nicht  aufrecht  halten;  da  aber  die  Bank  blob  zwei  Sitze  hat,  kann 
sich  der  SchOler  sehr  leicht  und  bequem  im  Zwischenraum  aufstellen,  ohne 
die  hinter  ihm  Sitzenden  zu  verdecken. 

Punkt  5  soll  dazu  beitragen,  die  so  häufige  Rflckgratsverkrflmnmag  der 
SchOler  zu  verhüten.  Bei  unseren  Knaben  hat  sich  die  höchst  verhängnis- 
volle Gewohnheit  ausgebildet,  die  Augen  dem  Hefte  während  des  Schreibens 
allzu  sehr  zu  nähern.  Es  kommt  öfters  vor,  dafe  ein  vollkommen  normal- 
mchtiger  Knabe,  der  ganz  gut  bei  einer  Augenentfemung  von  50  cm  sehreiben 
könnte,  die  Augen  ganz  unmittelbar  Über  dem  Heft  hält.  Dies  ist  nur 
eine  schlechte  Gewohnheit,  die  energisch  zu  bekämpfen  ist.  Die  Lehrer, 
die  die  Gesundheit  der  SchUler  stets  im  Auge  behalten  sollen,  dürfen  weder 
Zeit  noch  Mühe  scheuen,  um  die  Knaben  auf  ihre  schlechte  Haltung  anf- 
nei^sam  zu  machen.  Bei  höheren  Graden  von  Myopie  sollen  den  Schülern 
entsprechende  Gläser  nach  ärztlicher  Vorschrift  gegeben  werden.  Es  ist 
das  gute  Recht  der  Schule,  das  zu  verlangen,  damit  sie  später  nicht  der 
Vorwurf  treffe,  sie  habe  dem  Kinde  die  Augen  ruiniert. 

(Mitget  V.  Dr.  H.  Kopcztnski,  Schularzt  in  Warschau.) 

IT 


806 

Z«luipflog6  in  den  hamburguehei  VollumkiilM.   Zu  den  Tiden 

Aufgaben  einer  modernen  Stadtverwalfcong  gehört  auch  eine  rationeUe  Schul- 
hygiene, wof&r  aber  unsere  Stadtväter  in  den  meisten  Städten  vorUnfiir 
noch  nicht  zu  haben  sind.  In  einigen  kleineren  Stftdten  DeutschlandB  sind 
die  Organe  der  Yolksgesondheit  zwar  in  der  Schulhygiene  schon  tfttig,  aber 
in  den  grolsen  Stftdten  bleibt  noch  alles  zu  tun  übrig.  In  jüngster  Zeit 
jedoch  hat  der  Verein  für  öffentliche  Gesundheitspflege  in  Hambvxg  die 
InitiatiTe  zur  Einführung  einer  rationellen  Zahnpflege  bei  den  Yolksschnl- 
kindem  ergriffen.  Eine  grOlsere  Zahl  Hamburger  Zahnftrzte  hat,  wie  die 
„ZaImärMÜ.  Bmdschau^  mitteUt,  einen  Teil  ihrer  Zeit  und  Kraft  für 
diesen  Zweck  dem  Verein  zur  Yerfügung  gestellt.  Jeder  der  betreffenden 
Zahnftrzte  hat  wöchentlich  eine  bestimmte  Stunde  festgdegt,  für  die  ihm 
zahnleidende  Schulkinder  durch  die  Leiter  der  Schulen  zur  Behandlung 
überwiesen  werden  können. 

Den  GesundheitsYerhUtniggen  und  der  klrperliehen  Entwiek- 
lang  der  Volkaacknlkinder  in  Dresden  war  unUngst  eine  Sitzung  des 
„Pftdagogisohen  Vereins'^  in  Dresden  gewidmet.  Wie  die  f,Dmt8^,  WacM'^ 
mitteilt,  führte  Herr  G.  SOHiiNZB  (10.  Bez. -Schule)  in  seinem  Vortrage: 
„Die  erste  allgemeine  schulftrztliche  Untersuchung  unserer  Besirksschulkinder" 
nach  Mitteilung  der  Ergebnisse  aus,  es  sei  wünschensw^,  dafs  die  im  Jahre 
1902  probeweise  eingeführte  schulftrztliche  Prüfung  des  Gesundheitssustandes 
der  in  die  Schule  neu  eintretenden  Kinder  eine  stftndige  Einrichtung  werde. 
Diese  Untersuchung  möchte  bei  allen  Kindern  innerhalb  desselben  Monats, 
wenigstens  aber  vor  Michaelis  stattfinden.  Wünschenswert  sei  ferner  ein 
etwas  ausführlicherer  Gesundheitsbogen  für  das  einzelne  Kind,  eine  wenn 
nötig  auf  stftdtische  Kosten  zu  erfolgende  Unterbringung  einer  Anzahl  der 
bedürftigsten  unter  den  blutarmen  und  schwftchlichen  Kindern  in  Sommer- 
pflegen  und  eine  Vermehrung  der  Schulbftd  er.  — *  Herr  GaAUPNEB  (10.  Bürger- 
schule) besprach  sodann  die  Ergebnisse  der  Untersuchung  über  die  Körper- 
grobe  der  Dresdner  Yolksschfller.  Er  hatte  die  durchsehnittiiehen  Ergebnisse 
der  an  57  000  Schulkindern  in  Dresden  und  Umgebung  vorgenommenen 
Messungen  der  Körperl&nge  in  Tafeln  veranschaulicht  Einige  Ergdinissfttse 
sind:  1.  Das  Jahreswachstum  eines  Schulkindes  beträgt  rund  5  cm.  2.  Die 
Bürgerschüler  sind  in  den  Unterklassen  den  Bezirksschulkindem  um  ein 
Jahreswachstum,  in  den  Oberklassen  um  ein  halbes  Jahreswaohstum  vorans. 
3.  Die  Sitzengebliebenen  sind  durchschnittlich  ein  halbes  Jahreswachstom 
kleiner  als  die  gleichaltrigen  nicht  Sitzengebliebenen.  4.  Für  die  Be- 
schaffung der  richtigen  Schulbänke  sind  nicht  blob  die  Durchschnittszahlen, 
sondern  auch  die  Schwankungen  in  den  einzelnen  Klassenstufen  von  grober 
Wichtigkeit.  Erreichen  doch  die  kleinsten  Schüler  im  achten  Schu^ahre 
noch  nicht  die  Körperl&nge  der  grölsten  Schüler  im  ersten  Schuljahre. 

Die  Segannj^en  eines  Bade-  und  ErholauKsaareBthnltes  sollen 
durch  eine  eigenartige  Unternehmung  auch  den  Kindern  weiterer  Kreise 
zugftnglich  gemacht  werden.  Wie  wir  den  Tagesblftttern  entnehmen,  will  die 
Allgemeine  Bäderverkehrsanstalt,  G.  m.  b.  H.,  Berlin  NW.,  Neaatftdt. 
KirchstralBe,  durch  Einrichtung  der  in  England  bekannten  « Ferienkassen  ^ 
hierzu  die  Hand  bieten.  Diese  Anstalt  mit  ihren  30  deutschen  Filialen 
nimmt  jederzeit  Spareinlagen  für  Familien  von  10,  für  Kinder  von  6  Mk. 


807 

fOr  eine  Bade-  ond  Erholungsreise  an  nnd  fahrt  sie  an  ein  solides  Bank- 
hans  aby  nm  den  Sparern  durch  allmähliches  Ansammeln  eines  Reisefonds 
eine  Badereise  zn  ermöglichen.  Die  Spareinlagen  werden  mit  2%  Terzinst, 
nnd  damit  ihr  Zweck  anch  whrklich  erreicht  werde»  von  EinselfUlen  ab- 
gesehen, erst  znm  Beginn  der  Keisezeit  zurückgegeben.  FQr  die  Yermittlnng 
der  Yerkehrsanstalt  sind  Gebflhren  nicht  zn  zahlen,  anch  werden  die  Pro- 
spekte gegen  Rückporto  gratis  versandt.  Oanz  besonders  sind  diese  Spar- 
einlagen geeignet,  Schnlkindem  ans  den  groben  Städten  ohne  Begleitung 
Erwachsener  zn  einem  Aufenthalte  in  einer  Kinderheilstätte,  Ferienheim 
oder  Pflegeheim  an  der  See  oder  auf  dem  Lande  zu  verhelfen,  welcher  in 
See-  und  Soolbädem  fär  vier  Wochen  65  Mk.,  auf  dem  Lande  60  Mk., 
in  Kinderheilstätten  aber  80  Mk.  und  mehr  kostet.  Diesen  Betrag  all- 
mählich anzusammeln,  sind  viele  im  stände,  die  sich  vor  der  einmaligen 
Ausgabe  scheuen.  Welch'  traurige  Sprache  reden  die  Zahlen  des  Berichtes 
der  Berliner  Schulärzte?  Nur  44%  der  Schulkinder  sind  gesund,  56% 
sind  schwächlich,  blutarm,  skrophulOsl  Welcher  Verlust  an  Arbeitskraft 
und  Yolksgesundheit,  wie  viel  Sorge,  Elend  und  Not  bedeutet  das  für 
weitere  Jahre,  wenn  in  der  Zeit  der  körperlichen  und  geistigen  Entwicklung 
der  Körper  siech  ist!?  Das  einzige  zuverlässige  Heilmittel  fttr  die  grofs- 
städtische  Jugend  sind  einige  Wochen  Sommeraufenthalt  auf  dem  Lande 
oder  an  der  See ;  ganz  besonders  tut  dies  den  56  %  schwächlichen  Schul- 
kindern not,  fttr  die  freilich  meist  sechs  Wochen  Ferien  erforderlich  wären. 
Die  städtische  Schuldeputation  in  Berlin  hat  die  beabsichtigte  Wohlfahrts- 
ehurichtung  eingehend  geprüft,  für  eine  segensreiche  anerkannt  und  bringt 
ihr  ein  lebhaftes  Interesse  entgegen. 

Avgenkranke  Schnlkinder  in  Posen.  Wie  wir  der  „Pasener  Ztg^ 
entnehmen,  hat  der  dortige  Augenarzt  Dr.  PingüB  im  verflossenen  Winter 
in  mehreren  Stadtschulen  Augenuntersuchungen  bei  Kindern  vorgenommen.- 
Dabei  wurden  in  jeder  Schule  eine  Anzahl  Kinder  ermittelt,  welche  in  ge- 
ringerem oder  stärkerem  Mafse  augenkrank  waren.  Fast  durchweg  handelte 
es  sich  um  Granulöse,  jedoch  meist  npr  um  leichte  Fälle.  Gegen  früher 
wird  jetzt  ein  ganz  anderes  Verfahren  gegen  angenkranke  Schulkinder  be- 
obachtet. Während  früher  Schulkinder  mit  ausgeprägter  Granulöse  ge- 
wöhnlich vom  Schulunterricht  befreit  wurden,  läfet  man  heute  diese  Kinder 
am  Schulunterricht  teilnehmen.  Die  Schulaufsichtsbehörde  hat  aber  die 
Absonderung  augenkranker  Schulkinder  von  den  übrigen  angeordnet.  Dem- 
gemäGs  erhalten  die  Kinder  mit  Granulöse  besondere  Sitzplätze,  so  dafs  sie 
während  des  Unterrichts  mit  den  gesunden  Kindern  nicht  in  Berührung 
kommen.  Für  die  Durchführung  der  sanitären  Yorschriften  in  der  Schule 
werden  die  Schulpersonen  verantwortlich  gemacht.  Gleichzeitig  ist  ein 
froherer  Erlab  des  Ministers  über  die  verschiedenen  Augenkrankheiten  bei 
SchuUdndem  und  das  dabei  zu  beobachtende  Verfahren  zur  Kenntnis  der 
Lehrer  gebracht  worden.  Eine  Ausschliefsung  von  augenkranken  Schul- 
kindern vom  Unterricht  soll  in  der  Regel  nur  bei  eitrigen  Absonderungen 
der  Augen  stattfinden.  In  allen  übrigen  Fällen  wird  die  Teilnahme  am 
Unterricht  gestattet.  Es  darf  daraus  der  Schluls  gezogen  werden,  dafl» 
man  weniger  schwere  Erkrankungen  der  Augen  für  ungefährlich  hält,  sowohl 
ftr  die  behafteten,  wie  Ar  die  gesunden  Kinder.    Der  Erlals  des  Ministers 


308 

hftlt  die  Mitwirkung  der  Lehrer  bei  der  Bekämpfung  ansteckender  Augen* 
krankheiten  nnter  der  Schn^ngend  fflr  sehr  wichtig  nnd  nimmt  dieselbe 
hierfOr  im  Tollsten  umfange  in  Anspruch. 

Steilsebrifl;  in  den  Schalen  Eroaüens  nnd  Slavoniens.  Bei  Ge- 
legenheit einer  £nqu6te  ttber  den  Schreibunterricht  in  Volks-,  Bürger-  nnd 
Mittelschulen  erhielt  Dir.  £.  Batb  aus  Agram  den  Bescheid^  daCs  in  allen 
Schulen  Kroatiens  und  Slavoniens  die  Steilschrift  eingeführt  sei. 

(Mitget.  V.  Dir.  E.  Batb- Wien.) 

Bin  Antragy  den  Volkssebnlkindern  freies  Fiühstfick  zu  ge- 

Währen,  wurde  Yon  der  Stadtverordnetenversammlnng  in  Gharlottenbnrg 
abgelehnt.  Dagegen  wurde,  wie  die  „2%2.  Bundschau^  mitteilt,  be* 
schlössen,  einem  Wohlt&tigkeitsverein,  der  Kindern  armer  Eltern  freies 
Frühstück  gewährt,  15000  Mk.  zur  Verfügung  zn  steUen. 


^.a^tBitf^x^tlx^ts. 


Anihahme  von  Mädchen  in  das  kantonale  Gynnasinm  in  Zfirieh. 

Das  Rektorat  des  Gymnasiums,  darauf  hinweisend,  daüs  sich  für  das  Schul- 
jahr 1903/04  drei  Mädchen  zum  Eintritt  in  die  I.  Klasse  des  unteren 
Gymnasiums  gemeldet  hätten,  wünschte  einen  prinzipiellen  Entscheid  des 
Erziehungsrates  darüber,  ob  das  Gymnasium  dem  weiblichen  Geschlechte 
geöffnet  werden  solle. 

Der  Erziehnngsrat,  in  Erwägung,  dafis: 

1.  der  Zug  der  Zeit  dahin  gehe,  dem  weiblichen  Geschlechte  immer 
mehr  Erwerbsquellen  zn  erö&en  nnd  die  Schulen  diesem  Zug 
Rechnung  zn  tragen  haben, 

2.  für  die  an  die  Hochschule  übergehenden  jungen  Mädchen  die 
normale  Yerbindungsstrafse  zwischen  Volksschnle  und  Universität 
angebahnt  werden  müsse, 

3.  man  anderen  Ortes  mit  den  gemischten  Klassen  in  den  Mittel- 
schulen durchaus  gute  Erfahrungen  gemacht  habe, 

besehlofSy  dem  Antrage  des  Rektorates  insofern  zuzustimmen, 
dafs  das  Gymnasium  grundsätzlich  auch  den  Mädchen  za 
öffnen  sei.  Dagegen  sei  vorderhand  von  der  Zulassung  der  Mädchen 
zur  Kantonsschule  abzusehen  nnd  zwar  solange,  bis  die  projektierten  Er- 
weiterungsbauten im  Kantonsschulgebäude  durchgeführt  seien.  („AmÜ, 
SchfObl.  d.  Kt.  Zürich^  1903,  No.  4.) 

Schnlftrzte  in  Berlin.  Am  26.  März  d.  J.  haben,  wie  die  „Soer. 
Praxis''  (No.  27)  mitteilt,  die  Berliner  Stadtverordneten  die  Zahl  der 
Schulärzte  von  12  auf  36  vermehrt  und  als  Honorar  2000  Mark  fOr  jeden 
bestimmt. 

Die  Einrichtung  von  Sommerwebnnngen  fflr  arme  Kinder  wird 
in  Brooklyn  geplant.    Es  ist  bereits  ein  gröberes  Grundstück  angekanit, 


809 

das  mit  zahlreichen  kleinen  H&nsem  Air  den  angegebenen  Zweck  bebaut 
werden  soll. 

Zu  Leiter  der  kSrperlichen  Avsbildiuig  der  New  Yorker  Schnl- 
jagend  wurde  Dr.  L.  H.  Gumck  gew&hlt  nnd  ihm  za  £hren  ein  Fest- 
^aaen  gegeben. 

Bine  Scharlafk-Epidemie  ist  in  der  Lymaner  Knabenschnle  zu 
Boaton  ausgebrochen.  Von  350  Zöglingen  erkrankten  nach  Bericht  des 
^PhäaddpMa  Med.  Jaum^  (No.  11)  43  Schiller,  davon  7  töUich. 

Wegen  eines  Ansbrnchs  der  Pockenkrankheit  muisten  die  Unter- 
richtsanstalten Yon  Edinboro  (Erie)  geschlossen  werden.  Sobald  nftmlich 
bekannt  wurde,  dab  7  Studenten  yon  dieser  Krankheit  befallen  waren, 
yerlielsen  gegen  400  Hörer  die  Stadt. 

Die  Frage  der  Einriehtang  eines  aahnärztlicken  Dienstes  in 
der  stSdtisehen  Velksschnle  oberwies  nach  einer  Mitteilung  der  „ZoAn- 
äräfil.  Rundschau^  der  Gemeinderat  von  Markirch  zur  näheren  Prüfung 
an  eine  Kommission. 

Den  Kampf  mit  dem  Seknlstanbe  hat  nach  einer  Mitteilung  des 
„Qm.-Anjs,  f.  Elberfeld  u.  Barmen^  neuerdings  auch  die  Schulverwaltung 
in  Elberfeld  unternommen,  um  den  Staub,  der  infolge  seiner  Durchsetzung 
mit  Mikroorganismen,  unter  denen  auch  Krankheitskeime  sein  können,  grolse 
Gefahren  für  die  Jugend  wie  für  die  Lehrer  in  sich  birgt,  aus  den  Schul« 
r&nmen  fernzuhalten  bezw.  leichter  beseitigen  zu  können,  sollen  die  Fufsböden 
fortan  in  gewissen  Zeiträumen  mit  hei&em  Leinöl  getränkt  werden.  Die 
Kosten  sind  auf  insgesamt  9000  Mark  berechnet.  Damit  der  Etat  bei 
der  gegenwärtigen  schlechten  Finanzlage  nicht  zu  sehr  belastet  wird,  soll 
die  Arbeit  auf  die  nächsten  drei  Jahre  verteilt  werden.  Die  Stadtverord- 
neten haben  hierzu  bereits  ihre  Zustimmung  gegeben.  Mit  der  Ölung  der 
Fnlsböden  wird  somit  im  Frfll\jahre  begonnen.  Neuerdings  war  ein  so- 
genanntes Patentöl  in  den  Handel  gebracht  worden,  dem  nachgerdhmt 
wurde,  dab  es  besonder^  geeignet  sei,  Staub  niederzuschlagen.  Nach  dem 
Urteile  sämtlicher  Stadtbauräte  ist  diesem  Patentöl  jedoch  wenig  Wert 
beizumessen. 

Gegen  den  Sehnlstanb  richtet  sich  ein  Antrag  des  Schularztes  in 
Pankow,  nach  welchem,  wie  die  Berliner  „VolksJiftg.*^  berichtet,  in  Zu- 
kunft die  Böden  der  Schulzimmer  von  Zeit  zu  Zeit  mit  Fulsbodenstauböl 
gereinigt  werden  sollen.  Zu  diesem  Zwecke  sind  den  Schulen  vom  Ge- 
meinderat insgesamt  400  Mark  jährlich  überwiesen  worden. 

Das  Schnibad  in  Gera  soll  aufgehoben  werden.  Aus  den  amtlichen 
Mitteilungen  Aber  die  Sitzung  des  Stadtrates  in  Gera  vom  5.  März  ergibt 
liich,  dals  das  Schulbad  in  der  Mittelschule  von  der  Mädchen-Abteilung 
flberhaupt  noch  nicht  benutzt  worden  ist  und  dals  von  selten  der  Knaben- 
Abteilung  der  Besuch  des  Bades  stets  gering  gewesen  ist.  Seit  ttber 
Jahresfrist  ist  das  Baden  gänzlich  eingestellt  worden.  Der  Schulvorstand 
hält  nach  Lage  der  Sache  das  Bad  in  der  Schule  für  flberflttssig  und 
empfiehlt,  letzteres  vielleicht  für  die  in  Aussicht  genommene  neue  Bezirks- 
schule zu  verwenden.     Der  Rat  schlois  sich  diesem  Vorschlage  an. 

Oleichlegung  der  Ferien.  Ein  Gesuch  vom  19.  Juni  1902  um 
Gleichlegung   der   Ferien   an  Volksschulen  und  an  den  Mittelschulen  in 


SlO 

Brandenburg  a.  H.  ist,  wie  die  y^N,  FOd.  Ztg.^  mitteüt,  infolge  eines 
Erlasses  des  Ministers  dnrch  die  Kgl.  Begiemng  in  Potsdam  jetzt  ablehnead 
beschieden  worden,  weil  „das  ScfaiüintereBse  eine  weitere  Verktkming  der 
Unterrichtszeit  nicht  zol&bt''. 

Einen  Antrag  anf  AnateUnng  besonderer  Zahnlrnte  für  Sckil- 

nnd  aof  Einstellong  von  3000  Mark  in  den  Etat  zn  diesem  Zwecke 
hat  nach  einer  Mitteilnng  der  rtTägh  Bi/mäsi^wu*^  die  Stadtyerordneten- 
Yersammlnng  in  Charlottenbnrg  abgelehnt. 

ünterweisang  der  Yolkssclinlküider  in  Zahnpflege.  Wie  wir 
der  „2>.  EochwachV  entnehmen,  hat  das  Schnlkolleginm  in  Oöteborg 
beschlossen,  sich  an  die  „Oöteborger  zahnärztliche  Oesellschaft''  mit  dem 
Ersuchen  zu  wenden,  in  Erwägong  zn  ziehen,  wie  am  besten  eine  Beleb- 
mng  ttber  den  Wert  nnd  die  Pflege  der  Zfthne  fflr  die  Kinder  der  Yolks- 
schnlen  einzurichten  sei. 

Die  Grannlose  in  den  Yolksschnlen  Ostprenüsens  scheint  in 

stetiger  Abnahme  begriffen  zu  sein.  Aus  Barten  wird  der  „Os^prsu/s. 
Zig.^  gemeldet,  dab  gegenwärtig  nur  noch  ein  ganz  geringer  Prozentsatz 
der  Kinder  mit  dieser  ansteckenden  Augenkrankheit  behaftet  ist.  Während 
beispielsweise  an  der  dortigen  Stadtschule  vor  etwa  drei  Jahren  noch  Aber 
60  Kinder,  also  mehr  als  ein  Yiertel  der  Gesamtzahl,  an  der  Chranulose 
erkrankt  waren,  sind  es  auf  Grund  der  unlängst  durch  den  Kreisarzt 
Dr.  SoHMOLGK  aus  Bastenburg  vorgenommenen  Augenreyision  heute  nur 
noch  deren  fOnf.  Auch  unter  den  Erwachsenen  sind  Neuerkrankungen  nur 
selten  zu  verzeichnen. 

Eine    internationale  Ansstellnng    für    physische    Eniehnng 

wird,  nach  einer  Mitteilung  der  „QymnasHque  Frcm^aise'^  im  August 
d.  J.  in  Anvers  stattfinden. 

Ferienkolonien  in  flambnrg.  Nach  einer  Mitteilung  der  „B&dag. 
Befarm^  (No.  11)  beträgt  die  Zahl  der  für  dieses  Jahr  gemeldeten  Kinder 
8121  (1Ö59  Knaben  und  1562  Mädchen),  während  bis  jetzt  nur  2370 
Plätze  zur  Verfügung  stehen,  so  dais  751  Meldungen  unberücksichtigt 
bleiben  müssen.  Die  Ferienkommission  des  Wohltätigen  Schulvereins  ver- 
fügt noch  über  90  Plätze  in  ihren  geschlossenen  Kolonien,  welche  sie 
jedoch  der  fehlenden  Mittel  wegen  nicht  belegen  kann.  Privatwohltäter, 
welche  zu  Gunsten  bedürftiger  Kinder  auf  einen  oder  mehrere  dieser  Plätze 
reflektieren,  können  die  nötigen  Anmeldeformulare  von  der  Zentralstelle 
für  Sommerpflege  (Methfesselstrafse  53)  beziehen.  Der  Pensionspreis  be- 
trägt 30  Mark  für  einen  dreiwöchigen  Aufenthalt. 

Eine  neue  Tintentafel  und  eine  derselben  angepaßte  neue  Tinte 
(sog.  ^Abwischtinte'')  empfiehlt  Lehrer  0.  Sohwbolbb  in  Gannstatt- 
Stuttgart.  Die  Tafel  gleicht  in  ihrer  Einrichtung  der  Schiefertafel,  nur  ist 
der  Schiefer  durch  eine  Platte  aus  Holz  oder  steifer  Pappe  ersetzt,  die 
beiderseits  ein  Linien-  und  ein  weifses  Celluloidblatt^  aufgeklebt  trägt. 
Die  Tinte  ist  schwarz  und  billig;  sie  dringt  weder  in  Papier,  noch 
Celluloid,  noch  in  die  Haut,  noch  in  Holz  oder  Zeuge  ein  und  läfet  sich 
mit  einem  nassen  Schwämme  mühelos  und  spurlos  wegwischen.    Nach  dem 


'  Vergl.  die  Abhandlang  Lakovs  in  dieser  Zeittehr,,  1902,  S.  601  u.  ff. 


SU 

trocknet  man  die  Tafel  nidit  mit  den  Hftnden  oder  Leinwand» 
sondern  mit  einem  wollenen  Lappen.  Me  YierteUahr  wird  die  TaM 
mit  Seife  nnd  Barste  gereinigt.  SchwboIiBB  fordert  Lehrer  nnd  Schal« 
hehörden  anf,  seine  Tintentafel  zn  prflfen,  ihm  Ontaditen  anssnateUen  nnd 
ihre  Einftthmng  in  den  Schulen  zn  nnterstfltzen. 

TalNikranehei  md  Schule.  Die  „Britische  Antitabak-  nnd  ioiti- 
Dikotin-Liga''  wird,  nach  einer  Mitteilung  der  y^Brit  med,  Jovßm.^^  dem- 
nftchst  dem  Parlament  ein  Gesetz  znr  Annahme  Yorlegen,  das  sich  gegen 
das  Bauchen  jugendlicher  Personen  unter  16  Jahren  wendet.  Die  Haupt- 
paragraphen sind  folgende:  Keine  Person  unter  16  Jahren  soll  rauchen 
oder  den  Tabak  in  irgend  einer  Form  brauchen,  bei  einer  Strafe 
bis  zu  10  Shilling  fflr  jeden  Übertretungsfall.  Niemand  darf  Personen 
unter  16  Jahren  Tabak  schenken  oder  Yerkanfen;  Zuwiderhandlungen  werden 
mit  einer  Strafe  bis  zu  20,  im  Wiederholungsfiüle  bis  zu  40  Shillings 
geahndet.  Yerk&ufem  ist,  wenn  sie  zum  dritten  Male  sich  gegen  das  OeseCi 
Yergangen  haben,  der  Oewerbeschein  fBr  die  Daner  von  fBnf  Jahren  zu 
entziehen. 

Begründet  wird  diese  Vorlage  mit  der  erschreckenden  Zunahme  des 
Zigarettenrauchens.  Fabriken,  die  sich  diesem  Erwerbszweig  bisher  über« 
haupt  nicht  gewidmet  haben,  werfen  wöchentlich  80  Millionen  Zigaretten 
auf  den  Markt,  zumeist  eine  wegen  ihrer  minderwertigen  Qualit&t  direkt 
gesnndheitsgefjUirdende  Ware.  Die  Schulen  haben  neuerdings  dem  Einflufs 
des  Bauchens  auf  die  körperliche  und  geistige  Konstitution  ihrer  Zöglinge 
besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet.  In  einer  amerikanischen  Anstalt 
wurden  20  passionierte  Zigarettenraucher  im  Alter  von  10 — 17  Jahren 
(20  Nichtrauchern  gegenüber)  einer  längeren,  eingehenden  Untersuchung  unter« 
zogen.  Man  fand,  dals  12  von  ihnen  an  schweren  OedachtnisstOrungen  litten. 
Ein  wirklich  gutes  Gedächtnis  wies  kein  einziger  auf,  12  befanden  sich  in 
einer  schlechten  körperlichen  Verfassung,  6  waren  mehr  oder  minder 
Todeskandidaten.  Nach  den  über  einen  Zeitraum  von  acht  Jahren  sich 
erstreckenden  Ermittelungen  der  Tale-Üniversität  gewinnen  die  Nichtraucher 
gegen  die  Baucher  um  24Vo  an  Gewicht,  37^o  an  Höhe,  42%  an 
ümfiing. 

Von  den  Vereinigten  Staaten  Nordamerikas  haben  33  versucht,  auf 
gesetzgeberische  Weise  gegen  dieses  Übel  vorzugehen;  Canada,  Tasmania, 
Bermuda,  die  Prince-Edwards-Inseln  und  in  jüngster  Zeit  Norwegen  sind 
ihrem  Beispiel  gefolgt. 

FBrsorge  flir  sehwaehbeflhigte  SehnlUiider  in  Charlotteibarg 

wurde,  wie  wir  der  j^AMg,  med,  Central-Zig.''  (1902,  No.  102)  entnehmen, 
dadurch  getroffen,  dafs  zwei  Hilfsschulen  mit  zusammen  dreistufigem  Lehr- 
System  eingerichtet  wurden.  Neu  und  wohl  zum  erstenmal  geübt  ist  die 
von  der  Schulverwaltung  zu  Gharlottenburg  getroffene  Einrichtung,  dals 
zwei  Kinder,  die  infolge  körperlicher  Oebrechen  ihre  Wohnung  nicht  ver- 
lassen können,  in  der  Woche  einige  Male  von  zwei  Hilftlehrerinnen  in 
ihrer  Wohnung  aufgesucht  werden,  damit  sie  wenigstens  den  notwendigsten 
Unterricht  erhalten. 


312 


£xtttatnt. 


Besprechnngen. 

£.  VON  ScHENKENDOBFF  Und  Dr.  med.  F.  A.  Schmidt.  Jahrbnch  für 
Volks-  nnd  Jngevdspiele.  Elfter  Jahrgang,  1902.  R.  Voigüänders 
\^erlag  in  Leipzig.  ^ 

Der  vorliegende  elfte  Jahrgang  des  Jahrbuches  ftkr  Volks-  nnd  Jngend- 
spiele  wird  mit  einer  höchst  beachtenswerten  Arbeit  von  Dr.  F.  A.  Schmidt, 
^Körperpflege  und  Tuberkulose^,  eröffnet.  Der  Verfasser  aner- 
kennt durchaus  die  günstigen  Wirkungen  der  Lungensanatorien.  Immerhin 
kommt  in  Betracht,  dafs  hierfür  ungeheure  Summen  nötig  sind.  Werden 
von  den  circa  260000  Schwindsüchtigen  Deutschlands  die  unheilbaren 
ausgeschieden,  so  können  etwa  noch  50000  zur  Unterbringung  in  Heil- 
stätten in  Betracht  kommen,  woftlr  eine  Barsumme  von  100  Millionen 
Mark  aufzubringen  wäre,  die  jährlich  noch  durch  37  Millionen  Mark  f&r 
den  Betrieb  und  für  Familienunterstützung  ergänzt  werden  müfste.  Durch 
diese  gewaltigen  Mittel  kann  die  Krankheit  aber  nur  gemildert  werden; 
wollen  wir  die  Volksseuche  energisch  bekämpfen,  so  müssen  wir  die 
Widerstandskraft  des  Volkes  heben.  Schaffung  gesunder  Woh- 
nungen und  gesunder  Arbeitsstätten  und  Sorge  für  eine  richtige  Volks- 
em&hrung  sind  Mittel  hierzu,  aktive  Körperpflege  in  frischer  Luft  aber 
die  unerläfsliche  Ergänzung.  Gestützt  auf  die  Untersuchungen  über  die 
Lungenschwindsucht  im  deutschen  Heere  kommt  Dr.  Schmidt  zur  Über- 
zeugung, dafs  alle  Mafsnahmen,  welche  eine  vollkräftige  körperliche  Ent- 
wicklung des  heranwachsenden  Geschlechtes  herbeizuführen  im  stände  sind, 
das  Angriffsfeld  der  Tuberkulose  einschränken  und  in  der  Bekämpfung  der- 
selben als  Volkskrankheit  eines  der  wichtigsten  und  wirksamsten  Kampf- 
mittel sind.  Sorgen  wir  dafür,  dafs  die  Leibesübungen  in  freier  Luft  zur 
lebendigen  Volkssitte  heranreifen  (Pflege  des  Spieles,  des  Schwlmmens  und 
der  Tumermärsche),  so  werden  wir  die  böse  Volksseuche  erfolgreich  be- 
kämpfen. 

In  Anlehnung  an  Kbäpelins  Broschüre:  „Zur  Hygiene  der  Arbeit^ 
weist  der  Nervenarzt  Dr.  Hans  Hänel  auf  die  Bedeutung  des  Be- 
wegungsspieles für  die  Erholung  hin.  —  Tuminspektor  Ka&l 
MÖLLEB  stellt  die  Leibesübungen  als  ein  Mittel  zur  Durchdringung  des 
Lebens  mit  Schönheit  hin  und  wird  durch  M.  von  Biebebstein  mit  dem 
Artikel:  n^i^  System  der  ästhetischen  Gymnastik"  ergänzt.  —  Über 
einige  Kapitel  der  Schulgesundheitspflege  spricht  Dr.  Leo  BuBaEBSTEiN. 
—  Ein  Lieblingsthema  behandelt  Dr.  F.  A.  Schmidt  unter  dem  Titel: 
„Die  turnerische  Behandlung  des  Schrittes";  der  natürliche 
Gang  wird  dem  Kunstschritte  gegenüber  gestellt  und  der  letztere  zu  Gunsten 
des  ersteren  stark  (vielleicht  zu  stark)  eingeschränkt. 


313 

Das  Badewesen  der  Yei^iangenheit  stellt  Dr.  med.  Poblchau  dar, 
die  Bedeatong  der  Volks-  und  Jagendspiele  Ar  die  nationale  Wehrkraft 
Stabsarzt  Dr.  Matthes.  —  Richabd  Fbibbbl  sacht  Mittel  and  Wege 
zur  weiteren  Yerbreitang  der  Jagend*  and  Volksspiele  and 
kommt  dabei  anf  folgende  Leitsätze: 

I.  Wer  das  Jagend-  and  Volksspiel  verbreiten  will,  der  sorge  dafür, 
dafe  das  Volk  in  allen  Schichten  die  hohe  Bedeatang  dieser  Bestrebangen 
recht  erkenne  and  würdige. 

II.  Wer  die  Jagend-  and  Volksspiele  weiter  verbreiten  will,  der  sorge 
fltar  den  Zasammenschlafs  ma(sgebender,  einflalsreicher  Personen  za  einer 
planvollen  and  zielbewnlsten  Arbeit  im  Sinne  des  Zentralaosschasses.  Die 
Wirksamkeit  der  za  konstraierenden  Spielvereinignng  erstrecke  sich: 

a)  aaf  Beschaffung  der  nötigen  Mittel, 

b)  aaf  Werbang  von  Spielern, 

c)  aaf  Oewinnnng  von  sachkandigen  Spielleitern. 

in.  Wer  die  weitere  Aasbreitang  der  Spielbewegang  f&rdem  will,  der 
stelle  sich  als  Spielleiter  in  ihren  Dienst. 

Der  grOfsere  Raam  im  Jahrbach  ist  der  Praxis  der  Spielbewe- 
giing  eingeräamt. 

Eine  von  Dr.  BüsaASS  verfalste  Übersicht  Aber  die  Spielliteratar 
des  Jahres  1901  Iftfst  erkennen,  wie  reichhaltig  diese  nnn  geworden  ist. 
Abgedrackt  ist  die  Eingabe  an  die  deatschen  Städte  zwecks  Befestigang 
und  Vertiefung  der  Jngendspielbewegang. 

Prof.  Dr.  Konbad  Koch  and  Dr.  Witte  verbreiten  sich  eingehend 
über  die  Notwendigkeit  der  weiteren  Schaffang  von  Spiel- 
plätzen in  Dentschland,  and  Aber  Wanderangen  der  Jagend  finden 
wir  fOnf  Originalarbeiten. 

Ansprechend  sind  verschiedene  der  Schilderangen  and  Berichte,  and  ge- 
wüs  geeignet,  Stimmang  für  das  Volks-  and  Jagendspiel  za  machen.  Die 
Tfttigkeit  des  Zentralaasschasses  geht  ja  in  der  Veranstaltang  von  Spiel- 
knrsen  nicht  aaf;  aber  es  ist  doch  schon  eine  schöne  Leistong  von  ihm, 
Ton  1890—1901  im  ganzen  4207  Lehrer  and  2208  Lehrerinnen  im 
Tomspiel  aasgebildet  za  haben.  Aach  im  letzten  Jahr  —  das  Jahrbach 
beweist  es  —  hat  der  Aasschals  wieder  tüchtig  gearbeitet,  and  bald  wird 
der  Xn.  Band  die  erfolgreiche  Tätigkeit  des  Jahres  1902  registrieren. 

J.   SPÜHLES-Ztlrich. 

Dr.  med.  Ebnbt  Jessen.  Zahnhygiene  in  Seknle  md  Hans.  Eine 
£rgänzang  and  Erlänterong  der  Wandtafel  „Die  Zähne  and  ihre  Pflege^, 
mit  12  AbbUdangen  and  2  Tafeln.  Stra&barg  i.  £.  Heitz,  1903, 
gr.  8«,  46  S. 

Die  vorliegende  Schrift,  sowie  die  daza  gehörende  Wandtafel  für 
Schalen  sollen  znr  Aafklärang  des  Volkes  Aber  die  Bedeatang  der  Zahn- 
pflege fOr  die  Oesnndheit  des  Menschen  dienen.  In  knapper,  allgemein- 
verständlicher Form  gibt  der  aaf  diesem  Oebiete  bekannte  Verfasser  einen 
Überblick  Aber  Bedeatang,  Zweck  and  Nntzen  der  Zähne  filr  die  Ver- 
danong,  Sprache  nnd  Schönheit,  wobei  der  erste  Pnnkt,  d.  h.  Bedeatang 
für  die  Verdaaang,    mit  Recht  betont   wird.     Femer  wird  aaf  die  Not- 


SU 

wendigkeit  der  zahiArztlichen  Behandlung  im  Eindesalter  hingewiesen;  im 
Anschlob  daran  die  Anstellung  von  Schnlzahnärzten  auf  Ge- 
meindekosten, wie  dies  in  Strabfourg  eingeführt  wurde,  verlangt.  Auch 
im  Heere  liebe  sich  die  Zahnpflege  Ton  Staats  wegen  organisieren,  indem 
die  eiigährig-freiwilligen  Zahnärzte  nnter  Leitung  der  Korps-  und  Divisions- 
zahnSrzte  ihren  Beruf  ansahen  würden.  Es  folgen  einige  heschreibende 
Kapitel  Aber  Bau,  Farbe  der  Zfihne,  Aber  das  Milchgebib  und  die  blei- 
benden Z&hne;  eine  ganze  Anzahl  von  Abbildungen  eriautert  den  Text. 
Im  weiteren  wird  die  Pflege  der  Zähne,  und  zwar  Pflege  durch  den  Be- 
sitzer selbst,  sowie  die  durch  den  Zähnarzt  besprochen.  Der  Caries  der 
Zähne,  ihren  Ursachen  und  ihrem  Verlaufe  ist  ein  besonderes  Kapitel 
gewidmet.  Den  Schlufs  bildet  eine  Besprechung  der  Zahnschmerzen  und 
ihrer  Ursachen.  Dem  Bflchlein  ist  eine  verkleinerte  Abbildung  der  Wand- 
tafel beigegeben.  H.  MAiTBizio-Zfirich. 

Dr.  H.  Rbighenbaoh.  Ober  dei  Binfliiliei  der  Farbe  klnstlieher 
Liehtqnellen  auf  die  Sehschärfe.  Nach  gemeinsam  mit  Prof.  Dr. 
DBS  CoüDBES  im  physikalischen  Institut  der  Universität  Oöttingen  an- 
gestellten Versuchen.  [Zeitscknft  fOr  Hygiene  und  InfeküonskrakkheUen, 
XLI,  1902.) 

Die  Verfasser  suchen  durch  interessante  Experimente,  Ober  deren 
Anordnung  man  sich  in  der  Originalarbeit  umsehen  muls,  die  Frage  zu 
beantworten,  ob  nicht  die  Verschiedenheit  der  spektralen  Zusammensetzung 
verschiedener  Lichtquellen  bei  gleicher  Helligkeit  Unterschiede  in  der  Seh- 
schärfe bedinge.  Wenn  uns  zwei  Lichtquellen  den  Eindruck  gleicher 
Helligkeit  machen,  aber  von  differenter  Farbe  sind,  so  lälst  sich  denken, 
dafs  diese  Verschiedenheit  der  Färbung  der  gleich  hellen  Lichter  in 
der  Sehschärfe,  bezw.  in  der  Erkennbarkeit  feiner  Einzelheiten  auf  einer 
von  diesen  Lichtquellen  beleuchteten  Fläche  zum  Ausdruck  kommt  —  mit 
anderen  Worten:  es  kann  bei  gleicher  optischer  Helligkeit  von  zwei 
verschieden  gefärbten  Lichtquellen  ungleiche  Sehschärfenhelligkeit 
vorhanden  sein. 

Das  Resultat  der  Untersuchungen  war  nun,  dals  Nemst-  und  Auer- 
lampe  einer  Olflhlampe  von  gleicher  optischer  Helligkeit  soweit  an  Seh- 
schärfenhelligkeit nachstehen,  wie  einer  Verminderung  der  optischen  Hellig« 
keit  um  12 — 14  Vo  entspricht. 

Die  praktische  Tragweite  dieses  Befundes  dflrfe  aber  deshalb  nicht 
flberschätzt  werden,  weil  die  Nemstlampe  die  elektrische  Energie  fast 
doppelt  so  gut  ausnütze  wie  die  Glühlampe  und  der  Auerbrenner  das  Oas 
sechsmal  so  gut  wie  der  Argandbrenner.  Die  wirtschaftliche  Überlegenheit 
der  beiden  Lampen  sei  also  so  bedeutend,  dafs  die  etwas  geringere  Seh- 
schärfenhelligkeit dagegen  nicht  in  Betracht  komme. 

Dr.  A.  STSiaBB-Zttridi. 


§tv  ^i^ulurft 


L  Jahrgang-  1903.  No.  5. 


Als  neuer  Mitarbeiter  ist  so  nennen: 

Soheibert,  L.,  Oberlehrer,  Tflsit 


•rigiitalalil^aitblititseit* 


über  schnUntliche  Statistik  und  die  Priniipien  bei  AntwaU 
der  soffeaannten  irgtUoben  Beobaebtnngasobttler. 

Von 

Dr.  Samoboh, 

Sohnlsrst  in  BretUu. 
(SohInfB.) 

Eine  reobt  branohbare  nnd  ftbendditliobe  Zusammenstellung 
aohulftratlioker  Statistiken  findet  sidi  im  sweiten  Jahrgang  der 
Zeitsdirift  Gesunde  Jugend  in  einer  Arbeit  des  Lehrers  G.  Schanze 
ans  Dreed^  betitelt:  „Ergebnisse  und  Wert  sehulärztlioher  ünter- 
suehuii^n^.  Auf  Grund  der  yon  ihm  susammengesteUten  Zahlen 
liilt  der  Verfinsser  den  Beweis  flOr  den  Wert  und  die  Notwendigkeit 
sohulftrBtlioher  Untersuchungen  Air  erbracht,  eine  Schluisfolgemng, 
der  wir  uns  nur  yoll  und  ganz  ansohliefsen  können. 

Fragen  wir  aber,  was  beweisen  die  bisherigen  Statistiken  £är 
die  Morbidität  der  deutschen  Schuljugend,  so  müssen  wir  die  Ant- 
wort etwas  vorsichtig  geben.  Wir  können  eigentlich  nur  die  Be- 
hauptung auEstellen,  dais  die  bisherigen  Statistiken  mit  groiser  Wahr- 
scheinlichkeit auf  eine  recht  erhebliche,  unerwartet  hohe  Morbidität 
der  Schulkinder  hindeuten.  Exakt  bewiesen  ist  aber  diese  Behaup- 
tung noch  nicht.  Die  bisher  bekannten  Statistiken  sind  viel  zu 
Iflekenhaft,  viel  zu  wenig  einheitlich  auf-  und  zusammengestellt,  als 

Der  Belmlant.  L  9 


70  316 

daCs  sie  mehr  als  eine  rein  lokale  Bedentnng  im  besten  Falle  be- 
anspruchen dürften.  Eine  kurze  kritische  Prüfong  der  bisher  ver^ 
öffentlichten  Berichte,  ein  Blick  auf  die  von  Herrn  Lehrer  Sghakzs 
zusammengestellten  Tabellen  lassen  sofort  die  Fehler,  die  den 
Statistiken  die  beweisende  Kraft  raaben  and  Vergleiche  verbieten, 
hervortreten.  Von  vornherein  aasznsohalten  sind  diejenigen  Statistiken, 
die  sich  nnr  auf  eine  geringe  Anzahl  von  Schulkindern,  bis  etwa 
5000,  erstrecken.  Nahezu  wertlos  für  unsere  Zwecke  sind  diejenigen 
Statistiken,  die  nicht  die  Zahl  der  kranken  Individuen,  sondern  nur 
die  der  beobachteten  Krankheitserscheinungen  angeben.  Als  erheb- 
licher Fehler  muis  es  bezeichnet  werden,  wenn  die  Lernan&nger 
nicht  von  den  übrigen  Schülern  getrennt  betrachtet  werden;  als 
vierten,  allerdings  recht  begreiflichen  Übelstand  möchte  ich  bezeichnen, 
dafs  die  verschiedenen  Dntersucher  die  beobachteten  Krankheits- 
erscheinungen ganz  verschiedenartig  und  manchmal  wohl  nicht  recht 
zweckmäbig  eingeteilt  haben.  In  einem  Bericht  z.  B.  wird  Nervo- 
sität unter  „Blutarmut"  aufgeführt,  ein  anderer  hat  die  Rubrik  „Nervo- 
sität*' und  zählt  darunter  Epilepsie;  eine  Anzahl  von  Tabellen  weisen 
eine  Rubrik  „chronische  Krankheiten**  auf,  ohne  dafs  ersichtlich  ist, 
was  darunter  gemeint  ist.  Auch  halte  ich  es  fQr  unzweckmäisig, 
dafs  man  Augen-  und  Ohrenleiden  ohne  genauere  Spezifikation  aufführt. 
Hyperopie  und  Trachom  können  doch  nicht  einfach  nebeneinander 
unter  „Augenleiden"  subsumiert  werden.  In  vielen  Fällen  fehlt  — 
und  das  ist  ein  fünfter  Übelstand  —  die  Angabe,  wie  viele  von 
den  kranken  Kindern  in  besondere  Ärztliche  Beob- 
achtung genommen  wurden  und  nach  welchen  Prin- 
zipien die  Auswahl  geschehen  ist. 

Diese  hier  angeführten  fünf  Fehler,  die  natürlich  nicht  sämtlich 
jeder  bisherigen  Statistik  anhaften,  sondern  die  bald  hier,  bald  dort 
im  einzelnen  oder  in  ihrer  Gesamtheit  vorkommen,  müssen  in  Zukunft 
vermieden  werden,  oder  positiv  ausgedrückt:  Wir  müssen  folgende  An- 
forderungen an  eine  beweiskräftige  Statistik  stellen:  1.  Die  Statistik 
muis  sich  über  grolse  Zahlen  erstrecken ;  als  Mindestzahl  wären  5000 
oder  besser  noch  10000  Schulkinder  festzusetzen.  2.  Sie  mufs  die  Zahl 
der  kranken  Individuen  gesondert  von  der  Zahl  und  Art  der  beob- 
achteten Krankheitserscheinungen  angeben.  3.  Sie  mufe  die  Lern- 
an&nger  gesondert  von  den  übrigen  Schülern  betrachten.  4.  Sie 
mufs  eine  zweckmäbige  Einteilung  der  beobachteten  Brkrankungs- 
formen  aufweisen.  5.  Sie  darf  sich  nicht  blois  auf  die  sogenannten 
ärztlichen  Überwaehungsschüler    erstrecken,    sondern    sie   muis   alle 


317  71 

dem  Schularzt  bekannten  gesnndheitUoh  minderwertigen  Kinder  auf- 
zählen, loh  betone  anfldrttoklich;  alle  dem  Schularzt  bekannten, 
und  nioht  alle  gesundheitlich  minderwertigen  Kinder  schlechtweg.  Denn 
bei  dem  grofsen  Wirkungskreis,  der  fast  überall  dem  einzelnen 
Schularzt  zugewiesen  ist,  ist  es  unmöglich,  dab  ein  Schularzt  den 
Gesundheitszustand  aller  Kinder  seines  Bezirkes  kennt  Die  dem 
Schularzt  bekannten  kranken  Kinder  stellen  also  nur  eine  Minimal- 
2ahl  dar.  Eine  schulärztliche  Statistik,  auch  wenn  sie  grolse  Zahlen 
umfatsty  wird  ako  nie  der  absolute  Ausdruck  einer  bestehenden 
Morbidität  sein,  sondern  sie  stellt  nur  die  Grenze  nach  unten  fest. 
Bei  den  Leman&ngem  ist  es  natürlich  anders,  da  dieoe  fast  an 
allen  Orten  samt  und  sonders  untersucht  werden ;  hier  ist  es  möglich, 
einen  absoluten  Zahlenwert  anzugeben. 

Die  ersten  drei  hier  aufgestellten  Forderungen  bedürfen  keiner 
weiteren  Eröriierung,  weil  sie  als  selbstverständlich  anzusehen  sind. 
Zu  Punkt  4  bemerke  ich,  dals  es  sich  empfehlen  dürfte,  als  Ein- 
teilungsprinzip mehr  die  speziellen  Diagnosen  und  nicht  Sammel- 
namen festzuhalten.  Den  Krankheitsbegriff  „Skrophuloee"  z.  B.  würde 
ich,  so  berechtigt  er  auch  sonst  ist,  für  die  Statistik  streichen  und 
daftr  Ekzem  —  in  Klammem  vielleicht  die  Bemerkung  „skrophulös" 
—  Phlyotänen,  Drüsenschwellungen  aufzählen ;  an  Stelle  von  Haut-, 
Augen-,  Ohrenleiden,  chronischen  Erkrankungen  müssen  meines 
Srachtens  die  speziellen  Erkrankungsformen  genannt  werden;  Myopie 
und  Homhautgeschwür  z.  B.  sind  doch  ganz  verschiedenartige 
Dinge,  die  nicht  unter  dem  Sammelnamen  „Augenleiden*'  zu- 
sammengefaDst  werden  dürften;  dasselbe  gilt  von  den  verschiedenen 
Haut-,  Ohren-,  Nervenleiden  etc.  Zweckmäßig  wäre  es  vielleicht, 
neben  der  Aufzählung  der  speziellen  Diagnosen  noch  eine  Zusammen- 
stellung von  zusammenfassenden  Krankheitsbegriffen  zu  geben.  Es 
würden  z.  B.  die  zunächst  xmter  Psoriasis,  Prurigo,  Scabies  aufgeführten 
ESrkrankungsfälle  in  einer  zweiten  Zusammenstellung  ak  „Hautleiden" 
SU  gruppieren  sein.  Chorea,  Epilepsie,  Hysterie,  Spinale  Kinder- 
lAhmung  mübten  zunächst  gesondert  aufgeführt  werden,  könnten  dann 
aber  als  „Erkrankungen  des  Nervensystems**  zusammengeffidst  werden. 

Auf  das  fünfte  Postulat,  in  dem  verlangt  wird,  alle  dem  Schul- 
arzt bekannten,  gesundheitlich  minderwertigen  Kinder  sollen  in  der 
Statistik  berücksichtigt  werden,  muls  ich  etwas  ausführlicher  ein- 
gehen, weil  nach  dieser  Richtung  hin  die  Dienstanweisungen  zu 
Mifflgriffen  verleiten,  und  weil  ich  zur  Vermeidung  solcher  MiÜBgriffe 
einen  praktischen  Vorschlag  machen  möchte. 


72  818 

Fast  in  allen  Dienstanweisungen  existiert  ein  Paragraph,  in  dem 
dem  Schularast  die  Yerpflidhtung  auferlegt  wird,  aber  krftnkliohe, 
der  ftrztliohen  Beobaohtnng  bedürftige  Kinder,  und  solche,  die  einer 
besonderen  Berttcksichtignng  beim  Unterricht  bedürfen,  besonders 
Buch  SU  führen.  Bei  dem  Mangel  an  Ausftiirungsbestimmungen, 
bei  der  Dehnbarkeit  des  Paragraphen  ist  die  Annahme  einer  recht 
Tersdhiedenartigen  Auslegung  und  Anwendung  dieser  Bestimmung 
seitens  der  einzelnen  Kollegen  sehr  naheliegend.  Dem  Wortlaut 
des  Paragraphen  entsprechend,  wird  ein  Teil  der  Kollegen  nur  die- 
jenigen Kinder  in  Beobachtung  nehmen,  bei  denen  sie  sich  ron  der 
Überwachung  einen  greifbaren,  praktischen  Nutzen  versprechen.  Ein 
anderer  Teil  der  Kollegen  dürfte  in  dem  Paragraphen  «ine  still- 
schweigende Aufforderung  für  Aufstellung  einer  Morbiditätsstatistik 
sehen,  zumal  ein  anderer  Hinweis  auf  die  Zusammenstellung  einer 
solchen  Statistik  fehlt.  Um  die  kranken  Kinder  zfthlen  zu  können, 
könnte  ein  Teil  der  Kollegen  sich  versucht  fühlen,  sie  sftmüich  in 
Überwachung  zu  nehmen;  infolge  der  groAen  Zahl  der  kränklichen 
Kinder  aber  und  infolge  der  durch  die  Überwachungsscbüler  bedingten 
erheblichen  Arbeitslast  —  gesonderte  Buchführung,  häufige  KontroU- 
Untersuchungen  etc.  —  dürfte  jedoch  der  Versuch,  auf  diese  Weise 
eine  Morbiditätsstatistik  zu  gewinnen,  als  aussichtslos  anzusehen  sein. 
Ich  glaube,  es  wird  au  statistischen  Zwecken  unbedingt  notwendig 
sein,  eine  Zweiteilung  eintreten  zu  lassen,  die  auch  für  den 
Schularzt  eine  gewisse  Arbeitsentlastung  bedeuten  würde.  Wir 
müssen  in  Zukunft  getrennt  notieren:  1.  die  Überwachungs- 
schüler, das  sind  diejenigen  Eander,  die  an  einer  mehr  oder 
minder  akuten  oder  subakuten  Krankheit  leiden,  bei  der  in  ab- 
sehbarer Zeit  Besserung  beziehungsweise  Heilung  zu  erwarten  ist; 
hier  hat  die  schulärztliche  Beobachtung  einen  Zweck.  2.  müssen 
wir  notieren  diejenigen  gesundheitlich  minderwertigen 
Kinder,  bei  denen  objektiv  nachweisbare  Krankheitserscheinungen 
als  Resultat  abgeschlossener  Krankheitsprozesse  be- 
stehen. Hier  hat  die  schulärztliche  Beobachtung  keinen  rechten 
Zweck  mehr ;  bezüglich  dieser  Kinder  hat  der  Schularzt  wenigstens 
für  ein  Schuljahr  seine  Pflicht  getan,  wenn  er  sie  festgestellt 
und  registriert  hat,  und  braucht  sich  um  sie  weiter  nicht 
zu  kümmern.  Aber  gerade  diese  Kinder  festzustellen,  erscheint  von 
ganz  besonderem  Interesse  und  Wert.  Denn  sie  stellen  ja  das 
Kontingent  der  Schulinvaliden  dar;  durch  dauernde  Gebrechen  in 
ihrer  Leistungsfähigkeit  beschränkt,   sind  sie  besonders  in  Gre&hr, 


319  73 

den  Anstrengfangen  des  Sohulbesuohe  zu  unterliegen,  ohne  dass 
hierans  der  Schule  ein  Vorwurf  gemacht  werden  dürfte.  Die  Arbeits- 
last, die  aus  der  Feststellung  und  Aufzeichnung  dieser  gesundheitlich 
dauernd  minderwertigen  Kinder  erwachsen  würde,  dürfte  mehr 
als  ausgeglichen  werden  dadurch,  dais  bei  dieser  Zweiteilung  die 
Zahl  der  Überwaohungsschüler,  die  ja  recht  viel  Arbeit  machen, 
bedeutend  sinken  würde.  Denn  dann  kommen  bei  der  Auswahl 
der  Überwachungsschüler  nur  noch  praktische  und  keine  statistischen 
G^ichtspunkte  mehr  in  Frage.  Die  Hauptsache  ist  aber,  dafs  die 
Zweiteilung  es  uns  ermöglicht,  alle  kranken  Kinder,  gleichgiltig  ob 
in  Beobachtung  oder  nicht,  für  die  Statistik  zu  verwenden.  Die 
praktische  Verwertung  meines  Vorschlages  denke  ich  mir  folgender- 
malsen:  In  einem  für  je  eine  Klasse  Torgeschriebenen  Listenformular, 
das  die  Rubriken:  ]Name,  Krankheit,  Bemerkungen  des  Arztes, 
Bemerkungen  des  Lehrers,  Datum  der  Aufnahme  in  die  Liste, 
Datum  der  Streichung  aus  der  Liste  enthalt,  machen  wir  wenn 
möglich  in  der  ersten  Hftlfte  des  Schuljahres  die  entsprechenden 
Vermerke.  Die  Liste  erhält  der  Lehrer  zur  Aufbewahrung  im 
Klaasenbuohe,  damit  er  sie  zu  jeder  Zeit  zur  ELand  hat;  am  Shide 
des  Schuljahres  macht  er  in  der  Bubrik:  „Bemerkungen  des  Lehrers^ 
einen  kurzen  Vermerk  bezüglich  der  Klassenleistungen  der  betreffen- 
den Kinder,  etwa  in  Form  einer  1,71,  III,  die  „gut^,  „mittel''  und 
„schlecht''  bedeuten  würden;  selbstverstftndlich  bleibt  es  ihm  überlassen, 
noch  andere  Notizen  zu  machen,  ihm  wichtig  erscheinende  Beob- 
achtungen zu  yerzeiohnen  etc.  Die  Listen  werden  dann  am  Schluls 
des  Schuljahres  von  den  Schulärzten  eingesammelt,  um  im  Jahres- 
bericht statistisch  verwertet  zu  werden.^ 

Die  Forderung,  daCs  der  Lehrer  in  die  vom  Schularzt  auf- 
gestellten Listen  Vermerke  zu  machen  hat,  erscheint  mir  von  ganz 
besonderer  Wichtigkeit  und  von  grofsem  Vorteil.  Der  Lehrer  erhält 
dadurch  Gelegenheit,  sich  über  den  Zusammenhang  gesundheitlicher 
Minderwertigkeit  und  geistiger  Leistungsfthigkeit  beziehungsweise 
ünfthigkeit  zu  informieren,  und  wird  gezwungen,  gewissermaisen 
unser  Mitarbeiter  zu  sein.  Die  meinem  Empfinden  nach  bislang 
noch  manchmal  fehlende  Verbindung  zwischen  Schularzt  xmd  Päda- 


^  Zur  genaaen  Elantellang  über  die  Art,  wie  ich  mir  die  Verwirklichung 
meines  Vonohlagf  denke,  füge  ich  ein  Schema  einer  aatgeföllten  Ermnkenlitte 
mit  je  einer  Anweisung  zum  Qebraacb  derselben  für  den  Schnlant  und  den 
Lehrer  bei.  Gleichseitig  fuge  ich  einen  mir  handlich  erscheinenden  Entwurf 
für  einen  Überwachungsschein  bei. 

Der  SehnUnt.  L  10 


74  320 

gogen  wird  dadurch  angebahnt.  Wir  Ärzte  dagegen  werden  in  den 
Urteilen  der  Pädagogen  ttber  gesnndheitlieh  minderwertige  Kinder 
zweifellos  ein  wiaeensohaftlich  wertvolles  Material  finden. 

In  Vorstehendem  habe  ioh  nachzuweisen  yersucht,  dafs  uns 
bisher  noch  die  Unterlagen  für  eine  allgemeine»  über 
das  ganze  deutsche  Sprachgebiet  sich  erstreckende 
schulärztliche  Statistik  fehlen;  es  lag  in  meiner  Absicht, 
unter  Betonung  der  ungemein  greisen  Wichtigkeit  einer  solchen 
Statistik  fiir  die  Forderung  der  Schulhygiene  eine  Diskussion 
darüber  anzuregen,  von  welchen  Gesichtspunkten  aus  und 
in  welcher  Weise  fürderhin  Statistik  getrieben  werden  solle.  Die 
uns  Schulärzten  gestellte  Aufgabe,  den  Gesundheitszustand  der 
heranwachsenden  schulpflicbtigen  Jugend  zu  beobachten  und  zu 
überwachen,  erscheint  mir  von  eminentester  Wichtigkeit  für  die 
Allgemeinheit  sowohl,  wie  für  die  Schule  und  die  Behörden  im 
speziellen^  Die  Neuheit  der  Schularztinstitution  bedingt  es,  dab 
noch  mancherlei  Fehler  gemacht  werden.  Unsere  dringendste  Auf- 
gabe ist  es,  die  Fehlerquellen  nach  Möglichkeit  zu  verstopfen  und 
in  produktivem  Schaffen  eine  möglichst  exakte,  praktische  Schul- 
hygiene aufzubauen.  In  diesem  Streben  werden  wir  wesentlich  ge- 
fördert werden  durch  einen  lebhaften  Meinungsaustausch  in  den 
Spalten  einer  Fachzeitschrift  überglas  „Was"  und  „Wie '^  unswer  Tätig- 
keit. Zweckmäfsig  und  wünschenswert  dürfte  es  vielleicht  auch  Sein, 
auf  besonderon,  regelmäCsig  wiederkehrenden  Kongressen  wichtige 
spezielle  Fragen  des  schulärztlichen  Dienstes  zu  diskutieren  und  zu 
regeln;  der  Gedanke,  eine  besondere  Organisation,  einen  Verband 
deutscher  Schulärzte  mit  regelmälsig  wiederkehrenden  Jahresversamm- 
lungen zu  schaffen,  scheint  mir  immerhin  der  Anregung  wert  zu 
sein.  Dieser  Verband  würde  durchaus  keine  Konkurrenz  für  andere, 
sohülhygienische  Ziele  verfolgende  Vereinigungen  sein  sollen;  Zw^ok 
und  Ziel  einer  solchen  Organisation  wäre  es  nur,,  auf  Grund  sorg- 
fältig gesichteter  und  geprüfter  Erfahrungen  und  wissensohaftlieher 
Forschungen  die  denkbar  beste  Begeluog  und  Einheitlichkeit  des 
schulärztlichen  Di^istes  herbeizuführen. 


3S1 


75 


Sclnkrztbeflirk:  No.  . 
Sdnilarzt:  Dr 


Rektor; 
Lehrer: 


Schule  No Klasse  VI. 

Schuljahr  1VK)3/1904. 


A.  Dauernd  kranke  Kinder« 

Name 

KrankheU 

80/4.08. 

Datum  der 

Streichung 

aus  der  liste 

Bemerkungen 
des  Arstes 

Bemerifcungen 

des  Lehrers 

am  Schiute  des 

Schnyahrmi 

Selidlc,  Paul 

RflckgratsTer» 
kr&nmung, 
hochgradig 

IL 

• 

Lehmann, 
Bmst 

Hersfehler 

ao/ft.08. 

■ 

Ist  dauernd  vom 
Turnen  und  Ba- 
den  SD   dispen- 
sleren; darf  nloht 
körperlich  ge- 
xfichtigt  werden 

L 

Riedel»  Geurf 

Stottern 

a^s.«s. 

IIL  Die  Leistungen 
im  Schreiben 
sindalleafailasu- 
friedenstellend; 
im  Reehaen  und 
Lesen    sind    die 
Leistungen  gans 
ungenllgend. 

Sehwan,  Max 

Leistenbruch 

4/0.08. 

Der   Brueh    wird 
durch  ein  Bruch- 
band gut  snrttek- 
gehaltea.    Dis- 
pensation Tom 
Turnen 

L 

Storeh,  Max 

Geistig  surflekge- 
blieben,  Schwer^ 
hörigkeit,  Horn- 
hauUleckei  aden. 
Vegetationen 

8/7.08. 

Bedarf  der  Be- 
raoksichtignng 
beim  Unterricht 

IIL    fit  Ar  die 
Hllfssehiile    Tor- 
snmerken. 

Seidel,  Robert 

Schielen  (Operat. 
abgelehnt),  Kor- 
rektion durch 
Brille  nicht 
mSgUeh 

8/7.08. 

Anweisung  des 
Platses    in   den 
▼Order.  Bänken 

IL 

Retmami,  Frlts 

Woibraehen 

8/7.08. 

10/».  08. 

Ist  operiert 
worden 

U. 

John,  Karl 

Schief  hals 

lO/t.08. 

— 

L 

VeUbsMT,  Paul 

AngsboTene  Httfi- 
gelenlESTerren- 
Kung 

10/8.08. 

*^ 

■"^ 

iL 

lO* 


76 


322 


B.  Üb 

erwachangsschfller. 

(Seite  2  der  Krankenliaie.) 

N&m« 

Krankheit 

60 

a  a 

Bemerkungen 
des  Arstee 

Bemerkungen 

des  Lehrers 

am  Bnde  des 

Jl 

T- 

SehalJahres 

Daum,  Frledr. 

Akntee  Homhani- 
geeehwfir 

6/6.  OS. 

— 

Dispensation  Tom 
Lesen  a.  Sehrei- 
ben auf  swei 
Woehen 

IL 

KlOM,  WUI7 

• 

Ohreneitening 

tf9.n. 

^— 

bogen 

IIL    Hat  TiellSaeh 
den  Untenieht 
▼ersftnmt. 

Langer,  Hugo 

Knrssielitlgkelt 

8/8.08. 

11/io.Oi. 

Hat  Tollkorrifl^e- 
rende  Brille  he* 
kommen 

IL 

Meyer,  Prits 

Epilepsie 

8/&0i. 

— 

Darf  nicht  an  den 
Kopf  gesehlagen 
werden 

in.    Ist  für  die 
Hilfssehnle    Tor- 
snmerken. 

Nagel,  lUz 

Blatarmat 

8/iaoi. 

in.    Zeigt    guten 
Willen,  ist  aber 
den  Anforderun- 
gen nioht  ge* 
wachsen. 

Anweisug  fBr  des  Schularzt  zw  Benutziing  der  KraikenligteB. 

Auf  die  erste  Seite  werden  unter  A.  di^enigen  Kinder  eingetragen, 
bei  denen  objektiv  nachweisbare  Krankheitssymptome  als  Resultate  ab- 
geschlossener Erankheitsprozesse  bestehen.  Als  solche  (Gebrechen  wftren 
beispielsweise  zu  nennen: 

1.  Adenoide  Vegetationen,  die  Fonktionsstöningen  bedingen,  und  deren 
Operation  abgelehnt  worden  idt. 

2.  Asthma  (chronisch). 

3.  Brflche,  die  durch  Brachband  znrflckgehalten  werden. 

4.  Geistig  znrflckgebliebene  Eander  (geistige  Minderwertigkeit). 

5«  Geienkserkrankongen  chronischer  Art.  —  Ankylosen.    Angeborene 

Httftgelenkslnzationen. 
6«  Gibbns. 

7.  Homhantflecke,  dicht  and  zentral  gelegen. 

8.  Herzfehler. 

9.  Knodientaberkolose  (chronisch). 

10.  Lflhmongen. 

11.  Magen-Dannleiden  (duronisch). 

12.  Nierenleiden. 
18.  Nystagmus. 

14.  Psoriasis. 

15.  Prarigo. 

16.  Befraktionsanomalien  1  •^^'^•**  Korrektion  durch  BrfUen  nieht  SU  erreiehwi 


17.  Schielen 


} 


ist,  sei  es  aus  &nAieren  oder  dureh  das  Leiden 
hedingten  Gründen. 


328  77 

18.  Rflckgratsverbiegnngen  hochgradiger  Art. 

19.  Sprachfehler. 

20.  Schiefhals. 

21.  Wolfsrachen. 

Auf  die  zweite  Seite  unter  B.  werden  diejenigen  Kinder  eingetragen, 
die  an  einer  mehr  oder  minder  aknten  Krankheit  leiden,  bei  der  in  ab- 
sehbarer Zeit  dnrch  ärztliche  Behandlung  Heilnng  oder  Besserung  zu  er- 
¥rarten  ist.  Es  sind  dies  die  Überwachongsschfller.  Dazn  w&ren  zu  zählen 
Kinder  mit  folgenden  Gebrechen,  etwa: 

1.  Adenoide  Vegetationen,  mn  ihre  Operation  herbeiznfOhren. 

2.  Anftmie. 

8.  Angenleiden  akuter  Art: 

a)  FhlyktäneQ. 

b)  Homhantgeschwtlre. 

c)  LidentzOndnngen. 

d)  Trachom. 

4.  Blasenleiden. 

5.  Brflche,  die  nicht  durch  ein  Bruchband  zurttckgehalten  sind. 

6.  Chorea. 

7.  Drflsenschwellungen. 

8.  Epilepsie. 

9.  Epistazis. 

10.  Hautleiden  (akute): 

a)  Parasiten. 

b)  Scabies. 

c)  Akute  Ekzeme. 
1.  Herzfehler  zweifelhafter  Art. 
.2.  Hysterie. 
[3.  Kropf. 

14.  Lungenkatarrhe  und  Lungentuberkulose. 
.5.  Ohreneiterung. 
6.  Ozaena. 

.7.  Befiraktionsaaomalien,  um  Korrektion  durch  Brillen  herbeizuftthren. 
.8.  Rflckgratsyerbiegungen  beginnender  und  leichter  Natur. 
.9.  Schreibkrampf. 

Es  ist  selbstyerstftndlich  nicht  ausgeschlossen,  dais  Kinder  mit  den 
unter  A.  angefahrten  Oebrechen  unter  B.  geführt  werden,  sobald  der 
Schularzt  irgend  welche  OrOnde  f&r  diese  Umstellung  hat.  Will  er  z.  B. 
em  Kind  mit  Psoriasis  oder  Prurigo  aus  irgend  einem  Orunde,  z.  B.  akuter 
Exacerbation,  Öfters  und  genauer  beobachten,  so  wird  er  es  eben  in  Über- 
wachung nehmen ;  ebenso  werden  unter  B.  geführte  Kinder  in  die  Rubrik  A. 
ttberftahrt  werden,  sobald  die  Überwachung  aus  irgend  weichen  Gründen, 
X.  6.  infolge  der  Weigerung  der  Eltern,  ärztliche  Hilfe  nachzusuchen,  sich 
als  zwecklos  erweist.  —  Die  oben  angeffthrte  Scheidung  der  Krankheits- 
symptome soD  nur  ein  Anhaltspunkt  ftkr  eine  Trennung,  aber  keine  bin- 
dende Bichtschnur  sein. 


78 


894 


Anweisung  fBr  den  Lehrer  «hi  ftebraaeh  4er  vam  iSehnUnt 

ansgestellten  Krankenlisten. 

1.  Die  Liste  hat  den  Zweck,  den  Lehrer  stets  auf  dem  Laufenden 
zn  erhalten  Aber  den  Bestand  seiner  Klasse  an  gesundheitlich  minder- 
wertigen Kindern.  Sie  soll  deshalb  im  Klassenbuch  aufbewahrt  werden, 
um  dem  Lehrer  jederzeit  zur  Hand  zu  sein.  Bei  Revisionen  ist  die  Liste 
eventuell  Torzulegen,  um  mangelhafte  lieistungen  kranker  Kinder  xa  er- 
klären. 

2.  Die  Löste  ist  dem  Schularzt  beim  Klassenbeauch  vorzulegen  und 
es  soD  der  Lehrer  zur  näheren  Auskunfterteilung  beztlglich  der  in  der  Liste 
verzeichneten  Kinder  verpflichtet  sein. 

3.  Am  Ende  des  Schuljahres  ist  der  Lehrer  verpflichtet,  in  der 
Rubrik:  ^^Bemerkungen  des  Lehrers",  durch  eine  römische  I,  II,  m,  die 
den  Prädikaten  »gaf,  „mittel^*  und  „schlecht^  entsprechan,  ein  urteil 
über  die  Leistungen  der  Kinder  abzugeben.  Es  steht  ihm  frei,  noch 
andere  Bemerkungen,  z.  B.  ttber  ihm  irgendwie  interessant  erscheinende 
Beobachtungen  zu  machen. 


Üb«rwaekug8-SeheiB. 


Name Krankheit 


Alter  . 
Schule 
Klasse 


In  Überwachung  genommen  am    

Aus  der  Üherwachung  entlassen  am  ... .  {  ungafaeut 

\weg^n  Schalweohael 

Üherfährong  in  die  Kraokenliste  am 


OB 

a 
p 

« 

t 


Unteriaoliangi- 
befnnde 


Antrage  an  die  Schule  betr. 


S   4» 

«  E 

0 


nj 

o  OD  Tf 

«8« 


Ol 

§1 

O      M 


Sit 

m 
4 


e 

s 


^ 


NAAe 


Schntarste 


•i««na>wir 


325  79 


ftltitiete  Jtilteilitit$«it* 


N^MinfUiriUig  tob  SdmUnitaB.  In  Mannheim  wurde  yom 
StadtYerordnetenkollegiain  die  Summe  von  10000  Mark  zur  Anstellnng 
▼on  Sohalftrzten  bewilligt.  Besonders  warm  trat  Stadtschalrat  Dr.  Siokinobb 
fOr  den  Antrag  ein.  —  In  Neuweissensee  ist  ein  Sohnlarzt  mit  500  Mark 
angestellt  worden.  —  In  Karlsrahe  bat  anf  Antrag  der  Schalkommission 
der  Stadtrat  beschlossen,  eine  engere  Kommission  niederzosetzen  zor  Prflfong 
der  Frage  der  Anstellnng  von  Schol&rzten.  —  Anf  der  im  Janaar  in 
Eisen  ach  abgehaltenen  Ministerkonferenz  ist  die  Anstellnng  yon  Siihiil- 
ftrzten  erörtert  worden.  Eine  Entschlieisang  ist  nicht  gefalst  worden,  die 
Angelegenheit  soll  aber  weiter  in  wohlwollende  Erwägung  gezogen  werden. 

—  In  Gotha  ist  anf  Anregung  des  Herzogl.  Staataministeriams  die  An- 
fitelkmg  Ton  Scholftrzten  in  der  Stadtverordnetensitsong  erwogen  worden. 
Die  SanitAtskonunission  hatte  die  Angelegenheit  in  wiederholten  Sitzungen 
Torberaten  and  empfehlend  begntachtet.  Sie  hat  gleichzeitig  in  Ctemein- 
achaft  mit  den  Schnlleitem  den  Entwarf  einer  Dieostordnnng  aasgearbeitet, 
welche  sich  an  das  Wiesbadener  Master  ansohlie&t  Die  Scholkonoüssion 
empfidilt,  nicht  aas  inneren  Gründen,  sondern  mit  Rücksicht  auf  die  Fi- 
nanzen der  Stadt,  die  Yoriage  zorflckzastellen.  Die  Yersammlinig  besoUUeiSst 
nach  längerer  Diskussion  Vertagung. 

Ober  die  ^BuAUipui)^  •¥on  fidndimteo  in  «taiigw  Sttdten  der 
Yereiiigtea  Steatea  N.-A.  teilt  „The  American  SOiao^Board  Joum^ 
(March  1909)  folgendes  mit:  In  Boston,  Mass.,  hat  der  Oesundheitsrat 
im  Jahre  1990  ftrztlicfae  Sehnlinspektion  empfohlen,  welche  erst  1894 
tatsächlich  eingeMhrt  wurde.  Die  Stadt  wurde  in  Bezirke  geteilt,  deren 
jeder  durcfaschnittlidi  1400  Schulkinder  oder  vier  Schulhiuser  umffllfst. 
Fflr  jeden  Bezirk  wurde  ein  Inspektor  mit  einem  Jahresgehalt  von  >$  260 
bestdlt.  Dieselben  'haben  täglich  jede  Sdrale  am  Morgen  zu  besuchen  und 
die  von  den  Lehrern  als  ^unpäfsMoh  bezeichneten  (Kinder  zu  untersndien. 

—  Pertfierffon,  VT.^J.,  bat  1900  die  sohulArzeii^e  Inspektion  eingeftlhrt. 
Die  ärztlichen  Inq»Aloren  werden  von  der  SohulbehOrde  bestellt,  welcher 
sie  monatlieh  Bericht  erstatten  mttssen;  sie  stehen  unter  der  Aufsicht  des 
Gesundheitsamtes,  welchem  allwöchentlich  die  Zahl  der  Inspektioaen,  die 
Art  der  Efkfsnknngen  u.  a.  zu  melden  ist.  Bas  Jahresgehalt  betiägt 
4  250.  —  Chicago  hat  1499  ÜOsMg  Schulärzte  mit  einem  Monats- 
gehalte von  '$  50  besl^  welche  dem  Gesundheitskommissftr  unterstehen. 

—  -New  York  <City  hat  1897  Schulärzte  eingefttfart,  welche  derzeit  in 
der  Zahl  von  d50  tätig  sind.  —  !I(ew  Haven,  Conn.,  Minne«polis, 
Minn.,  Detroit,  Mich.,  <und  Lincoln,  Neb.,  haben  freiwillige  SdraHbrzte. 

(Mitg.  V.  Prof.  Carl  HiKTBAGom-Wien;) 
Me  )Seliilfaurstfrife  !■  Stekeen.    In  der  am  il5.  Deaember  1902 
abgehflltaien  Plenarversammlang  des  S&chsischen  Landesmedizinal- 


80  326 

kollegiBms  wurden  nach  einer  Mitteilung  des  jtBayer.  ärisü,  Ccrr,'Bl.'*^ 
(No.  5,  1903)  bei  Beratung  über  Schularzt  und  Schulüberbürdungsfirage 
folgende  Beschlüsse  gefalst: 

I.  „Die  Anstellung  hygienisch  vorgebildeter  Schulärzte  für  sftmtliche 
ünterrichtsanstalten  des  Landes  bildet  das  Endziel  der  schulhygienischen 
Bestrebungen;  dasselbe  ist  jedoch  zur  Zeit  aus  praktischen  Gründen  noch 
nicht  erreichbar.  —  Dagegen  macht  sich  die  alsbaldige  Durchführung 
folgender  Maisnahmen  bereits  jetzt  erforderlich: 

1.  Die  Anstellung  von  hygienisch  gebildeten  Schulärzten  ist  notwendig 
Mr  grobe  und  mittlere  Städte,  wünschenswert  (mindestens  ein  Schularzt) 
für  die  Schulen  in  kleineren  Orten. 

2.  Es  macht  sich  eine  Beau&ichtigung  in  schulärztlicher  EUnsicht  ftkr 
sämtliche  Privatschulen  sowie  der  höheren  Lehranstalten  erforderlich. 

3.  In  den  Orten,  in  denen  Schulärzte  angestellt  sind,  ist  die  Mit- 
wirkung eines  Schularztes  bei  den  Schulausschüssen  und  Vorständen  er- 
forderlich. 

4.  Es  ist  auf  eine  schulhygienische  Ausbildung  der  Ärzte  auf  der 
Universität  besonderes  Gewicht  zu  legen. 

5.  Bei  dem  Unterricht  auf  dem  Seminar  sind  die  Grundlagen  der 
Hygiene  bezw.  Schulhygiene  zu  berücksichtigen  und  zwar  tunlichst  durch 
ärztliche  Vorträge. 

6.  In  den  Angelegenheiten  der  Schulgesundheitspflege  sind  auch  die 
Bezirksärzte  stärker  als  bisher  heranzuziehen.  Wo  keine  Schulärzte  an- 
gestellt sind,  soll  der  Bezirksarzt  eintreten  und  die  Schule  mindestens 
jährlich  einmal  revidieren,  wobei  er  auch  dem  Gesundheitszustand  der 
Schulkinder  besondere  Aufmerksamkeit  zuzuwenden  hat 

7.  Für  die  Revisionen  der  Schulen  durch  die  Schul-  bezw.  Bezirks- 
ärzte sind  besondere  Fragebogen  aufzustellen. 

8.  Kein  Schularzt  darf  ohne  Instruktion  angestellt  werden,  die  von 
der  Bezirksschulinspektion  nach  Gehör  des  Bezirksarztes  aufgestellt  wird. 

n.  Bezüglich  der  Frage  der  Überbürdung  von  Schülern  und  Lehrern 
hat  das  EoUegium  nicht  zu  der  Ansicht  gelangen  können,  dals  eine  solche 
bis  jetzt  nachgewiesen  ist,  wohl  aber  hat  man  die  Überzeugung  gewonnen, 
dafs  bereits  von  selten  der  Schulbehörden  den  Verhältnissen  in  dieser 
Richtung  mit  Erfolg  fortdauernde  Au^erksamkeit  geschenkt  wird.** 

Die  zu  erwartenden  Kosten  ffir  EinflUinuig  der  Sehullrate  in 

Wien  berechnet  Dr.  Rudolf  Neu&ath  nach  Mitteilung  des  „N,  Wiener 
TagehL**  wie  folgt:  Er  führte  aus,  dafs,  wenn  man  für  fflnfidg  Wiener 
Schulklassen  einen  Arzt  annehmen  würde,  derselbe  ungefähr  4000  Schul« 
kinder  zu  überwachen  hätte.  Nach  der  Zahl  der  Schulklassen  kämen  somit 
auf  die  zwanzig  Bezirke  Wiens  vierzig  Schulärzte.  Würde  die  Stadt  nun 
jedem  Schulärzte  ein  Honorar  von  1000  E.  bezahlen,  so  würde  sich  ihr 
Budget  um  einen  Betrag  von  40000  K.  erhöhen,  eine  Summe,  die  gewifs 
leicht  aufzubringen  wäre  und  angesichts  des  grolsen  Nutzens  dieser  in  einer 
Reihe  von  deutschen  Städten  bereits  bestehenden  Einrichtung  gar  nicht  in 
Betracht  käme. 

Sehnlftrzte  in  Kassel.  Seit  Ostern  1902  sind  für  die  ärztliche 
Beobachtung  der  städtischen  Bürger-(Volks-)Schulen,  der  Mittelschule  und 


327  81 

der  Hilftschnle  sechs  Schulärzte  angestellt  An  ihrer  Spitze  steht  der 
Kgl.  Kreisarzt  Dr.  Rogkwitz  als  Obmann.  Die  Wiesbadener  Dienst- 
anweisong  r^elt  ihre  Tätigkeit.  Die  Zateilong  der  Schulen  erfolgte  so, 
dab  anf  jeden  Schalarzt  etwa  2200  Schulkinder  entfallen.  An  Honorar 
bezieht  jeder  dieser  Ärzte  600  Mark  jährlich.  Die  im  Mai  fälligen  Be- 
richte werden  zeigen,  welche  Erfahrungen  bei  dieser  Neneinrichtong  gemacht 
worden  sind.  (Mitg.  y.  Stadtschnhrat  Dr.  BoBSTMANN-Kassel.) 

Irztliehe  üatersnehunji;  der  neueintretenden  Schiller.    In  der 

„Garkniaube''  (1903,  No.  11,  S.  179)  behandelt  Dr.  Hsrm.  Baa8 
Schule,  Schnlkrankheiten  und  Schalrekmtierung.  Er  kommt  za  dem 
Schlnfs,  dals,  ebenso  wie  man  den  20jährigen  Weh];pflichtigen  vor  dem 
Dienstantritt  grflndlich  auf  seine  körperliche  und  auch  geistige  Leistungs- 
fähigkeit und  Tauglichkeit  untersucht,  man  auch  mit  dem  6jährigen  schul- 
pflichtigen, gegen  jede  Schädigung  der  Gesundheit  doch  zweifellos  viel 
schutzbedflrftigeren  Kind,  namentlich  mit  den  Mädchen,  ebenso  yerfahren 
sollte.  Man  müsse,  in  Erwägung,  daCs  eine  Menge  kränklicher  Kinder 
auf  den  Schulen  festzustellen  seien,  das  Übel  bei  der  Wurzel  anfassen 
und,  dem  Ruf  nach  Schulärzten  folgend,  durch  eine  grOndliche  ärztliche 
Untersuchung  die  Tauglichkeit  des  Kindes  zum  Schulbesuch  orst  feststellen 
und  danach  Aber  die  Aufnahme  oder  Zurückstellung  entscheiden.  Mit 
einem  Worte,  es  müsse  eine  Schulrekrutierung  stattfinden,  das  fordere 
die  Schulgesundheitspflege.  Es  ist  ein  gewisses  Verdienst,  derartige  An- 
regung in  ein  so  yiel  gelesenes  öffentliches  Blatt  wie  die  „Qiurtenlaube'^ 
zu  bringen,  um  auch  weiteren  Kreisen  die  Notwendigkeit  ärztlicher  Beob- 
achtung der  Schulkinder  klar  zu  machen. 

(Mitg.  Y.  Dr.  SCHMiD-MoNNABD-HaUe  a.  S.) 
Zur  Sehnkahnarztfrage  in  Hamburg.  Im  Frülgahr  1902  wandte 
sich  der  Verein  für  Öffentliche  Oe8U^dheit8pflege  in  Hamburg  in  Ver- 
bindung mit  dem  zahnärztlichen  Verein  in  Hamburg  an  die  Oberschul- 
behOrde  zwecks  zahnärztlicher  Behandlung  der  Volksschulkinder.  Es  hatten 
sich  18  Hamburger  Zahnärzte  zur  kostenlosen  Behandlung  gemeldet;  eine 
aus  beiden  Vereinen  kombinierte  Kommission  sollte  die  Vereinbarungen 
mit  der  Oberschulbehörde  treffen.  Leider  scheiterten  diese  an  einem 
einsigen  Punkte,  was  im  Interesse  der  zahnleidenden  Kinder  sehr  zu  be- 
danem  ist.  In  Hamburg  liegen  die  Sprechstunden  der  Zahnärzte  fast 
durchweg  yon  9—4  Uhr,  so  daCs  während  dieser  Zeit  die  Behandlung, 
zunächst  der  schmerzenden  Zähne,  hätte  stattfinden  müssen.  Die  Ober- 
schulbehörde hielt  es  aber  nicht  für  angebracht,  während  der  Schulzeit  das 
betreffende  Kind  zum  Zahnarzt  zu  senden,  sondern  der  Zahnarzt  sollte 
noch  eine  besondere  Zeit  für  die  Behandlung  opfern.  Dabei  wurde  auch 
nicht  bedacht,  da(s  ein  Kind  mit  Zahnschmerzen  dem  Unterricht  wenig 
Anfinerksamkeit  schenken  kann.  In  unserer  Nachbarstadt  Altena  ist  bereits 
seit  längerer  Zeit  der  von  unseren  Zahnärzten  Yorgeschlagene  Modus  durch- 
geführt, ohne  Benachteiligung  des  Unterrichts.  Eine  Kontrolle  wird  durch 
Terschiedene  auszufällende  Formulare  (von  den  Eltern,  vom  Lehrer  und 
Zahnarzt)  herbeigeführt,  so  dals  ein  Mifsbrauch  ausgeschlossen  ist.  Es 
wäre  zu  wünschen,  dals  baldigst  geeignete  Persönlichkeiten  hierin  Wandel 
schafften.  (Mitg.  y.  Dr.  Huao  LBVY-Hamburg.) 


«2  328 

Seknlhygieiiisches  ans  (krterreieh.  Im  Wiener  Oemeinderate 
wurde  gelegentlich  der  Budgetdebatte  am  10.  Dezember  1902  seitens  der 
sozialdemokratischen  Vertreter  eine  Beihe  modemer  scfatilhygieniseber 
'Fordemngen  erhoben.  Der  Bedner  der  Majorität,  der  cbristlich-soKiale 
Gemeinderat  Biblohla^wes:,  sagte :  „Der  Schnlarzt  kann  gar  nichts  maeh^i. 
Soll  er  die  Kinder  aasziehen  und  abhorchen?  Das  kann  er  nicht.  Oder 
soll  er  nur  die  Kinder  fragen:  Was  fehlt  Dir  denn?  Da  wird  das  eine 
sagen,  mir  fehlt  gar  nichts,  nnd  das  andere,  mir  fehlt  das  und  das,  ich 
mag  nicht  in  die  Schule  gehen.  Also  die  Schulärzte  haben  gar 
keinen  Wert.  Sie  verlangen  die  Ausspeisung  der  Schulkinder,  sie  Ter- 
langen  unentgeltliche  Lernmittel,  mit  einem  Wort:  Sie  erzeugen  nur 
die  Kinder,  für  sie  sorgen  sollen  andere!'*  Solche  AnschamiDgen 
vertritt  die  herrschende,  christlich-sozial  sich  nennende  Partei,  die  nicht 
nur  in  Wien,  sondern  fast  in  der  ganzen  Provinz  NiederOsterreich  nnein- 
gescbrftnkt  ihren  Einflufs  auf  die  gesamte  Verwaltung  ausObt. 


(£tteriirif4fe  flefprei^itti^esi. 


Dr.  Hugo  Stebnpeld.  Wansehenswert  oder  notwendig?  Bin  Behvap; 

rar  Sohllhmtfrage  in  Mfincben.  Nach  einem  im  „Ärztlichen  Klub 
Mttnchen''  am  5.  Februar  1903  gehaltenen  Vortrag.  {„Baf^ensches 
ärMiches  Carre^andms-Blatt'' ,  1903,  No.  4,  ö,  6.) 

Der  Verfasser  hat  bereits  im  Jahre  1899  gelegentlich  der  ■  ersten 
Verhandlungen  der  städtischen  Kollegien  in  München  ttber  die  AufeteUnng 
von  Schulärzten,  sowohl  im  ärztlichen  Bezirksverein  München  als  in  der 
Tagespresse  {Münch.  N,  Nachr.),  die  Notwendigkeit  der  Einffthmng  von 
'Schulärzten  in  Manchen  bestritten  und  schon  damals  Widerspruch  hervor- 
gerufen.  Jetzt,  da  neueriings  die  Frage  die  Mfinchener  städtischen  Kollegien 
'beschäftigt,  vertritt  er  wiederum  in  ansfllhrlicher  Abhandlung  seinen  im 
wesenttidhen  gleichen,  wenn  auch  etwas  gemilderten  Standpunkt,  unter 
Wiederholung  der  schon  damals  angefahrten  und  von  dem  zu  frflh  ver- 
«fltorbenen  Dr.  WBiss-Mfinchen  auch  schon  bekämpften  Argumente,  welche 
^er  nunmehr  durch  Beweismaterial  aus  den  inzwischen  gemachten  Erfahrungen 
zu  'Stätten  sucht.  Merkwürdig  ist  dabei,  dafs  dem  Verf.  gerade  einselne 
zweifelnde  'Berichte,  besonders  aus  Vororten  von  Berlin  (Rununelsboig, 
<Obersch(yneweide!),  von  so  hervorragender  Bedeutung  erschienen  sind,  um 
besonders  citiert  zu  werden,  während  von  den  an  Zahl  so  weit  Aber- 
«wiegenden  guten'  Erfahrungen  mit  der  SchularzteinftlhTong,  wie  sie  «<^t 
«nur  in  den  Schularztberiofaten  selbst,  sondern  in  denen  von  Stadtverwal- 
«langen  und  sogar  in  minisfeeriellen  Erlassen  niedergelegt  sind,  mehte  er- 
"Wäfant  ist,  als  dafs  „in  verschiedenen  Orten  das  Institut  der  SdiulArzte 
seit  einiger  Zeit  existiert  und  sich  auch  bewährt  haben  solP  (!). 


829  83 

Die  eingangs  seiner  Abhandlung  yom  Verf.  wiedergegebene  bekannte 
Tatsache,  dab  in  Bayern  (wie  in  anderen  Staaten)  dem  Amtsarzte,  hier 
Bezirksarzte,  durch  yerschiedene  Oesetsesvorschriften  und  Erlasse  eine 
Überwaohong  der  Sohnlen  in  hygienischer  Beziehung  und  ein  gewisser 
(geringer)  Einfiuls  auf  die  hygienischen  Verhältnisse  der  Schule  zusteht, 
scheint  doch,  seihst  wenn  —  wie  wir  überzeugt  sind  —  gerade  in  den 
Städten  die  Vorschriften  durchaus  „nicht  nur  auf  dem  Papier  stehen', 
sondeni  nach  bester  Möglichkeit  yon  den  Amtsärzten  befolgt  werden,  nicht 
gevflgend,  um  die  vom  Verfasser  allein  als  „notwendig*^  zugegebene 
«Mitwirkung  von  Ärzten  an  der  Schule  zur  Eontrolle  und  Beaufsichtigung 
der  hygienischen  Verhältnisse  derselben^  (1.  c.  No.  6,  S.  48)  in  aus- 
reichmidem  Mabe  gewährleisten  zu  können.  Das  hat  Verf.  wohl  selbst 
gefUH  und  darum  erkennt  er  „die  Aufstellung  besonderer  ärztlicher  Kräfte 
für  die  fachmännische  (?)  Beaufsichtigung  der  Schule'*  als  „wfinschens- 
werf  gerne  an.  Notwendig  aber  erscheint  ihm  die  Aufstellung  von 
Sdiulärzten  fibr  Manchen  auch  heute  noch  nicht. 

Bei  den  vorztkglichra  hygienischen  Verhältnissen  der  MOnchener 
Sehulhäuser,  welche  in  Bezug  auf  Anlage,  Heizung,  Lfiftung,  Beleuchtung, 
Schulbänke  u.  s.  w.  allen  Ansprüchen  der  modernen  Schulgesundheitspflege 
«ntsprechen,  erscheint  zunächst,  und  das  ist  einer  der  Hauptbeweisgrttnde 
gegen  die  Notwendigkeit,  die  Mitwirkung  von  Schulärzten  ffir  die 
Hygiene  des  Schulhauses  und  seiner  Einrichtungen  unnötig. 
Es  ist  dem  Eef.  allerdings  nicht  bekannt,  ob  nun  tatsächlich  alle  54000 
Miknchener  Schulkinder  in  solchen  neuen  hygieuKdien  Musterbauten,  deren 
einzelne  er  selbst  kennen  gelernt  hat,  untergebracht  sind  und  nicht,  wie 
«nderwftrts,  noch  ein  Teil  in  älteren  und  ältesten  Schullokalen,  ob  nicht 
ein  Teil  alter  unhygienischer  Sdiulbftnke  noch  vorhanden  ist  u.  s.  w. 
Jedenfalls  «ber  muls  die  Behauptung,  welche  Verf.  aufsteUt  und  für  die  er 
einzelne  Beispiele  beibringt,  dafe  in  den  meisten  Städten,  wo  bidier  Schul- 
ärzte angestellt  wurden,  dies  geschehen  sei,  weil  „wirklich  ein  Be- 
dürfnis dazu  vorhanden  war,  um  bestehenden  Mängeln  (der 
Schulhans-  bezw.  Schulzimmerhygiene)  abzuhelfen**,  in  dieser  Ver- 
allgemeinerung entschieden  bestritten  werden.  Wir  haben  z.  B.  in  Ntim- 
berg  ebensolche  hygienische  Musterschulhäuser,  aber  ein  Sdiularztbedflrfnis 
wurde  doch  anerkannt,  weil  eben  dem  Schularzt  noch  ganz  andere  Auf- 
leben, deren  einen  Teil  der  Verf.  zum  mindesten  ganz  erheblich  unter- 
echätzt,  zufallen. 

Und  was  nfltzt  die  herrlichste  Heizungs-  und  Ventilationsanlage, 
wenn  sie  nicht  oder  falsch  gehandhabt  wird  (wie  häufig  ist  dies  der 
FaDI),  was  nützen  ^e  besten  Bänke,  wenn  sie  den  OrölsenverhältniBsen 
der  Kinder  nicht  entsprechen,  wenn  diese  falsch  und  schlecht  darauf 
sitzenr?  u.  s.  f. 

und  „wenn  i^uch  zugegeben  werden  mufs,  dafs  hier  eine  Kontrolle 
notwe-ndig  ist**,  wer  wird  denn  diese  am  besten  ausüben?  Wie  denkt 
sich  der^Verf.  die  Konirolle,  welche  „Mitglieder  der  k.  Lokalschulkommission, 
der  ei»  Amtsarzt  anzugdiören  hätte**,  ausführen  sollen?  Wie  oft  wird 
der  Anflsanit  dazu  Zeit  haben?  Olaubt  Verf.  nicht,  data  diese  Eontrolle 
doch  besser  durch  Schulärzte,  welche  nicht  wie  eine  Kommission  ein-  oder 


84  830 

zweimal  im  Jahre,    sondern  oft  mid  zu  allen  Zeiten  das  Sdmlhans 
besuchen,  ansgeflbt  werden  kann? 

Scheidet  also  Verf.  zunächst  die  Überwachimg  der  Hygiene  des  Schi^- 
hanses  ans  den  Aufgaben  eines  Münchener  Schularztes  ans,  so  bleibt  die 
Überwachung  der  ^Hygiene  der  Schulkinder,  welche  in  erster 
Linie  (aber  doch  nicht  ausschlielslich,  Ref.)  eine  Beschr&nkung  der 
akuten  Infektionskrankheiten  bezweckt^.  „Hier  aber  lafst  sich, 
wie  die  Erfahrungen  in  Nürnberg,  der  einzigen  bayerischen  Stadt,  die  seit 
1.  September  1898  Schulärzte  hat,  und  anderen  Städten  beweisen,  durch 
die  Anstellung  von  Schulärzten  allein  kein  Erfolg  erreichen.''  Das  letztere 
ist  gewiis  zuzugeben.  Aber  aus  dem  Umstände,  „dafs  sich  z.  B.  in 
Nürnberg  seit  Einführung  der  Schulärzte  (also  in  A}/%  Jahren!) 
kein  Rückgang  der  Infektionskrankheiten  bezw.  kein  selte- 
neres Notwendigwerden  von  Schulschlufs  verzeichnen  läfst*' 
(dieser  Satz  ist  im  Original  gesperrt  gedruckt),  schlieist  Verf.,  daCs  die 
Notwendigkeit  der  Anstellung  von  Schulärzten  »mit  Rücksicht  auf 
deren  Erfolg'',  nicht  gefordert  werden  könne. 

Das  ist  doch  entschieden  zu  viel  verlangt,  wenn  man  den  Erfolg  der 
Schularzteinrichtung  leugnet,  weil  es  den  Schulärzten  nicht  gelungen  ist, 
in  4  Vt  Jahren  einen  in  Zahlen  nachweisbaren  Rückgang  der  Erkrankungs- 
häufigkeit an  Kinderinfektionskrankheiten  (vor  allem  Masern)  herbeizufllhren. 
Refer.  ist  seinerseits  geneigt,  zunächst  einen  Vorteil  der  Schularzteinrichtnng 
nicht  in  dem  selteneren,  sondern  in  dem  häufigeren  (und  rascheren)  Schlufs 
von  Schulklassen  wegen  Infektionskrankheiten  zu  sehen. 

Dem,  was  Yerf.  über  die  Reinlichkeit  in  den  Schulen  als  prophy- 
laktisches Mittel,  über  die  sonstigen  zur  Verhütung  von  Infektionserkran- 
kungen zu  erlassenden  Vorschriften  (Anzeigepflicht,  Ausschluß  der  Ge- 
schwister u.  s.  w.)  ausfahrt,  kann  man  im  ganzen  wohl  zustimmen;  aber 
gerade  daraus,  alle  diese  Dinge  anzuregen,  sie  zu  kontrollieren,  erwachsen 
doch  wohl  dankbare  Aufgaben  für  den  Schularzt. 

Mit  diesen  beiden  Hauptpunkten,  der  Überwachung  der  Hygiene  des 
Schulhauses,  „welche  in  München  unnOtig  ist",  und  der  Bekämpfung  der 
Infektionskrankheiten,  „für  welche  der  Schularzt  nichts  nutzt",  hat  Verf. 
die  Aufgaben  des  Schularztes  ziemlich  erschöpft,  andere  streift  er  nur  so 
nebenher  oder  ignoriert  sie  ganz. 

Gegen  die  Aufnahmsuntersuchungen  aller  Schulkinder  sind  die- 
selben theoretischen  Einwände  erhoben,  wie  sie  auch  sonst  bei  Bekämpfung 
dieser  wichtigen  Einrichtung  (welche  jetzt  endlich  auch  in  Nürnberg  eingeführt 
werden  soll)  erhoben  werden,  von  dem  ,|Eingriff  in  die  (merkwürdigerweise 
nach  allen  Berichten  von  den  Beteiligten  selbst  nie  angegriffen  geglaubten) 
Rechte  der  Eltern",  dieselben  theoretischen  Berechnungen  über 
die  notwendige  Zeit  und  die  Anzahl  der  erforderlichen  Kräfte.  Die  viel- 
fältigen tatsächlichen  Erfahrungen  über  die  reale  DurchftJirbarkeit 
und  den  Nutzen  dieser  Untersuchungen  sind  aber  nicht  berücksichtigt. 

Verf.  glaubt  auch  hier  die  Notwendigkeit  bestreiten  zu  müssen,  da 
die  Münchener  Volksschulkinder  nicht  nur  den  niederen  Ständen  angehören. 
Das  ist  auch  anderwärts  nicht  der  Fall,  und  doch  hat  sich  dort  die  Unter- 
suchung nicht  als  nutzlos,  sondern  als  sehr  erfolgreich  erwiesen  und  selbst 


331  86 

bei  den  «höchsteii  Kreisen^,  welchen  die  Mflnchener  Kinder  entstammen, 
kann  die  private  Hygiene  im  Eltemhanse  Aofimonterong  nnd  Nachhilfe 
nicht  selten  brauchen. 

^Wenn  dbrigens  —  schreibt  der  Verf.  —  nnter  den  Aufgaben  der 
Schulärzte  immer  wieder  die  Yerhfltnng  der  Eurzsichtigkeit  ins  Feld  geführt 
wird,  so  mufs  daran  erinnert  werden,  da(s  dieselbe  nach  Stiluno  nicht 
bedingt  ist  durch  die  ungOnstigen  Yerhflltnisse  in  der  Schule,  sondern 
durch  die  Naharbeit  (findet  solche  nicht  in  der  Schule  statt?  ist  Heftlage, 
Schreibhaltung  darauf  nidit  von  Einflufii?  Ref.)  an  und  fOr  sich  bei  Prft- 
ezistenz  einer  besonderen  Anlage  zur  Eurzsichtigkeit/ 

„Bezüglich  der  Zunahme  der  Bflckgratsyerkrflmmungen  interessiert  es 
vielleicht,  zu  hören,  da(s  das  Ergebnis  der  in  München  gemachten  Unter- 
suchungen von  Bbunneb,  Elaubsneb  und  Seydxl  (die  Untersuchungen 
erstredrten  sich  überhaupt  nur  auf  die  untersten  zwei  bezw.  dreiElassen!) 
allen  übrigen  derartigen  widerspricht.*^ 

Es  kann  im  Bahmen  dieser  Besprechung  wohl  nicht  auf  die  genaue 
Würdigung  bezw.  Widerlegung  dieser  S&tze  eingegangen  werden.  Aber 
bei  wie  vielen  Eindem  mufs  die  Eurzsichtigkeit  oder  andere  Refraktions- 
anomalien —  gleichviel  ob  durch  die  Schule  verschuldet  oder  nicht  — 
überhaupt  durch  den  Schularzt  erst  herausgefunden  und  den  Eltern  mitgeteilt 
werden!  Und  wie  verh&lt  es  sich  in  gleicher  Weise  mit  den  zahlreichen 
anderen  körperlichen  und  geistigen  (Gebrechen  (Grehörsstörungen,  adenoide 
Wucherungen,  Herzklq>penfehler,  geistige  Minderwertigkeit  u.  s.  w.)?  Be- 
weisen die  Schularztberichte  nicht  nur  die  Dankbarkeit,  sondern  die  drin- 
gende Notwendigkeit  solcher  schulärztlichen  Untersuchungen? 

Verf.  hat  gewils  als  Arzt  all  diesen  Er&hrungen  doch  nicht  jede 
Bedeutung  absprechen  wollen,  und  darum  erscheint  ihm  schliesslich  doch 
eben  die  Aufteilung  von  Schulärzten  als  „wünschenswerf*. 

Dab  dagegen  als  solche  rein  beamtete  Ärzte  im  Hauptamt  „denen 
ausschliefslich  diese  Funktion  zu  übertragen  wäre**  angestellt  würden, 
erscheiDt  nach  den  jetzigen  Erfahrungen  weder  notwendig  noch  wünschens- 
wert Gerade  die  Beziehungen  des  Schularztes  zur  allgemeinen  Praxis 
und  nicht  das  völlige  Losgelöstsein  von  dieser  und  Aufgehen  in  starres 
Beamtentum  scheinen  für  die  ersprieisUche  und  wirksame  Tätigkeit  des 
Schularztes  von  Wert. 

Auch  der  Nachweis  bestandener  Physikatsprüfung  als  Vorbedingung 
ftlr  Schularztanstellung  erscheint  dem  Ref.  durchaus  nicht  dringend  not- 
wendig; es  wird  doch  jeder  Arzt  hygienisch  vorgebildet  und  geprüft. 
Und  die  zahlreich  vorhandenen  tüchtigen,  nicht  pro  physicale  geprüften 
Schulärzte  sprechen  gegen  die  Dringlichkeit  dieser  Forderung. 

Wir  müssen  so  den  meisten  Ausführungen  des  Verfassers  widerstreiten. 

Jedenfalls  mufs  aber  anerkannt  werden,  dais  er  seinen  früheren  noch 
streng  ablehnenden  Standpunkt  verlassen  und  sich  einer  milderen  Auf- 
fassung über  die  Nützlichkeit  der  Schularzteinrichtung  schon  zugewandt  hat. 
Wir  hoffen  darum  auch,  dafs  er  schlielslich  doch  noch  dazu  kommen 
werde,  nach  den  schon  jetzt  vorliegenden  und  noch  weiter  sich  bietenden 
Erfahrungen  mit  uns  vom  „wünschenswert**  zum  „notwendig**  überzugehen. 

Dr.  M.  FBAMKEiTBüBaEB-Nümberg. 


86  332 


Hwiixi^t  )Derfi$ttti9(tt  im)  J^rnftothunu^vx. 


Ausschreiben  des  Herzogliehen  Staatsministeriams, 
AbteQnDg;  fBr  Kirchen-  nnd  Schalensachen, 

vom  24.  Jnli  1902,  betreffend  die  Anlage  von  Scholhäosern. 

(SohlnfB.) 
Vorplätze  nnd  Treppen. 

§  9- 
Die  Türen    znm   Eingangsflur  und  zu  den  Schnlzimmem  sollen  nach 

andsen   aufschlagen    und  gentkgend   breit  sein.     Wo  es  zum  Schutz  gegen 

ungünstige  Witterung   erforderlich   ist,    sind  Windftnge   oder  ein  Yorbaa 

anzubringen. 

An  den  Hauseingängen  sind  dicht  hinter  der  Haustür  in  der  Breite 
der  aufschlagenden  Türflügel  herausnehmbare  Gitter  zum  Reinigen  des 
Schuhwerks  in  Winkeleisenrahmen  ins  Plattwerk  so  einzulegen,  dafs  sie 
mit  diesem  eine  Ebene  bilden,  und  darunter  ein  8  cm  tiefer  Schacht  an- 
zuordnen. 

Vor  dem  Hauseingang  soU  sich  ein  hinlänglich  gro&er  Fufsreiniger 
befinden. 

Bei  Treppen,  die  für  den  Verkehr  der  Schüler  bestimmt  sind,  sollen 
die  Trittstufen  und  Podestfufsböden  von  hartem  Holz  hergestellt  werden. 
Die  Treppen  sollen  einschliefslich  der  Wangen  mindestens  1 ,4  m  breit  sein, 
die  Höhe  der  Stufen  etwa  1 7  cm  und  die  Breite  des  Auftritts  etwa  30  cm 
betragen.  Gewundene  Treppen  und  Winkelstnfen  sind  für  den  Verkehr  der 
Schüler  zu  vermeiden ;  vielmehr  sind  volle  Mittelpodeste  in  der  Breite  der 
Treppen  anzuordnen. 

Die  Treppengeländer  au  der  freien  Seite  müssen  fest  und  dauerhaft, 
hinreichend  dicht  und  so  hergestellt  werden,  dafs  das  Herabrutschen  der 
Schüler  auf  dem  Handgriff  verhindert  wird.  An  der  inneren  Seite  (Wand- 
seite) sind  nur  gut  befestigte  Handgriffe  erforderlich. 

Für  das  Aufhängen  der  Kleidungsstücke  sind  ausreichende  Vorkehrungen 
auf  den  Vorplätzen  zu  treffen. 

ä.  Lehrerwohnung. 

§  10. 
Die  Familienwohnung  des  Lehrers  (Volksscbolgeseli  Art.  12,  Abs.  3) 
soll  mindestens  bestehen  aas: 

drei  heizbaren  Räumen  von  zusammen  mindestens  60  q»  Gnadfläche, 

einer  Kammer  von  mindestens  15  qm, 

einer  Küche  von  mindestens  12  qm  Grundfläche  mit  gste»  fiodiherd 

und  mit  Ausgnftvorrichtuiig, 
einer  Speisekammer, 
einer  Kammer  für  den  Dienstboten, 


333  87 

dnem  gedielten  Dachboden, 
einem  gewölbten,  trockenen,  frostfreien  Keller, 
dnem  Gelafs  fQr  Holz  nnd  Kohlen, 
Waschgelegenheit  mit  Kesselherd  and  Kessel, 
einem  Abort  (§  12). 
Die  Wohnung   ist   von    dem  Vorplatz   fttr  die  Schulkinder  tunlichst 
abzuschlielsen. 

§  11. 

Wenn  nach  den  örtlichen  Verhältnissen  Landwirtschaftsbetrieb  und^ 
Viehhaltung  angängig  sind,  sind  wenigstens  fQr  den  ersten  Lehrer  die 
nach  dem  Umfang  der  Dienstgmndstttcke  und  des  entsprechoideB  Land«- 
Wirtschaftsbetriebs  erforderlichen  Wirtschaftsränme  (StaU,  Sdhuppen,  Scheune), 
mindestens  aber  ein  Stallraum'  fflr  zwei  Ziegen  und  zwei  Sehweine  nebst 
Futterranm,  sowie  eine  undurchlässige,  umkandelte  Dungstätte  herzustellen. 

Der  Stallraum  darf  sich  keinesfalls  im  Schulhaus  befinden. 

4.  Aborte. 

§  12. 

Jeder  im  Schulhaus  wohnende  Lehrer  erhält  fQr  sich  und  seinen  Haus- 
stand einen  abgesonderten,  verschliefsbaren  Abort.  Dieser  ist  im  Schulhaus 
selbst  oder  in  einem  Anbau  anzuordnen. 

FQr  die  etwa  außerdem  im  Schulhause  unterrichtenden  Lehrer  genügt 
ein  Abort,  desgleichen  fQr  die  Lehrerinnen. 

Die  SchQleraborte  sind  aulserhalb  des  Schulhauses  anzulegen. 

Zwischen  den  Aborten  fQr  die  Lehrer,  fQr  die  Knaben  und  fQr  die 
Mädchen  sind  dichte  Trennungswände  bis  unter  die  Decke  aufzuführen. 

FQr  je  40  Knaben  und  für  je  20  Mädchen  ist  je  ein  Abortsitz  vor- 
zusehen. Die  Sitze  sind  nach  vorn  abzuschrägen  und  mit  gut  schlie&enden 
Deckehi  zu  yersehen. 

Zwischen  den  einzelnen  Sitzen  sind  dichte,  mindestens  2  m  hohe  oder 
bis  an  die  Decke  reichende  Schiede  und  vor  jedem  Sitz  eine  verschliefs- 
bare  Tür  anzubringen,  die  oben  mit  greisen,  matten  Glasseheiben  yersehen 
ist,  so  dab  der  Raum  gut  erhellt  wird. 

Die  Aborte  sind  hell,  lufUg  und  sauber  herzustellen  und  zu  platten. 
FQr  gute  Lüftung  und  Reinhaltung  ist  baulich  vorzusorgen. 

Die  Abortgniben  sind  undurchlässig  und  so,  dafs  sie  leicht  entleert 
werden  können,  herzustdlen,  gegen  Eindringen  von  Tage-  und  Schicht- 
wasser ausreichend  zu  schützen,  luftdicht  abzudecken  und  durch  Dunstrohre 
mit  Lnftsaugem  über  Dach  zu  entlüften. 

Die  Abfallrohre  sollen  20  cm  weit  und  aus  Steingut  oder  Eisen  sein. 

Für  die  Knaben  ist  weiter  ein  Pifsstand  ohne  Schiede  in  genügender 
Ausdehnung,  mit  in  den  Fuieboden  eingelassenen,  geplatteten  oder  betonierten, 
zü  der  Abortgrube  führenden  Rinnen  mit  starkem  Gefälle  herzustellen. 

Die  Oebäudewand  in  dem  Pifsstande  ist  mindestens  1  m  hoch  massiv 
aoBznführen,  mit  Cementmörtel  zu  putzen  und  in  öl  zu  streichen. 

Die  Zugänge  zu  den  Aborten  sind  durch  gutes  Pflaster  oder  Plattwerk 
zu  befestigen. 


88  334 

5.  Schalhof,  Tarnplatz,  Garten. 

§  13. 

Am  Schulhaus  soll  sich  ein  geräumiger  Hof  und  ein  Spiel-  nnd  Turn- 
platz zu  Gerätetomen,  zu  Frei-  und  Ordnungsübungen  und  zur  freien  Be- 
w^ung  der  Schulkinder  befinden. 

Der  Hof  ist  gehörig  zu  ebnen,  abzuwassern  und,  soweit  es  der 
Reinlichkeit  wegen  erforderlich  ist,  durch  Bekiesung,  Chaussiening  und 
dergl.  zu  befestigen,  zu  umwehren  und  zur  Erzielung  guter  Luft,  kohlenden 
Schattens  und  freundlichen  Aussehens  mit  Bäumen  zu  bepflanzen. 

Der  Spiel-  und  Turnplatz  soll  eben,  angemessen  befestigt  und  so  grofs 
sein,  dab  etwa  4  qm  Fläche  auf  den  Schfller  kommen,  doch  soll  er  nicht 
weniger  als  200  qm  haben. 

Auberdem  soll  ein  eingefriedigter  Garten  für  den  Lehrer  und,  falls 
mehr  als  ein  Lehrer  im  Schulhause  Wohnung  hat,  wenn  möglich  ein  solcher 
noch  fOr  den  zweiten  Lehrer  angelegt  werden. 

6.  Badeeinrichtung. 

§  14. 
Bei  Schulneubauten  soll,    wenn  irgend  tunlich,   eine  Badeeinrichtong 
(Brausebäder)  für  die  Schulkinder  in  dem  Sockelgeschoß  des  Schulhanses 
oder  an  anderer  geeigneter  Stelle  und  zwar  so  hergestellt  werden,  dab  sie 
auch  von  Erwachsenen  benutzt  werden  kann. 

n.  Verfahren  in  Schulbausachen. 

§  15. 
Jeder  Antrag  auf  Neubau,  Erweiterung  oder  Umbau  eines  Schulhauses 
ist  zunächst  in  abgektkrzter  Bearbeitung  vom  Schulamt  uns  vorzulegen. 
Dazu  gehört: 

1.  eine  kurze  Darlegung  des  das  Bauvomehmen  veranlassenden  Sach- 
verhalts und  Bedflrfiiisses  mit  den  zur  Bemessung  des  Bannmfangs 
erforderlichen  Angaben,  wie  der  Anzahl  der  Schulkinder  in  den 
letzten  zehn  Jahren  und  der  Schfllerzahl,  die  in  den  nächsten  fünf 
Jahren  nach  der  Zahl  der  Geburts-  und  TodesfUle,  der  Zu-  und 
Abwanderungen  u.  s.  f.  zu  erwarten  ist, 

2.  ein  genauer  Lageplan  Aber  den  Bauplatz  und  die  nähere  und 
entferntere  Umgebung  mit  Angabe  der  Himmelsrichtung,  wozu  am 
besten  der  Ortskatasterplan  zu  benutzen  ist,  femer  mit  Angabe 
der  Gröise  des  Bauplatzes  und  mit  Andeutung  der  Stelle  des 
Schulhauses  selbst  (s.  §  5,  Abs.  2)  und  der  zugehörigen  Neben- 
gebäude (§§  11,  12)  und  AnlaRcn  (§  18), 

3.  Angaben  Aber  Bodengestaltung,  Baugrund,  Entwässerung  des  Bau- 
platzes, 

4.  Angaben  Aber  die  Umgebung  des  Bauplatzes,  insonderheit  Aber 
die  in  der  Nähe  befindlichen  gewerblichen  und  sonstigen  Betriebe, 
sowie  Aber  die  Versorgung  mit  Trinkwasser  (§  1), 

5.  die  Gebäude-Grundrisse  im  Mafsstabe  1 :  100  mit  eingeschriebenen 
Haben,  woraus  Lage,  Verbindung  und  Grundfläche  der  Räume 
ersehen  werden  kann,  mit  Einzeichnung  der  Sitze  und  Gänge  in 
den  Schulzimmem  (§  3),  ferner 


335  89 

6.  ein  Gebändeanfrifii  mit  eingetragenen  HOhenmaben, 

7.  eine  tkbenchlftgliche  Eostenberechnnng  nach  Gnindfl&che  oder 
Ranminhalt  des  Oebftndes, 

8.  eine  Darlegung  Ober  die  Beschaffong  der  Baokosten. 

Diese  Vorarbeiten  sind  zunächst  durch  d«i  Landbaumeister  und  den 
Physikus,  wenn  aber  dieser  nicht  zugleich  Schularzt  ist,  auch  durch  den 
Schularzt  zu  begutachten  und  mit  deren  Gutachten  nach  Gehör  des  Ge- 
meinde- und  Schulyorstandes,  sowie  des  Gemeinderates  yom  Schulamte  mit 
seinem  eigenen  Gutachten  uns  yorzulegen. 

§  16. 

Nachdem  die  allgemeinen  Yorarbeiten  (§  15)  —  die  erste  Vorlage  — 
von  uns  genehmigt  worden  sind,  ist  der  genaue  Lageplan  mit  Kosten- 
anschlag auszuarbeiten. 

Hierzu  gehören: 

1.  die  TOllstftndigen  Grundrisse  sämtlicher  Geschosse  im  Malsstab 
1 :  100  mit  Angabe  der  Längen-  und  Flächenmaise,  der  Wand- 
stärken, der  Grundfläche  der  Schulzimmer,  der  Lage  und  Weite 
der  Türen  und  Fenster,  der  Gesamtfläche  der  Hauptfenster  zur 
Linken  der  Schulkinder  in  jedem  Schnlzimmer  (§  5,  Abs.  2), 
femer  mit  Angabe  der  Feuermauem  und  Feuerungen,  der  Vor- 
plätze und  Treppen,  der  Balkenlagen  und  ihrer  Auswechslung  um 
die  Schlote,  sowie  der  Scbfllersitze,  des  Lehrersitzes,  der  Öfen 
und  der  Gänge  im  Schulzimmer,  auch  Andeutung,  wie  die  Türen 
aufschlagen  (§  9,  Abs.  1), 

2.  die  Aufrisse  der  Haupt-  und  Nebenansichten, 

3.  die  Querschnitte  mit  eingeschriebenen  Ma&en, 

4.  die  genaue  Zeichnung  der  Aborte  (Grundrils,  Durchschnitt,  An- 
sicht) mit  Angabe  de^  Sitze  und  Türen,  der  Pifsstände,  der  Ab- 
ortgrube im  Mafisstab  1 :  50,  ferner  genaue  Angabe  über  Beleuch- 
tung und  Lüftung,  .über  Befestigung  der  Gänge  und  Fuisböden, 

5.  der  Kostenanschlag  einschlieislich  des  Anschlags  für  Ausstattung 
des  Schulzimmers. 

Diese  Vorlagen  sind  in  eine  Mappe  mit  Aufschrift  und  Inhaltsverzeichnis 
einzuscUiefsen. 

Durchzeichnungen  des  genehmigten  Bauplanes  sind  in  den  Akten  des 
Kreisschnlamtes  au&ubewahren. 

§  17. 

Die  Bauausführung  soll  nur  durchaus  zuverlässigen  Werkmeistern  und 
Unternehmern  übertragen  werden.  Die  Unternehmer  haben  mindestens  ein 
jahrlang,  sofern  nicht  eine  längere  Zeit  vertragsmäisig  bedungen  wird,  für 
die  Güte  ihrer  Arbeiten  einzustehen. 

§  18. 

Der  Herzogl.  Landbaumeister  hat  unentgeltlich,  als  zu  seinen  Amts- 
pflichten gehörig,  alle  Vorlagen  (§§  15,  16),  sofern  er  sie  nicht  selbst 
gefertigt  hat,  zu  prüfen  und  zu  begutachten,  ingleichen  den  Rohbau,  be- 
vor mit  dem  Bewurf  begonnen  wird,  und  sodann  die  fertig  gestellten  Bau- 
lichkeiten, bevor  sie  benutzt  werden,  unter  Zuziehung  der  Werkmeister 
und  des  Gemeindevorstands  zu  prüfen  und  abzunehmen. 

Der  Sehal&rit.  L  H 


l 


336 


Über  Prafong  and  Abnahme  ist  eine  YerbandlpngsachEift  anfzosetzen 
niid  dem  Sclralamt  zHzofert^gen- 

Die  Anfertigung  der  Plftne  and  EostenanaohUge,  aowie  die  Banans- 
fohrong  geh(yrt  nicht  zu  den  Amtspflichten  des  Lajidbaameiaters  {vergl. 
Anaschreihea  vom  27.  Dezember  1837). 

HL     Schliifsb€6timmangen. 

§  19. 

Die  Yorstehenden  Yorschriften  scblieisen  die  Znlaasong  imd  Anord- 
nung weitergehender  baulicher  Yorkehmngen,  namentlidi  in  gesnndheitUoher 
Beziehung  und  bei  umfänglicheren  Bauten,  nicht  ans. 

Sie  gelten  gleichm&Csig  —  jedoch  unter  Berttoksichtigung  der  Yei^ 
schiedenheit  der  örtlichen  YerhÜtnisse  —  für  Yolksschulfoauten  in  den 
Städten  und  auf  dem  Lande. 

Bei  Umbauten,  Erweiterungsbauten  und  Yerbesserungen  Torhandener 
Schalanstalten  finden  sie  sinngemä&e  Anwendung. 

Auf  bereits  bestehende  ScfauHiftuser  finden  sie  insoweit  sinngem&be 
Anwendung,  als  eine  ihnen  entsprechende  Umgestaltung  oder  Yerbessenrng 
infolge  zunehmender  Zahl  der  Schulkinder  oder,  insofern  «ie  ohne  wesent- 
lidie  Umänderung  der  Hauptbautefle  ausfahrbar  ist,  durch  dringliche  ge- 
sundheitliche oder  sonstige  Rflcksichten  erfordert  wird. 

Meinii^en,  den  24.  Juli  1902. 

Horzogliehes  Staatswaisterion, 
Abteilung  f&r  Kirchen-  und  SchulensaclMn. 

Y.  Hbim. 


Anweiaug  Tom  1.  Mai  19M, 

die  ftrzfliehe  OberwaefciDg  der  Heraeglielmi  OynMtiray  Beal* 

gymaarien  «id  der  lersoglielien  Reabekalea  ketrefead. 

I.  Abschnitt. 

§  1. 

Die  ärztliche  Überwachung  bezieht  sich 

1.  anf  die  ScMJer,  —  auf  deren  KOrperbeschaffeaheit  and  (i^esand- 
heitszustand, 

2.  auf  die  Schulräume,  deren  Ausstattung  und  Zustand,  insbesondere 
aaf  Yoririflitze,  Treppen,  Untferrichtazinuner,  Beleaehtpng,  Heizung, 

Lttftaag,  Bftnke, 
auf  Toraplatz,  TuiihaUe,  Tomgertto, 
auf  die  Abtritte, 

auf  die  Wohnung  des  Schaldieners, 
aal  etwaige  Badeeiarichtung. 
Dar  Bdadarit  ist  in  allen  Aageteigenheiten  der  Gesuadbeitspflce^  in 
dar  AmUU;  Berater  des  Leiters  derselbea. 

§2. 
Der  mit  der  ftratUcJken  Überwachaag  beaaftvagte  Arzt  (Schulia?irt^  hat 
die  Anstalt  wenigstens  zweinal  in  jedem  Schu^ahre  zu  beiOAkaOi 


387  91 

das   erste  Mal   im  FrQlgahr   nadi   dem  Begiia    der  driUan  Woche 
zwischen  dem  Osterfest  und  Pflagsteiii 

das  zweite  Mal  im  Monat  (Oktober  oder  November. 

n.  Abschnitt. 
§3. 

Jeder  in  die  Anstalt  neu  eintretende  SchtUer  hat  entweder  seinen 
Geanndheitsbericht  (Anweisung  vom  21.  April  1900  —  Formnlar  II)  oder 
einen  von  den  Angehörigen  —  den  Eltern  oder  deren  Vertretern  —  ans- 
gefönten  Fragebogen  (Formnlar  I)  dem  Direktor  vorzulegen. 

Das  Formnlar  wird  vom  Direktor  d«i  Angehörigen  zagestellU 

§4. 

Der  Schnlaret  nimmt  bei  dem  Fr&bjahrsbesnch  von  den  Gesandheits- 
berichten  nnd  den  ansgefOllten  Fragebogen  Einsicht  nnd  nntersnoht  jeden 
neu  eingetretenen  Schfller,  fOr  den  nicht  ein  Oeinndheitsbericht  oder  ein 
anderes  dem  Zweck  entqNrechendes  ftrsUiches  Zeagnis  vorliegt,  einzeln 
genan  anf  Körperbeschaffenheit  nnd  Gesandheitsinstand. 

Soweit  es  sich  nicht  nm  Untersnchuag  der  Angen,  der  Ohren,  der 
Naae,  der  Mundhöhle,  der  Hfiade  nnd  dergleichen  handelt,  soll  dar  einzelne 
Sehtier  vollständig  abgesondert  nntersncht  werden,  wie  denn  flberhanpt  d«Bs 
Empfinden  der  Schaler  alle  Schonung  zu  teil  werden  mnjs.  Hieraal  ist 
m  allen  Fällen  besonderer  Wert  zu  legsn  und  jede  dem  widersfirecheAde 
Maßregel  zu  vermeiden. 

Den  Eltern  des  Schillers  wird  in  der  Begel  auf  Wunsch  gestattet 
wmlen  können,  der  Einzeluntersuchuag  desselben  beiBuw<^en. 

§6. 

kt  der  Schfller  gesnnd,  so  wird  dies  im  Gesuadheitsberioht  (Formnlar  11, 
Rückseite  des  Fragebogens  I)  unter  „Vermerke  des  Arztes  **   eingetragen. 

Etwa  v<Hrgefundene  Fehler  und  Abnormitäten  vermerkt  der  Schularzt 
ebendaselbst  unter  kurzer  Angabe,  was  er  des  SchQlers  und  der  Sehnle 
halber  ftr  notwendig  oder  wttaMSchenswert  erachtet  (Anweisung  passender 
Plfttze  für  Kurzsichtige  oder  Scbwerhörigei  Befreiung  von  Tum-,  Gesang- 
oder  Zeichenunterricht,  oder  Aussetzung  des  Unterrichts  Oberhaupt,  be- 
sondere Haltung  beim  Schreiben  n.  s.  w.). 

Zugleich  setzt  er  davon  den  Direktor  oder  den  Klassenlehrer  behufii 
der  erforderlichen  Anordnung  und  der  etwaigen  weiteren  Mitteilung  an  die 
anderen  beteiligten  Lehrer  in  Kenntnis. 

Von  manchen  Fehlem  und  Erkrankungen,  sowie  von  zweckdiMdichen 
VerhaltungsmaCsregeln  wird  der  Schularzt  oder  nach  Verständigui^  mit  ihm 
der  Direktor  oder  Klassenlehrer  den  Angehörigen  (s.  Formular  HI),  nach 
Befinden  auch  dem  Schüler  selbst  —  insbesondere  dem  reiferen  —  Mit- 
teifaujf  zu  Bsaehen  haben. 

§6. 

Etwa  nach  der  FrälgahrsualerBnchuBg  ne«  eintretende  Schttlnr  weil! 
der  Direktor  an,  sich  mit  ausgefälltem  Fragebogen  dem  Schularzt  in  deseen 
Wehnung  zur  Untefsuehung  zu  steUen. 

§7. 
Eine  spätere  Enzeluntennehung  des  Schfllers  findet  nur  dann  statt, 

wenn  entweder  die  erstmalige  Untersuchung  eine  Abweichung  vom  NormaieQ 


92  388 

ergeben  hat,  oder  wenn  aas  irgend  einem  anderen  Anlafs,  namentlich  auf 
Grand  der  Beobachtangen  des  Lehrers,  die  Yermatang  besteht,  da(s  sich 
seit  der  ersten  üntersachang  eine  krankhafte  Yeranderang  eingestellt  hat. 

Im  flbrigen  hat  sich  der  Schalarzt  rücksichtlich  der  Schaler,  die  nicht 
nen  eingetreten  sind,  and  bei  dem  zweiten  Besach  im  Scbo^ahr  aaf  eine 
Revision  za  beschränken,  sich  aber  stets  davon  zn  überzeagen,  dab  die 
von  ihm  hinsichtlich  der  mit  Fehlem  behafteten  Schfiler  erteilten  Rat- 
schlage befolgt  worden  sind. 

Indessen  sollen  —  bei  dem  zweiten  Besach  im  Scha^'ahr  —  die  vor 
der  Abgangsprüfang  stehenden  Schaler,  sowie  diejenigen  Schaler,  welche 
im  folgenden  Jahre  die  Schale  za  verlassen  beabsichtigen,  nodi  einmal 
nntersacht  werden  and  zwar  mit  besonderer  Beracksichtigang  des  kOnfügen 
Berab. 

Es  ist  besonderer  Wert  darauf  za  legen,  dab  die  Angehörigen  in  der 
Lage  sind,  sorgfältig  za  prOfen,  ob  die  körperlichen  Eigenschaften  nnd  der 
Gesondheitszastand  für  den  künftigen  Beraf  —  namentlich  f&r  das  Studiom 
überhaupt  oder  für  das  gewählte  Stadienfech  oder  für  einen  anderen  aaf 
Yerwendang  im  Staatsdienst  abzielenden  Bildangsgang  —  vollkommen 
aasreichen  and  die  ins  Aage  gefafste  Wahl  darchaos  rätlich  erscheinen 
lassen.  Den  Angehörigen  sind  daher  vom  Schalarzt  hierüber  (nach  For- 
mular m)  die  zweckdienlichen  lütteilangen  za  machen. 

§8. 

Der  Gesondheitsbericht  (Formolar  11)  begleitet  den  Schüler  bei  seinem 
Gange  durch  die  Schule  und  wird  bei  seinem  etwaigen  Übertritt  in  eine 
andere  Unterrichts-  oder  Erziehungsanstalt  unmittelbar  an  diese  abgegeben. 

Im  flbrigen  sind  die  Gesundheitsberichte  vom  Direktor  nadi  den 
Jahrgängen  —  den  Geburtqahren  —  und  in  jedem  Jahrgang  nach  der 
Buchstabenfolge  der  Namen  geordnet,  in  Mappen  unter  Verschlub  aufiEu- 
bewahren  und  zwar  —  wegen  der  etwaigen  Bedeutung  Ar  die  Militär- 
musterung —  bis  zum  Ablauf  des  Jahres,  in  dem  der  Schfller  das 
23.  Lebensjahr  vollendet;  alsdann  sind  sie  zu  vernichten. 

§9. 
Der  Schularzt  ist  verpflichtet,   auf  Antrag  der  Direktion  Schüler  in 

ihren  Wohnungen  zu  untersuchen,  wenn  bei  längeren  Schulversäumnissen 
ein  anderweites  genügendes  ärztliches  Zeugnis  nicht  vorliegt. 

§  10. 
Die   Behandhing    erkrankter   Schüler   gehört   nicht   zu   den   Dienst- 
obliegenheiten des  Schularztes. 

m.  Abschnitt. 

§  11. 

Der  Schularzt  wird  beim  Besuche  der  Anstalt  der  Beschaffenheit  and 
dem  jeweiligen  Zustand  der  Räumlichkeiten  —  §  1,  Ziffer  2  —  unter 
Berücksichtigung  der  in  Beziehung  auf  deren  Pflege  eriassenen  Vorschriften 
seine  besondere  Auteerksamkeit  zuwenden. 

Auf  Mängel  wird  er  den  Direktor  sofort  aufmerksam  machen,  dieser 
aber  wird  dergleichen  unverzüglich  abstellen  oder,  sofern  er  dazu  nicht 
in  der  Lage  ist,  sofort  an  die  unterzeichnete  Behörde  wegen  der  Ab- 
stellung Bericht  erstatten. 


339 


98 


Schule  zu 

I.  Fragebogen. 

An  das  Elternhaus:  Damit  in  der  Schule  auf  die  Eigenschaften  der 
Kinder,  insbesondere  auf  etwaige  Fehler  und  Schäden  gebührend 
RAcksicht  genommen  werden  kann,  ersuchen  wir  um  sorgfältige 
Beantwortung  der  nachstehenden  Fragen  und  um  Rückgabe  des 
Bogens  binnen  drei  Tagen. 

Der  Lehrer  wird  bei  der  Beantwortung  zur  Beihilfe  gern  bereit  sein. 

Etwaige  vertrauliche  Mitteilungen  über  das  Kind  woUe  der  Vater 
oder  die  Mutter  mündlich  dem  Lehrer  machen  oder  machen  lassen. 


Fragei: 

Name  des  Kindes 

geboren  den 

geimpft  den 
wiedergeimpft  den 

(•plter  ▼om  Lehrer  la  beantworten.) 

Namel  des  Vaters  (der  Mutter, 
Stand  J  Pflegeeltern) 

Vielehe  Krankheiten  oder  Operationen 
hatdas  Kind  überstanden  ?In  welchem 
Lebensalter  stand  es  damals? 

Sind  Nachteile  zurückgeblieben? 
und  welche?  (Gehörleiden  u.  dgl.) 

1.  Ist  das  Kind  kurzsichtig? 

2.  Schielt  es? 

3.  Ist  es  schwerhörig? 

4.  Stottert  es? 

5.  Ist  es  lungenkrank? 

6.  herzkrank? 

7.  mit  Bruchschaden  behaftet? 

8.  mit  schiefem  Rückgrat? 

9.  mit  welchem  sonstigen  Fehler? 

10.  Ist  ein  Fehler  in  Mund,  Rachen- 
höhle, Nase  bemerkt  worden? 

11.  Hatdas  Kinde.  Hautkrankheit? 

12.  Ist  es  epileptisch? 

13.  geistig  dem  Alter  entsprechend 
entwickelt? 

14.  odergeistigzurückgebliebenund 
weshalb? 


11.. 
12.. 
18.. 


14.. 


(Ort) 


(Tag) 


Antworten 


1 

2 

3 

4 

6 

6 

7 

8 

9 

10 


(Unterechrift) 


Fragebogen  ist  anageftillt  Tom  Yater?    Mutter?    Pflegeeltern?    Grofs- 
eltem?    Hausarzt  oder  Lehrer?    (Das  Zutreffende  ist  tu  unterstreichen.) 


94 


340 


1    « 

^  1  i 

?     1 
•8 

i    i  1 

5     1    i 
1     i 

1     ' 

0 

sr 

•*• 

8. 

0 

S         !       i 

§    i 

w 

o 

0             j 

M 

0 

Sil. 

5      i 

Jahr       Tag 
Beobtchtnngen  des  Lehrers 

der  Einträge 

®       1 — r 

0           :        : 

ä    i   i 

1      !    1    ^ 

M          1       •       ; 

0 

o*         j 

S          ; 
P           i 

■  » 

"                  t 

•  ff 

•  • 

•  • 

■  ■ 

•  • 

•  t 

:       : 

•  t 

■  • 

•  ff 

•  1 

:        '• 

•  • 

1      I 

: 

•  ff 

:       : 

i      I 

■  ff 

i       . 

■  t 

■  ff 

•  • 

•  ff 

:       : 

•  ff 
"               ff 

•  ff 

•  ■ 

'-     : 

•  • 
l              f 

7                 • 

S           ff 

I                   '                   ■ 
I                ■                ■ 

Z                 ff 

•  1            1 

ff                           ff                           4 

fl                           ff 

•  1 

■  • 

ff                           •                           ■ 

i       > 

•  *               < 

i       1       i 

< 

1 

«ff 

fl 

0.3 
07 

u 

-sr' 

ir 


0 


*  2 

'4 


h 


i 


B 


Körper 
beBehiJbBheit* 


Kuriaiehtigkeit 


Andere  Aagen- 
erkranknngen      ^ 


SokwerkOrIgkeit    ?• 


Andere  ^ 

Ohrerkranknngen  ■ 


Sprachstörungen 


Skrophulose        ?» 


LnngMi- 
tuber£ulo0e 


Andere 
BrkrankoBgen  der  S 
A  tm  nngsorgane 


Organische 
Heraencrankungea 


Senstiffe 
Herzleiden 


Blaffen-  u.  Darm-   »^ 
erkrankungen      P* 


BrQche  und 
Bruchanlagen 


Rro^ff 


BcUefe  Wlrbel- 
■ftule  oder  aofllHIg,  3 
schlechte  Haltung  * 


Auff&lligschad-     ^ 
hafte  Zfthne        S 


r' 


Andere  PeMer  fn 
Unndr»  Bachen-  u.  ^ 
Nasenhöhle 


HAutkrankheiten    J^ 


Epilepsie  $ 


Geistig  anifallentf  ^ 
saxilGkg«UiehMi.   r^ 


er 
3. 


CD 


§ 


0* 

• 
9 

{^ 

& 

• 


i. 

O 


rff- 

CP 

D 

0 


95 

m 
Mitteihmg. 

Naeli  der  üntersacliuikg  des  Sebnlantes  leidet  Ihr ^ 


Ffir  die  Gesundheit,   wie  der  Schale  halber  ist  dringend  er- 
ibrderlicb. . 


Sie  woüen  die»»  Mitteflongr  ontersdireiben  mid  bhuN»  drei 
Tagen  zurückgeben,  dabei  aber  von  jeder  Znsatzbemerkung  absehen. 
Zn  persönlicher  Rflcksprache  ist  der  Lehver  gern  bereit. 

,  den  190 

Oelesen : 


IVa. 

Mitteilung  des  Schularztes  

in an  das  Herzogliche  £Teis-(Stadt-)Schulamt  in 

über  MAagel  an  Sehidh&nsem  ete. 


Umm^i^^i^mmUm 


lffflidHi<A(t  des  HensogUchen  Hreis-(8tadi^)Scfaria»tes  zu 

m^  dm  Bchikwt in über  die  wegen 

Beieitignng  der  Mängel  an?  Sdiulhftvsem  etc.  getroffenen  Verfügungen. 


^  Bkemft'  A%<ehnftt  ist  rar  Benaofarichtigiing  deft  Sehulsnrtes  aA^raCreimen. 


96  342 

lY.  Abschnitt. 

§  12. 
Es  versteht  sich  Ton  selbst,   daCs  der  Schularzt  alles  Termeidet,   was 
etwa   die  Lehrer  vor  den   Schülern  bloCsstellen   könnte,    sowie   dab  ycm 
ihm,  dem  Direktor  und  den  Lehrern  Über  das  Ergebnis  der  Untersachnng 
der  Schüler  Stillschweigen  zn  beobachten  ist. 

§  13. 
Der  Schularzt  hat  bis  znm  16.  Dezember  j.  J.  einen  Bericht  über 
seine  Beobachtangen  mit  einer  Obersicht  über  die  in  den  einzelnen  Schulen 
Yorgefandenen  Mängel  an  die  Direktion  zn  erstatten ;  diese  legt  den  Bericht 
mit  ihren  Begleitbemerknngen  bis  zom  15.  Januar  des  nächsten  Jahres 
dem  Herzoglichen  Staatsministeriom,  Abteilang  für  Kirchen-  and  Schalen- 
sachen, vor. 

Y.  Abschnitt. 

§  14. 

Ausnahmsweise  sollen  im  Jahre  1901  nicht  nur  die  neu  eingetretenen, 
sondern  alle  Schüler  —  mit  der  in  §  4  bemerkten  Ausnahme  —  rflck- 
sichüich  deren  daher  auch  Fragebogen  auszusteUen  sind,  wie  in  §§  4  u.  5 
angegeben,  einzeln  untersucht  werden. 

Dagegen  würde  im  laufenden  Jahre  die  §  7,  Abs.  3  Torgeschriebene 
wiederholte  Untersuchung,  sofern  dafür  nicht  besondere  Yeranlassung  yor- 
liegt,  hinwegfallen  können,  nicht  aber  die  Absatz  4  daselbst  vorgeschriebene 
Mitteilung. 

Meiningen,  den  1.  Mai  1901. 

Herzogliches  Staatsministerium. 
Abteilung  für  Kirchen-  und  Schulensachen. 

Ghim. 


Meiningen,  den  6.  Januar  1903. 

All  die  Bimtliehen  Sehnlirate. 

Bei  Ausfahrung  der  Anweisung  vom  21.  April  1900  ersuchen  wir, 
folgendes  zu  beachten: 

L  Das  Schulhaus,  die  Schulräume  und  ihre  Einrichtungen. 

Die  Untersuchung  hat  sieh  auf  die  Räumlichkeiten  der  Schule  und  auf 
deren  Einrichtungen,  sowie  auf  die  Dienstwohnung  der  Lehrer  zu  erstrecken. 

a)  Soweit  es  sich  indessen  hierbei  um  gleichbleibende  Yerhältnisse 
(Länge,  Breite,  Höhe  etc.)  handelt,  bedarf  es  keiner  wiederholten  Er- 
mittelung. 

Yielmehr  werden  Ihnen  die  hierüber  getroffenen  Feststellungen  jeweils 
bei  Ihrem  ersten  Besuch  von  den  Lehrern  Ihres  Bezirics  zugänglich  gemacht 
werden  (vergl.  Bekanntmachung  in  No.  13  des  Regierungsblattes  vom 
23.  Januar  1903). 

Einer  Erwähnung  dieser  feststehenden  Yerhältnisse  in  dem  Jahres- 
berichte bedarf  es  nur  dann,  wenn  etwaige  damit  zusammenhängende  und 
nicht  inzwischen  beseitigte  MiCsstände  dies  wünschenswert  erscheinen  lassen. 


343  97 

b)  Dagegen  ist  der  Zustand  und  die  Art  der  Unterhaltung  der  Schal- 
räinne  und  -Einrichtungen  zn  prüfen  und  festznsteUen,  ob  sie  den  gesund- 
heitlichen Anforderungen  entsprechen.  Insonderheit  ist  das  Augenmerk  zu 
richten  auf 

1.  die  Belichtung  des  Schulsaales, 

2.  die  LOftungsTorrichtungen, 

3.  die  HeizYorrichtungen, 

4.  die  Schulbänke, 

5.  Beschaffenheit  und  Art  der  Reinigung  des  Fufsbodens  (Stauböl), 

6.  die  Vorplätze  und  Treppen, 

7.  die  Vorrichtungen  zum  Reinigen  des  Fufswerks, 

8.  die  Kleiderablagen, 

9.  die  Spucknäpfe, 

10.  die  Beschaffenheit  der  Aborte  (vgl.  Ausschreiben  vom  24.  Juli  1902, 
betreffend  die  Anlage  von  Schulhänsem,  §  12), 

11.  den  Tummelplatz  (Tum-  und  Spielplatz), 

12.  die  etwa  vorhandenen  Badeeinrichtungen, 

13.  die  Dienstwohnung  des  Lehrers  oder  der  Lehrerin  (Wohn-,  Schlaf- 
und  Wirtschaftsräume)  und  den  Schulbrunnen. 

c)  Es  ist  zweckmä&ig,  die  Untersuchung  zu  b  jeweils  bei  dem  erst- 
maligen, nach  Beginn  des  Schulljahres  stattfindenden  Besuche  yorzunehmen. 
Die  dabei  yorgefundenen  Mängel  sind  sogleich  (nicht  erst  mit  dem  am 
1.  Februar  des  kflnftigen  Jahres  zu  erstattenden  Berichte)  —  fUr  jeden 
Schulort  besonders  —  dem  Kreis-  oder  Stadtschulamt  anzuzeigen, 
damit  sie,  soweit  möglich,  sofort  abgestellt  und  die  gute  Jahreszeit  und  die 
Ferien  benutzt  werden  können. 

Sie  wollen  sich  hierzu  der  angefügten  Formulare  (IV  a)  bedienen. 
Nachricht  von  dem  zur  Abhilfe  Geschehenen  wird  Ihnen  durch  das  Kreis- 
(Stadt-)Schulamt  auf  dem  loszutrennenden  Abschnitt  (IV  b)  zugehen. 

Bei  der  Nachschau  im  Herbst  wollen  Sie  sich  sodann  yergewissem, 
ob  die  gerügten  Mängel  abgestellt  sind. 

d)  In  dem  Jahresbericht  woUen  Sie  über  den  Befand  der  unter  b 
bezeichneten  Richtungen  für  jeden  Schulort  besonders  in  übersichtlicher 
(tabellarischer)  Form  angeben,  inwieweit  sich  bei  der  Nachschau  die  Be- 
seltigang  der  Mängel  ergeben  hat. 

War  an  den  Schulräumen  etc.  nichts  zu  beanstanden,  so  genügt  ein 
aUgemeinar  Vermerk  hierüber. 

II.  Untersuchung  der  Kinder. 

a)  Der  Bericht  hat  jeden  einzelnen  Schulort  besonders  zu  behandeln, 
so  da£s  die  örtlichen  gesundheitlichen  Verhältnisse  erkennbar  werden. 

Inwieweit  es  sich  empfiehlt,  bei  Angabe  der  vorgefundenen  Fehler  und 
Krankheiten  auch  die  einzelnen  Klassen  mehrgliedriger  Schulen  auseinander- 
zuhalten, bleibt  Frage  des  Einzelfalls  und  daher  dem  Ermessen  des  Schul- 
arztes überlassen.  Eine  solche  getrennte  Berichterstattung  wird  dann 
wünschenswert  sein,  wenn  die  Einzelergebnisse  auffallende  Erscheinungen 
herrortreten  lassen,  die  einen  Rückschluß  auf  in  der  einen  oder  anderen 
Klasse  obwaltende  besondere  Ursachen  erlauben. 


98  844 

b)  Im  einzelnen  hat  sich  die  Untersachong  und  der  Bericht  anf 
folgendes  zn  erstrecken: 

1.  anf  die  Zahl  der  an  jedem  Sditdort  nntersnchten  Kinder.  Drim 
sind  Mädchen  nnd  Knaben  zn  scheiden,  nnd  ist  anzugeben,  wieviel  Mfldchen 
der  oberen  vier  Klassen  oder  der  entsprechenden  Lebensalter  nntersncht 
worden  sind; 

2.  anf  den  allgemeinen  Eindruck,  den  die  Uhtersnehten  hinterliassen. 
Es  ist  anzugeben,  ob  die  Kinder  kraJPtig  oder  schlecht  entwiekelt,  ob  sie 
gut  genährt,  bla(s,  unsauber  sind,  ob  bezüglich  ttberstandener  Krankheiten 
etwas  Besonderes  zu  bemerken  ist.  Im  allgemeinen  wird  es  hierbei  ge- 
nfigen, wenn  die  allgemeine  Konstitntion  mit  kurzen  Yermerken  wie  „gut^, 
„mittel**,  „schlecht **  gekennzeichnet  wird;  nur  bei  besonderen  Befonden 
wird  eine  nähere  Angabe  erforderlich  sein; 

3.  anf  den  Verlauf  der  Untersuchung.  Es  mu&  aus  dem  Berichte  zu 
ersehen  sein,  ob  Störungen  oder  ünzntrftglichkeiten  bei  der  Untersuchung 
hervortraten,  wie  die  Bevölkerung  sich  zu  ihr  verhielt,  und  ob  die  Eltern 
der  Kinder  der  Unterauchung  beiwohnten; 

4.  auf  die  im  Oesundheitsbericht  (ü),  Ziffer  3 — 21  bezeichneten  ein- 
zelnen Krankheiten  und  Störungen. 

Bei  jeder  Kategorie  ist  die  Snmme  der  von  der  Krankheit  oder 
Störung  Betroffenen  zu  ziehen  und  anzugeben.  Die  Zusamnensteflung 
erfolgt  zweckmäiSsig  in  tabellarisdier  Form. 

Bei  besonders  häufig  vorkommenden  oder  auffallenden  Erkrankungen 
ist  tunlichst  zu  ermitteln  und  anzugeben,  auf  welche  ürsuchen  sie  zurfiok- 
zufQhren  sind,  insonderheit  ob  etwa  die  Beschaffenheit  der  Schuirämtie 
(z.  B.  bei  Kurzsichtigkeit  oder  Augenerkrankungen)  oder  d<eren  Einrichtongen 
(z.  B.  bei  Rfickgratsverkrflmmnngen  infolge  schlechter  Schulbänke)  oder 
häusliche  YerhäUnisse-  oder  die  Art  der  betriebenen  Hausindustrie  (z.  B. 
bei  Lungentuberkulose)  od^r  andere  Faktoren  für  die  Verbreitung  der 
Krankheitserscheinungen  verantwortlich  zn  machen  sind. 

Fehler  und  Erkrankungen,  die  in  dem  Verzeichnis  des  G^esundfaeits^ 
berichte  ZSiff^r  3 — 21  nicht  enthalten  sind,  sind  gleichwohl  besonders  an- 
zugeben, wenn  ihr  Auftretien  aus  irgend  einem  Grunde  bemerkenswat  ist. 

Finden  sich  Kinder  mit  ansteckenden  Krankheiten  (LungentobetiniliMe 
mit  Absonderung  von  tuberkulösem  Sputum,  akuten  Exanthemen,  Krilze 
oder  sonstigen  Hautkrankheiten  oder  Ungeziefer),  so  ermächtigen  wir  Sie, 
in  dringlichen  Fällen,  soweit  erforderlich,  die  Ansschliefeung  von  dem 
Schulbesuch  bis  weiter  anzuordnen.  Hiervon  ist  jedoch  dem  Kreis-(Stadt-) 
Schulamt  sofort  Mitteilung  zu  machen;  ist  der  Fall  dagegen  nicht  dringlich, 
so  wollen  Sie  sofort  —  nicht  erst  mit  dem  Jahresbericht  —  don  Kreis- 
(Stadt-)Schulamt  Anzeige  erstatten,  damit  dieses  alsdann  das  Weitere  ao* 
ordnet  und  Sie  von  dem  Geschehenen  benachrichtigt. 

Kind^,  deren  Behandlung  in  einer  Heilanstalt  ete.  angezeigt  ist,  sind 
sofort  dtgm  Schulamt  nunhaft  zu  machen.  Im  flbrigen  wollen  Sie  bei  den 
sonstigen  Fehlem  und  Krankheiten  im  unmittelbaren  Anscblnfe  an  die 
Untersuchung  die  nötigen  Anweisungen  geben,  die,  soweit  sie  sich  anf  die 
Teilnahme  am  Unterricht  beziehen,  fOr  den  Lehrer  bmdend  sind;  die  gpe^ 
troffene    Anordnung   woUen   Sie   durch   einen   kurzen  Vermerk   in   dem 


346  99 

Gesnndheitsbericht  (Formular  II)  ersichtlich  machen  (z.  B.  „Daher  vom 
Tonm  anssosehlie&en'' ;  «tom  Singen  Ms  anf  weiteres  anssoschliefsen"). 
Entsprechend  mob  anch  der  Jahresbeneht  erkeoneii  lassen,  welche  An- 
Ordnungen  und  Weisungen  Sie  gegeben  haben; 

5.  «of  das  Ergebnis  der  Nachschau.  Es  ist  anzugeben,  wie  die  bei 
der  ersten  Untersuchung  gegebenen  Anwefaungen  befolgt  worden  sind, 
welche  Kinder  inzwischen  gehsüt,  wie  Tide  noch  ungeheilt  sind  und  ob 
sieh  iBr  gewisse  —  mit  Namen  anterfttrende  —  Kinder  die  Unterbringung 
in  eine  Heilanstalt  (Greorgenkrankenhaas  in  Meiningen,  Kreiskiankenhaiis, 
LnngenheBstitte,  Ghorlottenhall  in  Salinngen)  oder  Speäalbehandhmg  er- 
forderlich macht; 

6.  auf  das  Ergebnis  der  Untersuchung  der  Konfirmanden.  Hierbei 
ist  anaugeben,  ob  einzehieB  bezfl^ich  der  WaU  ihres  spiteren  Berufes 
besondere  Weisungen  erteflt  worden  sind* 

Endlich  spredien  wir  die  zuversi<Miclie  Erwartung  aas,  da(s  von  den 
SchnUrslen  auch  sonst  in  sachdienlicher  Weise,  z.  B.  durch  gemeinterstind- 
liche  Vortrage,  Aufsätze  und  dergleldien,  die  Sdndgesundheitvflege  nach 
Möglichkeit  gefördert  werde. 

Herzogliches  Staatsministerium. 
Abteilung  fttr  ffirchen-  und  Schulensachen. 

Tbinks. 


ijmeisng  Ttn  2.  Mai  NM 
die  intliehe  Überwaehuig  des  Hersoglieheii  LehreneiüMn 

betreffend« 

Abschnitt  I. 

§  1. 

Bei  der  ftrztlichen  Überwachung  des  Lehrerseminars  samt  Übungs- 
schule und  Tanbstummenschule  ist  nach  der  Anweisung  vom  1.  Mai  1901, 
die  ftrzüiche  Überwachung  der  Gymnasien,  Realgymnasien  und  Realschulen 
betreffend,  zu  «srfahren,  soweit  nicht  nachstehend  etwas  anderes  bestimmt  ist. 

Abschnitt  IL 

§3. 
Der  Lehrerberuf  erfordert  gutes  Qehür  und  Gesicht  und  stellt  groise 

Anforderungen  an  feste,   ausdauernde  Gesundheit  Überhaupt,  insbesondere 
aber  des  Kehlkopfs,  der  Lunge  und  namentiich  der  Nerven. 

Die  Seminaristen  und  alle  Einrichtungen  des  Seminars  bedürfen  daher 
einer  besonders  sorgfiUtigen  ärztlichen  Überwachung,  damit  nichts  verab- 
säumt wird,  um  Schftdlichkeiten  sofort  zu  beseitigen,  fftrderliche  Vor- 
kehrungen zu  treffen,  die  Seminaristen  selbst  an  gesnndheitsdienliche 
Lebensfnhrung  zu  gewöhnen  und  damit  solche,  die  nach  körperlicher  An- 
lage und  Oesundheitsverhftltnissen  und  nach  ihrer  Haltung  voraussichtlich 
ihrem  kflnftigen  Berufe  nicht  gewachsen  sind,  rechtzeitig  von  der  Anstalt 
entfernt  werden. 


100  346 

§3. 

Der  Schularzt  hat  mindestens  dreimal  im  Scho^^ir  das  Seminar  zu 
besuchen  and  die  Seminaristen  zn  nntersnchen. 

§4. 

Die  Einzelnntersnchnng  der  neu  eingetretenen  Seminaristen 
soll  knrz  vor  den  grofeen  Sommerferien  stattfinden;  dabei  wird  besonders 
zu  beachten  sein,  ob  die  Angaben  des  fiiztlichen  Befondberichts,  der  vor 
Zulassung  zur  AufnahmeprOfnng  vorgelegt  worden  ist,  sich  nach  der  bis- 
herigen Erfahrung  als  zutreffend  erweisen. 

Die  weiteren  Besuche  und  Untersudiungen  sollen  gegen  Ende  Sep^ 
tember  und  in  der  ersten  Hftlfte  des  Januar  stattfinden. 

§5. 

Bei  dem  letzten  Besuch  hat  der  Schularzt  diejenigen,  die  vor  der 
nächsten  Entlassungsprflfung  stehen,  genau  zu  untersuchen  und  sich  in  dem 
Verzeichnis  dieser  Seminaristen,  das  der  Direktor  ihm  vorlegen  wird,  über 
jeden  einzelnen  bestimmt  zu  erklären,  ob  er  sich  nach  ftrztHchem  Ermessen 
ffir  den  Lehrerberuf  eignet  oder  nicht. 

§6. 

Der  Schularzt  soll  erkrankte  Seminaristen  solange  ftrztlich  behandeln, 
bis  es  nOtig  oder  doch  angezeigt  erscheint,  die  Aufnahme  ins  Kranken- 
haus zu  verfügen. 

Auf  Seminaristen,  die  bei  ihren  Eltern  wohnen,  bezieht  sich  diese 
Bestimmung  nicht. 

Denjenigen  Seminaristen,  die  nicht  im  SeminargebAnde  wohnen,  bleibt 
freigestellt,  sich  von  einem  anderen  Arzt  ihrer  Wahl  behandeln  zu  lassen. 

Abschnitt  m. 

§7. 
Die  Taubstummenschule  ist  in  jedem  Jahre  dreimal,   etwa  zu  den  in 
§  4  angegebenen  Zeiten,  zu  besuchen. 

Abschnitt  IV. 

§8. 
Im  laufenden  Jahr  ist  die  Einzeluntersuchnng  nicht  anf  die  neu  ein- 
getretenen Zöglinge  zu  beschränken,  sondern  auf  alle  Zöglinge  zu  erstrecken, 
auf  die  Mädchen  der  vier  letzten  Jahrgänge  in  der  Taubstummen-  und  in 
der  Übungsschule  jedoch  nur  mit  Zustimmung  ihrer  Eltern. 

Meiningen,  den  2.  Mai  1901. 

Herzogliches  Staatsministerium. 
Abteilung  für  Kirchen-  und  Schulensachen. 

OBIlff. 


Jtttfflittf)  fit  $i|Klgrfiit^||fit$|i|lriie. 

XVI.  Jahrgang.  1903.  No.  6. 


Warme  FtlTse  in  der  Schnle. 

Von 

H.  Plack, 

JonmaliBtin  in  Berlin-Friedrichshagen. 

um  die  Kinder  vor  Erkältungen  zu.  bewahren,  die  sie  in  der 
Regel  Yon  der  Schnle  mit  nach  flanse  bringen,  ist  es  unbedingt 
nötig,  dafs  es  ihnen  gestattet  werde  —  und  zwar  gerade  den  Kindern 
der  Volksschulen  — ,  während  der  kalten  und  nassen  Jahreszeit  in 
der  Schule  die  Schuhe  zu  wechseln.  Auf  dem  Wege  zur  Schule 
erkälten  sich  die  Kinder  höchst  selten,  denn  während  der  Bewegung 
im  Freien  bleiben  sie  warm;  wenn  sie  aber  in  der  Schule  stunden- 
lang mit  den  durchnäfsten  Schuhen  an  den  Fülsen  still  sitzen 
müssen  —  denn  die  Frühstückspause  genügt  lange  nicht,  um  das 
während  der  Unterrichtsstunden  erstarrte  Blut  wieder  gehörig  in 
Bewegung   zu  bringen  — ,  dann  sind  Erkrankungen  unvermeidlich. 

Ein  Arzt,  der  vor  einiger  Zeit  die  Zöglinge  einer  Anzahl 
Schulen  in  Schlesien  auf  ihre  Hör&higkeit  untersuchte,  gelangte  zu 
dem  traurigen  Resultat,  dafs  Zweidrittel  der  Kinder  mehr  oder 
weniger  schwerhörig  waren.  Wie  sehr  aber  gerade  kalte  Füise  die 
Neigung  zu  Nasen-  und  Ohrenkatarrhen  und  damit  die  Schwerhörig- 
keit befördern,  wird  jeder  Arzt  zugeben. 

Da  werden  nun  alljährlich  Tausende  von  Mark  gesammelt,  um 
kranken  Kindern  die  Teilnahme  an  den  Ferienkolonien  zu  ermög- 
lichen, aber  fär  das  so  viel  näher  liegende  Bedürfnis,  es  diesen  in  den 
Schulen  so  warm  und  behaglich  einzurichten,  data  der  Erkrankung 
vorgebeugt  wird,  fehlt  vielfach  das  Verständnis.  Den  mafsgebenden 
Persönlichkeiten  erscheint  es  meistensteils  als  eine  Art  Entweihung 
der  geheiligten  Stätte  —  der  Schulklasse  —  wenn  das  körperliche  Be- 
finden der  Kinder  in  individueller  Weise  berücksichtigt  wird.     Die 

Schnl^sandheitopfleg^e.  XVI.  18 


348 

SohnlklasBe  soll  keine  Kinderstube  sein,  und  sobald  sie  fQr  die  toU- 
blütigen,  gat^nfthrtea  and  gesondea  Kinder  warm  genng  ist,  bleibt 
ee  meistens  nnbeaotitet,  wenn  die  sobwäcUiolien,  blntannen  und 
skrophnlOsen  Kinder  frieren;  und  wieviel  mehr  noch  müssen  diese 
leiden,  wenn  sie  nasse  Sohnhe  ftn  den  Ftilsen  haben.  Was  nützt  aber 
alles  Lernen,  was  bilfi  alle  Weihe  and  Andacht,  wenn  die  Glesandheit 
dabei  verloren  geht?  Krankheiten  vorzabengen  ist  doch  leiditer 
als  sie  zu  bellen,  nnd  da  mnis  man  sieb  billig  wnndem,  daJs  die 
Wohltäter,  welche  die  Ferienkolonien  unterstützen,  nicht  vor  allem 
dafür  sorgen,  dals  den  armen  Kindern,  wenn  sie  bei  nassem  Wetter 
—  nnd,  wie  es  meistens  der  Fall  ist,  mit  vOUig  nnznlänglicher  Fnfa- 
bekleidoug  —  zur  Sobnle  kommen,  Filzschuhe  zur  Verfttgung 
gestellt    werden    und   trockene    Strümpfe.     Diese  Sachen,    nur  znm 


(gebrauch  in  der  Schule  bestimmt,  können  dort  in  Yerwahrang 
bleiben;  die  nassen  Schuhe  nnd  Strümpfe  aber  kannten  in  einem 
Torraum  derartig  untergebracht  werden,  dafs  sie  bis  zum  Schnlsohlols 
mOgliobst  auBtrockoen.  Dort,  wo  moderne  Heizanlagen  vorhanden 
sind,  ist  dies  auch  leicht  ausgeführt,  indem  man  eine  Yorrichtaug 
mit  den  HeiznngsrObrea  in  Verbindung  bringt,  die  eigens  zu  diesem 
Zweck  erfnnden'  wurde  und  gesetzlich  geschützt  ist, 

Dieser  neue  Apparat^  aus  Fisenblech  gefertigt,  stellt  einen 
niederen  Tisch  dar  und  besteht  aus  einer  Doppelplatte,  in  welcher 
eine  beliebige  Anzahl  vertikal  stehender,  oben  gesoblosseaer  Zylinder 
eingelassen  sind.  Zwei  ÖShungen  an  der  Hohlplatte  mit  ent- 
sprechender Regulierungs Vorrichtung  ermöglichen  das  DnrohstrOmen 
der  warmen  Luft  aus  den  Heizungsröhren.  Werden  die  nassen 
Schuhe  und  Stiefel  nun,  mit  der  Sohle  nach  oben,  über  die  Zylinder 


349 

gelifingt,  80  können  sie  leicht  während  der  Unterrichtsstunden  trocknen 
nnd  ebenso  auch  die  Strümpfe,  die  man  zwischen  den  Zylindern 
auf  die  warme  Platte  legt.  Dieser  Apparat  lie&e  sich  sehr  gat  in 
den  untersten  Klassen  der  Ejiaben-  wie  Mädchenschulen  einfahren, 
ohne  dafe  der  Gebrauch  desselben  die  Weihe  der  Schulräume  ge« 
filhrdet.  Man  kann  ihn  aber  auch  zum  Privatgebrauch  für  nur 
zwei  oder  drei  Paar  Stiefel  einrichten  lassen.  Sind  keine  Heizungs- 
röhren vorhanden,  dann  läist  er  sich  ebenso  gut  auch  durch  elek- 
trische Glühkörper  erwärmen,  indem  man  ein  paar  der  mit  glühen- 
dem Draht  durchzogenen  Glasbirnen  in  die  Doppelplatte  legt.  Für 
Jagdliebhaber,  Militärpersonen,  wie  überhaupt  für  jeden,  der  ge- 
nötigt ist,  sich  tagsüber  stundenlang  auf  nassen  Wegen  aufzuhalten, 
ist  diese  Vorrichtung  zum  Trocknen  der  nassen  Stiefel  ganz  besonders 
zn  empfehlen.  Um  derselben  ein  gefälligeres  Aussehen  zu  geben, 
umzieht  man  sie  für  bessere  Schla&tuben-Einriohtungen  auch  wohl 
mit  einer  dreiseitigen  Gardine,  oder  man  stellt  den  Apparat  auch  ganz 
aus  Holz  her,  hängt  Kinderschuhe  und  Schaftstiefel  über  die  Säulen 
und  bringt  den  Tisch  in  die  Nähe  des  Ofens. 


AuB  dem  Institut  fär  Hygiene  and  experimentelle  Therapie  zu  Marburg. 
Abteilong  fnr  Hygiene  (Vorstand:  Prof.  Bohhovf). 

Stanbbindende  FnDibodenöle  nnd  ihre  Verwendung. 

Von 

Dr.  Engels, 

Assistenten  des  Institutes. 

Anf  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  wird  augenblicklich  der 
Beseitigung  des  Staubes  durch  die  sogenannten  „staubbindenden 
Fnisbodenöle"  ein  groiees  Interesse  entgegengebracht.  Diese  staub- 
bindenden FuJsbodenöle  bezwecken,  nicht  nur  das  lästige  Aufwirbeln 
das  Staubes  zu  yerhindem,  sondern  auch  den  Staub  selbst  nach 
Möglichkeit  zu  entfernen  resp.  zu  binden.  Sind  es  doch  gerade  die 
kleinsten  und  feinsten  Staubpartikelchen,  welche  fortwährend  die 
Atmungs-  und  Bachenorgane  mechanisch  reizen  und  hartnäckige 
Bachen-  und  Kehlkopfkatarrhe  bewirken  können.  Hierher  zu  rechnen 
sind  die  Sonnenstäubchen  und  insbesondere  die  mit  dem  Auge  nicht 

18* 


350 

wahrnehmbaren  Staabieile,  welche  dazu  nicht  selten  Krankheits^ 
erreger  der  yersohiedensten  Art  enthalten  und  so  der  Verbreitung 
von  Infektionskrankheiten  Vorschub  leisten. 

Es  ist  deshalb  von  unverkennbarem  Werte,  d&fs  die  Technik 
gerade  in  den  letfsten  Jahren  mit  Hilfe  der  staubbindenden  Enb- 
bodenöle  anscheinend  mit  gutem  Erfolge  bestrebt  ist,  dieser  Kala* 
mität  Herr  zu  werden. 

Ein  solches  staubbindendes  EuiSsbodenöl,  welches  in  hygienischer 
Beziehung  den  Anforderungen  entspricht,  d.  h.  geruchlos^  säurefirei 
und  durchsichtig  ist,  die  Staubentwicklung  wirklich  zurückhält  und 
zwar  auf  möglichst  lange  Zeit  hinaus,  und  welches  auch  die  Be- 
nutzung des  Zimmers  bald  nach  dem  Anstrich  wieder  gestattet,  hat 
xweifellos  eine  hohe  schulhygienische  Bedeutung. 

Versuche  mit  diesen  FuJsbodenölen  unter  Benutzung  unserer 
bakteriologischen  NachprfLfnngsmethoden  liegen  bislang  nur  in  kleiner 
Anzahl  vor.  Diese  Erwägungen  führten  dazu,  auch  in  unserer  Ab- 
teilung Untersuchungen  mit  yerschiedenen  Ölen  anzustellen,  um 
gleichzeitig  brauchbare  Vergleichswerte  zu  erhalten. 

Der  erste,  welcher  für  diese  Prüfungen  den  bakteriologischen 
Weg  beschritt,  war  Lode.^  Derselbe  prüfte  das  sogenannte  ^^Dustless- 
Öl^  (Dustlessgesellschaft  m.  b.  H.)  in  den  Schulräumen  einer  Ober- 
realschule während  des  Unterrichtes  und  während  desKehrens. 
Die  Platten  mit  Nährgelatine  wurden  auf  kleinen  Tragbrettchen,  die  in 
einer  Höhe  von  180  cm  vom  Boden  an  der  Wand  angebracht  wurden, 
ausgelegt.  Eins  der  Brettchen  befand  sich  auf  der  Fensterseite,  eins 
an  der  gegenüberliegenden  Wand.  Die  Platten  wurden  4 — 24  Stunden 
der  Luft  ausgesetzt  und  nachher  in  eine  feuchte  Kammer  gebracht 

Resultat  während  des  Unterrichtes: 

Im  Versuchszimmer  blieb  die  Luft  klar,  eine  Staubentwicklung 
war  nicht  zu  bemerken;  die  Tischplatten  blieben  im  Gegensatz  zum 
Kontrollzimmer  „blank  und  staub&ei". 

Ähnlich  war  der  Erfolg  während  des  Kehrens,  bei  welchem  sich 
in  dem  gestrichenen  Zimmer  eine  Reduktion  der  Keimzahl  von 
97%  zeigte,  so  dals  Lode  zu  dem  Schlufs  kommt: 

„Unser  Urteil  zusammenfassend,  müssen  wir  in  der  Lnprägnierung 
des  FuTsbodens  mit  Dustlessöl  ein  wirksames  Mittel  erkennen,  die 
Staubplage  in  geschlossenen  Räumen  auf  ^  Minimum  herabzusetzen.  ** 


*  LoDX,   Einige  Versnohe    über  die  Branohbarkeit  des   DuBÜess-Öles  als 
Imprügnierangsmittel  fSr  Fnrsböden.   M<mat$8chr,  f.  Qmmdheitapfl.  1899.  No.  11 . 


351 

Zu  gleich  günstigem  Besultaten  gelangte  nach  einer  Mitteilung 
der  DnsÜeasgesellflchaft  Professor  Hofpmann,  Yorstand  des  hygie- 
nischen Instituts  der  Universität  Leipzig,  bei  Anwendung  der 
DusÜess-Methode  in  den  Auditorien. 

Auch  BuCHüTBJUS^  Untersuchungen  bestätigen  die  stambyermin- 
demde  Eigenschaft  des  Dustlessöls.  „Es  ist  somit  nicht  zu  rer- 
kennen  —  heiüst  es  in  dem  betrefPenden  Gutachten  — ,  daJs  die 
Imprägnierung  mit  DusÜeesid  eine  beträchtliche  Verminderung  des 
Eeimgdudts  und  somit  auch  des  Staubgehalts  der  Luft  in  dem 
Klassenzimmer  bewirkt  hat;  und  da  einer  solchen  Verbesserung  der 
Luft  in  den  Schulzimmern  ein  erheblicher  Wert  in  gesundheitlieher 
Beziehung  zugesprochen  werden  muJs,  so  kann  auf  Grund  der  vor- 
liegenden  Ej^ebniase  die  Fortsetzung  der  Versuche  im  Egl.  There- 
siengymnasium  und  auch  anderwärts  nur  aufs  dringendste  vom 
hygienischen  Standpunkte  aus  befürwortet  werden.  Die  Abnahme 
der  Keimzahlverminderung  im  Versuch  IV,  also  6Vs  Wochen  nach 
der  Imprägnierung,  weist  darauf  hin,  dals  die  Imprägnierung  etwa 
alle  sechs  Wochen  erneuert  werden  mufs,  wenn  der  yolle  Effekt  zur 
Geltung  kommen  soll." 

In  neuester  Zeit  ist  dann  Rbighestbach,*  da  die  vorliegenden 
Arbeiten  nicht  ganz  übereinstimmende  Kesuitate  zeigten,  dieser  Erage 
näher  getreten«  Seine  Untersuchungen  erstreckten  sich  auf  das 
Dustlessöl  und  das  Eloricinfufsbodenöl  (Dr.  NöBDLiNan&f 
Flörsheim).  Eäne  Anzahl  Agarplatten  wurden  in  den  Hörsälen  auf 
den  Pulten  verteilt,  dieselben  nachher  bei  einer  Temperatur  von  20^ 
gehalten  und  am  vierten  Tage  die  gewachsenen  Kolonien  ausgezählt. 
Die  ersten  Versuche  wurdmi  während  des  Ausfegens  des  Zimmers 
angestellt  und  erzielten  ein  sehr  gutes  Resultat: 

DoBtleawimmer :  Vergleiohsummer: 

6  Kolonien  580  Kolonien 

18        ,  800        , 

9        «  600        „ 

12         „  650 

6         „  900         „ 

6        .  850        „ 

9        .  700        „ 


^  Gutachten  des  hygienischen  Institutes  in  Hünchen  über  die  Wirkung 
des  Dnstless-Öles.    15.  Dezember  1900. 

*  BuoHJuaAOH,  Binige  Versnohe  mit  stanbbindenden  Fufsbodenölen.  Diese 
Zeii8dur,  1902.  No.  7. 


852 

»Nach  diesen  Yersachen  —  sagt  Beichenbach  —  wird  die 
Staabentwicklong  beim  Kehren  durch  den  Dnstless-Anstrioh  sehr 
stark  vermindert.^ 

Auch  die  Prüfungen  während  der  Vorlesungen  fielen  zu  gunsten 
des  Dustlesszimmers  aus,  waren  jedoch  nicht  so  eklatant,  wie  die 
während  des  Kehrens. 

In  derselben  Weise  und  mit  demselben  Erfolge  wurde  das 
Floricinöl  von  Beichenbach  einer  Nachprüfung  unterzogen.  Aueh 
hier  konnte  während  des  Kehrens  eine  bedeutende  Staubverminde- 
rung  konstatiert  werden,  die  während  der  Vorlesung  weniger  deut- 
lich hervortrat.  Beichenbach  kommt  daher  zu  dem  Schluls,  dafs 
zwischen  den  beiden  geprüften  Fufsbodenölen,  dem 
Original-Dustlessöl  und  dem  Floricin,  kein  wesentlicher 
Unterschied  vorhanden  sei. 

Die  letzte,  hierher  gehörige  Arbeit  ist,  soweit  mir  die  Literatur 
bekannt  ist,  die  von  Webnicke.  ^  Derselbe  bezeichnet  als  Gesamt- 
resultat seiner  Versuche  die  Tatsache,  daüs  das  Dustlessöl  „ein  vor- 
trefifliches  Mittel  ist,  um  den  Staub  in  den  Schulen  zu  vermindern, 
und  dals  es  deswegen  verdient,  in  solchen  Schulen  eingeführt  zu 
werden,  in  welchen  wegen  mangelnder  Mittel  die  Verbesserung  des 
Fu&bodens,  die  Beschaffung  umlegbarer,  guter  Bänke  und  die  Ein- 
führung einer  täglichen,  feuchten  Beinigung  zurzeit  noch  nicht  mög- 
lich ist.  Das  Dustlessöl  stellt  so  ein  nicht  zu  unterschätzendes 
Mittel  für  die  Verbesserung  der  Schulhygiene  auch  im  Kampfe 
gegen  die  Infektionskrankheiten  in  einer  grolSsen  Zahl  von  Schulen 
dar,  es  erleichtert  und  verbessert  die  Beinigungsmöglichkeit^. 

Die  staubvermindemde  Wirkung  der  FuTsbodenöle  wird  dem- 
nach von  allen  Autoren  anerkannt. 

Andererseits  ist  in  der  Literatur  verschiedentlich  auf  einige 
Nachteile  dieser  Öle  hingewiesen. 

In  erster  Linie  wird  die  Glätte  des  gestrichenen  Fuisbodens 
hervorgehoben.'  Auch  sollen  hingefallene  Gegenstände  leicht  be- 
schmutzt werden  können. 

Den  Nachteil  der  Glätte  teilt  nach  einer  Mitteilung  von  Samt- 
leben' auch  das  Konkurrenzpräparat  „Sternolit".  Die  Luft  war 
nahezu    staubfrei,   jedoch   war  der  Boden  der  Turnhalle  nach  dem 


^  WiEBKiOKB,  Versuche  über  Dustless-Öl  und  seine  Verwendung  in  Schulen. 
„Oeaundheü",  hygim.  u.  getundheitatechn.  Zeitschr.  1902.  No.  22. 
*  Medizinalrat  Dr.  K.  in  S.    ÄreÜ.  CmtralofU.  1901.  No.  5. 
'  Diese  ZeUschr.  1900.  No.  6. 


853 

Anstrich  so  glatt  geworden,  „dafs  das  Gehen  darauf  nnr  mit  groCser 
Vorsicht  möglich  war,  das  Laufen  aber  überhaupt  ausgeschlossen*'. 
Die  Turngeräte  standen  wegen  der  Glätte  nicht  fest. 

Diese  nachteiligen  Wirkungen,  die  beim  Stemolit  wochenlang 
anhielten,  konnte  Reighenbach  beim  Dustlessöl  und  beim  Moricin 
in  dem  Mause  nicht  feststellen.  In  den  Yersuchszimmem  (keine 
Turnhalle)  fährte  die  in  den  ersten  Tagen  nach  dem  Ölen  aufgetre- 
tene Glätte  zu  keinerlei  Störungen. 

Dasselbe  bestätigt  auch  Bühl^  bezüglich  des  Dustlessöles.  „Über 
gefthrliche  Glätte  —  sagt  er  — ,  wie  sie  mehrfach  in  Turnhallen 
beobachtet  worden  ist,  wird  nicht  geklagt." 

Andere  lästige  Begleiterscheinungen  sollen  die  fettige  Be- 
schaffenheit der  Fufsbodenfläche  sein  (Reichenbach  1.  c),  die 
Höbe  der  Anstrichskosten  (Rühl  1.  c.)  und  nicht  zum  mindesten  das 
schmutzige  Aussehen^  welches  der  Fulsboden  durch  den  sich 
allmählich  auf  der  Ölschicht  festsetzenden  Schmutz  mit  der  Zeit 
annehmen  soll.  Zur  Reinigung  werden  deshalb  von  der  Dustless- 
Gesellschaft  Piassarabesen  empfohlen,  die  mehr  von  dieser  Kruste 
entfernen  als  die  gewöhnlichen  Haarbesen,  wie  sie  Reichenbach  für 
▼orteilhafter  hält,  da  sie  eine  länger  dauernde  Wirksamkeit  des  An- 
striches garantieren. 

Reichenbach  hält  dann  besonders  bezüglich  des  Dustlessöles 
einen  einmaligen  Anstrich  pro  Semester  für  genügend,  während  bei 
Lobe  nach  einem  Vierteljahre,  bei  Büchneb  sogar  schon  nach  sechs 
Wochen  eine  Erneuerung  der  Imprägnierung  nötig  wurde. 

Webnicee  konstatierte  noch  nach  57  Tagen  nach  dem  erst- 
maligen Ölen,  eine  Verminderung  des  Bakteriengehaltes  der  Luft  um 
das  15  fache. 

Schlieüslich  sei  noch  erwähnt,  dafs  sich  im  Gegensatz  zu  dem 
Dustlessöl,  welches  vollkommen  geruchlos  verarbeitet  werden  konnte, 
bei  Benutzung  des  Floricins  in  den  REiCHBNBACHSchen  Versuchen 
ein  während  des  ganzen  Semesters  anhaltender  petroleumähnlicher 
Geruch  schwach  bemerkbar  machte. 

Meine  eigenen  Versuche  und  die  daraus  geschöpften  Erfahrungen 
möchte  ich  nun  im  folgenden  kurz  wiedergeben. 

Geprüft  wurden  von  mir  drei  Fuisbodenöle  : 

Das  Floricin-,  das  Hygiene-  und  das  Dustlessfufs- 
bodenöl. 


>  Diese  Zeitsehr.  1902.  No.  10. 


354 

Die  Yersuohe  mit  einem  vierten  Ole,  dem  sogenannten  Becen- 
tinol,  mufsien  leider  unterbleiben,  da  die  hiesige  städtisobe  Ver- 
waltoDg  noch  in  letzter  Minute  die  Benutzung  einiger  Zimmer  in 
einer  Elementarschule  dahier  aus  unbekannten  Gründen  untersagte. 

Meine  Yersuohsanordnung  war  folgende: 

Als  Ntthrsubstrat  kam  nur  Gelatine,  in  PEXAisohe  Schälchen 
ausgegossen,  zur  Verwendung.  Zwei  solcher  Platten  wurden,  in 
ca.  2  m  Eintfemung  von  einander,  auf  die  Pulte  gesetzt,  zwei  andere 
in  ca.  iVi  m  FuJsbodenhöhe  über  den  Bänken  unterhalb  der  Gtas- 
brenner  auf  Tragbrettohen  untergebracht  (ebenfalls  in  ca.  2  m  Ent- 
fernung von  einander),  und  wiederum  zwei  im  Gange,  ca.  2  m  ent- 
fernt von  den  Bänken,  auf  einem  ca.  1  m  hohen  Tisch  verteilt. 

Diese  Anordnung  blieb  für  das  Floricin  und  das  Dustlessöl  in 
jedem  Versuche  dieselbe.  Beim  Hygieneöl  änderte  sie  sich  etwas 
(siehe  unten). 

Die  Gelatineplatten,  welche  durchweg,  sowohl  während  des 
Unterrichts  als  auch  während  resp.  nach  dem  Kehren  eine  Stunde 
der  Luft  ausgesetzt  wurden,  blieben,  da  die  Luftbakterien  bei 
Zimmertemperatur  sehr  gut  gedeihen,  auch  bei  solcher  (ca.  18^  C.) 
vier  Tage  lang  stehen;  sodann  wurden  die  Keime  auf  den  Platten 
des  gestrichenen  Zimmers  jedesmal  ausgezählt,  die  Keimzahl  auf  den 
Platten  des  Kontrollzimmers  mit  dem  WoLFFHÜGhELSchen  Apparat 
festgestellt. 

Versiehe  Mit  Florioin-FnüibodentK 

Dieses  Öl  stellt  eine  dickliche,  schwach  riechende,  durchsichtige 
Flüssigkeit  von  gelblicher,  bemsteinähnlicher  Farbe  dar. 

Für  die  Versuche  stand  mir  das  Auditorium  des  hygienischen 
Instituts  zur  Verfügung,  um  brauchbare  Vergleichswerte  zu  er- 
halten, untersuchte  ich  zunächst  die  Luft  dieses  Hörsaals,  bevor  der- 
selbe gestrichen  wurde,  während  der  Vorlesung  und  während  des 
Kehrens. 

L    Kontroll  versuche. 

Die  ersten  Versuche  wurden  während  der  nachmittags  von 
4 — 5  Uhr  bei  Gasbeleuchtung  abgehaltenen  Vorlesung  vorgenommen. 
Punkt  4  ühr  wurden  die  Schalen  geö&et  und  pünktlich  5  Uhr 
wieder  geschlossen. 


355 


a)  Während  der  Vorlesung 
(durohschnittliolie  Zuhörerzahl  =  14). 


Versuch  1.     (29.  X.  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange . 

495 

550 

Bank 

3d0 

240 

In  l'Am  Hohe.. 

110 

83 

Yersach  2.     (81.  X.  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Oange . 

660 

605 

Bank 

275 

335 

In  IV«  m  Höhe . . 

165 

148 

Versuch  3.     (5.  XI.  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

84 

96 

Bank 

53 

41 

In  IVim  Höhe.. 

40 

29 

Aus  diesen  Versuchen  geht  heryor,  dais  die  Platten,  die  abseits 
von  den  Bänken  auf  einem  Tische  standen  und  am  weitesten  von 
der  Beleuchtung  entfernt  waren,  die  meisten  Kolonien  aufzuweisen 
hatten;  es  folgen  mit  Regelmftisigkeit  die  Platten  auf  den  Bftnken 
und  schliefsUch  die  direkt  unter  den  Gasbrennern  in  VU  m  Höhe 
oberhalb  der  Bftnke  angebrachten.  Es  mag  dahingestellt  bleiben,  ob 
hier  die  Beleuchtung  einen  bestimmenden  oder  ausschlaggebenden 
Faktor  spielt;  jedoch  ist  anzunehmen,  dals  ein  Teil  der  in  die  Luft 
aufgewirbelten  Bakterien  mit  den  Staubpartikeln  sich  schnell  wieder 
zu  Boden  senkt  und  wahrscheinlich  gar  nicht  bis  zu  den  in  circa 
V/i  m  Höhe  unter  den  Gksbrennem  angebrachten  Platten  gelangt. 

Weiterhin  wurde  die  Luft  desselben  Zuhörerraumes  während 
des  Kehrens  bei  Tagesbeleuchtung  auf  ihren  Keimgehatt 
untersucht.  Die  Platten  blieben  während  und  nach  dem  Kehren, 
im  ganzen  eine  Stunde,  geöffiiet  im  Zimmer  bei  geschlossenen  Türen 
und  Fenstern  stehen. 


356 


b)  Während  des  Kehrens. 
Versuch  4.     (3.  XL  02.)  Versuch  5.     (9.  XL  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

715 

770 

Bank 

190 

210 

In  l'Am  Höhe.. 

220 

165 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

825 

715 

Bank 

220 

330 

In  l'A  m  Höhe. . 

248 

275 

Versuch  6.     (18.  XI.  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange . 

180 

317 

Bank 

165 

190 

In  1 V«  m  Höhe . . 

56 

45 

Die  Platten  aus  Versuch  4,  5  und  6  zeigen  im  ganzen,  was 
nicht  zu  yerwundem  ist,  eine  erhöhte  Keimzahl  im  Verhältnis  zu 
denen  der  drei,  ersten  Versuche.  Wiederum  weisen  die  Platten  im 
Gange  die  grölste  Bakterienzahl  auf,  meist  folgen  dann  die  Platten 
auf  den  Pulten  und  schließlich  die  in  IV«  m  Höbe.  Eine  Regel- 
mäßigkeit sehen  wir  jedoch  nur  in  Versuch  6,  weniger  in  Versuch 
4  und  5.  Die  ünregelmälsigkeit  in  Versuch  4  und  5  erklärt  sich 
zur  Genüge  aus  der  ungleichmäfsigen  Aufwirbelung  des  Staubes 
während  des  Kehrens. 

IL  Bei  Floricinanstrich. 

Am  22.  XI.  02,  morgens  8  Uhr,  wurde  nun  dieser  bis  jetzt 
nur  zur  Kontrolle  benutzte  Hörsaal  mit  dem  Floricin-Fufsbodenöl 
gestrichen.  Verbraucht  wurden  —  das  Öl  wurde  sehr  dünn  auf- 
getragen, um  dem  Fußboden  die  möglichst  vollkommene  Absorption 
zu  erleichtem  und  um  andererseits  kein  Öl  an  der  Oberfläche  un- 
benutzt stehen  zu  lassen  —  1%  kg  Öl  bei  einer  Gresamtbodenfläcbe 
von  ca.  75  qm,  pro  qm  demnach  0,0233  kg  =  23,3  g. 


357 


Der  Preis  des  Floricins  stellt  sich  nun  folgendermaisen  (Preis- 
liste für  ieohnisohe  Fabrikate,  chemisolie  Fabrik  Flörsheim,  Dr. 
H.  Nöbdlingeb): 

100  kg  in  Fässern  ä  ca/180  kg  inkl.  Packung  55  Mark 


100 


Eorbk.    ä        250  .    ezkl. 


Pos&olli  k       3Vt  „    inkl. 


60 


» 


n 


Der  Anstrich  unseres  Auditoriums  wurde  demnach  bei  Verbrauch 
▼on  IV4  kg  für  ca.  2  Mark  hergestellt. 

In  den  ersten  acht  Tagen  konnte  eine  gewisse  Glätte  festgestellt 
iRrerden,  die  sich  aber  in  unserem  Auditorium  nicht  störend  bemerk- 
bar machte  und  schon  nach  10 — 14  Tagen  vollkommen  ge- 
schwunden war. 

In  den  ersten  2 — 3  Tagen  wurde  aulserdem  ein  geringer,  an 
Bicinusöl  erinnernder  Qeruch  wahrgenommen,  der  nach  dieser  Zeit 
aber  auch  schnell  wieder  verschwand. 

Am  24.  XI.  02,  also  am  dritten  Tage  nach  dem  Anstrich, 
wurde  wiederum  mit  den  Versuchen  wie  oben  begonnen. 

a)   Während  der   Vorlesung 
(durchschnittliche  Zuhörerzahl  =  12). 

Versuch  7.     (24.  XI.  02.)  Versuch  8.    (25.  XL  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

8 

15 

Bank 

4 

8 

In  IV«  m  Hohe . . 

12 

25 

Platte  1 

Platte  2 

Tisoh  im  Gange  . 

37 

39 

Bank 

8 

29 

In  V/a  m  Höhe. . 

1 

3 

Versuch  9.     (26.  XI.  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange . 

42 

32 

Bank 

45 

29 

In  IV4  m  Höhe. . 

29 

28 

358 


Diese  drei  Yersnclie,  die  während  der  Vorlesung  von  4 — 5  Ohr 
nachmittags  bei  Gksbeleuchtung  vorgenommen  worden,  zeigen,  dafs 
nach  dem  Anstrich  die  Anzahl  der  Keime  auf  den  ein- 
zelnen Platten  bedeutend  geringer  geworden  ist,  als  sie 
vor  dem  Streichen  gewesen  war.  Eine  Staubyerringerung  resp.  eine 
Staubbindung  durch  das  Floricin  muüs  daher  als  sicher  angenommen 
werden. 

Ganz  ähnliche  Verhältnisse  bieten  die  Platten  dar,  welche 
während  des  Kehrens  in  bekannter  Weise  angestellt  waren. 
Nur  ist  die  Keimzahl  eine  etwas  grölsere.  Im  einzelnen  ist  das 
Resultat  das  folgende: 

b)    Während  des  Kehrens. 
Versuch  10.     (26.  XI.  02.)  Versuch  11.    (28.  XI.  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

61 

47 

Bank 

88 

33 

In  VUm  Höh«.. 

19 

11 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Ghinge  . 

52 

55 

Bank 

7 

17 

In  IV«  m  Hohe . . 

36 

33 

Veraach  12.    (2.  XH.  02.) 


Versneh  13.    (3.  XH.  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Oange  . 

49 

96 

Bank 

30 

21 

In  Vhm  Höhe.. 

16 

22 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Ghinge  . 

43 

54 

Bank 

67 

46 

In  IV«  m  Höhe . . 

31 

27 

In  Prozenten  der  bei  den  KontroUyersuchen  fest- 
gestellten Keimzahlen  erhielten  wir  also  an  Keimen  nach  dem 
Anstrich  mit  Floricin: 

Tisch  im  Qange               Bank  IV«  m  Höhe 

Vorlesung 7%                    10%  16V«% 

Kehren 10%                    20%  12Vt7o 

im  Durchschnitt   also   während  der  Vorlesung  11%,  während  des 

Kehrens  14%. 


359 

Nach  dieaen  Versuchen  wird  die  Staubentwicklung  während  der 
Yorleeung  und  beim  Kehren  nach  dem  Floricin-Anstrich  sehr  stark 
Termindert,  ein  in  schulhygienischer  Hinsicht  in  der  Tat  nicht  ku 
unterschätzender  Vorzug. 

Nun  wurden  die  Versuche  für  einige  Zeit  in  diesem  Floricin- 
zimmer  ausgesetzt,  um  später  wieder  damit  zu  beginnen  xmd  dann 
festzustellen«  ob  nach  Verlauf  von  circa  acht  bis  zwölf  Wochen  noch 
ein  Einflufs  der  staubbindenden  Wirkung  des  Öles  zu  konstatieren  sei. 

Am  28.  I.  03  wurden  zu  diesem  Zwecke  zum  ersten  Male 
wieder  in  demselben  Auditorium  Platten  aufgesetzt.  Das  Re- 
sultat dieses  und  der  darauf  folgenden  Versuche  während  der  Vor- 
lesung und  während  des  Kehrens  war  folgendes: 


a)  Während  der  Vorlesung 
(durchschnittliche  Zuhörerzahl  =  13). 


Versuch  14.     (28.  I.  03.) 


Versuch  15.     (3.  IL  0.8) 


Platte  1 

Platte  2 

Tiflch  im  Oange  . 

64 

75 

Bank 

63 

72 

In  l'A  m  Hohe  . . 

45 

31 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Oange  . 

165 

83 

Bank 

110 

79 

In  l'Am  Höhe.. 

85 

42 

Versuch  16.     (4.   II.  03.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

62 

56 

Bank 

67 

47 

In  IV«  m  Hohe. . 

87 

83 

360 


b)  Während   des  Kehrens. 
Versuch  17.    (3.  H.  03.)  Versuoli  18.    (4.  U.  03.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

182 

180 

Bank , . . . 

126 

96 

In  VI 4,  m  Höhe. . 

43 

79 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gbnge  . 

112 

126 

Bank 

64 

104 

In  V/a  m  Hohe . . 

47 

88 

Versuch  19.     (6.  IL  03.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

70 

87 

Bank 

51 

69 

In  IV«  m  Höhe . . 

27 

25 

Als  Ergebnis  dieser  letzten  Versuche  darf  ich  die  Tatsache  be- 
sseiohnen,  dafs  die  Zahl  der  Keime  auf  den  Platten»  sowohl 
während  der  Vorlesung,  als  auch  während  des  Ausfegens, 
im  Verhältnis  zu  den  früheren,  unmittelbar  nach  ge- 
machtem Florioin-Anstrich  angestellten  Versuchen,  um 
das  Zwei- bis  Dreifache  zugenommen  hat,  dafs  sich  jedoch 
mit  Hinsicht  auf  die  Kontrollplatten  jetzt  nach  circa 
10  Wochen  =  2Vs  Monaten  noch  ein  deutlicher  Einflufs 
des  Floricins  geltend  machte. 

In  Prozenten  ausgedrückt  erhielten  wir  nach  2Vs  Monaten: 

Tisch  im  Gktnge  Bank  1'/«  m  Höbe 

Vorlesung 207o  38,3%  50% 

Kehren 267o  40Vo  83,3% 

im  Mittel  also  während  der  Vorlesung  34,3%,  während  des  Kehrens 
32,8%  der  in  den  Kontrollyersuohen  gewonnenen  Keimzahlen. 

Ich  komme  deshalb  bezüglich  der  staubbindenden  Wirkung  des 
Floricin-Fuisbodenöls  zu  folgendem  Endresultat: 

Das  Floricinöl  ist  ein  schwach  nach  Ricinusöl  riechendes,  durch- 
sichtiges, schnell  trocknendes  Fufsbodenöl,  welches  den  Staub  bindet 


861 

und  infolgedessen  die  Luft  des  Zimmers  reiner  nnd  bakterienärmer 
zu  maohen  im  stände  ist.  Der  Einfluis  des  Florioins  ca.  2^/t  Monate 
nach  dem  Anstrich  macht  sich  allerdings  noch  deutlich  bemerkbar, 
ist  jedoch  nicht  mehr  genügend,  um  die  Insassen  einer  Schule  völlig 
und  mit  Sicherheit  vor  Staub  und  seinen  Schädlichkeiten  zu  schützen. 
Es  ist  daher,  wenn  wir  das  Schuljahr  zu  circa  neun  bis  zehn  Monaten 
rechnen,  ein  viermaliger  Anstrich  im  Jahre  notwendig,  falls  die  er- 
wünschte Wirkung  erzielt  werden  soll. 

Yersache  mit  dem  Hygiene-Fufsbtdeitl« 

Das  zweite  FuGsbodenöl,  welches  ich  einer  Prüfong  unterwarf, 
ist  das  unter  der  Handelsmarke  ,|Hygiene"  in  den  Handel  gebrachte 
und  von  der  St.  Elisabeth-Drogerie,  Firma  Chbistoph  Estab  (firüher 
Max  Bbunn),  Marburg  a.  d.  Lahn,  Steinweg  40,  hergestellte  staub- 
bindende Präparat. 

Dasselbe  ist  ein  geruch£reies,  durchsichtiges  Öl  von  citronen- 
gelber  Farbe. 

Zum  Versuch  waren  mir  vom  Direktor  der  hiesigen  Oberreal- 
sohule,  Herrn  Dr.  A.  Knabe,  in  freundlichster  Weise  zwei  Zimmer 
von  ungeftüir  gleicher  Gröfse  und  mit  gleicher  Schülerzahl  zur  Ver- 
fügung gestellt. 

Eins  dieser  beiden  Schulzimmer,  die  Untertertia  b  —  9,20  m 
lang  und  6,25  m  breit,  Schülerzahl  25  —  wurde  am  27.  XI.  02, 
nachmittags  2  Uhr,  mit  „Hygiene^  gestrichen.  Da  der  Boden  stark 
abgenutzt  war  und  viele  Stellen  mehrere  Male  hintereinander  geölt 
werden  mu&ten,  wurde  in  diesem  Falle  eine  verhältnismäJsig  grolse 
Menge,  ca.  5  kg,  benutzt.  Für  gewöhnlich  soll  1  kg  für  eine  Fläche 
von  20 — 30  qm  genügen. 

Der  Preis  beträgt  für  1  kg  1,00  Mk.,  ist  also  bei  kleinen  Be- 
zügen etwas  niedriger  als  der  des  Floricinöls.  Es  würden  demnach 
normalerweise  für  ein  Zimmer,  wie  das  oben  beschriebene,  nicht  ganz 
2  kg  benutzt  werden,  der  Preis  für  je  einen  Anstrich  sich  also  auf 
nicht  ganz  2,00  Mk.  belaufen. 

Bei  gröfseren  Bezügen  stellt  der  Preis  sich  wie  folgt: 
Fässer  von  150—160  kg  Inhalt  ...  pro  100  kg  44  Mk.  inkl.  Fais 
£annen  „  50         „        „ 


71 


25 

12Vt 
5 
2Vt 


y,    100  „   50     „     exkl.  Kanne 


.   100  ,  54 

„    100  „  58 

n    100  „  70 

«   100  «  80 


n 


362 


Am  28.  XI.  02  wurde  mit  den  Versuchen  in  der  Oberrealschnle 
begonnen.  Das  gestrichene  Zimmer  war,  24  Stunden  naoh  dem  Anstrich, 
trocken  und  geruchfrei.  Als  Eontrollzimmer  diente  die  Untertertia  a 
mit  einer  Schülerzahl  von  26  und  einer  Länge  von  9  m  bei  einer 
Breite  von  6,15  m.  Zwei  Platten  wurden  während  des  Unterrichts 
auf  einer  Bank  verteilt,  zwei  auf  einer  Fensterbank  oberhalb  der 
Heizxmg  und  zwei  in  ca.  IV^  ni  Höhe  auf  der  Tafelumrahmung. 
Einige  Platten  (in  den  Tabellen  mit  —  bezeichnet)  waren  leider  zu 
Boden  gefallen  und  unbrauchbar  geworden. 

Versuch  1.    (9—10  Uhr  vormittags.) 


Gestrichenes  Zimmer 

Kontrollzimmer 

Platte  1 

Platte  2 

Platte  1 

Platte  2 

Fensterbank 

38 

28 

Fensterbank  . . . 

152 

124 

Schalbank 

63 

73 

Schulbank 

133 

275 

In  IV«  m  Höhe  . 

115 

— 

In  l'A  m  Höhe. 

180 

168 

Versuch  2.     (10 — 11  Uhr  vormittags.) 


Gestrichenes  Zimmer 

Eon  troll  Zimmer 

Platte  1 

Platte  2 

Platte  1 

Platte  2 

Fensterbank 

38 

48 

Fensterbank  . . . 

88 

111 

Schalbank 

61 

40 

Schulbank 

212 

232 

In  1»A  m  Höhe  . 

21 

In  l'AmHöhe. 

120 

300 

Versuch  3.     (11 — 12  Uhr  vormittags.) 


Gestrichenes  Zimmer 


Eontrollzimmer 


Platte  1 

Platte  2  1 

Platte  1 

Platte  2 

Fensterbank 

26 

62 

Fensterbank  . . . 

89 

136 

Schulbank 

76 

50 

Schulbank 

350 

340 

In  IV«  m  Höhe  . 

36 

— 

In  IV«  m  Höhe. 

200 

156 

363 


Bei  BämtliolieiL  yorstehenden  Versuchen  fiel  die  Prüfang  der 
Platten  zu  Quasten  des  mit  „Hygiene''  gestrichenen  Zimmers  aus; 
doch  ist  die  Differenz  nicht  gerade  beträchtlich. 

Etwas  deutlicher  ist  die  Keimzahldifferenz  zwischen  dem  ge- 
strichenen und  dem  Vergleichszimmer  auf  den  Platten,  die  während 
des  Kehrens  und  nachher,  zusammen  eine  Stunde,  der  Zimmerluft 
ausgesetzt  waren.  Am  eklatantesten  fielen  dabei  der  erste  und  dritte 
Versuch  (Versuch  4  und  6  in  den  Tabellen)  aus. 

Versuch  4.     (29.  XI.  02.) 


OestriobeDes  Zimmer 

Kontrollzimmer 

Platte  1 

Platte  2 

Platte  1 

Platte  2 

Fensterbank 

74 

83 

Fensterbank  . . . 

2100 

2240 

Schulbank  . .  .^ . . 

71 

111 

ScEolbank 

1400 

1710 

In  IV«  m  Hohe  . 

51 

69 

In  1 V«  m  Höhe . 

1190 

700 

Versuch  5. 

(3.  Xn.  02.) 

Gestrichenes  Zimmer 

Kontrollzimmer 

Platte  1 

Platte  2 

Platte  1 

Platte  2 

Fensterbank 

86 

63 

Fensterbank  .  • . 

490 

980 

Schulbank 

140 

94 

Schulbank 

770 

1060 

In  VU  m  Hohe  . 

77 

113 

In  IV^mHöhe. 

660 

940 

Versuch  6.     (10.  Xu.  02.) 


Gestrichenes  Zimmer 


Eontroll  Zimmer 


Platte  1 

Platte  2 

Platte  1 

Platte  2 

Fensterbank 

32 

58 

Fensterbank  . . . 

890 

325 

Schulbank 

39 

56 

Schulbank 

350 

286 

In  IV«  m  Höhe  . 

37 

18 

In  iV^mHöhe. 

280 

140 

Schalgesandheitspflege.  XVL 


19 


364 

Die  Wiederholang  der  Versnobe  fand  während  des  Unter- 
richtes am  29.  I.  03  statt.  Gleichzeitig  worden  wiederum  die 
KontroUplatten  aufgestellt.     Der  Versuch  hatte  folgendes  Ergebnis: 


Versuch  7.     (9 — 10  Uhr  vormittags.) 


Gestrichenes  Zimmer 

£ontrollsimmer 

Platte  1 

Platte  2 

PUtte  1 

Platte  2 

Fensterbank 

68 

80 

Fensterbank  . . . 

148 

95 

Schulbank 

110 

135 

Schulbank 

190 

188 

In  1V4  m  H5he  . 

74 

124 

In  IV«  m  Höhe. 

885 

195 

Versuch  8.     (10 — 11  Uhr  vormittags.) 


Gestrichenes  Zimmer 

Eontroll  simmer 

Platte  1 

Platte  2 

Platte  1 

Platte  2 

Fensterbank 

89 

128 

Fensterbank  ... 

96 

189 

Schulbank 

188 

98 

Schulbank 

180 

195 

In  IV«  m  Höhe  . 

45 

48 

In  IVimHöhe. 

90 

— 

V 

ersuch  9.     (11 — 

12  Uhr  vormittags.) 

Gestrichenes  Zimmer 

EontroHsimmer 

Platte  1 

Platte  2 

Platte  1 

Platte  2 

Fensterbank 

58 

68 

Fensterbank  . . . 

116 

184 

Schulbank 

66 

97 

Schulbank 

198 

124 

In  IV«  m  Höhe  . 

41 

62 

In  l'AmHöhe. 

126 

118 

866 


Am  29.  Januar,  4.  Februar  iind  7.  Februar  1903  wurden  sodann 
auch  die  Platten  während  des  Eehrens  wieder  der  Luft  aus- 
gesetzt und  dabei  folgendes  Besultat  erzielt: 


Versuch  10.     (29.  I.  03.) 


Gestriohenes  Zimmer 

Eontrollsimmer 

Platte  1 

Platte  2 

Platte  1 

Platte  2 

Fensterbank 

179 

195 

Fensterbank  . . . 

1800 

520 

Schnlbank 

189 

315 

Soholbank 

660 

1860 

In  l*/4  m  Hohe  . 

252 

168 

In  l'AmHöhe. 

900 

715 

Yersueh  11.    (4.  U.  08.) 


Gestrichenes  Zimmer 

Kontrollzimmer 

Platte  1 

Platte  2 

Platte  1 

Platte  2 

Fensterbank 

100 

108 

Fensterbank  . . . 

660 

660 

Schulbank 

68 

110 

Schalbank 

8880 

1040 

In  Vh  m  Höhe  . 

58 

51 

In  l'AmHöhe. 

1285 

1480 

Versuch  12.    (7.  n.  03.) 


Gestrichenes  Zimmer 

Kontrollzimmer 

Platte  1 

Platte  2 

Platte  1 

Platte  2 

Fensterbank 

63 

37 

Fensterbank  . . . 

480 

600 

Schulbank 

24 

83 

Schulbank 

585 

715 

In  1V4  m  Höhe  . 

20 

34 

In  iVimHöhe. 

650 

1280 

19» 


386 

Das  Fnfsbodenöl  „Hygiene^  übt  also,  wie  die  vor* 
stehendenVersuche,  sowohl  während  des  Unterrichts,  als  aaeh 
während  des  Kehrens,  gezeigt  haben,  auch  nach  oa.  2Vi 
Monaten  noch  einen  günstigen  Einflafs  anf  die  Staub- 
entwicklung im  Schulzimmer  aus.  Besonders  deutlich  tritt 
diese  Wirkung  während  des  Kehrens,  in  Versuch  11  und  12,  hervor. 
Ziehen  wir  mit  Rücksicht  auf  die  Keimzahl  noch  eine  Parallele 
zwischen  diesen  Platten  und  denen,  welche  kurz  nach  dem  Anstrich 
gewonnen  wurden,  so  fUlt  der  Vergleich  wieder  zu  Ghinsten  der 
letzteren  aus.  Wir  finden  hier  demnach  ähnliche  Verhältnisse,  wie 
wir  sie  bei  dem  Florioin  kennen  gelernt  haben. 

Mein  Urteil  über  „Hygiene"  ist  dementsprechend  das  folgende: 
„Hygiene"  ist  ein  brauchbares,  staubvermindemdes  Fufsbodendl, 
welches  in  der  Wirkung  dem  Floricin  gleich,  im  Preise  aber  etwas 
niedriger  ist  als  dieses.  Der  „Hygiene^'-Anstrioh  bleibt  im  Gegen- 
satz zum  Floricin  geruchfrei,  verliert  aber  in  Übereinstimmung  mit 
diesem  nach  circa  zehn  Wochen  schon  teilweise  seine  Wirksamkeit; 
es  wird  deshalb  unter  Zugrundelegung  einer  Ferienzeit  von  zwei  bia 
drei  Monaten  im  Jahre  auch  für  „Hygiene*  eine  viermalige  Erneue- 
rung des  Anstriches  jährlich  gefordert  werden  müssen. 

Prftfling  des  Dnstlesstles. 

Was  die  physikalischen  Eigenschaften  des  Dustlessöles  (DustlesB- 
öes.  m.  b.  H.)  angeht|  so  sind  sie  denen  des  „Hygieneöles''  ziemlich 
ähnlieh.  Dustless  ist  durchsichtig,  von  einer  etwas  gelblicboi  Farbe 
und  &st  ganz  geruchfrei;  auch  das  Zimmer  ist  nach  dem  Anstrich 
fast  ganz  firei  von  irgend  welchem  Geruch. 

Die  Preise  für  Dustlessöl  bei  Bezug  desselben  in  Kannen 
stellen  sich  wie  folgt: 

ä    10,    20    und   30  Pfund  Inhalt  auf  Mk.  0,80  pro  Kilo 
„    60   und         100      «  „        „       „     0,70    „        „ 

ein  Fab  von  ca.  330       „  »        n       »     0,65    n        » 

Zur  Prüfung  des  Dustlessöles  wurde  das  Auditorium  des  hiesigen 
pharmakologischen  Instituts  benutzt,  dessen  Bodenfläche  etwa  75  qm 
grob  ist.  Da  dasselbe  Zimmer  auch  gleichzeitig  Kontrollzimmer 
sein  sollte,  so  wurde  in  genau  derselben  Weise  wie  bei  der  Unter- 
suchung des  Floricinöls  vorgegangen,  d.  h.  die  Platten  einmal  während 
der  Vorlesung,  von  5—6  Uhr  abends  bei  Gksbeleuchtung,  sodann 
auch  während  des  Eehrens  in  gewohnter  Form,  und  zwar  zunächst 
vor  dem  Ölans trieb,  der  Luft  exponiert. 


867 


Diese  Kontrolle  ergab  folgendes  Resultat: 

I.  Kontrollyersnohe. 
a)  Während  der  Vorlesung  (dnrch8efanittlieheZnliörersahl=19). 


Versuch  1.    (25.  XI.  02.) 


Versuch  2.     (26.  XI.  02.) 


PUttel 

Platte  2 

Tiaoh  im  Gange  . 

Wb 

265 

B«nk 

140 

133 

In  l'Am  Höhe.. 

lai 

135 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Qange  . 

210 

226 

Bank 

198 

106 

In  IV«  m  Höhe . . 

111 

103 

Versuch  3.    (27.  XI.  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

370 

735 

Bank 

138 

190 

In  l'A  m  Höhe . . 

108 

77 

Als  „Tisch  im  Gange"  wurde  in  allen  Fällen  ein  kleiner  Vor- 
bau an  der  Wandtafel  benutzt,  die  Platten  „in  IV«  m  Höhe"  wieder 
unterhalb  der  Gasbrenner  angebracht. 

b)    Während  des  Kehrens. 


Versuch  4.     (22.  XI.  02.) 


Versuch  6.     (26.  XI.  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gkmge  . 

413 

275 

Bank 

385 

440 

In  VI  Am  Höhe.. 

28 

220 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

145 

153 

Bank 

151 

135 

In  IV«  m  Höhe.. 

180 

121 

368 


Versa  oh  6.     (26.  XI.  02.) 


Platte  1 

PlaUe3 

Tisch  im  Gange  . 

300 

770 

Bank 

231 

519 

In  l'/im  Höhe.. 

154 

140 

n.  Bei  Dnstless- Anstrich. 

Nachdem  diese  Vergleichszahlen  gewoDnen  waren,  wurde  am 
6.  XII.  02,  nachmittags  2  Uhr,  der  Saal  mit  dem  Dnstlessöl  ge- 
strichen. 

Es  wurden  verbraucht  2  kg  pro  75  qm  =  0,027  kg  s=  27  g 
pro  1  qm.  Der  Preis  für  den  einmaligen  Anstrich  des  ^obigen 
Zimmers  beläuft  sich  demnach  auf  nicht  ganz  2  Mk. 

Die  nunmehr  mit  dem  Dnstlessöl  angestellten  Versuche  hatten 
ein  sehr  günstiges  Ergebnis: 

a)  Während  der  Vorlesung  (durchschnittliche  Zuhörerzahl  =  15). 

Versuch  7.     (8.  XII.  02.)  Versuch  8.     (9.  XII.  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

15 

14 

Bank 

10 

11 

In  1V4  m  Höhe  . 

8 

5 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

13 

15 

Bank 

4 

9 

In  IV«  m  Höhe  . 

3 

3 

Versuch  9.     (10.  XII.  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

7 

6 

Bank 

4 

7 

In  IV«  m  Höhe  . 

4 

12 

369 


b)  Während  des  Kehrens. 
Versuoh  10.    (8.  XII.  02.)  Versuch  11.    (11.  XH.  02.) 


Platte  1 

Platte  2 

TiBoh  im  Gange  . 

27 

55 

Bank 

28 

14 

In  l'A  m  Höhe  . 

24 

21 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

51 

21 

Bank 

16 

11 

In  IV«  m  Höhe  . 

15 

4 

Versuoh  12. 

(13.  Xn.  02.) 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gbmge . 

9 

5 

Bank 

6 

6 

In  1»A  m  Höhe  . 

9 

10 

Ich  konnte  feststellen,  dais  anf  allen  Platten,  welolie  während 
der  Vorlesung  aufgestellt  waren,  nur  sehr  wenige  Keime  wuchsen. 
(Näheres  s.  Tabellen.)  Nur  um  ein  geringes  gröfser  war  die  Keim- 
zahl auf  den  Platten,  welche  während  des  Kehrens  im  Zimmer  ver- 
teilt waren. 

In  Prozenten  der  Keime  der  KontroUversuche  berechnet  traten 
in  dem  gestrichenen  Zimmer  auf: 

Tisch  im  Gange  Bank  l'A  ni  Hohe 

Vorlesung 3,5  7o  5  7o  6% 

Kehren 8,37o  4,57o  107o 

im  Durchschnitt  während  der  Vorlesung  4,5  7o,  während  des  Kehrens 

7,2%. 

DasDustlessöl  vermindert  demnach  mehr  wie  „Hygiene" 
und  „Florioin''  die  Keimzahl  resp.  in  erster  Linie  den 
Staubgehalt  des  gestrichenen  Zimmers.  Dabei  teilt  es 
mit  „Hygiene"  den. Vorzug  der  fast  völligen  Geruchlosig- 
keit:  es  glättet  aufserdem  weniger  als  „Floricin^. 


370 


Auch  in  diesem  Dnstless-Saal  wnrden  naeh  ca.  27s  Monaten  er- 
neute y ersuche  aufgenommen.  Dabei  wurden  während  der  Vor- 
lesung und  während  des  Eehrens  Ende  Januar  und  Anfang  Februar 
dieses  Jahres  folgende  Resultate  erzielt: 

a)  Während  derVorlesung  (durchschnittliche Zuhörerzahl  =  15). 
Versuch  IS.     (28.  I.  03.)  Versuch  14.     (8.  IL  03.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

27 

23 

Bank 

42 

26 

In  l'A  m  Höhe  . 

22 

18 

• 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

20 

24 

ßank 

19 

23 

In  IV«  m  Höhe  . 

12 

15 

Versuch  15.     (4.  IL  03.) 


Versuch  16.     (6.  IL  03.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  GFange  . 

31 

23 

Bank 

87 

86 

In  1'/«  m  Höhe  . 

6 

10 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Ghmge  . 

35 

53 

Bank 

43 

48 

In  l'A  m  Höhe . . 

8 

6 

b)   Während  des  Kehrens. 
Versuch  17.     (4.  11.  03.)  Versuch  18.     (5.  11.  03.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

110 

80 

Bank 

83 

76 

In  lV4m  Höhe.. 

17 

24 

Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange . 

28 

73 

Bank 

29 

63 

In  l'/i  m  Höhe . . 

11 

11 

371 


Versnch  19.    (14.  11.  03.) 


Platte  1 

Platte  2 

Tisch  im  Gange  . 

90 

118 

Bank 

82 

70 

In  IV«  m  Höhe . . 

29 

48 

Der  Erfolg  war  in  beiden  YersnohBreihen  also  ein  ähnlich 
günstiger,  wie  knrz  nach  dem  Anstrich.     Wir  erhielten  nämlich: 

Tisch  im  Ghmge  Bank  IV«  m  Hohe 

Vorlesung 9%  20Vo  107© 

Kehren 26  7o  20  Vo  W/zVo 

im  Mittel  also  während  der  Vorlesung  13Vo,  während  des  Kehrens 
20,5^0  der  in  den  KontroUyersuchen  beobachteten  Keime. 

Die  staubbindende  Wirkung  des  Dustlessöles  hat  demnach 
nach  2Vs  Monaten  nur  yerhältnismäfsig  wenig  nach- 
gelassen. Eine  Erhöhung  der  Keimzahl  ist  gewifs  zu 
konstatieren,  jedoch  nicht  in  dem  Mafse  wie  beim  „Flo- 
ricin"  und  bei  „Hygiene". 

Fassen  wir  die  Resultate  mit  Dustlessöl  zu  einem  Gesamturteil 
über  dieses  Präparat  zusammen,  so  würde  dasselbe  folgendermaisen 
lauten : 

Das  Dustlessöl  hat  sich  als  ein  hervorragendes  Fuisboden- 
Imprägnierungsmittel  zur  Verminderung  des  Staubes  und  der  Bak- 
terien erwiesen.  Dasselbe  besitzt  alle  Vorzüge  eines  FuiSsbodenöles 
und  übertrifft  an  Wirksamkeit  die  beiden  zuerst  geprüften  Öle. 

Da  nach  2Vs  Monaten  eine  nur  äuJberst  geringe  Zunahme  der 
Keimzahl  in  den  Versuchen  zu  konstatieren  ist,  so  glaube  ich  mich 
berechtigt,  daraus  den  Schluls  zu  ziehen,  daCs  beim  Dustlessöl  für 
Schulen  mit  neun-  bis  zehnmonatlicher  Unterrichtsdauer  ein  drei- 
maliger  Anstrich  im  Jahre  hinreichen  würde,  um  die  für  Schulen  etc. 
erforderliche  staubarme  Luft  zu  erzielen. 

Denmach  würde  für  Universitätsauditorien,  in  denen  gewöhnlich 
nicht  länger  als  3^/s  Monate  im  Semester  doziert  wird,  ein  Anstrich 
kurz  vor  Beginn  des  Semesters,  also  ein  zweimaliger  Anstrich  im 
Jahre,  völlig  genügen. 


372 

Bei  Verwendang  des  FloriciDS  und  des  Hygieneöls  wäre  jedoch 
auch  fOr  üniversitätsauditorien  mindestens  eine  dreimalige  Erneaerong 
des  Anstriches  dringend  zu  empfehlen. 

Die  Glätte  des  FuGsbodens  ist  zurückzuführen  auf  die  fettige 
Schicht,  die  besonders  an  wenig  benutzten  Stellen  einige  Tage  sicht- 
bar bleibt  und  mit  Recht  schon  von  Reichenbach  als  unangenehme 
Beigabe  der  sonst  brauchbaren  FuTsbodenöle  bezeichnet  wurde.  Es 
ist  bedauerlich,  dals  auch  dem  Dustlessöl  bei  seinen  sonst  so  hervor- 
ragenden Eigenschaften  der  Vorwurf  des  „Glättens^  nicht  ganz 
erspart  werden  kann.  Sollte  es  der  Technik  noch  gelingen,  diesem 
Übel  abzuhelfen,  so  würden  wir  in  dem  Original-Dustlessöl  ein  nach 
jeder  Richtung  hin  empfehlenswertes  und  einwandfreies  staubbindendes 
Fuisboden-Imprägnierungsmittel  besitzen. 

Nach  den  Resultaten  meiner  Versuche  verdient  demnach 
das  Dustlessöl  unter  den  drei  geprüften  Fufsbodenölen 
entschieden  den  Vorzug,  nicht  allein  wegen  seiner  erhöhten 
staubbindenden  Wirkung,  sondern  nicht  zum  geringsten  Teile  wegen 
der  gröfseren  Haltbarkeit  des  Anstriches,  die  einen  geringeren  Ver 
brauch  von  Dustlessöl  pro  Zimmer  im  Jahre  garantiert  und  deshalb 
in  ökonomischer  Beziehung  nicht  zu  niedrig  anzuschlagen  ist. 

Wie  ich  oben  schon  erwähnt  habe,  konnte  Reighenbach  (1.  o.) 
zwischen  dem  Dustlessöl  und  dem  Floricin  keinen  wesentlichen  Unter- 
schied in  der  Wirkung  konstatieren.  Nach  meinen  Versuchen  ist 
dieser  Unterschied  in  immerhin  auffallender  Weise  zu  Gunsten  des 
Dustlessöles  aufgetreten,  so  dafs  ich  die  Worte  Reichenbachs: 
„Zwischen  dem  Original-Dustlessöl  und  dem  Floricin  ist  ein  wesent- 
licher Unterschied  nicht  vorhanden^  für  nicht  ganz  den  Tatsachen 
entsprechend  halten  kann.  Da  die  Differenz  im  Preise  nicht  grols 
ist,  wird  das  DusÜessöl  als  das  nach  seinen  physischen  und  sonstigen 
Eigenschaften  angenehmste  und  als  das  wirksamste  und  dauerhafteste 
Mittel  den  anderen  von  mir  geprüften  unter  allen  Umständen  vor- 
zuziehen sein. 


373 


Zur  Hygiene  des  ünterrichtsplans. 

Vortrag  im  Ärztlichen  Verein  za  Nämberg  am  5.  März  1903. 

Von 

Dr.  med.  Richabb  Landau, 

Stadt.  Schularzt  in  Nürnberg. 

Wenn  sich  die  Stellnng  des  heutigen  Arztes  gegen  jene  der 
Vergangenheit  in  der  Richtung  verschoben  hat,  dafs  der  Arzt  aus 
engem  Kreise  mit  seinem  Handeln  und  Denken  in  die  breiteste 
Öffentlichkeit  gestellt  wurde,  so  ist  die  Ursache  dieser  Wandlung 
wesentlich  in  der  modernen  sozialen  Gesetzgebung  zu  suchen;  nicht 
wenig  aber  trägt  die  hohe  Bedeutung  dazu  bei,  welche  die  öffentliche 
Gesundheitspflege  in  der  Gegenwart  gewonnen  hat.  Die  Geschichte 
der  Hygiene  ist  eine  merkwürdige;  ihre  Wurzeln  haften  in  den 
fernsten  Zeiträumen,  Jahrtausende  vor  der  christlichen  Zeitrechnung, 
und  dennoch  lieis  man  diesen  altehrwürdigen  Zweig  der  Heilkunde 
yerkümmem  und  verdorren,  bis  endlich  die  Neuzeit  wieder  seinen 
Wert  erkannte.  Da  aber  pflegte  und  hegte  man  die  Hygiene,  als 
ob  man  das  Versäumte  nachzuholen  gewillt  wäre.  Folgen  dieses 
Strebens,  das  einen  gewaltigen  Fortschritt  in  der  Erkenntnis  bedeutet, 
sind  die  Assanierung  der  Städte,  die  Überwachung  der  Gewerbe,  die 
Beaufsichtigung  des  Nahrungsmittelverkehrs,  die  Seuchenprophylaxe 
und  schlieJslich  auch  die  Schulhygiene.  Gerade  diese  letztere  ver- 
dient die  fortgesetzte  und  stets  erhöhte  Aufmerksamkeit  der  Ärzte, 
weil  ihr  Ziel  darin  besteht,  dem  Volke  eine  gesunde  Jugend  zu  er- 
halten, und  damit  die  Gewähr  seiner  Blüte.  „Die  Schule  ist^,  wie 
Gbiesbaoh  mit  Becht  betont,  „für  die  Zöglinge  das  zweite  Heim. 
Mit  dem  sechsten  oder  siebenten  Jahre  erfolgt  durchschnittlich  die 
Au&ahme  der  Kinder  in  die  Schule  und  dann  verbringen  sie  dort, 
die  Ferienzeit,  Sonn-  und  Feiertage  ausgenommen,  etliche  Jahre 
täglich  vier,  sechs  und  mehr  Stunden.  In  solchen  Zeiträumen  können 
selbst  kleine  xmd  geringfügig  erscheinende  Schädlichkeiten  die  ver- 
hängnisvollsten Folgen  für  die  Gesundheit  haben.'' 

Die  Schulhygiene  hat  nun  zweckmälsig  eingerichtete  Schulhäuser 
bauen  gelehrt,  hat  wohlgeeignete  Schulbänke  geschaffen,  hat  für  Licht 
und  Luft  gesorgt,  hat  den  Wert  der  Körperpflege  in  der  Turnstunde 


374 

« 

und  auf  den  Spielplätzen,  im  Bade  u.  s.  w.  zu  Ansehen  gebracht, 
hat  sieh  die  Prophylaxe  der  Infektiooskrankheiten  angelegen  sein 
lassen,  hat  in  den  Kampf  gegen  die  Alkoholisierung  der  Jugend 
eingegriffen  und  anderes  mehr  geleistet  —  aber  zaghaft  und  bis- 
her nur  mit  geringem  Erfolg  hat  sie  den  Unterrichts- 
plan der  Schule  beeinflufst.  Hier  harrt  ihrer  noch  eine  grofse, 
eine  schöne  Aufgabe,  die  sie  durch  gemeinsame  Arbeit  einsichtiger 
Schulmänner  und  Ärzte  zu  lösen  hat. 

Gewifs  hat  auch  die  Vergangenheit,  in  der  die  Schulhygiene 
eine  so  untergeordnete  Bolle  spielte,  im  ünterrichtsplan  der  Schulen 
—  ich  meine  hier  natürlich  immer  nur  die  Volksschulen  —  einige 
gesundheitliche  Bücksichten  genommen.  So  hat  z.  B.  schon  die 
Wittenberger  Kirchenordnung  von  1533  für  Mädchenschulen  die 
Nachmittage  des  Mittwochs  und  Samstags  für  unterrichtsfrei  erklärt. 
Und  Johann  Psteb  Frank,  den  wir  als  Schöpfer  der  modernen 
Schulhygiene  bezeichnen  dürfen,  verlangte  für  die  jüngeren  Kinder 
sowohl  vormittags  als  nachmittags  je  eine  Stunde  weniger  Unterricht 
als  für  die  älteren,  forderte  einen  nützlichen  Wechsel  im  Vortrag 
der  Lehrsätze,  „so  dafs  weder  die  Einbildungskraft,  noch  das  Ge- 
dächtnis mit  einer  und  der  nämlichen  Sache  überläatigt,  sondern  all- 
zeit zu  einiger  Erholung  zwischen  den  Vorträgen  Platz  gelassen 
werde*',  und  verwarf  die  Verkümmerung  der  Ferientage  durch  Schul- 
aufgaben. Allein  alle  diese  löblichen  Vorschläge  trefiFen  nicht  das 
Ganze,  schafifen  keine  Grundlage,  auf  der  sich  ein  gesundheitsgemälser 
Unterrichtsplan  aufzubauen  hat,  und  entbehren  darum  des  genügenden 
und  wünschenswerten  Erfolges.  Wer  sich  diesen  sichern  will,  mols 
davon  ausgehen,  dafs  der  Schule  in  ihren  Rekruten  ein  bunt  zu- 
sammengewürfeltes, körperlich  tmd  geistig  ungleichwertiges,  durchaus 
mannigfaches  Menschenmaterial  zugeht,  ein  Material,  das  nicht  nach 
konfessionellen,  politischen  oder  materiellen  Gesichtspunkten  gesondert 
werden  darf,  wenn  es  anders  zur  bestmöglichen  Ausbildung  gebracht 
werden  soll,  sondern  einzig  und  allein  unter  Berücksichtigung  der 
natürlichen  Körper-  und  Geistesanlagen  1  Das  Ideal  allen  VolkssohuU 
Unterrichts  erblickt  der  Hygieniker  in  der  Berücksichtigung  des  Indi- 
viduums. Denn  der  Mensch  ist  individuell  beanlagt  und  individuell 
bildungsfähig;  eine  Menschenmenge  ist  nicht  eine  Herde,  eine  gleich- 
artige Masse,  sondern  eine  Summe  von  Einzelwesen. 

In  unseren  Ellassen  freilich,  die  bis  zu  60  und  70  Insassen  be- 
herbergen, zuweilen  noch  mehr,  ist  natürlich  individueller  Unterricht 
unmöglich.     Der  Unterrichtsplan  konstruiert  sich  aus  der  Er£a,hrang 


375 

heraus  ein  Mab  derjenigen  Anlagen,  das  man  durohscbnittlioli  bei 
Kindern  eines  gewissen  Alters  voraussetzen  kann,  und  baut  auf  dieser 
Grundlage  die  Menge  der  Kenntnisse  auf,  fbr  welche  durchschnittlich 
Kinder  einer  gewissen  Altersstufe  au&ahmefUiig  sein  sollen.  In  das 
Schema,  welches  sich  solcherart  ergibt,  werden  alle  Kinder  gleichen 
Alters  hineingezwängt.  Es  gibt  keinen  Unterschied  für  körperlich 
schwächliche  Kinder,  für  geistig  minderwertige  Kinder.  Wer  nicht 
mitkommt,  bleibt  zurück  und  erreicht  schlieMich  keinen  AbschluTs 
seiner  Ausbildung,  weil  er  vor  Erreichung  der  obersten  Klasse  seine 
Schulpflicht  erfüllt  hat  und  abgeht.  Das  einzige,  was  bisher  die 
Schule,  wenigstens  in  vielen  deutschen  Grolsstädten,  tat,  war  die 
Fürsorge  für  geistig  unterwertige  Kinder  durch  Errichtung  von 
Hilfsklassen;  diese  vereinigen  Kinder  mit  so  geringen  Geistes- 
gaben,  dals  sie  auch  nach  zweijährigem  Besuch  der  ersten  Volksschul- 
klaase  für  die  zweite  unfthig  erscheinen,  ohne  deshalb  geradezu 
idiotisch  genannt  werden  zu  dürfen;  und  in  ihnen  wird  von  einem 
besonders  erfahrenen  Lehrer  möglichst  individuell  jeder  Insasse  unter- 
richtet. Es  sind  teilweise  gemischte,  teilweise  geschlechtlich  getrennte 
Klassen;  in  Nürnberg  haben  wir  zurzeit  sechs  gemischte  Hilfsklassen. 
Im  ganzen  Deutschen  Reiche  ist  nach  der  Statistik  von  J.  Tbüpeb 
durch  326  Klassen  in  98  Schulen  für  7013  schwachbef&higte  Kinder 
solcher  Art  im  Jahre  1902  gesorgt  gewesen.  Auch  im  Auslande, 
in  Wien,  Rotterdam,  Christiania  und  vor  allem  in  der  Schweiz,  gibt 
es  Hil&klassen. 

Seheiden  wir  diese  geistig  unterwertigen  Kinder  aus  und  be- 
trachten mit  ärztlichen  Augen  die  übrigbleibende  Hauptmenge  der 
Schüler  und  Schülerinnen,  so  werden  wir  sowohl  solche  mit  körper- 
lichem Mangel^  als  solche  mit  geistigem  finden,  wobei  natürlich  die 
körperlich  Schwachen  oft  zugleich  geistig  schwach  sein  werden. 

Von  den  körperlich  Schwachen  faUen  zunächst  einige  aus,  welche 
als  Krüppel  nicht  der  öffentlichen  Schule,  sondern  den  Blinden- 
anstalten, Taubstummenanstalten  oder  Krüppel heimen  zugehören; 
wenngleich  ihre  Zahl  weit  grölser  ist,  als  man  auch  in  ärztlichen 
Kreisen  anzunehmen  geneigt  ist,  wie  Leokhabd  Rosenfelb  und 
VuLPius  betont  haben,  so  haben  sie  doch  für  die  vorliegende  Frage  kein 
Interesse.  Weit  eher  gilt  das  von  hochgradig  Schwerhörigen, 
welchen  ihr  Gebrechen  die  Beteiligung  am  allgemeinen  Unterricht 
erschwert  oder  unmöglich  macht,  ohne  dafs  sie  doch  den  Taub- 
stummenanstalten zuzuweisen  wären.  Für  solche  Kinder  sorgt  bisher 
meines  Wissens  nur  privater  üntemehmersinn;  so  existiert  z.  B.  zu 


376 

Wenigenjena  in  Thüringen  das  BsAüCEMANN8olie  Lehnnstitut  fiOr 
Schwerhörige  seit  1894;  dasselbe  ist  sowohl  Knaben  als  Mädohen, 
aber  natürlich  nur  bemittelten,  zugänglich.  —  Noch  wichtiger  sind 
Sprachgebreohen,  nnd  es  ist  erfirenlioh,  dals  in  jüngster  Zeit  in 
einer  Reihe  von  Städten  die  Yolksschnle  Stotterkorse  eingerichtet 
hat  nnd  unterhält.  Auch  Nürnbergs  Volksschulen  besitzen  drei 
solche  Kurse  in  räumlich  getrennten  Schulhäusem  und  man  lälst  den 
Stotterern  wöchentlich  eine  Sprechstunde  während  des  Schuljahres 
geben.  AuiSserhalb  desselben  und  zwar  in  die  Ferien  yerlegt  diesen 
Unterricht  die  Schule  zu  Zürich:  so  gab  es  in  den  Herbstferien  1898 
zwei  Kurse  mit  24  Teilnehmern,  und  in  den  Sommerferien  1899 
bildete  man  —  eine  originelle  und  nicht  üble  Idee  —  aus  17  Knaben 
und  4  Mädchen,  welche  stotterten,  eine  besondere  Ferienkolonie,  um 
in  dieser  Sprachunterricht  zu  erteilen. 

Ein  Wort  ist  auch  über  die  tuberkulösen  Kinder  zu  sagen. 
Die  Ansichten  von  der  Seltenheit  der  Tuberkulose  im  Kindesalter 
haben  sich  ja  sehr  geändert;  in  einer  Kieler  Dissertation  von  1892 
gibt  BoLTz  die  Sterblichkeit  an  Tuberkulose  für  das  fiinfte  bis  zehnte 
Lebensjahr  auf  34,3%  an!    Auf  denselben  Lebensabschnitt  entfielen 
1898  in  Preuisen  1558  Todes&Ue.     Die  unbekannten  Erkrankungs- 
zifiem  sind  natürlich  wesentlich  höhere,    wennschon   sie  nach  Leu- 
BUSCHEB   die    theoretischen  Erwartungen  glücklicherweise  nicht  er- 
reichen;   andererseits  ist  freilich  die  Schwierigkeit  der  Diagnose  im 
ersten  Lebenerjahrzehnt  nicht  zu  verkennen,  soweit  die  Lungentuber- 
kulose in  Betracht  kommt.    Obebtüschen  hat  in  der  letzten  Sitzung 
des  internationalen  Zentralbureaus  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose 
in  Berlin  gefordert,    dafs    alle  Kinder   mit  sicher  konstatierter  oder 
höchstwahrscheinlicher  Lungentuberkulose  vom  Schulbesuche,  solange 
der   infektiöse  Prozefs   dauert,    auszusohlielsen    sind.     „Dergleichen 
Kinder^,    bemerkt  Leübuscheb,    ^bedeuten    eine  grofse  Gefahr  für 
ihre   Mitschüler.''      Und    doch   könnten   diese    Kinder,    rechtzeitig 
behandelt,  geheilt  werden.    Darum  ist  durch  die  Bemühungen  Lsu- 
BUSOHEBS  in  Meiningen  am  14.  November  1902  verfügt  worden,  dieee 
tuberkulösen  Schulkinder  vom  allgemeinen  Unterricht  auszuschliefsen, 
um  sie  in  der  Lungenheilstätte  der  thüringischen  Jjandesversicherungs- 
anstalt,  mit  der  ein  entsprechendes  Abkommen  getroffen  wurde,  unter- 
zubringen   (13  Wochen).     „Wenn    die  Sache   sich    gut  entwickelt'', 
bemerkt  mir  Prof.  Leubüsgheb  in  einer   dankenswerten  Zuschrift, 
„und  nicht  am  Kostenpunkte  scheitert,    so  werden  die  betreffenden 
Kinder  gemeinsam  in  der  Heilanstalt  unterrichtet  werden  können. '^ 


877 

Nicht  wenige  Kinder  endlich  sind  mit  nervösen  Leiden  be- 
haftet; dalB  die  Zahl  der  nervösen  Yolksschnlkinder  unterschätzt  wird, 
habe  ich  anderenorts  nachgewiesen.  Zu  den  nervös  Beanlagten,  den 
nenrasthenischen,  hysterischen  Schulkindern  gesellen  sich  jene  mit 
Veitstanz,  mit  Krämpfen  u.  a.  m.  Ängstlich,  scheu,  gedrückt  ver- 
mögen diese  Kinder  schwer  oder  gar  nicht  dem  Unterricht  zu  folgen, 
und  manche  gelten  wohl  als  träge,  dumm  oder  verstockt.  Rücksicht 
auf  ihr  sensibles  Nervensystem  nimmt  der  ünterrichtsplan  nicht  und 
schädigt  dasselbe  dadurch  schwer,  vielleicht  dauernd;  man  bedenke 
nur,  daCs  nicht  nur  eine  Zunahme  der  Geisteskrankheiten  bei  Kindern 
feststeht,  sondern  dais  nach  den  Untersuchungen  von  Kahlbaüm  und 
jüngst  von  J.  Babb  sogar  die  Zunahme  der  Kinderselbstmorde  wegen 
gekränkten  Ehrgefühls,  aus  Furcht  vor  Schulstrafen  u.  s.  w.  auTser 
Zweifel  ist,  und  wer  wollte  jene  Kinder  als  normale  erachten  ?  Dennoch 
fehlt  bis  zur  Stunde  eine  Fürsorge  der  Volksschule  für  solche  ner- 
vöse und  nervenkranke  Schulkinder.  Besonders  Stadelhakn  in 
Würzburg  hat  im  Juli  1902  die  öffentliche  Aufmerksamkeit  auf 
solchen  Mangel  gelenkt  und  Schulen  für  nervenkranke  Kinder  ver- 
langt. Nach  einer  freundlichen  brieflichen  Mitteilung  nimmt  er  in 
seiner  eigenen  „Schule  für  nervenkranke  Kinder*^  gerade  die  schwersten 
Formen,  in  denen  Assooiationsstörungen,  Koordinationsstörungen  u.8.w. 
sich  zeigen,  also  Kinder  mit  Chorea,  mit  Krämpfen  u.  dergl.  auf  und 
unterrichtet  sie  persönlich,  indem  er  die  Behandlung  zum  Unterricht 
werden  lälst,  mit  Hilfe  zweier  erfahrener  Lehrer  individuell,  sogar 
einzeln,  um  eine  psychische  Infektion,  deren  Vorkommen  die  nicht 
so  gar  seltenen  psychischen  Schulepidemien  beweisen,  zu  verhüten. 
Die  Stundenzahl  ist  auf  das  geringste  Mafs  beschränkt.  Unversorgt 
und  vom  Unterrichtsplan  unbeachtet  bleiben  aber  alle  unbemittelten 
Kinder  der  Art  und  vor  allem  alle  die  leichteren  Fälle  von  nervöser 
Veranlagung,  die  gerade  prophylaktisch  so  gut  zu  beeinflussen  sind, 
während  sie  sonst  nur  die  unterste  Stufe  zu  den  höheren  Gattungen 
bilden. 

Jetzt  kommt  das  Heer  der  dyskrasischen  Kinder  dazu,  und 
wer  wollte  bezweifeln,  daüs  sie  alle  die  körperliche  Untüchtigkeit  un- 
geeignet zu  einem  sohematischen  Unterricht  mit  einem  Durchschnitts- 
lehrplan, einem  sog.  Normalplan,  macht?  —  sei  es  vorübergehend 
oder  dauernd  I  Daus  solche  vorübergende  Untüchtigkeit  auch  durch 
lange  Schulversäumnisse  im  Gefolge  schwerer  Erkrankungen  erworben 
werden  kann,  sei  nur  erwähnt  1 

Noch  viel  bedenklicher  aber  erscheint    dieser  Normallehrplan, 


378 

wenn  wir  die  körperliob  gesunden  oder  nngesunden  Eonder  auf  ihie 
Intelligenz,  auf  ihre  Auffassungsf^higkeit,  auf  ihr  Gedächtnis  u.  s.  w. 
prüfen!  Kaum  eines  gleicht  da  wohl  dem  anderen,  und  dennoch 
gibt  es  für  jeden  Geist  dieselbe  Speise  I  Natürlich  wäre  es  absurd, 
jemals  an  die  Möglichkeit  zu  denken,  der  Pädagogik  die  Psychologie 
so  zu  Grunde  zu  legen,  dais  zunächst  die  Psyche  jedes  Eondes  ge- 
prüft wird,  um  auf  dem  Prüfnngsergebnisse  einen  genau  passenden 
Lehrplan  aufzubauen.  Das  wäre  das  Ideal,  doch  ebenso  unerreichbar 
und  utopistisch,  als  eben  in  unserer  realen  Welt  andere  Ideale  auch  1 
Aber  das  ist  auch  nicht  notwendig,  um  so  weniger  notwendig,  als 
die  heutige  Volksschule  bei  Aufstellung  des  Unterrichtsplans  trachtet, 
eher  etwas  unter  dem  Durchschnitt  der  geistigen  Begabung  und  der 
geistigen  Aufnahmefähigkeit  zu  bleiben,  als  diesen  um  ein  weniges 
zu  überschreiten.  Auch  haben  einsichtige  Pädagogen  schon  gewarnt, 
in  rücksichtsloser  Hast  und  ungeduldigem  Streben  ein  möglichst 
günstiges  Lehrergebnis  erzielen  zu  wollen.  Für  solche  Eander  end- 
lich, die  in  ihrer  geistigen  Entwicklung  durchaus  zurückgeblieben 
sind,  ist  obendrein  der  Beginn  der  Schulpflicht  hinausgerückt,  und 
mit  der  Auswahl  dieser  Kinder  aus  den  Schulrekruten  können  Arzt 
und  Lehrer  gemeinsam  ein  nützliches  Stück  praktischer  Hygiene 
treiben.  Dennoch  ist  die  Zahl  derjenigen  Schulkinder,  welche  dem 
Normallehrplan  nicht  gewachsen  sind,  recht  groüs.  Das  beweisen  die 
Ziffern  derjenigen,  welche  das  Schulziel  mit  vollendeter  Schulpflicht 
nicht  erreichen! 

Für  die  Mannheimer  Volksschule  hat  Sickingeb,  der  verdiente 
Schulhygieniker,  den  Durchschnittsprozentsatz  der  entlassenen  Schüler 
nach  der  Abgangsklasse  berechnet.  Er  fand  für  die  Zeit  von  1887 
bis  1897  die  entlassenen  Kaben: 

in     8,80%  bis  zur      V.  Klasse  aufgestiegen, 

„    21,637o    „     „       VI.       „ 

,    37,84%    „     „     VII.       „       und 
nur   „    29,21%    „     „    VHI.       „ 
Die  entlassenen  Mädchen  waren: 

in  10,74  7o  bis  zur      V.  Klasse  gelangt, 

„    21,64%    „     „       VL       „ 

„    42,457o    „     „     Vn.       ,       und 
nur   „    21,23%    „     „    VIIL       „ 
Dabei  haben  sich  durch  einen  herabgeminderten  Lehrplan  diese 
Ziffern  gegenüber  dem  Jahrzehnt  1877/1887  günstiger  gestellt. 

Beträchtlich  besser  als  in   Mannheim,   gestalten  sich  immerhin 


379 

die  Yerhaltniflse  in  Nürnberg,  wo  der  Normalnnterrichtsplan  nur 
sieben  Klassen  umfalst.  Hier  gehörten  nach  Angaben,  die  ich  der 
groisen  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Schnlrat  Prof.  Dr.  GriiAsmNQ 
verdanke,  von  den  entlassenen  Schülern  nnd  Schülerinnen  der 
IV.  Klasse 

im  Schuljahre  1890/1891  an 0,40% 

1891/1892 0,497o 

„  1892/1893 0,66Vo 

„  „  1893/1894 0,38% 

„  1894/1895 0,677o 

„  „  1895/1896 0,20% 

1896/1897 0,19Vo 

1897/1898 0,29% 

1898/1899 2,08% 

1899/1900 0,67% 

1900/1901 0,677o 

also  der  IV.  Klasse  im  Zeitraum  1890/1901  durchschnitt- 
lich 0,6%. 

Für  die  V.  Klasse  sind  die  Ziffern  im  gleichen  Zeitraum: 
6,12%;  6,177o;  5,237o;  6, 10 7o;  6,32 7o;  6,80 7o;  3,86%;  3,76 7o; 

3,94 7o;  4,887o;  5,24 7o, 
d.  h.  durchschnittlich  im  Zeitraum  von  1890/1901  —  5,137o. 

Für  die  VI.  Klasse: 
18,707o;  18,907o;  16,397o;  20,547o;  15,997o;  22,007o;  15,867o; 

15,57  7o;  15,767o;  18,447o;  17,7S7o, 
d.  h.  durchschnittlich  im  Zeitraum  von  1890/1901  —  17,767o. 

Für  die  VII.  Klasse  endlich: 
74,607o;  74,427o;  77,727o;  73,9l7o;  77,127o;  71,987o;  74,757o; 

74,337o;  73,347o;  68,887o;  76,387o, 
d.  h.  durchschnittlich  im  Zeitraum  von  1890/1901  —  74,227o. 
Mit  dürren  Worten  besagen  diese  Zahlen,  dafs  in 
Mannheim  noch  nicht  die  Hälfte  der  Volksschüler  mit 
beendigter  Schulpflicht  die  VII.  Klasse  erreicht  haben, 
in  Nürnberg  noch  nicht  drei  Viertel  derselben,  so  dafs  in 
beiden  Städten  zusammen  durchschnittlich  von  drei 
Volksschülern  nur  zwei  die  Vil.  Klasse  wirklich  durch- 
laufen. Ich  meine,  das  sollte  Ärzten  sowohl  als  Pädagogen  zu 
denken  geben  I  Denn  es  ist  damit  bewiesen,  dals  der  Normallehrplan 
f&r  eine  Anzahl  Eünder  zu  hoch  gestellt  ist.  Diese  Anzahl  ist  zwar 
die  Minderheit,  aber  absolut  ist  sie  wahrlich  grois  genug,  selbst  wenn 

SehulgeMuidheitopflege.  XVI.  20 


380 

wir  nnr  die  guten  Nürnberger  Zahlen  ins  Auge  fassen  wollten. 
Nun  geht  aus  dem  mitgeteilten  Grundsatz  bei  Aufstellung  des  Unter- 
riohtsplans  für  die  Volksschule  klar  hervor,  dafs  eine  Verringerung 
des  LehrstofiFes  nicht  wohl  angängig  ist;  es  wäre  auch  ungerecht 
gegenüber  den  vielen,  die  ihn  bewältigen,  und  zwar  manchmal  sogar 
spielend  leicht.  Aber  jene  Minderheit  bedarf  einer  Berücksichtigung. 
Das  müssen  wir  Ärzte  unbedingt  fordern,  und  jedermann  dem  die  Volks- 
wohlfahrt am  Herzen  liegt,  muls  uns  zustimmen.  Haben  wir  doch 
gesehen,  dais  jene  Minderheit  aus  körperlich  oder  geistig  oder  körper- 
lich und  geistig  Schwachen  besteht!  Ihnen  darf  aus  der  Schulzeit 
kein  Schaden  für  das  spätere  Leben  erwachsen;  ihre  körperlichen 
Gebrechen  dürfen  nicht  vermehrt  werden;  ihr  widerstandsunfUiiges 
Nervensystem,  das  im  späteren  Leben  gegenwärtig  tausend  unver- 
meidlichen Schädigungen  ausgesetzt  wird,  bedarf  der  Schonung,  nicht 
weiterer  Schwächung;  das  Gehirn,  das  nicht  genügende  Arbeit  leisten 
kann,  darf  nicht  überreizt  —  das  Seelenleben  nicht  durch  das  Be- 
wulBtsein  der  Unfähigkeit,  durch  Tadel  und  Strafe  des  Lehrers,  durch 
Spott  und  Verachtung  des  Mitschülers  bedrückt  werden! 

Wie  ist  da  zu  helfen?  Wie  ist  der  ünterrichtsplan  der 
Volksschule  hygienisch  zu  gestalten? 

Schuldirektor  Seiffert  hat  bereits  1891  den  richtigen  Weg 
gezeigt.  Er  benutzte  einfach  die  Parallelklassen  so,  dafs  er  sie 
nicht  willkürlich  oder  nach  irgend  welchen  praktischen  Gesichtspunkten 
bevölkerte;  sondern  so,  dafs  er  der  einen  Abteilung  die  geistig 
stärkeren,  der  anderen  die  geistig  schwächeren  Schüler  zuwies 
und  in  diesen  Abteilungen  den  (Jnterrichtsplan  den  Lasassen  anzupassen 
suchte.  Freilich  lieis  er  diese  Trennung,  also  auch  den  hygienischen 
Unterrichtsplan,  erst  vom  Beginn  des  vierten  Schuljahres  ab  ein- 
treten. Dieses  vierte  Schuljahr  diente  ihm  als  Probejahr;  vom 
fünften  Jahre  ab  war  dann  die  Scheidung  eine  endgültige.  1897 
erhob  der  Philologe  Max  Bbahm  aufs  neue  den  Ruf,  die  gleich- 
altrigen Volksschüler  nach  dem  Mause  ihrer  Fähigkeiten  in  wenig- 
stens zwei  Abteilungen  zu  sondern,  deren  eine  die  excessiv  schnell 
geistig  ermüdenden  Kinder  aufzunehmen  habe.  Eine  ärztliche  Stimme 
scheint  sich  nicht  erhoben  zu  haben ;  Binbwangeb  hat  ohne  bestimmte 
Vorschläge  nur  allgemein  verlangt,  dafs  der  Erziehungsplan  ein- 
geschränkt und  der  Lehrstoff  vereinfacht  werde,  sobald  durch  ge- 
steigerte Ermüdbarkeit  intellektuelle  Lisufficienz  sich  anzeigt.  Eine 
allgemeinere  Beachtung  scheint  eben,  wie  eingangs  erwähnt,  die 
Hygiene  des  ünterrichtsplans  nicht  gefunden  zu  haben. 


381 

Einen  praktischen  Anfang  in  dieser  Angelegenheit  nDtemahm 
die  Schnlleitnng  der  Stadt  Basel.  Die  geographische  Lage  brachte 
es  dort  mit  sich,  dafs  vom  fünften  Schuljahr  ab  in  der  Yolkssohnle 
auf  Kosten  des  deutschen  Unterrichts  und  des  Eechnens  die  franzö- 
sische Sprache  obligatorischer  ünterrichtsgegenstand  wurde.  Nach- 
dem man  einsah,  dafs  solcher  Art  deu  schwächeren  Kindern  das 
Erreichen  der  letzten  Klasse  erschwert  oder  unmöglich  wurde,  fafste 
man  diese  Schüler  in  besondere  Parallelklassen,  die  sog.  ^^deutschen'' 
Klassen,  zusammen,  um  sie  ohne  Französisch  nach  einem  einfacheren 
Lehrplan  zu  unterrichten.  Dabei  ist  die  Kopfzahl  dieser  Klassen 
eng  begrenzt,  der  Klassenlehrer  sorgfältigst  ausgewählt,  und  es  steigt 
dieser  mit  seinen  Zöglingen  von  Klasse  zu  Klasse  auf,  was  natürlich 
ein  inniges  Yertrautwerden  mit  den  individuellen  Eigenschaften  der 
Kinder  zur  Folge  hat.  Das  Tempo  der  Fortschritte  geben  die 
schwächsten  Schüler  an. 

Ähnlich  hat  die  Volksschule  zu  Zürich,  wo  die  Schulpflicht 
acht  Klassen  umgreift,  für  die  letzten  zwei  Klassen  parallele  Klassen- 
reihen mit  engerem  und  weiterem  Lehrplan  (I.  und  11.  Sekundar- 
klasse  einerseits  und  YU.  und  YIII.  Erlasse  der  Primarschule  an* 
dererseits)  eingerichtet.  Schüler,  die  dem  erweiterten  Lehrplan  in 
einer  gewissen  Probezeit  zu  folgen  nicht  vermögen,  werden  laut 
Gteeeiz  in  die  Primarschule  zurückverwiesen.  Seit  1897  bestehen 
behufs  zweckmälsiger  Schulung  der  schwächsten  Elemente  besondere 
Kiasaen  (Hilfisklassen)  mit  besonderem  Lehrgang,  anfangs  eine,  im 
Schuljahre  1899/1900  schon  sieben.  Der  Erfolg  dieser  Einrichtungen 
blieb  nicht  aus,  und  von  den  Klassen  in  Zürich  mit  dem  engeren 
Lehrplan  sagte  der  Yisitationsbericht,  daCs  sie  das  volle  Yertrauen 
von  Bürgern  und  Behörden  verdienen. 

Auf  Grund  der  in  Basel  und  Zürich  mit  der  Einrichtung  von 
Fähigkeitsklassen  gemachten  günstigen  Erfahrungen  hat  nun  Ende 
1899  der  Stadtschulrat  von  Mannheim,  Herr  Professor  Dr.  SiOKiNasB, 
dem  ich  an  dieser  Stelle  für  seine  ausführlichen  Mitteilungen  und 
für  die  Überlassung  seiner  Druckschriften  vielmals  verbindlichst 
danke,  dem  Stadtrat  die  von  ihm  zu  Begiim  des  Jahres  1899  em- 
pfohlenen Organisationsvorschläge  der  Yolkssohnle  in  Mannheim  zur 
Durchführung  dringlichst  wiederholt  empfohlen,  damit  „innerhalb 
des  weit  ausgedehnten  Schulorganismus  mit  seiner  reichen  Klassen- 
gliederung  jedem  Kinde,  dem  schwachen,  wie  dem  starken,  die 
seiner  Eigenart  gemäfse  Entwicklung  und  Förderung  zu 
teil  werde". 

20* 


382 

Aus  den  Leitsätzen,  in  denen  jener  höchst  lehrreiche  Bericht 
gipfelt,  hebe  ich  folgende  hervor: 

snb  5.  Ein  einheitlich  zugeschnittener  Lehrplan  ist  deshalb 
fdr  die  obligatorische  Volksschule,  die  alle  Kinder  unterschiedslos 
aufzunehmen  und  durch  Unterricht  zu  erziehen  hat,  ein  Unding. 

sub  6.  Es  müssen  vielmehr,  damit  in  der  obligatorischen  Volks- 
schule jedem  Kinde,  dem  schwachen,  wie  dem  starken,  die  seiner 
Eigenart  gemaise  Entwicklung  und  Förderung  zu  teil  werde,  mehrere 
quantitativ  und  teilweise  auch  qualitativ  verschiedene  Unterrichts- 
gänge  eingerichtet  werden. 

und  bereits  vorher  war  sub  3  die  Schädigung  der  Kinder  durch 
den  Grundsatz,  alle  Kinder  hätten  ein  Recht  auf  gleiche  Bildung, 
folgendermalsen  begründet  worden: 

„Man  hatte  eben  aulser  acht  gelassen,  dais  die  Arbeitsbefähi- 
gung der  Lidividuen  substantiell  und  graduell  sehr  verschieden  ist, 
und  dafs  das  Individuum  zu  keinem  anderen  Qrade  der  Brauchbar- 
keit geführt  werden  kann,  als  wozu  es  seine  Ejräfte  fähig  machen.'' 

Das  ist  der  rechte  Gesichtspunkt!  Das  ist  der  erspriefsHohe 
Ausgangspunkt,  den  man  vom  Standpunkt  der  Hygiene  herzlich  be- 
grüJTsen  muls.  Und  überzeugt,  wie  ich  um  der  Gesundheit  der 
Jugend  willen,  die  ja  die  Gesundheit  der  Zukunft  ist,  von  der 
Notwendigkeit  eines  hygienischen  Unterrichtsplanes  nun  einmal  bin, 
freue  ich  mich,  berichten  zu  dürfen,  dafis  die  Bemühungen  Siokinoebs 
zu  einem  Ziele  führten,  das  zwar  nicht  ganz  dem  weit-  und  um- 
sichtigen Programmentwurf  dieses  hygienischen  Schulmannes  ent- 
spricht, aber  doch  für  das  erste  hoch  befriedigt. 

Ohne  den  ganzen  Entwicklungsgang  dieser  Schulreform  auf  hygie- 
nischer Grundlage  darzustellen  — ,  ohne  auf  die  Begründung  der  recht- 
lichen Zulässigkeit,  Kinder  in  die  Klassen  mit  engerem  Lehrplan  zu 
yerweisen,  einzugehen  — ,  ohne  endlich  des  guten  Einflusses  solcher 
Einrichtung  auch  auf  Gesittung  und  Gesinnung  der  Schüler  zu  ge- 
denken, gebe  ich  hier  nur  den  Umrüs  des  Aufbaues  der  hygienischen 
Volksschule  zu  Mannheim,  wie  ihn  SiCKiKaEB  mir  brieflich  schildert 
und  wie  ihn  der  Jahresbericht  über  den  Stand  der  Mannheimer  Schulen 
im  Schuljahr  1901/1902  vor  Augen  führt.  Es  waren  in  diesem  Schul- 
jahr die  Klassen  zum  erstenmal  gegliedert  in  Normal-  und  Sonder- 
klassen; die  Sonderklassen  aber  waren  zwei  „flilfsklassen^  mit  31 
Kindern,  vier  „Wiederholungsklassen^  mit  151  Kindern  und  zehn 
^AbschluiGsklassen''  mit  825  Kindern,  verteilt  auf  verschiedene  Schul- 
häuser. 


38S 

Die  Hilfsklassen  entsprechen  ganz  den  Hilfskiaasen  in  an- 
deren Volkssoholen,  sind  also  für  geistig  nnterwertige  Kinder  be- 
stimmt. Die  Abschlafsk lassen  haben  vorzüglich  pädagogisches 
Interesse;  denn  sie  sind  bestimmt  den  Kindern,  welche  ans  irgend 
einem  Grunde  mit  Beendigung  der  Schulpflicht  nicht  das  Schul- 
endziel erlangen,  also  des  Abschlusses  der  von  der  Volksschule  ge- 
botenen Bildung  entbehren  würden,  in  nuce,  in  grolsen  Umrissen 
innerhalb  eines  Jahres  zu  bieten,  was  sonst  den  Lehrplan  mehrerer 
Klassen  umfabt,  um  eben  die  geistige  Ausbildung  abzurunden  und 
zu  einer  gewissen  Vollendung  zu  bringen.  Von  hygienischem  G-e- 
sichtspunkte  ist  bei  dieser  Maüsnahme  nicht  zu  unterschätzen,  dafs 
solcher  Art  der  Lehrer  nicht  leicht  in  den  gewils  wohlgemeinten, 
aber  doch  dem  Nervensystem  schädlichen  Fehler  eines  allzu  raschen 
Tempos  im  Unterricht  gegenüber  allen  Kindern  verfallen  wird;  er 
wird  vielmehr  leichter  trotz  allen  Pflichteifers  sich  entschliefsen,  die 
Schüler,  welche  nicht  seinem  Unterricht  ganz  zu  folgen  vermögen, 
schonend  zu  berücksichtigen;  weiis  er  doch,  daüs  durch  diese  Ab- 
schlnfsklassen  ein  wesentliches  Bildungsdefizit  ausgeglichen  wirdi 

Von  durchaus  hygienischem  Werte  sind  aber  die  sogenannten 
Wiederholungsklassen.  Diese  Bezeichnung  wurde,  obgleich  sie 
nicht  ganz  dem  Umfange  der  Einrichtung  entspricht,  gewählt,  „weil  sie 
tatsächlich  von  den  mitsprechenden  Faktoren  am  wenigsten  bean- 
standet wurde*^.  Wie  man  sich  diese  Klassen  zu  denken  hat,  schil- 
dere ich  am  besten  mit  Sickinoebs  eigenen  Worten: 

„Alle  diejenigen  Kinder,  welche  im  ersten  Jahre  des  obligato- 
rischen Schulbesuchs  aus  irgend  welchen  Gründen  (aus  inneren  oder 
äuiseren,  z.  B.  wegen  Krankheit  und  häufigen  Fehlens)  das  Ziel  der 
I.  (untersten)  Klasse  nicht  erreichen  konnten,  werden  im  zweiten 
Jahre  ihres  Schulbesuches  nicht  —  wie  es  bisher  hier  war  und 
anderwärts  jetzt  noch  der  Fall  ist  — ,  als  Repetenten  unter  die 
neuen  Anftngerklassen  verteilt,  sondern  werden  in  besonderen,  sog. 
Wiederholungsklassen  mit  höchstens  35  Köpfen  zusammengefalst, 
besonders  geeigneten  Lehrern  zugewiesen,  die  die  auTserordentlich 
bedeutsame  Möglichkeit  haben,  täglich  den  schwächsten  Teil  ihrer 
Zöglinge  und  ebenso  den  fUiigeren  Teil  in  getrennten  Unterrichts- 
stunden zu  unterrichten  und  so  den  Massenunterricht  möglichst  in- 
dividuell zu  gestalten  (successiver  Abteilungsunterricht). 
ümCafst  z.  B.  die  Wiederholungsklasse  85  Schüler,  so  bezeichnet 
der  Klassenlehrer  vielleicht  seine  10  schwächsten  als  a- Abteilung, 
die  25  besseren  als  b-Abteilung  und  hat  demgemäls  drei  Arten  von 


384 

Stunden:  1.  solche,  in  denen  er  nur  die  a- Abteilung  hat,  2.  solche, 
in  denen  er  nur  die  b-Abteilung  hat,  3.  solche,  in  denen  er  alle 
Schüler  (aundb)  hat.^  Vermöge  dieses  individualisierenden  Massen- 
unterrichts ist  es  nun  möglich,  die  Bepetenten,  die  bisherigen  Stief- 
kinder der  Volksschule,  in  ganz  besonders  pfleglicher  Weise  zu  be- 
handeln, indem  eben  der  Lehrer  nach  der  Seite  des  Stoffausmafses 
und  der  Stoffdarbietung  und  namentlich  hinsichtlich  des  Tempos  des 
Vorwärtsgehens  in  weitestgehender  Weise  den  individuellen  Bedürf- 
nissen entsprechen  kann.  Das  Lehrziel  der  Wiederholungsklasse  I 
ist  im  grolsen  und  ganzen  das  gleiche,  wie  in  den  Normalklassen  I, 
nur  dafs  sich  der  Lehrer  auf  das  wesentlichste  beschränkt.*' 

Zum  Schlüsse  des  Schuljahres  werden  nun  die  Kinder,  welche 
durchaus  befriedigende  Erfolge  erzielt,  wieder  in  Normalklassen  II 
überführt;  diejenigen,  welche  zwar  das  Ziel  erreicht  haben,  die  je- 
doch auf  der  nächsten  Stufe  voraussichtlich  nur  mitkommen,  wenn 
sie  wieder  unter  besonders  günstigen  Bedingungen  untemchtet 
werden,  kommen  in  Wiederholungsklasse  II,  die  sie  mit  wirklichen 
Repetenten  der  II.  Normalklasse  bilden,  in  der  Regel  unter  Leitung 
desselben  Lehrers,  der  mit  ihnen  aus  Wiederholungsklasse  I  aufrückt. 
Haben  Kinder  infolge  häufigen  Fehlens  das  Ziel  der  Wiederholungs- 
klasse I  nicht  erreicht,  verbleiben  sie  in  dieser  ein  weiteres  Jahr; 
ist  der  Grund  solchen  Miiserfolges  mangelnde  Begabung,  so  werden 
diese  Kinder  „nach  einer  seitens  des  Arztes  und  des  Schulleiters 
vorgenommenen  Prüfung  einer  Hilfsklasse  für  geistig  zurückgebliebene 
Kinder  zugewiesen.     Erweisen    sie   sich   auch  hier -unbildungsfUiig, 


^  Z.  B. :  Montag   8—9    a  | 


Bechnen 
Deutsch 
9—10  anndb    Beligion 

10-11  a«ndb{  £»5,-- 

11—12  — 

2 — 8    a  und  b    Dentsch 
o    j    v  (  Rechnen 

*-*    ^  ^  Deataoh 

oder  Dien.t.g    8-9    a         ^  ^^^ 

9-10  aundW  ^^- 

"-faundb/g-r 
o  A  u  f  Rechnen 
^""*    ^  \  DeutMh    u.  8.  f. 


385 

60  werden  sie  aus  der  öfPentlioken  Schule  überhaupt  beseitigt  und 
einer  Idiotenanstalt  überwiesen^.  Die  aus  Wiederholungsklasse  I  in 
Normalklasse  II  yersetzten  Kinder  bevölkern  später  diejenige  Ab- 
schlulsklasse,  welche  die  fehlende  YIII.  Normalklasse  ersetzt,  um 
eben  das  verlorene  Jahr  wieder  einzubringen.  Natürlich  kann  auch 
aus  der  Normalklasse  wieder  eine  Bückverweisung  in  die  Wieder- 
holungsklasse  erfolgen;  bei  Kindern  aber,  welche  infolge  Krankheit 
von  längerer  Dauer  oder  Zuwanderung  aus  anderen  Orten  mit  ge- 
ringeren Schulansprüohen  in  die  Wiederholungsklasse  kamen,  kann 
während  des  Schuljahres  eine  Einreihung  in  die  Normalklasse  gün- 
stigsten  Falles  eintreten,  so  daCs  ihnen  kein  Schuljahr  verloren  geht. 

Die  Wiederholungsklassen  bilden  vier  Lehrkurse;  vom  fünften 
Schuljahre  ab  beginnen  die  Abschlufsklassen,  so  dafs  in  die  erste 
AbschluTsklasse  diejenigen  gelangen,  welche  ein  Jahr  vor  Ablauf 
der  Schulpflicht  erst  vier  Klassen  normaliter  durchlaufen  haben. 
Auch  in  die  Abschlulsklassen  kommen  höchstens  35  Insassen,  welche 
ebenjGEdls  —  wenn  auch  in  beschränkterem  Malse  als  in  den  Wieder- 
holungsklassen, —  suocessiven  Abteilungsunterricht  erhalten. 

Dieses  System,  vielleicht  für  den  ersten  Blick  etwas  kompliziert 
und  doch  bei  näherem  Zuschauen  sehr  durchsichtig,  vor  Ärzten  zu 
rühmen  und  zu  preisen,  das  ist  wahrhaftig  überflüssig  I  Es  ruht  auf 
so  gesimden  Q-rundlagen  und  ist  von  so  greisem  Verständnis  für  das 
Individuelle  des  Menschen,  dessen  Berücksichtigung  ja  der  Itfafsstab 
alles  ärztlichen  Handelns  ist,  durchdrungen,  dals  es  Beachtung, 
Aufmerksamkeit,  Nachahmung  und  Verbesserung  erfSfthren  muls  und 
wird.  Gerade  darum  halte  ich  mich  berechtigt,  in  einem  Kreise 
praktischer  Ärzte  von  diesem  System  zu  berichten;  das  ganze  System 
ist  praktische  Hygiene. 

Was  aber  könnte  diesem  System,  was  im  allgemeinen  der 
hygienischen  Gestaltung  des  Unterrichtsplanes  entgegen  stehen? 
Wenn  das  Ziel  die  Gesundheit  ist,  dann  müssen  alle  Vorurteile  und 
Bücksichten  fallen  1  Vorurteilslos  und  rücksichtslos  müssen  wir 
Ärzte  fordern,  dafs  die  Sonderung  der  Volksschulklassen  in  konfes- 
sionelle und  simultane,  in  solche  mit  und  solche  ohne  Schulgeld  u. 
dergl.  m.  yerschwindet,  weil  sie  die  Scheidung  in  solche  mit  engerem 
und  weiterem  Lehrplan  von  der  höheren  Warte  der  Gesundheits- 
pflege aus  vereitelt.  Den  Widerstand  der  Eltern,  die  in  falscher 
Liebe  wegen  Bezeichnung  ihrer  Lieblinge  als  minderbegabte  solchen 
Beformen  feindlich  sein  möchten,  fürchten  wir  nicht.  Ihnen  rufen 
wir  die  Mahnung  Jean  Pauls  zu  :  „  Wer  der  Weisheit  die  G^undheit 


386 

opfert,  hat  meisteius  auch  die  Weisheit  mitgeopfert^,  und  er- 
innern sie  an  den  grolBen  nordischen  Dichter,  der  als  Ziel  der  Zu- 
kunft nennt,  die  Menschen  gesund  und  froh  zu  machen.  Nach  den 
Erfahrungen  in  Mannheim  giht  es  tihrigens  diesen  Widerstand  nicht; 
wie  der  Jahreshericht  der  dortigen  Schulen  für  1901/1902  hetont, 
ist  in  keinem  einzigen  Falle  Einspruch  gegen  die  Einschulung  in 
Wiederholungs-  und  Abschlulsklassen  erhohen  worden  —  vielmehr 
wiederholt  Befriedigung  darüber  ausgesprochen  worden,  weil  jetzt 
die  Kinder  lieber  zur  Schule  gingen,  ungerechte  Beurteilungen  der 
Kinder  lassen  sich  obendrein  ausschliefsen,  weil  man  in  Fällen,  wo 
die  Angaben  des  Lehrers  über  mangelnde  Be&higung  auf  Zweifel 
stoüsen,  objektiv  nach  den  Methoden  von  EBBiNanAüS  oder  Kbaepelin 
oder  G-BEBBBAGH  die  abnorm  rasche  geistige  Ermüdung,  die  intellek- 
tuelle Insufficienz,  nachprüfen  kann.  Dais  endlich  die  Idee  eines 
gesundheitsgemäUsen  Unterrichtsplanes  auch  „wider  Erwarten  schnell 
in  den  Kreisen  der  Lehrerschaft  und  bei  den  Stadtverwaltungen 
Eingang  gefunden  hat^,  das  konnte  SiCEiNesB  mit  Befriedigung 
feststellen. 

Soll  ich  nun  meine  Anschauungen  noch  einmal  kurz  zusammen- 
fassen, so  mufs  ich  sagen: 

1.  Die  Hygiene  des  unterrichtsplanes  erfordert  Berücksichti- 
gung der  individuellen  körperüchen  und  geistigen  Fähig, 
keiten  der  Schulrekruten. 

2.  Der  Normallehrplan  palst  nur  für  einen  Teil  der  Schul- 
kinder. 

3.  Darum  ist  die  Gliederung  der  Parallelklassen  in  der  Volks- 
schule lediglich  nach  hygienischen  Gesichtspunkten  unbe- 
dingtes Erfordernis  der  öffentlichen  Gesundheitspflege,  so 
dals  neben  den  Klassen  mit  dem  Normallehrplan  solche  mit 
engerem  Lehi^iel  geführt  werden. 

4.  Wenn  sich  dieser  Gliederung  der  Klassen  zunächst  Schwierig- 
keiten entgegenstellen,  ist  wenigstens  das  Mannheimer  System 
der  Wiederholungs-  und  Abschlulsklassen  einzuführen  und 
auszubauen. 

6.  Die  Einrichtung  der  Hilfsklassen,  der  Stottererkurse  und 
ähnlicher  hygienischer  Einrichtungen  darf  in  keiner  Volks- 
schule fehlen. 


387 


Jim  ^ttfamminn^tn  ttn)  )Üereiiteit. 


Der  vierte  Verbandstag  der  Hilfsschulen  Deutschlands  in  Mains. 

Von 

K.  BASESOW-Hannover 

und 

Stadtsohulrat  Dr.  Wehbhahk, 
erster  Vorsitzender  des  Verbandes  der  Hilfsschulen  Deutschlands. 

Am  14.  und  15.  April  d.  Ja.  fand  in  Mainz  der  vierte  Ver- 
bandstag der  Hilfsschulen  Deutschlands  statt,  der  sich  einer  auüser- 
ordentlich  regen  Beteiligung  aus  allen  Teilen  Deutschlands  und  auch 
ans  dem  Auslande  zu  erfreuen  hatte.  Neben  den  Vertretern  der 
Hilfsschule  selbst  waren  Schulaufsichtsbeamte,  Vertreter  von  in-  und 
anslftndischen  Ministerien,  Regierungen  und  Magistraten,  Leiter  und 
Lehrer  aller  Schnlgattungen,  Professoren,  Juristen,  Geistliche,  Ärzte 
und  Privatpersonen  in  beträchtlicher  Zahl  anwesend.  Die  Verhand- 
lungen wurden  von  dem  Vorsitzenden  des  HUfschulrerbandes,  Stadt- 
schuLrat  Dr.  Wehbfa  HN-Hannover,  geleitet. 

Am  ersten  Tage  fand  eine  Vorstandssitzung,  eine  Sitzung  des 
Ortsausschusses  und  Vorstandes  und  abends  von  7  bis  12  Uhr  die 
erste  Versammlung  statt.  Li  seiner  BegrüJSsungsansprache  wies  der 
Vorsitzende  auf  das  rege  Streben  und  die  bedeutsamen  Fortschritte 
auf  dem  Gebiete  des  Hilfsschulwesens  hin.  Die  Lehrkräfl;e  der 
Hilfsschulen  haben  sich  in  einigen  Provinzen  und  kleinen  Staaten 
zu  SpezialVereinen  zusammengeschlossen.  Der  Verband  begrüist  der- 
artige Vereinigungen  mit  Freuden  in  der  HofFnung,  dafs  sie  sich 
ihm  anschlielsen  werden,  um  mit  ihm  den  gemeinsamen  Zielen  zu- 
zustreben.  Auch  im  Auslande  —  in  England  und  Österreich  — 
planen  die  Vertreter  der  Hilfsschulen  einen  Zusammenschlufs  nach 
dem  Muster  unseres  Verbandes. 

Den  ersten  Vortrag  hielt  Hauptlehrer  GiESE-Magdeburg  über 
„Das  Reehnen  auf  der  Unterstufe  der  Hilfsschule'^  Der  Referent 
setzt  folgende  Bechenziele  für  die  sechs  Schuljahre  in  der  Hil&* 
schule  fest:  Erstes  Jahr:  Addition  und  Subtraktion  von  1 — 10; 
zweites  Jahr:  dasselbe  bis  20;  drittes  Jahr:  dasselbe  bis  100;  viertes 


388 

Jahr:  Multiplikation  und  Division  bis  100,  und  fünftes  und  sechstes 
Jahr:  die  vier  Spezies  bis  1000,  dezimale  Schreibung  M-/^^  hl-1, 
m-om  und  die  einfachsten  Fälle  der  Bruchrechnung.  Bei  der  Dar- 
legung der  Übungen  für  das  erste  Schuljahr  betont  er  die  Wichtigkeit 
der  FesÜegung  der  Begriffe  „eins^  und  ^viel^  und  fordert,  dais  auf 
dieser  Stufe  jede  einzelne  Zahl  gründlich  für  sich  bearbeitet  werde. 
Die  schriftlichen  Übungen  und  vor  allem  die  Art  und  Weise,  die 
Mittel  und  die  Bedeutung  der  Anschauung  im  Bechenunterrichte  der 
Hilfsschulen  werden  ausführlich  besprochen.  Die  Zahlenvorstellungen 
müssen  an  konkreten,  vom  Einde  unmittelbar  anzuschauenden  Dingen, 
mit  denen  es  möglichst  viel  selbständig  zu  operieren  hat,  gewonnen 
werden.  Die  Anschauung  mufs  sich  oft  an  verschiedenen  An- 
schauungsmitteln wiederholen,  und  durch  planmälsige  Wiederholung 
ist  auf  möglichst  weitgehende  Rechenfertigkeit  hinzuarbeiten.  —  In 
der  sehr  ausgedehnten,  lebhaften  Debatte  wurden  die  vom  Vor- 
tragenden vorgelegten  Leitsätze  in  folgender  Fassung  angenommen: 
1.  In  der  Hilfsschule  kommen  auf  der  ersten  Stufe  Addition  und 
Subtraktion  im  Zahlenraume  1 — 10  und  auf  der  zweiten  dieselben 
Grrundrechnungsarten  bis  20  zur  Behandlung.  2.  Durch  mannig- 
faltige und  häufige  Anschauung  und  Darstellung  wird  Beohen- 
verständnis  angebahnt.  3.  Durch  vielseitige  Übung  und  unermüd- 
liche Wiederholung  ist  Rechenfertigkeit  zu  erzielen.  4.  Für  die 
Hilfsschule  ist  ein  den  Verhältnissen  derselben  angepafstes  Rechen- 
buch wünschenswert. 

Rektor   Gbote  -  Hannover   referierte   hierauf  über   die  Frage: 

yyKOnnen  Kinder  zwangsweise  der  Hilfssehnle  zugefOhrt  werden  ?^^ 

In  dem  Vortrage  war  das  Material  verarbeitet,  welches  infolge  einer 
bezüglichen  Anfrage  an  die  Stadtschulverwaltungen  sämtlicher 
deutscher  Städte  mit  Hilfsschulen  beim  Vorstande  eingegangen  war. 
Im  Anfange  der  EQlfsschulbewegung  machte  man  die  Überführung 
der  Kinder  von  der  Einwilligung  der  Eltern  abhängig,  weil  man 
sich  des  Erfolges  noch  nicht  sicher  war,  und  die  vorhandenen  Ein- 
richtungen noch  nicht  für  alle  Schwachbegabten  Kinder  ausreichten. 
Jetzt  aber,  wo  die  Frage  der  Organisation  der  Hilfsschule  im  wesent- 
lichen geklärt  ist,  wo  die  Hilfsschulen  den  Beweis  ihrer  Existenz- 
berechtigung erbracht  und  wo  viele  Kommunen  mit  grofsen  Opfern 
völlig  ausreichende  Einrichtungen  geschaffen  haben,  liegt  die  Forderung 
nahe,  dafs  nun  auch  wirklich  alle  in  Frage  kommenden  Kinder  der 
Hilfsschule  überwiesen  werden.  Diese  Überweisung  liege  im  Interesse 
des  Staates,  der  Gemeinde,  des  Schwachbegabten  Kindes  und  seiner 


389 

Eltern.  Gegen  den  Einwand,  die  Überweisung  drücke  dem  Kinde 
den  Stempel  der  Minderwertigkeit  anf,  ist  zn  bemerken,  dais  das 
betreffende  Kind  die  Zeichen  der  Minderwertigkeit  schon  in  die 
Hilfisschule  mitbringt,  und  dais  diese  im  Gegenteil  bestrebt  ist,  die- 
selben zu  beseitigen.  In  manchen  Orten  holt  man  von  yomherein 
die  Einwilligung  der  Eltern  überhaupt  nicht  ein,  und  hier  ist  man 
fast  nie  einem  Widerstände  begegnet;  wo  aber  die  Eltern  gefragt 
werden,  sind  auch  Fälle  von  hartnäckiger  Weigerung  derselben  vor- 
gekommen. Nur  für  solche  würde  eine  zwangsweise  Überführung  in 
Frage  kommen;  denn  billige  Rücksicht  auf  die  Eltern  erfordert  es, 
wenn  möglich  eine  gütliche  Vereinbarung  mit  den  Eltern  zu  treffen. 
Referent  ist  überzeugt,  daJs  auch  in  Preuüsen  eine  zwangsweise 
Überführung  schon  jetzt  auf  Grund  der  für  das  Yolkssohulwesen 
bestehenden  Bestimmungen  möglich  ist.  Verschiedene  Regierungen 
und  das  Ministerium  scheinen  diese  Auffassung  zu  teilen,  wie  das 
aus  mehreren  Verfügungen  und  Entscheidungen  deutlich  hervorgeht. 
Immerhin  aber  erscheint  es  dringend  wünschenswert,  dais  von  den 
Ministerien  generelle  Bestimmungen  in  dieser  Angelegenheit  getroffen 
werden,  um  langwierigen  Verhandlungen  in  jedem  Einzelfalle  vor- 
zubeugen. —  Die  Versammlung  zeigte  in  der  Debatte  völliges  Ein- 
verständnis mit  dem  Referenten  und  beauftragte  auf  seinen  Vorschlag 
den  Vorstand  damit,  an  mafsgebender  Stelle  in  dieser  Angelegenheit 
vorstellig  zu  werden.  Dem  Vortrage  lagen  folgende  Thesen  zu 
G-runde: 

1.  Es  liegt  im  Interesse  der  Gemeinde,  der  Schule,  des  schwach- 
befähigten  Kindes  und  seiner  Eltern,  dafs  da,  wo  Hilfsschulen  be- 
stehen, jedes  schwachbefähigte  schulpflichtige  Kind  die  Hilfsschule 
besucht. 

2.  Es  mufs  durch  gesetzliche  Bestimmungen  oder  behördliche 
Verftigungen  die  Möglichkeit  gegeben  werden,  Kinder,  welche  als 
schwaohbefähigt  erkannt  sind,  auch  gegen  den  Willen  der  Eltern 
der  Hilfsschule  zu  überweisen. 

3.  Die  zwangsweise  Überweisung  hat  nur  da  einzutreten,  wo 
Eltern  hartnäckig  ihre  Einwilligung  zur  Überführung  ihres  Kindes 
in  die  Hilfsschule  verweigern  und  nicht  den  Nachweis  erbringen, 
dafs  sie  anderweitig  für  genügenden  Unterricht  desselben  sorgen. 

4.  Die  zwangsweise  Überweisung  ist  abhängig  zu  machen  von 
einer  pädagogischen  und  ärztlichen  Feststellung  der  Schwachbe&higung 
des  zu  überweisenden  Kindes. 

5.  Der  Erlais  gesetzlicher  Bestimmungen  oder  behördlicher  Ver- 


390 

fügungOB,  welche  die  zwangsweise  Überweisung  von  Kindeirn  in  die 
Hilfsschule  ennöglichen,  ist  überall  da  anzustreben,  wo  zurzeit 
solche  Bestimmungen  oder  Verfügungen  noch  nicht  bestehen. 

Die  Versammlung  beauftragte  des  weiteren  den  Vorstand,  bei 
den  Behörden  auf  Einrichtung  von  Kursen  zur  Ausbildung  und 
Fortbildung  von  HilfsschuUehrem  hinzuwirken.  Der  §  1  der  Ver- 
bandsstatuten erfuhr  eine  Erweiterung  dahingehend,  dais  auch  die 
soziale  Fürsorge  für  die  Hilfeschulzöglinge  ausdrücklich  mit  als 
Aufgabe  des  Verbandes  bezeichnet  wird. 

Am  15.  April  fand  die  von  etwa  300  Personen  besuchte 
Hauptversammlung  statt.  In  seiner  einleitenden  Ansprache 
dankte  der  Vorsitzende  den  Teilnehmern,  insbesondere  den  Vertretern 
der  Behörden  für  ihr  Erscheinen,  stattete  den  städtischen  Behörden 
von  Mainz  und  dem  Ortsausschusse  den  Dank  und  die  Anerkennung 
des  Vorstandes  ab  für  die  pekuniäre  Unterstützung  und  die  zum 
Zweck  der  Vorbereitung  des  Verbandstages  geleistete  reiche  Arbeit 
und  gab  in  groben  Zügen  ein  Bild  von  der  Entwicklung  des 
Hilfsschulwesens.  1893  bestanden  in  32  deutschen  Städten 
110  Klassen  mit  2290  Kindern,  1898  (Jahr  der  Gründung  des 
Verbandes)  in  52  Städten  202  Klassen  mit  4281  Kindern,  1901  in 
87  Städten  390  Klassen  mit  7871  Kindern ;  jetzt  bestehen  in  147 
deutschen  Städten  174  Schulen  mit  ca.  16000  Kindern.  Hierbei 
sind  die  90  Nebenklassen  in  Berlin  nur  als  eine  Schule  gerechnet. 
—  Die  Versammlung  wurde  hierauf  begrüist  von  Oberschulrat 
Dr.  SoHEUEBMANN-Darmstadt  im  Auftrage  der  hessischen  Regierung, 
vom  1.  Beigeordneten  Dr.  Schmidt  im  Namen  der  Stadt  Mainz, 
von  Kreisschulinspektor  Dr.  Zang  im  Namen  des  Ortsausschusses 
und  von  Hilfsschulleiter  Dbews  -  Hambui^  im  Namen  der  Stadt 
Hamburg. 

Hil£9schulleiter  DELirscH-Plauen  sprach  sodann  über  das  Thema: 
,,Da8  Schwachbegabte  Kind  im  Hanse  und  in  der  Sehnle^^  Geringe 
geistige  Defekte  werden  oft  erst  während  der  Schulzeit  erkannt.  Da- 
durch bleibt  den  Schwachbegabten  im  ersten  Lebensalter  manche 
Zurücksetzung  erspart,  aber  es  fehlt  ihnen  auch  die  rechtzeitige  zweck- 
entsprechende Pflege  und  Erziehung.  Die  körperliche  Entwicklung 
in  der  frühesten  Kindheit  ist  von  der  grö&ten  Bedeutung  ftar  die 
geistige  Entwicklung;  denn  das  Grehim  erreicht  bereits  mit  dem  ESnde 
des  dritten  Lebensjahres  sein  volles  G-ewicht.  Die  verschiedenen 
Grade    und   Formen    des    Schwachsinns   werden   verursacht   durch 


S91 

Störangen  in  der  Groishirnrinde.  Um  SohwaohBinn  zu  yerhfiten, 
sollte  man  mit  allen  Mitteln  der  leiblichen  Vernaohläsaigong  der 
Kinder  im  ersten  Lebensalter  entgegenarbeiten.  In  der  zweiten 
Kindheitsperiode,  im  vierten  bis  sechsten  Jahre,  äulsert  die  schwache 
Begabung  sich  deutlicher  in  auffallender  Verspätung  und  UnvoU- 
kommenheit  motorischer  Äuberungen  des  allmählich  erwachenden 
Bewnüstseins.  Zurücksetzung  des  unbeholfenen,  unschönen,  schwach- 
begabten  Kindes  beim  Spiel,  Klagen  und  Tränen  der  besorgten 
Mutter  verschüchtern  und  bedrücken  es.  Mit  dem  Eintritt  in  die 
Schule  wird  die  Schwäche  der  minderbegabten  Elleinen  der  Öffent- 
lichkeit und  dem  Spotte  der  Schuljugend  preisgegeben.  Zu  hohe 
Anforderungen  der  Schule  zeitigen  Müserfolge,  die  vielfach  von  ehr- 
geizigen Eltern  und  unerfahrenen  Lehrern  auf  das  Konto  angenommener 
Oharakterfehler  gesetzt  werden.  In  krassem  Gegensatz  zu  den  An- 
sprüchen solcher  Kinder  auf  Schonung  stehen  dann  allerlei  Mafs- 
regeln,  wie  Strafarbeiten,  Nachsitzen,  Nachhilfeunterricht  etc.,  durch 
die  man  anormale  Kinder  zu  normalen  Leistungen  zu  bringen  sucht. 
Nach  fruchtlosem  Bemühen  von  Schule  und  Haus  bleiben  oft  die 
Schwachbegabten  sich  völlig  selbst  überlassen,  obgleich  gerade  sie 
der  Leitung  in  ganz  besonderem  Mafse  bedürfen.  Für  sie  ist  daher 
die  Hilfirachule  unbedingt  notwendig.  Zur  Au&ahme  in  dieselbe 
bedarf  es  einer  genauen  Feststellung  der  schwachen  Begabung. 
Sorg&ltige  ärztliche  Untersuchung  fähre  zum  Anssohlufs  von  Kindern 
mit  schweren  Sinnesdefekten  und  Kranken,  die  ihre  Mitschüler  ge- 
fieihrden,  führe  aber  auch  zu  ärztlicher  Hilfe  und  pädagogischer 
Schonung  leidender  Schüler.  Beferent  besprach  dann  noch  die 
speziellen  Einrichtungen  der  Hilfsschule  und  die  besonderen  Auf- 
gaben des  HilfsschuUehrers.  Für  diesen  fordert  er  Gelegenheit  zur 
Ausbildung  und  Fortbildung,  Freiheit  der  Bewegung  im  Amte  und 
behördliche  Unterstützung  seiner  Erziehungsmafsregeln  und  humanen 
Bestrebungen. 

Im  weiteren  hielt  Oberamtsrichter  NoLTE-Braunschweig  einen 
Vortrag  über  ^^Die  Berteksiehtignng  der  SchwAchsinnigen  im  bürger- 
lichen und  Sffentliehen  Reeht  des  deutsehen  fieiehes'^  Das  vor- 
liegende Material  war  so  umfangreich,  dajjs  der  Vortragende  genötigt 
war,  sich  in  seinen  Ausführungen  auf  das  bürgerliche  Becht  zu  be- 
schränken. —  Das  Gesetz  bestimmt:  Personen,  welche  sich  in  einem 
die  freie  Willensbestimmung  ausschlielsenden  Zustande  krankhafter 
Störung  der  Geistestätigkeit  befinden,  und  solche,  die  wegen  Geistes- 
krankheit entmündigt  wurden^  sind  geschäftsunfähig,  dagegen  sollen 


392 

wegen  Geistesschwäche  entmündigte  Personen  beschränkt  geschäfts- 
fähig sein.  Der  Unterschied  zwischen  G-eisteskrankheit  und  Geistes- 
schwäche im  Sinne  des  Gesetzes  kann  nach  Ansicht  des  Referenten 
nur  in  dem  Grade  der  geistigen  Störung  beruhen  und  zwar  dahin- 
gehend, dats  der  Geistesschwache  noch  in  gewissem  Umfange  ein 
Erwerbsgeschäft  betreiben  oder  eine  Dienststellung  yersehen  kann. 
Entmündigt  werden  solche  Personen,  die  infolge  von  Geisteskrankheit 
oder  Geistesschwäche  ihre  Angelegenheiten  nicht  selbst  besorgen 
können.  Sie  erhalten  bei  der  vom  Amtsgericht  auszusprechenden 
Entmündigung  einen  gesetzlichen  Vertreter  (Eltern  oder  Vormund), 
dem  die  allseitige  Sorge  für  ihre  Person  und  ihr  Vermögen  nach 
der  tatsächlichen  und  rechtlichen  Seite  obliegt.  Derselbe  wird  in 
seiner  Tätigkeit  vom  Vormundschaftsgerichte  unter  Mitwirkung  der 
Gemeindeweisenräte  überwacht  und  bedarf  für  viele  seiner  Mafs- 
nahmen  der  vorherigen  Einwilligung  des  Vormundschaftsgerichts. 
Als  weiteren  Fall  der  Fürsorge  sieht  das  Gesetz  die  Einsetzung 
eines  Pflegers  für  volljährige  Personen  vor,  die  wegen  geistiger  oder 
körperlicher  Gebrechen  nur  einzelne  ihrer  Angelegenheiten  nicht  zu 
besorgen  vermögen,  jedoch  ist  hierzu  die  Einwilligung  der  betreffenden 
Person  erforderlich.  Der  Vortragende  legte  femer  die  hier  in  Frage 
kommenden  auf  Eheschlieüsung  und  ^Scheidung  bezüglichen  Bestim* 
mungen  dar  und  hob  hervor,  dafs  eine  von  einer  geschäftsunfilhigen 
Person  geschlossene  Ehe  nichtig  sei.  Zum  Schluls  betonte  er,  dafs 
auf  rechtlichem  Gebiete  gewüs  schon  recht  viel  zum  Schutz  der 
Geistesschwachen  geschehen  sei,  vieles  aber  noch  zu  tun  übrig  bleibe, 
vor  allem  aber  ist  eine  möglichst  weite  Verbreitung  der  Kenntnis 
der  einschlägigen  gesetzlichen  Bestimmungen  anzustreben,  damit  die 
durch  sie  bezweckten  MaGsnahmen  auch  wirklich  überall  zur  Durch- 
führung kämen.  —  Der  Vorsitzende  hob  die  Wichtigkeit  des  dar- 
gebotenen Materials  für  die  Zwecke  sozialer  Fürsorge  für  die  Hüh- 
Schulzöglinge  im  späteren  Leben  hervor  und  gab  der  Hoffnung 
Ausdruck,  dafs  der  Vortragende  auf  einem  der  nächsten  Verbandstage 
auch  die  übrigen  Gebiete  des  Rechts  behandeln  möge. 

Nach  einem  kurzen  Einleitungsreferate  des  Hauptlehrers  Kiel- 
HOBN-Braunschweig  entspann  sich  eine  lebhafte  Debatte  über  zwei 
Abschnitte  der  von  dem  Referenten  dem  zweiten  Verbandstage  vor- 
gelegten Leitsitze  über  die  Organisatioii  der  Hilfsschnle.  Ah 
allgemeine  Gesichtspunkte  für  den  Unterricht  wurden  die  Thesen  in 
folgender  Fassung  angenommen: 

1.   Der  Unterricht   trage  erziehlichen  Charakter,   er  suche  die 


393 

Kinder  für  das  Leben  tüchtig  zu  machen  und  Erwerbsfthigkeit  an- 
zubahnen. 

2.  Nicht  auf  die  StofiEmenge  kommt  es  an,  sondern  auf  zweck- 
entsprechende, sorgfältige  Verarbeitung  und  Aneignung  des  Stoffes. 
Überbürdung  ist  zu  vermeiden. 

3.  Die  Darbietung  des  Stoffes  sei  einfach,  knapp,  anschaulich 
und  möglichst  lückenlos  aufbauend. 

4.  Lehr-  und  Lernmittel  müssen  ausreichend  vorhanden  sein, 
denn  der  Unterricht  muTs  von  der  Anschauung  ausgehen  und  durch 
die  Anschauung  unterstützt  werden. 

5.  Häusliche  Arbeiten  sind  auf  das  Mindestmals  zu  beschränken. 

6.  Schulspaziergänge  sind  oft  zu  unternehmen.  Sie  dienen 
unterrichtlichen  Zwecken  und  können  in  die  Unterrichtszeit  fallen. 

Bezüglich  des  Stundenplanes  einigte  man  sich  über  folgende  Sätze : 

1.  Die  Unterrichtsstunden  für  Lehrer  betragen  im  Durchschnitt 
wöchentlich  etwa  24;  daneben  ist  letzteren  die  Verpflichtung  auf- 
zuerlegen, Wohlfahrtsbesirebungen  für  die  flil&sohulzöglinge  zu 
fördern. 

2.  Die  Unterrichtsstunden  für  die  Kinder  betragen  in  der  Regel 
20  bis  26,  einschliefslioh  Handarbeit. 

3.  Die  Verteilung  auf  die  einzelnen  Tage  ist  derart  vorzunehmen, 
dab  ein  Wechsel  zwischen  mehr  oder  minder  ermüdenden  Fächern 
stattfindet. 

4.  Jede  Unterrichtsstunde  werde  durch  eine  Pause  von  10  bis 
15  Minuten  gekürzt. 

6.  Soweit  als  möglich  findet  der  Unterricht  des  Vormittags  statt. 

6.  In  der  mehrklassigen  Schule  ist  darauf  Bedacht  zu  nehmen, 
dals  einzelne  Kinder  in  einzelnen  Fächern  ausgewechselt  werden 
können.  • 

Auf  Wunsch  der  Mehrzahl  der  Teilnehmer  hielt  dann  noch 
Hauptlehrer  MAVEB-Mannheim  einen  erst  nach  der  Veröffentlichung 
der  Tagesordnung  angemeldeten  Vortrag  über  das  Thema:  ,, Welche 
Besonderheiten  erf^eben  sich  für  den  Saehnnterrieht  in  der  Hilfs- 
sehlde?^^  Der  Vortragende  geht  von  der  Tatsache  aus,  dals  bei 
allen  Schwachsinnigen  ein  auffallender  Mangel  an  Aufmerksamkeit 
zu  Tage  tritt.  Nach  der  neueren  Psychologie  ist  die  Aufmerksam- 
keit wesentlich  motorischer  Art,  ihre  Grxmdlagen.  liegen  vorwiegend 
im  körperlichen  Organismus.  Sie  beruht  auf  Muskelempfindungen, 
die  durch  das  LibereitschafiBetzen  und  Einstellen  der  Organe  auf 
den    peripheren,    die  Aufmerksamkeit  erregenden  !Eleiz  zur  inneren 


894 

Wakrneliinting  gelangen.  Richtig  aufmerken  kann  daher  nnr  der, 
dessen  muskulöse  und  nervöse  Organe  sich  in  normaler  BeeohafEenheit 
befinden.  Schwachsinnige  Kinder  aber  stehen  in  der  Regel  an 
Gewicht,  Gröfse  und  Kraft  hinter  normalen  zurück;  daher  ihre  Dn* 
fähigkeit  aufmerksam  zu  sein.  Ohne  jede  Voraussetzung  beginnend, 
muls  man  systematisch  bei  ihnen  naohholeui  was  normale  Kinder 
schon  vor  der  Schulzeit  durch  Spiel  und  Nachahmung  sich  aneignen. 
Der  Vortragende  führte  darauf  aus,  auf  welche  Weise  und  durch 
welche  Mittel  bei  schwachsinnigen  Kindern  die  elementaren  Funktionen 
der  yerschiedenen  Sinnesorgane  ausgebildet  werden  können.  Zu  der 
Sinnesauffassung  muTs  die  Darstellung  treten;  es  müssen  von  vorn- 
herein nicht  blofs  bei  allen  Übungen  Dinge  und  Tätigkeiten  zum 
Zweck  der  Ausbildung  der  Sprache  benannt  werden,  sondern  es  hat 
sich  auch  behufs  Ausbildung  der  übrigen  Organe  des  Ausdrucks, 
vor  allem  der  Hand,  an  die  Sinnesübungen  ein  systematischer  Hand- 
arbeitsunterricht anzusohlielsen.  Referent  glaubt  den  Umstand,  dafs 
eich  unter  den  Mädchen  weit  weniger  Fälle  von  Schwachsinn  zeigep, 
darauf  zurückführen  zu  können,  dab  diese  sich  in  früher  Jugend 
weit  mehr  im  Spiel  betätigen  und  mehr  von  der  Mutter  zu  Hilfe- 
leistungen herangezogen  werden  als  Ejiaben. 

Am  16.  April  begab  sich  ein  Teil  der  Teilnehmer  nach  Idstein, 
um  die  dortige  von  Direktor  Schwenk  geleitete  Erziehungsanstalt 
zu  besichtigen.  Ein  anderer  Teil  unternahm  unter  Führung  des 
Direktors,  üniversitätsprofessors  Dr.  Sommee,  eine  Besichtigung  der 
psychiatrischen  Klinik  in  Giefsen.  Im  Anschlufs  daran  hielt  Prof. 
Dr.  SoMifEB  einen  Vortrag  über  y^Die  verschiedenen  Formen  der 
Idiotie  vom  Standpunkt  der  Therapie  nnd  Prophylaxe'S  dem 
folgende  Leitsätze  zu  Grunde  lagen:  Bei  den  unter  dem  Sammel- 
namen Idiotie  zusammengefiolBten  Zuständen  von  geistiger  Störung 
handelt  es  sich  um  das  Endresultat  sehr  verschiedener  Krankheits- 
prozesse. Die  Idiotie  ist  nur  in  einem  Teil  der  Fälle  angeboren, 
bei  den  anderen  handelt  es  sich  um  Krankheiten,  welche  in  den 
ersten  Lebensjahren  erworben  sind.  Mehrere  Gruppen  der  in  den 
ersten  Lebensjahren  erworbenen  Idiotie,  vor  allem  die  Hydrooephalie, 
sind  im  Beginn  der  Elrankheit  therapeutisch  beeinfluisbar  und  werden 
bei  weiterem  Fortschritt  der  Behandlungsmethoden  vermutlich  heilbar 
sein.  Auch  die  unheilbaren  Zustände  von  Idiotie,  speziell  die  epi- 
leptischen Formen  erweisen  sich  öfter  in  einzelnen  Symptomen  als 
besserungsfähig.  Einige  Gruppen  der  angeborenen  Zustände  von 
Idiotie  im  engeren  Sinne  bilden  einen  Gegenstand  der  Prophylaxe. 


395 

Mit  Bezug  auf  die  angedeuteten  Fonnen  ron  Idiotie  erscheint  es 
als  eine  hygienisch  und  sozialökonomisch  dringende  Aufgabe,  die 
Zahl  der  idiotischen  Geistesstörungen  durch  Prophylaxe  so  weit  als 
möglich,  durch  Therapie  im  Beginn  der  Störung  zu  Termindem. 
Als  Grundlage  für  die  pädagogische  Behandlung  der  Idiotie  ist  eine 
medizinische  Psychologie  auf  naturwissenschaftlichem  Boden  er- 
forderlich. 


Über  Anzeicben  beginnender  Nervosität  in  den  Sehnlarbeiten 
der  Kinder  —  Warnungssignale  ffir  die  Erziehung. 

Vortrag,  gehalten  in  der  Leipziger  Ortsgruppe  des  Deutschen 
Vereins  für  Volkshygiene  am  24.  März  1903  von  Dr.  Spitzneb. 

Einleitend  bemerkte  der  Vortragende,  dafs  es  in  erster  Linie  gelte, 
gegen  Zustände,  wie  Nervosität  der  Kinder,  anf  Grand  sorgfältigster  Be- 
obachtung möglichst  frOh  eine  energische  Gegenwehr  vorzubereiten.  Frei- 
lich mmls  man  dafOr  die  ersten  Anzeichen  kennen;  statt  sich  aber  nm 
solche  Erkenntnis  zu  bemflhen,  behandelt  man  das  Übel  vielfach  mit 
Strafen  nnd  anderen  änCserlichen  Mitteln,  weil  man  beim  Kinde  nur  das 
Konto  des  SoUens  kennt,  nicht  auch  das  des  Habens.  Solche  erste  An- 
zeichen bieten  uns  nun  vor  allem  körperliche  Leiden:  20%  der  körper- 
lich Leidenden  sind  anch  geistig  leidend;  freilich  anch  6%  der  körper- 
lich Gesunden.  Auch  solche  Kinder,  die  in  der  Schule  als  geistig  normal 
gelten,  sind  doch  vielfach  krankhaften  Affekten  nnterworfen,  namentlich 
krankhafter  Erregtheit. 

Der  Vortragende  geht  hier  näher  auf  den  Fall  eines  sechsjährigen, 
gut  beanlagten  Kindes  von  zartem  Nervensystem  ein,  das  auf  Veranlassung 
der.  Eltern  geistig  stark  beanspmcht  wurde.  Anfangs  ging  es  damit  ganz 
gut ;  aber  dann  mufste  der  Vater  doch  schon  Strenge  brauchen,  wenn  das 
Kind  genflgen  sollte.  Allmählich  liefsen  die  Kräfte  nach,  die  Arbeiten 
wurden  schlechter,  bald  trat  die  Krisis  ein:  das  Kind  ging  dauernd  zurflck, 
erhielt  die  Zensur  „verstockt'^,  und  nun  folgte  auch  der  körperliche  Zu- 
sammenbruch. Das  Kind  konnte  nicht  mehr,  es  schwänzte  die  Schule, 
und  damit  war  es  am  Scheidewege  angekommen,  der  einesteils  zur  Ver- 
wahrlosung infolge  Vagabundierens,  anderseits  ins  Krankenhaus  führt. 

Die  ersten  Anzeichen  einer  solchen  Entwicklung  liegen  unter  Um- 
ständen sehr  versteckt.  Aber  es  gibt  doch  Warnnngssignale.  Ein  solches 
ist  die  rasche  Ermüdbarkeit  des  Kindes  bei  Schularbeiten;  Die 
Ermüdung  zeigt  sich  bald  in  Schwäche,  bald  in  Aufgeregtheit  und  Unruhe. 
Aber  es  ist  zu  unterscheiden  zwischen  dem  allgemeinen  Ermüdungszustande 
einer  Klasse  und  dem  Ermüdungszustande  des  einzelnen  Individuums,  ebenso 
wie  zwischen  normaler  und  pathologischer  Ermüdung.  Jegliche  Ermüdung 
verlangt  Festsetzung  von  Erholungszeiten;  bei  Unnüie  empfiehlt  sich  Ab- 
wechslung in  den  Unterrichtsstoffen.  Tiefer  gehende  Ermüdungszustände 
zeigen  sich  auch  in  den  Arbeiten  selbst  (vermehrte  Fehlerzahl  etc.). 

Schalgreauodheitspflege.  XVI.  21 


396 

Aulser  durch  rasche  Ermüdbarkeit  wird  Nervosität  auch  durch  das  Herein- 
spielen krankhafter  Affekte  und  Affektwirkungen  angekündigt.  Sonst  hat 
ja  die  Erziehung  Affekte  geradezu  herbeizuführen,  damit  das  Kind  sie 
überwinden  lerne;  aber  bei  nervösen  Kindern  ist  es  schwierig,  sie  aus  dem 
Affekte  herauszuführen.  Unter  diesen  Affekten  ist  namentlich  hervorzu- 
heben die  Schulangst,  wie  sie  sich  beim  Auftreten  eines  neuen  unter- 
richtsgegenstandes  oder  eines  neuen  Zweiges  von  einem  alten  Unterrichts- 
gegenstande, bei  Memorierübungen,  beim  Heraustretenlassen  eines  Kindes 
etc.  zeigt.  Neben  diesen  deprimierenden  Affekten  zeigen  sich  auch  Affekte 
bei  krankhafter  Aufgeregtheit  —  infolge  krankhaften  Ehrgeizes  oder  infolge 
der  Erwartung  einer  Strafe  (wo  nicht  selten  sogar  momentaner  Verlust 
der  Sprache  eintritt).  Andere  Affekte  zeigen  sich  bei  anspruchsvollen 
Kindern:  infolge  einer  leichten  Verstimmung  versagen  sie  beim  Singen, 
Schreiben,  Turnen.  Solche  Kinder  sind  als  krank  anzusehen;  um  so  mehr 
aber  mufs  ihnen  eine  gewisse  psychische  Rüstigkeit  anerzogen  werden. 

Nervosität  kann  aber  auch  dauernde  Schädigungen  des  geistigen 
Lebens  verursachen.  Solche  Zustände  sind  sehr  schwer  zu  durchforschen 
und  mit  dem  gesamten  geistigen  lieben  in  Verbindung  zu  bringen.  Hierher 
gehören :  Störungen  des  Sprechens  und  Schreibens,  des  Rechnens,  lebhafte, 
veitstanzähnliche  Mitbewegungen  bei  einzelnen  Handlungen,  Bewulstseins- 
trübungen  (Dämmerzustände)  u.  s.  w.  Bei  einem  Knaben,  der  jede  Nacht 
verschwand,  stellte  sich  schlielslich  als  Grund  epileptische  Bewufatseins- 
trübung  heraus.  Die  Epilepsie  zeigt  sich  in  Störungen  in  der  Schule  und 
auf  der  Strafse,  in  Zwangshandlungen,  die  sogar  zur  Bedrohung  des  Lehrers 
fortschreiten  können.  Trotzdem  sollten  für  solche  Kinder,  mit  Ausnahme 
der  gemeingefährlichen,  keine  eigenen  Anstalten  eingerichtet  werden.  Der 
Vortragende  schliefst  mit  der  Mahnung  eines  greisen  Pädagogen:  „Lafst 
das  Kind  bei  der  Sache  sein,  ihr  aber  müfst  beim  Kinde  sein!'* 

An  den  Vortrag  knüpfte  sich  eine  kurze  Debatte.  Ihr  Schlufs  ergab, 
dafis  die  Anschauungen  des  Vortragenden  von  der  ganz  überwiegenden  Zahl 
der  Anwesenden  geteilt  wurden.  (y,Leipz.  Tagebl,^) 


Aitxntxt  Miiitxlnn^tn. 


über  die  Verlegnnf?  der  Sommerschnlferien  in  Wien^  bringt 
„Die  Zeit^  einen  Aufsatz  von  Bezirksschulinspektor  Eduard  Siegert, 
dem  wir  folgendes  entnehmen: 

Nach  einer  Mitteilung  der  Zeitschrift  für  das  österreichische  Schul- 
wesen ist  von  einem  Wiener  Ortsschulrate  die  Anregung  ausgegangen,  die 
bisher   vom   16.  Juli   bis  15.  September    währenden   Hauptferien   an   den 


'  S.  über  denselben  Gegenstand  das  Referat  über  eine  Arbeit  Altschuls 
in  dieser  Zeitschrift,  1898,  S.  331. 


397 

WieDer  Schalen  auf  die  Zeit  vom  1.  Juli  bis  31.  Aagust  zu  verlegen.  Die 
hierdurch  angeregte  wichtige  Frage  soll  bereits  vom  Bezirksschulrat  beraten 
worden  sein,  und  es  dflrfte  nicht  mehr  lange  währen,  dafs  die  mafsgebende 
Stelle,  nämlich  das  Unterrichtsministerium,  hierzu  Stellung  nimmt  und  eine 
in  das  Wiener  Schul-  und  Familienleben  tief  einschneidende  Entscheidung 
in  der  Sache  trifft. 

Wie  bekannt,  besteht  fttr  die  Wiener  Schulen  die  Institution  der 
Hitzferien,  d.  h.  vom  1.  Juli  angefangen  mu&  der  Nachmittagsunterricht 
ausfaDen,  wenn  das  Thermometer  um  10  Uhr  Tormittags  18  Grad  B6aumur 
im  Schatten  erreicht.  Die  Existenz  dieser  Institution  deutet  schon  darauf 
hin,  welch  zweifelhaften  Wert  der  Schulunterricht  an  heifsen  Sommertagen 
hat,  und  es  könnte  von  diesem  Standpunkt  aus  nur  begrttfst  werden,  wenn 
ein  halber  Schulmonat  (1.  bis  15.  Juli)  der  Hundstagezeit  entrissen  und  in 
eine  kflhlere  Jahreszeit  (1.  bis  15.  September)  verlegt  würde.  Wer  ferner 
weifs,  mit  welchen  Unzukömmlichkeiten  die  Bestimmung  der  täglichen  Hitz- 
ferien verbunden  ist,  wie  beispielsweise  die  eine  Schule  solche  Ferien  gibt, 
die  Nachbarschule  nicht«  wie  etwa  im  2.  Bezirk  Hitzferien  sind,  im  1.  Bezirk 
aber  nicht,  wie  infolge  vorangegangener  heifser  Tage  in  den  Schulzimmern 
eine  Temperatur  von  22  bis  24  Grad  R^aumur  herrscht  und  trotzdem  der 
Nachmittag  nicht  freigegeben  werden  kann,  weil  das  Thermometer  die  Laune 
zeigt,  um  10  Uhr  gerade  nur  bis  17^/t  Grad  zu  steigen,  kurz,  wer  alle 
diese  Müsstände  und  Zufälligkeiten  erwägt,  die  es  den  Eltern  nie  gestatten, 
von  vornherein  ein  Nachmittagsprogramm  ittr  ihre  die  Schule  besuchenden 
Kinder  aufzustellen,  der  wird  gern  seine  Zustimmung  geben,  wenn  die 
erste  Julihälfte  direkt  in  den  Ferienbereich  eingezogen  wird. 

Hierfür  sprechen  aber  auch  noch  andere  gewichtige  sanitäre  Gründe. 
Die  Ferien  sind  in  erster  Linie  zur  Erholung  der  Kinder  geschaffen,  aber 
auch  viele  Eltern  haben  ein  Erholungsbedürfhis  und  können  dieses  aus 
naheliegenden  Gründen  in  der  Regel  auch  nur  zur  Zeit  der  Schulferien 
befriedigen.  Da  erscheint  nun  die  erste  Julihälfte  in  doppelter  Beziehung 
wertvoller  als  die  erste  Septemberhälfte.  Erstlich  gestattet  sie  ein  viel 
längeres  Verweilen  in  der  freien  Luft.  Von  4  Uhr  morgens  bis  8  Uhr 
abends,  also  volle  16  Stunden,  bieten  sich  der  helle  Tag  und  insbesondere 
die  warmen  Abende  dem  Verkehr  im  Freien  dar,  während  der  September 
mit  seiner  nur  12-  bis  13  stündigen  Tageshelle  die  Menschen  morgens 
länger  an  das  Zimmer  fesselt  und  das  Verweilen  im  Freien  an  Abenden 
ganz  ausschliefst.  Dazu  kommt  die  für  viele  Erholungsbedürftige  so  wichtige 
Badefrage.  Juli  ist  ein  Bademonat  ersten  Ranges;  selbst  Gebirgswässer 
nehmen  im  Hochsommer  mitunter  Temperaturen  an,  die  sie  zum  Baden  ganz 
tanglich  machen.  Im  September  aber  kühlen  infolge  der  langen  Nächte 
sowohl  die  stehenden  wie  die  flieCsenden  Wässer  in  einer  Weise  ab,  da(s 
sie  eine  Badegelegenheit  nur  ganz  ausnahmsweise  darbieten. 

Auch  vom  geistig-hygienischen  Standpunkt  aus  hat  die  geplante 
Ferienverlegung  ihre  Vorzüge.  Dafs  der  Unterricht  im  September,  wo  auch 
an  heilsen  Tagen  die  Schulzimmer  während  der  langen  Nächte  genügend 
abkühlen,  an  Frische  und  Eindringlichkeit  den  im  heifsen  Juli  erteilten 
weitaus  übertrifft,  bedari'  keiner  näheren  Erörterung,  abgesehen  von  dem 
quantitativen  Gewinn,,  der  im  Wegfäll  der  Julihitzferien  gelegen  wäre. 

21* 


398 

Was  sich  allenfalls  gegen  die  Ferienverlegong  sagen  Heise,  schrumpft 
im  wesentlichen  auf  das  einzige  Argoment  zasammen,  dalB  manche  Eltern, 
statt  wie  bisher  die  Kinder  schon  mehrere  Wochen  vor  Schnljahrsschlois 
wegen  der  Landübersiedelung  aus  den  Wiener  Schulen  zu  nehmen,  die 
Kinder  nun  wahrscheinlich  zum  Schu^ahrsbeginn  der  Schule  einige  Zeit 
vorenthalten  würden,  was  unterrichtlich  jedenfalls  ungünstiger  ins  Gewicht 
fiele.  Aber  erstlich  ist  im  Vergleich  zur  Gesamtzahl  der  hauptstädtischen 
Schulkinder  die  in  dieser  Hinsicht  in  Betracht  kommende  Zahl  so  klein, 
da(s  es  vermessen  wäre,  ihretwegen  die  grofsen  hygienischen  Vorteile  der 
Ferienverlegung  preiszugeben,  und  dann  handelt  es  sich  auch  hier  um  eine 
Art  Erziehung  der  Eltern. 

Da  aus  allgemein  bekannten  Gründen  die  Ferien  an  Volks-  und 
Mittelschulen  zusammenfallen  müssen,  so  ist  es  klar,  dafs  die  Ferienreform 
sich  auf  die  Mittelschulen  erstrecken  mttfste ;  die  oben  angeführten  Gründe 
sind  für  sie  ebenso,  wenn  nicht  in  höherem  Grade,  maCagebend  als  f&r  die 
Volksschulverhältnisse. 

Es  wäre  sehr  zu  wünschen,  wenn  sowohl  Eltern-  als  Lehrerkreise  zur 
Sache  Stellung  nähmen  und  das  Für  und  Wider  rückhaltlos  darlegten. 
Denn  falle  die  Entscheidung  des  Ministeriums  in  dem  einen  oder  dem 
anderen  Sinne  aus,  so  wird  auf  viele  Jahre  hinaus  an  die  Aufrollung  der 
Frage  nicht  mehr  zu  denken  sein. 

Ein  meduinisch-pftdagogisehes  Institut  wird  nächstens  in  de  Bilt 

bei  Utrecht  eröfiEnet  werden.  Man  beabsichtigt,  in  dasselbe  sowohl  ner- 
vöse als  weniger  talentierte  Kinder  außsunehmen,  von  denen  es  sich  heraus- 
gestellt hat,  oder  von  denen  man  erwarten  kann,  daCs  sie  dem  gewöhnlichen 
Schulunterricht  nicht  oder  nur  mit  grofser  Mühe  folgen  können. 

Idioten  oder  ausgesprochene  Fälle  von  Blödsinnigkeit  werden  nicht 
aufgenommen,  ebensowenig  Kinder,  welche  an  Epilepsie  oder  Insania  mo- 
ralis  leiden,  weil  derartige  Kinder  einen  schlechten  Einfluls  auf  ihre  Kame- 
raden ausüben.  Wohl  aber  hat  man  die  Absicht,  auch  mit  Sprachfehlem 
behaftete  Kinder  aufzunehmen,  zur  Heilung  ihres  Sprachmangels,  wenn  zu 
erwarten  ist,  dals  systematische  Behandlung  ihnen  Genesung  oder  wenigstens 
Besserung  bringen  wird.  Auch  Fälle  von  Enuresis,  Onanie  etc.  sollen  bei 
der  Aufnahme  in  Betracht  kommen.  Die  Sache  wird  von  den  Professoren 
JELGEBSMA  und  ZIEHEN  und  durch  Dr.  J.  H.  Gumning,  Privatdozent  der 
Pädagogie  in  Utrecht,  unterstützt.  Professor  Ziehen  in  Utrecht  wird  die 
medizinische,  Herr  A.  J.  Schreuper,  als  Anstaltsdirektor,  wird  die  päda- 
gogische Leitung  übernehmen.  Herr  Schreuder,  der  seit  längerer  Zeit 
sich  eingehend  mit  dem  Studium  der  schwachbefähigten  Kinder  beschäftigt 
und  literarisch  auf  diesem  Gebiete  schon  vieles  geleistet  hat,  ist  auch  in 
Deutschland  kein  Unbekannter;  hielt  er  doch  in  der  vierten  Versammlung 
des  Vereins  für  Kinderforschung  im  August  1902  einen  Vortrag  über 
Kinderzeichnen,  über  welchen  auch  in  dieser  Zeitschrift^  Jahrg.  1902,  S.  450, 
Bericht  erstattet  ist. 

Die  Anstalt  wird  den  Charakter  eines  Internates  haben.  Es  werden 
Kinder  im  Alter  von  6 — 14  Jahren  aufgenommen.  Man  wird  Sorge  tragen 
für  längere  Nachtruhe  und  kürzere  Lehrzeiten  mit  Pausen,  welche  soviel 
wie  möglich    in   der    frischen  Luft    zugebracht  werden.     Es   ist    ein  An- 


399 

scbanimgsunterricht  vorgesehen,  bei  dem  alle  Organe  gefibt  werden.  Die 
Kinder  werden  täglich  Handarbeiten  machen,  nnd  es  soll  der  EntwicklnDg 
des  Eoordinationsvermögens  besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt  werden. 

Wenn  die  ZOglinge  die  Schule  verlassen,  soll  von  der  Anstaltsleitnng 
mit  Bewilligung  der  Eltern  eine  passende  Arbeitsgelegenheit  gesucht  werden, 
wobei  Charakter,  geistige  Anlage  und  Entwicklung  in  Betracht  gezogen  werden. 

Das  zu  eröffnende  medizinisch-pädagogische  Institut  kann  einigermafsen 
mit  dem  TBtTPEBschen  Erziehungsheim  in  Jena  oder  der  Anstalt  Bourne- 
villes in  Vitry  bei  Paris  verglichen  werden ;  es  wird  die  Verwirklichung 
eines  glücklichen,  fruchtbaren  Gedankens  sein:  der  Pädagoge,  Hand  in 
Hand  mit  dem  Psychiater  und  Nenropathologen,  soll  sich  hier  der  Ent- 
wicklung des  weniger  begabten  und  des  neuropathischen  Individuums  weihen. 

{Mitgeteilt  von  Dr.  med.  J.  M.  C.  MoüTON-Haag.) 

Über  die  Steilsclirift  und  das  Verhältnis  der  Lehrer  zn  der- 
selben macht  SOHMIDTBAUER  in  der  „Ztschr.  f,  Erziehg.  u.  Unterricht"' 
(März  1903)  einige  treffende  Bemerkungen.  „Die  Steilschrift  —  sagt  er  — 
wurde  von  der  Lehrerschaft  mit  Begeisterung  begrüfst  —  und  zum  Schlüsse 
liefs  man  die  Sache  wieder  fallen.  Ja,  warum  denn?  Die  Lehrer  selbst 
konnten  und  können  noch  heute  nicht  steil  schreiben  (Ausnahmen  mögen 
sein),  nnd  was  man  selbst  nicht  kann,  das  kann  man  auch  andern  nicht 
lehren.  Wo  die  Steilschrift  rationell  gepflegt  wurde,  da  erzielte  man  vor- 
zügliche Schriften.  Ich  erlebte  dies  selbst  mit  meinen  Schülern,  die  ich 
von  der  ersten  bis  in  die  sechste  Klasse  Jahr  für  Jahr  weiterführte.  Alle 
hatten  vortreffliche  Schriften,  die  Buchstaben  standen  wie  die  Kerzen  da, 
es  war  eine  Freude,  diese  Schüler  schreiben  zu  seheu,  und  zu  welcher 
Schnelligkeit  sie  es  bei  dieser  Schreibweise  brachten,  das  geht  wohl 
daraus  hervor,  dafs  sie  in  der  Schreibgewandtheit  den  Jahrgang  des 
siebenten  Schuljahres  fast  um  das  Vierfache  schlugen  I  —  Ich  selbst 
habe  mich  im  Steilschreiben  wochenlang  geübt,  habe  alle  meine  vielen 
Schreibereien  in  dieser  Art  ausgeführt,  bis  ich  sicher  war.  Möchte  sehr 
bezweifeln,  ob  alle  Lehrer  steilschreibender  Schüler  dies  ebenfalls  getan 
haben  —  kaum.  Sie  schrieben  wohl  alle,  oder  doch  die  meisten,  in  den 
abscheulichsten  Schiefen  weiter,  und  von  den  Schülern  forderte  man  die 
Steile!  Daher  kam  es  auch,  dafs  derartige,  Steilschriften  sein  sollende 
Schreibereien  links  schief  abwichen,  und  so  wie  die  Schriften  früher  rechts 
schief  abfielen,  war  dies  jetzt  in  verkehrter  Richtung  der  Fall.  Das  Senk- 
rechttreffen mufs  aber  ebenso  geübt  werden,  wie  alles  in  der  Welt.  Die 
Steilschrift  hat  nur  „eine^  Richtungslinie,  die  senkrechte;  alle  Schiefschriften 
haben  aber  die  schiefen  Linien,  und  deren  gibt  es  ja  viele,  zur  Richtungs- 
linie — ,  es  gibt  daher  nur  „eine**  Steilschrift,  Schiefschriften  aber  viele. 
Und  so  behaupte  ich :  Die  Steilschrift  ist  leichter  wie  jede  andere  Schreib- 
weise —  die  lotrechte  Linie  ist  ihr  Grundstrich,  keine  einzige  schiefe 
Schrift  hat  dies  Einheitsmafs  so  genau  wie  die  Steilschrift;  die  Steil- 
schrift ist  hygienisch  die  beste  Schreibart  schon  der  Sitz-  und  Schreib- 
stellung wegen,  welche  diese  Schrift  überhaupt  erfordert.  Der  Steilschrift 
mvS&  aber  gründlich  vorgearbeitet  werden;  schon  die  Lehramtskandidaten 
müssen  darin  die  gröfste  Gewandtheit  bekommen,  sie  müssen  alles  in  dieser 
Schrift  schreiben  —  nur  so  ist  dann   auf  einen  Erfolg   zu  rechnen;   alle 


400 

anderen  Mafsnahmen  bleiben  fruchtlos  —  ja,  sie  schädigen  die  gute  Sache 
nur,  wie  wir  ja  aus  den  abfälligen  Urteilen  vieler  ersehen  konnten. 

Ich  schrieb  in  meiner  Zeitschrift  in  den  Jahrgängen  1890,  91,  92 
eine  Reihe  längerer  und  kürzerer  Artikel  über  die  Steilschriftfrage,  in 
denen  ich  ihr  Wesen,  ihre  hygienischen  Vorteile  u.  s.  w.  in  erschöpfender 
Weise  vorführte.  Da  aber  der  Grofsteil  (mit  wenigen  Ausnahmen!)  der 
Lehrer  Oberösterreichs  seit  bald  17  Jahren  trotz  meines  wiederholten  An- 
klopfens  nicht  weifs,  dafs  ihr  Kollege,  der  Oberlehrer  Sghmidtbaueb  in 
Schwanenstadt,  eine  Zeitschrift  herausgibt,  die  sich  mit  der  Lösung  von 
sehr  wichtigen  Lebensfragen  beschäftigt  —  wurden  alle  diese  Aufsätze 
gerade  von  denen  nicht  gelesen,  für  die  sie  bestimmt  waren. 

Klage  eines  Ostprenfsen  über  fehlende  Schnlcimmerventilation. 

Sehr  empfindlich  mufs  der  Gegensatz  zwischen  dem  hygienischen  Soll  und 
und  Haben  für  Lehrer  sein,  denen  es  nicht  blols  um  ihr  eigenes  Wohl, 
sondern  mehr  um  Wohlbefinden  und  Gesundheit  der  Schuljugend  zu  tun 
ist.  Dafs  ein  Klassenzimmer,  in  dem  sich  40 — 60  Schüler  stundenlang 
auflialten,  ohne  jede  Ventilation  sein  kann,  wird  mancher  Lehrer  ins  Gebiet 
der  Legenden  oder  in  die  graue  Vergangenheit  verweisen.  Leider  spricht  jedoch 
hiergegen  die  rauhe  Wirklichkeit.  Es  gibt  im  20.  Jahrhundert  noch  höhere 
Lehranstalten,  die  staatlichen  keineswegs  ausgenommen,  welche  in  keinem 
ihrer  Räume  irgend  eine  Ventilation  aufzuweisen  haben.  Weshalb  unter- 
bleibt aber  ihre  Einrichtung?  Blofs  um  den  Unterschied  zwischen  einer 
Schule  und  einem  Pferdestall  zu  markieren?  Der  sonst  so  oft  ausschlag- 
gebende „Kostenpunkt^  kann  hier  mit  Rücksicht  auf  den  recht  niedrigen 
Preis  nicht  bestimmend  wirken.  Trotzdem  verlautet  bei  solch  dringenden 
Forderungen  immer  noch  der  Bescheid:  „Dazu  hat  die  Anstaltskasse  kein 
Geld^^  Und  für  wie  billiges  Geld  kann  man  heute  eine  sehr  zweckm&fsige 
Ventilation  durch  eine  Glasjalousie  im  Oberfenster,  das  der  Tür  am  weitesten 
entlegen,  erzielen!  Es  wären  für  die  Anstalt  bei  zehn  Klassenzimmern 
noch  keine  20  Mark!  Steht  dieses  wohl  im  Verhältnis  zu  dem  Segen, 
den  Gesundheit  und  Geistesfrische  der  Jugend  in  sich  schliefst?  Und  wieviel 
erspriefslicher  wird  nicht  der  Unterricht,  wenn  die  Unterrichtenden  in  gesunder, 
reiner  Luft  sprechen  können  1  Nun  ist  ja  an  wärmeren  Tagen  dem  Übel 
durch  öffnen  der  Oberfenster  wohl  abzuhelfen;  aber  wie  traurig  für  die 
Gesundheit  steht  es  besonders  im  Winter.  Da  werden  die  Doppelfenster 
ängstlich  zugehalten,  damit  ja  kein  Luftzug  Erkältung  bringe.  Da  wird 
die  neuerdings  ergangene  ministerielle  Verfügung,  die  erfreulicherweise  die 
Übel  der  verdorbenen  Zimmerluft  abschwächen  will,  eitel  Dlusion.  Denn 
wie  soll  eine  „gründliche  Lüftung  während  der  Pausen **  erzielt  werden, 
wenn  die  oberen  Doppelfenster  so  angebracht  sind,  dafs  eine  Lüftung  oben 
unmöglich  gemacht  wird?  Und  doch  ist  bekanntlich  die  obere  Lüftung 
die  Hauptsache,  da  sich  die  warme,  verdorbene  Luft  in  der  Nähe  der 
Zimmerdecke  ansammelt.  Andererseits  können  bei  strengem  Frost  auch 
nicht  einmal  die  unteren  Fenster  hinreichend  geöffnet  werden,  da  das  Ein- 
dringen der  kalten  Luft  das  Zimmer  zu  stark  abkühlen  würde.  Könnten 
nicht  auch  hier  beamtete  Schulärzte  Abhilfe  schaffen  I  Periculum  in  mora! 
(Wir  sind  immerhin  der  Anschauung,  es  könnte  mancherorts  von  den 
Lehrern  durch  zweckmäfsige  Benutzung  der  Fensterflügel  viel  mehr  für  die 


401 

Ventilation  der  Schnlzimmer  getan  werden,  als  dies  leider  gegenwärtig  noch 
geschieht.     D.  Red.)  S. 

Zur  Reform  des  Handarbeitsimterriehts  für  Mftdehen  in  den 

Schulen  sprach  auf  der  Generalversammlung  der  ProTinzialvereine  rheinischer 
und  westfälischer  Yolksschnllehrerinnen  Frl.  RoTH-Elberfeld.  unter  Billi- 
gung der  Versammlung  fafste  sie  ihre  Darlegungen  in  folgende  Forderungen 
zusammen:  1.  Der  Handarbeitsunterricht  hat  sich  in  der  Volksschule  auf 
das  Notwendigste  zu  beschränken;  2.  der  Handarbeitsunterricht  hat  sich  in 
Bezug  auf  das  Material  und  die  Ziele  nach  den  Anforderungen  des  prak- 
tischen Lebens  zu  richten;  3.  nicht  möglichst  yollendete  Leistungen  für 
die  Ausstellungen  dürfen  das  Ziel  des  Handarbeitsunterrichtes  sein,  sondern 
Anleitung  zu  selbständigem  Arbeiten;  4.  im  letzten  Schuljahre  ist  die  Näh- 
maschine in  den  Unterricht  einzufagen;  5.  keine  Handarbeitsklasse  darf 
mehr  als  40  Schfllerinnen  zählen. 

Die  FnIsbSden  nnd  die  Schnkimmer  Kassels.    Die  Frage,  wie 

eine  bessere  Reinigung  der  Schulzimmer  zu  erreichen  sei,  ohne  da(s  un- 
verhältnismäisig  hohe  Kosten  daraus  erwachsen,  hat  die  städtische  Ver- 
waltung in  Kassel  seit  Jahren  beschäftigt.  Die  verschiedensten  Versuche 
haben  schlieljslich  dahin  geführt,  dafs  nunmehr  in  allen  Klassenzimmern  die 
FnfsbOden  mit  staubbindendem  öle  gestrichen,  in  allen  Neubauten  mit 
Linoleum  belegt  werden.  Klagten  auch  einzelne  Lehrerinnen  darüber,  dafs 
durch  diesen  Anstrich  ihre  Kleider  verdorben  würden,  so  hat  sich  doch 
die  Anwendung  dieses  Öles  im  übrigen  so  gut  bewährt,  daljs  von  der  all- 
gemeinen Verwendung  nicht  mehr  abgesehen  wird. 

(Mitgeteilt  von  Stadtschuhrat  Dr.  BoBKMANN-Kassel.) 

Qegtn  das  PrfiAingswesen  nnd  besonders  gegen  die  Entlassnngs- 
prflfnngen  an  Sffentiichen  Lehranstalten  in  ihrer  heutigen  Form 

wendet  sich  mit  Recht  ein  Einsender  in  der  „TägL  Rundschau^.  Während 
man  —  sagt  er  —  sich  im  Deutschen  Reichstage  mit  der  Ausarbeitung 
gesetzlicher  Bestimmungen  beschäftigt,  welche  einem  Mifsbrauch  der 
körperlichen  Arbeitskraft  des  Kindes  hemmend  entgegentreten  sollen, 
erhebt  sich  im  Parlamente  keine  Stimme,  welche  auf  die  Schädlichkeit 
der  geistigen  Überanstrengung  hinweisen  würde.  Und  doch  hat  erst  kürz- 
lich wieder  der  Steglitzer  Gymnasiallehrer  Dr.  Gublitt  in  seiner  Schrift: 
„Der  Deutsche  und  sein  Vaterland**  die  Aufmerksamkeit  auf  die  geistige 
Überlastung  der  Kinder  gelenkt. 

GURLITT  vergleicht  eine  Abiturientenprüfnng  mit  einem  hochpein- 
lichen Halsgerichte  und  erzählt  von  hervorragenden  Männern  der  Wissen- 
schaft, dais  die  Prüfungszeit  sie  so  erregt  hat,  dafe  sie  noch  als  Greise 
unter  Examensträumen  zu  leiden  haben,  und  von  sich  selbst  bekennt  er: 
„und  selbst  im  Traum  der  stillen  Nächte  find'  ich  mich  keuchend  im 
Gefechte''.  Zu  wieviel  Nervenkrankheiten  mag  wohl  durch  die  Examen- 
jahre der  Grund  gelegt  werden?  Material  zur  Beantwortung  dieser  Frage 
gibt  auch  der  bekannte  Geheimrat  Schkeibeb  in  seinem  Werke:  ^Ein 
halbes  Jahrhundert  im  Dienste  von  Schule  und  Kirche^:  „Wiederholt 
haben  wir  Damen  am  Prüfungstage  veranlassen  müssen,  einige  Stunden  zu 
ruhen;  wir  haben  gesehen,  dafs  Damen,  die  wir  als  vorzüglich  kannten, 
nervös   so   herabgestimmt   waren^  dafs   sie   sich   kaum  aufrecht  erhalten 


402 

konnten.     Nicht  gering  ist  auch  der  Prozentsatz  deijenigen,  welche  gleieh 
nach  der  Prüfung  eine  Erholnngsreise  antreten  müssen''. 

Gewifs  hat  ein  solches  Examen  eine  Berechtigong  in  all  den  Fällen, 
in  denen  die  Yorhereitong  zu  demselben  auf  privatem  Wege  erfolgt  ist; 
dagegen  behaupten  wir,  dafs  die  sogenannten  Entlassungsprüfungen  an 
öffentlichen  Lehranstalten  in  ihrer  heutigen  Form  nicht  nur  völlig  veraltet, 
sondern  fast  gänzlich  entbehrlich  sind.  Man  bedenke  nur  einmal  den 
gegenwärtigen  Zustand:  Staat  oder  Gemeinde  gründen  unter  sehr  erheb- 
lichen materiellen  Opfern  Schulen,  besetzen  sie  mit  auserlesenen  Lehr- 
kräften, welche  genau  vorgeschriebene  Pensen  verarbeiten,  und  veranstalten 
am  Ende  der  Bildungszeit  eine  Prüfung,  die  so  gestaltet  ist,  dals  sie  den 
ganzen  Zweck  der  Schularbeit  vereiteln  kann  und  unter  den  heutigen  An- 
stellungs-  und  Aufsichtsverhältnissen  nur  als  ein  grofses  Mifstrauensvotum 
gegen  die  Lehrerschaft  angesehen  werden  mufs.  Natürlich  wissen  wir, 
dafs  es  ein  solches  nicht  sein  soll,  und  doch  erscheint  es  so.  Denn  was 
sollte  eine  Entlassungsprüfung  sonst  für  einen  Zweck  haben?  Jeder  Schüler 
hat  schwarz  auf  weifs  seine  sämtlichen  Leistungen  vom  ersten  Schultage 
an  bescheinigt,  ein  Bück  auf  seine  Zensuren  zeigt  sein  Können;  denn  wenn 
auch  bei  Feststellung  derselben  kleine  Irrtümer  unvermeidlich  sein  werden, 
ermöglichen  sie  doch  innerhalb  einer  10-  bis  12jährigen  Schulzeit  ein 
sicheres  Urteil.  Aber  selbst  wenn  sich  ein  „gut"  an  das  andere  reihte, 
der  betreffende  Schüler  muTs  „ins  Feuer^,  er  mufs  Tag  und  Nacht ,. pauken *", 
um  den  Wissensstoff  sämtlicher  Fächer  zu  einem  bestimmten  Zeitpunkte 
bereit  zu  haben,  und  er  mufs  mit  der  Möglichkeit  rechnen,  durchzufallen, 
zumal  wenn  er  schüchternen  Gemütes  sein  sollte.  Glaubte  man  an  die 
Zuverlässigkeit  der  vorliegenden  Prädikate,  so  könnte  man  doch  ohne  weiteres 
allen  Schülern,  die  in  den  letzten  Semestern  durchweg  genügt  hätten,  die 
Abgangsprüfung  erlassen  und  sich  darauf  beschränken,  nur  diejenigen  zu 
prüfen,  deren  Reife  fraglich  erscheint,  damit  die  Schule  den  Eltern  gegen- 
über den  Beweis  der  Unreife  führen  kann.  Wieviel  tausend  Familien 
würde  Angst  und  Sorge  durch  eine  solche  Mafsregel  erspart,  und  un- 
zähligen fleiffligen  Schülern  würden  Jahre  ihres  Lebens  zurückgegeben,  die 
ihnen  jetzt  durch  die  drohende  Prüfungsnot  zu  Jahren  banger  Sorge  und 
Qual  werden.  Wenn  man  den  Lehrern  das  nötige  Vertrauen  schenkte,  so 
schaffte  man  damit  durchaus  keinen  Ausnahmezustand,  sondern  man  stellte 
sie  dadurch  nur  den  anderen  Beamten  gleich,  beispielsweise  den  beamteten 
Ärzten,  die  auf  Grund  einer  kurzen  Untersuchung  über  die  körperliche 
Tauglichkeit  entscheiden,  oder  den  höheren  Offizieren,  deren  Berichte  über 
die  Leistungen  eines  Hauptmanns  oder  Majors  deren  Beförderung  oder 
Verabschiedung  herbeiführen. 

Sehr  ungerechtfertigt  wäre  es  jedenfalls,  wenn  man  behaupten  wollte, 
dafe  durch  Ausführung  unseres  Vorschlages  der  Fleifs  der  Schüler  nach- 
lassen würde ;  denn  gerade  das  Gegenteil  würde  eintreten  —  der  Lerneifer 
würde  zunehmen,  da  ihm  ein  so  grofser  Lohn  winkt.  So  mancher 
Schüler  verläfst  sich  jetzt  auf  das  bekannte  Prüfungsglück  mehr  als  auf 
seine  Arbeit  und  sagt  sich,  ich  versuche  es,  komme  ich  jetzt  nicht  durch, 
dann  das  nächste  Mal!  Also  auch  für  die  minderwertigen  Schüler  bietet 
die  Prüfung  noch  keinen  zuverlässigen  Malsstab,  namentlich  wenn  man  die 


403 

zahllosen  Täaschnngen  bedenkt,  die  dabei  nnternommen  und  nicht  selten 
erfolgreich  durchgeführt  werden.  Der  Mehrzahl  unserer  „geprüften*'  Leser 
werden  solche  Stücklein  in  genügendem  Umfange  bekannt  sein. 

Dals  es  tatsächlich  ohne  Prüfung  geht,  kann  man  schon  jetzt  beob- 
achten. An  den  Vollanstalten  hat  man  die  sogenannte  Eiojahrigenprüfung 
gänzlich  abgeschafft:  jetzt  genügt  die  einfache  Versetzung  nach  Obersekunda; 
in  diesem  Falle  schenkt  man  den  Lehrern  das  Vertrauen,  warum  nicht 
beim  Abgang  aus  Oberprima?  —  An  einer  sechsklassigen  Realschule  wird 
eine  umfangreiche  Entlassnngsprüfnng  als  Einjährigenprüfung  abgehalten; 
sobald  dieselbe  Schule  aber  in  eine  Ober-Realschule  umgewandelt  wird, 
fäUt  diese  Prüfung  sofort  weg  und  die  Berechtigung  zum  einjährigen  Dienst 
wird  durch  blofse  Versetzung  erworben. 

Auch  eine  alte  Gepflogenheit  der  königlichen  Augustaschule  in  Berlin 
zeigt  die  Ausführbarkeit  unseres  Vorschlages.  Die  Schule  ist  mit  dem 
königlichen  Lehrerinnenseminar  verbunden,  welches  eine  Anzahl  der  besten 
Schülerinnen  ohne  weitere  Prüfung  auMmmt.  Leider  scheinen  nicht  alle 
Schulgewaltigen  diese  Praxis  zu  lieben,  denn  im  benachbarten  Wilmersdorf, 
wo  die  gleiche  Schulorganisation  besteht,  hat  man  diese  gewüs  selbst- 
verständliche Einrichtung  nicht  zugelassen.  —  Auch  die  gegenwärtig  sehr 
häufig  vorkommende  Befreiung  von  der  mündlichen  Prüfung  zeigt  schon 
zur  Hälfte  die  Entbehrlichkeit  des  ganzen  Examens;  nur  bringt  diese  dem 
Schüler  keine  Erleichterung,  da  die  ganze  Arbeit  und  Sorge  hinter  ihm 
liegt,  wenn  sie  ihm  mitgeteilt  wird. 

Sollten  sich  der  Ausführung  unseres  Vorschlages  Schwierigkeiten  ent- 
gegenstellen, welche  erst  im  Laufe  einer  längeren  Zeit  zu  lösen  wären,  so 
sollte  man  doch  wenigstens  nicht  länger  säumen,  eine  aufserordentliche 
Härte,  wir  wollen  nicht  sagen  Ungerechtigkeit,  welche  die  gegenwärtigen 
Prüfungsordnungen  enthalten,  sofort  zu  beseitigen,  d.  i.  die  Bestimmung, 
dals  deijenige,  der  durchfällt,  das  ganze  Examen  wiederholen  mufs.  Warum 
begnügt  man  sich  nicht  mit  einer  Nachprüfung  in  denjenigen  Fache,  in 
dem  er  nicht  genügt  hat?  Denn  bei  der  Wiederholung  der  Prüfung  kann 
der  Fall  eintreten,  dafs  er  gerade  auf  einem  Gebiete  abfällt,  auf  welchem 
er  bei  der  ersten  Prüfung  geglänzt  hat,  und  er  somit  vielleicht  wieder 
nicht  besteht.  Man  hat  sich  leider  in  den  regierenden  Kreisen  vielfach 
gewöhnt,  Neuerungen  nur  auf  Drängen  „von  unten^  einzuführen.  Wer 
soll  hier  drängen?  Die  Interessenten  sind  Unmündige;  den  Elter u  fehlt 
meist  die  Sachkenntnis.  Wie  wäre  es,  wenn  der  Verein  der  Gymnasial- 
lehrer oder  der  Realschulmänner  die  Forderungen  zu  den  seinen  machte? 
Es  unterläge  dann  keinem  Zweifel,  dafs  diese  durchgingen;  gerade  so  wie 
der  gewerbliche  Kinderschutz  vor  den  Reichstag  gelangte,  als  der  Deutsche 
Lehrerverein  die  Vorschläge  AaAHDS  auf  der  Breslauer  Lehrerversammlung 
vertreten  hatte. 

Erziehuni^ganstaUen  anf  dem  Lande.  Unter  diesem  Titel  bringt 
der  y^Tjyon  MediccW^  (No.  13)  einen  längeren  Artikel,  in  dem  unter  Dar- 
legung der  Mängel  in  dem  bestehenden  Unterrichtssystem  die  Gründung 
von  Erziehungsanstalten  auf  dem  Lande  nach  englischem  Vorbild  gefordert 
wird.  Die  Lyceen  in  den  französischen  Groisstädten  gleichen  Kasernen 
und  Gefängnissen,  der  frischen  Luft  ist  nur  wenig  Zugang  gegeben,    freie 


404 

Bewegung  in  den  kleinen  Zimmern,  dem  engen  Schnlhof  mehr  oder  minder 
illusorisch.  Die  Hygiene  der  Städte  macht  freilich  grofse  Fortschritte, 
aber  es  ist  noch  immer  erst  das  wenigste  getan.  Zadem  sind  die  klima- 
tischen Verhältnisse  vieler  Orte  recht  ungünstige.  Lyon  zum  Beispiel  ist 
während  des  ganzen  Herbstes  und  Winters  in  dichte  Nebel  gehflllt,  Ende  Februar 
noch  müssen  die  Schüler  bis  Mittag  bei  Gaslicht  arbeiten.  Die  Entwick- 
lung des  einzelnen  Kindes  stellt  nach  einem  bekannten  Ausspruch  die 
Wiederholung  des  Prozesses  dar,  den  die  gesamte  Menschheit  durchgemacht 
hat.  Ursprünglich  wohnten  aber  die  Menschen  nicht  eng  zusammengepfercht 
in  Städten;  so  wenig  man  nun  auch  die  allgemeine  Entwicklung  zurück- 
schrauben kann  oder  möchte,  so  notwendig  ist  es  doch,  die  durch  sie  ver- 
ursachten Nachteile  auf  das  Mindestmafs  herabzusetzen,  vorab  die  Gesund- 
heit der  heranwachsenden  Jugend  nach  Kräften  zu  fördern  und  so  die  Er- 
haltung der  Rasse  sichern  zu  helfen.  Eine  wirklich  gleichmäCsige  Ausbildung 
des  Körpers  und  des  Geistes  ist  nur  auf  dem  Lande  möglich;  in  der 
Stadt  mufs  immer  die  körperliche  Entwicklung  hinter  der  geistigen  zu- 
rückbleiben. Verfasser  berichtet  von  zwei  Knaben,  die,  um  die  bessere 
Lerngelegenheit  zu  benutzen,  von  ihrem  Dorf  in  das  städtische  Lyceum 
geschickt  wurden;  sie  verloren  im  Verlauf  von  drei  Monaten  zwei  bis  drei 
Kilogramm  an  Gewicht.  Entsprechende  Beobachtungen  machte  man  in  den 
Pariser  Schulen.  Ein  Monat  auf  dem  Lande  —  schreibt  ein  bekannter 
Leiter  einer  Unterrichtsanstalt  —  bedeutet  für  die  Kinder  eine  Erholung 
sondergleichen,  die  kleinen  Städter  scheinen  sich  zu  beeilen,  die  verlorene 
Zeit  wieder  einzuholen.  Wenn  schon  wenige  Wochen  solche  Erfolge  er- 
zielen können,  was  darf  man  da  von  einem  ständigen  Aufenthalt  in  frischer 
Luft  erwarten,  welch  ein  unerschöpflicher  Vorrat  an  Gesundheit  würde  da 
für  das  ganze  spätere  Leben  aufgespeichert!  Verfasser  hält  direkt  die 
körperliche  Überlegenheit  der  angelsächsischen  Rasse  für  eine  Folge  der 
meüiodisch  betriebenen  physischen  Ausbildung  der  Jugend. 

In  Frankreich  hat  man  langsam  begonnen,  in  dieser  Beziehung  Wandel 
zu  schaffen.  Demolinb  eröffnete  die  auf  eine  gründliche  Reform  hin- 
zielenden Bestrebungen  mit  seinem  Buche  „L'^ducation  nouvelle'^  und 
gründete  nach  englischem  Vorbild  eine  Schule  auf  dem  Lande,  die  sog. 
£cole  des  Roches;  ihm  folgte  Duhamel,  der  Verfasser  der  rühmlichst 
bekannten  Schrift  „Gomment  Clever  nos  fils",  mit  einer  Schule  in  Cläres 
nahe  bei  Ronen.  Neuerdings  sind  ähnliche  Anstalten  errichtet  in  Liancourt 
bei  Paris,  in  Esterei  bei  Cannes,  in  Boisfranc  bei  ViUefranche. 

Landerziehnngsheime  sind  in  neuester  Zeit  in  Deutschland,  in  der 
Schweiz  und  in  England  geschaffen  worden.  Es  sind  dies  Schulen,  die 
auf  Landgütern,  fem  vom  grofsen  Verkehr,  in  einer  gewissen  Abgeschieden- 
heit gelegnen  und  dazu  bestimmt  sind,  namentlich  schwächliche,  erblich  be- 
lastete, nervöse  etc.  Kinder  vor  denjenigen  Gefahren  zu  schützen,  die  ihnen 
beim  Besuche  der  gewöhnlichen  Stadtschulen  drohen.  Das  Gut  als  solches 
wird  hier  als  ein  Teil  der  Schule  aufgefafst  und  gibt  den  Schülern  mannig- 
fache Gelegenheit  zur  Betätigung  ihrer  technischen  Fähigkeiten  wie  zu 
gymnastischen  Übungen.  Die  Schüler  erhalten  neben  einer  vollständigen 
wissenschaftlichen  Ausbildung  eine  praktische  Unterweisung  in  verschiedenen 
Handfertigkeiten,    eine   gründliche  Vorbereitung  für  die  Erfordernisse  des 


405 

praktischen  Lebens.  Besonders  wertvoll  aber  ist  die  Einrichtong,  dafs  die 
Zöglinge  des  Landerziehnngsheims  tSglich  dieselbe  Stundenzahl,  die  fflr  den 
wissenschafUicben  Unterricht  angesetzt  ist,  für  körperliche  Arbeit,  für  Be- 
wegung im  Freien  verwenden.  Neben  den  Vorteilen  für  die  Gemflts-  and 
Charakterbildung  bietet  dieses  Erziehungssystem  die  Möglichkeit,  bei  der 
Eniehung  der  Kinder  aUe  die  Schädlichkeiten  zu  vermeiden,  welche  das 
Schulwesen  sonst  für  die  körperliche  Entwicklung  der  Kinder  mit  sich 
bringt.  {y^Monatsschr.  f.  Qesundheiispfl.^ ^  1903,  No.  3.) 

Nene  Untersaehnngen  fiber  das  Schnlkopfireh  hat  nach  der 
„Medie.  Woche"'  ein  norwegischer  Forscher,  Axel  Holst,  unternonunen, 
indem  er  die  Zöglinge  einer  Schule  in  Christiania  einer  sorgfältigen  Prüfung 
unterzog.  Er  kam  zu  dem  etwas  unerwarteten  Schlüsse,  daCs  dem  Schul- 
unterricht weder  unmittelbar  noch  mittelbar  ein  bestimmter  Einflufs  nach 
dieser  Richtung  hin  zuzumessen  sei.  Es  zeigte  sich,  dafs  viele  von  den 
über  Kopfweh  klagenden  Schülern  an  Störungen  ihrer  Gesundheit  litten, 
die  mit  dem  Schulbesuch  keinen  Zusammenhang  hatten;  andere  stammten 
ans  nervös  belasteten  Familien,  oder  es  lag,  wie  Holst  sich  ausdrückt, 
eine  »Wachstumkrankheit*'  vor.  In  anderen  Fällen  wird  nach  Holsts 
Ansicht  das  Kopfweh,  welches  sich  in  der  Schule  im  Verlaufe  der  Unter- 
richtsstunden entwickelt,  geradezu  durch  Hunger  verursacht.  So  erklärt 
es  sich  ungezwungen,  weshalb  die  Kopfschmerzen  in  den  Sommerferien  oft 
nachlassen.  Die  Kinder  bringen  diese  Zeit  häufig  auf  dem  Lande  zu  und 
erhalten  hier  eine  kräftigere  und  rationellere  Kost. 

Speisung  von  Schalkindern  in  Nftrnberg.  Wie  unlängst  in  einer 
Magistratssitznng  der  Vorsitzende  mitteilte,  werden  seit  einigen  Jahren 
durch  Wohltäter  die  Mittel  aufgebracht,  um  Schulkindern,  die  zu  Hanse 
kein  warmes  Frühstück  oder  kein  warmes  Mittagessen  erhalten,  während 
der  Winterszeit  hiermit  zu  versehen.  Im  letzten  Winter  sind  51  Kinder 
mit  Frühstück  und  239  Kinder  mit  Mittagessen  bedacht  worden.  Von 
diesen  Kindern  waren  102  hier  und  146  auswärts  beheimatet.  Die  Kosten 
beliefen  sich  auf  3044  Mark.  Herr  Bürgermeister  Geh.  Hofrat  Dr. 
Y.  Schuh  dankte  den  Spendern,  femer  den  Armenpflegschaftsräten,  nament- 
lich Herrn  Kommerzienrat  GALLiKaEB,  für  die  Mühewaltung. 


Sogesgefc^ii^tlif^eB. 


IV.  JahresYersammlnng  des  Allgemeinen  Deutschen  Vereins 

Ar  Schnlgesnndheitspflege    am   2.  und  3.  Juni  1903  in  Bonn.     Die 
Tagesordnung  weist  folgende  Vorträge  auf: 
1.  Der   Lehrplan    der    höheren    Schulen    in    Beziehung    zur 
Unterrichtshygiene.     Ärztliches  Referat, 
a)  Lehrstoffe  und  Lehrziele  einschlieblich  der  häuslichen  Schularbeiten. 
Referent:  Herr  Dr.  med.  Kastenholz-KöIu. 


406 

b)  Stundenverteilung  einschliefslich  des  Nachmittagsunterrichts. 

Referent:  Herr  Dr.  med.  RENSBURO-Solingen. 

c)  Schulanfang  und  Schlafzeit,   Erholungszeit  im  Freien  und   in  der 
Familie. 

Referent:  Herr  Dr.  med.  J.  G.  Rey- Aachen. 

2.  Der  Schulturnunterricht  und  die  Bewegungsspiele  im 
Sinne  der  Schulhygiene. 

Referenten:  Herr  Dr.  med.  F.  A.  SCHMiDT-Bonn. 

Herr  Professor  Wickenhagen- Rendsburg. 

3.  Skoliose  und  Schule. 

Referent :  Herr  Privatdozent  fdr  Chirurgie  Dr.  med.  H.  Prtebsen- 

Bonn. 

4.  Der  hygienische  Unterricht  in  der  Schule. 

Referent:  Herr  Professor  Dr.  med.  FiNKLEK-Bonn. 

5.  Deutsche  und  englische  Schulerziehung  vom  hygienischen 
Standpunkte  aus  betrachtet. 

Referent:  Herr  Seminardirektor  Dr.  PABST-Leipzig. 

6.  Schule  und  Kleidung. 

Referent:  Herr  Dr.  med.  SELTEK-Solingen,  Vorsitzender  der  Ver- 
einigung niederrheinisch-westfalischer  Kinderärzte. 

7.  Alkoholhygiene  in  der  Schule. 

Referent:  Herr  Dr.  med.  M.  KoEMAN-Leipzig. 
8.  Zweck,  Arten,  Ausführung  und  Mittel  zur  Verbreitung  der 
Jugend-  und  Volksspiele. 

Referent:  Herr  Rektor  ENDRis-Rttdesheim, 
Reorganisation  der  Milchkuren  in  Zürich.     Der  Zentralvorstand 

der  Züricher  Ferienkolonien  hat  in  dieser  Beziehung  unlängst  folgende  Be- 
schlüsse gefafst: 

Die  Kreiskomitees  werde  ersucht,  versuchsweise  die  Milchkuren  im 
laufenden  Jahre  überall  wieder  durchzuführen.  Es  werden  ihnen  hierfür 
folgende  Punkte  zur  Berücksichtgiung  empfohlen : 

1 .  Die  Eltern  haben  ihre  Kinder  beim  Klassenlehrer  schriftlich  anzumelden. 
Der  Lehrer  begutachtet  das  Gesuch  zu  Händen  einer  Frauenkommission, 
die  jede  Anmeldung,  wenn  notwendig  durch  Hausbesuch,  prüft  und 
dem  Komitee  Antrag  stellt. 

2.  Gestützt  auf  diese  Anmeldungen,  kommt  das  Kreiskomitee  beim  Zentral- 
vorstand um  den  nötigen  Kredit  ein. 

3.  Als  Stationen  sind  in  erster  Linie  an  der  Peripherie  des  Kreises  ge- 
legene Orte    an   den  Abhängen  von  Ütli-  und  Zürichberg  zu  wählen. 

4.  Eine  Station  soll  in  der  Regel  nicht  mehr  als  50  Kinder  zählen.  Wo 
mehrere  Stationen  nötig  sind,  ist  Geschlechtertrennung  geboten. 

5.  Die  Speisung  geschieht  successive  nach  dem  Eintreffen  der  Kinder, 
morgens  von  8 — 9,  abends  von  6 — 7  Uhr. 

6.  Es  sind  bei  der  Speisung  die  Nährbedürfnisse  der  Kinder  insoweit  zu 
berücksichtigen,  als  jedes  Kind  bis  zur  vollen  Sättigung  gespeist 
werden  soll. 

7.  Bei  trockenem  Wetter  sind  gemeinsame  Spaziergänge  vormittags  nach 
oder  abends  vor  der  Speisung  zu  empfehlen. 


407 

8.  Während  der  Earzeit  darf  zwei-  bis  dreimal  zum  Zwecke  ganztägiger 
Inanspruchnahme  der  Kinder  an!  der  Station  ein  Mittagessen  ver- 
abreicht werden. 

Eine  Denksehrift  des  Schweiz.  Vereins  abstinenter  Lehrer  und 
Lehrerinnen,  betreffs  Erziehung  der  lernenden  Jagend  im  Geiste 
der  Enthidtsamkeit  und  Nfichternheit/  ist  vom  Verein  dem  Bandesrat 
and  den  Regierangen  der  einzebien  Kantone  übermittelt  worden.  Der  £r- 
ziehangsrat  des  Kantons  Zürich  hat  mit  Bezag  anf  diese  Eingabe  folgenden 
Beschlofs  gefafst: 

I.  Die  Lehrerschaft  der  Zürcherischen  Unterrichtsanstalten  aller  Stafen 
wird  auf  die  Ansführangen  des  Schweiz.  Vereins  abstinenter  Lehrer  and 
Lehrerinnen,  betreffend  die  Anbahnang  einer  energischen  Bekämpfong  des 
Alkoholismns  darch  die  staatlichen  Unterrichts-  und  Erziehangsanstalten, 
aaimerksam  gemacht  and  zugleich  eingeladen,  durch  ihr  Wirken  in  der 
Schale  sowohl,  als  auch  im  privaten  Leben  den  Anregungen  die  der 
Wichtigkeit  der  Sache  entsprechende  Aufmerksamkeit  zu  schenken. 

II.  Auf  die  Anregung,  es  sei  bei  der  Abfassung  von  Lehrmitteln  für 
die  Volksschulen  den  Antialkoholbestrebungen  Beachtung  zu  schenken,  soll 
im  gegebenen  Fälle  zurückgekommen  werden. 

(Ein  sehr  magerer  Beschluß,  der  in  seiner  allgemeinen  Fassung  den 
Verein  schwerlich  befriedigen  dürfte.     D.  Red.) 

{„Ämtl  SchulhL  d.  Et.  Zärich\  1903,  No.  4.) 

Eine  Pflegeanstalt  fBr  geistesschwache,  bildnngsfthige,  „blSd- 

sinnige''  Kinder    soll    in  Zürich    gegründet  werden.     In    dem  warmen 
„Aufrufe  an  dasVolk^,  vermittels  dessen  die  gemeinnützigen  Gesellschaften, 
zur  Sammlung  von  Beiträgen  auffordern,  helfet  es  u.  a.: 

Die  Errichtung  dieser  Anstalt  ist  eine  bittere,  immer  dringendere 
Notwendigkeit.  Die  Enquete  im  Jahre  1897  hat  im  Kanton  Zürich  allein 
2Ö4  blödsinnige  Kinder  aufgewiesen.  Davon  sind  92  in  den  Anstalten  für 
Blinde,  Taubstumme,  Epileptische  und  Schwachsinnige  versorgt;  im  Volke 
leben  also  noch  162  dieser  unglücklichen  Kinder,  teils  bei  ihren  Eltern, 
teils  bei  andern  Familien  verkostgeldet.  Seit  fünf  Jahren  ist  diese  Zahl 
noch  gewachsen.  Für  diese  ärmsten  unter  den  armen  Kindern  findet  sich 
in  der  ganzen  deutschen  Schweiz  keine  entsprechende  Anstaltsversorgung, 
Unsere  kantonalen  Pflegeanstalten  können  entweder  blödsinnige  Kinder  gar 
nicht  oder  nur  ganz  ausnahmsweise  aufnehmen;  ihre  Direktionen  halten 
eine  besondere  Kinderpflegeanstalt  für  ein  dringendes  Bedürfnis.  Die  pro- 
jektierte Anstalt,  der  Fürsorge  für  bildungsunfähige  Kantonseinwohner 
beiderlei  Geschlechts  und  jeder  Konfession  gewidmet,  tritt  zuerst  als  Pflege- 
nnd  Bewahranstalt  für  Ejnder  ins  Leben  und  nimmt  nur  Kinder  auf.  Wenn 
tnnlich,  können  solche  aber  auch  als  Erwachsene  in  der  Anstalt  verbleiben. 
Das  Haus  wird  vorderhand  für  50  Pfleglinge  eingerichtet;  auf  allmähliche 
Erweiterung  ist  bereits  Bedacht  genommen.  Vorgesehen  ist  ein  einheit- 
licher Bau,  solid  aber  einfach,  mit  Berücksichtigung  des  Familiensystems. 

Fragebogen  Aber  den  Gesundheitszustand  der  neneintretenden 
Sehnlkinder   werden,  wie  die   j^Barmer  Ztg.*"  mitteilt,   nach  einem  Be- 


'  S.  diese  Zeitschrift,  1902,  S.  104. 


408 

Schlüsse  der  städtischen  Schuldepatation  in  Düsseldorf  den  £ltem  zu- 
gesandt. Aufgabe  der  Lehrer  ist  es  dann,  diese  Angaben  weiter  zu  yer- 
folgen  and  zu  ergänzen,  so  dafs  sie  alsdann  der  einige  Wochen  nach  der 
Schnlanfnahme  stattfindenden  schulärztlichen  Untersuchung  als  Grundlage 
dienen  können.  Von  der  Stadt  werden  auch  Mittel  zur  Verfügung  gestellt, 
damit  an  die  gesundheitlich  schwachen  Kinder  unbemittelter  Eltern  eine 
Zeitlang  Stärkungsmittel  verabreicht  werden  können. 

Über  das  Verbot  des  SpieleDs  der  Kinder  in  den  Sffentlichen 
Oartenanlagen  Wiens  beklagt  sich  die  „Deutsche  Schulelg^.  Mit  Reifen 
und  Bällen  dürfen  die  Kinder  in  Zukunft  nur  noch  auf  den  hierzu  be- 
stimmten Plätzen  spielen.  Wir  raten  —  sagt  die  genannte  Zeitung  —  dem 
löblichen  Magistrat,  er  möge  sich  einmal  recht  wohl  überlegen,  wie  viele 
Kinder  es  in  Wien  gibt  U4id  wie  wenig  für  solche  Spiele  „bestimmte 
Plätze^  —  wie  der  hübsche  Ausdruck  lautet.  Er  wird  sicher  ebenso  wie 
wir  zu  dem  Resultate  kommen,  dafs  die  sogenannten  Kinderspielplätze  mit 
ihrer  Zahl  und  ihrem  Flächenraum  in  einem  argen  Miüsverhältnis  zur  statt- 
lichen Zahl  unserer  Wiener  Kinder  stehen.  Wir  sind  mit  solchen  Ver- 
fügungen vollkommen  einverstanden,  wenn  mau  gleichzeitig  unseren 
Kindern  die  eiiorderlichen  Plätze  fDr  ihre  Bewegungsspiele  zur  Verfügung 
stellt.  Aber  da  man  gegenwärtig  diese  nicht  hat,  lasse  man  unsere  Jugend 
auch  auf  den  breiteren  Wegen  im  Garten  ihren  Reifen  treiben  und  ihren 
Ball  werfen  —  ein  Unglück  wiid  ja  dabei  ohnehin  nicht  geschehen.  Durch 
einen  Reifen  ist  noch  niemand  verletzt  worden,  und  ein  verirrter  Gummi- 
ball hat  noch  niemals  einen  Vorübergehenden  beschädigt.  Aber  unsere 
Jugend  wird  gefährdet,  wenn  man  solche  Verfügungen  hinausgibt,  ohne  fär 
entsprechend  geräumige  Spielplätze  zu  sorgen.  Die  Jugend,  welche  nun 
einmal  Reifen  treiben  und  Ball  werfen  will,  wird  ihren  Spielplatz  auf  die 
Strafse  verlegen  und  dort  bei  den  heutigen  Verkehrsverhältnissen  an  Ge- 
sundheit und  Leben  bedroht  sein.  Da  hatten  es  die  Kinder  vor  20  Jahren 
besser;  damals  gab  es  noch  viel  mehr  unbebaute  Gründe  als  heute,  nament- 
lich waren  in  der  Gegend  der  Linienwälle  weite  Rasenflächen  vorhanden, 
auf  denen  man  sich  nach  Herzenslust  herumtummeln  konnte.  Die  Jugend 
von  heute  darf  sich  den  Rasen  nur  ansehen;  wehe,  wenn  ein  Ball  sich 
in  das  kostbare  Grün  verirrt!  Der  neueste  Erlafs  bedroht  für  solchen 
Frevel  die  Eltern  mit  Strafen,  die  bis  zu  einer  erschrecklichen  Höhe  an- 
steigen. Hier  rächt  sich  wieder  einmal,  dafs  man  bei  Stadterweiterungen, 
Schaffang  von  öffentlichen  Gartenanlagen  u.  dergl.  nur  Architekten  und 
Gärtner  firagt  und  sich  um  das  Urteil  der  Eltern  und  Pädagogen  nicht 
kümmert.  In  Wien  werden  jahraus,  jahrein  neue  Gartenanlagen  geschaffen, 
aber  der  Platz  für  unsere  Jugend  wird  immer  kleiner.  Wir  sind  überzeugt, 
dafs  es  nur  einer  entsprechenden  Anregung  bedarf,  und  der  löbliche 
Gemeinderat  wird  bei  der  Ausgestaltung  von  öffentlichen  Anlagen  durch 
Schaffung  von  ausgiebig  grofsen  Spielplätzen  auch  unserer  spielfreudigen 
Jugend  nicht  vergessen.  (Mitgeteilt  von  Dir.  E.  BAYR-Wien.) 

Das  New  Yorker  Hospital  ffir  verkrfippelte  Kinder  hat  soeben 

seinen  Jahresbericht  herausgegeben.  Während  des  verflossenen  Jahres  sind 
35  Patienten  behandelt  worden,  10  davon  konnten  als  geheilt  entlassen 
werden.     150  Aufnahmegesuche  liefen   ein,   sie  konnten  aber  infolge    der 


409 

nicht  genttgenden  Räumlichkeiten  nur  zum  kleinsten  Teil  berücksichtigt 
werden. 

HessiiBgen  des  Tageslichtes  wurden  —  wie  wir  dem  ^Cleveland 
Med,  Joum,'*  (II,  3)  entnehmen  —  in  den  Schulen  Glevelands  vor- 
genommen. Es  ergab  sich,  dafs  von  40  Wintertagen  28  so  dunkel  waren, 
da£3  das  natfirliche  Licht  in  den  Klassenzimmern  in  keiner  Weise  ausreichte. 

Eine  Enquete  Aber  die  Zahnpflege  der  Yolksschttler  wurde  von 

den  Wiener  zahnärztlichen  Vereinen  angeregt.  Infolgedessen  fand,  wie  die 
„N.  JFV-.  Presse"^  mitteilt,  unlängst  in  der  niederösterreichischen  Statthalterei 
eine  Versammlung  statt,  an  welcher  Vertreter  des  Ministeriums  des  Innern, 
des  Landesschulrates,  des  Stadtphysikates,  der  Gemeinde  Wien  und  der 
zahnärztlichen  Vereine  teilnahmen.  Der  Gedanke,  durch  Zahnärzte  Re- 
visionen bei  den  Volksschülern  vornehmen  zu  lassen,  um  kariöse  Zähne 
möglichst  frtth  der  ärztlichen  Behandlung  zuführen  zu  können  und  dadurch 
bleibenden  Schädigungen  vorzubeugen,  fiel  nicht  auf  fruchtbaren  Boden ;  die 
Versammlung  ging  resultatlos  auseinander.  Gegen  die  Durchftlhrung  des 
Projektes  sprach  sich  insbesondere  der  Vertreter  der  Kommune  aus:  ihm 
scheine  es,  dafs  es  sich  nur  um  Schaffung  von  einigen  Stellen  für  Schul- 
Zahnärzte  handle;  es  bestehe  die  Gefahr,  dafs  die  Schulkinder  durch  un- 
saubere Instrumente  infiziert  werden  könnten;  in  den  Ambulatorien  werden 
ohnehin  Hunderte  von  Zähnen  unentgeltlich  „gerissen'^ ;  die  Eltern  würden 
sich  der  Untersuchung  ihrer  Kinder  widersetzen,  und  endlich  koste  die 
Sache  Geld.  Der  Vertreter  der  Kommune  beurteilt,  so  betont  die  „  Wimer 
medic.  Wochenschrift''  mit  Recht,  grofse  hygienische  Fragen  von  dem 
Standpunkte  des  —  Kleingewerbetreibenden. 

MafsrcgelD  gegen  die  Wcitcrverbreitiuig  der  Tnberkidose  in 

der  Schule.  Die  hannoveranische  Regierung  hat  vor  einigen  Wochen  von 
den  höheren  Lehranstalten  berichten  lassen,  welche  Mafsregeln  seit 
1899  gegen  die  Weiterverbreitung  der  Tuberkulose  in  der 
Schule  getroffen  sind,  und  mit  welchem  Erfolg  es  geschehen 
ist.  Die  Eltern  werden  mit  Befriedigung  diese  Nachricht  vernehmen,  da 
sie  zeigt,  dafs  die  Schule  sich  angelegen  sein  läfst,  in  dem  Kampfe  gegen 
die  verlieerenden  Folgen  der  Tuberkulose  mit  tätig  zu  sein.  Der  Schule 
stehen  auch  mancherlei  Mittel,  die  sich  hier  anwenden  lassen,  zu  Gebote. 
So  werden  die  Kinder,  die  in  dem  Verdachte  stehen,  tuberkulös  zu  sein, 
so  viel  als  möglich  von  den  gesunden  abgesondert;  sie  werden  angehalten, 
die  Spucknäpfe  zu  benutzen,  wie  überhaupt  allen  Schülern  zur  Pfiicht  gemacht 
ist,  nicht  auf  den  Fulsboden  zu  spucken.  Es  wird  feiner  auf  eine  gründ- 
liche Reinigung  der  Klassenräume  viel  Gewicht  gelegt,  wobei  besonders 
der  Bekämpfung  des  Staubes  ein  lebhaftes  Interesse  zugewandt  wird.  Dafs 
sodann  die  Abhaltung  von  Tumspielen  in  freier  Luft  ein  wirksames  Mittel 
ist,  die  Jugend  zu  kräftigen  und  sie  widerstandsfähig  zu  machen,  ist 
bekannt.  Endlich  ist  man  in  neuester  Zeit  noch  dazu  übergegangen,  bei 
passender  Gelegenheit  im  Unterrichte  direkte  Belehrungen  über  das  Wesen 
der  Tuberkulose,  über  die  Weiterverbreitung  und  die  Bekämpfung  derselben 
zu  geben.  Das  ist  offenbar  ein  besonders  wichtiges  Mittel,  da  bisher  Un- 
kenntnis und  Gleichgültigkeit  viel  dazu  beigetragen  haben,  die  Tuberkulose 
zu  einer  Ausbreitung  zu  bringen,  die  geradezu  erschreckend  genannt  werden 


410 

mufs.  Es  mag  schliefslich  erwähnt  werden,  dafs  dieselbe  Sorgfalt  hin- 
sichtlich der  Bekämpfung  der  Tuberkulose  auch  in  der  Volksschule  be- 
obachtet wird,  so  dafs  von  allen  unseren  Schulen  zu  sagen  ist,  dals  sie 
auch  hierin  ihre  Schuldigkeit  tun. 

Ein  neues  Gesetz  gegen  Kinderarbeit  in  Nordamerika  ist,  nach 

einem  Berichte  des  „New  York  Med.  Joum.*^  (No.  10),  kOrzlich  zur  An- 
nahme gelangt.  Eine  jede  Beschäftigung  im  offenen  Geschäft,  auf  dem 
Kontor^  Telegraphenamt,  im  Restaurant,  die  mehr  als  54  Stunden  wöchent- 
liche Arbeitszeit  verlangt,  ist  Kindern  unter  16  Jahren  untersagt.  Über- 
haupt dürfen  Kinder  nur  dann  beschäftigt  werden,  wenn  sie  ein  ent- 
sprechendes amtliches  Gesundheitszeugnis  vorlegen  können.  Kinder  unter 
12  Jahren  dttrfen  während  der  Ferien  nur  in  Dörfern  und  kleinen  Städten 
beschäftigt  werden. 


Xntiitc^e  )Derfn$ttti0eti. 


Kreissehreiben  der  Erziehnngsdirektion  des  Kantons  Zfirich  an  die 
SehnlbeliSrden  nnd  die  Lehrersehaft  der  Primarschnle,  betreflTend 
die  Untersnehnng  der  in  das  schnlpflichtige  Alter  eingetretenen 
Kinder  anf  das  Vorhandensein  geistiger  nnd  kSrperlicher  Gebrechen. 

Unter  Hinweis  auf  die  Kreisschreiben  der  Erziehungsdirektion  vom 
25.  Mai  1899  sowie  vom  21.  Dezember  1901  werden  die  Schulbehörden 
und  die  Lehrer  der  Primarschule  ersucht,  die  auf  Beginn  des  Schn^ahres 
1903/4  in  das  schulpflichtige  Alter  eingetretenen  Kinder,  gleich  wie  in  den 
letztverflossenen  Jahren,  hinsichtlich  allfällig  vorhandener  geistiger  oder 
körperlicher  Gebrechen  zu  untersuchen.  Mit  Bezug  auf  die  Art  der  Durch- 
führung der  Untersuchung  wird  auf  die  seinerzeit  vom  eidgenössischen 
Departement  des  Innern  erlassene  Instruktion  verwiesen.  Für  die  Unter- 
suchung der  Augen  wird  die  Anschaffung  der  ^Sehproben^  von  Dr.  Adolf 
Steigeb,  Augenarzt  in  Zürich  (Hofer  &  Cie.,  Preis  Fr.  1. — ),  empfohlen, 
die  auf  der  Rückseite  der  Tafel  zugleich  eine  Anleitung  für  den  Gebrauch 
der  Proben  zur  Prüfung  der  Sehschärfe,  sowie  zur  Bestimmung  des  zum 
Lesen,  Schreiben,  Nähen,  Zeichnen  und  verwandter  Beschäftigungen  not- 
wendigen Beleuchtungsminimums  enthalten.  Die  Untersuchungen  sind  im 
Laufe  des  Sommerhalbjahres  auszuführen,  die  Resultate  sind  unter  Be- 
nutzung des  vom  eidgenössischen  Departement  des  Innern  festgesetzten 
Formulars  bis  spätestens  Ende  Oktober  1.  J.  der  Erziehungskanzlei  zuzu- 
stellen, und  zwar  ist  —  unter  Angabe  der  Zahl  der  Schüler  der  Klasse  — 
auch  dann  ein  Formular  einzusenden,  wenn  keine  Schüler  als  anormal  zu 
bezeichnen  sind.  Die  Resultate  der  Untersuchung  sind  femer  in  die  be- 
treffenden Rubriken  der  Absenzenliste  einzutragen  und  in  den  folgenden 
Jahren  fortzuführen,  sofern  nicht  eine  Hebung  allfälUger  Gebrechen  sich 
mit  der  Zeit  ergibt. 


411 

Sehr  zu  begrüfsen  wäre  es,  wenn  die  ärztlichen  Mitglieder  der  Schal- 
behörden diesen  Untersuchungen  auch  im  laufenden  Jahre  ihre  Aufmerksam- 
keit zuwenden  und  den  Lehrern  bei  der  Ausführung  der  Untersuchung, 
wie  bei  der  Beobachtung  der  betreffenden  Fälle  ihren  Beistand  leisten 
würden. 

Sodann  ist  zu  beachten,  dab  diese  Untersuchungen  nicht  blofe  Mate- 
rialien für  eine  schweizerische  Statistik  liefern,  sondern  direkt  praktischen 
Nutzen  bringen  sollen  in  dem  Sinne,  dafs  die  Schulo]^;ane  sich  in  jedem 
einzelnen  Falle  fragen,  in  welcher  Weise  em  allfällig  vorhandenes  Übel 
gehoben  werden  kann  oder  was  zur  Verhütung  der  weiteren  Entwicklung 
desselben  getan  werden  sollte;  die  Eltern  der  Kinder  werden  zweifelsohne 
den  Schulbehörd^  und  Lehrern  fttr  ihre  Ratschläge  dankbar  sein.  Es 
ist  sodann  im  besondem  darauf  zu  achten,  daüs  kurzsichtigen  oder  schwer- 
hörigen Schfllern  diej^iigen  Plätze  im  Schulzimmer  angewiesen  werden, 
welche  ihnen  ermöglichen,  auch  bei  ihren  Gebrechen  dem  Unterrichte 
zu  folgen. 

Bei  diesem  Anlasse  wird  der  Lehrerschaft  und  den  Schulpflegen  die 
FOisorge  für  diejenigen  Schaler,  welche  in  körperlicher  oder  geistiger 
Hinsicht  als  gebrechlich,  zurückgeblieben  oder  schwach  zu  bezeichnen  sind, 
oder  deren  Verhältnisse  in  sozialer  Bichtung  nicht  als  normal  bezeichnet 
werden  müssen,  besonders  ans  Herz  gelegt. 

Zürich,  27.  April  1908. 

Die   Erziehungsdirektion. 


itiittaint. 


Bespreo  hangen. 

ZoLUKesB,  F.    WeltaiiBstelliuif  in  Paris.    Beatreliniigefi  auf  dem 
fiebiete   der  SehulgefliindlMitspflege   und   des   Kindersebntses. 

Bericht   an   den   h.    Bundesrat   der   schweizerischen  Eidgenossenschaft. 

Mit  103  Figuren  im  Texte  und  einer  gröiserep  Anzahl  von  Illustrationen 

als  Anbang.     Zürich,  Verlag  yon  Orell-Füssli  1902.     Preis  Frs.  6.—. 

YerÜBsser   wurde   vom  schweizerischen  Bundesrate  als  pädagogischer 

Experte  an  die  Pariser  Weltausstellung  entsandt   und   auch  zum  Besuche 

der  internationalen  Kongresse  für  das  Primär-  und  Mittelschulwesen,    filr 

die  pädagogische  Presse  und  für  physische  Erziehung,    welche   im  August 

und  September  1900  in  Paris  stattfanden,  abgeordnet  mit  dem  Auftrage, 

über  die  hierbei  gemachten  Beobachtungen  Bericht  zu  erstatten. 

Der  Bericht  zerfällt  in  drei  Hauptabschnitte,  von  denen  der  erste 
in  summarischer  Weise  der  Ausstellungsobjekte  erwähnt,  sodann 
kncz  den  Inhalt  der  von  den  verschiedenen  Ländern  aasgestellten  offi- 
ziellen Publikationen  wiedergibt,  und  schließlich  in  gedrängter,  aber 

Sehalge  sandheitspflegre.  XVI.  22 


412 

klarer  Darstellimg  nns  die  an  den  vier  Kongressen  behandelten 
wesentlichsten  Fragen  nebst  den  Besolntionen  der  Kongresse 
Yorführt. 

Der  zweite  Abschnitt  umfaM  die  derzeitigen  Bestrebungen  auf 
dem  Gebiete  der  Schulgesundheitspflege.  Verfasser  beginnt  mit 
dem  Schul  haus  und  bespricht  hier,  teilweise  im  Anschluüs  an  die  aus- 
gestellten Objekte  und  die  in  den  yerschiedenen  Ländern  vorhandenen  ge- 
setzlichen Bestimmungen  und  Verordnungen,  teilweise  an  Hand  der  ein- 
schlägigen Literatur  und  persönlicher  Erfahrung,  alle  diejenigen  Fragen 
und  Gesichtspunkte,  welche  für  Bau  und  Einrichtung  des  Schulhauses  in 
hygienischer  Beziehung  mafsgebend  sind.  —  Die  Lage  und  Grölse  des 
Platzes,  die  Orientierung  des  Schulhauses,  die  Systeme  des  Schulhausbaues, 
die  Turnhallen,  das  Schulzimmer  mit  Bezug  auf  Grölse,  Konstruktion  der 
Wände,  Decken,  Fu&böden,  Beleuchtung,  Heizung  und  Ventilation,  Mobiliar, 
Nebenräume  (Korridore,  Garderoben,  Abortanlagen,  Schulbäder,  Schulkttchen, 
Schfllerwerkstätten,  Speisezimmer,  Lokale  für  Jugendhorte  etc.),  die  Reini- 
gung der  Schullokale  und  die  Umgebung  des  Schulhause«.  Sodann  be- 
handelt er  in  bündiger  Weise  die  yerschiedenen,  die  Hygiene  des 
Unterrichtes  betreffenden  Fragen  —  Beginn  und  Dauer  der  Schul- 
pflicht, Maximalstärke  der  Klasse,  Zahl  der  wöchentlichen  Unterridits- 
stunden,  Ansetzung  der  Unterrichtszeit,  Zahl  und  Dauer  der  Lektionen, 
Aufeinanderfolge  der  Unterrichtsfächer,  Pausen,  Freihalbtage,  Ferien,  phy- 
siche Erziehung,  Handarbeitsunterricht  für  Knaben  und  Mädchen,  Ein- 
richtungen für  geistig  minderwertige  Kinder,  Lehrmittel  und  Schulmaterialien, 
sowie  den  Anteil  der  Schule  am  Kampfe  gegen  den  Alkoholismus.  — 
Eine  besonders  eingehende  Behandluug  ist  den  Bestrebungen  auf  dem 
Gebiete  des  Kinderschutzes  zu  teil  geworden.  Verf.  schildert  hier 
die  frühere  und  gegenwärtige  Au&ahme  der  Kinder  in  die  Pariser  Für- 
sorgeanstalten und  die  yerschiedenen  Formen  der  Versorgung  in  Paris, 
geht  sodann  über  zur  Fürsorge  speziell  für  uneheliche  Kinder,  bespricht 
die  yerschiedenen  Systeme  der  Fürsorge  —  das  Findelhaussystem  mit  den 
yerschiedenen  Formen  der  Au&ahme  und  Weiterbehandlung  der  Kinder, 
das  System  der  Remuneration  der  Mütter  und  das  germanische  Versorgungs- 
und  Vormundschaftssystem,  das  die  Findelhäuser  nicht  kennt  — ,  und 
behandelt  schlielslich  yerschiedene  sozialpolitische  Bestrebungen  auf  dem 
Gebiete  des  Kinderschutzes  mit  yorwiegend  priyatem  Charakter.  —  Die 
Sorge  für  rationelle  Ernährung  der  Säuglinge  in  der  Familie,  die  Kinder- 
krippen, die  yerschiedeuartigen  Kinderbewahranstalten,  Kleinkinderschulen, 
Kindergärten,  die  Ferienkolonien,  die  Anstalten  für  Schutz  der  Kinder 
gegen  Ausbeutung  und  Miishandlung  seitens  der  Eltern  oder  Besorger,  die 
Fürsorge  für  dürftige,  sittlich  gefährdete  und  yerwahrloste  Kinder  und 
endlich  die  Schulsparkassen  und  Schüleryersichemngen. 

In  dem  Werke  Zollingebs  haben  wir  nicht  einen  gewöhnlichen 
AusstelluBgsbericht  yor  uns,  nicht  eine  trockene  Aufzählung  des  Gesehenen. 
Das  trotz  seiner  Mannigfaltigkeit  und  Grölse  sehr  lückenhafte  Material  der 
Ausstellung  dient  dem  Verf.  nur  als  Grundlage  zur  Besprechung  aller 
wichtigen  Fragen  auf  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  und  des  Kinder- 
scbutzes,  zu  einer  wenn  auch  kurzen,  so  doch  prädsen,  yerständnisyoUen 


413 

und  fftblichen  Schilderung  aller  jener  praktischen  Bestrebungen  und  Wohl- 
fahrtseinrichtnngen,  welche  die  Neuzeit  in  den  verschiedenen  Kulturländern 
für  die  erste  Kindheit,  für  das  vorschulpflichtige  und  für  das  schulpflichtige 
Alter  zu  Tage  gefördert  hat.  Aus  dem  ungeachtet  seines  ümfanges  zeit- 
lich und  raumlich  begrenzten  Bereiche  der  Ausstellung  fOhrt  uns  der  Verf. 
hinaus  ins  öffentliche  Leben.  Er  verweilt  nicht  bei  den  einzelnen  aus- 
gestellten Gegenständen,  sondern  läfst  uns  gleichsam  aus  der  Vogelperspek- 
tive alles  das  Oberblicken,  was  auf  den  von  ihm  behandelten  Gebieten  in 
Wirklichkeit  geschaffen  worden  ist.  Und  Obenül  werden  neben  den  inter- 
essanten und  wichtigen  Details  auch  die  allgemeinen  Gesichtspunkte 
ins  richtige  Licht  gestellt. 

Der  Yollstftndigkeit  halber  muis  allerdings  gesagt  werden,  daCs  man 
hier  und  da  in  Einzelheiten  den  Ausführungen  des  Verf.,  wenigstens  im 
Kapitel  Ober  Schulhausbau  und  -Einrichtungen  nicht  unbedingt  zustimmen 
kann.  Dies  gilt  z.B.  fttr  die  Frage  der  Orientierung  der  Schul- 
hauser,  bei  deren  Behandlung  die  Notwendigkeit  einer  gleichmafsigen 
Beleuchtnng  der  Klassenzimmer  unterschätzt  ist,  während  die  biologischen 
Vorzüge  der  direkten  Besonnung  dieser  Lokalitäten  zu  hoch  gewertet  sind. 
Auch  in  der  absoluten  Verurteilung  der  natürlichen  Lüftung 
der  Schulzimmer  während  des  Unterrichts  bei  niedriger  Aufsen« 
temperatur  geht  der  Verf.  in  Anbetracht  der  in  sächsischen  Schulen 
in  dieser  Hinsicht  gemachten  Erfahrungen  entschieden  zu  weit.  Den  ver- 
schiedenen Schulbankkonstruktionen  von  Schenk  gegenüber,  die 
sich  —  das  darf  wohl  jetzt  gesagt  werden  —  im  allgemeinen  doch  nicht 
bewährt  haben,  hätte  uns  ein  mehr  skeptisches  Verhalten  des  Verf.  besser 
entsprochen.  Erwähnt  darf  wohl  auch  werden,  dafs  es  zu  Milsverständ- 
nissen  Anlals  geben  kann,  wenn  der  Verf.,  entgegen  dem  allgemein  an- 
genommenen Sprachgebrauche,  als  ^Distanz^  die  horizontale  Entfernung 
des  Tischrandes  von  der  Lehne,  statt  vom  vorderen  Bankrande 
bezeichnet. 

Diese  und  ähnliche  Bemerkungen,  die  noch  gemacht  werden  könnten, 
setzen  natürlich  in  keiner  Weise  den  grofsen  Wert  des  ZoLLiNGEBschen 
Buches  herab,  um  so  weniger,  als  man  ja  in  guten  Treuen  über  einzelne 
Fragen  auf  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  verschiedener  Ansieht  sein  kann. 
Zn  erwähnen  ist  noch,  dafs  das  Buch  in  gefälligem  Stile  geschrieben, 
nicht  zu  sehr  mit  technischen  Details  überladen  ist  und  sich  leicht  und 
angenehm  liest.  Sehr  wertvoll  sind  die  zahlreichen  Illustrationen,  welche 
der  Verf.  seinem  Werke  beizugeben  in  der  Lage  war.  In  einzelnen  Fälleui 
wo  es  sich  um  Zeichnungen  handelt,  die  in  gewissen  Beziehungen  nicht 
vorbildlich  sein  können,  hätte  es  sich  vielleicht  empfohlen,  auf  das  fehler- 
hafte der  Anlage  auänerksam  zu  machen. 

Wir  begrüften  das  Erscheinen  des  ZoLLiNGEBschen  „Berichtes^  und 
empfehlen  das  Werk  allen  dei^enigen,  die  sich  aus  Pflichtgefühl  oder 
persönlicher  Neigung  für  Schulwesen  und  Kinderschutz  interessieren,  und 
denen  die  Schaffung  günstiger  Verhältnisse  für  die  körperiiche  und  geistige 
Entwicklung  des  Kindes  am  Herzen  liegt.  F.  Ebismann. 


22' 


414 

Prof.  Dr.  Ffistee.  Die  Erriehüng  und  Bebandlang  seeliseh  Be- 
lasteter in  Haus  und  Scknle.  Münch,  medi$.  Wochmsckr.  (No.  7 
u.  8,  1903.) 

Die  Arbeit  des  Verfassers,  der  üniYersit&tsprofessor  und  erster  Assi- 
stenzarzt an  der  psychiatrischen  Klinik  Freibarg  i.  B.  ist,  interessiert  uns 
insoweit,  als  die  Schule  dabei  in  Betracht  kommt.  Seelisch  Belastete 
sind  solche  Personen,  welche  durch  Vererbung  oder  infolge  Schädlichkeiten 
des  Lebens  eine  yerminderte  WiderstandsfAhigkeit  der  nervösen  Zentral- 
organe besitzen.  Die  Gefahr  für  solche  minderwertige  Individuen  be- 
steht darin,  dals  sie  leichter  als  normale  Kinder  schwer  erkranken  oder 
in  ihrem  Cfemtttsleben  ernstlich  aus  dem  Gleichgewicht  gebracht  werden, 
wenn  starke  Anstrengungen  geistiger  oder  körperlicher  Art  oder  nnan- 
genehme  Ereignisse  an  sie  herantreten.  Solche  Kinder  sind  in  der  Schule 
die  Nachzügler,  die  leicht  ermüden  und  in  ihrer  Aufmerksamkeit  erlahmen. 
Pfistbb  berichtet  nach  den  Zusanmienstellungen  von  Kolleb  und 
Benba,  da(s  die  Zahl  der  nervenschwachen  Schulkinder  eine  ganz  bedeu- 
tende sei,  nach  dem  einen  59%,  nach  dem  anderen  50%.  Aus  dieser 
Zahl  wird  die  Häufigkeit  der  Klagen  Ober  die  Schule  und  über  die  Schnl- 
sch&dlichkeit  yerstftndlich.  Die  SchulschAdlichkeiten,  durch  welche  die  Nerven- 
schwachen geschädigt  werden  können,  bestehen  in  körperlichen  Anstren- 
gungen beim  Turnen  und  zu  groüsen  Anforderungen  an  ihre  geistigen 
Leistungen.  Dazu  kommt  noch  die  beständige  Furcht  vor  Strafen  der 
sensiblen  Behüteten;  besonders  schwerwiegend  sind  Beschämungen  durch 
Tadel  des  Lehrers,  die  Angst  vor  rohen  Mitschülern,  die  Regungen  eines 
abnormen,  Kränkungen  ausgesetzten  Ehrgeizes.  Alles  dies  sind  wegen  ihr» 
häufigen  Wiederkehr  nicht  zu  unterschätzende  psychische  Schädlichkeiten, 
zumal  sie  nur  sehr  selten  durch  Lustgefühle  (Lobungen)  im  Unterricht 
ausgeglichen  werden.  Es  wird  daraus  der  Schluls  gezogen,  dals  man 
solche  nervenschwache  Kinder  nicht  so  früh  wie  andere  zur  Schide  schicken 
solle;  schlieMich  könnten  nach  Meinung  des  Verfassers  alle  die  nerven- 
schwachen Schüler  bedrohenden  Fährlichkeiten  vermindert  werden,  wenn 
ausreichende  Untersuchungen  und  Beobachtungen  der  Kinder  durch  Nerven- 
ärzte, vorgebildete  Schulärzte,  vorgenommen  werden.  Der  Verfasser  erinnert 
an  die  einschlägigen  Untersuchungen  von  Laqüeb  undWsTaAKDT.  (Wir 
meinen,  dab  solche  Schüler  in  die  Hilfsschulen  gehören,  welche  jetzt  be- 
reits in  vielen  Städten  eingerichtet  sind  und  beste  Erfolge  zeitigen. 
D.  Ref.)  ScHMiD-MoNNABD,  Halle  a.  S. 

Dr.  Julius  Kbbbs,  Frauenarzt  in  Breslau.  Wie  seilen  sieh  nnsere 
jungen  Mftdehen  kleiden?  Allgemein  verständliche,  hygienische  Ab- 
handlung. Mit  zwölf  Abbildungen.  Breslau,  Heinrich  Handel,  1903, 
8^  16  S.,  Mk.  0,25  (in  Partien  billiger). 

Vorliegendes  Werkchen  unteminunt  es,  die  jetzt  so  vielfach  behan- 
delte Frage  der  Einführung  einer  hygienischen  Beformkleidung  von  einem 
einzigen  Punkte  aus  in  Angriff  zu  nehmen,  und  zwar  von  dem  am  meisten 
Erfolg  versprechenden.  Der  Verfasser  beantragt  nach  kurzen  klaren  Dar- 
legungen in  Wort  und  Bild  der  gesundheitlichen  Wirkung  der  heutigen 
Frauentrachten   ganz  bescheiden  nur  eine  zweckentsprechendere  Kleidung 


415 

für  die  weibliche  Jngend  und  stellt  die  Gesichtspunkte  anf,  nach  denen 
sie  beschaffen  sein  müsse;  so  z.  B.  dafs  das  Gewicht  des  Anznges  yor 
allem  von  den  Scholtem  ond  zum  Teil  anch  noch  von  den  Httften  getragen 
werden  solle. 

Dafs  die  Jngend,  wenn  sie  einmal  an  diese  neue  Tracht  gewöhnt 
ist,  die  Sympathie  dafQr  auch  ins  reifere  Alter  mit  hinObemehmen  werde, 
ist  wohl  eine  verschwiegene  Hoffhmig,  die  der  ganzen  Arbeit  zu  Grunde 
liegt.  Sollte  sie  sich  aber  auch  nicht  bewahrheiten,  so  hat  die  Kleidung 
doch  durch  die  Freiheit,  die  sie  dem  Körper  in  seiner  Entwicklung  ge- 
währt, schon  wichtigen  Nutzen  gebracht.  Der  Yer&sser  weist  femer  auf 
die  bekannte  Schädlichkeit  der  engen  Strumpfbänder,  der  hohen  engen 
Halskragen,  des  knappen  Schuhwerks,  der  spitzzulaufenden  Strumpfe  etc. 
hin  und  schlielst  sein  höchstbeachtenswertes  Sdiriftchen  mit  der  Besprechung 
der  Zweckmäfsigkeit  der  einzelnen  Stoffgattungen  für  die  verschiedenen 
Jahreszeiten.  Zu  bedauern  ist  nur,  dafe  diese  Zusammenstellung  nicht  in 
einer  Tages-  oder  Frauenzeitung  Eingang  gefunden  hat,  weU  sie  dadurch 
viel  leichter  zur  Kenntnis  der  Frauenwelt  gelangt  wäre,  als  durch  eine 
Flugschrift.  Freilich  kann  auch  die  Schule,  besonders  der  Schularzt,  diese 
Bestrebungen  in  wertvoller  Weise  fördern. 

Direktor  Emanüel  BAYB-Wien. 

Dr.  med.  W.  Klbtte.  Erziehung  nervtaer  ond  nervSs  beanltgter 
Kinder.  Deutscher  Verlag,  Berlin,  1902,  gr.  8^  32  S.,  Mk.  0,60. 
Der  Verfasser  hat  sich  der  Aufgabe  unterzogen,  in  knapper  Form  die 
Erziehung  nervöser  und  nervös  beanlagter  Kinder  gemeinverständlich  zu 
besprechen.  Hierdurch  ist  der  Lehrer  in  die  angenehme  Lage  versetzt, 
den  einzelnen  Eltern  eine  Schrift  anzuempfehlen,  die  ihnen  bei  der  Erziehung 
solcher  Kinder  Rat  und  Anregung  bietet.  Der  Lehrer  selbst  wird  darin 
manches  finden,  das  er  bei  Besprechung  mit  den  Eltern  oder  in  Eltem- 
konferenzen  verwerten  könnte.  Direktor  Emanttbl  BATB-Wien. 


Bibliographie. 
Die  mit  *  beseichneten  Werke  wurden  der  Bedaktion  zugesandt. 

Balbbian,    Karl.     Die  Mitwirkung   der  Äreie  hei  der  Taubstummm-- 

hüdung,     Mediz.-pädag.  Monatsschr.  f.  d.  ges.  Sprachheilkunde,  1903, 

März-Aprilheft. 
Bboislabre,  van.  Les  iltudes  suir  la  Psychologie  de  VEnfant  en  ÄmMque. 

Revue  Thomiste,  Jan.  Fevr.  1903. 
^Bericht  über  die  Wirksamkeit  des  dämschen  SchulrnttseiMis  (Beretning  om 

Dansk  Skolemuseums  Virksamked).     Vom  1.  April  1902  bis  31.  März 

1908.     Kopenhagen,  1908.     S^.     10  S. 
*Cblli,    Anqblo,    Prof.      AnnaU    d'Igiene    SperimentaU.      Vol.    XIH. 

Fase.  n.     1903. 
Clay,  f.    Modem  school  huüdmgs.    London,  Batsfort,  1902.    8^.  25  sh. 
'^OHN,  Hbbm.,  Prof.    Die  Verhütung  der  Ätigeneitemng  der  Neugeborenen 

in  Freufsen  und  in  Spanien.    Sep.-Abdr.  a.  d.  Wochenschr.  f.  Therapie 

u.  Hyg.  d.  Auges,  VI.  Jahrg.,  No.  29 — 31. 


416 

*C0HN,  Herm.,  Prof.     Warum  müssen  besondere  Schul- Augenärzte  cm- 
gestellt  werden?    Vortrag.     Sep.  -  Abdr.   a.  Jahrg.  VI,    No.  33  ff.  der 
Wochenschr.  f.  Therapie  u.  Hygiene  d.  Auges.     8^.     35  S. 
Dannwbyeb,  C.  H.     Kinder-Sommerpflege  in  DeutsMand  1901,    Pftdag. 

Reform,  No.  16,  1903. 

*IHe  Blindenschrift  und  die  BlindenbibUotheken.  Zürich,  1903.  El.  8^  8  S. 

*Fbilohbnfbld,  Wilh.,  Dr.    Gesundheitspflege  des  Auges,  nebst  Batgeber 

ßur  Berufswahl  für  Augenleidende.    Berlin,  Elwin  Stande,  1903.  El.  8^. 

79  S.     JH.  1,20. 

*Frbt,   W.,  n.   ZUBBRBÜHLBR,  W.     Schweizerisches   Landereiehtmgsheim 

aiarisegg.     Das  erste  Schuljahr  1902/1903.     8^.     16  S. 
* —  —  —  —  Landerziehungsheime,    SchtUprogramm  des  Schweiz.  Land- 
erziehungsheims  Schlafs  Glarisegg  bei  Steckborn  a,  Bodensee.     Zürich, 
Alb.  Müller,  1903.     8^     80  S.  mn  Illustrat. 
*FüHRBR,  Earl,  Lehrer,     über  Hefüage  und  Schriftrichtung.    Bl&tter  f. 

Schulgesundheitspfl.  u.  Eanderschutz,  No.  3  a,  1903. 
*Qesunde  Jugend,    Zeitschrift  f.   Gesundheitspflege   in   Schule   und  Haus, 
in.  Jahrg.,  H.  1/2.     1903. 

LOBBDANE.     Die  Mitwirkung  des  Lehrers  an  der  öffeniUchen  und 

privaten  Gesundheitspflege. 
SCHANZB.     Die  Ergebnisse    der   ersten   allgemeinen  schulärzüichen 
Untersuchung    der  Elementarschüler   in  den  Dresdener  Bezirks- 
schulen   unter    Berücksichtigung    der    Ergebnisse    aus    anderen 
deutschen  Städten. 
ZlBQLBR.      Die   körperliche   Ausbildung    der    Grofssiadtkinder   im 
Kampfe  gegen  Schwindsucht  und  Eurzsichtigkeit  sowie  cUs  Vor- 
ber^tang  für  militärische  Ausbildung. 
HoFFA,  A.,  Dr.    über  die  Entstehung  der  seitlichen  Bückgratsverkrüm- 
mungen  während  der  Schulzeit.     (Verhandlg.  d.  Berl.  Vereins  f. 
Schulgesundheitspfl.) 
*Gbob,  J.  J.,  Lehrer.    Die  normalen  Körperhaltungen.    Bätrag  zur  Lösung 
der  SchtObafüt-  und  der  Schriftfrage.    Eüsnacht  bei  Zürich,  1903.    8^. 
24  S.  mit  Abbüdgn. 
*6tsbl,  Jül.,  Dr.,  Dir.    Das  neue  Kantonschülgebäude  in  Schaffhausen. 

1902.     4^.     60  S.  mit  7  Tafeln. 
Hermann,  Tuminspektor.     t)ber  Mädchentumen.     Die  Gesundheitswarte 

der  Schule,  1903,  No.  5. 
*Hbrrmann,  Charles,  M.  D.     The  present  method  of  Medical  School 
InspecUon  in  New  York.     The  New  York  Med.  Joum.     March  1903. 
"HüBPPB,    Fbrd.,    Prof.      Körperübungen   und  AUcoholismiAS.     Vortrag. 

Berlin,  Hirschwald,  1903.     8^     28  S. 
*EONia,    Dr.,    Kreisarzt.      Ohruntersuchungen   in   der   Dorfschule.     £in 
Beitrag  zur  Schularztfrage.     Sep.-Ahdr.   a.  Samml.  zwangloser  Abhdlg. 
a.  d.  Geb.  der  Nasen-,  Ohren-,  Mund-  u.  Halskrankheiten.  YH.  Bd.  H.  3. 

(SchlaTs  folgt.) 


§tv  ^Afnlav^t 


I  Jahrgang.  1903.  No.  6. 


Als  neue  Mitarbeiter  sind  zu  nennen: 

Eokardt,  Fritz,  Oberlehrer,  Dresden. 
Snck,  Hans,  Lehrer  und  Schriftsteller,  Berlin. 


(Driginalab^anbittttgeit* 


Zur  Gtoschichte  des  Bchularstwesexui  in  österreioh. 

Von 

Sanitätsrat  Dr.  Altschül 
in  Prag. 

Die  Schnlarztfrage  ist  bei  uns  in  Österreioh  schon  seit  langer 
Zeit  „zur  Diskussion^  gestellt  worden,  über  grofse  praktische  Erfolge 
kann  aber  auch  heute  noch  nicht  berichtet  werden. 

Bei  dem  in  Wien  im  Jahre  1887  abgehaltenen  internationalen 
hygienischen  Kongresse  stand  die  Schularztfrage  auf  dem  Programme ; 
die  Beferenten  Generalarzt  Ministerialrat  Dr.  Wassebfijhb  (Berlin), 
Prof.  Dr.  med.  et.  phil.  Heamann  Cohn  (Breslau)  und  Dr.  H. 
Napias,  Inspecteur  gänäral  des  Services  adminiBtratifs  du  Ministäre 
de  rinterieur  (Paris),  waren  nicht  in  allen  Punkten  der  gleichen 
Ansicht,^  über  die  Notwendigkeit  der  ärztlichen  Schulaufbicht 
waren  aber  alle  Redner  einig.  Schon  bei  diesem  Kongresse  konnte 
auf  die  Erfolge  der  im  Schwesterstaate  Österreichs,  in  Ungarn, 
bereits  im  Jahre  1885  durch  den  damaligen  ünterrichtsminister 
Tb^ort  eingeführten  Institution  von  Schulärzten  in  Mittel- 
schulen  hingewiesen    werden.     Die  Schulärzte  in  Ungarn  werden 


*  Siehe   „Die  Schalarztdebatte  auf  dem  internationalen  hygienischen  Kon* 
gr«Me  SU  Wien''.    Hamburg,  Leopold  Voss,  1888. 

Der  Sehulani.  L  12 


102  418 

in  eigenen  Lehrknrsen  vorgebildet  nnd  haben  als  „Professoren  der 
Hygiene^  (anch  in  Österreich  fähren  die  Lehrer  der  Mittelschulen 
den  Titel  „k.  k.  Professor'')  anch  den  Unterricht  in  Hygiene  an 
den  Mittelschulen  zu  leiten. 

Angeregt  durch  die  Diskussion  der  Schularztfrage  auf  dem 
hygienischen  Kongresse  in  Wien,  hat  der  Abgeordnete  Dr.  Wengeb 
in  der  Sitzung  des  österreichischen  Reichsrates  vom  12.  März  1888 
seinem  Bedauern  Ausdruck  gegeben,  dais  es  an  den  Mittelschulen 
Österreichs  noch  keine  Schulärzte  gebe,  und  in  derselben  Sitzung 
beantragte  der  Abg.  Zeithammeb  eine  diesbezügliche  Besolution. 

In  der  Sitzung  des  Abgeordnetenhauses  am  30.  März  1889 
wurde  folgende  Hesolution  des  Abg.  Dr.  Eikdebmann  „vom  hohen 
Hause^  angenommen:  ,,Die  k.  k.  Regierung  wird  aufgefordert,  den 
sanitären  Verhältnissen  an  den  Schulen  ihre  Aufmerksamkeit  zuzu- 
wenden und  regelmälsige  statistische  Erhebungen  über  die  an  den- 
selben Torkommenden  Krankheiten,  insbesondere  über  die  Infektions- 
krankheiten, zu  veranstalten^,  und  in  derselben  Sitzung  wurde  eine 
zweite,  yon  Dr.  £[indebmann  eingebrachte  Resolution  dem  Budget- 
ausschusse zugewiesen:  „Die  k.  k.  Regierung  wird  ersucht,  einen 
Betrag  festzustellen,  welcher  einem  mit  dem  entsprechenden  Wissen 
ausgestatteten  Arzte  behufs  Studiums  der  Erfahrungen  und  der  Ein- 
richtungen auf  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  in  den  diesbezüglich 
hervorragenden  Ländern  verliehen  wird,  damit  hierdurch  eine  Kraft 
gewonnen  wird,  welche  der  hohen  Unterrichtsverwaltung  als  beratendes 
Organ  zur  Seite  steht.  ^ 

Eine  ärztliche  Schulaufsicht  im  weiteren  Sinne  des  Wortes 
ist  übrigens  bereits  vorgesehen  in  dem  Erlasse  des  k.  k.  Ministeriums 
für  Kultus  und  Unterricht  vom  9.  Juni  1873,  Z.  4816,  in  welchem 
Erlasse  Verfügungen  über  den  „Bau  und  Einrichtung  der  Schul- 
häuser**  getroffen  werden.  Im  §  39  dieses  Erlasses  wird  u.  a.  be- 
stimmt: „Die  landesfärstlichen  Bezirksärzte  sind  allen  Verhandlungen 
der  Bezirksschulräte  ihres  Bezirkes,  welche  die  Schulgesundheitspflege 
und  die  physische  Entwicklung  der  Schüler  u.  s.  w.  betreffen,  bei- 
zuziehen oder  zur  Erstattung  von  Fachgutachten  über  alle  genannten 
Gegenstände  aufzufordern^ ;  und  weiter  heilst  es :  „Da  dem  landesfbrstl. 
Bezirksarzte  die  Beaufsichtigung  der  Gesundheitsverhält- 
nisse der  Schüler  und  der  hygienischen  Verhältnisse  der 
Schulen  seines  Bezirkes  obliegt,  so  steht  ihm  der  Zutritt  zu 
allen  Schulräumen  jederzeit  frei Der  landesfürstliche  Bezirks- 
arzt ist  berechtigt,  die  Beseitigung  von  MiJsständen,  deren  Abstellung 


419  103 

dringlich   ist,    in  kurzem  Wege  gegen  naohträgliohe  Genehmigung 
seines  politischen  Amtsvorstandes  anzuordnen **. 

Wir  haben  demnach  in  Österreich  eine  gewisse  ärztliche  Schul- 
aufsicht schon  seit  dem  Jahre  1878,  aber  befolgt  wurde  dieser  vor- 
treffliche Erlafs  sehr  wenig;  schon  in  den  80er  Jahren  beklagt  sich 
der  Amtsarzt  Dr.  Netolitzet  in  Eger  darüber,  dafs  er  gelegentlich 
seiner  Amtsreisen  konstatieren  konnte,  „dab  in  den  meisten  Fällen 
diesem  Erlasse  nicht  entsprochen  wird,  ja,  dab  in  den  meisten  Be* 
zirken  bei  Begutachtung  von  Schulprojekten  trotz  der  klaren  Be- 
stimmungen des  erwähnten  Erlasses  und  trotz  einer  diesbezüglichen 
Auflfiihrungsverordnung  des  Landesschulrates  für  Böhmen  vom 
27.  August  1881,  Z.  17179,  nicht  einmal  ein  ärztlicher  Sachverstän- 
diger beigezogen  wurde^. 

Etwas  besser  ist  wohl  in  letzter  Zeit  die  ganze  Sache  geworden, 
aber  dennoch  ist  auch  jetzt  noch  Grund  genug  vorhanden,  die  Nicht- 
befolgung  des  Erlasses  zu  beklagen.  Die  landesfürstlichen  Bezirksärzte 
erfüllen  gewissenhaft  ihre  Pflicht,  und  die  ärztliche  Untersuchung  der 
Sohulgebäude  und  zum  Teile  der  Schuleinrichtungen  kann  als 
eine  im  ganzen  zureichende  bezeichnet  werden;  aber  die  schulärztliche 
Beaufsichtigung  der  Schuljugend  ist  bei  uns  in  Österreich  eine 
sehr  lückenhafte  und  meistens  nur  durch  den  Privatfleifs  einzelner 
Ärzte  bedingte.  So  hat  z.  B.  der  k.  k.  Bezirksarzt  Dr.  Edüarb 
QuiBSFEU)  in  Rumburg  (Böhmen)  sehr  dankenswerte  Schulkinder- 
antersuchungen  vorgenommen  und  die  Ergebnisse  derselben  in  der 
j, Prager  med.  Wochensehr.^  No.  26  u.  ff.  des  Jahrganges  1902  ver- 
öffentlicht; und  auch  in  anderen  Ländern  fanden  vereinzelte 
Schüleruntersuchungen  statt,  aber  von  Schulärzten  im  eigentlichen 
Sinne  dieses  Wortes  kann  man  bei  uns  nicht  sprechen  —  die  Amts- 
ärzte haben  bei  der  groiaen  Arbeitslast,  die  ihnen  die  gesamte  Sani- 
tätspflege aufbürdet,  wohl  nicht  die  genügende  Zeit,  fortlaufende 
SchüleruntersuchuDgen  in  ihren  Bezirken  auszuführen;  eine  Instruk- 
tion f&r  Schulärzte  besteht  nicht. 

Gelegentlich  der  Vollversammlung  der  „Österreichischen  Ge- 
seUsohaft  für  Gesundheitspflege^  am  29.  Oktober  1902  hat  Prof. 
Dr.  A.  ScHATTENFBOH  einen  Vortrag  „Zur  Schularztfrage"  gehalten,^ 
an  welchen  sich  eine  lebhafte  Diskussion  aDSchloJs,  über  welche 
J.  Pawel    in    „Der    Schularzt",    No.  1    (Beilage   zur    j^Zeüschr.  f. 


*   Siebe    „Monatsschr.  f.  Gesunäheiispfl.*' ,   No.  11   des  Jahrganges  1902. 
KommissionsTerlag  von  Moritz  Perles,  Wien. 


104  420 

Schtdgesundheitspfl.  1903,  No.  1)  Bericht  erstattet  hat.  Sghattbnfboh 
wies  darauf  hin,  dafs  in  Österreich  seit  1897  Schulärzte  bestehen, 
und  zwar  hat  Troppau  das  Verdienst,  zuerst  den  Schularzt  ein- 
geführt zu  haben;  aufserdem  existieren  in  Schlesien  15  grölsere  und 
kleinere  Gemeinden,  die  dem  Beispiele  Troppaus  folgten.  Sonst 
haben  noch  Brunn,  Graz,  Karlsbad,  Laun  (in  Böhmen)  und  Korn- 
neuburg eigene  Schulärzte,  während  in  Prag  die  Anstellung  yon 
fünf  Schulärzten  schon  beschlossen,  gegenwärtig  jedoch  noch  nicht 
durchgeführt  ist. 

Bezüglich  Böhmens  äulsert  sich  der  offizielle  Landes-Sanitäts- 
bericht  für  das  Jahr  1900:  ^Eigens  angestellte  Schulärzte  gibt  es  in 
Böhmen  nur  wenige,  und  zwar  je  einen  in  Laun  und  Kolin.  Mit 
der  Einführung  von  Schulärzten  wurde  im  Berichtsjahre  in  der  Stadt 
Karlsbad  und  in  Teplitz  der  AnÜEmg  gemacht,  sonst  werden  diese 
Obliegenheiten  yon  den  Distrikts-  und  Gemeindeärzten  besorgt.  Selbst 
in  der  Landeshauptstadt  Prag  wird  bisher  die  ärztliche  Schulau&icht 
nicht  yon  eigens  bestellten  Schulärzten,  sondern  von  den  Stadt- 
bezirksärzten geübt.  VoD  den  zu  Beginn  des  Schuljahres  1900  in 
den  Gemeindeschulen  Prags  eiDgeschriebenen  19504  Kindern 
wurden  2172  durch  diese  Ärzte  untersucht.^ 

Was  Prag  speziell  betrifft,  wurde  die  Anstellung  yon  Schul- 
ärzten schon  in  der  Sitzung  der  städtischen  Sanitätskommission  yom 
5.  Februar  1890  durch  den  Schreiber  dieser  Zeilen,  der  damals  als 
B.eferent  fungierte,  angeregt;  in  einer  eigenen  Schrift^  wurde  die 
Notwendigkeit  einer  ärztlichen  Schulaufsicht  überhaupt  dargetan  und 
detaillierte  Vorschläge  (eine  Instruktion  für  den  Schularzt,  Gesund- 
heitsbogen, Fragebogen  für  Lehrer  und  Eltern)  erstattet;  es  wurden 
20  Schulärzte  für  Prag  als  notwendig  berechnet.  (Schon  im  Jahre 
1889  hat  Byohna  in  einem  kleinen  [tsechischen]  Aufsatze  in  der 
Zeitschrift  der  tschechischen  Ärzte  eine  intensiyere  ärztliche  Scliul- 
aufsicht  bei  den  Prager  Schulen  gefordert.) 

Greise  Erfolge  haben  wir  in  Prag  aber  nicht  zu  yerzeichnen. 
Im  Jahre  1890  wurde  in  der  oben  erwähnten  Sitzung  der  städtischen 
Sanitätskommission'  zwar  die  Anstellung  yon  eigenen  Schulärzten  als 


^  Dr.  Thbodob  Altschul,  „Zur  Schul arztf rag 6^.  Eine  Bcbalhygienisohe 
Studie.    Fr.  Ehrlichs  BuchhandluDg  (Bernhard  Enauer),  Prag,  1890. 

*  Vergl.  Dr.  Thisodob  Altsohül,  „Rechenschaftsbericht  über  die 
Tätigkeit  in  der  städtischen  Sanitätskommission*.  Präger^  med. 
Wochenschrift,  1902,  No.  5  und  7. 


421  105 

„erstrebenswert'^  anerkannt,  aber  dennoch  der  Besohluls  gefiüst,  Tor- 
Iftnfig  die  Schnlüberwachnng  weiter  dnieh  die  Bezirksftrzte  besorgen 
EU  lassen.  Erst  im  Jahre  1902  (Jannar)  worde  die  Anstellung  von 
fünf  städtischen  Schulärzten  beschlossen  und  sogar  eine  Instruktion 
fOr  dieselben  ausgearbeitet  — ,  gegenwärtig  (März  1903)  ist  es  aber 
bezüglich  der  Schulärzte  in  Prag  stille  geworden,  und  es  ist  gar  nicht 
ausgeschlossen,  dafs  man  diese  Angelegenheit  wieder  ganz  yeigessen  hat. 

Die  deutsche  evangelische  (PriTat-)  Volks-  und  Bürgerschule  in 
Prag  hat  seit  einigen  Jahren  einen  eigenen  Schularzt  angestellt, 
Dr.  £.  Veit  (den  Lesern  dieser  Zeitschrift  wohl  bekannt),  welcher 
seinen  Pflichten  mit  lobenswertem  Eifer  und  Toller  Sachkenntnis 
obliegt. 

Also  sehr  weit  vorgeschritten  sind  wir  in  Österreich  (und  in 
Prag)  in  der  Schularztfrage  noch  nicht,  vielleicht  wird  die  Zukunft 
eine  Besserung  bringen,  nachdem  in  der  oben  erwähnten  Versammlung 
der  „Österreichischen  Gesellschaft  für  Gesundheitspflege^,  in  welcher 
der  Chef  des  Sanitätswesens  in  Österreich,  k.  k.  Sektionschef  Dr.  C. 
VON  KusY,  den  Vorsitz  führte,  die  Einsetzung  eines  Komitees  zum 
Studium  der  Schularztfrage  beschlossen  wurde. 

Hoffentlich  wird  das  Komitee  baldigst  rüstig  an  die  Arbeit  gehen 
und  einen  gröDseren  Erfolg  erzielen  als  die  bisherigen  „Vorkämpfer^ 
für  die  Idee  der  Einführung  von  Schulärzten  in  Österreich,  und  über 
diese  zu  erhoffenden  Erfolge  soll  seinerzeit  rechtzeitig  an  dieser  Stelle 
berichtet  werden. 


Nachtrag  in  der  Arbeit: 

Über  schnlftntliche  Statistik  und  die  Prinzipien  bei  Auswahl 

der  sogenannten  iritiüchen  Beobachtnngsschftler. 

Von 

Dr.  Samosch, 

Schalarzt  in  Breslau. 

Glelegentlich  des  Studiums  einer  anderen  schulhygienisohen 
Frage  finde  ich  in  der  y^GesuftdheiV^  (hygienische  und  gesundheits- 
technische  Zeitschrifl;,  Leipzig,  Leineweber,  S.  28  ff.)  einen  Aufsatz, 
betitelt :  Jahresbericht  über  die  schulärztliche  Tätigkeit  in  den  Mittel- 
und  Stadtschulen  von  Darmstadt  im  Schuljahr  1900/1901,  von 
Dr.  BucHHOLDy    der   meines   Erachtens   die  beste  bisher  bekannte; 


106  422 

sohulärztliche  Statistik  enthält,  und  den  ioli  deswegen  den  Angaben 
meiner  Arbeit,  Statistik  betre£Eend,  anfügen  will. 

Die  Statistik  bezieht  sich  auf  2784  genan  nntersnchte  Schüler 
des  achten,  sechsten,  vierten  und  ersten  Jahrgangs  und  gibt  an,  dab 
588  Schüler  mit  1185  Erkrankungsformen  behaftet  gefunden  und  in 
dauernde  ärztliche  Überwachung  genommen  wurden.  Über  das  Vor- 
kommen der  einzelnen  Krankheitsformen  bei  den  untersuchten  Jahr- 
gäDgen  wird  eine  sehr  instruktive  Übersicht  gegeben;  ich  yerweise 
diesbezüglich  auf  die  auch  sonst  sehr  interessante  und  gediegene 
Arbeit.  G-leichwohl  kann  die  Darmstädter  Statistik  als  in  praktischer 
Beziehung  mustergültig  nicht  empfohlen  werden,  denn  wenn  auch 
der  Wert  einer  genauen  vollständigen  Untersuchung  von  vier  Jahr- 
gängen nicht  geleugnet  werden  kann,  so  gibt  andererseits  das  Fehlen 
irgend  welcher  Angaben  über  den  Gesundheitszustand  der  anderen 
Jahrgänge  zu  Bedenken  AnlaTs,  und  zweitens  halte  ich  es  nach 
meinen  schulärztlichen  Erfahrungen  fiir  unnötig,  alle  gesundheitlich 
Ijeanstandeten  Kinder  in  dauernde  Überwachung  zu  nehmen.  Ich 
halte  eine  Zweiteilung,  wie  ich  sie  in  meiner  Arbeit  vorgeschlagen 
habe,  unter  Ausdehnung  des  Überwachungsdienstes  über  alle  Jahr- 
gänge in  der  üblichen  Form  für  praktischer. 


Aitxntrt  Ütitteilttttgen* 


AnsteUang  von  Schulärzten.  Die  y,Frankßirter  Ztg^  berichtet, 
dafs  der  Kreistag  des  Kreises  Mainz  die  AnsteUnng  eines  Schularztes  für 
die  Schulen  der  Landgemeinden  beschlossen  hat.  —  In  Karlsruhe  in 
Baden  bewilligten  die  städtischen  Behörden  10000  Mark  für  das  Institut 
der  Schulärzte.  —  Eine  Schularztdebatte  in  der  Stadtverordnetenversamm- 
lung in  Annaberg  im  Erzgebirge  nahm  insofern  einen  bemerkenswerten 
Verlauf,  als  der  yom  Stadtrat  gestellte  Antrag  auf  probeweise  Anstellung 
eines  Schularztes,  zunächst  auf  ein  Jahr,  in  der  Stadtverordnetenversammlung 
gerade  yon  einem  Arzt,  Dr.  Oelsneb,  aufs  entschiedenste  bekämpft  wurde. 
Er  vermisse  bei  der  schulärztlichen  Institution  jeglichen  praktischen  Wert, 
es  sei  das  eine  Modesache,  die  mit  vielen  Phrasen  arbeite  und  absolut 
rutzlos  und  flberflQssig  sei.  Der  Antrag  wurde  einem  Ausschufs  zur  Be- 
natung  überwiesen.  („Ohererzgehirgische  Ztg,*^,  30.  März  1903.)  —  Die 
Stadtverordnetenversammlung  in  Rathenow  beschäftigte  sich  gleichfalls  mit 
der  Schularztfrage,  nachdem  aus  ihrer  Mitte  der  Antrag  gestellt  worden 
war,  es  möge  auf  dem  Brandenburgischen  Städtetage  die  Schularztfrage  zur 


423  107 

Sprache  gebracht  und  auch  in  Rathenow  für  Anstellung  von  Schulärzten  gesorgt 
werden.  Der  erste  Bürgermeister  erwiderte,  der  Magistrat  habe  den  Kommunal- 
arzt beauftragt,  über  Notwendigkeit  und  Zweckmäfsigkeit  von  Schulärzten 
Bericht  zu  erstatten;  dieser  Arzt  habe  sich  bereit  erklärt,  mit  drei  anderen 
Ärzten  probeweise  schulärztlich  zu  arbeiten,  um  später  auf  Grund  dieser 
Erfahrungen  genauere  Angaben  über  die  Zahl  der  erforderlichen  Schulärzte 
imd  die  aufzuwendenden  Kosten  machen  zu  können.  Der  Magistrat  hielt 
aber  eine  aUgemeine  ärztliche  Überwachung  der  Schule  nicht  für  notwendig, 
lehnte  auch  eine  probeweise,  unentgeltlich  seitens  einiger  Ärzte  auszuübende 
derartige  Funktion  als  nicht  wünschenswert  ab  und  begnügte  sich,  den  Kom- 
munalarzt  zu  beauftragen,  hin  und  wieder  belehrende  Vorträge  in  Kreisen 
der  Lehrer  zu  halten,  und  auf  Anruf  seitens  der  Lehrer  eine  Untersuchung 
einzelner  krankheitsyerdächtiger  Kinder  vorzunehmen.  Die  sachverständigen 
Einwendungen  zweier  dem  Stadtverordnetenkollegium  angehörender  Ärzte 
gegen  diesen  sehr  angreifbaren  Standpunkt  des  Magistrats  vermochten  nicht, 
eich  Geltung  zu  verschaffen. 

Eine  nhnlrztliehe  Poliklinik  für  Volksschiilkiiider  eröffiaete  am 
30.  November  1902  der  Verein  hessischer  Zahnärzte  in  Darmstadt.^ 
Den  Anlab  dazu  gab  die  durch  Statistik  nachgewiesene  Höhe  der  Karies- 
fireqnenzy  welche  besonders  bei  den  Volksschulkindern  zu  Tage  tritt. 
Die  Mittel  zur  Errichtung  hat  Herr  Prof.  Juuus  WiTZEL-Essen  zur  Ver- 
fügung gestellt,  während  die  städtischen  Behörden  sich  zur  freien  Über* 
lasaung  von  Räumlichkeiten  bereit  erklärt  hatten. 

In  seiner  Eröffnungsrede  führte  Herr  Dr.  JESSSN-Strabburg  aus,  dats 
man  in  der  hessischen  Hauptstadt  nicht  nur  die  hohe  Bedeutung  einer 
rationellen  Zahnpflege  und  Zahnhygiene  für  das  Volkswohl,  sondern  auch  das 
wichtige  Moment  erkannt  habe,  dab,  je  früher  ein  Eingreifen  zur  Gestaltung 
gesunder  Mundverhftltnisse  stattfinde,  um  so  mehr  Aussicht  vorhanden  sei, 
wirklich  positive  Erfolge  zu  erzielen.  Die  Schule  soll  nicht  nur  die  Pflanz- 
stätte für  geistige  Tüchtigkeit  kommender  Geschlechter  sein,  sondern  es 
sollen  auch  die  zarten  Keime  in  zartem  Alter  schon  gepflegt  werden,  um 
neben  dem  geistigen  auch  ein  köiperlichss  Gedeihen  möglich  zu  machen. 
Und  zu  dieser  Volksgesundung  gehören  gesunde  Mundverhältnisse;  die 
Zähne,  welche  dem  Körper  die  Nahrung  vorbereiten,  müssen  bis  in  ein 
hohes  Alter  nach  Möglichkeit  erhalten  bleiben.  Die  statistischen  Unter- 
suchungen haben  ergeben,  da(s  nur  2%  der  Kinder  ein  gesundes  Gebils 
besitzen.  In  Strasburg  ist  es  Herrn  Dr.  Jessen  durch  das  Entgegen- 
kommen der  Behörden  gelungen,  eine  städtische  Schulzahnklinik  als 
die  erste  in  Deutschland  ins  Leben  zu  rufen.  Es  müsse  überhaupt  die 
obligatorische  Anstellung  von  Schulzahnärzten  als  eine  im  Interesse  der 
Allgemeinheit  liegende  Notwendigkeit  angestrebt  werden.  Ebenso  müsse 
die  zahnärztliche  Behandlung  in  der  Armee  gefordert  werden,  das  sei  vom 
Gesichtspunkte  der  Erhaltung  resp.  Erhöhung  unserer  Wehrkraft  nötig. 

Vor  nicht  langer  Zeit  sei  auch  von  Krupp  in  Essen  noch  kurz  vor 
seinem  Tode  ein  schönes  Beispiel  der  Fürsorge  auf  diesem  Gebiete  gegeben, 
wo  unter  der  Leitung  des  Prof.  Julius  Witzel  eine  Zahnklinik  eröffnet 


^  S.  Zeüschr.  f.  Schulgeaundheitapfl.  1908,  S.  34. 


108  424 

isty  in  welcher  die  Arbeiter  und  Angestellten  der  Firma  mit  ihren  Familien 
unentgeltlich  behandelt  werden. 

Im  Namen  der  Ministerialabteilnng  fftr  öffentliche  (jesnndheitspflege 
beglückwünschte  Herr  Geh.  Obermedizinalrat  Dr.  Neidhabt  den  Verein 
und  sprach  den  Wunsch  ans,  dafs  sich  die  Hoffnungen  erfüllen  mOgen,  mit 
denen  man  die  Eröffnung  der  Anstalt  begleite. 

Die  Zahnheilkunde  sei  eine  medizinische  Teilwissenschaft,  die  sich  in 
würdiger  Weise  an  andere  SpezialWissenschaften  anreiht;  die  Wichtigkeit 
der  Zahnheilkunde  lerne  man  erst  recht  würdigen,  wenn  man  überlegt, 
welche  Rolle  den  Zähnen  bei  der  Ernährung  des  Menschen  zufällt.  Fehler 
und  Abnormitäten  der  Zähne  stören  die  Organe  in  der  Ausübung  der 
Funktionen  und  beeinflussen  dadurch  die  Verdauung  und  Ernährung  des 
menschlichen  Körpers.  Die  Schularztfrage  ist  heute  aktuell,  die  Auf- 
gaben des  Schularztes  sind  aber  noch  nicht  völlig. klargelegt,  es  bieten  sich 
noch  yiele  Schwierigkeiten  yon  selten  der  Eltern  wie  auch  der  Lehrer. 
Dagegen  sind  die  Voraussetzungen  für  die  Tätigkeit  der  Schulzahnärzte 
günstiger,  da  den  Eltern  die  bisher  wenig  beachtete  Sorge  für  die  Gesund- 
heit der  Zähne  ihrer  Kinder  abgenommen  wird. 

Herr  Medizinalrat  Dr.  D&audt,  Vorsitzender  des  Vereins  hessischer 
Ärzte,  hob  auch  den  Wert  der  Zahnhygiene  hervor  und  beleuchtete  vom 
Standpunkte  des  Arztes  die  groCse  Wichtigkeit  einer  geordneten  Zahnpflege 
für  den  ganzen  Organismus. 

Nachdem  noch  verschiedene  Herren  im  Namen  mehrerer  zahnärzüicber 
Vereine  gesprochen  hatten,  fand  eine  Besichtigung  der  Klinik  statt,  welche 
zur  allseitigen  Befriedigung  ausfiel. 

(Miti^et.  V.  Dr.  HüCK)  LBYT-Hambnrg.) 

Angranntersiiehiuigeii  in  London«  Im  April  1902  sind  in  den 
Londoner  Elementarschulen  vorübergehend  acht  Augenärzte  mit  der  Unter- 
suchung der  Kinder  betraut  worden.  Über  die  Ergebnisse  berichtet 
Dr.  J.  Kebb,  Medical  officer  of  the  London  School  Board,  in  „The 
LanceV",  1903,  I,  S.  977.  Der  Prozentsatz  Normalsichtiger  ist  höher  als 
der  1900  von  Lehrern  ermittelte,  nämlich: 

Klasse  1900  1902 

I        32        54 

n        40        61 

m        45        70 

IV        50        73 
V        53        75 

VI        56        78 

Vn  61  80 

Hinsichtlich  der  Schwachsichtigen  mit  Sehschärfe  von  Vs  und  darunter 
decken  sich  die  Ergebnisse  beider  Jahre  ziemlich  genau  (8,4 — 9,9  7o  zu 
8,5 — 11,6%)*  K.  kommt  zu  der  Überzeugung,  dais  die  Ursachen  mangel- 
hafter Sehschärfe  mehr  in  sozialen  Verhältnissen,  besonders  schlechter  Er- 
nähmng,  und  in  Rasseneigentümlichkeiten  zu  suchen  seien,  als  in  einem 
schädlichen  Einfluis  der  Schule,  und  dafs  letzterer  sich  eher  in  allgemeinen 
nervösen  Störungen  äulsem  dürfte,  als  in  einer  Verschlechterung  des  Seh- 
vermögens.    Leider   sind   die   ärmeren  Volksschichten   aus  Indolenz    und 


425  109 

Geldmangel  nicht  im  stände,  die  nötigen  Abhilfemafsnahmen  wirksam  durch- 
zufahren. Schätzungsweise  mttfsten  in  London  jährlich  10 — 20000  Kinder 
ärztlich  behandelt  werden.  Die  Schnle  kann  die  erforderlichen  Kosten 
aber  auch  nicht  tragen.  (Mitget.  v.  Dr.  SiBVBKiNG-Hamburg.) 

HorbiditStestatistik  der  Wiener  Sehnlkinder.  Dr.  Zapfebt  be- 
richtet in  der  „  Wien.  klin.  Wochenschr.*^  über  das  Ergebnis  einer  Durch- 
sicht der  letzten  drei  Jahrgänge  der  Akten  des  Wiener  Vereins  für  Ferien- 
kolonien („Ferienheim")  und  ergänzt  dadurch  die  bisher  nur  spärlichen 
Mitteilungen  über  den  Gesundheitszustand  der  Wiener  Schuljugend.  Die 
Untersuchungen  beziehen  sich  auf  die  Jahre  1900,  1901  und  1902  und 
umfassen  1399  Knaben  und  1041  Mädchen.  Zappebt  teilt  die  Erkran- 
kungen in  zwei  grofse  Hauptgruppen:  1.  Erkrankungen  der  Atmungsorgane 
und  2.  Erkrankungen  des  Herzens.  An  den  ersteren  litten  im  Durchschnitt 
9,57%  Knaben  und  9,98%  Mädchen;  femer  zeigte  sich,  dafs  jüngere 
Kinder  im  Alter  yon  7  bis  10  Jahren  yiel  mehr  yon  Erlorankungen  der 
Atmungsorgane  heimgesucht  werden  als  ältere  im  Alter  yon  11  bis  14  Jahren, 
und  dafs  in  jedem  Alter  die  Mädchen  stärker  dayon  ergriffen  waren. 
Zappebt  schlielst  daraus,  dals  in  den  früheren  Altersstufen  der  erste 
Schulbesuch  deshalb  yor  allem  zu  Erkrankungen  der  kindlichen  Atmungs- 
organe fährt,  weil  die  kleinen  Kinder  zeitlich  früh  oder  bei  jeder  Witterung 
in  die  Schule  gehen  müssen.  Im  späteren  Alter  sind  diese  Schädlichkeiten 
infolge  der  Gewöhnung  und  Abhärtung  natürlich  weit  geringer.  Für  die 
Schulärzte  erwüchse  daher  die  Pflicht,  genau  festzustellen,  wieyiel  yon  den 
gesamten  Erkrankungen  diesen  Faktoren  zur  Last  falle,  wonach  dann  ent- 
sprechende hygienische  Abänderungen  getroffen  werden  könnten.  Besondere 
Aufmerksamkeit  müfste  auf  entstehende  Tuberkulose  gerichtet  werden,  was 
nur  durch  systematische  Untersuchungen  aller  Schulkinder  durch  die  Schul- 
ärzte möglidi  wäre.  Von  welch  grofser  Bedeutung  diese  Einrichtung  nicht 
nur  für  die  Gesundheit  der  Kinder,  sondern  auch  für  die  Bekämpfung  der 
Tuberkulose  im  allgemeinen  ist,  geht  daraus  heryor,  dals  die  neuesten  Be- 
strebungen zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose,  wie  sie  der  „Hilfsyerein  für 
Lungenkranke  ins  Werk  setzen  will,  darauf  hinzielen,  gerade  die  Kinder 
Yor  der  Tuberkulose  zu  schützen  und  so  das  Übel  an  der  Wurzel  an- 
zufassen. Bei  den  Untersuchungen  über  die  Herzerkrankungen  zeigte  sich 
ebenfalls,  dab  die  Mädchen  präyalieren.  Worauf  dies  beruht,  und  ob  der 
Schulbesuch  überhaupt  zu  Erkrankungen  des  Herzens  führen  kann,  kann 
ans  dem  geringen  bisher  untersuchten  Material  nicht  geschlossen  werden 
und  bleibt  weiteren  Untersuchungen  yorbehalten. 

Das  Heldewesen  ansteckender  Krankheiten  bei  Schulkindern. 

In  England  wird  für  die  Meldung  ansteckender  Krankheiten  den  JLrzten 
^ne  Vergütung  gezahlt.  Die  Stadtkasse  yon  Doyer  fühlte  sich,  wie  „The 
Zancet^,  1903,  I,  S.  1117,  mitteilt,  dadurch  beschwert,  und  ein  Mitglied 
des  Stadtrates  beantragte  daher  —  übrigens  erfolglos  — ,  Masern  aus  der 
Liste  der  meldepflichtigen  Krankheiten  zu  streichen.  —  Die  Schwächen 
des  Meldesystems  werden  nicht  yerkannt.  Gerade  auch  bei  den  Masern 
sind  nicht  die  gemeldeten,  sondern  die  yon  diesen  schon  angesteckten, 
noch  im  Inkubationsstadium  befindlichen  Fälle  die  für  Ausbreitung  der 
Krankheit  gefährlichsten.     Ihrer  habhaft  zu  werden,  muls  man  yersuchen. 


110  426 

Die  Häuser,  ans  denen  Krankheitsfälle  gemeldet  werden,  sollten  sofort  zur 
Entdeckung  and  Isolierung  verdächtiger  Fälle  von  den  Gesnndheitsbeamten 
aufgesucht  werden.  Mehr  aber  würde  entsprechende  Belehrung  in  den 
Schalen  nnd  regelmäfsige  ärztliche  Untersuchung  daselbst  fruchten.  Hier 
müDsten  Lehrer  und  Ärzte  in  einträchtigem  Wirken  der  Bekämpfung  der 
Infektionskrankheiten  neue,  erfolgreiche  Bahnen  öffnen. 

(Mitget.  Y.  Dr.  SiEVEEiKa-Hamburg.) 


])ten|l0i^)^tt«n0eii  f«r  S^niar^tt. 


Ordnung  ffir  die  gesnndkeitliehe  fJberwaehnng  der  städtischen 
Volksschnlen  zu  Chemnitz  durch  Schulärzte  und  Lehrer.^ 

I.  Aufgabe  der  Schulärzte  im  allgemeinen. 

§  1. 

Die  Schulärzte  haben  die  Aufgabe,  in  den  ihnen  Oberwiesenen  Schulen 
den  Schulausschufs  bei  der  ihm  nach  den  Vorschriften  des  Yolksschul- 
gesetzes  vom  26.  April  1873  obliegenden  Aufsichtsfilhmng,  insbesondere 
bei  der  Überwachung  der  Schulgrundstflcke  und  Gebäude,  sowie  den  Bezirks- 
arzt bei  der  Beaufsichtigung  der  Schulen  vom  Standpunkte  der  Gesundheits- 
pflege, gemäfs  den  Ministerialverordnungen  vom  3.  April  1873  (die  Anlage 
und  innere  Einrichtung  der  Schulen  in  Rflcksicht  auf  ^ie  Gesundheitspflege 
betreffend),  vom  7.  Juli  1884  (die  Bevisionen  der  Schulgebäude  durch 
den  Bezirksarzt  betreffend)  und  vom  8.  November  1882  (das  Anfkreten 
ansteckender  Krankheiten  in  den  Schulen  betreffend),  zu  untersttttzen  und 
den  Gesundheitszustand  der  Schulkinder  zu  überwachen.  Sire  Tätigkeit 
erstreckt  sich  demnach  auf  die  Mitwirkung  bei  der  Überwachung 

a)  der  gesundheitlichen  Verhältnisse  des  Schulhauses, 

b)  der  Gesundheit  der  Schulkinder. 

§2. 
Die  Schulärzte  haben  sich  der  Erledigung  aller  in  diese  Aufgaben 
fallenden  Aufträge,  welche  ihnen  im  allgemeinen  oder  in  einzelnen  Fällen 
durch  den  Rät  beziehentlich  den  Schulausschufs  oder  durch  den  Bezirksarzt 
erteilt  werden,  sowie  der  Anträge  der  Direktoren  (§§  4,  15,  16  und  18) 
zu  unterziehen.    Insbesondere  gelten  hierbei  die  nachfolgenden  Vorschriften. 

n.  Mitwirkung  bei  der  Überwachung  der  gesundheitlichen 

Verhältnisse  des  Schulhauses. 

§3. 

Der  Schularzt  hat  —  abgesehen  von  den  regelmälsigen  Besichtigungen 
einzelner  Klassenzimmer  bei  Gelegenheit  der  Sprechstunden  (§14)  —  die 
sämtlichen  Bäume  der  ihm  zugewiesenen  Schulen  und  deren  Einrichtungen 


^  Vom  Magistrat  der  Stadt  Chemnitz  freundlichst  zur  Verfügung  gestellt. 


427  111 

mindestens  einmal  im  Sommer  und  einmal  im  Winter  einer  eingehenden 
Prflfnng  zu  unterziehen  und  hierbei  seine  Aufmerksamkeit  insbesondere  auf 
die  Handhabung  der  Reinigung,  Lüftung,  Heizung  und  Beleuchtung,  sowie 
auf  die  Beschaffenheit  der  Abtritte  zu  richten. 

Die  Besichtigung  ist  während  der  Unterrichtszeit  vorzunehmen.  Der 
Direktor  der  Schule,  welchem  der  Schularzt  spätestens  am  Tage  zuvor  ent- 
sprechende Nachricht  zu  geben  hat,  darf  nur  aus  besonderen  Gründen  den 
Besuch  einzelner  Klassenzimmer  während  des  Unterrichts  verweigern. 

§4. 
In  dringenden  Fällen  hat  der  Schularzt  auf  Ersuchen  des  Direktors 
aufserordenüiche  Besichtigung  der  Schule  oder  einzelner  Räume  und  Ein- 
richtungen vorzunehmen. 

§5. 
An  den  alljährlich  zum  Zwecke  der  Aufstellung  der  Unterhaltnngs- 
voranschläge   stattfindenden   Begehungen   der  Schulgrundstücke   durch    die 
hiermit  beauftragten  Beamten  des  Hochbauamts  hat  der  Schularzt,  welcher 
vom  Hochbauamt  rechtzeitig  zu  benachrichtigen  ist,  teilzunehmen. 

in.  Mitwirkung  bei  der  Überwachung  der  Gesundheit 

der  Schulkinder. 

§6. 
Für  jedes  in  die  städtischen  Volksschulen  neueintretende  Kind  ist  ein 
dasselbe  während  seiner  ganzen  Schulzeit  begleitender  „Gesundheitsschein" 
(Anlage  I)  anzulegen.  Die  Scheine  sind  klassenweise  in  einem  dauerhaften 
Umschlage  aufzubewahren.  (Yergl.  §  10.  Abs.  2.)  Beim  Übertritt  eines 
Kindes  in  eine  andere  hiesige  Volksschule  wird  dessen  Gesundheitsschein 
dahin  abgegeben.  Dem  Schularzte  beziehentlich  dem  Bezirksarzte  oder 
dem  Schulausschusse  sind  die  Gesundheitsscheine  auf  Verlangen  vorzulegen. 

§7- 
Die  Anlegung  des  Gesundheitsscheines  hat  beim  Eintritt  jedes  einen 

solchen  Schein  noch  nicht  besitzenden  Kindes  in  die  Schule  durch  deren 
Expedition  zu  erfolgen.  Diese  hat  den  Kopf  des  Vordruckes  vorschrifts- 
mäfsig  auszufällen  und  sodann  den  Schein  dem  Klassenlehrer  zu  übergeben. 
Der  Klassenlehrer  hat  hierauf  mit  Benutzung  der  in  der  Schule  vor- 
handenen Mefsstange  und  Wage  Gröise  und  Gewicht  des  Kindes  —  unter 
Abrundung  auf  halbe  Zentimeter  und  viertel  Kilogramm  —  festzustellen 
und  unter  dem  betreffenden  Schulhalbjahre  in  die  dafür  bestimmten  Spalten 
des  Gesundheitsscheines  einzutragen. 

Diese  Wägungen  und  Messungen  sind  seitens  der  Klassenlehrer  zu 
Beginn  eines  jeden  Schulhalbjahres  zu  wiederholen  und  in  den  Gesundheits- 
scheinen nachzutragen. 

Etwa  nötige  Messungen  des  Brustumfanges  dürfen  nur  vom  Schularzte 
vorgenommen  werden. 

§8. 
Jedes  in  die  städtischen  Volksschulen  neueintretende,   einen  Gesund- 
heitsschein noch  nicht  besitzende  Kind  ist  innerhalb  vier  Wochen  seit  dem 
Eintritt  vom  Schularzt  genau  auf  seine  Körperbeschaffenheit  und   seinen 
Gesundheitszustand  zu  untersuchen,  um  festzustellen,  ob  es  einer  dauernden 

Der  Schularit.     I.  1.3 


112  428 

ärztlichen  Überwachung  oder  besonderer  Berücksichtigung  beim  Unterrichte 
(z.  B.  Anweisung  eines  besonderen  Sitzplatzes  mit  Rücksicht  auf  Gesichts- 
oder Gehörfehler,  Befreiung  yom  Unterricht  in  den  einzelnen  Fächern,  ins- 
besondere Turnen  und  Singen,  oder  sonstiger  Beschränkung  In  der  Teil- 
nahme am  Unterrichte)  bedarf. 

Bei  dieser  ersten  und  jeder  späteren  Untersuchung  ist  namentlich  zu 
achten  auf  Schwerhörigkeit,  Nasenpolypen  und  Wucherungen  im  Nasen- 
rachenraum, Kurzsichtigkeit,  Schwach-  und  Blödsinn,  Ungeziefer,  Haut- 
krankheiten und  Anzeichen  von  ansteckenden  Krankheiten. 

Wegen  der  Tage  und  Stunden  für  diese  Untersuchungen  haben  sich 
die  Schulärzte  vorher  mit  den  Direktoren  ins  Einvernehmen  zu  setzen. 

§9. 

Der  Klassenlehrer  hat  bei  dieser  ersten  und  jeder  späteren  Unter- 
suchung dem  Schularzte  seine  etwaigen  Beobachtungen  über  den  Gesundheits- 
zustand der  einzelnen  Kinder  mitzuteilen  und  deren  Gesundheitsscheine 
vorzulegen  Die  Untersuchungen  erfolgen  in  einem  besonderen  Zimmer  in 
Anwesenheit  des  Klassenlehrers,  soweit  Mädchen  in  Frage  kommen,  in 
Anwesenheit  einer  Lehrerin.  Die  Kinder,  welche  dem  Schularzte  gruppen- 
weise vorzuführen  sind,  haben  einzeln  und  unmittelbar  vor  der  Unter- 
suchung den  Oberkörper,  sowie  die  Beine  vom  Knie  abwärts  und  die 
Fflfse  zu  entblö(sen. 

§  10. 

Der  Befund  der  Untersuchung  ist  auf  dem  Gesundheitsschein  zu  ver- 
merken. Die  allgemeine  Körperbeschaffenheit  der  Kinder  ist  in  der  dafElr 
bestimmten  Spalte  als  »gut^,  „mitteP  oder  „schlecht"  zu  bezeichnen,  und 
zwar  als  gut  nur  bei  vollkommen  tadellosem  Gesundheitszustand,  als  schlecht 
nur  bei  ausgesprochenen  Krankheitsanlagen  oder  chronischen  Erkrankungen. 
Im  übrigen  erfolgen  bei  der  ersten  wie  bei  jeder  späteren  Untersuchung 
Einträge  in  die  Spalten  des  Gesundheitsscheines  nur  bei  vorhandenen 
Krankheitserscheinungen. 

Die  Gesundheitsscheine  derjenigen  Kinder,  welche  einer  ständigen 
ärztlichen  Überwachung  bedürftig  sind,  werden  in  der  rechten  oberen  Ecke 
mit  dem  Vermerk  „Ärztliche  Überwachung!^  versehen  und  klassen weise 
getrennt  von  den  übrigen  Scheinen  aufbewahrt. 

§  11. 

Den  Eltern  beziehentlich  Erziehern  der  Kinder  ist  von  der  bevor- 
stehenden schulärztlichen  Untersuchung  tunlichst  frühzeitig  durch  die  Schule 
Nachricht  zu  geben  mit  der  Anheimgabe,  falls  sie  Befreiung  ihrer  Kinder 
von  dieser  Untersuchung  wünschen,  spätestens  am  Tage  vor  derselben  ein 
Gesundheitszeugnis  eines  staatlich  geprüften  Arztes  beizubringen,  welches 
unter  Benutzung  des  vorgeschriebenen  (in  der  Schulexpedition  und  bei  dem 
Schnlhausmann  unentgeltlich  zu  entnehmenden)  Vordruckes  und  gemäls  der 
diesem  beigedruckten  Anweisung  (Anlage  II)  ausgestellt  ist. 

Die  Benachrichtigung  hat  durch  Übermittlung  eines  Abdruckes  der 
aus  der  Anlage  III  ersichtlichen  Mitteilung,  worin  der  Vortag  der  Unter- 
suchung eingetragen  worden  ist,  zu  erfolgen.  Die  eingehenden  ärztlichen 
Zeugnisse  sind  bei  den  Gesundheitsscheinen  der  Kinder  aufzubewahren. 
Etwaige  Bedenken  gegen  solche  Zeugnisse  sind  dem  Bezirksarzte  mitzuteilen. 


429  113 

§12. 

Im  Oktober  jeden  Jahres  liat  eine  Nachbesichtigung  sämtlicher  za 
Ostern  in  die  unterste  Klasse  eingetretener  Kinder  stattzufinden. 

§13. 

Findet  der  Schularzt  ernste  and  wichtige  Krankheitszostftnde,  so  hat 
er,  falls  das  Interesse  des  Kindes  oder  der  Schule  solches  erfordert,  einen 
Vordruck  nach  Anlage  lY  unter  Vermeidung  jeder  Härte  beziehungsweise 
Schroffheit  des  Ausdruckes  auszufüllen  und  durch  die  Schale  dem  Vor- 
sitzenden des  Schulausschusses  zu  übersenden,  welcher  seinerseits  die  Mit- 
teilung unterschriftlich  vollzieht  und  den  Eltern  beziehentlich  Erziehern 
des  Kindes  zustellt. 

§14. 

Der  Schularzt  hat  in  jeder  zweiten  Woche  an  einem  mit  dem  Direktor 
zum  voraus  vereinbarten  Tage,  vormittags  von  9  bis  spätestens  11  Uhr 
im  Sommer  und  von  10  bis  spätestens  12  Uhr  im  Winter,  in  der  Schule 
Sprechstunde  abzuhalten.  Treten  ansteckende  Krankheiten  auf,  so  hält  er 
in  jeder  Woche  eine  Sprechstunde  ab. 

Hierbei  nimmt  er  zunächst  mit  dem  Direktor  über  die  in  der  Schule 
herrschenden  allgemeinen  Gesundheitsverhältnisse  Rücksprache  und  verwendet 
sodann  ungefähr  eine  Stunde  auf  den  Besuch  von  vier  bis  fünf  Klassen, 
um  einerseits  Aussehen  und  körperliche  Haltung  der  Kinder  zu  beobachten, 
andererseits  die  Schulräume  und  deren  Einrichtungen  einer  Prüfung  zu 
unterziehen  (vergl.  §  3).  Hierauf  finden  genauere  Untersuchungen  der- 
jenigen Kinder  der  zuvor  besuchten  Klassen  statt,  welche 

a)  nach  dem  Gesundheitsscheine  einer  ständigen  ärztlichen  Über- 
wachung bedürfen; 

b)  dem  Schularzte  beim  Besuche  der  Klasse  krankheitsverdächtig 
erschienen  sind; 

c)  nach  Mitteilung  des  Klassenlehrers  über  Kopfschmerzen  oder  Übel- 
keit geklagt  oder  gebrochen  haben  oder  durch  ungewöhnliche 
Schläfrigkeit  und  Unaufmerksamkeit  oder  Rückgang  in  den  Leistungen, 
insbesondere  auch  sclmelle  Verschlechterung  der  Schrift  auffallen. 

Endlich  sind  dem  Schularzt  aus  aUen  Klassen  Kinder,  deren  als- 
baldige Untersuchung,  namentlich  wegen  Verdachtes  ansteckender  Erkrankung, 
sich  erforderlich  macht,  vorzuführen  (vergl.  §§  15,  16). 

§16. 
Der  Schularzt  hat  auf  Antrag  des  Direktors  oder  auf  Anordnung  der 
SchulbehOrde  einzelne  Schulkinder  beziehungsweise  mit  diesen  verkehrende 
Personen  hinsichtlich  ihres  Gesundheitszustandes  zu  untersuchen,  und  zwar 
nötigenfalls  auch  in  seiner  oder  in  der  zu  Untersuchenden  Wohnung.  Dies 
hat  namentlich  zu  geschehen,  wenn  es  sich  handelt  um 

a)  Befreiung  vom  Schulbesuche  (allgemein  oder  für  bestimmte  Unter- 
richtsfächer) oder 

b)  Zweifel  darüber,  ob  Schulversäumnisse  wegen  Krankheit  gerecht- 
fertigt sind; 

c)  Feststellung  von  Schwachsinn,  Blödsinn  oder  ekelerregenden 
Krankheiten,     welche    Zuweisung     an    die    Nachhilfsklassen    für 

13* 


1 14  430 

Schwachsinnige    oder  Ausschliefsong  von   der  Schale   oder  Unter- 
bringung in  einer  Heil-  oder  Yersorganstalt  bedingen; 

d)  Unterrichtserteilnng  im  Hause  an  gebrechliche  Kinder; 

e)  Begntachtnng  wegen  stattgefnndener  Züchtigung  von  Schulkindern; 

f )  Verdacht  ansteckender  Erkrankung  oder  Feststellung  der  Wieder- 
genesung hiervon  (vergl.  §  16). 

In   der  Wohnung  des  Schularztes   hat   in   solchem  Falle   die  Unter- 
suchung tunlichst  während  der  täglichen  Sprechstunde  stattzufinden. 

§16. 

Betreffs    der   Verhütung  und    Verbreitung   ansteckender   Krankheiten 
durch  die  Schule  ist  seitens  des  Schularztes  folgendes  zu  beachten: 

a)  Als  ansteckende  Krankheiten  im  Sinne  dieses  Paragraphen  gelten 
Pocken,  Masern,  Scharlach,  Diphtherie,  Keuchhusten,  epidemische 
Genickstarre,  Ziegenpeter,  Spitzpocken,  epidemische  Augenbindc- 
hautentzündung. 

b)  Jeder  Fall  der  ansteckenden  Erkrankung  bei  Schulkindern  wird 
dem  Schularzte  mittels  Meldescheins  (Anlage  V)  durch  den  Schul- 
direktor angezeigt. 

c)  Der  Schularzt  hat  in  den  Fällen,  wo  das  erkrankte  Kind  nicht 
ärztlich  behandelt  wird,  durch  Untersuchung  die  Art  der  Er- 
krankung festzustellen. 

d)  Der  Schularzt  hat  die  Verpflichtung,  in  jedem  Falle,  wo  zu 
gleicher  Zeit  oder  kurz  hintereinander  in  einer  Klasse  drei 
Scharlach-  oder  Diphtheriefälle  vorkommen,  oder  wo  andere  an- 
steckende Krankheiten,  insbesondere  Masern,  gehäuft  oder  bösartig 
auftreten,  schleunigst  beim  Bezirksarzt  Schliefsung  und  Desinfektion 
der  betreffenden  Klasse  zu  beantragen. 

e)  Die  Meldescheine  über  ansteckende  Krankheiten  sind  seitens  des 
Schularztes  nach  Eintragung  und  Erledigung  mit  Registranden- 
nummer,  Eingangsdatum  und  Vermerkung  der  etwa  getroffenen 
Mafsregeln  versehen,  innerhalb  acht  Tagen  nach  Empfang  an  den 
Bezirksarzt  weiter  zu  geben. 

Hat  der  Schularzt  den  Krankheitsfall  amtlich  selbst  fest- 
gestellt, so  ist  von  ihm  binnen  derselben  Frist  hierüber  Anzeige 
an  den  Bezirksarzt  zu  erstatten. 

f)  Kinder,  welche  an  ansteckenden  Krankheiten  erkrankt  waren, 
sind  erst  nach  völliger  Genesung  und,  wenn  hierüber  ein  ärzt- 
liches Zeugnis  nicht  vorgelegt  werden  kann,  bei  Pocken,  Scharlach 
und  Diphtherie  erst  nach  sechs,  bei  Masern  erst  nach  vier 
Wochen  vom  Tage  der  Erkrankung  zum  Schulbesuch  wieder  zu- 
zulassen. Bei  Diphtherie  ist  aufserdem  die  Wiederzulassung  stets 
von  Beibringung  einer  Bescheinigung  der  städtischen  Diphtherie* 
Untersuchungsstation  über  vorhandene  Bazillenfreiheit  abhängig  zu 
machen. 

Kann  in  Fällen,  wo  Wiederzulassung  vor  Fristablauf  ge- 
wünscht wird,  kein  Zeugnis  des  behandelnden  Arztes  beigebracht 
werden,  so  hat  auf  Ersuchen  des  Direktors  der  Schularzt  die 
Untersuchung    des    Kindes    vorzunehmen.      Von     demselben    ist 


431  115 

nötigenfalls  auch  die  Untersuchung  auf  Bazillenfreiheit  zu  ver- 
mitteln, 
g)  Gesunde  Kinder,  in  deren  Wohnung  Pocken,  Scharlach  oder 
Diphtherie  auftreten,  sind  gleichfalls  bis  zur  Genesung  aller  Er- 
krankten, in  der  Regel  sechs  Wochen  lang  vom  Beginn  der  letzten 
Erkrankung  an  gerechnet,  vom  Schulbesuche  ausgeschlossen. 

Falls  jedoch  durch  ein  Zeugnis  des  behandelnden  Arztes 
beziehentlich  des  Schularztes  die  völlige  Absonderung  der  er- 
krankten Person  bestätigt  oder  die  letztere  ins  Krankenhaus  ver- 
bracht wurde,  oder  falls  die  gesund  gebliebenen  Kinder  aus  der 
Wohnung  entfernt  wurden,  dflrfen  die  letzteren  die  Schule  dann 
wieder  besuchen,  wenn  sie  während  einer  14  Tage  vom  Beginn 
der  Absonderung  dauernden  Frist  selbst  gesund  geblieben  sind 
und  im  Falle  der  Diphtherie  von  der  städtischen  Diphtherie- 
untersachungsstation  auch  rücksichtlich  ihrer  die  BaziUenfreiheit 
bescheinigt  worden  ist. 
b)  Gesunde  Kinder,  in  deren  Wohnung  sonstige  ansteckende  Krank- 
heiten auftreten,  dürfen  die  Schule  weiterbesuchen,  falls  nicht 
ausdrücklich  vom  Bezirksarzt  etwas  anderes  bestimmt  wird, 
i)  Treten  bei  Bewohnern  des  Schulhauses  ansteckende  Krankheiten 
auf,  so  hat  der  Schularzt  im  Einvernehmen  mit  dem  von  ihm 
sofort  zu  benachrichtigenden  Bezirksarzt  die  erforderlichen  Mafs- 
regeln  zu  treffen, 
k)  Für  Lehrer,  welche  selbst  von  ansteckenden  Krankheiten  befallen 
werden  oder  in  deren  Wohnung  solche  Krankheiten  auftreten, 
gelten  die  Bestimmungen  unter  f  bis  h. 

§  17. 
In  deigenigen  Schulen,  welche  Schulbäder  besitzen,  hat  der  Schularzt 
die  Aufsicht  über  dieselben   zu   führen   und   insbesondere   solche   Kinder, 
welche    infolge   Schwächlichkeit    oder   Krankheiten    ungeeignet   sind,    von 
diesen  auszuschliefsen. 

§  18. 
Bei  der  Auswahl  der  Kinder  für  die  Ferienkolonien  hat  der  Schularzt 
die  Direktoren  auf  deren  Ansuchen  zu  unterstützen. 

§  19. 

Die  Schulärzte  sollen  es  sich  angelegen  sein  lassen,  die  Lehrer  mit 
den  Anfangszeichen  der  ansteckenden  Kinderkrankheiten,  insbesondere  auch 
des  Veitstanzes,  sowie  mit  den  Erscheinungsformen  der  Nasenrachenraum- 
erkrankungen und  der  Fallsucht  auf  seelischem  Gebiete  (epileptische  Äqui- 
valente) bekannt  zu  machen. 

Im  Winterhalbjahre  haben  sie  abwechselnd  in  Lehrerversammlungen 
kurze  Vorträge  hierüber  und  über  die  sonstigen  wichtigsten  Fragen  der 
Schnlgesundheitspflege  zu  halten. 

§  20. 

Die  Schulärzte  haben  strengste  Rücksicht  auf  die  behandelnden  Ärzte 
zu  nehmen.  Sie  haben  es  sich  zum  Grundsatze  zu  machen,  in  allen  jenen 
F&llen,  wo  behandelnde  Ärzte  zugezogen  wurden,  nur  im  Einvernehmen 
mit  diesen  eine  Untersuchung  vorzunehmen  beziehentlich  ein  Zeugnis  aus- 


116  432 

zustellen.  Sie  haben  überhaupt  die  ihnen  durch  die  gesetzliche  Standes- 
ordnung gegebenen  Vorschriften  auch  bei  der  Ausübung  ihrer  Pflicht  als 
Schulärzte  strengstens  zu  beobachten. 

§  21. 

Die  Ausstellung  der  Gesundheitsscheine  für  die  vor  Ostern  1901  ein- 
getretenen Schulkinder  und  die  erstmalige  Messung,  Wägung  und  schul- 
ärztliche Untersuchung  derselben  hat  in  der  Zeit  von  Ostern  bis  Michaelis 
1901  nach  und  nach  stattzufinden. 

lY.  Anstellungsbedingungen,  Geschäftsführung 

und  Schlufsbestimmung. 

§  22. 

Die  Schulärzte  werden  auf  Vorschlag  des  Schulausschusses  vom  Rate 
angestellt,  und  zwar  jedesmal  auf  drei  Jahre,  sind  jedoch  nach  Ablauf 
dieser  Frist  wieder  wählbar.  Innerhalb  der  Wahlperiode  kann  der  Rat 
einen  Schularzt  unter  Entziehung  des  Gehaltes  von  seiner  Stellung  ent- 
heben, wenn  er  zur  Erfüllung  seiner  Amtspflicht  dauernd  unfähig  geworden 
ist  oder  dieselbe  fortgesetzt  vernachlässigt  oder  durch  sein  Verhalten  in 
oder  aufser  dem  Amte  des  Ansehens,  des  Vertrauens  und  der  Achtung, 
die  sein  Beruf  erfordert,  sich  unwürdig  zeigt  oder  seine  Wohnung  aufserhalb 
des  Stadtgebietes  verlegt.  Dem  Schularzt  selbst  steht  jederzeit  das  Recht 
vierteljährlicher  Kündigung  des  Dienstvertrages  zu. 

Die  Schulärzte  beziehen  ein  vieteljährlich  nachzahlungsweise  zu  ge- 
währendes, nicht  pensionsfähiges  Jahresgehalt  in  der  von  den  städtischen 
Körperschaften  festgesetzten  Höhe. 

§  23. 

Die  Schulärzte  wählen  alljährlich  unter  der  Leitung  des  Vorsitzenden 
des  Schnlausschusses  aus  ihrer  Mitte  den  „ersten  Schularzt'^,  welcher  in 
der  schulärztlichen  Konferenz  den  Vorsitz  führt  und  Mitglied  des  städtischen 
Schulausschnsses  ist,  sowie  einen  Stellvertreter  für  denselben. 

Auf  Einladung  des  ersten  Schularztes  treten  die  sämtlichen  Schulärzte, 
so  oft  es  erforderlich  ist,  mindestens  aber  in  jedem  Vierteljahre  einmal, 
zur  Konferenz  zusammen.  Die  Konferenz  ist  beschlnfsfähig,  wenn  wenigstens 
zwei  Dritteile  der  sämtlichen  Schulärzte  anwesend  sind.  Die  über  die 
Verhandlungen  aufzunehmenden  Niederschriften  sind  dem  Schulausschusse 
am  Jahresschlüsse  vorzulegen  (s.  §  25  a.  £.). 

(SchlufB  folgt.) 


^ettfijtnft  fk  Si(inl(rftitli||ritsii)legt 

XVI.  Jahrgang.  1903.  No.  7. 


(Drit)titalali^aitblititt)eii. 


Ange  und  Kunst  in  der  Schule. 

Von 
Kreisarzt  Dr.  H.  BEBaEB-Hannover. 

Das  Auge  ist  das  edelste  Sinnesorgan,  der  Taster  der  Seele;  es 
ist  die  Hanptstation  auf  dem  drahtlosen  Telegrapbenwege  zwischen 
Mensch  und  Umgebung.  Die  bekannte  Redensart:  „Lieber  taub, 
wie  blind  l''  trifft  zweifellos  die  Wertigkeit  des  Auges  richtig. 

Und  gerade  das  Sehorgan,  das  so  oft  in  der  Schulzeit  bei 
Kindern  Schaden  nimmt,  hat  die  Schularztfirage  angefacht.  Man 
sah,  dals  dieses  wichtige  Organ  bei  unzweckmäßiger  Behandluog  in 
der  Schule  geschädigt  werden  kann,  und  man  kam  zu  der  Über- 
zeugung, dals  diese  Schädigung  im  allgemeinen  zu  den  vermeidbaren 
gerechnet  werden  muüs,  dals  ihr  vorgebeugt,  und  dafs  sie,  zeitig 
erkannt,  angehalten  werden  kann.  Ähnliche  Erfahrungen  machte 
man  an  anderen  Organen,  und  so  entstand  bekanntlich  die  Schularzt- 
frage. Bei  der  ärztlichen  Schulaufsicht  wird  der  Sorge  um  das 
Sehorgan  immer  eine  besondere  Stelle  zukommen,  einmal  wegen  der 
Wichtigkeit  des  Organs  im  allgemeinen,  sodann  weil  dasselbe  be- 
sonders in  Anspruch  genommen  wird,  und  endlich,  weil  mangelhafte 
Einrichtungen  in  der  Schule  besonders  auf  dieses  Organ  ihre 
Wirksamkeit  ausüben   (Beleuchtung,  Platz,  Tafel,  Schrift  u.  s.  w.). 

Die  Mafsnahmen  für  die  Gresundheit  der  Augen  befassen  sich 
nun  eigentlich  nur  mit  dem  äufseren  Auge,  dem  sichtbaren  peripheren 
Instrument  des  Sehsinns.  Dieses  Instrument  ist  unumgänglich  not- 
wendig zur  Aufnahme  der  äuJseren  Sinneseindrücke;  zum  Sehen 
gehört  aber  ebenso  unbedingt  auch  die  Leitung  der  Sinneseindrücke 
nach  dem  Gehirn  und  die  Tätigkeit  des  Gehirns.  Das  äuisere  Auge 
kann  weder  empfinden,  noch  sich  erinnern,  —  das  geschieht  im  Gehirn, 

Sehnlgesandheitspflege.  XVI.  23 


434 

dieses  ist  malBgebend;  selbstverständlioh  mufs  die  Leitnng  Yon  dem 
äufseren  Sinneswerkzeug  nach  dem  empfindenden  Zentmm  statt- 
finden können. 

Das  psychooptische  Zentrum,  die  Sehspbäre,  liegt  nach  Münk 
beim  Hund  im  Oocipitalhim.  Einseitige  vollständige  Zerstörung 
dieses  Sehzentrums  bewirkt  totale  Blindheit  auf  dem  entgegen- 
gesetzten  Auge.  Wird  nur  die  zentralere  Partie  zerstört,  so  Mit 
die  bewufste  Gesichtsempfindung  auf  der  entgegengesetzten  Seite 
weg,  —  es  entsteht  Seelenblindheit,  Amnesia  optica;  hierbei  bleibt 
der  rein  mechanische  Vorgang  des  Sehens  mit  dem  äuUseren  Seh- 
werkzeug, dem  Auge,  ohne  jede  weitere  geistige  Tätigkeit:  die 
Gregenstände  werden  gesehen,  aber  mit  dem  Entstehen  des  Bildes 
im  Auge  hört  der  Inhalt  auf,  die  Fähigkeit  der  seelischen  Verwertung 
fehlt,  es  ist  gewissermaisen  wieder  der  Elinderzustand  da.  Nach 
einseitiger  Zerstörung  der  genannten  Hirnpartie  tritt  merkwürdiger- 
weise alsbald  Kompensation  ein;  es  scheinen  andere  benachbarte 
Himrindenpartien  die  Funktion  für  den  verletzten  Teil  zu  über- 
nehmen, —  solche  Tiere  lernen  gewissermaiken  das  Sehen  wieder 
wie  in  der  Jugend.  Wird  neugeborenen  Hunden  ein  Auge  entfernt, 
so  findet  man  nach  Monaten  das  gegenseitige  psychooptische  Zentrum 
weniger  entwickelt. 

Wenn  bei  Vernichtung  des  peripheren  Organs  das  zentrale  ver- 
kümmert —  imd  wir  wissen  noch  weiter,  dafs  in  solchen  Fällen 
(nach  Verletzungen)  auch  die  Leitungsbahnen  verkümmern  — ,  so  ist 
es  auf  der  anderen  Seite  sicher,  dafs  bei  systematischer  Schulung, 
Bildung  und  Übung  des  peripheren  Organs  das  zentrale  sich  eben- 
falls stärker  entwickelt,  sich  mehr  differenziert,  tätiger  wird;  und  je 
häufiger  die  Leitung  von  dem  peripheren  zu  dem  zentralen  Organ 
in  Anspruch  genommen  wird,  desto  mehr  werden  die  Bahnen  ein- 
gefahren, sie  werden  nicht  abgenutzt,  sondern  im  Gegenteil  leitungs- 
fähiger und  besser  —  wie  wir  es  auch  an  den  Muskeln  sehen  — ; 
ja  vielleicht  entstehen  im  Laufe  der  Zeit  bei  häufiger  Übung  neue 
associative  Bahnen  und  Verbindungen  auch  im  Gehirn  selbst,  die 
zu  höheren  Wahrnehmungen  und  höheren  Leistungen  be&higen. 
Und  dies  wird  um  so  plausibler,  wenn  man  bedenkt,  dafs  das  Sehen 
vielmehr  ein  Wiedererkennen  ist,  eine  Erinnerung  an  gleichartige 
und  ähnliche  Eindrücke  auf  das  Sehzentrum. 

Beim  Sehen  entsteht  auf  dem  Netzhautpurpur  der  Sehstäbchen 
und  -Zapfen  im  Auge  ein  wirkliches  Mosaikbild,  welches  sodann 
allmählich   wieder   abtönt   und   verschwindet;    manchmal   bleibt   es 


4S5 

I&nger,  manohmal  kürzer.  Goethe  erzählt  von  Busch,  welcher 
an  sich  beobachtete,  dais  das  Bild  eines  Kupferstiches  in  allen  seinen 
Teilen  17  Minuten  bei  ihm  im  Auge  verblieb.  Dieses  Anhalten  des 
Bildes  wird  zweifellos  bei  dem  geschulten  Seher,  dem  Künstler,  dem 
Maler  viel  häufiger  vorkommen,  als  bei  anderen  Menschen;  es  ist 
•wohl  auch  als  Schulung  aufzufassen;  und  diese»  Haften  des  Bildes 
kann  nicht  gleichgiltig  sein  für  künstlerische  Auffassung  und  für 
künstlerische  produktive  Tätigkeit. 

Es  kann  auch  keinem  Zweifel  unterliegen,  dais,  je  weniger  das 
periphere  Sehorgan  in  Anspruch  genommen  und  geübt  wird,  desto 
schwerfälliger  die  Leitungsbahnen  nach  dem  zentralen  Sehorgan, 
und  desto  kümmerlicher  die  Leistungen  dieses  Zentralsehorgans  selbst 
werden.  Vor  allen  Dingen  dürfte  die  mehr  oder  minder  häufige 
Lianspruchnahme  des  peripheren  und  des  zentralen  Sehorgans  von 
Einfluis  sein  auf  den  Akt  des  Denkens,  der  sich  zwischen  Sehen 
und  Merken  einschiebt;  und  es  ergibt  sich  aus  allen  diesen.  Aus- 
führungen der  fundamentale  Satz,  dafs  eine  systematische  und 
zweckmäfsige  Schulung  und  Pflege  des  Sehorgans  von 
förderndem  Einflufs  auf  die  seelische  Tätigkeit  des 
Menschen  sein  mufs. 

Daraus  ergibt  sich  die  Forderung,  daij9  nicht  nur  Schädlich- 
keiten aller  Art  vom  Sehorgan  femgehalten  werden  müssen,  sondern 
dafs  das  Sehorgan  auTserdem  geübt  werden  mufs.  Dafs  das  besonders 
zu  geschehen  hat  zu  der  Zeit,  in  welcher  der  Mensch,  seine  Organe 
und  seine  Fähigkeiten  in  der  Entwicklung  sind,  also  in  der  Schule, 
bedarf  nicht  besonderer  Begründung. 

Was  die  Fernhaltung  von  Schädlichkeiten  anlangt,  so 
ist  alles  das  zu  berücksichtigen,  was  die  Schulhygiene  in  dieser 
Richtung  fordert,  es  ist  allgemein  bekannt. 

Die  Erziehung  und  Übung  des  Sehorgans  findet  aber  ganz 
gewils  noch  nicht  die  genügende  Berücksicktigung  in  der  Schule ;  die 
Stimmen  haben  sich  in  letzter  Zeit  gemehrt,^  welche  berechtigte  und 

^  KanBterziehnngstag  in  Dresden  1901. 
Ludwig  Volkicann,  Erziehung  zum  Sehen.   Leipzig,  Verlag  von  R.  Voigtländer. 
Conrad  Lange,  Das  Wesen  der  künstlerischen  Erziehung.    Ravensburg,  Verlag 

von  Otto  Maier. 
Wilhelm  Bein,  Bildende  Kunst  und  Schule.  Dresden,  Verlag  von  Erwin  Haendeke. 
Alfred  Lichtwark,   Übungen  in  der  Betrachtung  von  Kunstwerken.    Berlin, 

Verlag  von  Bruno  Cassirer. 
Vorträge  Worpsweder  Künstler  auf  dem  Niedersachsentag  in  Hannover  1902, 

und  anderer  Künstler  in  yerschiedenen  Künstlervereinen. 

23* 


436 

malsvolle  Forderungen  für  die  Sobnle  aufstellen.  Wir  wissen  es  der 
preufsisohen  Unterriobtsverwaltung  Dank,  dafs  sie  neuerdings  dem 
Anschauungsunterricht  in  den  Volksschulen  und  Töchterschulen 
einen  breiteren  Raum  überlassen  hat;  in  den  höheren  Schulen 
nimmt  dieser  Unterricht  aber  einen  viel  zu  kleinen  Platz  ein.  Da(s 
die  preuisisohe  Dnterrichtsverwaltung  dem  wichtigen  Gegenstand  ihr 
dauerndes  Interesse  widmet,  geht  daraus  hervor,  daljs  eine  weitere 
Ausdehnung  des  Anschauungsunterrichts  und  ein  Zug  zur  Kunst 
hin  zur  Erwägung  steht;  hoffentlich  gehen  unsere  Wünsche  für  das 
Wohl  unserer  Jugend,  unsere  Wünsche  nach  dem  Einsenken  des 
Samenkorns  der  göttlichen  Kunst  in  die  kindliche  Brust  in  Er- 
füllung. Jetzt  wird  in  der  Schule  viel  gelernt,  aber  wenig  gesehen; 
das  Pensum  muüs  durchgemacht  werden,  und  es  mufs  Ostern  im 
Kopfe  sitzen,  daneben  ist  alles  andere  jetzt  ohne  jede  Bedeutung. 
Und  es  gibt  genug  solche,  die  ihr  Pensum  jährlich  mit  „sehr  gut' 
und  „gut''  erledigt  haben;  stellt  aber  dann  die  Praxis  des  Lebens 
gewisse  Ansprüche  an  diese  auf  der  Schule  von  Klasse  zu  Klasse 
mit  dem  praemium  industriae  gestiegenen  Männer,  so  versagen  sie. 
Diese  Fälle  sind  nicht  selten;  nur  so  lange  und  insoweit  es  sich  um 
Theoretisches  handelt,  so  lange  stellen  sie  ihren  Mann»  Dals 
aber  die  mangelhafte  praktische  Ausbildung  sich  in  vielen  Berufen 
später  störend  bemerkbar  macht,  das  ist  eine  leider  recht  häufige 
Beobachtung.  Wie  vieler  Mühe  bedarf  es  oft,  um  etwas  mit  Worten 
plausibel  darzustellen,  was  eine  in  wenigen  Minuten  hingeworfene 
kleine  Skizze  so  leicht  klar  und  verständlich  macht?  Es  gibt  zahl- 
reiche Ärzte,  Naturwissenschaftler,  Forscher  aller  Art,  welche  den 
Mangel  ungenügender  praktischer  Ausbildung  im  Zeichnen  recht 
empfindlich  fühlen. 

Alles,  aller  Unterricht,  alle  Erziehung,  läuft  doch  auf  den 
praktischen  Wert  fürs  Leben  hinaus,  und  die  Schule  hat  die  später 
im  Leben  auftretenden  Anforderungen  zu  berücksichtigen  in  ihren 
Elementen.  Die  Schule  muis  mehr  praktischen  Unterricht  erteilen, 
der  Anschauung  ist  der  breiteste  Raum  zu  gewähren,  und  zwar  der 
Anschauung  der  Mutter  Natur,  —  sie  ist  der  nie  versiegende,  allein 
gesxmde  Born  des  Lebens,  deshalb  mufs  der  Unterricht  soviel  als 
möglich  im  Freien  stattfinden.  Letzteres  empfiehlt  sich  auch  aus 
anderen  Gründen  (schwächliche  Körperkonstitution  der  Kinder,  Dis- 
position zu  Tuberkulose  insbesondere). 

Man  überschätzt  meiner  Überzeugung  nach  heute  allgemein  die 
Wirkung  des  Vortrages.    Natur,  Kunst,  Hygiene  kann  weniger  durch 


437 

Treiigtj  als  DaturgemäTs  durch  gutes  Beispiel  erstrebt  und  erreicht 
werden.  Der  Vortrag  wirkt  momentan,  die  Erwägungen  werden 
erst  nach  dem  Vortrag  angestellt,  und  da  können  Bedenken  —  das 
Alte  ging  ja  auchl  —  nicht  mehr  widerlegt  werden  und  siegen 
deshalb  leicht.  Der  in  glühenden  Farben  schildernde  Vortrag  ist 
ein  Grewaltakt.  Dabei  soll  die  allgemeine  Bedeutung  des  Vortrages 
durchaus  nicht  verkannt  werden;  Kunst  und  Hygiene  wollen  aber 
anerzogen  werden,  und  Erziehung  ist,  wie  Peter  BosEaaEB  in 
seiner  losen  Plauderei:  „Die  Familie  ohne  Autorität",  sagt,  kein 
Lesen,  sondern  ein  Beispiel. 

Daran  denke  man  übrigens  auch  bei  der  Bekämpfung  des 
Alkoholismus  1 

Der  Unterricht  als  Anschauungsunterricht  in  der  immer  jungen 
Natur  erfordert  aber  den  richtigen  Lehrer  und  die  richtige  Methode. 
Damit  ein  derartiger  Unterricht  gut  erteilt  werde,  muls  der  Lehrer 
selbst  Künstler  sein  oder  wenigstens  eine  starke  künstlerische  Ader 
haben. 

Mit  welcher  Wichtigkeit  wurden  bei  uns  in  der  Schule  Staub- 
igen und  Stempel  gezählt,  und  Pflanzenklassen  bestimmt^  und  eine 
Blume  nach  der  andern  weggeworfen,  ohne  da(s  uns  eine  einzige 
„freundlich  ihr  frommes  Blumengesicht  entschleiert''  hätte,  wie 
Hedtbich  Hbinb  sagt  Das  Kind  mub  zum  Sehen  erzogen  werden; 
diese  Fähigkeit  tritt  bei  den  wenigsten  Yon  selbst  heryor,  aber  sie 
schlummert  in  jedem  Menschen,  sie  will  geweckt  und  ausgebildet 
werden. 

Ein  sehfähiges  und  sehtüchtiges  Geschlecht  ist  unser  Ziel,  — 
ein  Geschlecht,  das  durch  seine  Kenntnisse  und  Fähigkeiten  anderen 
ein  leuchtendes  Beispiel  wird,  und  das  seine  Kenntnisse  und  Fähig- 
keiten auf  kommende  Geschlechter  yererbt.  Die  Tätigkeit  des  Auges 
beschränkt  sich  jetzt  nach  Sohultzbs  Worten  auf  die  Vermittlung 
Ton  Gedrucktem  und  auf  die  Verhütung  des  AnstoJsens  gegen 
Latemenpfklhle;  zu  erstreben  ist  die  yollständige  seelische,  absichtlose 
Hingabe  beim  Betrachten,  der  Sehgenub. 

Wird  so  das  Sehen  nach  der  Allmutter  Natur  anerzogen,  dann 
ergibt  sich  ein  weiterer  Schritt  von  selbst,  das  Zeichnen. 

,,Mehr  zeichnen,  weniger  schreiben^,  muüs  die  Devise  werden. 
Namentuch  im  Beginn  der  Schulzeit  dürfte  mehr  Zeichnen  am 
Platze  sein;  die  harmlose  Beschäftigung  der  Kinder  zeigt  uns  ja, 
dais  sie  die  dem  Kinde  eigenartige  ist;  sie  sollte  gepflegt,  wenigstens 
nicht   unterdrückt  werden.     Lesen  und  Schreiben   folgt  dann  von 


438 

selbst.  Ich  denke  immer  an  das  ausgezeichnete  Vorwort  zum  ersten 
Bilderbuch  der  Münchener  Jugend  „Märchen  ohne  Worte^:  „Liebe 
Kinder I  Das  denke  ich  mir  nämlich  so:  Ihr  betrachtet  eines  von 
diesen  Bildern  einige  Zeit  etwas  entfernt  durch  die  hohle  Hand, 
und  wenn  es  euch  recht  lebendig  erscheint,  und  ihr  es  mit  den 
Farben  der  Wirklichkeit  seht,  dann  suchet  ihr  seinen  Sinn  zu  er- 
fassen. Dann  werdet  ihr  finden,  dais  das  Bild  nur  eine  Begebenheit 
darstellt.  Was  mag  sich  vorher  zugetragen  haben,  —  und  wie  mag 
die  Geschichte  ausgehen?  Das  eben  möget  ihr  ersinnen,  und  dann 
frei  erzählen  oder  niederschreiben.  Ihr  sollt  selber  die  Worte 
finden  zu  diesen  Märchen,  ü.  s.  w.''  Die  Kinder  sollen  sich  £rei 
betätigen,  keine  Ausstellungsprodukte  liefern;  zweckmäfsiger  ist  die 
Arbeit  mit  dem  Pinsel  als  mit  dem  Stift.  Frische,  freie  Natur  und 
Zeichnen  heüsen  die  Forderungen. 

Der  Zeichenunterricht  wird  vielfach  zu  sehr  nach  der  Schablone 
erteilt,  Gipsfiguren  werden  abgezeichnet,  das  ist  nicht  richtig;  ver- 
ständige Modelle  sind  der  Natur  zu  entnehmen,  müssen  der  Phantasie^ 
dem  Gemüt  und  dem  Fassungsvermögen  angepafst  sein.  Nicht  auf 
Schönzeichnen  kommt  es  an,  sonderu  auf  Bichtigsehen, 
Schnellskizzieren  und  Formengedächinis,  und  das  Interesse 
des  Kindes  muTs  wachgehalten  werden. 

Ich  habe  in  Quarta  sogenannte  Weihnachtszeichnungen  anfertigen 
müssen  für  meine  Eltern,  sie  fielen  recht  mangelhaft  aus,  ich  habe 
nur  Vorlagen  gehabt,  und  da  gab  es  eine  ganz  bestimmte  Beihen- 
folge;  einmal  hatte  ich  eine  solche  Weihnachtszeichnung  nach  Meinung 
des  Lehrers  recht  schlecht  angefertigt,  ein  Schlag  mit  dem  Lineal 
war  die  Belohnung;  ein  Gemisch  von  Gefühlen,  unter  denen  das 
„Ich  kann  nicht  anders  l**  das  vorwiegende  war,  veranlaüste  midi, 
die  Zeichnung  aus  freier  Phantasie  durch  einen  aus  den  heiligen 
Höhen  auf  die  Zeichnung  (Haus  und  Turm)  geworfenen  gezackten 
Blitz  zu  ergänzen,  und  eine  vermehrte  Anwendung  des  Lineals 
seitens  des  Lehrers  war  der  Schlufs  dieses  pädagogischen  Intermezzos. 
Es  ist  mir  noch  gut  in  der  Erinnerung,  weil  ich  mein  mangelhaftes 
Zeichnen  später  immer  schmerzlich  empfunden  habe.  Vertiefung^ 
des  Zeichenunterrichts  mufs  verlangt  werden,  wie  sie  der  frisch* 
fröhliche,  humoristische,  hinreifsende  Münchener,  Dr.  Hibth,  der 
Herausgeber  der  „Jugend^,  in  seiner  Abhandlung  „Ideen  über 
Zeichenunterricht***  fordert. 


'  Wege  zur  Kunst,  Ton  Gbobo  Hirth.    Münohen  1902. 


439 

Der  Bcblichten  Natarbetraclitang  soUieist  sich  der  Zeichen- 
nnterriclit  innig  an;  hier  ist  der  Weg  festgelegt  zum  richtigen  Sehen» 
zur  Gennüsfähigkeit:  Nachbildung  der  gesehenen  Dinge,  ohne  Drill, 
mit  Berücksiohtigung  des  Individunnis,  Formen-  und  Farbensinn, 
das  bringt  auf  den  Weg  zur  Kunst.  Nicht  Künstler  sollen  erzogen 
werden,  aber  Menschen,  die  die  Reinheit  der  Natur  klar  erschauen 
nnd  Schönheit  sehen  können;  das  verleiht  dem  Menschen  Freude 
und  Friede  und  ist  you  ausschlaggebendster  Bedeutung  für  den 
Seelenfrieden  des  den  Unbilden  lebender  und  toter  Gewalten  aus- 
gesetzten Erdensohnes. 

Aus  Anlafs  der  Vollendung  der  Siegesallee-Denkmäler  sagte 
unser  Kaiser  die  denkwürdigen  Worte:  „Die  Kunst  soll  mit  helfen, 
erzieherisch  auf  das  Volk  einzuwirken,  sie  soll  auch  den  unteren 
Ständen  nach  harter  Mühe  und  Arbeit  die  Möglichkeit  geben,  sich 
an  den  Idealen  wieder  aufzurichten.*' 

Auch  im  Schulzimmer  und  im  Schulhause  mufs  der 
Kunst  ein  Platz  eingeräumt  werden.  Was  sieht  man  da 
manchmal  für  Bilder,  wenn  überhaupt  solche  Yorhanden  sindl 
Eine  schöne  Umgebung  übt  einen  stillen,  aber  anhaltenden  EinfluTs 
aus  auf  sehende  und  empfindende  Menschen. 

In  Württemberg  hat  das  Kultusministerium  zur  Weckung  des 
Kunstgefühls  bei  den  Kindern,  Schulvorständen  und  Lehrern  das 
Anbringen  passenden  Wandschmuckes  in  den  Schulzimmem  empfohlen. 
Im  besonderen  wird  hingewiesen  auf  die  SEEMANNschen  Bilder  und 
die  farbigen  Künstlerlithographien  aus  dem  Verlage  von  Teubner  & 
Yoigtländer,  auiserdem  auf  den  Katalog  „Die  Kunst  im  Leben  des 
Kindes^ 

Den  Lehrern  wird  weiterhin  empfohlen,  die  Aufmerksamkeit 
der  Schüler  auf  etwa  in  der  Nähe  befindliche  Denkmäler  und  kunst- 
volle Gebäude  zu  lenken.  Der  Besuch  der  staatlichen  Kunst- 
sammlungen soll  femer  auch  aufserhalb  der  regelmäfsigen  Besuchszeit 
den  Schulklassen  nach  vorheriger  Anmeldung  jederzeit  gestattet  sein. 

In  den  Vereinigten  Staaten  zeitigt  die  EüSEiNsche  Anregung, 
die  Schulen  mit  Bildern  u.  s.  w.  auszuschmücken,  gute  Erfolge. 
Nachdem  man  vor  etwa  zehn  Jahren  zuerst  in  den  Oststaaten  damit 
begann,  sorgen  jetzt  vornehmlich  Frauenklubs  in  den  übrigen  Staaten 
für  Ausbreitung  derartiger  Bestrebungen;  das  Geld  geben  in  erster 
Linie  gemeinnützige  Vereine  her,  an  deren  Spitze  der  Bostoner 
Schulkunstbund  marschiert.  Die  Ghicagoer  Schulkunstgesellschaft  leiht 
eine  kleine  Bildersammlung  an  Schulen  in  den  ärmeren  Stadtteilen  aus. 


440 

Es  läfst  sich  auf  die  Kunst  so  leioht  Rttoksioht  nehmen  bei 
Türpfostenbekrönungen,  Trinkbmnnen  n.  dergl. 

Nicht  alle  Schulkinder  werden  Künstler  werden,  aber  die  es 
werden  können,  sollen  gefördert  werden,  und  die  anderen  sollen  einen 
Hauch  des  himmlischen  Wesens  verspüren,  das  ihnen  yielleicht  einmal 
eine  heitere  Begleiterin  werden  wird,  der  Dank  kommt  dann  später. 

Ein  bestimmtes  Mafs  von  allerhand  Wissen  ist  ja  xmumgänglioh 
notwendig,  aber  es  darf  dabei  nicht  alles  andere,  was  nicht  als 
unerläMich  zum  Erreichen  eines  bestimmten  Zieles,  eines  Berufes, 
anzusehen  ist,  als  unnötig  mit  Gleichgiltigkeit  und  Yerächtlichkeit 
beiseite  gelassen  werden.  In  unserer  Zeit  des  Hastens  nach 
Stellungen  und  nach  Gewinn,  in  der  Zeit  schftrfister  Konkurrenz 
wird  alles  nicht  für  den  bestimmten  Zweck  Notwendige  als  unnötiger 
Ballast  angesehen.  Das  ist  verkehrt.  Das  Leben  besteht  aus  Arbeit 
und  Erholung  von  der  Arbeit;  diese  muiis  auch  in  der  richtigen 
Weise  stattfinden,  soll  sie  den  Zweck  erreichen,  die  Leistunga&hig- 
keit  zu  erhalten.  Nicht  nur  auf  den  Fluch  der  Arbeit  muis  die  Schule 
zugeschnitten  sein,  sondern  auch  auf  die  wahrhafte  Freude  am  Leben. 

Ich  fasse  die  Wünsche  zusammen:  Viel  Unterricht  im 
Freien,  Betrachtung  der  Natur,  Erziehung  zum  Sehen, 
Sehübungen,  Vertiefung  des  Zeichenunterrichts,  Weckung 
des  Kunstsinns. 

Den  gleichen  Zweck,  den  körperliche  Übungen  in  der  Schule 
für  den  Körper  verfolgen,  Ausgleich,  Erholung  und  Stärkung,  haben 
Sehübungen  für  das  Auge. 

Wenn  der  Philosoph  Wunbt  von  den  Spielen  der  Jugend  sagt : 
„Sie  sind  kein  müisiger  Zeitvertreib,  sondern  sie  gehören  zu  den 
wichtigsten  Erziehungsmitteln,  bei  deren  Auswahl  und  Wechsel  der 
Zweck  der  harmonischen  Ausbildung  des  Körpers  und  Geistes  im 
Vordergrund  stehen  sollte*'  —  wobei  übrigens  das  Auge  nicht  die 
kleinste  Rolle  spielt  1  — ,  so  kann  man  diesen  Worten  getrost  die 
folgenden  an  die  Seite  stellen: 

„Die  Sehübungen  sind  kein  müisiger  Zeitvertreib,  sondern  ein 
wichtiges  Bildungsmittel,  das  die  psychische  Ernehung  im  Auge  hat 
und  den  Menschen  be&higen  soll,  sich  neben  der  Arbeit  d,em  reinen 
Genüsse  der  Natur  und  der  Kunst  hinzugeben,  sich  glücklich  und 
zufrieden  zu  fühlen,  und  zu  verstehen  den  Zauber  der  Allmutter 
Natur  und  der  hehren  Kunst,  und  sich  ihm  hinzugeben.^ 


441 


Über  die  Beinitrnng  der  VolksschnlklaBsen. 

(Betraohtimgen  und  Materialien.) 

Von 
Dr.  med.  Mobitz  FcBST-Hamburg. 

Mit  Recht  hat  man  geflagt  nnd  geschrieben,  daCs  die  mehr  oder 
weniger  gnte  Befolgung  von  Vorschriften  der  Schulhygiene  eine 
reine  Geldfrage  sei.  Die  modernen  sogenannten  Schulpaläste  kosten 
sehr  viel  Geld,  und  viele  der  Steuerzahler  —  besonders  die  alte 
Generation  —  kann  nicht  einsehen,  warum  man  nicht  auch  unsere 
Yolkssohulkinder  in  Spelunken  steckt,  wie  sie  ihnen  selbst  als  Schul- 
lokale in  der  guten  alten  Zeit  gedient  haben. 

Da  nun  aber  die  Schulhygiene  die  Gesundheit  der  Völker  für  die 
Zukunft  gewährleisten  soll,  so  dürfen  notwendige  Ausgaben  flär  die 
gesundheitliche  Pflege  der  Schule  durchaus  nicht  gescheut  werden.  Zu 
diesen  notwendigen  Ausgaben  gehören  sicher  auch  diejenigen,  die 
fär  die  Beinigung  der  Schulgebäude  verwendet  werden.  Wer 
als  Arzt  oder  Lehrer  Gelegenheit  hat,  öfter  Schullokalitäten  eu  be- 
treten,  der  findet  bei  einiger  Aufmerksamkeit,  dafs  auch  in  modern 
eingerichteten  Schulpalästen  die  Beinigung  oft  sehr  viel  zu  wünschen 
übrig  UUst.  Nun  ist  es  einerseits  vom  ästhetischen  Standpunkte  aus 
sehr  zu  bedauern,  dafs  Bäume,  welche  auf  die  Schulkinder  vorbild- 
lich wirken  sollten,  die  in  einigermalisen  anständigen  Wohnräumen 
erforderliehe  xmd  gewöhnliche  Sauberkeit  vermissen  lassen,  anderer- 
seit  ist  es  vom  ärztlichen  Standpunkte  aus  durchaus  zu  verurteilen, 
dals  die  Bäume,  in  denen  sich  die  Volksschuljngend,  durch  die 
G^etze  des  Staates  gezwungen,  einen  gröüseren  Teil  des  Tages  auf- 
halten soll,  nicht  in  jeder  Beziehung  den  Forderungen  der  Gesund- 
heitslehre entsprechen.  Zu  diesen  gehört  aber  in  allererster  Beihe 
die  Beinliohkeit,  die  zur  Verhütung  von  Schulinfektionskrankheiten 
gar  nicht  grols  genug  sein  kann;  denn  die  moderne  Wissenschaft 
hat  uns  gelehrt,  dals  als  Beinlichkeit  in  hygienisch-ärztlichem  Sinne 
die  möglichste  Freiheit  der  betreffenden  Bäume  etc,  von  Staubteilch^ 
aller  Art  und  von  Erankheitskeimen  im  besonderen  au&u&ssen  ist. 

Der  Vertrauensarzt  der  Hamburgischen  Ober-Schulbehörde  hält 
allerdings  nicht  viel  von  der  hygienischen  Beaufsichtigung  der  Schul- 


442 

häuser  durch  Ärzte.  In  einem  Artikel  meines  hochverehrten  Kollegen 
Dr.  Mabb  {Ärsftl.  Veremsbl,  11.  Noybr.  1902)  heifst  es  nämlich 
stark  ironisch:  „Die  hygienische  Bean&ichtignng  der  Schulgebände 
soll  immer  noch  den  Ärzten  vorbehalten  bleiben,  weil  vermutlich  nur 
die  Nase  der  Ärzte  ausreicht,  um  beurteilen  zu  können,  wann  die 
Luft  in  einer  Schulstube  schlecht  ist,  und  wann  die  Fenster  geöffnet 
werden  müssen,  oder  weil  nur  die  Ärzte  so  viel  Sinn  für  Reinlich- 
keit haben,  dafs  sie  sagen  können,  wie  oft  eine  Schulstube  gefegt 
und  nals  gereinigt  werden  mufs^. 

Mit  vielen  anderen  Ärzten  bin  ich  nun  der  Ansicht,  dab  alles 
das,  was  Dr.  Mabb  verneinen  zu  müssen  glaubt,  tatsächlich  der  Fall 
ist,  dais  nämlich  der  Arzt  durch  Anpassung  und  Gewöhnung  ein  Riech- 
organ sich  erworben  hat,  das  den  gewöhnlichen  Najsen  der  Laien 
weit  überlegen  ist,  und  dafs  seine  biologisch-medizinische  Bildung 
ihm  wirklich  eine  Anschauung  von  dem,  was  Reinlichkeit  ist,  bei- 
gebracht hat,  die  viel  höher  steht,  als  diejenige  anderer  Menschen. 
Das  soll  nicht  leichthin  behauptet,  sondern  kann  auch  bewiesen 
werden.  Es  ist  doch  gewils  kein  blofser  Zufall,  dafs,  wie  die  höchst 
bedeutsamen  und  interessanten,  von  Habtmann  auf  der  letztjährigen 
(1902)  Versammlung  des  Allgem.  deutschen  Vereins  für  Schulgesund- 
heitspflege veröffentlichten  Beobachtungen  zeigen,  in  sechs  von  den 
acht  Städten,  in  welchen  Ärzte  Mitglieder  der  Stadtverwaltung  sind, 
die  Schulzimmer  täglich  gereinigt  werden,  dafs  dagegen  in  17  an- 
deren städtischen  Gemeinwesen,  die  sich  im  Magistrat  oder  in  der 
Stadtverordnetenversammlung  ärztlicher  Mitglieder  nicht  er&euen, 
diese  Reinigung  nur  zwei-  oder  dreimal  wöchentlich  vorgenommen 
wird. 

Im  Anschluis  an  wiederholte  EUagen  von  VolksschuUehrem  und 
-Lehrerinnen  über  die  mangelhafte  Sauberkeit  ihrer  Klassenlokale, 
nachdem  ich  auch  mehr  Gelegenheit  genommen  hatte,  persönlich 
eine  Reihe  von  Volksschulklassen  auf  diese  Verhältnisse  zu  be- 
sichtigen, schien  es  mir  angebracht  zu  sein,  einige  literarische  Studien 
über  die  Reinigung  der  Volksschulzimmer  anzustellen. 

In  dem  Handbuch  der  Schulhygiene  von  Bübgebbteik  und 
Netolitzky  wird  die  Forderung  aufgestellt,  dafs  die  Klassen  täg- 
lich feucht  aufgewaschen  werden  sollen,  dais  bei  der  Reinigung 
vermieden  werden  soll.  Staub  aufzuwirbeln;  die  Fenster  sollen  monat- 
lich wenigstens  einmal  geputzt  werden,  um  Lichtverlust  zu  ver- 
meiden. Die  FuTsbretter  der  Schulbänke  sollen  zum  Aufklappen 
eingerichtet  sein,  damit  die  Reinigung  des  Bodens  erleichtert  werde. 


443 

Aus  demselben  Gninde  sollen  die  Tische  nicht  mit  den  yoranstehenden 
Bänken  verbunden  sein. 

In  dem  genannten  Buche  wird  auch  ein  Gutachten  des  „Comit^ 
consultatif  d'hygi^ne  publique  de  France^  wiedergegeben,  in  dem 
über  die  Beinigung  der  Klassen  unter  anderem  folgende  Forderungen 
zum  Ausdruck  gelangen: 

„4.  Die  Beinigung  der  Fufsböden  darf  nicht  mittels  trockener 
Besen  erfolgen,  sondern  mittels  nasser  Tücher  oder  Schwämme. 

6.  Einmal  wöchentlich  ist  der  Fuisboden  in  ausgiebiger  Weise 
mit  Wasser  und  einem  Desinfektionsmittel  zu  waschen;  In  gleicher 
Weise  sind  die  Wände  im  Jahre  zweimal  (in  der  Zeit  der  Oster- 
nnd  grofsen  Ferien)  zu  waschen/' 

In  den  Grundsätzen  der  Beinigung  des  Königl.  preufsischen 
ProvinzialschulkoUegiums  in  Kassel  ist  folgendes  enthalten: 

„Klassenzimmer,  Zeichensäle,  Gänge,  Treppen  sind  an  jedem 
Sohultage  bei  offenen  Fenstern  und  Türen,  d.  h.  möglichst  ausgie- 
biger Luftbewegung,  gründlich  auszukehren,  nachdem  der  Fufsböden 
reichlich  mit  nassen  Sägespänen  oder  mit  nassem  Torfmull  oder 
nasser  Lohe  bestreut  worden  ist.  Zum  Anfeuchten  ist  warmes 
Wasser  zu  verwenden.  Bei  Sägespänen  nimmt  man  gleichviel 
Wasser,  bei  Torfmull  drei  Gewichtsteile  Wasser  auf  ein  Gewichts- 
teil Mull.  Tische,  Bänke  und  deren  Bücherbretter,  Ofenkacheln  etc. 
sind,  nachdem  der  Staub  sich  gelegt  hat,  mit  feuchten,  nicht  nassen, 
die  Aufsenteile    eiserner   Öfen   mit  trockenen  Tüchern  abzuwischen. 

Aufserdem  sind  alljährlich  mindestens  viermal  gründliche  Haupt- 
reinigungen aller  Bäume  vorzunehmen,  hierbei  ist  zunächst  der  Staub 
von  den  Wänden  und  Decken  abzukehren,  falls  sie  nicht  eben  ge- 
tüncht sind.  Getäfel,  Mobiliar,  ölgestrichene  Wände  oder  Wand- 
stucke, Türen,  Fenster  auf  der  Innen-  und  Aufsenseite  sind  mit 
warmem  Wasser  und  Seife  abzuwaschen,  desgleichen  geölte  und 
Parkettfaüsböden,  grobporige  und  nackte  Fufsböden  auch  mit  Sand 
tmd  Bürste,  Türgriffe,  Beschläge  sachgemäfs  zu  reinigen  und  blank 
zu  machen.  Zu  empfehlen  ist,  dafs  stark  benutzte  Zimmer  derart 
monatlich  gereinigt  werden. 

Fest-  und  Prüfungssäle  sind  mehrere  Tage  vor  der  Benutzung 
jedesmal  gründlich  zu  reinigen. 

In  den  Turnhallen  sind  wöchentlich  mindestens  einmal  die 
Wände  und  Decken  abzukehren  und,  nachdem  der  Staub  durch 
Luftzug  entfernt  ist  oder  sich  zu  Boden  gesetzt  hat,  sind  die  Ge- 
räte   feucht,    eiserne  Öfen  trocken  abzuwischen,    und  die  Fufsböden 


444 

mit  nassen  Sägespänen  u.  s.  f.  gründlich  zu  kehren.  Die  Fenster 
sind  alle  vierzehn  Tage  zu  patzen.  Sitzbretter  der  Abtritte  und 
Pissoirs  sind  ti^lioh  zu  reinigen,  der  Boden  mindestens  einmal  in  der 
Woche  zu  scheuem. 

Die  Schuljugend  soll  mit  Strenge  und  Konsequenz  zur  Beini« 
gung  der  Fufsbekleidung  vor  Eintritt  in  die  Schule  angehalten 
werden.  Schlechte  Luft  und  G-eruch  infolge  Staubauflagerung  auf 
den  Heizflächen  soll  vermieden  werden,  daher  die  gröfste  Reinlich- 
keit der  Oberfläche  des  Heizkörpers  obwalten^. 

Femer  ist  bezüglich  der  Verunreinigung  durch  feste 
Körper  folgendes  bemerkt: 

„Der  Staub  der  Schulzimmer  besteht  aus  unorganischen  und 
organischen  Teilchen  von  Straisenschmutz,  pflanzlichen  und  tierischen 
Partikeln  der  Bekleidungsstoffe  bezw.  der  menschlichen  Haut,  durch 
Fenster  und  Türen  mit  Luft  hereingewehten  Materialien  verschie- 
dener Art. 

Vom  Staub,  der  im  Schulzimmer  aufgewirbelt  wird,  setzt  sich 
die  Hauptmasse  der  gröberen  Teile,  ja  sogar  die  feineren,  die  etwa 
in  2  m  Höhe  (Schulschrankfläche)  entnommen  werden  können,  nach 
den  Versuchen  von  Stebn  bereits  in  10 — 16  Minuten  ab.  Der 
feinste  Staub  (Sonnenstäubchen)  schwebt  am  längsten  in  der  Luft. 
Der  gröfste  Teil  der  Keime  sinkt  in  den  ersten  10 — SO  Minuten  zu 
Boden,  die  Luft  enthält  nach  IVs  Stunden  nur  noch  sehr  wenig 
Keime.  Die  Möbel  sollen  daher  nicht  kurz  vor  Beginn  des  Unter- 
richts abgestäubt  werden''. 

Wenn  wir  die  letzten  Jahrgänge  dieser  Zeitschrift  durch- 
sehen, so  finden  wir  auch  einiges  Material  für  die  Beinigung  der 
Volksschulklassen.  Im  X.  Band,  1897,  sehen  wir,  dafs  der  Volks- 
schulbauten-AusschuCs  der  Hamburger  Bürgerschaft  die  Beinigung 
der  dortigen  Klassen  für  ungenügend  erachtet.  Es  sei  ein  sohlechter 
G-eruoh  in  den  EUassen,  der  von  den  Ausdünstungen  der  Bänder 
und  ihrer  Gku*deroben  herrühre^  die  Beinigung  sei  auch  erschwert 
infolge  der  vielen  Spalten  und  Fugen  der  Euüsböden.  Ln  XIII. 
Band  dieser  Zeitschrift  (1900)  ist  ein  Bericht  enthalten,  wie  die 
Berliner  Vereinigung  für  Schulgesundheitspflege  sich  mit  der  Reini- 
gung der  Volksschulzimmer  beschäftigt.  Der  Referent  derselben, 
Lehrer  Suck,  hat  festgestellt,  daüs  1110  g  Schmutz,  der  unter  den 
Schwellen  festgeschraubten  Schulbänke  hervorgekehrt  wurde,  2Vs 
Milliarden  Pilzkeime  aufwies.  Die  Möglichkeit  der  Übertragung  ron 
Krankheiten  durch  solche  im  Staube  enthaltenen  Keime  unterliegt 


445 

keinem  Zweifel.  Anoh  die  organischen  Stoffe  des  Staubes  wirken 
schädlich  schon  durch  Luftverderbnis.  Der  Stralsenstaab  ist  in 
Berlin,  wie  überall,  sehr  reich  an  solchen  Stoffen.  Ermittelungen 
des  Referenten  haben  ergeben,  dafs  der  von  den  Schülern  in  Ber- 
liner Schulen  eingeschleppte  Staub  83%  organische  Stoffe  enthält. 
Darum  mufs  der-  Staub  aus  Schulräumen  möglichst  schnell  und 
gründlich  beseitigt  werden. 

Aus  dem  XIV.  Bande  (1901)  führen  wir  die  schulärztlichen 
Erfahrungen  von  Dr.  M.  Cohn  an.  Nach  seinen  Untersuchungen 
finden  in  den  meisten  Schulen  mehrmals  wöchentlich  trockene  B.ei- 
nigungen  statt,  eine  gründliche  nasse  Reinigung  aber  nur  in  den 
Ferienzeiten.  Oohn  teilt  in  seiner  Arbeit  auch  das  neue  Charlotten- 
burger System  mit,  wo  sämtliche  Klassenzimmer  und  Korridore 
dreimal  wöchentlich  naCs  gereinigt  werden,  au&erdem  die  Zimmer 
mit  einem  Ölanstrioh  der  Fuüsböden  yersehen  sind,  um  Staub- 
ansammlung zu  yerhüten.  Cohk  stellt  die  Forderung  der  täglichen 
nassen  Reinigung  als  eine  selbstverständliche  hin. 

In  dem  XV.  Bande  dieser  Zeitschrift  (1902)  finden  wir,  daüs 
das  Spucken  auf  den  Fubboden  in  den  Schulen,  sowie  in  anderen 
öffentlichen  und  Versammlungslokalen  (Asylen,  Kasernen,  Kranken- 
häusern etc.)  vom  „Oonseil  superieur  d'hygi&ne  publique"  in  Belgien 
verboten  worden  ist.  Es  sind  in  solchen  Räumen  hygienische  Spuck- 
näpfe  aus  undurchsichtigem  G-las,  Steingut,  emailliertem  Blech 
und  dergl.  mit  einer  desinfizierenden  Lösung  oder  wenigstens  mit 
Wasser  gefüllt  in  genügender  Zahl  aufgestellt  worden.  Das  trockene 
Auskehren  der  Schulzimmer  ist  verboten.  Die  Herstellung  voll- 
kommen dichter  Fulsböden  ist  empfohlen.^ 

^  In  der  Pädagogischen  Beform,  No.  28,  1902,  tritt  F.  Honb- 
BBiNCKEB  für  die  tägliche  Reinigung  der  Schulzimmer  ein.  Er 
behandelt  speziell  die  hamburgischen  Schulverhältnisse  und  tadelt  es^ 
dafs  seit  1897  die  Klassenzimmer  der  Volksschulen  nur  unter  Weg- 
rücken der  Subsellien  gefegt  und  nur  alle  14  Tage  einmal  feucht 
gereinigt  (gefoult)  werden.  Mit  vollem  Recht  hebt  Honebhingkeb 
hervor,   dafe  die  Volksschule  mit  der  gegenwärtigen  Art  der  Reini- 


^  Siehe  ferner  im  XV.  Jahrgang  dieser  Zeitschrift  die  Arbeit  von  Dr.  H. 
Beichbnbach:  y,Einige  Versuche  mit  staubbindenden  Fnfsboden- 
•ölen*'  und  den  Aufsatz  von  Rühl:  ^Eine  Bemerkung  über  die  Ver- 
wendung staubbindender  Fufsbodenöle  in  Schulräumen^.  Sodann 
im  XVI.  Jahrgange  die  Arbeit  von  Dr.  Engels:  „Staubbindende  Fufs- 
bodenöle und  ihre  Verwendung**.    (D.  Bed.) 


446 

gung  sich  noch  nicht  einmal  auf  den  durch  die  bürgerliche  Sitte 
gntgeheilsenen  Standpunkt  erhoben  hat,  und  daiSs  die  hygienische 
Wertung  der  Beinigung  seitens  der  Schulverwaltung  eine  bedeutend 
mindere  sei,  als  in  den  untersten  Schichten  der  Arbeiterbevölkerung. 
Der  Staat  dürfe  in  seinen  Erziehungsanstalten  doch  nicht  dulden, 
was  er  den  Privaten  von  Gesetzeswegen  verbietet;  dahin  gehört  die 
gesundheitswidrige  Benutzung  der  Eäume  (§§  11,  12  und  14  des 
hamburgischen  Gesetzes,  betr.  Wohnungspflege).  Dais  die  Klassen- 
reinigung in  den  hamburgischen  Schulen  nicht  nach  gesundheitlichen 
Grundsätzen  erfolgt,  geht  daraus  hervor,  dafs  das  Reinigungsreglement 
der  "Volksschulen  für  die  Realschulen  nicht  gilt,  in  welchen  die 
feuchte  Reinigung  in  jeder  Woche  einmal  erfolgt,  also  doppelt  so  oft 
als  in  den  Volksschulen.  Honebeingkeb  kann  auch  die  gewöhnlich 
angewandten  Mittel  zur  Reinhaltung  der  Zimmerböden  nicht  billigen. 
Das  Fegen  der  Schulräume  muls  nach  seiner  Ansicht  aus  hygienischen 
Gründen  verworfen  werden;  das  Streuen  des  Sägemehls  erfüllt  seinen 
Zweck  nicht,  trägt  im  Gegenteil  bei  unrichtiger  Anwendung  zur 
Verunreinigung  bei.  Auch  glaubt  Honebbikckeb,  dais  das  staub- 
bindende Ol  den  Erwartungen  nicht  entsprochen  hat,  da  Schulen, 
die  mit  demselben  einen  Versuch  gemacht  hatten,  zur  alten  Reini- 
gungsmethode zurückkehrten.  Aus  allen  diesen  Gründen  kommt 
floNEBBiNCKER  ZU  der  bestimmten  Forderung,  dafs  man  aus  schul- 
hygienischen Gründen  wenigstens  eine  tägliche  feuchte  Reinigung 
der  Klassen  verlangen  müsse. 

Kreisarzt  Dr.  Bebgeb  läist  sich  in  seiner  unläugst  erschienenen 
Schrift:  „Kreisarzt  und  Schulhygiene"  (Hamburg  und  Leipzig, 
1902)  über  die  Reinigung  der  Schulzimmer  folgendermafsen  aus: 
„Die  Schulzimmer  müssen  möglichst  täglich  grtLndlich  gereinigt  und 
reingehalten  werden.  Trockenes  Fegen  entfernt  nicht  den  feinen 
Staub,  wirbelt  im  Gegenteil  noch  mehr  auf;  soll  dies  vermieden 
werden,  so  müssen  vor  dem  Kehren  angefeuchtete  Sägespäne  (vor- 
zuziehen!) oder  Torfmull  gestreut  werden,  für  100  qm  Fläche  500  g 
Torfmull.  Vorhänge  sind  auszuschütteln,  Wände  abzufegen,  alles  bei 
geöffneten  Fenstern;  zur  Entfernung  des  feinen  Staubes  hat  das  ge- 
kehrte Zimmer  mehrere  Stunden  geschlossen  ruhig  zu  stehen,  dann 
wird  feucht  aufgewischt  mittels  Schrubbers,  der  mit  Lappen  um- 
wickelt ist,  die  oft  auszuwaschen  sind;  vor  allen  Dingen  ist  an 
Wasser  nicht  zu  sparen;  dann  wird  auf  gleiche  Weise  das  Mobiliar 
abgewischt.  Derartige  gründliche  Reinigungen  sind  alle  zwei  bis  drei 
Tage  vorzunehmen,  auiCserdem  alle  vier  Wochen  eine  Hauptreinigung, 


447 

wobei  Wasaer,  Seife  nnd  Sohenertuoh  die  Hauptrolle  spielen,  und 
Boden,  Möbel  und  Wände  gründlich  gereinigt  werden;  die  Fenster 
sind  alle  14  Tage  zu  putzen.  Das  auf  dem  Lande  beliebte  Streuen 
Yon  Sand  ist  durchaus  unhygienisoh.  Die  Beinigung  durch  Kinder 
ist  ganz  unstatthaft«  Eine  gute  Beinigung  ist  einer  der  allerwich- 
tigsten  Punkte  fär  die  Gesundheit  der  Kinder  und  Lehrer;  es  mülste 
täglich  gesprengt,  gefegt  und  wöchentlich  gescheuert  werden  (Wies- 
baden), wie  es  in  jedem  Haushalt  mit  drei  bis  vier  Personen  ge- 
wohnheiisgemäls  geschieht.  Grundbedingung  einer  möglichst  guten 
Aeinigung  ist  glatter,  ebener  Boden.  Die  Verwendung  staubbindender 
öle  (Dustless)  wird  gelobt.^ 

Der  Kreisarzt  Beeoeb  ist  also  wesentlich  bescheidener  in  seinen 
Forderungen  f&r  die  Reinlichkeit  der  Klassen  als  der  Lehrer  Hone- 

BBINCKEB. 

Mir  schien  es  wünschenswert  zu  sein,  eine  gröisere  Anzahl  von 
Verordnungen  und  Listruktionen  über  die  Beinigung  und  Reinhaltung 
der  Volksschulklassen  zu  sammeln.  Es  lieiüs  sich  dieses  nur  dadurch 
bewerkstelligen,  dafs  ich  mich  an  eine  Reihe  vo^  Schulmännern  und 
Ärzten  mit  der  Bitte  um  Zuwendimg  des  betreffenden  Materials 
wendete.  Nicht  alle  der  in  Anspruch  genommenen  Herren  haben 
meiner  Bitte  entsprochen,  aber  doch  eine  genügende  Anzahl,  um  ein 
Material  zusammenzubringen,  das  eine  ziemlich  gute  Übersicht  über 
die  betreffenden  Verhältnisse  zuläfst.  Vor  aUem  bin  ich  Herrn  Pro- 
fessor Dr.  A.  Habtmann  in  Berlin  zu  gröistem  Danke  yerpflichtet, 
der  mir  das  Material  seiner  Enqudte  über  Schulgesundheitspflege  zur 
Verfügung  stellte,  das  er  für  seinen  schon  erwähnten  Vortrag  zu- 
sammengebracht hat.  Auch  Herrn  Reg.-  und  Medizinalrat  Prof. 
Dr.  Leubusgheb  in  Meiningen,  Herrn  Schulrat  Prof.  Dr.  DiLLiNa 
und  Herrn  E.  LANaENBBCK  in  Hamburg,  Herrn  Prof.  Dr.  Hebm. 
CoHN  in  Breslau,  dem  Magistrat  der  Kgl.  Haupt-  und  Residenzstadt 
Breslau,  dem  Stadtarzt  in  Breslau,  Herrn  Dr.  Oebbegee,  Herrn 
Dr.  ScHMiDT-MoNNABB  uud  dem  Herrn  Stadtschulrat  Bbendel  in 
Halle  a.  S.,  Herrn  Dr.  Moses  in  Mannheim,  Herrn  Dr.  Gutenbebg 
in  Darmstadt,  dem  Herrn  Kommunalarzt  Axel  Hebtel  in  Kopen- 
hagen, Herrn  Stadtrat  Professor  Kat.TiB  in  Wiesbaden,  Herrn  Dr. 
ScHUBEBT  in  Nürnberg,  sowie  Herrn  Stadtschulrat  Dr.  Bbinckmann 
und  Herrn  Dr.  Axmakn  in  Erfurt  möchte  ich  an  dieser  Stelle 
meinen  verbindlichsten  Dank  für  die  Unterstützung  durch  Einsendung 

yon  Listruktionen  für  die  yorliegende  Arbeit  sagen. 

(Fortsetzung  folgt.) 


448 


Das  Schnlgebände  und  seine  Einrichtnng  in  Frankreich 

nnd  in  Elsafli-Lotliringen. 

Von 

Dr.  med.  Alfbbd  Kühn, 
prakt.  Ant  zu  StraTsburg-Neadori 

(Fortsetzung.) 

i)  Schulbänke.  Um  recht  zu  yersteheD,  wie  notwendig  es  ist, 
genaue  und  zweckentsprechende  Yorsohriften  fOr  die  Ansohaffong  der 
Schulbänke  zu  geben,  braucht  man  sich  nur  die  Schulbänke  zu  ver* 
gegenwärtigen,  die  man  früher  allerorts  in  den  Schulen  vorÜEuid  und 
leider  auch  heutzutage  noch  vereinzelt,  besonders  auf  dem  Lande, 
antrifift. 

Der  gröiste  Fehler,  welchen  die  Schulbänke  früher  darboten, 
bestand  darin,  dals  man  dieselbe  GrOise  für  Schüler  von  verschiedenem 
Alter  und  verschiedener  Eörpergröise  in  Anwendung  brachte.  Auf 
Bänken  von  7— 8  m  Länge  wurden  16 — 20  Schüler  gleichsam  zu- 
sammengepfercht.  Einer  der  Hauptfehler  war  femer  der  Umstand, 
dafs  die  „Distanz**,  d.  h.  der  horizontale  Abstand  der  beiden  Lote  von 
der  hinteren  Tisch-  und  der  vorderen  Bankkante,  in  einer  beträcht* 
liehen  Plusdistanz  von  7 — 8,  ja,  selbst  10  cm  imd  mehr  bestand.  Das  von 
der  Tischplatte  zu  weit  entfernte  Kind  muTste  sich  daher,  um  leseü 
und  besonders  um  schreiben  zu  können,  nach  dem  Tisch  zu  beugen, 
ja,  sich  sogar  auf  denselben  legen.  Endlich  entbehrten  die  Schul- 
bänke  meistens  der  Lehne,  so  dals  der  Schüler,  wenn  er  ermüdet 
war,  keine  andere  Stütze  zur  Erholung  fand,  als  den  Tisch. 

Solch  schwerwiegenden  Übelständen  kann  man  nur  durch  ganz 
bestimmte,  streng  durchzuführende  Vorschriften  begegnen.  Die  Schüler 
sollen  sich  nicht  den  Schulbänken  anpassen  müssen,  die  Schulbänke 
sollen  vielmehr  den  Schülern  angepalst  sein.  Daraus  folgt  von  selbst, 
dafs  eine  diesbezügliche  Verfügung  sich  nicht  mit  allgemeinen  Vor- 
schriften begnügen  darf,  sondern  auch  die  Einzelheiten  der  hygienisch 
wichtigen  Punkte  bei  der  Schulbankkonstruktion  berücksichtigen  muis. 
Leider  geschieht  dies  nicht  in  hinreichendem  Mafse  in  der  „Ver- 
fügung des  Oberpräsidenten^,  wie  wir  gleich  näher  sehen  werden. 
Das  „Reglement**  hingegen  ist  in  dieser  Frage  viel  vollständiger  und 


449 

genauer.  In  ihm  sind  die  einzelnen  Mafse  angegeben,  die  bei  der 
Wahl  von  Sohnlbänken  in  Anwendung  zu  kommen  haben.  Aller- 
dings lassen  sich  auch  im  „B&glement^  gewisse  Mängel  entdecken, 
dasselbe  hat  jedoch  vor  der  ,  Verfügung  des  Oberpräsidenten**  den 
gro&en  Vorzug  voraus,  keine  allzu  grolse  Willkür  zu  gestatten. 

Was  die  Gröfse,  Form  etc.  der  Subsellien  betrifft,  bestimmt 
die  elsalis-lothringisohe  Verfügung  wie  folgt:  „Bei  Beschaffung  von 
Schultischen  und  «Bänken  ist  vor  allem  darauf  zu  achten,  dafs  die- 
selben jedem  Schüler  eine  gesundheitsgemäfse  Sitz-  und 
Schreibstellung  gewähren.  Demnächst  ist  dabei  zu  beobachten, 
dafs  sie  das  Stehen,  wenigstens  für  kürzere  Zeit,  sowie  das  Aus-  und 
Eingehen,  endlich  die  Unterbringung  der  Bücher  etc.,  sowie  die 
Überwachung  der  Schüler  tunlichst  gestatten". 

Im  groÜBen  und  ganzen  wäre  hiermit  den  hygienischen  Forde- 
rungen G-enüge  geleistet.  Unter  welchen  Bedingungen  jedoch  ent- 
sprechen die  Subsellien  den  erwähnten  Forderungen?  Darüber  war 
man  lange  im  Zweifel,  und  man  hat  sich  in  der  genannten  Verfügung 
vielleicht  gerade  aus  diesem  Grunde  mit  den  soeben  angeführten  all. 
gemeinen  Vorschriften  begnügt. 

Alle  möglichen  Sehulbanksystome  wurden  in  Anwendung  ge- 
bracht,  von  denen  man  voraussetzte,  dals  sie  gesundheitsgemäüs  ein- 
gerichtet wären,  die  es  jedoch  in  Wirklichkeit  nicht  waren.  Alle 
möglichen  Modelle  und  Kombinationen  wurden  im  Laufe  der  Zeit 
vorgeschlagen,  von  denen  man  hoffte,  dals  sie  den  hygienischen  An- 
forderungen völlig  entsprechen  würden.  Fast  immer  zeigten  sich 
aber  wieder  neue  Schwierigkeiten,  die  man  vor  der  Herstellung  der 
betreffenden  Subsellien  nicht  geahnt  hatte,  und  welche  die  Einführung 
eines  noch  vollkonuneneren  Systems  erheischten.  Und  auch  gegen- 
wärtig sind  Hygieniker  imd  Pädagogen  über  verschiedene  wichtige 
Punkte  in  der  Konstruktion  der  Schultische  noch  nicht  einig  geworden. 

Damit  eine  Schulbank  als  gesundheitsgemäls  bezeichnet  werden 
kann,  sollte  sie  jedenfalls  dem  Kinde  eine  Haltung  gestatten,  welche 
starkes  Vomüberbeugen  des  Kopfes  beim  Schreiben  und  seitliche 
Neigungen  sowie  Drehungen  des  Kop&s  und  Oberkörpers  ausschliefst. 
Eine  derartige  Haltung  kann  offenbar  nur  mit  Subsellien  erreicht 
werden,  welche  den  Gröisenverhältnissen  des  Körpers  der  einzelnen 
Schüler  genau  angepafst  sind.  Daher  sind  im  «B^glement**  auch 
verschiedene  Typen  von  Schulbänken  vorgesehen,  und  zwar  kommen 
nach  dessen  Wortlaut  fünf  den  verschiedenen  Körperlängen  der  Kinder 
angepafste  Typen  in  Betracht: 

Sehulgeiundheitopflege.  XVI.  24 


450 

I.  Type  für  Kinder  von  1,00—1,10  m  Körperlänge  (Kindergarten). 
IL    91       f>        >9        II     1»11 — lj20  „  „ 

TV  1 36—1 50  <  (Skjhnlen). 

V.     „        ,1         „         ,1     über     1,60  „ 

Die  Nummer  und  die  entsprechenden  Körperlängen  sollen  an 
jeder  Bank  angezeichnet  sein. 

Die  elsals- lothringische  Verordnung  verlangt  dagegen  einfach, 
„dafs  in  jeder  Klasse  mehrere  den  Gröisen Verhältnissen  der  Schaler 
entsprechende  Arten  von  Schulbänken  vorhanden  sein  müssen".  Dais 
diese  Bestimmung  nicht  hinreichend  ist  und  der  Willkür  zu  viel 
freien  Baum  läCst,  ergibt  sich  von  selbst. 

Sind  nun  die  in  Frankreich  vorgeschriebenen  Typen  den  natür- 
lichen Verhältnissen  entsprechend?  Richtig  ist  jedenfalls,  daJb  die 
Gröüsen  der  Subsellien  nicht  nach  dem  Alter,  sondern  nach  der 
wirklichen  Gröfse  der  Schulkinder  bemessen  werden  sollen.  Wie 
beträchtlich  die  G-röiüsenunterschiede  bei  gleichem  Lebensalter  sind, 
zeigen  u.  a.  die  Messungen  von  Oabstadt  an  Knaben,^  wonach  sich 
ergibt,  dafs  in  jeder  Klasse  mehrere  Subsellgröisen  vorhanden  sein 
müssen,  wenn  die  Schüler  ein  ihnen  angepafstes  Subsell  haben  sollen. 
Über  die  Zahl  der  als  notwendig  angenommenen  Subsellgröfsen  kann 
man  etwas  verschiedener  Meinung  sein,  und  man  darf  hierin  auch 
nicht  zu  weit  in  seinen  Ansprüchen  gehen.  Trotzdem  scheint  mir 
der  Gröfsenunterschied  (14  cm)  der  einzelnen  Schüler,  welche  in 
Typus  No.  in  und  IV  untergebracht  werden  sollen,  zu  beträchtlich 
zu  sein,  imd  sollte  derselbe  nicht  über  10  cm  hinausgehen.  Es  wäre 
demnach  am  besten,  noch  eine  Type  einzuschieben,  und  würde  dann 

Type  in  fUr  Schüler  von  1,21—1,30  m, 
,,      IV     „         ,1  I,     1,31     1,40   „ 

„  V  „  „  „  1,41-1,60  „ 
anzuwenden  sein,  die  „Type  VI"  fiir  Schüler  von  über  1,50  m 
KörpergröDse.  In  der  Volksschule,  in  der  es  sich  ja  nur  um  Schüler 
bis  zu  14  Jahren  handelt,  würden  diese  Subsellgröüsen  genügen.  In 
den  Mittelschulen  und  den  höheren  Lehranstalten,  welche  auch  von 
älteren  Schülern  besucht  werden,  yeäre  die  Zahl  der  Subsellgröisen 
dementsprechend  zu  vermehren. 

Um   nun    die  Banknummer   für  jeden    einzelnen  Schüler  fest- 


^  Dr.  F.  Carstädt,   über   das  Wachstum   der  Knaben   vom  6.   bis  zum 
16.  Lebenegahre.    {Zeitschr,  f.  SckulgesundheitspfUge»   1888.   S.  65.) 


451 

zustellen,  müssen  die  Eönder  gemessen  werden.  Diese  Malsnahme 
ist  bis  jetzt  in  EIsals-Lotliringen  nicht  vorgeschrieben.  Daher  rührt 
es  wohl  auch,  dals  in  manchen  Schulen,  selbst  wenn  die  nötige  Zahl 
Ton  Subsellgröüsen  yorhanden  ist,  den  Schülern  oft  ganz  unzweck- 
mäfsige  Plätze  angewiesen  werden.  Das  „Röglement^  ist  in  diesem 
Punkte  Yorsichtiger,  indem  es  bestimmt:  „Les  instituteurs  devront 
mesurer  leurs  ölöves  une  fois  par  au,  ä  T^poque  de  la  renträe  de  la 
dasse". 

Die  oben  von  Cabstädt  gewonnenen  Zahlen  beweisen  jedoch 
hinlttnglichy  dals  eine  einmalige  Messung  im  Jahre  nicht  genügt. 
Setzen  wir  den  Fall,  dals  ein  Schüler  am  Anfang  des  Schuljahres 
119,6  cm  müst  (Maximum  im  Alt6r  von  6Vs  Jahren).  Am  Ende 
des  Jahres  kann  derselbe  4,5  cm  mehr  messen,  also  eine  Grölse  von 
124,1  cm  haben.  Trotzdem  verbleibt  er  auch  in  der  zweiten  Hälfte 
des  Schuljahres  in  der  ihm  an&nglich  angewiesenen  Bank,  sollte 
jedoch,  da  er  schon  nach  einem  halben  Jahre  um  2,5  cm  gewachsen 
sein  kann,  längst  in  der  nächstgröDsten  Schulbank  sitzen,  Es  ist 
demnach  eine  zweimalige  Messung  pro  Jahr,  am  AnfiEmg  und  in 
der  Mitte  des  Jahres,  zu  fordern.  Erst  wenn  diese  Bedingung  erfüllt 
ist,  kann  der  Lehrer  seiner  Pflicht,  die  Schüler  wegen  schlechter 
Haltung  zu  rügen,  nachkommen.  Nebenbei  sei  bemerkt,  dafs  in 
Frankreich  im  „art.  28  des  Reglement  des  öcoles^  die  Vorschrift 
enthalten  ist,  die  auf  diese  Pflicht  hinweist:  „L'instituteur  doit  veiller 
ä  ce  que  les  ^l^ves  se  conforment  exactement  aux  principes  qu'il  leur 
aura  donn^  sur  la  position  du  corps,  pour  l'^criture^.^  Befindet  sich 
der  Schüler  in  einer  seiner  GrOise  nicht  entsprechenden  Schulbank, 
j90  ist  es  oft  schwierig,  ja  unmöglich,  selbst  mit  der  gröisten  Auf- 
merksamkeit seitens  der  Lehrperson,  zu  erreichen,  dafs  das  Kind  eine 
den  hygienischen  Anforderungen   entsprechende  Haltung  einnehme. 

Mit  kurzen  Worten  möge  die  in  hygienischer  Hinsicht  weniger 
wichtige  Frage  erörtert  werden,  wie  viele  Kinder  in  einer  Bank 
Platz  finden  sollen.  Zu  viele  Kinder  in  einer  Bank  unterzubringen, 
scheint  schon  aus  pädagogischen  Gründen  nicht  vorteilhaft  zu  sein. 
Es  wurden  deshalb  allmählich  die  längeren  Schulbänke  ersetzt  durch 
solche  mit  fünf,  vier  und  drei  Plätzen.  Das  „B^glement"'  begehrt 
sogar  Bänke  mit  nur  einem  oder  zwei  Plätzen,  während  die  »Ver- 
fügung des  Oberpräsidenten^  auch  hierfür  keine  Bestimmung  enthält. 
Die  einsitzigen  Subsellien  wären  unter  allen  Umständen  vorzuziehen. 


^  BiAKT,  Hygiene  scolaire,  p.  108. 

24' 


452 

jedoch  fehlt  es  oft  an  dem  nötigen  Banm,  nm  dieselben  eweok- 
entsprechend  aufstellen  zn  können. 

Die  Tisohlänge  pro  Schulkind  findet  man  nach  BuaasBSTEXN 
und  NbtoIiITZKT  (1.  o.  S.  60),  wenn  man  das  Kind  die  Unterarme 
parallel  zum  Oberkörper  und  mit  nach  der  Brustmitte  gerichteten 
Händen  so  auf  den  Tisch  legen  Iftist,  dais  die  Fingerspitzen  der  einen 
ausgestreckten  Hand  die  Wurzel  der  anderen  berühren;  die  bezügliche 
Gröise  beträgt  etwa  fünf  Zwölftel  der  Eörperlänge. 

Das  „Böglement^  bestimmt  die  Länge  der  Tische  pro  Schulkind 
für  einsitzige  Bänke  bei  Type  I  imd  II  auf  0,55  m,  bei  Type  lU 
und  IV  auf  0,60  m,  für  zweisitzige  Bänke  bei  Type  I  und  11  auf 
0,50  m,  bei  Type  HC,  IV  und  V  auf  0,55  m.  Die  elsaCs-lothringische 
Verfügung  sagt,  „daüs  jedem  Schüler  ein  Sitzraum  von  mindestens 
0,55 — 0,60  m  Breite  gewährt  werden  muis^.  Wir  sehen  also,  dals 
die  Bestimmungen  beider  Länder  den  sanitären  Forderungen  in  diesem 
Punkte  genügen. 

Was  die  Breite  (Tiefe)  der  Tischplatte  angeht,  so  hat  das 
„Bdglement^  hierfür  den  einzelnen  Subsellgröisen  entsprechend  eine 
Breite  von  0,35,  0,37,  0,39  0,42,  0,45  cm  angegeben.  In  filsala- 
Lothringen  besteht  hierfür  keine  Vorschrift.  Bei  Beurteilung  dieser 
Mause  muls  man  im  Auge  behalten,  dals  die  Kinder  für  die  Schreib- 
hefte und  Tafeln  genügend  Baum  haben  müssen,  und  dals  sie  beim 
Beschreiben  der  untersten  Linien  einer  Seite  die  Hefte  genügend  weit 
nach  vom  schieben  können,  ohne  dals  dieselben  den  vom  sitaenden 
Nachbar  belästigen.  Die  Schreibhefte  sind  gewöhnlich  SO — 22  cm 
hoch;  sie  müssen,  wenn  auf  den  untersten  Teilen  des  Blattes  ge- 
schrieben wird,  15 — 20  cm  weit  auf  den  Tisch  geeohoben  werden. 
Die  Tischplatte  muls  demnach  wenigstens  35  em,  besser  40  cm  breit 
sein,  wenn  das  Heft  nicht  über  dieselbe  hinausragen  soll.  Bine  ge- 
ringere Breite  nötigt  zu  schlechter  Haltung  beim  Schreiben,  weil  die 
Vorderarme  nicht  ausreichende  Unterstützung  auf  der  Tischplatte 
finden  (Baginsky,  1.  c.  S.  570).  Nach  diesen  ganz  treffsnden  Aus- 
führungen sehen  wir,  dals  die  Malse  des  „B^glemenf*  den  Anforde- 
rungen völlig  entsprechen. 

Femer  darf  dem  „Böglemenf  gemäls  die  Tischplatte  keine  hori- 
zontale Fläche  bilden,  sondern  soll  eine  Neigung  von  15 — 18  G-rad 
besitzen.  Dalis  die  Tischplatten  nicht  horizontal  sein  dürfen,  ergibt 
sich  daraus,  daljB  dieselben  sonst  ein  leichtes  imd  bequemes  Sehen  ver- 
hindern würden.  Bei  gerader  Haltung  kann  der  Schüler  Schriftzeichen 
auf  einer  horizontalen  Fläche  nur  erkennen,  wenn  er  den  Blick  aufs 


453 

äulBerBte  senkt.  Da  dies  jedoch  sehr  ermlidend  ist,  senkt  er  hierzu 
lieber  den  Kopf,  unter  Umständen  auch  den  Bnmpf.  Bietet  jedoch 
die  Tischplatte  eine  Neigung,  so  genügt  eine  mäJsige  Senkung  des 
Blickes  und  eine  geringe  Neigung  des  Kopfes,  um  bequem  lesen  zu 
können.  Zu  grois  darf  dagegen  die  Neigung  nicht  sein,  da  hierdurch 
ein  Rutschen  der  Utensilien  uud  Arme  yemrsacht  würde.  Bei  einer 
Neigung  von  15 — 18  Grad  werden  die  genannten  Mifsstände  sich 
etwas  stark  bemerkbar  machen,  und  es  wäre  demnach  besser,  nach 
dem  Vorschlage  der  meisten  Autoren,  nur  eine  Neigung  von  etwa 
6^/s  cm  anzunehmen. 

Die  Länge  der  Sitzbank  soll  nach  der  Vorschrift  des 
„B&glemenf  betragen:  fär  einsitzige  Bänke  zwischen  0,50  und  0,55  m, 
für  zweisitzige  zwischen  0,45  und  0,50  m  pro  Schüler. 

Die  Sitzlänge  mufs  im  groüsen  und  ganzen  der  Tischlänge  ent- 
sprechen ;  da  jedoch  der  eigentliche  Bedarf  an  Sitzlänge  geringer  ist, 
so  kann  nichts  dagegen  eingewendet  werden,  dals  bei  Doppelsitzen 
einige  Centimeter  gespart  werden. 

Die  Sitzbreite  soll  nach  dem  „R^lement^  betragen:  Typus  I 
=  0,21  m,  T.  II  =  0,23  m,  T.  in  =  0,25  m,  T.  IV  =  0,27  m 
und  T.  V  =  0,80  m. 

Die  Sitzbreite  wird  durch  die  Länge  des  Oberschenkels  bedingt, 
welche  im  Mittel  ein  Fünftel  der  Körperlänge  beträgt.  Es  ist  also 
die  fiir  die  einzelnen  Typen  gewählte  Bankbreite  richtig,  indem 
dabei  das  Mittel  zwischen  Maximum  und  Minimum  der  Körperlänge 
der  für  die  einzelnen  Subsellgrölsen  bestimmten  Schüler  genommen  ist. 

Die  flöhe  der  Bank  soll  nach  den  meisten  Autoren  zwei 
Siebentel  der  Körperlänge  betragen.  Das  „Reglement*'  bestimmt 
hierfür  folgendes:  Type  I  =  0,27  m,  T.  11  =  0,30  m,  T.  m  = 
0,S4  m,  T.  rV  =ä:  0,39  m,  T.  V  =  0,45  m.  Wenn  wir  zwei 
Siebentel  des  Minimums  der  Ar  die  Subsellien  bestimmten  Körper* 
gröXse  berechnen,  so  lauten  die  enteprebhenden  Zahlen:  0,28  m, 
0,32  m,  0,84  m,  0,38  m,  0,42  m. 

Vergleicht  man  diese  Zahlen  mit  denen,  welche  sich  im  ^Bägle- 
menf*  befinden,  so  muls  man  zugeben,  dals  den  theoretischen  An- 
forderungen möglichst  Bechnung  getragen  ist.  Die  gröiseven  Schüler 
der  vier  ersten  SubseUgröi«en  haben  allerdings  hierbei  nidit  ganz  die 
Sitzhfdie,  welche  zwei  Siebenteln  ihrer  Körperiänge  entspricht,  son- 
dern etwas  weniger.  Es  wird  ihnen  jedoch  dieser  umstand  weniger 
schaden,  als  eine  zu  grofte  fiitzliöhe  den  kleinsten  der  betrefienden 
Sduttler  schaden  würde«    Ist  nämlidi   der  Sitz   zu  hoch,  so  w«iden 


454 

die  Blutge&be  und  Nerven  an  der  Unterseite  des  Obersohenkels 
einem  zu  groisen  Draok  ausgesetzt  and  das  Kind  rutscht  unwill- 
kürlich Tor,  um  einen  Halt  fdr  seine  Fülse  zu  gewinnen.  Ist  jedoch 
der  Sitz  nur  wenig  zu  niedrig,  wie  es  dem  „K^glement"  gemäfs  für 
einzelne  Schüler  der  Fall  sein  mufs,  so  ist  der  hierdurch  bedingte 
Schaden  nicht  sehr  groljs.  Es  wäre  noch  die  Bemerkung  anzuschlieJBen, 
dais  für  Mädchen  wegen  der  dickeren  Kieiderschicht  die  Sitzhöhe 
durchwegs  etwas  niedriger  sein  sollte  als  filr  Knaben. 

Es  soll  femer  nach  dem  „Reglement''  die  Bank  eine  leichte 
Neigung  nach  rückwärts  aufweisen.  Dies  hat  deshalb  eine  Berechti- 
gung, weil  dadurch  die  Sitzlage  an  Festigkeit  gewinnt.  Wäre  die 
Neigung  aber  zu  stark  ausgesprochen,  so  würde  dadurch  die  An- 
näherung des  Körpers  an  den  Tisch  erschwert  werden. 

Bei  Erörterung  der  äufserst  wichtigen  Frage  der  gegen- 
seitigen Stellung  von  Tisch  und  Sitz  kommt  vor  allem  die  sog. 
„Differenz^  in  Betracht,  d.  h.  der  vertikale  Abstand  des  hinteren 
Tischrandes  von  der  Sitzfläche.  Derselbe  beträgt  nach  dem  „Regle- 
ment'' (wenn  man  die  Bankhöhe  von  der  ebenfalls  festgesetzten 
Gesamttischhöhe  abzieht)  für  T.  I  =  0,17  m,  T.  11  = 
0,19  m,  T.  in  =  0,21  m,  T.  IV  =  0,23  m,  T.  V  =  0,25  m. 
Schliefst  man  sich  den  wohlbegründeten  Ausführungen  Baginskys 
an  (1.  c,  Bd.  I,  S.  665),  so  muis  die  DifiPerenz  ein  Achtel  der  Körper- 
länge -\-  3 — 4,5  cm  bei  Knaben  und  -|-  4,5 — 6,5  cm  bei  Mädchen 
betragen.  Ein  Achtel  des  Minimums  der  nach  dem  ^ Reglement''  für 
die  einzelnen  Subsellien  in  Betracht  kommenden  Körpergrößen  -|- 
4,5  cm  beträgt,  wie  leicht  auszurechnen  ist,  für  T.  I  =  0,175  m, 
T.  n  =  0,186  m,  T.  in  =  0,195  m,  T.  IV  =  0,216  m,  T.  V 
=  0,235  m. 

Wir  sehen  also,  dais  auch  hier  ein  richtiges  Mittel  gewählt 
worden  ist,  welches  allen  für  eine  Subsellgröise  bestimmten  Schülern 
die  annähernd  richtige  Differenz  gewährt,  was  auch  genügt;  denn 
für  die  Schulpraxis  können  natürlich  die  Bankgröfsen  nur  nach  ge- 
wissen Durchschnitten  hergestellt  werden,  da  es  ja  unmöglich  ist, 
jedem  einzelnen  Schüler  ein  nur  eigens  für  ihn  hergestelltes  Subsell 
anzuweisen. 

An  dieser  Stelle  wäre  noch  ein  Umstand  zu  erwähnen,  welcher 
Berücksichtigung  verdienen  würde,  der  jedoch  weder  in  Frankreich, 
noch  in  Elsafs-Lothringen  in  Betracht  gezogen  ist.  Ich  meine  die 
zu  geringe  Tischhöhe  der  unteren  Volksschulklasse.  Diese 
erschwert  offenbar  dem  Lehrer  seine  Arbeit  in  beträchtlichem  Mause, 


455 

da  derselbe  Bich  zu  oft  bücken  mnlis,  wenn  er  den  Kindern  in  ihren 
Büchern  oder  Heften  etwas  erklären  will.  Es  wäre  daher  der  Ge- 
sundheit der  Lehrer  halber  zu  empfehlen,  die  Subsellien  der  kleinen 
Schüler  auf  Podien  zu  stellen. 

Von  gröister  Wichtigkeit  ist  femer  die  Frage  der  sog.  „Distanz  ^, 
worunter  man  bekanntlich  den  horizontalen  Abstand  der  beiden  Lote 
Ton  der  hinteren  Tisch-  und  der  vorderen  Bankkante  versteht.  Man 
unterscheidet  hierbei  die  Plusdistanz,  Nulldistanz  und  Minus- 
distanz. 

Die  Plusdistanz  ist  notwendig  zum  Stehen,  und  es  muüs  dieselbe 
etwa  dem  Durchmesser  des  Knies  von  vom  nach  hinten  gleich  sein, 
d.  h.  (nach  Messungen  von  Zwez)  8 — 15  cm  betragen.  Die  Plus- 
distanz eignet  sich  jedoch  nicht  zum  Schreiben,  da  der  Schüler  hier- 
bei, wie  leicht  erklärlich,  eine  der  Gresundheit  schädliche  Haltung 
einnehmen  muis.  Für  die  Schreibarbeit  eignet  sich  am  besten  die 
Minusdistanz,  welche  jedoch  nur  wenige  Gentimeter  betragen  soll, 
weil  bei  zu  grofser  Minusdistanz  zu  leicht  ein  Anlehnen  der  Brust 
an  den  Tischrand  eintreten  kann.  Die  Nulldistanz  eignet  sich  weder 
gut  zum  Stehen,  noch  zum  Schreiben. 

Da  nun  das  Schreiben  und  das  Stehen  während  des  Unterrichts 
abwechselnd  erfolgen,  so  erscheint  es  am  zweckmäfsigsten,  einen 
Mittelweg  zwischen  Plus-  und  Minusdistanz  einzuschlagen,  der  am 
besten  darin  besteht,  dais  man  eine  Minusdistanz  wählt,  welche  zum 
Zweck  des  Stehens  in  eine  Plusdistanz  verwandelt  werden  kann. 

Offenbar  von  solchen  Erwägungen  ausgehend,  hat  die  französische 
Behörde  im  „R^glement^  die  Vorschrift  gegeben,  dafs  bei  beweg- 
licher Tischplatte  die  Distanz  betragen  soll:  für  T.  I  =  0,03  m, 
T.  n  =  0,04  m,  T.  m  =  0,05  m,  T.  IV  =  0,06  m,  T.  V  =  0,07  m. 
Auüserdem  heilst  es:  „La  tablette  dite  ä  bascule,  formte  de  deuz 
parties,  se  repUant  Tune  sur  Tautre  au  moyens  de  charni^res,  est 
interdite". 

Vergleicht  man  diese  Vorschrift  mit  den  oben  aufgestellten 
Forderungen,  so  sieht  man,  dals  sie  denselben  wesentlich  entspricht. 
Dals  zu  dem  genannten  Zwecke  nur  das  System  der  verschieb- 
baren und  nicht  das  der  zusammenklappbaren  Tischplatte  erla^ibt 
ist,  kommt  hygienisch  weniger  in  Betracht  und  hat  hauptsächlich 
pädagogischen  Wert.  Dasselbe  Ziel  könnte  nämlich  erreicht  werden, 
wenn  mau  sich  des  Systems  der  zusammenklappbaren  Tische  oder 
aber  solcher  Bänke  bedienen  wtlrde,  bei  denen  beim  Aufstehen  der 
Sitz   zurück&Ut   (Pendelsitze)   oder    der  Sitz   sich  zusammenklappt 


456 

(Klappsitze).  Alle  diese  Systeme  können,  wenn  sie  gat  ansgefohrt 
sind,  den  hygienischen  Anforderungen  entsprechen. 

Neben  diesen  gnten  Vorschriften  findet  sich  leider  im  „Bd^e- 
ment"  eine  andere  Bestimmung,  welche  für  die  feste  Tischplatte  auch 
die  Nnlldistanz  gestattet.  Es  ist  sicherlich  sehr  zu  bedauern,  dais 
die  obigen  Vorschriften  über  die  «table-banc  ä  tablette  mobile"  hier« 
durch  in  ihrem  Wert  wesentlich  abgeschwächt  werden,  da  sie  eben 
infolgedessen  nicht  obligatorisch  sind.  Besser  wäre  es,  die  Null- 
distanz direkt  zu  verbieten. 

An  dieser  Stelle  wäre  noch  zu  erwähnen,  daiSs  nach  der  „Ver- 
fügung des  Oberpräsidenten"  die  feste  Verbindung  von  Tisch 
und  Bank  gewünscht  wird.  Diese  Bestimmung  ist  durchaus  nicht 
überflüssig,  denn  nur  so  „hat  man  die  Sicheiiieit,  daCs  die  vor- 
geschriebene Distanz  wirklich  eingehalten  wird;  sonst  kann  es  vor- 
kommen, dafs  trotz  richtiger  Konstruktion  die  Bänke  aus  Unwissen- 
heit oder  aus  persönlichen  Ghünden  mit  falscher  Distanz  aufgestellt 
werden^.  Diese  Forderung  sollte  jedoch  nicht  nur  als  Regel, 
sondern  für  alle  Fälle  gelten. 

Die  einzelnen  Subsellkonstruktionen  sollen  hier  nicht  näher 
geprüft  werden,  da  dies  den  Bahmen  der  vorliegenden  Arbeit  über- 
schreiten würde.  Jedoch  müssen  wir  noch  denjenigen  Bestimmungen 
unser  Augenmerk  zuwenden,  welche  die  Bückenlehne  der  Sub- 
sellien  betreffen. 

Bekanntlich  ist  die  sog.  hintere  Sitzlage,  bei  welcher  die 
beiden  Sitzhöcker  und  die  Spitze  d^  Ejreuzbeins  die  Stützpunkte 
bilden,  im  Gegensatz  zur  vorderen  Sitzlage,  bei  welcher  der  dritte 
Punkt,  der  die  Cnterstützungslinie  fixiert,  durch  die  Berührung  der 
Oberschenkel  mit  der  Kante  des  Sitzbrettes  gegeben  ist,  für  die 
Schule  als  die  beste  anerkannt.  Diese  Sitzli^e  ist  jedoch  mit  einer 
beträchtlichen  Muskelanstrengung  verbunden  und  kann  nur  längere 
Zeit  innegehalten  werden,  wenn  der  Bücken  eine  Stütze  findet,  da 
sonst  der  Körper  zu  leicht  «us  seiner  Gleichgewichtslage  käme. 
Diese  Stütze  wird  durch  ditd  Bückentehne  bewerkstelHgt. 

In  der  „Yerftigung  des  Oberpräsidenten "  findist  «icb  betrefiis  der 
Bückenlehne  folgende  BesUtnmung:  „Möglichfirt;  alfe  Bänke  sind  mit 
Bückenlehnen  zu  vetisehen,  jedenfalls  aber  mufii  die  letzte  Btak  d«r 
einzelnen  Bankabteilungen,  die  fftr  den  Durchgang  des  Lriirers 
räumlich  von  einandier  zu  trennten  sind,  mit  einer  Bückenlehne  ver- 
sehen werden^.  Dafs  diese  Vorschrift  nicht  hinreitdimid  präois  ist, 
ergibt  sich  von  selbst.   Zunächst;  fällt  auf,  dafs  die  Bücl^nlehnen  nicht 


467 

fttr  alle  Bänke  gefordert  werden,  sondern  nur  für  die  letzte  Bank 
der  einzelnen  Bankabteilnngen.  Hiermit  soll  wohl  gesagt  sein,  daTs 
für  die  übrigen  Bftnke  der  nachfolgende  Tisch  als  Büokenlehne  benutzt 
werden  darf.  Auf  diese  Weise  wird  jedoch  nicht  den  Anforde- 
rungen einer  zweckentsprechenden  Bückenlehne  entsprochen.  Die 
nähere  Begründung  dieser  Tatsache  ergibt  sich  aus  den  Bedingungen, 
welche  durch  eine  Bückenlehne  der  Schulbank  erfüllt  werden  sollen. 
Im  „B^lement^  wird  übrigens  diese  Methode  nicht  nur  nicht  zu- 
gelassen, sondern  es  ist  selbst  das  Anbringen  einer  Bückenlehne  am 
nächstfolgenden  Tisch  verboten:  „Le  banc  et  le  dosier,  seront  Con- 
tinus^. Dies  «^scheint  schon  deshalb  notwendig,  weil  sonst  der 
Lehnenabstand  sehr  oft  von  nicht  sachverständigen  Personen  un- 
zweckmäisig  gehandhabt  würde,  abgesehen  davon,  dals  ein  Kind  bei 
etwas  ergiebigen  Bewegungen  das  am  nächstfolgenden  Tische  sitzende 
Eand  allzuleicht  stört. 

Als  etwas  Nebensächliches  wäre  zu  erwähnen,  dals  die  Lehne 
keine  scharfen,  eckigen  Kanten  haben  darf,  da  dieselben  bei  längerem 
Anlehnen  unbequem  würden,  ja  selbst  Schmerz  verursachen  könnten. 
Auch  dieser  Punkt  ist  im  „R^glemenf*  berücksichtigt,  indem  daselbst 
vorgeschrieben  ist:  „Toutes  les  ardtes  seront  abattues**. 

Was  nun  die  Form  der  Bückenlehne  betrifft,  so  wird  dieselbe 
in  der  „Verfägung  des  Oberpräsidenten "  mit  Stillschweigen  über- 
gangen, während  im  „Reglement**  auch  diese  hinreichend  Berück- 
sichtigung gefanden  hat. 

Man  unterscheidet  gewöhnlich  zwischen  niederer  Kreuz  lehne, 
Kreuzlendenlehne  und  Bückenlehne.  Welche  Art  die  beste 
ist,  lälst  sich  schwer  bestimmen. 

Im  „R^ement^  wetden  folgende  Forderungen  an  die  Lehne 
gestellt:  »Art.  93.  Le  dossier  du  banc  ä  une  seule  place  et  du  banc 
k  deuz  places  consistera  en  une  fanverse  de  0,10  m  de  laigeur 
dress^  droite  avee  ardtes  abatives;  il  aura  les  dimensions  suivantes: 
Hauteur  de  Tardte  supärieure  au  dessus  du  mhge  ä 
Typee  I  II  m  IV  V 

0,19  m    0,21  m    0,24  m    0,86  m    0,28  m. 

Bevor  ich  zur  Beurteilung  der  hier  vorgeschriebenen  lishne 
gehe,  muls  ich  einige  allgemeine  Bemerkungen  über  die  einzelnen 
Lehnen  vorauss^icken. 

Wollte  man  bei  hinterer  Sitzlage,  welche,  wie  schon  oben  be- 
merkt, fter  die  Schide  die  beste  ist,  die  durch  die  Sitzhöricer  und 
die  Spitze  des  Kreuibeins  gegebene  Siizebene  benutzen,   so   würde 


458 

hierdaroh  eine  intensive  Krümmung  der  Wirbelsäule  nach  vom  be- 
dingt, weil  nur  so  die  Schwerlinie  des  Rumpfes  mit  Kopf  und 
Armen  senkrecht  über  die  Dreiecksfläche  zu  liegen  kommt.  Cm 
nun  aber  diese  unzweckmäisige  Stellung  zu  verhindern,  muls  man 
dem  stark  nach  hintenüber  liegenden  Bumpf  eine  Stütze  bieten, 
welche  am  besten  durch  eine  Lehne  bewerkstelligt  wird. 

Die  Lehne  kann  nun  offenbar  den  nach  hinten  fallenden  Körper 
in  jeder  beliebigen  Höhe,  von  den  Schultern  bis  zur  Kreuzbeinspitze 
stützen.  Am  ungünstigsten  ist  die  hohe^  d.  h.  bis  etwa  in  die  Mitte 
der  Schulterblattgegend  reichende,  senkrechte  Bückenlehne.  Hier 
bleibt  der  untere  Teil  der  Brustwirbelsäule  und  die  Lendenwirbel- 
säule ohne  Stütze.  Gerade  über  dieser  Partie  jedoch  lastet  das 
Gewicht  des  Bumpfes.  Die  Folge  davon  ist  eine  fehlerhafte  Haltung, 
bei  der  die  genannte  Partie  der  Wirbelsäule  einen  nach  hinten  kon- 
vexen Bogen  bildet. 

Am  zweckmäisigsten  ist  es,  die  Lehne  so  tief  anzubringen,  dais 
sie  den  hintenüberfallenden  Körper  eben  aufbngt,  bevor  die  Kreuz- 
beinspitze mit  dem  Sitze  in  Berührung  kommt.  Die  Höhe,  in 
welcher  dies  geschehen  soll,  entspricht  dem  oberen  Band  der  Hüft- 
beine oder  dem  letzten  Lendenwirbel.  Die  obere  Kante  dieser  Lehne 
müiste  unge&hr  die  Höhe  der  Hinterkante  der  Tischplatte  erreichen, 
so  daJis  also  die  Höhe,  in  welcher  eine  solche  Lehne  angebracht  werden 
muls,  etwa  der  „Differenz^  entspricht.    (Baginskt,  1.  c.  Bd.  I,  S.  576.) 

Es  würde  sich  folglich  um  eine  Kreuzlenden  lehne  handeln. 
Es  wird  durch  dieselbe  der  Oberkörper  gleichermalsen  im  Bückwärts- 
fetllen  aufgehalten,  das  Becken  und  der  Bumpf  in  der  aufrechten 
Stellung  erhalten,  wodurch  ein  aufrechtes  Sitzen  ermöglicht  wird. 
Da  hierbei  der  Körper  wesentlich  mittels  physikalischer  Mittel  in 
dieser  aufrechten  Stellung  gehalten  wird,  so  gestattet  eine  solche 
Lehne  ein  festes  Sitzen  ohne  besondere  Muskelanstrengung.  Im 
Gegensatz  zur  Bückenlehne  gewährt  sie  übrigens  auch  eine  freiere 
Beweglichkeit  des  Oberkörpers. 

Die  soeben  aufgestellte  Forderung  ist  durch  die  Bestimmungen 
des  „B^glement**  im  wesentlichen  erfüllt,  wie  aus  folgender  Zu- 
sammenstellung hervorgeht: 

I     II     in    IV     V 

Differenz  0,17     0,19    0,21     0,23    0,25 
Lehnenhöhe  0,19    0,21     0,24    0,26    0,28 
Einer  solchen  Kreuzlendenlehne  könnte  man  nun  den  Vorwurf 
machen,  dais  sie  während  der  Schreibpausen  der  Wirbelsäule  nicht 


459 

genug  Entlastung  gewählt.  Die  oberen  Teile  des  Körpers  werden 
nftmlioh  während  des  Schreibens  dnrch  Mnskelanstrengong  festgestellt. 
Dabei  müssen  natürlich  die  betreffenden  Muskeln  allmählich  ermüden, 
wodurch  dann  fehlerhafte  Haltungen  bedingt  werden,  indem  die 
Wirbelsäule  gleichsam  zusammensinkt.  Baoinskt  macht  daher  den 
Vorschlag  (1.  o.  I,  S.  576),  Kreuzlehne  und  Rückenlehne  zu 
kombinieren,  und  zwar  so,  daJs  eine  Bückenlehne  den  nach  hinten 
sinkenden  Oberkörper  in  hinterer  Sitzlage  auf&ngt,  damit  die  Kinder 
in  der  Zeit,  wenn  sie  nicht  schreiben  —  und  das  ist  der  gröüsere 
Teil  des  Unterrichts  — ,  sich  in  bequemer  Weise  anlehnen  und  so 
die  Rückesmuskulatur  entlasten  können. 

Dieser  Vorschlag  verdient  jedenfalls  gründliche  Erwägung  und 
ist  schon  1867  von  Hsbbmann  Mbteb  (Die  Mechanik  des  Sitzens 
mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Schulbankfrage,  VirtAows  Ärohiv 
1867,  38.  Band)  in  Betracht  gezogen  worden.  Eine  Lehne  dieser 
Art  mülste  nach  diesem  Autor  „entsprechend  hinter  der  Kreuzlehne, 
ungefähr  auf  der  Höhe  des  unteren  Endes  der  Schulterblätter  an- 
gebracht sein,  denn  sie  wtLrde  dann  gerade  unter  den  Schwerpunkt 
des  Bumpfes  zu  liegen  kommen,  und  bei  einer  so  geringen  Höhe 
würde  sie  auch  nicht  so  sehr  hemmend  auf  die  Beweglichkeit  der 
oberen  Teile  des  Bumpfes  einwirken*'. 

Es  würde  sich  also  um  eine  „Kreuzlenden- Schulterlehne'' 
handeln.  Andererseits  sagt  jedoch  Meteb:  »dab  bei  der  Kreuz- 
lehne eine  zeitweilige  vollständige  Entlastung  der  Wirbelsäule  durch 
Aufstützen  der  Ellbogen  auf  diese  Lehne  ermöglicht  und  daher  das 
Aufsuchen  eines  weiteren  Hilfsmittels  zur  Lösung  dieser  Aufgabe 
unnötig  sei".  Schlieisen  wir  uns  dieser  letzteren  Ansicht  an,  so 
müssen  wir  aus  den  bisherigen  Ausführungen  den  Schluls  ziehen, 
daJs  die  im  „Bdglemenf  Yorgeschriebene  Kreuzlendenlehne  im 
wesentlichen  den  hygienischen  Anforderungen  entspricht. 

Was  die  Breite  der  Lehne  für  den  einzelnen  Platz  betrifft, 
so  entspricht  dieselbe  am  besten  der  Breite  des  Sitzes,  wie  dies  im 
„R&glement"  yorgeschrieben  ist. 

Schliefslich  wäre  noch  der  Lehneuabstand,  d.  h.  die  Ent- 
fernung zwischen  innerem  Tischrand  und  Torderer  Lehnenfläohe,  zu 
erörtern.  Das  „R^glemenf  bestimmt  den  Lehnenabstand  folgender- 
maJsen:  T.  I  =  0,18  m,  T.  IL  =  0,18  m,  T.  HE  =  0,19  m, 
T.  IV  =  0,22  m,  T.  V  =  0,26  m. 

Der  Lehnenabstand  muTs  so  eng  bemessen  sein,  dafs  die  Kinder 
beim   Schreiben   sich    der   Lehne   bedienen    müssen,    jedoch    mufs 


460 

zwischen  Tisohrand  und  Körper  ein  kleiner  Zwischenraum  übrig* 
bleiben,  damit  dem  Körper  noch  eine  gewisse  Beweglichkeit  er- 
möglicht wird.  Der  Lehnenabstand  moTs  demnach  etwas  mehr  be- 
tragen als  die  Dicke  des  Körpers  in  der  Höhe  der  Ellbogen.  Es 
stehen  mir  zwar  keine  diesbezüglichen  Messungen  zur  YerfUgang, 
jedoch  scheint  es,  als  ob  die  im  „B^glement^  bestimmten  Zahlen 
den  Anfordenmgen  entsprechen,  besonders,  wenn  man  sich  der  Tische 
mit  verschiebbarer  Tischplatte  bedient,  wobei  eventuell  auftretenden 
Unterschieden  leicht  abgeholfen  werden  kann. 

Zur  Unterbringung  der  Bücher,  Hefte  u.  s.  w.  hat  der  Schüler 
eine  Requisitenlage  notwendig.  Dieselbe  besteht  meist  aus  einem 
Bücherbrett.  In  der  „Yerfbgung  des  Oberpräsidenten^  ist  hiervon 
nicht  die  Rede,  und  auch  das  „Röglement^  gibt  dafOr  keine  genaue 
Bestimmung.  Vom  hygienischen  Standpunkte  aus  wäre  zu  fordern, 
dafs  das  Bücherbrett  nicht  mit  den  Schenkeln  der  Kinder  in  Be* 
rtthrung  kommen  soll,  um  die  gute  Haltung  nicht  zu  beeinträchtigen. 
Dasselbe  mufs  daher  schmäler  als  die  Tischplatte  und  nicht  zu 
tief  angebracht  sein. 

Was  das  Fufsbrett  betari£%,  so  ist  dasselbe  im  französischen 
„R^glement*^  verboten.  In  der  elsafs-lothringischen  Vorschrift  sind 
die  Fu&bretter  überhaupt  nicht  erwähnt.  Wenn  die  Subsellien  in 
den  übrigen  Punkten  den  Ansprüchen  der  Hygiene  entsprechen,  so 
sind  die  Fulsbretter  in  der  Tat  überflüssig  und  erschweren  nur  das 
Reinigen  des  Fufsbodens  und  das  Aufheben  von  gefallenen  G-egen- 
ständen. 

Wichtig  ist  die  Bestimmung,  die  sich  mit  der  Entfernung 
der  ersten  Bank  von  der  vorderen  Zimmerwand  beschäftigt. 
„Une  distance  d'au  moins  2  m^tres  sera  laissäe,  en  tdte  de  la  classe, 
pour  la  table  du  mattre,  entre  le  mur  qui  fait  face  aux  eldves  et  le 
premier  rang  des  tables^,  sagt  das  „R^ement^,  während  bei  uns 
eine  Entfernung  von  2,6  m,  und  zwar  zwischen  der  KaÜiederwand 
und  der  ersten  Bank  vorgeschrieben  ist. 

Eine  solche  MaJjsregel  ist  deshalb  erfbrderli(di,  damit  das  Pult 
nicht  zu  nahe  an  die  erste  Bank  zu  stehen  kommt,  da  in  diesem 
Falle  die  Kinder  der  ersten  Bänke  den  Kopf  zu  sehr  dreh«!  mflliten, 
um  den  Lehrer  zu  sehen,  und  femer  beim  Beschraiben  hoher  Teile 
der  Tafel  der  Sehwinkel  für  die  vom  sitzenden  Schüler  ein  zu  un« 
günstiger  würde.  Aulserdem  könnte  der  Lehrer  die  Schüler  der 
««ten  Bänke  zu  schwer  übersehen.  Alle  diese  Mitetände  treten 
offenbar   bei   Befolgung   der  diesbezüglichen    im   ^R^lement^  ent- 


461 

haltenen  Bestimmungen  ein,  da  in  den  Baam  von  2  m  zwischen  der 
eisten  Bank  und  der  Maner  das  Katheder  su  stehen  kommt,  und  auf 
diese  Weise  ewisohen  letzterem  und  der  ersten  Bank  nicht  einmal 
ein  freier  Baum  yon  1  m  übrig  bleibt. 

k)  öftnge  im  Sohulzimmer.  Betreffend  die  Verteilung  und 
Breite  der  einzelnen  Gtange  im  Sohulzimmer  finden  sich  in  den  ent- 
sprechenden Verfägungen  beider  Länder  einzelne  Unterschiede,  die 
jedoch  Tom  hygienischen  Standpunkte  aus  als  unwesentlich  be- 
zeichnet werden  können.  Als  Zwischenraum  ist  in  ElsalÜB-Lothringen 
„an  der  Fenster-  und  Rückenwand  ein  solcher  von  nicht  unter 
0,5  m  zu  belassen.  Aulserdem  ist  an  der  den  Fenstern  gegenüber- 
liegenden Wand  in  der  Hegel  ein  Hauptgang  von  etwa  0,75  m,  und 
wo  es  angeht,  auch  ein  angemessener  Mittelgang  von  0,75  m  Breite 
einzurichten^.  Das  nBögl^ment"  hingegen  schreibt  folgendes  vor: 
„Les  tables-bancs  ne  derront  jamais  Stre  plac^  &  moins  de  0,60  m 
des  murs.  La  largeur  des  couloirs  longitudinaux  mtoag^  entre 
les  lignes  de  tables-bancs  sera  au  minimum  de  0,50  m.  Un  Inter- 
▼alle  de  0,10  m  au  moins  sera  laissö  entre  le  dossier  de  ohaque  baue 
et  l'ardte  de  la  table  suivante''.  Die  Gküige  Ifings  der  Wände  sind 
notwendig,  damit  die  Schüler  nicht  durch  ungünstige  Wfirmestrahlungs- 
verhftltnisse  leiden,  was  besonders  von  der  Fensterwand  gilt.  An- 
dererseits darf  aber  die  Entfernung  von  dieser  auch  keine  zu  weite 
sein,  da  sonst  die  entfernter  sitzenden  Schüler  keine  genügende  Be- 
leuchtung erhalten  würden. 

Die  Längsgänge  zwischen  den  Subsellreihen  sind  nötig,  um  den 
Schülern  das  Aus*  und  Eingehen  leicht  zu  ermöglichen  und  dem 
Lehrer  die  Möglichkeit  zu  geben,  an  die  einzelnen  Schüler  heran- 
zukommen. 

Zu  betonen  wäre  noch,  daJs  die  Gänge  in  einem  Schulzimmer 
yon  normaler  Breite  (6 — 7  m)  und  Länge  (9 — 10  m)  nur  dann  die 
nötige  Breite  haben  können,  wenn  nicht  zu  viel  Sander  in  einem 
Zimmer  aufgenommen  werden,  also  nicht  zu  viel  Subsellien  auf- 
gestellt werden  müssen.  Von  der  in  einem  Schulzimmer  zulässigen 
Schülerzahl  war  übrigens  schon  oben  die  Bede. 

1)  Wandtafel.  Das  ^B^glement"  enthält  folgende  die  Wand- 
tafel betreffende  Bestimmung:  „H  ne  sera  fait  usage  que  du  tableau 
ardois^**.  Hiermit  sind  offenbar  Holztafeln  gemeint,  welche  mit 
einem  Überzuge  von  Schieferfarbe  yersehen  sind.  Diese  sind  den 
lackierten  Holztafeln  vorzuziehen,  da  die  letzteren  blenden.  Aus 
demselben  Grande  schreibt  die  Verfügung   in  EIsafs-Lothringen  die 


462 

matte  Farbe  vor.  ^In  jedem  Schulzimmer  mois  die  erfoTderliche 
Zahl  von  Wandtafeln,  welche  mit  tiefechwarzer,  matter  Farbe  za 
versehen  sind,  vorhanden  sein.''  Diese  Farbe  ist  zweifellos  sehr 
praktisch,    da  weilfl  auf  schwarzem  Grunde  leicht  wahrnehmbar  ist. 

Bezüglich  der  Wandtafel  wäre  aber  noch  ein  zweiter  Punkt  in 
Betracht  zu  ziehen,  den  wir  in  beiden  Verfügungen  rermiasen,  näm- 
lich die  Art  der  Aufstellung  derselben.  In  vielen  Schulen  findet 
man  hinter  dem  Sitze  des  Lehrers  an  der  Wand  eine  Wandtafel, 
die  meist  nicht  beweglich  ist,  selbst  nicht  höher  oder  niedriger  ge- 
schoben werden  kann.  Deren  Nachteile  ergeben  sich  von  selbst. 
Ist  sie  zu  niedrig,  so  kann  das  Geschriebene  von  den  femesitzenden 
Schülern  nicht  gut  gelesen  werden,  ist  sie  zu  hoch,  so  kann  von 
den  Schülern  nicht  an  derselben  geschrieben  werden.  Es  wftre 
daher  wünschenswert,  daJjs  neben  einer  solchen  Wandtafel  noch  eine 
zweite,  links  vom  Lehrer  auf  einer  Staffelei  aufgestellte  Tafel  vor- 
geschrieben wäre.  Eine  solche  ist  übrigens  in  den  meisten  Schulen 
Elsafs-Lothringens  vorhanden.  Eine  derartige  Tafel  kann  nach  Be- 
lieben gestellt  werden  und  entspricht  so  den  hygienischen  und  päda- 
gogischen Anforderungen. 

m)  Zeichensaal,  Gesangzimmer.  Die  Einrichtung  dieser 
Räume  wollen  wir  hier  übergehen,  da  sie  als  besondere  Bäume  in 
Volksschulen  nicht  in  Betracht  kommen. 

n)   Für  das  Erlernen  von    Handarbeiten   müssen  besondere 

Bäumlichkeiten  geschaffen  werden.    Hier  hat  auch  das  „Reglement" 

gewisse  Bestimmungen  getroffen,   indem  es  sowohl  für  Knaben,  als 

auch  für  Mädchen  einen  besonderen  Saal  für  Handarbeitsunterricht 

vorschreibt. 

(SohlaiB  folgt.) 


463 


Ztts  ^ttfamninn$tn  nnb  ^tttxntn. 


Die  vierte  Jahresyersammlaiig 
des  Allgemeinen  Deutschen  Vereins  Ar  Scholgesnndheitspflege 

am  2.  und  3.  Jnni  1903  in  Bonn. 

Bericht  von 
Dr.  Rudolf  Abel, 

BegiemngB-  und  Medizinalrat  in  Berlin. 

Man  mnJb  es  dem  Allgemeinen  Deatsohen  Verein  für  Schul- 
gesnndheitspflege  zugestehen,  dais  er  in  der  Wahl  der  Orte  für  seine 
Jahresversammlungen  viel  G^chiok  entwickelt.  Nach  Wiesbaden 
und  Weimar  kam  in  diesem  Jahre  Bonn  für  die  wiederum  im  un- 
mittelbaren Anschlufs  an  die  Pfingstfeiertage  stattfindende  Tagung 
an  die  Reihe.  Mufste  die  schöne  Stadt  am  Rhein  schon  an  und 
für  sich  lebhafte  Anziehungskraft  auf  die  Mitglieder  des  Vereins 
ausüben,  so  hatte  dazu  noch  der  OrtsausschuTs  sein  Bestes  getan, 
um  den  Besuchern  des  Kongresses  den  Aufenthalt  in  Bonn  ange- 
nehm zu  machen.  In  den  Räumen  der  Lese-  und  Erholungsgesell- 
schaft fand  der  Verein  einen  schönen  Saal  mit  guter  Akustik  für 
seine  Sitzungen.  Ein  Nebenraum  enthielt  eine  Ausstellung  der 
neueren  Litteratur  auf  dem  Gebiete  der  Schulgesundheitspflege.  Für 
leibliche  Erquickung  nach  und  während  der  Arbeit  war  vorzüglich 
gesorgt.  Ein  gemeinsames  Abendessen  am  ersten  Versammlungstage 
und  eine  danach  von  der  Stadt  gespendete,  anscheinend  unerschöpf- 
liche Erdbeerbowle,  ein  Ausflug  in  das  romantische  Siebengebirge 
am  Nachmittage  des  zweiten  Verhandlungstages  brachte  die  Kongreis  • 
besucher  einander  auch  im  ungezwungenen  Austausch  der  Meinungen 
näher.  Eine  Reihe  von  Sehenswürdigkeiten  der  Stadt  waren  den 
Versammlungsteilnehmern  kostenlos  zugänglich  gemacht,  —  kurz,  es 
waren  alle  äulseren  Bedingungen  für  einen  allgemein  befriedigenden, 
erfreulichen  Verlauf  der  Tagung  gegeben. 


464 

Leider  stand  das  Bild,  das  die  wissenschaftlichen  Verhandinngen 
lieferten,  zu  diesem  Rahmen  in  grellem  Gegensatz.  Die  Verhandlungen 
hielten  sich  auf  einem  recht  niedrigen,  des  Vereins  nicht  würdigen 
Niveau.  Es  wurde  mancher  gute,  ja  herrorragende  Vortrag  gehalten, 
es  fielen  in  der  Diskussion  viele  interessante  und  treffende  Bemer- 
kungen. Aber  die  an  den  Versammlungen  des  Vereins  schon  wieder- 
holt von  der  Bedaktion  dieser  Zeüsehrifi  wie  vom  Berichterstatter 
getadelten  und,  wie  sich  der  Vorstand  des  Vereins  leicht  überzeugen 
kann,  allgemein  empfundenen  Fehler  der  Verhandlungen  machten 
sich  wieder  in  schlimmster  Weise  geltend:  Die  Überfdlle  an  Ver- 
handlungsgegenstttnden,  die  Zerfahrenheit  der  Diskussion  und  die 
Planlosigkeit  der  Verhandlungsleitung.  Es  soll  am  Schluijs  des 
Berichtes  auf  diese  Verhältnisse  des  näheren  eingegangen  werden; 
der  Verein  gräbt  sich  selbst  sein  Grab,  wenn  er  nicht  endlich  ,,ferro 
et  igne**  hier  eine  Radikalkur  einleitet. 

Wie  stark  der  Besuch  der  Versammlung  war,  läüst  sich  nicht 
genau  angeben,  da  eine  Präsenzliste  im  Gegensatz  zur  vorjährigen 
Versammlung  diesmal  nicht  ausgegeben  wurde.  Man  kann  die  Zahl 
der  Teilnehmer,  unter  denen  auoh  einige  Damen  waren,  beim  Beginn 
der  Versammlung  auf  etwa  200  schätzen;  später  war  sie  weit  geringer. 
Die  überwiegende  Mehrzahl  der  Teilnehmer  dürfte  Bonn  nebst  der 
BJieinprovinz  gestellt  haben.  Jedenfalls  war  die  Zusammensetzung 
der  Versammlung  eine  ganz  andere  als  in  Wieabaden  und  in  Weimar; 
einsohlieJalich  des  Vorstandes  werden  wenig  mehr  als  20  Herren 
zugegen  gewesen  sein,  die  auch  schon  die  früheren  Versammlungen 
besucht  haben.  Dieser  Umstand  ist  insofern  von  Wichtigkeit,  als 
er  die  Gefahr  nahe  legt,  daüs  von  den  Diskussionsrednern,  die  an 
den  früheren  Tagungen  nicht  teilgenommen  haben  und  deren  Ver- 
handlungen daher  nicht  oder  kaum  kennen,  leicht  wieder  Geg<Mi- 
stände  in  die  Debatte  gezogen  werden,  die  den  Verein  bereits  lang 
und  breit  beschäftigt  haben.  Es  war  dies  in  Bonn  vielfiich  zu  be- 
obachten, zum  Schaden  des  Fortganges  der  Verhandlungen  und  leider 
ohne  dass  der  Vorsitzende  immer  in  entschiedener  Weise  der  Ver- 
zettelung der  Diskussion  entgegen  getreten*  wäre. 

Was  die  G-esamtmitgliederzahl  des  Vereins  angeht,  so  bezifferte 
sie  der  Vorsitzende  in  seiner  Begrüssungsansprache  auf  etwa  1300, 
während  der  Schriftführer  sie  später  im  Geschäftsbericht  auf  nur 
etwas  über  1000  angab,  da  2 — 300  Mitglieder  —  wie  das  ja  jedem 
Verein  geht  —  wieder  ausgetreten  sind.  Immerhin  ist  die  Zahl  der 
Mitglieder,  auch  wenn  sie  sich  nur  auf  1000  belaufen  sollte,  gegen 


465 

das  Vorjahr  um  rund  250  gestiegen.  Es  kann  das  dem  Verein 
zeigen,  wie  zeitgemäis  seine  Bestrebungen  sind  und  wie  leicht  es 
ihm  werden  mufs,  unter  Benutzung  der  herrschenden  Strömung 
durch  planvolle  Arbeit  etwas  Positives  auf  dem  Grebiete  der  Schul« 
hygiene  zu  leisten. 

Erster  Tag. 

Die  Versammlung  wurde  durch  eine  Ansprache  des  Vereins- 
Yorsitzenden,  Professor  Dr.  med.  et  phil.  GsiESBAGH-Mülhausen  i.  E., 
eröffnet.  Die  Entwicklung  des  Vereins  wurde  in  ihr  gebührend 
hervorgehoben.  7  Ministerien,  42  Städte,  32  Gemeinden,  24  Schulen 
und  14  Vereine  seien  Mitglieder.  Zur  diesjährigen  Tagung  seien 
Vertreter  je  eines  französischen,  holländischen  und  schweizerischen 
Sohwestervereins  erschienen. 

Auf  Vorschlag  des  Vorsitzenden  wurde  ein  Huldigungstelegramm 
an  den  Kaiser  gesandt,  in  dem  die  Versammlung  ihren  Dank  für 
das  lebhafte  Interesse  des  Kaisers  an  der  Schulgesundheitspflege 
aussprach.  Später  gelangte  noch  ein  Telegramm  an  den  GhroJisherzog 
von  Sachsen -Weimar  zur  Absendung,  der  am  selben  Tage  nach 
seiner  Vermählung  seinen  Einzug  in  Weimar  hielt  und  von  der  Ver- 
sammlung dabei  in  dankbarer  Erinnerung  an  die  vorjährige  Tagung 
in  Weimar  begrüist  wurde. 

Es  folgten  dann  12  BegrüGsungsansprachen.  Davon  fielen  neun 
auf  Vertreter  von  Ministerien,  Behörden  und  Städten.  Darunter 
befand  sich  der  Oberbürgermeister  Spebitus  von  Bonn,  der  das 
Interesse  seiner  Stadt  an  der  Schulhygiene  hervorhob.  Seit  langem 
blühe  in  Bonn  die  Pflege  des  Sports;  moderne  Schulgebäude  und 
Turnhallen  seien  errichtet,  Schulbrausebäder,  Stottererkurse,  Hand- 
fertigkeits*  und  Haushaltsunterricht  vorgesehen  worden ;  auch  gehöre 
Bonn  zu  den  ersten  deutschen  Städten,  in  denen  Schulärzte  bestellt 
worden  seien.  Femer  sprachen  Dr.  med.  MATHIEU-Paris  für  die 
„Ligue  des  mädecins  et  des  familles  pour  Tamälioration  de  l'hygiäne 
phjsique  et  intellectuelle  dans  les  ^coles^,  Fräulein  BABONJE-Amheim 
für  die  „Vereeniging  tot  Vereenvoudiging  van  Examens  en  Onderwijs 
te  Amhem"  und  Erziehungssekretär  ZoLLiNaEB  für  die  „schweizeri- 
sche Gesellschaft  für  Schulgesundheitspflege^. 

Nach  Abwicklung  dieser  Formalitäten  trat  die  Versammlung, 
etwa  fünf  Viertelstunden  nach  dem  angesetzten  Beginn  der  Tagung, 
in  ihre  Verhandlungen  ein. 

Als  erstes  Thema  war  aufgestellt: 

Sehnlgesundheitspflegre.  XVI.  25 


466 

Der  Lehrplan  der  kBhereii  Sekilen  ii  Beriekmig  siir  ÜEterriekte- 

hygiene.    ÄnfUehes  Befertt 

Das  Thema  war  von  der  Vereinigung  niederrheinifioh-west- 
fftÜBoher  Kinderärzte  zur  Behandlung  übernommen  und  von  diesem 
im  Einverständnis  mit  dem  Yereinsvorstand  in  drei  Abschnitte  zer- 
legt worden,   Ton  denen  je  einer  einem  Referenten  zugewiesen  war. 

Es  sprach  zuerst  Dr.  Kastenholz-KöIu  über 

Lehrstoffe  uid  Lehrziele  einseUiefsUch  der  htaslichen 

Schularbeiten. 

Der  Redner  gab  seine  Meinung,  allerdings  ohne  sie  näher  zu 
begründen,  dahin  kund,  dals  bei  den  heutigen  Lehrplänen  der  höhe- 
ren Lehranstalten,  wofern  sie  nur  verständig  angewendet  würden, 
unter  Voraussetzung  eines  normalen  Sohülermateriales  von  Über- 
bürdung keine  Rede  sein  könne.  Man  dürfe  auch  nicht  zuviel  an 
Erleichterungen  schaffen,  weil  man  sonst  der  sozialen  Gefahr  einer 
Verweichlichung  und  Verzärtelung  der  Jugend,  ihrer  ungenügenden 
Stählung  für  die  Kämpfe  des  Lebens  anheim  &lle.  Die  anscheinende 
Überbürdung  auf  den  höheren  Schulen  beruhe  vor  allem  in  der 
Minderwertigkeit  des  ihnen  zugeführten  Sohülermateriales.  An 
graphischen  Darstellungen,  die  auf  Grund  von  Erhebungen  über 
eine  groüse  Zahl  von  Schulen  und  Schülern  angefertigt  waren,  zeigte 
der  Vortragende,  dafs  von  100  Sextanern  höherer  Schulen  nicht  10 
die  Schule  vollständig  durchmachen,  das  Abiturientenezamen  bestehen. 
60  vom  Hundert  der  Sextaner  erwerben  nicht  einmal  das  Einjährigen- 
zeugnis. Das  sei  ein  abnormer  und  änderungsbedürftiger  Zustand. 
Die  Knaben,  die  noch  vor  Erlangung  des  Einjährigenzeugnissee  ab- 
gehen, erreichen  überhaupt  kein  Lehrziel;  dabei  kommen  sie  sich 
oft,  weil  sie  eine  höhere  Schule  besucht  haben,  für  die  ihnen  nach 
dem  Abgang  nur  offen  stehenden  niederen  Berufe  als  zu  gut  vor. 
Auch  die  Schüler,  die  nur  die  Berechtigung  zum  einjährig-freiwilligen 
Dienst  erwerben,  nicht  das  Abiturientenzeugnis  haben  wollen,  sollten 
lieber  auf  andere  Schulen  als  die  Gymnasien  und  Realgymnasien 
gehen,  da  sie  dort  einen  besseren  Abschluls  ihrer  Ausbildung  finden. 

Redner  behauptet,  dals  nach  dem  allgemeinen  urteil  der  Lehrer 
die  dreijährige  Vorschulbildung  der  höheren  Schulen  eine  Über- 
bürdung der  Kinder  darstelle.  Hier  werde  schon  der  Grund  für 
die  Überarbeitung  und  spätere  geistige  Minderwertigkeit  vielfach 
gelegt.  Eine  vierjährige  Vorbereitung  durch  Elementar-  oder 
Mittelschulen  verdiene  entschieden  den  Vorzug. 


467 

Um  minderbegabte  Kinder,  die  den  Fortschritt  der  besser  rer- 
anlagten  nur  hemmen,  von  den  höheren  Schnlen  fernzuhalten,  müsse 
eine  Instanz  geschaffen  Werden,  die  die  Kinder  bezüglich  ihrer 
Fähigkeiten  vor  dem  Eintritt  in  die  höhere  Schule  prüfe  und  be- 
urteile. Eine  solche  Instanz  könne  am  besten  aus  dem  Klassen** 
lehrer  und  dem  Schularzt  gebildet  werden. 

Der  Redner  rerbreitete  sich  dann  eingehend  über  das  bisherige 
System  der  Schulärzte,  das  er  nicht  durchweg  billigt.  Die  Schul- 
ärzte müssten  auf  der  Universität  eine  besondere  Yjorbildung  erwerben, 
um  ihren  Aufgaben  gewachsen  zu  sein,  statt  daJs  sie  wie  bisher  sich 
privatim  unterrichten  müssen.  Auch  eine  pädiatrische  Ausbildung 
sei  für  sie  nötig,  damit  sie  die  geistige  Leistungsfilhigkeit  der  Kinder 
richtig  zu  beurteilen  vermöchten.  Die  geringen  Gehälter  der  Schul- 
ärzte, die  grofse  Zahl  der  ihrer  Fürsorge  überwiesenen  Kinder  und 
die  um£eingreichen  ihnen  Übertragenen  Aufgaben  machen  gründliche 
Arbeit  unmöglich  und  führen  zu  der  Gefahr  einer  Diskreditierung 
der  Schularzttätigkeit  überhaupt. . 

Schlielslich  sprach  der  Redner  über  die  häuslichen  Arbeiten. 
Nach  der  Schulzeit  solle  zu  Hause  wohl  Ruhe  folgen,  aber  keine 
die  Sammlung  störende  und  körperliche  Ermüdung  bewirkende 
Erholung  durch  Spazierengehen  u. .  dergl. ;  diese  dürfe  vielmehr 
erst  nach  Beendigung  der  häuslichen  Schularbeiten  an  die  Reihe 
kommen. 

Seine  Ausführungen  führten  den  Vortragenden  zur  Aufstellung 
folgender  Leitsätze,  die,  wie  auch  alle  späteren,  der  Versammlung 
j[edruckt  vorgelegt  wurden: 

1.  Eine  Überbürdung  der  Schüler  der  höheren  Lehranstalten 
durch  den  Unterrichtsplan  an  sich  ist  nicht  als  vorhanden  zu  be- 
trachten. 

2.  Tatsächlich  bestehende  Oberbürdung  beruht  zum  weitaus 
gröJsten  Teile  in  der  geistigen  Unzulänglichkeit  der  Schüler,  zum 
•anderen  Teile  in  der  zu  grofsen  Sohülerzahl  der  unteren  Klassen 
und  der  falschen  Handhabung  des  Unterrichtsplanes  durch  einzelne 
Lehrer. 

3.  Abhilfe  kann  nur  geschaffen  werden  durch  die  Verminderung 
der  Seztanerzahl  und  durch  Schaffung  einer  Instanz  (Lehrer  und  Schul- 
arzt), welche  bei  Beendigung  der  Vorstufenausbildung  „ex  officio'' 
den  Eltern  über  die  geistige  Befähigung  ihres  Kindes  Mitteilung 
machen  und.  „Ratschläge^  zu  dessen  weiterer  Ausbildung  erteilen 
eoUen,    falls  es  einer  höheren  Lehranstalt  überwiesen  werden  solL 

25» 


468 

4.  Zu  dem  Zwecke  ist  das  Sohularztsystem  weiter  auszugestalten, 
auf  Mittel-  und  Yorsohuleu,  eventuell  auch  auf  die  drei  untersten 
Klassen  der  höheren  Lehranstalten  auszudehnen. 

5.  Nicht  völlig  oder  nur  mühsam  genügende  Schüler  der  Vor- 
stufen sind  durch  den  Schularzt  auf  ihre  geistige  Leistungsfähigkeit 
zu  prüfen,  falls  sie  einer  höheren  Lehranstalt  überwiesen  werden 
soUen,  und  zwar  durch  mindestens  zwei  Untersuchungsmethoden. 

Wie  eine  Vergleichung  der  Leitsätze  mit  dem  Thema  leicht 
erkennen  lässt,  hatte  der  Redner  sich  in  seinen  Ausführungen  von 
seiner  eigentlichen  Aufgabe  vieLEach  entfernt.  Das  Hineinziehen  der 
Schularztfrage  in  die  Erörterungen  hatte  der  Vorsitzende  bereits 
während  des  Vortrages  als  vom  Thema  abschweifend  gerügt.  Über 
die  Lehrstoffe  und  Lehrziele  der  höheren  Schulen  fehlte  in  dem 
Vortrage  jede  nähere  Erörterung.  Der  Redner  hatte  sich  wohl  einer 
solchen  überhoben  geglaubt,  indem  er  den  Satz  als  erwiesen  hin- 
stellte, dafs  von  einer  Überbürdung  in  den  höheren  Schulen  nicht 
gesprochen  werden  könne.  Gerade  dieser  Satz  fand  aber  in  der  Dis- 
kussion lebhaftesten  Widerspruch  von  Seite  der  Mehrheit  der  Ver- 
sammlung. Er  wurde  abgelehnt.  Und  da  auf  ihm  die  übrigen 
Thesen  des  Referenten  ruhten,  so  mulsten  auch  sie  fallen.  Freilich 
kostete  es  mehrstündige  Verhandlungen,  ehe  man  zu  diesem  Ziele  kam! 

Zuerst  gelangte  in  der  Diskussion  Stadtschulrat  Bobnmakn- 
Kassel  zum  Wort.  Er  focht  die  Beweiskraft  der  vom  Redner  vorge- 
brachten Statistik  über  den  Erfolg  des  Schulbesuchs  der  Sextaner  an. 
Viele  Schüler  der  höheren  Lehranstalten  müisten  vor  Erreichung  ihres 
Zieles  die  Schule  verlassen,  weil  der  Geldbeutel  der  Eltern  nicht 
ausreiche;  bei  anderen  wieder  bestehe  von  vornherein  nicht  die 
Absicht,  die  ganze  Schule  durchzumachen;  wieder  andere  müisten 
wegen  Verschlechterung  ihres  Gesundheitszustandes  abgehen.  Wie 
müslich  es  sei,  über  die  Geistesgaben  eines  Schülers  ein  Urteil  ab- 
zugeben, lasse  das  Beispiel  von  Liebig,  Gebvinus  und  anderen 
späteren  Gröfsen  erkennen,  die  von  ihren  Lehrern  für  ganz  minder- 
begabte  Knaben  angesehen  worden  seien. 

Stadtschulinspektor  Mülleb -Wiesbaden  erklärte  es  für  einen 
Vorteil,  dafs  man  nicht  gleich  die  Schularztfrage  allgemein  nach 
einheitlichen  Grundsätzen  geregelt  habe;  so  könne  man  Erfahrungen 
sammeln,  welche  Art  der  Organisation  die  beste  sei. 

Oberrealschuldirektor  HiNTZMANN-Elberfeld  sprach  sich  dahin 
aus,  dafs  entgegen  den  Ausführungen  des  Redners  eine  Überlastung 
in  den  höheren  Schulen  tatsächlich  obwalte.  Zwar  führe  der  offizielle 


469 

Lehrplan  nur  80  bis  31  Stunden  Unterricht  die  Woche  an;  dazu 
träten  dann  aber  noch  die  fakultativen  ünterriohtsgegenstände  —  Sing-, 
Zeichnen-  und  andere  Standen,  so  daCs  insgesamt  40  Stunden  für 
die  Woche  herauskämen.  In  Elberfeld  habe  man  der  Überlastung 
unter  dem  Beifall  der  Schulärzte  durch  Abkürzung  der  Stundenzeit 
auf  45  Minuten  entgegen  zu  wirken  versucht.  Glaube  man  denn 
übrigens,  bei  eitlen  und  törichten  Eltern  etwas  erreichen  zu  können, 
wenn  man  ihnen  vorstelle,  dals  ihr  Sohn  sich  geistig  nicht  zur  Auf- 
nahme in  die  Sexta  einer  höheren  Schule  eigne? 

Bealschuldirektor  Dörb  -  Frankftiri  a.  M.  hielt  in  der  nun  be- 
ginnenden Spezialdebatte  über  These  1  ebenfalls  Überbürdung  für 
zweifellos  vorhanden.  Als  Mittel  dagegen  seien  Herabsetzung  der 
Stundendauer  auf  40  Minuten  nach  dem  Vorschlage  von  Dobnblüth, 
sowie  späterer  Beginn  und  Einschränkung  des  Unterrichtes  in  den 
fremden  Sprachen  in  Erwägung  zu  ziehen. 

Dr.  med.  Selteb  -  Solingen ,  der  Vorsitzende  der  Vereinigung 
niederrheinisch-westfälischer  Kinderärzte,  schlug  vor,  These  1  erst 
nach  dem  Vortrage  des  Dr.  Bensbübg,  der  weitere  Erläuterungen 
zu  ihr  bringen  werde,  zu  diskutieren.  Sein  Antrag  wurde  aber  vom 
Vorsitzenden  abgelehnt. 

Dr.  Helleb  wünschte  eine  Erörterung  darüber,  worin  die  Über* 
bürdnng  zu  suchen  ist,  ob  in  dem  Umfange  der  häuslichen  Arbeiten 
oder  in  der  Zahl  der  Unterrichtsstunden.  Es  frage  sich,  ob  das 
Lehrziel  erreichbar  sei,  wenn  man  die  Stunden  kürze. 

Geheimer  Medizinalrat  Dr.  EüiiENBUBO-Berlin  meinte,  dals  der 
Begriff  Überbürdung  verschieden  aufgefafst  werden  könne,  und  schlug 
vor,  die  These  1  fallen  zu  lassen. 

Eine  Abstimmung   über  These  1    führte    zu   ihrer  Ablehnung. 

Realschuldirektor  DöBB-Frankfart  a.  M.  verzichtete  auf  die  Auf- 
stellung einer  These  im  entgegengesetzten  Sinne  bis  zu  einer  späteren, 
besonderen  Beratung. 

Die  Diskussion  wandte  sich  zu  These  2.  Oberrealschuldirektor 
HiNTZMANK-Elberfeld  hielt  dafür,  dafs  die  Ursache  der  Überbürdung 
in  den  zu  hohen  Anforderungen  der  Schule,  jedenfalls  nicht,  wie  die 
These  2  wolle,  zum  „weitaus  gröfsten**  Teile  in  der  geistigen  Un« 
zulänglichkeit  der  Schüler  bestehe. 

Sehr  scharf  sprach  sich  Bürgermeister  Ocmo  -  Hagen  gegen  den 
ersten  und  letzten  Satz  von  These  2  aus;  er  erblickte  darin  Vor- 
würfe, namentlich  in  dem  gegen  die  Lehrerschaft  gerichteten  Satze, 
die  völlig  ungerechtfertigt  seien. 


470 

AIb  man  znr  Beratung  von  Thaae  8  überging,  hatte  These  2 
folgende  Fassung  erhalten:  „Tatsichlioh  bestehende  Überbürdung 
beruht  zum  Tefl  in  der  geistigen  UnznIftngUohkeit  der  Schüler, 
zum  Teil  in  der  zu  grolsen  Sohülerzahl  versohiedener  Klassen^. 
Nichts  von  dem,  worauf  vorher  das  gröJste  Gewicht  gelegt  war, 
nämlich  die  zu  hohe  Stundenzahl  1 

In  der  Besprechung  von  These  S  wünschte  zunftchst  Dr.  med. 
KoBMAii-Leipzig  die  Streichung  der  EUammer  „Lehrer  und  Schularzt^. 

Dann  entwickelte  sich  ein  Intermezzo  in  G^talt  einer  Diskussion 
über  den  Nutzen  der  Vorschule.  Einige  Redner  äuiiserten  sich  als 
Gegner  der  Vorschulen  und  hielten  gemeinsame  Elementarschul- 
bildung als  Grundlage  auch  der  höheren  Schule  für  das  Beste. 
Andere  widersprachen  dem  ungünstigen  Urteil  über  die  Vorschulen. 
Ein  Vermittlungsvorschlag  zielte  auf  „Umwandlung  des  dreijährigen 
Vorbereitungskursus  in  einen  vierjährigen  ab*'.  Diese  Diskussion  lag 
ganz  auüserhalb  des  Rahmens  der  These  3,  die  von  „Vorstufen- 
ausbildung^  spricht,  ohne  deren  Art  irgendwie  zu  berühren,  war 
aber  durch  AusführuDgen  des  Vortragenden  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  motiviert. 

Als  die  Debatte  endlich  zur  These  3  zurückkehrte,  machte 
Realschuldirektor  Reikmitlleb  -  Hamburg  den  Vorschlag,  nur  den 
ersten  Satz  der  These  bis  zu  „Sextanerzahl*'  stehen  zu  lassen.  Auch 
Geheimer  Medizinalrat  Dr.  EuLENBuna- Berlin  versprach  sich  den 
meisten  Erfolg  von  der  Verminderung  der  Schülerzahl  in  den  Erlassen. 
Er  stimmte  der  von  Dr.  med.  Kosmak  -  Leizig  geftulserten  Ansicht 
zu,  dais  der  Schularzt  nicht  im  stände  sei,  bei  einigen  kurz  dauern- 
den Untersuchungen  über  die  Begabung  eines  Schülers  sich  ein 
Urteil  zu  bilden.  Dr.  Koeman  betonte  weiter,  dafs  nicht  das  Lebens- 
alter, in  dem  die  Aufnahme  ins  Gymnasium  stattfindet,  sondern  erst 
die  Körper  und  Geist  so  mächtig  umwälzende  Zeit  der  Pubertäts- 
entwickelung die  richtige  Gelegenheit  zur  Abschätzung  der  geistigen 
Anlagen  biete. 

Schularzt  Dr.  ScHLESnaraEB-Stra&burg  i.  E.  hielt  den  Hausarzt 
fär  weit  geeigneter  zu  einem  Urteil  über  die  Anlagen  des  Schülers 
als  den  Schularzt. 

Stadtschulrat  Wehbh  AHN-Hannover  machte  darauf  aufinerksam, 
dafs  auch  der  erste  Satz  von  These  3  entbehrlich  sei,  da  in  These  2 
schon  von  der  „zu  grofsen  Schülerzahl  verschiedener  EUassen'^  ge» 
sprechen  werde.  Mit  dem  Rest  von  These  3  seien  auch  These  4 
und  5  überflüssig. 


471 

Sohnlinspektor  TiuM-BMen  wUnschte  in  die  Thesen  Sätsse  ein- 
gefügt zu  haben,  die  sieh  fbr  ipftteren  Beginn  des  ünterriehtes  in 
den  fremden  Sprachen,  Abkflnnng  der  Sohalstnndendaaer,  Ver- 
mindemng  der  hänsliohen  Arbeiten,  bessere  Begelnng  des  Konflr* 
manden-  und  sonstigen  Nebennnterriohtes  anssprttohen.  Inzwischen 
war  aber  ein  Antrag  von  Btüigermeister  Ouiro-Hagen  eingegangen, 
die  Abstimmnng  wegen  mangelhafter  Vorbereitung  des  Themas  ab* 
anlehnen,  und  dieser  Antrag  fand  Annahme,  entgegen  einem  Vor- 
schlage yon  Bealschuldirektor  DöBBF-Frankfnrt  a.  M.,  erst  die  beiden 
Mitreferenten  des  Dr.  EASTximoLZ  zu  hören  und  dann  neue  Thesen 
zu  beschlielsen. 

So  verlief  denn  die  stundenlange  Beratung  völlig  im  Sande. 
Dals  die  Mehrheit  der  Versammlung  eine  Überbürdung  in  den 
höheren  Schulen  annehmen  würde,  konnte  man  wohl  schon  im  voraus 
wissen.  Aber  worin  sie  besonders  zu  suchen  ist,  zumal  ob  in  den 
Lehrstoffen  und  Lehrzielen,  von  denen  das  Vortragsthema  spricht, 
und  wie  ihr  zu  steuern  ist,  darüber  blieb  die  gleiche  Unklarheit  wie 
vor  dem  Vortrage  bestehen  I 

Es  hielt  nunmehr  Dr.  med.  BEKSBUBO-Solingen  einen  Vortrag 
über  den  zweiten  Abschnitt  des  den  Lehrplan  der  höheren  Schulen 
vom  ärztlichen  Standpunkte  behandelnden  Themas.  Dieser  zweite 
Abschnitt  betraf 

Stmidenverteflug  einscUiefslich  des  Nachmittagsnntemehtes. 

Wesentliche  neue  Gedanken  vermochte  der  Vortragende  dem 
sattsam  in  der  Literatur  verhandelten  Gegenstände  natürlich  nicht 
abzugewinnen.  Er  bemerkte,  dals  er  Schulkrankheiten  bei  Kindern 
nie  vor  dem  12.  Lebensjahre  gesehen  habe.  Bei  der  Verteilung  der 
Unterrichtsstunden  verlangte  er  besondere  Berücksichtigung  der 
Nahrungsaufnahmezeiten.  Die  englische  Mahlzeitenverteilung  erklärte 
er  für  sehr  zweckmäßig:  morgens  ein  ausgiebiges  erstes  Frühstück, 
zur  Mittagszeit  ein  leichtes,  zweites  Frühstück  und  die  Hauptmahlzeit 
erst  nach  dem  etwa  nötigen  Nachmittagsunterricht  gegen  den  Abend 
hin.  Stundenpläne  von  höheren  Schulen  haben  ihm  gezeigt,  dafs 
noch  oft  die  Verteilung  der  Unterrichts&cher  auf  die  Unterrichts- 
stunden falsch  ist,  dals  z.  B.  Religionsunterricht  in  der  ersten  Stunde 
dem  frisch  in  die  Schule  kommenden  Kinde  erteilt  wird,  Rechen- 
tmterricht  dem  abgespannten  in  der  letzten  Vormittagsstnnde. 

AUe  sonstigen  Ausftihrungen  des  Redners  von  Belang  ergeben 
sich  aus  seinen  folgendermalsen  lautenden  Leitsätzen: 


472 

1.  Die  Zahl  der  wiBseiiBchaftliohen  Standen  soll  30  in  der 
Woche  nicht  überschreiten;  die  Maximalzeit  der  untersten  Yorschnl- 
klasse  beträgt  18  in  der  Woche;  sie  darf  in  der  2.  nnd  3.  Vorschol- 
klasse  22  nicht  übersteigen. 

2.  Die  peinlichste  und  genaueste  Beachtung  der  an  die  Stunden- 
verteilung gestellten  schulhygienischen  Forderungen  ist  für  die  Vor- 
schulen und  unteren  Klassen  zu  fordern;  um  dort  eine  zweckmäCsige 
Verteilung  möglichst  unabhängig  zu  machen  von  anderen  Büok> 
sichten,  ist  der  Unterricht  dort  möglichst  von  einem  Lehrer  zu  er- 
teilen. In  der  B>egel  sollen  dann  die  Unterrichtsgegenstände  halb- 
stündlich wechseln. 

3.  Die  Zeiteinheit  der  Unterrichtsstunde  übersteige  nicht  45 
Minuten. 

4.  Als  Maximalzahl  für  den  Vormittagsunterricht  gelten  fünf 
Stunden,  für  Vor-  Tmd  Nachmittagsunterricht  sechs  Stunden. 

5.  Zwei  Systeme  der  Stundenverteilung  genügen  den  hygienischen 
Anforderungen, 

a)  ausschlieüslicher  Vormittagsunterricht,     fünf    Stunden    nicht 
überschreitend; 

b)  Beibehaltung  des  Nachmittagsunterrichtes    unter   folgenden 
Bedingungen : 

aa)  zwischen  Vor-  und  Nachmittagsunterricht  ist  eine  Pause 

von  mindestens  drei  Stunden  zu  legen, 
bb)  die  Einführung  der  englischen  Mahlzeiten  ist  anzustreben, 
cc)  am  Nachmittage  sollen  nur  solche  Fächer  gelehrt  werden, 

die   keine   wesentliche   häusliche  Vorbereitung   erfordern 

und  geistig  wenig  anstrengend  sind. 

6.  Die  einzelnen  Unterrichtsfächer  sind  so  auf  den  Tag  zu  ver- 
teilen, dals  die  praktisch  und  experimentell  als  die  am  anstrengendsten 
erkannten  Untenichtsgegenstände  in  die  ersten  drei  Stunden  fallen. 
Fächer,  die  eine  grö&ere  Inanspruchnahme  der  Eörpermuskeln  be* 
dingen,  sind  nicht  hintereinander  zu  legen. 

Schriftliche  Arbeiten  sind  in  den  beiden  ersten  Stunden  an- 
zufertigen. 

Die  Turnstunde,  die  zwischen  den  übrigen  Unterrichtsstunden 
liegt,  soll  so  erteilt  werden,  dafs  sie  erfrischt,  nicht  ermüdet. 

7.  Während  der  einzelnen  Unterrichtsstunden  bleibt  es  der  Auf- 
merksamkeit der  Lehrer  dringend  anempfohlen,  durch  Abwechslung 
einer  etwaigen  einseitigen  körperlichen  oder  geistigen  Ermüdung  zu 
steuern. 


473 

Die  Thesen  fanden  im  allgemeinen  den  Beifall  der  Versammlung. 
Nötig  erschien  es  nur,  in  Ziffer  4  nnd  5a  zur  Vermeidung  von  Mils- 
verständnissen  statt  „Stunden^  „Zeitstunden''  zu  sagen.  Es  wurde 
darauf  hingewiesen,  dals  mau  bei  Abkürzung  der  Schulstunde  auf 
40—45  Minuten  gemäls  These  3  bequem  sechs  Unterrichtsstunden 
nebst  Pausen  in  fünf  Zeitstunden  unterbringen  und  damit  vielfach 
den  Nachmittagsunterricht  entbehrlich  machen  könne,  was  allerseits 
als  wünschenswert  angesehen  wurde. 

Stadtschulrat  WEHSHAHN-Hannover  hob,  wie  schon  im  Vorjahre 
in  Weimar,  die  Schwierigkeit  hervor,  die  sich  daraus  ergibt,  wenn 
die  kleinsten  Schüler  schon  20  Stunden  Unterricht  in  der  Woche 
haben  sollen.  Es  bleibt,  da  man  die  Kleinen  nicht  länger  als  drei 
Stunden  am  Vormittag  unterrichten  kann,  da  nichts  weiter  übrig, 
als  selbst  für  sie  schon  den  Nachmittag  zu  Hilfe  zu  nehmen. 

Gestrichen  wurde  die  These  5b/bb,  nach  der  die  Einführung 
der  englischen  Tischzeit  anzustreben  wäre.  Glegen  sie  wurde  aus  der 
Versammlung  geltend  gemacht,  dals  die  Möglichkeit  fehle,  nach  dieser 
Richtung  eine  Einwirkung  auf  die  Gewohnheiten  der  Familien  aus- 
zuüben, dalls  daher  die  These  rein  platonisch  sein  würde. 

Nunmehr  hielt  Dr.  med.  Bey- Aachen  seinen  Vortrag  über  den 
dritten  Abschnitt  des  Thema  „Lehrplan  der  höheren  Schulen'^.  Er 
sprach  über 

Sehulanfang  und  Sehlafjseit,  Erbolungszeit  im  Freien 

und  in  der  Familie. 

Der  Redner  verbreitete  sich  besonders  ausführlich  über  die  Not* 
wendigkeit,  in  den  Zwischenpausen  und  der  Freizeit  durch  gesund- 
heitsgemäise  Beschäftigung  der  Kinder  ein  Gegengewicht  gegen  die 
vom  Schulunterricht  drohenden  Gesundheitsgefahren  zu  schaffen. 
Spielen  im  Freien  während  der  Pausen  sei  das  beste  Mittel  zur  Ver- 
hütung der  Skoliose,  des  Nasenblutens  und  des  Kopfschmerzes,  der 
drei  häufigsten  Folgen  des  Schulsitzens ;  auch  das  Auge  ruhe  dabei 
durch  Sehen  in  die  Feme  aus.  Er  zog  gegen  den  übertriebenen 
Musikkultus,  die  Malstunden,  den  Alkoholgenufs  und  die  gesundheits- 
widrige Mädchenkleidung  zu  Felde,  empfahl  dagegen  Pflege  des 
Turnens  und  des  gesunden  Sportes,  des  Badens,  der  Schulausflüge, 
weiteren  Ausbau  des  Handfertigkeitsunterrichtes,  Gartenarbeit  usw. 
Besonderen  Wert  legte  der  Redner  auf  Anbahnung  enger  Be- 
ziehungen zwischen  der  Schule  und  den  Eltern  durch  Gründung  von 
Vereinigungen  beider  zum  Wohle  der  Schüler. 


474 

Das  Wesentlichste  des  Vortrages  urnüassen  die  folgenden  Thesen : 

1.  Die  Festsetzung  der  Zeit  des  Schalanfiemges  am  Vormittag 
ist  für  die  höheren  Schalen  den  Schnlvorständen  zu  überlassen,  die 
im  Einvernehmen  mit  den  Eltern  unter  Berücksichtigung  aller 
örtlichen,  einschlägigen  Verhältnisse  den  genaueren  Zeitpunkt  be- 
stimmen. 

2.  Der  Nachmittagsunterricht  soll,  wenn  er  nicht  zu  entbehren 
ist,  erst  um  3  Uhr  beginnen. 

3.  Zwischen  den  einzeluen  Unterrichtsstunden  ist  in  allen 
Klassen  eine  Pause  von  15  Minuten  einzuschieben;  diese  Pausen 
sollen  auch  von  den  oberen  Klassen  durch  Spiel  im  Freien  oder  in 
gedeckten  Hallen  ausgefüllt  werden. 

4.  Schulbäder  sollten  bei  Neubauten  von  höheren  Schulen  nicht 
vergessen  und  in  allen  schon  vorhandenen  womöglich  nachträglich 
noch  errichtet  werden. 

5.  Das  Schuljahr  ist  so  zu  verlegen,  daiis  es  mit  den  grofsen 
Sommerferien  schlieist  resp.  nach  denselben  an&ngt.  Die  groüsen 
Ferien  sind  in  die  heüse,  für  den  Unterricht  imfruchtbarste  Zeit,  in 
den  Juli  und  August,  zu  legen. 

6.  Die  Gesundheitspflege  der  Schüler  fUlt  zum  bei  weitem 
gröfisten  Teile  den  Eltern  zu;  die  Schule  ist  ohne  Mithilfe  der 
Eltern  machtlos.  Daher  sind  zumal  in  grölseren  Städten  Vereini- 
gungen von  Eltern  und  Gönnern  der  Schulen,  wozu  selbstverständlich 
das  Lehrerkollegium  gehört,  zu  gründen,  die  das  bis  jetzt  fehlende 
Bindeglied  zwischen  Schule  und  Haus  herstellen  und  eine  gegen- 
seitige Ergänzung  und  Unterstützung  zur  Förderung  des  geistigen 
und  körperlichen  Wohles  der  höheren  Schüler  ermöglichen  sollen. 

In  diesen  Vereinigungen  können  die  Besprechungen  über 
Schulanfang  und  sonstige  Einrichtungen,  soweit  sie  in  den  Händen 
lokaler  Behörden  liegen,  besprochen  und  die  Wünsche  der  Eltern 
gehört  werden. 

Weiter  sind  sie  geeignet,  durch  Vorträge  von  Lehrern  imd 
Ärzten  über  Verteilung  der  Arbeitszeit,  der  zweckmäfsigsten  Erholimg, 
Vermeidung  von  Überlastung,  Alkoholgefahr  u.  s.  w.  die  Gesundheits- 
pflege der  Jugend  sehr  zu  fördern. 

Endlich  sind  derartige  Vereinigungen  wohl  eher  im  stände,  fär 
unsere  Jugend  die  nötigen  Spielplätze,  gedeckte  Hallen,  Schulbäder 
u.  s.  w.  von  den  Behörden  zu  erlangen,  als  es  den  Vereinigungen  für 
Jugendspiele  bisher  gelungen  ist. 


475 

Die  Diskussion  gab  zunäohst  dem  Direktor  Dr.  BEYEA-Leipzig 
OelegeDheit,  sich  in  eingehender  und  anregender  Weise  über  die 
Erfahmngen  zu  au&em)  die  in  Leipzig  bei  dem  Versuche  gemacht 
worden  sind,  die  Kinder  während  der  Ferienzeit  unter  der  Leitung 
von  Lehrern  durch  Wanderungen,  Ausflüge,  Spiele  zu  beschäftigen. 
Diese  Erfahrungen  sind  sehr  günstige.  Der  Einfluls  auf  die  Schüler 
ist  ein  ausgezeichneter.  Eine  Entschädigung  für  ihre  Mühe  wird 
den  Lehrern  in  Höhe  von  fünf  Mark  für  den  Tag  von  einem  Verein 
mit  Unterstützung  der  Stadt  gezahlt.  Der  von  Direktor  Dr.  Beteb 
als  besonders  beherzigenswert  hingestellte  Gedanke»  Schule  und 
Elternhaus  in  möglichst  enge  Verbindimg  miteinander  zu  bringen  zum 
Segen  der  Jugenderziehimg,  dieser  G-edanke,  über  den  die  These  6 
ebenfalls  ausführlich  sich  ausläfst,  stand  im  Mittelpunkte  der  weiteren 
Diskussion.  Einige  Redner  berichteten  aus  ihren  Heimatsorten 
Günstiges  über  die  Bestrebungen  zur  Anbahnung  solcher  Verbindxmg, 
so  die  Schulinspektoren  TiMM-Essen  und  MÜLLEB-Wiesbaden  ujid 
Sektor  LESSENTCH-Bonn.  Andere  hatten  weniger  gute  Erfahrungen 
gemacht.  Einer  Bemerkung  des  Dr.  med.  SELTEB-Solingen,  dafs 
in  seinem  Wohnorte  gerade  die  Volksschullehrer  fEbr  die  Gründung 
eines  hygienischen  Vereins  nicht  zu  haben  gewesen  seien,  weil 
sie  das  „Übergewicht  der  Ärzte  nicht  noch  yergrörsem  wollten", 
hielt  Stadtschulrat  WxHBHAHK-Hannoyer  mit  Recht  entgegen,  dafs 
man  doch  alle  Äufserungen  vermeiden  möge,  die  das  gute  Verhältnis 
zwischen  Lehrern  und  Ärzten  stören  könnten.  Derselbe  Redner  wies 
auch  darauf  hin,  dafs  die  Veranstaltung  yon  Ferienspielen  u.  dergl. 
in  erster  Reihe  eine  Geldfrage  sei;  schaffe  man  Geld,  so  seien  auch 
Lehrer  für  die  Leitung  zu  haben. 

Nachdem  einige  Redner  auch  die  in  These  3  berührte  Pausen- 
frage wieder  erörtert  hatten,  kamen  die  Thesen  zur  Annahme  mit 
der  Änderung,  dab  an  These  2  der  Satz  „und  nicht  auf  wissen- 
schaftliche Themata  sich  beziehen''  angehängt  und  in  These  3  „eine 
Pause  von  durchschnittlich  15  Minuten"  gesagt  wurde.  —  Damit 
war  das  erste  Verhandlungsthema  erledigt. 

Es  folgte  nun  zunächst  der  Vortrag  des  Privatdozenten  Dr.  med. 
H.  PETBBSEN-Bonn  über 

Skoliose  und  Sehnle. 

Der  Redner  führte  ein  paar  Kinder  mit  ausgebildeter  Skoliose 
vor,  gab  dazu  in  frei  vorgetragenen,  flotten  Ausführungen  Erläute- 
rungen und  legte  insbesondere  Nachdruck  auf  die  frühzeitige  Er- 


476 

kennung  der  Büokgratsverkrümmnngen.    Auch  er  hatte  eine  B^ihe 
von  Leitsätzen  aufgestellt,  die  folgendermaüsen  lauteten: 

1.  Die  Schule  soll  das  Mögliche  zur  Verhütung  der  Wirbel- 
säulenverbiegungen  leisten 

a)  durch  aktive  Gegenarbeit  gegen  die  Entstehung,  mit  Hülfe 
von  Tuiiien  und  Tumspielen, 

b)  durch  günstige  Schulräume  und  Sitze,  durch  richtige  Reihen- 
folge der  Lehrstunden, 

c)  durch  Unterweisung  der  Lehrer  über  die  hauptsächlichen 
schlechten  Angewohnheiten  der  Schulkinder  beim  Sitzen. 

2.  Die  Schule  soll   die  frühzeitige  Entdeckung  der  Skoliose 
herbeiführen, 

a)  indem  bei  der  Aufnahme  in  die  Schule  alle  Kinder  obliga- 
torisch durch  den  Schularzt  untersucht  werden, 

b)  indem  diese  schulärztlichen  Untersuchungen  aller  Kinder  in 
regelmäßigen  Zeiträumen  —  wenigstens  jährlich  einmal  — 
wiederholt  werden, 

c)  indem  die  Lehrer,  nachdem  ihnen  die  Augen  für  diese  Dinge 
geöffnet  sind,  jedes  Kind,  das  sich  eine  schlechte  Haltung 
angewöhnt,  dem  Schularzt  zuführen. 

3.  Die  Schule  hat  an  ihrem  Teil  für  die  sofortige  Behand- 
lung  aller  Skoliosen  zu  sorgen. 

a)  Es  müssen  von  Schulwegen  an  Stelle  der  sonstigen  Turn- 
stunden obligatorische  Skoliosentumstunden — in  entsprechend 
vermehrter  Zahl  —  eingerichtet  werden. 

b)  Für  die  ohnehin  schwächeren  Skoliosenkinder  muJB  nach- 
mittags ausgiebige  Schulfreiheit  —  je  nach  dem  Fall  —  ge- 
währt werden,  damit  die  Kinder  vor  und  nach  dem  Turnen 
die  dringend  notwendige  Buhezeit  haben. 

c)  Die  Auswahl  der  Fälle  erfolgt  durch  den  Schularzt,  die 
zeitweise  Kontrolle  und  richtige  Auswahl  der  Übungen  u.  s.  w. 
muis  womöglich  spezialistisch  vorgebildeten  Ärzten  übergeben 
werden;  namentlich  die  schweren  Fälle  werden  solcher  Be- 
handlung bedürfen.  Die  entsprechende  Vorbildung  ist  event. 
leicht  in  grölseren  Krankenhäusern  nachzuholen. 

d)  Die  Turnkurse  werden  in  den  vorhandenen  Tumanstalten, 
event.  in  Krankenhäusern  an  möglichst  zahlreichen  Orten  ein- 
zurichten sein,  um  eine  Beteiligung  der  Kinder  auch  aus 
Nachbarorten  zu  ermöglichen  (event.  Freifahrschein,  zeitweises 


477 

Übersiedeln  der  Kinder  in  den  Ort  des  Knrses,   Anlernen 
der  Mütter  etc.). 

e)  Als  Leiter  der  Korse  sind  weibliche  Kräfte  zu  beschaffen, 
deren  Ausbildung  am  besten  in  Krankenhäusern  stattfindet 
und  kaum  mehr  als  6 — 8  Wochen  erfordern  wird. 

f)  Die  Kosten  des  Lehrpersonals  können  unschwer  durch  ganz 
kleine  Beiträge  der  nicht  ganz  Unbemittelten,  durch  grOlsere 
Normalsätze  der  Bemittelteren  angebracht  werden.  Privat- 
kurse  für  Wohlhabendere  ergeben  für  die  Unterhaltungskasse 
und  die  Tumlehrerin  wünschenswerte  Nebeneinnahmen.  Die 
Kinder  mittelloser  Leute  müssen  alles  umsonst  haben. 

g)  Diese  Aufgaben  der  Schule  bedürfen  besonders  dringend  einer 

Ausdehnimg   auch   auf   Privatschulen    und    Pensionate 

unserer  höheren  Töchter. 

Eine  Demonstration  der  Tumeinrichtung  und  -Apparate,  sowie 

turnender  Kinder  in  der  Königl.  chirurg.  Universitätsklinik,   setzte 

der  Bedner  für  den  nächsten  Nachmittag  an. 

Die  Diskussion  über  den  PEXEBSEKsohen  Vortrag  wurde  yer- 
schoben,  um  später  mit  der  über  die  Vorträge  von  WiCEENHAaEN 
und  Schmidt  und  die  Thesen  von  Endbis  verbunden  zu  werden. 

Für  das  nächste  Verhandlungsthema 

Der  Sehnliurnnntemcht  und  die  Bewegnngsspiele  im  Sinne 

der  Schnlhygiene 

waren  ein  Schulmann  und  ein  Arzt  als  Referenten  bestimmt.  Zum 
Wort  kam  der  vorgerückten  Zeit  wegen  nur  noch  der  eine  Beferent» 
Professor  WiCEENHAaEN-Bendsburg.  Sein  Vortrag  fand  lebhaften 
BeifieJl;  sicher  hätte  die  fein  pointierte  Bede,  die  zu  lesen  ein  Ge- 
nuJB  sein  muJB,  noch  erheblich  grö&eren  Eindruck  gemacht,  wenn 
nicht  die  Aufnahmefähigkeit  der  Versammlung  durch  die  Länge  der 
vorhergehenden  Verhandlungen  um  3  Uhr  nachmittags  bereits  ziemlich 
erschöpft  gewesen  wäre,  zumal  entgegen  allen  theoretischen  Erörte- 
rungen über  die  Notwendigkeit  längerer  Pausen  während  der  Arbeits- 
zeit den  Kongrelsteilnehmern  nur  eine  kurze  Frühstückspause  be- 
willigt worden  war. 

Professor  WiCKSKnAGEK  beschränkte  seine  Ausführungen  auf 
das  Turnen  und  die  Tumspiele  an  den  höheren  Schulen.  Den 
Nachdruck  legte  er  darauf,  dafs  das  Turnen  und  Spielen  nicht  in 
erster  Linie  einem  Erziehungszweoke  dienen  solle,  sondern  die  be- 
wuüste   Förderung   der  Gesundheit   zur  Aufgabe  habe.     Nach   den 


478 

sohon  von  Ehnst  Mobitz  Abndt  dargelegten  Grandsfttzeii  soll  ihr 
Ziel  sein,  den  Körper  zu  üben»  den  Charakter  zu  bilden  und 
den  Sinn  für  Unterordnung  unter  die  Zwecke  des  gemeinsamen 
Gtmzen  zu  fördern.  Man  dürfe  nicht  die  Erziehung  einer  gesunden 
Generation  und  die  Entwicklung  eines  reichen  Geisteslebens,  wie  es 
so  oft  noch  geschehe»  als  miteinander  unvereinbare  Ziele  ansehen. 
Die  Turnhalle  erklärte  der  Redner  als  unentbehrlich  für  unser 
Klima.  Der  Sommer  solle  die  Spiele,  der  Winter  das  Gerätturnen 
fbrdem.  Auch  einer  bis  zu  einem  gewissen  Grade  militärischen  Er- 
ziehung der  Jugend  redete  der  Vortragende  das  Wort  (Strammstehen 
vor  dem  Lehrer  u.  dergl.).  Sehr  treffend  hob  er  hervor,  dais  der 
Nutzen  der  Bewegung  im  Freien  nicht  nur  im  Genüsse  besserer 
Luft,  sondern  auch  in  der  Einwirkung  des  Sonnenlichtes,  der 
Schärfung  der  Augen  sich  geltend  mache.  Wie  gering  noch  in 
weiten  Kreisen  Literesse  und  Verständnis  fär  körperliche  Leistungen 
seien,  zeige  sich  in  der  verbreiteten  Überschätzung  der  antiken 
sportlichen  Taten,  die  zu  erreichen  oder  selbst  zu  übertreffen  unserer 
heutigen  Generation  durchaus  gelinge. 

Der  Vortrag  gipfelte  in  folgenden  Schlufssätzen: 

1.  Die  körperliche  Erziehung  an  den  höheren  Schulen  hat  in 
ihrem  Betriebe  und  bei  der  Wahl  des  Übungsstoffes  mit  den  all- 
gemeinen Aufgaben  zu  rechnen,  welche  einer  wissenschaftlichen  An- 
stalt gestellt  sind.  Sie  soll  im  besonderen  darauf  ausgehen,  das 
ganze  Erholungsleben  der  Jugend  zu  veredeln. 

2.  Die  Fassung  der  neuen  preuisischen  Lehrpläne,  nach  welchen 
zunächst  auf  die  leibliche  Entwicklung  und  Stärkung  der  Gesundheit 
Bücksicht  zu  nehmen  ist,  verdient  volle  Billigung. 

3.  Im  Sommer  steht  das  Bewegungsspiel  und  der  Betrieb  volks- 
tümlicher Übungen  im  Vordergrunde,  im  Winter  das  methodische 
Gerätturnen. 

4.  Es  ist  möglichst  im  Freien  zu  turnen;  die  Turnhalle  ist 
deshalb  nicht  zu  entbehren. 

5.  Eine  Vermehrung  der  drei  Wochenstunden  ist  nicht  anzustreben. 

6.  Gesunde  sportliche  Neigungen  der  Schüler  im  Rahmen  der 
Schule  und  ihrer  Gesetze  verdienen  volle  Förderung. 

Mit  dem  Vortrage  von  Professor  Wiokbnhagbn  wurden  die 
wissenschaftlichen  Verhandlungen  des  ersten  Tages  geschlossen. 

Gegen  5  Uhr  löste  sich  die  Versammlung  auf,  um  Besichtigungen 
schulhygienischer  Einrichtungen  Bonns  unter  Leitung  dortiger  Fach-- 
leute  vorzunehmen.     Für  die  Besichtigungen  kamen  in  Betracht 


479 

a)  die  städtisohe  Doppeltamhalle  (eine  grobe  duroh  eine  BoU- 
wand  teilbare  Halle  in  unmittelbarer  Verbindung  mit  mehreren 
Scbulgebäuden), 

b)  die  yierklassige  Hilfigschule  und  ihre  Lehrmittel,  in  der 
Handfertigkeitsarbeiten  der  Unterstufe  nach  Fröbel  und  Modellier- 
arbeiten  der  Mittel-  und  Oberstufe  vorgefahrt  wurden, 

c)  die  Schule  für  Hauehaltungsunterricht, 

d)  eine  neuerbaute  Volksschule. 

Alle  Anlagen  und  Einrichtungen  legten  Zeugnis  fiär  das  rege 
Fortschreiten  der  Stadt  auf  dem  Gebiete  der  Schulgesundheitspflege  ab. 

Zweiter  Tag. 

Der  zweite  Tag  rief  die  Versammlungsteilnehmer  trotz  der  lang- 
dauernden  Festsitzung  des  vorhergehenden  Abends  schon  um  8  Uhr 
auf  den  Plan,  zunächst  zur  Beratung  der  geschäftlichen  Angelegen- 
heiten. Unter  diesen  stand  die  Neuwahl  des  Vereinsvorstandee  im 
Vordergrunde.  Auf  Vorschlag  von  Stadtschulrat  Wehbhahk  -  Hau« 
nover  wurde  der  bisherige  Vorstand  durch  Akklamation  wieder 
gewählt,  im  einzelnen  wurden  dann  aber  einige  Veränderungen 
seiner  Zusammensetzung  vorgenommen.  So  wurden  die  Herren 
Beichstags-  und  Landtagsabgeordneter  Sittabd  -  Aachen,  Professor 
Dr.  SoHXTLLEB- Aachen  und  Lehrer  Lauche -Halle,  denen  der  Vor- 
sitzende den  Vorwurf  mangelnden  Interesses  machte,  gestrichen; 
Lehrer  Dr.  HEBBEMOH-München  wurde  auf  seinen  Wunsch  gelöscht, 
Stadtschulinspektor  Binkel- Wiesbaden  war  gestorben.  Als  Elrsatz 
wurden  in  den  Vorstand  gewählt:  Geheimer  Hofrat  Dr.  WEYaoLDi:- 
Karlsmhe,  Stadtschulrat  Wehbhahn  -  Hannover,  Direktor  Döbb- 
Frankfnrt  a.  M.,  Dr.  med.  ScHMiDT-Bonn,  Stadtschulinspektor  Mülleb- 
Wiesbaden  und  Lehrer  ScHUBEBT-Leipzig ;  femer  wurde,  um  auch 
den  Osten  vertreten  zu  haben,  Schulrat  Tbibukeit  -  Königsberg  in 
Aussicht  genommen.  Als  Ehrenpräsident  wurde  auf  Antrag  des 
Vorsitzenden  der  Prinz  Dr.  med.  Lübwig  Febdinand  von  Bayebn 
erwählt. 

Der  kurze  Kassenbericht  zeigte  keinen  ungünstigen  Stand  der 
Vereinsfinanzen.  Soweit  zu  folgen  war,  standen  Einnahmen  von 
6550  Mark  (rund  4500  Mark  Mitgliederbeiträge,  750  Mark  Ein- 
nahmen fOr  die  besonders  zu  bezahlenden  Berichte  über  die  vorjährige 
Versammlung,  der  Best-Bestand  vom  Voijahre)  Ausgaben  in  der 
Höhe  von  5001  Mark  gegenüber,  so  dafs  ein  Überschufs  von  rund 
500  Mark  verblieb.     Getrübt  wurde  dies  erfreuliche  Bild  durch  den 


480 

Umstand,  dafs  der  Verleger  der  YereinszeitBchrift  „Gesimde  Jugend'', 
B.  (j-.  Tenbner  in  Leipzig,  behauptet,  mit  den  ihm  bisher  zur  Ver- 
fügung stehenden  Summen  nicht  auszukommen,  weshalb  eine  Er- 
höhung der  Mitgliederbeiträge  von  3  auf  4  Mark  vorgeschlagen 
wurde.  Diese  Erhöhung  stieüs  auf  mancherlei  Bedenken,  so  dab  nach 
längerer  Beratung  beschlossen  wurde,  zunächst  erst  einmal  zu  ver- 
suchen, ob  nicht  Städte,  Gemeinden  und  Vereine  sich  bereit  finden 
lassen  möchten,  freiwillig  höhere  Beiträge  als  bisher  der  Vereins- 
kasse zuflielsen  zu  lassen. 

Der  Berichterstatter  hat  schon  früher  einmal  {Hygienische  Rund* 
schau  1901,  No.  16)  sein  Bedauern  darüber  ausgesprochen,  daüs  der 
Verein  eine  eigene  Zeitschrift  zu  gründen  für  nötig  befunden  hat, 
anstatt  sich  an  die  Zeitschrift  für  Schulgesundheitspflege  anzulehnen. 
Er  glaubt,  sein  Bedauern  auch  an  dieser  Stelle  wiederholen  zu 
dürfen,  da  er  keinerlei  geschäftliche  Beziehungen  zu  der  Zeitschrift 
fOr  Schulgesundheitspflege  hat,  sondern  nur  in  persönlicher  Sympathie 
ihrem  Redakteur  und  Verleger  nahe  steht.  Für  den  wissenschaftlicli 
Arbeitenden,  zumal  für  den,  der  auch  auf  anderen  Gebieten  als  dem- 
jenigen der  Schulgesundheitspflege  zu  Hause  sein  muJB,  hat  jeder 
Zuwachs  an  Zeitschriften  etwas  sehr  Unerquickliches;  statt  eines 
Blattes  muls  er  nun  zwei  halten  und  lesen,  um  auf  der  Höhe  zu 
bleiben,  und  ist  es  denn  nun  gerade  auf  dem  doch  an  Tmd  für  sich  so 
kleinen  Felde  der  Schulhygiene  nötig,  in  der  „Gesunden  Jugend '^  mit, 
wie  sich  schon  gezeigt  hat,  steigenden  Kosten  eine  Zeitschrift  zu 
unterhalten,  die  doch  keinerlei  andere  Zwecke  verfolgen  kann  als 
die  seit  vielen  Jahren  so  vorzüglich  eingeführte,  vortrefflich  geleitete 
Zeitschrift  für  Schulgesundheitspflege?  Es  wäre  nützlich  und 
dankenswert,  wenn  der  neue  Vorstand  des  Allgemeinen  Deutschen 
Vereins  für  Schulgesundheitspflege,  an  den  weiter  unten  noch  eine 
Beihe  fernerer  Wünsche  zu  richten  sein  werden,  der  Frage  einer 
Vereinigung  beider  Zeitschriften  einmal  näher  treten  wollte  I 

Was  die  drei  Ortsgruppen  des  Vereins  in  Berlin,  Leipzig 
und  Mülhausen  i.  E.  angeht,  so  wurden  nur  über  die  in  Leipzig 
einige  Mitteilungen  gemacht,  aus  denen  hervorgeht,  dafs  sie  fünf 
Sitzungen  abgehalten  hat.  Die  Ortsgruppe  in  Mülhausen  i.  E.  steht 
nur  auf  dem  Papier,  da  sie  überhaupt  nicht  in  Tätigkeit  getreten  ist. 

Die  nächstjährige  Versammlung  des  Vereins  soll  in  Nürnberg 
stattfinden.  Sie  wird  da  nur  einen  Tag  die  Mitglieder  des  Vereins 
für  sich  allein  vereinigen,  im  übrigen  aber  aufgehen  in  dem  ersten 
internationalen  Kongrefs   für  Schulhygiene,  zu  dem  bereits 


481 

eine  Reihe  von  Vereinen  nnd  Fachleuten  ans  versohiedenen  europäischen 
Ländern  ihre  Beteiligung  zugesagt  hat. 

Als  ersten  Vortrag  brachte  der  zweite  Sitzungstag  das  Referat 
des  Dr.  med.  Schmidt -Bonn  über  das  bereits  am  Tage  zuyor  von 
Professor  WiCKENHAGEN-Rendsburg  behandelte  Thema 

Der  Schulunterrielit  und  die  Bewegungsspiele  im  Sinne  der 

Schulhygiene. 

Die  Ausführungen  des  Redners  bezogen  sich  vor  allem  auf  das 
Turnen  in  den  Mädchenschulen.  1862  noch  abgelehnt,  ist  das 
Mädchentumen  in  PreuTsen  erst  seit  1894  und  nur  in  den  höheren 
Schulen  eingeführt.  Gerade  fdr  die  Mädchen  sind  körperliche 
Übungen  wegen  der  Schlaffheit  ihrer  Muskulatur,  besonders  der 
Rücken-  und  Bauchmuskeln,  nötig;  Skoliose  ist  bei  Mädchen  zehn- 
mal häufiger  als  bei  Knaben,  Bleichsucht  ist  beinahe  eine  spezifische 
Mädchenkrankheit.  Übereinstimmend  mit  Axel  Key  fand  Schmidt 
durch  Messungen  zahlreicher  Kinder,  dafs  das  Wachstum  der  Mäd- 
chen im  11.  bis  14.  Lebensjahre  weit  stärker  ist  als  das  der  Knaben, 
so  dafs  in  diesem  Alter  eine  Förderung  ihrer  körperlichen  Kräfte 
zur  Yermeidimg  der  Entstehung  you  Stöningen  sehr  nötig  erscheint. 
Nach  Messungen  in  Bonn  betrug  die  Körperlänge  in  cm 

im  Alter  von  Jahren 

6—7  7—8  8—9  9—10  10—11  11—12  12—13  13—14 

beiMädchen  113,8  118,6124,8  129,0    132,3     137,3       143      147,0 
bei  Knaben  113,8  118,0  123,9  128,7    132,9     136,7       140      146,8 

das  Gewicht  in  kg  im  Alter  yon  Jahren 

6—7  7—8  8—9  9—10  10—11 11—12  12—13  13—14 

bei  Mädchen  20,6   22,4   24,6     26,2      28,8      31,3      36,7       37,6 
bei  Knaben   20,2    23,2    24,9     26,4      28,8       31,5      34,0      36,4 

Was  der  Redner  für  die  Mädchen  an  Tum-  imd  Spielstunden 
für  nötig  hielt,  ergeben  seine  Thesen.  Auch  er  kam  wiederum  auf 
die  Ferienspiele  zu  sprechen,  denen  er  einen  sehr  grolsen  Wert 
beilegte.  Die  Stadt  Bonn  hat  in  ihrem  Haushalt  3600  Mark  jähr- 
lich für  Ferienspiele  ausgesetzt. 

Der  Inhalt  des  von  dem  Vortragenden  über  die  körperlichen 
Übungen  in  den  Fortbildungsschulen  Gesagten  geht  ebenfalls  aus 
seinen  Thesen  hervor,  die  folgenden  Wortlaut  haben: 

Schalgesundheiispflege.  XVI.  26 


482 

I.   Turnen  nnd  Spielen  in  den  Volksmädcliensoliulen. 

1.  Das  Tnmen  der  Mädchen  in  den  Volksschnlen  kat  weniger 
den  Erwerb  bestimmter  körperlicher  Fertigkeiten  ins  Auge  zu  fassen, 
als  gesundheitliche  Ziele  zu  yerfolgen. 

2.  Die  ungemeine  Häufigkeit  von  Rückgratsyerkrümmungen  und 
von  schlechter  Haltung  bei  unseren  Mädchen,  ebenso  wie  die  mit 
beginnender  Entwicklungszeit  stetig  zunehmende  Blutarmut  und 
Bleichsucht  weisen  schon  auf  die  hygienischen  und  physiologischen 
Bedürfnisse  hin,  denen  die  körperliche  Erziehung  der  Mädchen  in 
der  Schule  in  allererster  Linie  zu  begegnen  hat 

3.  Geregelte  turnerische  Übungen  (Freiübungen,  Übungen  an 
der  Bank,  Hangübungen  an  der  wagerechten  und  schrägen  Leiter 
sowie  am  Bundlauf )  sollen  dem  gesamten  Skelett  und  der  Musku- 
latur kräftige  Wachstumsanregungen  geben.  Lisbesondere  ist  die 
Erstarkung  der  Bückenmuskeln  sowie  der  Bauchmuskeln  zu  erstreben 
und  eine  schöne  gestreckte  Haltung  der  Wirbelsäule  sowie  eine  gute 
Entfaltung  des  Brustkorbes  zu  sichern. 

4.  Solche  Übungen  in  bestimmter  Auswahl  sind  am  besten 
täglich  Yorzunehmen,  etwa  20 — 30  Minuten  lang. 

5.  Zur  gesunden  Entwicklung  der  Atem-  und  Kreislauforgane 
sowie  zur  Förderung  der  Blutbildung  dient  weiterhin  regelmäfsige 
reichliche  Bewegung  in  freier  Luft,  bestehend  in  der  Pflege  munterer 
Schrittarten,  besonders  des  natürlichen  Eilganges,  des  Sprunges,  des 
Laufes  und  insbesondere  der  Lauf-  und  Ballspiele. 

Diese  Übungen  sind  des  Nachmittags  an  mindestens  zwei  Stunden 
in  der  Woche  vorzunehmen. 

6.  Neben  diesen  regelmäfsigen  Übungen  und  Spielen  während 
der  Schxilzeit  sind  für  die  Mädchen  der  Volksschulen  in  den  Städten 
noch  von  ganz  besonderer  Bedeutung  die  Ferienspiele,  zu  denen 
die  Mädchen  tagtäglich  während  der  Sommer-  und  Herbstferien  wo- 
möglich auf  Waldspielplätze  hinauszuführen  sind. 

n.  Turnen  und  Spielen  für  die  Fortbildungsschulen. 
(Elaufmanns-,  Fabrik-  und  Handwerkslehrlinge.) 

7.  Die  Lehrlingszeit  in  der  Fabrik,  im  Handwerk,  wie  zumeist 
auch  im  kaufmännischen  Beruf  um&lst  gerade  diejenigen  Lebens- 
jähre,  in  welchen  das  für  das  gesamte  Dasein  entscheidende  Wachs- 
tum wichtigster  Lebensorgane,  nämlich  der  Lungen  und  des  Herzens 
sich  vollzieht. 

8.  Wenn  das  zurzeit  sich  entwickelnde  Fortbildungsschulwesen 


483 

nicht  zu  einer  schweren  Gefahr  für  die  Oesundheit,  die  Arbeits- 
ond  Wehrtflchtigkeit  weiter  Yolkskrene  sich  gestalten  soll,  so  mnfs 
nicht  nur  unbedingt  darauf  verzichtet  werden,  die  späten  Abend- 
stunden, sowie  den  der  Erholung  zu  widmenden  Sonntag  für  Fort- 
bildungsunterricht  in  Beschlag  zu  nehmen,  sondern  es  müssen  auch 
positive  Ma&nahmen  getroffen  werden,  um  das  heranwachsende  Ge- 
schlecht gesund,  krftftig,  frisch  und  arbeitstüchtig  zu  erhalten. 

9.  Zu  diesen  positiven  Mafsnahmen  zählen  insbesondere  regel- 
mäfsige  Leibesübungen:  Spiele,  Turnübungen  im  Freien,  Märsche 
und  Ausflüge,  Baden  und  Schwimmen. 

10.  Je  durchgreifender  und  allgemeiner  dies  geschieht,  um  so 
mehr  wird  es  gelingen,  weite  Volksschichten  widerstandsfthiger  zu 
machen  gegen  die  V olkskrankheit  der  Tuberkulose,  desto  mehr  wird 
es  weiterhin  auch  möglich  sein,  das  Erholungsleben  des  Volkes 
gesunder  zu  gestalten  und  so  dem  Alkoholmifsbrauch  Schranken 
zu  setzen. 

Es  seien  hier  angefügt  die  Leitsätze  des  von  Rektor  Endbis- 
Büdesheim  angekündigten,  aber  nicht  gehaltenen  Vortrages  über 

Zweck,  Arten,  AnsflUiriuig  und  Mittel  zur  Verbreitung  der 

Jugend'  ud  Volksspiele. 

1.  Der  hohe  Wert  der  Jugendspiele  für  das  leibliche  und  geistige 
Wohl  bei  jung  und  alt  macht  deren  Förderung  durch  den  Allge- 
meinen Deutschen  Verein  für  Schulgesundheitspflege  wünschenswert. 

2.  Zur  Erreichung  der  Spielzwecke  sind  nur  solche  Spiele  zu 
wählen,  welche  die  Körper-  und  Geisteskräfte  zu  fördern  vermögen. 

3.  Es  ist  erforderlich,  möglichst  alle  Kinder  zur  Beteiligung  an 
den  Spielen  anzuhalten  und  letztere  grundsätzlich,  regelmäfsig  imd 
in  geordneter  Weise  unter  sachkundiger  Leitung  auszuführen. 

4.  Gute  Spielplätze  sind  eine  unerläfsliche  Forderung.  Die  viel- 
fach abgeschlossenen  Verschönerungsplätze  sollten  mehr  zur  Aus- 
führung von  Jugendspielen  benutzt  werden  und  nicht  blols  zur 
Augenweide  dienen.  Die  Schulspielplätze  der  Jugend  müTsten  auch 
auTserhalb  der  Schulzeit  zur  Verfügung  stehen. 

5*  Der  Ausbreitung  und  Übung  der  Spiele  ist  es  dienlich,  den 
Nachmittagsunterricht  za  beschränken,  das  Turnen  auch  für  die 
Mädchen  obligatorisch  zu  machen,  Jugend-  und  Volksspielvereine 
zu  errichten.  Die  Förderung  der  Jugendspiele  gereicht  der  Ver- 
breitung der  Volksspiele  zum  Vorteil. 

An  diese  Thesen  schlofs  sich  folgender  Antrag: 

26* 


484 

Der  Allgemeine  Deutsche  Verein  für  Sohnlgesundheitspflege 
richtet  an  die  Ministerien  aller  deutschen  Staaten  die  Bitte,  im 
Interesse  der  Förderung  der  Gesundheitsverhältnisse  der  deutschen 
Jugend 

a)  das  Turnen  für  Mädchen  möglichst  allgemein  yerhindlioh  zu 
machen  und  auch  die  Mädchenvolksschule  davon  nicht  auszuschlieisen ; 

b)  unter  tunlichster  Beschränkung  des  Nachmittagsunterrichtes 
an  den   schulfreien  Nachmittagen  einige   Spielstunden  einzurichten. 

Der  nun  sich  eröffnenden  Diskussion  wurden  die  Vorträge  und 
Thesen  von  Dr,  Petersen,  Professor  Wiokenhaobn,  Dr.  Schmidt  und 
Rektor  Endbis  zusammen  zu  Grunde  gelegt.  Es  beteiligten  sich  au 
ihr  zahlreiche  Bedner,  wie  sich  denn  auch  die  Erörterungen  über 
verschiedene  Gegenstände  erstreckten. 

Stadtschulrat  Dr.  ZwiCK-Berlin  klagte  über  die  oft  zu  beob- 
achtende Entartung  des  Mädchentumens  zu  Beigen  und  Tänzelei  en. 
Es  müsse  Wert  darauf  gelegt  werden,  dafs  auch  während  des  Unter- 
richts, sobald  die  Kinder  eine  schlechte  Haltung  zeigten,  Körper- 
übungen vorgenommen  würden.  Die  Einrichtung  von  Ferienspielen 
scheitern  in  Berlin  mit  seinen  grofsen  Entfernungen  bisher  noch  an 
der  Platzfrage. 

Bürgermeister  Cono  *  Hagen  gab  der  Ansicht  Ausdruck,  dafs 
die  Turnlehrer  in  nicht  zweckmäfsiger  Weise  ausgebildet  würden. 
In  der  Zentraltumlehrerbildungsanstalt  zu  Berlin  werde  nur  Unter- 
richt in  der  Turnhalle  erteilt,  das  Turnen  und  Spielen  im  Freien 
nicht  gepflegt. 

Provinzialschulrat  KLEWE-Coblenz  wünschte  eine  Entscheidung 
darüber,  ob  in  den  höhereren  Töchterschulen  vom  fünften  Schuljahre 
an  30  Unterrichtsstunden  zu  viel  seien,  femer  ob  in  Volks-  und 
höheren  Schulen  dieselbe  Art  des  Turnens  angebracht  sei. 

Mehrere  Ärzte  befürworteten  besondere,  von  Fachleuten  geleitete 
Turnstunden  für  skoliotische  Mädchen. 

Dr.  KoBMAN-Leipzig  hob  hervor,  dafs  den  Mädchen  beim  Turnen 
das  Tragen  von  Korsetts  verboten  werden  müsse ;  allerdings  mülsten 
die  den  Turnunterricht  erteilenden  Lehrerinnen  dabei  mit  gutem 
Beispiel  vorangehen. 

Lehrerin  Fräulein  MEiNEOKE-Dortmund  stimmte  diesen  An- 
regungen bßi  und  hielt  sie  für  durchführbar.  Ebenso  bejahte  sie  die 
von  anderer  Seite  angeregte  Frage,  ob  Mädchen  auch  von  Männern 
Turnunterricht  erteilt  werden  könne. 

Dr.  PETEBSEN-Bonn  lenkte  die  Aufmerksamkeit  darauf,  dafs  in 


485 

den  PrivatmädcheDsoknlen  die  Stundenpläne  oft  weit  über  das  o£5izielI 
in  ihnen  enthaltene  Pensum  ausgedehnt  würden  und  2swar  aus  Kon- 
kurrenzgründen, da  die  Eltern  die  Schulen  bevorzugen,  in  denen  am 
meisten  gelehrt  wird. 

Eine  Spezialdiskussion  der  Thesen  erfolgte  nicht.  Der  Vor- 
sitzende erklärte,  dafs  es  nicht  Aufgabe  des  Vereins  sei,  über  die 
Thesen  (oder  Thesen  überhaupt?)  abzustimmen.  So  blieb  auch  der 
am  Schluis  seiner  Thesen  von  Bektor  Endbis  gestellte  Antrag  un- 
berücksichtigt. 

Alsdann  hielt  Professor  Dr.  med.  Finkleb  « Bonn  seinen  Vor- 
trag, dessen  Thema  lautete: 

Der  hygienische  Unterricht  in  der  Schule 

Jeder  Mensch,  führte  der  Bedner  aus,  mufs  soviel  von  hygieni- 
schen Dingen  kennen,  dais  er  weüs,  wie  er  sich  zu  verhalten  hat, 
um  seihst  gesund  zu  bleiben  und  nicht  zur  Ursache  von  Erkrankungen 
Anderer  zu  werden.  Die  Vorteile  für  den  Staat,  wenn  Krankheiten 
verhindert  werden  und  die  Lebensdauer  wächst,  liegen  auf  der  Hand. 
Es  fragt  sich  nun,  was  ist  dazu  an  Kenntnissen  nötig,  und  wie  sind 
sie  dem  Schüler  zu  vermitteln?  Erforderlich  ist  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  Kenntnis  des  menschlichen  Körpers  und  seiner  Organe  nebst 
ihren  Funktionen.  Nicht  zweckmäfsig  ist  aber  der  Weg,  dem  Elinde 
ähnlich  wie  dem  Studenten  der  Medizin  den  Bau  und  die  Ver- 
richtungen des  Körpers  bis  ins  einzelne  auseinanderzusetzen,  dann 
ebenso  eingehend  die  pathologischen  Zustände  klar  zu  machen  und 
deren  ursächliche  Verhältnisse  zu  erläutern.  Empfehlenswert  ist  es 
vielmehr,  die  Gefahren,  die  der  Gesundheit  durch  äulsere  Einwir- 
kungen drohen,  und  die  Mittel  zu  deren  Abwehr  die  Kinder  kennen 
zu  lehren.  Die  beste  Gelegenheit  für  solche  Unterweisung  bietet 
sich  da,  wo  in  irgend  einem  Unterrichts£Eu»h  von  Dingen  die  Bede 
ist,  die  gesundheitliche  Bedeutung  gewinnen  können.  So  lassen  sich 
z.  B.  im  naturgeechichÜichen  Unterricht,  wenn  vom  Wasser  oder 
von  der  Luft  gesprochen  wird,  ohne  jeden  Zwang  Erörterungen 
darüber  anschlielsen,  wie  und  wodurch  Wasser  und  Luft  Gesund- 
heitsgefahren bedingen  können.  Ln  Bechenunterricht  lassen  sich 
Aufgaben  von  hygienischer  Bedeutung  einflechten,  z.  B.  über  den 
Ventilationsbedarf,  die  Ejraft,  die  zum  Aufwirbeln  von  Staub  nötig 
ist  und  so  fori  Nur  wenige  Gegenstände  blieben  so  für  einen 
besonderen  biologischen  Unterricht  übrig;   es  würden  dazu  etwa  die 


486 

yerhäli;ni886  der  Ernährung,  einiges  ans  der  Statistik  nnd  sonst 
noch  dieses  nnd  jenes  gehören.  Um  eine  richtige  Einordnung  des 
hygienischen  Unterrichtsstoffes  in  den  sonstigen  Lehrplan  ssn  erreichen, 
wird  am  besten  eine  besondere  Kommission  einzusetzen  sein. 

Die  Diskussion  über  diesen  gedankenreichen  Vortrag,  zu  dem 
Leitsätze  nicht  aufgestellt  waren,  wurde  gleich  durch  den  ersten 
Bedner  in  der  Debatte,  Professor  Dr.  med.  FiiESCH-Frankfurt  a.  M., 
auf  Abwege  gelenkt.  Im  Auftrage  des  Deutschen  Vereins  zur  Be- 
kämpfung der  Greschlechtskrankheiten  sprechend,  bemühte  sich  der 
Kedner  darzulegen,  dafs  es  von  hervorragender  Wichtigkeit  sei,  den 
Kindern  vor  Verlassen  der  Schule  Aufklärung  über  die  Qefahr  der 
ansteckenden  Geschlechtskrankheiten  zu  geben.  Von  Seiten  der 
Lehrer  wurde  auf  die  Schwierigkeiten  hingewiesen,  die  eine  der- 
artige Belehrung  der  Kinder  durch  den  Lehrer  darbiete.  Ein  Antrag 
ging  dahin,  es  möge  sogar  der  Wortlaut  für  die  zu  erteilende  Auf- 
klärung genau  festgelegt  werden. 

Nebenbei  verlor  sich  die  Diskussion  nach  einer  zweiten  Rich- 
tung, indem  man  nämlich  wieder  auf  das  im  yorigen  Jahre  zu 
Weimar  auf  das  ausführlichste  behandelte  Thema,  „die  Ausbildung 
der  Lehrer  auf  hygienischem  Gebiete'',  kam  und  auch  wieder  die 
Frage  berührte,  ob  Ärzte  oder  Lehrer  die  Kinder  unterrichten  sollten. 
Hervorzuheben  wären  aus  diesem  Teil  der  Debatte  nur  die  Mit- 
teilungen des  Geheimen  Obermedizinalrats  Neidthabbt*  Darmstadt, 
denen  zufolge  in  den  Lehrerseminaren  des  Grolsherzogtums  Hessen 
durch  die  beamteten  Ärzte  hygienischer  Unterricht  erteilt  wird,  ohne 
dafs  die  Hygiene  jedoeh  wie  bisher  Prüfungsgegenstand  ist;  dafs 
ferner  in  Giefsen  für  die  Lehrer  besondere  hygienische  Vorlesungen 
gehalten  werden.  Der  Vorsitzende  wünschte  auch  für  die  höheren 
Lehrer  bessere  Unterweisung  in  den  Dingen  des  Gesundheitswesens. 

Soweit  schliefslich  die  Diskussion  mit  dem  Vortrage  des  Pro- 
fessor FiNKLBS  sich  beschäftigte,  stimmte  sie  allgemdn  den  in  ihm 
gemachten  Darlegungen  und  Vorschlägen  zu.  Es  wurde  darauf 
hingewiesen,  daJs  man  noch  mehr  als  bisher  hygienische  Gegenstände 
in  den  SchuUesebüchem  behandeln  könne  und  solle,  wobei  Dr.  Ken- 
HAN-Leipzig  mit  Recht  verlangte,  dais  dann  solche  Lesestücke  nicht 
von  Lehrern,  sondern  von  Ärzten  verfällst  würden. 

Die  schon  sehr  vorgeschrittene  Zeit  brachte  es  mit  sich,  dafs 
die  beiden  nun  noch  folgenden  Vorträge  nur  in  stark  abgekürzter 
Form  gehalten  werden  konnten.  So  kamen  die  Auseinandersetzungen 
des  Seminardirektors  Dr.  PABST-Leipzig  über 


487 


Deutsche  und  englische  Schnlerziehnng 
Yom  hygienischen  Standpunkte  ans  betrachtet, 

ein  Thema,  das  ausführlichste  Erörterung  verdient  hätte,  nicht  mehr 
zur  richtigen  Geltung.  Der  Bedner  mulste,  ohne  zu  einer  in  die 
Tiefe  gehenden  Kritik  Zeit  zu  haben,  sich  darauf  beschränken,  nur 
einige  ihm  besonders  wesentlich  erscheinende  Punkte  hervorzuheben, 
in  denen  die  englische  Unterrichtsmethode  von  der  deutschen  ab- 
weicht. Er  legte  dar,  dals  die  englische  Sohulerziehung  der  deutschen 
in  hygienischer  Hinsicht  überlegen  ist  und  zwar 

a)  in  gewissen  Formen  der  äuÜBeren  Einrichtungen,  der  Schul- 
ordnung und  Disziplin. 

Der  Eedner  führte  hier  u.  a.  an :  das  Vorhandensein  besonderer 
Kleiderablagen,  einer  Wascheinrichtung  auf  je  25  Kinder,  belehrender 
Bilder  als  Schmuck  der  Sohulräume,  zur  Erholung  dienender  Plätze 
auf  den  Dächern;  die  Kinder  haben  während  des  Unterrichts  Freiheit 
in  der  Körperhaltung,  das  Sitzen  mit  gefalteten  Händen  kennt 
man  nicht. 

b)  in  der  Verteilung  der  Unterrichtsstunden,  Pausen,  Ferien u.  s.w. 
(Dauer  der  Unterrichtsstunde  */« — V*  Stunde;  vier  Stunden  am  Vor* 
mittag,  zwei  am  Nachmittag,  Frühstüok  in  der  Schulküche); 

c)  in  der  Auswahl  und  Art  des  Betriebes  bestimmter  Unter- 
richtsfächer (experimentell-praktischer  Unterricht  in  den  Naturwissen- 
schaften, Elementarunterricht,  manueller  Unterricht,  Zeichnen,  An- 
tiqua, Steilschrift  u.  s.  w.) 

Bedner  erläuterte  die  verschiedenen  Unterrichtsziele  in  Deutsch- 
land und  England  kurz.  In  England  lege  man  weniger  Wert  auf 
die  Erwerbung  einer  grofsen  Summe  von  Wissen,  als  auf  die  Er- 
weckung der  Beobachtungs-  und  AuffassuDgsfähigkeit.  Als  Beispiel 
erwähnte  er  das  Zeichnen,  das  in  England  sehr  früh  nach  Gegen- 
ständen der  Natur  erfolgt,  während  in  Deutschland  bei  der  Sorge 
um  peinliche  Exaktheit  der  Zeichenunterricht  eher  den  Namen 
Badierunterricht  verdient.  Eine  Beihe  vorgelegter  Unterriohtspläne 
verdeutlichten  den  Bildungsgang  des  englischen  Volksschülers. 

Erwähnenswert  erscheint  die  Mitteilxmg  des  Bedners,  dais  1901 
in  London  seitens  der  Mäfsigkeits-  und  Enthaltsamkeitsvereine 
35000  Vorträge  vor  3800000  Schulkindern  gehalten  worden  sind; 
über  das  Vorgetragene  hatten  die  Schüler  dann  Aufsätze  zu  schreiben. 

d)  in  der  Pflege  der  turnerischen  Spiele  und  anderer  Körper- 
übungen. 


488 

« 

Die  Vorliebe  des  Engländers  für  den  Sport  ist  bekannt.  Redner 
erinnerte  an  den  Aussprach  WELLiNaTONs,  dafs  auf  den  Spielplätzen 
von  Eton  die  Schlacht  von  Waterloo  gewonnen  worden  sei,  und  das 
Wort  RosEBESBTS,  dafs  dort  noch  viel  mehr  gewonnen  worden  sei. 

Die  Diskussion  über  den  Vortrag,  sehr  kurz  wegen  des  Zeit- 
mangels, brachte  einigen  Protest  gegen  seine  Bevorzugung  der 
englischen  Erziehungsweise,  sonst  aber  keine  neuen  Gedanken. 

Hak  über  Eopf  hielt  dann  noch  Dr.  med.  Seltes  -  Solingen 
seinen  Vortrag  über 

Schule  und  Kleidung. 

Er  hatte  aber  eigentlich  nur  Zeit,  die  für  den  Vortrag  präpa- 
rierten Bonmots  vorzubringen,  wie  denn  auch  die  Diskussion  zu 
diesem  Vortrag  nichts  Wesentliches  zeitigte. 

Als  Leitsätze  hatte  Dr.  Selteb  folgende  aufgestellt: 

1.  Pflicht  der  Schule  ist  die  Bekämpfung  gesundheitswidriger 
Kleidung,  und  zwar  nicht  nur  des  Wesens  (Reinlichkeit,  Einfachheit), 
sondern  auch  der  Art  derselben. 

2.  Als  besonders  schädlich  erweisen  sich  bei  der  jetzigen 
Bekleidungsmode  a)  Schuhwerk,  b)  Halskragen,  c)  Schnürleib  bezw. 
um  den  Leib  befestigte  Kleidungsstücke. 

3.  Als  Kampfmittel  stehen  der  Schale  zu  Gebot:  a)  Belehrung 
beim  Unterricht,  bei  Inspektionen,  beim  Schulbad,  b)  Schulstrafen, 
c)  das  Beispiel  der  Lehrpersonen. 

Damit  war,  da  der  Vortrag  des  Dr.  med.  KoBMAK-Leipzig  über 
Alkoholhygiene  in  der  Schule  ausfiel,  die  Tagesordnung  er- 
schöpft, und  nach  einem  Dank  an  den  Vorsitzenden  ging  die  Ver- 
sammlung auseinander. 

* 

Fragt  man  sich  nach  dem  Ergebnis  der  umfeuigreichen  und  für 
alle  Beteiligten  recht  anstrengenden  Verhandlungen,  so  sieht  das 
Bild,  wie  schon  eingangs  angedeutet  wurde,  recht  traurig  aus.  Das 
Ergebnis  ist,   wenn  man  ehrlich  sein  will,  so  ziemlich  gleich  Null. 

Eine  Vereinigung  von  Fachleuten  auf  dem  Gebiete  der  Schul- 
hygiene, wie  sie  der  Allgemeine  Deutsche  Verein  für  Schulgesundheits- 
pflege darstellt,  hat  ihre  Aufgabe  nicht  damit  erfüllt,  daJis  sie  ihre 
Mitglieder  alle  Jahre  einmal  zusammenruft,  ihnen  Gelegenheit  bietet, 
interessante  Vorträge  zu  hören  und  darüber  dann  etwas  hin-  und 
herzureden.     Wenn    der  Verein   seinen  Zweck   richtig   auffalst,    so 


489 

jnjxis  er  dahin  streben,  anf  die  über  die  Schule  verfügenden  Be- 
hörden und  Verwaltungen  Einfluls  zu  gewinnen.  Das  erreicht  er 
aber  nicht  durch  das,  was  Herr  Professor  Ebismann  vor  zwei  Jahren 
mit  dem  schonenden  Worte  „Ostentation"  bezeichnete,  nicht  durch 
Umbuhlen  der  mafsgebenden  Stellen  und  auch  nicht  durch  noch  so 
schöne  oratorische  Darbietungen,  sondern  allein  durch  positive 
Leistungen,  die  ihm  Ansehen  und  seiner  Stimme  Gewicht  ver* 
schafifen.  Der  Verein  muis  dahin  streben,  über  die  wichtigen,  unsere 
Zeit  bewegenden  Fragen  der  Schulhygiene  wohldurchdachte,  klare, 
präcise  Beschlüsse  in  seinen  VersammluDgen  herbeizuführen.  Geht 
er  darauf  aus,  und  erreicht  er  dies  Ziel,  so  wird  ihm  das  Interesse 
und  das  Wohlwollen  der  Behörden,  um  das  er  jetzt  etwas  krampf- 
haft und  ängstlich  wirbt,  ganz  von  selbst  werden. 

Die  vorjährige  Versammlung  schien  einen  guten  Schritt  auf  der 
rechten  Bahn  vorwärts  zu  bedeuten;  die  diesjährige  hat  die  Hoff- 
nungen enttäuscht.  Ihr  Müserfolg  —  denn  ein  solcher  liegt  nach 
Ansicht  aller  Teilnehmer,  die  der  Berichterstatter  über  ihre  Meinung 
hören  konnte,  unzweifelhaft  vor  —  erklärt  sich  aus  den  nach  drei 
Sichtungen  hin  bemerkbaren  Mängeln  der  Organisation  des  Vereins 
und  seiner  Verhandlungen,  aus  den  Fehlem  nämlich,  die  bei  der 
Vorbereitung  der  Verhandlungen  begangen  werden,  den  Fehlem,  die 
in  der  Leitung  der  Verhandlungen  zum  Ausdruck  kommen,  und  den 
Fehlem,  die  bei  der  Ausbeutung  der  Verhandlungen  sich  geltend 
machen. 

Die  Fehler,  die  bei  der  Vorbereitung  der  Verhandlungen 
in  die  Erscheinung  treten,  liegen  vor  allen  Dingen  in  der  mangelnden 
Selbstbeschränkung  des  Vereins,  in  der  mangelnden  Geschlossenheit 
seiner  Tagesordnungen.  Die  Schulhygiene  umfafst  ein  Verhältnis- 
mäüsig  recht  kleines  Gebiet.  Und  wiederum  stehen  aus  diesem  Ge- 
biete nur  verhältnismäfsig  wenige  Fragen  im  Vordergrund  des  Inter- 
esses. Bisher  hat  der  Verein  versucht,  seinen  Versammlungen  An- 
ziehungskraft durch  ein  möglichst  reichhaltiges,  vielseitiges  Programm 
zu  geben.  Das  Ergebnis  ist  gewesen,  dals  kaum  eine  Frage 
gründlich  durchberaten,  bis  zu  einer  völligen  Klärung  der  Meinungen 
durchgeführt  worden  ist.  Vielmehr  hat  sich  das  Bedenkliche  jeder 
übergrofsen  Vielseitigkeit,  nämlich  Oberflächlichkeit,  als  Besultat 
ergeben. 

Will  man  etwas  Gutes  schaffen,  so  setze  man  nur  einen,  höchstens 
zwei  wichtige  Gegenstände  als  Verhandlungsthemata  auf  die  Tages- 
ordnung, nehme  sich  die  nötige  Zeit,  um  sie  nach  allen  Bichtungen 


490 

erschöpfend  zu  behandeln,  und  fasse  über  sie  Beschlüsse,  die  deutlich 
die  Auffassung  der  Mehrheit  der  Vereinsversammlung  darthun. 

Werden  aufser  diesen  vom  Vorstände  zu  bestimmenden  Yerhand- 
luDgsgegenständen  von  privater  Seite  noch  andere  Themata  in  Vor- 
schlag gebracht,  so  unterscheide  man  bereits  im  Programm  solche 
„angemeldeten"'  Vorträge  von  den  durch  den  Vorstand  beschlossenen 
und  gebe  ihnen  nur  dann  Raum»  wenn  sich  für  sie  noch  Zeit  er- 
übrigen l&lst. 

Alle  RefcTenten  müssen  Leitsätze  aufstellen,  die  als  Grundlage 
der  Diskussion  zu  dienen  haben.  Falsch  ist  es  aber,  wenn  die  Leit- 
sätze, wie  es  bisher  der  Fall  war,  erst  im  Augenblick  des  Vortrages 
dem  Vorstand  und  der  Versammlung  zur  Kenntnis  kommen.  Sie 
müssen  vielmehr  schon  lange  vor  der  Versammlung  dem  Vorstand 
vorgelegt,  von  diesem  kritisch  geprüft  und  wenn  nötig  im  Ein- 
verständnis mit  dem  Referenten  geändert  imd  dann  mindestens  einige 
Wochen  vor  der  Versammlung  den  Vereinsmitgliedern  in  der  Vereins- 
zeitschrift bekannt  gegeben  werden,  damit  jeder  Zeit  hat,  sie  genau 
zu  durchdenken. 

Dais  eine  solche  Regelung  der  Dinge  notwendig  ist,  wird  nach 
dem  Verlauf  der  diesjährigen  Versammlung  wohl  niemand  leugnen 
können.  Am  wenigsten  der  Vorsitzende,  der  es  als  eine  wahre  Er- 
lösung zu  betrachten  schien,  als  bei  der  Beratung  der  Thesen  zum 
ersten  Vortrag  (Dr.  Kastenholz)  der  Antrag  gestellt  wurde,  die 
Besprechung  „wegen  mangelnder  Vorbereitung^  abzubrechen.  So 
etwas  darf  nicht  vorkommen,  wenn  der  Vereinsvorstand  seine  Auf- 
gabe richtig  auf-  und  anfafst. 

Und  nun  betrachte  man  einmal  die  Thesen  zu  den  Vorträgen 
von  Dr.  Ret  und  Dr.  Rensbubg,  über  die  von  der  Versammlung 
Beschlufs  ge&fst  wurde.  So  einwandsfrei  sie  an  sich  ihrem  Sinne 
nach  sind,  entsprechen  sie  dem  zu  behandelnden  Thema?  Ist  denn 
der  Grrundsatz,  die  Unterrichtsfächer  ihrer  Schwere  nach  auf  die 
Schulstunden  zu  verteilen,  eine  Besonderheit  der  höheren  Schulen, 
von  denen  die  Vorträge  der  Tagesordnung  nach  doch  allein  handeln 
sollten?  Ist  die  Anbahnung  von  Beziehungen  zwischen  Elternhaus 
und  Schule,  wie  sie  die  durchaus  beachtenswerte  These  6  von  Dr. 
Ret  empfiehlt,  eine  Eigenheit  der  höheren  Schulen  und  nicht  noch 
vielmehr  nötig  bei  den  Elementarschulen?  Gehört  die  These  3  zum 
Vortrage  des  Dr.  Ret,  in  der  die  Durchschnittsdauer  der  Pausen 
festgelegt  wurde,  überhaupt  zu  dem  behandelten  Thema?  Erinnerte 
sich  der  Vorstand  nicht,  dais  im  Vorjahre  zu  Weimar  eine  vom  Ge- 


491 

heimen  MediziDalrat  Dr.  EüLENBüBG-Berlin  aufgestellte  These  (No.  7, 
ygl.  diese  Zeitschrift  1902,  S.  314)  angenommen  worden  ist,  die  schon 
yiel  genauer  das  Nämliche  besagt?  Steht  es  nicht  mit  These  3  des 
Dr.  Eensbttbo  und  These  5  des  Dr.  Bey  ganz  ebenso?  Die  Fragen 
liefsen  sich  endlos  ausdehnen.  Nur  folgende  Inkonsequenz  sei  noch 
erwähnt:  Im  Yoijahre  wurde  beschlossen  (a.  a.  O.,  S.  316,  Gesunde 
Jugend,  III.  Band.  Ergänzungsheft,  S.  133):  „Zwischen  Vor-  und 
Nachmittagsunterricht  mufs,  wo  letzterer  noch  besteht,  eine  Pause 
Yon  mindestens  zwei  Stunden  sein'\  Dieses  Jahr  wurde  beschlossen 
(Thesen  von  Dr.  B.en8BUBG  5b/aa):  „Zwischen  Vor-  und  Nach- 
mittagsunterricht ist  eine  Pause  von  mindestens  drei  Stunden  zu 
legen".    Welches  ist  nun  die  wahre  Meinung  des  Vereins? 

Wer  sich  die  Mühe  nehmen  will,  die  Thesen  zu  den  übrigen 
Vorträgen  ebenfalls  kritisch  und  yergleichend  zu  durchmustern,  wird 
finden,  dafs  auch  sie  manches  enthalten,  was  nicht  zum  Thema 
gehört,  und  anderes,  was  früheren  Beratungen  des  Vereins  nicht 
entspricht. 

Für  die  mangelhafte  Vorbereitung  der  Verhandlungen  dürften 
die  angeführten  Beispiele  genügen.  Ganz  abgesehen  sei  dabei  noch 
von  der  Wiederholung  mancher  Themata  fast  in  jeder  Versammlung, 
die  doch  zumindest  als  überflüssig  bezeichnet  werden  muis. 

Als  zweiter  Fehler  wurde  die  tadelnswerte  Leitung  der 
Verhandlungen  gerügt.  In  jeder  Versammlung  hat  es  sich  gezeigt, 
dafs  bei  der  Diskussion  die  Neigung  besteht,  abzuschweifen,  Dinge  in 
die  Erörterung  zu  ziehen,  die  dem  Thema  fernliegen,  Dinge,  die 
bereits  durch  andere  Beratungen  der  Versammlung  erledigt  sind.  In 
dem  vorstehenden  Bericht  ist  wiederholt  auf  solche  Abwegigkeiten 
der  Debatte  hingewiesen  worden.  Die  Erklärung  für  sie  liegt  ja 
sehr  nahe.  Wer  etwas  Besonderes  zu  sagen  zu  haben  glaubt,  der 
sucht  es  anzubringen,  wo  es  irgend  geht.  Dieser  Versuchung  erliegt 
er  um  so  leichter,  wenn  er  nicht  weiis,  was  der  Verein  schon  früher 
verhandelt  hat.  Hier  mufs  der  Vorsitzende  mit  aller  Entschiedenheit 
einschreiten ;  Verzettelung  der  Diskussion  bedeutet  Tod  der  Verhand- 
lungen. Wie  ausführlich  war  z.  B.  im  vorigen  Jahr  über  die  hygienische 
Ausbildung  der  Lehrer  beraten  worden  I  Aber  man  erwartete  ver- 
gebens das  „Halt^  des  Verhandlungsleiters,  als  Kedner,  die  den  vor- 
jährigen Sitzungen  nicht  beigewohnt  hatten,  wieder  in  der  Debatte 
auf  diese  Frage  eingingen  I 

Der  dritte  Fehler  besteht  darin,  dafs  aus  den  Beschlüssen  des 
Vereins  kein  Nutzen  gezogen  wird.    Wer  etwas  gutes  hat,  mufs 


492 

es  auch  der  Welt  sagen,  lautet  der  Wahlspruch  des  amerikanischen 
Geschäftsmannes.  Möge  sich  auch  unser  Verein  ihn  aneignen!  Be- 
schlüsse, die  er  gefafst  hat,  soll  er  auch  den  malfigebenden  Stellen 
als  Material  unterbreiten.  Auf  seine  wiederholte  Frage,  was  denn 
aus  den  vorjährigen  Beschlüssen  des  Vereins  zur  Pausen-  und  Ferien- 
frage geworden  sei,  eine  durchaus  gerechtfertigte  Frage,  die  der  Vor- 
stand beantworten  mufste,  erhielt  Direktor  DÖRB-Frankfurt  a.  M. 
keine  Auskunft! 

Für  jeden,  der  sie  sehen  will,  liegen  die  Fehler  des  Vereins 
klar  zu  Tage.  Sie  ungeschminkt  sich  vorgehalten  zu  sehen,  wird 
dem  Vorstand  des  Vereins  vielleicht  nicht  angenehm  sein,  aber  ein 
Vertuschen  kann  hier  nichts  helfen.  Der  Berichterstatter  hegt  zu 
dem  jetzt  durch  Kräfte  von  bewährter  Tüchtigkeit  ergänzten  Vor- 
stande das  Vertrauen,  dafs  er  sich  keiner  Selbsttäuschung  hin- 
geben, die  begangenen  Fehler  erkennen  und  sie  verbessern  wird. 
Die  Verhältnisse  liegen  für  schulhygienische  Fortschritte  heute  gün- 
stiger als  je.  Allerorten  regen  sich  Schulbehörden  und  Gremeinden, 
überall  in  der  Öffentlichkeit  ist  die  Schulgesundheitspflege  Trumpf! 
Schwingt  der  Verein  aber  nicht  kräftiger  und  zielbewufster  seine 
Faust  als  bisher,  so  wird  das  Eisen  erkalten,  ehe  er  es  in  die  ge- 
wünschte Form  gezwungen  hat! 


Altxutxt  iUitteilttitQeit. 


Ist  der  Unterricht  im  Turnen  eine  leichtere,  angenehmere 
Arbeit  als  der  wissenschaftliche?  Bezüglich  dieser  Frage,  welche  der 
Verein  der  ungarischen  Tarnlehrer  an  die  Sektion  ungarischer  Schulärzte  und 
Lehrer  der  Hygiene  richtete,  wurde  auf  Vorschlag  des  Referenten  folgendes 
Gutachten  angenommen: 

Der  erireuliche  Fortschritt,  welcher  in  den  letzten  Jahren  auf  dem 
Gebiete  des  Turnunterrichtes  konstatiert  werden  kann,  ist  wohl  dem  Um- 
stände zu  verdanken,  dafs  man  in  der  gymnastischen  Erziehung  eine 
geeignete  Methode  zur  Femhaltung  der  geistigen  Überanstrengung  erkannt 
hat.  In  der  Tat  wird  durch  Turnen  die  Arbeitsfähigkeit,  Kraft  und  Aus- 
dauer der  studierenden  Jugend  erhöht,  die  geistige  Erziehung  sozusagen 
ergänzt,  indem  den  Schülern  eine  Zerstreuung  geboten  wird,  welche  den 
ermüdeten  Geist  erfrischt  und  ihm  Erholung  gewährt.  Jedenfalls  wäre  es 
aber  ganz  unrichtig,  hieraus  zu  folgern,   dafs  der  Turnunterricht  eine  an- 


493 

genehmere  nnd  leichtere  Arbeitsleistung  sei,  als  der  wissenschaftliche 
Unterricht. 

Den  Beweis  hierfür  könnten  wohl  am  besten  jene  Lehrer  bringen,  die- 
aniser  dem  wissenschaftlichen  Unterricht  anch  deigenigen  im  Tnmen  be- 
sorgen. Es  kann  sich  aber  auch  jedermann  sonst  davon  überzeugen,  daia 
ein  korrekt  durchgeffihrter  Turnunterricht  bedeutend  anstrengender  ist,  als 
das  wissenschaftliche  Lehren,  weil  er  eine  viel  gröfsere  Aufmerksamkeit 
beanspracht.  Der  Turnunterricht  verlangt  eben,  wie  jeder  praktische- 
Unterricht,  eine  ganz  besondere  Umsicht.  In  der  Turnstunde  muls  nämlich 
der  Lehrer  nicht  nur  den  Turnenden  volle  Aufmerksamkeit  schenken  und 
in  jedem  einzelnen  Falle  beurteilen,  wieviel  Kraft  und  Geschicklichkeit 
vom  Schüler  zu  erwarten  wäre,  sondern  gleichzeitig  müssen  auch  die  gerade 
nicht  Turnenden  (Ruhenden)  ständig  beobachtet  werden,  was  bei  30 — 50 
und  oft  noch  mehr,  zumeist  lebhaften  Schülern  eine  durchaus  nicht  leichte 
Aufgabe  ist. 

Mit  gehörigem  pädagogischen  Sinn  und  Takt  die  notwendige  Ordnung 
und  Disziplin  in  einer  solchen  Stunde  aufrecht  zu  erhalten,  in  welcher  die 
Furcht  vor  einer  schlechten  Note  keine  Rolle  spielt,  und  alle  im  Zaum  zu 
halten,  die  im  jugendlichen  Übermut  mit  ihren  Kameraden  um  die  Wette- 
streiten und  die  Ordnung  zu  stören  trachten,  ist  unbestreitbar  eine  recht 
ermüdende  und  mit  geistiger  Anstrengung  verbundene  Arbeit. 

Dazu  kommt  noch  insbesondere  die  grofse  Verantwortung  bezüglich 
der  körperlichen  Integrität,  welche  einen  Lehrer  der  wissenschaftlichen 
Fächer  kaum  je  berührt  und  jedenfalls  eine  gespannte  Aufmerksamkeit 
erfordert;  endlich  auch  die  Aufgabe,  die  Lust  an  den  körperlichen  Übungen 
zu  wecken,  den  Schülern  Mut  und  Gefallen  einzuflöfsen,  den  Unterricht 
mannigfach  variierend,  genufsreich  und  nützHch  zu  machen,  was  ebenfalls 
eine  recht  mühsame  und  erschöpfende  Arbeit  ist. 

Die  irrige  Ansicht,  dafs  der  Unterricht  im  Turnen  leichter  und  be- 
quemer sei,  als  der  wissenschaftliche,  gefährdet  das  moralische  und  materielle- 
Interesse  der  Turnlehrer  und  ist  nur  dazu  geeignet,  ihren  gesunden  Ehr- 
geiz zu  verringern  und  sie  miiämutig  zu  machen,  wodurch  dann  der  Tum- 
nnterricht  leicht  oberflächlich  und  erfolglos  wird. 

Nebenbei  erwähnt  fäUt  dem  Turnlehrer  aulser  der  geistigen  Arbeit 
auch  eine  ganz  beträchtliche  Anstrengung  des  Körpers,  namentlich  der 
Lungen  zu,  insbesondere  wenn  der  Betreffende,  wie  es  zumeist  geschieht, 
mehrere  Klassen  nacheinander  unterrichten  mufs. 

In  Betracht  der  Bedeutung,  welche  die  Sektion  der  körperlichen  Er- 
ziehung unserer  Jugend  zuschreibt,  halten  wir  es  somit  für  das  Gedeihen 
der  letzteren  als  höchst  schädlich,  wenn  die  amtliche  Tätigkeit  der  Turnlehrer 
nicht  die  gehörige  Anerkennung  findet,  während  andererseits  aus  ganz  ge- 
rechtfertigten Gründen  dem  Turnunterricht  gegenüber  immer  gröfsere  An- 
sprüche und  Prätentionen  gestellt  werden. 

(Mitget.  von  Dr.  W.  GENEBSiCH-Budapest.) 

Znr  EliminieranK  gesnndheitsgehädlicher  Einflösse  des  Schnl- 

l^ebSlldes«  In  Schulen,  welche  keinen  besonderen  Schularzt  haben,  sollten 
zur  Beseitigung  gesundheitsschädlicher  Umstände  folgende  vom  Landes- 
Tereine  in  Ungarn  angenommene  Vorschläge  berücksichtigt  werden. 


494 

Eine  nnzweckmäfsig  gebaute  nnd  schlecht  eingerichtete  Schule  gefährdet 
beständig  die  Gesundheit  der  Schüler,  sowie  auch  des  Lehrers.  Da  die 
Mehrzahl  der  Schulen  zurzeit  noch  der  fachgemälsen  Ratschläge  eines 
Schularztes  entbehren,  möge  der  Landesverein  fOr  Hygiene  die  Schul- 
behörden und  Lehrer  darauf  aufmerksam  machen,  dafs  im  Schofse  des 
Vereins  eine  Sektion  von  Schulärzten  und  Lehrern  der  Hygiene  existiert, 
die  im  Aufforderungsfalle  über  alle  wichtigeren  Fragen  der  Schulhygiene, 
z.  B.  betreffend  Bauten  oder  Umbauten,  Auswahl  der  Schulbänke,  Heizung, 
Ventilation,  Beleuchtung  etc.,  ein  fachgemäfses  urteil  abzugeben  bereit  ist. 

Bemerkt  wird  jedoch,  dafs  unser  Verein  hierdurch  nicht  etwa  die 
Anstellung  yon  Schulärzten  überflüssig  machen  wiU;  er  hält  dieselbe  im 
Gegenteil  für  unbedingt  notwendig  und  will  mit  seinem  Anerbieten  biob 
bezwecken,  dafs,  so  lange  noch  nicht  sämtliche  Schulen  unter  einer  ständigen 
hygienischen  Aufsicht  gebildeter  Schulärzte  stehen,  dem  jetzigen  abnormen 
Zustande  nach  Möglichkeit  abgeholfen  werde. 

(Mitget.  yon  Dr.  W.  GxKEBSiCH-Budapest.) 

Besondere  Leibesfibungen  Ar  engbrfistige  Kinder.  Die  Stadt- 
verordneten in  Leipzig  haben  unlängst  nach  einer  Mitteilung  des  „Leip0. 
Tagebl.'*  den  Antrag  an  den  Rat  gerichtet:  „Zu  erwägen,  ob  die  von  den 
Schulärzten  zu  untersuchenden,  an  Engbrüstigkeit  leidenden  und  unter  dem 
Verdachte  erblicher  Tuberkulose  stehenden  Volksschüler  nicht  zu  be- 
sonderen, ihrem  körperlichen  Zustande  entsprechenden  Leibesübungen  heran- 
zuziehen seien."  Der  Rat  hat  nunmehr  in  dieser  Angelegenheit  folgenden 
Vorschlägen  des  gemischten  Schulausschusses  zugestimmt:  1.  Ein  besonderer 
Turnunterricht  an  engbrüstige  und  tuberkuloseverdächtige  Kinder  soll  ein- 
geführt werden,  jedoch  nicht  in  besonderen  Turnstunden  auf  Kosten  der 
Freizeit  der  Kinder,  sondern  in  den  Turnstunden  ihrer  Klasse  in  einer 
Nebenriege,  sofern  überhaupt  der  Fall  eintritt,  dafe  die  AUgemeinübung 
der  Klasse  nicht  geeignet  ist,  die  betreffenden  Kinder  daran  teilnehmen  zu 
lassen.  2.  Die  Kinder  sollen  zu  häufiger  Wiederholung  der  zweckdien- 
lichen Tumbewegungen  in  freier  Zeit  außerhalb  der  Turnhalle  in  guter 
Luft  angehalten  und  über  tiefes  Ein-  und  Ausatmen  belehrt  werden;  Atem- 
gymnastik soll  auch  in  den  Singstunden  getrieben  werden.  3.  um  die 
besonderen  Nebenunterrichts  bedürftigen  Schulkinder  zu  ermitteln,  sollen 
die  in  die  fünfte  Schulklasse  eintretenden  Kinder  mit  entblöfstem  Ober- 
leibe vom  Schularzte  untersucht  werden.  4.  In  den  ersten  bis  vierten 
Klassen  werden  die  des  Nebenunterrichts  bedürftigen  Schulkinder  in  der 
Weise  ermittelt,  dafs  Klassen-  oder  Turnlehrer  dem  Schularzte  die  ihnen 
als  engbrüstig  oder  tuberkulös  erscheinenden  Kinder  zur  Untersuchung  be- 
zeichnen. Um  eine  gleichmäfsige  Beurteilung  in  den  einschlägigen  Fragen 
herbeizuführen,  wird  Herr  Obermedizinalrat  Dr.  Sieg-el  eine  Besprechung 
mit  den  Schulärzten  abhalten.  Bei  Bildung  und  Unterweisung  der  Neben- 
riegen wird  übrigens  so  verfahren  werden,  dafs  den  Kindern  jedes  Greiühl 
der  Zurücksetzung  erspart  bleibt. 

Ferien-  nnd  Stadtkolonien  in  Zwickau.  Im  Jahre  1902  wurden 
in  Zwickau  56  dürftige  Schulkinder  (25  Knaben  u.  31  Mädchen),  von  165 
durch  die  Lehrer  als  erholungsbedürftig  bezeichneten,  in  die  Ferienkolonien 
geschickt.     Der  Aufenthalt  dauerte   vom   19.  Juli  bis  13.  August.     Die 


495 

durchschnittliche  Gewichtszonahme  hetnig  bei  den  Knaben  1,752  kg,  bei 
den  Mädchen  1,888  kg,  die  Lfingenznnahme  bei  den  Knaben  1,0  cm,  bei 
den  Mädchen  0,7  cm.  Die  Gesamteinnahmen  beliefen  sich  anf  5868,95  Mark, 
die  Ansgaben  auf  2261,85  Mark.  —  Dem  Berichte  des  Lehrers  B.  Juno- 
HAK8  (yfZwick.   WchbL*")  entnehmen  wir  auTserdem  folgendes: 

Für  solche  erholungsbedürftige,  arme  Kinder,  die  nicht  mit  in  die 
Ferienkolonien  ausgesendet  werden  konnten,  wurde  eine  „Stadt-  und 
Milchkolonie"  eingerichtet.  An  dieser  beteiligten  sich  22  Knaben  und 
49  Mädchen.  An  24  Tagen  (21.  Juli  bis  16.  August)  erhielten  die 
Stadtkolonisten  im  Saale  der  Einfachen  Bürgerschule  11  täglich  SO  Liter 
gute,  abgekochte  Müch.  Nach  dem  Genüsse  derselben  unternahmen  sie 
anter  Aufsicht  eines  Schuhnannes  Spaziergänge  in  die  Umgebung  der  Stadt, 
zweimal  in  der  Woche  wurde  ihnen  auch  ein  Frühstück,  bestehend  in 
Brötchen  und  Würstchen,  verabreicht.  Der  Besuch  der  Stadtkolonie  war 
ein  ziemlich  regelmäfsiger,  und  das  Betragen  der  Kolonisten  ein  sehr  gutes. 
Der  regehnäGsige  Genuls  der  Milch  und  die  Bewegung  in  freier  Luft  übte 
eine  günstige  Wirkung  auf  das  Wohlbefinden  der  Kolonisten  aus.  Die 
durchschnittliche  Gewichtszunahme  betrug  0,75  kg.  Die  Führung  der 
Stadtkolonisten  hatten  ohne  Entgelt  übernommen  auf  je  acht  Tage  zwei 
Schuldirektoren  und  auf  14  Tage  der  Berichterstatter. 

Schule  und  kSrperiiehe  Eniehnng  in  Sehottlaiid,  Der  Bericht 
einer  königlichen  Kommission  für  Schottland  über  den  dortigen  Stand  der 
Leibesübungen  stellt  fest,  dals  nicht  nur  Volks-,  sondern  auch  höhere 
Schulen  diesem  Gegenstande  mehr  Sorgfalt  widmen  mü&ten,  ja,  daCs  die 
körperliche  Ausbildung  auf  den  Universitäten  ungenügend  sei.  Es  wird 
geraten,  Schulärzte  anzustellen,  um  eine  geordnete  Statistik  einzuführen 
und  regelmäfsige  Schulbesichtigungen  vorzunehmen.  —  y^The  Laneet^  stimmt 
dem  bei  und  bemerkt  dazu,  dafs  es  töricht  sei,  anzunehmen,  England  sei 
die  Pflegestätte  körperlicher  Kultur,  um  die  andere  Völker  es  beneiden 
mülsten.  Viel  Zeit  und  Geld  werde  auf  die  Ausbildung  einzelner  aus- 
gesuchter Kräfte  verwendet,  deren  Erfolge  blendeten,  während  es  auf  die 
gleichmäfsige  Ausbildung  der  Gesamtheit  ankomme.  Doch  müsse  England 
z.  B.  bei  Deutschland  und  der  Schweiz  in  die  Lehre  gehen.  Für  gemein- 
same Übungen  aller,  nicht  für  öffentliche  Schauleistungen  einzelner  Kraft- 
menschen, würdß  dort  erfolgreich  gesorgt.  Nicht  besondere  Instruktoren 
seien  auszubilden,  die  gewöhnlichen  Schullehrer  seien  heranzuziehen,  so 
werde  Einseitigkeit  vermieden,  Übertreibungen  vorgebeugt,  Beständigkeit 
gewährleistet.  (Mitget.  von  Dr.  SiEVEKiNG-Hambnrg.) 

Ein  Hiftpfliehtfall  Yor  Gericht  im  ^Pädag.  Wochehbl.*'  (I.April 
1903)  teilt  E.  FiSGHEB  folgenden  Fall  mit,  den  wir  seiner  prinzipiellen 
Bedeutung  halber  hier  wiedergeben.  Er  wird  wesentlich  zur  Beruhigung 
der  Lehrer  und  Schulleiter  beitragen. 

Im  Februar  1901  rutschte  ein  elfjähriges  Mädchen  einer  Hamburger 
Volksschule  beim  Betreten  des  Schulhofes  während  der  Pause  plötzlich  aus 
und  fiel  so  unglücklich  hin,  da(s  es  sich  das  Unterkinn  erheblich  verletzte 
und  drei  Vorderzähne  ausschlug.  Eine  Anzahl  Glitschen  bedeckten  den 
Schulhof;  nur  ein  Plattenweg  war  von  Eis  und  Schnee  freigehalten  und 
mit  Asche  nach  Vorschrift  bestreut.     Der  Vater  des  Kindes  forderte  vom 


496 

Hamburger  Staat  einen  Schadenersatz,  nnd  zwar  entweder  eine  lebensläng- 
liche Rente  von  Mk.  100  jährlich,  oder  eine  einmalige  Abfindungssumme 
von  Mk.  1800.  Da  der  Staat  diese  Fordemng  ablehnte,  reichte  der  Vater 
beim  Landgericht  die  Klage  mit  folgender  Begründung  ein: 

^£s  sei  fehlerhaft,  dafs  auf  dem  Hof  nicht  wie  an  anderen  Volks- 
schulen bei  Winterglätte  Sand  gestreut  sei.  Ein  Verstofe  liege  auch  darin, 
dafs  den  Eandem  nicht  das  Glitschen  verboten  sei.  Es  liege  bei  alledem 
ein  Verschulden  sowohl  der  Oberschulbehörde  vor,  die  es  an  den  erfordere 
liehen  Anweisungen  habe  fehlen  lassen,  wie  des  Hauptlehrers,  der  die  Kinder 
überhaupt  nicht  hätte  auf  den  Hof  lassen  dürfen ;  für  beides  habe  der  Staat 
aufzukommen.  ** 

Das  Landgericht  wies  die  Klage  ab,  nachdem  eine  Reihe  von  Zeugen 
über  den  Zustand  des  Schulhofes  vernonmien. 

Begründung:  Die  Oberschulbehörde  habe  nicht  etwa  jede  einzelne 
erforderliche  Mafsregel  anzuordnen,  vielmehr  sei  hier  dem  Ermessen  der 
Schulleiter  Spielraum  gelassen.  Das  treffe  besonders  in  diesem  Falle  zu. 
Es  liege  aber  auch  kein  Verschulden  des  Hauptlehrers  vor.  Eigentliches 
Glatteis  habe  nicht  geherrscht,  und  der  Zustand  des  Schulhofes  sei  nicht 
gefahrdrohend  gewesen.  „Allerdings  sei  die  Möglichkeit,  dafs  ein  Kind 
faUe,  bei  Glätte  selbstredend  gröfser,  als  wenn  der  Hof  völlig  eisfrei  ge- 
wesen sein  würde;  aber  eine  solche  Möglichkeit  bestehe  im  Winter  eben 
überall  und  würde  es  nicht  rechtfertigen,  die  Kinder  in  den  Schulräumen 
zu  halten  und  ihnen  frische  Luft  und  Bewegung  zu  nehmen.^  —  Es  sei 
nicht  erwiesen,  dafs  die  Glitschen  an  dem  Unfall  schuld  seien.  Selbst  wenn 
das  der  Fall  wäre,  hätte  man  doch  keinen  Grund,  etwas  gegen  das  all- 
gemein verbreitete  Wintervergnügen  des  Glitschens  einzuwenden,  wenn  es, 
wie  auf  dem  Schulhofe,  eben  unter  Aufsicht  und  in  geordneter  Weise  er- 
folge. Gegen  diese  Entscheidung  legte  der  Vater  Berufung  beim  Ober- 
landesgericht  ein.  Dieselbe  wurde  mit  folgenden  sehr  beachtungswerten 
Ausführungen  verworfen: 

„Es  liege  keineswegs  im  Interesse  der  Kinder,  sie  innerhalb  der 
Schullokalitäten  mit  zu  grofser  Ängstlichkeit  vor  jeder  leichten  Gefahr,  die 
der  Verkehr  auiserhalb  der  Schule,  auf  dem  Eise  und  auf  der  Strafse  ihnen 
täglich  entgegenbringe,  zu  behüten  und  sie  dadurch  zu  verwöhnen  und  zu 
verzärteln.  —  Ein  vollständiges  Bestreuen  der  Schulhöfe  würde  geradezu 
unzweckmäfsig  sein,  weil  es  ein  so  beliebtes  und  gesundheitlich  zuträgliches 
Wintervergnügen,  wie  das  Glitschen,  unmöglich  mache.  Dafs  dabei  ge- 
legentlich ein  Kind  falle  und  zu  Schaden  kommen  könne,  sei  freilich  richtig. 
Dieselbe  Möglichkeit  bestehe  aber  beim  Schlittschuhlaufen  und  Schneeball- 
werfen, ja,  beim  Springen  und  Turnen.  Wohin  würde  es  führen,  wenn  man 
die  Kinder  durch  Verbot  aller  dieser  Spiele  vor  jeder  Gefahr  behüten  wollte^ 
statt  sie  durch  Zulassung  derselben  gewandt  und  geschickt  zur  Vermeidung 
der  Gefahr  zu  machen.*' 

Zur  Frage   der  Spntnmbeseitignng  in  der  Schule.    Vielleicht 

versucht  eine  Schule  den  folgenden  Modus  in  einer  oder  der  anderen 
Klasse  mit  gröiseren  Schülern:  Der  Lehrer  gibt  dem  Schüler,  welcher  an 
Husten  mit  Auswurf  leidet,  vor  dem  Unterricht  eine  Anzahl  etwa  quartblatt- 
grofser  Stücke  Makulatur  und   einen  entsprechend  grofsen  Papiersack   mit 


497 

4er  Aaffordemng,  jedesmal  zum  Ausspucken  ein  frisches  Blatt  Papier  m 
nehmen,  das  Sputum  dort  einzuhüllen,  ohne  sich  die  Finger  zu  beschmutzen, 
das  benutzte  Papierblatt  in  den  Papiersack  zu  stecken  und  diesen  ent- 
sprechend zu  verwahren.  Am  Schlüsse  des  Unterrichts  legt  der  Schttler 
den  Sack,  und  eventuell  unverbrauchtes  Papier,  auf  einen  ihm  bezeichneten 
Ort,  und  der  Schuldiener  verbrennt  täglich  die  betreffenden  Säcke  samt 
Inhalt.  Inwieweit  die  naheliegenden  Einwände  gegen  dieses  wohlfeile  Ver- 
fahren vollberechtigt  sind,  mflCste  der  Versuch  ergeben,  dem  eine  Belehrung 
über  den  Zweck  der  Ma&regd  vorausginge.  —  Möglicherweise  w&re  diese 
Art  der  Sputnmbehandlung  unter  besonderen  Umständen  auch  von  Phthisikem 
tiberhaupt  zweckmäfsig  anwendbar. 

Mit  diesem  Vorschlag  soll  selbstverständlich  nicht  gegen  die  Auf- 
stellung oder  das  Auf  hängen  hygienisch  korrekter  Spucknäpfe,  noch  gegen 
die  Benutzung  der  Spuckfläschchen  gesprochen  werden. 

(Mitget.  V.  Dr.  Leo  BuBGBBSTEiK-Wien.) 

ünbewilffte  einsoüi^e  &ehSf8ehwSeke.  Eine  einseitige  Schwäche 
des  GehOrs  braucht  einem  gar  nicht  zum  Bewufstsein  zu  kommen,  weil  das 
Andere  Ohr  den  Mangel  ersetzt.  Gerade  die  schwersten  Erkrankungen  des 
Mittelohrs  und  Trommelfelles  fähren,  weil  sie  durchweg  schmerzlos  ver- 
laufen, den  Kranken  gewöhnlich  erst  zum  Arzt,  wenn  es  zu  spät  ist. 
Dr.  E.  Feux  in  Bukarest  („JDa  Sem.  miä,^,  No.  13,  1902)  untersuchte  in 
der  Poliklinik  des  Hospitals  Coltza  alle  Hber  15  Jahre  alten,  wegen  anderer 
Leiden  dort  Hilfe  Suchenden.  Er  fand  unter  1050  Personen  (606  M., 
444  Fr.)  290  mit  Ohrleiden  behaftet,  darunter  nur  9  doppelseitig; 
alle  mit  Ausnahme  dieser  9  und  18  anderer  hatten  keine  Ahnung  von 
ihrer  Gehörschwäche.  Das  rechte  Ohr  allein  war  krank  bei  171  (121  M., 
60  Fr.),  das  linke  allein  bei  110  (66  M.,  44  Fr.). 

Während  des  Schuljahres  1902/1903  untersuchte  F.  in  sechs  Primar- 
schulen Bukarests  1038  SchtÜer  (571  m.,  467  w.).  Er  fand  bei  327 
(31,50%)  davon  Ohrleiden,  nämlich  bei  178  (31,17%)  Knaben  und  140 
(31,90%)  Mädchen.  Nur  bei  9  davon  war  das  Leiden  ihnen  selbst 
oder  dem  Lehrer  aufgefallen.  95,33%  der  Ejranken  wufsten  also  nichts 
Ton  ihrer  Krankheit.  Bei  177  Knaben  und  165  Mädchen  fanden  sich 
bei  Fingemntersuchung  adenoide  Rachenvegetationen,  deren  ursächlicher  Ein- 
fluls  auf  Ohrleiden  bekannt  ist.  22  bezw.  26  verweigerten  die  Unter- 
suchung.    Auf  die  Altersklassen  verteilen  sich  die  Kranken,  wie  folgt: 

7—  8  Jahre:   45  Knaben,  32  Mädchen 

8—  9       „       52        ,        60 
9-10       „       25       „        27 

10-11       „       26        „        22         „ 
11-13       ,       29        „        24 

Der  Qualität  nach  waren  unter  sämtlichen  Schülern  89  sehr  gut,  251 
gut,  441  mittelmäfsig,  257  schlecht.  Die  beiden  ersten  Stufen  zählten 
26,17%  Ohrkranke  und  28,52%  mit  adenoiden  Wucherungen  Behaftete, 
die  beiden  letzteren  deren  34,09%  bezw.  35,10%. 

Ohrfeigen  und  Ohrzwicken  sollten  vermieden  werden;  vor  allem  aber 
sollten  Nase  und  Rachen   bei  allen  Infektionskrankheiten  besonders   sorg- 

SehulgeBundheitopflege.  XVI.  27 


498 

fältig  desinfiziert  und  überhaupt  die  Ohren  stets  sorgfältig  gereinigt  werden. 
Hier  kann  die  Schule  durch  Belehrung  viel  helfen.  Alle  14  Tage  etwa 
müTsten  die  Ohren  ebenso  vor  dem  Schlafengehen  mit  warmem  Wasser  aus- 
gespttlt  und  etwaige  fester  haftende  Schmntzteile  mit  einem  um  ein  Streich- 
holz gewickelten  Wattetupfer  entfernt  werden.  Alles  weitere  ist  vom  Übel. 
Schwache  Schüler  sollten  zum  Ohrenarzt  gewiesen  und  überhaupt  alle  beim 
Eintritt  in  die  Schule  ärztlich  untersucht  werden. 

(Mitget.  Y.  Dr.  SiEVEKiKO-Hamburg.) 

Über  MifsstSnde  der  Schnlbedflrfiiisaiistalieii  in  Berlin  sprach 
unlängst  in  der  Sitzung  des  „Berliner  Vereins  für  Schulgesundheitspflege'' 
Dr.  med.  Bebnhabd.  Nach  den  Ausführungen  des  Vortragenden  haften 
den  Bedürfnisanstalten  der  neuesten  Berliner  Gemeindeschulen  der  Gesund- 
heit der  Schulkinder  schädliche  Mängel  an.  Die  Aborte  sind  yom  Schul- 
gebäude entfernt  untergebracht,  unterliegen  keiner  Beaufsichtigung  während 
ihrer  Benutzung,  keiner  hinreichenden  Reinigung  und  bieten  nicht  einmal 
Waschgelegenheit.  Abgesehen  davon,  dafs  die  Kinder  sich  dort  selbst  über- 
lassen sind,  Unfug  treiben,  Sitzbretter  und  Wände  beschmieren,  bilden  die 
Aborte  den  Ort  der  Übertragung  ansteckender  Krankheiten  in  höherem 
Ma&e,  als  man  gemeinhin  annimmt.  EUerzu  kommt,  dafs  die  Isolierung 
derselben  vom  Schnlgebäude  die  Kinder  im  Winter  und  bei  rauher  Witte- 
rung Erkältungskrankheiten  aussetzt.  Der  Vortragende  forderte  für  die 
Aborte  mindestens  während  der  Pausen,  wo  deren  Benutzung  grols  ist,  eine 
Überwachung,  vielleicht  durch  eine  angestellte  Frau  (wie  in  den  öffentlichen 
Bedürfnisanstalten),  femer  die  Reinigung  der  Sitzbretter  nach  jeder  Be- 
nutzung, Klosettpapier  und  Waschgelegenheit.  Die  Pissoirs  mülsten  mit 
Ölspülung  eingerichtet  werden.  Diese  Forderungen  liefeen  sich  erfQllen,  und 
die  Kosten  dürften  nicht  allzu  hoch  sich  gestalten.  Auch  das  an  einigen 
Schulen  bestehende  Verbot,  dafs  die  Schulkinder  während  des  Unterrichtes 
austreten,  könne  zu  schweren  gesundheitlichen  Nachteilen  fähren. 

In  der  Diskussion  über  den  Vortrag  führte  Dr.  BoncHABB-Charlotten- 
burg  aus,  dafs  in  den  Charlottenburger  Schulgebäuden  die  Aborte  an  das 
Schulgebäude  angeschlossen  sind  und  gleichfalls  durch  Zentralheizung  er- 
wärmt werden.  Der  üble  Geruch  werde  durch  Doppeltüren  vom  Schul- 
gebäude vollkommen  fern  gehalten.  In  den  neuen  Schulgebäuden  sind  in 
allen  Etagen  in  den  Korridoren  Klosetts  angebracht.  —  Sanitätsrat 
Dr.  Habtmann  bezeichnete  das  Verbot  des  Austretens  während  des  Unter- 
richts, falls  es  bestände,  für  eine  Grausamkeit.  Sache  der  Schulärzte  werde 
es  sein  müssen,  festzustellen,  ob  die  Ansteckungsgefahr  durch  die  Aborte 
so  grofs  ist,  wie  der  Vortragende  angegeben.  —  Professor  Dr.  Baginskt 
bemerkte,  dafs  die  gesundheitliche  Ausgestaltung  der  Aborte  in  den  Schulen 
eine  sehr  ernste  Sache  sei.  Die  Ausführung  nach  den  Wünschen  der  Ärzte 
werde  aber  nicht  so  leicht  vor  sich  gehen;  er  sei  vor  Jahren  schon  für 
diese  Forderungen  in  seinem  Buche  eingetreten.  Als  es  der  verstorbene 
Minister  Gossleb  gelesen,  habe  er  ihm  gesagt:  „Das  ist  sehr  schön,  das 
habe  ich  fUr  die  ostpreufsischen  Schulen  auch  verlangt,  bin  aber  zufrieden 
gewesen,  dafs  ich  überhaupt  Aborte  erreichte,  bis  dahin  gingen  die  Schul- 
kinder auf  den  Misthaufen"*.  Eine  Reform  unserer  Schulaborte  sei  allein 
schon  der  Reinlichkeit  wegen  geboten.    Die  Einführung  von  Waschgelegen* 


499 

heit  in  den  Aborten  müsse  mit  aller  Energie  dnrchgefohrt  werden,  daza 
gehörten  auch  Handtach  und  Seife. 

Ffir  die  Organisation  der  Zahn-  nnd  Mundpflege  in  den  Schulen 

haben  die  Altonaer  Zahnärzte  einen  wichtigen  Schritt  getan,  indem  sie 
sich,  wie  die  „Bamb.  Nachr.*^  melden,  bereit  erklärten,  Schulkinder,  deren 
Angehörige  unbemittelt  sind,  unentgeltlich  zu  behandeln.  Die  Hamburger 
Zahnärzte  haben  sich  diesen  Bestrebungen  bereits  angeschlossen.  Man  hofft, 
dafs  nun  auch  die  Altonaer  Behörde  den  vom  Verein  der  Zahnärzte  aus- 
gesprochenen Wunsch  Rechnung  tragen  und  demselben  einen  passenden 
Raum,  in  welchem  die  Kinder  behandelt  werden  können,  kostenfrei  zur 
Verfügung  stellen  wird. 

um  die  KSrperpflege  in  der  Midchenyolksschnle  zn  heben, 

ersuchte  der  Landesyerband  preufsischer  Lehrerinnen  den  Kultusminister 
Dr.  Studt,  das  Turnen  und  Spielen  als  verbindlichen  Unterrichtsgegenstand 
in  den  Plan  der  gesamten  weiblichen  Volksschulen  einzuftlhren.  Zur  Be- 
grfindnng  wird,  wie  das  y^L^ß,  Tagebh^  berichtet,  folgendes  vorgebracht: 

In  weitaus  den  meisten  Volksschulen  des  Landes  erhält  der  weibliche 
Teil  der  Schu^ugend  noch  heute,  entgegen  dem  männlichen  Teil  und  den 
Zöglingen  der  weiblichen  höheren  Lehranstalten,  nur  eine  rein  geistige  und 
manueUe  Erziehung.  Von  verschiedenen  Seiten  ist  auf  die  schlimmen  Folgen 
dieser  einseitigen  Erziehungsweise,  die  sich  von  Generation  zu  Generation 
bemerkbarer  machte,  hingewiesen  worden,  und  die  ärztlichen  Statistiken 
lassen  erkennen,  dafs  die  Schädigungen,  die  der  durch  die  Jahre  des 
Wachstums  dauernde  Sitzzwang  mit  sich  führt,  nach  und  nach  eine  wirk- 
liche Gefahr  für  die  unteren  Volksschichten  wird.  Gerade  aber  die  Frauen 
dieser  Stände  bedürfen  der  Kraft  und  Gesundheit  in  doppeltem  Mafse, 
gehen  sie  doch  meist  einem  arbeitsreichen  und  harten  Leben  entgegen,  das 
sie  körperlich  viel  besser  gerüstet  finden  müfete,  als  sie  es  jetzt  sind. 
Wird  die  Frau  aus  dem  Volke  gesundheitlich  fester,  so  gewinnt  nicht  nur 
sie,  sondern  in  aufsteigender  Linie  der  Stand,  das  Volk,  der  Staat.  Die 
furchtbare  Sprache,  welche  die  ärztlichen  Erhebungen  reden,  und  die  eigene 
Anschauung  und  Überzeugung  läfst  die  Fach-  und  vielleicht  auch  die 
wissenschaftliche  Lehrerschaft  längst  nach  einem  Ausgleich  der  direkten 
Folgen  des  heutigen  Erziehungsmodus  an  den  Mädchenvolksschulen  suchen, 
und  auch  der  Zentralausschuiis  zur  Förderung  der  Volks-  und  Jugendspiele 
und  vor  allem  die  Ärzte  erachten  die  Hinzufügung  der  regelmäfsigen  Be- 
tätigung der  Körperkraft  zum  heutigen  Lehrplane  für  notwendig,  ja  un- 
erläfslich.  In  anderen  Reichsstaaten  hat  man  das  Turnen  der  Volksschüle- 
rinnen obligatorisch  gemacht,  und  auch  in  Preulsen  sind  einige  Behörden 
mit  der  Einführung  des  pfiichtmäfsigen  Turnens  und  Spielens  vorgegangen, 
aber  eine  wirkliche  und  dauernde  Änderung  zum  Besseren  ist  nur  von 
einer  allgemeinen  Regelung  von  mafsgebender  Stelle  aus  zu  erwarten. 

Dieser  Anregung  ist  es  wohl  zu  danken,  dals  neuerdings  von  den 
Regierungen  durch  die  Kreisschulinspektionen  umfassende  Erhebungen  an- 
gestellt werden,  die  ermitteln  sollen,  inwieweit  den  Volksschülerinnen  eine 
körperliche  Kräftigung  zu  teil  wird,  ob  und  in  welcher  Weise  das  Mädchen- 
tumen  in  den  Volksschulen  durchführbar  sei,  und  welche  finanziellen  Aufwendun- 
gen den  Gemeinden  aus  dieser  obligatorischen  EinfOhrung  erwachsen  würden. 

27* 


500 

Die  Yeranstaltiing  internationaler  Kongresse  für  Sehnlliygiene* 

Bekanntlich  bestehen  Vereine,  die  sich  die  Fördemng  einer  gesunden  Schul- 
erziehnng  zur  Aufgabe  gestellt  haben,  so  in  Deutschland  der  „Allgemeine 
deutsche  Verein  fflir  Schulgesundheitspflege'',  in  Frankreich  die  „Ligue  des 
m^decins  et  des  familles  pour  la  mölioration  de  l'hygi^ne  physique  et 
intellectuelle  dans  les  öcoles'',  in  Belgien  die  „Algemeen  paedologische  6e- 
zelschap'',  in  der  Schweiz  die  „Schweizerische  Gesellschaft  für  Schulgesond- 
heitspflege*',  in  Holland  die  „Vereeniging  tot  Vereenoondiging  van  ezamens 
en  onderwys'',  in  England  die  „Society  of  medical  officers  of  schools".  Von 
einzelnen  Vorstandsmitgliedern  solcher  Vereine  geht  nun  die  Anregung  aus, 
internationale  Kongresse  fdr  Schulhygiene  zu  veranstalten.  Diese  Be- 
strebungen sind  gewiCs  an  und  für  sich  sehr  anerkennenswert.  Es  fragt  sich 
nur,  ob  man  nicht  schliefslich  in  der  Differenzierung  der  internationalen 
Kongresse  etwas  zu  weit  geht. 

Über  die  Frage  der  HatnritttsprllAing  an  den  Saterreiebisehen 

Mlttelschnlen  entnehmen  wir  der  Beilage  zu  No.  264  der  Wiener  Tages- 
zeitung „DieZeif^  folgendes:  Die  Reifeprüfung  hat  den  Zweck,  festzustellen, 
ob  die  Absolventen  der  Mittelschule  jene  geistige  Ausbildung  erlangt  haben,  die 
nötig  ist,  um  den  wissenschaftlichen  Aufgaben  der  Hochschule  gerecht  zn 
werden.  Nun  sind  unsere  Mittelschulen  in  erster  Linie  für  die  Aufgabe 
organisiert,  die  Vorbildung  fQr  das  Hochschulstudium  zu  besorgen,  und  man 
sollte  meinen,  dafs  eine  so  wohldurchdachte,  bestandigen  Verbesserungen 
unterzogene  Organisation,  wie  die  unserer  Mittelschulen,  nicht  erst  des  be- 
sonderen Apparates  einer  Reifeprüfung  bedflrfe,  um  ihre  Bewahrung  zu  zeigen. 

Die  Sache  wttrde  ein  anderes  Licht  bekommen,  wenn  sich  die  Reife- 
prüfung nur  auf  die  Priyatmittelschulen  erstreckte,  obwohl  ja  auch  diese 
an  staatlicher  Aufsicht  keinen  Mangel  leiden.  Zwei  Landesschulinspektoren 
überwachen  den  genauen  Vollzug  aller  bestehenden  Vorschriften  über  Schule 
und  Unterricht;  eine  Unzahl  von  Konferenzen  und  die  jährliche,  zweimalige 
Zeugnisausgabe  sorgen  dafür,  dafs  Schüler  und  Eltern  in  steter  Kenntnis 
bleiben  von  dem  sittlichen  und  intellektuellen  Stande  der  ersteren;  kurz, 
es  erscheint  nichts  versüumt,  was  irgendwie  geeignet  sein  konnte,  den  End- 
erfolg der  Mittelschule  unter  allen  Umst&nden  zu  gewährleisten. 

Die  Frage  stellt  sich  einfach  so:  Entweder  ist  die  Mittelschule  so 
organisiert  und  überwacht,  dafs  an  ihrem  Endziel  ein  Mifserfolg  tatsächlich 
ausgeschlossen  ist,  und  dann  ist  die  Matura  überflüssig,  oder  die  Matura 
kann  nicht  entbehrt  werden,  weil  die  Organisation  der  Mittelschule  nicht 
Bürgschaft  genug  gibt,  dafs  sämtliche  ihrer  Absolventen  die  für  das  Hoch- 
schulstudium erforderliche  Vorbildung  auch  wirklich  erreicht  haben;  in 
diesem  Falle  mufs  die  bessernde  Hand  an  der  Organisation  der  Mittd- 
schule  angelegt  werden.  (Mitget.  von  Dir.  E.  BAYB-Wien.) 

Über  die  Ffirsorge  fBr  schwachsinnige  Kinder  in  Bayern  sprach 

auf  der  1.  Jahresversammlung  des  Vereins  bayerischer  Psychiater  in  München 
am  25.  Mai  d.  J.  Privatdozent  Wbtgandt- Würzbarg.  Von  15  Anstalten 
im  rechtsrheinischen  Teil  Bayerns  steht  nur  eine  unter  kommunaler  Leitung, 
während  13  im  Besitz  konfessioneller  Körperschaften  sind  und  unter  geist- 
licher Leitung  stehen.  Einen  Hauptmangel  sieht  der  Vortragende  in 
der  Abwesenheit  ärztlicher  Leitung,  die  bei  Neuerrichtung  solcher  An- 


501 

stalten  yorgeseheo  sein  sollte.  Die  bestehenden  Idiotenanstalten  Aollen 
wenigstens  znr  Anstellung  eines  im  Hanse  wohnenden  Arztes,  der  daneben 
Praxis  treiben  könnte,  angehalten  werden.  Sehr  viele  Idioten  befinden  sich 
noch  an&erhalb  der  Anstalten,  in  der  Heimat,  fem  von  entsprechender  Be- 
handlung. Für  leichtere  Falle  wird  neuerdings  gesorgt  durch  die  Hilfs- 
schulen, deren  Errichtung  freilich  in  Bayern  lange  auf  sich  warten  liels. 
Eine  Torbildliche  Anstalt,  wie  z.  B.  in  Frankfurt,  ist  auch  in  Nttmberg, 
das  die  besteutwickelten  Hilfsschulen  Bayerns  besitzt,  noch  nicht  erreicht. 
Vor  allem  ist  eine  Unterstützung  der  Hilfsschnllehrer  durch  psychiatrisch 
gebildete  Schulärzte  anzustreben.  Auch  die  Zwangserziehungsanstalten  be- 
herbergen zahlreiche  psychopatische  Minderwertigkeiten,  zu  deren  Behand- 
lung ein  häufiger  Besuch  psychiatrisch  gebildeter  Ärzte  von  groiSsem  Werte 
ist.  (j^Münch.  meäie.  Wochmschr.*' ,  No.  22.) 

Die  Beinling  der  städtischen  Schnlen  in  Berlin.  Die  Stadt- 
verordnetenversammlung hatte,  nach  einer  Meldung  der  Tagesblätter,  den 
Magistrat  ersucht,  die  Klassenzimmer  aller  städtischen  Schulen  dreimal 
wöchentlich  nals  aufzuwischen  und  sonst  täglich  durch  Ausfegen  unter  mög- 
lichster Vermeidung  von  Staubentwicklung  reinigen  zu  lassen ;  femer  sollten 
die  Fenster  aller  Klassenzimmer  monatlich  einmal  geputzt  werden.  Eine 
Magistratskommission  hat  sich  mit  der  Frage  beschäftigt,  ob  die  bei  den 
Gemeindeschulen  und  höheren  Mädchenschulen,  an  welchen  Nachmittags- 
onterricht  der  SchtQer  und  Schülerinnen  in  der  Regel  nicht  stattfindet,  be- 
stehende dreimalige  Reinigung  auch  bei  höheren  Lehranstalten  durchgeführt 
werden  kann  und  soll.  Inzwischen  war  anderweitig  zur  Beseitigung  des 
Staubes  das  sogenannte  Stauböl  zur  Verwendung  gekommen,  welches  wegen 
seines  guten  Erfolges  auf  das  wärmste  empfohlen  wurde,  und  dessen  Ein- 
führung auch  bei  den  städtischen  Anstalten  alle  Direktoren  dringend  befür- 
worten. Der  Magistrat  beschlofs  auf  Antrag  einer  Kommission  zunächst 
einen  grölseren  Versuch  mit  dem  Stauböl  zu  machen.  Demgemäls  erhielten 
die  Hochbauinspektionen  den  Auftrag,  während  des  Jahres  an  Stelle  des 
bisherigen  Leinölanstriches  in  sämtlichen  Gymnasien,  Realgymnasien  und 
Realschulen  viermal  (während  der  Ferien)  Stauböl  zu  verwenden  und  über 
die  damit  gemachten  Erfahrungen  eingehend  zu  berichten.  Gleichzeitig 
richtete  der  Magistrat  an  die  Direktoren  ein  Rundschreiben,  worin  um 
Beantwortung  folgender  Fragen  seinerzeit  ersucht  wurde:  1.  Ob  sich  das 
Stauböl  bezüglich  seiner  eigentlichen  Zweckbestimmung  (Verhinderung  der 
Staubentwicklung  u.  s.  w.)  bewährt  hat ;  2.  ob  dem  Schuldiener  die  regel- 
mälsigen  Reinigungsarbeiten  in  tatsächlicher,  wie  auch  in  finanzieller  Be- 
ziehung dadurch  wesentlich  erleichtert  werden;  3.  ob  bei  der  dauernden 
Verwendung  von  Stauböl  die  bisher  zweimal  in  jeder  Woche  saattfindende 
Reinigung  der  Schulräume  als  ausreichend  zu  erachten  oder  trotzdem  eine 
dreimalige  Reinigung  empfehlenswert  sein  würde ;  4.  ob  sich  eine  dreimalige 
Reinigung  den  Verhältnissen  der  Anstalt  (bezüglich  des  Nachmittagsunterrichts, 
des  Fortbildungsunterrichts  u.  s.  w.)  ohne  Schwierigkeit  anpassen  lassen  würde, 
nnd  wie  hoch  nach  Ansicht  der  Direktoren  ungefähr  die  Beihilfe  zu  be- 
messen wäre,  die  den  Schuldienern  bei  Einführung  der  dreimaligen  Reini- 
gung und  unter  Berücksichtigung  der  bei  der  Verwendung  von  Stauböl 
etwa  eintretenden  Erleichterungen  bewilligt  werden  müfste. 


602 

Die  von  den  Baninspektionen  und  von  den  Direktoren  eingegangenen  Be- 
richte haben  lediglich  die  gemachten  Beobachtungen  bestätigt,  dab  sich  — 
abgesehen  von  den  Turnhallen  —  das  Stanböl  durchweg  gut  bewährt  hat. 
Die  Wirkung  des  Stauböls  hat  zum  mindesten  neun  Wochen,  in  den  Klassen, 
wo  der  Fulsbodon  vor  dem  Anstrich  gescheuert  war,  sogar  ein  Vierteljahr 
yorgehalten.  Aulserdem  ist  festgesteUt,  dafs  die  viermalige  Verwendung 
von  Stauböl  nur  geringere  Mehrkosten  verursacht  als  der  zweimalige  Leinöl- 
anstrich. Ein  weiterer  Vorzug  des  Stauböls  ist,  dafs  die  Reinigungsarbeit 
in  gesundheitlicher  Beziehung  ganz  erheblich  leichter  geworden  ist.  —  Der 
zweite  Teil  der  Umfrage  ist  von  den  Direktoren  gleichmälsig  verneinend  be- 
antwortet worden.  Die  Frage,  ob  bei  Anwendung  des  Stauböls  eine  zwei- 
malige wöchentliche  Reinigung  für  ausreichend  zu  erachten  sei,  ist  fast  von 
sämtlichen  Direktoren  bejaht  worden.  Da  aufserdem  die  dreimalige  Reini- 
gung bei  der  Überlastung  der  Anstalten  mit  Vereinen,  Fortbildungs- 
anstalten u.  8.  w.  sich  nur  mit  grofser  Schwierigkeit  durchfahren  lassen 
würde,  so  hat  der  Magistrat  vorläufig  beschlossen,  es  bei  der  zweimaligen 
gründlichen  Reinigung  in  den  höheren  Lehranstalten  bewenden  zu  lassen. 

Im  weiteren  ist  zu  bemerken,  dafs  der  Stadtverordnetenausschufs  zur 
Vorberatung  der  Vorlage,  betreffend  die  Reinigung  der  städtischen  Schulen, 
beschlossen  hat,  der  Stadtverordnetenversammlung  die  Annahme  folgenden 
Antrages  zu  empfehlen:  „Die  Versammlung  ersucht  den  Magistrat,  in  allen 
städtischen  Schulen  die  Klassenzimmer  mit  Stauböl  streichen  zu  lassen  und 
die  Fenster  aller  städtischen  Schulklassen  alle  sechs  Wochen  putzen  zu 
lassen^. 

Sorge  fflr  die  Zähne  der  Schnlkinder.  Die  Stadt  Reichenberg 
hat  das  Verdienst,  zuerst  die  Einführung  der  zahnärztlichen  Behandlung  an 
einer  österreichischen  Schule  angebahnt  zu  haben.  Wie  die  „ZahnärzÜ. 
Btmdschau*^  mitteilt,  hat  die  städtische  Gesundheitskommission  beschlossen, 
die  Zähne  der  Schuljugend  untersuchen  zu  lassen  und  dafür  Sorge  zu 
tragen,  dals  den  armen  Schulkindern  unentgeltliche  Behandlung  der  Zähne 
zu  teil  werde.  Es  wäre  im  Interesse  der  Gesamtheit  zu  wünschen,  dafs 
an  allen  Schulen  diese  Gesundheitsmalsnahmen  für  die  Schu^ugend  bald 
zur  Regel  würden. 

An  der  deutschen  Staatsrealschule  zu  Pilsen  wurden  sowohl  im 
vorigen  wie  im  laufenden  Schuljahre  die  Zähne  auf  Ersuchen  der  Direktion 
von  einem  Zahnarzte  untersucht  'und  die  Schüler  auf  die  Wichtigkeit  der 
Zahnpflege  eindringlich  aufmerksam  gemacht;  es  zeigte  sich  bei  der  dies- 
jährigen Untersuchung  eine  Zunahme  der  gepflegten  Zähne  um  34,7%. 

(Mitget.  von  Frau  Dr.  MAUBizio-Zürich.) 


503 


Sagesgefditditltdies* 


Em  Protegt  gegen  Hftasarbeiteii  fBr  die  Sehnle.  Die  „Ver- 
einigung von  Eltern''  zn  Philadelphia  beschloDs  nach  Angabe  des  j^New 
York  Med.  Jou/m.^  (No.  24)  der  Schnlhehörde  eine  von  2000  Ärzten, 
Geistlichen  etc.  unterzeichnete  Petition  einzureichen,  in  der  gegen  die 
allzngro&en  Anforderongen  an  den  häuslichen  Fleifs  der  Kinder  pro* 
testiert  wird. 

Bleistifte  als  Diphtherieverbreiter.  Nach  einer  Mitteilung  des 
„Hamb.  Carresp,^  hat  ein  Pariser  Schularzt,  in  dessen  Schulbezirk  gegen- 
wärtig die  Diphtheritis  herrscht,  die  Entdeckung  gemacht,  daüs  die  ge^r- 
liche  Krankheit,  der  „Würgengel  der  Kinder*^,  durch  Bleistifte  verbreitet 
worden  ist.  Jeden  Morgen  werden  in  den  Pariser  Schulen  Bleistifte 
verteilt,  die  Eigentum  der  Stadt  sind ;  nach  SchluCs  des  Unterrichts  werden 
sie  wieder  eingesammelt,  um  am  nächsten  Morgen  von  neuem  verteilt  zu 
werden.  Die  Schttler  erhalten  aber  jeden  Tag  einen  anderen  Bleistift, 
und  da  sie  die  Gewohnheit  haben,  die  Bleistifte  in  den  Mund  zu  nehmen 
und  anzufeuchten,  wurde  die  Diphtherie  durch  die  Bleistifte  buchstäblich 
von  Mund  zu  Mund  getragen.  In  einem  Berichte  an  den  Schulvorstand 
fordert  der  Schularzt,  dafs  jeder  Schttler  einen  Bleistift  als  unantastbares 
und  nicht  übertragbares  Eigentum  erhalten  solle. 

(Wir  geben  diese  Nachricht  unter  allem  Vorbehalt  wieder.  Die  Ver- 
breitung der  Diphtherie  durch  Bleistifte  ist  gewils  möglich,  doch  ist  eine 
wissenschaftliche  Prüfung  abzuwarten.     D.  R.) 

Ferienansflfige  in  SchSneberg.  Wie  wir  dem  „Berl  Tagebl'' 
entnehmen,  sind  von  den  SchOneberger  Behörden  1500  Mark  für  75  Knaben 
und  75  Mädchen  der  Normalklassen  der  städtischen  Gemeindeschulen  zur 
Veranstaltung  von  Ausflügen  nach  dem  Grunewald  vorgesehen.  Zur  Be- 
teiligung an  den  Ausflügen  sind  nun  von  den  städtischen  Schulärzten  auch 
30  Kinder  der  Hilfsklassen  vorgeschlagen  worden.  Mit  diesen  180  Kindern 
sollen  während  der  Ferien  dreimal  in  der  Woche  Ausflüge  gemacht  werden, 
so  dafs  jede  Abteilung  deren  15  macht.  Die  Mehrkosten  fnr  die  Schüler 
der  Hilfsklassen  im  Betrage  von  435  Mark  sollen  in  den  Schuletat  auf- 
genommen werden. 

Eine  Ferien-Stottererkolonie  fBr  städtische  Volkssclinlkinder 

in  Zfirieh.  In  den  Sommerferien,  mit  Beginn  Montag  den  13.  Juli, 
soll  eine  Kolonie  für  16  stotternde  Knaben  im  Alter  von  9 — 16  Jahren 
eröffnet  werden.  Die  Dauer  derselben  ist  auf  ca.  vier  Wochen  angesetzt. 
Die  Kosten  für  Verpflegung  und  Kursleitung  betragen  per  Schüler  60  Frs. 
Im  Falle  von  Bedürftigkeit  können  dieselben  ganz  oder  teilweise  erlassen 
werden. 

Die  sanitäre  Bedentang  der  ,,Liehtlinien<'  der  Schreibhefte. 

Das  „LeipiBiger  Tagebl^  berichtet,  dafs  die  Ortsgruppe  Leipzig  des  AUg. 


504 

Deutschen  Vereins  fflr  Schnlgesondheitspflege  sich  jflngst  mit  der  Frage 
der  gesundheitlichen  Gefahren  der  in  einigen  Schulen  eingefQhrten  Schreib- 
hefte mit  sogen.  „Lichtümen**  beschäftigt  habe.  Man  kam  dahin  Uberein, 
in  dieser  Angelegenheit  noch  weitere  Ermittelangen  anzustellen  und  dann 
auf  eine  Beseitigung  dieser  fQr  die  Augen  der  Kinder  so  sehr  schädlichen 
„Lichtlinien^  hinzuwirken. 

Über  die  Bildung  yon  FUligkeitsgmppen  in  den  Volksscliuleit 

der  Stadt  ZIrieh  hat,  wie  die  Tagesblätter  melden,  der  kantonale  Er- 
ziehungsrat folgendermaßen  yerfOgt:  „Zum  Zwecke  der  Förderung  der 
schwächeren  Schfller  wird  die  Parallelisation  der  Klassen  I — ^IV  der 
Primarschule  der  Stadt  Zflrioh  in  den  Fächern  Deutsch  und  Rechnen  nach 
der  Leistungsfähigkeit  der  Schttler  gutgeheiisen  in  dem  Sinne,  dais  den 
Lehrern  empfohlen  wird,  im  Schuljahre  1903/04  einen  allgemeinen  Versuch 
zu  machen,  den  schwächeren  Schülern  der  Normalklassen  in  den  Fächern 
Deutsch  und  Bechnen  durch  einen  besonderen  Gruppenunterricht  yermefarte 
Aufmerksamkeit  und  Förderung  zu  teil  werden  zu  lassen,  damit  womöglich 
alle  Schfller,  soweit  nicht  die  Notwendigkeit  der  Einreihung  in  die  Spezial- 
klassen  sich  ergibt,  das  \m  Lehrplan  der  Primarschule  vorgesehene  Lehr- 
ziel erreichen.  Der  Zentralschulpflege  der  Stadt  Zürich  wird  aufgegeben: 
1.  dem  Erziehungsrat  aufSchlufs  des  laufenden  Schuljahres  einzubericbten, 
in  welcher  Weise  die  Paralldisation  in  den  einzelnen  Erlassen  ausgeführt 
worden  ist,  unter  Angabe  der  von  den  einzelnen  Lehrern  gemachten 
Beobachtungen  und  unter  Beilage  einer  Übersicht  aber  das  Ergebnis  der 
Promotionen;  2.  zu  prflfen  und  auf  denselben  Termin  sich  darflber  ver- 
nehmen zu  lassen,  ob  nicht  mit  der  EinfQhrung  von  Sonderklassen  im 
Sinne  der  Wiederholungs-  und  Abschlufsklassen  in  Mannheim  neben  den 
Spezial-  oder  Hilfsklassen  in  der  Stadt  Zflrich  ein  Versuch  gemacht 
werden  sollte.^ 

y,Wie  erhUt  man  sieh  gesund  niid  erwerbsf&hig?^*  lautet  der 
Titel  einer  von  Professor  Fbitz  Ealle  und  Dr.  ScHELLEKBEBa  in 
Wiesbaden  verfafsten  Schrift.  Auf  Anregung  des  Vorstandes  der  Gesell- 
schaft für  Volksbildung  und  auf  Empfehlung  des  Schulausschusses  hat  der 
Rat  der  Stadt  Plauen  i.  V.  beschlossen,  1500  Stflck  dieser  Schrift  zur 
Verteilung  an  die  im  achten  Schuljahr  stehenden  Schttler  und  Schfllerinnen 
der  hiesigen  städtischen  Volksschulen  zu  beschaffen. 

Untersuchang  des  Wassers  in  Schnlbriuiiien.     Die  Königliche 

Begierung  zu  Liegnitz,  Abteilung  für  Kirchen-  und  Schulwesen,  hat  an  die 
Landräte,  die  Polizeiverwaltungen  und  die  E^reis-Schulinspektoren  des 
Regierungsbezirks  den  nachstehenden  Erlafs  gerichtet: 

„Es  ist  wiederholt  vorgekommen,  dab  zur  Entscheidung  der  Frage, 
ob  ein  Schulbrunnen  ein  die  Cresundheit  gefährdendes  Wasser  fahre, 
Wasserproben  an  Chemiker  oder  Apotheker  zur  chemischen,  mitunter  auch 
zur  mikroskopischen  oder  bakteriologischen  Untersuchung  eingesendet  worden 
sind.  Nach  den  gegenwärtigen  wissenschaftlichen  Grundsätzen  haben  diie 
auf  Grund  solcher  Untersuchungen  abgegebenen  Gutachten  in  der  Regel 
einen  sehr  geringen  sachlichen  Wert,  wenn  nicht  eine  örtliche  Unter- 
suchung des  Brunnens  und  seiner  nächsten  Umgebung  duroh  einen  Sach- 
verständigen der  chemischen  Untersuchung  vorausgegangen  oder  gefolgt  ist. 


505 

Als  Sachverständige  sind  in  dieser  Hinsicht  in  erster  Beihe  die  zuständigen 
Kreisärzte  anzusehen.  Es  empfiehlt  sich  daher,  in  allen  zweifelhaften 
Fragen  dieser  Art  sich  zunächst  an  den  Kreisarzt  zu  wenden.  Dieser 
wird  sich  darflher  zu  äubem  haben,  ob  eine  örtliche  Untersuchung  er- 
forderlich ist  oder  welche  sonstigen  Mabnahmen  zur  Feststellung  der 
Sachlage  zu  treffen  sein  werden.  In  vielen  Fällen  wird  sich  auf  Grund 
einer  kreisärztlicben  Besichtigung  der  Brunnenanlage  und  durch  eine  sinn- 
liche Prflfang  des  Brunnenwassers  allein  schon  ein  Urteil  über  seine 
gesundheitliche  Brauchbarkeit  als  Trinkwasser  fäUen  lassen,  ohne  dab 
weitere  umständliche  und  kostspielige  chemische  oder  anderweitige  Unter- 
suchungen anzustellen  sind.  Einfache  physikalische,  chemische,  mikro- 
skopische oder  bakteriologische  Untersuchungen  aber  hat  der  Kreisarzt  auf 
Grund  des  §  37  der  Dienstanweisung  vom  23.  März  1901  selbst  aus- 
zuführen. ^ 

Die  neuMten  seliiiUrcfHeheii  üntennchniigeii  in  den  städtischen 
Schulen  Berlins  haben  ein  trauriges  Resultat  ergeben.  Wie  wir  dem 
j,BerL  TagM.^  entnehmen,  konnten  von  sämtlichen  untersuchten  Kindern 
nur  44%  als  völlig  gesund  erklärt  werden.  Etwa  28%  litten 
an  Skrophulose,  Blutarmut,  englischer  Krankheit,  14%  an  Wucherungen 
im  Nasenraume,  5^/i%  an  Augenleiden,  4ViVo  an  Ohrenleiden. 

Bin  Jngendferienhort  soll  während  der  bevorstehenden  Sommer- 
ferien in  einem  Kreise  der  Stadt  Zflrich  (Oberstrafs)  eingerichtet  werden 
(„JT.  Zürch,  Ztg,^),  Viele  Kinder  anner  und  bemittelter  Familien  müssen 
in  der  Stadt  bleiben,  entbehren  der  frischen  Landluft  und  vielleicht  noch 
mehr  der  nötigen  Überwachung.  Sie  sollen  nun  jeden  Nachmittag  ge- 
sammelt und  unter  Leitung  eines  Lehrers  auf  den  nahen  Zürichberg  zu 
Spaziergang  und  Spiel  geführt  werden.  Die  Verpflegung  besteht  aus  Milch 
und  Brot.  Für  das  schlechte  Wetter  ist  eine  Turnhalle  von  der  Schul*- 
pflege  zur  Verfägung  gestellt.  Aus  der  Kasse  des  Quartiervereins  soll  für 
eine  gröbere  Anzahl  armer  Kinder  gesorgt  werden,  während  für  die  besser 
situierten  bezahlt  werden  mufs  (10  Frs.  für  die  ganzen  Ferien,  3  Frs.  für 
eine  Woche).  Es  ist  für  den  Anfang  eine  Abteilung  für  Knaben  vor- 
gesehen. Die  Zukunft  wird  je  nach  der  Erfahrung  den  weiteren  Ausbau 
bringen. 

Die  Nichteinfftkniiig  des  Haadarbeitaiintomehtes  in  der  fllBfteii 
Mftdehenklasse  hat  unlängst,  wie  wir  der  „Siel,  Ztg,^  entnehmen,  das 
Schnlkollegtvm  in  Glttckstadt  beschlossen,  und  zwar  mit  Rücksicht  auf 
die  Gesundheit  der  Kinder.  Demgegenüber  hat  die  Regierung  die  Ein- 
richtung dieses  Unterrichtes  gefordert.  Daraufhin  beschlofs  das  Schul- 
kollegium, die  Mittel  dafür  zu  versagen,  so  dab  die  Angelegenheit  vor- 
aussichtlich im  Wege  des  Verwaltungsstreitverfahrens  zum  Austrage  ge- 
bracht wird. 


506 


Hmüi^t  ^ttfn^nn^tn. 


Desinfektion  von  Bfichern  nnd  Sehreibheften. 

Bezirksschnliat  der  k.  k.  Reichshaupt- 

nnd  Residenzstadt  Wien.  Wien,  am  13.  Juni  1903. 

dd.  G.  Z.  5921. 

An  sämtliche  Schnlleitnngen. 

Ans  Anlafs  eines  in  der  Bezirkslehrerkonferenz  des  8.  Inspeküons- 
bezirkes  im  Schuljahre  1901 — 1902  erstatteten  Berichtes  über  die  Des- 
infektion von  Schulbüchern  und  Schreibheften  hat  das  Wiener  Stadtphysikat 
mit  Note  Yom  13.  Mai  1903  mitgeteilt,  dafe  die  städtischen  Bezirks&rete 
neuerlich  angewiesen  wurden,  die  Desinfektion  der  Schulrequisiten  nach 
allen  anzeigepflichtigen  übertragbaren  Krankheiten,  wenn  die  Partei  nicht 
etwa  ihre  Zustimmung  zu  deren  Verbrennung  gibt,  durch  „Formalin''  zu 
veranlassen. 

Hiervon  wird  die  Schulleitung  verständigt. 

Vom  Bezirksschulrate  der  Stadt  Wien. 
Der  Vorsitzende-Stellvertreter. 

(gez.)   GüGLEB. 

(Mitget.  von  Dir.  E.  BAXB-Wien.) 


Die  jährliehe  StoflFverteilnng  (Pensenyerteilang)  der  Volkssehnle 

hat  auf  Gegenstände  wie  Bekämpfnng  der  Tmnksneht,  Oesnndheits- 

pflege,  wirtschaftliche  Verhältnisse  etc.  Rficksicht  zu  nehmen. 

Berlin,  den  31.  Januar  1903. 

Mit  der  Absicht  der  Königlichen  Regierung  zur  Durchführung  meines 
Erlasses  vom  31.  Jan.  v.  Js.  —  U.  ÜI.  A.  3204/01.  ü.  lU.  ü.  H.  M.^  — 
betreffend  die  Bekämpfung  der  Trunksucht,  den  Schulen  noch  nähere  An- 
weisung zu  geben,  bin  ich  durchaus  einverstanden.  Der  EönigUchen  Re- 
gierung überlasse  ich  daher,  die  nötigen  Belehrungen  nach  Ihrem  Ermessen 
zu  erteilen. 

Gegen  eine  ins  einzelne  gehende  und  für  alle  Schulen  gemeinsame 
lehrplanm&lisige  Bestimmung  für  den  Unterricht  liegen  jedoch  erhebliche 
Bedenken  vor.  Neben  manchen  anderen  sind  die  Schwierigkeiten  in 
Betracht  zu  ziehen,  die  in  der  Mannigfaltigkeit  der  Schulorte,  der  grofsen 
Verschiedenheit  der  Gegenden  und  auch  der  Lehrer  selbst  begründet  sind. 
Bei  einer  vielklassigen  Schule  wird  die  Belehrung  in  der  zweiten  Klasse 
nach  Umfang  und  Inhalt  anders  zu  halten  sein  als  in  der  ersten,  während 
in  der  einklassigen  Schule  die  ganze  Oberstufe  gemeinsam  belehrt  werden 


Siehe  diese  Zettschrift,  1902,  S.  847. 


607 

müis.  Es  ist  weiter  zn  berflcksichtigen,  da&  Aber  den  Lehrstoff  noch  zu 
wenig  Erfahrung  vorliegt,  als  dafs  schon  jetzt  allgemein  die  ihm  zuzuweisende 
Zeit  vorgeschrieben  werden  könnte.  Anfterdem  stellt  aber  die  Gegenwart 
der  Volksschule  Aufgaben  von  ähnlicher  Bedeutung  aus  dem  praktischen 
Leben  in  solcher  Zahl,  da(s  flir  jede  einzelne  ein  fester  Anteil  an  der  zu 
Gebote  stehenden  Unterrichtszeit  Überhaupt  nicht  gewährleistet  werden 
könnte.  Es  sei  nur  an  die  Gesundheitspflege,  die  Nahrungsmittellehre, 
den  Tierschutz,  an  wirtschaftliche  Fragen  der  Landwirtschaft,  der  Obst- 
und  Gartenbaukunde,  des  Gewerbes,  an  die  Rechnungen  des  kaufmännischen 
Verkehrs  einschliefslich  dei:,  zugehörenden  Formulare,  an  die  Einrichtungen 
des  Staates,  die  Reichsverfassung,  das  Reichsversicherungswesen,  an  Heer 
und  Flotte,  an  Verkehr,  Kolonien  etc.  erinnert.  Alle  diese  wichtigen 
Fragen  haben  berechtigten  Anspruch  auf  eine  genügende  Beachtung  in  der 
Volksschule,  aber  nur  in  dem  Sinne,  dafs  der  Unterricht  zu  gelegener 
Zeit  und  nach  Ma&gabe  der  örtlichen  Verhältnisse  auf  sie  einzugehen  hat. 
Dieser  Forderung  kann  nicht  eine  fflr  alle  Schulen  gemeinsame  Festsetzung 
im  Lehrplane  der  Schulen,  sondern  nur  die  für  jede  einzelne  Schule  all- 
jährlich aufzustellende  Stoffverteilung  (Pensenverteilung)  entsprechen.  Diese 
vermag  den  Forderungen  unserer  Zeit  gerecht  zu  werden,  sie  ermöglicht 
auch  einen  jederzeitigen  Wechsel  der  Anordnung  unter  fortlaufender  Be- 
rflcksichtigung  der  Erfahrung.  Mit  Hilfe  der  Stoffverteilung  kann  in 
einem  Jahre  diesem,  im  anderen  Jahre  jenem  Gegenstande  eine  besondere 
Beachtung  gesichert  werden  so,  wie  es  jeweilig  dem  Stande  und  V\rechsel 
des  Bedürfnisses  entspricht. 

Die  Königliche  Regierung  wolle  daher  Ihre  Anordnungen  auf  die 
Stoffverteilung  der  einzelnen  Schulen  richten  und  auch  auf  diese  beschränken. 

Die  Kreis-Schulinspektoren,  denen  die  Anleitung  der  Schulleiter  zur 
Anfertigung  der  Stoffverteilung  und  die  Beaufisichtung  der  letzteren  obliegt, 
sind  mit  genauer  Anweisung  zu  versehen. 

An 
die  Königliche  Regierung  zu  N. 


Abschrift   erhält    die  Königliche  Regierung   zur  Kenntnisnahme  und 
gleichmälsigen  Beachtung. 

An 
die  übrigen  Königlichen  Regierungen. 


Abschrift  erhält  das  Königliche  Provinzial-Schulkollegium  zur  Kenntnis- 
nahme und  Beachtung  für  die  Seminar-Schulen,  bei  denen  der  Seminar- 
Direktor  anstatt  des  Kreis-Schulinspektors  eintritt. 

Der  Minister  der  geistlichen  etc.  Angelegenheiten. 

Studt. 
An 
die  Königlichen  Provinzlal-Schulkollegien« 
ü.  m.  A.  1388.  ü.  m.  M. 
{nZentralbl  f.  d.  ges.  Unterridiiaverw.  in  Preufsen^'y  März-Heft  1903.) 


508 


ftteratnr. 


Bespreoliungen. 

Paul  v.  Ende.  Das  Schnlbrlmgebad  nnd  seine  Wirkuiigen.^  Vortrag, 
gehalten  in  der  74.  Versammlung  Deatscher  Naturforscher  nnd  Ärzte  za 
Karlsbad  im  September  1902.  Vieweg  &  Sohn.  Preis  Mk.  — .40. 
In  kurzer,  klarer  Form  schildert  uns  der  Verfasser  die  Bedeutung 
des  Schulhrausebads.  Er  weist  darauf  hin,  dafs  im  Verlaufe  des  30  jäh- 
rigen Krieges  der  germanische  „Badegeisf  ganz  verschwunden  sei  und 
erst  in  unserer  modernen  Zeit  wieder  angeregt  werden  mflsse.  Noch  sei 
der  Sinn  für  Hautpflege,  so  wichtig  auch  Reinlichkeit  für  die  Gesundheit 
des  Menschen  sein  möge,  doch  in  geringem  Maise  entwickelt.  Die  Jugend, 
und  insbesondere  die  Schuljugend,  mufs  für  diese  Seite  der  Menschheits- 
erziehung gewonnen  werden,  wenn  der  alte  Sinn  wieder  yoII  und  ganz  auf- 
leben soll.  Die  Frage  der  körperlichen  Remigung  der  SchuDoDder  ist 
indessen,  so  viel  man  auch  im  übrigen  auf  dem  Gebiete  der  Schulgesund- 
heitspflege leistete,  recht  stiefimütterlich  behandelt  worden.  Jetzt  allerdings 
fängt  man  an,  in  allen  Schulbauten  Badegelegenheit  zu  schaffen.  Mit 
Rücksicht  auf  die  Kosten  des  Baues  und  Betriebs,  auf  Vermeidung  der 
Ansteckungsgefahr,  den  geringen  Zeitverlust  bei  der  Benutzung,  scheint  dem 
Verfasser  das  Brausebad  allein  in  Betracht  zu  kommen.  Als  bewegte 
Badeform  bringt  es  weniger  Gefahren  der  Erkaltung  mit  sich.  Prof. 
CüBSCHMANN  in  Leipzig  wies  experimentell  nach,  dafs  bei  bewegten  Bade- 
formen  die  Pnlsverlangsamung  schneller  vor  sich  geht,  die  normale  Puls- 
zahl rascher  wieder  erreicht  wird  und  die  Hauttätigkeit  sich  schneller 
wieder  herstellt.  Doch  müssen  die  Brausebäder  noch  vervollkommnet 
werden.  Neben  der  Oberbrause  sollen  auch  Seiten-  und  ünterbrausen 
verwendet  werden,  wenn  das  Bad  reinigend  und  erfrischend  zugleich 
wirken  soll. 

Die  Einrichtung  von  Schulbädem  dadurch  zu  umgehen,  dafs  man  der 
Schuljugend  die  Mitbenutzung  eventuell  vorhandener  Volksbrausebäder  er- 
öffnet, hält  der  Verfasser  nicht  für  richtig,  da  unter  derartigen  Verhält- 
nissen die  Reinlichkeitspflege  entweder  der  Erwachsenen  oder  der  Schul- 
jugend zu  kurz  kommt.  Entweder  müssen  die  Kinder  zu  lange  warten, 
oder  aber  für  die  Erwachsenen  an  bestimmten  Tagen  der  Woche  die  An- 
stalt geschlossen  sein.  Im  einen  wie  anderen  Falle  wird  man  eine 
Abnahme  der  Benutzung  zu  gewärtigen  haben.  Der  Badebetrieb  in  der 
Schule  hat  auch  deshalb  den  Vorteil,  dals  die  Aufsicht  eine  bessere  ist, 
und  man  die  Kinder  zur  regelmäßigen  Benutzung  des  Bades  anhalten 
kann.    Der  Einwand,  dals  die  Brause  auf  manche  Kinder  zu  reizend  wirke. 


*  Vergl.  das  Aotoreferat  in  di€$er  Zeitschr.y  Jahrgang  1902,  Heft  10. 


609 

■ 

wird  beseitigt  dadurch,  dafs  das  Wasser  unter  geringem  Druck  henmter* 
ftUt  und  den  Körper  in  einer  Neigung  von  45^  trifft.  Der  Einwand, 
dafs  man  mit  dem  Schulbad  eine  der  Schule  fremde  Institution  in  den 
Schulbetrieb  einfahre,  filUt  dahin,  wenn  man  sich  daran  erinnert,  dafii  zur 
Erziehung  der  Menschen  auch  die  Pflege  des  Körpers  gehört.  Das 
Brausebad  ist  ein  Mittel,  die  Kinder  an  Beinlichkeit  zu  gewöhnen.  Es 
haben  aber  die  Schulbäder  überhaupt  eine  grobe  gesundheitliche,  erziehe- 
rische und  soziale  Bedeutung.  Die  Kinder  gewinnen  ein  frischeres  Aus- 
sehen und  werden  geistig  regsamer.  Die  Eltern  werden  auch  sorgfältiger 
in  der  Bekleidung  der  Kinder,  da  das  Schamgefühl  eine  allzu  arge  Ver- 
nachlässigung sich  nicht  auf  die  Rechnung  schreiben  lassen  will.  Die  Er- 
folge des  Schulbades  mit  Bezug  auf  die  physische  und  intellektuelle  Ent- 
wicklung des  Kindes  wirken  anregend  in  der  Familie,  wecken  den  Rein- 
lichkeitssinn flberhaupt  und  tragen  so  zum  allgemeinen  Wohlbefinden  bei. 
Der  Verfasser  wünscht  mit  Recht,  dafs  die  Frage  der  Schulbäder  immer 
weitere  Freunde  finde.  Sein  Schriftchen  ist,  wenn  es  auch  den  Gegen- 
stand nicht  erschöpfend  behandelt,  doch  wohl  geeignet,  in  das  Oebiet 
einzufahren,  das  Interesse  zu  wecken  und  so  also  auch  dem  Schulbad 
neue  Freunde  zu  gewinnen.  K&ATT-Zürich. 

FeuiChenfeld,  Wilh.,  Dr.  Oesnndheitspfiege  deg  Auges  nebgt 
Ratgeber  cur  Berufswahl  für  AngenleideBde.  Mit  5  Original- 
zeichnungen im  Text.  Berlin.  Elwin  SUude,  1903,  kl.  8^,  79  S., 
Mk.  1,20. 

Ffir  den  Lehrer  ist  wohl  eine  Kenntnis  Aber  die  (Gesundheitspflege 
des  Auges  selbstverständlich  vom  besonderen  Werte,  da  er  hierdurch  in 
die  Lage  kommt  vieles  zu  yerhflten,  was  dem  Auge  schädlich  werden 
kann.  Der  Verfasser,  ein  auf  dem  Gebiete  der  Augenhygiene  bekannter 
Arzt,  hat  nun  den  bezüglichen  Stoff  in  knappster  Form  zusammengestellt, 
und  es  enthält  somit  diese  Arbeit  nur  das  Notwendigste,  was  jeder  Lehrer 
wissen  sollte.  Das  Buch  ist  in  gemeinverständlicher  Weise  geschrieben, 
so  daTls  selbst  Eltern  Nutzen  daraus  ziehen  können. 

Emanitel  BAYB-Wien. 


Bibliographie. 
Die  mit  *  beseichneten  Werke  wurden  der  Redaktion  zugesandt. 

Krugeeb- Wegmann,  Stadtarzt.  Lehre  von  der  ersten  Hufe  hä  UnßUen 
und  plötzlichen  Erkrankungen  in  Ferienkolonien^  nehst  einem  Anhang 
Über  Q-esundheitspflege  und  DiäteUk,  bearbeitet  für  Kolonieleiter.  2.  Aufl. 
Zürich,  Speidel,  1902.     Gr.  8^     JH.  0,75. 

KRüGERy  Richard,  Oberlehrer.  Die  Anlage  der  Schülhöfe.  Techn. 
Gemeindeblatt,  No.  24,  1903. 

*KUHN,  Alfb.,  Dr.  med.  Die  Hygiene  des  Unterrichts  in  Frankreich  und 
in  Elsafs '  Lothringen,  Sep.-Abdr.  a.  d.  Deutsch.  Yierteljahrsschr.  f. 
öff.  Gesundheitspfl.,  1903,  2.  Heft. 


510 

LOTZ,    H.,    Rektor.     Notwendigkeit   und  Möglichkeit   des   öbUgatorist^ien 

Schwimmunterrichts  in  der  Stadt,  besonders  in  der  Orofsstadt.    Körper 

u.  Geist,  No.  4,  1903. 
*Madsen,  Sigvard,  Dr.     Fra  Bergens  Folkeskölers  laegeraad  (Über  die 

Schulärzte  in  den  Volksschulen  Bergens).    Medicinsk  Be?ue,  April  1903. 
^Michaelis,  Ad.  Alf.    Pfianzenheilhmde,    1.  Lief.    Halle  a.  S.,  Gebauer 

Schwetschkes  Druckerei  u.  Verlag,  1903. 
^Pfeiffer,  L.,  Dr.    Begeln  für  die  Pflege  von  Mutter  und  Kind.  m.  Teil. 

Begel  für  das  Spielälter  (2.  bis  7.  Leben^ahr).     Mit  Schnittmustern 

für  gesundheitsgem&ise  Kleidung.  Weimar,  1903.   Kl.  8^  87  S.  iL  1,50. 
* Idem.    rv.  Teü.    Eegeln  für  das  SchUlalier  (7.  bis  14.  Lebens- 
jahr).    Weimar,  1903.     Kl.  8^     87  S.     M.  1,50. 
Rabczwill,  Minna.   Die  Gesundung  unserer  Frauentracht  und  die  Schule. 

Pädag.  Reform,  No.  18,  1903. 
Rechholtz,  Dr.,   Bezirksarzt.     Einige  wichtige  Fragen  aus  dem  GMneie 

der  Schtägesundheitspflege.     Vortrag.     Flöha,  Peitz,  1903.    8^    16  S. 

JK.  0,25. 
*S0HiLLlNa,  Fb.,  Dr.  med.    Die  Krankheiten  der  Speiseröhre.    Mit  14  Ab- 
bildungen.    Leipzig,   Härtung  &  Sohn,   1903.     8^     86  S.     M.  1,80. 
*Schutten,   M.  C,    Dr.,  Prof.     Over  de  snelheid  der  uitstrcilingswarmte 

van  het  lichaam  (Über  die  Schnelligkeit  der  W&rmestrahlung  yom  Körper). 

Sep.-Abdr.   aus   „Handelingen  von  het  zesde  Vlaamsch  Natunr-  en  Ge- 

neeskundig  Gongress**,  1902. 
*SHERRiNaT0N,   0.  S.,   Prof.     Discussion  on  applied  Hygiene  for  School 

Teachers.     (Arranged  by  Bedford  College  for  Women  and  the  Sanitary 

Institute.)     Joum.  of  the  Sanitary  Institute.     London,  April  1903. 
*STETTER,KoNR.,Dir.  Qucr  durch  die  SchtUbcutkftrage.  Vortrag.  Horba.  P., 

Paul  Christian,  1903.     S^.     60  S. 
Stbohmeteb,    Ernst.     Tumunt&rricht  und   Körperpflege.     Körper  und 

Geist,  No.  1,  2  u.  3,  1903. 
*Wehrhahn,  A.,  Dr.    Das  Volksschukoesen  der  kgl  Haupt'  und  Besidenä- 

Stadt  Hannover.     Hannover,  1903.     8^.     119  S. 
Wbrniokb,  E.,  Prof.     Verstu^  mit  Fufshodenöl  und  seine  Verwendung 

in  Schulen.     L  Teil.     Leipzig,    Leineweber,    1903.     Gr.  8^     18  S. 

Ji.  0,70. 
WooDT,  Alice.     Coeducation.     A   series   of  essays  by  yarious  authors. 

Longmans,  Green  and  Co.,  London,  1903.     148  S. 
Zander,  R.,  Dr.,  Prof.     Welche  Leibesübungen  schließen  sich  bei  schwäd^ 

liehen  Kindern  aus?    Die  Gesundheitswarte  der  Schule,   1903,  No.  4. 


§tt  ^äfnlav^t 


L  Jahrgang.  1903.  No.  7. 


iftrtgtitalab^aitblnngeit* 


Das  Schulantwesen  in  Deutschland.^ 

Beriolii  über  die  Ergebnisse  einer  Umfrage  bei  den 
gröfseren  Städten  des  dentsohen  Reiches. 

Von 
Dr.  Paul  ScHUBEBT-Nümberg. 

I.  Oeschichtlicher  Rfickblick. 

Der  ärztliche  Dienst  in  den  Schulen  steht  in  engem  Zusammen- 
hang mit  der  allgemeinen  Schulpflicht.  Wenn  der  Staat  die  Eltern 
nötigt,  ihre  Kinder  sieben  bis  aoht  Jahre  lang  einer  öffentlichen 
Schule  zu  überlassen,  so  ist  er  yerantwortlich  für  jeden  Schaden, 
welcher  möglicherweise  dem  einen  oder  dem  anderen  Kinde  durch 
mangelhafte  Einrichtungen  der  Schulgebäude  oder  des  Schulbetriebes 
erwachsen  können.  In  diesem  Sinne  kann  man,  wenn  auch  nicht 
yon  einer  gesetzlichen,  So  doch  von  einer  ethischen  Haft- 
pflicht der  Schulbehörden  sprechen. 

Daher  sind  auch  in  Deutschland,  dem  Lande  der  allgemeinen 
Schulpflicht,  die  ersten  Stimmen  laut  geworden,  welche  die  ärztliche 
Schulau&icht  gefordert  haben.  Man  denke  an  Dr.  Joh.  Pbt.  Fkakk, 
Dr.  0.  LoRiNSEB  und  Dr.  Fbisdb.  Falk.  Diese  Stimmen  yer- 
hallten  zunächst  ungehört.  Es  bedurfte  des  Nachweises,  dals  in 
Wirklichkeit  der  Schulbesuch  in  gewissen  Fällen  körperliche  Nach- 
teile mit  sich  bringt,   dafs  es  in  der  Tat  Schulkrankheiten  gibt 

Und  wieder  war  es  ein  deutscher  Arzt,  Hkrmank  Cohn,  welcher 
im  Jahre  1867    durch   seine   bahnbrechenden  Untersuchungen   den 


*  Erweiterung  eines  VortrageB  in  der  hygienisohen  Sektion  des  XIY.  inter- 
nationalen  medianischen  EongreBset  zu  Madrid. 

Der  Sehularit.  L  14 


118  512 

Naohweis  lieferte,  dals  die  Myopie  in  der  Sohule  und  groüsenteib 
duroh  die  Schale  entsteht;  daüs  grobe  hygienische  Sünden  bei  den 
Schnlgebäuden,  bei  deren  innerer  Einrichtung  und  beim  Unterricht 
selbst  die  Myopie  in  hohem  Grrade  begünstigen;  dafe  Staat  und 
Gemeinde  yieles  zur  Verhütung  tun  könnten,  wenn  sie  sach- 
verständigem Bat  folgen  wollten ;  und  dals  aus  allen  diesen  Gründen 
eine  ärztliche  Überwachung  der  Schule  dringend  notwendig  ist.  — 
Hebm.  Cohn  hat  jahrzehntelang  mit  gröistem  Nachdruck  den  Buf 
nach  dem  Schularzt  erhoben  und  ist  dabei  von  den  namhaftesten 
deutschen  Vertretern  der  Hygiene  unterstützt  worden.  So  insbesondere 
1877  auf  der  Versammlung  des  deutschen  Vereins  für  ö£Fentliche 
Gesundheitspflege  zu  Nürnberg,  1880  auf  der  Naturforscher- 
versammlung in  Danzig,  1882  und  1887  auf  den  internationalen 
Hygienekongressen  in  Genf  und  Wien. 

Wenn  somit  Deutschland  das  Bedür&is  nach  Schulärzten  mit 
in  der  vordersten  Beihe  erkannt,  begründet  und  nachdrücklich  aus- 
gesprochen hat,  so  war  es  andererseits  Deutschland  nicht  besohieden, 
bei  der  Einführung  der  Schulärzte  in  die  Praxis  an  der  Spitze  zu 
marschieren. 

Es  scheint,  dafe  zuerst  Brüssel  im  Jahre  1874  eine  hygienische 
Überwachung  der  Schulen  angeordnet  hat. 

In  Paris  besteht  schulärztlicher  Dienst  seit  1879,  und  für  ganz 
Frankreich  wurde  1893  den  Armenärzten  der  Gremeinden  die  Beauf- 
sichtigung aller  öffentlichen  Schulen  und  der  Schulkinder  übertragen. 

Antwerpen  ordnete  1882  an,  dab  vier  ärztliche  Inspektoren 
allwöchentlich  jede  Klasse  ihres  Bezirkes  besuchen,  die  Kinder  be- 
sichtigen und  nach  Ermessen  auch  genauer  untersuchen  sollen. 

Für  Ungarn  hat  der  Ministerialerlafs  vom  Jahre  1887  Schul- 
ärzte, allerdings  nur  für  die  höheren  Lehranstalten,  geschaffen,  mit 
der  Verpflichtung,  die  Schulräume  gestmdheitlich  zu  überwachen, 
alle  neueintretenden  EjDder  genau  zu  untersuchen  und  in  den 
Schulen  hygienische  Vorträge  zu  halten. 

Auch  Moskau  besitzt  durch  BeschluiB  der  Stadtverordneten- 
versammluDg  seit  1888  Schulärzte,  welche  alljährlich  sämtliche 
Schüler  zu  untersuchen  und  den  Befund  in  die  Sanitätsliste  des 
Eandes  einzutragen  haben. 

In  Deutschland  gab  es  bis  zu  dieser  Zeit  noch  keine  Schulärzte 
im  heutigen  Sinne. 

Die  Energie,  mit  welcher  von  ärztlicher  Seite  die  Forderung 
von  Schulärzten  verfochten  wurde,    hatte  in  Deutschland  einen  leb- 


518  119 

haften  Widersprach  waohgerufen.  Besonders  stiefs  der  Satz,  dafs 
man  den  Schularzt  mit  diktatorischer  Q-ewalt  anastatten  müsse, 
dais  er  befugt  sein  solle,  ungenügend  beleuchtete  Schulzimmer 
sofort  zu  schlielsen,  ganz  ebenso,  wie  man  einen  yergifteten  Brunnen 
zuschüttet,  auf  heftigen  Widerstand  sowohl  bei  den  städtischen 
Behörden,  wie  bei  den  Lehrern.  Das  deutsche  Schulwesen  hat 
eine  straffe,  festgeAigte  Organisation,  die  in  gewissem  Sinne  mit 
unserem  Heerwesen  yergleichbar  ist,  und  in  dieser  streng  diszipli- 
nierten Ordnung  gibt  es  für  einen  Schularzt  mit  autokratischen 
Buchten  keinen  Baum.  Obwohl  die  Lehrer  von  einer  plötzlichen 
und  nachsichtslosen  Beseitigung  hygienischer  Hiüsstände  auch  persön- 
lich nur  Vorteil  zu  erwarten  gehabt  hätten,  so  bäumte  sich  doch  ihr 
Korpsgeist  gegen  einen  solchen  „neuen  Vorgesetzten",  wie  sie  den 
Schularzt  zu  bezeichnen  pflegten,  einmütig  auf. 

Noch  weit  mehr  aber  trugen  die  Stadtbehörden  Bedenken,  mit 
ihrem  Geld  einen  Schularzt  zu  besolden,  der  die  Befugnis  haben 
sollte,  durch  einen  Federstrich  Millionen  für  Schul-Neubauten  ins 
Bollen  zu  bringen. 

Nicht  die  Ausgaben  für  das  schulärztliche  Honorar  haben  die 
Städte  gescheut.  Das  sind  für  einen  städtischen  Haushalt  doch  nur 
geringe  Summen.  Li  Nürnberg  z.  B.  betragen  die  jährlichen  laufenden 
Ausgaben  für  den  Schulbetrieb  etwa  27«  Millionen  Mark,  das 
Honorar  für  die  Schulärzte  aber  nur  5200  Mark,  mithin  nicht  ganz 
7«%  des  Schuletats.     Das  ist  gewilis  nicht  nennenswert. 

Wohl  aber  schracken  die  städtischen  Behörden  vor  den  grofsen 
Ausgaben  zurück,  welche  ein  Schularzt  mit  „diktatorischer  Gewalt ** 
voraussichtlich  für  seine  Anstalten  fordern  würde. 

Bald  jedoch  fanden  sich  einsichtsvolle  Magistrate,  die  einerseits 
den  Schularzt  nicht  fürchteten,  weil  derselbe  niemals  eine  gröfsere 
Macht  ausüben  kann,  als  die  Stadtverwaltung  selbst  ihm  überträgt, 
und  die  andererseits  die  guten  Dienste  zu  würdigen  wufeten,  welche 
der  Arzt  bei  ansteckenden  und  ekelerregenden  Erkrankungen,  bei 
Gesuchen  um  Befreiung  von  einzelnen  Unterrichtsgegenständen  und 
bei  Verdacht  ungerechtfertigter  Schulversäumnisse  der  Schule  zu 
leisten  versprach. 

Eine  gewisse  Besorgnis,  der  Schularzt  könnte  als  Usurpator 
auftreten  und  nach  ungebührlicher  Erweiterung  seiner  Machtbefug- 
nisse trachten,  macht  sich  indessen  bis  zum  heutigen  Tage  bei  den 
Schulbehörden  in  Deutschland  bemerkbar  und  spiegelt  sich  in 
manchen,    in  den  schuläiztlichen  Dienstordnungen  ganz  regelmäfsig 

Der  Schnlsrit.   I.  15 


120  514 

wiederkehrenden  Bestimmungen,  so  z.  B.  in  der  Verfügung,  dalß  der 
Schularzt  beohaohtete  Müsstände  zwar  zur  Sprache  bringen  soll, 
dabei  aber  niemandem  einen  Befehl  erteilen  darf,  nicht  einmal  dem 
Hausmeister  oder  Schuldiener.  Auch  das  Verbot,  Schülerunter- 
suchungen zu  rein  wissenschaftlichen  Zwecken  vorzunehmen,  sowie 
die  Weisung,  während  des  Unterrichtes  ein  Klassenzimmer  nur  nach 
ausdrücklich  yom  Rektor  eingeholter  Elrlaubnis  zu  betreten,  bedeutet 
eine  Abwehr  gegen  befürchtete  Übergriffe  des  Schularztes. 

Es  muTs  biUigerweise  eingeräumt  werden,  dals  die  Schulbehörde 
mit  diesen  einschränkenden  Bestimmungen  nur  ihr  gutes  Recht 
wahrt.  Der  Schularzt  soll  und  darf  nichts  anderes  beanspruchen,  als 
die  Rolle  eines  beratenden  und  in  gewissen,  genau  vorgeschriebenen 
Obliegenheiten  die  eines  ausführenden  Organs  der  Schulbehörde. 
Er  muis  sich  in  die  Hierarchie  derselben  ganz  ebenso  willig  einfügen, 
wie  der  Militärarzt  in  die  des  Heerwesens.  Die  Wirksamkeit  des 
Schularztes  wird  auch  innerhalb  dieses  Rahmens  eine  recht  gedeih- 
liche sein,  vorausgesetzt,  dafs  man  ihm  nicht  durch  gar  zu  bureau- 
kratische  Beeinflussung  die  Berufsfreudigkeit  trübt  und  die  erforder- 
liche Initiative  bei  Anregung  sanitärer  Verbesserungen  lahm  legt. 

Das  Verdienst,  zuerst  in  Deutschland  dem  Schularzt  die  Pforten 
geöffnet  zu  haben,  gebührt  den  Städten  Leipzig  und  Dresden. 
Die  ersten,  allerdings  noch  sehr  unvollständigen  Versuche  machte 
Dresden  schon  im  Jahre  1867,  indem  drei  Ärzte  angestellt  wurden, 
welche  zeitweise  dem  Turnunterricht  beizuwohnen  hatten,  von  den 
Direktoren  mit  Untersuchung  einzelner  Kinder  beauftragt  und  wiederholt 
bei  epidemischen  Augenkrankheiten  in  Anspruch  genommen  wurden. 

Eigentliche  Schulärzte  waren  dies  jedoch  nicht.  Ak  Geburts- 
jahr des  deutschen  Schularztes  ist  vielmehr  das  Jahr  1889 
anzusehen. 

Auf  einen  Antrag  des  Dezernenten  des  Leipziger  Volksschul- 
wesens beschlossen  daselbst  im  genannten  Jahr  die  städtischen  Behörden, 
eigene  Schulärzte  anzustellen.  Das  Ministerium  erteilte  im  folgenden 
Jahre  die  Genehmigung,  und  im  Jahre  1891  traten  in  Leipzig  die 
ersten  deutschen  Schulärzte  in  Tätigkeit.  Schon  1893  folgten  diesem 
Beispiel  Dresden  und  einige  andere  sächsische  Städte,  denen  sich 
1897  Nürnberg  anschlofs.  Alle  anderen  deutschen  Städte  standen 
damals  noch  abwartend  zur  Seite.  Von  dem  neuen  Aufschwung  des 
Schularztwesens,  welcher  sich  zu  dieser  Zeit  in  Wiesbaden  vor- 
bereitete, wird  noch  zu  sprechen  sein. 

Li   jenem  Stadium    der  Entwicklung    der  deutschen  Schularzt- 


615  121 

-firage  befand  sioh  die  Hygiene  des  Schul gebäudes  und  seiner 
inneren  Ausstattung  im  Vordergrunde  des  Interesses,  und  die  Ob- 
liegenheiten der  Schulärzte  bestanden  hauptsächlich  in  Begehung  der 
Schulräume  und  in  Überwachung  der  Beinliohkeit,  der  Ventilation 
und  Heizung,  sowie  des  baulichen  Zustandes  der  Schule  in  allgemein 
hygienischer  Hinsicht. 

Es  war  den  Ärzten  „erlaubf^,  bei  ihren  Schulbesuchen  einzelne 
Kinder  einer  genaueren  ärztlichen  Untersuchung  zu  unterwerfen, 
doch  mit  der  Beschränkung,  dals  dies  nur  zu  geschehen  habCi  soweit 
die  Interessen  des  Unterrichts  dabei  in  Frage  stehen.  Man  war 
noch  nicht  zu  der  Einsicht  gekommen,  daGs  eine  genaue  Kenntnis 
der  körperlichen  und  geistigen  Qualitäten  eines  jeden  Kindes  fär 
den  Unterricht  von  Wichtigkeit  ist,  und  betrachtete  die  allgemeine 
Untersuchung  aller  Schüler  teils  als  zeitraubenden  und  unterricht- 
störenden „wissenschaftlichen  Sport*',  teils  als  unerlaubten  Eingriff 
in  die  Bechte  der  Eltern,  in  jedem  Falle  aber  als  eine  Privat- 
angelegenheit und  als  abseits  vom  Arbeitsfelde  der  öffentlichen 
Oesundheitspflege  gelegen. 

Auf  diesem  Gebiet  trat  erst  später  durch  Wiesbaden  eine 
Umwertung  der  Begriffe  ein.  Bis  dahin  hatte  man  eine  allgemeine 
Untersuchung  der  Schüler  nur  dann  als  im  öffentlichen  Interesse 
gelegen  angesehen,  wenn  akute  Infektionskrankheiten  in  einer  Klasse 
auftraten.  Die  Schulärzte  waren  in  solchem  Falle  verpflichtet,  auf 
Oeheifs  des  Amtsarztes,  dem  durch  die  G-esetze  die  Überwachung 
und  Bekämpfang  der  Epidemien  übertragen  ist,  die  Kinder  zu  be- 
sichtigen tmd  Meldung  zu  erstatten. 

Eine  untergeordnete,  aber  von  den  Schulbehörden  gern  in 
Anspruch  genommene  Tätigkeit  der  Schulärzte  bestand  endlich  in 
der  auf  Antrag  vorzunehmenden  Untersuchung  einzelner  Eänder  bei 
Verdacht  ungerechtfertigter  Schulversäunmis. 

Im  übrigen  aber  beschränkte  sich  der  regelmäfsige  schulärzt- 
liche Dienst  in  jener  Epoche,  die  ich  als  die  „Vor- Wiesbadener^  be- 
zeichnen möchte,  fast  ganz  auf  die  hygienische  Überwachung  des 
Schulhauses.  Dies  stand  auch  im  Einklang  mit  den  vom  Genfer 
internationalen  Hygienekongrefs  über  die  Aufgaben  des  Schularztes 
aufgestellten  Leitsätzen,  welche  sich  hauptsächlich  mit  dem  Bauplan 
und  den  Lichtverhältnissen  der  Schulen,  mit  Heizung  und  Venti- 
lation, mit  den  Subsellien  und  deren  richtiger  Besetzung,  mit  der 
Körperhaltung  und  dem  Bücherdruck  befafeten,  dann  auch  schul- 
ärztliches  Einschreiten    bei   ansteckenden   Erkrankungen    forderten, 

16» 


122  516 

aber  eine  ftntliohe  üntersaohtuig  aller  Kinder  in  etwas  einseitiger 
Weise  nnr  hinsiohlliclL  der  Angen  fUr  notwendig  erklärten. 

In  Dänemark  und  Schweden  war  inzwischen  durch  die 
grols  angelegten  IJntersuchnngsreihen  von  Axkti  ELbbtel  und  Axeii 
Est  der  Nachweis  geliefert  worden,  dafs  nicht  nur  die  Kurz- 
siohtigkeit,  sondern  auch  eine  grobe  Reihe  allgemeiner  G-esnndheits- 
störongen  bei  den  Kindern  des  schulpflichtigen  Alters  sich  Torfinden, 
and  dais  manche  Umstände  den  Verdacht  auf  üble  Einflüsse  des 
Schulbetriebes  nahe  legen.  Die  im  gleichen  Geiste  geführten  Unter- 
suchungen von  ScHMiB-MoNKARD  haben  dies  dann  auch  f&r  deutsche 
Verhältnisse  dargetan.  Dadurch  wurde  die  Auffassung  von  dem 
Arbeitsgebiet  des  Schularztes  erweitert  und  nach  der  Richtung  der 
individuellen  sanitären  Überwachung  der  Schulkinder 
bereichert. 

Vor  allem  muTs  hier  auf  Wiesbaden  hingewiesen  werden,  wo 
man  zunächst  probeweise  eine  genaue  Untersuchung  aller  Schüler 
vornahm  und  dabei  einem  unerwartet  hohen  Prozentsatz  von  Krank- 
heitszuständen  begegnete,  von  welchen  weder  die  Schüler  selbst, 
noch  deren  Lehrer  und  Eltern  eine  Ahnung  hatten,  die  auch  dem 
sachverständigen  Blick  des  Arztes  bei  blo&er  Besichtigung  verborgen 
geblieben  waren  und  erst  bei  genauer  Untersuchung  diagnostiziert 
werden  konnten.  Diese  Leiden  standen  vielfach  in  Wechselbeziehung 
zur  Schule,  indem  sie  teils  die  Erreichung  des  Unterrichtszieles 
erschwerten,  teils  durch  gewisse  Zweige  des  Schulbetriebes  nachteilig 
beeinfluJBt  wurden.  Dadurch  drängte  sich  der  Wiesbadener  Schul- 
behörde die  Überzeugung  auf  von  dem  greisen  Nutzen  einer  ärzt- 
lichen Untersuchung  aller,  oder  doch  zum  wenigsten  aller  neu 
in  die  Schule  eintretenden  Kinder.  Der  probeweisen  Unter- 
suchung folgte  bald  die  ständige  Einrichtung,  die  überdies  an  manchen 
aulserdeutschen  Orten,  z.  B.  in  Ungarn,  schon  seit  Jahren  bestand. 

Die  Wiesbadener  Schulordnung  enthält  darüber  folgende  Be- 
stimmungen: Bei  jedem  Kinde  werden  planmälsig  Herz,  Lunge, 
obere  Luftwege,  Wirbelsäule,  Haut,  die  höheren  Sinnesorgane,  bei 
Elnaben  auch  die  Bruchpforten  untersucht  und  der  Befund  wird  in 
einen  Gesundheitsbogen  eingetragen,  der  das  £and  von  Klasse  zu 
Klasse  begleitet,  um  gelegentlich  durch  Eintragungen  über  die 
körperliche  Entwicklung  ergänzt  zu  werden.  Zweimal  im  Jahre 
nimmt  der  Lehrer  Messungen  der  Körperlänge  und  Wägungen 
vor.  Wo  es  erforderlich  scheint,  hat  der  Schularzt  selbst  Messungen 
des  Brustumfanges   hinzuzufügen.     Kinder,   deren  regelmäfsige  ärzt- 


517  12J 

liehe  Überwaohnng  wünschenswert  eisoheint,  erhalten  einen  ent* 
sprechenden  Vermerk  auf  ihrem  Gesundheitsbogen  nnd  müssen  dem 
Schularzt  bei  seinen  in  gewissen  Zwischenräumen  im  Schulhaiose 
abEuhaltenden  Sprechstunden  zor  Kontrolle  yorgeführt  werden.  Die 
genaue  Untersuchung  aller  Schüler  ist  im  dritten,  fünften  und  achten 
Schuljahr  zu  wiederholen.  Der  Schularzt  hat  auf  Grund  dieser 
Untersuchungsergebnisse  dem  Lehrer  Winke  zu  geb^i  über  Berück- 
sichtigung beim  Unterricht,  über  Zuteilung  bestimmter  BankplAtze, 
Befreiung  von  einzelnen  ünterrichtszweigen,  vom  Turnen,  Singen 
oder  Ton  der  Benutzung  der  Schulbrausebsder.  Wenn  sich  Er- 
krankungen vorfinden,  welche  ärztliche  Behandlung  erfordern,  so  ist 
den  Eltern  davon  durch  die  Schulbehörde  in  schonender  Form 
Kenntnis  zu  geben.  Der  Schularzt  selbst  hat  mit  der  Behandlung 
der  Kinder  nichts  zu  tun. 

Die  Wiesbadener  schulärztlichen  Einrichtungen  fanden  Beachtiuig 
beim  preußischen  Kultusministerium,  welches  sieh  im  Jahre  1898 
in  einem  Bundeserlals  dahin  aussprach,  dalls  die  Schulärzte  nach 
Wiesbadener  Muster  einen  nicht  zu  unterschätzenden  Nutzen  für 
Volks-  und  Mittelschulen  bieten,  dafs  dieselben  mit  den  Schul- 
zwecken wohl  vereinbar  und  ohne  Schwierigkeit  praktisch  durch- 
führbar sind. 

Mit  der  Wiesbadener  Schularztordnung  beginnt  eine 
neue  Epoche  in  der  Entwicklung  des  Schularztwesens  in 
Deutschland;  dieselbe  ist  gekennzeichnet  durch  eine  stärkere  Be- 
tonung der  Hygiene  des  Schulkindes,  ohne  dab  dabei  die 
vorher  fast  aueschlieislich  gepflegte  Hygiene  des  Schulhauses  eine 
Vernachlässigung  erlitt.  Sie  ist  femer  dadurch  gekennzeichnet,  daXs 
die  Ausbreitung  des  Schularztwesens  in  Deutschland,  welche  bis 
dahin  überaus  zögernd  und  langsam  vor  sich  gegangen  war,  nunmehr 
einen  raschen  AufBchwung  nahm,  indem  viele  greisere  und  mitÜere, 
ja  sogar  manche  kleinere  Städte  sich  für  Schulärzte  entschieden. 
Es  wurde  dabei  meistenteils  nach  Wiesbadener  Vorbild  verfahren, 
wenn  auch  in  einigen,  besonders  in  kleinen  Städten  Abweichungen 
von  diesem  Schema  vorkommen. 

Vielfach  hat  man  die  Armenärzte,  an  einzelnen  Orten  auch  die 
Polizei-  oder  Stadtftrzte  mit  den  schulärztlichen  Funktionen  betraut 
und  hierbei  zuweilen  rudimentäre  Einrichtungen  geschaffen,  die  nicht 
allen  Ansprüchen  genügen.  Im  allgemeinen  aber  wurden  nach  Be- 
kanntwerden der  Wiesbadener  Einrichtungen  die  neuaufgestellten 
Schulärzte  mit  der  grauen  Untersuchung  aller  Schulneulinge  beauf- 


124  518 

tragt.  Selbst  die  Städte  mit  älteren  sohulärztlioben  Einriohtungen 
wendeten  sich  jetzt  von  der  früheren  allzn  engen  Anffassung  der 
Tätigkeit  des  Sohnlarztes,  der  eigentlich  fast  nur  ein  Schnlhaus- 
arzt  war,  ab.  Leipzig  nnd  Chemnitz  haben  ihre  Dienstord- 
nung schon  vor  mehreren  Jahren  nach  Wiesbadener  Muster  umgestaltet, 
und  in  Dresden  und  Nürnberg  besteht  die  gleiche  Absicht. 

Wer  diese  Epoche  des  Schularztwesens  überblickt,  muTs  deu 
Eindruck  gewinnen,  dais  es  gerade  die  erhöhte  Obsorge  für  die  in- 
diriduelle  Hygiene  des  Schulkindes  war,  welche  der  Institution 
schnelleren  Eingang  bei  den  städtischen  Behörden  verschafft  und 
manches  in  der  Lehrerwelt  herrschende  Vorurteil  verscheucht  hat. 
Das  Nutzbringende  der  schulärztlichen  Tätigkeit  trat  deutlicher  in 
die  Erscheinung,  und  die  oft  wiederholte  Frage:  „Kann  der  Schul- 
arzt durch  den  Lehrer  ersetzt  werden  P'^  begann  allmählich  zu  ver- 
stummen. In  pädagogischen  und  ärztlichen  Zeitschriften,  sowie  in 
der  Tagespresse  häuften  sich  die  Nachrichten  über  Neueinführung 
von  Schulärzten  in  gröiseren  und  kleineren  Städten.  Auf  der 
m.  Jahresversammlung  des  Allgemeinen  deutschen  Vereins  für  Schul- 
gesundheitspflege zu  Weimar  berichtete  Abthub  Habtmann,  dafs 
17  unter  den  33  deutschen  Groisstädten  (von  mehr  als  100000  Ein- 
wohnern) schulärztliche  Einrichtungen  besitzen,  und  Professor  Leu- 
BüSCHJBB  führte  derselben  Versammlung  den  Arbeitsplan  der  ersten 
Landschulärzte  Deutschlands  im  Herzogtum  Meiningen  vor. 

In  letzter  Zeit  wurde  es  indessen  immer  schwerer,  ein  klares 
Bild  über  die  Ausbreitung  und  vor  allem  über  die  örtlichen  Be- 
sonderheiten des  schulärztlichen  Dienstes  in  Deutschland  zu  gewinnen, 
da  die  aus  verschiedenen  Quellen  fliefsenden  Nachrichten  sich  zu- 
weilen widersprachen,  oft  nur  dürftige  und  laienhafte  Mitteilungen 
brachten  oder  mit  solcher  Verspätung  eintrafen,  dais  von  jahrelang 
bestehenden  Einrichtungen  nur  gelegentlich  und  wie  zuMlig  etwas 
in  die  ÖfiFentlichkeit  drang. 

Die  Schriftleitung  des  ,^8chulargt^  betrachtete  es  daher  als  eine 
ihrer  ersten  Aufgaben,  über  das  Schularztwesen  in  Deutschland 
möglichst  erschöpfende  und  vor  allem  zuverlässige  Nachrichten  ein- 
zuziehen. Zu  diesem  Zwecke  wurde  ein  Fragebogen  an  die  Magi- 
strate aller  deutschen  Städte  von  mehr  als  20000  Einwohnern  ver- 
sendet, mit  der  Bitte  um  Beantwortung  einer  ILeihe  bestimmt  for- 
mulierter, das  Wesentliche  des  schulärztlichen  Dienstes  um&ssender 
Fragen,  und  mit  der  ferneren  Bitte  um  Übersendung  der  Dienst- 
ordnungen und  der  in  Verwendung  stehenden  Formulare.    Auberden) 


519  125 

wurde  an  alle  beamteten  Ärzte  des  Dentsohen  Beiohes  (Kreisärzte, 
Bezirksärzte,  Oberamtsärzte  nnd  Physici)  ein  Formular  versandt,  in 
welcbem  die  Bitte  ansgesprooben  war,  anf  einer  beigefügten  Post- 
karte jene  Gemeinden  ihres  Amtsbezirkes  namhaft  zu  machen,  welche 
Schulärzte  verwenden;  die  Niohtbeantwortung  sollte  als  Fehlanzeige 
gelten.  Dadurch  wurde  erstrebt,  auch  über  die  kleineren  Städte  das 
Nötige  zu  erfahren  und  die  Zusammenstellung  möglichst  lückenlos 
zu  gestalten. 

Die  überwiegende  Mehrzahl  der  Magistrate  hat  in  dankens- 
wertester Weise  jede  gewünschte  Auskunft  erteilt,  und  auch  von 
Seiten  der  Amtsärzte  kam  reiches  Material  in  Einlauf.  Manche  noch 
vorhandene  Lücke  konnte  durch  die  gütige  Auskunft  ortsansässiger 
Fachgenossen  ausgefüllt  werden,  nur  aus  wenigen  Orten,  die  am 
Schlufs  genannt  werden  sollen,  war  keine  Auskunft  zu  erlangen. 
Mit  diesem  Vorbehalt  darf  angenommen  werden,  data  das  zugeflossene 
Material  ein  nahezu  erschöpfendes  Bild  von  der  Verbreitung  der 
Schulärzte  in  Deutschland  darbietet. 

Der  nachfolgende  Bericht  umfafst  mehr  als  100  deutsche  Städte 
mit  rund  550  Schulärzten.  Das  Personalverzeichnis  der  deutschen 
Schulärzte  wird  nach  der  alphabetischen  Reihenfolge  der  Städte 
im  nächsten  Heft  veröffentlicht  werden. 

(Fortsetzang  folgt.) 


ftleinere  Jtttteiltttigeti. 


Schnlirzte  für  mittlere  n&d  hShere  Schulen.  Der  Stadtmagistrat 
von  Breslau  hat  die  Frage  erwogen,  ob  es  sich  empfehle,  auch  fQr  die 
städtischen  Mittelschulen  und  Gymnasien  Schulärzte  anzustellen,  um  für 
seine  Beratungen  eine  Grundlage  zu  gewinnen,  hat  der  Magistrat  ein  Gut- 
achten von  der  Schlesischen  Ärztekammer  erbeten.  Die  Zuschrift  an  die 
Ärztekammer  hat  folgenden  Wortlaut: 

„Es  unterliegt  fär  uns  keinem  Zweifel,  daTs,  soweit  die  hygienische 
Überwachung  der  Schulen  (Schulgrundstäcke  und  Grebäude)  in  Frage  kommt, 
eine  ärztliche  Mitwirkung  auch  bei  diesen  Anstalten  zweckmäfsig  sein 
würde,  dagegen  wurden  bei  Erörterung  der  Angelegenheit  erhebliche  Be- 
denken dagegen  laut,  die  schulärztliche  Aufsicht  auch  auf  die  Schaler  aus- 
zudehnen. Schon  das  Bedürfnis  hierzu  wurde  bestritten^  sowohl  in  Rdck- 
fiicht  anf  das  besondere  Schttlermaterial  der  höheren  Schulen,  als  auch  mit 


126  520 

dem  Hinweis  darauf,  da(s  ein  wesentlicher  Teil  der  scholSxztlichen  Tätig- 
keit an  den  Volksschulen,  die  Anfnahmeontersnchnngen  der  Lemanfftnger, 
hier  von  vornherein  in  Wegfall  komme.  Gegenüber  dem  Vorschlage  des 
Stadtarztes  bezüglich  des  Verfahrens  bei  Infektionskrankheiten  wnrde  be- 
merkt, daft  die  hierüber  bestehenden  Vorschriften  (Ministerialerlaß  vom 
14.  Juni  1884  und  6.  Angnst  1885)  sidi  als  ansreidiend  erwiesen  h&ttrat 
nnd  eine  Änderung  nicht  notwendig  erscheine.  Im  übrigen  versprach  man 
sich  von  der  Tätigkeit  des  ^»Schüler^arztes  wenig  Erfolg,  so  z.  B.  von  den 
Klassenbesuchen,  die,  notwendigerweise  auf  kurze  Zeit  beschränkt,  ein- 
gehende Beobachtungen  kaum  zulieüsen.  Hauptsächlich  aber  wurde  die 
Befürchtung  ausgesprochen,  daTs  die  schulätztliche  Überwachung  der  Sdiüler, 
wenngleich  jeder  Zwang  ausgeschlossen  sein  sollte,  zu  Konflikten  mit  den 
Eltern  führen  würde,  welche  durch  das  Einschreiten  des  Schularztes  die 
Autorität  ihres  Hausarztes  bedroht  sehen  könnten.  Auch  gegen  die  Wä- 
gungen und  Messungen  der  SchtÜer  erhob  sich  mehrfach  Widerspruch, 
nicht  nur  weil  ihre  Ausftlhrung  Schwierigkeiten  begegnen  würde,  sondern 
auch  weil  ihnen  ein  Wert  für  die  Schüler  nicht  b^zumessen  sei.  Bevor 
wir  uns  nun  schlüssig  machen,  ist  es  uns  erwünscht,  die  Ansicht  der  iürzte- 
kammer  in  dieser  Frage  kennen  zu  lernen.  Wir  ersuchen  deshalb  ergebenst 
um  eine  gefällige  gutachtliche  Äufserung,  ob  die  Ärztekammer  die  schul- 
ärztliche Überwachung  der  Schüler  an  den  mittleren  und  höheren  Schulen 
und  die  Wägungen  und  Messungen  derselben  für  angebracht  hält.** 

Noch  bevor  die  Ärztekammer  über  diese  Zuschrift  in  Beratung  ge- 
treten war,  beschäftigte  sich  die  hygienische  SdEtion  der  Schlesiechen  Ge- 
sellschaft für  vaterländische  Kultur  mit  diesem  Thema.  Professor  Hermanit 
CoHK  berichtete  über  das  Schreiben  des  Magistrats  und  über  ein  vom 
Stadtarzt  Dr.  Oebbegke  abgegebenes  Gutachten  und  beantragte  in  Über- 
einstimmung mit  letzterem  folgende  Resolution: 

„Die  hygienische  Sektion  hält  die  Anstellung  von  Schulärzten  auch 
in  den  mittleren  und  höheren  Schulen  für  sehr  wünschenswert.^ 

Zur  Motivierung  erwähnte  Cohn,  dals  es  wissenschaftlich  von  höchstem 
Werte  sein  würde,  wenn  der  Aufnahmebogen  auch  jedes  Schülers  der 
höheren  Schulen  uns  über  die  etwa  vorhandenen  Krankheiten  berichtete. 
Es  würde  diese  Statistik  sich  an  die  der  Volksschulen  genau  anschlieisen, 
und  wir  hätten  dann  einen  Einblick  in  den  Gesundheitszustand  aUer  Bres- 
hiuer  Kinder.  Die  Wägungen  und  Messungen  würden  von  hohem  anthro- 
pologischem Interesse  sein.  Sie  dauern  in  Klasse  und  Jahr  nur  eine  Stunde 
und  könnten  bequem  auf  dem  Turnplatz  gemacht  werden.  In  Bezug  auf 
die  Zehnminuten-Visiten  des  Schularztes  in  jeder  Klasse  stimmt  Prof« 
GOHN  allerdings  dem  Magistrate  bei;  sie  würden  in  den  höheren  Schulen 
ebenso  wertlos  sein  wie  in  den  Volksseholen;  in  aehn  Minuten  lassen 
sich  keine  wesentlichen  Beobachtungen  sMchen.  Dagegen  seien  die  sorg- 
samsten Avgenuntersuchttigen  bei  jedem  Schüler  von  SpeiiaUsteB,  nament'* 
lieh  in  den  höheren  Anstalten,  vorzunehmen,  in  denen  die  Kunsiditigkeit» 
wie  er  schon  vor  40  Jahren  nachgewiesen,  besonders  stark  grasäert» 
Referent  glaubt,  dab  fünf  Augenärste  für  die  10000  Kijuder,  die  ab« 
normes  Sehvermögen  haben,  genügen  würden,  und  meint,  dab  die  Oku- 
listen gleich  die  nötigen  Brillen  verordnen  künnten.    Haupteaohe  sei  aber 


581  127 

zonAdist»  da(s  die  Ärztekammer  dem  Magistrat  die  ABStellang  der  Schol'- 
finte  als  aotwendig  empfehle^  alles  SpeaieUe  weiteren  Berato&gen  ftber- 
lassend. 

Dieser  Ansicht  war  aach  Schularzt  Dr.  Samosoh,  welcher  in  der 
nftchsten  Sitzung  ein  ansftüirliehes  Referat  über  die  in  anderen  Stftdten 
Aber  diese  Frage  gepflogenen  Verhandlungen  zu  geben  yeacspTwh.  Sicher 
sei  der  Gesmidheitssostand  an  h(Aeren  Anstalten  dnrchschnittlidi  ein 
scUediterer  als  in  den  Yolksschnleni  Oft  genügt  die  elterliche  Fürsorge 
nicht.  Bs  wftre  wünsdienswert,  dab  detaillierte  Fragebogra  über  Gesund- 
heitszostand,  Arbeits-  und  Schlafenszeit  von  £ltem  und  Hans&rzten  ans- 
gefüllt  würd^;  diese  würden  den  Schularzt  gut  orientieren.  Gerade  bei 
den  höheren  Schulen  seien  die  durch  die  Schule  bedingten  Gesundheits- 
störungen häufiger  als  bei  den  niederen  Schulen. 

Geh.  Med.-Bart  Prof.  Dr.  Jaoobi  erkl&rte,  sich  nicht  denken  zu  können, 
dab  irgend  ein  Arzt  die  Ausdehnung  der  ärztlichen  Schulaufsicht  auf  die  höheren 
Schulen  nicht  befürworten  möchte;  doch  dürfen  die  Anforderungen  an 
diese  nicht  übertrieben  w^den.  Die  Schulärzte  in  den  Volksschulen  ent- 
sprechen vorwiegend  sozialpolitischen  Gesichtspunkte;  die  dortigen  Kinder 
entbehren  ganz  oder  teilweise  zu  Hause  der  ärztlichen  Aufsicht;  die  höheren 
Schulen  bedürfen  dagegen  einer  ärztlichen  Beaufsichtigung  d^  Schulhäuser 
und  Schuleinrichtui^en.  In  den  niederen  Schulen  ist  die  Schulzeit  viel 
kürzer  und  weniger  anstrengend;  auch  sind  die  meisten  unserer  Volks- 
schulen bereits  hygienisch  weit  besser  eingerichtet  als  viele  höhere  Schulen. 
Daher  genügen  für  die  Volksschulen  allgemein  gebildete 
Schulärzte,  für  die  höheren  Schulen  dagegen  ist  nur  durch 
Hygieniker  und  Augenärzte  etwas  Tüchtiges  zu  leisten.  In 
Breslau  könnte  das  städtische  Hygiaiische  Amt,  das  dem  Hygienischen 
Institut  der  Königl.  Universität  angegliedert  ist,  wenn  nötig,  mit  Hilfs- 
kräften herangezogen  werden.  Augenärzte  sind  nicht  zu  entbehren, 
weil  tatsächlich  die  Schädigung  der  Augen  die  verbreitetste 
und  wichtigste  Schulkrankheit  bildet  Umfassende  wissenschaft- 
liche Untersuchungen  dürfen  aber  als  regehnälsige  Aufgaben  den  Schul- 
ärzten nicht  au^ebürdet,  sondern  müssen  besondere  Kommissionen  zu 
gelegener  Zeit  vorbdbalten  werden. 

Die  von  Prof.  Cohk  beantragte  Besolution  wurde  nadi  eisgehender 
Debatte  einstimmig  angenomme. 

Zahninttieke  üatersnehiiBg  in  Schileii.  Die  Königl.  Regierung 
in  Arnsberg  hat  unter  dem  16.  Februar  d.  J.  folgende  Verftigung  er- 
lassen: Dar  Verein  deutscher  Zahnärzte  inWestfisden  hat  mit  unserer  Zu- 
stimmung zahnärztliche  Untersuchungen  in  mehreren  Schulen  unseres  Bezirks 
ausführen  lassen  und  sich  dazu  entschlossen,  diese  Untersuchungen  jetzt 
in  gröberem  Maisetabe  vornehmen  zu  lassen.  Auf  Antrag  des  zweiten 
Veruitaeiklen  der  zahnärztlichen  Untersuchungskommission,  Dr.  med.  Bösb- 
Dresdea,  haben  wir  gestattet,  dafe  die  Zahnärzte  Kaibbb  in  Amsbeiig, 
FBBTBBff  ia  Hamm,  ObvZiBPP  in  Unna,  Sohultb-Ebbert  in  Dortmund, 
Mbteb  in  Bochum,  Ziblaseowsky  in  Bochum,  Poth  in  Herne,  Dbnokel 
in  GelsenkirGheB,  Elvebfblbt  in  Gelsenkirchen,  Eöbspih«  in  Watten- 
sdieid)    WiTTKOP   in  Witten,    Lühmaitn  in  Lüdenscheid,   Schbidt   ia 


128  522 

Siegen,  Sohulz  in  Siegen  in  den  Volksschulen  ihres  Wohnsitzes  statistische 
Erhebungen  über  die  Ursachen  der  Zahnyerderbnis  anstellen.  Die  betreffenden 
Herren  Kreis-  und  Ortsschnlinspektoren  haben  hiemach  das  weitere  zn 
veranlassen  und  den  Anträgen  der  Zahn&rzte,  welche  sich  an  sie  wenden 
werden,  zn  entsprechen.  Ein  Zwang  ist  gegen  solche  Schfller,  welche  sich 
zur  Zahnuntersuchung  nicht  bereit  zeigen,  in  keiner  Weise  auszuflben. 

Tätigkeit  eines  Landschnlantes.  Der  fttr  den  Landkreis  Offen- 
bach im  vorigen  Jahre  angestellte  Schularzt,  Eüreisassistenzarzt  Dr.  Zdtsseb, 
erstattete  in  der  letzten  Ereistagssitzung  Bericht  Aber  seine  Tätigkeit  und 
und  den  Befund  der  von  ihm  besuchten  Schulklassen.  Besucht  waren 
151  Klassen  mit  11000  Schülern;  die  Untersuchungen  erstreckten  sich 
auf  Sehvermögen,  Schwerhörigkeit,  Stottern  und  sonstige  Gebrechen.  Sein 
besonderes  Augenmerk  richtete  sich  auf  die  Reinlichkeit  der  Kinder  und 
der  Schulräume.  Die  Schulräume  lassen  nach  dem  Bericht  noch  manches 
zu  wünschen  übrig.  Der  Schularzt  verlangte  für  die  Schulen  in  Sprend- 
lingen  sechs  weitere  Klassen  und  neue  Schulbänke  (an  Stelle  der  hundert- 
jährigen alten  Kasten).  Der  Bericht  des  Schularztes  ergab  die  volle  Be- 
stätigung der  schon  so  oft  von  den  Lehrern  vorgebrachten  Klagen  und 
Beschwerden  über  absolut  unzureichende  Reinigung  der  Schnlsäle  und 
überfüllte  Erlassen. 

Zur  Anstellung  von  Schnlärcten  in  Stettin,  schreibt  die  ,,N.  päd. 
Zig.^  folgendes:  „Die  Stettiner  Schularztfrage  hat  eine  überraschende 
Wendung  genommen.  Die  KOnigl.  Regierung  hat  die  Dienstordnung  für 
die  Schulärzte  nicht  bestätigt  und  zwar,  wie  verlautet,  wegen  des  von  der 
Lehrerschaft  bekämpften  Paragraphen,  der  auch  die  Beobachtung  des  ge- 
sundheitlichen Zustandes  der  Lehrpersonen  vorsah.  Die  schon  gewählten 
Schulärzte  haben  demgemäb  ihre  Funktionen  bei  der  Aufiiahme  der  neuen 
Schulrekmten  nicht  wahrnehmen  können.  —  Die  Stellungnahme  der  KOnigl. 
Regierung  gegenüber  der  städtischen  Schularztdienstordnung  entspricht  der 
motivierten  Bitte,  die  der  hiesige  Lehrerverein,  als  alle  Schritte  bei  den 
städtischen  Körperschaften  vergeblich  geblieben  waren,  an  die  vorgesetzte 
Behörde  absandte."  (Der  Widerstand  der  Lehrerschaft  gegen  diese  Forde- 
rung erscheint  uns  jedenfalls  nicht  im  Interesse  der  Schule.     D.  Red.) 

Ärctliche   Besichtignng  der  Schulen  in  Hamburg.    Wie  die 

„JV.  Hamh.  Ztg,^  meldet,  revidiert  Herr  Phjsikus  Dr.  Sievekino  im 
Auftrage  der  OberschulbehOrde  alle  Hamburger  Volksschulen  hinsichtlich 
der  hygienischen  Beschaffenheit  der  Schulzimmer,  der  Turnhallen  und  aller 
Nebenräume. 

Zur  Anstellung  von  Schulärzten.  In  vielen  norddeutschen  Zei- 
tungen erschien  in  letzter  Zeit  eine  gleichlautende,  angeblich  der  „Jf.  poUi, 
Korr."'  entnommene  Notiz  folgenden  Inhalts:  Nachdem  die  bisher  mit  der 
Tätigkeit  der  Schulärzte  in  verschiedenen  Städten  gewonnenen  Erfahrungen 
im  Interesse  der  Durchführung  einer  zweckentsprechenden  Schulhygiene 
günstige  Ergebnisse  geliefert  haben,  sind  die  Bezirksregierungen  bemüht, 
die  Anstellung  von  Schulärzten  für  die  Öffentlichen  Volksschulen  möglichst 
in  allen  grOlseren  Städten  einzuführen. 

Neue  Schulärzte«  In  Bunzlau  hat  der  Magistrat  beschlossen,  einen 
Schulzahnarzt  mit  460  Mark  Honorar  anzustellen.  —  Die  Stadtverordneten- 


523  129 

yersammliuig  in  Worms  hat  sich  fftr  Anstellung  von  drei  weiteren  Schul- 
ärzten entschieden.  —  In  GOttingen  hat  die  Stadtverwaltung  beschlossen, 
die  Tätigkeit  der  seit  1900  fungierenden  beiden  Schulärzte  auch  auf  die 
drei  vorhandenen  Warteschulen  auszudehnen. 

SchnUrcte  in  Colnmbia.  Wie  wir  dem  „Brit  med.  Jaum^ 
(No.  2205)  entnehmen,  hat  der  Eongreis  von  Columbia  die  Anstellung  von 
zwölf  Schulärzten,  von  denen  vier  der  farbigen  Basse  angehören  müssen, 
beschlossen.  Das  ausgesetzte  Grehalt  beträgt  6000  Dollar.  Die  Bewerber, 
die  eine  mindestens  fOnfjährige  ärztliche  Praxis  nachweisen  mflssen,  haben 
sich  einer  besonderen  Prüfung  zu  unterziehen. 


ftterartf4ie  ßtfpvt^nn%tn. 


Enigegmkug  auf  das  Referat  von  Dr.  Frank enbnrger  in  No.  6  des 

,,Schalar£t^<  (Seite  82  bis  85). 

Wenn  es  dem  Referenten  „merkwürdig*^  erscheint,  dafs  ich  gerade 
einzelne  zweifelnde  Berichte  citiert  habe  und  nicht  die  guten,  so  mufs  ich 
auf  Seite  16  meiner  Broschüre  verweisen,  wo  es  wörtlich  heifst:  „Wenn 
jedoch  immer  wieder  auf  die  , Notwendigkeit*  der  Anstel- 
lung von  Schulärzten  hingewiesen  wird,  mit  Rücksicht  auf 
deren  Erfolg,  so  müssen  auch  die  gegenteiligen  Erfahrungen 
mitgeteilt  werden.**  Wenn  dem  Referenten  die  Vororte  Berlins  nicht 
genügend  als  Beweis  für  meine  Behauptung  erschienen  sind,  dafs  da,  wo 
mangelhafte  hygienische  Schulverhältnisse  vorhanden,  die  Anstellung  von 
Schulärzten  allein  nicht  zur  Behebung  derselben  genüge,  so  verweise 
ich  ihn  auf  (JreifiBwald,  wo  am  1.  April  190S  die  Schulärzte  nach  zwei- 
jährigem Bestehen  zu  Grabe  getragen  worden  sind,  was  gewifs  nicht  als 
Beweis  dafür  anzusehen  ist,  dafs  sich  „das  System*'  bewährt  hat,  sowie 
auf  die  Erfahrungen  mit  den  vielgepriesenen  Schnlarzteinrichtungen  in  New 
York  (siehe  meine  Broschüre,  Seite  7),  um  daraus  zu  ersehen,  welche 
Früchte  die  Schularztfrage  für  uns  Ärzte  im  allgemeinen  ge- 
tragen hat.  Wogegen  ich  ankämpfe,  ist  doch  nicht  die  Beaufsichtigung 
der  Schule  und  Schulkinder  durch  Ärzte,  sondern  „das  System**,  wie  es 
vielfach  angewendet,  und  wie  es  speziell  auch  in  München  gemacht 
werden  soll. 

Wenn  Referent  femer  verlangt  (S.  84)  oder  glaubt,  dafs  es  durch- 
führbar erscheint,  dafs  Schulärzte  „oft  und  zu  allen  Zeiten  das  Schnlhaus 
besuchen**  dürften,  so  irrt  er  sich  gewaltig;  ich  habe  gerade  über  diese 
Frage  mit  allen  mafsgebenden  Persönlichkeiten  in  München  (ich  mufs 
immer  wieder  den  Schwerpunkt  darauf  legen,  dafs  ich  die  lokale  Lösung 
der  Frage  im  Auge  habe)  gesprochen  und  er&hren,  dafs  eine  derartige 
Forderung  schon  „aus  schultechnischen  Gründen"  niemals  erfüllt  werden 
kann. 


180  524 

Dab  auch  ohne  Schnlftrzte  eine  Bessemng  der  als  ,  mangelhaft^  yod 
mir  bezeichneten  Reinigong  —  der  wichtigsten  hygienischen  Forderong  — 
der  Schalen  möglich  und  durchführbar  ist,  hat  inzwischen  der  Erfolg  be- 
wiesen. Auf  meine  diesbezüglidie  Anregung  ist  one  Reihe  von  Artikeln 
in  der  Münchner  Tagespresse  erschienen,  darunter  ein  sehr  beachtenswerter 
,,aas  Fachkreisen"  im  ,, General- Anzeiger",  der  ^Mflnchener  Neuesten 
Nachrichten",  No.  188,  welcher  sich  eingehend  mit  der  von  mir  (in  meiner 
Broschüre,  Seite  13)  als  „£ine  Hausmeisterirage"  bezeichneten  Angelegen- 
heit befafst,  und  die  Folge  davon  war  ein  an  das  Gemeinde-Kollegium 
gelangter  Antrag:  „Der  Magistrat  mOge  ersucht  werden,  eine  Revision 
der  bisherigen  Vorschriften,  betreffend  die  Reinigung  von 
Schullokalitäten  bald  vorzunehmen,  da  die  bisher  geltenden  Bestim- 
mungen selbst  bei  genauester  Einhaltung  durch  die  Schulhausmeister  sich 
als  unzureichend  erwiesen  haben." 

Im  übrigen  muls  ich  den  Referenten  bezüglich  der  speziellen  Lösung 
der  Frage,  wie  ich  mir  die  „fachmännische"  (?)  —  d.  h.  durch  „Ärzte", 
nicht  durch  Lehrer  —  Beaufsichtigung  der  Schule  in  München  denke,  auf 
meinen  Artikel:  Amtliche  Schulärzte  oder  Schulärzte  im  Nebenamte?  Ein 
weiterer  Beitrag  zur  Schularztfrage  in  München  {Bayer,  HtbÜ.  Carre- 
spondenehly  No.  10  und  11),  verweisen. 

Dr.  Hcrao  STSBNFSLB-Mflnchen. 

Dr.  A.  Steiger.  Zweck  und  Methode  der  AigemmtersiiiAiuigen 
in  den  Yolksaehnlen«  (Jahrbuch  der  Schweizerischen  Gesellschaft  Ür 
Schulgesundheitspflege.  1902.  L) 

Um  über  den  Orad  der  Schädigung  des  Auges  durch  die  Schule  und 
über  die  Frage,  ob  die  Schule  als  Ursache  der  hochgradigen  Kurzsichtige 
keit  anzusehen  ist,  Gewifsheit  zu  haben,  müssen  vor  allen  Dingen  alle 
Kinder  beim  Eintritt  in  die  Schule  genau  auf  ihre  Refraktion  untersucht 
werden.  Und  zwar  ist  es  unbedingt  notwendig,  da(s  die  Untersuchung 
eine  ärztliche  sei  und  nicht  dem  Gutdünken  des  Lehrers  überlassen  werde; 
denn  ehe  der  Lehrer  auf  eine  Anomalie  des  Sehorgans  auflnerksam  wird, 
ist  meist  schon  ein  erheblicher  Grad  des  Brechungsfehlers  vorhanden.  Be- 
sonders muls  immer  und  immer  wieder  der  weit  verbreiteten  Ansicht  d^  Laien 
gegenübergetreten  werden,  dafs  die  „Gewöhnung**  an  eine  Brille  etwas 
Schädliches  sei,  und  immer  wieder  mufs  betont  werden,  dais  ein  richtiges, 
zweckentsprechendes  Augenglas  geeignet  ist,  nicht  nur  das  Sehorgan  zu 
schonen  und  leistungsfähig  zu  machen,  sondern  auch  auf  die  ganze  geistige 
Entwicklung  des  Kindes  einen  heilsamen  Emfluls  anszaüben. 

Verfasser  beschreibt  des  weiteren  die  Methode  und  praktische  Aas- 
ftthmng  der  Augenuntersuchung  in  den  städtischen  Schulen  Zürichs  und 
stellt  die  überaus  lehrreichen  Resultate  in  übersichtlichen  Tabellen  zusanmien. 
Bezüglich  der  Einzelheitea  muls  auf  das  Original  verwiesen  werden.^ 

Dr.  HsiMAim-Chartottenburg. 

^  Siehe  auch  diese  Zeiteehrift,  1902,  S.  128. 


525  131 


)Dieii|lor)iitttt0eii  für  S^nlat}it. 


Ordnung  fftr  die  gesnndheitliehe  Überwachung  der  städtiscben 
Yolksscholen  zu  Chemnitz  durch  SchulSrcte  und  Lehrer. 

(Schlafs.) 

§  24. 

Ein  Recht  anmittelbarer  Anordnung  oder  Anweisnng  an  Direktor, 
Lehrer  oder  Schalhansmann  steht  dem  Schalarzt  nicht  zu.  Er  hat  yielmehr, 
fiofem  er  Mifsst&nde  wahrnimmt,  welche  nicht  ohne  weiteres  im  Ein- 
yernehmen  mit  dem  Direktor  abgestellt  werden  können,  oder  wenn  er 
sonst  in  Beziehang  aaf  die  Behandlang  der  Kinder  oder  die  gesnudheit- 
lichen  YerhSJtnisse  des  Schnlhanses  Mafsnahmen  fdr  erforderlich  erachtet, 
diese  in  der  Regel  in  der  schalärztlichen  Konferenz  zur  Sprache  zu  bringen. 
Pflichtet  die  Mehrheit  der  Konferenz  ihm  bei,  so  hat  der  erste  Schalarzt 
hierüber  schriftlichen  Bericht  an  den  Scholansschnls  zn  erstatten;  im 
anderen  Falle  wird  der  Anregung  eine  weitere  Folge  nicht  gegeben. 

Nor  in  dringlichen  Fällen  ist  es  dem  Schalarzt  gestattet,  sich  an- 
mittelbar an  den  Schalaussclmls  za  wenden.  Er  hat  jedoch  diesfalls  dem 
ersten  Schalarzt  gleichzeitig  eine  entsprechende  Mitteilung  zugehen  zu  lassen. 

§  25. 

Der  Schularzt  erhält  für  jede  Schule  eine  Registrande  und  ein 
Revisionstagebuch.  In  ersterer  sind  die  sämtlichen  Eingänge  unter  laufender 
Numerierung  einzutragen,  in  letzterem  sind  über  die  bei  den  Revisionen 
-der  Schule  gemachten  Beobachtungen  kurze  Niederschriften  zu  bewirken. 

Aufserdem  hat  der  Schularzt  von  ieder  ihm  zugewiesenen  Schule  eine 
deren  örtliche  Lage  und  Beschaffenheit  vom  Standpunkte  der  Gesundheits- 
pflege darstellende  Beschreibung  anzufertigen  und  auf  dem  Laufenden  zu 
erhalten.  Dieselbe  ist  dem  Schulausschufs  auf  Verlangen  zur  Kenntnis- 
nahme einzureichen. 

Diese  und  die  sonstigen  amtlichen  Niederschriften  sind  Eigentum  des 
Rates  und  bei  etwaiger  Amtsniederlegung  seitens  des  Schularztes  an  jenen 
zurückzugeben. 

§  26. 

Über  ihre  Tätigkeit  haben  die  Schulärzte  al^ährlich  bis  Ende  April 
für  das  vergangene  Schuljahr  einen  Bericht  an  den  ersten  Schularzt  zu 
erstatten,  welcher  die  Einzelberichte  mit  einem  übersichtlichen  kurzen 
<jresamtbericht  bis  Ende  Mai  dem  Schnlausschnsse  .vorlegt. 

Diese  Berichte  sollen  enthalten: 

a)  Die   tabellarisch    zusammengestellten    Ergebnisse    der    Aufnahme- 
untersuchungen, 

b)  die  Zahl   und  Art  der   wichtigeren   in   den  Sprechstunden   fest- 
gestellten Erkrankungsfälle, 

c)  die  getroffenen  besonderen  ärztlichen  Anordnungen  (BeschräDkung 
der  Unterrichtsstunden  etc.), 


132  526 

d)  die  ZaM    der   ständiger   ärztlicher  Überwachnng   unterstehenden 
Kinder,  sowie 

e)  Angaben  Aber  die  in  das  Revisionstagebach  eingetragenen  Ans- 
stellangen  an  den  Baulichkeiten  nnd  Einrichtungsgegenständen. 

§  27. 

Im  Falle  zeitweiliger  Behinderong  haben  sich  die  Schalärzte  gegen- 
seitig —  zunächst  in  den  benachbarten  Schalbezirken  —  unentgeltlich  zu 
vertreten:  Nötigenfalls  bestimmt  der  erste  Schularzt  den  Stellvertreter. 
Von  der  Vertretung  sind  die  betreffenden  Direktoren  und,  sofern  die  Be- 
hinderung länger  als  eine  Woche  dauert,  der  erste  Schularzt  nnd  der 
Schulausschuls  in  Kenntnis  zu  setzen.  Einer  Benachrichtigung  und  der 
Bestellung  eines  Vertreters  bedarf  es  nicht,  wenn  die  Behinderung  in  die 
Zeit  der  städtischen  Schulferien  fällt. 

§  28. 

Der  Rat  behält  sich  vor,  diese  Ordnung,  welche  gleichzeitig  als 
Dienstanweisung  für  die  Schulärzte,  die  Direktoren  und  die  Lehrer  gilt, 
jederzeit  abzuändern  oder  zu  erweitem. 

Chemnitz,  am  22.  März  1901. 

Der  Rat  der  Stadt  Chemnitz. 
Dr.  Beck,  Oberbärgermeister.     Gerbeb,  Bürgermeister. 

Anlage  I. 

Mitteilung  an  die  Eltern  nnd  Ersieher 
unserer  Schulkinder. 

Zum  besseren  Schatze  der  Gesundheit  der  die  Volksachulen  besuchenden 
Kinder  sind  von  der  Schulgemeinde  Schulärzte  anffestellt,  denen  die  arztliche 
Untersuchung  der  in  die  Schalen  eintretenden  Kinder  und  die  regelmäfdge 
Überwachung  ihres  Gesundheitszustandes,  solange  sie  die  Schule  besuchen 
(nicht  die  ärztliche  Behandlung)  übertragen  ist. 

Diese  Einrichtung  wird  den  Schulkindern  wie  deren  Familien  von  wesent- 
lichem Nutzen  sein.  Bei  der  Unterrichtserteilung  wird  die  Körperbeschafifenheit 
und  der  Gesundheitszustand  des  einzelnen  Kindes  weitergehende  Berücksichtigung 
finden,  als  es  bisher  geschehen  konnte,  und  es  werden  die  Eltern  durch  die 
zu  ihrer  Kenntnis  gebrachten  Beobachtungen  der  Schulärzte  in  ihren  Bestrebungen, 
ihre  Kinder  gesund  zu  erhalten,  unterstützt  werden. 

^  (  Damit  den  gegenwärtig  die  Volksschulen  bereits  besuchenden  Kindern 

^  )  die  gleiche  Berücksichtigung  in  gesundheitlicher  Beziehung  zu  teil  werden 
^  I  kann,    soll   zu   Beginn    des   nächsten    Schu^ahres  —  Ostern  1901  —  eine 
**  V  schulärztliche  Untersuchung  sämtlicher  Schulkinder  stattfinden. 

Eltern  bezw.  Erzieher,  welche  wünschen,  dafs  Kinder  nicht  durch  den 
Schularzt  untersucht  werden,  müssen  den  erforderlichen  gesundheitlichen 
Kachweis  durch 

spätestens  bis  zum  19 

der  Schule  einzureichende  Zeugnisse  eines  geprüften  Arztes  erbringen,  welche 
unter  Benutzung  des  yoreeschriebenen  —  in  der  Schulexpedition  und  bei  dem 
Schulhausmann  unentgeltlich  entgegenzunehmenden  —  Vordrucks  ausgestellt  sind. 

Der  SchulauBBchnfs  sn  Ohenmits. 


627 
Anlage  TL 


133 


ftr. 


Ärstliches  Zengnis 

....,  Sohn  —  Tochter  —  d. 


geb.«. 


Allgemeine  KQrper- 

besehaifenheit, 
fireistigre  Fähigkeiten 

Brnatorgane 

Banehorgane 

Wirbels&Qle  nnd 
Gliedmalken 

Haut  (Parasiten) 

Augen,  Sehvermögen 

Ohren,  Gehör 

Mund,  Nase  und 
Sprache 

Besondere 
Bemerkungen 

Antliche  Anträge 
betr.  Unterrieht 

Chemnitz,  den 1 9. 


Aaaierkug; 


prakt.  Arzt. 

Die  Herren  Ante  werden  gebeten,  im  Interesse  der  Sache  den  Schein  mög- 
lichst genau  aussufüllen.  Die  erste  Spalte  .Allgsmelne  KVrperbesehaffeakeit** 
ist  itets  ausxuf&llen,  und  swar  nach  den  unterschieden  „gut'S  „mittel*', 
«schlecht'',  event.  in  Klammer  (Chlorose  —  Tuberkulose  u.  s.  w.),  die  übrigen 
Spalten  bei  vorhandenen  Krankheitsersoheinunffen. 

Eine  nähere  Angabe  der  letsteren  in  Spalte  „Besondere  Bemerkungen'' 
ist  besonders  dann  geboten,  wenn  Schulversäumnisse  oder  besondere  Be- 
rflcksichtigung  des  Kindes  beim  Unterricht  einschlieAlich  Turnen  in  Frage 
kommen. 

Ein  ftntliches  Zeugnis  unter  Benutiung  dieses  Scheines  ist  so  oft 
auszustellen  und  der  Schule  mitzuteilen,  als  es  im  Interesse  des  Kindes 
erlorderlich  scheint. 


134 


528 


Anlage  IIL 


Gesnndheitssohein 


fttr. 


.,  Sohn  —  Tochter  —  d. 


geboren  den 19. 


geimpft  den 


.19 Schule  seit. 


19-. 


wiedergeimpft  den. 


19 Schale  seit. 


19 


Schuljahr 
(Sommer- 

und 
Winter- 
Halbjahr) 

1 

Allgemeine 

Körper- 
beschaffen- 
heit 

2 

GrOfte 

cm 

8 

Ge- 

wicht 

kg 

4 

Brnst- 

am- 

fang 

cm 

6 

Brost  und 
Bauch 

6 

Haut- 

erkran- 

kuagen 

(Parasiten) 

7 

Wirbel- 
säule 
und 
Glied- 
mafren 

s. 

T 

1. 

w. 

s. 

TT  * 

11. 

w. 

Schuljahr 
(Sommer- 

und 

Winter- 

Halbjahrj 


6 

Augen 

und 

Sehschärfe 


Ohren 

und 

Gehör 


10 

Mund, 

Nase 

und 

Sprache 


11 

Besondere 
Bemerkungen 
u.  Vorschlage 

fUr  die . 
Behandlung 
in  der  Schule 


s. 


I.- 


18 

Büt- 

teilnng^n 

an  die 

Bitern 


18 

Bemerkungen 

des 

Lehrers 


W. 


S. 


II.- 


w. 


^  Für  jedes  Schi^jahr  eine  Rubrik. 


529 


135 


Ailage  lY. 

Rag.  n  A  nr. 


Mitteilimg. 

Die  sohnUbnEtliche  Untersuchung  IlireB  Eöndes  ~  Pflegekindes  — 

geb - 

hat  ergeben,  dafii  dMselbe  an 


-- leidet    För  die  Gesund- 
heit Ihres  Kindes  und  für  das  Interesse  der  Schule  ist  deshalb 


dringend  wünschenswert 
Chemnits,  den  — 


19...... 


An 


Der  SehnlaiUMehnDi. 


Anlage  V. 


..«Schale,  Klasse. 


Hitteflong  ttber  ansteckende  Erkranlning  von  Schnlkindern« 


Des  erkrankten  Kindes 


Familien-  and 
Vorname 


Alter 


Wohnong 
(BtraAe,  Haus- 
nummer, Geechoft) 


Art  der 
Krankheit 


Name  des 
behandelnden 
Arstee,  sofern 
er  bekannt  ist 


Schuldirektor. 


Der  Sehularnfe.  L 


136  530 


BariehtifnngeiL 

In  Heft  1,  Seite  8,  4e8  „Sehuiantf  leiste  Zeile  statt  Laqvib,  Dr.,  Stabf- 
anty  lies:  Laquib,  Dr.,  Nenrenant  und  Sohularst. 

In  Heft  5,  Seite  81,  des  „SchuiarMt^  ist  irrtfimlioh  angegeben,  dais  jeder 
der  sechs  Kasseler  Schulärzte  600  Mark  an  jfihrlichem  Honorar  besieht»  es 
moTs  heiisen  800  Mark. 

In  Heft  6,  Seite  103,  des  „SehuJargtff  Zeile  6  von  oben  statt  Wshobb 
lies  Msirout,  und  ibidem  Seite  lOi,  Fnümote  letste  Zeile,  statt  1902  lies  1892. 


Irttfidrift  jlt  Si||«l0(fn]i)i||(tt9ii|legr. 

XVI.  Jahrgang.  1903.  No.  8. 


ArtgtitaUb^aiiMttttgett. 


Schulpantoffeln  in  Amsterdam. 

Von 

Dr.  med.  J.  M.  C.  Mouton  -  Haag. 

Unter  den  yerschiedenen  Mafsnahmen,  die  dazu  dienen,  den 
Gesnndheitszostand  speziell  der  armen  Kinder  in  Volksschulen  zu 
beben,  ist  die  Fürsorge  für  trockene,  warme  Füise  besonders  em- 
pfehlenswert, nnd  wollen  wir  daher,  nach  einem  Berichte  des 
„Nieuwe  Courant",  mit  einigen  Worten  auf  die  Arbeit  eines  Komitees 
zu  Amsterdam  aufmerksam  machen,  welches  sich  zur  Aufgabe  gemacht 
hat,  dafür  zu  sorgen,  dafs  die  Kleinen  nicht  mit  nassen  Füisen  in 
der  Schule  zu  sitzen  brauchen.  Gute  Schuhe,  welche  bei  Regenwetter 
die  FüTse  gegen  NaTswerden  schützen  können,  findet  man  bei  den 
ärmeren  Gesellschaftsklassen  nur  vereinzelt.  Haben  die  Blinder  bei 
Hegen-  oder  Schneewetter  eine  längere  Strecke  zurücklegen  müssen, 
bevor  sie  nach  der  Schule  kommen,  so  sind  bei  vielen  von  ihnen 
die  FüTse  durch  und  durch  nafs  und  die  Kinder  also  gezwungen, 
mehrere  Stunden  hinter  einander  mit  den  nassen  und  im  Winter 
auch  kalten  Füfsen  sitzen  zu  bleiben,  was  nicht  nur  unangenehm, 
sondern  geradezu  gesundheitsschädlich  ist. 

Om  nun  etwaigen  Nachteilen  vorzubeugen,  will  das  obengenannte 
Komitee,  womöglich  in  jeder  Volksschule,  eine  gröisere  Anzahl  von 
Pantoffeln  disponibel  halten  und  hierdurch  ermöglichen,  dals  die 
Kinder  mit  schlechtem  Schuhwerk,  sobald  sie  in  die  Schule  ge- 
kommen sind,  die  nassen  Schuhe  ausziehen  und  während  des  Unter- 
richtes Pantoffeln  tragen  können,  welche  nach  dem  Unterricht  wieder 
zurückgegeben  werden  müssen  und  immer  in  der  Schule  verbleiben. 

Sehnl^fundheiUpfle^.   XVL  28 


532 

Das  Komitee  ist  vor  zwei  Jahren  in  Aktion  getreten.  Der 
Gesamtbetrag  der  eingenommenen  Gelder  (fl.  899.91)  war  im  letzten 
Winter  bedeutend  höher  als  im  ersten  (fl.  441.44).  Diese  Steigerang 
der  Einnahmen  findet  zum  Teil  darin  ihren  Gmnd,  daCs  man  im 
vergangenen  Winter  früher  als  im  ersten  Jahre  die  Aufmerksamkeit 
des  Publikums  auf  die  Sache  gelenkt  hat.  Damals  erschien  die  erste 
Bitte  um  Hilfe  im  Dezember,  jetzt  schon  anfangs  Oktober.  Ein 
anderer  Grund  ist  wahrscheinlich  in  den  zahlreichen  Verbindungen 
zu  suchen,  welche  das  Komitee  allmählich  angeknüpft  hat. 

Die  zur  Anwendung  kommenden  Pantoffeln  wurden  im  ersten 
Jahre  durch  Amsterdamer  Arbeitslose  angefertigt,  im  vorigen  Winter 
dagegen  wurden  zwei  solide  Firmen  in  Nordbrabant  mit  der  Fabri- 
kation beauftragt.  Sie  lieferten  im  ganzen  908  Paare,  welches 
Fabrikat  durch  einen  Fachmann  geprüft  wurde.  Nach  seiner  Ansicht, 
der  sich  auch  alle  Mitglieder  des  Vorstandes  anschlössen,  waren  diese 
Pantoffeln  denjenigen  der  Arbeitslosen  vorzuziehen;  bei  gleicher  So- 
lidität sind  sie  bedeutend  hübscher  und  ihr  Preis  erheblich  billiger: 
während  früher  fl.  1.73  für  jedes  Paar  ausgegeben  wurde,  stellte 
sich  jetzt  der  Preis  durchschnittlich  auf  96  cts.  Im  ganzen  wurden 
958  Paar  Pantoffeln  angekauft ;  aulserdem  überraschte  eine  wohltätige 
Dame  in  Amsterdam  das  Komitee  mit  einem  Geschenk  von  319  Paaren, 
die  sie  auf  eigene  Rechnung  durch  eine  hiesige  Schusterfamilie  hatte 
anfertigen  lassen,  so  dafs  aufser  den  231  Paaren  des  ersten  Jahres 
1277  Paar  neue  Pantoffeln  zur  Verfügung  gestellt  werden  konnten. 
In  der  Tat  waren  fast  in  allen  öffentlichen  Schulen  und  auch  in 
einigen  Privatschulen  Pantoffeln  des  Komitees  im  Gebrauch.  Einige 
öffentliche  Schulen  bedurften  der  Hilfe  des  Komitees  nicht,  weil  sie 
durch  Gaben  von  anderer  Seite  in  die  Lage  versetzt  waren,  ihren 
Bedarf  an  Pantoffeln  selbst  zu  bestreiten.  Einigen  anderen  Schulen 
erschien  das  Bedürfnis  nach  Schulschuhen  nicht  dringend,  oder  es 
wurde  vom  Schulvorsteher  dieser  Einrichtung  kein  Verständnis  ent- 
gegengebracht. 

In  neuester  Zeit  ist  nun  innerhalb  der  Gemeindeverwaltung  der 
Gedanke  aufgetaucht,  es  wäre  am  Platze,  das  Bedürfnis  der  Schul- 
kinder nach  trockener,  warmer  Fulsbekleidung  in  der  Schule  aus 
öffentlichen  Mitteln  zu  decken,  und  der  Ausschufs  des  Gemeinderates 
stellte  in  der  Tat  den  Antrag,  es  möchten  probeweise  für  das  Amts- 
jahr 1903  die  Kinder,  welche  Schulpantoffeln  nötig  haben,  mit  den- 
selben auf  Kosten  der  Stadt  versehen  werden,  und  zwar  sowohl  in 
den  öffentlichen  als  in  den  ihnen  gleichgestellten  Privatschulen;  dafür 


533 

sollten  14000  fl.  (ungefähr  23500  Mark),  also  14 mal  die  Summe, 
über  welche  das  Komitee  als  Einnahme  zu  verfügen  hat,  bestimmt 
werden. 

Leider  wurde  der  Antrag  des  Ausschusses  mit  22  gegen  17  Stimmen 
abgelehnt.  Ebenso  erging  es  einem  weiteren  Antrage,  es  solle  unter- 
sucht werden,  inwieweit  es  möglich  sei,  durch  Subvention  von  Seiten 
der  Gemeinde  private  Vereinigungen  für  Kinderernährung  und  -Kleidung 
in  die  Lage  zu  setzen,  den  Schulbesuch  durch  Unterstützung  armer 
Kinder  nach  diesen  beiden  Richtungen  hin  zu  fördern. 

Das  Komitee  für  Schulpantoffeln  ist  also  nach  wie  vor  auf  seine 
eigenen  Einnahmen  angewiesen;  hoffentlich  wird  die  private  Wohl- 
tätigkeit dafür  Sorge  tragen,  dafs  seine  Tätigkeit  im  Interesse  dürf- 
tiger Schulkinder  sich  weiter  entfalten  kann. 


Über  Verletzungen  des  Auges  und  Schultinte. 

Von 

Dr.  E.  H.  Oppenheimeb, 

Augenarzt  in  Berlin. 

In  No.  2  des  laufenden  Jahrganges  dieser  Zeitschrift  hat 
Dr.  Heymann  einen  sehr  beachtenswerten  Beitrag  zur  vermeintlichen 
Gefährlichkeit  der  Schultinten  geliefert,  in  dem  er  zum  SchluJs 
kommt,  dafs  im  Gegensatz  zur  allerdings  weit  verbreiteten,  aber  auf 
mangelhaften  Untersuchungen  basierten  Ansicht  von  der  Infektions- 
gefahr der  Tinte  dieselbe  „ein  in  kleinen  Mengen  völlig  ungefähr- 
liches, von  pathogenen  Mikroorganismen  freies  Präparat  darstelle, 
demgegenüber  keine  anderen  Yorsichtsmafsregeln  erforderlich  sind 
als  die  der  Wohlerzogenheit  und  Sauberkeit'',  und  „dafs  sie  den 
Erregem  von  Blutvergiftungen  gegenüber  eine  groise  desinfizierende 
Wirksamkeit  entfalte  **. 

um  diese  Laboratoriumsversuche  durch  einen  Fall  aus  der 
Praxis  zu  illustrieren  und  zu  erhärten,  den  mir  der  Zufall  vor 
kurzem  in  die  Hände  spielte,  sei  es  mir  an  dieser  Stelle  erlaubt, 
folgende  Augenverletzung  gewissermaisen  als  Probe  aufs  Exempel 
kurz  zu  schildern. 

28* 


534 

Vor  einigen  Monaten  wurde  mir  der  nennjährige  G^emeinde- 
Bohüler  L.  von  einem  Kollegen  aus  der  Unfallstation,  wo  er  bald 
nach  der  Verletzung  einen  Schutzverband  erhalten  hatte,  in  die  Poli- 
klinik geschickt.  Der  Knabe  erzählte,  die  Verletzung  sei  vor  circa 
zwei  Stunden  in  der  Pause  geschehen.  Ein  Mitschüler,  der  die  Frei- 
heit dadurch  ausnutzte,  daCs  er  mit  dem  Federhalter  nach  einem  Ziel 
warf,  habe  das  Auge  aufgespiefst.  Auf  das  Geschrei  des  Kindes 
habe  der  Lehrer  die  Feder  entfernt.    Die  Feder  sei  ganz  geblieben. 

Der  objektive  Befund  war  folgender:  Nahe  der  Oorneoskleral- 
grenze  beginnend,  zeigte  sich  im  vertikalen  Meridian  unten  (Flucht- 
bewegung des  Auges)  eine  6 — 7  mm  lange,  tiefe  Skleralwunde,  auf 
der  Fetzen  schwarzgefärbter  Oonjunctiva  und  Schleimmassen  auflagen. 
Nicht  nur  die  Stichwunde,  sondern  auch  die  Umgebung  im  Umkreise 
von  über  1  cm  war  blauschwarz  gefärbt.  Im  Hinblick  auf  die  Vor- 
buchtung,  die  Tiefe  und  Farbe  der  Wunde  hatte  man  den  Eindruck 
eines  Prolapses.  Nach  sanfter  Freilegung  mittels  spitzen  Schiel- 
hakens gewann  ich  jedoch  die  Ansicht,  daJGs  es  sich  lediglich  um 
eine  recht  tiefe  Skleralwunde  ohne  Verletzung  des  Ciliarkörpers  han- 
delte. Die  Umgebung  wies  bereits  konjunktivale  und  ciliare  Injektion 
auf.  Tension,  die  Pupillenverhältnisse  und  der  Augenspiegelbefund 
waren  normal.  Ich  stellte  also  vorläufig  eine  gute  Prognose.  Nach 
Abtragung  der  Konjunktivalfetzen  und  Berieselung  mit  physiologischer 
Kochsalzlösung  gab  ich  dennoch  1  Tropfen  Atropin  für  alle  Fälle, 
legte  einen  feuchten  Occlusivverband  an,  nähte  aber  nicht.  Nach  Verlauf 
von  14  Tagen  war  das  Auge  reizfrei,  die  Wunde  geschlossen.  Zur- 
zeit ist  allerdings  die  Stelle  der  Verletzung  in  der  Gestalt  eines 
Tintenflecks,  eines  „Naevus^,  immer  noch  sichtbar. 

Wären  in  der  Tinte  tatsächlich  die  früher  angenommenen  In- 
fektionskeime vorhanden  gewesen,  so  hätte  in  diesem  Fall  mit  gröister 
Wahrscheinlichkeit  eine  im  Hinblick  auf  die  Lage  der  Stichwunde 
sehr  üble  Infektion  stattgefunden,  die  den  Untergang  des  Auges  hätte 
herbeiführen  können« 

Auch  in  den  Berliner  Gemeindeschulen  ist  die  Wahl  der  Tinte 
dem  jeweiligen  Rektor  freigegeben.  Es  handelte  sich  hier  um  eine 
Blauholztinte. 


535 


Das  Scholgebände  nnd  seine  Einrichtimg  in  Frankreich 

und  in  Elsa&-Lothringen. 

Von 
Dr.  med.  Alfbed  Kuhn, 

prakt.  Arzt  zu  StraDsburg-Neudorf. 
(Schlnfs.) 

F.   Tnrn-  nnd  Spielplatz. 

In  der  neueren  Zeit  wenden  die  Sohulbehörden  von  Tag  zu 
Tag  mehr  dem  Turnunterricht  ihre  Aufmerksamkeit  zu,  und  es  sind 
die  TumübuDgen  mit  Recht  obligatorisch  geworden,  selbstverständlich 
Dur  für  die  tumfähigen  Schüler. 

Soll  jedoch  dieser  Unteiriohtszweig  mit  Aussicht  auf  einen 
günstigen  Erfolg  betrifdben  werden,  so  müssen  hierzu  auch  zweck- 
entsprechende Räumlichkeiten  vorhanden  sein. 

a)  Offener  Spiel-  und  Turnplatz.  Ich  habe  früher  schon 
hervorgehoben,  dafs  bei  Berechnung  der  Grölse  des  Schulplatzes  auf 
einen  hinreichend  grofsen  Spielplatz  Bedacht  gCDommen  werden 
mulis,  da  derselbe  von  eminenter  hygienischer  Bedeutung  ist.  Dieser 
Spielplatz  kann  bei  guter  Witterung  auch  als  Turnplatz  benutzt 
werden.  Die  Hauptsache  ist,  dafs  der  Spielplatz  der  Zahl  der 
Kinder  entsprechend  grols  genug  ist.  Je  gröiser  er  angelegt  ist, 
desto  besser  ist  es. 

BunaEBSTEiN  und  Netoutzkt  sprechen  die  Meinung  aus  (1.  c. 
S.  200),  dals  man,  wo  tunlich,  bis  zu  5  m'  pro  Schüler  fordern, 
wo  jedoch  Platzmangel  vorhanden  sei,  also  in  den  älteren  Teilen 
grolser  Städte,  nicht  unter  2  m'  herabgehen  sollte. 

In  Elsafs-Lothringen  werden  für  jeden  Schüler  mindestens 
2,5  m'  Raum  begehrt,  wie  sich  aus  folgenden  Bestimmungen  der 
„Verfügung  des  Oberpräsidenten"  ergibt:  „In  tunlichster  Nähe  des 
Schulhauses  mufs  sich  ein  Spiel-  und  Turnplatz  befinden,  welcher 
womöglich  vom  Schulgebäude  aus  übersehen  werden  kann  und  für 
jeden  Schüler  2,5  m'  Raum  enthalten  mufs^.  Das  „Röglemenf 
hingegen  schreibt  vor:  „38.  La  surface  du  pr^au  döcouvert  sera 
calculee  k  raison  de  5  mötres  au  moins  par  ^l^ve;  eile  ne  pourra 
avoir  moins  de  200  mötres^. 


536 

In  Frankreich  ist  man  demnach  hierin  freigebiger  als  bei  nns. 
Dafs  man  allerdings  in  Städten,  je  nach  den  Umständen,  etwas  spar- 
sam verfährt,  lälst  sich  verstehen.  Dais  aber  in  denjenigen  Ge- 
meinden, in  welchen  billiges  Terrain  in  genügender  Gröfse  zu  haben 
ist,  nicht  mehr  als  2,5  m*  pro  Schüler  vorhanden  zu  sein  brauchen, 
erscheint  verfehlt,  und  es  sollte  durch  eine  verbesserte  Vorschrift 
diesem  Übelstande  abgeholfen  werden. 

Der  Spiel-  und  Turnplatz  mufs  eben  und  trocken  und  so  her- 
gestellt sein,  dals  Verletzungen  der  Kinder  beim  Fallen  so  viel  wie 
möglich  vermieden  werden.  Derselbe  soll  aus  diesen  Gründen  ge- 
maus  der  „Verfügung  des  Oberpräsidenten*',  „so  angelegt  sein,  da£s 
das  Tagwasser  einen  raschen  Abzug  findet;  er  ist,  wo  es  erforderlich, 
anzuschütten,  zu  ebnen  und  zu  walzen  und  am  zweckmäüsigsten  mit 
gutem  Kiessand  zu  überfahren*'. 

Das  „Reglement"  enthält  hierüber  eine  etwas  ausführlichere 
Bestimmung,  welche  lautet: 

„39.  Le  sol  sera  sablö  et  non  pavö  ou  bitumö.  Le  bitume  et 
le  pavage  ne  pourront  dtre  employäs  que  pour  les  passages  et  les 
trottoirs,  lesquels  ne  feront  jamais  saillie. 

40.  Les  pentes  du  sol  seront  am^nag^s  de  fagon  h  assurer  le 
facile  et  prompt  öcoulement  des  eaux.  Les  eaux  mönagäres  ne 
devront  jamais  traverser  les  pr^aux.  Dans  le  cas,  oü  le  terrain 
serait  en  declivitä,  la  pente  ne  devra  pas  döpasser  0,02  m  par  mötre.*' 

Im  Sommer  muls  den  Kindern  auf  den  Spielplätzen  Gelegen- 
heit geboten  sein,  sich  vor  den  allzu  heiisen  Sonnenstrahlen  zu 
schützen.  Es  ist  daher  in  beiden  Ländern  üblich,  an  einzelnen 
Stellen  der  Spielplätze  Bäume  zu  pflanzen.  Bei  uns  ist  dies  aller- 
dings nicht  unbedingt  vorgeschrieben,  sondern  nur  erlaubt:  „Die 
Grenzen  können  mit  schattengebenden  Bäumen  bepflanzt  werden", 
sagt  die  „Verfügung  des  Oberpräsidenten ^,  während  sich  im  „Regle- 
ment^ folgende  Vorschrift  findet: 

„41.  Le  pr^au  d^couvert  ne  sera  plante  d'arbres  qu'ä  une 
distance  des  classes  de  6  m^tres  au  moins.  On  tendra  oompte,  dans 
la  disposition  des  arbres,  de  Tespace  necessaire  aux  exercioes  et  aux 
jeux  des  en£etnts". 

Ob  das  Anbringen  von  Bänken  auf  dem  Schulhofe  zweckmälsig 
isty  wie  es  nach  dem  Wortlaute  beider  Verfügungen  gestattet  ist, 
möchte  ich  bezweifeln.  Der  Schulhof  ist  nicht  dazu  da,  dafs  sich 
die  Kinder  während  der  Pausen  hinsetzen,  sondern  damit  sie  spielen 
und  so  ihrem  Körper  die  zur  Entwicklung  nötige  Bewegung  geben. 


537 

Die  Bänke  jedoch  laden  die  phlegmatischen,  bewegnngsfaulen  Schüler 
znm  Sitzen  ein,  nnd  gerade  diese  sollten  das  Sitzen  während  der 
Pausen  am  meisten  vermeiden.  Am  besten  wäre  es  daher,  das  An- 
bringen von  Bänken  im  Schalhofe  zn  verbieten. 

Von  groJser  Wichtigkeit  ist  femer  die  Beschaffung  eines  guten 
Trinkwassers  auf  dem  Schulhofe. 

Im  „Reglement"  wird  einfach  ein  ^eau  po table **  gefordert. 
Hiermit  ist  eigentlich  alles  gesagt,  wenn  man  bedenkt,  dafs  ein 
Wasser,  welches  aus  irgend  einem  Grunde  schlecht  zu  nennen  ist, 
im  hygienischen  Sinne  des  Wortes  nicht  trinkbar  ist.  Bei  uns  wird 
noch  speziell  darauf  hingewiesen,  dals  in  der  Nähe  des  Schul- 
brunnens kein  Abtritt  sein  darf,  dafs  vielmehr  der  Brunnen  „in 
gehöriger  Entfernung  von  den  Abtritten  anzubringen  ist".  Diese 
Vorschrift  ist  sehr  berechtigt,  da  die  Verunreinigung  der  Brunnen 
erfahrungsgemäis  meistens  durch  Senkgruben,  die  sich  in  deren  Nähe 
befinden,  bedingt  ist.  Um  jeder  unangenehmen  Überraschung  vor- 
zubeugen, könnte  man  übrigens  bestimmen,  dafs  das  Wasser  3—4  mal 
pro  Jahr  von  sachverständiger  Seite  untersucht  werde.  Eine  der- 
artige Vorschrift  verpflichtet  in  Frankreich  die  Schulinspektoren 
bei  Verdacht  auf  Verunreinigung  der  Brunnen,  das  Wasser  in  einem 
chemischen  Laboratorium  untersuchen  zu  lassen. 

Wo  eine  gute  Wasserleitung  vorhanden  ist,  versteht  es  sich  von 
selbst,  dals  deren  Wasser  jedem  anderen  vorzuziehen  ist,  weshalb 
auch  die  „Verfügung  des  Oberpräsident^n'^  eine  dementsprechende 
Bestimmung  enthält. 

b)  Gedeckter  Spiel-  und  Turnplatz.  Ein  offener  Spiel- 
platz genügt  nicht  für  alle  Witterungen  und  alle  Jahreszeiten. 
Daher  ist  auch  in  der  französischen  Verfügung  ein  gedeckter  Spiel- 
platz vorgesehen,  und  zwar  in  direkter  Verbindung  mit  dem  Schul- 
gebäode.  Es  werden  dabei  mindestens  2  qm  pro  Schüler  gefordert. 
Aufserdem  soll  der  gedeckte  Spielplatz  mindestens  auf  zwei  ent- 
gegengesetzten Seiten  offen  sein.  Die  Vorteile  eines  solchen  ge- 
deckten Spielplatzes  sind  leicht  erkennbar.  Wenn  der  Aufenthalt 
im  Freien  infolge  schlechter  Witterung  unmöglich  ist,  so  dient  er 
den  Schülern  als  Erholungsplatz  während  der  Pausen,  wodurch  der 
so  ungesunde  Aufenthalt  der  Schüler  auf  den  Giüigen  und  im 
Schulzimmer  vermieden  wird.  Diese  Bestimmung  findet  also  schon 
hierdurch  hinreichende  Begründung,  und  es  wäre  äuiserst  wünschens- 
wert, dafs  dieselbe  auch  in  die  elsafslothringischen  Verordnungen 
Aufnahme  fände. 


538 

Dem  „Reglement*'  zufolge  soll  jedoch  dieser  gedeckte  Platz 
nicht  nur  als  Erholungsplatz  während  der  Pausen  dienen,  sondern 
er  soll  auch  zu  anderen  Tageszeiten  von  denjenigen  Schülern  benutzt 
werden,  welche  der  grofsen  Entfernung  halber  während  der  Mittags- 
stunden sich  nicht  nach  Hause  begeben  können;  und,  um  diesen 
Kindern  die  Einnahme  des  Mittagsmahles  zu  erleichtem,  kann  der 
Platz  mit  beweglichen  Tischen  versehen  werden.  Das  ^Räglement^ 
fordert  ferner  das  Anbringen  von  Waschvorrichtungen  auf  diesen 
gedeckten  Plätzen,  was  meines  Erachtens  sehr  notwendig  ist, 
da  sich  ja  die  Kinder  beim  Spielen  im  Hof  am  meisten  be- 
schmutzen. 

Endlich  kann  ein  solcher  Platz  bei  schlechtem  Wetter  auch  als 
Turnplatz  Verwendung  finden.  Allerdings  ist  es  empfehlenswert, 
einen  besonderen  Tumsaal  zu  haben.  Da  jedoch  dessen  Herstellung 
unmöglich  für  jede  Elementarschule  gefordert  werden  kann,  so  wäre 
es  wenigstens  wünschenswert,  dals  unter  allen  Umständen  ein  ge- 
deckter Turn-  und  Spielplatz  vorgeschrieben  wäre.  Auch  in  Frank- 
reich ist  der  Tumsaal  nicht  obligatorisch. 

G.   Abtritte  und  Pissoirs. 

Einer  der  wichtigsten  Punkte  der  Hygiene  des  Schulhausbauee 
ist  die  zweckentsprechende  Anlage  der  Abtritte.  Sind  dieselben 
schlecht  eingerichtet  oder  schlecht  unterhalten,  so  bilden  sie  eine 
fortwährende  Gefahr  für  die  Schüler,  sowohl  in  gesundheitlicher  als 
auch  in  moralischer  Hinsicht. 

Bei  einer  Abtrittsanlage  kommen  in  Betracht  der  eigentliche 
Abtritt  (Klosett)  und  die  Vorrichtungen,  welche  die  Abfallstofie  auf- 
zunehmen haben.  Die  Aufnahme  dieser  Stoffe  geschieht  entweder  in 
Gruben  oder  Tonnen  oder  durch  die  Kanalisation.  Diebeiden 
letzteren  Systeme  sind  in  hygienischer  Hinsicht  den  Senkgruben 
vorzuziehen.  Bei  diesen  liegt  nämlich  fortwährend  die  Gefahr  vor, 
dafs  der  Erdboden  von  Fäkalstoffen  durchsetzt  wird,  da  es  bekannt- 
lich äulserst  schwer  ist,  eine  völlig  undurchlässige  Grube  herzu* 
stellen. 

Die  „Verfügung  des  Oberpräsidenten"  erwähnt  nur  die  Senk- 
gruben. Auch  das  „B;äglement^  läCst  dieselben  zu,  zieht  jedoch  die 
„fosse  mobile",  also  das  Tonnensystem  vor  und  fordert  kleine  Tonnen. 
Die  „Instraktion"  von  1893  (Baüdran  1.  c.)  gibt  noch  folgende 
spezielle  Vorschriften  für  die  Abtrittsgraben:  „Art.  40.  Les  fosses 
fixes   seront   de   petites   dimensions,  sans  avoir   toutefois   moins   de 


539 

2  m^tres  de  long,  de  large  et  de  haut.  Elles  seront  voütees,  oon- 
stmites  en  mat^rianz  impennöablee  et  endnits  de  ciment.  Elles 
seront  ätauohes  et  le  fond  sera  disposä  en  forme  de  cuvette;  les 
angles  ext^rienrs  seront  arrondis  sur  nn  rayon  de  0,25.  Elles  seront 
ötablies  loin  des  pnits.  Elles  seront  munies  d'on  tuyau  d'^vent 
qni  sera  ölevö  au-dessus  de  la  toiture  des  prives  anssi  haut  que 
l'ezigera  la  disposition  des  constructions  yoisines^.  Werden  diese 
Vorschriften  befolgt,  so  kann  das  Senkgrubensystem  ohne  Bedenken 
gestattet  werden,  besonders  da  das  Tonnensystem  kostspieliger  und 
zeitraubender  ist  als  das  Grubensystem.  Die  angeführten  Vorsichts* 
mafsregeln  sind  übrigens  auch  in  der  elsaCs-lothringischen  Verfügung 
vorgesehen.  ^Die  Abtrittsgruben*',  heifst  es  daselbst,  „sind  wasser- 
dicht herzustellen,  gehörig  luftdicht  abzudecken  und  mit  einer  ge- 
nügenden Zahl  über  das  Dach  hinausführenden  Dunströhren  zu  ver- 
sehen". Damit  die  eventuell  nach  dem  Abtrittsraume  eindringenden 
Grrubengase  in  keiner  Weise  lästig  werden  können,  „sind  die  Ab- 
tritte auüserhalb  des  Schulgebäudes  zu  errichten''.  Diese  Einrichtung 
hat  allerdings  den  Nachteil,  dais  sich  die  Schüler  zu  gewissen  Zeiten 
dem  Regen,  Wind  und  Schnee  aussetzen  müssen,  um  nach  den  Ab- 
orten zu  gelangen.  Diesem  Übelstande  wäre  jedoch  hinreichend 
vorgebeugt,  wenn  man  allenthalben  die  Mafsregel  befolgen  würde, 
welche  im  „Reglement"  vorgeschrieben  ist,  wenn  man  nämlich  die 
Abtritte  an  dem  einen  Ende  des  gedeckten  Spielplatzes  anlegen  und 
letzteren  in  direkte  Verbindung  mit  dem  Schulgebäude  bringen 
wtlrde,  denn,  sagt  das  „Reglement" :  „cette  disposition  a  l'avantage 
d'offirir  un  abri  couvert  pour  aller  de  la  classe  aux  cabinets". 

Ist  am  betreffenden  Orte  die  Einrichtung  der  Schwemmkanali- 
sation vorhanden,  so  mufs  selbstverständlich  der  Anschluls  der  Schulen 
an  dieselbe  bewerkstelligt  werden. 

Was  nun  die  Abtritte  selbst  betrifft,  so  ist  es  zunächst  von  gro&er 
Wichtigkeit,  dafs  eine  hinreichende  Zahl  derselben  vorhanden 
sei.  In  Elsafs-Loihringen  bestimmt  die  „Verfügung  des  Oberpräsi- 
denten" wie  folgt:  »Auf  je  80  Eoiaben  sind  mindestens  drei,  auf 
je  80  Mädchen  mindestens  vier  untereinander  getrennte,  zugfreie, 
helle  Sitzräume  zu  rechnen".  Das  „Röglemenf"  dagegen  enthält  fol- 
gende diesbezügliche  Bestimmung:  „Toute  äcole  devra  §tre  munie  de 
priv6s  dans  les  proportions  suivantes :  quatre  pour  la  premiöre  centaine 
d'ääves,  et  deux  pour  chaque  centaine  suivante".  Die  „Instruktion" 
von  1893  (Baudean,  1.  c,  S.  53)  verlangt  zwei  Sitze  pro  Knaben-, 
und    drei  Sitze   pro  Mädchenklasse.     Es   ist  jedenfalls   praktischer, 


540 

jeder  Klasse  ihre  besonderen  Abtritte  anzuweisen,  denn  nur  so  i»t 
es  möglich,  bei  Verunreinigung  der  Aborte  den  Täter  zu  entdecken 
und  durch  Rüge  oder  sonstige  Bestrafung  gewissen  Unsitten  mit 
Erfolg  entgegenzutreten. 

Nehmen  wir  als  Maximum  der  Schülerzahl  für  eine  Ellasse  50 
an,  eine  Forderung,  welcher  wir  früher  das  Wort  gesprochen  haben, 
so  genügt  die  in  der  französischen  Verordnung  festgesetzte  Anzahl 
Abtritte.  Enthalt  jedoch  eine  Klasse  bis  zu  80  Schüler,  wie  es  bei 
uns  leider  zulässig  ist,  so  sind  für  jede  Knabenklasse  drei,  für  jede 
Mädchenklasse  vier  Sitze  nicht  zu  viel.  Daus  für  die  Mädchen  mehr 
Sitze  erforderlich  sind  als  für  Knaben,  ergibt  sich  von  selbst.  „Für 
die  Knaben  ist  aulserdem  an  einer  geeigneten  Stelle  eine  genügende 
Zahl  von  Pissoirs  mit  getrennten  Ständen  herzustellen,  welche  durch 
eine  vor  denselben  befindliche,  freistehende,  etwa  1  m  hohe  Wand 
derart  zu  verdecken  sind,  dafs  die  Schultern  von  aufsen  sichtbar 
bleiben.*'  Das  „Reglement"  wünscht  wenigstens  ebenso  viele  Pissoirs 
als  Abtritte. 

Welches  Material  bei  der  Herstellung  der  Pissoirs  verwendet 
werden  soll,  ist  in  der  elsafs- lothringischen  Verfügung  nicht  gesagt, 
und  doch  ist  dieser  Punkt  in  hygienischer  Hinsicht  von  greiser 
Wichtigkeit.  Jedenfalls  müiste  gefordert  werden,  dafs  diejenigen 
Teile,  welche  mit  dem  Urin  in  Berührung  kommen,  undurchlässig, 
glatt  und  so  beschaifen  seien,  dafs  sie  durch  die  chemische  Ein- 
wirkung des  zersetzten  Harns  möglichst  wenig  in  Mitleidenschaft  ge- 
zogen werden.  Daher  enthält  das  „  Reglement"  folgende  Vorschrift : 
„Art.  62.  Les  cases  des  urinoires  seront  formlos  de  plaques  d'ardoise  ou 
autres  mat^riauz  impermeables".  Unter  allen  Umständen  wären  die 
Verwendung  von  Holzrinnen  und  Holzwänden,  wie  man  sie  bei  uns 
auf  dem  Lande  noch  vielfach  antrifiPt,  streng  zu  verbieten. 

Ob  die  Trennung  in  einzelne  Stände  erforderlich  ist,  läDst  sich 
bezweifeln,  und  es  wäre  dies  gerade  vom  gesundheitlichen  Stand- 
punkte aus  nicht  zu  empfehlen,  weil  durch  die  Scheidewände  die 
Verdunstungsfläche  vergrölsert  wird,  was  am  besten  zu  vermeiden 
wäre.  Sollte  man  jedoch  aus  moralißchen  Gründen  solche  für  not- 
wendig halten,  so  müssen  die  Stände  so  klein  bemessen  werden  wie 
möglich,  um  nicht  eine  zu  groise  Oberfläche  darzubieten  und  um  das 
Nebeneinanderstehen  zweier  Schüler  in  einem  Stande  zu  verhindern. 
Hierzu  scheinen  mir  die  im  „  Reglement ^  angegebenen  Mafse  recht 
zweckmäfsig  zu  sein:  „Art.  62.  Les  cases  auront  0,40  m  de  largeur, 
0.35  m  ä  0,40  m  de  profondeur  et  1,30  m  au  moins  de  hauteur**. 


541 

In  Orten,  in  welchen  eine  Wasserleitung  vorbanden  ist,  wäre  es 
wünschenswert,  die  Pissoirs  mit  Spüleinrichtungen  zu  versehen,  wie 
es  übrigens  im  „Reglement''  vorgeschrieben  ist.  Wo  keine  Wasser- 
leitung zur  Verfügung  steht,  muTs  die  Rinne  täglich  sorgfältig  aus- 
gescheuert werden,  wie  es  nach  den  „Verordnungen  und  Verfügungen, 
betreffend  die  städtischen  (Strafsburg)  Elementarschulen^  geschehen 
soll.     (Verordnungen  etc.,  S.  33.) 

Sowohl  bei  uns,  als  auch  in  Frankreich  wird  bei  Anlage  der 
Abtritte  auf  die  herrschende  Windrichtung  Rücksicht  genommen. 
„Bei  der  Wahl  des  Platzes  für  dieselben",  sagt  die  „Verfügung  des 
Oberpräsidenten*',  „ist  darauf  zu  achten,  dafs  die  Ausdünstungen 
durch  den  vorherrschenden  Wind  nicht  dem  Schulgebäude  zugeführt 
werden''.  Das  „Reglement''  enthält  eine  ähnliche  Bestimmung,  welche 
lautet:  „Art.  53.  Ils  devront  §tre  dispos^  de  teile  sorte  que  les 
vents  r^gnants  ne  rejettent  pas  les  gaz  dans  les  bätiments  ni  dans 
la  cour**. 

Was  den  Verschlufs  der  Abtritte  angeht,  so  sind  dieselben  bei 
uns  „mit  ganzen  Türen  zu  versehen,  welche  von  innen  mit  Haken 
und  Riegeln  verschlossen  werden  können",  während  in  Frankreich 
die  Türen  kürzer  sein  sollen  als  die  Türöffnungen.  „Art.  60.  Les 
portes  seront  surölevees  de  0,20  m  ä  0,25  m  au  dessus  du  sol  et 
auront  1  m  ou  plus  de  hauteur."  Letzteres  System  hat  allerdings 
den  Vorteil,  dafs  hierdurch  eine  hinreichende  Ventilation  der  Abtritte 
gewährleistet  wird,  was  bei  völlig  verschlossenen  Türen  nicht  der  Fall 
ist,  selbst  wenn  kleine  Fenster  oberhalb  derselben  angebracht  werden. 
Jedoch  wird  den  kurzen  Türen  vorgeworfen,  dafs  sie  zu  „unmorali- 
schen gegenseitigen  Beobachtungen  und  Neckereien^  Anlafs  geben. 
Dieser  Umstand  wird  aber  vermieden,  wenn  die  Abtritte  so  angelegt 
sind,  dais  sie  vom  Schulhause  aus  gut  zu  übersehen  sind,  wie  es  im 
„Reglement*'  vorgeschrieben  ist.  Auch  wäre  zu  bemerken,  dafs  bei 
völlig  verschlossenen  Türen  den  Schülern,  welche  sich  der  Mastur- 
bation hingeben,  auf  dem  Abtritt  Gelegenheit  geboten  ist,  ohne  Furcht 
vor  Überraschung  ihrem  verderblichen  Laster  zu  fröhnen.  Ich  möchte 
demnach,  wie  sich  aus  den  vorstehenden  Ausführungen  ergibt,  den 
kürzeren  Türen  den  Vorzug  geben. 

Der  Raum  der  Zelle  soll  nach  dem  Urteil  der  meisten  Autoren 
nicht  zu  bequem  bemessen  sein.  In  Elsafs- Lothringen  sind  hierfür 
folgende  Mafse  üblich:  „Die  Breite  eines  Sitzraumes  darf  nicht  unter 
0,75  m,  die  Tiefe  nicht  unter  1,4  m  betragen '*.  Das  „Reglement" 
bestimmt  dagegen:    „Art.  54.     Les  cases  auront  0,70  de  largeur  et 


542 

1  mötre  ä  1,10  m  de  longueur'^.  Die  Mause  beider  Verfügimgen 
entsprecben  demnach  der  genannten  Forderung,  es  wäre  jedoch  zweck- 
entsprechender, wenn  dieselben  bei  uns  als  Maximum  gelten  würden 
und  nicht  als  Minimum. 

Die  Abtrittsitze  dürfen  nicht  zu  hoch  gewählt  werden,  sondern 
müssen  etwas  niedriger  sein  als  die  Sitze  der  Schulbänke,  da  ja  be- 
kanntlich die  De&kation  am  leichtesten  in  einer  Art  Kauerstellung 
erfolgt.  Nach  der  ^Verfügung  des  Oberpräsidenten"  „ist  die  Höhe 
der  Sitze  je  nach  dem  Alter  der  Kinder  auf  0,35  bis  0,46  m  zu 
bemessen".  Dieser  Bestimmung  entspricht  im  „Reglement''  folgende 
Vorschrift:  „Art.  58.  Le  si^ge  en  pierre  ou  en  ciment  aura  une 
saillie  de  0,20  m  au  dessus  du  sol;  ce  siöge  formera  un  plan  inclind 
vers  Torifioe.     Les  angles  seront  arrondis". 

Mit  diesem  niedrigen  Sitz  aus  Stein  oder  Zement  soll  o£Eenbar 
bezweckt  werden,  dafs  die  Kinder  sich  darauf  stellen,  um  dann  in 
gebückter  Stellung  die  Defäkation  zu  vollziehen,  während  grölsere 
Schüler  dies  tun  können,  ohne  auf  den  Sitz  hinaufzusteigen.  Zum 
Sitzen  kann  derselbe  jedenfalls  nicht  zweckmäisig  sein. 

Zur  Verteidigung  dieser  Art  Sitze  wird  nun  meist  angegeben, 
dafs  viele  Kinder  von  Haus  aus  die  Gewohnheit  haben,  auf  die 
Abtrittssitze  hinaufzusteigen,  weil  unreine  Aborte  im  Eltemhause 
diese  Angewöhnung  hervorgerufen  haben.  Hierdurch  werde  dann 
der  Sitz  sehr  leicht  beschmutzt,  so  dafs  das  nächstfolgende  Kind  sich 
nicht  mehr  setzen  könne,  sondern  gleichfalls  gezwungen  sei,  auf  den 
Sitz  hinaufzusteigen.  Demgegenüber  wird  aber  jedermann  aus  eigener 
Erfahrung  wissen,  wie  es  in  Abtritten,  in  welchen  die  Kinder  sich 
überhaupt  nicht  setzen  können,  sondern  sich  eines  solchen  Loches 
bedienen  müssen,  welches  man  in  Frankreich  auch  mit  dem  Namen 
„Ouvertüre  ä  la  turque"  zu  bezeichnen  pflegt,  gegen  Ende  einer 
längeren  Pause  aussieht.  Schon  das  erste  Kind,  welches  seinen  Be- 
dürfnissen nachkommt,  verunreinigt  den  Abort.  Jedes  nachfolgende 
Kind  mufs  successive  mehr  aufpassen,  dafs  es  sich  nicht  selbst  an 
den  Füüsen  oder  anderswo  beschmutzt,  und  es  sucht  sich  daher  ein 
jeder  Schüler  einen  von  Schmutz  noch  freien  Platz  aus,  so  dafs  man 
am  Ende  einer  solchen  Pause  überhaupt  keinen  Platz  zum  Stehen 
mehr  findet.  Die  schlimmen  Folgen,  welche  aus  solchen  Zuständen 
entstehen,  brauchen  nicht  näher  dargelegt  zu  werden. 

Ich  glaube  daher,  dais  man  die  Abtritte,  welche  zum  Sitzen 
eingerichtet  sind,  diesem  primitiven  Systeme  vorziehen  sollte,  um 
das  Hinaufsteigen  zu  verhindern,  könnte  man  nach  dem  Vorschlage 


543 

von  BuRGBRSTEiN  Und  Netolitzkt  (1.  c,  S.  184)  folgende  Vorsieh ts- 
malsregel  treffen:  „Man  mag  eine  Quersiange  in  etwa  50  cm  Höhe 
über  dem  Brillloch  nnd  mit  passendem  Abstand  von  der  Rückwand  an- 
bringen, oder  ein  von  der  Rückseite  des  Sitzes  dachartig  nach  yome 
oben  ansteigendes  Brett,  oder  endlich  statt  des  Sitzbrettes  biofs  einen 
etwa  5 — 6  cm  breiten,  nach  innen  und  auTsen  abgerundeten  Sitzring 
nehmen,  da  dieser  zum  Hocken  keine  geeignete  Fläche  bietet^. 

um  das  Entweichen  der  Gase  nach  dem  Abtrittsraum  möglichst 
zu  verhindern,  müssen  die  Sitze  nach  oben  dicht  abgeschlossen  sein. 
Zu  diesem  Zweck  besteht  bei  uns  die  Vorschrift,  „die  Sitzlöcher  mit 
Deckeln  zu  versehen.  Im  „Reglement''  sind  folgende  diesbezügliche 
Bestimmungen  getroffen:  „Art.  56.  Les  orifices  des  cases  seront^ 
autant  que  possible,  formte  hermötiquement.  Art.  57.  Quand  l'orifice 
sera  sans  fermeture,  on  devra  employer  des  appareils  propres  ä  döter- 
miner  une  aspiration  süffisante  et  forcer  Tair  ä  entrer  par  l'orifice^. 

Letzteres  geschieht  dadurch,  dafs  man  die  Grübe  „mit  einer  ge- 
nügenden Zahl  über  das  Dach  hinausführenden  Dunströhren  ver- 
sieht'',  wie  dies  bei  uns  unter  allen  Umständen  vorgeschrieben  ist. 
Dadurch  wird  eine  aufsteigende  Luftströmung  erzeugt,  so  dafs  die 
Ausdünstungen  der  Exkremente  nicht  in  die  Abtrittsräume  gelangen 
können.  Da  jedoch  diese  Vorkehrung  ihre  Aufgabe  nicht  immer 
tadellos  erfüllt,  so  empfiehlt  es  sich,  die  Abtrittsöffnungen  zu  gleicher 
Zeit  zu  schliefsen.  Dafs  aber  hierzu  ein  blo&er  Deckel  nicht  immer 
genügt,  geht  schon  daraus  hervor,  dafs  die  meisten  Kinder  vergessen, 
denselben  auf  die  Offiiung  zu  legen,  nachdem  sie  den  Abtritt  benutzt 
haben. 

unter  den  anderen  hierfür  üblichen  Einrichtungen  kämen  in 
Betracht :  Automatisch  schliefisende  Metalldeckel,  femer  Metalldeckel, 
welche  man  mit  Hilfe  eines  Handgriffes  öffnet  und  schliefst,  oder 
endlich  die  Klosette  mit  WasserabschluJjs. 

Die  beiden  ersteren  haben  den  Nachteil,  dais  sie  durch  Hinein- 
werfen von  allerhand  Gegenständen  durch  die  Kinder  meistens  nach 
kurzer  Zeit  in  ihrer  Funktion  gestört  werden,  weshalb  man  sich 
nicht  leicht  dazu  entschliefsen  kann,  eins  dieser  Systeme  in  den 
Schulen  anzuwenden.  Wo  die  Wasserleitung  zur  Verfügung  steht, 
wird  man  sich  am  besten  der  Wasserklosette  bedienen. 

In  neuerer  Zeit  scheint  man  auch  mit  den  Ölpissoirs  gute  Er- 
fahrungen gemacht  zu  haben. 

Was  die  Fallrohre  betrifft,  so  sind  dieselben  nach  der  elsafs- 
lothringischen  Verfügung    „von    Steingut    oder  Gufseisen    von   min- 


544 

destens  0,15  m  Durchmesser  zu  fertigen,  Holz  ist  auszusohlieiseii''. 
Diese  Mafsregel,  welche  in  Frankreich  nicht  vorgesehen  ist,  ist  haupt- 
sächlich auf  dem  Lande  erforderlich,  wo  zuweilen  aus  ökonomischen 
Gründen  Holz  hierzu  verwendet  wird.  Um  die  Fallröhren  möglichst 
zu  lüften,  sollten  dieselben  bis  über  Dach  geführt  und  am  oberen 
Ende  durch  Deflektoren  gegen  Windpressung  geschützt  werden. 

Was  sohliefslich  die  innere  Auskleidung  der  Wände  be- 
trifft, so  wird  dieselbe  in  beiden  Verfügungen  speziell  berücksichtigt. 
Die  diesbezüglichen  Verordnungen  zielen  dahin,  die  Wände  der  Ab- 
tritte zur  Absorption  der  Gase  ungeeignet  zu  machen  und  gegen  das 
Anbringen  von  allerhand  Zeichnungen  und  sonstigen  Schmutzes  zu 
schützen.  Zu  diesem  Behuf e  sind  in  den  Abtritten  der  Schulen 
EIsafs-Lothringens  „die  Wände  mit  Rapputz  zu  versehen  und  der 
Ölanstrich  der  Türen  rauh  zu  besanden^.  Diese  Wände  erfüllen 
zwar  den  genannten  Zweck,  haben  jedoch  den  Nachteil,  die  An- 
sammlung von  Staub  zu  begünstigen  und  sind  femer  schwerer  zu 
reinigen  als  die  im  ^R^glement^  vorgeschriebenen  Wände:  „Art.  öö. 
Les  parois  seront  recouvertes  de  plaques  de  falence  ou  d'ardoise  oü 
d'un  enduit  de  ciment^. 

Der  Boden  des  Abtritts  mufs  für  Flüssigkeit  undurchlässig 
sein.  Dieser  Umstand  wird  im  ^B;^glement"  noch  besonders  hervor- 
gehoben, indem  es  daselbst  heifst:  „Art.  59.  Le  sol  sera  oonstruit 
en  mat^riauz  impermeables^.  Ein  Blick  auf  die  Einrichtung  vieler 
unserer  Landschulen  ergibt,  dafs  auch  in  Elsafs-Lothringen  eine  dies- 
bezügliche Verordnung  nicht  überflüssig  wäre,  da  man  noch  vielfach 
Holzböden  in  den  Abtritten  vorfindet. 

Dafs  aus  naheliegenden  hygienischen  und  moralischen  Gründen 
die  Abtritte  für  Mädchen  und  Knaben  getrennt  sein  sollen,  versteht 
sich  von  selbst,  und  es  ist  dies  auch  in  beiden  Ländern  vorgeschrieben. 

Es  braucht  ferner  kaum  hervorgehoben  zu  werden,  dals  „den 
Lehrern  und  deren  Familien  gesonderte  Aborte  zu  überweisen  sind*", 
wie  es  auch  im  „Röglement^  gefordert  wird:  „Art.  89.  ün  priv6 
sera  röservä  pour  le  personnel  des  maitres". 

H.  Lehrerwohnung. 

Über  die  Frage,  ob  es  sich  empfiehl  t,  Lehrer  Wohnungen  im 
Schulgebäude  unterzubringen,  habe  ich  mich  schon  früher  geäufsert 
und  bin  dabei  zu  dem  Schlüsse  gekommen,  dafs  dieser  Modus  nicht 
zu  verwerfen  ist,  jedoch  nur  unter  der  Bedingung,  dafs  die  Lehrer- 
wohnung von  den  Schulräumen  vollständig  getrennt  ist,   also  eigene 


545 

EingäDge,  Treppen,  Floren  und  Wohnräume  hat.  Im  übrigen  muJB 
die  Lehrerwohnung  denjenigen  Anforderungen  entsprechen,  welche 
man  an  jede  andere  gesunde  Wohnung  stellt,  und  will  ich  mich 
daher  nicht  näher  auf  diese  Frage  einlassen,  da  dieselbe  nicht  in  das 
eigentliche  Gebiet  der  Schulhygiene  gehört.  Es  möge  nur  hervor- 
gehoben werden,  dafs  nach  dem  Wortlaute  der  diesbezüglichen  Be- 
stimmungen beider  Länder  den  Lehrern  hinreichend  Platz  für  die 
Wohnung  zur  Verfügung  gestellt  wird. 


Über  die  Beinignng  der  Volksschnlklassen. 

(Betrachtungen  und  Materialien.) 

Von 
Dr.  med.  Mobitz  FussT-Hamburg. 

(Schluls.) 

Ich  habe  das  eingeschickte  Material  nur  soweit  verwendet,  als 
die  Reinigung  der  Volksschulklassen,  der  Turnhallen  und  der  Aborte 
in  Betracht  kommt.  Selbstverständlich  lassen  sich  in  den  nun  fol- 
genden Verordnungen  und  Instruktionen  Wiederholungen  nicht  ganz 
vermeiden;  ich  habe  aber  versucht,  sie  nach  Möglichkeit  aus- 
zuschalten. 

Berlin.  Dienstvorschrift  für  die  Schaldiener  der  Berliner 
Gemeindeschulen  vom  28.  April  1893. 

1.  Die  Klassenräume,  sowie  die  Treppen  und  Flure  sind  zweimal 
wöchentlich  nafs  aufzuwischen  und  ebenso  oft  die  in  den  Klassen  befind- 
lichen Tische  und  Bänke  etc.  feucht  abzuwischen. 

Die  Turnhalle  ist  täglich  zu  reinigen.  Die  Matratzen  sind  allwöchentlich 
einmal,  aufserhalb  der  Turnhalle,  auszuklopfen  und  mit  hartem  Besen 
(Piassavabesen)  abzufegen. 

2.  Der  Schuldiener  hat  in  den  Oster-  und  Sommerferien  Hauptreini- 
gongen  sämtlicher  Schulräume  vorzunehmen.  Es  sind  hierbei  die  Decken 
und  Wände  in  den  Klassenzimmern,  auf  den  Fluren  und  im  Treppenbause 
gehörig  abzustäuben  und  im  Anschlufs  hieran  die  sämtlichen  Fenster  und 
Türen  im  Schulgebäude  nais  abzuwaschen  und  demnächst  zu  patzen. 

3.  An  jedem  Mittwoch  und  Sonnabend  sind  die  Aborte  zu  scheaem 
und  die  Gänge  in  denselben  zu  fegen.  Sollte  eine  Verunreinigung  der  Ab- 
orte auch  zu  anderen  Zeiten  deren  Reinigung  notwendig  machen,  so  ist 
dieselbe  sofort  auszufahren. 


546 

4.  Die  Aborte  sind  nach  jeder  Zwischenstunde  zn  spfilen  and  zn  rei- 
nigen.    Die  Gullies  sind  rechtzeitig  zu  entleeren. 

Verordnung  vom  3.  Oktober  1895. 

Statt  der  bisherigen  zweimaligen  Reinigung  eine  dreimalige  pro 
Woche,  und  zwar  einen  Tag  um  den  anderen.  Der  Schnldiener  erhält 
13  Mk.  pro  Klasse  and  Jahr  (früher  8  resp.  12  Mk.).  Die  Reinigangs- 
arbeiten  sind  in  folgender  Weise  auszuführen:  Die  sämtlichen  Fufsböden 
der  Elassenräume,  sowie  die  Treppen  und  Flure  sind  dreimal  wöchentlich 
mittels  angefeuchteter  Sägespäne  auszufegen  und  demnächst  nafs  aaf- 
zuwi&chen,  in  den  Klassen  ist  diese  Arbeit  nicht  nur  in  den  Gängen,  sondern 
auch  unter  den  Tischen  und  Bänken  auszuführen,  aufserdem  sind  Tische 
und  Bänke,  sowie  Wandbekleidungen  feucht  abzuwischen  und  alle  Staub- 
ablagerungen auch  an  anderen  Stellen  zu  beseitigen. 

Die  Kosten  für  Beschaffung  sämtlicher  Reinigungsmaterialien,  ein- 
schliefslich  der  Sägespäne,  haben  die  Schuldiener  zu  tragen. 

Hamburg.     Revidierte  Instruktion  für  die  Schuldiener. 

pp.  §  9.  Die  Klassenzimmer  sind  täglich  mit  nassen  Sägespänen,  und 
zwar  an  zwei  Tagen  in  der  Woche,  unter  Wegrücken  der  Schaltische,  zu 
fegen  und  alle  14  Tage  durch  Abwaschen  (Feulen)  —  ebenfalls  unter  Weg- 
rücken der  Schultische  und  des  Podiums  —  zu  reinigen.  Vorstands-  and 
Lehrerzimmer,  sowie  Korridore  etc.  sind  täglich  mit  nassen  Sägespänen  zu 
fegen  und  zweimal  wöchentlich  zu  feulen. 

Die  Fensterbänke,  der  obere  Rand  der  Holzbekleidung,  die  Bänke  and 
Tischplatten,  das  Pult  und  der  Klassenschrank  sind  täglich,  die  Börter 
unter  den  Tischplatten  wöchentlich  mit  feuchten  Tüchern  vom  Staub  zu 
reinigen ;  erforderlichenfalls  ist  eine  öftere  Reinigung  vorzunehmen.  Während 
des  Reinmachens  und  nach  demselben  sind  die  Fenster  in  den  Klassen  etc., 
wenn  die  Witterung  es  gestattet,  einige  Stunden  lang  offen  zu  halten. 

§  10.  Eine  Generalreinigung  sämtlicher  Schulräume  hat  in  den  Oster-, 
Sommer-  und  Weihnachtsferien  stattzufinden.  Bei  der  Generalreinigung  ist 
auch  das  Abstäuben  der  Wände  und  Decken  zu  besorgen. 

Die  Schulmobilien  sind  in  den  Sommerferien  durch  Abseifen  zu  rei- 
nigen etc. 

§  12.  Die  Türgriffe,  Zapfhähne  an  der  Wasserleitung,  Gasarme  etc. 
sind,  so  oft  es  der  Hauptlehrer  für  notwendig  hält,  zu  reinigen  bezw.  zu 
putzen. 

§  13.  Die  Turnhalle  ist  täglich  mit  nassen  Sägespänen  zu  fegen  and 
alle  14  Tage  einmal  zu  feulen.  Nach  dem  täglichen  Fegen  ist  für  aus- 
reichende Lüftung  durch  öffnen  der  Fenster  zu  sorgen.  Reinigung  der 
Fenster  mindestens  monatlich  einmal. 

§  14.  Geuerahreinigung  ist  mit  derjenigen  der  Schulräume  gleich- 
zeitig auszuführen.  In  den  Sommerferien  sind  die  Turngeräte  durch  Ab- 
seifen gründlich  zu  reinigen. 

§  15.  Dient  eine  Turnhalle  mehreren  Schulen,  so  sind  die  Reini- 
gungsarbeiten von  den  Schuldienern  der  qu.  Schulen  wechselweise  zu  ver- 
richten. 

§  16.    Die  Aborte  sind  täglich  zu  fegen  und  je  nach  der  Einrichtong 


547 

und  dem  Bedürfnis  wöchentlich  zwei-  bis  dreimal  oder  tUglich  abzulassen 
und  zn  spülen.     Die  Sitzbretter  sind  täglich  nafs  abzuwaschen. 

§  17.  Die  Pissoirs  sind  während  der  ganzen  Schulzeit  durch  eine 
mäfsige  Berieselung  rein  zu  halten  und  —  auf  event.  Anweisung  des  Haupt- 
lehrers —  durch  Anwendung  von  Chlorkalk  zu  desodorieren. 

Genügen  die  gewöhnlichen  Mafssnahmen  (§§  16  und  17)  nicht,  so  ist 
durch  Vermittlung  des  Hauptlehrers  ein  Mechaniker  zur  AbWe  herbei- 
zuziehen. 

Breslau.  Dienstanweisung  für  Schuldiener  vom  26.  Januar 
1899. 

§  3.  2.  Die  Reinigung  der  Schulzimmer  hat  täglich  zu  erfolgen, 
und  zwar  soll  der  Fu&boden  der  Schulzimmer  bei  offenen  Türen  und 
Fenstern  nach  vorangegangener  feuchter  Behandlung  (feuchte  Aufnahme, 
Streuen  von  nassem  Sand  oder  feuchten  Sägespänen)  täglich  durch  Kehren 
von  Staub  und  Schmutz  gereinigt  werden.  Hierbei  ist  jede  Aufwirbelung 
von  Staub  möglichst  zu  vermeiden;  sobald  der  beim  Kehren  etwa  auf- 
gewirbelte Staub  sich  wieder  gesetzt  hat,  sind  alle  Geräte  mit  Tüchern 
abzuwischen. 

3.  Allmonatlich  einmal  sind  die  Fufsböden  der  Schulzimmer  zu 
scheuem  und  die  Wände  —  ihrem  Anstrich  entsprechend  —  entweder 
trocken  oder  feucht  abzuwischen.  Hierbei  sind  alle  Ausstattungsgeigen- 
stände etc.  gründlichst  abzuwaschen. 

4.  Alle  Gänge,  Treppen,  Fluren  sind  einmal  täglich  auszukehren, 
zweimal  monatlich  gründlich  zu  scheuem. 

5.  Die  Fenster  sind  stets  rein  zu  halten,  alle  14  Tage  müssen  die- 
selben sauber  geputzt  werden.  Innerhalb  der  Ferien  sind  die  Fenster  zum 
Zweck  ihrer  Reinigung  auszuheben.  Angelaufene  Scheiben  sind  fleüsig  ab- 
suwaschen. 

6.  Die  Bedürfnisanstalten  sind  täglich  sorgsam  zu  reinigen. 

7.  Die  Vorrichtungen,  welche  sich  an  und  in  den  Häusem,  in  denen 
aich  Schulzimmer  befinden,  angebracht  sind  (Schareisen,  Stroh-  und  Bast- 
decken), sind  täglich  gründlich  zu  reinigen.  Die  Decken  sind  auszuklopfen 
und  der  daranter  befindliche  Schmutz  ist  zu  entfernen. 

8.  Die  in  den  Schulzimmem  und  auf  den  Fluren  aufgestellten  Spuck- 
näpfe sind  stets  ganz  sauber  zu  halten  und  so  oft  zu  entlegen  und  zu 
reinigen,  als  ihr  Zweck  dies  erfordert. 

§  4.    Materi^en  zur  Reinigung  hat  der  Schuldiener  selbst  zu  bestreiten. 
Hierzu  trifft  die  Verfügung  des  Magistrats  vom  24.  Juni  J887 
ergänzend  nachstehende  spezielle  Bestimmungen: 

1.  Das  Reinigen  bezw.  Waschen  der  Fenster  hat  in  einem  ausreichend 
grolsen  Gefäfse  zu  erfolgen,  welches  mit  Scheuerlappen  zum  Auffangen  des 
abspriugenden  Spülwassers  zu  umlegen  ist.  Die  gewaschenen  Fenster  sind 
auf  Scheuerlappen  abzusetzen. 

2.  Der  Fnfsfooden  ist  nicht  durch  Begi^feen  z^  nässen,  sondern  n^it 
einem  mit  Wasser  getränkten  Scheuerlappen,  dann  sofort  abzureiben,  nicht 
mit  Wasser  abzuspülen,  sondern  ,mit  in  rßines  Wasser  getauchtem  Scheuer- 
lappen abzuschleppen  und. danach  sorgfältig  unter  Zuhilfenahme  einer  Scheuer- 

Schnli^esandheitspflege.  XVI.  29 


548 

bOrste  aufzutrocknen.  Die  Reinigung  des  Fulsbodens  hat  in  kleinen  Partien 
zu  erfolgen.  Pfützen  dürfen  nicht  geduldet  werden.  Nach  Beendigung  des 
Scheuems  Öffnung  s&mtlicher  Fenster. 

3.  Flure  und  Treppen  sind  in  gleicher  Weise  zu  reinigen.  Ein 
Giefsen  von  Wasser  ist  in  allen  Fällen  zu  vermeiden. 

Mfinchen.  Bestimmungen  ttber  Unterhaltung  und  Reinigung 
der  Linoleumböden  (17.  Mai  1900). 

1.  In  Klassenzimmern,  Turnhallen,  Korridoren  und  untergeordneten 
Räumen. 

a)  Korridore  und  Treppenhäuser  sind  täglich,  die  übrigen  Räume 
wöchentlich  zweimal  mit  kaltem  Wasser  zu  waschen  oder  mit  feuchten 
Sägespänen  abzureiben. 

b)  Monatlich  einmal,  mit  Ausnahme  der  Ferienzeiten,  sind  alle  Lino- 
leumböden mit  Seife  unter  Ausschlufs  von  Soda  oder  stark  sodahaltigen 
Seifen  —  auch  nicht  der  sog.  Schmierseife  —  zu  reinigen.  Die  Seife  — 
Kernseife  —  mufs  in  heifsem  Wasser  aufgelöst,  die  Lösung  aber  erst  verwendet 
werden,  wenn  sie  durch  Zusatz  von  kaltem  Wasser  lauwarm  geworden  ist 

Nach  dem  Abseifen  werden  die  Böden  mit  reinem,  kaltem  Wasser 
nachgewaschen  und  schliefslich  mit  reinen,  weichen  Tüchern  trocken  gerleben. 

c)  Während  der  Oster-  und  der  grofsen  Ferien  sind  sämtliche  Lino- 
leumböden nach  vorangegangener  Reinigung  mit  einem  Fett  abzureiben, 
welches  von  dem  Lieferanten  des  Linoleum  zu  beziehen  ist. 

d)  Sollte  das  Linoleum  nicht  mehr  fest  an  der  Unterlage  haften,  an 
den  Kanten  und  Ecken  in  die  Höhe  stehen,  Buckel  und  hohle  Stellen  zeigen, 
so  ist  sofort  dem  Stadtbaumeister  Anzeige  zu  erstatten,  welcher  die  Wieder- 
befestigung veranlassen  wird. 

Dienstinstruktion  für  den  Schulhausmeister. 

§  3.  Er  sorgt  dafür,  dafs  das  Schulhaus  mit  allem,  was  dazu  gehört, 
rein  und  sauber  sei,  dals  alles,  was  schädlich  oder  gefährlich  für  die  Ge- 
sundheit wirkt,  verhütet  und  beseitigt  werde. 

Die  Reinigung  der  SchuUokalitäteu  und  Inventargegenstände  ist  zwei- 
facher Art: 

a)  Wöchentlich  zweimal  sind  sämtliche  zu  Schulzwecken  benutzten 
Zimmer,  inkl.  Tum-  und  Suppensaal,  Treppen,  Gänge  und  Hausflur  bei 
geöffneten  Fenstern,  die  Böden,  Treppen  und  Gänge  mit  nassen  Sägespänen, 
die  Fenstergesimse  mit  feuchten  Tüchern  zu  reinigen.  Die  Abtritte  und 
Abstreifvorrichtungen  sind  täglich  abzureiben,  die  Sitzbretter**  der  Abtritte 
täglich,  die  Rinnen  und  der  Boden  wenigstens  zweimal  in  der  Woche  ab- 
zuwaschen. Die  Fenster  sind  stets  rein  zu  erhalten,  mit  Wasser  angelaufene 
Fensterscheiben  fleifsig  abzuwischen,  ebenso  die  Gesimse  bei  Auftauen  der 
gefrorenen  Fensterscheiben. 

b)  In  beiden  Ferien  ist  das  Schulhaus  in  allen  seinen  Teilen  durch 
Fegen  der  Böden,  Putzen  der  Fenster  und  Einrichtungsgegenstände  voll- 
ständig und  gründlich  zu  reinigen.  Für  die  Reinigung  des  Schulhanses 
und  seiner  Einrichtung  erhält  der  Schulhausmeister  eine  besonders  nach 
der  Masse  der  der  Reinigung  unterliegenden  Bodenräume  und  der  ver- 
schiedenen Art  der  Reinigung  festgesetzte  Vergütung. 


549 

Dresden.    Dienstanweisung  fflr  die  Schaldiener  vom  15.  Fe- 
bruar 1894.     Besondere  Obliegenheiten. 
In  den  Unterrichtszimmern  sind: 

a)  täglich  frflh  die  Schulgeräte,  Fensterbretter  und  Wandbekleidungen 
u.  8.  w.  durch  Überwischen  mit  einem  trockenen  Tuch  vom  Staube  zu  säubern, 

b)  wöchentlich  dreimal  (Dienstag,  Donnerstag  und  Sonnabend)  nach 
Schluß  des  Unterrichts  sind  die  Fuisbodenflächen  unter  Verwendung  feuchter 
Späne  (Säge-)  rein  zu  kehren, 

c)  wöchentlich  dreimal  die  sämtlichen  Geräte,  Fensterbretter  und  Wand» 
Verkleidungen  feucht  abzuwischen, 

d)  jährlich  viermal  (Ostern,  Sommerferien,  Michaelis,  Weihnachten) 
Fulsboden  und  Geräte  gründlich  zu  scheuem. 

Vor  dem  Reinigen  der  Zimmer  und  der  Geräte  sind  die  Lüftungs- 
kanäle  von  dem  Schuldiener  zu  schliefsen. 

3.  Die  FuTsbodenflächen  der  Gänge,  Kleiderablegeräume  undTreppen  sind: 

a)  täglich  zu  kehren, 

b)  jährlich  viermal  zu  scheuem. 

4.  Die  Fenster  sind: 

a)  jährlich    einmal    in   den  Sommerferien,    aufserden  nach  jedem 
Weifsen  der  Räume  gründlich  zu  waschen, 

b)  in   der  Zwischenzeit  alle  vier  Wochen  feucht  abzuwischen  und 
sauber  zu  putzen. 

5.  Aborte  und  Klosetts,  wenn  beschmutzt,  sogleich,  anfserdem  aber 
regelmäfsig  allwöchentlich  zu  scheuern,  tägliche  Besichtigung  nach  Schlufs 
des  Unterrichts,  Eotteile  in  den  Becken  zu  beseitigen,  Wasserspüleu  und 
Verschlufs  der  Sitzteile  zu  beachten.  Desinfektionsmasse  hat  der  Schul- 
diener nach  Anweisung  selbst  herzustellen. 

9.  Turnhallen: 

a)  täglich  früh  Fensterbretter,    Holzverkleidungen   und  sämtliche 
Geräte  feucht  überzuwischen, 

b)  täglich  während  der  Mittagspause  die  Geräte  trocken  abzuwischen, 

c)  täglich  nach  Schlufs  des  Unterrichts  den  Fu&boden  reinzukehren, 

d)  viermal  jährlich  den  Fufsboden  zu  scheuem,  Türen,  Holzverklei- 
dungen etc.  gründlich  zu  waschen  etc. 

12.  Soweit  ausführbar,  soll  der  Schuldiener  darauf  sehen,  dais  die 
Kinder  bei  Betreten  des  Schulhauses  sich  die  Füfse  gehörig  abschrappen. 

Leipzig.  Dustless-Boden  hat  sich  bewährt.  Derselbe  wird  (täglich 
oder  wöchentlich?)  zweimal  feucht  mit  Sägespänen,  die  Korridore  und 
Treppen  einmal  täglich  feucht  mit  Sägespänen  übergewischt. 

Stuttgart.  Die  Reinigung  geschieht  wöchentlich  zweimal  durch  nasses 
Aufwischen  der  Schulzimmer  und  des  Inventars. 

Brannschweig.  Hier  wird  wöchentlich  zweimal  gefegt  und  jährlich 
zweimal  gescheuert.  Vorsäle  und  Treppen  werden  an  den  übrigen  Schul- 
tagen  gefegt  und  der  Staub  in  den  Schulräumen  abgewischt. 

Bremen.  Zweimal  wöchentlich  werden  sämtliche  Klassenzimmer  nafs 
aufgenommen  (gefeudelt). 

29* 


550 

EBln.  Die  Treppen  und  Gänge  sowie  die  nicht  mit  Bänken  besetzten 
Ränme  der  Schulzimmer,  werden  täglich  nach  beendetem  Unterricht  sorg- 
fältig ausgekehrt.  Reinigung  der  gamzen  Klassenzimmer  erfolgt  zweimal 
wöchentlich  mit  angefeuchtetem  Sägemehl  in  der  Art,  dafs  dabei  die  Bänke 
da,  wo  es  tnnlich  ist,  vom  Platze  gerückt,  und  der  Schmutz  darunter 
weggefegt  wird. 

Die  Bänke,  Schränke,  Schreibtische,  Katheder  und  Fensterbänke 
werden  täglich,  spätestens  ^A  Stunde  vor  dem  Anfange  des  Unterrichts, 
abgestäubt  und  mit  feuchtem  Tuch  sorgfältig  abgewischt. 

Das  Scheuern  der  FufsbOden  sowie  das  Putzen  der  Fenster  gesdneht 
80  oft  als  notwendig.  Wenigstens  viermal  im  Jahre  (in  den  Ferien)  werden 
die  Schulzimmer  mit  Seife  und  heifsem  Wasser  gescheuert,  die  TQren  und 
Fenster  etc.  abgewaschen  und  die  Fenster  geputzt. 

Für  die  ländlichen  Schulräume  hat  die  königliche  Regierung  zu 
Köln  folgende  Reinigungsvorschriften  erlassen: 

Sämtliche  Flure,  Treppen  und  sonstigen  Ränme,  welche  dem  Verkehr 
der  Schulkinder  nach,  wie  von  der  Klasse  dienen,  und  die  Klassenzinuner 
selber  in  allen  ihren  Teilen,  also  in  den  Gängen  sowohl,  als  auch  unter 
den  Tischen  «nd  Bänken,  sind  täglich  nach  Beendigung  des  Unterrichts  in 
ausgiebiger  Weise  mit  reinem  Wasser  imd  feuchtem  Sand  oder  Sägespänen 
2u  besprengen  und  dann  auszukehren,  wobei  alle  Fenster  und  die  Türen 
geöffnet  sein  müssen.  Eine  halbe  Stunde  nach  Beendigung  dieser  Arbeit 
sind  dann  in  den  Schulstuben  noch  die  Tische,  Bänke,  Schränke,  Paneele, 
Fensterbretter,  Geräte,  kurz  aUe  Gegenstände,  welche  Staub  auffangen 
könn^,  feucht  abzuwischen.  In  jeder  Woche  einmal,  am  besten  aber  an 
den  freien  Sonnabendnachmittagen,  sind  dieselben  Räume  unter  Benutzung 
oftmals  zu  erneuernden  Wassers  nafs  aufzuwischen  oder  zu  scheuem.  In 
jedem  Monat  einmal  sind  auch  die  Fenster  zu  putzen,  und  jährlich  sind 
Wände  und  Decken  durch  Fegen  oder  Wischen  von  haften  gebliebenem 
Staub  zu  reinigen.  Endlich  empfiehlt  es  sich,  einmal  jährlich  in  den 
Ferien  den  Boden  wiederholt  mit  gekochtem  öl  zu  streichen,  wodurch  er 
länger  dicht  und  hart  zu  bleiben  pflegt.  Aborte  und  Pissoire  sind  in  ähn- 
licher Weise  wöchentlich  zweimal  su  ^kehren  und  monatlich  einmal  auf- 
zuwischen oder  zu  scheuem. 

Diese  Verfügung,  die  als  gedrucktes  Plakat  behufs  Aushängung  in 
den  Schulrftumen  den  einzelnen  Klassen  fiberwiesen  wurde,  ist  mit  dem 
1.  Oktober  1902  in  Kraft  getreten. 

Nflrnberg.  Regierungs-Entschliefsung  vom  27.  Februar 
1879. 

1.  Die  Schulzinmier  sind  wöchentlich  mindestens  zweimal  zu  reinigen. 
Diese  Reinigung  hat  durch  Kehren  mit  feuchten  Sägespänen  zu  erfolgen. 
Das  gleiche  gilt  für  die  zu  den  Schulzimmem  führenden  Gänge  etc. 

2.  Die  nicht  mit  Riemenböden  versehenen  Lehrzimmer  der  ersten 
und  zweiten  Ellassen  sind  nicht  nur  täglich  zu  wischen,  sondern  auch  alle 
14  Tage  einschliefslich  der  Lamperien  gründlich  zu  reinigen. 

3.  Türen,  Fenster  etc.  müssen  mindestens  einmal  im  Monat  so^fältig 
gewaschen  werden. 


561 

4.  Die  Lehrsäle  mflssen  mindestens  zweimal  im  Jahre  und  zwar  Tor 
Beginn  der  beiden  Semester  gründlich  gefegt  werden.  Die  Zeit  ist  so  zu 
wählen,  dais  der  Fnlsboden  bei  Wiederbeginn  des  Unterrichts  vollkommen 
trocken  ist.  Schnlzimmer  mit  ölanstrieh  oder  Riemanböden  bedürfen  des 
Fegens  nicht. 

5.  Kleinere  und  stark  besetzte  Lokale  sind  alle  Jahre  zu  tünchen  pf . 

In  neoerer  Zeit  sind  Proben  mit  täglicher  Reinigung  nach  Wies- 
badener Muster  mittels  fliegender  Kolonnen  von  Arbeitsfrauea  (die  Kosten 
sind  berechnet  auf  1  Mark  pro  Jahr  und  Schnikind)  gemacht.  Die  Er- 
gebnisse dieser  Probe  sind  noch  nicht  bekannt  gegeben. 

StraffllMifg.  Hier  wiid  i»  den  Schulzinaiern  täglich  gefSegt  md 
▼iermal  jährfich  anfgewaschen  und  gründlich  gereinigt. 

Altena»  Die  Räume  werden  täglich  gefegt.  Die  Hälfte  der  Räume 
werden  jeden  Sonnabend  mit  nassen  Tüchern  gereinigt  (gefeudelt). 

Erftirt.  Aus  einer  Zuschrift  des  Stadtschulrates  vom 
13.  Dezember  1902. 

Das  Reinigen  der  Klassenzimmer  hat  wöchentlich,  so  oft  als  nötig, 
mindestens  zweimal  und  zwar  nach  Wegrücken  der  Bänke  und  Podien  zu 
erfolgen,  die  Bäuke  müssen  täglich  vor  Begiun  des  Unterrichts  mit  einem 
feuchten  Lappen  abgewischt  werden.  Das  Reinigen  und  Kehren  der  Vor- 
plätze, Treppen  und  sonstigen  Räume  hat,  so  oft  es  die  Reinlichkeit  er- 
fordert, zu  geschehen.  Das  Kehren  geschieht  unter  Verwendung  nasser 
Sägespäne,  das  Scheuem  der  Fuisböden,  sowie  das  Abwaschen  der  Türen, 
Fenster  pp.  mufs  viermal  im  Jahre  während  der  Ferien  ausgeführt  werden. 

Königsberg.  Die  Fuüsböden  und  Bänke  der  Schulen  werden  vor- 
schriftsmäisig  täglich  feucht  aufgewischt;  Korridore  und  Treppen  werden 
zweimal  wöchentlich  gereinigt.  Die  Fufsböden  sind  mit  Bodol  imprägniert. 
Die  Fenster  werden  dreimal  wöchentlich  geputzt. 

Posen.     Einmal  wöchentliches  Scheuem,  tägliches  Aufwischen. 

Frankfurt  a.  M.  Dienstanweisung  für  die  Schuldiener 
vom  17.  April  1900. 

§  2.  Die  Hauptobliegenheit  der  Schuldiener  ist  die  Reinhaltung  der 
Schulräume,  die  sie  in  erster  Linie  persönlich  auszuführen  haben.  Wenn 
sie  Hilfskräfte  heranziehen,  so  bleiben  sie  für  deren  Leistungen  verant- 
wortlich. 

§  3.  Sämtliche  Räume  der  Schule,  soweit  sie  nicht  nachstehend 
ausgenommen  sind,  also  insbesondere  die  Klassenzimmer,  die  Amtszimmer 
des  Dirigenten,  Konferenz-  und  Lehrerzimmer,  Stiegen,  Vorplätze,  Aborte, 
Pissoirs  u.  s.  w.,  samt  den  darin  befindlichen  Gerätschaften  sind: 

1.  täglich  zu  reinigen.  Die  Reinigung  geschiebt  durch  gründliches 
Auskehren  mit  feuchten  Sägespänen  und  darauffolgendem  Abstäuben.  Das 
Abwischen  des  Staubes  von  den  Tischen  und  Bänken  hat  nach  jedem  Aus- 
kehren zu  geschehen.     Zweimal  in  der  Woche  (Mittwoch  und  Samstag)  ist 


552 

der  Staub,  aach  Ton  den  Bücherbrettern,  Schränken,  Ofenkacheln,  mit 
feuchten  Tüchern  abzuputzen.  Die  vorhandenen  Spucknäpfe  sind  zweimal 
wöchentlich  zu  reinigen  und  mit  Salzwasser  zu  füllen. 

2.  Wöchentlich  einmal  sind  nach  dem  gründlichen  Auskehren 
sämtliche  Räume  aufzuwaschen.  Hierbei  sind  die  Beschläge  zu  reinigen 
und  die  Tischplatten  feucht  abzuwischen. 

3.  Vierteljährlich  findet  eine  gründliche  Hauptreinigung  der  ge- 
nannten Räume  mit  warmem  Wasser,  Seife,  Soda  und  Bürste  statt,  nach- 
dem zuvor  an  den  Decken  und  Wänden  —  soweit  tunlich  —  der  Staub 
abgekehrt  ist  und  die  beweglichen  Schulbänke  auseinander  gerückt  worden 
sind;  Getäfel  und  Mobilien  sind  alsdann  mit  warmem  Wasser  und  Seife 
abzuwaschen,  ebenso  die  Fenster  auf  der  Innen-  und  Aufsenseite.  Auch 
hierbei  sind  Türgriffe,  Schulbänke  und  Tischgestelle,  Yerschläge  n.  s.  w. 
sachgemäfs  zu  reinigen. 

Die  Fenster,  auch  diejenigen  der  Turnhalle,  sind  aufser  bei  den 
Haupteingängen  noch  einmal  im  Vierteljahr  von  innen  und  aul^en  zn 
putzen. 

§  4.  Die  Böden  der  Turnhallen  sind  wöchentlich  einmal  aufzu- 
waschen und  täglich  mit  feuchten  Sägespänen  gründlich  auszukehren.  Bei 
Bedarf  kann  eine  öftere  Reinigung  am  Tage  angeordnet  werden.  Bei  allen 
diesen  Reinigungen  ist  der  Staub  von  den  Geräten  mit  feuchten  Tüchern, 
Ton  den  Aufsenteilen  eiserner  Öfen  mit  trockenem  Tuche  abzunehmen. 

§  14.  Die  Putzutensilien  und  Materialien,  deren  Verbrauch  von  der 
Materialienverwaltung  kontrolliert  wird,  werden  dem  Schuldiener  geliefert. 

§  15.  Behandelt  besondere  Vergütung  für  Reinigung  an  die  Schul- 
diener. 

Dfisseldorf.  Die  Schulräume  werden  zweimal  wöchentlich  unter 
Verwendung  von  feuchtem  Sägemehl  ausgekehrt.  Die  Bänke  etc.  müssen 
vom  Platz  gerückt  werden. 

Aachen.     Bestimmungen  vom  9.  Oktober  1897. 

3.  Die  Gänge  der  Schulzimmer  und  die  zu  letzteren  führenden 
Treppen  und  Flure,  sowie  der  Raum  zu  den  Eingangstüren  des  Schulhauses 
sind  täglich  auszukehren  und  die  Pulte,  Tische,  Bänke,  Öfen  und  Fenster- 
bänke abzustauben.  Vor  dem  Reinigen  sind  die  Fenster  zu  öffnen  und 
nötigenfalls  auch  der  Fufsboden  mit  Wasser  zu  besprengen,  um  das  Auf- 
wirbeln des  Staubes  möglichst  zu  verhindern. 

4.  An  den  schulfreien  Nachmittagen  (Mittwoch  und  Samstag)  sind 
sämtliche  Schulräume,  sowie  die  Aborte  sauber  auszufegen  und  zu  reinigen; 
die  Subsellien,  Treppengeländer,  Abtrittssitze  sind  alsdann  mit  einem  Tuche 
abzuwischen  und  abzureiben. 

5.  Jeden  letzten  Samstag  im  Monat  sind  die  Wände  der  Schul- 
zimmer und  die  Treppenffure  abzustäuben,  die  Fenster,  Treppen  und 
Treppenflure  zu  waschen  und  nötigenfalls  abzuseifen. 

6.  Wenigstens  dreimal  im  Jahre  (Oktober-,  Herbst^  und  Weihnachts- 
ferien) sind  sämtliche  Schulräume,  Haus-  und  Treppenflure,  Treppen  und 
Aborte  gehörig  auszuscheuern,  die  Ttlren,  Fenster  und  Fensterbänke,  Ge- 


653 

stelle,  Fußleisten,  Treppengel&nder  nnd  Abtrittsitze  gehörig  abzuseifen  nnd 
sauber  abzutrocknen. 

7.  Nach  jeder  Reinigung  der  Schulzimmer  sind  die  Subsellien  wieder 
an  ihren  Ort  und  in  die  richtige  Stellung  zu  bringen.  Dieselben  sind  da- 
bei zu  schonen. 

Chemnitz.  Hier  bestehen  folgende  Vorschriften:  Kehren  der  Lehr- 
zimmer wöchentlich  zweimal,  Scheuern  derselben  jährlich  viermal,  Wischen 
der  Bänke  etc.  täglich  einmal,  Kehren  der  Turnhalle  täglich  zweimal, 
Scheuern  derselben  monatlich  einmal.  Kehren  der  Korridore  und  Treppen 
täglich. 

Essen.     Hat  tägliche  Beinigung. 

Crefeld.     Bestimmungen  vom  31.  Dezember  1896. 

§  1.  Das  Schulzimmer  und  die  zu  demselben  führenden  Treppen 
und  Gänge  müssen  stets  in  reinlichem  Zustande  erhalten  werden;  die 
ersteren  sind  wenigstens  zwei- oder  dreimal  in  der  Woche,  die  Treppen 
und  Gänge  aber  täglich  nach  beendigtem  Unterricht  sorgfältig  auszukehren. 
Die  Reinigung  der  Schulzimmer  hat  in  der  Weise  zu  geschehen,  dafs  da- 
bei die  Bänke  [vom  Platz  gerückt  und  der  darunter  befindliche  Schmutz 
weggefegt  wird. 

§  2.  Die  Bänke,  Schreibtische,  Katheder,  Schränke,  Bilder,  Fenster- 
bänke sind  eine  Stunde  nach  dem  Kehren  abzustäuben  und  täglich  vor 
dem  Unterricht  mit  einem  feuchten  Tuche  sorgfältig  abzuwischen.  Die 
Fenster  der  Schulzimmer  und  des  Treppenhauses  sind  so  oft  zu  putzen 
als  es  notwendig  erscheint,  mindestens  aber  alle  sechs  Wochen. 

§  3.  Wenigstens  viermal  im  Jahre  und  zwar  in  den  Ferien  (Ostern, 
Pfingsten,  Herbst,  Weihnachten)  sind  die  Schulzimmer  mit  Seife,  Soda  und 
heüsem  Wasser  zu  scheuern,  die  Türen,  Bekleidungen,  Bänke,  Schränke 
u.  s.  w.  ebenso  abzuwischen  und  die  Wände  abzustäuben. 

§  4.  Die  Aborte  müssen  täglich  nachgesehen  und  mindestens  ein- 
mal in  der  Woche  gereinigt  werden.  Während  der  Sommermonate  müssen 
die  Pissoirs  täglich  gespült  werden. 

§  8.  Eine  Beihilfe  von  Kindern  bei  der  Reinigung  und  Heizung  etc. 
ist  nicht  gestattet. 

Barmen.  Aus  dem  Entwurf  einer  Dienstanweisung  für 
die  Schuldiener  an  den  städtischen  Volksschulen: 

§  4.  Die  Klassenzimmer  sind  Mittwochs  und  Samstags,  nachdem 
feuchtes  Sägemehl  reichlich  gestreut  ist,  bei  geöffnetem  Fenster  gründlich 
auszukehren,  wobei  die  Schülerpulte  von  ihren  Plätzen  zu  rücken,  nachher 
aber  wieder  zu  ordnen  sind.  Tritt  durch  Erkrankung  oder  Unwohlsein 
eines  Kindes  eine  Verunreinigung  des  Klassenzimmers  ein,  so  ist  sie  sofort 
vom  Schuldiener  zu  beseitigen. 

§  5.  Eine  Stunde  nach  beendigtem  Kehren  sind  sämtliche  Schüler- 
pulte, Katheder,  Geräte,  Fensterbänke,  Schränke  und  Kleiderhalter  mit 
einem  feuchten  Tuch  abzuwischen  und  mit  einem  trockenen  nachzureiben ; 
dabei  ist  zu  beobachten,  dals  während  des  Wischens  das  Tuch  recht  häufig 
in  klarem  Wasser  ausgespült  wird. 


554 

§  6.  Die  Fufsböden  sämtlicher  ElasseB  werden  in  den  Oster-  ond 
Herbstferien,  nachdem  die  Zimmer  sorgfältig  ausgekehrt  sind,  samt  Schfller- 
pulten,  Katheder,  Schränke  (innen  ond  anfsen),  ferner  Geräte,  Fenster- 
bänke, Fensterrahmen  ond  Lamperien  mit  Seife,  Soda  und  warmen  Wasser 
gescheuert.  Gleichzeitig  sind  die  sämtlichen  Tintenfässer  zn  reinigen. 
(Dieselbe  Reinigung  möglichst  in  den  Weihnachts-  und  Pfingstferien.) 

§  7.  Machen  ansteckende  Krankheiten,  Reparaturen,  Schutfeiern  etc. 
oder  andere  Umstände  eine  durchgreifende  Reinigung  notwendig,  so  ist 
der  Rektor  befugt,  sie  anzuordnen. 

§  8.  Die  Öfen  und  Ofenrohre  sind  so  oft  als  nötig  mit  Eisenfarbe 
anzustreichen,  so  dafs  ein  Grau-  oder  Rotwerden  yermieden  wird. 

§  9.  Die  Türen  und  die  Bekleidung  der  TttröfFnnngen  sind  an  den 
Stellen,  die  von  den  Kindern  berührt  werden,  mit  Seife  und  warmem 
Wasser  so  oft  als  nötig  zu  säubern. 

§  10.  Die  Schultreppen  und  Flure  sind  täglich  nach  beendetem 
Unterricht  sorgfältig  auszukehren,  nachdem  zuTor  feuchtes  Sägemehl  ge- 
streut ist,  sodann  sind  sie  jeden  Samstag  zu  schrubben.  So  oft  als  mög- 
lich, mindestens  aber  monatlich,  sind  die  Wände  abzustäuben.  Treppen« 
geländer  abzuwaschen  und  der  Fu&boden  in  Treppen  und  Gängen  mit 
Seife  und  warmem  Wasser  zu  scheuem. 

§  12.  Die  Fenster  sind  so  oft  als  möglich,  mindestens  aber  alle 
vier  Wochen,  zu  putzen. 

§  13.  Aborte  sind  täglich  nachzusehen  und  zu  reinigen.  Einmal 
wöchentlich  sind  die  Sitze  mit  Seife  und  Wasser  zu  scheuem  und  die 
Trichter  zu  reinigen.  Im  Pissoir  müssen  die  Rinnen  und  Bretter  täglich 
gespült  und  mit  dem  Besen  gescheuert  werden. 

Elberfeld,  Vorschriften,  betreffend  die  Heizung;  Reini- 
gung und  Lüftung  der  Räume  in  den  städtischen  Volks- 
schulen, vom  I.April  1899. 

Die  Kinder  sollen  die  Schuhe  am  Gerät  im  Hausflur  reinigen. 

Die  für  die  Reinigung  verantwortlichen  Personen  haben  für  folgendes 
zu  sorgen: 

1.  An  jedem  Schultage  nach  Schluis  der  Schule: 

a)  Die  Korridore  und  Treppen  zu  sprengen  und  zu  fegen. 

b)  Die  Abtritte  zu  reinigen  und  die  Pissoirrinnen  zu  spülen. 

2.  Wöchentlich  zweimal  und  zwar  an  den  schulfreien  Nachmittagen: 

a)  Alle  Klassenzimmer  zu  sprengen  und  zu  fegen,  hierbei  wenigstens 
einmal  wöchentlich  die  Schülerbänke  von  ihren  Plätzen  zu  rücken. 

b)  Nach  Beendigung  dieser  Arbeit  sind  in  allen  Klassen,  von  vorne 
anfangend,  alle  Subsellien  und  Tische  mit  feuchtem  Tuche  vom 
Staub  zu  befreien. 

c)  Wöchentlich  einmal  das  Rektorzimmer  feucht  aufeunehmen. 

3.  Monatlich  einmal: 

a)  die  Fufsböden  jedes  Klassenzimmers,  sowie  die  Treppen,  welche 
zu  Schulräume  führen,  feucht  aufzunehmen. 

b)  Die  Wände  der  Klassenzimmer  und  Korridore  abzustäuben. 

c)  Die  Fenster  der  Schulstuben  abzuwaschen. 


555 

4.  Jährlich  zweimal  (Oster-  und  Herbstferien)  die  Klassenzimmer 
ganz  aaszQränmen,  gründlich  zu  schmbben  imd  das  ganze  Schnlhans  zu 
patzen.  Die  mit  hellgrauer  Leimfarbe  gestrichenen  Wände  sind  bei  dieser 
Generalreinignng  sorgfältig  staubfrei  zu  machen. 

Kassel.  Hier  mufe  zweimal  wöchentlich  Aufkehren,  viertelj&hrlich 
Waschen  stattfinden. 

Magdeburg.  Dienstanweisung  fttr  die  Kastellane  der 
städtischen  Schulen  Tom  6.  Dezember  1899. 

§  4.  Montag,  Dienstag,  Donnerstag  und  Freitag  sind  die  Klassen- 
zimmer, soweit  sie  nicht  Ton  Bänken  und  Tischen  besetzt  sind,  zu  reinigen 
(also  die  Seiten-  und  Zwischengänge,  die  Plätze  vor  und  hinter  den  Sub- 
sellien).  Am  Mittwoch  und  Sonnabend  werden  alle  Räume  der  Schulen 
vollständig  gereinigt.  Korridore,  Treppen  sind  täglich  zu  reinigen.  Beim 
Fegen  ist  das  Aufrütteln  von  Staub  durch  Bestreuen  der  FuJsböden  mit 
feuchten  Sägespänen  oder  durch  geeignetes  Sprengen  möglichst  zu  Ter- 
hindem.  Während  der  Reinigung  und  des  Staubwischens  sind  die  Fenster 
zu  öffnen.  Die  Schulbänke  sowie  die  übrigen  Klassenausstattungen  sind 
möglichst  stets  staubfrei  zu  erhalten  und  in  den  grofsen  Ferien  abzuseifen. 
Yierteljährlich  sind  die  Fulsböden  der  Schnlräume,  die  Treppenkorridore 
zu  scheuem  und  sämtliche  Ttlren  des  Schulhauses  sowie  die  beschmutzten 
Olpaneele  abzuwaschen.  Vor  dem  Scheuem  müssen  die  Wand-  und  Decken- 
flächen gründlich  abgefegt  werden. 

Die  in  den  Klassen  aufgestellten  Spucknäpfe  sind  täglich  zu  reinigen 
und  sodann  jedesmal  mit  Wasser  zu  füllen. 

Die  Fenster  der  Klassen  und  Korridore  sind  in  den  Oster-,  Sommer-, 
Herbst-  und  Weihnachtsferien,  sowie  im  Monat  Febmar  zu  putzen. 

§  6.  Die  Aborte  sind  stets  rein  und  in  Ordnung  zu  halten.  Die 
Sitzplätze  der  Aborte  müssen  wöchentlich  einmal  abgescheuert  werden. 

§  12.  Der  Fufsboden  der  Turnhalle  ist  an  jedem  Tag,  wo  sie  be- 
nutzt, mit  feuchten  Sägespänen  zu  bestreuen  und  danach  zu  fegen.  Die 
Turngeräte  sind  sodann  vom  Staube  zu  reinigen.  Die  Reinigung  mufs  eine 
Stunde  vor  Beginn  des  Turnunterrichts  beencLet  sein.  Jedesmal,  bevor 
eine  neue  Abteilung  die  Übungen  beginnt,  ist  die  Halle  gehörig  zu  lüften 
und  zu  sprengen.  Zu  Beginn  eines  jeden  Schulhalbjahres  sind  die  Wand- 
flächen der  Halle  gründlich  abzufegen,  die  Fenster  zu  putzen,  Türen-  und 
Fensterrahmen  abzuwaschen  und  die  Fufsboden  der  Halle,  des  Vor-  und 
etwa  vorhandenen  Ankleideraumes  zu  scheuem. 

HannOTer.  Die  Klassen  werden  jeden  Mittwoch-  und  Sonnabend- 
nachmittag mit  nassem  Sand  oder  Sägespänen  gereinigt.  Oster-,  Johanni- 
und  Michaelisferien  findet  Scheuerung  statt.  Korridore  und  Treppen  werden 
täglich  gefegt. 

Mannheim.  Ministerial -Verordnung  vom  30.  September 
1902. 

§  37.  1.  Die  Schulzimmer  und  sämtliche  zur  Schule  gehörigen 
Räume  sind  stets  rein  zu  halten.     Zu  diesem  Zweck  sind  die  Schulzimmer 


556 

und  die  zn  diesen  führenden  Gänge  nnd  Treppen  täglich  nach  beendeter 
Benutzung  bei  geöffneten  Fenstern  und  etwas  angefeuchtetem  Boden  sauber 
auszukehren,  nach  dem  Auskehren  ist  der  Staub  auf  Bänken,  Tischen, 
Stuhlen»  Öfen  und  Ofenröhren  zu  beseitigen. 

Alle  acht  Tage  sind  die  Böden  nach  vorausgegangenem  sauberen 
Auskehren  mit  einem  feuchten  Tuch  aufzuziehen. 

Alle  vier  Wochen  ist  das  Holzwerk  in  den  Schulzimmern,  die  Ver- 
täfelungen,  Zimmertüren  und  Schränke  u.  s.  w.  sauber  abzuwaschen,  auch 
sind  gleichzeitig  die  Fenster  zu  reinigen. 

2.  Die  Aborte  sind  (Zellen  und  Pissoirs)  alle  acht  Tage,  erforder- 
lichenfalls auch  vorher  schon  durch  Ab-  und  Aufwaschen  gründlich  zu 
reinigen. 

3.  Überdies  sind  wenigstens  viermal  im  Jahre  die  Böden  der  in 
Ziffer  1  genannten  Bäume  gründlich  aufzuwaschen,  sowie  Wände,  Decken 
und  Einrichtungsgegenstände  derselben  von  Staub  zu  reinigen. 

4.  Schulkindern  darf  die  Besorgung  dieser  Arbeiten  nicht  übertragen 
werden. 

5.  Den  Lehrern  wird  zur  Pflicht  gemacht,  die  genaue  Einhaltung  der 
vorstehenden  Vorschriften  zu  überwachen  etc. 

Meiningen.  Auszug  aus  dem  Ministerial-Erlafs  vom 
17.  April  1900. 

In  Betreff  der  Beaufsichtigung  und  Instandhaltung  der  Schulgebäude, 
der  Lüftung  und  Beheizung  der  Schulräume  und  der  Erhaltung  der  Sauber- 
keit und  Ordnung  darin  und  in  den  Vorräumen  werden  folgende  Bestim- 
mungen getroffen: 

2.  Die  Schulzimmer  müssen  in  der  Regel  jährlich,  mindestens  aber 
alle  zwei  Jahre  getüncht  werden. 

3.  Dieselben  sind  mindestens  alle  14  Tage,  d.  h.  nach  jeder  zweiten 
Schulwoche,  von  erwachsenen  Personen  gründlich  zu  scheuem,  geölte  und 
gefirniste  Fufsböden  aber  sorgfältig  aufzuwaschen,  wobei  sämtliche  Teile 
des  Zimmers,  Wände,  Decken,  Öfen,  Fenster,  Türen,  Bänke,  Schulger&te 
u.  s.  w.  ordentlich  zu  reinigen  sind. 

4.  Das  Auskehren  der  Schulzimmer  soll  womöglich  täglich,  mindestens 
aber  dreimal  wöchentlich,  und  zwar  mit  Verwendung  feuchter  Sägespäne 
oder  dergleichen  erfolgen,  damit  kein  Staub  aufgewirbelt  wird;  nach  dem 
Kehren  sind  Öfen,  Schulbänke  und  Schulgeräte  gehörig  zu  säubern. 

5.  Ist  für  gründliche  Luftemeuerung  zu  sorgen. 

10.  Vor  dem  Haupteingang  zur  Schule  wie  vor  dem  Schulsaale  selbst 
bezw.  vor  dem  Treppenaufgang  müssen  breite  Fufsabtreter  liegen,  zu  deren 
regelmäfsiger  Benutzung  die  Kinder  mit  aller  Strenge  anzuhalten  sind. 

11.  In  dem  Schulsaal  soll  ein  emaillierter  oder  porzellanener,  mit 
Henkel  versehener  und  stets  mit  etwas  Wasser  gefüllter  Spucknapf  stehen ; 
derselbe  ist  regelmäfsig  nach  dem  jedesmaligen  Kehren  in  den  Abort  zu 
entleeren  und  wieder  zu  füllen. 

12.  Schnlhof  und  Schulaborte  müssen  öfter  nachgesehen  und  letztere 
so  oft  erforderlich,  mindestens  aber  jede  Woche  gescheuert  bezw.  aaf- 
gewaschen  werden. 


557 

Wiesbaden.  Aaszag  aas  der  Dienstanweisang  für  die 
städtischen  Schaldiener. 

1.  Dem  Schaldiener  liegt  die  nächste  Aufsicht  ob  über  das  Schul- 
gebäade,  die  Tarnhalle  mit  ihren  Geräten,  die  Aborte  etc.  Er  hat  be- 
stehende Beschädigungen  sofort  zu  melden. 

4.  Dem  Schaldiener  liegt  ob  die  Reinhaltung  bezw.  die  Überwachung 
der  Reinhaltung  des  Schulgebäudes  im  Innern,  der  Turnhalle  und  der  Ab- 
tritte, sowie  des  Schulhofes. 

Im  besonderen  hat  er: 

a)  täglich  nach  dem  Schlufs  des  Unterrichts  die  Fenster  in  den 
Klassen  zu  öffnen,  festzustellen  und  nach  den  Reinigungsarbeiten  wieder 
zu  schliefen, 

b)  die  ihm  überwiesenen  Putzfrauen,  welche  Ton  4  bezw.  5  Uhr 
nachmittags  ab  (am  Mittwoch  und  Samstag  Ton  2  Uhr)  sämtliche  Lehr- 
und  Dienstzimmer,  die  Flure  und  Treppen  unter  Verwendung  eines  feuchten 
Streumaterials  auszukehren  haben,  zu  beaufsichtigen  und  den  Bericht  über 
die  Arbeitszeit  zu  führen, 

c)  darauf  zu  achten,  dafe  von  den  Putzfrauen  nach  der  unter  b  Tor- 
geschriebenen  Reinigung  die  Tische,  Bänke,  Stühle  und  sonstiges  Mobiliar 
mit  mäfsig  angefeuchtetem  Tuche  sorgfältig  abgewischt  werden, 

d)  darauf  zu  achten,  dafs  au&er  der  vorstehend  angeordneten  Reini- 
gung ad  a,  b  und  c  ein  nasses  Aufwaschen  Ton  14  zu  14  Tagen  (an  den 
Samstagen)  in  der  Weise  erfolgt,  dafs  alle  Räume,  in  denen  Unterricht 
erteilt  wird,  oder  die  zu  dienstlichem  Aufenthalt  oder  Gebrauch  der  Lehrer 
etc.  bestimmt  sind,  sowie  die  Flure  und  Treppen  alle  Tier  Wochen 
einmal,  die  Turnhalle  und  sämtliche  Aborte  wöchentlich  zweimal, 
die  Baderäume  täglich  von  einer  entsprechenden  Anzahl  Putzfrauen 
gründlich  mittels  Schrubber  gereinigt  werden.  Die  unter  b  angeordnete 
Reinigung  hat  vor  dem  Schrubben  ebenfalls  stattzufinden, 

e)  die  Fenster  partienweise  zu  putzen,  so  dafe  von  vier  zu  vier 
Wochen  sämtliche  Fenster  gereinigt  werden, 

f )  am  Schlüsse  eines  jeden  Halbjahres  sämtliche  Lehrzinmier,  Gänge, 
Treppen  und  Turnhallen  zu  schrubben,  die  Wände  und  Decken  von  Staub 
und  Spinngewebe  zu  reinigen,  den  ölanstrich  abzuseifen  mit  Ausnahme 
deijenigen  Räume,  in  welchen  etwaige  bauliche  Arbeiten  vorgenommen 
werden  müssen, 

g)  täglich  die  Abtritte  nachzusehen  und  von  etwaigem  Schmutze  zu 
säubern, 

h)  im  Sommer  während  der  Unterrichtszeit  die  Wasserspülung  der 
Pissoire  und  Aborte  in  Tätigkeit  zu  setzen  und  dieselben  nach  Schlufs  des 
Unterrichts  wieder  abzustellen,  bei  eintretendem  Frostwetter  die  Wasser- 
spülungen zu  entleeren, 

k)  die  durch  Unwohlsein  oder  andere  Ursachen  bei  Schülern  ent- 
stehenden Verunreinigungen  sind  sofort  wegzuschaffen. 

Aus  der  Instruktion  für  die  Pedellen  über  die'Behand- 
lung  der  Abort-  und  Pissoir-Anlagen. 

1.  Die  PedeUe  haben  in  erster  Linie  dafür  zu  sorgen,  dafs  in  den 
Bedürfnisanstalten  selbst  die  gröfste  Reinlichkeit  herrscht. 


558 

2.  Eingetretene  Störungen  in  den  Abzngsröhren  der  Klosetts  und  der 
Pissoiranlagen  etc.  sind  sofort  dem  Stadtbanamt  anzuzeigen. 

Ist  die  Störung  in  einem  Einzelabort  erfolgt,  so  rnnfs  dieser  dnrch 
Verschlieüsen  dem  weiteren  Gebranch  bis  zn  ihrer  Beseitigang  entzogen 
werden. 

3.  Es  ist  dafür  zn  sorgen,  dals  die  Dsckel  der  Klosetts  nack  dem 
Gebranch  stets  wieder  auf  die  Öffnungen  gelegt  werden. 

4.  Um  ein  Verstopfen  der  Abfallröhren  zn  yerhttten,  dürfen  in  die 
Aborte  weder  hartes  oder  zusammengeballtes  Papier  in  gröfseren  Stflcken 
noch  sonstige  feste  Gegenstände  hineingeworfen  werden  etc.  An  augen- 
fälligen Orten  sind  in  jedem  einzelnen  Abort  dahingehende  Anweisung»- 
karten  angebracht. 

6.  Zur  Beaufsichtigung  des  baulichen  Zustandes  der  Klosetts  etc.  ist 
ein  städtischer  Bediensteter  beauftragt,  die  sämtlichen  Schulen  in  dieser 
Beziehung  jede  Woche  einmal  zu  begehen. 

7.  Die  Fenster  und  AuDsentttren  der  Aborte  und  Pissoiranlagen  sind 
während  der  Frostzeit  stets  geschlossen  zu  halten.  Die  Deckel  der  Abtritt- 
sitzöffnungen sind  immer  geschlossen  zu  halten. 

8.  Die  nach  Sdilufe  der  Schulzeit  stets  abzustellenden  Znfilhrangs- 
wasserleitungen  zu  den  Abort-  und  Pissoirspülanlagen,  sowie  die  SpOl- 
resenroire  in  den  Einzelaborten  und  Massenaborten  selbst  sind  dnrch  öffnen 
der  Entleerungsventile  Tollständig  zn  entleeren,  sobald  sie  am  Schluls  der 
Schulzeit  aufser  Tätigkeit  gesetzt  werden. 

9.  Es  ist  daftir  zu  sorgen,  dafe  die  Temperatur  in  den  Klosetträumea  etc. 
nicht  unter  Null  Grad  herabsinkt. 

17.  Neben  guter  Lüftung  ist  auf  die  gröfste  Reinlichkeit  in  den  Abort- 
und  Pissoiranlagen  zn  halten. 

Darmstadt*     Aus  den  ReinigungSTorschriften. 

1.  Täglich  Reinigung  der  Klassenzimmer  und  Gänge,  vor  und  in  den 
Gängen,  Bänken  etc.  (vor  dem  Unterricht). 

2.  Mittwoch  und  Samstag  findet  Hauptreinigung  statt,  wobei  die  Bänke 
weggerückt  werden. 

3.  Die  Säuberung  soll  unter  Zuhilfenahme  feuchten  Sägemehls  geschehen. 
(Seit  kurzem  werden  sämtliche  Klassenzimmer  etc.  mit  staubbindendem 

öl  (Dustlessöl)  gestrichen.  Dieser  Anstrich  hat  sich  Yorzflglich  bewährt. 
Solange  also  der  Anstrich  noch  frisch  ist  —  mehrere  Wochen  —  wird  der 
Staub  nicht  mit  dem  feuchten  Sägemehl  aufgenommen,  sondern  trocken 
ausgekehrt,  ohne  dais  dabei  irgendwie  Staub  aufgewirbelt  wird.  Infolge 
dieser  Einrichtungen  sind  auch  die  Subsellien,  Katheder  etc.,  die  sonst  in 
einigen  Stunden  wieder  mit  Staub  bedeckt  waren,  fast  staubfrei.  Der  Fufs- 
boden  erhält  sich  frisch  und  sauber  und  erleichtert  die  Arbeit  des  Schul- 
dieners erheblich.  Es  ist  vorteilhaft,  diesen  Anstrich  alle  drei  Monate  zu 
erneuem.) 

Halle  a.  S.     Aus  der  Dienstanweisung   für  den  Hausmann, 
ö.  Lüftung  der  Klassen  nach  den  magistratlichen  Vorschriften. 

10.  Putzen  der  Fenster  alle  zwei  Monate. 


559 

17.  BeseittgoDg  des  Schmutzes  in  den  Tintenftssern. 

18«  Schenern  der  Aborte  Mittwochs  und  Sonnabends,  aa&erdem  so  oft 
als  sie  beschmatzt  Yorgefanden  werden.  Die  Ölpissoire  sind  genau  nach 
den  Yom  Stadtbauamt  erlassenen  Vorschriften  zu  behandeln. 

20.  Hilfeleistung  beim  Unwohlsein  von  Schülern.  Brechstoff  ist  sofort 
in  angemessener  Weise  zu  entfernen. 

22.  Beaufsichtigung  der  Kehr-  und  Scheuerfrauen  bei  der  täglichen 
Reinigung  der  Klassen  etc.  und  bei  dem  Scheuem  (Oster-,  Sommer-,  Herbst- 
ond  Weihnachtsferien).  Die  Verwendung  von  Soda  und  Säuren  bei  Reini- 
gung der  LinoleumfnfsbOden  ist  untersagt.  Beim  Scheuern  ist  warmes, 
nicht  heiüses  Wasser  unter  sparsamer  Verwendung  von  neutraler  Seife  zu 
nehmen,  Wasserlachen  dürfen  niemals  auf  dem  Fufsboden  stehen  bleiben. 
Zur  Reinigung  der  mit  Ölfarbe  gestrichenen  Sockelflächen  kann  etwas  Soda 
verwandt  werden. 

(Zur  Beschaffung  von  Hilfskräften,  Reinigungsmaterial  etc.  ist  fttr  jede 
Klasse  pro  Jahr  der  Betrag  von  30  Mark  durch  den  Etat  bereit  gestellt.) 

Dortmund.   Etwa  zweimal  wöchentlich  feuchtes  Aufnehmen  des  S taubes. 

Charlottenbnrg.     Täglich  nasses  Aufwischen  der  Zimmer  etc. 

Danzig.  Tägliches  Fegen,  wöchentlich  ein-  bis  zweimal  nasses  Auf- 
nehmen des  Staubes. 

Kiel.  Reinigung  zweimal  wöchentlich,  fast  tägliches  Fegen  mit  feuchtem 
Sägemehl. 

SehSneberg.  Zweimal  in  der  Woche  nasses  Aufwischen  und  gründ- 
liche Reinigung. 

Wien.  Kurrende  des  Magistrats  über  die  Reinigung  der 
Schullokale. 

Tunliche  Vermeidung  von  Staubentwicklung,  mindestens  zweimal 
wöchentlich  und  wenn  nötig  täglich  Auskehren  mit  nassen  Sägespänen.  Die 
harten  Fufsboden  der  Lehrzünmer  und  insbesondere  der  Tnmsäle  sollen 
nach  dem  Auskehren  mit  feuchten,  extra  um  die  Rohrbesen  gewundenen 
Lappen  von  dem  feinen  Staube  gereinigt  werden. 

Talln  (Niederösterreich).  Wöchentlich  zweimaliges  Kehren  und  Tier- 
mal  jährlich  Scheuem  der  Schulzimmer. 

DIaemark.  Ministerialerlafs  für  alle  öffentlichen  Schulen 
exkl.  Kopenhagen. 

Der  Fufsboden  soll  wenigstens  zweimal  (monatlich  abgewaschen  werden 
und  jeden  Tag  nach  der  Schulzeit  .gleichzeitig  mit  dem  übrigen  Schul- 
material und  in  Verbindung  mit  Lüftung  des  Lokals  mit  feuchten  Scheuer- 
lappen abgewischt  werden.  Eindringlich  wird  der  Gebrauch  von  Wechsel- 
sdinhen  empfohlen,  da  dadurch  die  Reinigung  sehr  erleichtert  whrd.  Das 
Reinhalten  der  Dorfschulen  obliegt  dem  Lehrer. 


560 

Kopenhagen.  Die  Klassenzimmer  sollen  dreimal  jährlich  grandlicb 
gereinigt  und  einmal  monatlich  gewaschen  werden.  Täglich  wird  der  Fnfs- 
boden,  der  nicht  fimisiert  ist,  fencht  abgewischt. 

Norwegen.  Regiernngsbesch lasse  betreffs  Reinhai tnng 
von  Schalen. 

§  1.  Es  ist  verboten,  anf  die  Fnfsböden  der  Schnlzimmer  oder  Gänge 
zn  spacken.  i 

§  2.  Spncknäpfe  in  Schulzimmem  und  anf  Gängen  sollen  immer 
etwas  Wasser,  Sand,  feuchtes  Sägemehl  oder  Torfmull,  gehackte  Wach- 
holderbeeren  oder  Fichtennadeln  enthalten.  Sie  sollen  täglich  gereinigt 
und  ihr  Inhalt  entweder  verbrannt  oder  in  Kloaken,  am  Strand  oder  in 
Erdlöcher  ausgeleert  werden. 

§  4.  In  jeder  Pause  LtLftung  der  Schulzimmer  (wenigstens  5  Minuten), 
nach  der  Schulzeit  15  Minuten. 

§  6.  Die  Fuisböden  der  Schulzimmer  sollen  tAglich  mit  nassen  Lappen 
und  Bürsten  gereinigt  werden.  Fensterpfosten,  Schulpulte  etc.  sollen  täglich 
mit  nassen  Lappen  abgewischt  werden. 

Wenigstens  einmal  wöchentlich  werden  die  Schulzimmer  samt  Inventar 
mit  Seife,  Soda  und  Wasser  gereinigt.  Wenigstens  einmal  jälirlich  —  im 
Herbst  vor  Beginn  der  Schule  —  sollen  auch  Decken  und  Wände  ab- 
gewaschen werden.  Getünchte  Decken  sollen  wenigstens  einmal  jährlich 
getüncht  werden.  Ritzen  sollen  verkittet  oder  auf  andere  Weise  dicht 
gemacht  werden.  Wenn  möglich,  sollen  die  Fnfsböden  der  Schulzimmer 
gemalt  oder  gefimist  sein.  An  den  Eingangstüren  sollen  immer  Matten 
oder  Kratzen  sein. 

§  9.  In  den  Klosetts  der  Schulen  mufe  strenge  Reinlichkeit  gehalten 
werden.  Die  Elosettbehälter  müssen  so  oft  geleert  werden,  dafs  keine 
Überfüllung  stattfindet,  und  es  soll  durch  Beimischung  von  Torfmull  etc. 
dafür  gesorgt  werden,  dafs  sich  kein  Gestank  entwickelt. 

Bergen  (Norwegen): 

1.  Tägliche  Reinigung  allabendlich.  Aulser  wenn  die  wöchentliche 
Reinigung  stattfinden  soll,  werden  nach  Schulschlufs  die  Fnfsböden  in  sämt- 
lichen Schulzimmern,  ferner  die  Korridore  und  Treppen  unter  Verwendung 
von  feuchten  Sägespänen  (in  der  Regel  bei  geöf&ieten  Fenstern)  mit  nassen 
Besen  oder  Lappen  gefegt.  Die  Wandtafeln  werden  abgewaschen,  die 
Spucknäpfe  sorgfältig  gereinigt,  Wasserflaschen  und  Trinkgläser  ausgespült. 
In  den  Abtritten  gründliche  Abwaschung  des  Bodens  und  der  Sitze;  Schmutz 
an  Wänden  und  Türen  ist  sorgfältig  zu  entfernen.  Der  Gymnastiksaal 
wird  mittags  und  abends  gefegt. 

An  jedem  Schultage,  morgens  vor  Beginn  des  Unterrichts,  müssen  die 
Roste  der  Öfen  reingemacht  und  die  Aschenbehälter  entleert  werden.  Das 
gesamte  Inventar  (d.  i.  Tischplatten,  Sitzbretter  und  Lehnen  der  Subsellien, 
Katheder,  Kasten,  alle  Fensterrahmen,  die  Vorsprünge  der  Paneele  und  die 
Handläufer  der  Treppengeländer)  ist  mit  einem  feuchten  Staubtuch  ab- 
zureiben.   Für  die  Flaschen  und  Spucknäpfe  ist  frisches  Wasser  einznftlllen. 

2.  Wöchentliche  Reinigung:  Einmal  wöchentlich  sind  aUe  Fnfs- 
böden der  Zimmer,  Korridore  und  Treppen,   femer  die  Böden  und  Sitze 


561 

der  Abtritte,  und  alle  vier  Wochen  sämtliche  Paneele,  TOren,  Fenster- 
krenze,  das  Inventar  und  Treppengeländer  mit  Seife  zu  waschen.  In  den- 
jenigen Wochen,  in  welchen  das  vollständige  Waschen  nicht  stattfindet, 
wird  alles  Inventar,  Fensterrahmen  nnd  Paneelvorsprünge  mit  Wachstuch 
abgewischt. 

3.  Das  Fensterpatzen  hat  so  oft  als  erforderlich  zn  geschehen,  wenn 
die  Wittemngsverhältnisse  es  erlauben,  durchschnittlich  einmal  monatlich, 
in  Schalen  mit  Zentralheizung  nnd  Doppelfenstern  kann  dies  seltener 
erfolgen. 

4.  Die  Jahresreinignng  in  den  Sommerferien  besteht  in  Waschung  der 
ölgemalten  Wände,  Decken,  Fenster  und  Türen  mit  Seife,  sowie  im  Putzen 
der  Ofen. 

Schweiz.  Über  die  Reinhaltung  der  Yolksschulklassen  siehe  diese 
Zeitschrift,  1903,  No.  2,  S.  117. 

Wenn  wir  uns  nun  ans  den  44  herangezogenen  Instruktionen 
oder  Verordnungen,  betrefiCend  Schulreinigung,  eine  Übersicht  über  die 
Leistungen  in  dieser  Beziehung  verschaffen,  so  ist  es  von  Wichtigkeit, 
festzustellen: 

I.  Kehren  hezw.  feuchtes  Aufwaschen  der  Lehrrftume 
(in  der  Regel  ohne  Umstellung  der  Subsellien)  soll  stattfinden: 

a)  täglich  nach  17  dieser  Dienstanweisungen 

Hamburg,  Breslau»  Köln  (Land),  Nürnberg  (versuchsweise 
nach  Wiesbadener  Muster),  Königsberg,  Frankfurt  a.  M., 
Essen,  Mannheim,  Wiesbaden,  Darmstadt,  Halle  a.  S., 
Charlottenburg,  Kiel  (fast  täglich),  Dänemark,  Kopen- 
hagen, Norwegen  (Bergen); 

b)  dreimal  wöchentlich  nach  2  Instruktionen 

Berlin,  Dresden; 

o)  zweimal  wöchentlich  nach  18  Instruktionen 

Mtlnohen,  Leipzig,  Stuttgart,  Braunschweig,  Bremen, 
Köln,  Ntlmberg  (in  den  meisten  Schulen,  s.  unter  a), 
Barmen,  Elberfeld,  Düsseldorf,  Aachen,  Chemnitz,  Kassel, 
Hannover,  Dortmund,  Erfurt,  Danzig  (ein-  und  zweimal 
wöchentlich),  Wien  (wenn  nötig  täglich),  TuUn; 

d)  zwei-  oder  dreimal  wöchentlich  nach  2  Instruktionen 
Crefeld,  Meiningen  (mindestens,  womöglich  täglich). 

n.  Scheuern  der  Klassenzimmer  mit  Seife  und  Soda 
soll  stattfinden: 

a)  einmal  in  der  Woche  nach  8  Instruktionen 

Köln  (Land),  Posen,  Frankfurt  a.  M.,  Mannheim,  Eael, 
Schöneberg,  Norwegen  (Bergen); 


562 

b)  jede  zwei  Wochen  nach  4  Instrnktionen 

Hamburg,  Altona,  Wiesbaden,  Meiningen; 

c)  monatlich  nach  3  Instruktionen 

Breslau,  München,  Kopenhagen; 

d)  viermal  jährlich  nach  7  Instruktionen 

Strafsburg,  Chemnitz,  Crefeld,  Oassel,  Erfurt,  Halle  a.  S., 
Tulln ; 

e)  dreimal  jährlich  in  2  Fällen 

Aachen,  Hannover; 

f)  zweimal  jährlich  in  3  Fällen 

Berlin,  Elberfeld,  Barmen; 

g)  so  oft  als  möglich  (I?)  in  Köln. 

III.  Die  Reinigung  von  Spucknäpfen  wird  nur  6mal 
erwähnt : 

Dresden,  Frankfurt  a.  M.,  Kassel,  Meiningen,  Norwegen 

(Bergen). 
ly.  Imprägnierungen  der  Fufsböden  sind  3mal  erwähnt: 

Dustless-Öl  —  in  Leipzig  und   Darmstadt,  Bodol  —  in 

Königsberg. 
Um  zunächst  an  die  Imprägnierung  der  Fufsböden  anzuknüpfen, 
80  kann  erwähnt  werden,  dals  die  Berichte  über  Dustless  aus  Leipzig 
und  Darmstadt  sehr  günstig  lauten. 

Auch  Dr.  Reichenbagh  -  Gtottingen  spricht  sich  in  einem 
Bericht  über  Versuche  mit  staubbindenden  Fulisbodenölen  [diese 
Zeitschrift^  1902,  No.  7)  sehr  empfehlend  über  dieselben  aus. 
Nach  seinen  gründlichen  bakteriologischen  Versuchen  wird  die  Staub- 
entwicklung beim  Kehren  durch  den  Dustleasanstrich  sehr  stark  ver- 
mindert. Er  hat  übrigens  auch  herausgefunden,  daCs  in  der  Wirkung 
zwischen  dem  Original-Dustlessöl  und  dem  Florioin  kein  wesentlicher 
Unterschied  festzustellen  ist.  Als  einen  Nachteil  des  Verfahrens  be- 
zeichnet er  es,  dafs  der  Dustless-Fuisboden  durch  den  sich  allmählich 
auf  der  ölsohicht  festsetzenden  Schmutz  nach  und  nach  ein  recht 
unsauberes  Aussehen  bekommt.  In  dem  mit  Floricin  gestrichenen 
Saale  machte  sich  ein  schwacher,  an  Petroleum  erinnernder  Geruch 
bemerkbar.  Beim  Dustlessöl  ist  das  nicht  der  Fall,  dafür  ist  das 
Floricinöl  etwas  billiger. 

Ebenso  sind  in  Stettin  mit  dem  Dustlessöl  in  den  Sohulklasaen 
sehr  günstige  Erfahrungee  gesammelt  worden,  übw  welche  der  Stet- 
tiner Stadtschulrat  Prof.  Dr.  Kühl  in  dieser  Zeitschrift  (1902, 
No.  10)  einen  kurzen  Bericht  erstattet.     Die  günstige  Wirkung  hat 


563 

sich  nicht  allein  in  den  Klassenzimmern,  sondern  auch  anf  den 
Korridoren  nnd  Treppen  gezeigt.  Über  gefährliche  Glätte,  wie  sie 
mehrfach  in  Turnhallen  beobachtet  worden  ist,  wird  nicht  geklagt. 
Die  Stadtschnldepntation  hat  daher  der  städtischen  Banverwaltung 
das  Dnstlessöl  zu  möglichst  ausgiebigem  Gebrauch  empfohlen.  Als 
Schattenseite  dieser  hygienischen  Mafsnahme  werden  die  recht  er- 
heblichen Kosten  hervorgehoben.  Dr.  Engels  (Marburg)  hat  die 
staubbindenden  Fulsbodenöle  und  ihre  Verwendung  einer  experi- 
mentellen Prüfung  unterworfen  (siehe  diese  Zeitschrift,  1903,  No.  6). 
Von  den  geprüften  Ölen,  dem  Floricin,  dem  Hygiene-  und  dem 
Dustlessfufsbodenöl  gibt  er  dem  letzteren  entschieden  dzn  Vorzug. 
Im  Königreich  Sachsen  (ölsnitz,  Döbeln,  Leipzig)  hat  man  mit  der 
Einführung  des  Dustlessöles  gute  Resultate  erzielt  (siehe  diese 
Zeitschrift,  1903,  No.  5). 

Als  einen  weiteren  Nachteil  der  staubbindenden  Öle  hat  mir  ein 
Mädchenschulvorsteher  auf  meine  diesbezügliche  Erkundigung  erklärt, 
daÜB  seine  Lehrerinnen  gegen  die  Anwendung  dieses  Öles  mit  Rück- 
sicht auf  ihre  schleppenden  Kleider,  die  dadurch  verdorben  würden, 
protestiert  hätten.  Ich  glaube  aber,  dais,  wenn  nur  sonst  das  staub- 
bindende Öl  zur  Verbesserung  der  Reinlichkeit  in  den  Klassen  dient, 
die  Jugendbildnerinnen  mit  Rücksicht  auf  ihreVorbild- 
lichkeit  für  die  Schuljugend  gern  auf  die  antihygienische 
Mode  der  Schleppe  —  wenigstens  innerhalb  der  Schul- 
räume —  verzichten  würden. 

Auf  alle  Fälle  aber  würde  ich  mit  der  Mehrzahl  der  sich  für 
schulhygienische  Fragen  interessierenden  Ärzte  vorziehen,  dafs 
die  Schulräume,  wie  jedes  vielbenutzte  und  bewohnte  bürgerliche 
Zimmer,  täglich  mit  Seife  tüchtig  aufgescheuert  würden,  und  zwar 
unter  Wegrücken  der  Subsellien,  damit  nicht  unter  denselben  Staub- 
und Schmutzdepots  verbleiben.  Erinnern  möchte  ich  bei  dieser  Ge- 
legenheit an  die  modernen  Schulbänke  (Rettig),  deren  praktische 
Einrichtung  eine  derartige  gründliche  Reinigung  ganz  besonders  er- 
leichtert. 

Man  mufs  das  tägliche  Scheuern  der  Klassenzimmer  um  so  mehr 
fordern,  als  man  weifs,  dafs  so  vielfach  die  Yolksschulklassen  ganz 
übermäCdg  ausgenutzt  werden.  Es  braucht  nur  an  die  durch  die  stets 
sich  vermehrende  Volksschülerzahl  in  den  grolsen  Städten  bedingten, 
infolge  Mangels  von  Schulgebäuden  immer  wieder  zu  Hilfe  heran- 
gezogenen Nachmittagsklassen  erinnert  zu  werden.  Ferner  wissen  wir, 
dab  die  Klassen  nachmittags  und  abends,  nachdem  sie  für  den  ge- 

Schnlgeiandheitapflege.  XVL  30 


664 


wohnlichen  Unterricht  schon  yielfach  benutzt  waren,  für  Mädchen- 
oder  Ejiabenhorte,  oder  für  Filialen  der  Gewerbeschulen  in  Benutzung 
gezogen  werden.  Sodann  darf  nicht  übersehen  werden^  daüs  auch  dort, 
wo  Yon  der  Schulauüsichtsbehörde  wenigstens  tägliche  nasse  Auf- 
waschungen der  Volksechulklassen  vorgeschrieben  sind,  diese  in  den 
einzelnen  Volksschulen  doch  nicht  so  zur  Aueführung  kommen,  wie 
das  von  der  Zentralstelle  in  wohlwollender  Weise  geplant  ist. 

Wenn  ich  an  die  mir  zunächst  liegenden  Verhältnisse  in  meiner 
Vaterstadt  Hamburg  anknüpfe,  so  haben  wir  bereits  gezeigt,  wie 
in  der  Dienstinstruktion  für  die  Schuldiener  der  Hamburger  Volks- 
schulen (§  9)  vorgesohrieben  ist,  dals  die  Klassenzimmer  täglich  mit 
nassen  Sägespänen,  und  zwar  an  zwei  Tagen  in  der  Woche  unter 
Wegrücken  der  Schul  tische  und  des  Podiums,  zu  reinigen  sind. 

Vergleichen  wir  mit  dieser  Vorschrift  den  Reinigungsplan  einer 
unserer  Volksschulen,  den  ich  mir  verschafff:  und  abgeschrieben  habe,  so 
sieht  man  erst,  wie  auTserordentlich  wenig  für  die  Reinlichkeit  der 
Klassenzimmer  in  Wirklichkeit  getan  wird.  Hinzu  kommt  noch  der 
Umstand,  dals  für  die  Lehrer-  und  Konferenzzimmer,  die  doch  ganz 
bedeutend  weniger  ausgenutzt  werden  als  die  Klassen,  auiserordentlich 
viel  besser  in  dieser  Beziehung  gesorgt  ist. 

Reinigungsplan 
für  den  Schuldiener  der  Volksschule  X. 


Montag. 

Fegen  und  Wegrücken  der  Tische  in 
la  und  b,  Illa  und  b,  lYa  und  b, 
VIb; 

Fegen  ohne  Wegrücken  der  Tische 
in  den  übrigen  Klassen,  drei  Lehrer- 
zimmer reinigen,  Fenlen :  abwech- 
selnd la  und  b  und  IVa  und  b. 

Dienstag. 

Fegen  und  Wegrücken  der  Tische  in 
IIa  und  b,  IVc,  Va  und  b,  Via, 
Vlla  und  b; 

Fegen  ohne  Wegrücken  der  Tische  in 
den  übrigen  Klassen,  drei  Lehrer- 
zimmer reinigen,  Faulen :  abwech- 
selnd IVa  und  b,    Va  und  Via. 

Mittwoch. 
Alle    Klassen    fegen,    drei    Lehrer- 
zimmer, alle  Korridore  und  Treppen 
feulen. 


Donnerstag. 

Fegen  mit  Wegrücken  der  Tische  in 
la  und  b,  nia  und  b,  lYa  und  b, 
Ylb; 

Fegen  ohne  Wegrücken  der  Tische  in 
den  übrigen  Klassen,  drei  Lehrer- 
zimmer reinigen,  Feulen:  abwech- 
selnd Illa  und  b  und  VIb. 

Freitag. 

Fegen  mit  Wegrücken  der  Tische  in 
na  und  b,  IVc,  Va  und  b,  Via, 
Vna  und  b ; 

Fegen  ohne  Wegrücken  der  Tische  in 
den  übrigen  Klassen,  drei  Lehrer- 
zimmer reinigen,  Feulen:  abwech- 
selnd IVc,  Vb,  vna  und  b. 

Sonnabend. 
Alle    Klassen    fegen,    drei    Lehrer- 
zimmer, alle  Korridore  und  Treppen 
feulen,  Messing  putzen. 


565 

Alle  Tische,  Sehr&nke,  B&nke  und  Sttthle  in  den  Klassen-  und  Lehrer- 
zinunem  sind  täglich  abzuwischen.  Die  Bficherbörter  in  den  yorderei 
Klassen  werden  am  Donnerstag,  die  in  den  hinteren  Klassen  werden  am 
Freitag  feucht  abgewischt.    Fensterpntzen  in  der  letzten  Woche  des  Monats. 

Hat  man  sieh  dann  noeh  gelegentlich  die  Ausführung  der  Schul- 
reinigung,  speziell  das  tägliche  feuchte  Aufwischen,  einmal  persönlieh 
angesehen,  so  hat  man  erst  die  richtige  Übenseugung  yon  der  absolut 
ungenügenden  Sauberkeit,  die  fOr  die  Yolksschulklassen  vorgesehen 
ist,  erworben.  Man  kann  in  dieser  Beziehung  den  Yolksschuldienem 
einen  Vorwurf  nicht  machen,  denn  die  korrekte  Ausführung  der  Be- 
stimmung der  Zentralbehörde  geht  tatsächlich  über  das  Können  dieser 
sehr  überbürdeten  Persönlichkeiten  hinaus. 

Gerade  diese  meistens  als  wenig  bedeutungsvoll  angesehenen 
Details  der  Schulhygiene  zeigen  deutlich  die  Notwendigkeit  der 
Schularzteinrichtung.  Der  Vertrauensarzt  der  Hamburger  Oberschul- 
behörde, Herr  Dr.  Mabb,  hat  zwar  im  Anschluis  an  seinen,  im  Ein- 
gang dieser  Arbeit  gewürdigten  Artikel  als  Erwiderung  auf  die  Ent- 
gegnung des  Herrn  Prof.  Dr.  Habtmann  in  Berlin  {Är/stl.  VereinsblaU, 
Dezbr,  II.  1902)  zum  Ausdruck  geblracht,  dafs  die  Beaufsichtigung 
und  den  Betrieb  hygienischer  Einrichtungen  in  den  Schulen  Lehrer 
und  Schuldiener  ebenso  gut  verwalten  können  wie  der  Schularzt, 
dals  die  hygienischen  Einrichtungen  in  den  Zentralbehörden  begut- 
achtet und  durchgeführt  werden  müssen.  Diese  von  Dr.  Mabk  fär 
gut  befundenen  Zustände  im  Schtdwesen  haben  wir  allerdings  in 
Hamburg.  Ich  muiSs  aber  sagen,  dafs  ich  gerade  in  Bezug  auf  die 
mich  besonders  interessierende  Reinigung  der  Volksschulklassen  Ma- 
terial gefunden  habe,  welches  ganz  besonders  die  Ein- 
stellung geeigneter,  und  zwar  ärztlicher  Aufsichts- 
organe der  zentralen  fachmännischen  Verfügungen  als 
höchst  wünschenswert  erscheinen  läfst.  Ich  mufs  deshalb 
Herrn  Prof.  Habtmank,  dem  in  schulhygienischen  Dingen  so  be- 
sonders verdienten  Arzte,  beipflichten,  wenn  er  die  Hamburger  Ver- 
hältnisse nicht  gerade   als  vorbildlich  hinstellen  zu  können  erklärt. 

Sind  erst  Schulärzte  an  den  einzelnen  Schulen  angestellt,  so 
kann  es  gar  nicht  ausbleiben,  dafs  fbr  die  Reinigung  der  Klassen 
mehr  geschieht  als  bisher,  denn  ein  modemer  Arzt  kann  und  darf 
und  wird  verschmutzte  Klassen  nicht  beibehalten  wollen.  Er  wird 
Mittel  und  Wege  finden,  das  tägliche  Scheuem  in  den  Klassen  zur 
Durchführung  zu  bringen. 

Vielleicht  könnte  man  aber  z.  B.  die  Mittel,  die  die  städtischen 

30* 


566 

Gemeinden  in  neuerer  Zeit  vielfach  für  die  Beschäftigung  Arbeits- 
loser verwenden,  zum  Teil  für  die  Zwecke  der  Schulhausreinigung 
in  Ansprach  nehmen.  Die  Organisation  eines  derartigen  Modus  würde 
sich  in  einfacher  Weise  nach  dem  Wiesbadener  Schema,  das  jetzt 
versuchsweise  auch  in  Nürnberg  zur  Anwendung  kommt,  regeln, 
indem  das  Stadtbauamt  oder  die  StralsenreiniguDg  täglich  Kolonnen 
geeigneter  Personen  nach  der  Unterrichtszeit  in  die  Schulhäuser  ent- 
sendet, wo  dieselben  dann  die  Bäume  unter  Au&icht  und  nach  An- 
leitung der  Schuldiener  etc.  scheuem  und  reinmaohen. 

Für  die  greisen  Hauptreinigungen  in  den  Ferien,  die  ja  fast 
überall  üblich  sind,  könnte  man  in  zweckentsprechender  Weise  auch 
die  Desinfektionskolonne  in  Dienst  stellen,  die  dann  die  Säuberung 
der  Schulräume  in  der  allerpassendsten  und  nützlichsten  Form  vor- 
nehmen würde.  Jedenfalls  aber  sollten  die  Schuldiener  offiziell 
überall  an  der  Ausbildung  der  Desinfektoren  teilnehmen,  die  ja  glück- 
licherweise behördlicherseits,  besonders  in  ländlichen  Bezirken,  als 
neue  Faktoren  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  mehr  und  mehr 
eingeführt  werden. 

Nirgends  aber  —  auch  in  den  elendesten  und  armseligsten 
Dörfern  —  darf  in  allen  Klassenräumen  eine  genügende  Anzahl  ge- 
eigneter Spucknäpfe  fehlen,  in  einer  Zeit,  die  unter  dem  Zeichen 
des  Kampfes  gegen  die  Tuberkulose  als  Volkskrankheit  steht  Es 
ist  geradezu  lächerlich  und  könnte  als  Hohn  auf  die  von  höchster 
Stelle  befürwortete  Bekämpfung  der  Tuberkulose  aufgefafst  werden, 
dafs  von  den  44  Instruktionen  für  die  Reinigung  der  Volksschulen, 
die  wir  in  dieser  Arbeit  kennen  gelernt  haben,  nur  sechsmal  Spuck- 
näpfe und  deren  B.einigung  überhaupt  erwähnt  werden,  wobei  zwei  von 
diesen  wenigen  Fällen  auf  das  nordische  Ausland  kommen.  Man  könnte 
auf  die  Vermutung  geraten,  dais  die  Spucknäpfe  bei  den  vielen 
hustenden  und  ezpektorierenden  Lehrern  und  Schulkindern  eine  so 
selbstverständliche  Einrichtung  seien,  dals  sie  einfach  gar  nicht  erwähnt 
werden.  Dem  ist  aber  nicht  so.  Die  Spucknäpfe  werden  nicht  ge- 
reinigt, weil  sie  nicht  vorhanden  sind,  weil  die  Schulbehörden  für 
die  Anschaffung  dieser  so  absolut  erforderlichen  Geschirre  keine  Auf- 
wendungen machen.  So  müssen  denn  Lehrer  und  Schulkinder,  ob 
sie  infektiöses  Material  aushusten  oder  nicht,  den  Fuisboden  voll- 
spucken  oder  ihre  Sacktücher  zu  diesem  Zwecke  verwenden  —  wenn 
sie  solche  haben,  was  ja  auch  nicht  immer  der  Fall  ist  — ,  und 
für  die  Ausbreitung  der  Tuberkulose  wird  so  der  beste  Boden  ge* 
schaffen. 


567 

Wir  haben  also  gesehen,  daüs  die  jetzt  meist  übliche  Schul- 
reinignng  in  jeder  Weise  besserungsfähig  ist.  Wir  müssen  deshalb 
Mittel  und  Wege  finden,  die  Sohulreinigung  ohne  erhebliche  Ver- 
mehrung der  Schullasten  und  Kosten  za  einer  hygienisch  genügenden 
zu  machen.  Das  tägliche  Scheuern  (nicht  nasse  Aufwaschen 
oder  Fegen)  der  Schulräume,  die  Aufstellung  geeigneter 
Spucknäpfe  mit  Wasser  und  die  sorgfältige  Reinigung 
derselben  sind  vorläufig  die  geringsten  Postulate,  die 
wir  aufstellen  wollen. 

Ist  die  Durchführung  dieser  allemiedrigsten  Forderungen  nicht 
möglich,  ohne  die  Kosten  für  das  Schulwesen  beträchtlich  zu  erhöhen, 
so  müssen  wir  trotzdem  darauf  bestehen,  dieselben  unter  allen 
Umständen  durchzusetzen.  Das  Kapital,  das  an  die  Reinigung  der 
Volkssohulräume  gewendet  wird,  verzinst  sich  vorzüglich,  wie  alle 
Mittel,  die  für  die  öffentliche  Gesundheitspflege  flüjssig  gemacht  werden. 
Durch  die  Opfer,  die  für  die  Zwecke  einer  rationellen  Reinigung  der 
Volksschulräume  aufgewendet  werden  —  um  mit  Pettenkofeb  zu 
sprechen  —  schaffen  wir  und  legen  zugleich  ein  Kapital  an,  das 
hohe  Zinsen  trägt. 


Hut  jDerfanttnltingeti  tittb  ^trtintn. 


Der  Anteil  der  Yolkssebule  an  der  yolksg;esnndIieit8pflej(e« 

Vortrag,  gehalten  an  der  Generalversammlung  der  Provinzial- 

vereine  rheinischer  und  westfälischer  Lehrerinnen 

am  18.  April  1903  von  Frl.  EOBTE-Bochum. 

Nach  einem  Berichte  des  Düsseldorfer  „Gen.-Afuf."  führte  die  Refe- 
rentin ungefähr  folgendes  aus: 

Die  Aufgaben  der  Schulhygiene  als  einer  Oehilfin  der  Yolkshygiene 
verlangen,  dafis  die  Volksschule  den  hmner  notwendiger  werdenden  Kampf 
gegen  diejenigen  Übel  aufnimmt,  die  das  Volkswohl  untergraben.  Es  sind 
hauptsächlich  Alkoholismus  und  Tuberkulose.  Die  Mittel,  mit  denen 
die  Schule  dem  Alkoholismus  entgegentreten  kann,  beschränken  sich  vor- 
wiegend auf  Erziehung  und  Belehrung  über  die  Gefahren  des  Alkohol- 
genusses. Die  Belehrung  muis  sich  auch  auf  das  Elternhaus  ausdehnen. 
Eine  praktische  Mafsnahme  gegen  den  Alkoholismus  ist  die  Beantragung 
von  Fürsorgeerziehung  für  Kinder  trunksüchtiger  Eltern.  Der  Kampf  der 
Volksschule  gegen   die  Tuberkulose   ist  vornehmlich  vorbeugender  Natur. 


558 

Er  verlangt  für  die  Beschaffenheit  der  Schalräame  sorgfUtigste  Beobachtung 
aller  hygienischen  Forderungen  in  Bezug  auf  Reinlichkeit  und  gute  Luft, 
da  sie  dazu  dienen,  die  Möglichkeiten  zur  Übertragung  der  Krankheit  zu 
yernngem  und  der  Entstehung  und  Verbreitung  der  Schwindsucht  unter 
den  Kindern  entgegenzuwirken. 

Die  hygienischen  Aufgaben  der  Volksschule  erstrecken  sich  auch  auf 
die  Verhütung  deijenigen  gesundheitlichen  Sch&den,  denen  die  Kinder  in- 
folge des  Schulbesuchs  ausgesetzt  sind.  Von  diesen  sogenannten  Schul- 
krankheiten wird  in  der  Volksschule  am  häufigsten  die  seitliche  Verkrümmung 
der  Wirbels&ule  beobachtet.  Durch  vermehrte  körperliche  Übungen  in 
Gestalt  von  Jugendspielen  und  Turnunterricht,  der  auch  für  M&dchen 
obligatorisch  sein  mufs,  da  diese  vorwiegend  eine  gesundheits- 
schädliche Körperhaltung  aufweisen,  femer  durch  die  genaueste  Beobachtung 
der  hygienischen  Vorschriften  bei  Auswahl  der  SubseUien,  sowie  durch  aus- 
reichende Erholungsstunden  zwischen  den  Unterrichtsstunden  können  die 
Schulkrankheiten  am  wirksamsten  verhütet  werden. 

Der  Anteil  der  Volksschule  an  der  Volksgesundheitspflege  bedingt  auch 
eine  besondere  Pflege  der  körperlich  besonders  schwachen  Schul- 
kinder, die  aber  nicht  mit  einer  ausgesprochenen  Krankheit  behaftet  sind. 
Da  der  gesetzliche  Schulzwang  nicht  vor  diesen  Kindern  Halt  macht,  so  ist 
die  besondere  Pflege  und  Beaufsichtigung  derselben  eine  Pflicht  der  Ge- 
meinde, die  das  ausführende  Organ  des  Gesetzes  ist.  Die  Schule  darf 
diese  Pflicht  der  Fürsorge  nicht  allein  den  privaten  Wohlfahrtseinrichtungen 
überlassen.  Die  Schulgemeinden  können  sie  wenigstens  teilweise  erfüllen 
durch  Verabreichung  von  Frühstück  an  schwächliche  und  bedürftige  Kinder. 
Die  wirkliche  Bedürftigkeit  ist  bierbei  genau  zu  prüfen. 

Die  Verantwortung  der  Volksschule  für  das  leibliche  Wohl  der  Schüler 
dehnt  sich  auch  auf  die  Ferien  aus  und  verlangt,  dals  schwache  Kinder, 
denen  das  Heim  keine  wirksame  Ferienpflege  bieten  kann,  doch  etwas  ver- 
spüren von  der  Wohltat,  die  sich  in  dem  Zauberworte  „Ferien''  birgt. 
Dies  geschieht  durch  Unterbringung  derselben  in  Ferienkolonien  und 
Solbädern;  in  industriereichen  Städten  ist  die  Einrichtung  von  Milch- 
kuren, Schulspaziergängen  u.  a.  m.  während  der  Ferien  zu  empfehlen. 
Ziehen  die  Schulgemeinden  in  Erwägung,  dals  körperlich  schwache  Kinder 
meistens  zu  wirtschaftlich  schwachen  Bürgern  heranwachsen,  die  dann  die 
Armenkasse  belasten,  so  werden  sie  wissen,  dafs  sie  mit  jedem  kränklichen 
Kinde,  welches  sie  fUr  das  Leben  brauchbar  machen,  sich  selbst  und  dem 
Staate  einen  wesentlichen  Dienst  erweisen. 

Die  Verantwortung  der  Schule  für  die  Gesundheit  der  Schuljugend 
legt  Lehrern  und  Lehrerinnen  die  Pflicht  auf,  sich  möglichst  um- 
fassende  Kenntnisse  über  die  Hygiene  des  Kindes  und  der 
Schule  anzueignen;  nur  dadurch  werden  sie  befähigt,  an  dem  weiteren 
Ausbau  der  Schulhygiene  mitzuarbeiten.  Zur  möglichst  vollkommenen  Ent- 
wicklung der  letzteren  dient  die  Anstellung  von  Schulärzten.  Ihnen  liegt 
die  hygienische  Überwachung  der  Schulgebäude  und  des  Schulkindes  ob. 
Diese  geschieht  durch  regelmäüsige  Besichtigungen  und  Untersuchungen.  Die 
Untersuchungsbefunde  über  den  Gesundheitszustand  der  Schüler  werden  in 
den  Gesundheitsbogen  verzeichnet,   die   nach  Art  der  Zeugnisse   das  Kind 


569 

dnrch  die  Schuljahre  begleiten  und  bei  seiner  Beurteilung  in  Bezng  auf 
Leistungen  nnd  F&higkeiten  von  grö&ter  Wichtigkeit  sind.  Die  hygienische 
Überwachung  der  Schalen  durch  Schnl&rzte  ist  das  wirksamste  Mittel,  um 
den  organischen  Zusammenhang  zwischen  Yolkshygiene  und  Schulhygiene 
immer  fester  zu  gestalten. 


Die  TStig;keit  der  Hedizinalbeamten  anf  dem  Gebiete 

der  Schnlbygiene. 

Vortrag,  gehalten  an  der  amtlichen  Versammlung  der  Medi. 
zinalbeamten  des  Reg.-Bez.  Minden  am  20.  November  1902  von 
Kreisarzt  Dr.  SCHLÜTEB-Gütersloh  {Zeiischr,  f.Med.'Beamte,  1903,  No.  12). 

Der  Referent  führte  folgendes  aus :  Nach  Anleitung  des  Formulars  IX 
der  Dienstanweisung^  soll  der  Kreisarzt  alle  Schulen  in  fttnQ&hrigem  Um- 
lauf besichtigen.  Das  kann  nicht  gelegentlich  geschehen,  da  andere 
Behörden  (Landrat,  Kreisschulinspektor,  bei  Fortbildungs-  und  Fachschulen 
der  Vorsitzende  des  Schulvorstandes)  zu  benachrichtigen  sind.  Auch  fehlt 
meistens  die  Zeit  zur  Schulbesichtigung,  wenn  andere  Dienstverrichtungen 
zu  erledigen  sind.  Können  Ortsbesichtigungen,  z.  B.  in  kleineren  Gemeinden, 
mit  Schulbesichtigungen  verbunden  werden,  so  ist  mit  den  letzteren  zu  be- 
ginnen. Es  empfiehlt  sich,  zu  denselben  aulser  dem  leitenden  Lehrer,  dem 
Schulvorstande,  auch  die  bausachverständigen  Mitglieder  der  Gesundheits- 
kommission und  den  Schularzt  zuzuziehen,  sowie  nach  der  Besichtigung  die 
AbsteUung  der  gefundenen  Mängel  mit  dem  Schulvorstande  zu  besprechen, 
um  ihn  von  der  Notwendigkeit  und  Zweckm&fsigkeit  der  vorgeschlagenen 
Maisregeln  zu  überzeugen.  Referent  betonte  bei  dieser  Gelegenheit  die 
Anstellung  von  Schulärzten,  denen  die  Überwachung  des  Gesundheitszustandes 
der  Schulkinder  und  die  Untersuchung  der  neuaufgenommenen  Kinder  ob- 
liegen müsse.  Der  Medizinalbeamte  könne  aus  Mangel  an  Zeit  diese  Unter- 
suchungen nicht  ausführen.  Der  Kostenersparnis  halber  dürfte  sich  die 
Anstellung  der  Armenärzte  als  Schulärzte  empfehlen. 

An  der  Hand  des  Formulars  IX  der  Dienstanweisung  erläuterte  der 
Vortragende  sodann  einzelne  wesentlichere,  bei  der  Besichtigung  der  Schulen 
zu  beachtende  Punkte: 

a)  Besichtigung.  Hier  wird  die  Lichtprüfung  mittels  Aristopapier  emp- 
fohlen und  auf  die  Unsitte  hingewiesen,  dals  die  unteren  Fenster  vielfach 
durch  weüäe  Ölfarbe  geblendet  werden,  wodurch  der  Lichteinfall  sehr  be- 
einträchtigt würde.  Als  Schutz  gegen  direktes  Sonnenlicht  sollten  nur  helle 
und  nicht  gemusterte  Vorhänge  Verwendung  finden. 

b)  Für  die  Lüftung  der  Schulzimmer  sind  Kippfenster  in  den  Ober- 
lichtern der  Fenster  am  meisten  zu  empfehlen. 

c)  Die  Erwärmung  geschieht  am  besten  durch  Mantelöfen  (BOBNsche 
Lufterwärmungsöfen),  die  der  Raumersparnis  halber  nicht  in  der  Mitte  der 


^  S.  diese  Zeitschrift,  1902,  S.  282. 


570 

LäDgswand  des  Zimmers,  sondern  in  einer  Ecke  stehen  sollen,  nnd  denen 
die  frische  Luft  nicht  vom  Flnr  ans,  sondern  von  anfsen  zuzuführen  ist. 

d)  Die  Reinigung  der  Schulzimmer  hat  täglich  durch  feuchtes  Auf- 
nehmen und  wöchentlich  einmal  durch  Scheaem  zu  erfolgen. 

e)  Als  Schulbank  ist  in  erster  Linie  die  RETTiasche  zu  empfehlen, 
da  sie  die  Reinigung  erleichtert. 

f)  Zur  Verhütung  der  Staubaufwirblung  dient  ein  Anstrich  des  FuDs- 
bodens  mit  Dustlessöl ;  ein  dreimaliger  Anstrich  jährlich  genügt  und  kostet 
(bei  ca.  50  qm  Zimmergröfse)  12,75  Mark. 

g)  Für  die  Garderobe  sind  aufserhalb  der  Schulzimmer  Kleiderhaken 
anzubringen. 

h)  Gänge  und  Flure  müssen  genügend  breit  und  hell  sein. 

i)  Für  die  Aborte  ist  die  Einführung  des  Torfstreusystems  sehr  zweck- 
mäfsig.  Im  Pissoir  müssen  Fufsboden  und  Wände  bis  1  m  Höhe  durch 
Zementierung  wasserdicht  hergestellt  werden. 

k)  Der  Hof  ist  zu  pflastern. 

1)  Brunnen  sind  als  eiserne  Röhrenbrunnen  anzulegen. 

m)  Über  den  Gesundheitszustand  der  Kinder  mufs  der  Kreisarzt  Tom 
Lehrer  Auskunft  zu  erlangen  suchen. 


Der  Korreferent,  Herr  Kreisarzt  Dr.  Kluge -Höxter,  bemängelt  zu- 
nächst, dafs  im  Formular  IX  unter  6  keine  Frage  über  Spucknäpfe  auf- 
genonmien  ist  und  dafs  die  Abortgruben  oft  viel  zu  groüs  angelegt  und  za 
selten  gereinigt  würden. 

Auch  fehle  eine  Frage  über  die  Lehr-  und  Lernmittel,  auf  die  eben- 
falls das  Augenmerk  zu  richten  sei.  So  seien  schwarze  Wand-  und  Schiefer- 
tafeln zu  verwerfen  und  durch  weifse,  die  mit  Schwarzstift  bezw.  Bleistift 
beschrieben  würden,  zu  ersetzen.  Auch  die  Gröüse  der  Schrift  in  den 
Schulbüchern  entspreche  oft  nicht  den  für  die  Erhaltung  der  Sehkraft  za 
stellenden  Anforderungen,  z.  B.  sei  sie  zu  klein  in  der  Bibel  für  die  evan- 
gelischen Volksschulen  und  in  dem  Katechismus  für  die  katholischen  Volks- 
schulen der  Diözese  Paderborn. 

Bei  Prtlfung  der  Schulbauvorlagen  würden  einzelne  Punkte  manchmal 
übersehen,  z.  B.  ruhige  Lage,  Anordnung  der  Flure  nach  Westen,  damit 
die  Zimmer  vor  Schlagregen  geschützt  sind. 

Die  Treppengeländer  sind  durch  Knöpfe  oder  Pfosten  zu  unterbrechen, 
um  ein  Herabrutschen  der  Kinder  zu  verhüten. 

Die  Zwischendeckenfüllung  soll  auch  den  Schall  vermindern  (Torf  oder 
Kalk  mit  Torf). 

Die  Wände  der  Schulzimmer  werden  am  zweckmäfsigsten  bis  auf  iVs  m 
Höhe  mit  Ölfarbe  gestrichen  oder  noch  besser  mit  Holzpaneel  versehen. 

In  der  sich  anschliefsenden  Diskussion  betont  zunächst  Herr  Reg.-  und 
Geh.  Med.-Rat  Dr.  Rapmund,  dals  die  für  den  Bau  der  Schulen  maß- 
gebenden Grundsätze  bisher  von  den  Kreisärzten  vielfach  unbeachtet  gelassen 
seien.  Ein  gründliches  Studium  der  Pläne  und  besonders  der  zugehörigen 
Erläuterungsberichte  und  Kostenanschläge  sei  aber  unbedingt  erforderlich, 


571 

wenn  der  Kreisarzt  nicht  Gefahr  laufen  wolle,  dafs  etwaige  von  ihm  über- 
sehene Mängel  ihm  später  zur  Last  gelegt  würden.  Sind  die  Vorlagen  un- 
vollständig, so  müssen  sie  stets  zur  Vervollständigung  zurückgegeben  werden. 

Zu  den  einzelnen  Punkten  bemerkt  er:  Schon  bei  der  Wahl  des  Bau- 
platzes müsse  auf  die  Beschaffung  guten  und  genügenden  Trinkwassers  ge- 
achtet und  bei  dem  vorzulegenden  Projekte  eine  genaue  Baubeschreibung 
des  zu  erbauenden  Brunnens  verlangt  werden  (am  besten  eiserner  Röhren- 
brunnen von  15 — 20  cm  Weite,  oder  Wandungen  aus  Zementringen). 

Bei  den  Schulräumen  ist  ihre  Lage  und  innere  Einrichtung  zu  prüfen. 
Die  Yentilationsrohre  müssen  mindestens  35  cm  Durchschnitt  haben;  die 
Zufuhr  der  frischen  Luft  für  die  Mantelzirkulationsöfen  muis  nicht  vom 
Korridor  aus,  dessen  Luft  durch  Ausdünstungen  der  Kleider,  Staub  u.  s.  w. 
verschlechtert  werde,  sondern  aus  dem  Freien  stattfinden.  —  Um  eine 
genügende  Beleuchtung  zu  erhalten,  mufs  die  Fensterfiäche  mindestens 
ein  Fünftel  oder  die  Glasfläche  ein  Sechstel  der  Grundfläche  betragen.  Bei 
dreiflflgeligen  Fenstern  müssen  entweder  alle  Fensterflügel  oder  wenigstens 
die  beiden  unteren  seitlichen  und  der  obere  mittlere  zum  öffnen  ein- 
gerichtet sein. 

Holzpaneele  seien  zweckmäßig  und,  wenn  die  Kosten  dafür  bereit 
gestellt  werden  könnten,  sehr  zu  empfehlen. 

Bezüglich  der  Nebengebäude  und  Nebenräume  sei  zu  achten  auf  eine 
richtige  Lage  der  Wohnungen  (des  Lehrers,  Schuldieners  u.  s.  w.)  zu  den 
Schulränmen ;  getrennte  Zugänge,  auch  Treppen,  seien  für  diese  zu  fordern. 
Bei  gröiseren  Schulen,  in  denen  keine  Schuldienerwohnung  vorgesehen, 
empfehle  sich  eine  Rückfrage  dieserhalb,  da  häufig  im  Projekt  darüber 
nichts  vermerkt  sei,  weil  man  dies  für  unnötig  halte. 

Die  Aborte  bedürfen  guter  Ventilation  und  besonders  guter  Beleuch- 
tung; je  besser  die  Aborte  durch  Tageslicht  erleuchtet  sind,  desto  weniger 
werden  sie  von  den  Kindern  beschmutzt,  zudem  wirke  Sonnenschein  bak- 
terientötend. Den  Pissoirs  entsteigen  oft  schlechte  Gerüche,  weil  bei  dem 
Abflulsrohr  zu  der  Abortgrube  ein  Wasserverschlufs  fehlt.  Die  Abortgmbe 
werde  oft  nicht  überwölbt  und  zu  grofs  projektiert.  Desgleichen  seien  bei 
den  Abortsitzen  oft  weder  Deckel  noch  Aborttrichter  vorgesehen. 

Im  übrigen  wurden  noch  die  Fragen  der  Orientierung  der  Schul- 
häuser],  des  Verhältnisses  zwischen  Glasfläche  der  Fenster 
und  Fufsbodenfläche,  der  Feuchtigkeit  dem  Wetter  ausgesetzter 
Westwände  (unzureichende  Stärke),  der  Technik  der  Schulbesichti- 
gnngen,  der  Berichterstattung  etc.  in  die  Diskussion  gezogen. 


572 


tUtintrt  Jtitteilnttgett. 


Mehr  Elassenwandernngen  als  bisher.  Über  dieses  Thema  sprach 
Yor  einigen  Monaten,  wie  die  j^Dresd*  Nachr.^*  mitteilen,  in  der  pädagogi- 
schen Abteilung  des  Dresdener  Lehrervereins  der  Lehrer  E.  Stba^uss.  Er 
betonte,  dafs  sowohl  von  Seiten  der  Hygiene,  als  anch  von  Seiten  der  neueren 
pädagogischen  Methodik  vor  allem  Wert  anf  gröfeere  Berücksichtigung  ge- 
meinsamer Klassenwanderungen  gelegt  werde  —  um  so  mehr,  als  einerseits 
sich  die  Realien  zu  einem  so  hochbedeutsamen  Unterrichtsgegenstande  ent- 
wickelt haben,  und  andererseits  das  riesige  Anwachsen  der  Grofsstädte  den 
Eondem  der  inneren  Stadtteile  die  engere  und  weitere  Umgebung  immer 
unzugänglicher  macht.  Folgende  Anträge  wurden  von  der  Versammlung 
einstimmig  angenommen:  1.  Es  ist  anzustrebep,  dafs  im  Lehrplane  fOr 
unsere  Volksschulen  der  Satz  aufgenommen  wird,  dafs  jeder  Klasse  jährlich 
vier  volle  Schultage  zu  Klassenausflflgen  zur  Verfügung  gestellt  werden. 
2.  Es  ist  eine  Kommission  zu  wählen,  die  sich  mit  den  Dresdener  Stralsen- 
bahngesellschaften  in  Verbindung  setzen  soll,  um  (wie  in  Leipzig  und  bei 
den  Heidefahrten  des  Vereins  „Volkswohl**)  fftr  die  Schfller  der  Volks- 
schulen bei  Schulausflflgen  eine  billigere  Beförderung  als  bisher  zu  erreichen. 
Ein  gleiches  Ersuchen  soll  auch  an  die  Direktionen  der  Staatsbahn  und  der 
Dampfschiffahrtsgesellschaft  gerichtet  werden. 

Die  Beschaffung^  Ton  YerbandskSsteB  Ar  Schulen  wird  in  Ber- 
liner Lehrerkreisen  für  notwendig  gehalten.  Die  „Vereinigung  ftlr  Schul- 
gesundheitspflege^  hat  sich,  wie  die  Tagesblätter  melden,  unlängst  mit  dieser 
Angelegenheit  beschäftigt  und  den  Beschlufs  gefalst,  darauf  hinzuwirken, 
dafs  solche  Kästen  beschafft  werden,  damit  die  Lehrer  die  Möglichkeit 
haben,  den  Kindern  bei  Unglücksfällen  bis  zur  Ankunft  des  Arztes  die 
erste  Hilfe  zu  leisten.  Dabei  wird  besonders  an  Unglücksfälle  gedacht,  die 
sich  beim  Turnunterricht  ereignen  können.  Es  wird  auf  das  Beispiel  von 
Paris  hingewiesen,  wo  alle  Schulen  mit  Verbandskästen  ausgerüstet  seien. 
Um  eine  sachkundige  und  zweckmäfsige  Benutzung  zu  erzielen,  hält  es  die 
Vereinigung  für  erforderlich,  dafs  auf  den  Lehrerseminaren  die  Zöglinge 
auch  in  der  ersten  Hilfe  bei  Unglücksfällen  unterwiesen  werden.  Den  im 
Amt  stehenden  Lehrern  solle  durch  Einrichtung  von  Samariterkursen  Ge- 
legenheit gegeben  werden,  nachträglich  die  Kenntnis  der  ersten  Hilfeleistung 
zu  erwerben. 

Alkohol  und  Schule.  Hierüber  schreibt  J.  Petersen  in  der  „Eni- 
haltsamkeit'  (1903,  No.  4)  folgendes: 

„Eine  grosse  Zahl  von  Lehrstunden  ist  in  der  Schule  in  den  Dienst 
der  religiös-sittlichen  Erziehung  der  Kinder  gestellt,  der  Bekämpfung  der 
^ Sünde",  des  ^^Bösen^  gewidmet.  Was  wird  dort  alles  in  den  Kreis  der 
Betrachtung  gezogen!  Und  entspricht  der  Erfolg  der  aufgewendeten  Zeit 
und  Mühe?  —  Berücksichtigt  man  im  Unterricht  auch  nur  einigermafsen 


673 

die  Rolle,  die  der  Alkohol  als  Verführer  spielt,  dals  er  beispielsweise  die 
Hälfte  der  Brandstiftungen  und  Morde  verursacht,  zwei  Drittel  der  Körper- 
yerletztmgen  und  Totschläge  yerschnldet,  drei  Viertel  der  Sittlichkeits- 
verbrechen  herbeiführt  n.s.w.,  dafs  er  jährlich  gegen  200000  Deutsche  vor 
den  Strafrichter  bringt?  Wie  mancher  Schüler,  wie  manche  Schttlerin  gerät 
lediglich  durch  den  Alkohol  auf  Abwege.  Ein  einziger  feuchtfröhlicher  Abend 
kann  die  Frucht  der  Schularbeit  vernichten.  Kann  die  Schule  es  recht- 
fertigen, wenn  sie  nicht  mit  allem  Nachdruck  auf  den  gefährlichen  Feind  hin- 
weist? Die  Reihe  liefse  sich  endlos  verlängern.  Es  wird  nicht  vonnöten  sein; 
ich  glaube,  den  Hauptpunkt  genügend  hervorgehoben  zu  haben.  Ich  meine, 
wir  sollen  über  dem  Guten  und  Nützlichen,  das  in  der  Schule  gelehrt  wird, 
das  Bessere  und  Notwendige  nicht  vergessen.  Wir  sollen  den  Wert  der 
einzelnen  Lehrgegenstände  gegen  einander  abwägen,  ein  offenes  Auge  be- 
halten für  das  Verhältnis  der  Dinge  zu  einander.  Die  Alkoholfrage  aber 
berührt  die  wichtigsten  Lebensinteressen  unseres  Volkes;  es  handelt  sich 
in  derselben  um  einen  schweren  Daseinskampf  unserer  Nation.  Da  sollen 
wir  nicht  auf  verhältnismäßig  unwesentliche  Dinge  so  grofses  Gewicht  legen, 
nicht  im  Kleinkram  unsere  Kräfte  verzetteln,  sondern  den  Hauptaufgaben 
mit  aller  Energie  uns  zuwenden.  Und  da  verlangt  die  Zeit  gebieterisch 
von  uns,  dafs  wir  in  der  Schule  mit  allem  Nachdruck  dem  Alkohol  den 
Krieg  erklären.** 

Die  Ferienkolonieii  in  Leipzig  existieren  seit  dem  Jahre  1880. 
Während  der  seither  verflossenen  23  Jahre  hat  der  hierfür  gegründete 
Verein,  wie  das  ^^Leipe.  TagebV^  mitteilt,  in  Gebirgs-  und  Solbadkolonien 
13329  Kinder  mit  dem  besten  Erfolge  versorgt  und  verpflegt,  und  dafür 
die  Summe  von  etwa  46000  Mark  verausgabt. 

Seit  dem  Jahre  1888  besitzt  der  Verein  auch  ein  eigenes  Kinderheim 
(Grünhaide  bei  Auerbach  i.  V.),  zu  dessen  Gründung  der  verstorbene  Pro- 
fessor Dr.  Wagneb  die  Summe  von  30000  Mark  testamentarisch  bestimmt 
hatte,  nachdem  bereits  früher  zu  demselben  Zwecke  10500  Mark  dem 
Vereine  übergeben  worden  waren.  Das  Leipziger  Kinderheim  in  Grünhaide 
ist  mit  706  Meter  Seehöhe  eines  der  höchst  gelegenen  Sommerheime  in 
ganz  Deutschland.  Es  liegt  auf  einem  nach  Süden  gegen  die  Zwickauer 
Mulde  geneigten  Plateau  in  der  Nähe  des  Luftkurortes  Rdboldsgrün,  auf 
einer  gegen  Nordwinde  geschützten  Waldwiese,  inmitten  der  ausgedehntesten 
Nadelwälder  Sachsens.  Es  besteht  aus  zwei  Häusern,  kann  gleichzeitig  112 
Kinder  beherbergen  und  ist  z.  B.  1892  vom  2.  Juni  bis  25.  September 
fünfimal  belegt  worden,  in  Summa  von  19  Kolonien  mit  532  Kindern.  — 
Kolonieorte  für  die  Leipziger  Kinder  sind  ferner  luftige,  lichte  Gebirgs- 
gasthöfe  auf  den  frischen,  waldigen  Höhen  des  Vogtiandes  und  westlichen 
Erzgebirges,  z.  B.  in  Oberpfannenstiel  bei  Aue,  Rothenkirchen  bei  Schön- 
heide, Hanmierbrücke  und  Friedrichsgrün  bei  Schöneck,  und  endlich  für 
die  kränksten  Pfleglinge  —  die  skrophulösen,  oft  mit  schweren  Gesundheits- 
störungen belasteten  Kinder  —  die  Solbäder  Frankenhausen  und  Dürrenberg. 

Auch  im  laufenden  Jahre  haben  sich  mehr  als  1400  Kinder  unserer 
ärmeren  Bevölkerung,  nachdem  deren  Gesundheitszustand  durch  die  Herren 
Schulärzte  geprüft  worden  ist,  hilfesuchend  an  den  Verein  für  Ferien- 
kolonien gewendet. 


574 

Die   Beaufsichtigung   der  Schnlen    nnd    das   nene   englische 

Unterrichtsgesetz.  Hierüber  berichtet  in  der  ,,Zätschr,  f.  Med.BeanUe^' 
(No.  11)  Dr.  MAYEB-Simmern  auf  Grund  eines  Aufsatzes  von  Dr.  H.  Mi 
RiCHABDS  in  „Publ  healW*  (1902/03,  XV)  folgendes: 

Der  Verfasser  betont  die  Pflicht  des  Gesundheitsbeamten,  die  Schul- 
hygiene nicht  zu  vernachlässigen.  Es  bestehe  sonst  die  Gefahr,  „dafe  wir 
vergessen,  dafs  wir  in  erster  Linie  Ärzte  sind",  und  das  Publikum  sei  am 
Ende  zu  der  Ansicht  berechtigt,  „dafs  wir  weiter  nichts  als  Gesundheits- 
inspektoren seien,  mit  Sinn  für  Zahlen  und  einer  aus  zweiter  Hand  geschöpf- 
ten Kenntnis  der  Abfuhreinrichtungen". 

Der  nene  Unterrichtsgesetzentwurf  bietet  die  passende  Gelegenheit  zu 
einem  Rückblick  und  zu  Vorschlägen,  die  Verhältnisse  zu  bessern. 

Zurzeit  hat  der  Medizinalbeamte  nicht  das  Recht,  die  Schulräume  zu 
betreten ;  er  darf  nur  erkrankte  Kinder  vom  Schulbesuch  ausschlietsen,  oder 
Schulen  beim  Eintritt  von  Epidemien  schlieisen.  Nur  einige  SchulbehOrden 
haben  Medizinalbeamte  angestellt;  freiwillig  haben  sich  Lehrer  anderer 
Schulen  erboten,  dem  beamteten  Arzte  nichtanzeigepflichtige  Infektions- 
krankheiten und  das  Auftreten  verdächtiger  Symptome  unter  den  Schul- 
kindern zu  melden. 

Da  meistens  die  Lehrer  den  durchschnittlichen  Schulbesuch  auf  seiner 
Höhe  zu  halten  suchen,  so  ist  solches  Entgegenkommen  eine  Ausnahme; 
meist  hat  der  Gesundheitsbeamte  keinen  Überblick  über  den  jeweiligen 
Stand  der  Infektionskrankheiten  der  Schüler,  und  der  Besuch  des  Gesund- 
heitsinspektors wird  als  „Eindringen"  angesehen. 

Der  Autor  fordert  nun,  dafs  die  in  dem  neuen  Gesetzentwurfe  vor^ 
gesehenen  Unterrichtskommissionen  dahin  belehrt  werden  sollen,  dafs  sie 
in  gesundheitlichen  Fragen  den  Rat  und  die  Mitarbeit  des  von  der  ünter- 
richtsbehörde  angestellten  beamteten  Arztes  in  Anspruch  nehmen.  Der 
Distriktsmedizinalbeamte  sollte  alle  öffentlichen  Schulen  besichtigen.  Das 
Ergebnis  sollte  an  das  Unterrichtsamt  berichtet  werden,  eine  Abschrift  an 
den  Grafschaftsgesundheitsbeamten  gehen,  der  die  Unterrichtskommissionen 
seines  Grafschaftsrates  danach  informieren  könnte.  Ebenso  wie  Fabriken 
und  Werkstätten  Zeugnisse  der  Ortspolizeibehörde  aufweisen  müssen,  dals 
sie  etwa  bei  Feuersgefahr  genügende  Rettungsmöglichkeit  bieten,  so  sollte 
jede  Schule  von  der  Behörde  auf  Gröise,  Art  der  Aborte,  Wascheinrichtnngen 
und  deren  Zustand  untersucht  werden ;  auch  die  Zahl  der  Tage,  an  denen 
„Überfüllung"  eingetreten  war,  Heizung,  Lüftung,  Wände,  Wirkung  der 
täglichen  und  periodischen  Reinigung,  Zustand  der  Spielplätze  und  Höfe, 
Wasserversorgung  etc.  wären  zu  berücksichtigen. 

Sagt  uns  mit  diesen  Forderungen  der  Verfasser  wenig  Neues,  so 
motiviert  er  die  Forderung  nach  Beamten,  die  dem  Medizinalbeamten  unter- 
stellt sind  (attendance  ofQcers)  auf  recht  einleuchtende  Weise.  Diese  würden 
kleinere  Mifsstände  sofort  bemerken,  könnten  im  geeigneten  Augenblicke 
passende  Winke  zur  Abhilfe  geben,  würden  die  Fälle  anzeigen,  wo  die 
Ortspflegerin  ihren  Besuch  im  Hause  der  Eltern  zu  machen  hätte,  würden 
auch  bei  den  Eltern  die  gesetzlichen  Vorschriften  und  geeignete  hygienische 
Regeln  zu  verteilen  haben. 

Obwohl  §  85  des   zurzeit  mafsgebenden  Day-school  Code   der  Schul- 


575 

behörde  das  Recht  zur  Beaufsichtigung  in  hygienischen  Dingen  gibt,  wird 
er  nicht  so  gehandhabt,  dafs  die  öffentlichen  Volksschulen  sich  in  befriedi- 
genden sanitären  Verhältnissen  befinden. 

FerienkoloDien  in  Basel.  Wie  wir  der  „N.  Zürich.  Ztgy  ent- 
nehmen, hat  die  Basler  Ferienversorgung  armer  und  erholungsbedürftiger 
Schulkinder  mit  dem  Sommer  1902  das  25.  Jahr  ihres  Bestandes  zurück- 
gelegt. Im  Jahr  1878  betrug  die  Zahl  der  versorgten  Schulkinder  146, 
im  Jahr  1902  570,  die  Zahl  der  Ferienkolonien  stieg  von  12  zu  je  12 
bis  13  Schülern  auf  38  zu  je  15  Schülern.  Die  Ausgaben  sind  von 
4734  Frs.  auf  18482  Frs.  angewachsen;  an  freiwilligen  Liebesgaben  sind 
im  Jahr  1878  5815  Frs.,  im  Jahr  1902  12283  Frs.  eingegangen.  Die 
Gesamtzahl  der  in  den  25  Jahren  versorgten  Kinder  beträgt  7981,  die 
Summe  der  freiwilligen  Beiträge  276234  Frs.  Durch  Zuwendung  von 
Legaten  wurde  es  möglich,  einen  Fonds  mit  dem  Charakter  einer  bleiben- 
den Stiftung  anzulegen,  der  seit  1883  von  300  Frs.  auf  64060  Frs.  an- 
gewachsen ist.  Von  1882  an  wurden  an  arme  Kinder,  die  nicht  aufs  Land 
verbracht  werden  konnten,  in  der  Stadt  während  der  Sommerferien  Milch 
und  Brot  verteilt.  Seit  1895  haben  diese  Spenden  aufgehört,  da  die 
Pestalozzigesellschaft  diesen  Teil  des  Werkes  übernahm  und  nun  Jahr  für 
Jahr  in  immer  gröfserem  Umfang  besorgt.  Der  Erfolg  der  Ferienversorgung 
läist  sich  zwar  weder  messen  noch  zählen,  das  aber  bezeugt  der  uns  vor- 
liegende Bericht,  dafs  nach  der  Aussage  sämtlicher  Führer  und  Führerinnen 
der  Kolonien  am  Schluls  des  Ferienaufenthalts  die  Schüchternen  freier, 
die  Zügellosen  gesitteter,  die  Eigensüchtigen  verträglicher,  alle  besseren 
Willens,  unternehmender  und  ausdauernder  sind,  das  Aussehen  gesünder 
und  das  Familienleben  erfreulicher  wird.  Die  Geber  in  der  Stadt  würden 
die  grölste  Freude  haben,  wenn  sie  sich  jeweilen  an  Ort  und  Stelle  über- 
zeugen könnten,  zu  welch  sichtbarer  Wohltat  sie  den  armen  Kindern  ver- 
holfen  haben. 

Coedacation  oder  Geschlechtertrennnng;?  Über  diese  vielumstrit- 
tene Frage  sprechen  sich  neuerdings  die  nNeuenBahnen^  (Heft  6)  aus.  Es 
wird  in  erster  Linie  auf  die  zahlreichen  Versuche  aufmerksam  gemacht,  die 
mit  der  gemeinsamen  Erziehung  von  Knaben  und  Mädchen  auch  in  höherem 
Alter  bereits  in  autserdeutschen  Staaten,  teilweise  auch  in  Deutschland 
selbst,  vorgenommen  worden  sind.  Die  Coeducation  ist  auch  eine  Forde- 
rung der  Frauenrechtlerinnen,  welche  die  gemeinsame  Schule  als  die  Schule 
der  Zukunft  betrachten  und  behaupten,  dieselbe  verdiene  durchaus  den 
Vorzug  vor  den  anderen  Schulen  in  sozialer,  sittlicher  und  pekuniärer  Hin  - 
sieht.  Der  Autor  der  „N,  B.^  ist  nicht  ganz  dieser  Ansicht.  Mit  dem 
Hinweise  auf  die  Verschiedenheit  der  Anlagen  und  deren  Entwicklung  beim 
männlichen  und  weiblichen  Geschlecht  und  gestützt  auf  die  Ansicht  Wehn£Rs, 
dafs  in  den  Entwicklungsjahren  das  Zusammensein  von  Jüngling  und  Jung- 
frau ärztlich  sehr  bedenklich  erscheine  („Q-es.  Jugend*^  II.  1.),  kommt  der 
Verfasser  zum  Schlüsse,  dafs  für  Kindergärten  und  Elementar- 
schulen (bis  zum  12.  Lebensjahre)  sich  die  gemeinsame  Erziehung 
beider  Geschlechter  empfehle,  dafs  aber  nach  diesem  Zeitpunkt 
eine  Trennung  der  Geschlechter  in  der  Schule  für  die  geistig» 
und  sittliche  Bildung  vorteilhafter  sei. 


576 

(Es  ist  schwer  zn  yerstehen,  warum  gerade  in  der  Schnle  das  Zusam- 
mensein von  Knaben  und  Mädchen  in  sittlicher  Beziehung  Gefahren  bieten 
soll,  während  auf  der  Strafse,  in  den  Familien,  bei  Festlichkeiten  (BfiJlen  etc.) 
die  beiden  Geschlechter  oft  unter  Umständen  sich  zu  treffen  Gelegenheit 
haben,  die  viel  eher  als  das  Zusammenarbeiten  in  der  Schule  mit  Gefahren 
verbunden  sein  könnten.     D.  Bed.) 

Über  die  Unterriehtspansen  an   den  Ssterreichischen   Hittel- 

scbnlen  berichtet  an  Hand  der  Resultate  von  Erhebungen,  welche  zur 
österreichischen  Wohlfahrtsausstellung  1898  vorgenommen  worden  sind,  in 
der  ^Zeit^  Dr.  Leo  Bubuebstein.  Aus  den  Angaben  ftlr  die  damals  in 
Betracht  gekommenen  279  Gymnasien  und  Realschulen  ist  zu  ersehen,  dafs 
nach  der  ersten  Lehrstunde  des  Tages  überhaupt  keine  Pause 
gegeben  wurde;  selbstredend  kann  die  ganz  kuize  Unterrichtsunter- 
brechung,  welche  sich  durch  den  Lehrerwechsel  ergibt,  nicht  als  „Pause^ 
angesehen  werden.  Nach  der  zweiten  Stunde  wird  allgemein  10  oder 
15  Minuten  pausiert,  nach  der  dritten  entsprechend  10  beziehungsweise 
ö  Minuten,  so  dafs  für  211  von  279  Mittelschulen  die  Gesamtdauer  der 
Pausen  bei  vier  aufeinanderfolgenden  Unterrichtsstunden  20  Minuten  aus- 
macht: es  gaben  ferner  für  jene  vier  Stunden: 

11  Schulen  nur  je  10  Minuten  (!) 

^1       »  »     »    lö       » 

dagegen 

16  Schulen  je  26  Minuten 
19       „         «30       „         Pausenzeit. 
Nicht  in  allen  Schulen  folgt  noch  eine  fünfte  Vormittagsstunde;    von 
jenen   131  Schulen,    an   denen  dies   stattfand,    gaben    80    vor    dieser 
fünften  Stunde  keine  Pause; 

1  Schule    gab        5  Minuten 
32  Schulen  gaben  10       „ 
14       „  „      15       „ 

4       „  .      30       , 

Noch  ärger  steht  die  Sache  in  dem  für  Schüler  und  Lehrer  aus  ver- 
schiedenen triftigen  Gründen  schlimmen  „Nachmittagsunterricht" ;  in  diesem 
gaben  nach  der  ersten  Nachmittagsstunde  223  Schulen  keine,  15  Schulen 
je  12  bis  15  Minuten  Pause,  nach  einer  zweiten  Nachmittagsstunde 
75  Schulen  keine,  98  Schulen  je  5  bis  15  Minuten  Pause. 

An  diese  Zahlen  knüpft  BcTRaERSTEiN  einige  beherzigenswerte  Be* 
merkungen  über  die  Verwendung  der  Pausen  zur  Lüftung  der 
Schulzimmer. 

Die  Lüftung  ist,  wenn  die  Schüler  die  Pausen  aufserhalb  der  Lehr- 
zimmer zubringen,  auch  bei  strengster  Aufsenkälte  in  unserem  Klima  durch- 
führbar; die  Schüler  müfsten  sofort  zu  Beginn  der  Pause  das  Zimmer 
verlassen,  wobei  so  viel  Fensterfläche,  als  rasch  aufschliefsbar  ist,  geöffiiet 
werden  sollte;  die  Luft  ist  in  um  so  kürzerer  Zeit  gewechselt,  je  niedriger 
die  Aufsentemperatur  ist,  und  daher  auch  ein  um  so  längerer  Zeitraum  für 
die  Nachwärmung  gegeben.  Da  die  Luft  nur  eine  geringe  Wärmekapazität 
besitzt  und  die  festen  Umschliefsungen  und  die  Möbel,  welche  eine  grofse 
W.-K.  haben,  in  der  kurzen  Lüftungszeit  wenig  Wärme  verlieren,  so  genügt 


577 

der  Rest  der  Pause  zur  Nachwärmung;  flbrigeDS  ist  „frische '^  (kflhle)  Lnft  in 
einem  Räume  mit  wohldurchwärmten  Umschliefsongen  und  Möbeln  keines- 
wegs gesuidheitsschädlich.  Noch  günstiger  wftre  in  jeder  Jahreszeit  Zng- 
Iflftnng,  wenn  ein  besonderer  Erholnngsraom  vorhanden  ist;  leider  ist 
letzteres  in  den  europäischen  Ländern  Ostlich  von  Frankreich  nnd  sfldlich 
Yon  Belgien  yorläafig  Utopie. 

An  einzelnen  Stellen  ist  tatsächlich  die  Pansenfrage  mehr  oder  weniger 
gut  gelöst  worden:  in  Frankreich  sind  dreiviertelstttndige  Lektionen  mit 
folgenden  Viertelstnndenpansen  schon  vor  mehr  als  20  Jahren  eingeführt 
worden;  von  den  deutschen  Staaten  hat  Hessen,  ein  in  Bezug  auf  Ge- 
sundheitspflege in  der  Schule  Oberhaupt  fortschrittliches  Land,  die  viel- 
fach flblich  gewesenen  Viertelstundenpausen  1883  amtlich  verallgemeinert; 
Elsais-Lothringen  hat  im  selben  Jahre  10,  15,  15,  20  Minuten  Pause  im 
Vormittagsunterricht  eingeführt,  Bayern  1891  10,  15,  15  Minuten  n.  s.  w. 
Neuerlich  ist  Preu^sen  dazugekommen,  wo  im  März  1891  für  die  Mittel- 
schulen 10  Minuten  pro  Lehrstunde,  das  heilst  ein  Sechstel  der  Unter- 
richtszeit, als  Pausenzeit  normiert  wurde;  bezeichnend  für  diesen  Fort- 
schritt in  PreuJGsen  ist  der  Umstand,  dafs  er  direkt  durch  einen  £rlals 
des  Kaisers  an  den  Kultusminister  (26.  November  1900)  veranlagt  wurde, 
in  welchem  Erlals  unter  anderem  die  „wesentliche  Verstärkung  der  bisher 
zu  kurz  bemessenen  Pausen*'  gefordert  wird.  Leider  liegt  in  manchen 
Ländern  die  Sache  so,  dafe  Besserungen  hinsichtlich  der  Gesundheit  in  der 
öffentlichen  Erziehung  überhaupt  nur  dann  einzutreten  pflegen,  wenn  auiser- 
halb  der  berufenen  Behörde  stehenden  Personen  Anregungen  glücken; 
nicht  jedesmal  liegt  natürlich  der  FaU  so  günstig,  dals  ein  Monarch  die 
Anregung  gibt,  weil  er  selbst  in  der  ungesunden  Lage  war,  in  einer 
Mittelschule  zu  studieren ;  und,  merkwürdig  genug,  der  Erfolg  bleibt  sogar 
in  diesem  Falle  genau  der  Anregung  kongruent,  das  heilst,  die  preulsische 
Volksschule  wird  vom  Erlals  des  Kultusministers  gar  nicht  berührt,  trotz- 
dem die  Volksschüler  jene  Pausen  ganz  gewifs  auch  nötig  hätten. 

Mängel  der  körperlichen  Erziehung  in  England.  Auch  in  dem 
Lande,  welches  man  als  die  Heimat  des  körperlichen  Sports  und  der 
athletischen  Spiele  zu  bezeichnen  pflegt,  werden  die  Klagen  über  physischen 
Rückschritt  immer  häufiger,  und  es  wird  eine  gröfsere  Berücksichtigung 
der  Gymnastik  im  Schulunterricht  nicht  selten  verlangt.  Dies  bezieht  sich 
allerdings  nicht  auf  die  grofsen  Colleges  und  Universitäten,  wo  man  nach 
wie  vor  eifrig  den  Leibesübungen  obliegt,  sondern  auf  die  Volksschulen, 
die  bisher  der  körperlichen  Ausbildung  wenig  oder  gar  keine  Berücksich- 
tigung geschenkt  haben.  Der  soeben  dem  Parlament  eingereichte  Kom- 
missionsbericht über  Schulgymnastik  legt,  nach  den  Ausführungen  der  „Hamb, 
Nachr. *^,  davon  ein  beredtes  Zeugnis  ab.  Zwar  bezieht  sich  der  Bericht 
nur  auf  Schottland ;  doch  geben  mafsgebende  englische  Blätter  unumwunden 
zu,  das  alles,  was  die  Kommission  über  die  schottischen  Elementarschulen 
und  die  physische  Entartung  des  schottischen  Volkes  zu  sagen  weils,  auch 
unmittelbare  Anwendung  auf  England  findet. 

Die  schottischen  Elementarschulen  werden  von  der  Untersuchungs- 
Kommission  beschuldigt,  dafs  sie  zu  Vielerlei  lehren  und  das  Hirn  der 
Kinder  zu  sehr  mit  Bücherweisheit  belasten,    anstatt   genügende  Zeit  auf 


678 

körperliche  Aasbüdnng  zu  verweDclen.  Die  Kommission  fordert  demgem&ls, 
dais  man  lieber  mehr  Spielplätze  and  -Hallen  beschaffen  soUte,  anstatt  die 
Zahl  der  nach  heutigen  Prinzipien  geleiteten  Schulen  zu  yermehren.  Zu 
gleicher  Zeit  erkennt  die  Kommission  an,  dais  es  nicht  genfigt,  die  Kinder 
für  ihre  körperliche  Ausbildung  nur  auf  die  Spiele  zu  verweisen.  Ein 
systematischer  Drill  im  Freien  wie  in  Turnhallen  wird  vielmehr 
für  durchaus  notwendig  erklärt,  sowohl  für  die  physische  Entwicklung,  wie 
zur  Gewöhnung  an  Disziplin,  die  der  britischen  Jugend  Oberhaupt  gänzlich 
zu  fehlen  scheint. 

Aulserdem  empfiehlt  die  Kommission,  die  Ausbildung  im  Turnen  ffir 
die  Lehrer  aller  solcher  Schulen  obligatorisch  zu  machen,  die  sich  keinen 
besonderen  Turnlehrer  leisten  können.  Kein  Lehrer,  der  nicht  eine  Tum- 
Prüfung  bestanden,  sollte  in  Zukunft  Anstellung  an  staatlichen  Volksschulen 
finden,  und  kein  Lehrerseminar  staatlich  unterstützt  werden,  das  nicht  die 
künftigen  Lehrer  im  Tarnen  unterweist. 

Der  Kommissionsbericht  enthält  sodann  einige  beunruhigende  Angaben 
über  Augen-,  Ohren-,  Nasen-  und  Kehlkopfkrankheiten,  die  bei  der  schottischen 
Yolksschuljugend  häufig  beobachtet  werden,  und  die  im  wesentlichen  auf 
mangelhafte  Ernährung,  gesundheitswidrige  Wohnungen  und  ungesunde 
Lebensverhältnisse  zurückzuführen  sind. 

Der  Kommissionsbericht  betont  auch  die  Notwendigkeit  einer  gründlichen 
ärztlichen  Beaufsichtigung  und  Behandlung  der  Kinder  in  Elementarschulen; 
ebenso  wird  in  Anregung  gebracht,  Kinder,  die  hungernd  in  die  Schule 
kommen,  zu  füttern  und  für  die  so  entstehenden  Ausgaben  die  Eltern 
verantwortlich  zu  machen,  wofern  nicht  Hil&vereine  die  Kosten  bestreiten. 
Die  Fortbildungsschulen  sollten  nach  Meinung  der  Kommission  ebenfalls 
durch  Turnunterricht  anziehender  und  nutzbringender  gemacht  werden. 

Auch  die  höheren  Schulen  und  Universitäten  Schottlands  scheinen, 
im  Gegensatz  zu  den  englischen,  der  körperlichen  Ausbildung  nidit  die 
genügende  Berücksichtigung  zu  schenken.  Für  die  höheren  Schulen  wird 
ein  systematischer  Turnunterricht  auiser  den  Spielen  dringend  empfohlen, 
und  die  körperliche  Ausbildung  auf  den  schottischen  Universitäten  wird 
geradezu  als  unbefriedigend  von  der  Kommission  bezeichnet,  die  nicht  flbel 
Lust  zu  haben  scheint,  das  Turnen  auch  für  die  Universitäts-Jugend  ob- 
ligatorisch zu  machen. 

Sehnlbäder  in  Posen.  Die  an  einigen  Stadtschulen  eingeriditeten 
Schulbrausebäder  haben,  wie  die  „Posen.  Ztg,"  berichtet,  auch  in  dem 
verflossenen  Schuljahre  ihren  Zweck  in  vollem  Mafse  erfQllt  und  sowohl 
zur  geistigen  Frische  wie  auch  zur  Förderung  der  Reinlichkeit  und  Ord- 
nungsliebe unter  den  Schülern  und  Schülerinnen  wesentlich  beigetragen. 
An  dem  Baden  beteiligten  sich  die  Klassen  1 — 5.  Die  Badefrequenz  kann 
als  eine  hohe  bezeichnet  werden.  Die  Kinder  badeten  mit  sichtlicher  Lost, 
nur  hin  und  wieder  mufsten  einzelne  Schüler  und  Schülerinnen  wegen  Er- 
krankung vom  Baden  ausgeschlossen  werden.  Die  für  die  einzelnen  Klassen 
angesetzten  Badestunden  fielen  durchweg  in  die  Zeit  des  Vormittagsunter- 
richts. Die  letzte  Unterrichtsstunde  am  Vormittag  wurde  zum  Baden  nicht 
verwendet,  um  die  Kinder  nicht  der  Gefahr  einer  eventuellen  Erkältang 
auf  dem  Nachhausewege  auszusetzen.     Das  Brausebad  an  der  XII.  Stadt- 


579 

schule  hat  durch  die  im  Laufe  des  vorigen  Sommers  erfolgte  Einrichtung 
von  Badezellen  eine  wesentliche  Yerbessernng  erfahren. 

Wechsel  der  Fufsbekleidimg  in  der  Schule:  Nicht  aUe  Eltern 
können  ihre  Kinder  mit  Gummischuhen  zur  Schule  schicken;  namentlich 
da,  wo  die  Kinder  oft  stundenweit  auf  morastigen  Wegen  zum  Schulhause 
zu  laufen  haben,  verbietet  sich  der  Gummischuh  von  selbst.  Mit  nassen 
Füfsen  und  nassen  Oberkleidem  kommen  dann  die  Kleinen  in  die  Schule 
und  fangen  oft  trotz  geheizten  Schulzimmers  an,  hier  erst  recht  zu 
frieren,  weil  sie  das  durchfeuchtete  Schuhwerk  an  den  Ffllsen  haben. 
,,Kopf  kühl,  Füfse  warm,  Hinterpforte  offen",  diese  ebenso  drastische  wie 
klassische  Regel  des  berühmten  Boebhave  hat  heute  noch  volle  Geltung, 
nur  wird  sie  auch  in  unserem  Falle  nicht  befolgt.  Würden  den  Kindern 
in  der  Schule  immer  ein  zweites  Paar  Schuhe  (Hausschuhe  u.  dergl.)  zur 
YerfUgung  stehen,  und  könnten  sie  ihre  durchregneten  oder  besdineiten 
Oberkleider  in  einem  besonderen  Zimmer  zum  Trocknen  aufhängen,  so 
würde  dem  eigentlichen  Schulzimmer  mancher  Dienst,  den  Schülern  aber 
manches  Unwohlsein  erspart  bleiben.     („Deutsche  Warte*^,) 

Die  Schale  im  Dienste  der  öffentlichen  Wohlfahrt.  Den  Schul- 
leitungen der  Wiener  Volks-  und  Bürgerschulen  ging,  wie  wir  „Der  Zeii*^ 
entnehmen,  ein  Erlais  des  Bezirksschulrates  zu,  in  welchem  die  Lehr- 
personen  aufgefordert  werden,  die  Bestrebungen  des  vor  kurzem  in  Wien 
gegründeten  Hilfsvereines  für  Lungenkranke  in  den  österreichischen  Kron- 
ländem  nach  Möglichkeit  zu  fördern.  Dieser  Verein  hat  sich  die  Be- 
kämpfung der  Tuberkulose  zur  Aufgabe  gesetzt  und  verfolgt  hierbei  vor- 
nehmlich das  Ziel,  solche  Vorkehrungen  zu  treffen,  durch  welche  der  Ent- 
wicklung der  Tuberkulose  bei  hierfür  disponierten  oder  der  Infektionsgefahr 
ausgesetzten  Personen  entgegengewirkt  werden  kann.  Bei  Verfolgung  dieser 
für  die  öffentliche  Wohlfahrt  überaus  wichtigen  und  nützlichen  Bestrebungen 
beabsichtigt  das  Kuratorium  dieses  Hilfsvereines,  in  sämtlichen  Kronländem 
der  Monarchie  Lokalkomitees  zur  Gründung  möglichst  zahlreicher  Zweig- 
vereine ins  Leben  zu  rufen,  welche  mit  dem  Wiener  Stammverein  im 
Sinne  des  Aktionsprogramms  zusammenwirken  sollen.  Da  nun  dieser  Verein 
geeignet  ist,  für  die  Einschränkung  und  allmähliche  Tilgung  der  Tuber- 
kulose erfolgreich  einzutreten,  da  er  femer  hauptsächlich  hilfsbedürftigen 
Personen  jugendlichen  Alters  seine  Fürsorge  zuzuwenden  gedenkt,  und  da 
es  hierbei  die  Lehrer  in  erster  Linie  sind,  welche  werktätig  mit  ihrer 
Mithilfe  einzugreifen  vermögen,  so  fordert  der  bezirksschulrätliche  Erlafs 
die  Lehrpersonen  auf,  den  Zielen  des  humanitären  Vereines  die  angelegent- 
lichste Unterstützung  zu  teil  werden  zu  lassen. 

Die  New  Yorker  Erziehungsanstalt  (Br  Verbrecher.     Unter 

diesem  Titel  bringen  die  „MediccU  News"'  (No.  24)  einen  geharnischten 
Artikel  gegen  die  im  Staate  New  York  übliche  Einrichtung  der  Verbesse- 
rungsanstalten.  In  dem  „House  of  Refuge"  zu  Randall's  Island,  befinden 
sich  augenblicklich  800  Knaben,  die  zum  gröfsten  Teil  kleinerer  Vergehen 
halber  in  der  Anstalt  interniert  sind ;  nichts  desto  weniger  werden  sie  mit 
Knaben  zusammengebracht,  die  trotz  ihres  jugendlichen  Alters  direkt 
schwere  Verbrechen  sich  haben  zu  Schulden  kommen  lassen.  Die 
natürliche  Folge  ist,  dafs  die  Mehrzahl  der  Internierten  in  stetem  Verkehr 

Scbal|r«saiidheit8pflegre.  XVI.  31 


680 

mit  solchen  gemeingefährlichen  Subjekten  erst  das  Laster  richtig  kennen 
lernt  und  die  „Besserungs^ -Anstalt  verdorbener  yerläüst,  als  sie  dieselbe 
aufgesucht  hat.  Eine  durchgreifende  Systemftndemng  ist  zur  Vermeidung 
dieses  Übelstandes  unumgftngHch  notwendig :  die  Anstalten  dürfen  nicht  als 
Kasernen  gebaut  werden,  sondern  haben  sich  aus  einer  gröfseren  Anzahl 
einzelner  Pavillons  zusammenzusetzen;  so  nur  kann  die  Absonderung  der 
Knaben  in  kleinen  Gruppen  und  dadurch  eine  individuelle  Behandlung  und 
Erziehung  ermöglicht  werden. 

Aufs  schärfste  ist  die  gerade  hier  so  Abel  angebrachte  Sparsamkeit 
zu  bekämpfen.  Die  Kleidung  der  in  Randall's  Island  Internierten  ist  eine 
schlechte;  auch  in  dieser  Beziehung  mufs  Abhilfe  geschaffen  werden,  denn 
unmöglich  kann  man  so  verwahrlosten  Kindern  das  erforderliche  Mafe  von 
Selbstachtung  einflößen. 

Das  Kindersanatorinm  in  Red  Bank,  das  von  der  „Sanitarium 
Association"  zu  Philadelphia  gegründet  wurde  und  schon  auf  eine  25 jäh- 
rige Tätigkeit  zurückblicken  kann,  eröffnete  am  6.  Juni  d.  J.  die  dies- 
jährige Saison.  Die  Gesellschaft  gewährte  —  wie  wir  den  ^Med.  News'^ 
(No.  24)  entnehmen  —  2000  Kindern  freie  Dampferfahrt  und  Verpflegung 
für  einen  Tag.  Das  Gesundheitsamt  der  Stadt  Philadelphia  beabsichtigte, 
um  die  hohe  Sterblichkeitsziffer  der  Kinder  herabzusetzen,  die  Errichtung 
von  Zelten  in  Fairmount  Park  für  schwächliche  Kinder,  wählte  aber  dann 
das  Sanatorium  als  geeigneteren  Aufenthaltsort.  Die  Gesellschaft  vom  roten 
Kreuz  stellt  dem  Sanatorium  25  Pflegerinnen  für  den  Sommer  unentgeltlich 
zur  Verfügung. 


Sagesgefd^td^tlii^es. 


Anfraf  zur  Gründung  internationaler  Kongresse  für  Seknl- 
hygiene.  Auf  dem  Gebiete  der  hygienischen  Forschung  steht  zurzeit  in 
allen  zivilisierten  Ländern  die  Schul-  und  Volkshygiene  im  Vordergründe 
des  allgemeinen  Interesses.  Viele  Hygieniker  haben  mit  Wort  und  Schrift 
in  diesen  Zweigen  der  Wissenschaft  bahnbrechend  gewirkt.  Ärzte  und 
Schulmänner  haben  denselben  gemeinsame  Arbeit  gewidmet,  Regierungen 
und  Kommunalverwaltungen  sind  eifrig  bemüht,  solche  Arbeit  zu  fördern. 
Bei  aller  Anerkennung  der  Fortschritte,  die  in  der  öffentlichen  Gesundheits- 
pflege insbesondere  durch  die  Mitwirkung  der  Kongresse  für  Hygiene  und 
Demographie  bereits  erzielt  worden  sind,  kann  man  sich  doch  der  Tat- 
sache nicht  verschlielsen,  dafs  zur  Heranbildung  einer  gesunden  Jugend 
gerade  der  Schulhygiene  noch  viel  zu  tun  übrig  bleibt,  und  dals  ihr  immer 
neue  Aufgaben  erwachsen,  um  den  jugendlichen  Organismus  zu  kräftigen, 
sowie  dem  Umsichgreifen  der  Nervosität  und  einer  frühzeitigen  Erschöpfung 
entgegenzutreten.  Derartige  Gesichtspunkte  sind  mafsgebend  gewesen  für 
die  Gründung   schulhygienischer  Vereine,    so  des   „Allgemeinen  deutschen 


681 

Vereins  für  Schalgesimdheitspflege^,  der  französischen  „Ligae  des  m^decins 
et  des  famüles  pour  Tam^lioration  de  Phygiöne  physique  et  intellectuelle 
dans  les  ^oles"*,  der  schweizerischen  „Gesellschaft  fCtr  Schalgesnndheits- 
pflege **,  der  „Allgemeen  paedologisch  Gezelschap  in  Antwerpen",  der  „Ver- 
eeniging  tot  Vereenvondiging  yan  examens  en  onderwijs''  in  Arnheim  nnd 
der  englischen  „Society  of  medical  oifficers  of  schools".  In  der  Erkenntnis, 
dafs  bezüglich  einer  hygienischen  Erziehung  bereits  im  jugendlichen  Alter 
methodisch  vorgegangen  werden  muls,  dafs  insbesondere  in  der  Schnle 
durch  vollendete  Körperpflege  geistige  Überanstrengung  und  Schwächung 
der  Individualität  verhindert  werden  können,  —  in  der  Erkenntnis,  dafs 
die  gedeihliche  Entwickelung  eines  Volkes  in  erster  Linie  dadurch  gesichert 
vnrd,  dafs  es  die  Gesundheit  seiner  Jugend  besonders  während  der  Schul- 
zeit nach  jeder  Richtung  hin  stärkt,  —  in  der  Überzeugung  endlich,  dals 
durch  gemeinsame  Arbeit  aller  Nationen  die  Aufgaben  und  Bestrebungen 
der  Schulhygiene  wesentlich  erleichtert  und  befördert  werden,  sehen  sich 
die  Unterzeichneten  veranlafst,  internationale  Kongresse  für  Schulhygiene 
ins  Leben  zu  rufen,  die  alle  drei  Jahre  tagen.  Der  erste  Kongreis  soll 
an  den  sechs  Tagen  der  Woche  nach  Ostern  des  Jahres  1904  in  Deutsch- 
land stattfinden.  Für  den  Vorsitz  sind  der  Allgemeine  deutsche  Verein 
für  Schulgesundheitspflege  und  ein  Ortskomitee  in  Aussicht  genommen,  als 
Kongrefsort  hat  sich  die  Stadt  Nürnberg  bereit  erklärt.  Vorträge  und 
Beratungen,  welche  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  angehören  müssen, 
können  in  irgend  einer  europäischen  Sprache,  insbesondere  in  der  deutschen, 
französischen  oder  englischen,  abgehalten  werden. 

Nähere  Bestimmungen.  Mitglieder  des  Kongresses  können  alle 
diejenigen  werden,  welche  an  der  Förderung  schulhygienischer  Bestrebungen 
Interesse  besitzen.  Die  Erwerbung  der  Mitgliedschaft  erfolgt  durch  genaue 
Angabe  von  Vor-  und  Zunamen,  Stand,  Titel  und  Adresse  bei  dem  Orts- 
komitee des  Kongresses. 

Jedes  Mitglied  hat  einen  Beitrag  von  20  Mark  zu  entrichten.  Hierfür 
wird  eine  Mitgliedskarte  ausgestellt,  die  zur  Teilnahme  an  allen  Sitzungen 
und  Veranstaltungen  des  Kongresses,  zur  Ausübung  des  Abstlmmungs-  und 
Wahlrechtes,  sowie  zum  Bezug  des  Kongrefstageblattes  und  des  Kongrefs- 
berichtes  berechtigt. 

Für  Deutschland  dürfte  es  am  geeignetsten  sein,  dem  „Allgemeinen 
deutschen  Verein  für  Schulgesundheitspflege**  nebst  seinen  Zweigvereinen, 
sowie  dem  Ortskomitee  der  Kongreisstadt  die  Organisation  des  Kongresses 
zu  übertragen.  Für  Frankreich  wird  sich  die  „Ligue  des  m^decins  et  des 
familles**,  für  die  Schweiz  die  „Schweizerische  GeseUschaft  für  Schul- 
gesundheitspflege*^ ,  für  Belgien  die  „Paedologisch  Gezelschap  in  Antwerpen^, 
für  Holland  die  „Vereeniging  tot  Vereenvoudiging  van  Examens  en  Onder- 
w^s**  mit  der  Organisation  befassen,  und  für  England  wird  die  „Society  of 
medical  officers  of  schools**  darum  ersucht  werden.  In  den  übrigen  Ländern 
werden  sich  namhafte  Hygieniker,  Ärzte  und  Schulmänner  mit  den  Unter- 
richtsministerien und  Medizinalkollegien  zur  Einrichtung  von  Komitees  in 
Verbindung  setzen. 

Die  Verhandlungen  verteilen  sich  auf  allgemeine  Sitzungen  und  Ab- 
teilungssitzungen.    Letztere  finden  vormittags  nnd  nachmittags  statt.     Für 

31* 


582 

die  PlenarsitzuDgen  bleibt  der  Montag,  Dienstag  und  Freitag- Yormittag 
reserviert.  In  den  Plenarsitznngeu  werden  Zusammenfassende  Vorträge  all- 
gemeinen Interesses  ohne  Diskussion,  offizielle  Ansprachen  und  die  geschäft- 
lichen Angelegenheiten  des  Kongresses  erledigt.  Die  Vortragszeit  ist  auf 
45  Minuten  zu  bemessen.  Die  Vorträge  in  den  Abteilungssitzungen  sind 
in  der  Beihenfolge  ihrer  Anmeldung  zu  halten,  bezw.  ist  ihre  Reihenfolge 
vom  Abteilnngsvorsitzenden  zu  bestimmen. 

Die  Dauer  eines  Abteilungsvort.rages  darf  20  Minuten  nicht  Ober- 
schreiten. An  diese  Vorträge  knüpft  sich  eine  Diskussion,  in  welcher 
jedem  Redner  in  der  Regel  nicht  mehr  als  acht  Minuten  zur  VerfQgung 
stehen.  Die  Abteilungssitzungen  werden  durch  einen  vom  Ortskomitee 
ernannten  Einführenden  eröffnet  und  von  dem  durch  die  Anwesenden  er- 
wählten Präsidenten  geleitet.  Über  jede  Plenar-  und  Abteilungssitzung  ist 
von  den  Schriftführern  Protokoll  zu  führen. 

Vorträge  für  die  Abteilungssitzungen  werden  bei  dem  Vorsitzenden 
des  Organisationskomitees  des  betreffenden  Landes  angemeldet,  Vorträge 
für  die  Plenarsitzungen  mit  dem  Organisationskomitee  des  betreffenden 
Landes  und  Ortes,  wo  der  Eongrefs  stattfindet,  vereinbart.  Für  alle 
Vorträge,  welche  auf  dem  Kongrefs  zur  Verhandlung  kommen,  muDs  ein 
druckfertiges  Manuskript  in  einer  der  genannten  Sprachen  mit  einer 
deutschen,  französischen  oder  englischen  Zusammenfassung  vorgelegt  werden. 
In  der  letzten  Plenarsitzung  wird  von  den  Kongrefsmitgliedem  der  Ort  für 
den  nächsten  Eongrefs  bestimmt.  Nach  Auflösung  eines  Kongresses  werden 
die  laufenden  Geschäfte  dem  Organisationskomitee  des  neuen  Eongrefsortes 
übermittelt. 

Die  internationalen  Eongresse  für  Schulhygiene  führen  folgende  Ab- 
teilungen : 

1.  Hygiene  der  Schulgebäude  und  ihrer  Einrichtungen. 

2.  Hygiene  der  Internate. 

3.  Hygienische  Untersuchungsmethoden. 

4.  Hygiene  des  Unterrichts  und  der  Unterrichtsmittel. 

5.  Hygienische  Unterweisungen  der  Lehrer  und  Schüler. 

6.  Eörperliche  Erziehung  der  Schuljugend. 

7.  Erankheiten  und  Eränklichkeitszustände  und  ärztlicher  Dienst  in 
den  Schulen. 

8.  Hilfsschulen  für  Schwachsinnige,  Parallel-  und  Wiederbolungs- 
klassen,  Stottererkurse,  Blinden-  und  Taubstummenschulen,  ifrüppel- 
schnlen. 

9.  Hygiene  der  Schu^ugend  aufserhalb  der  Schule,  Ferienkolonien 
und  Organisation  von  Elternabenden. 

10.  Hygiene  des  Lehrkörpers. 

Das  permanente  internationale  Eomitee: 

Dr.  LE  Gendre,  möd.  de  höp.  de  Paris,  President  de  la  ligue  des  m6decins 
et  des  familles  pour  l'am^lioration  de  l'hygi^ne  physique  et  intellectuelle 
dans  les  6coles.  Dr.  Alb.  Mathieü,  m^d.  des  höp.  de  Paris,  Secr^taire 
g^n6ral  de  la  ligue  des  m^decins  etc.    Prof.  Dr.  med.  et  phil.  Obiesbach, 


583 

Vorsitzender  des  Allg.  deutschen  Vereins  für  Scholgesandheitspflege,  Mfll- 
hansen  (Eis.).  Dr.  med.  Fb.  Schmid,  Direktor  des  Schweiz.  Gesundheitsamtes, 
Präsident  der  Schweiz.  Ges.  für  Schulgesnndheitspflege,  Bern.  Dr.  Clement 
DüEES,  Rnghy,  Member  of  the  Boyal  College  of  physicians  of  London, 
Physician  to  the  hospital  of  St.  Cross  and  to  Rugby  School.  Prof.  J.  H. 
Bense,  Voorzitter  yan  de  Vereeniging  tot  Vereenvoudiging  van  Examens 
en  Onderwijs  te  Arnhem.  Dr.  Proust,  Prof.  a  T^cole  de  m^d.,  Inspecteur 
g6n6ral  des  Services  sanitaires,  Paris,  v.  SCHENKBNDOEFF-Görlitz,  Vor- 
sitzender d.  Zentralausschusses  f.  Volks-  u.  Jngendspiele  u.  d.  deutschen 
Vereins  f.  Knabenhandarbeit.  Prof.  Dr.  med.  Ad.  Baginsky,  Direktor 
des  Kaiser  und  Kaiserin  Friedrich-Kinderkrankenhauses  u.  Vorsitzender  des 
Berliner  Vereins  für  Schulgesundheitspflege,  Berlin.  Matthew  Hat,  M.  D., 
Professor  of  forensic  medicine  and  hygiene;  Medical  officer  of  health,  Uni- 
versity  of  Aberdeen.  Prof.  Dr.  med.  C.  Etkman,  Direktor  des  hygien. 
Instituts,  Utrecht.  Dr.  med.  C.  Winkler,  Professor  der  Psychiatrie, 
Amsterdam.  Dr.  Brissaüd,  Prof.  ä  la  Fac.  de  M6d.,  Paris.  Prof.  Dr. 
Ebismann,  Vorstand  des  Gesundheitswesens  der  Stadt  Zürich  und  Redakteur 
der  Zeitschrift  fflr  Schulgesundheitspflege,  Ztlrich.  Dr.  med.  et  phil.  Hebm. 
COHN,  Prof.  d.  Augenheilk.,  Breslau.  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Hoffa, 
Dir.  d.  Universitätspoliklinik  f.  Orthopäd.  Chirurgie,  Berlin.  Geh.  Med.-Rat 
Prof.  Dr.  A.  Eulenbdbg,  1.  stellvertr.  Vorsitzender  des  Allg.  deutschen 
Vereins  für  Schulgesundheitspflege,  Berlin.  Prof.  Dr.  M.  C.  Schütten, 
Voorzitter  van  het  algemeen  paedologisch  Gezelschap,  Bestuurder  van  den 
paedologischen  Schooldienst  en  van  het  stedelijk  paedologisch  Laboratorium 
Antwerpen.  Th.  Witey,  Inspecteur  principai,  Luxembourg.  Dr.  Luiöi 
Pagliani,  Prof.  di  Igiene,  Torino.  Prof.  Dr.  med.  D.  FiNKiiBB,  Direktor 
des  hygienischen  Universit.- Instituts,  Bonn.  Prof.  Dr.  med.  0.  Bujwid, 
Direktor,  des  hygienischen  Instituts,  Krukau.  Dr.  Edm.  Jos.  Klein,  Pro- 
fesseur  de  sciences,  Diekirch  (Luxembourg).  Dr.  Alfonso  di  Vestea, 
Prof.  di  Igiene,  Pisa.  Freiherr  Ed.  von  Lade,  Schlofs  Monrepos,  Geisen- 
heim  a.  Rh.  Dr.  E.  B.  Almquist,  Prof.  der  Hygiene  am  Karolin.  Medico- 
chirnrg.  Institut,  Stockholm.  Dr.  med.  Patricio  Bobobio  y  Diaz. 
Professeur  de  maladies  de  Fenfance  ä  la  Facult6  de  M6decine,  Zaragossa, 
Dr.  Anoelo  Mosso,  Prof.  di  Fisiologia,  Torino.  Prof.  Dr.  L.  Bübgeb- 
stein,  Wien.  Prof.  Dr.  med.  F.  Hueppe,  Direktor  des  hygienischen 
Instituts  der  deutschen  Universität,  Prag.  Dr.  med.  Axel  Johannessen, 
Prof.  der  Kinderheilkunde,  Christiania.  Dr.  Habald  Westebgaabd, 
Prof.  d.  staatsw.  Encyklop.  u.  Statistik,  Kopenhagen.  Dr.  A.  M.  Y  Vabgas, 
Professeur  de  maladies  de  l'enfance  ä  la  Facult4  de  M^decine,  Barcelona. 
Dr.  J.  Felix,  Professeur  k  la  Facult6  de  mödecine  de  Bucarest,  ancien 
directeur  g6n6ral  du  service  sanitaire  de  Roumanie.  Dr.  med.  H.  Schuschnt, 
Schularzt  und  Prof.  der  Hygiene  an  der  Staatsoberrealschule,  Präsident 
des  Fachkomitees  der  Schulärzte  und  Professoren  der  Hygiene,  Budapest. 
Dr.  med.  Ir.  Skwobtzow,  Prof.  der  Hygiene  an  der  Universität  Charkow, 
Rufsland.  Prof.  Dr.  med.  Axel  Hebtel,  Kommunal-  und  Schularzt, 
Kopenhagen.  Dr.  med.  Manuel  de  Tolosa  Latour,  Membre  de  TAca- 
d^mie  Royale  de  M^decine,  Prof.  de  maladies  de  l'enfance  ä  la  facult^  de 
m6d.,  Madrid.     Dr.  P.  M.  NolKOV,  Prof.  der  Pädagogik  an  der  Univers. 


584 

Sophia,  Bulgarien.  Prof.  Dr.  med.  Leo  Liebermann,  Direktor  d^ 
hygienischen  Institats  der  Universität  Budapest,  kgl.  Rat.  Sanitätsrat  Prof. 
Dr.  M.  MiSHiMA,  Direktor  der  schnlhygienischen  Abteilang  des  kais.  Japan. 
Unterrichtsministeriums,  Tokyo.  Dr.  med.  Laitinbn,  Prof.  der  Hygiene 
und  Direktor  des  hygien.  Instituts,  Helsingfors.  Dr.  med.  K.  Sabbas, 
Prof.  der  Hygiene  und  Direktor  des  hygien.  Instituts,  Athen.  Dr.  Batut, 
Prof.  der  öffentl.  Hygiene,  Belgrad.  Kgl.  Rat  W.  Szuppan,  Direktor  der 
Handelsakademie    und    Referent    des  Landes-Unterrichts-Rates,    Budapest. 

Aufsätze  fiber  den  Alkohol  in  die  Lesebfieher  anfznnebmeH 

sind  die  Verfasser  der  letzteren  gegenwärtig  gerne  bereit.  Es  fehlt  momen- 
tan aber  noch  an  wirklich  guten  derartigen  Lesestücken,  und  um  diesem 
Mangel  abzuhelfen,  erläfst,  wie  J.  Petebsen  in  der  „EnthcUtsamkeH'^ 
(1903,  No.  6)  mitteilt,  der  „Deutsche  Verein  abstinenter  Lehrer**  folgendes 
JPreisausschreiben : 

Es  wird  ein  Preis  von  300  Mark  ausgesetzt  für  ein  neues,  zur 
Aufinahme  ins  Lesebuch  geeignetes  LesestOck,  welches  unmittelbar  in 
den  Dienst  der  Bekämpfung  des  Alkoholismus  tritt.  Besondere  Bestimmungen 
Ober  Umfang  und  Inhalt  werden  nicht  gegeben.  Die  Preisbewerbungen 
müssen  bis  zum  1.  November  ds.  J.  bei  dem  unterzeichneten  Vereins- 
Yorsitzenden  eingereicht  sein.  Jede  Arbeit  ist  mit  einem  Eennspruch  zu 
yersehen;  derselbe  Eennspruch  mufs  sich  auf  einem  verschlossenen  Brief- 
umschlag befinden,  in  dem  Name  und  Wohnort  des  Verfassers  mitgeteilt 
werden.  Das  Preisrichteramt  haben  folgende  Herren  übernommen:  Lehrer 
H.  Heinemann  in  Leinhausen  bei  Hannover,  Schulvorsteher  6.  Plate  in 
Bremen,  Lehrer  E  Sauer  in  Görlitz,  Rektor  W.  Suhe  in  Kiel  und  Hanpt- 
lehrer  H.  Wolgast  in  Hamburg.  Der  Preis  wird  nur  dann  zuerkannt, 
wenn  das  Preisgericht  eine  Arbeit  als  den  zu  stellenden  Anforderungen 
genügend  anerkennt.  Dem  Vorstande  des  „Deutschen  Vereins  abstinenter 
Lehrer"  bleibt  das  Recht  vorbehalten,  auf  Vorschlag  des  Preisgerichts  eine 
Teilung  des  Preises  vorzunehmen,  falls  mehr  als  eine  Arbeit  preiswürdig 
erscheint.  Die  Beteiligung  am  Wettbewerb  ist  jedem  gestattet.  Auskunft 
über  einschlägige  Schriften  u.  dergl.  erteilt  J.  PETEBSEN-Eiel. 

Behufs   Belehrung   der  Schulkinder  Aber   den  Schaden   des 

Alkoholgennsses  hat  die  Berliner  Schuldeputation  folgende  Bestimmungen 
getroffen:  „Im  Anschluis  an  den  Miuisterialerlafs  vom  31.  Januar  1902 
ordnen  wir  hierdurch  an,  dafs  in  folgenden  Disziplinen  auf  die  Gefahren 
der  Trunksucht  nachdrücÜich  hinzuweisen  ist:  1.  Während  des  Religions- 
unterrichts. Hier  dürften  sich  z.  B.  bei  der  Besprechung  des  fünften  Gebots, 
bei  dessen  Erklärung  auf  den  Selbstmord  hingewiesen  wird,  geeignete  An- 
knüpfungspunkte dazu  bieten.  2.  Während  des  naturkundlichen  Unterrichts. 
Aus  diesem  Unterrichtszweige  wird  es  vor  allem  die  der  Oberstufe  vor- 
behaltene Anthropologie  sein,  in  welcher  die  Aufmerksamkeit  der  Kinder 
auf  die  aus  unmäfsigem  Alkoholgenusse  für  den  eigenen  Körper  sich  er- 
gebenden Gefahren  hinzulenken  ist.  3.  Während  des  Rechen  Unterrichts, 
insofern  durch  den  Alkoholgenufs  nicht  nur  der  eigene  Wohlstand  ver- 
nichtet, sondern  auch  der  allgemeine  geschädigt  wird.  Bei  angewandten 
Aufgaben  auf  der  Oberstufe  sind  die  Schädigungen,  die  durch  die  Trunk- 
sucht herbeigeführt  werden,  ziffernmäfsig  nachzuweisen,  z.  B.  Nachweis,  wie- 


585 

viel  Getreide,  Kartoffeln  n.  s.  w.  durch  Herstellnng  des  Alkohols  dem 
allgemeinen  Emährongszwecke  verloren  gehen,  wieviel  Arbeitskraft  darch 
übermftlisigen  Alkoholgenufs  brach  gelegt  wird  n.  s.  w. 

{„EnihalisamMt'' ,  1903,  No.  6.) 

Trinksittenreform    in    der    Stndentensehaft.     Der    ^Deutsche 

Verein  abstinenter  Studenten",  der  jetzt  44  Mitglieder  und  106  Altfreunde 
zählt,  hat,  wie  wir  der  „EnthäHsamkeit^  (1903,  No.  6)  entnehmen,  kürzlich 
ein  wirkungsvolles  Flugblatt  herausgegeben,  das  er  unter  den  Studenten  und 
insbesondere  auch  unter  den  Schfllem  der  Oberklassen  der  Mittelschulen 
zu  verbreiten  sucht,  um  sie  schon  vor  ihrem  Abgang  zur  Hochschule  Aber 
die  Alkofaolfrage  aufzuklären  und  auf  den  Verein  abstinenter  Studenten  hin- 
zuweisen. In  den  y^AIcad.  Ttirnbundsblättem*^  wird  die  Alkoholfrage  häufig 
erörtert,  da  sich  eine  „Abstinenz Vereinigung  im  A.  T.  B.^  gebildet  hat. 
Auch  in  anderen  fflr  akademische  Kreise  berechneten  Zeitschriften  werden 
die  Trinksitten  gelegentlich  angegriffen.  Die  ^Deutsche  freie  Studenten- 
Schaft^  verbreitet  gegenwärtig  einen  „Weckruf  an  die  Studentenschaft",  in 
dem  sie  u.  a.  für  Kräftigung  des  Körpers  eintritt  und  dabei  bemerkt: 
„Trinkzwang,  Kneipenluft  und  der  Alkohol  sollen  nicht  verderben,  was 
Muskelübung,  Sonnenschein  und  frische  Luft  gut  gemacht  haben".  In  Jena 
beabsichtigt  man,  ein  Kasino  für  Studenten  zu  errichten,  in  dem  einige 
Forderungen  der  Alkoholgegner  berücksichtigt  werden  soUen.  Wieviel  auf 
dem  Grebiet  allerdings  noch  zu  tun  ist,  zeigen  die  bescheidenen  Wünsche 
eines  „alten  Herrn*'  in  den  „Akad,  Blättern*^,  Er  befürwortet  die  Auf- 
hebung des  Trinkzwanges,  indem  er  den  Konventen  der  Vereine  deutscher 
Studenten  die  beiden  Punkte:  Aufhebung  des  Zwanges,  bestimmte  Mengen 
nachzukommen,  und  Aufhebung  des  Zwanges,  einen  sog.  Bierjungen  zu 
trinken,  zur  Beschlufsfassung  vorlegt.  Als  sehr  erwünscht  bezeichnet  er 
es,  wenn  ein  Vereinskonvent  einstimmig  beschlösse,  den  doppelten  oder 
wenigstens  den  dreifachen  Bierjungen  ganz  abzuschaffen.  Auch  wäre  zu 
erwägen,  ob  nicht  der  sog.  Bierverruf  entbehrt  werden  könne. 

Einflnfs  der  Mfitter  auf  den  Alkoholgennfs  der  Kinder.    Über 

dieses  Thema  sprach  unlängst,  wie  die  ^^Münch.  Post"'  berichtet,  an  einem 
Mütterabende  Dr.  E.  Hibt  in  München. 

Der  Vortragende  betonte  die  Wichtigkeit  der  Kenntnis  der  Alkohol- 
wirkung gerade  für  unsere  Mütter.  Sie,  denen  die  Erziehung  im  wichtigsten 
Lebensabschnitt  des  Menschen,  in  der  Jugend,  obliege,  hätten  vor  allem 
die  verantwortungsvolle  Aufgabe,  sich  mit  den  Schädlichkeiten  vertraut  zu 
machen,  welche  so  häufig  ein  ersprielsliches  Erziehungswerk  vereiteln,  ob- 
wohl gerade  sie  vom  Kinde  so  leicht  fernzuhalten  wären.  Die  Einsicht  in 
die  ausschlaggebende  Bedeutung  der  ererbten  Anlagen  für  das  Werden  eines 
Menschen  müsse  alle  Erzieher  anspornen,  an  diesen  Punkten  tatkräftig  zu 
arbeiten.  Natürlich  seien  die  von  Haus  aus  schlecht  ausgestatteten  Geschöpfe 
die  empfindlichsten,  und  gerade  ihnen  gegenüber  sei  es  am  verkehrtesten, 
von  geistigen  Getränken  Stärkung  zu  erwarten.  Besonders  nachdrücklich 
wies  der  Redner  auf  die  Tatsache  hin,  dais  die  Wirkung  weingeisthaltiger 
Getränke  auf  unser  Seelenleben  viel  früher  da  sei,  als  sie  sich  durch  Säufer- 
wahnsinn, alkoholische  Verrücktheit  oder  Verblödung  kundgebe.  Die  leich- 
teren Formen  des  Schwachsinns  seien  sehr  häufig,  wo  die  sog.  Biergemütlich- 


586 

keit  herrsche.  Wichtig  sei,  da&  die  Jagend  nicht  stets  nnr  durch  Verhote, 
sondern  durch  Hinweis  auf  nachahmenswerte,  Körper  und  Geist  fördernde 
Tätigkeiten  znm  Rechten  geleitet  werde.  Das  heste  Mittel  der  ganzen  Er- 
ziehung sei  das  von  den  Erziehern  gegebene  Beispiel. 

Eine  sehr  vernfinftige  VerfDgung  Aber  die   Schnlpansen  hat, 

wie  die  „  Westfäl,  Volksetg,^^  mitteilt,  unlängst  die  kgl.  Regierung  zu  Minden 
erlassen.  „In  einzelnen  Schulen  des  diesseitigen  Bezirks"  —  heifst  es  — 
„ist  es  flblich,  dafs  der  Unterricht  in  den  ersten  beiden  Vormittagsstunden 
ohne  Unterbrechung  erteilt  wird,  und  die  erste  Pause  erst  nach  Ablauf  der 
zweiten  Unterrichtsstunde  eintritt.  Das  ist  mit  Rücksicht  auf  die  Gesund- 
heit der  Kinder  nicht  zu  billigen.  Wir  ordnen  daher  an,  dafs  fortan  nach 
jeder  Unterrichtsstunde  eine  Pause  von  10  Minuten  gemacht  wird.  Die 
schon  jetzt  allgemein  bestehende  größere  Pause,  die  bis  zu  20  Minuten 
ausgedehnt  werden  kann,  ist  nach  der  zweiten  oder  dritten  Yormittags- 
stunde  zu  legen.  Sie  ist  nur  dann  zu  machen,  wenn  der  zusammenhängende 
Unterricht  tlber  drei  Stunden  dauert.'*  Soweit  diese  sehr  zeitgemäfe  Ver- 
fügung. Allerdings  sind  ja  in  den  höheren  Schulen  die  Pausen  wohl  all- 
gemein in  dieser  Weise  eingerichtet.  Anders  ist  es  bei  der  Volksschule: 
selbst  bei  einem  vierstündigen  Unterricht  des  Vormittags  ist  vielfach  nur  nach 
den  ersten  beiden  Stunden  eine  gröfsere  Pause  eingesetzt,  und  hier  und  da 
werden  die  Kinder  erst  nach  der  dritten  Stunde  an  die  Luft  geführt. 
Hoffentlich  wird  das  Vorgehen  der  Regierung  zu  Minden  dazu  dienen,  dajs 
diese  Frage  auch  in  anderen  Bezirken  im  Interesse  der  Gesundheit  der 
Kinder  in  derselben  Weise  ihre  Lösung  findet. 

SexnalhT^enisehe  Unterweisung  (Br  Fortbildnngsschfiler.    Der 

deutsche  Verein  für  das  Fortbildungsschulwesen  hat  sich,  wie  wir  der  r,Frhf. 
Zig.**  entnehmen,  neuestens  in  Leipzig  mit  der  Frage  der  Geschlechts- 
krankheiten befafst  und  folgende  Jjeitsätze  angenommen: 

1.  Es  ist  anzunehmen,  dafs  die  grolse  Mehrzahl  der  Fortbildungs- 
schüler eine  mehr  oder  minder  richtige  Kenntnis  des  Geschlechtslebens  hat. 
2.  Die  Schüler  bedürfen  einer,  des  mystischen  Beiwerks  entkleideten, 
sexualhygienischen  Unterweisung,  die  sie  einesteils  vor  den  Gefahren  der 
Selbstbefleckung  schützt,  anderenteils  sie  davon  überzeugt,  da£s  der  Ge- 
schlechtsverkehr weder  notwendig,  noch  ungefährlich  ist.  3.  Diese  Unter- 
weisungen hätten  zunächst  die  Eltern  zu  geben,  die  sich  aber  aus  Un- 
kenntnis oder  berechtigtem  Schamgefühl  dieser  Pflicht  fast  stets  entziehen. 
4.  Den  Lehrern  diese  Unterweisung  zu  überlassen,  wird  am  Widerstände 
der  Eltern  scheitern  und  leicht  peinlichen  Verdächtigungen  Tür  und  Tor 
öffnen.  5.  Es  empfiehlt  sich,  dafs,  solange  die  in  Satz  3  und  4  ange- 
gebenen Hindemisse  nicht  überwunden  sind,  der  Arzt  (wenn  vorhanden  der 
Schularzt)  diese  sexualhygienischen  Unterweisungen  durchführt,  am  besten 
im  Anschlüsse  an  einen  allgemeinen  hygienischen  Unterricht. 

(Das  hier  angezogene  Thema  ist  noch  nicht  allgemein  spruchreif.  Ver- 
suche düi*ften  mit  Vorsicht  gemacht  werden,  aber  zunächst  wohl  nur  in 
dem  durch  These  5  angedeuteten  Sinne.     D.  Red.) 

Die  Lage  der  Londoner  Volksschnlkinder  scheint  keine  beneidens- 
werte zu  sein.  Bei  Gelegenheit  einer  Diskussion  über  die  körperliche  De- 
generation der  arbeitenden  Bevölkerung  im  englischen  Unterhause  gab,  nach 


587 

einer  Mitteilung  der  Tagesblätter,  Sir  William  Anton,  der  parlamen- 
tarische Sekretär  des  Unterrichtsamtes,  die  Erklärung  ab,  dafs  60000 
Londoner  Schulkinder  körperlich  untüchtig  sind,  dafs  sie  weder 
genug  Nahrung,  noch  einigerma&en  gesunde  Behausung  haben.  Das  Geld  — 
sagte  er  — ,  das  die  Nation  auf  die  geistige  Ausbildung  dieser  Kinder 
verwendet,  ist  einfach  hinausgeworfen,  da  sie  bei  ihrem  körperlichen  Zn- 
stande vom  Unterricht  keinen  Nutzen  haben  können. 

Städtische  Schnkahnkliuiken.  Am  15.  Oktober  1902  ist,  wie  den 
Lesern  dieser  Zeitschrift  bekannt,  dank  der  Initiative  des  Dr.  med.  Jessen 
und  durch  das  verständnisvolle  Entgegenkommen  des  Strafsburger  Gemeinde- 
rates die  erste  städtische  Schulzahnklinik  eröffnet  worden,  die  den  Yolks- 
schulkindem  unentgeltliche  Untersuchung  und  Behandlung  der  Zähne  gewährt. 
Nach  einer  Mitteilung  der  „Münch,  AUg,  Zfg,*^  wurden  in  dieser  Klinik 
in  der  Zeit  vom  15.  Oktober  1902  bis  15.  März  d.  J.  3341  Kinder  unter- 
sucht und  1296  in  zahnärztliche  Behandlung  genommen.  —  Dem  Beispiel 
Stralsburgs  in  Errichtung  einer  stMtischen  Schulzahnklinik  sind  Darmstadt 
und  Essen  gefolgt.  Aber  es  ist  dringend  erforderlich,  dafe  auch  andere 
grolse  Gemeinden  in  gleicher  Weise  vorgehen.  Mit  verhältnismäfsig  sehr 
geringen  Mitteln  läfst  sich  auf  diesem  Wege  ein  erheblicher  Schritt  zur 
Hebung  der  Volksgesundheit  tun. 

Der  Kenehhnsten  ist  nach  den  neuesten  amtlichen  Verordnungen  in 
Leipzig  als  ansteckende  Krankheit  zu  betrachten.  Wie  das  „Leipe, 
TagebL"^  meldet,  ist  deshalb  das  Auftreten  dieser  Krankheit  von  dem 
Schuldirektor  bezw.  dem  Ortsschulinspektor  dann  dem  Bezirksarzte  an- 
zuzeigen, wenn  gleichzeitig  oder  bald  nacheinander  mehr  als  drei  Er- 
krankungen vorkommen.  Schüler,  welche  an  Keuchhusten  erkrankt  sind, 
dflrfen  erst  nach  völliger  Genesung  und,  wenn  hierüber  ein  ärztliches 
Zeugnis  nicht  vorgelegt  werden  kann,  erst  nach  Aufhören  der  krampfartigen 
HustenanfäUe  zum  Schulbesuch  wieder  zugelassen  werden. 

Im  Anschlnfs  an  die  diesiährigen  schweizerischen  Ferienkurse 
fflr  Lehrer  an  Volks-  und  Mittelsehnlen  veranstaltet  Dr.  Fr.  W. 
FOEBSTEB  einen  Kursus  über  Moralpädagogik  vom  3. — 14.  August.  Der 
Vortragende  beabsichtigt,  auf  Grund  von  Studien  im  Auslande  und  mehr- 
jähriger Praxis  u.  a.  über  folgende  Punkte  zu  sprechen:  Die  Pädagogik 
der  Selbstbeherrschung;  die  Behandlung  der  häuslichen  Beziehungen;  die 
Fragen  der  sexuellen  Aufklärung  der  Jugend ;  das  Lügen  und  Stehlen  der 
Kinder;  soziale  Jugenderziehung;  die  moralpädagogische  Benutzung  der 
Bibel;  die  Probleme  der  Schuldisziplin;  ethische  Beeinflussung  von  nervösen, 
anormalen  und  entarteten  Kindern.  Auch  soll  die  Moralpädagogik  der 
französischen  Staatsschule  eingehend  besprochen  werden.  Der  Kursus 
findet  täglich  von  6V« — ^  Uhr  statt  und  kostet  10  Frs. 


588 


ümUx^t  DerfSgttttQett. 


Erlals  des  Ministers  der  geistUehen,  Unterrichts-  nnd 
Angelegenheiten,    betreffend    die   Abhandlung   des   Frauenarztes 
Dr.  Jnlins  Krebs,  „Wie  sollen  sich  unsere  jungen  Mädchen  kleiden^S 

vom  17.  April  1903. 

In   dem  Verlage  von  Heinrich  Handel  in  Breslau  ist  eine  allgemein 

verständliche    hygienische  Abhandlung:    „Wie    sollen    sich  unsere  jungen 

Madchen  kleiden?^    von  dem  Frauenarzt  Dr.  med.  Julius  Krebs,  Preis 

25  Pf.  erschienen,    die  sowohl  wegen  ihrer  förderungswerten  Absicht,    als 

auch  wegen  der  einfachen  und  klaren  Darstellung  und  der  überzeugenden 

Abbildungen  besondere  Beachtung  und  Verbreitung  verdient. 

Das    Königliche   Provinzial-Schulkollegium  ,         .  ,       ,.     ^   ., 

— — — 7—— — -;^ — ; veranlasse  ich,    die  Leiter 

Die  Königliche  Regierung 

und   Leiterinnen    der  öfFentliehen   und  privaten  höheren  Mädchenschulen 

und  Lehrerinnen -Bildungsanstalten  --r —  Aufsichtsbezirkes  empfehlend  auf 

Ihres 

diese  Schrift  hinzuweisen. 

Berlin,  den  17.  April  1903. 

Der  Minister  der  geistlichen  etc.  Angelegenheiten. 

Studt. 
An 
die  Königlichen  Provinzial-SchulkoUegien  und  Regierungen. 
U.  in.  D.  No.  5430.  U.  A.  M. 


Beschaffenheit  der  in  den  Schulen  gebrauehten  Hefte. 

Beriin,  den  30.  April  1903. 

Die  Auslegung,  welche  der  Eflais  vom  27.  Sept.  v.  J.  —  ü.  lU. 
A.  No.  1358,  ü.  III.  C,  ü.  III.  D.  —  dortseits  gefunden  hat,  als  ob 
der  Ausdruck  eines  Ursprungszeichens  oder  Warenzeichens  auf  den  Schul- 
schreibheften künftig  verboten  sei,  mufe  als  irrtümlich  bezeichnet  werden. 
Nicht  der  Ausdruck  eines  Warenzeichens  auf  den  Heften  ist  untersagt, 
sondern  nur  die  Benutzung  desselben  als  EontroUe  durch  die  Lehrer. 

Durch  den  gedachten  Erlafs  soll  gerade  die  freie  Konkurrenz  der 
Gewerbetreibenden  geschützt  werden,  während  das  Verbot  von  Schulheften, 
welche  ein  Warenzeichen  haben,  den  Hersteller  der  Hefte,  der  sich  dieses 
Warenzeichens  bedient,    von  vornherein  von  jeder  Konkurrenz  ausschlielst. 

An 
die  Königliche  Regierung  zu  N. 


589 

Abschrift   hiervon   erhält  die  Königliche   Regiemng,    das  Königliche 
Provinzial-SchnlkoUeginm  znr  Kenntnisnahme  nnd  gleichmäßigen  Beachtung. 
Der  Minister  der  geistlichen  etc.  Angelegenheiten. 

Im  Auftrage ;  Sohwabtzkoppf. 
An 
die  übrigen  Königlichen  Regierungen  und  an  das 
Königliche  Provinzial-Schulkollegium   zu  Berlin. 
U.  ni.  A.  1185. 


Über  den  Wert  und  die  Stellung  der  Hansanfgaben 
im  Erziehnngs-  nnd  ünterriehtsplane  der  allgemeinen  Volksschule. 

(Landesschulratserlafs  vom  9.  Juni  1903.) 

An  sämtliche  Schulleitungen. 
Bezirksschulrat  der  k.  k.  Reichshaupt-  nnd  Residenzstadt  Wien. 
G.  Z.  4601. 

Wien,  am  4.  Juli  1903. 

Der  k.  k.  n.-ö.  Landesschulrat  hat  mit  dem  Erlasse  vom  9.  Juni  1903, 
Z.  6761,  den  Bezirksschulrat  ermächtigt,  die  Lehrkörper  der  allgemeinen 
Volksschiden  in  Wien  mit  Beziehung  auf  die  in  den  Bezirks-Lehrerkonfe- 
renzen  des  Schuljahres  1901 — 1902  erstatteten  Referate  über  den  Wert 
und  die  Stellung  der  Hausaufgaben  im  Erziehungs-  und  Unterrichtsplane 
der  allgemeinen  Volksschulen  aufzuklären  und  zu  veranlassen,  dafs  unter 
Rficksichtnahme  auf  die  lokalen  Lebens-  und  Erwerbsverhältnisse  die  Zahl, 
der  Umfang  und  der  Inhalt  der  Hausaufgaben  aus  „Sprache^  und  „Rechnen'' 
durch  die  Schulleitungen  mit  Genehmigung  des  zuständigen  Herrn  k.  k.  Be- 
zirksschulinspektors festgestellt  werde. 

Demzufolge  wird  den  Schulleitungen  eröffnet,  dals  den  zweckmäfsig 
gestellten  Hausaufgaben  ein  dreifacher  Wert  zuerkannt  werden  mufs: 

1.  Nach  ihrer  formalen  Seite  wecken  und  fördern  die  Hausaufgaben  den 
Sinn  der  SchtÜer  für  ihre  Selbsttätigkeit,  sie  gewöhnen  die  Kinder  an 
Arbeitsamkeit,  Umsicht  und  Nettigkeit  und  bereiten  somit  die  heran- 
wachsende Jugend  für  die  Anforderungen  des  Lebens  vor. 

2.  Nach  ihrer  materiellen  Seite  vertiefen  nnd  befestigen  die  Hausaufgaben 
das  in  der  Schule  erworbene  Wissen  und  bieten  den  Schülern  eine 
passende  Gelegenheit,  durch  Übung  die  notwendige  Fertigkeit  in  An- 
wendung der  erlangten  Kenntnisse  zu  gewinnen. 

3.  Die  Hausaufgaben  stellen  eine  wertvolle  Verbindung  zwischen  Schule 
und  Haus  her. 

Für  die  richtige  Auffassung  der  Stellung  der  Hausaufgaben  im 
Erziehungs-  und  Unterrichtsplane  der  allgemeinen  Volksschule  gelten 
im  ällgemeiaen  folgende  Gesichtspunkte: 

Die  Schule  als  Erziehungsanstalt  hat  die  Aufgabe,  ihre  Zöglinge 
für  das  praktische  Leben  vorzubereiten;  unter  den  ihr  diesbezüglich  zur 
Verfügung  stehenden  Mitteln  ist  kaum  ein  zweites  so  sehr  geeignet,  die 
Kinder  zum  selbständigen  Arbeiten  anzuleiten,  wie  die  Hausaufgaben,  ja, 
sie  bieten  den  Schülern  fast  die  einzige  Gelegenheit,    den  sie  umgebenden 


590 

wirtschaftlichen  Verhältnissen  Hechnung  za  tragen  and  doch  ihre  pflicht- 
gemäfsen  Arbeiten  zu  yerrichten.  In  dieser  Hinsicht  sind  sie  fOr  das 
praktische  Leben  geradezu  vorbildlich,  und  die  Schale  kann  vom  erzieh- 
liehen  Standpunkte  ans  die  Haasaafgaben  nicht  entbehren. 

In  anterricht lieber  Beziehung  wäre  die  Schule  wohl  im  stände, 
die  Aneignung  der  notwendigen  Kenntnisse  und  Fertigkeiten  ohne  Ein- 
beziehung der  häuslichen  Arbeit  zu  besorgen ;  da  jedoch  auch  in  unterricht- 
licher Hinsicht  die  Hausaufgaben  die  Festigung  des  Wissens  und  die 
Steigerung  des  Könnens  fördern,  so  sind  sie  als  Unterrichtsmittel  nicht 
zu  verwerfen. 

Diese  Erwägungen  sprechen  mit  aller  Entschiedenheit  fttr  die  Bei- 
behaltung der  Hausaufgaben  im  Schulunterrichte.  Mit  Rflcksicht  auf  den 
M.E.  vom  9.  Juni  1873,  Z.  4816,  und  dem  L.-Sch.-R.-E.  vom  31.  August 
1878,  Z.  182,  welche  verlangen,  dal^  die  häuslichen  Verhältnisse  der 
Schüler  bei  Stellung  der  Hausaufgaben  angemessen  beachtet  werden,  und 
im  Hinblicke  auf  die  verschiedenen  lokalen  Lebens-  und  Erwerbsverhält- 
nisse in  dem  umfangreichen  Schulgebiete  Wiens  wird  jedoch  den  einzelnen 
Lokalkonferenzen  der  allgemeinen  Volksschulen  das  Recht  eingeräumt, 
Zahl,  Umfang  und  Inhalt  der  Hausaufgaben  aus  „Sprache*^  und 
„Rechnen^  mit  Genehmigung  des  zuständigen  Herrn  k.  k.  Be- 
zirks sc  hui  Inspektors  festzustellen. 

Vom  Bezirksschulrate  der  Stadt  Wien. 

Der  Vorsitzende-Stellvertreter : 
(gez.:)  GuaLBB. 

(Mitget.  von  Dir.  Emanuel  Bayb- Wien.) 


tiitrainv. 


Besprechungen. 

Alfr^ld  Baüb,  Dr.  med.:  Lehrerkrankheiten.  Sonderabdraek  ans 
A.  Banr,  Das  kranke  Schulkind.  2.  Auflage.  Stuttgart,  Ferd.  Enke 
1903.  8^  47  S. 

Es  ist  gewifs  ebensosehr  eine  Aufgabe  des  Schulhygienikers,  den  Ein- 
flufs  des  Schullebens  auf  den  Gesundheitszustand  der  Lehrer  zum  Gegen- 
stand seiner  Forschung  zu  machen  und  aus  den  Resultaten  derselben 
praktische  Reformen  abzuleiten,  als  es  seine  Pflicht  ist,  sich  mit  der  Hygiene 
des  Schulkindes  zu  befassen.  Es  ist  deshalb  jede  Arbeit  zu  begrQfsen, 
welche  das  Verständnis  für  die  Frage  weckt  und  im  stände  ist,  nfltzliche 
Anleitungen  zur  Vermeidung  von  Schädlichkeiten  aller  Art  zu  erteilen,  somit 
also  die  praktische  Reformarbeit  zu  fördern,  möge  diese  nun  mehr  in 
Selbsthilfe  oder  mehr  in  staatlichen  Eingriffen  bestehen.  Wir  anerkennen, 
dafs  das  vorliegende  Buch  von  dem  guten  WiDen  erfüllt  ist,  diesem  Zwecke 


691 

dienlich  za  sein,  allein  mit  dem  guten  Willen  ist  es  nicht  getan.  Ein 
Buch,  das  aufklärend  wirken  soll,  mnfs  doch  wohl  in  erster  Linie  klar 
geschrieben  sein,  Oberflächlichkeiten  vermeiden,  nicht  Behauptungen  auf- 
stellen, die  einer  wissenschaftlichen  Grundlage  entbehren,  und  sollte  weder 
grammatikalische  und  stilistische  Fehler  noch  unpassende  Vergleiche  ent- 
halten, sonst  wirkt  es  geradezu  schädlich,  indem  es  einerseits  Irrtflmer 
verbreitet,  andererseits  die  Wissenschaft  diskreditiert.  Leider  entspricht  die 
BAUBsche  Arbeit  nicht  den  Anforderungen,  die  wir  an  ein  gut  geschriebenes 
populäres  Buch  stellen  müssen. 

Einige  Beispiele  mögen  dies  allerdings  etwas  harte  Urteil  sttltzen  und 
den  Beweis  für  die  Richtigkeit  unserer  Behauptungen  liefern. 

Im  Abschnitt  „Kreislaufstörungen^  lesen  wir  (S.  7):  „In  schweren 
Fällen  werden  die  Schleimhäute  blau,  die  Leber  schwillt  an,  kurz  der 
ganze  menschliche  Mechanismus,  der  von  dem  mangelhaft  arbeitenden  Pump- 
werke gespeist  war,  arbeitet,  wie  ein  Mühlrad  bei  Hochwasser,  mit  Hinter- 
druck, das  blaue  Blut  sammelt  sich  hinter  dem  Herzen  in  Mengen 
an,  staut  sich  dort  mehr  und  mehr  etc."  —  Seite  8:  „Nicht  immer  ist 
der  Herzmuskel  im  stände  sich  eine  Yolumenvermehrung  zu  verschaffen.^ 
—  Wassersüchtige  Anschwellungen  werden  darauf  zurückgeführt,  dafs  „dort 
wo  ein  Körperteil  am  weitesten  vom  Herzen  entfernt  sei,  der  Blutdruck 
sehr  sinke  und  Blutserum  durch  die  Wandungen  der  Adern  austreten 
lasse*',  während  doch  nach  allen  Regeln  der  Wissenschaft,  neben  Gewebs- 
veränderungen der  Gefälse,  Stauungen  des  Blutes  (also  Erhöhung  des  Blut- 
druckes) zu  derartigen  Flüssigkeitsansammlungen  führen.  —  Die  Definition 
der  „Erkältung"*  (S.  10)  erinnert  an  HEOELsche  Dialektik  im  schlimmen 
Sinne.  „Unter  einer  Erkältung  versteht  man  eine  Störung  der  Wärme- 
regulation, wenn  eine  in  starker  Wärmeentwicklung  befindliche  Körperpartie, 
ein  schroffer  Temperaturwechsel  trifit.^  Besser  sind  Umschreibungen,  als 
zwar  kurzgefafste,  aber  unverständliche  Definitionen.  Interessant  ist  zu 
yernehmen,  dafs  zu  Erkältungen  disponiert  „eine  zu  warme  Kleidung  be- 
sonders an  SteUen,  an  denen  die  Kleidung  mit  der  äufseren  Haut 
abschliefst''.  Wenn  man  den  Lehrer  vor  der  Schädlichkeit  der  Er- 
kältung warnen  will,  darf  man  kaum  den  Satz  wagen:  „alle  diese  Um- 
stände werden  auch  den  Lehrer  der  Erkältung  zugänglicher  machen'', 
und  „da£s  Naturen,  die  einen  offenbar  trägen  Stoffwechsel  haben,  Er- 
kältungen zugetan  seien"  erfahren  wir  durch  den  Verfasser  zum 
ersten  Male. 

Das  Kapitel  „Übermäfsiges  Schwitzen"  (Seite  11)  wird  durch  eine 
ebenso  stilvolle  als  klare  Redewendung  eingeleitet:  „Der  schwitzt  wie  ein 
Magister,  ist  eine  landläufige  Redensart.  Wenn  mit  diesem  auch  die 
Arbeitsleistung  des  Lehrers  beleuchtet  werden  soll,  so  ist  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  auch  die  Neigung  zum  Schweifsausbruch  bei  ihm  überhaupt 
gekennzeichnet."  —  Die  Wichtigkeit  der  Schweifsdrüsen  wird  überzeugend 
nachgewiesen  in  den  folgenden  Sätzen :  „Auch  bei  aufgedunsenen  Menschen, 
bei  denen  der  Blutkreislauf  im  Stocken  ist,  werden  an  den  Schweifsporen 
die  Ventile  geöffnet,  um  dem  Blutkreislauf  einige  Luft  zu  machen" ,  oder : 
„Auch  ist  zweifellos,  dafs  für  gewisse  Krankheitsgifte  durch  die  Schweiis- 
poren  die  Schleusen  geöffnet  werden ''. 


592 

Von  „penetrant  schmeckenden  Gerüchen"  spricht  man  doch  kaum, 
und  die  gewifs  irrige  Ansicht,  als  ob  die  Beseitigung  des  Fn&schweiläes 
dnrch  ärztliche  Behandlung  zu  Erkrankungen  führen  könne,  sollte  von  einem 
Arzte  nicht  verbreitet  und  durch  ein  Beispiel  gestützt  werden,  das  in  seiner 
Schilderung  genau  an  die  oberflächliche  Phraseologie  der  Kurpfuscher 
erinnert". 

Eigentümlich  berührt  der  Satz  (S.  18):  „da(!s  eine  einmal  kranke  Lunge 
und  mag  es  der  leichteste  Katarrh  sein,  nicht  heilt,  Fortschritte  macht 
und  den  Tuberkelbazillen  das  Bett  wärmt,  in  denen  sie  prächtig  ge- 
deihen können. 

Über  Alkoholika  und  andere  gleichartige  Mittel  erhalten  wir  folgende 
Belehrung  (S.  31):  „Diesen  Mitteln  aber  haftet  all  das  Verderbenbringende 
an,  dais  ihre  Dose,  mit  der  sie  erregen,  bei  Nervösen  beruhigen  sollten, 
stets  gesteigert  werden  mu&,  und  so  kommen  die  Nervösen  nicht  selten 
von  der  Skylla  in  die  Charybdis,  die  letzten  Dinge  werden  schlimmer  als 
die  ersten. '^ 

Neu  iät  die  Lehre  von  der  Todesangst  des  Pulses  (S.  33):  „Fühlt 
er  den  Puls  nicht,  so  befällt  denselben  eine  Todesangst". 

Das  Kapitel  über  Gicht  und  Rheumatismus  (S.  41)  leitet  der  Satz  ein: 
„Sehr  viele  Lehrer  sind  Mitglieder  der  Gichtbruderschaft,  sehr  viele 
sogar  Vorstände  derselben,  so  dafe  einige  Worte  über  das  Wesen  der 
Krankheit  (!)  wohl  angezeigt  sind". 

Die  angeftihrten  Beispiele  dürften  genügen.  Anspruch  auf  einen  wissen- 
schaftlichen Wert  kann  die  Schrift  nicht  erheben  und  selbst  als  populäres 
Werk  entbehrt  sie  sehr  der  gründlichen  Vertiefung  in  den  Stoff  und  der 
ernsthaften  Ausarbeitung. 

Wir  möchten  den  Verfasser,  dessen  Publikationen  in  der  letzten  Zeit 
sich  rasch  aufeinander  gefolgt  sind,  in  seinem  eigenen  Interesse  daran 
erinnern,  dals  in  der  Regel  unter  der  Quantität  der  Produktion  die  Qualität 
leidet.     Weise  Beschränkung  zeigt  auch  hier  den  Meister. 

Dr.  BLeapt- Zürich. 

Baub,  A.,  Dr.  med.    Die  Ermfidnng  der  Sehfller  in  neuem  Liebte. 

Mit  zahlreichen  Figuren.     Berlin,    Gerdes  &  Hödel,    Pädagog.  Verlags- 
buchhandlung.    1902.     gr.  8^  Mk.  0,60. 

Zu  den  vielen  schon  vorhandenen  Versuchen,  Beziehungen  zwischen 
der  geistigen  Tätigkeit  und  anderen  Funktionen  des  menschlichen  Organismus 
zu  finden,  die  uns  ermöglichen  würden,  auf  exaktem  Wege  der  Über- 
bürdungsfrage  näher  zu  treten,  hat  der  Verfasser  einen  neuen  hinzugefügt. 
Den  bisherigen  Untersuchungen  steht  Dr.  Baüb  nicht  sehr  kritisch 
gegenüber;  es  ist  deshalb  verständlich,  dafs  die  ästhesiometrische  Methode 
GaiESBACHs  für  ihn  zum  Ausgangspunkt  der  eigenen  Versuche  wurde. 
Er  sagte  sich,  wenn  der  ermüdende  Einfluls  geistiger  Tätigkeit  in  einer 
Abnahme  der  Hautempfindlichkeit  sich  geltend  macht,  dann  mufs  für  jedes 
andere  Empfindungsorgan,  qualitativ  anderer  Art  ebenfalls  eine  Abnahme 
der  Empfindlichkeit  zu  konstatieren  sein,  da  auch  diese  Organe  mit  dem 
Gehirne  in  nahen  Beziehungen  stehen.  Was  für  die  Haut  gilt,  muls  also 
auch  für  Auge,  Ohr,    Geruchs-  und  Geschmackssinn  gelten.     Die    geistige 


593 

Ermttdang  mafs  sich  in  einer  Abnahme  der  Fonktionsfähigkeit  dieser  Or- 
gane zeigen  oder  aber,  wie  der  Verfasser  denkt,  die  Ennttdnngsstoffe 
mflssen  schädigend  anf  die  Zellen  der  betreffenden  Organe  einwirken.  Ge- 
eignete Prüfongsobjekte  scheinen  ihm  der  Gresichts-  nnd  Gehörsinn  zn  sein, 
ja  geeignetere  als  das  Tastorgan  (die  Hant),  da  die  Empfindlichkeit  eine  feinere 
sei.  Die  Richtigkeit  dieser  Anffassong  ist  nicht  tlber  allen  Zweifel  erhaben, 
denn  mit  der  Empfindlichkeit  steigert  sich  selbstyerst&ndlich  anch  die 
ReaktionsMigkeit  anf  alle  möglichen  Einflüsse,  die  wir  berücksichtigen 
mflssen,  wenn  das  Resultat  nnserer  Untersuchungen  wirklich  ein  positives 
sein  soll.  Damit  ist  aber  schon  gesagt,  dab  wir  bei  Versuchen  mit  dem 
Gesichts-  oder  Gehörsinn  noch  viel  grölseren  subjektiven  und  objektiven 
Täuschungen  unterworfen  sind,  als  bei  allen  anderen  Versuchen. 

Zum  Zwecke  seiner  Prüfungen  wählte  der  Verfasser  eine  I.  Gruppe 
von  sechs  Schülern  als  Untersuchungsobjekte  ans,  die  vor  einem  schweren 
Examen  standen,  dann  eine  n.  Gruppe  von  Schülern,  die  ein  leichteres 
Examen  zu  bestehen  hatten,  und  eine  m.  Gruppe,  die  kein  Examen  zu 
bestehen  hatte.  Es  handelte  sich  um  Zöglinge  des  Lehrerseminars  und 
der  Präparandenanstalt  Schwäbisch-Gmünd.  Geprüft  wurden  bei  Gruppe  I 
und  II  Gefühl  (Hautsinn)  und  Gehör  morgens  zuerst  vor  dem  Examen, 
sodann  nach  dem  ersten  schwierigen  Fach  und  endlich  am  Schlüsse  des 
schriftlichen  Hauptexamens.  Das  HautgefOhl  wurde  nach  Gbiesbagh  ge- 
prüft, die  Hörschärfe  jedes  Ohrs  durch  das  Nähern  und  Entfernen  einer 
tickenden  Uhr,  nachdem  zuvor  die  intakte  Funktion  des  Gehörorgans  fest- 
gestellt worden  war.  Bei  der  I.  Gruppe  fand  nun  Baub:  Abnahme  des 
Hautgefühls  nach  dem  ersten  schweren  Fach,  mit  Besserung  am  zweiten 
Tage.  Es  scheint  eine  Anpassung  an  die  Verhältnisse  vorzukommen.  Am 
meisten  Einbufse  zeigten  fleiDsige  und  talentierte  Schüler.  Tatsächlich 
findet  man  bei  fast  sämtlichen  Schülern,  wenn  man  die  Tafel  I  betrachtet, 
nach  dem  Examen  bessere  Resultate  als  vor  dem  Examen.  Daraus  könnte 
man  schlie£sen,  dals  eine  Ermüdung  während  des  Examens  gar  nicht  statt- 
gefunden habe,  sondern  eher  eine  Erholung,  wird  doch  der  Spitzenabstand 
des  Tasterzirkels  ein  geringerer,  das  Hautorgan  also  für  differenzierte 
Eindrücke  empfindlicher.  Allerdings  liegen  die  Verhältnisse,  die  Richtig- 
keit der  BATTBschen  Angaben  und  Untersuchungen  vorausgesetzt,  für  das 
Gehörorgan  anders.  Hier  findet  eine  dauernde  Abnahme  der  Hörweite, 
also  der  Empfindlichkeit  vom  Anfange  bis  zum  Schlüsse  des  Examens,  statt. 
Bei  fleißigen  Schülern  soll  diese  Abuahme  am  gröDsten  sein.  —  In  der 
IL  Serie  nimmt  das  Hautgefühl  vom^  Anfang  bis  zu  Ende  des  Examens 
dauernd  ab,  ebenso  die  Gehörschärfe.  Das  Examen  soll  durchwegs  streng 
gewesen  sein. 

Die  in.  Gruppe  wurde  geprüft  nach  den  Weihnachtsferien  (14  Tage) 
und  nach  dem  darauf  folgenden  Semester.  Die  Schlufsfolgemngen  des 
Verfassers  wollen  wir  hier  wörtlich  wiedergeben.  Die  Anfangswerte  sowohl 
im  GefOhl  wie  im  Gehör  sind  ziemlich  gleichmäßig,  so  dals  ganz  allgemein 
gesprochen,  gesagt  werden  kann :  „Die  Ferien  von  14  Tagen  haben  keine 
wesentliche  Erholung  zu  stände  gebracht  oder  zu  stände  zu  bringen 
nötig  gehabt.  Das  Semester  schafft  wohl  Wertverminderungen,  jedoch 
nicht  wesentlicher  Art,  so  dals  die  Ferien  wenig  an  ihnen  zu  erholen  haben.  ^ 


594 

Wir  vermissen  nnn  nur  noch  den  logischen  Schlafs  des  Verfassers, 
dafs  Ferien  überhaupt  überflüssig  seien.  Sollen  nämlich  diese  Unter- 
suchnngen  den  Beweis  erbringen,  dafs  die  geistigen  Anstrengungen  der 
Schule  zu  dauernden  Ermttdungszuständen  führen,  dann  müssen  Wert- 
yerminderungen,  also  tatsächliche  Erscheinungen  der  Ermüdung  uns  mit 
logischer  Konsequenz  dazu  führen,  daTs  Erholungspausen  oder  Ferien  nötig 
seien,  denn  diese  einzelnen  Erscheinungen  sind  immer  aufzufassen  als  der 
Ausdruck  einer  allgemeinen  Überlastung  des  Organismus,  die  sich  ganz 
selbstverständlich  auch  in  anderer  Weise  äufsem  kann.  Darin  allein  liegt 
d6r  Wert  solcher  Untersuchungen,  andernfalls  sage  man  einfach,  wir  haben 
nichts  von  Belang  gefunden. 

Der  Verfasser  prüfte  bei  seinen  eigenen  Kindern,  Mädchen  von  9 
bis  13  Jahren,  das  Seh-  und  Hörvermögen  vor  und  nach  einer  Schul- 
prüfung. Er  fand  Abnahme  des  Hautgefühls,  der  Hörschärfe  und  Ein- 
engung des  Gesichtsfeldes. 

Das  Bestreben  des  Verfassers,  der  Frage  der  Überbürdung  auf 
exaktem  Wege  näherzutreten,  ist  anerkennenswert,  doch  können  seine 
Untersuchungsergebnisse  nicht  mehr  Wertschätzung  beanspruchen  als  alle 
anderen  derartigen  Versuche.  Es  kommen  soviel  individuelle  Verschieden- 
heiten in  Betracht,  man  hat  mit  soviel  Imponderabilien  zu  rechnen,  die 
das  Resultat  störend  beeinflussen,  daiä  leider  mehr  als  akademischer  Wert 
allen  diesen  Untersuchungen  vorläufig  nicht  beizumessen  ist.  Die  BaüR- 
schen  Prüfungsmethoden  sind  überdies  zu  wenig  zuverlässig. 

Schlielslich  können  wir  uns  nicht  enthalten,  den  Stil  der  Schrift  zn 
bemängeln;  es  wäre  für  den  materiellen  Inhalt  zu  wünschen,  dafis  die 
Schreibweise  weniger  schwülstig,  dafür  klarer  sein  möchte.  Sätze  wie 
folgender:  „Wenn  wohl  ihre  Tätigkeit  auch  im  Ruhezustand 
eine  fortwährende  ist*'  (S.  14),  also  ein  logischer  Widerspruch,  sollten 
doch  nachgerade  aus.  einer  wissenschaftlichen  Arbeit  verschwinden.  Deshalb 
möchten  wir  dem  Verfasser  auch  bei  diesem  Anlafs  wieder  den  guten  Rat 
erteilen,  im  Interesse  der  Sache,  der  Form  regeres  Augenmerk  zu  schenken. 

Dr.  KRAFT-Zürich. 


.  I 


§tv  ^Afulavit 


I  Jahrgang.  1903.  No.  8. 


(ftrigittaU^anblititgeit. 


Das  Schnlarstwesen  in  Deutschland. 

Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Umfrage  bei  den 
gröfseren  Städten  des  deutschen  Reiches. 

Von 
Dr.  Paul  ScHUBBET-Nürnberg. 

(Fortsetzung.) 

n.  Allgemeines. 

Die  yon  den  deutschen  Städten  mit  dankenswerter  Bereitwillig- 
keit gewährten  Aufschlüsse  bieten  recht  mannigfach  gestaltete  Bilder 
und  zeigen  alle  Übergänge  von  einzelnen  versuchsweisen  und  gleich- 
sam nur  tastenden  Anordnungen  schulhygienischer  Aufsicht  bis  zu 
jenen  sorgsam  ausgearbeiteten  schulärztlichen  Dienstordnungen,  deren 
Abdruck  in  den  verschiedenen  Jahrgängen  der  Zeitschrift  für  Schtd- 
gesundheäspflege  nachgelesen  werden  kann.  Man  würde  den  Tatsachen 
Gewalt  antun,  wollte  man  die  minder  vollkommenen  Einrichtungen 
dieser  Art  ganz  aufser  acht  lassen  und  nur  jene  Organisationen  in 
Betracht  ziehen,  welche  unserer  heutigen  Auffassung  von  den  Auf- 
gaben des  Schularztes  Rechnung  tragen.  Es  erscheint  vielmehr 
zweckdienlich,  die  Definition  des  Begriffes  „Schularzt^  recht  weit 
zu  fassen  and  jede  schulhygienische  Aufsicht  gelten  zu  lassen,  die 
über  das  von  Staats  wegen  den  Amtsärzten  übertragene  Mals  hinaus- 
geht, gleichviel,  ob  dieses  Mehr  yon  Leistung  den  Amtsärzten  selbst, 
den  Stadt-  oder  Polizeiärzten,  den  Armenärzten  oder  eigens  ange- 
stellten Schulärzten  übertragen  ist,  ob  dafür  ein  gesondertes  Gehalt 
bezahlt  wird,  oder  ob  die  Vergütung  unausgeschieden  in  dem  Gesamt- 

Der  Schularzt.  L  17 


138  596 

honorar  einer  umfassenderen  ärztlichen,  im  öfiPentlichen  Dienst  stehenden 
Tätigkeit  enthalten  ist  oder  anch  unentgeltlich  geleistet  wird.  In 
letzterer  Hinsicht  empfiehlt  sich  indessen  die  Einschränkung,  dals 
nur  ständige  Einrichtungen  in  Betracht  kommen,  dals  hingegen 
versuchsweise  für  ein  oder  mehrere  Jahre  freiwillig  übernommene 
Arbeiten  einzelner  Ärzte,  wie  verdienstvoll  sie  sein  mögen,  vorerst 
als  Privatangelegenheit  anzusehen  sind. 

In  Preufsen  ist  bekanntlich  durch  das  Gesetz  vom  16.  September 
1899  dem  Kreisarzt  eine  erhöhte  Tätigkeit  im  Sinne  gesundheitlicher 
Überwachung  der  Schulen  seines  Bezirkes  zur  Pflicht  gemacht,  und 
eine  mindestens  alle  fünf  Jahre  zu  wiederholende  Revision  jeder 
Schule  auferlegt  worden.  Wenn  nun  einzelne  Städte  darüber  hinaus- 
gehend vom  Kreisarzt  zweimal  im  Jahre  die  Schulen  und  die  Schul- 
kinder sanitätspolizeilich  besichtigen  lassen,  so  ist  diese  von  der  Ge- 
meinde eingeführte  schulhygienische  Mehrleistung,  zumal  wenn  für  sie 
noch  eine  Vergütung  gezahlt  wird,  als  schulärztliche  Einrichtang 
anzusehen  und  neben  der  Institution  von  Voll -Schulärzten  als 
gleichartig,  wenn  auch  nicht  als  gleichwertig,  an  dieser  Stelle 
mit  zu  berücksichtigen. 

Fafst  man  den  Begrifl^  „Schularzt"  in  diesem  weiten  Sinne,  so 
zeigt  es  sich,  dafs  gleichwohl  noch  viele  gröfsere  Städte  schulärzt- 
licher Einrichtungen,  selbst  in  so  bescheidenen  Grenzen,  gänzlich 
ermangeln,  und  dafs  andererseits  kleinere  Orte  schon  seit  Jahren, 
zum  Teil  recht  ausgiebig,  vorgesorgt  haben.  Unter  den  Grofsstädten 
Deutschlands  (von  mehr  als  100000  Einwohnern)  haben  folgende  18 
eigene  Schulärzte  für  alle  Volksschulen  angestellt:  Aachen,  Berlin, 
Breslau,  Charlottenburg,  Chemnitz,  Cöln,  Crefeld, 
Danzig,  Dresden,  Essen,  Frankfurt  a.  M.,  Kassel,  Königs- 
berg, Leipzig,  Magdeburg,  Nürnberg,  Posen  und  Strafsburg. 
Schulärztliche  Einrichtungen  haben  ferner  getroffen:  Dortmund 
(Schulrevisionen  durch  die  zwei  Polizeiärzte),  Düsseldorf  (Schul- 
revisionen durch  den  Polizeiarzt  oder  dessen  Assistenzarzt),  Elberfeld 
(Schulrevisionen  und  Untersuchung  aller  Kinder  hinsichtlich  Augen- 
und  Hautkrankheiten  durch  die  acht  Armenärzte).  Einen  Teil  ihrer 
Schulen  lassen  überwachen:  Halle  (nur  die  Hilfsscbule  für  Schwach- 
sinnige), Hannover  (nur  die  Hilfsschule)  und  Kiel  (die  Hilfsschule 
und  alle  Schulen  eines  eingemeindeten  Vorortes,  welcher  die  Schularzt- 
einrichtung aus  der  Zeit  seiner  Selbständigkeit  herübergebracht  hat). 
Die  Einführung  von  Schulärzten  ist  beschlossen  und  steht  unmittelbar 
bevor:  in  Stettin  (wo  nur  noch  die  Genehmigung  der  Dienstordnung 


597  139 

dnroh  die  Regierung  fehlt^),  in  Braunschweig  und  Mannheim. 
In  München  ist  die  Anstellung  vom  Gemeindekollegium  beantragt, 
aber  vom  Magistrat  noch  nicht  genehmigt.  Völlig  ohne  schulärztliche 
Einrichtungen  im  definierten  Sinne  und  zurzeit  ohne  Aussicht  auf 
solche  sind:  Altena,  Barmen,  Bremen,  Hamburg  und 
Stuttgart. 

Eine  Zusammenstellung  der  mittleren  und  grofsen  Städte  Deutsch- 
lands von  mehr  als  20000  Einwohnern  ergibt,  dafs  in  106  Orten 
schulärztliche  Einrichtungen,  wenn  auch  zum  Teil  nur  rudimentärer 
Art,  bestehen,  während  sie  in  123  Orten  fehlen. 

Dabei  sind  die  Städte,  in  welchen  die  Anstellung  von  Schul- 
ärzten beschlossen  wurde  und  im  nächsten  Schuljahr  durchgeführt 
werden  soll,  zur  positiven  Gruppe  gezählt,  dagegen  die  Orte,  welche 
noch  im  Stadium  der  Vorberatung  stehen,  zur  negativen. 

Unter  den  Städten  mit  weniger  als  20000  Einwohnern  befindet 
sich  eine  erhebliche  Anzahl  mit  schulärztlichem  Dienst.  Es  zählen 
dazu  auch  einige  ganz  kleine  Gemeinden,  wie  z.  B.  Bennecken- 
stein,  Keg.-Bez.  Erfurt,  mit  2813  Einwohnern,  und  Augustus- 
bürg,  Kreishauptmannschaft  Chemnitz,  mit  2503  Einwohnern,  so 
dafs  alle  Übergänge  bis  zu  den  Dorfgemeinden  vorhanden  sind,  für 
die  in  einigen  wenigen  Bezirken  landschulärztliche  Distrikte  geschafiPen 
worden  sind.  Es  besteht  somit  gegen  die  Landgemeinden  hin  eine 
labile  Grenze,  die  es  erschwert,  über  diese  kleinen  und  kleinsten 
schulärztlichen  Gemeinden  zifiPemmäCjige  Angaben  zu  machen.  In 
der  am  Schlufs  dieser  Arbeit  gegebenen  tabellarischen 
Übersicht  sind  nur  jene  kleineren  Städte  gesondert  auf- 
geführt, welche  vereinzelt  und  aufserhalb  gröfserer  schul- 
ärztlicher Verbände  dastehen,  während  in  Bezirken  mit 
reicherer  schulärztlicher  Entwicklung  die  kleinen  Städte 
und  gegebenenfalls  die  zugehörigen  Landgemeinden  im 
Kreisverband  zusammen gefafst  sind. 

Der  einzige  Staat,  welcher  bisher  für  alle  seine  Gemeinden 
schulärztliche  Überwachung  durch  staatliche  Schulärzte  angeordnet 
hat,  ist,  wie  die  Leser  dieser  Zeitschrift  aus  wiederholten  Mitteilungen 
wissen,  das  Herzogtum  Meiningen.'  Es  sind  im  ganzen 
36  Schulärzte  angestellt,  die  ihren  Wohnsitz  in  29  Orten  haben, 
und    deren    Tätigkeit    alle    Volks-,    Mittel-    und    Privatschulen    des 


»  Siehe  Schularzt,  Heft  7,  S.  128. 

'  Vergl.  Amtliche  Verfügungen,  Schularzt,  Heft  4  and  5. 

17' 


140  Ö98 

Herzogtums  umfaifit.  —  In  grofsem  umfange,  wenn  auch  noch  nicht 
ganz  allgemein,  ist  die  gleiche  Einrichtung  im  Groisherzogtum 
Hessen^  durchgeführt,  und  zwar  in  den  Kreisen  Offenbach,  Worms 
und  Mainz  mit  zusammen  167 147  ländlichen  Bewohnern  für  alle 
Gemeinden ;  im  Kreise  Darmstadt  ist  sie  vorgesehen  für  sieben  Land- 
gemeinden (Arheilgen,  Eberstadt,  Griesheim,  Ober-Bamstadt,  Rols- 
dorf  und  Pfungstadt  mit  zusammen  27645  Einwohnern),  in  anderen 
Kreisen  für  eine  Anzahl  grölserer  Gemeinden.  Es  funktionieren  für 
Alzey,  Oppenheim,  Nierstein  un4  Bodenheim  die  Kreisärzte,  welche 
dafür  aus  der  Kreiskasse  ein  gesondertes  Honorar  beziehen,  für  die 
Kreise  Offenbach,  Worms  und  Mainz  die  ebenso  besoldeten  Kreis- 
assistenzärzte, für  einige  kleinere  Gemeinden  die  ortsansässigen  Ärzte. 
Die  hessische  Dienstordnung  lehnt  sich  an  die  von  Meiningen  an, 
lälst  aber  den  einzelnen  Gemeinden  und  G^meindeverbänden  eine 
gewisse  Bewegungsfreiheit.  Ein  Bundschreiben  des  Grofsherzogl.  Mi- 
nisteriums yom  13.  Januar  d.  J.'  empfiehlt  den  Kieisämtern,  ohne 
zunächst  einen  Zwang  ausüben  zu  wollen,  die  Schularztfrage  zur 
ferneren  Beachtung  und  gibt  zugleich  den  Entwurf  einer  Dienst- 
ordnung ^  bekannt,  deren  gleichmäfsige  Einführung  als  wünschenswert 
bezeichnet  wird,  mit  dem  ausdrücklichen  Hinweis,  dais  die  darin 
aufgestellten  Obliegenheiten  des  Schularztes  als  Mindestforde- 
rungen zu  erachten  sind,  wenn  die  Bestellung  von  Schulärzten 
einen  bemerkenswerten  Erfolg  haben  soll. 

Auch  in  einigen  anderen  Staaten  und  Provinzen  steigen  schul- 
ärztliche Einrichtungen  in  das  Gebiet  der  kleineren  Städte  herab; 
es  geschieht  dies  jedoch  nicht  immer  einheitlich  und  auf  Anordnung 
der  Behörde,  wie  in  Meiningen  und  Hessen,  sondern  nur  sporadisch 
und  anscheinend  aus  eigenster  Initiative  der  Gemeinden,  wie  dies 
auch  in  der  verschiedenartigen  Durchführung  zu  Tage  tritt.  Obenan 
ist  hier  das  Königreich  Sachsen  zu  nennen,  das  ja  auch  die  ersten 
Schulärzte  Deutschlands,  in  Dresden  und  Leipzig,  aufzuweisen  hat, 
mit  hygienischer  Schulaufsicht  in  den  kleineren  Städten  Auerbach, 
Augustusburg,  Falkenstein  und  Riesa.  Dann  dieBheinprovinz,  wo 
sich  die  kleinstädtischen  Schulärzte  in  einzelnen  Kreisen  zu  kleinen 
Gruppen  vereint  finden,  so  in  den  Kreisen  Saarbrücken,  Düsseldorf, 


*  Nach   gütigst  erteilter  Aaskanft  des  Grofsherzoglichen  Ministeriums  des 
Innern. 

'  Vergl.  Amtliche  Verfügungen  am  8chlu£B  dieses  Heftes. 
'  Vergl.  ebendaselbst. 


599  141 

Aachen  nnd  Kempen.  Eine  ähnliche  Erscheinung  bietet  sich  in 
Westfalen,  nnd  zwar  besonders  im  Regierungsbezirk  Arnsberg, 
nur  dals  hier  die  Städte,  entsprechend  der  grofsen  Beyölkerongs- 
dichtigkeit,  die  im  Kreise  Gelsenkirchen  den  Gipfelpunkt  yon  ganz 
Deutschland  erreicht,^  gröfstenteils  über  die  hier  angenommene 
Grenze  von  20000  Einwohnern  hinausgewachsen  sind.  Im  ganzen 
Kegierungsbezirk  Arnsberg  ist  die  ärztliche  Schulaufsicht  von  alters 
her  und  generell  geregelt,  derart,  dais  auf  die  laufende  Untersuchung 
aller  Schulkinder  verzichtet  wurde  und  nur  die  augenscheinlich 
Kranken  ermittelt  werden.  Neben  der  schulärztlichen  Untersuchung 
findet  auch  die  kreisärztliche  statt.  Die  schulärztlichen  Protokolle 
laufen  vom  Schularzt  durch  die  Hände  des  Schulvorstandes,  des 
Kreisarztes  und  Landrats  zur  Schulabteilung  der  Regierung,  wohin 
auf  kürzerem  Wege  durch  den  Landrat  auch  die  Protokolle  der 
Kreisärzte  gelangen.* 

Sporadisch  kommen  Kleinstädte  mit  schulhygienischer  Über- 
wachung noch  vor  in  den  Provinzen  Schleswig-Holstein  (Schles- 
wig und  Elmshorn),  Sachsen  (Benneckenstein),  Hannover  (Hameln 
und  Nienburg),  Brandenburg  (Britz,  Priedenau,  Gransee,  Grune- 
wald, Friedrichshagen,  Königsberg  i.  Nrn.,  OberschOnweide,  Rei- 
nickendorf und  Senftenberg)  und  Hessen- Nassau  (Rinteln).  Ferner 
in  Sachsen- Weimar  (Ilmenau). 

Es  mufs  jedoch  die  Möglichkeit,  vielleicht  sogar  die  Wahr- 
scheinlichkeit zugegeben  werden,  dafs  noch  eine  Anzahl  kleinerer 
Städte  Schulärzte  besitzt,  ohne  dafs  dies  bekannt  geworden  ist.  Die 
Fragebogen  wurden  an  Städte  von  weniger  als  200(X)  Einwohner 
nur  dann  geschickt,  wenn  durch  Mitteilung  des  Kreisarztes  in  Er- 
fahrung gebracht  war,  dafs  daselbst  Schulärzte  bestehen.  Die  an  alle 
Kreis-  und  Bezirksärzte  gesandte  Meldekarte  bot  die  Möglichkeit, 
über  jeden  Amtsbezirk  Auskunft  hinsichtlich  der  schulärztlichen  Ver- 
hältnisse zu  erhalten.  Nichtbeantwortung  sollte  als  Fehlanzeige  gelten. 
Es  mulB  dahingestellt  bleiben,  ob  nicht  vielleicht  einzelne  Meldungen 
unterblieben  sind. 

Die  Auskunft  über  die  kleineren  Städte  ist  auch  in  Bezug  auf 
die   Art    der    schulärztlichen   Einrichtungen    nicht  überall    von    der 


*  1639  £in wohner  auf  den  Quadratkilometer  gegenüber  104  Einwohnern 
im  Durchschnitt  von  ganz  Deutschland. 

'  Gütige  briefliche  Mitteilung  des  Herrn  Reg>-  und  Med.-Rat  Dr.  Spbiko- 
FELD,  Arnsberg. 


142  600 

wünschenswerten  Bestimmtheit.  Einige  Fragebogen  blieben  unbeant- 
wortet, andere  enthielten  Lücken  oder  sogar  Widersprüche,  die  um 
so  schwerer  zu  lösen  waren,  als  die  kleineren  G-emeinden  meist  keine 
gedruckten  schulärztlichen  Dienstanweisungen  einzusenden  yennochten, 
in  einzelnen  Fällen  sogar  ausdrücklich  bemerkten,  dais  eine  solche 
Dienstordnung  überhaupt  nicht  besteht,  sondern  dals  die  ärztliche 
Schulaufsicht  nach  Vereinbarung  oder  auch  nur  „nach  Ermessen" 
ausgeübt  wird. 

In  gewissem  Sinne  dürfen  aber  gerade  die  Einrichtungen  klei- 
nerer und  kleinster  Städte  ein  besonderes  Interesse  beanspruchen, 
weil  sie  den  Übergang  zu  den  Landgemeinden  bilden,  deren  schul- 
ärztliche Versorgung  eben  erst  begonnen  hat  und  nach  mancher  Hin- 
sicht andere  Aufgaben  stellt  und  andere  Mittel  zur  Durchführung 
fordert,  ah»  dies  bei  den  gröfseren  Städten  der  Fall  ist,  für  die  im 
grofsen  und  ganzen  die  Frage  als  gelöst  betrachtet  werden  darf.  Die 
Erfahrungen,  welche  die  kleineren  Städte  mit  ihren  mannigfach  ge- 
stalteten, meist  aus  dem  örtlichen  Bedürfnis  herausgewachsenen  und 
diesem  angepafsten  schulärztlichen  Einrichtungen  gemacht  haben, 
versprechen  manche  Belehrung  für  den  Ausbau  der  Institution  der 
Landschulärzte,  und  es  würden  die  Schulbehörden  und  Ärzte 
dieser  Orte   durch  entsprechende  Mitteilungen  nutzbringend  wirken. 


Das  Schularztwesen  hat  sich  in  Deutschland  viele  Jahre  hindurch 
ohne  staatliche  Anordnung,  fast  ohne  staatliche  Beeinflussung  ent- 
wickelt, es  ist  eine  Schöpfang  der  Kommunalbehörden,  welche 
die  in  theoretischen  Arbeiten  dargelegten  Wünsche  und  Forderungen 
je  nach  ihrer  Auffassung  von  den  örtlich  vorhandenen  Bedürfnissen 
in  die  Praxis  übertragen  haben. 

Daraus  erklärt  es  sich,  dals  eine  grofse  Mannigfaltigkeit  auf 
diesem  Gebiete  herrscht,  dals  die  schulärztlichen  Einrichtungen  sowohl 
hinsichtlich  des  Umfanges  der  Obliegenheiten,  als  auch  hinsichtlich 
der  Art  der  Durchführung  sehr  verschieden  ausgefallen  sind. 

Zum  Zweck  eines  allgemeinen  Überblicks  über  das  Quantum 
und  Quäle  der  hygienischen  Schulaufsicht  in  den  einzelnen  Gemeinden 
empfiehlt  es  sich,  die  Beihenfolge  vom  gänzlichen  Fehlen  zum  Minder- 
wertigen und  dann  zum  Vollkommenen  innezuhalten. 

Das  äufserste  Glied  dieser  Stufenfolge  nehmen  wohl  jene  Städte 
ein,    welche  Schulärzte   besafsen   und    dieselben   später    wieder   ab- 


601  143 

geschafft  haben.     Als  solche  sind  zu  nennen:  Greifs wald,  Stralsund 
und  Paderborn. 

In  Greifswald^  ist  durch  übereinkommende  Beschlüsse  des 
Magistrats  und  des  bürgersohaftlichen  Kollegiums  am  1.  April  y.  J. 
die  zwei  Jahre  lang  bestehende  Institution  der  Schulärzte  beseitigt 
worden.  Die  Begründung,  welche  diesem  BeschluTs  beigegeben  wurde, 
zeigt  eine  durchaus  irrige  Auffassung  vom  Zweck  und  von  den  Ob- 
liegenheiten der  Schulärzte.  Man  sagte,  daCs  in  einer  Stadt  wie 
Greifs wald,  wo  ärztliche  Hilfe  jedem  Kranken  ohne  Entgelt  zugängig 
ist,  für  Schulärzte  kein  Bedür&is  vorliegt.  Der  Schularzt  hat  aber 
keineswegs  die  Aufgabe,  die  kranken  Kinder  zu  behandeln,  es  wird 
im  Gegenteil  in  den  meisten  Dienstordnungen  nachdrücklich  aus- 
gesprochen, dafs  das  nicht  seine  Sache  ist;  er  soll  nur  untersuchen, 
ob  bei  den  Schülern  Gesundheitsstörungen  bestehen,  welche  besondere 
Kücksichten  beim  Unterricht  erheischen  oder  nachteiligen  Einflulüs 
auf  das  Befinden  der  Mitschüler  auszuüben  geeignet  sind.  Diese 
wichtige  Aufgabe  wird  durch  die  poliklinischen  Institute  nicht  gelöst; 
nur  wenige  Kinder  werden  dort  untersucht,  und  yon  dem  Ergebnis  einer 
solchen  Untersuchung  erhält  der  Lehrer  keine  Kenntnis.  Der  Wert 
des  schulärztlichen  Wirkens  beruht  ja  eben  darin,  dafs  alle  Kinder, 
auch  die  anscheinend  gesunden,  untersucht  werden,  weil  viele  Krank- 
heiten und  Gebrechen  der  Schüler  diesen  selbst  und  den  Eltern  lange 
Zeit  unbekannt  bleiben,  und  weil  aus  dieser  Unkenntnis  Nachteile 
für  die  Erreichung  des  Unterrichtszieles,  für  die  Kinder  selbst  und 
für  die  Schulgenossen  entstehen  können. 

Stralsund  teilt  ohne  Motivierung  mit,  dafs  Schulärzte  daselbst 
vom  1.  April  1899  bis  dahin  1900  bestanden  haben,  und  dafs  sie 
jetzt  nicht  mehr  bestehen  und  auch  nicht  geplant  werden. 

Paderborn  berichtet:  Die  Funktionen  der  Schulärzte  sind  von 
den  Armenärzten  ein  Jahr  lang  versuchsweise  unentgeltlich  über- 
nommen worden.  Nachdem  das  Jahr  abgelaufen  war,  weigerten  sich 
die  Armenärzte,  diese  Funktionen  weiter  unentgeltlich  zu  versehen, 
und  so  verzichtete  man  darauf. 

Von  Interesse  sind  die  Gründe,  welche  einzelne  Magistrate  für 
den  Verzicht  auf  Schulärzte  angegeben  haben.  Coblenz  leugnet  das 
Bedürfnis  unter  Hinweis  auf  eine  im  Bürgerhospital  täglich  abge- 
haltene unentgeltliche  Sprechstunde.  Hier  liegt  also  derselbe  Irrtum 
wie  in  Greifs wald  vor.     In  einigen  anderen  Städten   wird    dem  Be- 


^  Vergl.  SchukiTst,  Heft  1,  S.  11. 


144  602 

dauern  Ansdmck  gegeben,  dafe  die  Stadtverordneten  sich  ablehnend  ver- 
halten, und  ein  Magistrat  schreibt,  dafs  man  seitens  der  höheren  Schal- 
behörde einer  Förderung  der  Sache  sich  nicht  versichert  halten  kann. 

In  gröfseren  Städten  ist  der  Stadt-  oder  Polizeiarzt  gewöhnlich 
auch  zugleich  staatlich  angestellter  Amtsarzt  und  hat  als  solcher  ge- 
wisse Befugnisse  und  Pflichten  hinsichtlich  der  sanitären  Überwachung 
des  Schulwesens.  Da  die  gesetzlichen  Bestimmungen  hierüber  in  den 
einzelnen  Staaten  verschieden  sind,  so  kann  nicht  in  jedem  Falle 
festgestellt  werden,  ob  die  Funktionen  des  Polizeiarztes  einer  Stadt 
das  gesetzliche  Pflichtmais  tiberschreiten  und  als  eine  von  der  Stadt 
geforderte  Mehrleistung  im  Sinne  des  Schularztwesens  anzusehen  sind. 
So  scheint  es  in  sehr  vielen  Städten,  insbesondere  des  nordwestlichen 
Deutschlands,  ganz  allgemein  zu  den  Obliegenheiten  der  Stadtärzte 
z!i  gehören,  zweimal  im  Jahre  alle  Schulräume  einer  Revision  zu 
unterziehen.  Gemeldet  ist  diese  Einrichtung  aus  folgenden  Städten, 
wobei  zu  bemerken  ist,  dafs  in  vielen  G-emeinden  die  Armenärzte, 
in  einigen  der  Kreisarzt,  in  anderen  Privatärzte  diese  Besichtigung 
vorzunehmen  haben: 

Halbjährliche  Revision  der  Schulen  findet  statt  in  den  Gemeinden: 

Dortmund,  Düsseldorf,  Horde,  Iserlohn,  Kalk,  Lüdenscheid, 
München-Gladbach,  Neuss,  Oberhausen  bei  Düsseldorf,  Regensburg, 
Saarbrücken,  Siegen,  Viersen  und  Wesel.  Ferner  in  allen  Orten 
des  Regierungsbezirkes  Arnsberg,  also  in  den  Kreisen:  Altena, 
Arnsberg,  Bochum,  Brilon,  Dortmund,  Gelsenkirchen,  Hagen, 
Hamm,  Hattingen,  Horde,  Iserlohn,  Lippstadt,  Meschede,  Olpe, 
Schwelm,  Siegen,  Soest,  Witten,  Wittgenstein.  Nur  Hagen  (Stadt)  be- 
sitzt in  diesem  Regierungsbezirk  Vollschulärzte  nach  Wiesbadner  Muster. 

Dieselbe  Einrichtung  einer  zweimal  im  Jahre  vorzunehmenden 
Begehung  der  Schulen  ist  auch  in  folgenden  Städten  getroffen,  wo- 
bei ausdrücklich  noch  eine  gewisse  Überwachung  der  Schulkinder 
zur  Pflicht  gemacht  ist: 

Augustusburg.  Die  Kinder  werden  nur  ^in  besonderen 
Krankheitsfällen*^  untersucht. 

Elberfeld.  Die  acht  Armenärzte  haben  bei  der  Besichtigung 
der  Schulen  ihres  Bezirks  jedes  Kind  auf  Augenkrankheiten  zu 
untersuchen. 

Eschweiler.  Die  vier  Armenärzte  unterwerfen  bei  ihren 
Besuchen  sämtliche  Kinder  einer  Besichtigung. 

Gersweiler.  Alle  Kinder  sind  zu  besichtigen,  einzelne  nach 
Ermessen  genauer  zu  untersuchen. 


603  145 

Herne.  Die  Kevision  geschieht  durch  den  Polizeiarzt,  der 
halbjährlich  unter  den  ansässigen  Ärzten  wechselt ;  alle  Kinder  werden 
einer  Besichtigung  unterworfen,  aber  nicht  genauer  untersucht. 

Kecklinghausen.    Auch  hier  werden  alle  Kinder  untersucht. 

Senftenberg.  Besichtigung  der  Kinder  und  genauere  Unter- 
suchung bei  Verdacht  auf  Erkrankung. 

Viermal  im  Jahre  werden  die  Schulen  besucht  in  den  Orten 
Beeck  (Kreis  Ruhrort),  woselbst  diese  Einrichtung  schon  seit  lb75 
besteht,  femer  in  Bismarck  (Kreis  Gelsenkirchen)  und  in  Witten 
(Kreis  Bochum). 

£in  besonderes  Vorgehen  wird  in  Meifsen  geübt.  Die  Eltern 
der  Schulrekruten  bekommen  einen  Fragebogen  über  die  G-esundheits- 
Terhältnisse  des  Kindes.  Je  nach  dem  Ergebnis  dieses  Fragebogßus 
erfolgt  die  Entscheidung,  ob  das  Kind  einer  genaueren  üntersuchtTng 
durch  den  Schularzt  unterworfen  werden  soll. 

Ebenso  vereinzelt  steht  Lüneburg,  dessen  schulärztliche  Ob- 
sorge sich  auf  die  Anstellung  eines  Augenarztes  beschränkt,  welcher 
alljährlich  ein  Drittel  der  Kinder  hinsichtlich  der  Augen  zu  unter- 
suchen hat. 

Dafs  gerade  die  Hilfsschulen  für  Schwachsinnige  besonderen 
Anlafs  zu  schulärztlicher  Überwachung  geben,  ist  begreiflich;  es 
wurde  schon  erwähnt,  dafs  die  Grofsstädte  Halle,  Hannover  und  Kiel 
allein  für  ihre  Hilfsschulen  je  einen  Schularzt  anj^estellt  haben;  das 
gleiche  gilt  auch  für  Tilsit.  Diese  an  den  Hilfsschulen  angestellten 
Ärzte  versehen  daselbst  in  vollem  Umfang  die  schulärztlichen  Ob- 
liegenheiten. 

Ihnen  schliefst  sich  dann  die  grofse  Reihe  der  Städte  an,  die 
ihre  Schularztordnung  in  der  Hauptsache  dem  Wiesbadener  Muster 
nachgebildet  haben.  Unter  ihnen  befinden  sich  einige,  deren  schul- 
ärztliche Einrichtungen  schon  längere  Zeit  bestehen,  und  die  ur- 
sprünglich den  Hauptwert  auf  die  Überwachung  des  Schulhauses 
gelegt  haben,  später  aber  die  genaue  Untersuchung  aller  Kinder, 
wenigstens  bei  deren  Eintritt  in  die  Schule,  in  ihr  Programm  auf- 
genommen haben.  Hier  sind  zu  nennen:  Leipzig,  Chemnitz 
und  Nürnberg.     In  Dresden  besteht  die  gleiche  Absicht. 

Im  einzelnen  weichen  die  Dienstordnungen  dieser  Städte  nicht 
unwesentlich  von  einander  ab,  und  es  soll  diese  recht  lehrreiche 
Verschiedenheit  in  den  nächsten  Abschnitten  besprochen  werden. 

Die  Verteilung  der  Schulärzte  über  das  Deutsche  Reich  ist  eine 
sehr  ungleiche  und  folgt  im  allgemeinen  den  Spuren  der  Grofsstädte 


146  604 

mit  schnlärztliGhen  Einriohtungeii.  Um  die  YersorguDg  eines  Landes- 
teiles mit  Schulärzten  zum  zi£femmälsigen  Ausdruck  zu  bringen, 
kann  man  berechnen,  wieviel  Einwohner  in  einem  umgrenzten  Gebiet 
auf  einen  Schularzt  kommen.  Dieser  Index  ist  nach  mancher  Hin- 
sicht nicht  einwand&ei,  aber  es  dürfte  schwer  sein,  zurzeit  einen 
anderen  und  besseren  Malsstab  zu  finden.  Man  gewinnt  dadurch 
immerhin  ein  ungefl&hres  Bild  über  die  schulärztliche  Versorgung 
eines  Landes.  Vorausgeschickt  seien  die  Verhältniszahlen  einiger 
Grofsstädte.  Es  kommen  auf  einen  Schularzt  in  Leipzig  etwa 
23000  Einwohner,  in  Köln  21 221,  in  Frankfurt  a.  M.  20643,  in 
Königsberg  18900,  in  Nürnberg  17400,  in  Breslau  16920,  in  Wies- 
baden 12285,  in  Magdeburg  rund  10000  Einwohner. 

ii  Unter  den  Bundesstaaten  beziehungsweise  unter  den  preufsischen 
Pr(ririnzen  ergibt  sich  nachstehende  Reihenfolge  der  auf  einen 
Schularzt  entfallenden  Einwohnerzahl: 

1.  Im  Herzogtum  Meiningen 6965  Einwohner 

2.  In  der  Provinz  Brandenburg 37909 

3.  „      „    Rheinprovinz 44306 

4.  Im  Grofsherzogtum  Hessen 44793 

5.  „    Königreich  Sachsen 65629 

6.  In  der  Provinz  Hessen-Nassau 68070 

7.  „      „         „        Sachsen 70823 

8.  Im  Herzogtum  Sachsen- Weimar 72580 

9.  „    Reichsland  Elsafs-Lothringen  ....     81880 

10.  In  der  Provinz  Schleswig-Holstein   ..    126180 

11.  „       „         „         Schlesien    126183  ^ 

12.  „      „         „         Westpreufsen 130288  „ 

13.  „      „         „        Pommern    136236 

14.  Im  Fürstentum  Reufs  jüngere  Linie.    139210 

15.  In  der  Provinz  Ostpreufsen .    166385 

16.  „      „         „        Posen 209697 

17.  Im  Herzogtum  Sachsen-Coburg-Gotha  229550 

18.  In  der  Provinz  Westfalen 318777 

19.  „       „         „        Hannover .432030 

20.  Im  Königreich   Bayern    617605 

21.  „  „  Württemberg 723166 


n 
n 


n 
n 


n 


Ganz  ohne  Schulärzte  sind  zurzeit:  Sigmaringen,  beide  Mecklen- 
burg, Oldenburg,  Braunschweig,  Sachsen-Altenburg,  beide  Schwarz- 
burg, Anhalt,   Reufs  ältere  Linie,    Hamburg,   Lübeck  und  Bremen. 


605  147 

Dazu  ist  zu  bemerken,  dais  aasschliefslioh  Vollsohulärzte 
mit  den  Funktionen  der  Wiesbadener  Ordnung  in  An- 
rechnung gekommen  sind;  andernfalls  würde  sich  in  der  Skala 
manche  Änderung  ergeben  und  insbesondere  Westfalen  eine  weit 
höhere  Stufe  einnehmen.  Im  Grofsherzogtum  Hessen  wird  voraus- 
sichtlich die  nächste  Zukunft  eine  Vermehrung  der  Landsohulärzte 
bringen  und  diesem  Lande  einen  Platz  dicht  hinter  Meiningen  an- 
weisen. In  der  Stadt  Braunschweig  steht  die  Anstellung  von  Schul- 
ärzten unmittelbar  bevor. 

Immerhin  zeigt  diese  Zahlenreihe,  wie  weit  wir  in  den  meisten 
Bezii'ken  noch  davon  entfernt  sind,  die  Organisation  des  schulärzt- 
lichen Dienstes  in  so  vorzüglicher  Weise  geregelt  zu  sehen,  wie  dies 
in  Meiningen  geschehen  ist. 

(Fortsetzung  folgt.) 


AUtttere  ütitteiUn^en. 


Ausbau  der  Schnlarztordnung  in  Nflrnberg.    Seit  fünf  Jahren 

besitzt  Nürnberg  Schulärzte,  deren  Dienstan Weisung  ans  der  vorwiesbadener 
Zeit  stammte  nnd  der  früheren  Leipziger  Schiüarztordnung  nachgebildet 
war.  Die  Schalen  wurden  allmonatlich  besucht,  die  Vorkehrungen  zur 
Yerhütung  von  Infektionskrankheiten  waren  sorgfältig  geregelt,  eine  genaue 
Untersuchung  einzelner  Schulkinder  fand  aber  nur  dann  statt,  wenn  sie 
dem  Schularzt  im  Interesse  des  Unterrichts  wünschenswert  erschien  oder 
als  solche  bezeichnet  wurde. 

Nach  längeren  Yorverhandlnogen  haben  nun  Magistrat  und  Gemeinde- 
kollegium  eine  neue  Dienstordnung  gut  geheifsen,  welche  die  individuelle 
Hygiene  der  Kinder  stärker  betont.  Den  Schulärzten  sind  alle  städtischen 
Volks-  und  Mittelschulen,  femer  alle  Privatschulen  und  alle  Kinderschulen 
unterstellt.  Die  Besichtigung  der  Schulräume  findet  nur  dreimal  im  Jahre 
statt,  dafür  haben  aber  genaue  Untersuchungen  aller  uen  in  die  Schule 
eintretenden  Kinder  zu  erfolgen.  Innerhalb  der  ersten  14  Tage  nach  Schul- 
beginn werden  die  Schulrekruten  auf  ihre  körperliche  und  geistige  Reife 
geprüft,  und  wenn  diese  mangelt,  auf  ein  Jahr  vom  Schulhesuch  zu- 
rückgestellt. Eine  zweite  eingehende  Untersuchung  mufs  bis  zum  Schlüsse 
des  ersten  Halbjahres  vollendet  sein ;  sie  geschieht  im  Beisein  des  Lehrers 
bezw.  der  Lehrerin,  unter  Einladung  der  Eltern,  und  es  werden  die  Er- 
gebnisse in  einen  Gesundheitsbogen  nach  Wiesbadener  Muster  eingetragen. 

Die  dritte  Untersuchung  erstreckt  sich  auf  die  höheren  Sinnesorgane 
und  ist  auf  das  letzte  Quartal  des  ersten  Schuljahres  verlegt. 


148  606 

Die  Aaswahl  kränklicher  Kinder  Air  ständige  ärztliche  Überwachang, 
die  Meldung  gefundener  £j*ankheiten  an  die  Eltern,  die  Befreiung  von  der 
schulärztlichen  Untersuchung  durch  Beibringung  eines  entsprechenden  haus- 
ärztlichen Zeugnisses  decken  sich  mit  den  in  den  neueren  Schularztord- 
nungen der  gröfseren  Städte  getroffenen  Bestimmungen. 

Die  Schulärzte  sollen  bei  Beratung  hygienischer  Fragen  zu  den 
Sitzungen  der  Eönigl.  Schulinspektionen  eingeladen  werden  und  nehmen 
an  denselben  mit  beratender  Stimme  teil. 

Die  Zahl  der  Nürnberger  Schulärzte  ist  von  10  auf  15  vermehrt 
worden,  so  dafs  nun  wenig  mehr  als  2000  Kinder  auf  einen  Schularzt 
kommen. 

SchnlSrzte  in  Ffirth.  Die  Nachbarstadt  Nürnbergs  will  mit  Beginn 
des  neuen  Schuljahres  vier  Schulärzte  anstellen  und  hat  dabei  den  Grund- 
satz ausgesprochen,  dafe  nur  solche  SchtQer  untersucht  werden  sollen,  deren 
Eltern  oder  Erzieher  damit  einverstanden  sind.  Der  Antrag,  Zwangsunter- 
suchung aller  Kinder  einzuführen,  wurde  mit  der  Begründung  abgelehnt, 
dafs  es  hierzu  in  Bayern  an  einer  gesetzlichen  Handhabe  fehle. 

RegnlatiT  der  Sektion  nngarischer  Schulärzte  und  Lehrer  der 

Hygiene.  Die  Schulärzte  und  Lehrer  der  Hygiene  bilden  in  der  ünter- 
richtsabteilung  des  Landesvereins  für  Gesundheitslehre  eine  separate  Sek- 
tion, deren  Aufgabe  es  ist,  sowohl  die  wissenschaftliche  Tätigkeit  als  auch 
sonstige  gemeinsame  Interessen  der  Schulärzte  und  Lehrer  der  Hygiene 
zu  fördern. 

Zu  diesem  Zwecke  hält  die  Sektion  zeitweise  Sitzungen,  jedoch  jähr- 
lich wenigstens  zwei :  zu  Beginn  und  am  Ende  des  Schuljahres.  Die  Sitzun^n 
werden  in  Budapest  abgehalten,  doch  können  sie  auch  mit  Einwilligung 
der  Direktion  des  Landesvereins  eventuell  in  anderen  Städten  des  Landes 
berufen  werden.  Die  Einladungen  zu  den  Sitzungen  sind  jedenfalls  eine 
Woche  vor  der  Sitzung  zu  versenden. 

Die  Sektion  kann  nach  aufsen,  namentlich  mit  den  Behörden,  nur 
vermittels  des  Landesvereins  in  Verbindung  treten. 

Mitglied  der  Sektion  kann  jeder  qualifizierte  Schularzt  und  Lehrer 
der  Hygiene  sein,  der  zugleich  Mitglied  des  Landesvereins  ist  und  seinen 
Eintritt    bei    dem   Präsidenten   oder  dem  Sekretär  der  Sektion  anmeldet. 

Mitglieder  der  Sektion  zahlen  als  solche  keine  Taxe. 

Der  Ausschufs  der  Sektion  besteht  aus  dem  Präsidenten,  zwei  Vize- 
präsidenten, dem  Sekretär  und  dem  Schriftführer. 

Ein  Vizepräsident  ist  unter  den  Kollegen  vom  Lande  zu  wählen. 

Der  Ausschufs  wird  nach  der  konstituierenden  Generalversammlung 
jedes  zweite  Jahr  mit  Stimmenmehrheit  gewählt. 

Die  Pflicht  des  Präsidenten  ist,  alle  Angelegenheiten  der  Sektion  zu 
leiten,  in  den  Sitzungen  den  Vorsitz  zu  führen,  alle  Akten  der  Sektion  zn 
vidimieren.  Er  repräsentiert  die  Sektion  beim  x\usschusse  des  Landes- 
Vereins. 

Der  Präsident  kann  nur  unter  den  Mitgliedern  des  Ausschusses  des 
Landesvereins  gewählt  werden. 

Der  Sekretär  konzipiert  die  Akten,  Briefe  und  Einladungen  der  Sek- 
tion,   er  verfafst  den  Jahresbericht  der  Sektion,    welcher   dem  Ausschusse 


607  J49 

des  Vereins  vor  der  Generalversammlang  unterbreitet  wird.  Der  Sekretär 
stellt  das  Verzeichnis  der  Mitglieder  zusammen,  sowie  auch  das  der  ge- 
haltenen Vorträge  und  schickt  die  SitzungsprotokoUe  dem  Obersekretär 
des  Vereins  zum  Zwecke  der  Publikation  im  offiziellen  Blatte  „Eg^sjssig^ 
(Gesundheit). 

Die  Sitzungsprotokolle  werden  von  dem  Schriftfahrer  verfafet,  der  im 
Notfalle  auch  den  Sekretär  substituiert. 

Alle  Auslagen  fttr  Drucksachen,  Einladungen  und  deren  Versendung 
trägt  der  LandesTerein. 

Mitglieder  der  Sektion  können  an  ihren  eigenen  Sitzungen  Vorträge 
halten,  doch  haben  sie  dieselben  zwei  Wochen  frQher  beim  Sekretär  an- 
zumelden. 

Der  Vortragende  ist  verpflichtet,  einen  kurzen  Auszug  seines  Vortrages 
unverzttglich  dem  Sekretär  zu  übergeben. 

(Mitget.  V.  Dr.  W.  GENEBSICH-Bndapest.) 

Die  Schularztfrage  im  westpreufsisehen  Rektoren  verein.    In 

der  5.  Jahresversammlung  des  genannten  Vereins  am  14.  Juni  d.  J.  in 
Danzig  sprach  Rektor  Rebitzki  über  die  mit  dem  schulärztlichen  Dienst 
gesammelten  Erfahrungen  und  verlegt  das  Hauptarbeitsgebiet  desselben  auf 
die  Hygiene  des  Schulkindes.  Nachdem  Schulrat  Dr.  Damus  noch 
besonders  die  Danziger  Schular/teinrichtungen  besprochen  hatte,  wurde  von 
der  Versammlung  folgende  Resolution  angenommen: 

„Die  ö.  Jahresversammlung  westpreufsischer  Rektoren  hält  es  für 
wünschenswert,  dafs  bei  der  Lösung  hygienischer  Aufgaben  in  der  Schule 
Ärzte  mitwirken  und  besondere  Schulärzte,  soweit  es  noch  nicht  geschehen, 
für  Volksschulen  angestellt  werden." 

Antrag  anf  Anstellung  von  Schulärzten  in  Bielitz.  Der  päda- 
gogische Verein  in  Bielitz  hat  in  seiner  Sitzung  vom  27.  Juni  d.  J.  beschlossen, 
in  Anbetracht  des  Umstandes,  dafs  die  Stadt  als  Industrieort  einer  beson- 
deren ärztlichen  Fürsorge  bedarf,  dem  Gemeinderat  die  Anstellung  eines 
Schularztes  auf  das  wärmste  zu  empfehlen. 

In  Budapest  hat  der  Fachausschufs  der  Schulärzte  und  der  Pro- 
fessoren der  Hygiene  beschlossen,  an  den  Kultusminister  ein  Memorandum 
zu  richten,  in  welchem  ersucht  wird,  in  den  Präparandenanstalten  den 
Unterricht  in  der  Somatologie  fortan  ausschliefslich  Ärzten  anzu- 
vertrauen. 

Schulärzte  f&r  Privatschulen,  insbesondere  für  die  privaten 
höheren  Mädchenschulen,  fordert  Dr.  P.  Meissner  in  einem  sehr 
lesenswerten  kleinen  Aufsatz  {„Der  Tag^,  4.  VE.  03)  unter  Hinweis  auf 
die  Schonung,  welche  die  Mädchen  in  der  Pubertätszeit  so  dringend  nötig 
haben  und  die  ihnen  dort,  wo  dem  Lehrer  kein  ärztlicher  Berater  zur 
Seite  steht,  nur  selten  zu  Teil  wird. 

Volkstümliche  Belehrung  über  die  Bedeutung  von  Schulärzten. 

Ein  nachahmenswerter  Schritt  geschah  jüngst  in  Mülhausen  i.  Eis.  durch 
Einberufung  einer  öffentlichen  Versammlung,  welche  den  Zweck  hatte,  die 
Bevölkerung  über  das  Wesen  und  den  Nutzen  der  daselbst  vor  kurzem 
eingeführten  Schulärzte  aufzuklären.  Der  Bürgermeister  eröffnete  die  Ver- 
sammlung und  wies  darauf  hin,    dafs  die  schulärztliche  Aufsicht  eine  not- 


150  608 

wendige  Ergänzung  des  Schnlzwanges  ist.  Darauf  hielt  Stadtrat  Dr.  Elias 
einen  Vortrag  über  die  Wichtigkeit  des  Schularztwesens,  und  der  Obmann 
der  Schulärzte,  Dr.  W.  Sachs,  legte  die  bisher  in  seiner  schulärztlichen 
Tätigkeit  gesammelten  Erfahrungen  dar. 

Über  Austellnng  yod  Schnlärzfen  an  mittleren  nnd  hSheren 
Schulen  hat  jüngst  auf  eine  Anfrage  des  Magistrats  zu  Breslau  die 
schlesische  Ärztekammer  folgende  gutachtliche  Erklärung  abgegeben:  1.  Die 
Ärztekammer  der  Provinz  Schlesien  hat  mit  grofser  Befriedigung  davon 
Kenntnis  genommen,  dafs  der  Magistrat  der  Stadt  Breslau  auf  dem  Wege 
der  Schulhygiene  einen  weiteren  Fortschritt  zu  machen  im  Begriff  steht. 
2.  Die  Ärztekammer  hält  die  schulärztliche  Überwachung  der  SchOler  nnd 
Schülerinnen  auch  an  mittleren  und  höheren  Schulen  für  unerläfslich. 
Ebenso  mufs  nach  ihrer  Ansicht  der  Schularzt  von  dem  Gesundheitszustand 
der  Lernanfänger  dieser  Schulen  Kenntnis  erlangen.  3.  Die  Gefahr  von 
Konflikten  zwischen  Schularzt  und  Schule  einerseits  nnd  den  Eltern,  so- 
wie dem  Hausarzt  andererseits  durch  die  Untersuchung  der  Schüler  nnd 
Schülerinnen  hält  die  Ärztekammer  für  leicht  vermeidbar.  4.  Regel  mäfsige 
Messungen  und  Wägungen  sind  leicht  zu  erhaltende  und  unentbehrliche 
Unterlagen  für  die  Beobachtung  des  allgemeinen  Gesundheitszustandes  der 
Schüler  und  Schülerinnen.  5.  Bei  der  Organisation  der  schulärztlichen 
Überwachung  des  Gesundheitszustandes  der  Schüler  und  Schülerinnen 
höherer  Lehranstalten  sind  tunlichst  auch  Speziaiärzte  zu  beteiligen. 

Schnlärztinnen.  Für  die  Anstellung  von  Schulärztinnen  tritt  Dr. 
Waldschmidt  (Charlottenburg)  in  der  „D.  med,  Wochenschr,"'  ein.  Er 
weist  darauf  hin,  dafs  das  Institut  der  Schulärzte  sich  Über  Erwarten  rasch 
eingebürgert  habe.  Man  müsse  nunmehr  weniger  danach  streben,  die  An- 
stellung von  Schulärzten  obligatorisch  zu  machen,  als  deren  Funktionen  zu 
erweitem.  Den  Schulärzten  sollten  in  den  Mädchenschulen  Schulärztinnen 
zur  Seite  stehen.  Man  müsse  dem  bewährten  Schulmann  Habby  Schmitt 
beipflichten,  dafs  es  geradezu  monströs  sei,  dais  zur  Feststellung  der  körper- 
lichen Beschaffenheit  der  Schulmädchen  ein  Mann  in  die  Schule  beordert 
werde,  der  im  Beisein  der  Klassenlehrerin  die  betreffende  Untersuchung 
vorzunehmen  habe.  Wenn,  was  zu  erwarten  sei,  die  Aufgaben  des  Schul- 
arztes dahin  erweitert  würden,  dafs  er  zum  Lehrer  der  Hygiene  wird, 
dürfte  die  Tätigkeit  medizinisch  durchgebildeter  Frauen  an  Mädchenschulen 
von  grofsem  Vorteil  sein.  Die  Schulärztinnen  hätten  dann  den  Unterricht 
in  der  Körper-  und  Krankenpflege,  Erziehungshygiene,  in  den  Anfangs- 
gründen der  Anthropologie,  wie  endlich  in  der  Chemie  der  Küche  zu  über- 
nehmen. (Gegen  Anstellung  von  Schulärztinnen  in  Mädchenschulen  ist 
gewifs  nichts  einzuwenden.  Es  mufs  aber  als  übel  angebrachte  Prüderie 
bezeichnet  und  zurückgewiesen  werden,  wenn  man  die  Untersuchung  der 
Schülerinnen  durch  einen  Arzt  „monströs"  nennt.     D.  Red.) 


609  151 


CoHN,  H.,  Professor.  Wanun  mfissen  besondere  Schnlangenärzte 
angestellt  werden?  Sep.-Abdr.  ans  Wochenschrift  fttr  Therapie  nnd 
Hygiene  des  Auges.     Jahrg.  VI,  No.  33  ff.) 

An  der  Hand  eines  Berichtes  über  das  erste  Jahr  schulärztlicher 
Tätigkeit  an  den  Breslauer  Yolksschnlen  bespricht  der  Verf.  die  Schwierig- 
keit, die  sich  selbst  dem  .geübten  Augenarzt  bei  der  Untersuchung  des 
Auges  der  neu  eingetretenen  Schüler  entgegenstellen.  Um  so  gröfser  sind 
diese  Schwierigkeiten  für  den  praktischen  Arzt,  für  den  Schularzt,  der  die 
Technik  der  spezialistischen  Untersuchung  unmöglich  beherrschen  kann. 
Sie  steigern  sich  aber  zu  einer  Unüberwindlichkeit,  wenn  dem  betreffenden 
Arzt,  wie  dies  gewöhnlich  der  Fall  ist,  weder  Augenspiegel,  noch  Brillen- 
kasteUy  noch  vor  allen  Dingeu  die  zur  Untersuchung  nötige  Zeit  zur  Ver- 
fügung steht. 

Die  Breslauer  schulärztliche  Statistik  erweist  zur  Evidenz,  dafs  die 
von  den  Schulärzten  —  ihrer  Dienstanweisung  gemäfs  —  vorgenommenen 
Augenuntersuchungen  völlig  wertlos  sind,  ganz  besonders  mit  Rücksicht  auf 
die  Kurzsichtigkeit.  Auch  die  Eontrolle  der  Schulbücher  in  Hinsicht  auf 
ihren  Druck,  die  Messung  der  Helligkeit  der  Plätze  xmd  die  zweckmäfsige 
Plazierung  der  Schüler  an  den  Subsellieu  liegen  noch  recht  im  Argen. 
Aus  diesem  Grunde  ist  es  unbedingt  notwendig,  Schulaugenärzte  anzustellen, 
die    folgenden    Funktionen  ihre  Hauptanfmerksamkeit  zuzuwenden  hätten: 

1.  MülBten  sämtliche  neu  eintretende  Schüler  im  Freien  auf  die  Seh- 
leistung jedes  Auges  hin  untersucht  werden. 

2.  Bei  dieser  Gelegenheit  sind  gleich  die  Bindehaut,  Hornhaut  und 
der  Lidapparat  einer  Inspektion  zu  unterwerfen. 

3.  Sind  die  Kinder  auf  Farbenblindheit  zu  untersuchen. 

4.  Die  Kinder,  bei  denen  eine  ungenügende  Sehleistung  gefunden 
wird,  sind  auf  das  sorgfältigste  mit  Brillenkasten,  Augenspiegel,  Ophthalmo- 
meter etc.  zu  untersuchen. 

5.  Auch  das  Augeninnere  soll  einer  genauen  Untersuchung  xmter- 
zogen  werden  (Regenbogenhaut,  Linse,  Glaskörper,  Netzbaut  etc.). 

6.  Während  die  Behandlung  der  Augenerkrankungen  natürlich  vom 
Schulaugenarzt  nicht  geleitet  werden  darf,  muis  er  allerdings  berechtigt 
sein,  die  korrigierende  Brille  zu  verordnen  und  mufs  die  Brillenträger  von 
Zeit  zu  Zeit  kontrollieren. 

Auch  die  allgemeineren  hygienischen  Fragen  hätte  der  Schulaugenarzt 
eingehend  zu  würdigen.  Dazu  gehört  die  „Subsellienfrage",  die  Tages- 
lichtmessung, die  Verwendung  geeigneter  Vorhänge,  die  Prüfung  der  künst- 
lichen Beleuchtung,  die  Kontrolle  des  Schulbücherdmckes  u.  s.  w.  Schliefs- 
lich  mnis  er  beim  Abgang  des  Schülers  denselben  über  die  Beziehungen 
seiner  Augen  zur  Berufswahl  aufklären. 

Nur  auf  dem  eben  angedeuteten  Wege,  nur  nach  Anstellung  beson- 
derer Schulaugenärzte  ist  eine  erfolgreiche  Hygiene  des  Auges  in  der 
Schule  möglich.  Dr.  Ebnst  HEiMANN-Berlin. 


152  610 


iXmtUdili  ttirf&jjitngeit  unb  l^mftoxHm^tn. 


Zu  No.  M.  d.  I.  IL  26573/02.  Darmstadt,  am  13.  Januar  1903. 

Betreffend:  Bestellung  von  Schulärzten. 

Das  Ororsherzo^liche  Miftisterinm  des  Innern, 

Abteilung  für  Sffentliche  (^Gesundheitspflege, 

an  die  firofsherzoglichen  Ereisämter. 

Die  Anregung,  welche  wir  durch  unsere  Verfügung  vom  6.  Januar  y.  J. 
in  betreff  der  Bestellung  von  Schulärzten  in  grölseren  ländlichen  Gemeinden 
gegeben  haben,  hat  zu  ungleichen  Ergebnissen  geführt.  Einige  Ereisämter, 
besonders  diejenigen,  in  welchen  nur  mittelgrofse  Gemeinden  vorhanden 
sind,  haben  die  AnsteUung  von  Schulärzten  abgelehnt  und  die  Bedürfnis- 
frage verneint;  andere  wollen  sich  abwartend  verbalten  und  ihr  Verhalten 
von  dem  Vorgehen  benachbarter  Kreise  abhängig  machen,  nicht  wenige, 
und  darunter  die  Kreise  mit  gröfseren  Gemeinwesen,  haben  unserer  An- 
regung durch  die  Bestellung  von  Schulärzten  bereits  Folge  gegeben.  Am 
weitesten  ist  hierin  der  Kreis  Offenbach  gegangen,  für  welchen  in  dem 
dortigen  Kreisassistenzarzt  ein  Schularzt  für  sämtliche  Orte  des  Kreises 
zur  Anstellung  gelangt  ist.' 

Ohne  zunächst  einen  Zwang  ausüben  zu  wollen,  empfehlen  wir  die 
Schularztfrage  Ihrer  ferneren  Sorge,  wobei  wir  einzelne  Kreisämter  nicht 
hindern  wollen,  erst  die  Erfahrungen  anderer  Kreise  abzuwarten. 

Seitens  einiger  Kreisämter  ist  der  Wunsch  ausgesprochen  worden,  es 
möge  ihnen  eine  Dienstanweisung  für  die  Schulärzte  an  die  Hand  gegeben 
werden.  Wir  sind  diesem  Wunsche  insoweit  entgegengekommen,  als  wir 
nach  dem  Muster  der  für  das  Herzogtum  Sachsen  Meiningen  erlassenen, 
wo  man  mit  der  Bestellung  von  Schulärzten  für  alle  ländlichen  Gemeinden 
mit  anscheinendem  Erfolg  bereits  vorgegangen  ist,  eine  Dienstanweisung 
entworfen  haben,  welche  wir  Ihnen  in  der  Anlage  mitteilen.  So  wünschens- 
wert wir  auch  eine  gewisse  Gleichmäfsigkeit  der  einzelnen  Dienstanweisungen 
halten,  so  werden  wir  doch  nicht  darauf  bestehen,  dafs  dieselbe  eine  voll- 
ständige sei;  wir  verfehlen  iedoch  nicht,  darauf  hinzuweisen,  dafs  wir  die 
Forderungen,  welche  der  Dienstanweisungsentwurf  an  die  Schulärzte  stellt, 
als  Mindestforderung  erachten,  wenn  die  Bestellung  von  Schulärzten  einen 
bemerkenswerten  Erfolg  haben  soll.  Das  gleiche  dürfte  auch  von  den 
beigefügten  Formularen  gelten,  von  denen  das  zweite  allerdings  nnerläfslich 
erscheint. 

Webe     v.  Bechtold. 

^  Inzwischen  ist  dies  laut  gütiger  Mitteilung  vom  21.  Juli  d.  J.  auch  für 
sämtliche  Orte  der  Kreise  Worms  und  Mainz  geschehen.    (D.  R.) 


611  153 

Dieutonweinug  für  Sekilinte  ia  UndliekeB  OeneiBdeB. 

§  1- 

Der  Schularzt  hat  zweimal  im  Jahre,  and  zwar  im  FrOl^ahre  frOhefrteiis 
14  Tage  nach  Beginn  des  Schuljahres  und  im  Herbst  in  der  Zeit  zwischen 
dem  1.  Oktober  and  Ende  Dezember,  die  ihm  zagewiesenen  Schalen  za 
besachen. 

§2. 
Bei  dem  Frühjahrsbesache  hat  er  alle  in  die  Schale  eingetretenen 

Kinder   einzeln   aaf  ihren  körperlichen   and  geistigen  Zastand  za  onter- 

sachen.     Die  üntersachang  kann  nar  dann  nnterbleiben,    wenn   ein  dem 

Zwecke  genügendes  ftrztliches  Zeagnis  vorgelegt  wird. 

§3. 
Die  nea  eingetretenen  Schfller  sind,  soweit  die  üntersachang  die  an- 
bedeckten Körperteile  betrifft,  von  den  übrigen  Schfllem  abgesondert  za 
ontersachen,  wie  denn  überhanpt  dem  Empfinden  des  Kindes  besondere 
Rücksicht  za  tragen  ist.  Aaf  besonderen  Wansch  kann  den  Eltern  and 
deren  Vertretern  gestattet  werden,  der  üntersachang  anznwohnen. 

§4- 
Die  bei  der  ersten  üntersachang  gefandenen  körperlichen  and  geistigen 

Mängel  and  Fehler  werden  in  entsprechende  Spalten  des  Überwachnngs- 
bogens  eingezeichnet.  In  der  Spalte  für  ärztliche  Bemerkungen  wird  der 
Schalarzt  angeben,  welche  Anordnangen  er  im  Interesse  der  beanstandeten 
Kinder  ftbr  notwendig  hält  (z.  B.  Wahl  der  Plätze  für  Schwerhörige  and 
Kurzsichtige,  teilweise  Befreiung  vom  Unterricht,  besonders  vom  Turn- 
unterricht, besondere  Aufmerksamkeit  auf  die  Schreibhaltung). 

Für  gesunde  Kinder  ist  in  der  gleichen  Spalte  ein  bezüglicher  Vermerk 
zu  machen. 

Von  dem  Bestehen  vorgefundener  Fehler  und  Regelwidrigkeiten  hat 
der  Schularzt  dem  Lehrer  vertrauliche  Mitteilung  zu  machen  und  zugleich 
anzugeben,  was  im  Einzelfalle  zu  geschehen  habe. 

§6. 

Schularzt  und  Lehrer  sind  gehalten,  bezüglich  erhobener  Befunde 
Verschwiegenheit  zu  beobachten. 

§  7. 

Bei  den  späteren  Schulbesuchen  hat  der  Schularzt  nur  hinsichtlich 
solcher  Schüler  genauere  Untersuchung  vorzunehmen,  bei  denen  die  erst- 
malige Besichtigung  Abweichungen  von  der  Norm  ergeben  hat  oder  be- 
züglich derer  ein  besonderer  Anlafs  oder  die  Beobachtung  des  Lehrers 
eine  neu  eingetretene  körperliche  Veränderung  vermuten  läfet  oder  wahr- 
scheinlich macht.  Im  übrigen  soll  er  sich  auf  eine  allgemeine  Nachprüfung 
beschränken,  sich  aber  davon  überzeugen,  dals  seine  Anordnungen  bezüglich 
kranker  Kinder  befolgt  worden  sind. 

§8. 

Bei  der  der  Entlassung  der  Schüler  vorausgehenden  Untersuchung  hat 
der  Schularzt  auf  Wunsch  der  Eltern  oder  deren  Stellvertreter  betreffs  der 
Berufswahl  Rat  zu  erteilen. 

Der  Schalarat.  L  18 


154  612 

§9. 
Der  Lehrer  ist,  geeignetenfalls  durch  Yermittelung  des  Leiters  der 

Schale,  you  dem  Besuche  des  Schularztes  durch  diesen  rechtzeitig  zu  be- 
nachrichtigen, damit  er  anwesend  sein  und  die  Ordnung  aufrecht  erhalten  kann. 

§  10. 
Dem  Lehrer  genttber  hat  der  Schularzt  aUes  zu  vermeiden,  was  dessen 
Ansehen  bei  den  Schülern  schädigen  könnte. 

§  11. 
Der  Schularzt  hat  gelegentlich  seiner  Schulbesuche  auch  der  Be- 
schaffenheit der  Schulräume  und  ihrer  Einrichtungen  (Schulbänke,  Heizung 
und  Beleuchtung,  Lüftung,  Schulbäder,  Aborte,  Trinkwasserversorgung  u.  s.  w.), 
sowie  dem  Zustande  der  Lehrerwohnungen  seine  Aufmerksamkeit  zu  schenken 
und  über  etwaige  Mängel  durch  Yermittelung  des  Kreisgesundheitsamtes 
an  die  Ereisschulkommission  zu  berichten. 

§  12. 
Im  Laufe   des   Januar  jeden  Jahres  wird  der  Schularzt  über    seine 
Beobachtungen  Bericht  erstatten  und  eine  Übersicht  über  die  vorgefundenen 
Mängel  durch  Yermittelung  des  Ereisgesundheitsamtes  an  die  Ereisschul- 
kommission gelangen  lassen. 


Yersehlossen  zu  übersenden. 

Mitteilung. 

Die  schulärztliche  Untersuchung  Ihres  Eindes 

hat  ergeben,  dafs  dasselbe ^ 

: l^et. 

Für   die  Gesundheit   des  Eindes,    wie  für   das  Interesse  der 

Schule  ist  deshalb _ 

- dringend  erforderlich. 

Sie  wollen  diese  Mitteilung  unterschreiben  und  binnen  drei 
Tagen  znrOdcgebeki,  dabei  aber  von  jeder  Zusatzbemeikiing  abseh«!. 
Zu  persönlicher  Rücksprache  ist  der  Lehrer  gern  bereit. 

den  -  190  . 

Geles0ü: 


613 


156 


Fragebogen 

über  die  Schulanfänger. 

An  das  Elternhaus:  um  auf  die  etwaigen  Fehler  und  Schäden  der  Kinder 
in  der  Schule  gebdhrend  Rücksicht  nehmen  zu  können,  ersuchen  wir 
um  gewissenhafte  Beantwortung  der  nachstehenden  Fragen  und  um 
Rückgabe  des  Bogens  binnen  drei  Tagen. 

Der  Lehrer    wird    bei  Beantwortung    der   einzelnen  Fragen   zur 
Beihilfe  gern  bereit  sein. 


Schule  zu 

Name  des  Kindes :    


geboren  den 
»       zn 
geimpft  den 


Tochter  1 
Sohn/ 

Welche  Krankheit  hat  das  Kind  über- 
standen? und  wie  alt  war  es  damals  ? 

Sind  Nachteile  zurückgeblieben?  und 
welche?  (Gehörleiden  u.  d»gl.) 

).  Ist  das  Kind  kurzsichtig? 

2.  Schielt  es? 

5.  Ist  es  schwerhörig? 
4.  Stottert  es? 

6.  Ist  es  lungenkrank? 

6.  herzkrank? 

7.  mit  Bruchschaden  behaftet? 

8.  mit  schiefem  Rückgrat? 

9.  mit  welchem  sonstigen  Fehler? 

10.  Ist  ein  Fehler  in  Mund,  Rachen- 
höhle, Nase  bemerkt  worden? 

1 1 .  Hat  das  Kind  eine  Hautkrankheit  ? 

12.  Ist  es  epileptisch? 

IH.  geistig  dem  Alter  entsprechend 

entwickelt? 
14.  oder  geistig  zurückgeblieben  und 

weshalb? 


Antworten : 


wiedergeimpft 

(später  Tom  Lehrer  la  beantworten) 


des 


1. 

2. 
3.. 
4.. 
6. 
6.. 
7. 
8.. 
9.. 
10.. 


11.. 
12.. 
13.. 


14. 


Bemerkung:  Btwaig^e  Tertraoliehe  Mitteilunge«  über  das  Kind  sind  dem  Lehrer  Tom 
Vater  oder  Ton  der  Matter  persönlich  in  erstatten. 

Wer  hat  Torstehenden  Fragebogen  aasgefSIU?  (Vater?  Matter?  Pflegeeltern?  OroA- 
eltern?  Hausarxt  oder  Lehrer?  —  Das  Zutreffende  ist  su  unterslreichen.) 

Bemerkung  fflr  den  Lehrer:  Die  Fragebogen  sind  nach  der  Buchstaben-Reihenfolge 
der  Namen  in  einer  Mappe  mit  festen  Deekeln  unter  VerschluA  sorgftltig  auf- 
zubewahren. 

18* 


156 


614 


fl 

• 

NA 

s 

1^ 

Jahr 
der  Ei 

B 

2. 
'S 

S 

B 

ES 

D 

1 

P 

2. 
5' 

B 

g         . 

c 

u 

o 
o* 
t> 
o 

p* 

B 

p 

9 

B 

• 

r 
p* 

t 
m 

U 

1 

M 

B 

B 

B 

g 

B 

£;: 

»■M 
NN 

• 
M 

B 

s 

s- 

B 
B 

• 

U 
B 

9 
> 

H 

n 

C3 

2  H  ■  *i 

f  2  '  ? 


p*    • 


B    ° 


B 


B 


2.       •«      •^ 

*y  e    •         ^  P 


I 

B 


M     O 


9b?? 


o 
S 

N 

B 

CD 

9 

P 


& 


p 

M 

B 


I 

P 


kansiehtig^ 


Behielt 


■chwerhArig       ^a 


stottert 


lungenkrank 


herskrank 


mit  Bruch- 
schaden 
behaftet 


mit  schiefer 
Wirbels&ule 


mit  Fehler  in 
Mund,  Rachen-  S 
hOhle,  Nase     ^ 


mit  Haut- 
krankheit 


epileptisch 


B 
B 

a.<3 


S 


S.  2.  <L  s  •* 
D^  tr  li*  5-  »*. 


t> 
B 

9 
m 

s 

B* 

CD 


9 
H 


9 
GL 

9 
t 

er 
o 

ST 

P 


f 


3. 


Jritfflinft  fk  S(||itlj|rfitit^||(tt$|i|l(iir. 

XVL  Jahrgang.  1903.  No.  9. 


®ri$iitalaii^aitblititj)iit. 


Kleine  Schnlklassen. 

Von 
C.  BiGHTEB  -  Strausberg. 

Wenn  ich  die  Forderung  kleiner  Schnlklassen  erhebe,  so  meine 
ich  damit  —  was  ja  auch  dem  Fachmann  sofort  als  das  Näher- 
liegende  erscheinen  wird  —  in  erster  Linie  die  Herabsetzung  der 
leider  noch  so  oft  ungebührlich  hohen  Schulerzahl,  erst 
in  zweiter  eine  Verringerung  des  Klassenraumes.  Die  Klage 
über  zu  grolBe  Klassen  ertönt  fast  gar  nicht  hinsichtlich  der  höheren 
Schulen,  um  so  mehr  aber  aus  den  Reihen  der  Volkssohullehrer, 
und  sie  nimmt  in  demselben  MaCse  zu,  als  man  sich  der  Ostgrenze 
Preutsens  nähert.  Dabei  ist  die  Stellung  des  Lehrers  in  den  gemischt- 
sprachigen  Landesteilen  an  sich  schon  schwierig;  man  hat  also  erst 
recht  Veranlassung,  auf  die  Vermehrung  der  Schulklassen  und  Lehr- 
kräfte energisch  hinzuarbeiten.  Leider  wird  aber  von  den  Gemeinden, 
deren  Leistungsfähigkeit  allerdings  teilweise  eine  recht  geringe  ist, 
gerade  in  SchulAachen  der  Geldpunkt  zu  stark  in  den  Vordergrund 
gerückt,  und  insbesondere  der  Bauer  ist  dafür  bekannt,  dafs  er  nicht 
gern  gibt,  wenn  er  nicht  muGs  —  eine  Tatsache,  die  im  Interesse 
der  Volksbildung  recht  bedauerlich  ist. 

Sofern  man  die  Klassenfrequenz  herabsetzt,  ist  selbstverständlich 
auch  eine  etwelche  Verkleinerung  der  Schulräume  kein  Fehler,  ün- 
verhältnismäüsig  groüse  Klassenzimmer  sind  dem  Schulbetrieb  ent- 
schieden nachteilig,  hauptsächlich  insofern,  als  an  die  Stimme  des 
Lehrenden  allzu  grofse  Ansprüche  gestellt  werden  und  für  die  mit 
nicht   ganz   normaler  Sehschärfe  ausgestatteten  Schüler  das  an  der 

SchalreBundheitspflege.  XVL  32 


616 

Wandtafel  Geschriebene  ganz  oder  teilweise  unleserlich  bleibt.  Das 
richtige  Verhältnis  zwischen  Schülerzahl  nnd  Klassenranm  ist  durch 
behördliche  Verordnungen  festgesetzt.  In  der  Zirkularrerfugung  des 
Regierungspräsidenten  zu  Frankfurt  a.  0.  vom  9.  Januar  1871  heilst 
es :  ^Die  Gröise  der  Lehrzimmer  richtet  sich  einesteils  nach  der  Zahl 
der  darin  unterzubringenden  Schüler  und  der  für  diese  erforderlichen 
Subsellien,  andemteils  nach  der  Art  des  darin  zu  gebenden  Unterrichts. 
Sollen  Schüler  der  Elementarschulen  in  den  Städten  und  auf  den  Dörfern 
mit  Erfolg  unterrichtet  werden,  so  dürfen  an  dem  gleichzeitigen  Unter- 
richte nicht  mehr  als  80  bis  allenfalls  100  Schüler  teilnehmen.  Dem 
Bedürfnis  wird  genügt,  wenn  einschliefslich  der  Gänge,  des  Katheder- 
und des  Ofenplatzes  für  jeden  Schüler  der  Volksschulen  0,6  bis 
0,65,  der  Bürgerschulen  0,66  bis  0,8,  der  höheren  Schulen  0,8  bis 
1,2  qm  Grundfläche  gerechnet  werden.  Die  zweckmäüsigste  Grund- 
form des  Zimmers  ist  die  eines  B.echtecks.  Damit  jedoch  die  Schul- 
räume nicht  gangartig  erscheinen  und  die  am  weitesten  sitzenden 
Schüler  noch  bequem  die  auf  der  Tafel  oder  der  Wandkarte  befind- 
lichen Charaktere  erkennen  können,  darf  die  Länge  des  Schulraumes 
10  m  nicht  übersteigen^. 

Eine  Schulklasse  von  80  bis  sogar  100  Schülern  entspricht  nun 
freilich  unserem  Ideal  nicht;  Gemeinden  mit  solchen  Klassenziffem 
haben  noch  viel  Ursache  zur  Besserung.  Es  ist  ein  eigen  Ding  um 
die  Festsetzung  der  Höchstschülerzahl  einer  Schulklasse.  Man  möchte 
auf  der  einen  Seite  die  hygienischen  Forderungen  zur  Geltung 
bringen,  andererseits  darf  man  sich  von  den  tatsächlichen  Verhält- 
nissen nicht  gar  zu  weit  entfernen.  Im  allgemeinen  ist  zu  sagen, 
dafs  mit  dem  Fortschritte  im  Schulwesen,  wie  er  ja  erfreulicherweise 
ganz  unverkennbar  ist,  die  genannte  Zahl  erheblich  sinkt,  wiewohl 
der  §  12  des  Entwur£3  eines  Gesetzes,  betreffend  die  öffentliche 
Volksschule,  vom  Jahre  1890  auch  noch  bestimmte:  „Wo  die  Anzahl 
der  einem  Lehrer  überwiesenen  Kinder  über  80  steigt,  oder  wo  das 
Schulzimmer  für  die  vorhandene  geringere  Zahl  nicht  ausreicht  und 
die  Verhältnisse  die  Anstellung  eines  zweiten  Lehrers  oder  eine 
räumliche  Änderung  nicht  gestatten,  .  .  kann  eine  zweiklassige 
Schule  mit  einem  Lehrer  und  verkürzter  Unterrichtszeit  eingerichtet 
werden". 

Die  Gestaltung  des  Schulzimmers  wird  auch  von  den  in  Aus- 
sicht genommenen  Subsellien  beeinflufst.  Bei  den  neuzeitlichen  Rbttig- 
Bänken  stellt  sich  die  Rechnung  für  beispielsweise  42  Sitze  mittlerer 
Altersstufe  folgendermafsen:  Drei  Zweisitzer  zu  je  1,20  m  Länge  = 


617 

3,60  m,  Fenstergang  0,60  m,  Innengang  0,80  m,  zwei  Zwischen- 
gänge zu  je  0,50  m,  ergibt  als  Zimmerbreite  6,0  m.  In  der  Länge 
des  Zimmers  nehmen  sieben  Bankreihen  5  m,  der  Vorraum  3  m, 
der  Gang  hinter  den  Bankreihen  0,5  m  fort,  so  dalB  eine  Zimmer- 
länge von  wenigstens  8,5  m  erforderlich  ist.  Der  Quadratinhalt  der 
Bodenfläche  wäre  dann  8,5  X  6,0  =  51,0  qm  und  auf  jeden  Schüler 
kämen  rund  1,2  qm  Bodenfläche. 

Die  Überfällung .  von  Klassen  ist  selbst  im  Bannkreise  der 
Reichshauptstadt  Berlin,  in  den  arbeiterreichen  Vororten,  vielfach 
fühlbar;  es  können  hier  die  Schulbauten  kaum  Schritt  halten  mit 
der  aufserordentlich  schnellen  Zunahme  der  Bevölkerung.  Ideale 
Verhältnisse  hinsichtlich  der  Klassenstärken  fand  ich  in  der  Volks- 
schule der  drei  Meilen  von  Berlin  entfernten  Stadt  S.,  die  mit  In- 
begriff mehrerer  Anstalten  gegen  8000  Einwohner  zählt.  Da  mir 
bisher  gleich  günstige  Ziffern  nicht  vorgekommen  sind,  so  kann  ich 
die  Fürsorge  dieser  Schulgemeiode  nicht  hoch  genug  anerkennen, 
zumal  sie  nicht  etwa  im  Überflusse  von  Geld  und  Geldeswert  schwelgt» 
sondern  in  ihren  125%  Gemeindesteuerzuschlägen  zur  staatlichen 
Einkommensteuer   eine  zwar  mäfsige,  aber  normale  Belastung  trägt. 

Die  Mädchenschule  besuchen: 

Klasse     I    =  45  Schülerinnen 

,     n  =49 

„     nia  =  42 

„    nib  =  42 

„  IVa  =  36 
,  IVb  =  35 
,  Va  =  40 
„  Vb  =  37 
„  Via  =  41 
,  VIb  =  41 
,  Vlla  =  52 
„  Vllb  =  64 
Die  Knabenaobale  besuchen: 

Klasse  la  =  25  Schüler 
„  Ib  =  17  „ 
„  IIa  ^  33  „ 
„  IIb  =  40  , 
„  Ula  =  44  „ 
„  nib  =  40  , 
„     IVa  =  39       „ 

82* 


618 

Klasse  IVb  =  37  Schüler 

„       Va  =  46       „ 

«       Vb  =  45       „ 

„      Via  =  38       , 

,     VIb  =  43       „ 

„    VIIa  =  43       , 

„  Vnb  =  30  n 
Die  Durohscbnittsfrequenz  der  Klasse  betrftgt  somit  in  der 
Mädohensobnle  rund  42,  in  der  Knabenschule  37 ;  dabei  steht  für  die 
Mädohensohnle  noch  die  Teilung  der  bisher  ungeteilten  Klassen  I 
und  U  in  Aussicht,  allerdings  nicht  wegen  Überfüllung,  sondern  in 
Konsequenz  mit  dem  eingeführten  Schulsystem. 

ünterriohtlich  und  erziehlich  sind  kleine  Klassen  yon 
ganz  aufserordentlichem  Vorteil.  Es  werden  gewils  nur  wenige 
Schulmänner  das  unterschreiben»  was  ich  einmal  Yon  einem  Lehrer 
hörte:  ,,Mir  ist  es  gleich,  ob  40  oder  80  Schüler  vor  mir  sitzen''.  Das 
mag  allenfalls  zutreffen,  sofern  der  Lehrer  nur  irgend  einen  Vortrag 
zu  halten  hat,  aber  nicht,  wenn  er  die  Verantwortung  für  den  sicheren 
und  stetigen  Fortschritt  jedes  Kindes  sowohl  in  seiner  Gemüts-  und 
Verstandesbildung,  als  auch  in  den  verschiedenen  technischen  Fächern 
übernehmen  soll.  Und  dann  würe  speziell  in  hygienischer  Hinsicht 
folgendes  zu  sagen:  Je  gröiser  die  Kinderzahl  einer  Klasse,  desto 
nervenaufreibender  wird  die  Arbeit  für  den  Lehrer,  der  dann  nicht 
selten  in  geistiger  Erschöpfung  daheim  anlangt,  Essen  und  Trinken 
verschmäht  und  nur  den  einen  Wunsch  hat,  auf  kurze  Zeit  einmal 
so  recht  allen  Gedanken  in  seinem  Kopfe  ein  „Stillgestanden!''  zu 
kommandieren,  freilich  ein  Versuch,  der  selten  gelingt.  Den  nervösen 
Lehrer  regt  schon,  was  ja  gewifs  ganz  unnatürlich  ist,  die  blolse 
Nähe  der  Schuljugend  auf;  er  mufs  sohlieMich  eine  andere  Umgebung 
aufsuchen,  in  einer  anderen  Atmosphäre  gesunden.  Sicherlich  ist 
die  Gefahr  nervöser  Überreizung  in  kleinen  Klassen  geringer  als  in 
grofsen,  wo  dann  die  liebe  Schuljugend  so  recht  Gelegenheit  findet, 
den  angeärgerten  Lehrer  ungestraft  noch  weiter  in  Aufregung  zu  ver- 
setzen. Selbst  bei  Entdeckung  der  Bösewichter  sind  ja  die  Macht- 
mittel der  Schule  leider  so  gering ;  denn  die  allein  in  Frage  kommende 
körperliche  Züchtigung  (?  D.  Ked.)  bei  offenbaren  Bosheiten  ist  doch 
ein  so  zweischneidiges  Schwert  geworden,  daüs  der  Entschlufs  zu  ihrer 
Anwendung  in  vielen  Fällen  wider  grundsätzliches  Wollen  gefalst 
wird,  n^^^  haben  unsere  Lehrer  auch  geärgert ;  das  ist  nicht  anders 
in  der  Jugend",   sagt  wohl  manch  Erwachsener.     Gewils,   das  soll 


619 

zugestanden  werden;  aber  der  unterschied  ist  der:  Dassomal  gab  es 
eine  gehörige  Traeht  Prügel,  nnd  die  Schuld  war  gesühnt;  heute 
bleibt  die  Sühne  leider  oft  aus,  weil  ^der  Zeitgeist  alles  zu  ent- 
schuldigen sucht  oder  den  durchtriebenen  Schlingel  mit  schönen 
Worten  zu  bessern  hofiFt. 

Bei  gro/sen  Klassen  ist  sodann  der  Lehrende  in  die  Notlage 
yersetzt,  seine  Stimme  übermtt&ig  anzustrengen,  was  unter  umständen 
Erkrankungen  des  Hialses  herbeiführen  kann. 

Dals  die  Luft  in  einem  Baume  mit  yielen  Kindern  recht  schlecht 
werden  muTs,  wird  auch  dem  Laien  einleuchten.  Die  Ventilation  — 
oft  nicht  Yorhanden  —  muis  in  diesem  Falle  schon  sehr  zweckmft&ig  ein- 
gerichtet sein,  wenn  sie  einigermafsen  für  die  Luftemeuerung  wirksam 
werden  soll.  Es  ist  furchtbar,  was  für  Dünste  man  in  einer  über- 
füllten Schulklasse  manchmal  einatmen  muis;  solange  man  in  der 
£llasse  unterrichtet,  merkt  man  es  kaum,  um  so  mehr  beim  Verlassen 
des  Zimmers.  Vieles  tragen  hierzu  auch  die  Garderobenstücke  der 
Kinder  bei,  die  bei  uns  wenigstens  nur  in  wenigen  Schulen  in  ge- 
sonderten Bäumen,  yielleicht  auf  dem  Korridor,  untergebracht  sind. — 
In  kleinen  Klassen  kann  sich  der  Lehrer  —  und  gerade  beim  Volks- 
schullehrer ist  das  von  immenser  Wichtigkeit  —  viel  mehr  um  die 
Sauberkeit  jedes  Kindes  kümmern,  damit  nicht  die  Köpfe  Herbergen 
für  Parasiten  werden  oder  yon  Schmalz  und  Öl  aller  Art  starren. 
Der  eine  Schüler  kann  nicht  begreifen,  wozu  er  seine  Mutter  um 
ein  Taschentuch  quälen  soll,  solange  er  noch  Jackenärmel  hat,  und 
der  andere  hält  seine  Schulmappe  fiir  wie  dazu  geschaffen,  seine  täg- 
lichen Schmalzstullenreste  liebevoll  aufzusammeln. 

Von  den  514  Mädchen  der  schon  genannten  Volksschule  in  S. 
waren  33  kurzsichtig  und  19  schwerhörig.  Wohl  ohne  Ausnahme 
besteht  die  Gepflogenheit,  solche  Schüler  in  die  yorderste  Bank  zu 
setzen.  Bei  manchen  Kindern  ist  jedoch  die  Abnormität  genannter 
Sinneswerkzeuge  so  groüs,  dals  sie  selbst  dann  den  Mangel  nicht  aus- 
zugleichen yermögen,  abgesehen  davon,  dafs  den  Schwerhörigen  vieles, 
was  die  Eander  vorlesen  und  vorsprechen,  verloren  geht.  In  kleinen 
Klassen  wird  sich  der  Lehrer  diesen  Kindern  mehr  als  sonst  in  be- 
sonderer Weise  widmen  können.  Schüler  und  Schülerinnen  der  oberen 
Plätze  versuchen  oft,  ihre  Gebrechen  als  geringfügig  oder  gar  nicht 
vorhanden  hinzustellen,  um  nicht  den  ehrenvollen  Platz  aufgeben  zu 
müssen.  Sogar  den  einsichtigeren  Eltern  muis  man  mitunter  erst 
klar  machen,  dafs  es  doch  das  gröfsere  Übel  wäre,  wenn  ihre  Kinder 
überhaupt  im  Lernen  zurückblieben.  Den  unentdeckten  Schwerhörigen 


620 

und  Sohwaohsichtigen  werden  groijse  Klassen  bei  weitem  naohteiliger 
als  kleine. 

Hier  nnd  da  stellt  man  in  Schnlen  gröberer  Systeme  Probe- 
alarmiemngen  an,  nm  bei  Ansbrnob  ,  eines  Feners  in  der  sobnellen 
LeemDg  der  Klassen  geübt  zn  sein.  „In  nur  drei  Minuten  in  yollster 
Ordnung  geräumt!^  verkündet  der  Sobnlleiter.  loh  will  niemandem 
seinen  gnten  Glauben  rauben,  behaupte  aber,  dals  im  Falle  tatsäch- 
licher Gefahr  alles  anders  kommt.  Wer  schon  einmal  eine  Panik 
in  einem  Schulhause  erlebt  hat,  oder  wer  blois  an  die  Vorgänge  bei 
Bränden  überhaupt  denkt,  der  wird  mir  beipflichten.  Zum  Glück 
kommen  Schulhausbrände  am  Tage  fast  gar  nicht  vor,  und  in  der 
Nacht  sind  sie  nicht  selten  eine  Wohltat.  Auch  im  Falle  einer 
plötzlichen  Gefahr  wird  die  mäfsig  besetzte  Klasse  der  überfüllten 
gegenüber  im  Vorteil  sein,  mehr  vielleicht  als  die  alarmgeübte  gegen- 
über der  nicht  alarmierten.  Allerdings  ist  auch  die  reichliche  An- 
häufung von  Klassenzimmern  in  einem  vielstöckigen  Gebäude,  das 
Streben  nach  Zentralschulhäusern,  eine  bedenkliche  MaiSsnahme;  sie 
wird  aber  durch  Rücksichtnahme  auf  die  hohen  Bodenwerte  —  nament- 
lich in  Grofsstädten  — ,  auf  Vereinfachung  und  Verbilligung  des 
Baues,  auf  die  SchulleituDg  und  andere  Faktoren  leider  oft  diktiert 

In  den  ünterrichtspausen  kann  trotz  geführter  Aufsicht  mitunter 
der  jugendliche  Übermut  platzgreifen  und  sich  im  Umhertollen  be- 
tätigen, wobei  eine  herabfallende  Schultafel,  ein  fallender  Karten- 
ständer, eine  Bankecke  oder  sonst  etwas  einen  körperlichen  ün£all 
herbeiführen  kann.  Die  in  den  kleinen  Klassen  viel  leichter  aufrecht 
zu  erhaltende  Disziplin  wird  auch  auf  die  Pausen  nachhaltig  wirken 
und  vor  Ausschreitungen  genannter  Art  eher  bewahren,  noch  zumal 
der  Anstifter  nicht  so  leicht  im  Haufen  verschwindet. 

Die  Kinderkrankheiten,  Masern,  Diphtherie,  Scharlach  etc., 
werden  dem  jugendlichen  Alter  vornehmlich  mit  Beginn  des  Schul- 
besuchs verderblich.  Die  Schule  kann  als  Verbreiterin  des  An- 
steckungsstoffes auftreten  derart,  dafs  mitunter  behördlich  der  Schul- 
schlufs  angeordnet  werden  mufs.  Die  Ansteckung  findet  fast  immer 
innerhalb  der  einzelnen  Klassen  statt,  so  dais  Klassen  mit  gleichen 
Altersstufen  oft  eine  erhebliche  Differenz  in  den  Prozentsätzen  ihrer 
Kranken  zeigen.  Jedes  Kind  einer  Klasse  muJs  nun  die  Zahl  der 
Ansteckungsmöglichkeiten  um  eine  vermehren.  Aber  auch  die 
Wahrscheinlichkeit  der  Ansteckung  steigt,  da  in  gröiseren  Klassen 
die  Kinder  enger  sitzen  und  vielfacher  miteinander  in  Berührung 
kommen. 


621 

In  dem  Mafse  der  Elassenfüllimg  wird  anoh  die  Menge  des  ein- 
geschleppten Stralsensohmutzes  wachsen.  Er  bedeckt  demnächst  als 
Stanb  Dielen,  Tische  nnd  Schränke  nnd  belästigt  Lehrer  nnd  Schüler 
nicht  znm  Vorteile  von  Sauberkeit  und  Gesundheit.  In  Bücksicht 
auf  eine  verringerte  Staubbildung  und  verminderte  Erkrankungsgefethr 
wird  die  Reduktion  der  Klassenbestände  mit  Freuden  begrtüst  werden. 

Alles  in  allem,  jeder  Lehrer»  der  einmal  in  überfüllten  Ellassen 
die  unterrichtlichen,  erziehlichen  und  hygienischen  Schwierigkeiten 
kennen  gelernt  hat,  wird  die  weitgehenden  Vorzüge  kleiner  Schul- 
klassen zu  schätzen  wissen,  und  jede  Gemeinde,  die  für  kleine  Elassen- 
bestände  Sorge  trägt,  handelt  im  vielseitigen  Interesse  der  heran- 
wachsenden Generation.  Die  allgemeine  Volksschule,  die  bei  uns 
nur  eine  Frage  der  Zeit  sein  dürfte,  wird  sicherlich  auch  auf  die 
Vermehrung  der  Schulklassen  und  auf  einen  hygienischen  Ausbau 
unseres  Schulwesens  fördernd  einwirken,  weil  alsdann  weitere  und 
vor  allen  Dingen  die  gebildeteren  und  einsichtsvolleren  Kreise  unseres 
Volkes  zu  einem  erhöhten  Interesse  für  die  Verhältnisse  der  Volks- 
schule genötigt  sein  werden. 


Ein  Beitrag  zur  Frage  fiber  die  Anwendung  der  staubbindenden 

Fu&bodenöle  für  Schnlräume. 

Von 

H.    SCHMEEL, 
Oberlehrer  der  Mittelschule  für  Mädchen  zu  Darmstadt. 

Bei  allen  denen,  welche  bis  jetzt  Erfahrungen  mit  dem  Dustlessöl, 
das  von  allen  staubbindenden  Ölen  in  erster  Linie  in  Betracht  kommt, 
zu  machen  Gelegenheit  hatten,  herrscht  darüber  vollkommene  Über- 
einstimmung, daüs  in  ihm  endlich  ein  Mittel  gefunden  worden  ist, 
welches  in  einer  geradezu  staunenerregenden  Weise  den  Staub  wirklich 
bindet  und  die  Staubentwicklung  auf  das  geringste  Mais  beschränkt. 
Die  Ergebnisse  der  exakten  Versuche,  welche  B.£I0HENBACH  in  No.  7 
dieser  Zeitschrift,  Jahrgang  1902,  veröffentlichte,  bestätigten  das  nur, 
was  schon  der  blolse  Augenschein  lehrt,  daCs  nämlich  auf  einem  nicht 
geölten  Fufsboden  der  Staub  bei  jedem  Besenstrich  in  einer  mäch- 
tigen Wolke  emporwirbelt,  während  auf  einem  geölten  und  noch  ge- 
nügende Feuchtigkeit  besitzenden  Boden  von  einer  Staubbildung  so 


622 

gut  wie  nichts  wahrznnelimeii  ist.  Darum  gebietet  es  auch  allein 
schon  die  Bücksicht  auf  die  Gesundheit  des  Schuldieners  oder  Pedellen 
und  der  anderen  mit  der  regelmäfsigen  Reinigung  der  Sohulräume 
betrauten  Personen,  dafs  der  weitgehendste  Grebrauoh  von  den  staub- 
bindenden  Ölen  gemacht  wird.  In  der  Tat  denkt  man  auch  in  der 
Begel  in  erster  Linie  an  diese  die  Reinigung  der  Sohulräume  weniger 
gesundheitsschädlich  machende  und  nebenbei  bedeutend  erleichternde 
Wirkung  des  Dustlessöls  gegenüber  der  Anwendung  von  Sägespänen 
und  dergleichen  Mitteln.  Weniger  deutlich  ist  man  sich  dagegen 
meiner  Erfahrung  nach  des  Vorteils  bewufst,  welchen  der  Ölanstrich 
für  die  die  ünterrichtsräume  benutzenden  Personen,  also  für  die 
Lehrer  und  Schüler,  besitzt.  Und  doch  ist  gerade  diese  Frage  von 
der  gröJsten  Bedeutung;  denn  es  ist  nicht  einerlei,  ob  wir  uns  in 
einer  nach  Möglichkeit  staubfrei  gemachten  Luft  vier  bis  sechs 
Stunden  am  Tage  aufhalten,  oder  ob  wir  unser  Tagewerk  in  einem 
Baume  zu  verrichten  haben,  von  dem  wir  wissen,  obgleich  wir  es 
nur  beim  hellsten  Sonnenschein  wahrzunehmen  vermögen,  da/s  er  mit 
Staub  von  allerlei  Herkunft  erfüllt  ist. 

Die  Ergebnisse  nun,  welche  Rbichenbagh  in  Beziehung  auf 
diesen  Punkt  in  der  dritten  Tabelle  des  angezogenen  Aufsatzes  ver- 
ö£Fentlichte,  sprechen  zwar  zu  Grünsten  des  Dustlessöls,  jedoch 
lange  nicht  in  dem  Mafse,  wie  die  Zahlen,  welche  die  beim 
Kehren  der  Bäume  aufgefangenen  Staubmengen   veranschaulichen. 

Für  die  Leser,  welche  nicht  in  der  Lage  sind,  jene  Zahlen  im 
Original  nachzusehen,  lassen  wir  sie  hier  nochmals  im  Auszug  folgen. 
Es  wurden  in  dem  Auditorium  I  mit  geöltem  Fuisboden  nach  Ablauf 
einer  gewissen  Zeit  auf  den  ausgelegten  Platten  gefunden:  240,  134, 
153  und  86  Keime  gegen  360,  186,  173  und  181  in  dem  Audi- 
torium III  mit  nicht  geöltem  Fuisboden. 

Im  Hinblick  auf  diese  Zahlen  möchte  ich  der  Meinung  Aus- 
druck verleihen,  dafs  sich  meinen  Erfahrungen  nach  die  Wirkung 
des  Dustlessöls  während  der  Unterrichtszeit  in  den  bei  weitem  meisten 
Fällen  sicherlich  in  viel  höherem  Mafse  geltend  macht,  als  dies  nach 
den  KfiiGHENBACHschen  Feststellungen  erwartet  werden  kann. 

Zunächst  besteht  ein  grofser  Unterschied  darin,  ob  sich  in  dem 
Schulgebäude  nur  Erwachsene  oder  Kinder  bewegen,  femer  —  ob 
es  männliche  Personen  sind  oder  weibliche,  mit  zum  Teil  schon  den 
Boden  berührenden  Kleidern,  und  endlich  —  ob  sich  in  dem  Hause 
500,  800  oder  gar  ]  000  und  noch  mehr  Kinder  in  verhältnismäfsig 
engen  Räumen,  wie  Sälen,  Treppen  und  Gängen,  zusammendrängen. 


628 

oder  ob  ein  ebenso  geräumiges  Hans  von  bedeutend  weniger  Menschen 
benutzt  wird.  Letzteren  Fall  aber  haben  wir  meines  Eraohtens  in 
den  Beispielen  vor  uns,  welche  uns  Beiohenbaoh  gibt;  denn  in  dem 
einen  Saal  zählte  er  28  und  in  einem  zweiten  Saal  gar  nur  17  Hörer, 
während  in  Sohulsälen  von  76  qm  Bodenfläche  50,  60,  70  und  noch  mehr 
Kinder  untergebracht  werden  müssen.  Wenn  man  sich  nun  die  Auhe 
vergegenwärtigt,  welche  während  einer  Vorlesung  herrscht,  und 
andererseits  an  die  Bewegungen  denkt,  welche  eine  Kinderschar 
selbst  während  des  Unterrichts  ausführt,  teils  infolge  der  natürlichen 
Unruhe  der  Kinder,  teils  bedingt  durch  das  Unterrichtsverfahren, 
das  bald  das  Erheben  und  wieder  Setzen  der  ganzen  Klasse,  bald, 
und  zwar  fortwährend,  dasselbe  von  einzelnen  Schülern  verlangt,  wozu 
noch  das  schnelle  und  flüchtige  Heraustreten  einzelner  oder  mehrerer 
Schüler  zugleich  an  die  Wandtafel  oder  die  Wandkarte  kommt,  so 
muis  ohne  weiteres  einleuchten,  dals  unter  diesen  Verhältnissen  der 
Staub  auf  dem  Fufsboden  in  ganz  anderer  Weise  in  seiner  Buhe 
gestört  wird,  als  da,  wo  ein  Saal  nur  von  einer  geringen  Zahl 
erwachsener  Schüler  oder  Studenten  besetzt  ist. 

Wenn  nun  gar  die  Insassen  des  Schulsaales  halberwachsene 
Mädchen  sind  mit  weit  herunterreichenden  Kleidern,  so  wird  bei 
jeder  einigermafsen  lebhaften  Bewegung,  also  beim  Aufstehen  und 
Niedersitzen,  beim  Hin-  und  Hereilen  zwischen  den  Bankreihen  u.  s.  w. 
jedesmal  eine  so  starke  Luftbewegung  hervorgerufen,  dais  der  Staub 
an  den  betreffenden  Stellen  des  Fulsbodens  unbedingt  aufgewirbelt 
wird.  Es  konnte  darum  auch  gar  nicht  ausbleiben,  dals  wir  vor 
Anwendung  des  Dustlessöls  in  unserer  Schule  schon  nach  Verlauf 
von  zwei  und  drei  Stunden  auf  den  schwarzlackierten  Tischen  und 
Pultplatten  eine  graue  Staubschicht  liegen  sahen,  die  uns  hinlänglich 
Gelegenheit  zu  Schreibübungen  bot.  Um  unter  diesen  Umständen 
bei  dem  Beginn  des  Nachmittagsunterrichts  einigermafsen  saubere 
Schulgeräte  zu  haben,  war  die  Frau  des  Schuldieners  genötigt,  in 
der  Mittagszeit  sämtliche  Säle  mit  dem  Wischtuch  in  der  Hand  zu 
durchwandern  und  den  Staub  wenigstens  von  dem  Lehrerpult  zu  be- 
seitigen. Wir  Lehrer  an  Mädchenschulen  haben  es  deshalb  mit  be- 
sonderer  Freude  zu  begrüfsen,  dafs  die  Stadtverwaltungen  die  nicht 
unerheblichen  Kosten  daran  wenden,  um  die  Staubentwicklung  nach 
Möglichkeit  zu  bekämpfen,  und  zwar  einmal  aus  gesundheitlichen, 
zum  anderen  aber  auch  aus  erziehlichen  G-ründcD. 

Mit  Zahlen  kann  ich  nach  dieser  Bichtung  hin  nun  persönlich 
nicht  dienen,  allein  ich  bin  dessen  sicher,  dafs  exakte  Versuche,  wie 


624 

sie  Reichekbach  beschreibt,  und  unter  Verhältnissen  angestellt,  wie 
ich  sie  geschildert  habe,  die  Tatsachen  der  Erfahrung  nur  bestätigen 
würden.  Wir  Lehrer  aber  müssen  grofsen  Wert  darauf 
legen,  dafs  der  Wert  des  Dustlessöls  als  eines  Mittels, 
der  Staubentwicklung  unter  allen  Umständen,  besonders 
auch  während  des  Unterrichts,  entgegenzuwirken,  ziffer- 
mäfsig  recht  bald  nachgewiesen  werde;  es  wäre  sonst  nicht 
ausgeschlossen,  dafs  der  immerhin  ganz  erheblichen  Kosten  wegen 
seine  Anwendung  dennoch  eingestellt  würde,  und  zwar  ist  dies  um 
so  mehr  zu  befürchten,  als  die  von  Reichei^bagh  gefundenen  Zahlen 
eine  gewisse  Berechtigung  dazu  geben  würden.  Durch  diese  Zeilen 
möchte  ich  nun  dazu  berufene  und  befähigte  Kräfte  veranlassen,  so 
bald  wie  möglich  ihre  Untersuchungen  in  vollbesetzten  Schulklassen, 
vor  allem  in  Mädchenklassen,  anzustellen  und  deren  Ergebnisse 
weiteren  Kreisen  zugänglich  zu  machen.  Dafs  sie  zu  Gunsten  der 
staubbindenden  Öle  ausfallen  werden,  läist  mich  auch  die  Bemerkung 
jener  Stettiner  Lehrerin  erhoffen,  die  da  meinte,  sie  habe  noch  nie 
in  solch  staubfreien  Zimmern  unterrichtet,  wie  in  solchen  mit  geölten 
Fuisböden  (s.  diese  Zeitschrift  1902,  No.  7).  Dieses  BewuÜstsein  ist 
es  auch,  welches  meine  Lehrerinnen,  deren  ich  19  zähle,  die  leider 
nicht  wegzuleugnende  Tatsache  erträglich  finden  läfst,  dafs  die  Kleider 
auf  den  frisch  gestrichenen  Fufsböden  ölfieckig  werden.  Dm  diesem 
Übelstand  übrigens  soweit  als  möglich  zu  begegnen,  lasse  ich  die 
Fläche,  anf  welcher  der  Lehrerinnenstuhl  aufgestellt  wird,  nicht  mehr 
streichen,  so  dafs  allenfalls  nur  noch  der  Saum  eines  nicht  fuisfreien 
Elleides  befleckt  werden  kann. 

II. 

Meine  zweite  Bemerkung,  die  ich  im  Interesse  der  guten  Sache 
zu  machen  nicht  unterlassen  will,  bezieht  sich  auf  einen  sowohl  von 
Bjqichenbach  als  auch  von  Rühl  in  dem  angezogenen  Aufsatz  be- 
rührten Mifsstand,  den  die  Anwendung  der  staubbindenden  Öle 
im  Gefolge  haben  soll.  Jener  behauptet,  der  geölte  Fufsböden  be- 
komme mit  der  Zeit  durch  den  sich  auf  der  Ölschicht  festsetzenden 
Schmutz  ein  schlechtes,  weil  unsauberes  Aussehen,  und  Bühl  hat 
weiter  gehört,  daCs  sich  diese  Schmutzkruste  nur  unter  Anwendung 
von  Stahlbürsten  mit  ziemlicher  Mühe  entfernen  lasse.  Ich  bin  dem- 
gegenüber der  Meinung,  dafs  man  es  zu  einer  solchen  Krusten- 
bildung überhaupt  nicht  kommen  lassen  darf;  dabei  blicke 
ich  auf  eine  dreijährige  Erfahrung  zurück.     Im  Januar  1900  wurde 


625 

nämlioli  der  erste  Versnob  mit  Dostlessöl  in  meiner  Schnle  gemacht, 
indem  ein  Saal  probeweise  damit  gestrichen  wnrde.  Diese  Probe, 
sowie  alle  diejenigen,  welche  zu  gleicher  Zeit  in  den  anderen  hie- 
sigen Schnlhänsem  angestellt  worden,  fielen  so  günstig  aas,  dafs  die 
bis  dahin  übliche,  jährlich  einmal  erfolgende  Tränknng  der  Fnisböden 
mit  gewöhnlichem  Leinöl  in  Wegfall  kam  nnd  an  ihre  Stelle  der 
Anstrich  mit  Dostlessöl  trat.  Die  eingeholten  Gutachten  ergaben 
jedoch,  dafs  ein  einmaliger  Anstrich  für  ein  Jahr  nicht  ausreichend 
sei,  und  so  wurde  deun  im  Jahre  1902  eine  zweimalige  Ölung  vor- 
genommen, und  zwar  erfolgte  die  erste  im  Monat  Juli  während  der 
Sommerferien  und  die  zweite  im  Oktober  zur  Zeit  der  Herbstferien. 
Trotz  des  dreimaligen  Anstrichs  sämtlicher  Böden  ist  aber  eine 
Krustenbildung  nicht  zu  stände  gekommen.  Dies  erklärt  sich  daraus, 
dais  die  Fnisböden,  wie  es  die  Dienstordnung  für  die  Schuldiener 
von  jeher  vorschreibt,  jährlich  drei-  oder  viermal  mit  Wasser  gründ- 
lich gereinigt  wurden.  Bei  dieser  Arbeit  wird  heifses  Wasser 
verwendet,  dem  etwas  Soda  oder  Seifenpulver  oder  Waschbrühe, 
wenn  sie  in  der  Haushaltung  des  Schuldieners  gerade  vorhanden  ist, 
zugesetzt  wird.  Jeder  Zug  mit  dem  guten  und  festaufgelegten  Wisch- 
tuch nimmt  alles,  was  auf  dem  Boden  haftet,  unbedingt  mit  fort, 
freilich  auch  den  letzten  Best  des  noch  auf  der  Oberfläche  der  Dielen 
vorhandenen  Öls,  so  daJB  nach  erfolgter  Reinigung  von  einer  Staub* 
bindung  nicht  mehr  die  Bede  sein  kann.  Allein  der  Schaden  ist 
nicht  so  groüs,  wie  es  auf  den  ersten  Blick  scheinen  könnte,  und 
mehr  als  reichlich  wird  er  durch  den  Vorteil  aufgewogen,  den  ein 
sauberer  Fnisböden  in  erziehlicher  Hinsicht  für  unsere  Schülerinnen 
hat.  Zahlen  mögen  als  Beweis  dienen.  Im  Juli  1902  bedurften 
wir  zur  Erneuerung  des  Anstrichs,  der  genau  ein  Jahr  vorher  zum 
letzten  Male  ausgeführt  worden  war,  von  dem  also  so  gut  wie  nichts 
mehr  vorhanden  war,  180  Kilo  Ol.  Bei  dem  im  Oktober  darauf 
erfolgten  Anstrich  reichten  wir  dagegen  schon  mit  80  Kilo  aus, 
trotzdem  die  beschriebene  Wasserbehandlung  der  Arbeit  voraus- 
gegangen war. 

Ich  kann  hiemach  nur  dazu  raten,  unser  Verfahren  mindestens 
einmal  zu  versuchen.  In  ihm  erblicke  ich  ein  sehr  einfaches  Mittel, 
die  hälsliche  Kjustenbildung  im  Keime  zu  ersticken  und  beträcht- 
liche Ausgaben  für  deren  endliche  Beseitigung  zu  ersparen. 

Was  aber  den  ajlenfallsigen  Mehraufwand  an  Öl  betriffb,  so 
kommt  derselbe,  wie  schon  angedeutet,  der  Schule  direkt  zu  gute, 
und  damit  komme  ich  noch  kurz  auf   die  Zeit  zu  sprechen,    für 


626 

welche  sieh  der  Olanstrich  wirklich  in  bemerkbarer  Weise 
erweist.  Nach  unserer  Erfahrung  sind  es  in  vollbesetzten  Klassen,  also 
solchen  mit  50  bis  60  Schülern,  höchstens  zehn  Wochen.  Nach 
Verlauf  dieser  Zeit  müssen  beim  Kehren  der  Säle  schon  wieder 
feuchte  Sägespäne  gestreut  werden,  um  den  Staub  niederzuhalten. 
Bei  40  Schulwochen  im  Jahre  wäre  mithin  ein  viermaliger  Anstrich 
erforderlich.  Der  erste  hätte  also  in  den  Osterferien  oder  im  Monat 
April  zu  erfolgen,  der  zweite  in  den  Sommerferien  oder  im  Juli, 
der  dritte  in  den  Herbstferien  oder  im  Oktober  und  der  letzte  in 
den  Weihnachtsferien  oder  Ende  Dezember.  Die  von  mir  angegebene 
Wirkungsdauer  weicht  wesentlich  von  dem  ab,  was  Reighenbach 
und  andere  gefunden  haben,  allein  es  ist  immer  wieder  daran  zn 
erinnern,  daJs  unsere  Säle  der  Abnutzung  in  bedeutend  stärkerem 
Mafse  ausgesetzt  sind,  als  die  Fufsböden  in  den  Bäumen,  in  welchen 
diese  Männer  ihre  Beobachtungen  angestellt  haben. 


Zur  Statistik  der  Nervosität  bei  Lehrern. 

I.  Beitrag. 
Von 

Dr.  Ralf  Wichmann, 

Nervenarzt  in  Bad  Harzburg. 

Vor  einem  Jahre  wurde  ich  durch  die  bekannte  Statistik  des 
Herrn  Prof.  Zimmeb  über  die  Häufigkeit  des  Vorkommens  von 
Geisteskrankheit  bei  Lehrerinnen  veranlafst,  mittels  Fragebogen  eine 
Umfrage  über  die  Nervosität  bei  Lehrern  und  Lehrerinnen  in  Deutsch- 
land anzustellen.  Zu  dem  Zwecke  versandte  ich  10000  Fragebogen 
an  Lehrerinnen  resp.  Lehrerinnenvereine  zur  Verteilung  und  ver- 
ö£Pentlichte  einen  Fragebogen  in  den  Fachzeitschriften  der  Lehrer. 
Bei  dem  Vorstande  des  Deutschen  Volksschullehrervereins,  Herrn 
CiiAUSNiTZBB,  fand  ich  dabei  gröfstes  Entgegenkommen.  Ich  be- 
nutze deshalb  diese  Gelegenheit,  dem  genannten  Herrn  dafür  bestens 
zu  danken.  Dagegen  verhielt  sich  der  Vorstand  des  Deutschen 
Lehrerinnenvereins  in  Berlin  vollständig  ablehnend  und  untersagte 
den  einzelnen  Lehrerinnenvereinen,  aus  Furcht  vor  einem  ungünstigen 
Ergebnis  der  Untersuchung,   die  Verteilung   und  Beantwortung  der 


627 

Fragebogen.  Trotz  dieses  gegensätzlichen  Verhaltens  seitens  des 
Vorstandes  des  Deutschen  Lehrerinnenvereins  sind  mir  von  circa 
800  Lehrerinnen  Antworten  zugeschickt  worden.  Von  den  Lehrern 
habe  ich  305  Antworten  erhalten.  Ich  danke  bei  dieser  Gelegenheit 
denjenigen  Lehrern  und  Lehrerinnen,  welche  mir  ihre  beantworteten 
Fragebogen  sandten,  und  will  nunmehr  die  statistischen  Ergebnisse 
mitteilen,  welche  jene  305  Antworten  der  Lehrer  geliefert  haben. 
Vielleicht  wird  hierdurch  eine  grö&ere  Statistik  später  einmal  von 
anderer  Seite  angeregt. 

Der  Fragebogen,  mit  welchem  ich  mich  in  No.  8  der  „P&2a- 
gogischen  Zeitung'^  vom  20.  Februar  1902  an  die  Lehrer  wandte, 
lautet  folgendermaisen: 

Fragebogen. 

(Die  den  Fragen  entsprechend  numerierten  Antworten  bittet 
Dr.  med.  B.  Wighmann,  Nervenarzt  in  Harzburg,  im  frankierten 
Briefe  an  ihn  zu  senden.) 

1.  Konfession?  2.  Verheiratet?  3.  Sind  oder  waren  Nerven- 
oder Geisteskrankheiten  a)  bei  Ihrem  Vater?  b)  bei  Ihrer  Mutter 
c)  bei  Ihren  Geschwistern?  4.  Waren  Sie  bis  zu  Ihrem  Lehrer- 
examen gesund?  Eventuell  woran  litten  Sie?  5.  Litten  Sie  vor 
oder  während  des  Lehrerezamens  an  nervösen  Beschwerden?  6.  Wie 
alt  waren  Sie  bei  beendigtem  Lehrerezamen?  7.  Blieben  Sie  nach 
dem  Lehrerezamen  bis  jetzt  dauernd  gesund?  Eventuell  a)  woran 
erkrankten  Sie?  b)  Wie  lange  Zeit  nach  dem  Ezamen?  8.  Haben 
Sie  für  Angehörige  mit  zu  sorgen?  9.  Wie  lange  sind  Sie  im 
Schuldienst  (öffentlichen  und  privaten)?  oder  erteilen  Sie  nur  Privat- 
unterricht? 10.  Wie  viel  Stunden  Privatunterricht  erteilen  Sie  jetzt 
wöchentlich  neben  Ihrem  Schulunterricht?  11.  Wie  viel  Kinder 
haben  Sie  seit  Ihrer  Anstellung  im  Durchschnitt  in  der  Klasse 
unterrichtet?  12.  Wie  viel  Zeit  verwenden  Sie  täglich  auf  Korrek- 
turen und  Schulvorbereitung?  13.  Wie  viel  Stunden  würden  Sie 
täglich,  ohne  selbst  zu  ermüden,  dauernd  unterrichten  können? 
14.  Haben  Sie  die  Ferien  bereits  ein-  oder  mehrmals  aus  Gesund- 
heitsrücksichten verlängern  lassen  müssen?  15.  Haben  Sie  den 
Unterricht  wegen  nervöser  Beschwerden  aussetzen  müssen?  16.  Leiden 
Sie  an  Angstzuständen?  Zwangsgedanken?  Kopfdruck?  Herz- 
klopfen? 17.  Haben  Sie  sonst  Vorschläge  oder  Mitteilungen  zu 
machen  ? 

Wohnort :  Name : 


628 

Die  305  Lehrer,  welche  diesen  Fragebogen  beantworteten,  ver- 
teilen sich  über  ganz  Deutschland.  Ein  Fragebogen  ist  nur  sehr 
unvollständig  beantwortet,  indem  er  nur  die  eine  Frage  17  zum 
Gegenstande  hatte. 

Der  Konfession  nach  verteilen  sich  die  305  Antworten  auf 
Protestanten  (evangelische,  lutherische  und  refor- 
mierte zusammen  genommen) 243 

Elatholiken 57 

Israeliten 4 

Ohne  Angabe 1 

Von  den  305  Lehrern  sind  250  verheiratet,  davon  6  verwitwet, 
und  53  sind  ledig.  In  2  Fällen  wurde  nichts  hierüber  angegeben. 
Yon  den  305  Lehrern  sind  ganz  gesund  46,  also  15  %.  Als  krank 
sind  also  259  oder  85%  zu  betrachten. 

A.   Die  46  gesunden  Lehrer. 

Die  46  gesunden  Lehrer  verteilen  sich  auf  die  einzelnen  Kon- 
fessionen wie  folgt: 

Protestanten  . .   31 

Katholiken  ...    15 

Israeliten 0 

Von  ihnen  sind  37  verheiratet,  darunter  zwei  verwitwet.  Unter  den 
4^  Lehrern  kommen  Nerven-  oder  Geisteskrankheiten  in  der  Familie 
vor  1  mal  bei  beiden  Eltern,  4  mal  bei  Geschwistern.  Von  den 
46  Lehrern  hatten  6,  d.  i.  13%,  vor  ihrem  Lehrerexamen  schwerere 
Krankheiten  durchgemacht^  nämlich  Gehirn-  und  Brustentzündung 
vor  dem  7.  Lebensjahre;  Brustfellen tzündung;  Typhus;  Lungen- 
entzündung und  Kinderkrankheiten;  Fufsgeschwulst.  Bei  40  von 
ihnen  ist  angegeben,  dafs  sie  bis  zu  ihrem  Lehrerezamen  gesund 
waren.  43  ==•  94%  gaben  an,  dafs  sie  vor  und  während  des 
Lehrerexamens  nicht  an  nervösen  Beschwerden  gelitten  haben.  Von 
den  übrig  bleibenden  drei  ist  folgendes  zu  sagen.  In  den  Familien 
dieser  drei  sind  Nerven-  oder  Geisteskrankheiten  nicht  vorgekommen. 
Der  erste  von  ihnen  schreibt:  „Während  meiner  Studienzeit  litt  ich 
mitunter  an  einseitigem  Kopfschmerz.  Dieser  trat  dann  ein,  wenn 
ich  mich  abends  überarbeitete.  Es  folgte  dann  in  der  Hegel  eine 
schlaflose  Nacht  und  am  folgenden  Morgen  einseitiger  Kopfschmerz. 
Dieser  hielt  den  ganzen  Tag  an  und  wich  erst  nach  einer  guten 
Nacht.  Seitdem  ich  Lehrer  bin,  hat  sich  mein  Körperzustand  der- 
artig gebessert,  dafs  ich  auch  abends  angestrengt  arbeiten  kann,  ohne 


629 

dalfl  das  Leiden  auftritt^.  Er  gibt  deshalb  an,  daiÜs  er  nach  dem 
Lehrerexamen  bis  jetzt  dauernd  gesnnd  geblieben  ist.  Er  ist  seit 
13  Vs  Jakren  im  Sohnldienst  angestellt,  ledig,  hat  für  Angehörige 
nicht  zu  sorgen,  erteilt  4  Stunden  Privatunterricht^  unterrichtet 
60  Kinder  im  Durchschnitt,  bereitet  sich  Vt  Stunde  täglich  vor, 
glaubt  täglich  6  Stunden,  ohne  zu  übermüden,  Unterricht  erteilen  zu 
können  und  hat  nie  den  Unterricht  aus  Gesundheitsgründen  aus- 
gesetzt. —  Der  zweite  gibt  an:  „Seit  bestandeDem  Typhus  Anlage 
zu  starken  Kopfschmerzen,  die  sich  heftig  zeigten  bei  der  Vor- 
bereitung zum  Examen **.  Er. ist  seit  dem  Lehrerexamen  gesund; 
seit  6  Jahren  im  Schuldienst  angestellt,  verheiratet,  muls  für 
Angehörige  sorgen,  gibt  3  Stunden  Privatunterricht,  unterrichtet 
50  Kinder,  bereitet  sich  2  Stunden  lang  täglich  für  die  Schule  vor, 
glaubt  3  Stunden  ohne  Übermüdung  geben  zu  können  und  hat  den 
Unterricht  aus  Gesundheitsrücksichten  noch  nicht  ausgesetzt.  —  Der 
dritte  Lehrer  schreibt  auf  die  Frage:  Litten  Sie  vor  oder  während 
des  Lehrerexamens  an  nervösen  Beschwerden?  einfach  „ja".  Er 
bejaht  aber  die  weitere  Frage:  Blieben  Sie  nach  dem  Lehrerexamen 
bis  jetzt  dauernd  gesund?  und  hat  auch  bei  Frage  16  nicht  über 
Angstzustände,  Zwangsgedanken,  Kopfdruck  und  Herzklopfen  zu 
klagen.  Er  ist  verheiratet,  hat  aber  nicht  für  weitere  Angehörige 
zu  sorgen;  ist  seit  6  Jahren  im  Schuldienst,  gibt  2  Privat- 
stunden  wöchentlich,  unterrichtete  in  den  ersten  4  Jahren  durch- 
schnittlich 15,  in  den  letzten  2  Jahren  82  Kinder,  verwendet 
1  Stunde  täglich  auf  Schulvorbereitung  und  glaubt  4  Stunden  täg- 
lich ohne  Übermüdung  unterrichten  zu  können. 

Diese  3  Lehrer  erscheinen  somit  als  prädisponiert  zur  späteren 
Erkrankung  an  Nervosität.  Sie  sind  aber  glücklicherweise  gesund 
geblieben.  Vielleicht  erklärt  sich  letzteres  daraus,  dafs  alle  drei 
noch  nicht  sehr  lange  im  Schuldienst  sind,  zwei  von  ihnen  6, 
einer  137^  Jahre  lang,  und  dafs  ihr  Schuldienst  mit  im  Durchschnitt 
60,  50  und  sogar  nur  15  (später  erst  82)  Kindern  nicht  allzu  an- 
strengend gewesen  zu  sein  scheint.  Derjenige  von  ihnen,  welcher 
am  längsten,  13  Vs  Jahre,  im  Schuldienst  ist,  ist  ferner  ledig  und  hat 
für  Angehörige  nicht  zu  sorgen.  Alle  drei  erteilen  wenig  Privat- 
unterricht und  bereiten  sich  nur  kurze  Zeit,  V^ — 1 — 2  Stunden  täg- 
lich, auf  die  Schule  vor.  Somit  ist  das  Milieu,  in  dem  diese  drei 
Lehrer  leben  und  wirken,  anscheinend  nicht  von  ungünstigem 
Einfluls  auf  sie. 

Alle  46  Lehrer  beantworten  die  Fragen  7  und  16  dahin,   daüs 


1 

I 


630 

sie  naoh  dem  Lehrerexamen  bis  jetzt  dauernd  gesund  geblieben  sind 
und  auch  jetzt  nicht  an  Angstzuständen,  Zwangsgedanken,  Kopf- 
druck, Herzklopfen  oder  anderen  Beschwerden  leiden.  Keiner  von 
ihnen  hat  aus  Gesundheitsrücksichten  die  Ferien  verlängert  oder 
seinen  Unterricht  aussetzen  müssen.  Von  den  46  Lehrern  haben 
26,  d.  i.  56%,  für  Angehörige  zu  sorgen.  Es  sind  von  ihnen  im 
Schuldienst  angestellt: 

2  Lehrer     1 —  5  Jahre  lang 
14       ,  6-10       „ 

9  „  10-16  „  „ 
8  ,  15—20  «  ^ 
5  „  20-26  „  „ 
5  „  25-30  „  „ 
1       „        30—36       „ 

0  „        36-40       , 

1  „        40-46       „        „ 

Von  einem  Lehrer  ist  keine  Angabe  hierüber  gemacht. 
Es  unterrichten  von  ihnen  im  Durchnitt: 

2  Lehrer    20—  30  Schüler 

1  „  30-  40       „ 

10  „  40—  60       „ 
16       „  50—  60       „ 

6  „  60—  70 

9  „  70-  80       „ 

2  „  80—  90 
1  „  100—110 

Derjenige  Lehrer,  welcher  bis  zu  110  Kinder  unterrichtet,  gibt  leider 
nicht  an,  wie  lange  er  im  Schuldienst  tätig  ist. 

Von  den  46  Lehrern   verwenden   täglich   auf  Korrekturen  und 
Vorbereitung: 

14  Lehrer  bis  zu  1  Stunden 

22       „         „     „    2        „ 

9  4. 

Einer  bereitet  sich  überhaupt  nicht  vor,  und  einer  ist  emeritiert. 

Es  erteilen  von   den  46   Lehrern  Privatunterricht   pro  Woche 
insgesamt  26  Lehrer,  d.  i.  66%,  und  zwar: 

bis  zu     2  Stunden  6  Lehrer 
4  8 


631 


bis  zu    8  Stunden  4  Lehrer 


»        »     12  ^  1 


Anfserdem  unterrichtet  einer  seinen  eigenen  Sohn.  Von  den  2 
Lehrern,  welche  6  Privatstunden  erteilen,  tut  dies  der  eine  nur 
während  des  Winters. 

Diese  46  Lehrer  würden  ihrer  Ansicht  nach,  ohne  zu  ermüden, 
tftglich  folgende  Stundenzahl  geben  können: 

1  Lehrer  bis  zu  3         Stunden 


13 

» 

» 

n 

4 

tf 

5 

n 

n 

w 

5 

n 

16 

w 

tf 

n 

6 

n 

2 

j> 

n 

» 

7 

n 

6 

D 

n 

n 

8 

n 

Ein  Lehrer  gibt  aufserdem  sonderbarerweise  an,  dais  er  durch 
das  Unterrichten  überhaupt  nicht  ermüdet.  Er  fügt  seiner  Antwort 
die  Worte  bei,  „die  Kinder  sind  aber  froh,  wennn  sie  den  Sohulstaub 
hinter  sich  lassen  können^.  Dieser  Lehrer  ist  seit  27  Jahren  im 
Schuldienst  tätig.  Er  unterrichtet  75  Kinder  im  Durchschnitt  und 
gibt  nur  im  Winter  6  Stunden  Privatunterricht;  er  verwendet  täg- 
lich Vs  Stunde  auf  Sohulvorbereitung.  Er  fügt  noch  weiter  bei 
Frage  17  den  Wunsch  hinzu,  „dais  die  Stunde  von  3—4  des  Nach- 
mittags wegfällt,  weil  der  Unterricht  nach  5  Schulstunden  doch  ohne 
jeglichen  Nutzen  ist,  wohlverstanden,  nicht  meinetwegen,  sondern  der 
Kinder  wegen  ^.  Noch  bemerkenswert  wäre,  dafs  von  den  anderen 
Lehrern  einer  einen  Unterschied  macht  zwischen  der  Stundenzahl, 
die  er,  ohne  zu  übermüden,  im  Sommer,  und  jener,  die  er  im  Winter 
geben  kann;  er  gibt  an,  im  Sommer  seien  es  5,  im  Winter 
6  Stunden.  Ein  weiterer  Lehrer  führt  wohl  mit  Becht  bei  dieser 
Frage  13  aus,  dafs  es  ganz  darauf  ankommt,  was  und  wo  man  zu 
unterrichten  hat.  „Auch  ist  unterrichten  und  unterrichten  zweierlei. 
Wenn  mancher  auf  dem  Katheder  sitzt  und  lesen  und  schreiben 
läfst,  so  bezeichnet  er  dies  wohl  auch  als  unterrichten.  Das  könnte 
man  ganz  gut  12  Stunden  täglich  und  für  die  Dauer  aushalten.  Im 
letzten  Winter  habe  ich  täglich  5  Stunden  unterrichtet,  d.  h.  nach 
bestem  Wissen  und  Können,  aufserdem  täglich  meinen  Jungen 
2  und  4  Stunden  in  der  Fortbildungsschule.    Wenn  ich  an  manchen 

Schnlgesundheiispflege.  XVI.  33 


632 

Tagen  von  8 — 12  und  von  1 — 3  in  der  Schule  nnterriohtet  hatte 
nnd  von  7^8 — VslO  Uhr  abends  in  der  Fortbildungsschule,  dann 
war  ich  ermüdet.  Täglich  6  Stunden  dürften  wohl  für  mich  das 
Maximum  sein,  d.  h.  in  den  jetzigen,  besten  Lebensjahren^.  Dieser 
Lehrer  unterrichtet  durchschnittlich  60  Kinder  auf  der  Mittelstufe 
und  ist  seit  16  Jahren  im  Schuldienst.  £r  hat  aufser  für  Frau 
und  ein  Kind  für  niemand  zu  sorgen. 

(Fortsetzang  folgt.) 


2.ns  ))(rfainiitltttt0(tt  uitlt  ^tttxntn. 


Die  IV.  Jahresyersammlung 
der  Schweizeriichen  QeselUchaft  fttr  Schnlgesundheitopflege 

am  16.  und  17.  Mai  in  Schaffhausen. 

Von 
Dr.  med.  Kraft -Zürich. 

Kurz  vor  der  Tagung  des  Allgemeinen  Deutschen  Vereins  für 
Schulgesundheitspflege  in  Bonn  hielt  die  Schweizerische  Gesellschaft 
für  Schulgesundheitspflege  ihre  Zusammenkunft  in  Schaffhausen  ab. 
Für  die  diesjährige  Versammlung  unserer  Gesellschaft  stand  auf  der 
Tagesordnung  des  ersten  Tages  das  Thema: 

Die  Schalbäder. 

Sowohl  Zahl  als  Auswahl  der  Beferenten  —  ein  Techniker, 
ein  Arzt  und  ein  Schulmann  —  liefsen  darauf  schliefsen,  da&  man 
das  Thema  erschöpfend  behandeln  wolle.  Zuerst  kam  der  Techniker 
in  der  Person  des  Ligenieurs  Paul  LiNCKE-Zürich  zum  Wort.  Er 
vertritt  die  Ansicht,  dafs  Brausebäder  für  Schulbadeinrichtungen 
am  geeignetsten  seien.  Am  vorteilhaftesten  ist  die  Anlage  im  Elrd- 
geschois.  Offene  Brausen  sind  besser  ab  geschlossene,  weil  die 
Aufsicht  leichter  ist  und  die  Kosten  geringere  sind.  Die  Brausen 
sollen  in  1 — 1,4  m  Distanz  von  einander  stehen,  der  Wasserstrahl 
den  Körper  des  Kindes  nicht  senkrecht,  sondern  schief  treffen..  Für 
die  Badezeit  mit  An-  und  Auskleiden   berechnet  der  Keferent  per 


633 

Kopf  20  Minuten.  Um  60  Schüler  in  einer  Stunde  besorgen  zu 
können,  müssen  deshalb  20  Brausen  vorhanden  sein.  Der  Mischhahn 
muCs  so  konstruiert  sein,  dafs  sich  die  Kinder  nicht  verbrühen  kennen. 
FuTsboden  und  Decke  sollen  aus  gutem  Material  hergestellt  werden. 
Der  Ventilation  und  Kanalisation  ist  besondere  Aufmerksamkeit  zu 
schenken.  Die  Temperatur  im  Baderaum  soll  22  Grad  betragen, 
und  das  Wasser  die  Brause  mit  einer  Temperatur  von  35  Grad  ver- 
lassen; diese  Temperatur  kann  gegen  Ende  der  individuellen  Bade- 
zeit auf  20  Grad  erniedrigt  werden.  Zeichnungen  und  Pläne  ver. 
anschaulichten  die  mündlichen  Ausführungen. 

Die  hygienische  Seite  der  Frage  erörterte  der  Polizeiarzt  Ost- 
Bem.  Er  trat  für  die  Schulbäder  ein,  weil  Reinlichkeit  eine  der 
ersten  Forderungen  praktischer  Gesundheitspflege  ist.  Die  Hautpflege 
gewährleistet  eine  richtige  Tätigkeit  der  Haut  und  der  in  ihr  befind- 
lichen Organe,  wie  der  Schweifs-  und  Talgdrüsen;  sie  hindert  die 
Ansammlung  von  Schmutz  auf  der  Hautoberfläche  und  beugt  damit 
der  Ansiedlung  krankhafter  Sto£Fe  vor,  die  zu  Blutvergiftungen  und 
anderen  Erkrankungen  Anlafs  geben.  Bäder  wirken  auch  reizend 
auf  die  Haut,  steigern  die  Tätigkeit  der  Blutgefäfse,  üben  so  das 
Wärmeregulierungsvermögen  der  Haut  und  fördern  den  Stoffwechsel, 
wodurch  schädliche  Stoffe  rasch  aus  dem  Körper  entfernt,  bessere 
zugeführt  werden.  So  steigt  die  Leistungsfähigkeit  des  Körpers  im 
allgemeinen.  Nicht  zu  unterschätzen  ist  aber  auch  die  erzieherische 
und  soziale  Bedeutung  der  Schulbäder.  In  ersterer  Hinsicht  wirken 
sie  günstig  durch  Bekämpfung  falscher  Prüderie,  in  letzterer  Hinsicht 
durch  Übertragung  des  Reinlichkeitssinnes  in  die  Familie.  In  An- 
betracht der  greisen  Wichtigkeit  sollten  Schulbäder  in  allen  Volks- 
schulen, auch  auf  dem  Lande,  durchgeführt  und  im  Sommer  wie 
Winter  betrieben  werden,  immer  unter  tunlicher  Berücksichtigung 
der  ökonomischen  Mittel  der  Gemeinden.  Dauer  und  Form  der 
Bäder,  Temperatur  derselben  und  der  Baderäumlichkeiten  sind  strenge 
zu  bestimmen,  und  der  Vollzug  der  Bestimmungen  stets  zu  über- 
wachen. Nach  dem  Bade  sollen  die  Kinder  nicht  sofort  ins  Freie 
treten,  sondern  mindestens  eine  halbe  Stunde  in  den  Schulzimmem 
zurückgehalten  werden.  Allzu  greise  Ängstlichkeit,  wie  sie  manchmal 
noch  die  Lehrer  den  Schulbädern  entgegenbringen,  weil  sie  die  Ver- 
antwortung denEltem  gegenüber  fürchten,  ist  jedoch  hiernichtamPlatze^ 
namentlich  wenn  man  mit  dem  Reinlichkeitszweck  den  Abhärtungs- 
zweck verbinden  will.  Das  Hauptgewicht  ist  darauf  zu  legen,  dais 
beim  Baden  individualisiert  werde.    Man  wird  deshalb  schwächliche, 

33^ 


634 

kränkliche  und  krankheitsverdächtige  Kinder  vom  Bade  anssohlielsen. 
Die  gesunden  Kinder  dagegen   sind    stets   zum  Baden  anzuspornen. 

Inspektor  Tüchschmid- Basel  trat  auf  Grund  persönlicher  Er- 
fahrungen insbesondere  ein  für  den  erzieherischen  Wert  der  Bäder 
und  schilderte  den  Einflufs  derselben  auf  das  Geistes-  und  Gemüts- 
leben der  Kinder.  Dieselben  treten  frischer,  angeregt,  geweckter,  in 
fröhlicher  Stimmung,  mit  vermehrter  Aufnahmslust  und  Aufnahms- 
fähigkeit an  den  Unterrichtsstoff  heran ;  die  Schulbäder  wirken  aber  auch 
zurück  auf  das  Haus,  besonders  auf  die  Mutter.  Beim  Baden  zeigt  sich 
erst,  wie  grofs  oft  die  Vernachlässigung  ist,  wie  man  verstöist  gegen 
die  gewöhnlichsten  Bügeln  der  Beinlichkeitspflege ;  da  tritt  der 
Schmutz,  der  am  Körper  und  in  den  Kleidtmgsstücken  haftet,  offen 
zu  Tage,  und  man  erfahrt,  dals  es  recht  viele  Kinder  gibt,  die  jahr- 
aus, jahrein  mit  Seife  und  Bürste  keine  Bekanntschaft  machen.  Aber 
das  Schamgefühl  wird  geweckt,  und  die  Fürsorge  für  Kleidung  und 
Beinlichkeit  eine  bessere;  die  Schule  erzieht  das  Haus.  So  wichtig 
aber  das  Schulbad  ist,  eine  Zwangsinstitution  soll  es  nicht  werden. 
Die  Beteiligung  am  Bade  sinkt  zwar  mit  der  Höhe  der  Schulstufe, 
was  bedauerlich  ist;  doch  geschieht  es  aus  den  verschiedensten 
Gründen.  Da  ist  malsgebend  Prüderie,  dort  allzu  groise  Ängstlich- 
keit der  Mutter,  ihircht  vor  ansteckenden  Krankheiten  und  vor  Ver- 
unreinigung, oder  es  ist  eigene  Badegelegenheit  im  Hause  vorhanden. 
Diesen  Verhältnissen  wird  man  Rechnung  tragen  und,  statt  durch 
Zwangsmalsregeln,  auf  dem  Wege  der  Belehrung  Vorurteile  besiegen 
und  die  Teilnahme  am  Bade  zu  einer  möglichst  allgemeinen  machen. 
So  wünschenswert  es  wäre,  den  Eandem  die  Badegelegenheit  mög- 
lichst häufig  zu  verschaffen,  stecken  doch  die  Bücksichten  auf  das 
Badepersonal,  das  in  der  Begel  noch  anderweitig  in  Anspruch  ge- 
nommen wird,  eine  gewisse  Grenze.  Täglich  badet  infolgedessen  in 
Basel  nur  eine  Klasse.  Die  Kosten  betragen  pro  Kind  Frcs.  2.40;  eine 
Douche  kommt  auf  18,6  Ots.  zu  stehen.  Im  Jahre  werden  50000 
Douchen  verabfolgt;  aber  die  Bevölkerung  betrachtet  die  Auslagen 
für  das  Schulbaden  als  ein  gut  angelegtes  Kapital,  als  ein  wertvolles 
Glied  in  der  Kette  sozialer  'Wohlfahrtseinriohtungen,  die  der  Staat 
dem  Volke  schuldig  ist.  Kein  Schulhausneubau  volkreicher  Ge- 
meinwesen sollte  mehr  ohne  Schulbad  erstellt  werden. 

In  der  Diskussion  wurden  die  Anschauungen  und  Forderungen 
der  Beferenten  im  allgemeinen  gebilligt.  Der  Ausspruch  des  Ref. 
LiNCKE,  dals  die  Badeinrichtung  am  vorteilhaftesten  im  Erdgeschosse 
angebracht  werde,  stiels  allerdings  auf  gerechtfertigten  Widerspruch. 


635 

Aach  wurde  dem  Ref.  Tüohsohmid  gegenüber  darauf  hingewiesen, 
dafs  man  kanm  den  Badezwang  kurzweg  zurückweisen  dürfe. 
Schlieüslich  wurde  der  zeitgemäüse  Wunsch  ausgesprochen,  es  möchten 
die  Gemeinden  arme  Kinder  aus  öffentlichen  Mitteln  mit  Leibwäsche 
and  Kleidung  versorgen;  denn  gewifs  sei  recht  häufig  das  nackte 
Elend  an  einer  kraus  zu  Tage  tretenden  Yemaohlässigung  schuld. 

Eine  angenehme  Abwechslung  nach  den  theoretischen  Aus- 
führungen des  Vormittags  brachte  uns  der  Nachmittag,  der  der  An- 
schauung praktischer  Erziehungsmethode  gewidmet  war.  Am  Ufer 
des  Untersees,  zwischen  Steckbom  und  Mammem,  angelehnt  an  einen 
waldigen  Bergrücken,  versteckt  in  Obstbäumen,  liegt  das  „Land- 
erziehungsheim Glarisegg^  der  Herren  Fbet  und  Zübebbühleb. 
Landerziehungsheime  sind  auch  in  Deutschland  keine  unbekannte 
Erscheinung.  Ein  deutscher  Erzieher,  Dr.  Hebmank  Lietz,  holte 
die  Idee  derselben  von  England  herüber  ins  eigene  Heimatland  und 
gab  ihr  praktiache  Gestalt  in  den  beiden  Heimen  Ilsenburg  im 
Harz  und  Haubrida  in  Thüringen.  In  diesen  Anstalten  gewannen 
die  beiden  obengenannten  Schweizer  Freude  an  der  neuen  Erziehungs- 
methode, die  sie  nunmehr  selbständig  erproben  wollen.  Das  Ziel 
hoffen  sie  zu  erreichen  durch  zweckmäTsige  Verbindung  von  körper- 
licher und  geistiger  Tätigkeit  in  der  freien  Umgebung  des  Land- 
lebens, durch  Entwicklung  der  natürlichen  Begabung  des  Zöglings 
nnd  durch  dessen  Ausbildung  zum  gesunden,  selbständigen  Manne. 
DaJB  man  diesen  vorgesteckten  ideellen  Aufgaben  wirklich  gerecht 
werden  will,  bewies  der  Anblick  der  gesunden,  kräftigen,  gemütlich 
heiteren  Kinderschar,  die  mit  nackten  Oberkörpern  bei  Wind  und 
Hegen  auf  dem  offenen  Felde  das  tägliche  Arbeitspensum  erfüllt,  gestählt 
gegen  Einflüsse,  denen  man  im  allgemeinen  die  verzärtelten  Menschen 
der  heutigen  Zeit  ohne  Gefahr  nicht  aussetzen  kann.  Dafs  man  aber 
mit  rationeller  Erziehung  den  Körper  resistenzfkhiger  zu  machen  im 
stände  ist,  beweist  der  günstige  Gesundheitszustand  der  Zöglinge 
dieser  Anstalt.  Der  Körperpflege  dienen  Douchen,  Bäder  im  See 
und  im  Hause,  die  zur  Tagesordnung  gehören.  Doch  wird  über  der 
Körperpflege  nicht  etwa  die  Geistespflege  vernachlässigt,  wohl  aber 
liegt  der  Kernpunkt  der  Methode  darin,  die  gesamte  Ausbildung  der 
Zöglinge  in  dem  Sinne  harmonisch  zu  gestalten,  dafs  eine  allseitige 
Übung  eine  ausgiebige  Erholung  nicht  ausschliefst.  Vor  allem  sucht 
man  auch  den  praktischen  Sinn  zu  wecken  und  den  Tätigkeitstrieb 
der  Knaben  in  nützliche  Bahnen  zu  leiten,   wodurch   das  Interesse 


636 

an  der  Tätigkeit  gefördert  wird ;  das  ist  ein  Teil  der  Erziehung,  den 
die  heutige  Zeit  mehr  als  je  verlangt.  Aber  auch  der  geistige 
Arbeitsstofif  soll  nicht  ausschliefslioh  gedächtnismäTsig  behandelt 
werden,  sondern  vielmehr  die  Denktätigkeit  anregen,  indem  die  ein- 
zelnen Fächer  in  einen  gewissen  inneren  Zusammenhang  gebracht 
werden.  Der  Unterricht  wirkt  hierdurch  anregeud  und  reizt  den 
Schüler  an,  den  Zusammenhang  menschlicher  Geistesbildung  und 
Weltaufi*assung  selbst  zu  suchen.  Es  ist  das  ohne  Zweifel  eine 
Überwindung  jener  scholastischen  Erziehungsmethode,  welche  dem 
Gedächtnis  mehr  Becht  einräumt  als  der  denkenden  Verarbeitung 
der  Sinneseindrücke  und  des  Wissensmateriales.  Wir  haben  also 
hier  jenen  Typus  einer  harmonischen  Erziehung  vor  uns,  welcher 
eigentlich  allen  denen  vorschwebt,  die  es  mit  der  Überbürdungsfrage 
ernst  nehmen.  Allerdings  ist  der  Lehrplan  wesentiich  anders,  als  wie  er 
heute  noch  im  allgemeinen  mehr  oder  weniger  fabrikmäfsig  hergestellt 
wird.  Der  Vormittag  dient  der  Pflege  des  Geistes;  früh  morgens  steht 
die  Schülerschar  auf,  macht  einen  Dauerlauf  von  600  bis  800  m; 
im  Sommer  schliefst  sich  dem  Dauerlauf  das  Seebad  an,  dann  folgt 
das  Frühstück  und  hierauf  der  Unterricht.  Derselbe  dauert  mit 
kurzen  Unterbrechungen  bis  um  11  Uhr,  dann  folgt  das  Mittagessen 
und  Freizeit  bis  IV«  Uhr,  und  dann  wird  mit  der  Körperarbeit  be- 
gonnen. Der  Nachmittag  ist  also  der  körperlichen  Betätigung  ge- 
widmet. Fleifsig  und  emsig  beschäftigen  sich  die  Knaben  in  Feld 
und  Garten ;  aber  auch  die  handwerksmäfsige  Tätigkeit  wird  gepflegt. 
In  einer  Schreinerei  wird  rastlos  gehämmert,  gehobelt,  gemessen.  So 
übt  man  das  fein  geordnete  Spiel  der  Muskeln.  Für  Hausaufgaben, 
die  nicht  fehlen,  ist  eine  Stunde  am  Abend,  im  Sommer  bei  Tages- 
licht, eingeräumt.  Die  übrige  Zeit  dient  der  freien  Betätigung  der 
Schüler  mit  den  Lehrern  und  Hausvorstehern.  Das  Anstaltsleben 
ist  zu  vergleichen  mit  dem  Leben  einer  groJsen  Familie.  Die  alte 
germanische  Sippengemeinschaft  ist  in  dieser  Erziehungsgenossen- 
schaft wieder  aufgewacht.  Aber  auch  die  Räumlichkeiten  sind  dem 
mehr  naturgemäfsen  ErziehuDgsplane  angepafst,  einfach  und  zweck- 
dienlich. Manches  mag  dem  verwöhnten  Auge  des  modernen  Weich- 
lings allzu  einfach  erscheinen,  manches  sogar  einer  Kritik  nicht  ganz 
standhalten,  die  durchaus  nicht  vom  Weichlichkeitsstandpunkt  ver- 
blendet ist ;  im  grofsen  Ganzen  aber  hat  uns  das  Bild  gefreut,  das  sich 
uns  hier  darbot,  insbesondere  deshalb,  weil  es  eine  Bresche  zu  schiefsen 
geeignet  wäre  in  die  bisherige  Erziehungsmethodik.  Allerdings  dürfen 
die  Hoffnungen  in  dieser  Beziehung  nicht  allzu  weit  gespannt  werden. 


637 

Haben  doch  schon  bedeutende  Erzieher:  Rousseau,  Pestalozzi, 
Fellenbebo  etc.,  den  scholastischen  Geist  in  der  Erziehung  nicht 
gänzlich  zu  bannen  yermocht.  Nicht  an  Mangel  an  gutem  Willen, 
sondern  an  den  äuTseren  Verhältnissen  wird  es  liegen,  wenn  die 
Landerziehungsheime  der  Masse  der  städtischen  Schulbevölkerung 
vorderhand  nicht  zugänglich  gemacht  werden  können.  Ländliche 
Verhältnisse  sind  eine  Grundbedingung  für  diese  Anstalten ;  wo  aber 
nehmen  wir  in  grofsen  Städtezentren  die  ländlichen  Verhältnisse  her? 
Der  Privatbetrieb  ist  teuer,  weil  geeignete  Landstücke  und  Einrich- 
tungen viel  Geld  kosten.  Deshalb  wird  der  reiche  Mann  im  wohl- 
verstandenen Interesse  diesen  Anstalten  eine  grofse  Sympathie  ent- 
gegenbringen und  sich  für  seine  Kinder  eine  solche  harmonische 
Erziehung  zu  verschaffen  suchen;  für  den  gröiseren  Teil  des  Volkes 
aber  können  diese  Landerziehuugsheime  der  Kosten  wegen  als  Er- 
ziehungsinstitute nicht  in  Frage  kommen.  Doch  darf  darauf  hin- 
gewiesen werden,  dafs  für  die  Erziehung  auch  dieses  Teils  der 
Bevölkerung  schon  viel  gewonnen  wird,  wenn  die  Ideen  der  Land- 
erziehungsheime sich  in  unserem  TJnterrichtswesen  Eingang  ver- 
schaffen. Bereits  ist  ja  der  Handfertigkeitsunterricht  zum  Bestand- 
teil der  Erziebungstätigkeit  geworden.  Das  ist  zu  begrüfsen,  wenn 
auch  die  Vorteile  einer  auf  rationeller  Basis  ruhenden  Anstalt  nur 
zum  geringeren  Teile  damit  erreicht  sind.  Landerziehungsheime  als 
Volksinstitution  werden  aber  diese  Anstalten  erst,  wenn  es  jedem 
Bürger  möglich  ist,  sein  Kind  in  der  Anstalt  auf  dem  Lande  er- 
ziehen zu  lassen.  Vielleicht  wird  der  Staat  einst  auch  auf  diesem 
Felde  eingreifen  müssen. 

Der  zweite  Tag  der  Jahresversammlung  war  wieder  theoreti- 
schen Betrachtungen  gewidmet.  Dr.  Laubi,  Ohrenarzt  aus  Zürich, 
sprach  über  das  Thema: 

Ohrennntersnchiuigen  in  der  Volksschule 

an  der  fland  recht  anschaulicher  Tafeln  und  statistischer  Tabellen. 
Nach  ausführlicher  Erörterung  über  den  Aufbau  und  die  normale 
Tätigkeit  des  Gehörorgans  wurden  die  wesentlichen  Erkrankungen 
und  ihre  Folgen  mit  Bücksicht  auf  das  schulpflichtige  Alter  ge- 
schildert und  erwähnt,  dafs  an  den  Züricher  Schulen  durchschnittlich 
10 — 14%  der  neu  in  die  Schule  eintretenden  Kinder  an  Gehör- 
störungen leiden.  Letztere  sind  auf  die  verschiedensten  Ursachen 
zurückzuführen:  Ohrpfröpfe,  Entzündungsprozesse  nach  Infektions- 
krankheiten, Schwellungen  der  BAchenmandeln  kommen  hier  in  Be- 


638 

traoht.  Häufig  ist  der  Tnbenkatarrh.  Die  G-ehörstönmgen  schweren 
Grades  treten  zurüok  gegenüber  den  Gebörstömngen  mittleren  nnd 
leichteren  Grades.  Etwa  die  Hälfte  der  Gebörstörungen  kann  geheilt 
und  ein  grolser  Prozentsatz  der  übrigen  Fälle  gebessert  werden,  wenn 
eine  richtige  Behandlung  eintritt.  Aus  diesem  Grunde  tritt  der  Befe- 
rent  für  die  Notwendigkeit  der  Ohrenuntersuchungen  ein  und  stellt 
folgende  Grundsätze  auf:  Alle  neu  eintretenden  Schüler  der  öffent- 
lichen Schulen  sind  im  Verlaufe  der  ersten  Monate  auf  den  Zustand 
ihres  Gehörs  zu  prüfen.  Anormale  Schüler  sind  durch  den  Ohren- 
arzt zu  untersuchen.  Eine  Wiederholung  der  Untersuchung  ist  nötig 
bei  Bepetenten  und  Schülern,  die  in  die  Spezialklassen  eintreten 
oder  im  Verlaufe  des  Jahres  ansteckende  Krankheiten  durchgemacht 
haben.  Auf  Grund  der  Untersuchungsergebnisse  werden  Eltern  und 
Lehrern  die  nötigen  Anleitungen  gegeben.  Mit  Rücksicht  auf  die 
Beru&wahl  wäre  eine  Untersuchung  der  Schüler  beim  Austritt  aus 
der  Schule  wünschenswert. 

Die  Thesen  des  Referenten  fanden  im  allgemeinen  Zustimmung 
und  wurden  durch  weitere  Ausführungen  gestützt.  Ein  im  Verlaufe 
der  Diskussion  aus  der  Mitte  der  Versammlung  gestellter  Antrag 
auf  wiederholte  Untersuchungen  der  Ohren  im  Zeitraum  eines  Jahres 
fand  keine  Mehrheit,  obschon  entschieden  die  Art  und  Weise,  wie 
Ohrenleiden  innerhalb  eines  Jahres  entstehen  und  vergehen  können, 
sowohl  aus  hygienischen  wie  aus  pädagogischen  Gründen  den  Antrag 
rechtfertigt;  es  würden  jedoch  der  Durchführung  solcher  Unter 
suchungen  sohulteohnische  Schwierigkeiten  im  Wege  stehen.  Auf- 
gabe der  Lehrer  ist  es  überdies,  die  Erscheinungen  der  Gehör- 
störungen sich  möglichst  einzuprägen,  um,  wo  es  nötig  ist,  auch 
während  des  Schuljahres  geeignete  Behandlung  anzustreben;  wo  die 
Schularztinstitution  besteht,  werden  sich  Schulärzte  und  Lehrer  in 
diese  Aufgabe  teilen.  Eine  praktische  Forderung,  die  aus  den  Unter- 
suchungen gefolgert  wird,  kam  ebenfalls  in  einem  Antrage  zum  Aus- 
druck, nämlich  die  aus  öffentlichen  Mitteln  bestrittene,  also  unent- 
geltliche Behandlung  armer  ohrenkranker  Kinder.  Auch 
diesen  Antrag  fand  die  Versammlung  zu  eingreifend,  wobei  wesentlich 
ökonomische  Rücksichten  mafsgebend  waren.  Dafs  aber  eine  prak- 
tische Schulhygiene  unter  den  heutigen  Verhältnissen  diese  Konse- 
quenz ziehen  muis,  ist  sicher.  Li  Zürich  haben  sich  übrigens  einige 
Ohrenärzte  zur  unentgeltlichen  Behandlung  armer  ohrenkranker 
Schulkinder  verpflichtet.  Über  die  Zahl  der  wirklich  stattfindenden 
derartigen  Behandlungen  ist  eine  Angabe  nicht  möglich. 


639 

Es  folgte  nunmehr  ein  Referat  des  Dr.  Bobebt  Kelleb,  Rektor 
in  Winterthnr,  über 

Hygiene  des  Stundenplanes  in  Hittekchulen. 

Dasselbe  zeichnete  sieh  duroh  Gediegenheit  der  Form  mehr  aus  als 
durch  einen  Inhalt  von  praktisch  weittragender  Bedeutung.  Das 
liegt  allerdings  weniger  an  der  Person  als  an  der  Sache  selbst,  die 
niemand,  vielleicht  der  Pädagoge  am  wenigsten,  am  rechten  Ende 
anpackt.  Man  will  den  Lehrplan  nicht  modifizieren  und 
flickt  deshalb  immer  an  der  Lektionsdauer  herum.  Immer- 
hin gab  sich  der  Referent  Mühe,  eine  wissenschaftliche  Grundlage 
für  seine  Vorschläge  zu  bieten,  wenn  sie  auch  schon  deshalb  auf 
etwas  schwachen  Füfsen  steht,  weil  sie  sich  auf  Untersuchungen 
stützt,  die  der  Referent  selbst  als  unzuverlässig  bezeichnete,  was  sie 
auch  tatsächlich  sind.  Der  Vortragende  ging  nämlich  aus  von  den 
bekannten  Versuchen  über  Ermüdung  und  entschlofs  sich  für  die 
„Rechnungsmethode''  als  die  zuverlässigste  (Bestimmung  der  Anzahl 
in  einem  bestimmten  Zeitraum  überhaupt  gelöster  und  der  in  dem- 
selben Zeitraum  richtig  gelöster  Rechnungen).  Er  kam  hierbei  zu  dem 
von  ihm  graphisch  dargestellten  Resultate,  dafs  in  der  Mitte  der 
Stunde,  der  höchste  Erfolg  eintritt,  während  später  die 
Leistungsfähigkeit  abnimmt.  In  vorsichtiger  Weise  drückt  sich 
nun  der  Referent  so  aus:  Vorausgesetzt,  dafs  überhaupt  derartige 
Versuche  beweiskräftig  sind,  kann  man  folgende  Thesen  gelten  lassen : 
In  allen  Klassen  der  schweizerischen  Mittelschulen  (Gymnasium, 
Industrieschule)  ist  eine  Verminderung  der  Zahl  der  wöchentlichen 
Unterrichtsstunden  anzustreben.  Die  Stundenverminderung  soll  durch 
Reduktion  der  Lektionsdauer  erzielt  werden,  indem  in  den  Zeitraum 
von  vier  Stunden  fünf  Lektionen  verlegt  werden,  die  durch  Pausen 
von  10  Minuten  und  eine  mittlere  Pause  von  15  Minuten  von  einander 
zu  trennen  sind.  Als  eigentliche  Erholungspausen  sollen  zwei  bis 
drei  schulfreie,  keineswegs  mit  Hausaufgaben  belastete  Stunden 
zwischen  dem  Vor-  und  Nachmittagsunterricht  dienen.  Die  Grup- 
pierung der  Fächer  nach  den  sogenannten  Ermüdungswerten  ist  an 
Mittelschulen  unmöglich.  Der  Turnunterricht  dient  nicht  der  Er- 
holung des  durch  geistige  Arbeit  Ermüdeten  und  ist  zweckmäfsig  auf 
den  Schlufs  des  Unterrichts  am  Vor-  oder  Nachmittag  zu  verlegen. 
Die  Thesen  des  Referenten  wurden  nicht  ohne  Opposition  auf- 
genommen und  erlitten  auch  Abänderungen.  Es  wurde  die  Ansicht 
ausgesprochen,   dafs  die  ReorgaDisation  des  Stundenplanes  im  Sinne 


640 

der  Anträge  des  Referenten  auf  grofse  Schwierigkeiten  stoüsen  würde. 
Nur  bei  schwacher  Schülerzahl  sei  es  möglich,  an  eine  Reduktion 
der  Stunde  auf  vierzig  Minuten  zu  denken,  in  grofsen  Klassen  sei 
dies  nicht  denkbar.  Besser  wäre  vielleicht  eine  Herab- 
setzung des  Jahrespensums;  aber  da  gehe  es  wie  bei  den 
Kriegsrüstungen:  jeder  erkläre,  abrüsten  zu  wollen,  aber 
keiner  finde  das  geeignete  Mittel  dazu.  Kinder,  welche 
nicht  die  Fähigkeit  hätten,  um  nach  dem  heutigen  System  in  der 
Mittelschule  mitkommen  zu  können,  und  deren  gebe  es  viele,  sollten 
sich  eben  einer  passenderen  Laufbahn  zuwenden;  nicht  jeder  könne 
und  brauche  sich  Mittelschulbildung  anzueignen.  Im  übrigen  hänge 
es  auch  von  der  Individualität  des  Lehrers  ab,  ob  der  Unterricht 
ermüdend  sei  oder  nicht,  je  nachdem  er  denselben  anregend  zu  ge- 
stalten wisse  oder  nicht.  Für  die  Reform  Kellers  könne  man 
eventuell  eintreten,  wenn  die  Freizeit  richtig  angewendet  werde,  und 
die  Schülerzahl  einer  Klasse  nicht  über  20  hinausgehe.  Im  weiteren 
wurde  mit  Recht  auf  die  Unmöglichkeit  aufmerksam  gemacht,  aus 
den  vorhandenen  Ermüdungsmessungen  —  diejenigen  des  Referenten 
nicht  ausgenommen  —  weitgehende  praktische  Schlüsse  zu  ziehen. 
Auch  werden  die  Pausen  bei  fünf  Unterrichtsstunden  in  vier  Zeit- 
stunden zu  gering,  was  nicht  im  hygienischen  Interesse  der  Schüler 
liege.  Schliefslich  wurde  darauf  hingewiesen,  dafs  die  Ungleichheit 
der  Verhältnisse  an  den  schweizerischen  Mittelschulen  einer  Reform- 
arbeit in  hygienischem  Sinne  im  Wege  stehe;  in  dieser  Hinsicht  sei 
Deutschland  tatsächlich  besser  daran,  weil  es  für  seine  Gymnasien 
eine  einheitliche  Basis  habe.  Die  Einführung  des  hygienischen 
Stundesplanes  sei  nur  dann  möglich,  wenn  der  Unterrichtskurs  ver- 
längert werde;  eine  Verkürzung  der  Lektionsdauer  würde  also  eine 
Ausdehnung  der  Schulzeit  zur  Folge  haben.  —  Die  Versammlung 
einigte  sich  dahin,  es  möchte  vorderhand  von  den  Bestrebungen 
nach  allgemeiner  Durchführung  des  Antrages  Keller  abgesehen 
werden,  dagegen  sei  es  wünschenswert,  vorläufig  mit  einer  Klasse 
den  Versuch  mit  verkürzter  Lektionsdauer  und  Einführung  von  fünf 
Lektionen  in  vier  Stunden  zu  machen,  vielleicht  auch  in  mehreren 
Gymnasialklassen,  und  dieser  Versuch,  der  den  Schüler  nicht  in 
wesentlich  andere  erkünstelte  Verhältnisse  versetze,  habe  sich  auf 
sieben  Jahre  zu  erstrecken.  Nur  ein  solcher  Kontrollversuch  könne 
eventuell  genügende  Anhaltspunkte  zur  Lösung  der  vom  Referenten 
behandelten  Frage  bieten.  Die  Reformfrage  ist  damit  wieder  ad 
calendas  graecas    verschoben.     Aus   der   ganzen  Verhandlung   über 


641 

diesen  G-egenstand  konnte  man  den  Schluis  ableiten,  dais,  wenn  es 
nicht  80  unglaublioh  schwer  wäre,  sich  von  althergebrachten  über- 
lieferten Meinungen  nnd  Ansichten  losznreilsen,  die  Frage  der  Hy- 
giene des  Stnndenplans  leichter  zu  lösen  wäre.  Wir  wollen  nicht 
anf  das  Thema  der  Gymnasialreform  eintreten  nnd  fügen  nur  bei, 
dafs  eine  Stoffbeschränknng  anf  gewissen  Gebieten  ohne  Schaden  für 
die  Schüler  nnd  die  Knltnrentwicklung  der  Völker  eintreten  könnte, 
und  ohne  dafs  man  fürchten  mülste,  das  ^humanistische*^  Gymnasium 
würde  den  Geist  echter  Menschenerziehung  weniger  pflegen  können. 
Möchte  der  Prolog,  den  eine  Schaffhauser  Bürgerin  der  Versammlung 
als  Willkommgrufs  der  Stadt  entbot,  auf  günstigen  Boden  fallen; 
er  hat  uns  in  poetischer  Form  die  Überbürdungsfrage  näher  ans 
Herz  gelegt  als  manche  gelehrte  Deduktion,  die  sich  mit  Kleinig- 
keiten herumschlägt,  um  von  der  Hauptsache  nicht  sprechen  zu 
müssen. 


kleinere  Ütitteilnngen. 


Die  Forderung  der  Volks-  und  Jngendspiele   wird  in  vielen 

deutschen  Städten  eifrig  betrieben.  Wie  die  „Bhein-  u.  Bvhretg,"'  mit- 
teilt, ist  in  den  letzten  Jahren  mit  Unterstützung  der  Regiernng  in  den 
Städten  Krefeld,  Bannen,  Essen,  Remscheid  nnd  Lennep  eine  Reihe  von 
Spielknrsen  abgehalten  worden,  in  denen  mehrere  Hundert  Lehrer  und 
Lehrerinnen  zur  Leitung  der  Jugend-  und  Yolksspiele  vorgebildet  wurden. 

Um  durch  die  Schuljugend  dem  Spielbetrieb  Eingang  ins  Volk  zu 
verschaffen,  hat  ein  in  Krefeld  gebildeter  Verein  zur  Förderung  der 
Volks-  und  Jugendspiele  seit  dem  Jahre  1897  Spiele  der  Schuljugend  ein- 
gerichtet und  zwar  Ferienspiele,  Spiele  für  Schulknaben  und  Wanderfahrten 
der  Knaben  während  der  Herbstferien.  An  den  Spielen  haben  in  Krefeld 
an  einem  Spieltage  bis  zu  3700,  an  den  Ferienspielen  bis  zu  1400 
Knaben  und  Mädchen  teilgenonunen.  Auf  denselben  drei  grofsen  Spiel- 
plätzen der  Stadt,  welche  der  Schuljugend  zur  Verfügung  gestellt  sind, 
treiben  Erwachsene  an  Sonntagen  Volksspiele. 

Auch  andere  Grofsstädte  des  Regierungsbezirks  Düsseldorf  haben  sich 
mehr  nnd  mehr  die  Anlage  von  Spielplätzen  und  die  Anordnung  von 
Jugendspielen  angelegen  sein  lassen.  In  Duisburg  haben  sich  SOO,  in 
Essen  durchschnittlich  950  Knaben  und  Mädchen  an  den  Ferienspielcn 
beteiligt.  In  letzterer  Stadt  bestehen  zurzeit  13  Tumspielkurse  für  Volks- 
schttler,  die  in  zwei  wöchentlichen  Stunden  auf  vier  Plätzen  abgehalten 
werden.     Dazu  kommen  die  regelmäfsigen  und  die  Ferienspiele  der  jetzt 


642 

zu  Essen  gehörenden  Gemeinde  Altendorf,  die  im  letzten  Jahre  1021 
Kinder  auf  den  Schnlplatz  geführt  haben.  In  M.-Gladbach  nnd  Rheydt 
sind  gleichfalls  Freispiele  angeordnet  und  ständige  Spiele  vorgesehen.  In 
Barmen  bemüht  man  sich,  während  der  Schalferien  die  schwächlicheD 
Kinder  im  Wechsel  von  Spaziergängen  nnd  Spielen  za  kräftigen.  Der  in 
Elberfeld  eingerichtete  grofse  Spielplatz  wird  auch  von  Erwachsenen  an 
Sonntagen  und  sonstigen  freien  Tagen  stark  besucht.  Während  der  letzten 
Herbstferien  hat  man  in  Düsseldorf  yersucht,  die  Schulhöfe  als  Spielplätze 
für  Ferienspiele  zu  yerwenden,  und  hat  zurzeit  einen  Spielkursus  für  Lehrer 
eingerichtet.  Es  wird  angestrebt,  zunächst  in  allen  gröfseren  Gemeinden 
des  Bezirkes  grofse  freie  Plätze  für  den  Spielbetrieb  der  Schuljugend  her- 
zustellen und  dadurch  die  Pflege  der  Yolksspiele  allmählich  auf  die  Er- 
wachsenen auszudehnen. 

Die  Yerwendnng  der  Kinder  zum  Kehren  nnd  Reinigen  der 
Schnlzimmer  scheint  an  vielen  Orten  auf  dem  Lande  und  in  kleineren 
Städten  noch  üblich  zu  sein.  Mit  Recht  bemerkt  hierzu  die  „Strafsb.Zig,*^^ 
es  sei  dies  eine  Sitte,  oder  vielmehr  Unsitte,  die  der  Gesundheit  der 
Kinder  höchst  schädlich  werden  könne.  Es  haben  also  die  Gemeinden 
ein  direktes  Interesse  daran,  die  Reinigung  der  Schulräume  durch  erwach- 
sene Personen  vornehmen  zu  lassen,  die  im  Winter  auch  mit  der  Besor- 
gung der  Öfen  beauftragt  werden  können. 

Über  die  Hilfsschnlen  Dentschlands  berichtete  im  Lehrerverein 
Neumünster  Rektor  MÖLLEB-Heiligenhafen(„2o/^^.  Courier**)  und  knüpfte 
an  dieses  Referat  einige  allgemeine  Betrachtungen.  Welche  Kinder  — 
fragt  der  Referent  —  sollen  in  die  Hilfsschulen  aufgenommen  werden? 
Nicht  etwa  diejenigen,  lautet  die  Antwort,  welche  infolge  äufserer  Einflüsse 
in  der  Schule  zurückgeblieben  sind.  Auch  nicht  die,  welche  hinter  dem 
DurchschnittsmalB  des  in  der  Schule  zu  Erlernenden  zurückbleiben,  die 
sog.  „Dummen".  Die  Hilfsschule  ist  ausschliefslich  für  die  Schwach- 
sinnigen, für  die  Kinder,  die,  von  allen  verspottet  und  verhöhnt,  sich 
mehr  und  mehr  in  sich  selbst  zurückziehen,  die,  wenn  sie  ins  Leben  hin- 
austreten, nur  gar  zu  leicht  der  Versuchung  anheimfallen  und  schliefslich 
die  Arbeits-  und  wohl  gar  Zuchthäuser  bevölkern.  Die  Statistik  lehrt, 
dafs  auf  etwa  150  Schulkinder  ein  Schwachsinniger  kommt.  Das  macht 
für  Neumünster  mit  etwa  6000  schulpflichtigen  Kindern  30  bis  40.  Ein 
Lehrer,  der  diese  Kinder  unterrichtet,  mufs  erst  eine  physische  und 
psychische  Diagnose  stellen,  danach  seine  Methode  einrichten.  Äulsere, 
sogenannte  Degenerationszeichen  sind  nicht  immer  mafsgebend;  wenn  sie 
auch  eine  gute  Handhabe  geben.  Spezifisch  ist,  dafs  bei  fast  allen  Schwach- 
sinnigen ein  psychischer  Defekt  vorliegt.  In  600  von  1000  Fällen  ist 
chronischer  Alkoholismus,  häufig  auch  Syphilis  Ursache  des  Schwachsinns. 
Doch  ist  derselbe  auch  zurückzuführen  auf  Nervenkrankheiten  der  Kinder, 
Verletzungen  im  frühen  Kindesalter,  Einflöfsen  von  Alkohol,  als  Folge  der 
Rhachitis,  der  englischen  Krankheit.  Epilepsie  ist  häufig  mit  Schwachsinn 
verbunden.  Will  man  demnach  das  Übel  an  der  Wurzel  anfassen,  so  kann 
es  nur  geschehen  durch  sittliche  Hebung  des  Volkes,  durch  Kampf  gegen 
den  Alkohol.  Die  Hilfsschule  will  nun  diese  von  der  Natur  Vernach- 
lässigten zu  brauchbaren  Gliedern  der  menschlichen   GeseUschaft    machen, 


643 

nnd  die  Statistik  lehrt,  dals  sie  dieses  Ziel  erreicht.  60  bis  80%  der 
ans  ihr  entlassenen  Kinder  sind  soweit  gefördert,  dals  sie  sich  selbst  er- 
nähren können.  Bildungsfähige  schwachsinnige  Kinder  gehören  nicht,  wie 
die  Gegner  behaupten,  in  Anstalten,  sondern  in  die  Schule,  sollen  nicht 
dem  Hause  entrissen  werden,  sondern  am  Familienleben  teilnehmen.  Jeder 
Hilfsschule  mufs  ein  psychiatrisch  gebildeter  Arzt  zur  Seite  stehen.  Je 
Mher  ein  schwachsinniges  Kind  in  die  Hilfsschule  gebracht  wird,  desto 
grölser  ist  die  Gewähr  des  Erfolges.  Meistens  handelt  es  sich  um  Kinder 
von  zehn  bis  zwölf  Jahren.  Die  Klassenfrequenz  soll  20  nicht  übersteigen. 
Der  Handfertigkeitsunterricht  ist  für  diese  Kinder  von  gröfster  Bedeutung. 
Mit  der  Schulentlassung  hört  die  Fürsorge  nicht  auf.  Der  Lehrer  hat 
den  den  Gefahren  des  Lebens  in  hervorragendem  Maise  ausgesetzten 
Jüngling  in  der  Lehre  zu  überwachen,  dafür  zu  sorgen,  dais  er  Tor  Gericht 
und  bei  der  Aushebung  zum  Militär  richtig  beurteilt  werde.  Dann  erst 
erfüllt  die  Hilfsschule  ganz  die  ihr  gestellte  hohe  soziale  Mission. 

Gegen  die  Kinderaagbentnng  durch  die  Industrie  spricht  sich 
der  erste  Bericht  aus,  den  die  Schulärzte  von  Apolda  der  Gemeinde- 
behörde einreichten.  {„Die  Tribüne*^,)  Die  Ärzte  stützen  sich  hierbei 
auf  ihre  Untersuchungen  über  den  Gesundheitszustand  der  Kinder.  Nament- 
lich bei  den  untersuchten  älteren  Kindern  wurde  auffallend  häufig  Blut- 
armut festgestellt  und  als  Ursache  hierzu  deren  Beschäftigung  in  der 
Textilindustrie  angegeben;  die  Ärzte  erklären  rundweg  diese  Beschäftigung 
für  unstatthaft  und  in  hygienischer  Hinsicht  yerwerflich. 

Über  das  Stottern  als  seelische  Hemmungserscheinung  sprach, 
wie  das  „Leipe,  Tagehl,^  mitteilt,  Direktor  Th.  Pazolt  unlängst  in  einer 
Sitzung  der  Vereinigung  zur  Pflege  exakter  Pädagogie  im  Leipziger  Lehrer- 
verein.  Der  Gegenstand  wurde  im  wesentlichen  von  der  Seite  behandelt, 
wo  er  die  Pädagogik  besonders  interessiert,  von  der  psychologischen.  Der 
Vortrag  sollte  deshalb  auch  dazu  dienen,  die  Kompetenzen  des  Arztes  und 
des  Erziehers  auf  diesem  Gebiete  von  einander  zu  scheiden  und  die  Grenzen 
zu  finden,  innerhalb  deren  die  Sprachstörung  als  pädagogisches  Problem 
aufzufassen  ist.  Namentlich  bei  der  heilenden  Behandlung  ist  es  nach  der 
Meinung  des  Vortragenden  nötig,  das  Stottern  auch  als  psychologisches 
Problem  zu  behandeln  nnd  die  beteiligten  seelischen  Prozesse  gebührend 
zu  berücksichtigen.  Sache  des  Arztes  ist  es,  festzustellen,  ob  organische 
Defekte  vorhanden  sind.  Ist  letzteres  nicht  der  Fall,  so  steht  alles  Übrige 
dem  Pädagogen  zu,  der  einerseits  die  Sprachstörung  durch  physische  Mittel, 
wie  Respirations-  und  Artikulationsübnngen,  andererseits  auf  psychologischem 
Wege  durch  direkte  Beeinflussung  der  Affekte  zu  beseitigen  sucht.  Da 
die  Ursachen  des  Stottems  verschieden  sind,  muls  natürlich  die  Behand- 
lung eine  individuelle  sein,  und  eine  genaue  diagnostische  Aufnahme  des 
einzehien  Falles  ist  unbedingt  nötig.  Deshalb  aber  empfiehlt  es  sich 
dringend,  die  Heilung  der  Stotterer  spezialistisch  gebildeten  Pädagogen  zu 
überlassen  und  bei  der  Ausbildung  der  Lehrer  den  Sprachstörungen  mehr 
Beachtung  zu  schenken.  (Es  will  uns  scheinen,  als  ob  in  den  Ausführungen 
des  Ref.  das  Können  des  Arztes,  dem  Stottern  gegenüber,  allzu  gering 
geschätzt  vrird.  Warum  sollte  nicht  der  Arzt  mit  ebendemselben  Rechte 
wie  der  Lehrer  sich  mit  der  Heilung  des  Stottems  befassen  können.     Es 


644 

gibt  bereits  nicht  wenige  Ärzte,  die  sich  dieser  Aufgabe  mit  grofsem  Er- 
folge gewidmet  haben.     D.  Red.) 

Der  (fsterreichische  Verein  znr  Gründung  und  Erhaltung  Ton 
Erholnngs-  und  FeierabendhSnsern  ffir  Lehrerinnen  in  Niederösterreich 
bat  bereits  ein  Vereinshans  in  Hadersdorf- Weidlingan,  nächst  Wien,  erbaut, 
um  Lehrerinnen  einen  reizend  ruhigen  Aufenthalt  nach  überstandenem 
Schuljahre  zu  gewähren.  Die  Miete  für  ein  geräumiges,  einfensteriges 
Zimmer  beträgt  über  die  Ferienzeit  40  Kr. ;  für  ein  gröfseres,  auch  fOr 
zwei  Personen  hinreichendes  Zimmer  60,  70  und  80  Kr.  (Präsidentin 
dieses  Vereins  ist  Marianne  Nigg  in  Komeuburg.) 

(Mitget.  V.  Dir.  E.  BATR-Wien.) 


Sagesgel'ctiitlitlicties. 


Behnfs  Organisation  des  ersten  Internationalen  Kongresses  fnr 
Schnlgesnndheitspflege  hat  sich  unlängst  in  Nürnberg  in  einer  sehr 
zahlreich,  namentlich  von  Ärzten  und  Lehrern,  besuchten  Versammlung  im 
Saale  des  alten  Bathauses  das  Ortskomitee  des  Kongresses  konstituiert. 
Die  Versammlung  wählte  auf  Vorschlag  des  Herrn  Hofrat  Dr.  Schubert 
Herrn  Hofrat  Dr.  Stich  zum  Vorsitzenden.  Darauf  legte  in  eingehender 
Weise  Herr  Hofrat  Dr.  Schubert  die  Organisation  des  Vereins  und  seine 
bisherige  Tätigkeit  für  die  Durchführung  des  Kongresses  dar. 

Das  Hauptkomitee  des  Kongresses  in  Nürnberg  besteht  aus  folgenden 
Herren:  1.  Vorsitzender  Prof.  Dr.  med.  und  phil.  Griesbach  aus  Mflhl- 
hausen  i.  Eis.;  stellvertretende  Vorstizende  die  Professoren  Dr.  Baginskt 
(Berlin),  Eulenbürö  (Berlin),  Finkler  (Bonn)  und  Oberrealschuldirektor 
Dr.  Schotten  (Halle);  Generalsekretär:  Hofrat  Dr.  Schubert  (Nürn- 
berg); Sekretäre:  Kgl.  Reallehrer  Dr.  phil.  Lebebmann  (Nürnberg)  und 
Kgl.  Beallehrer  Dr.  phil.  Eiselein  (Nürnberg);  Schatzmeister:  Kaufmann 
Emil  Hopp  (Nürnberg);  Mitglieder:  Geh.  Hofrat  Dr.  v.  Schuh  (Nürn- 
berg), Direktor  Batb  (Dresden),  Geh.  Baurat  Delius,  vortragender  Rat 
im  Ministerium  der  öffentlichen  Arbeiten  (Berlin),  Geh.  Rat  Pabst,  Ober- 
bürgermeister in  Weimar,  Geh.  Hofrat  Dr.  Wetqoldt,  Vertreter  des 
badischen  Oberschulrats,  Reg.-Rat  Tillmann  vom  Preufsischen  Kultus- 
ministerium. 

Der  Vorstand  des  Ortsausschusses  Nürnberg  setzt  sich  folgendermafsen 
zusammen :  Ehrenvorsitzende  Bürgermeister  Dr.  v.  Schuh  und  Medizinalrat 
Dr.  G.  Merkel;  1.  Vorsitzender  Hofrat  Dr.  Stich;  2.  Vorsitzender 
Schulrat  Prof.  Dr.  Glauning;  I.Schriftführer  Lehrer  Darr,  Vorsitzender 
des  Bezirks-Lehrervereins ;  2.  Schriftführer  Lehrer  Degelbeck. 

Über  die  zahnärztliche  Poliklinik  des  Vereins  Hessischer  Zahn- 
ärzte zu  Darmstadt  entnehmen  wir  der  No.  160  der  „Neuen  Hessischen 
Yolksblätter**  vom  11.  Juli  1903  folgende  Notiz:  Die  Poliklinik  hat  vom 


645 

1.  Dezember  1902  bis  1.  Juli  1903  behandelt  Knaben  402,  Mädchen  529, 
Summa  931,  mit  zusammen  1062  Konsultationen.  Die  Zahl  der  aus- 
gezogenen Zähne  belief  sich  auf  1220,  davon  Milchzähne  911,  bleibende 
Zähne  309,  die  Zahl  der  Füllungen  auf  831.  Femer  wurde  eine  ganze 
Anzahl  von  Erkrankungen  (Zahnfisteln  etc.)  behandelt  und  geheilt. 

Dem  von  Herrn  Zahnarzt  Köhler  verfallsten,  die  bisherige  Tätigkeit 
der  Poliklinik  zusammenfassend  schildernden  Bericht  seien  folgende  Schluis- 
bemerkungen  entnommen:  „Es  fragt  sich,  ist  die  Bürde,  die  die  Zahnärzte 
ohne  Entschädigung  zu  tragen  übernommen  haben,  nicht  geeignet,  den 
einen  oder  den  anderen  zum  Rücktritte  zu  veranlassen?  Diese  Frage  mulste 
ich  schon  oft  hören.  Ich  muis  zugeben,  dals  es  auch  unmöglich  wäre,  ein 
so  schweres  Opfer  für  die  Dauer  zu  verlangen.  Es  würde  dabei  nicht 
möglich  sein,  die  Anstalt  nach  allen  Richtungen  hin  so  auszubauen,  wie.  es 
mir  im  Sinne  liegt.  Die  Frage,  ob  die  Stadt  uns  Unterstützung  geben 
wird  oder  nicht,  will  ich  vorläufig  unerörtert  lassen.  Ich  bin  aber  der 
bestimmten  Überzeugung,  dafs  eine  Stadt,  die  für  so  viele  gemeinnützige 
Zwecke  eine  offene  Hand  hat,  die  als  eines  der  ersten  Gemeinwesen  z.  B. 
Schulärzte  geschaffen  hat,  dafs  eine  solche  Stadt  auch  für  den  Ausbau 
einer  für  das  Yolkswohl  so  überaus  wichtigen  Einrichtung,  wie  es  die  zahn- 
ärztliche Poliklinik  ist,  nicht  geizen  wird.  Zum  Schlüsse  möchte  ich  nun 
noch  kurz  meine  Pläne  über  den  Ausbau  der  zahnärztlichen  Poliklinik  er- 
örtern, um  zu  zeigen,  wie  eine  solche  Einrichtung  von  mir  gedacht: 

1.  Die  Untersuchung  sämtlicher  Yolksschulkinder  mufs  jährlich  einmal 
—  wenn  irgend  tunlich  zweimal  —  erfolgen.  Die  erste  Untersuchung 
müfste  obligatorisch  sein.  Zur  zweiten  müfsten  die  Kinder  von  der  Klinik 
aus  veranlafst  werden.  2.  Eine  vollständige  Sanierung  aller  untersuchten 
Yolksschulkinder  (d.  h.  Füllen  aller  Zähne,  die  im  Interesse  der  Kaufähig- 
keit erhalten  werden  müfsten,  sowie  Beseitigung  aller  nicht  mehr  füllbaren 
Zahnreste)  mufs  sich  an  die  Untersuchung  anschliefsen.  3.  Ausdehnung  der 
Untersuchung  und  Behandlung  aller  Yolksschulkinder  auf  die  Yororte  Darm- 
stadts  mit  eigener  Yerwaltung  (Eberstadt,  Pfungstadt,  Griesheim  u.  s.  w.). 
Selbstverständlich  müfsten  die  Gemeinden  sich  an  den  Kosten  entsprechend 
beteiligen.  4.  Ausdehnung  der  Behandlung  auf  die  Schüler  höherer  Schulen, 
deren  Eltern  wenig  bemittelt  sind  und  deshalb  die  Behandlung  ihrer  Kinder 
beantragen.  5.  Die  Untersuchung  und  Behandlung  der  noch  nicht  schul- 
pflichtigen Kinder  solcher  Eltern,  die  ihre  Kinder  voraussichtlich  der  Yolks- 
schule  überweisen,  sowie  der  unter  4.  bezeichneten  müfste  (eventuell  auf 
Antrag  der  Eltern)  durchgeführt  werden.  Hierdurch  würde  erst  die  zahn- 
ärztliche Poliklinik  eine  allgemeine  Wohlfahrtseinrichtung  fürs  Yolk  in  des 
Wortes  schönster  Bedeutung.  Es  würde  aber  auch  ein  grofser  Prozentsatz 
kranker  Milchzähne  erhalten  werden  können,  die  wir  bei  Behandlung  nach 
Eintritt  in  die  Schule  leider  auszuziehen  gezwungen  werden.  6.  Die  zahn- 
ärztliche Poliklinik  mtLfste  der  Militärverwaltung  zur  Untersuchung  und  Be- 
handlung der  Soldaten  zur  Yerfügung  gestellt  werden.  Selbstverständlich 
mülste  die  Militärsanitätsverwaltung  hierfür  entsprechende  Entschädigung 
gewähren  und  die  eii^ährig-freiwilligen  Zahnärzte  u.  s.  w.  zur  Dienstleistung 
zur  Yerfügung  stellen. 

Die  Durchführung   dieser  Forderungen  würde  leicht  sein,    wenn  ein 


646 

bestimmter  Betrag  dem  Verein  Hessischer  Zahnärzte  znr  Verftlgong  gestellt 
würde  zur  a)  Anstellung  eines  Zahnarztes  als  Assistenten, 
b)  Bestreitung  der  Material-  u.  s.  w.  Unkosten.  Die  Höhe  des 
Betrages  wttrde  sich  nach  dem  Umfang  der  DurchfQhmng  obiger  Forde- 
rungen richten,  vorerst  jedoch  die  Höhe  von  1500  bis  2000  Mark  kaum 
überschreiten.  Zu  diesem  Zuschufs  müfsten  alle  an  der  Einrichtung  inter- 
essierten Kassen  entsprechend  zugezogen  werden,  und  zwar  die  Stadtkasse 
zu  Darmstadt,  Armenkasse  zu  Darmstadt,  Medizinalkasse  der  Allgemeinen 
Ortskrankenkasse  zu  Darmstadt,  Allgemeine  Ortskrankenkasse,  InvalidiULts- 
kasse  für  das  Grolsherzogtum,  bezw.  Gemeindekassen  der  beteiligten  Vor- 
orte, bezw.  Gemeindekrankenkassen  der  betr.  Orte,  alle  Krankenkassen, 
die  für  die  Behandlung  von  Familienangehörigen  aufkommen,  soweit  sie 
nicht  speziell  Verträge  mit  dem  Verein  Hessischer  Zahnärzte  haben,  Militär- 
fisktis  u.  s.  w.       (Mitget.  von  Oberlehrer  Kabl  RoLLEB-Darmstadt.) 

Eine  neue  Zfircherische  Pflegeanstalt  fßr  bildiuigganfXhige, 

blSde  Kinder  ist  im  Bau  begriffen.  Das  Gebäude  ist  sehr  einfach  ge- 
halten, zweistöckig,  mit  der  Front  nach  Südwesten.  Es  bietet  in  vier 
grofsen  Schlafsälen  und  vier  Einzelzimmern  Raum  für  56 — 60  Pfleglinge. 
Neben  den  Schlafsälen  sind  die  geräumigen  V^ohnzimmer  angelegt,  nach 
rückwärts  die  Zimmer  für  die  Wärterinnen,  Badezimmer  und  Klosette. 
Der  Mittelbau  enthält  im  Parterre  das  Arzt-  und  das  Besuchszimmer  und 
das  Bureau;  darüber  liegt  der  durch  zwei  Stockwerke  gehende  grofse 
Speisesaal,  der  auch  für  Festfeiem,  Weihnachtsbäume  und  dergl.  benutzt 
wird.  Im  geräumigen  Mittelbau  nach  rückwärts  sind  Parterre,  Küche, 
Waschküche,  Platt-  und  Spülziomier,  im  ersten  Stock  die  übrigen  Ver- 
waltungsräume untergebracht;  der  Dachstock  enthält  die  Wohnung  des  Haus- 
vaters und  die  Dienstbotenzimmer;  im  Souterrain  ist  die  Heizung  placiert  und 
noch  verschiedene  Arbeits-  und  Spielräume.  Der  ganze  Bau,  möglichst 
einfach  gehalten,  kostet  mit  Möblierung  ca.  230000  Fr.;  davon  sind 
ca.  60000  Fr.  vorhanden,  für  die  übrigen  170000  Fr.  ist  die  Aufsichts- 
kommission auf  die  Mildtätigkeit  der  Bevölkerung  angewiesen. 


^mtltdie  lOerfngttttjen. 


Gesetz,  betreffend  Kinderarbeit  in  gewerblichen  Betrieben, 

Tom  30.  Uärz  1903. 

(Reichsgesetzbl.  No.  14,  S.  113  ff.) 

1.  Einleitende  Bestimmungen. 

§  1. 

Auf  die  Beschäftigung  von  Kindern  in  Betrieben,  welche  als  gewerb- 
liche im  Sinne  der  Gewerbeordnung  anzusehen  sind,  finden  neben  den 
bestehenden    reichsrechtlichen    Vorschriften    die    folgenden    Bestimmungen 


4 


647 

Anwendung,  nnd  zwar  auf  die  Beschftftigiing  fremder  Kinder  die  §§  4  bis  11, 
anf  die  Besch&ftigong  eigener  Kinder  die  §§  12  bis  17. 

§2. 
Kinder  im  Sinne  dieses  Gesetzes. 
Als  Kinder   im   Sinne   dieses  Gesetzes   gelten  Knaben  nnd  Mädchen 
unter  13  Jahren,  sowie  solche  Knaben  nnd  Mädchen  über  13  Jahre,  welche 
noch  znm  Besuche  der  Volksschule  verpflichtet  sind. 

§3. 
Eigene,  fremde  Kinder. 
Im  Sinne  dieses  Gesetzes  gelten  als  eigene  Kinder: 

1.  Kinder,  die  mit  denjenigen,  welcher  sie  beschäftigt,  oder  mit 
dessen  Ehegatten  bis  zum  dritten  Grade  verwandt  sind, 

2.  Kinder,  die  von  dengenigen,  welcher  sie  beschäftigt,  oder  dessen 
Ehegatten  an  Kindesstatt  angenommen  oder  bevormundet  sind, 

3.  Kinder,  die  demjenigen,  welcher  sie  zugleich  mit  Kindern  der 
unter  1  oder  2  bezeichneten  Art  beschäftigt,  zur  gesetzlichen 
Zwangserziehung  (Fürsorgeerziehung)  überwiesen  sind, 

sofern  die  Kinder  zu  dem  Hausstande  desjenigen  gehören,  welcher  sie  be- 
schäftigt. 

Kinder,  welche  hiemach  nicht  als  eigene  Kinder  anzusehen  sind,  gelten 
als  fremde  Kinder. 

Die  Vorschriften  über  die  Beschäftigung  eigener  Kinder  gelten  auch 
für  die  Beschäftigung  von  Kindern,  welche  in  der  Wohnung  oder  Werk- 
stätte einer  Person,  zu  der  sie  in  einem  der  im  Abs.  1  bezeichneten  Ver- 
hältnisse stehen  und  zu  deren  Hausstande  sie  gehören,  fttr  Dritte  beschäftigt 
werden. 

n.  Beschäftigung  fremder  Kinder. 

§4. 
Verbotene  Beschäftigungsarten. 

Bei  Bauten  aller  Art,  im  Betriebe  deijenigen  Ziegeleien  und  über  Tage 
betriebenen  Brüche  und  Gruben,  auf  welche  die  Bestimmungen  der  §§  134 
bis  139  b  der  Gewerbeordnung  keine  Anwendung  finden,  und  der  in  dem 
anliegenden  Verzeichnis  aufgefflhrten  Werkstätten,  sowie  beim  Steinklopfen, 
im  Schomsteinfegergewerbe,  in  dem  mit  dem  Speditionsgeschäfte  ver- 
bundenen Fuhrwerksbetriebe,  beim  Mischen  und  Mahlen  von  Farben,  beim 
Arbeiten  in  Kellereien  dürfen  Kinder  nicht  beschäftigt  werden. 

Der  Bundesrat  ist  ermächtigt,  weitere  ungeeignete  Beschäftigungen  zu 
untersagen  und  das  Verzeichnis  abzuändern.  Die  beschlossenen  Abände- 
rungen sind  durch  das  Reichsgesetzblatt  zu  veröffentlichen  und  dem  Reichs- 
tage sofort  oder,  wenn  derselbe  nicht  versammelt  ist,  bei  seinem  nächsten 
Zusammentritt  zur  Kenntnisnahme  vorzulegen. 

§5. 
Beschäftigung  im  Betriebe  von  Werkstätten,  im  Handelsgewerbe 

und  in  Verkehrsgewerben. 

Im  Betriebe  von  Werkstätten  (§  18),  in  denen  die  Beschäftigung  von 

Kindern  nicht  nach  §  4  verboten  ist,  im  Haiidelsgewerbe  (§  105  b,  Abs.  2,  3 

der  Gewerbeordnung)  und  in  Verkehrsgewerben  (§  105  i,  Abs.  1  a.  a.  0.) 

dürfen  Kinder  unter  zwölf  Jahren  nicht  beschäftigt  werden. 

Schnlfl^esundheitspflege.  XVI.  34 


648 

Die  Beschäftigang  von  Kindern  über  zwölf  Jahre  darf  nicht  in  der 
Zeit  zwischen  acht  ühr  abends  nnd  acht  Uhr  morgens  and  nicht  yor  dem 
Yormittagsnnterrichte  stattfinden.  Sie  darf  nicht  l&nger  als  drei  Standen, 
and  während  der  von  der  znst&ndigen  Behörde  bestimmten  Schalferien 
nicht  länger  als  vier  Standen  täglich  daaern.  um  Mittag  ist  den  Kindern 
eine  mindestens  zweistündige  Panse  za  gewähren.  Am  Nachmittage  darf 
die  Beschäftigang   erst  eine  Stande  nach  beendetem  Unterrichte  beginnen. 

§6. 
Beschäftigang  bei  öffentlichen  theatralischen  Yorstellangen  nnd  anderen 

öffentlichen  Schanstellangen. 
Bei  öffentlichen  theatralischen  Yorstellangen  and  anderen  öffentlichen 
Schanstellimgen  dürfen  Kinder  nicht  beschäftigt  werden. 

Bei  solchen  Yorstellangen  nnd  Scbaastellangen,  bei  denen  ein  höheres 
Interesse  der  Knnst  oder  Wissenschaft  obwaltet,  kann  die  antere  Yer- 
waltangsbehörde  nach  Anhörnng  der  Schalaafsichtsbehörde  Aasnahmen 
znlassen. 

§7. 
Beschäftigang  im  Betriebe  von  Gast-  and  von  Schankwirtschaften. 
Im  Betriebe  yod  Gast-  and  von  Schankwirtschaften  dürfen  Kinder 
anter  zwölf  Jahren  überhaapt  nicht  nnd  Mädchen  (§  2)  nicht  bei  der  Be- 
dienang  der  Gäste  beschäftigt  werden.  Im  übrigen  finden  aaf  die  Be- 
schäftigang von  Kindern  über  zwölf  Jahre  die  Bestimmnngen  des  §  5, 
Abs.  2,  Anwendnng. 

§8. 
Beschäftigang  beim  Aastragen  von  Waren  nnd  bei  sonstigen  Botengängen. 

Aaf  die  Beschäftigang  von  Kindern  beim  Aastragen  von  Waren  nnd 
bei  sonstigen  Botengängen  in  den  in  §§  4  bis  7  bezeichneten  and  in 
anderen  gewerblichen  Betrieben  finden  die  Bestimmnngen  des  §  ö  ent- 
sprechende Anwendnng. 

Für  die  ersten  zwei  Jahre  nach  dem  Inkrafttreten  dieses  Gesetzes  kann 
die  antere  Yerwaltnngsbehörde  nach  Anhörnng  der  Schalaafsichtsbehörde 
für  ihren  Bezirk  oder  Teile  desselben  allgemein  oder  für  einzelne  Gewerbs- 
zweige gestatten,  dafs  die  Beschäftigang  von  Kindern  über  zwölf  Jahre 
bereits  von  sechseinhalb  Uhr  morgens  an  nnd  vor  dem  Yormittagsnnter- 
richte stattfindet,  jedoch  darf  sie  yor  dem  Yormittagsanterrichte  nicht 
länger  als  eine  Stande  daaern. 

§9. 

Sonntagsrohe. 

An  Sonn-  nnd  Festtagen  (§  105  a,  Abs.  2,  der  Gewerbeordnung) 
dürfen  Kinder,  yorbehaltlich  der  Bestimmnngen  in  Abs.  2,  3,  nicht  be- 
schäftigt werden. 

Für  die  öffentlichen  theatralischen  Yorstellnngen  nnd  sonstigen  öffent- 
lichen Schanstellangen  bewendet  es  anch  an  Sonn-  nnd  Festtagen  bei  den 
Bestimmnngen  des  §  6. 

Für  das  Austragen  yon  Waren  sowie  für  sonstige  Botengänge  be- 
wendet es  bei  den  Bestimmnngen  des  §  8.  Jedoch  darf  an  Sonn-  nnd 
Festtagen  die  Beschäftigung  die  Daner  yon  zwei  Stunden  nicht  überschreiten 
und  sich  nicht  über  ein  Uhr  nachmittags  erstrecken;   auch  darf  sie  nicht 


649 

in  der  letzten  halben  Stnnde  vor  Beginn  dear  Hanptgottesdienstes  und  nicht 
während  desselben  stattfinden. 

§  10. 
Anzeige. 

Sollen  Kinder  beschäftigt  werden,  so  hat  der  Arbeitgeber  vor  dem 
Beginne  der  Beschäftigung  der  Ortspolizeibehörde  eine  schriftliche  Anzeige 
zn  machen.  In  der  Anzeige  sind  die  Betriebsstätte  des  Arbeitgebers, 
sowie  die  Art  des  Betriebes  anzugeben. 

Die  Bestimmung  des  Abs.  1  findet  keine  Anwendung  auf  eine  blofs 
gelegentliche  Beschäftigung  mit  einzelnen  Dienstleistungen. 

§  11. 
Arbeitskarte. 

Die  Beschäftigung  eines  Kindes  ist  nicht  gestattet,  wenn  dem  Arbeit- 
geber nicht  zuvor  fQr  dasselbe  eine  Arbeitskarte  eingehändigt  ist.  Diese 
Bestimmung  findet  keine  Anwendung  auf  eine  blols  gelegentliche  Beschäfti- 
gung mit  einzelnen  Dienstleistungen. 

Die  Arbeitskarten  werden  auf  Antrag  oder  mit  Zustimmung  des  gesetz- 
lichen Vertreters  durch  die  Ortspolizeibehörde  desjenigen  Orts,  an  welchem 
das  Kind  zuletzt  seinen  dauernden  Aufenthaltsort  gehabt  hat,  kosten-  und 
stempelfrei  ausgestellt;  ist  die  Erklärung  des  gesetzlichen  Vertreters  nicht 
zu  beschaffen,  so  kann  die  Gemeindebehörde  die  Zustimmung  ergänzen. 
Die  Karten  haben  den  Namen,  Tag  und  Jahr  der  Geburt  des  Kindes, 
sowie  den  Namen,  Stand  und  letzten  Wohnort  des  gesetzlichen  Vertreters 
zu  enthalten. 

Der  Arbeitgeber  hat  die  Arbeitskarte  zu  yerwahren,  auf  amtliches 
Verlangen  Torzulegen  und  nach  rechtmäfsiger  Lösung  des  Arbeitsverhält- 
nisses dem  gesetzlichen  Vertreter  wieder  auszuhändigen.  Ist  die  Wohnung 
des  gesetzlichen  Vertreters  nicht  zu  ermitteln,  so  erfolgt  die  Aushändigung 
der  Arbeitskarte  an  die  im  Abs.  2  bezeichnete  Ortspolizeibehörde. 

Die  Bestimmungen  des  §  4  des  Gewerbegerichtsgesetzes  vom  29.  Sep- 
tember 1901  (Reichsgesetzbl.  S.  353)  über  die  Zuständigkeit  der  Gewerbe- 
gerichte fttr  Streitigkeiten  hinsichtlich  der  Arbeitsbücher  finden  entsprechende 
Anwendung. 

in.  Beschäftigung  eigener  Kinder. 

§  12. 
Verbotene  Beschäftigungsarten. 

In  Betrieben,  in  denen  gemäfs  den  Bestimmungen  des  §  4  fremde 
Kinder  nicht  beschäftigt  werden  dürfen,  sowie  in  Werkstätten,  in  welchen 
durch  elementare  Kraft  (Dampf,  Wind,  Wasser,  Gas,  Luft,  Elektrizität  u.  s.  w.) 
bewegte  Triebwerke  nicht  blols  vorübergehend  zur  Verwendung  kommen, 
ist  auch  die  Beschäftigung  eigener  Kinder  untersagt. 

§  13. 

Beschäftigung  im  Betriebe  von  Werkstätten,  im  Handelsgewerbe 

und  in  Verkehrsgewerben. 

Im  Betriebe  von  Werkstätten,  in  denen  die  Beschäftigung  von  Kindern 
nicht  nach  §  12  verboten  ist,  im  Handelsgewerbe  und  in  Verkehrsgewerben 
dürfen  eigene  Kinder  unter  zehn  Jahren  überhaupt  nicht,  eigene  Kinder 
über    zehn  Jahre    nicht   in   der  Zeit  zwischen  acht  Uhr  abends  und  acht 

84* 


650 

I 

Uhr  morgens  und  nicht  vor  dem  Yormittagsanterricbte  beschäftigt  werden, 
um  Mittag  ist  den  Kindern  eine  mindestens  zweistflndige  Paose  zu  ge- 
währen. Am  Nachmittage  darf  die  Beschäftigung  erst  eine  Stunde  nach 
beendetem  Unterrichte  beginnen. 

Eigene  Kinder  unter  zwölf  Jahren  dürfen  in  der  Wohnung  oder 
Werkstätte  einer  Person,  zu  der  sie  in  einem  der  im  §  3,  Abs.  1,  be- 
zeichneten Verhältnisse  stehen,  flkr  Dritte  nicht  beschäftigt  werden. 

An  Sonn-  und  Festtagen  dürfen  auch  eigene  Kinder  im  Betriebe  yon 
Werkstätten  und  im  Handelsgewerbe  sowie  im  Yerkehrsgewerbe  nicht  be- 
schäftigt werden. 

§  14. 
Besondere  Befugnisse  des  Bundesrats. 

Der  Bundesrat  ist  ermächtigt,  für  die  ersten  zwei  Jahre  nadi  dem 
Inkrafttreten  dieses  Gesetzes  für  einzebe  Arten  der  im  §  12  bezeichneten 
Werkstätten,  in  denen  durch  elementare  Kraft  bewegte  Triebwerke  nicht 
blois  vorübergehend  zu  Verwendung  kommen,  und  der  im  §  13,  Abs.  1, 
bezeichneten  Werkstätten  Ausnahmen  von  den  daselbst  vorgesehenen  Be- 
stimmungen zuzulassen. 

Nach  Ablauf  dieser  Zeit  kann  der  Bundesrat  fOr  einzelne  Arten  der 
im  §  12  bezeichneten  Werkstätten  mit  Motorbetrieb  die  Beschäftigang 
eigener  Kinder  nach  Malsgabe  der  Bestimmungen  im  §  13,  Abs.  1,  unter 
der  Bedingung  gestatten,  dafs  die  Kinder  nicht  an  den  durch  die  Trieb- 
kraft bewegten  Maschinen  beschäftigt  werden  dürfen.  Auch  kann  der 
Bundesrat  für  einzelne  Arten  der  im  §  13,  Abs.  1,  bezeichneten  Werk- 
stätten Ausnahmen  von  dem  Verbote  der  Beschäftigung  von  Kindern  unter 
zehn  Jahren  zulassen,  sofern  die  Kinder  mit  besonders  leichten  und  ihrem 
Alter  angemessenen  Arbeiten  beschäftigt  werden;  die  Beschäftigung  darf 
nicht  in  der  Zeit  zwischen  acht  Uhr  abends  und  8  Uhr  morgens  statt- 
finden; um  Mittag  ist  den  Kindern  eine  mindestens  zweistündige  Pause  zu 
gewähren;  am  Nachmittage  darf  die  Beschäftigung  erst  eine  Stunde  nach 
beendetem  Unterrichte  beginnen.  Die  Ausnahmebestimmungen  können 
allgemein  oder  für  einzelne  Bezirke  erlassen  werden. 

§  15. 

Beschäftigung  bei  öffentlichen  theatralischen  Vorstellungen  und  anderen 

öffentlichen  Schaustellungen. 

Auf  die  Beschäftigung  eigener  Kinder  bei  öffentlichen  theatralischen 
Vorstellungen  und  anderen  öffentlichen  Schaustellungen  finden  die  Bestim- 
mungen des  §  6  Anwendung. 

§  16. 
Beschäftigung  im  Betriebe  Ton  Gast-  und  von  Schankwirtschaften. 

Im  Betriebe  von  Gast-  und  von  Schankwirtschaften  dürfen  Kinder  unter 
zwölf  Jahren  überhaupt  nicht  und  Mädchen  (§  2)  nicht  bei  der  Bedienung 
der  Gäste  beschäftigt  werden.  Die  untere  Verwaltungsbehörde  ist  befugt, 
nach  Anhörung  der  Schulaufsichtsbehörde  in  Orten,  welche  nach  der  jeweilig 
letzten  Volkszählung  weniger  als  zwanzigtausend  Einwohner  haben,  fflr 
Betriebe,  in  welchen  in  der  Regel  ausschlielslich  zur  Familie  des  Arbeit- 
gebers gehörige  Personen  beschäftigt  werd^,  Ausnahmen  zuzulassen.     Im 


661 

übrigen  finden  auf  die  Beschaftigong  von  eigenen  Kindern  die  Bestimmnsgen 
des  §  13y  Abs.  1,  Anwendung. 

§  17. 

Besch&ftigiing  beim  Austragen  yon  Waren  und  bei  sonstigen  Boteng&ngen. 

Auf  die  Beschäftigung  beim  Austragen  von  Zeitungen,  Milch  und  Back- 
waren finden  die  Besthnmungen  im  §  8,  §  9,  Abs.  3,  dann  Anwendung, 
wenn  die  Kinder  fUr  Dritte  beschäftigt  werden. 

Im  übrigen  ist  die  Beschäftigung  von  eigenen  Kindern  beim  Austragen 
Ton  Waren  und  bei  sonstigen  Botengängen  gestattet.  Durch  Polizei- 
yerordnungen  der  zum  Erlasse  solcher  berechtigten  Behörden  kann  die 
Beschäftigung  beschränkt  werden. 

lY.  Gemeinsame  Bestimmungen. 

§  18. 

Werkstätten  im  Sinne  dieses  Gesetzes. 

Als  Werkstätten  gelten  neben  den  Werkstätten  im  Sinne  des  §  105b, 
Abs.  1,  der  Gewerbeordnung  auch  Räume,  die  zum  Schlafen,  Wohnen  oder 
Kochen  dienen,  wenn  darin  gewerbliche  Arbeit  verrichtet  wird,  sowie  im 
Freien  gelegene  gewerbliche  Arbeitsstellen. 

§  19. 
Abweichungen  von  der  gesetzlichen  Zeit. 
Beträgt  der  unterschied  zwischen  der  gesetzlichen  Zeit  und  der  Orts- 
zeit mehr  als  eine  Viertelstunde,  so  kann  die  höhere  Verwaltungsbehörde 
bezüglich  der  in  diesem  Gesetze  vorgesehenen  Bestimmungen  über  Anfang 
und  Ende  der  zulässigen  täglichen  Arbeitszeit  für  ihren  Bezirk  oder  ein- 
zelne Teile  desselben  Abweichungen  von  der  Vorschrift  über  die  gesetzliche 
Zeit  in  Deutschland  (Gesetz  vom  12.  März  1903,  Reichsgesetzbl.  S.  93) 
zulassen.  Die  Abweichungen  dürfen  nicht  mehr  als  eine  halbe  Stunde 
betragen.  Die  gesetzlichen  Bestimmungen  über  die  zulässige  Dauer  der 
Beschäftigung  bleiben  unberührt. 

§  20. 
Besondere  polizeiliche  Befugnisse. 
Die  zuständigen  Polizeibehörden  können  im  Wege  der  Verfügung  eine 
nach  den  vorstehenden  Bestimmungen  zulässige  Beschäftigung,  sofern  dabei 
erhebliche  Milsstände  zu  Tage  getreten  sind,  auf  Antrag  oder  nach  Anhörung 
der  Schulaufsichtsbehörde  f&r  einzelne  Kinder  einschränken  oder  untersagen, 
sowie,  wenn  für  das  Kind  eine  Arbeitskarte  erteilt  ist  (§  11),  diese  ent- 
ziehen und  die  Erteilung  einer  neuen  Arbeitskarte  verweigern. 

Die  zuständigen  Polizeibehörden  sind  femer  befugt,  zur  Beseitigung 
erheblicher  die  Sittlichkeit  gefährdender  Milsstände  im  Wege  der  Verfügung 
für  einzelne  Gast-  oder  Schankwirtschaften  die  Beschäftigung  von  Kindern 
weiter  einzuschränken  oder  zu  untersagen. 

§  21. 
Aufsicht. 
Insoweit   nicht   durch  Bundesratsbeschlub    oder   durch   die  Landes- 
regierungen die  Aufsicht  anderweitig  geregelt  ist,  finden  die  Bestimmungen 
des  §  139  b  der  Gewerbeordnung  Anwendung. 


652 

In  PriYatwohnnngen,  in  denen  ansschlieislich  eigene  Kinder  besch&ftigt 
werden,  dtkrfen  Revisionen  während  der  Nachtzeit  nnr  stattfinden,  wenn 
Tatsachen  vorliegen,  welche  den  Verdacht  der  Nachtbesch&ftignng  dieser 
Kinder  begrOnden. 

§  22. 
Znstftndige  Beh6rden. 

Welche  Behörden  in  jedem  Bandesstaat  unter  der  Bezeichnung: 
höhere  Yerwaltongsbehörde,  untere  Verwaltnngsbehörde,  Schnlaafsichts- 
behörde,  Gemeindebehörde,  Polizeibehörde,  Ortspolizeibehörde  zn  verstehen 
sind,  wird  von  der  Zentralbehörde  des  Bandesstaats  bekannt  gemacht. 

y.  Strafbestimmnngen. 
§  23. 
Mit  Geldstrafe  bis  za  zweitausend  Mark  wird  bestraft,  wer  den  §§  4 
bis  8  zuwiderhandelt 

Im  Falle  gewohnheitsmäfeiger  Zuwiderhandlung  kann  auf  Gefängnis- 
strafe bis  zu  sechs  Monaten  erkannt  werden. 

Der  §  75  des  Gerichtsverfassungsgesetzes  findet  Anwendung. 

§  24. 
Mit  Geldstrafe  bis  zu  sechshundert  Mark  wird  bestraft: 

1.  wer  dem  §  9  zuwider  Kindern  an  Sonn-  und  Festtagen  Be- 
schäftigung gibt; 

2.  wer  den  auf  Grund  des  §  20  hinsichtlich  der  Beschäftigung 
fremder  Kinder  endgültig  ergangenen  Yerfflgungen  zuwiderhandelt. 

Im  Falle  gewohnheitsmäfsiger  Zuwiderhandlung  kann  auf  Haft  erkannt 

werden. 

§  25. 

Mit  Geldstrafe  bis  zu  einhundertfünfzig  Mark  wird  bestraft: 

1.  wer  den  §§  12  bis  16,  §  17,  Abs.  1,  zuwiderhandelt; 

2.  wer  den  auf  Grund  des  §  20  hinsichtlich  der  Beschäftigung 
eigener  Kinder  endgültig  ergangenen  Verfügungen  oder  den  auf 
Grund  des  §  17,  Abs.  2,  erlassenen  Vorschriften  zuwiderhandelt. 

Im  Falle  gewohnheitsmälsiger  Zuwiderhandlung  kann  auf  Haft  erkannt 
werden. 

§  26. 
Mit   Geldstrafe   bis    zu    dreifsig  Mark   werden  Arbeitgeber   bestraft, 
welche  es  unterlassen,  den  durch  §  10  für  sie  begründeten  Verpflichtungen 
nachzukommen. 

§  27. 
Mit  Geldstrafe  bis  zu  zwanzig  Mark  wird  bestraft: 

1.  wer  entgegen  der  Bestimmung  des  §  11,  Abs.  1,  ein  Kind 
in  Beschäftigung  nimmt  oder  behält; 

2.  wer  der  Bestimmung  des  §  11,  Abs.  3,  in  Ansehung  der 
Arbeitskarten  zuwiderhandelt. 

§  28. 
Die  Strafverfolgung    der   im    §  24    bezeichneten  Vergehen    veijährt 
binnen  drei  Monaten. 

§  29. 
Die  Bestimmungen  des  §  151  der  Gewerbeordnung  finden  Anwendung. 


653 

VI.  SchlufsbeBtimmungen. 
§30. 
Die  vorstehenden  Bestimmnngen   stehen   weitergehenden  landesrecht- 
lichen Beschränkungen    der  Beschäftigung   yon  Kindern   in   gewerblichen 
Betrieben  nicht  entgegen. 

§  31. 
Dieses  Gesestz  tritt  mit  dem  1.  Jannftr  1904  in  Kraft. 

Urkundlich  unter  unserer  Höchsteigenh&ndigen  Unterschrift  und  bei- 
gedrucktem Kaiserlichen  Insiegel. 

Gegeben  Berlin  im  SchloCs,  den  30.  Mftrz  1903. 

(L.  S.)  Wilhelm. 

Graf  VON  Posadowskt. 


fitetatiit* 


Besprechungen. 

GiOYANNi  CoLOMBiNi,  Prof.  (Direttore  del  Periodico  La  Scuola  Flörentina). 
La  Scrittun  Diritta  in  Italia.  Monografia  letta  nel  primo  Congresso 
nazionale  di  Scrittura  inaugurato  in  Roma  in  Campidoglio,  28  Dicembre 
1901.  Ferenze,  Casa  Editrice  della  Didättica  Nuöva  1902.  (Auszug 
aus  dem  Bericht  Aber  den  Steilschriftkongreis  in  Rom ,  zusammengestellt 
von  Prof.  Giovanni  Colombini.) 

Zuerst  bringt  der  Verfasser  einige,  allerdings  unyoUständige,  geschicht- 
liche Daten  über  die  Entstehung  der  Steilschrift.  F&akcessco  Soayb 
yeröffentlichte  schon  1808  in  Venedig  eine  Schrift  Aber  diesen  Gegenstand. 
Die  Gedanken,  die  darin  zum  Ausdruck  kommen,  wurden  in  Frankreich  von 
Mathias  Rot  1862  weiter  ausgefOhrt.  Die  gleichen  Ideen  fahrte  der 
Kongrefs  von  Genf  1882  vor.  1885  wird  in  der  Anstalt  Witakeb  in 
Palermo  die  Steilschrift  eingeführt.  In  Böhmen  kommt  1891  eine  Schrift 
heraus,  die  in  12  Paragraphen  angibt,  wie  man  die  Steilschrift  in  der 
Schule  lehren  soll.  Dasselbe  geschah  in  NAmberg.  Besondere  Verdienste 
um  die  Weiterverbreitong  der  Steilschrift  erwarben  sich  die  Professoren 
Anoelo  Celli  und  Alebsandbo  Seeafini  in  Rom,  sowie  Dr.  Schübebt 
in  NAmberg.  1890  bildete  sich  in  Mantua  ein  Lehrerverein  „Roberto 
Ardigo**  zur  Verbreitung  der  Steilschrift.  Im  darauffolgenden  Jahre  tagte 
in  London  ein  „Internationaler  medizinischer  Kongreb*',  wobei  die  Ein- 
fAhmng  der  Steilschrift  befürwortet  wird.  Dasselbe  geschieht  in  der  „Societä 
Oftalmologica"  in  Paris  1892.  Im  selben  Jahre  erfindet  Belliabd  eine 
eigene  „Tayola''  mit  besonderen  Figuren  und  Zeichnungen,  die  die  Steil- 
schrift uns  YorfAhren  soU. 

Auf  den  Kongressen  zu  Budapest  (1894)  und  zu  Venedig  (1895)  wird 
fAr  die  Steilschrift  eingetreten.     Überraschende  Erfolge  zeigten  sich,    als 


664 

Dr.  FüCHS   und  Miohaxl  Nastsi   die  Steilschrift    in   der  Stenographie 
verwendeten;  sie  erzielten  250  Worte  in  der  Minute. 

Im  weiteren  werden  die  Nachteile  der  Schrftgschrift  und  die  groben 
Vorteile  der  Steilschrift  gewürdigt.  Der  Yerüasser  führt  alle  diejenigen,  im 
Verhfiltnis  zwischen  Augengrundlinie  einerseits  und  Grundstrich-  und  Zeilen- 
richtung  andererseits  liegenden  mechanischen  Momente  an,  welche  hei  der 
Schrägschrift  das  Kind  zwingen,  den  Körper  schief  zu  halten,  was  natttrlieh 
einen  schädigenden  Einfluls  auf  die  Entwicklung  der  Brustorgane  und  des 
Rückgrates  hat.  Ein  hedeutender  Vorteil  der  Steilschrift  ist  der,  dafs  eint 
gröisere  Genauigkeit  erzielt  wird,  heute  gewifs  ein  malsgehender  Faktor, 
wo  uns  üherall  der  Ruf  entgegentOnt:  „Zeit  ist  Geld^.  Auch  wird  eine 
Schönschrift  leichter  erreicht.  Die  ursprüngliche  „deutsche  Kursivschrift* 
war  ja  steil,  sie  soll  daher  steil  hleiben;  den  Lehrern  wird  hierdurch 
manche  Arbeit  erleichtert  und  der  Kampf  gegen  die  schlechte  Schrift  und 
die  schiefe  Schreibhaltung  der  Schüler,  die  ihnen  so  oft  zum  Vorwurf  ge- 
macht werden,  erspart  bleiben.        Fh.  Mazakarini,  Lehrer,  Wien. 

KÖNIG,  Dr.,  Kreisarzt.  Ohrenniiteraaeliiuifeii  in  der  Dorfschale.  Ein 

Beitrag  zur  Schularztfrage.  Sep.-Abdr.  aus  Sammig,  gwangloser  Äbhand- 
hingen  aus  dem  Gebiete  der  Nasen-,  Okren^  und  HcdskrankheUen. 
Vn.  Bd.    H.  3. 

Der  Verfasser  hat  sich  die  yerdienstvolle  Aufgabe  gestellt,  712  Dorf- 
kinder im  Alter  von  5 — 15  Jahren  auf  den  Zustand  des  Gehörs  zu  unter- 
suchen. Die  HörprtLfung  wurde  teils  mit  der  Taschenuhr  auf  6  m  Ent- 
fernung, teils  mittels  eines  speziell  konstruierten  Hörmessers  auf  8  m 
Entfernung,  teils  mit  Flüstersprache  auf  20,  25  und  30  m  Entfernung  vor- 
genommen. Kinder,  welche  auf  diese  Entfernung  nicht  hörten,  wurden  als 
abnormal  bezeichnet.  König  fand  auf  diese  Weise  63,38%  Ohrenpatienten, 
in  gewissen  Dörfern  sogar  71 — 72%.  Diese  Zahlen  sind  bedeutend  höher 
als  diejenigen,  die  von  Ohrenärzten,  die  solche  Schuluntersuchungen  machten, 
gefunden  wurden.  Leibold  in  München  fand  25,9  7o,  Rbichebt  in  Riga 
20  7o,  Ortmann  in  Marburg  24%,  Laubi  in  Zürich  (22000  Unter- 
suchte)  10,6  %  Ohrenkranke.  Letztere  Untersucher  prüften  auf  8 — 10  m 
Entfernung  mit  Flüstersprache.  Abgesehen  dayon,  dafs  es  nicht  gut  angeht, 
die  Resultate  der  Hörprüfungen,  die  durch  so  verschiedene  Methoden  ge- 
funden wurden,  einfach  zusammen  zu  z&hlen,  kann  der  Zweck  solcher  Unter- 
suchungen nur  der  sein,  die  Fälle  festzustellen,  bei  welchen  das  Gehör  für 
den  Schulunterricht  nicht  mehr  ausreicht,  nicht  aber  alle  selbst  leichtesten 
Schwankungen  des  Gehörs  bis  zur  Normalgrenze.  Ein  Kind,  das  10 — 20  m 
Flüstersprache  versteht,  kann  als  Schüler  als  normalhörig  bezeichnet  werden, 
wenn  auch  sein  Trommelfell  deutlich  ausgeprägte  pathologische  Verände- 
rungen zeigt.  Die  Hörprüfung  mittels  der  Uhr  ist  von  Ohrenärzten  als 
unzweckmäfsig  ziemlich  allgemein  aufgegeben,  da  man  absolut  keinen  Beweis 
hat,  dab  ein  Kind  die  Uhr  auf  eine  bestimmte  Entfernung  hört,  wenn  es 
behauptet,  dals  dies  der  Fall  sei.  Gewils  besitzen  wir  auch  in  der  Flüster- 
sprache kein  sehr  gutes  Prüfnngsmittel,  immerhin  lassen  sich  bei  einiger 
Übung  mittels  derselben  praktisch  durchaus  brauchbare  Resultate  erzielen. 
Schwerhörigkeit  wird  meist  erst  angenommen,  wenn  ein  Kind  weniger   als 


655 

8 — 10  m  Flnstenprache  hört.  —  Was  die  Diagnose  der  einzelnen  Knuikheits- 
formen  betrifft,  so  basiert  der  üntersneher  dieselbe  auf  die  Inspektion  des 
Trommelfelles  nnd  Untersuchung  von  Nase  und  Rachen.  Hit  diesen  Hilfs- 
mitteln ist  es  nicht  immer  möglich,  gewisse  Formen  von  Besten  von 
Mittelohreitemngen,  die  sich  häufig  unter  dem  Bilde  des  stark  eingezogenen 
Trommelfelles  iafolge  von  Verwachsung  des  Hammers  mit  innerer  Pauken- 
höhlenwand oder  Yerkflrzung  der  Tensorfiisem  darstellen,  von  Tuben- 
katarrhen, letztere  wieder  yon  Mittelohrkatarrhen  oder  Erkrankungen  des 
inneren  Ohres  zu  unterscheiden.  Dies  ist  nur  möglich,  wenn  bei  jedem 
Kinde,  mit  Ausnahme  der  F&Ue,  wo  Bötung  des  Trommelfelles  yorhanden 
ist,  nach  der  Inspektion  die  Luftdouche  angewendet  und  nachher  die  Hör- 
prflfiing  wiederholt  wird.  Verfasser  trennt  daher  auch  die  scharf  um- 
schriebene Gruppe  der  Tubenerkrankungen  nicht  von  den  Mittelohrkatarrhen, 
die  Beste  der  Eiterungen  nicht  von  den  Eiterungen,  und  findet  unter 
782  Kindern  nur  zwei  Fftlle  von  Erkrankungen  des  ianeren  Ohres.  Was 
seinen  Schlufsatz  7  betrifft,  dab  die  Landbevölkerung  fnr  die  sich  fort- 
erbenden katarrhalischen  Erkrankungen  des  Oehörapparates  besonders  dis- 
poniert sei,  so  kann  auf  Grund  einer  so  relativ  kleinen  Zahl  Untersuchter 
eine  so  gewichtige  Behauptung  wohl  nicht  aufgestellt  werden.  Mit  den 
flbrigen  Schlubsätzen  kann  man  sich  durchaus  einverstanden  erklären,  und 
wäre  es  sehr  zu  begrüTsen,  wenn  solche  Untersuchungen  auch  an  anderen 
Orten  yorgenommen  würden.  Dr.  LAüBi-Zflrich. 


Bibliographie. 
Die  mit  *  bezeichneten  Werke  wurden  der  Bedaktion  zugesandt. 

*  Anales  de  Instrucciön  Primaria.    Montevideo  1903.  gr.     8^     87  S. 

*Bbhnks,  Schmitt,  HintrIoer,  Wagnbr,  Lang  und  Lindhbihbr. 
Niedere  und  höhere  Schulen.  Handbuch  der  Architektur.  lY.  T. 
6.  Halbbd.  H.  1.  2.  Aufl.  Mit  373  Abbildungen  im  Text  und 
2  Tafehi.     Stuttgart,  A.  Bergstrasser,  1903.     gr.  8^.     360  S. 

^Belloro,  Antonio,  Giovanni,  Ing.  Tipi  nuovi  di  Constnmam  Sco- 
lasUche.     Torino,  Frat.  Pozzo,  1903.     4^     16  S. 

"^GoHN,  Hbrm.,  Prof.  und  Rübenoamp,  Bob.,  Dr.  Wie  soüen  Bücher 
und  Zeitungen  gedruckt  werden?  Braunschweig,  F.  Yieweg  &  Sohn, 
1903.  Mit  Abbüdungen  im  Text  und  10  Druckprobe-Tafehi.  8^. 
112  S.     A  2,—.    Gebd.  A  2,80. 

*DiERKS,  W.  Ton  der  Vererbung  und  ihrer  Bedeutung  für  die  Päda- 
gogik. Pädag.  Abhdlg.  von  W.  BARTHOLOMÄUS.  N.  Folge.  XI.  Bd. 
2  H.     8^     19  S. 

Döring,  A.  Über  siUliche  Ereiekung  und  Morahmierricht,  Ztschr.  f. 
Pädag.  Psychologie,    Pathol.  u.  Hygiene.     5.  Jahrg.     1903.     H.  1/2. 

*DrI80,  Frau  L.  Die  Ferienkolonien  in  Europa  und  in  den  Übrigen 
Weltteilen.  Schilderung  der  Entwicklung  der  ersten  Ferienkolonie  in 
Odessa  (zum  10.  Jahr  ihres  Bestandes)  etc.  (Russ.)  Odessa,  G.  M.  Le- 
vinson,  1903.     8^     116  S. 


556 

*Eberhabd,    0.,    Rektor.      Schulfreie   Nachmittage?      Eme   Erwägung 

sckulhygienischer  Forderungen.     Pftdag.   Abhdlg.  y.  W.  BabtholomIub. 

rx.  Bd.     H.  1.     8^     18  S.     A  —,40. 
ErBiehungsheim  und  Frauenschiule  auf  dem  Lande.     Die   Jugendfürsorge, 

1903.     H.  7. 
^FiEDLBB  uDd  HOBLBMANK.     Der  Bau  des  menschlichen  Mrpers.    Achte 

yerm.  n.  verb.  Anfl.     Mit  81  anatom.  Abbild,   im  Text  a.  5  anatom. 

Tafeln  im   Farbendruck.     Dresden,    C.   C.  Meinhold  &  Söhne.     1903. 

8®.     156  S.     In  Leinw.  geb.  JH  1,75. 
Frioeb,  H.     Schwimmen  und  Brausen  im   Unterrichishetrieb   der   harn-- 

hurgischen  Volksschulen.     Körper  und  Geist,  1903.     No.  5. 
"^(Geschäftsbericht  der  Zentralschulpflege  der  Stadt  Zürich  f  d.  Jahr  1902. 

Zürich,  1903.     8^     124  S. 
*Qesunde    Jugend,    Zeitschr.    f.    Gesnndheitspfl.    in    Schnle    nnd    Hans. 

1903.     ra.  Jahrg.     H.  3/4. 

LbübübOHBR,    6.,    Prof.     Schulargttätigheit  und   soMiale   Hygiene. 

Hartmann,   A.,  Prof.     Bericht  über  die  Tätigkeit  der  an  20  G^ 

meindeschulen  der  Stadt  BerUn  angestellten  Sdiuläriste  vom  1.  Juni 

1900  bis  1.  Juni  1902. 

'^ (Ergänznngsheft).     YerhandJungen  der  IV.  Jahresversammlung  des 

ÄUg.  D.   Vereins  f.  Schulgesundheitspflege  am   2.  n.  3.  Juni  1903  in 

Bonn  a.  Rh.     Leipzig  u.  Berlin,  B.  G.  Teubner,   1903.     S^.     126  S. 
Grav,    Pastor.     Die    F&rsorgeertiiehung   schwachsinniger   Wnderjähriger. 

Die  JugendfOrsorge,  1903.     H.  7. 
*HöFLBR,  Alois,  Dr.  med.  und  Witasbe,  Stbph.,    Dr.  med.     Hundert 

psychologische   Schulversuche   mit  Angäbe  der  Apparate.     Zweite  sehr 

venu.  Aufl.     Mit  14  Abbildungen.     Leipzig,  Job.  Ambr.  Barth,  1903. 

8«.     44  S.     JH  2,—. 
Honbbrinebr,    f.     Die  Kürzung  der  Unterrichtszeit.     Pädag.    Reform, 

1903.     No.  21. 
*  Jährbuch   der  praktischen   Medizin.     Stuttgart,    F.    Enke,    1903.     8^. 

565  S.     JH  10,—. 
*IOL,  JoH.,  Dr.     U.  Bericht  über   die  Tätigkeit  der  städtischen  Bezirks- 

ärzte  in  Brunn  als  Schulärzte   fQr   die  Zeit  yom    1.  Mfirz  1902   bis 

1.  Mftrz  1903.     Brunn,  1903.     gr.  8®.     62  S. 
EOSTBR,  H.  L.     Das  Geschlechtliche   im  Unterricht  und  in  der  Jugend-- 

lektüre.    Pädag.  Reform,  1903.     No.  25  u.  26. 
*Krümholz,  Aug.,   Archit.     Die   Infektion   durch    TMerkulose   in   den 

Lehrsälen  der  Normalschulen.     Wien,  1903.     8^     7  S. 
EüLMSiQ,  H.  y.     Tom  SchuOtof.     Das  Schulhaus,  1903.     No.  6. 
Lat,  W.  A.,  Dr.,  Seminarlehrer.     tJber  Alköholmifsbrauch   und   Schule. 

Die  Gesundheitswarte  der  Schule.     I.  Jahrg.     No.  7.     1903. 
'^'Lbhmann,    Ernst,    Lehrer.     Silbierfibel  für  Schule  und   Haus^   nebst 

ausführlichen  Anweisungen.     Wenigei\jena,  1903.     Selbstverlag  d.  Verf. 

8^     32  S.     JH   1,—. 
*Libbmann,  Alb.,  Dr.  med.     Stotternde  Kinder.     Samml.  y.  Abhdlg.  a. 

d.   Geb.  d.  pÄdag.  Psychol.  u.  Physiol.     VI.  2.     1903.     8^.     96  S. 

M  2,40. 


657 

*Metbb,  H.  Th.  Matthias.     Die  SchulsiäUm  der  Zukunft    Hambnrg, 

Leop.  Voss,  1903.     gr.  8®.     78  S.     Jü  1.60. 
^Michaelis,    A.    A.     Fflangenheühunde.     Halle,    Gebaner-Schwetschke, 

1903.     1.  Lief. 
*MüLLER,  Louise  und  Meisb,  L.    Allgemeiner  Beruht  Über  die  Kinder- 
gärten und  KleinUnderschulen  im  Bezirk  Zürich,  1903.     8^    4  S. 
*NlF,  Ed.,  Dr.    Zur  Bemsian  der  Gesetzgebung  über  das  Älkoholmonopol 

Zürich,  1903.     16«.     26  8. 
*Bapport  8ur   VorgamsaUon   du  Service  Hggünigue  des  icoles  dans  la 

Commune  de  Schaerbeek,     8^     11  S. 
'^ItOTH,  £.,  Dr.     Die  Wechselbmehiu/ngen  zwischen  Stadt  und  Land  in 

gesundheilUcher  Beziehung  und  die  Sanierung  des  Landes,    Nach  einem 

anf  der  XXVII.  Vers.  d.  D.  Ver.  f.  öff.  Gesundhtspfl.  zn  Mflnchen  am 

18.  September  1902  geh.  Vortrage.     Brannschweig,  F.  Vieweg  &  Sohn. 

8«.     68  S.  mit  8  Tafeln.     M  2,50. 
Sarqekt,  Walter.     The  Evolution  of  ihe  Litäe  Bed  Schoolhouse.    The 

School  Review.     Jnne  1903. 
^Sghmidtbaübr,  Matte.,  Oberlehrer.     Beform  des  Leseunterrichts,     Im 

Selbstverl.  d.  Verf.     8^     46  S.     M  1,—. 
*SCHÜTZ,  J.  H.    Die  Gerechtigkeit  gegenüber  den  Schüiem  an  den  höheren 

Lehranstalten,     Berlin,    „Leo-Hospiz%    1903.     8«.     80  S.     M   1,— . 
Schwer,   Dr.     Versuche  mit   Fufsbodenölen   und   ihre    Venoendung   in 

Schulen.     Gesundheit,  No.  11—13.     1903. 
^ICEINQER,  A.,  Dr.,  Stadtschukat.     ^eufsisches  oder  Badisches  Schulr 

tumen?    Karlsmhe,  G.  Braun.     8^     32  S. 
* —  Jahresbericht   Über    den  Stand    der    dem    Volksschulrektorat  unter- 

steUten  städtischen  Schulm  in  Mannheim  im  Schuljahr  1902103.     4^ 

45  S. 
"(^TEGEMANN,    DiEDRiCH.      Heilung   des   Stottems   für  jedermann   ver- 
ständlich.    Essen,    G.  D.  B&deker,    1903.     kl.  8^     98  S.     M  1,60. 
'^STiLLiKe,  J.,  Dr.    Die  Kurzsichtigkeit,  ihre  Entstehung  und  Bedeutung. 

Mit   4  Abbild.     Samml.   v.   Abhdlg.  a.  d.  Geb.  d.  pftdag.  Psychol.  n. 

Physiol.     VL  8.     1903.     8^     76  S.     J^  2,—. 
*Stooehausbn,  Otto.    Jungs  —  Tieraus!   Ernstes  und  Heiteres  aus  dem 

Lehen  einer  Hamburger  Ferienkolonie.     Hambnrg,  Verlag  d.  Schriften- 
Niederlage  d.  Christi.  Vereins  Jnnger  Männer,  1903.     16^.     80  S. 
'^RUMPP,  Jos.    Körper-  und  Oeistespflege  im  sdhulpftichtigen  Kindesalter. 

Stuttgart,  E.  H.  Moritz,  1903.     16^     140  S.     Geb.  M   1,—. 
*VeröffenUichungen   der  Deutschen  Gesellschaft  für  Volksbäder.     Bericht 

über  die  Hauptversammlung  zu  Danzig  am  30.  Mai  1903.    8^.    S.  173 

bis  270.    n.  Bd.     2.  H. 
Waldo,  C.  A.     Begulation   of  AMeiks  —  What   Next?    The   School 

Beyiew.    May  1903. 
*  Wegweiser  für  Lehrmittel,   Schulausstattung,   Sammlungen  und  Jugend- 

beschäfUgung.     (A.  Bennstein.)    IX.  Jahrg.     No.  8.     1903. 
*WiLKB,    WiLH.,    Dr.  med.     Nervosität   und    Neurasthenie   und    deren 

HeOfmg.     Hildesheim,  Franz  Borgmeyer,  1903.    S^.    191  S.    M  2,—. 

Geb.  M  2,50. 


658 

*WoHRiZRK,  Theodor,  Dr.     „KorreMor" ,  Apparat  für  karseüfireie  Be- 

handlimg   der   Bückgratsdefarmitäten.     Mit  11  Abbildgn.     Sep.-Abdr. 

a.  d.  Arch«  f.  Orthopädie,  Mechanotherapie  etc.    I.  Bd.    2.  H.    gr.  8^ 

10  S. 
Woodward,  Calv.  M.    ä  New  Era  in  fhe  PuhUc  Sckools  of  8i.  Louis. 

The  School  Review,  Jone  1903. 
Zerlegbare  bewegliche  Sdiuibaracken.     Das  Scholhans,  1903.    No.  6  n.  6. 
*ZlLCHERT,  RoB.,  Dr.,  Schüldirektor.     SchtUbericht,  erstattet  von  der  IHr 

rekdon  der  Deutschen  evangelischen  PHvatvolksschule  in  Brag  für  das 

Jahr  1902.     8®.     12  S. 


lP«t  ^i^fttliitfi 


L  Jahrgang.  1903.  No.  9. 


OristttaU^aiiiliittseii. 


über  die  Notwendigkeit  der  Anstellung  Ton  SchnUrsten 

an  höheren  Lehranstalten. 


Vortrag,    gehalten    in   der   hygienisohen    Sektion    der   Sohlesischen 

Gesellschaft   am    17.  Mai   1903 

▼on 
Dr.  Samosch,    Schnlarzt   in  Breslau. 

Das  uns  beschäftigende  Thema  steht  im  engsten  Zusammen- 
hange mit  der  Geschichte  der  Schulhygiene  überhaupt.  Der  Ruf 
nach  Schulärzten  konnte  und  kann  erst  dann  Gehör  finden,  nachdem 
durch  die  wissenschaftliche  Schulhygiene  die  Notwendigkeit  des  Schul- 
arztes als  eines  integrierenden  Bestandteiles  der  Schulgesundheitspflege 
erwiesen  ist.  Ich  würde  fürchten  müssen,  meine  Aufgabe  oberflächlich 
und  lückenhaft  zu  lösen,  wenn  ich  nicht  am  Anfange  meiner  Aus« 
führungen  die  Geschichte  der  Schulhygiene  in  greisen  Umrissen 
kurz  skizzieren  wollte. 

Das  Altertum  kannte  keine  Schulhygiene,  aus  dem  sehr  ein- 
fachen Grunde,  weil  es  derselben  nicht  bedurfte.  Die  ürziehung 
der  Alten  berücksichtigte  in  gleicher  Weise  die  Ausbildung  der 
körperlichen  und  geistigen  Fähigkeiten.  Oharakteristisoh  für  die- 
selbe bei  den  Hellenen  war  ein  Sprichwort,  mit  dem  man  einen  Un- 
gebildeten bezeichnete,  indem  man  sagte:  „er  kann  weder  lesen  noch 
schwimmen^. ^ 

Das  Mittelalter  kannte  ebenfalls  keine  Schulhygiene,  jedoch  aus 
einem  ganz  anderen  Grunde.    Wer  sich  nur  ein  wenig  mit  dem  im 


'  Gitiert  nach  BuBGBBSTsnr,  diese  ZeUsckrift,  1888,  S.  53. 

0er  Sohularit.  L  19 


158  660 

ganzen  recht  tiefstehenden  Schulwesen  des  Mittelalters  befalst  hat, 
wird  den  Gedanken,  daJs  die  Schulhygiene  zur  damaligen  Zeit  über- 
flüssig gewesen  sei,  weit  von  sich  abweisen.  Die  ungemein  hohe 
Weitschätzung  des  Latein  —  der  Kirchenspraohe  —  im  Lehrplan,  das 
manchmal  bis  zu  acht  Stunden  täglich  gelehrt  wurde,  die  kolossale 
Anspannung  des  Gedächtnisses,  die  entsetzlich  schlechten  äu&eren 
Bedingungen  des  Schullebens  hätten  die  Notwendigkeit  einer  Schul- 
hygiene klar  und  deutlich  genug  erweisen  müssen;  dais  es  aber 
trotzdem  eine  selche  nicht  gab,  das  lag  an  dem  TiefiBtand  der  ge- 
samten geistigen  Kultur  des  Mittelalters,  insbesondere  a];i  dem  Tief- 
stand der  Medizin  im  allgemeinen  und  der  Hygiene  im  besonderen. 

Die  neue  Zeit  steht  zwischen  Altertum  und  Mittelalter  in  der 
Mitte ;  sie  hat  das  Altertum  nicht  erreicht,  —  denn  dais  die  Schul- 
hygiene heute  überflüssig  wäre,  dürfte  wohl  niemand  behaupten,  — 
und  sie  hat  das  Mittelalter  überflügelt,  indem  sie  die  Schulhygiene 
als  einen  wesentlichen  Bestandteil  der  medizinischen  und  sozialen 
Hygiene  anerkennt.  Die  Geschichte  der  Schulhygiene  der  Neuzeit 
ist  nicht  ganz  so  jungen  Datums,  wie  sie  auf  den  ersten  Blick 
scheinen  könnte;  nach  Hebmai^n  SchilIiEB^  haben  ihr  bereits  Luther 
und  Camebaeiüs  im  16.,  Eatichius,  Helwig,  Jüngb  und  besonders 
CoBfBNiüS  im  17.,  Basedow  und  seine  Schüler  im  18.  Jahrhundert, 
die  Engländer  Bacon  und  Looke,  die  Franzosen  Montaigne  und 
KoüSSEAu,  der  Schweizer  Pestalozzi  Beachtung  geschenkt.  Auch 
der  Jesuiten,  die  in  ihren  Liternaten  hygienische  Mafsregeln  durch- 
führten, A.  H.  Fbanckes,  der  in  den  Halleschen  Waisenanlagen  ihnen 
nacheiferte,  der  Philantropisten  im  18.  Jahrhundert,  und  insbesondere 
GuTSMüTHs,  des  Schöpfers  des  Schulturnens,  sei  hier,  dem  Beispiele 
SoHiLLEBs  folgend,  Erwähnung  getan. 

Von  allen  Autoren  jedoch,  die  sich  mit  der  Geschichte  der 
Schulhygiene  beschäftigt  haben  und  von  denen  ich  SohHiLEb', 
Hebmann  Cohn*,  ScHcrBEBT^  Edel^  Baginsky^  Landau^  er- 
wähnen will,   deren  Arbeiten  mir  gröistenteils  im  Original  zur  Ver- 


^  Die  Schuiargtfrage,    Berlin,  Beuther  A  Beichard,  1899. 
>  Ebenda. 

'  Über  die  Notwendigkeit  der  Einführung  wm  Schtdärgten,    Leipzig,  Veit 
&  Co.,  1886. 

^  Diese  Zeitschrift,  1896,  S.  805. 

*  Diese  Zeiischrift,  1897,  8.  193. 

*  Gesunde  Jugend,  1902,  S.  89,  und  Handbuch  der  Schulhygiene. 
'  Gesunde  Jugend,  1902,  8.  291. 


661  159 

fügnng  gestanden  haben,  von  allen  diesen  Anioren  wird  als  ein 
Markstein  in  der  systematisoh-hygienisohen  Betrachtung  des  Schul- 
wesens das  im  Jahre  1780  erschienene  Werk  Joh.  Pbtbb  Fbanks 
bezeichnet,  welches  den  Titel  führt:  „System  einer  vollständigen 
medizinischen  Polizei^'.  Im  zweiten  Bande  dieses  Buches  behandelt 
der  Verfasser  als  Erster  im  Zusammenhang  und  systematisch  die 
Gesundheitspflege  der  Jugend  und  präzisiert  schulhygienische  Lehren, 
die  zum  grofsen  Teil  auch  heute  noch  Geltung  haben  und  teilweise 
verwirklicht  worden  sind.  Die  politische  Umwälzung  am  Ende  des 
18.  und  im  Beginn  des  19.  Jahrhunderts  lielüs  es  erklärlich  erscheinen, 
dafs  nach  Fbakk  ein  lang  anhaltender  Stillstand  in  der  Weiter- 
entwicklung der  Schulhygiene  eintrat.  Nach  den  Befreiungskriegen 
jedoch  gaben  die  anders  gearteten  politischen  Verhältnisse  indirekt 
Anlais  zu  einer  neuen,  in  der  Geschichte  der  Schulhygiene  bemerkens- 
werten Tat.  In  dem  neu  erstandenen  Preufsen,  das  sich  von  den 
Schioksalsschlägen  des  napoleonischen  Zeitalters  erholen  mulste, 
wurde  von  allen  Schichten  der  Bevölkerung,  insbesondere  auch  von 
der  Jugend,  das  Höchstmals  von  geistiger  Arbeit  verlangt.  Zur 
damaligen  Zeit  war  Arbeit  die  Losung  des  preuTsischen  Volkes,  und 
von  dem  Leiter  des  höheren  Schulwesens  Johannes  Sohültze 
berichtet  Schilleb,^  dals  sein  Wahlspruch  gewesen  sei:  „Arbeiten 
oder  untergehen**.  Kein  Wunder,  dals  sich  die  gesundheitsschäd- 
lichen Folgen  eines  derartigen  Regimes,  namentlich  in  Anbetracht 
der  gleichzeitigen  Nichtbeachtung  und  Beargwöhnung  körperlicher 
Übungen,  bei  der  Schuljugend  geltend  machten  und  zwar  in  so 
erheblichem  Mause,  dals  sich  der  Beg.-Medizinalrat  Lobinseb  in 
Oppeln  im  Jahre  1836  veranlafst  sah,  in  seiner  Schrift:  „Zum  Schutze 
der  Gesundheit  in  den  Schulen",  die  damals  ungemeines  Aufsehen 
erregte,  energisch  gegen  die  unzweckmäßige  und  gesundheitsschädliche 
Belastung  der  Schuljugend  Protest  zu  erheben.  Lobinseb  fand  auf 
pädagogischer  Seite  vielfachen  Widerspruch,  und  es  entspann  sich 
zwischen  ihm  und  Professor  Fbobiep,  der  sich  auf  seine  Seite  gestellt 
hatte,  einerseits  und  den  Pädagogen  andererseits  eine  lang  anhaltende 
Preisfehde,  die  man  gemeinhin  den  LoBiNSEBSohen  Schulstreit  nennt. 
Doch  auch  auf  den  LoBiNSEBschen  Weckruf  folgte  noch  kein  Er- 
wachen. Die  hygienische  Wissenschaft  war  noch  zu  jung,  ihre 
Ergebnisse  noch  zu  geringfügig  und  unsicher,  als  dafs  sich  ein 
spezielles   Gebiet   derselben,    die    Schulhygiene,    schon   hätte   Bahn 

*  1.  c. 


160  662 

brechen  können,  n^enn  anoh  einzelne  Stimmen,  die  die  hygienische 
Bedbachtong  der  Schalen  verlangten,  nie  ganz  yerstnmmten ;  eine 
entscheidende  Wendung  trat  jedoch  erst  in  den  sechziger  Jahren 
des  vergangenen  Jahrhunderts  ein;  in  diese  Zeit  &llt  der  Beginn 
derjenigen  Epoche,  in  der  die  Schulhygiene  in  allerdings  schwerem 
Kampfe  von  Sieg  zu  Sieg  schritt. 

Es  hieise  Eulen  nach  Athen  tragen  und  würde  den  Aaum 
meines  Referats  bedeutend  überschreiten,  wenn  ich  an  dieser  Statte, 
wo  die  Schulhygiene,  dank  der  Bemühungen  eines  ihrer  tatkräftigsten 
und  eifrigsten  Förderers,  des  Herrn  Professor  Hermann  Cohn,  stets 
eine  gerechte  und  wohlwollende  Würdigung  femd,  eine  genaue  Über- 
sicht über  die  weiteren  Fortschritte  der  Schulhygiene  geben  wollt«. 
Die  bahnbrechenden  und  bedeutungsvollen  Untersuchungen,  die  sich 
an  die  Namen  Fahbneb,  Hebmann  Cohn,  Yibchow,  Gboss,  El- 
LiNGEB,  Falk,  Eotelmann,  Hebtbl,  Axel  Key,  Büboebstein, 
Ebismann,  Schübebt  und  noch  viele  andere  knüpfen,  sind  in  unserer 
Sektion  schon  wiederholt  erörtert  und  diskutiert  worden,  und  ich 
muls  und  darf  mich  begnügen,  dem  Thema  entsprechend,  mich  mit 
der  praktisch  wichtigsten  Errungenschaft  der  Schulhygiene,  mit  dem 
Schularzt,  zu  beschäftigen. 

Die  Frage,  betreffend  die  Notwendigkeit  der  Einführung  von 
Schulärzten  überhaupt,  dürfte  heute  prinzipiell  und  durchgehend  im 
bejahenden  Sinne  entschieden  sein.  Gerade  die  letzten  Jahre  haben 
uns  auf  diesem  Gebiete  überraschende  Erfolge  gebracht,  und  konnte 
Dr.  Wex^  in  einer  diesjährigen  Arbeit  angeben,  dafs  bereits  65 
deutsche  Städte  Schulärzte  angestellt  haben.  Wenn  es  auch  hie  und 
da  noch  Leute  geben  sollte,  die  die  Schularztinstitution  nicht  aner- 
kennen und  bekämpfen,  so  stehe  ich  nicht  an,  dieselben  auf  eine 
Stufe  zu  stellen  mit  denjenigen,  die  nach  der  Einführung  der  Eisen- 
bahn die  Segnungen  der  Postkutsche  priesen.  Wie  die  Gegner  der 
Eisenbahn  ausgestorben  sind,  so  dürften  die  Feinde  der  Schukrzt- 
institution  allmählich  dahinschwinden. 

Immerhin  ist  die  Schularzt&age  noch  nicht  nach  allen  Seiten 
hin  und  definitiv  geregelt.  Eine  Reihe  von  prinzipiell  wichtigen 
ünterfragen  harrt  noch  der  Lösung.  Neben  dem  weiteren  Ausbau 
der  bestehenden  Schularztinstitution,  der  Begrenzung  ihres  ümfanges, 
der  Regelung  der  Technik  des  schulärztlichen  Dienstes  verlangt  in 
erster  Reihe  Beantwortung  die  Frage:  „Sollen  für  höhere  Schulen 


^  Diese  SkiUchrift,  1903,  S.  63. 


663  161 

Schulärzte  angestellt  werden?**  eine  Frage,  die  ja  bekanntlich  für 
Breslau  akut  geworden  ist.  Merkwürdigerweise  sind  nämlich  in 
Deutschland  —  das  Ausland  übertri£Pt  uns  hierin  —  meines  Wissens 
mit  einer  einzigen  Ausnahme  bisher  nur  Schulärzte  für  Volks- 
schulen angestellt  worden.  Diese  Tatsache  erscheint  befremdlich  in 
Anbetracht  des  Umstandes,  dafs  die  Schulhygiene  ihren  Ausgangs« 
punkt  nahm  von  der  Entdeckung  gesundheitlicher  Übelstände  an 
höheren  Schulen.  Das  Befremdliche  schwindet  sofort,  wenn  wir  an 
die  soziale  Politik  der  letzten  Jahrzehnte  denken,  eine  Politik,  die 
unablässig  bemüht  ist,  die  ungünstige  soziale  Lage  der  minder  be- 
güterten Stände  zu  verbessem.  Die  obligatorische  Schulpflicht,  die 
allgemeiner  ist  als  die  Wehrpflicht,  weil  sie  alle  Individuen,  Knaben 
und  Mädchen,  ausnahmslos  umfafst,  hat  den  Behörden  die  Verpflich- 
tung auferlegt,  dafür  zu  sorgen,  daCs  die  Erfüllung  dieser  Pflicht 
nicht  mit  Gefahren  für  die  Gesundheit  der  Kinder  verbunden  sei. 
Wenn  man  nun  auch  in  den  ersten  Jahren  zunächst  an  die  Volks- 
fichulkinder  gedacht  hat,  so  ist  es  meines  Erachtens  nun  wohl  auch 
an  der  Zeit,  sich  der  Schüler  der  höheren  Lehranstalten  zu  er- 
innern. Denn  auch  sie  sind  Soldaten  im  Schulstaate,  und  auch  bei 
ihnen  mufs  dafür  gesorgt  werden,  dals  sie  in  Erfüllung  ihrer  Pflicht 
nicht  an  Leib  und  Leben  geschädigt  werden;  auch  sie  müssen  frisch 
und  leistungsfähig  erhalten  werden,  um  später  ihren  Pflichten  als 
Staatsbürger  gerecht  werden  zu  können. 

Aus  dem  eben  Gesagten  werden  Sie  entnehmen,  dafs  ich 
schon  von  einem  rein  sozialen  Gesichtspunkte  aus,  dem  Geiste 
der  Zeit  entsprechend,  die  peinlichste  Beobachtung  der  Schul- 
hygiene an  höheren  Schulen  für  notwendig  halte.  Ich  werde  in 
folgendem  den  Nachweis  zu  führen  haben,  dafs  insbesondere  die  An- 
6telluog  von  Schulärzten  an  höheren  Schulen  notwendig,  möglich 
and  durchführbar  ist. 

Die  Aufgaben  der  praktischen  Schulhygiene  zerfallen  gemeinhin 
in  drei  Teile: 

1.  Die  Hygiene  des  Unterrichts.  Dahin  gehören  die 
hygienische  Begutachtung  und  Begelung  des  Lehr-  und  Stundenplans, 
der  zweckmäfsigen  Verteilung  von  Buhe  und  Arbeit,  die  hygienische 
Betrachtung  der  Lehrmethode.  Diese  sehr  schwierige  Aufgabe  kann 
nur  von  einer  Zentralstelle  aus  gelöst  werden. 

2.  Die  Hygiene  der  äufseren  Bedingungen  des  Schul- 
lebens, des  Schulgebäudes,  der  Subsellien,  Lehrmittel  etc. 
Diese  Aufgabe   kann  im  Prinzip  von  einer  Zentralstelle   aus   gelöst 

Der  Sehalarst.  L  20 


162  664 

» 

werden,    bedarf  aber  znr  Durcbführung  im  einzelneD  der  ständigen 
Kontrolle  des  Sachverständigen,  am  besten  des  Sohnlarztes. 

3.  Die  Hygiene  des  Individuums.  Diese  Aufgabe  kann 
nur  vom  Schularzt  gelöst  werden. 

Über  Funkt  1  muis  ich  mich  sehr  kurz  fassen,  weil  ich  eigene 
Erfahrungen  auf  diesem  Gebiete  nicht  besitze,  und  weil  mir  anderer- 
seits das  Studium  der  Literatur  gezeigt  hat,  dafs  trotz  der  Massen- 
haftigkeit  des  in  derselben  niedergelegten  Materials  ein  einwandsfreies 
Ergebnis  bisher  nicht  zu  Tage  gefördert  worden  ist.  Ich  erhoffe  von 
einer  weit  ausgebreiteten  schulärztlichen  Tätigkeit,  dafs  sie  die  Grund- 
lagen schaffen  wird,  auf  denen  dann  diese  Aufgabe  von  der  Zentral- 
stelle aus  gelöst  werden  kann. 

Über  Punkt  2  kann  ich  mich  gleichfalls  kurz  fassen.  Es  wird  wohl 
niemand  bestreiten,  dafs  in  höheren  Schulen  die  äufseren  Bedingun- 
gen des  Schullebens  manchmal  schlechter  sind  als  in  den  Volks- 
schulen der  grofsen  Städte,  und  dafs  sie  dringend  einer  hygienischen 
Revision  und  Begutachtung  bedürfen. 

Punkt  3  ist  der  Kernpunkt  der  heutigen  schulärztlichen  Tätig- 
keit, und  es  liegt  mir  ob,  nachzuweisen,  dals  auch  an  höheren  Schulen 
dieser  Punkt  von  ma&gebender  Bedeutung  ist,  und  dafs  die  Lösung 
dieser  Aufgabe  in  gewissem  Sinne  Grundbedingung  ist  für  eine 
erspriefdiiche,  praktische  Schulhygiene  überhaupt. 

Es  ist  eine  weit  verbreitete  Anschauung,  die  Hygiene  des 
Individuums  sei  in  höheren  Schulen  unnötig  und  überflüssig, 
weil  für  die  Besucher  dieser  Lehranstalten  das  Elternhaus  genü- 
gend sorge.  Diese  Argumentation  halte  ich  für  falsch.  Nehmen 
wir  zunächst  einmal  an,  die  Voraussetzung  wäre  richtig,  das  heifst 
den  Kindern  höherer  Schulen  würde  von  den  Eltern  die  genügende 
hygienische  Fürsorge  zu  teil,  so  ist  um  dessentwillen  die  schulärzt- 
liche Hygiene  des  Individuums  durchaus  nicht  überflüssig  und 
unnötig ;  denn  es  handelt  sich  ja  bei  höheren  Schulen  nicht  so  sehr 
darum,  dafs  der  Schularzt  bei  den  Kindern  verborgene  Krankheits- 
keime  entdeckt  und  die  Eltern  mit  seinem  Befunde  überrascht, 
sondern  es  ist  seine  Aufgabe,  den  Einflufs  des  Schullebens  auf  die 
Einzelindividuen  zu  beobachten  und  zu  studieren.  Dazu  ist  aber 
vor  allem  nötig,  dals  der  Schularzt  die  Einzelindividuen  kennt;  wie 
sollte  er  denn  in  der  Lage  sein,  die  Wechselbeziehungen  zwischen 
zwei  Faktoren,  hier  Schule  und  Individuum,  zu  erforschen  und  fest- 
zustellen, wenn  er  nur  einen  Faktor  berücksichtigen  darf.  Die 
Einzeluntersuchung    an    höheren  Schulen   ist   nicht  wie  bei  Volks- 


665  163 

schulen  der  Endzweck,  um  durch  dieselbe  eine  Besserung  im  Ge- 
sundheitszustand des  eventuell  für  krank  befundenen  Kindes  herbei- 
zuführen, sondern  sie  ist  nur  ein,  allerdings  unentbehrliches,  Mittel 
zum  Zweck.  Der  Segen  solcher  Einzeluntersuchungen  dürfte  nicht 
dem  einzelnen  Kinde  direkt  und  sofort  zu  teil  werden,  sondern 
würde,  was  vielleicht  noch  wichtiger  ist,  der  Gesamtheit,  und  zwar 
indirekt,  zu  gute  kommen.  Ist  erst  einmal  durch  zahlreiche 
Sinzeluntersuchungen  und  andauernde  Beobachtung  festgestellt,  dafs 
die  Bedingungen  des  Schullebens  einen  ungünstigen  Einflufs  aus- 
üben, so  werden  diese  Bedingungen  geändert,  respektive  gebessert 
werden  müssen,  das  heifst,  es  würde  auf  der  Basis  der  Einzel- 
untersuchungen  der  Gesamtheit  ein  beträchtlicher  Nutzen  erwachsen. 
Das  tri£Ft  unter  allen  umständen  zu,  auch  wenn,  wie  wir  voraus- 
gesetzt haben,  von  Seiten  des  Elternhauses  allen  Eandern  die  nötige 
hygienische  Fürsorge  zu  teil  wird.  Tatsächlich  besteht  aber  diese 
Voraussetzung  nicht  in  deii  allgemeinen  Umfange  zu  Becht,  wie 
man  allgemein  glaubt.  Sind  denn  die  Fälle  gar  so  spärlich,  wo 
gerade  in  den  besseren  Ständen  Eltern  aus  übermä&iger  Eitelkeit 
ihre  Eander  der  Krankheit  geradezu  in  die  Arme  führen,  indem  sie 
die  armen  gequälten,  insuffizienten  Kinder  unter  einer  verderblichen 
Anstachelung  des  Ehrgeizes  zu  immer  gröfseren  Anstrengungen 
anspornen?  Ist  das  hygienische  Fürsorge?  Sollte  da  nicht  der 
Schularzt  in  solchen  Fällen  der  Schule  und  durch  dieselbe  vielleicht 
auch  den  Eltern  einen  segensreichen  Wink  geben  können  ?  Ein  Kon- 
flikt mit  dem  Hausarzt  ist  hier  nicht  zu  befürchten,  denn  in  solchen 
Fällen  ist  derselbe  entweder  gar  nicht  gefragt  worden,  oder  sein  war- 
nender Bat  ist  unberücksichtigt  geblieben,  und  es  kann  ihm  nur 
angenehm  sein,  wenn  er  auf  Veranlassung  des  Schularztes  durch  die 
Schule  zum  Einschreiten  veranlaJst  wird,  oder  wenn  seine  Autorität 
von  amtlicher  Seite  gestützt  wird.  Becht  treffend  äufsert  sich 
ScHUBEBT^  über  die  so  sehr  gerühmte  hygienische  Fürsorge  der 
Eltern  in  den  besseren  Ständen:  „Man  hat  gerade  mit  Bücksicht 
auf  dieses  Arbeitsgebiet  der  Schulärzte,  nämlich  die  individuelle 
Hygiene,  gesagt,  dafs  sie  für  höhere  Schulen  entbehrlich  sei,  weil 
hier  die  soziale  Stellung  der  Eltern  Gewähr  dafür  biete,  dafs  die 
Gesundheit  der  Kinder  genügend  gepflegt  und  jeder  Elrankheitskeim 
mit  Hilfe  der  Hausärzte  rechtzeitig  erkannt  werde.  Aber  ganz  ab- 
gesehen davon,  dafs  die  Gymnasien  und  Bealschulen  kein  Beservat- 


[i 


i  ^  Diese  Zeitschrift,  1899,  S.  582. 

20* 


164  666 

recht  der  sogenannten  besseren  Stände  sind,  noch  auch  sein  sollen, 
so  kann  auch  nicht  behauptet  werden,  dals  mit  der  höheren  gesell- 
schaftlichen Stellung  der  Familie  und  mit  der  gröfseren  Wohlhaben- 
heit das  Verständnis  für  Hygiene  und  Körperpflege  der  Kinder 
gleichen  Schritt  hält.  Eine  naturwissenschaftliche  Weltanschauung 
und,  was  damit  zusammenhängt,  eine  richtige  und  unbefangene  Wür- 
digung der  Bedingungen  für  das  körperliche  Wohl,  gehen  nicht  immer 
Hand  in  Hand  mit  geschäftlicher  Intelligenz,  mit  philologischer 
Gelehrsamkeit  und  juristischem  Scharfsinn.  So  wird  z.  B.  das  Er- 
suchen um  ärztliche  Zeugnisse  zur  Befreiung  vom  Turnunterricht 
für  Kinder,  die  solcher  Körperübungen  recht  dringend  bedürfen, 
weit  seltener  von  den  Eltern  der  Yolksschüler,  als  von  den  Eltern 
der  Gymnasiasten  und  sogenannten  höheren  Töchter  gestellt.*' 

In  dem  Gutachten  einer  vom  Stuttgarter  ärztlichen  Verein  zur 
Bearbeitung  der  Schularztfrage  eingesetzten  Kommission^  ist  der  Satz 
enthalten:  „Allein  auch  in  höheren  Sehnen  stammt  ein  nicht  geringer 
Prozentsatz  von  Kindern  aus  Familien,  in  denen  eine  Gewähr  für 
regelmäßige  hausärztliche  Überwachung  nicht  gegeben  ist".  Oberlehrer 
Wetekamp'  hat  sich  hier  in  der  hygienischen  Sektion  gelegentlich 
einer  Diskussion  über  die  Schularztfrage  dahin  ausgesprochen,  dais 
auch  in  höheren  Schulen  Schulärzte  notwendig  seien,  da  er  selbst 
auf  Gymnasien  erfahren  habe,  dafs  Kinder,  die  für  dumm  oder 
schwach  angesehen  wurden,  sich  ah  schwerhörig  oder  mit  Erkrankun- 
gen des  Nasen -Rachenraumes  behaftet  gezeigt  haben.  Oberlehrer 
RolIjEB  betont  in  seiner  Schrift  „Das  Bedürfnis  nach  Schulärzten 
für  höhere  Lehranstalten*'*  zwar  auch,  dafs  in  höheren  Schulen  die 
hygienische  Überwachung  der  Schüler  seitens  der  Eltern  eine  bessere 
sei  als  in  Volksschulen,  führt  aber  daneben  Folgendes  aus:  ,,Aber 
für  die  Schüler  der  höheren  Lehranstalten  solcher  Städte,  wo  mehrere 
höhere  Schulen  existieren,  möchte  ich  eine  besonders  groD^e  Sorgfalt 
in  dieser  Beziehung  in  Zweifel  ziehen,  da  sehr  häufig  die  Bitern 
der  Schüler  der  letztgenannten  Anstalten  pekuniär  unfähig  sind,  den 
Hausarzt  oft  zu  Rate  zu  ziehen.  So  sind  z.  B.  bei  den  Realanstaiten 
Darmstadts,  was  den  elterlichen  Beruf  anbelangt,  manche  sogenannten 
höheren  Berufsarten  kaum  vertreten.^ 

Wir  haben  somit  gesehen,    dais  die  Hygiene   des  Individuums 


'  Diese  Zeitschrift,  1902,  S.  637. 
*  Diese  Zeitschrift,  1898,  S.  658. 
'  Hambarg,  Leopold  Voss,  1902. 


667  165 

als  Mittel  zum  Zweck  uneDtbehrlioli  ist.  Wir  haben  femer  ge- 
sehen, dafs  die  hygienische  Fürsorge  seitens  der  Eltern  auch  bei 
Schülern  höherer  Lehranstalten  nicht  immer  in  dem  Mafse  vor- 
handen ist,  wie  man  es  voraussetzt.  Es  erübrigt  nun  noch  die 
Prüfung  der  Frage,  ob  denn  der  Gesundheitszustand  der  höheren 
Schuljugend  überhaupt  ein  Einschreiten  berechtigt  und  erheischt. 
!Es  wäre  ja  denkbar,  dafs  der  überwiegend  gröfste  Teil  der  Kinder 
sich  einer  blühenden  Gesundheit  erfreut,  und  dafs  die  Schulhygiene 
inklusive  Schularzt  überflüssig  und  entbehrlich  wäre.  Dafe  dem 
nicht  so  ist,  darauf  weisen  schon  die  Untersuchungen  hin,  auf  denen 
sich  die  Schulhygiene  aufgebaut  hat,  und  die  recht  verblüffende 
Hesultate  in  pejus  ergeben  haben.  Da  es  sich  aber  hierbei  meist  um 
Spezialuntersuchungen  gehandelt  hat,  so  dtU^te  es  angebracht 
sein,  die  neueste  Literatur  daraufhin  anzusehen,  welche  Anhaltspunkte 
sie  uns  für  die  Beurteilung  des  allgemeinen  Gesundheitszustandes 
—  der  sogenannten  chronischen  Kränklichkeit  —  gewährt. 

Die  wichtigsten,  wissenschaftlich  exaktesten  diesbezüglichen 
Forschungen  stammen  aus  Dänemark  und  Schweden.  Im  Jahre  1881 
untersuchte  Axel  Hertel  in  Kopenhagen  3141  Knaben  und  1211 
Madchen  der  höheren  Schulen  behufs  Feststellung  ihres  Gesundheits- 
zustandes ;  im  folgenden  Jahre  wurden  in  Dänemark  von  einer  eigens 
dazu  eingesetzten  Kommission  17595  Knaben  und  11646  Mädchen, 
teils  den  höheren,  teils  den  Volksschulen  angehörend,  zu  demselben 
Zweck  untersucht,  und  im  gleichen  Jahre  von  einer  schwedischen 
Kommission  14434  Knaben  und  3072  Mädchen,  nur  den  höheren 
Schulen  angehörend.  Die  Untersuchungen  wurden  sämtlich  von 
annähernd  gleichen  Gesichtspunkten  und  in  gleicher  Form  angestellt. 
Bei  den  höheren  Schülern  wurde  die  Beantwortung  von  Fragebogen, 
die  recht  detaillierte  Fragen  über  Anamnese,  Gesundheitszustand, 
Arbeits-  und  Schlafenszeit,  Privatbeschäftigung  etc.  enthielten,  verlangt, 
und  wurden  nur  die  sorgfältig  beantworteten  Fragebogen  zur  weiteren 
Bearbeitung  verwandt.  Die  Yolksschüler  wurden  einzeln  ärztlich 
untersucht.  Ich  muls  es  mir  versagen,  hier  im  detail  auf  die  wahr- 
haft verblüffenden  Resultate  einzugehen,  und  verweise  diesbezüglich, 
insbesondere  was  die  schwedischen  Dntersuchungen  anbetrifft,  auf 
den  von  Axel  Key*  erstatteten  Bericht,  der  meines  Erachtens  den 


^  Axel  Kits  Schulhygienüche  ühteraitchungen.  In  deutscher  Bearbeitung 
herausgegeben  von  Dr.  Leo  Burokbstbik  in  Wien,  Hamburg  und  Leipzig. 
Leopold  Voss,  1889. 


166  668 

G-egenstand  in  seitdem  nnerreicliter  Weise  ersohöpft,  und  von  dem 
eine  yorzügliche  auszugsweise  Bearbeitung  von  Bitbgebstein  existiert. 
Für  einen  eventuellen  künftigen  Schularzt  an  höheren  Schulen  dürfte 
dieses  Buch  ein  unentbehrlicher  und  sicherer  Führer  sein.  Ich  be- 
schränke mich  hier,  die  Angaben  Axel  Hebtbls^  wiederzugeben, 
der  die  Resultate  aller  drei  üntersuchungsreihen  zusammengefabt  and 
Folgendes  festgestellt  hat:  29  7o  aller  Knaben  in  höheren  und  in 
Volksschulen  sind  krank,  20%  sind  es  bereits  beim  Schuleintritt, 
im  8.  Lebensjahre  sind  es  28  %»  dann  steigt  die  Zahl  der  Kranken 
langsam  bis  zum  10.  Jahre  an,  um  im  11.  Lebensjahre  stehen  zu 
bleiben  oder  zu  fallen.  Im  12.  Lebensjahre  wird  jedoch  das  Maximum 
von  31  Vo  erreicht,  dann  sinkt  die  Zahl  bis  zum  16.  Lebensjahre,  um 
nachher  wieder  etwas  zu  steigen.  Von  den  Mädchen  sind  41  % 
krank,  beim  Schuleintritt  sind  es  25%,  im  10.  Lebensjahre  43%, 
dann  folgt  ein  Stillstand;  mit  13  Jahren  wird  das  Maximum  von 
51%  erreicht.  Der  Gang  der  Krankheitskurve  ist  sowohl  für  Knaben, 
wie  für  Mädchen  bei  allen  drei  Untersuchungen  annähernd  derselbe. 

Zu  diesen  ziffemmäfsigen  Resultaten  füge  ich  noch  einige 
wenige,  besonders  interessante  Ergebnisse  hinzu.  Die  dänischen 
Untersuchungen  lehren,  dals  die  Krankenprozente  bei  den  Schülern 
höherer  Lehranstalten  und  bei  den  Yolksschülem  annähernd  die 
gleichen  sind;  die  durch  die  ungünstigen  sozialen  Verhältnisse  be- 
dingte Gesundheitsschädigung  auf  der  einen  Seite  entspricht  der 
durch  die  geistige  Mehrarbeit  bedingten  Gesundheiteschädigung  auf 
der  anderen  Seite.  Die  Arbeitezeit  beträgt  in  den  höheren  Klassen 
in  Dänemark  pro  Tag  9 — 9Vs  Stunden,  in  Schweden  10-^11  Stunden, 
ohne  den  Priratunterricht.  Die  Bedeutung  der  Arbeitszeit  erhellt 
aus  folgendem:  In  Dänemark  wiesen  diejenigen  Schüler,  die  länger 
als  es  der  Durchschnittszeit  entsprach,  arbeiteten,  eine  um  7%  gröDsere 
Kränklichkeit  auf,  in  Schweden  betrug  die  Differenz  5Vo>  In  letz- 
terem Lande  ergab  sich  auch  an  verschiedenen  Gymnasien  eine  ver- 
schieden lange  Arbeitszeit,  ohne  daljs  der  gröfseren  Arbeitedauer 
bessere  Leistungen  enteprachen.  Bezüglich  der  Schlafenszeit  ergab 
sich,  dab  dieselbe  durchgehends  zu  kurz  war. 

Das  Besumä,  das  Hebtel  aus  seiner  Zusammenfassung  der 
genannten  drei  Üntersuchungsreihen  zieht,  lautet  annähernd  wort- 
getreu: Durch  diese  Untersuchungen,  welche  nicht  weniger  als  50000 
Schulkinder  umfassen,  und  zwar  ca.  35000  Kinder  der  höheren  Schulen 


'  Dim  Zeitschriftj  1888,  S.  167. 


669  167 

und  15000  Volkssohalkinder,  sind  die  wesentlichsten  Grundlagen  für 
die  Beurteilung  der  physischen  Entwicklung  und  der  Gesundheit  des 
heranwachsenden  Geschlechts  auf  das  gründlichste  und  sorgfältigste 
festgestellt  worden,  unter  den  gewonnenen  Resultaten  ist  ein  Faktum 
von  gröister  Bedeutung,  dafs  die  Erftnklichkeit  in  den  oberen  Klassen 
grOüser  als  in  den  unteren  ist,  und  dab  ein  Drittel  der  Knaben  und 
mehr  als  die  Hälfte  der  Mädchen  in  den  wichtigsten  Jahren  an 
Krankheiten,  wie  Skrophulose,  Blutarmut  und  Nervosität  leideu, 
welche  auf  das  geistige  und  körperliche  Wohlbefinden  einen  durch- 
greifenden Einfluis  ausüben.  Eine  grolse  Zahl  ist  überdies  kurzsichtig 
oder  besitzt  ein  mangelhaftes  Gehör.  Das  ist  wahrhaftig  ein  trauriges 
Bild  der  heranwachsenden  Jugend,  zumal  nicht  nur  die  Kinder, 
welche  in  Not  und  Elend  leben,  sondern  auch  die  der  wohlhabenden 
Stände  schwach  und  kränklich  sind.  Die  Schuld  daran  trägt  bei 
letzteren  die  übermäßige  Schularbeit,  welche  ihnen  nicht  erlaubt,  der 
für  ihr  Alter  nötigen  Ruhe  zu  pflegen. 

Die  eben  erwähnten  Untersuchungen  in  den  nordischen  Ländern 
scheinen  mir  nach  einer  Richtung  eine  ganz  besondere  Bedeutung 
beanspruchen  zu  dürfen,  nämlich  nach  der  Seite  hin,  dals  sie  den 
Weg  zeigen,  auf  dem  wir  vielleicht  einmal  zu  einem  sicheren 
Urteil  über  die  etwas  ominöse  Überbürdungsfrage  gelangen  könnten. 
Erst  wenn  wir,  wie  es  in  Schweden  der  Fall  ist,  den  Ge- 
sundheitszustand der  Jugend  an  sich  genau  kennen,  erst  wenn 
wir  über  den  Einflufs  der  einzelnen  Bedingungen  des  Schul 
lebens,  z.  B.  der  Arbeitszeit  und  Arbeitsintensität,  sichere  Er- 
fahrungen besitzen,  und  erst  wenn  wir  gewisse  Bedingungen 
des  kindlichen  Lebens  aulserhalb  der  Schule,  z.  B.  die  freiwillige 
Mehrarbeit  in  Form  von  Musikstunden  und  anderem  Privatunter- 
richt kennen,  erst  dann  werden  wir  in  der  Lage  sein,  die  Wechsel- 
beziehungen zwischen  den  einzelnen  Faktoren  zu  studieren,  und  erst 
dann  werden  wir  die  Behauptung  von  der  Überbürdung  der  Schüler 
bestätigen  oder  zurückweisen  können.  Einen  Beitrag  in  der  eben 
gekennzeichneten  Richtung  hat  in  Deutschland  Schmid  -  Monnabd 
zu  geben  versucht  in  zwei  Arbeiten,  von  denen  die  erste  aus  dem 
Jahre  1897  den  Titel  führt:  „Die  chronische  Elränklichkeit  in  unseren 
mittleren  und  höheren  Schulen**,  während  die  zweite,  aus  dem  Jahre 
1899  stammende,  die  Entstehung  und  Verhütung  nervöser  Zustände 
bei  Schülern  höherer  Lehranstalten  zum  Gegenstande  hat.^    Li  der 


*  Diese  Zeitschrift,  1897,  S.  593  und  1899,  S.  1 


168  670 

ersten  Arbeit  hat  der  Verfasser  unter  Zugrundelegung  von  Unter- 
suchungen an  5100  Knaben  und  3200  Mädohen  folgende  Punkte 
mehr  und  minder  ausführlich  erörtert  und  diskutiert: 

1.  Die  chronische  Kränklichkeit  der  Schulkinder  im  allge- 
meinen. 2.  Die  chronische  EIrftnklichkeit  in  den  Mittelschulen^ 
im  Vergleich  zu  der  an  höheren  Schulen;  sowohl  bei  den  höheren 
Schulen,  wie  bei  den  Mittelschulen  wurden  einzelne  Anstalten  ans 
besonderen  Gründen  einzeln  herausgegriffen.  3.  Die  Verbreitung 
der  Kurzsichtigkeit;  leider  wurden  hierbei  nur  die  Brillenträger 
berücksichtigt.  4.  Die  obligatorische  Arbeitszeit  in  Schule  und 
Haus.  5.  Die  freiwillige  Mehrarbeit.  6.  Die  Schlafdauer.  7.  Der 
EinfluUs  der  Arbeitsdauer  auf  die  Ermüdung.  8.  Der  Einfluls  der 
körperlichen  Übungen.  9.  Körperentwicklung  vor  und  nach  der 
Schulzeit.  10.  Lüftung  und  Heizung.  11.  Akute  Krankheiten. 
Die  Schluissätze  des  Verfassers  lauten,  soweit  sie  sich  auf  die  chro- 
nische Kränklichkeit  beziehen,  annähernd  wortgetreu  folgendermaßen : 
1.  Die  chronische  Kränklichkeit  tritt  in  höherem  MaiSse  bei 
Mädchen  als  bei  Knaben  auf.  2.  Die  Zahl  der  chronisch  Kränk- 
lichen vermehrt  sich  im  Laufe  der  Jahre.  Es  verlassen  durch- 
schnittlich mehr  kränkliche  Schüler  die  Schule  als  hineinkommen. 

3.  Die  chronische  Kränklichkeit  ist  verschieden  häufig  in  ver- 
schiedenen Schulen.  Sie  tritt  besonders  da  auf,  wo  der  Unter- 
richt über  den  ganzen  Tag  verteilt  ist,  und  wo  den  Schülern 
wenig  oder  keine  freie  Zeit  bleibt,  um  genügend  an  die  Luft  zu 
kommen.  Die  Zahlen  der  chronisch  Kränklichen  stufen  sich  so 
ab,  dals  die  geistig  wenig  belasteten  Mittelschulen,  trotz  ihree 
körperlich  minderwertigeren  Materials,  schlieislich  die  wenigst 
Kränklichen  aufweisen.  Auf  einzelnen  höheren  fiaiabenschulen 
mit  starker  Arbeitsleistung  und  ungünstiger  Tageseinteilung  über- 
trifft die  Zahl  der  Kränklichen  besonders  die  der  ^Nervösen,  sogar 
die  der  Mädchen  aus  den  gleichen  Familien,  obwohl  doch  die 
Mädchen   als   die   zarteren    und   empfindlicheren   gelten   müssen. 

4.  Die  chronische  Elränklichkeit  geht  nicht  nur  Hand  in  Hand 
mit  der  Arbeitslast  und  mit  ungünstiger  Verteilung  der  Arbeit, 
sondern  auch  mit  Verkürzung  der  Schlafdauer  und  mit  der 
Steigerung  der  freiwilligen  Mehrarbeit.  5.  Im  13.  bis  14.  Lebens- 
jahre findet  in  wenig  mit  Hausarbeit  belasteten  Bürger-  und  Mittel- 
schulen bei  Knaben  und  Mädchen  ein  normaler  Rückgang  der 
Kränklichkeit  statt,  derselbe  fehlt  auf  höheren  Knaben-  und  Mäd- 
chenschulen mit  starken  geistigen  Anforderungen. 


671  169 

Die   ziffemmftftigen  Ergebnisse   der  ÜDtersachangen    über   die 
cbronisohe  Kränkliobkeit  waren  folgende: 

7. — 11.    Lebensjahr 

Knaben  Mädchen 

1.  Mittelschulen     16— 307o  krank 17—41%  krank 

2.  HöhereSohulen  14— 277o     „     16— 367o     „ 

12. — 18.   Lebensjahr 

Knaben  Mädchen 

1.  Mittelschulen  307o,  absteigend         36—40%,  absteig.  bis  auf  27 7o 

bis  auf  18% 

2.  Höhere  Schulen: 

a)  Internate    mit  zweckmftlisiger 
Tageseinteilung   25  7o,     aber      30—42—58% 
ohne    die    bei    Mittelschulen 

beobachtete  Abnahme, 

b)  Externate  m.  unzweckmäfsiger 
Tageseinteilung  und  starker 
Überlastung  19—30—60%. 

(Fortsetzung  folgt.) 


DiettMi^^ttttitjen  für  S^niaxjtt. 


Dienstanweisung 
fOr  die  Schulärzte  an  den  fiemeindeschulen  eu  Berlin. 

1.  Dem  Schalarzte  liegt  es  ob,  bei  der  Einschnlnng  die  Kinder  auf 
ihre  Schnlfähigkeit  zn  antersucben.  Dem  Schalarzte  werden  zu  diesem 
Zweck  von  dem  Schalkommissions  Vorsteher  bei  der  i^nmeldang  der  Kinder 
und  von  dem  Rektor  beim  Eintritt  der  Kinder  in  die  Schale  diejenigen 
zugesandt,  welche  bezüglich  ihrer  Schalffthigkeit  als  zweifelhaft  erscheinen. 
Aafserdem  hat  der  Schalarzt  möglichst  bald  nach  Beginn  der  Schale  die 
Neaaufgenommenen  zu  antersachen.  Diese  üntersachangen  mOssen  inner- 
halb der  ersten  sechs  Wochen  des  Schalhalbjahres  beendet  sein. 

Die  in  der  Regel  in  Gegenwart  der  Eltern  bezw.  der  Erziehangs- 
verpflichteten  vorzunehmende  Untersachang  erstreckt  sich  aaf  die  körper- 
liche und  geistige  Entwicklang  und  auf  die  Sinnesorgane,  Atmangsorgane, 
Herz,  Gliedmafsen,  Mundhöhle,  Wirbelsäule,  bei  Knaben  auch  auf  den 
Bauch  (Brachpforten).  Die  als  nicht  schulfähig  erkannten  Kinder  sollen 
zanächst  auf  ein  halbes  Jahr,  nötigenfalls  auf  längere  Zeit  zurückgestellt 
und  nach  Ablauf  dieser  Zeit  von  neuem  untersucht  werden. 


170  672 

Über  diejenigen  Kinder,  welche  als  schulfthig,  aber  nicht  als  völlig 
gesnnd  ermittelt  werden  nnd  welche  beim  Unterricht  besonders  berück- 
sichtigt werden  sollen  (beim  Tarnen,  beim  Gesang)  oder  eines  besonderen 
Sitzplatzes  bedürfen  (wegen  Gesichts-  oder  Gehörfehler  etc.),  ist  ein  be- 
sonderer Schein  —  Überwachungsschein  —  aoszostellen,  welcher  vom 
Klassenlehrer  des  Kindes  aufzubewahren  ist.  Diese  Kinder  sollen  vom 
Schularzte  fortlaufend  beobachtet  werden. 

2.  Der  Schularzt  hat  die  Prüfung  der  füi:  den  Nebenunterricht  vor- 
geschlagenen Kinder  auf  körperliche  und  psychische  Mängel,  insbesondere 
auch  auf  etwaige  Fehler  an  den  Sinnesorganen  vorzunehmen. 

3.  Der  Schularzt  hat  die  Prüfung  der  für  den  Stottererunterricht  vor- 
geschlagenen Kinder  besonders  bezüglich  der  Atmungsorgane  vorzunehmen. 

Sowohl  über  die  für  die  Nebenklassen  als  für  die  Stottererkurse  unter- 
suchten Kinder  sind  besondere  Fragebogen  auszufüllen.  Die  Untersuchungen 
sollen  in  der  Regel  in  Gegenwart  der  Eltern  in  der  Wohnung  des  Arztes 
stattfinden. 

4.  Der  Schularzt  hat  auf  Ersuchen  der  Schulkommission  die  Unter- 
suchung von  angeblich  durch  Krankheit  am  Schulbesuch  verhinderten 
Kindern,  wenn  Verdacht  auf  ungerechtfertigtes  Fembleiben  besteht,  vor- 
zunehmen, um  festzustellen,  ob  die  SchulversfLumnis  gerechtfertigt  ist. 
Sind  ärztliche  Atteste  vorhanden,  so  sollen  solche  Prüfungen  auf  Ver- 
anlassung der  Schulkommission  nur  dann  vorgenommen  werden,  wenn  be- 
sondere Umstände  vorliegen,  welche  eine  solche  Prüfung  erforderlich 
erscheinen  lassen. 

5.  Der  Schularzt  ist  verpflichtet  zur  Abgabe  von  schriftlichen,  von 
der  Schuldeputation  erforderten  Gutachten 

a)  über  den  Gesundheitszustand  einzelner  Kinder, 

b)  über  das  Vorhandensein  von  ansteckenden  Krankheiten, 

c)  über  vermutete,  die  Gesundheit  der  Lehrer  oder  Schüler  benach- 
teiligende Einrichtungen  des  Schulhauses  und  seiner  Geräte. 

6.  Der  Schularzt  ist  verpflichtet,  über  krankheitsverdächtige  Kinder, 
welche  ihm  vom  Bektor  zur  Untersuchung  zugesandt  werden,  Gutachten 
abzugeben,  bei  dauernden  Krankheitszuständen  Krankheitsscheine  aus- 
zustellen. 

7.  Der  Schularzt  hat  die  Schule  mindestens  zweimal  halbjährlich  zn 
besuchen.  Die  Zeit  ist  im  Einvernehmen  mit  dem  Rektor  zu  wählen. 
Bei  diesen  Besuchen  hat  der  Schularzt  die  Aufgabe, 

a)  das  Schulhaus  und  die  Klassenräume  bezüglich  der  hygienischen 
Verhältnisse  zu  untersuchen  und  den  Rektor  bezüglich  der  Aus- 
führung hygienischer  Mafsregeln  zu  beraten. 

b)  die  Kinder  bezüglich  ihres  Gesundheitszustandes  zu  beobachten. 
Besonders  zu  berücksichtigen  sind  diejenigen  Kinder,  über  welche 
Überwachungsscheine  vorhanden  sind.  Über  Kinder,  welche  als 
nicht  völlig  gesund,  als  berücksichtigungsbedfirftig  ermittelt  werden, 
sind  Überwachnngsscheine  auszustellen. 

Vorgefundene  hygienische  Mifsstände  sind  der  Schuldeputation 
mitzuteilen. 

Aulser  den  Gemeindeschulen  kann  dem  Schularzte  der  Besuch 


673  171 

der  Nebenklassen  nnd  der  Stottererkarse,  sowie  auch  der  einmal 
jfthrlicb  vorzunehmende  Besuch  der. höheren  Töchterschnlen,  Real- 
schulen, Fortbildungsschulen  etc.  flbertragen  werden. 

8.  Der  Schularzt  ist  verpflichtet,  bei  auftretenden  Infektionskrankheiten 
und  in  sonstigen  dringenden  Fällen  auf  Ersuchen  des  Rektors  in  der 
Schule  zu  erscheinen. 

9.  Die  Schulärzte  haben  bis  spätestens  15.  April  einen  schriftlichen 
Bericht  über  ihre  Tätigkeit  in  dem  abgelaufenen  Schuljahr  einzureichen. 

10.  Die  ärztliche  Behandlung  erkrankter  von  ihm  untersuchter  Kinder 
ist  dem  Schularzte  nicht  gestattet. 

11.  Die  Schulärzte  werden  periodisch  zu  Beratungen  berufen,  welche 
von  einem  dazu  vom  Vorsitzenden  der  Schuldeputation  bestimmten  Mit- 
gliede  der  Schuldeputation  geleitet  werden. 

12.  Die  in  amtlicher  Eigenschaft  gemachten  Beobachtungen  dflrfen 
nur  nach  Genehmigung  des  Vorsitzenden  der  Schuldeputation  veröffentlicht 
werden. 

13.  Ist  der  Schularzt  länger  als  vierzehn  Tage  während  der  Schulzeit 
verhindert,  seine  Tätigkeit  auszuüben,  so  hat  er  für  kostenlose  Vertretung 
durch  einen  anderen  Schularzt  zu  sorgen  und  der  Schuldeputation  und  dem 
Rektor  von  dieser  Vertretung  Mitteilung  zu  machen. 

14.  Die  Schulärzte  sollen  in  der  Nähe  der  Schulen  wohnen,  für  die 
sie  bestellt  sind. 

Sie  haben  nicht  die  Eigenschaft  von  Gemeindebeamten  im  Sinne  des 
Eommunalbeamtengesetzes  vom  30.  Juli  1899. 

Der  Dienstvertrag  kann  nur  nach  vorausgegangener  vierteljährlicher 
Kündigung  seitens  des  Schularztes  oder  seitens  des  Magistrats  aufgehoben 
werden. 

Berlin,  den  3.  April  1903. 

Magistrat  hiesiger  Königlicher  Haupt-  und  Residenzstadt. 

KlBSCHNEB. 


PenonalyeneichniB  der  Schnlärite  des  Deutschen  Beichee.^ 

Aachen. 

Dressen,  Dr.  Jos.,  Obmann.  —  Bardenheuer,  Dr.  Heinr.  —  Baur- 
manuy  Dr.  Bemh.  —  Chantraine,  Dr.  Wilh.  —  Kaufmann,  Dr.  Mich., 
Sanitatsrat.  —  Kremer«  Dr.  Jac.  —  Bspe,  Dr.  Theod.  —  Quintin,  Dr. 
Heinr.  —  Schmits,  Dr.  Job.  —  Thelen»  Dr.  Jos.  —  ünverfehrt, 
Dr.  Joh. 

Thier,  Dr.  Karl,  Augenant.  —  Dremmen,  Dr.  Hubert,  Ohrenant. 


*  Vergl.   Soholarztwesen  in   Deataohland,   von  Dr.   Paul   Schubxbt,   in 
Schulo^nt  No.  7  u.  8. 


172  674 

AlteDesseH  (Beg.-Bez.  Düsseldorf). 

Baohner,  Dr.  Theod.  —  Kirohberg,  Dr.  Karl.  —   Klinghols,  Dr. 
Hago.  —  Kunz,  Dr.  Herrn.  —  Neglein,  Dr.  Hugo.  —  TapeBBer,  Dr.  Job. 

Akey  (Grofsherzogtum  Hessen). 

Scbaeffer,  Dr.,  Kreisarzt. 

Apolda  (Sachsen- Weimar). 

Jaenicke,  Dr.  Karl,  Polizeiarzt.  —  Lilie,  Dr.  Wilhelm. 

Angnstnsbiirg  (Erzgebirge). 

Stecher,  Dr.  G. 

Beeck  (Reg.-Bez.  Düsseldorf). 

Gobel,  Dr.  Otto,  in  Ruhrort.  —  Greifenhagen,  Dr.  Max,  in  Beeck.  — 
Halbfas,  Dr.  Bob.,  in  Beeck. 

Berlin. 

Andreas,  Dr.  H.  —  Bernhard,  Dr,  Leop.  —  BiesaUki,  Dr.  Konrad. 

—  Borchardt,  Dr.  Joe.  —  Buttmann,  Dr.  H.  —  Cohn,  Dr.  Herrn.  — 
Gramm,  Dr.  G.  —  Dengel,  Dr.,  Sanitätsrat.  —  Diesterweg,  Dr.  Adol£.  — 
Fränkel,  Dr.  Arthur.  —  Gosseis,  Dr.  Wilh.  —  Hahn,  Dr.  Ludwig.  — 
Hamburger,  Dr.  Karl.  —  Hösch,  Dr.  F.  W.  —  Igel,  Dr.  —  Kindler, 
Dr.  Eduard.  ^  Klette,  Dr.  N.  —  Lemke,  Dr.  Rieh.  —  Lewandowski, 
Dr.  A.  —  Lisso,  Dr.  Herrn.  —  Meyer,  Dr.  Paul.  —  Müller,  Dr.  Martin.  — 
Nawratzki,  Dr.  Emil.  —  Pagel,  Dr.  JuL,  Professor.  —  Bau,  Dr.  Jul.  — 
Boeder,  Dr.  H.  —  Schafer,  Dr.  M.  —  Schenk,  Dr.  Paul.  —  Schnitz, 
Dr.  Rieh.  —  Semler,  Dr.  Paul.  —  Seydel,  Dr.  Otto.  —  Strecker,  Dr. 
Karl.  —  Trzebiatowski,  Dr.  Aurel.  —  Wallenstein,  Dr.  F.  —  Wendt, 
Dr.  Ernst.  —  Wolff,  Dr.  Jacob. 

Benneckenstein  (Reg.-Bez.  Erfurt). 

Starck,  Dr.  Karl.  —  Volkmar,  Dr.  Aug. 

Bielefeld  (Reg.-Bez.  Minden). 

Nünninghoff,  Dr.,  Medizinalrat,  Kreisarzt.^ 

Bischmisheim  (Reg.-Bez.  Trier). 

B autsch,  Dr.  Ad.,  in  Brebach. 

Bismarck  (Reg.-Bez.  Arnsberg). 

Dan  st,   Dr.   Ernst,   in  Hüllen.    —   Helf,   Dr.  Beruh.,   in  Bismarck.   — 
Klostermann,  Dr.  Ludwig,  in  Balroke.  —  Pauli,  Dr.  Arthur,  in  Bismarck. 

—  la  Roche,  Dr.  Jos.,  in  Bismarck.  —  Teuthhoff,  Dr.  Heinr.,  in  Bismarck. 

Bochnm  (Reg.-Bez.  Arnsberg). 
Gerstein,   Dr.   Ed.,   Sanitatsrat    —  Brennen kamp,   Dr.   Heinr.   — 
Seyffert,  Dr.  Wilh.  —  Soucellier,  Dr.  Rob. 

Bonn. 

Firle,  Dr.  Ernst.    —    Heusler,  Dr.  Rud.   —   Maafsen,  Dr.  Peter.  — 
Schmidt,  Dr.  Ferd.  (im  Ehrenamt). 


^  Zunächst  nur  für  zwei  Bürgerschulen.    Die  Anstellung  weiterer  Schal- 
ärzte ist  geplant. 


675  173 

Borbeek  (Reg.-Bez.  Düsseldorf) 
(einsohlieiBlich  Boehold,  das  eingemeindet  ist). 
Doellekes,  Dr.  Heinrich.    —   Erthmann,  Dr.  Oskar.  —  Friedrich, 
Dr.  Heinr.  —  Gutmann,  Dr.  Karl.   —    Hurck,  Dr.  Bemh.    —   Johae,  Dr. 
Karl.   —    Kohlschein,  Dr.  Wilh.    —   Meifsner,   Dr.  Fritz,  —  Schmeck, 
Dr.  Ewald.  —  Storp,  Dr.  Anton.  —  Zink,  Dr.  Franz. 
Bihler,  Dr.  Winfried,  Augenarzt. 

Bottrop  (Reg.-Bez.  Münster). 

Bäckenhoff,  Dr.  Alois.  —  Baderath,  Dr.  Martin. 

Brandenburg  (Reg.-Bez.  Potsdam). 

Hausbarg,  Dr.  Gerh.  —  Bohrschneider,  Dr.  Wilh.  —  Schlieter, 
Dr.  Paul. 

Brannscliweig.^ 
Breslan. 

Oebbecke,  Dr.  Aag.,  Stadtarzt  und  Kreisphysikus,  Obmann  der  Schul- 
ärzte. —  Bach,  Dr.  Jos.  —  Bauer,  Dr.  Franz.  —  Callomon,  Dr.  Paul. — 
Epstein,  Dr.  —  Fiegler,  Dr.  Hub.  —  Friedländer,  Dr.  —  Gregor, 
Dr.  Konrad.  —  Hamburger,  Dr.  Ernst  —  Hirt,  Dr.  —  Jaenisch,  Dr. 
Alb.  —  Kobrak,  Dr.  Georg.  —  Kontny,  Dr.  Hans.  —  Krawczynski, 
Dr.  Wladimir.  —  Neumeister,  Dr.  Emil.  —  Perls,  Dr.  Wilh.  —  Pietrusky, 
Dr.  —  Pinckernelle,  Dr.  Hans.  —  Ritter,  Dr.  —  Samosch,  Dr.  Jul. — 
Schongarth,  Dr.  Otto.  —  Töplitz,  Dr.  Fritz.  —  Urban,  Dr.  Gast.  — 
Wallentin,  Dr.  Gust.  —  Weitzen,  Dr.  Max.  —  Werther,  Dr.  Mor. 

Britz  (Reg.-Bez.  Potsdam). 

Wachsen,  Dr.  Hugo. 

Bromberg.^ 

Angstein,  Dr.  Karl,  Sanitätsrat,  Augenarzt. 

Charlottenbnrg. 

Alt,  Dr.  Paul,  Sanitätsrat,  Mitglied  der  Schuldeputation,  Obmann  der 
Schulärzte.  —  Bauer,  Dr.  Hugo.  —  Bendix,  Dr.  Beruh.,  Privatdozent.  — 
Bernstein,  Dr.  Arthur.  —  Bloch,  Dr.  Oskar.  —  Borchardt,  Dr.  Eug.  — 
Oohn,  Dr.  Max.  —  Karzow,  Dr.  Georg.  —  Laese,  Dr.  Oskar.  —  Lichten- 
berg, Dr.  Hugo.  —  Poelchau,  Dr.  Gust.  —  Rautenberg,  Dr.  Otto.  — 
Strelitz,  Dr.  Ernst.  —  Thiele,  Dr.  Heinr. 

Chemnitz. 

AI  icke,  Dr.  Georg,  zurzeit  erster  Schularzt.  —  Hauffe,  Dr.  Bruno.  — 
Beitz,  Dr.  Herrn.  --  Reuter,  Dr.  Kurt.  ~  Schmidt,  Dr.  Kurt.  —  Schädel, 
Dr.  Joh.  —  Schönefeld,  Dr.  Alfred.  —  Thiele,  Dr.  Adolf.  —  Wagner, 
Dr.  Paul. 

Cobnrg. 

Martinet,  Dr.  Victor,  Stadtphysikus. 


^  Dienstordnung  genehmigt,  Schulärzte  noch  nicht  ernannt. 
'  Mit  sechs  Armenärzten  der  Stadt  schweben  Verhandlungen  behufs  Über^ 
nähme  schulärztlicher  Funktionen. 


174  676 

Bermbach,  Dr.  Paul.  —  Bleibtreu,  Dr.  Leopold.  —  Breyesser, 
Dr.  Karl,  SauitätBrat.  —  Curt,  Dr.  Frz.  Jos.  —  Decker,  Dr.  Heinrich.  — 
Doutrelepont,  Dr.  Alex.  —  Dreyer,  Dr.  Albert.  —  Ebner,  Dr. Wilhelm. 

—  Eich,  Dr.  Adolf.  —  Geller,  Dr.  Wilhelm.  —  Geuer,  Dr.  Franz.  — 
Hagen,  Dr.  Karl.  —  Hollen,  Dr.  Heinr.  Aug.  —  Hützer,  Dr.  Joh-  — 
Mastbaum,  Dr.  Otto.  —  Nockher,  Dr.  Ludwig.  —  Schulte,  Dr.  Max.  — 
Stark,  Dr.  Max. 

Colmar. 

Fleurent,  Dr.  —  Nordmann,  Dr.  Albert. 

Cottbus  (Reg.-Bez.  Frankfurt  a.  0.). 

Bullig,  Dr.  Alb.  —  Haupt,  Dr.  Walter.  —  Kittlick,  Dr.  PauL  — 
Michaelis,  Dr.  Alb.,  Sanitätsrat.  —  Ricken,  Dr.  Hermann.  —  Siemon, 
Dr.  0. 

Gramer,  Dr.  Ehrenfried,  Augenarzt. 

Crefeld. 

Hennerici,  Dr.  Joh.,  Sanitätsrat.  —  Josten,  Dr.  Heinr.  —  Konig, 
Dr.  Heinr.  —  Melier,  Dr.  Jos.  —  Robert,  Dr.  Frz.  Theod.  —  Schrors, 
Dr.  Gust.  Ad.  —  Settgast,  Dr.  Berth.  —  Welt  er,  Dr.  Victor. 

Crimmitsclian  (Kreishauptmannschaft  Zwickau). 

Kürzel,  Dr.  Martin,  Armenarzt. 

DauEig. 

Briesewitz,  Dr.  —  Dreyling,  Dr.  Max.  —  Feyerabend,  Dr.  Engen. 

—  Goldschmidt,  Dr.  Moritzf.  —  Hennig,  Dr.  Arthur.  —  Karpinski, 
Dr.  Paul.  —  Kickhefel,  Dr.  Gust,  Ohrenarzt.  —  Kraft,  Dr.  Bruno.  — 
Magnussen,  Dr.    Lorenz.    —    Schomburg,  Dr.    —    Solmsen,  Dr.  Albert. 

—  Thun,  Dr.  Max. 

Darmstadt. 

*  

Buchold,  Dr.  Otto,  zurzeit  ältester  Schularzt.  —  Göring,  Dr.  Hein- 
rich. —  Gutenberg,  Dr.  Berthold.  —  Langsdorf,  Dr.  Eduard. 

Dortmund. 

Funke,  Dr.  Frdr.  —  Morsbach,  Dr.  Paul. 

Dresdeu. 

Niedner,  Dr.  Christ,  Obermedizinalrat  und  Stadtbezirksarzt,  Obmann 
der  Schulärzte.  —  Böhme,  Dr.  Jnstus.  —  Dannenberg,  Dr.  Oskar.  — 
Dufeldt,  Dr.  —  Ebeling,  Dr.  —  Eulitz,  Dr.  Adolf. —  Findeisen,  Dr. — 
Flachs,  Dr.  Richard.  —  Krug,  Dr.  Walter,  Hofrat.  —  Langer,  Dr.  Paul.  — 
Nowack,  Dr.  Ernst,  Professor.  —  Quenzel,  Dr.  —  Schadebrod,  Dr. 
Karl.  —  Schmidt,  Dr.  Paul.  —  Treiber,  Dr.  —  Werner,  Dr.  Gustav. 

Duisburg  (Stadtkreis  Düsseldorf). 

Beer  mann,  Dr.,  Medizinalrat,  Kreisarzt. 

Dulken  (Reg.-Bez.  Düsseldorf). 

Birker,  Dr.  Johann.  —  Dörgens,  Dr.  Hugo.  —  Hoogen,  Dr.  Ed., 
Sanitätsrat.  —  Nierhof f,  Dr.  Bernhard. 

(Fortsetzung  folgt.) 


JHtfiliifl  fli  Si|tiil0rfiia)il|(ttü|ifle9r. 

XVI.  Jahrgang.  1903.  No.  10. 


(Drigittttlab^itilititgeit. 


EpidemiBche  Aagenentiftndnngen  in  Schulen.' 

Von 
Dr.  W.  Peilchbnfbld  -  Charlottenburg. 

Professor  Gbeef  sprach  am  23.  März  1898  „über  aknte  Angen- 
epidemien^  in  der  Berliner  Medizinischen  Gesellschaft.  Er  wies 
dabei  darauf  hin,  dafs  immer  wieder  in  kurzen  Zwischenräumen  die 
Alarmnachrioht  durch  die  Blätter  geht,  hier  oder  dort  sei  plötzlich 
in  weitesten  umfange  die  ägjrptische  Augenkrankheit  ausgebrochen. 
In  den  Schulen  zumeist  werde  sie  zuerst  entdeckt;  die  Schulen 
werden  geschlossen,  „viel  Tinte  wird  rerspritzt,  noch  mehr  Karbol 
oder  Lysol,  die  Wände  werden  abgerieben,  abgeklopft  oder  abge- 
waschen. Mit  Höllenstein  oder  Kupfervitriol  werden  die  kranken 
Augen  behandelt,  und  Gott  sei  Dank,  die  Maisnahmen  sind  vom 
schönsten  Erfolg  gekrönt.  Die  Epidemie  erlischt,  meist  in  den 
Ferien;  keiner  ist  erblindet,  ja  kein  Auge  ist  nur  in  irgend  einer 
Weise  geschädigt  (wenn  es  nicht  allzusehr  mit  Höllensteinstiften 
gebeizt  wurde,  was  nicht  selten  vorkommt).  Wahrlich  ein  Triumph 
der  Therapie  I  Alles  atmet  erleichtert  auf,  und  die  Berichte  über 
die  so  glücklich  abgelaufene  ägyptische  Augenkrankheit  werden 
gedruckt". 

Genau  die  gleichen  Erfahrungen  haben  HntscHBEBa,  Cohn 
(Breslau),  Maywbg,  Axenfeld,  Sydney  Stephenson,  Simbon  Snbll, 
SoHMiDT-BiMPLEB,  Hauenschild  Und  viclc  andere  kundgegeben.  Man 


^  Vortrag,    gehalten    in    der    Berliner    Ophthalmologischen    Gesellsohaft. 
18.  Juni  1903. 

Schnlgetfandheitspflege.  XVI.  35 


678 

sollte  annehmen,  daJB  die  rermeintlichen  bösen  Epidemien  nunmelir 
seltener  geworden  seien ;  docli  auch  hieiseibst,  in  Berlin  und  Um- 
gebung, sind  in  den  letzten  Jahren  wiederholt  Schulen  wegen  in- 
fektiöser Augenerkrankung  geschlossen  worden  und,  da  eine  solche 
Infektion  stets  als  „ägyptische  Augenentzündung "  im  Publikum  auf- 
gefaßt wird,  wurde  in  weiten  Kreisen  groüse  Beunruhigung  hervor- 
gerufen. Es  erscheint  daher  für  uns  Augenärzte  eine  besondere 
Pflicht,  in  jedem  solchen  Falle  eine  möglichst  sorgfältige  Analyse 
der  Elrankheit  zu  versuchen  und  darüber  zu  berichten. 

In  einer  Gemeindeschule  in  Charlottenburg  erkrankten  Mitte 
März  in  der  V.  Klasse  23  unter  50  Schülerinnen;  am  nächsten  Tage 
meldeten  sich  bereits  70  Sander  aus  dieser  Schule  krank.  Die 
Klasse  V  wurde  am  17.  März  geschlossen,  die  ganze  Schule  am 
21.  März;  am  folgenden  Tage  meldeten  sich  bereits  aus  der  Knaben- 
schule, die  mit  der  ersteren  ein  Doppelhaus  bildet,  ca.  170  Knaben 
augenkrank,  und  wenige  Tage  später  wurde  auch  diese  Schule  ge- 
schlossen. Die  Polizeibehörde  ordnete  gründliche  Desinfektion  der 
gesamten  Räume  an;  betreffs  Behandlung  der  erkrankten  Kinder 
wurden  irgend  welche  Verfügungen  oder  Vorsorge  nicht  getroffen. 
Da  für  die  ca.  40  BAume  der  Schule  zur  Desinfektion  von  der 
Stadtbehörde  nur  6 — 8  Desinfektoren  mit  einigen  Hilfsarbeitern  zur 
Verfügung  gestellt  werden  konnten  —  um  nicht  den  ganzen  sonstigen 
Betrieb  der  Desinfektionsanstalt  brach  zu  legen  — ,  dauerte  die  Des- 
infektion der  Schule  ca.  20  Tage,  denn  mehr  als  zwei  grobe  BAume 
konnten  täglich  nicht  fertig  gestellt  werden.  Am  1.  Mai  wurden  die 
ca.  2000  Kinder  zur  Besichtigung  durch  einen  beamteten  Arzt  in  die 
Schule  bestellt,  und  nur  vier  Knaben  als  augenleidend  erklärt,  somit 
konnte  der  Unterricht  wieder  aufgenommen  werden. 

Der  Bericht  des  beamteten  Arztes,  auf  den  hin  der  SchulschluCs 
angeordnet  wurde,  ist  nicht  veröffentlicht;  ein  Augenarzt,  der  die 
gesamten  Schüler  zu  untersuchen  gehabt  hätte,  wurde  nicht  zuge- 
zogen. Es  ist  somit  nur  auf  Grund  von  privaten  Untersuchungen  ein 
Urteil  über  die  Epidemie  möglich.  Ein  ziemlich  greiser  Teil  der 
Kinder  dieser  Schulen  ist  an  den  Nachmittagen  im  Mädchen-  und 
Knabenheim  des  Charlottenburger  Vereins  „Jugendheim*'  untergebracht. 
Vom  Vorstande  dieses  Vereins  wurde  ich  gebeten,  die  Sander  zu 
untersuchen,  um  zu  entscheiden,  welche  Augenkrankheit  vorliegt, 
und  die  Behandlung  der  Erkrankten  zu  leiten,  wie  auch  Verhaltungs- 
maisregeln  gegen  weiteres  Umsichgreifen  der  Epidemie  zu  geben. 
Von  den  Schülerinnen  der  II.  Gemeindeschule  zeigten  die  meisten. 


679 

die  ich  untersuchen  konnte,  ebenso  wie  fast  durchweg  auch  deren 
Geschwister,  eineEonjunktivalafifektion.  Von  den  Knaben  war  nur  ein 
kleinerer  Teil  erkrankt.  Aber  neben  den  Schülern  der  I.  und  11. 
Schule  zeigten  die  gleichen  Erkrankungsformen  auch  zahlreiche 
Kinder,  zumal  Mädchen  der  Jugendheime,  welche  andere  Schulen 
besuchten.  Da  zur  gleichen  Zeit  mit  ähnlicher  Erkrankung  auch 
nicht  wenige  Kinder,  welche  zu  Jugendheimkindern  in  keinerlei 
Beziehung  standen,  zur  Behandlung  kamen,  kann  nicht  etwa  behauptet 
werden,  dais  aus  den  beiden  Schulen  die  Infektion  durch  Vermitt- 
lung des  Jugendheims  weitergetragen  worden  war. 

Was  nun  die  Form  der  Erkrankung  betrifft,  so  fand  sich  in 
den  meisten  Fällen  eine  einfache  Konjunktivitis  mit  leichter 
Schleim-  und  Eiterabsonderung,  zuweilen  mit  geringer  Oiliar- 
injektion;  einige  Fälle  von  wirklichem  Schwellungskatarrh  wurden 
in  jener  Zeit  in  der  Privatpraxis  bei  Schülerinnen  und  kleinen  Kin- 
dern beobachtet  —  doch  durchweg  die  leichtere  Form  ohne  Kon- 
junktivalblutungen  — ;  endlich  bestanden  ganz  vereinzelte  Fälle  von 
Follikularkatarrh  neben  einer  gröiseren  Anzahl  von  Kindern  mit  der 
unschuldigen  Follikelschwellung.  Kein  einziger  Fall  von  Tra- 
chom oder  auch  nur  von  geringstem  Trachom  verdacht  kam 
unter  den  ca.  250  Kindern  des  Jugendheims  und  den 
ziemlich  zahlreichen  erkrankten  Schülern,  die  in  Privat- 
behandlung gelangten,  vor.  Die  bakteriologische  Untersuchung, 
die  aus  äuTseren  Gründen  nur  in  einigen  Fällen  und  auch  hier  nur 
in  Deckglaspräparaten  vorgenommen  werden  konnte,  ergab  zum  Teil 
einen  den  Koch -WEEKSchen  Bacillen  entsprechenden  Befand,  daneben 
wurde  aber  auch  in  anderen  Fällen  eine  bunte  Flora  von  Kokken 
und  Bacillen  gefunden.  Die  Behandlung  bestand  in  Umschlägen 
mit  schwach  desinfizierenden  Lösungen  und  für  einige  Tage  bei  den 
schwereren  Fällen  in  Einträufelungen  von  3  %  ProtargoUösung.  In 
sämtlichen  frischen  Fällen  ist  in  wenigen  Tagen  volle  Heilung  ein- 
getreten, nur  einige  alte  Konjunktivitiden  bedurften  einer  etwas 
längeren  Behandlung. 

Obwohl  in  jener  Zeit  auch  Erwachsene  mit  den  gleichen  Er- 
krankungsformen zur  Beobachtung  kamen,  ist  eine  Übertragung  der 
Entzündung  von  den  Kindern  auf  Erwachsene  nie  zur  Kenntnis 
gekommen,  während  doch  das  durch  den  Schulschluis  ängstlich  ge- 
wordene Publikum  mit  Klagen  bei  einer  Ansteckung  sofort  sich 
gemeldet  hätte. 

Es   hat   sich   also   um   eine  Epidemie  von  Konjunktivitis 

35' 


680 

simpIex  bei  Kindern  gehandelt,  neben  welcher  auch  Fälle  von 
Schwellungskatarrh  mit  den  KocH-WEEE8ohen  Bacillen  anftraten. 
Solche  Katarrhe  werden  hier  in  dieser  Jahreszeit  (März)  fast  regel* 
mälsig  in  mehr  oder  minder  grofser  Zahl  beobachtet.  In  diesem  Jahre 
war  in  jenen  Tagen  gerade  sehr  trockenes  Wetter  gewesen  mit  starken 
Winden  und  ganz  ungewöhnlich  heftiger  Staubentwicklung.  Bei  der 
Untersuchung  der  Jugendheimkinder  fiel  auf,  dals  in  den  Augen 
einer  ganz  erheblichen  Anzahl  von  Kindern  sich  gröJsere  und  klei- 
nere Staubteilchen  fanden,  welche  das  Auge  stark  reizten.  Dass 
ebenso,  wie  es  von  Kbug  aus  Dresden,  von  Simeok  Snell  und 
anderen  Autoren  gemeldet  wird,  auch  hier  eine  intensive  Influenza- 
epidemie einige  Wochen  vorher  geherrscht  hatte,  möchte  ich  als 
ferneres  ätiologisches  Moment  erwähnen.  Eine  weitere  Ursache 
schildert  sehr  treffend  Hauenschild,  indem  er  sagt:  „Die  weitaus 
grö&ere  Anzahl  (von  Schülern)  hatte  die  als  krankhaft  erachtete 
geringe  Injektion  der  KonjunktivalgefäTse  artefiziell  vorübergehend 
hervorgebracht*".  Ich  hatte  den  Eindruck,  daJüs  von  den  175  Slnaben» 
welche  den  Sohluis  der  I.  Schule  herbeiführten,  wohl  nicht  wenige 
in  der  eben  geschilderten  Weise  erkrankt  waren;  wenigstens  war 
ohne  jegliche  Behandlung  unmittelbar  nach  dem  Schulschlufs  bei 
den  Untersuchten  dieser  Schule  meist  etwas  Elrankhaftes  nicht  nach- 
weisbar. 

Der  sehr  erhebliche  Prozentsatz  der  mit  Konjunktivalaffektion 
behafteten  Kinder  im  Jugendheim  ist  leicht  erklärlich,  wenn  wir 
wissen,  dafs  Schmidt -Bimples  bei  Schuluntersuchungen  ohne  jeg^ 
liehe  Epidemie  unter  1662  Schülern  34%  Konjunktivalaffektionen 
fand,  CoHN  in  einem  gesunden  Gebirgsorte  25%,  Oppenhbime& 
33,5  %  in  einer  Berliner  Gemeindeschule.  Zu  diesem  Stamme  von 
regelmäfsigen  Veränderungen  an  der  Bindehaut  kommen  nun  in 
unserem  Falle  noch  die  akuten  Bindehautkatarrhe,  die  immerhin 
einen  gewissen  epidemischen  Charakter  tragen.*  Dafe  es  sich  dabei, 
wie  von  mir  eben  behauptet  wurde,  um  einen  ganz  unschuldigen 
Katarrh  handelte,  ist  zweifellos;  in  allen  Fällen  ist  er  in  kürzester 
Zeit  ohne  jede  Schädigung  der  Augen  vorübergegangen,  obwohl 
offenbar  nicht  bei  allen  Kindern  sachgemälse  Behandlung  statt- 
gefunden hatte.  Es  ist  auch  eigentlich  nicht  recht  klar,  um  was  es 
sich  sonst  hier  hätte  handeln  können.  Trachom  mulste  von  vorne 
herein  völlig  ausgeschlossen  werden.  Nie  und  nimmer  tritt  Trachom 
in  der  Form  einer  akuten  Epidemie  auf,  wie  etwa  Cholera,  Pest  u.  s.w. 
I  Trachom  wird  nach   dem  übereinstimmenden  Urteil   wohl  aller  Be- 


I 


681 

obachter  weit  mehr  durch  die  innige  Berührung  im  Haushalte  als 
durch  den  gemeinsamen  Aufenthalt  im  Schulraume  weitergetragen. 
G«nz  besonders  bezeichnend  hierfür  ist,  dafs  G-beef  in  einem  Internat 
fast  alle  männlichen  Insassen  trachomatös  fand,  aber  nur  einige 
wenige  leichte  Fälle  unter  den  Mädchen  des  Internats,  obwohl  beide 
GTeschlechter  gemeinsam  unterrichtet  wurden  und  zusammen  afsen. 
Also  die  Schlafräume  und  die  Wasohgelegenheit  bedingen  die  Über- 
tragung. Auch  GoHN  fand  meist  die  Angehörigen  von  trachomatOsen 
Schülern  erkrankt,  aber  nicht  deren  Nachbarn  auf  der  Schulbank. 
Welche  anderen  Augenkrankheiten  noch  Anlafs  zu  einem  Schulschlufs 
geben  können,  führt  der  Kunderlais  der  Minister  der  Medizinal- 
angelegenheiten, der  Finanzen  und  des  Innern  vom  20.  Mai  1898 
aus  in  der  Anweisung  zur  Verhütung  der  Übertragung  ansteckender 
Augenkrankheiten  durch  die  Schule: 

a)  Blennorrhoe  und  Diphtherie  der  Augenlidbindehäute, 

b)  akuter  und  chronischer  Augenlidbindehautkatarrh,  Follikulär- 
katarrh  und  Kömerkatarrh  (granulöse  oder  ägyptische  Augen- 
entzündung, Trachom). 

Die  unter  a)  genannten  Krankheiten  bilden  typisohei  mikro- 
skopisch leichter  zu  bestimmende  Formen,  die  hier  gar  nicht  in  Frage 
kamen.  Kömerkatarrh  (Trachom)  ist,  wie  gesagt,  in  unserem  Falle 
ausgeschlossen;  Follikularkatarrh  ist  nur  in  verhältnismälsig  wenigen 
Fällen  beobachtet  worden  und  dabei  nur  äufserst  selten  in  stärkerem 
Grade.  Es  kam  also  nur  akuter  und  chronischer  Bindehautkatarrh 
in  Betracht.  Die  unangenehmste  Form :  die  Pneumokokkenepidemie, 
war  nicht  rorhanden,  da  weder  von  mir  noch  von  anderen  benach- 
barten Augenärzten  ein  solcher  Fall  gesehen  wurde;  ebenso  wenig 
handelte  es  sich  um  die  MosAX-AxEKFELDSche  Diplobacillenkonjunk- 
tivitis,  sondern,  wie  bereits  ausgeführt,  um  einen  gewöhnlichen 
Bindehautkatarrh,  vielleicht  mit  einigen  Fällen  von  Schwellungs- 
katarrh mit  KocH-WsEKschen  Bacillen.  Die  Vorschrift  des  Rund- 
erlasses lautet  unter  3. :  „Schüler,  welche  an  einer  der  tmter  b)  genannten 
Augenkrankheiten  leiden,  sind  nur,  wenn,  beziehungsweise  solange, 
sie  deutliche  Eiterabsonderung  haben,  vom  Besuche  der  Schule 
auszuschlielsen.  11.  Für  die  Behandlung  der  an  ansteckenden  Augen- 
krankheiten leidenden  Schüler  hat,  soweit  dieselbe  nicht  nach  ärzt- 
licher Bescheinigung  durch  die  Eltern  veranlaist  wird,  die  Orts- 
polizeibehörde Sorge  zu  tragen.  13.  Die  Schliefsung  einer  Klasse 
oder  einer  ganzen  Schule  wegen  einer  ansteckenden  Augenkrankheit 
wird  nur  in  den  seltensten  Fällen  erforderlich  und  ratsam  sein  und 


682 

kann  nur  durch  den  Landrat  (Oberamtmann)  beziehungsweise  in  Städten, 
welche  einen  eigenen  Kreis  bilden,  den  Polizeiverwalter  des  Ortes 
nach  Anhörung  des  beamteten  Arztes  geschehen.  Namentlich  ist  sie 
bei  Follikularkatarrh  fast  nie  und  bei  Kömerkrankheit  in  der  Regel 
nur  dann  erforderlich,  wenn  eine  gröisere  Anzahl  von  Schülern  an 
deutlicher  Eiterabsonderung  leidet.  Ist  eine  Gefahr  im  Verzuge,  so 
können  der  Vorsteher  der  Schule  und  die  Ortspolizeibehörde  auf 
Orund  ärztlichen  Gutachtens  die  vorläufige  Schliefsung  der  Schule 
selbständig  anordnen,  haben  jedoch  hiervon  dem  Kreisschulinspektor 
und  dem  Landrat  unverzüglich  Anzeige  zu  erstatten.*' 

Wieweit  in  unserem  Falle  die  Krankheitserscheinungen  bei  den 
Kindern  diesen  Anforderungen  des  Runderlasses  entsprachen,  entzieht 
sich  der  öffentlichen  Beurteilung,  da  nur  ein  Teil  der  erkrankten  Kinder 
in  Behandlung  kam;  jedenfalls  kann  die  Polizeibehörde  die  Krankheit 
nicht  für  schwer  infektiös  gehalten  haben,  da  nach  Punkt  11  des 
Erlasses  sonst  von  polizeiwegen  für  ärztliche  Behandlung  der  er- 
krankten Kinder  hätte  gesorgt  werden  müssen,  was  aber  nicht  geschah. 
Vermutlich  hätte  ein  voller  Erfolg  auch  ohne  Schlufs  der  beiden 
Schulen  erzielt  werden  können,  wenn  man  die  erkrankten  ELinder 
für  einige  Tage  vom  Schulbesuch  dispensiert  hätte,  mögen  immerhin 
dabei  einige  Klassen  für  kurze  Zeit  ganz  verwaist  worden  sein.  Zur 
Desinfektion  hätte  sicher  die  Anweisung  des  Erlasses  unter  Punkt  12 
genügt:  „Während  der  Dauer  einer  ansteckenden  Krankheit  in  einer 
Schule  sind  das  Schulgrundstück,  die  Schulzimmer  und  die  Bedürfiiis- 
anstalten  täglich  besonders  sorgfältig  zu  reinigen,  die  Schulzimmer 
während  der  unterrichtsfreien  Zeit  fleifsig  zu  lüften,  die  Bedürfnis- 
anstalten nach  Anordnung  der  Ortspolizeibehörde  zu  desinfizieren; 
die  Türklinken,  Schultafeb,  Schultische  und  Schulbänke  täglich  nach 
Beendigung  des  Unterrichts  mit  einer  lauwarmen  Lösung  von  je 
einem  Teil  Schmierseife  und  reiner  Karbolsäure  in  100  Teilen 
Wasser  abzuwaschen". 

Es  ergibt  sich  aus  dem  Gesagten,  dafs  es  zweckmäfsig  ist, 
bei  jedem  epidemieartigen  Auftreten  einer  Augenentzün- 
dung einen  Augenarzt  zuzuziehen  und  nur  auf  Grund 
bakteriologisch  gesicherter  Diagnose  schwerer  Infektion 
die  Schule  zu  schliefsen.  Notwendig  ist  auch,  dais  in  einer 
Ergänzung  des  ministeriellen  Bunderlasses  von  1898  auf  den  unter- 
schied zwischen  Follikularkatarrh  und  FoUikelschwellung  hingewiesen 
wird.  Letztere,  von  Gbeef  „Schulfollikularis^  genannt,  ist  kaum  als 
eine  Krankheit,  sondern  als  eine  unschuldige  Reaktion  der  Bindehaut 


68S 

auf  mannigfache  Reize,  doranter  vor  allem  auf  die  sohlechte  Luft 
in  überfüllten  Klassenzimmern,  anzusehen.  Keinerlei  Beschwerden 
werden  durch  sie  verursacht;  ohne  Therapie  schwinden  sie  meist  bei 
Beseitigung  der  Ursachen,  während  eingreifende  Behandlung  gewöhn- 
lich erst  Unannehmlichkeiten  hervorruft. 


Die  üntemehmimgen  des 
Vereins  für  Ferien -Wohl&hrtsbestrebangen  in  Hamburg. 

Von 
W.  Henz  -  Hamburg. 

Das  Leben  in  der  Groisstadt  ist  aus  den  verschiedensten  Ur- 
sachen der  menschlichen  Natur  weniger  zuträglich  als  das  Landleben. 
Schon  der  Zusammenschlulis  von  Hunderttausenden  auf  Verhältnis- 
mälsig  eng  begrenztem  Baume  bedingt  Wohnungszustände,  die  nichts 
weniger  als  angenehm,  noch  viel  weniger  der  G-esundheit  zuträglich 
sind.  Es  ist  gewiüs  rühmend  anzuerkennen,  dais  in  der  Neuzeit  die 
Baupolizei  bei  Neubauten  eine  strenge  Aufsicht  führt,  um  auch  für 
die  ärmere  Bevölkerung  Wohnräume  zu  schaffen,  welche  den 
hygienischen  Anforderungen  möglichst  gerecht  werden.  Damit  sind 
aber  die  alten,  ungesunden  Wohnungen  aus  vergangenen  Zeiten 
keineswegs  aus  der  Welt  geschafft,  und  solange  sie  bestehen,  wer- 
den sie  auch  benutzt,  und  so  findet  man  in  den  älteren  Stadtteilen 
mehr  oder  weniger  aller  Grolsstädte  Wohnungsverhältnisse,  die  nach 
unseren  heutigen  Ansprüchen  —  auch  den  bescheidensten  —  einfach 
menschenunwürdig  sind. 

Es  ist  schon  bemerkt  worden,  dafs  man  bei  uns  von  Seiten  der 
zuständigen  Behörden  der  Wohnungspflege  in  den  letzten  Jahren 
eine  immer  mehr  und  mehr  wachsende  Aufmerksamkeit  widmet. 
Die  Väter  der  Stadt  greifen  ohne  Murren  tief  in  den  Säckel,  um 
für  günstigere  Wohnungsverhältnisse  zu  sorgen,  und  es  unterliegt 
keinem  Zweifel,  dals  das  auf  diese  Weise  angelegte  Kapital  nicht 
ä  fonds  perdu  zu  setzen  ist,  sondern  sich  gut  verzinst,  nicht 
blois  in  ethischer  Beziehung,  sondern  auch  vom  rein  praktischen 
Standpunkte  aus  betrachtet.     Je  besser  die  Wohnungszustände  sind. 


684 

desto  besser  sind  anoh  die  Gesandheitsyerhältnisse  und  desto  gerin- 
gere Anforderungen  werden  an  das  Armen-  und  ünterstütznngs- 
budget  gestellt. 

Hamburg  steht  nach  dieser  Seite  hin  günstiger  als  die  meisten 
anderen  Groisstädte  da,  die  nicht  etwa  wie  Mannheim,  Essen,  Kre- 
feld u.  a.  ihre  Bedeutung  erst  nach  Jahrzehnten  bemessen  können. 
Im  Verhältnis  zu  der  Einwohnerzahl  ist  das  bebaute  Areal  ein  sehr 
grofses,  so  daüs  nur  geringe  Teile  jenes  Bild  des  Zusammengepfercht- 
seins  bieten,  das  für  die  meisten  Groisstädte  charakteristisch  ist. 
Dann  hat  aber  auch  der  grolse  Brand  vom  5.  bis  8.  Mai  1842 
gerade  in  den  ältesten  Teilen  der  Stadt  gewütet  und  einen  greisen 
Teil  der  engsten  Gebiete  in  Schutt  und  Asche  gelegt.  Endlich 
haben  auch  die  furchtbaren  Erfahrungen  des  Cholerajahres  1892  die 
Behörden  bewogen,  endlich  einmal  kräftige  Hand  anzulegen  und  die 
ungesunden  Wohnungen  durch  bessere  zu  ersetzen.  Was  nach  dieser 
Seite  hin  schon  geleistet  wurde  und  was  femer  noch  geplant  ist» 
verdient  höchste  Anerkennung.  Aber  immerhin  bleibt  noch  yiel  zu 
tun,  und  es  wird  trotz  aller  Anstrengungen  noch  manches  Jahr  ver- 
gehen, bis  alle  die  menschenunwürdigen  Wohnhöfe  verschwunden 
sind.  Bedingt  wurde  dieses  furchtbar  enge  Zusammenwohnen  einer 
zahlreichen  Arbeiterbevölkerung  im  Zentrum  der  Stadt  und  in  der 
Nähe  des  Hafens  durch  das  gänzliche  Fehlen  von  brauchbaren  Ver- 
kehrsmitteln, wie  sie  erst  die  allerjüngste  Neuzeit  geschaffen  bat. 
Vordem  war  jeder  mehr  oder  weniger  an  seine  Arbeitsstelle  gefesselt. 

Wie  sehr  aber  tatsächlich  die  ältesten  Teile  einer  Grolsstadt 
allem  Hohn  sprechen,  was  wir  jetzt  als  notwendig  für  die  G^esund- 
heit  und  das  Wohlbefinden  ihrer  Bewohner  ansehen,  davon  kann 
sich  der  glückliche  Einwohner  des  flachen  Landes  kaum  einen 
Begriff  machen.  Wandert  man  z.  B.  durch  eine  der  wenigen  von 
der  reformierenden  Hand  der  Sanitätskommission  noch  unberührten 
Strafsen  im  ältesten  Teile  Hamburgs,  so  bemerkt  man  oft  zu  beiden 
Seiten  schmale,  niedrige  Eingänge.  Dieselben  sind  nicht  selten  so 
schmal,  dafs  zwei  Personen  nicht  an  einander  vorbeigehen  können, 
und  so  niedrig,  dafs  man  manche  nur  gebückt  passieren  kann;  und 
dazu  liegt  die  kleine  Pforte  bisweilen  so  tief,  dais  man  von  dem 
Strafsenniveau  noch  mehrere  Stufen  abwärts  gehen  mufs,  um  sie  zu 
erreichen.  Tritt  man  ein,  so  gelangt  man  auf  einen  langen,  schmalen 
Hof.  Links  und  rechts  ragen  die  Häuser  vier  bis  sechs  Stockwerke 
in  die  Höhe.  Die  oberen  Etagen  sind  gewöhnlich  noch  übergebaut, 
so    dafs   sich    die  Gegenüberwohnenden   unter  Umständen   aus   den 


685 

Fenstern  die  Hftnde  reichen  können.  Das  sind  freilich  traurige 
Behausungen;  dahin  scheint  weder  Sonne  noch  Mond,  dahin  kommt 
niemals  ein  erfrischender  Lufthanch;  und  doch  lieben  die  dort  Hau- 
senden ihre  armseligen  Wohnungen,  in  denen  sie  geboren  wurden, 
in  denen  sie  ihre  Kindheit  verlebten,  wo  ihnen  der  Liebe  Lust  und 
Leid  erwuchs,  und  wo  sie  endlich  auch  ihre  Tage  beschlieisen 
möchten.  Als  bei  den  jetzt  noch  im  Gange  befindlichen  Sanierungs- 
arbeiten grolse  Gebiete  der  fraglichen  Stadtteile  abgebrochen  wurden, 
trennten  sich  die  Bewohner  nur  schweren  Herzens  von  den  alt- 
gewohnten Bäumen;  so  stark  ist  die  Macht  der  Gewohnheit. 

Zu  diesen  für  die  Gesundheit  ungünstigen  Wohnungsyerhält- 
nissen  in  der  Grolsstadt  kommen  noch  andere  Momente,  welche  die 
Bewohner  derselben  ebenfalls  benachteiligen.  So  wird  durch  die 
vielen  gewerblichen  Anlagen  die  Luft  stark  yerunreinigt.  Vereinigen 
sich  aber  mit  den  rauchenden  Fabrikschornsteinen  auch  noch  die 
zahllosen  qualmenden  Schlote  der  Dampfer  und  Dampfkräne  des 
Hafens,  so  kann  es  niemanden  wunder  nehmen,  wenn  über  der 
inneren  Stadt  beständig  eine  graue  Dunstwolke  lagert.  Wirkt  diese 
sohlechte  Luft  vornehmlich  ungünstig  auf  die  Bespirationsorgane,  so 
üben  der  Lärm  und  das  Geräusch  des  starken  Verkehrs,  die  Strafsen- 
bahnen,  der  schrille  Ton  der  Signalglocken  und  Dampfpfeifen,  das 
Gedräng  und  Gewoge  der  vorüberhastenden  Menschenmenge,  das 
Bassein  und  Dröhnen  der  leichten  Fuhrwerke  und  der  schweren 
Lastwagen  einen  entschieden  ungünstigen  Einfluls  auf  das  Nerven- 
system aus.  Wer  es  deshalb  ermöglichen  kann,  der  eilt  in  der 
schönen  Jahreszeit  hinaus  auf  das  Land,  um  sich  in  der  reinen  Luft 
und  in  der  Buhe  des  Landlebens  wieder  zu  erholen  und  neu  ge- 
kräftigt zur  Arbeit  zurück  zu  kehren. 

Wenn  wir  zwischen  körperlichen  und  geistigen  Arbeitern  unter- 
scheiden, so  läist  sich  nicht  bestreiten,  dais  die  letzteren  weit  mehr 
Nervenleiden  ausgesetzt  sind  als  diejenigen,  welche  in  erster  Linie  nur 
die  Kraft  ihrer  Muskeln  zu  betätigen  haben.  Das  Leben  in  der  Grols- 
stadt muTs  somit  für  die  Gesundheit  des  geistigen  Arbeiters  weit 
gröisere  Gefahren  in  seinem  Schofse  bergen,  als  für  den  meistens 
schon  robusteren  Körper  des  Muskelarbeiters;  der  erstere  hat  also 
eine  Erholung  in  der  reinen  Luft  und  der  beruhigenden  Stille  des 
Landlebens  doppelt  nötig. 

Zu  den  geistigen  Arbeitern  müssen  wir  aber  auch  unbedingt  die 
Schüler  rechnen.  Nicht  genug,  dals  sie  tfiglich  bis  zu  einer  Dauer 
von  sechs  Stunden  an  die  Schulbank   gefesselt  sind,   nehmen  auch 


686 

die  Hausaufgaben  noch  einen  gröfseren  oder  geringeren  Teil  der 
sclinlfreien  Zeit  in  Anspruch,  und  hier  sind  es  besonders  die 
höheren  Schulen,  die  ohne  Rücksicht  auf  die  Gresundheit  und  die 
körperliche  Entwicklung  der  ihnen  anvertrauten  Kinder  und  Jüng- 
linge an  die  Kraft  derselben  viel  zu  hohe  Anforderungen  stellen. 
Hat  der  Schüler  fünf  bis  sechs  Stunden  auf  der  Schulbank  gesessen, 
so  ist  eine  ausreichende  Erholung  für  ihn  ebenso  nötig  wie  Essen 
und  Trinken,  und  die  häuslichen  Aufgaben  dürften  für  einen  Schüler 
mit  Durchschnittsbegabung  nicht  mehr  als  eine  bis  höchstens  zwei 
Stunden  in  Anspruch  nehmen.  Leider  wird  aber  denKindeJU  gewöhnlich 
80  viel  aufgebürdet,  dais  eine  ausreichende  Erholung  nur  in  sehr  seltenen 
Ausnahmefällen  zu  ermöglichen  ist.  Offenbar  sind  die  Klassen- 
ziele zu  hoch  gestellt,  da  ja  bekanntlich  trotz  der  augestreug- 
testen  Arbeit  nur  ein  wirklich  lächerlich  kleiner  Prozentsatz  der 
Schüler  die  sämtlichen  Klassen  einer  höheren  Schule  durchläuft, 
ohne  ein  oder  mehrere  Male  sitzen  zu  bleiben,  und  weil  so  der 
jugendliche  Körper  und  Geist  stark  in  Anspruch  genommen  wird, 
haben  die  Eonder  Erholung  und  Bewegung  in  freier,  reiner  Luft 
doppelt  nötig.  Hierzu  kommt  noch  der  Umstand,  dals  der  noch  in 
der  Entwicklung  begriffene  Körper  naturgemäls  an  sich  nicht  in  der 
Weise  angestrengt  werden  sollte,  wie  es  häufig  geschieht.  Allerdings 
hat  da  die  soziale  Gesetzgebung  schon  manchen  der  schlimmsten 
Übelstände  beseitigt;  aber  auch  heute  noch  sündigen  Not  und  leider 
auch  mangelnde  Einsicht  seitens  der  Eltern  nach  dieser  Hinsicht 
viel  an  dem  heranwachsenden  Geschlecht. 

Dais  die  gewöhnliche,  wie  erwähnt,  so  kärglich  bemessene  Er- 
holungszeit nach  SchluTs  der  Schule,  und  vor  allen  Dingen  nach  der 
Erledigung  der  Schulaufgaben,  für  das  Bedürfiiis  nicht  ausreicht, 
auch  nicht,  wenn  man  die  Sonntage  mit  in  Betracht  zieht,  ist  ja 
allseitig  anerkannt,  und  auch  der  Staat  hat  sich  schon  seit  langer 
Zeit  dem  nicht  verschliefsen  können.  Durch  die  Einrichtung  der 
Ferien  hat  er  der  Jugend  Gelegenheit  geboten,  sich  von  den  An- 
strengungen des  Stillesitzens  und  der  Lernarbeit  zu  erholen;  er  gibt 
die  Zeit  dazu,  und  das  ist  allerdings  das  erste  Moment.  Ein  weiteres 
ist  von  Seiten  des  Staates  in  absehbarer  Zeit  nicht  zu  erwarten, 
wenn  auch  sehr  erwünscht.  Damit  ist  aber,  wie  gesagt,  nur  ein 
Punkt  erledigt,  und  das  ist  nicht  einmal  der  wichtigste.  Es  muüs 
den  Schülern  auch  die  Möglichkeit  einer  ausgiebigen  Erholung  ge- 
währt werden,  und  die  fehlt  leider  den  meisten  Kindern  der  Ghrols- 
stadt;   denn  nur   ein  geringer  Prozentsatz  der  Eltern  kann  die  mit 


687 

einem  längeren  Landaufenthalte  verbundenen,  nicht  unerheblichen 
Kosten  erschwiDgen.  Dazu  kommt  noch  die  Tatsache,  dals  es  für 
den  Privatmann  gar  nicht  so  leicht  ist,  für  seine  Kinder  eine  pas- 
sende Unterkunft  zu  finden.  Daraus  resultiert  das  betrübende  Er- 
gebnis, daCs  weitaus  die  meisten,  man  kann  ruhig  sagen  fast  alle 
Kinder  der  Grofsstadt  auch  ihre  Ferien  in  den  dumpfen  Höfen  und 
engen  Häuserreihen  zubringen  müssen,  und  dals  von  der  durchaus 
notwendigen  ausgiebigen  Erholung  im  Freien  nicht  die  Rede  sein 
kann.  Nur  die  an  der  Peripherie  der  Städte  wohnenden  Schüler 
befinden  sich  in  einer  günstigeren  Lage. 

Der  einzelne  kann  also  nicht  helfen,  vom  Staate  darf  man  im 
allgemeinen,  auiser  dem  ja  auch  schon  recht  wertvollen  wohlwollen- 
den EntgegCDkommen,  eine  materielle  Unterstützung  kaum  erwarten ; 
wohl  aber  öfinet  sich  hier  für  die  private  Wohltätigkeit  ein  Feld, 
wie  man  es  schöner  imd  nutzbringender  kaum  finden  kann.  Aber 
die  Sache  ist  noch  zu  neu,  ist  noch  zu  wenig  bekannt,  als  dafs  man 
schon  sonderlich  viel  Förderung  erfahren  hätte.  Doch  ist  sicher  zu 
erwarten,  dafs  eine  tätige  Agitation  auch  nach  dieser  Seite  hin  bald 
und  bedeutende  Erfolge  erringen  wird.  Das  Bestreben  wohlzutun 
und  mitzuteilen  ist  ja  erfreuUcherweise  in  den  Herzen  unserer  mit 
Glücksgütem  reich  gesegneten  Mitmenschen  ein  sehr  reges,  ein 
Zeichen,  dafs  das  Mitgefühl  eine  der  am  meisten  geübten  Tugenden 
ist.  Man  spendet  gern  und  reichlich  für  Blinde  und  Taubstumme, 
für  Idioten  und  Lrrsinnige,  Krüppel  und  andere  Unglückliche.  Die 
Zahl  der  Stifte  und  Vermächtnisse  für  alte  Leute  ist  sehr  grois, 
und  es  ist  gewifs  ein  schöner  Akt  der  Pietät  und  Dankbarkeit, 
wenn  man  den  Lebensabend  derjenigen,  welche  ein  oft  reiches  Leben 
voller  Arbeit  für  sich  und  andere  hinter  sich  haben,  zu  einem  sorgen- 
freien gestaltet.  Solche  Betätigungen  praktischer  Nächstenliebe  sind 
hoch  anzuerkennen;  aber  sie  regen  auch  andererseits  wieder  an  zu 
dem  Mahnrufe:  Vergesset  auch  die  Jugend  nicht,  das  kommende 
Geschlecht,  die  Träger  der  Zukunft,  auf  deren  Schultern  wir  stehen  I 
Mögen  die  Testierer  ihre  Aufmerksamkeit  einmal  auf  die  Bestrebun- 
gen derjenigen  richten,  welche  für  eine  ausreichende  körperliche  und 
geistige  Erholung  der  Schüler  unserer  GroJsstädte  arbeiten.  Noch 
fehlt  es  da  ganz  und  gar  an  Kapitalien,  und  die  Zahl  der  regel- 
mäisigen  Kontribuenten  ist  eine  verhältnismäbig  recht  geringe. 
Gewiüs  ist  es  nur  nötig,  wiederholt  und  nachdrücklich  auf  diese 
sozusagen  neue  Art  der  Wohltätigkeit  aufinerksam  zu  machen,  dann 
wird  auch  der  Erfolg  nicht  ausbleiben. 


688 

Die  Schüler  sind  ihren  Lehrern  überantwortet  zn  Erziehung 
und  Unterricht,  zur  Ausbüdnng  ihres  Körpers  und  Geistes.  Der 
alte  griechische  Grundsatz,  dais  nur  in  einem  gesunden  Leib  eine 
gesunde  Seele  wohnen  könne,  hat  an  seiner  Bedeutung  noch  nichts 
eingebüfst  und  besteht  nach  wie  vor  zu  roUem  Recht,  und  so  ist 
es  selbstverständlich,  dafs  den  Jugendbildnem  nicht  nur  die  geistige 
Ausbildung,  sondern  auch  das  leibliche  Wohlbefinden  ihrer  Schutz- 
befohlenen am  Herzen  liegt,  und  sie  waren  es  auch,  die  in  der 
Frage  der  erfolgreichen  Ferienausnutzung  in  erster  Linie  Seite  an 
Seite  mit  den  Ärzten  vorgingen  und  ratend  und  helfend  eingri£Pen. 
Es  galt  Unterkommen  für  eine  Reihe  der  Bedürftigsten  zu  finden, 
die  Kinder  dann  zu  beaufsichtigen  und  dafür  Sorge  zu  tragen,  dais 
sie  auch  die  nötige  Verpflegung  erhielten,  um  gesund  und  gekräftigt 
nach  Hause  zurückzukehren.  Vor  allen  Dingen  mulsten  aber  die 
nicht  unerheblichen  Geldmittel  aufgebracht  werden.  Von  den  Eltern 
durfte  man  nicht  viel  verlangen,  denn  es  ist  klar,  dais  die  Bedürf- 
tigsten fast  ausschliefslich  gerade  dem  ärmsten  Teile  der  Bevölkerung 
angehören.  Sie  sind  also  meistens  nur  im  stände,  einen  ganz  mini- 
malen Beitrag  zu  leisten.  Was  sie  bezahlen  können,  wird  von  der 
Mehrzahl  ohne  Murren  und  in  dankbarer  Anerkennung  der  ihren 
Kindern  erwiesenen  grofsen  Wohltat  aufgebracht;  aber  das  ist  natür- 
lich lange  nicht  ausreichend.  Es  mufste  also  an  die  ö£Peniliche 
Wohltätigkeit  appelliert  werden,  und  das  war  nicht  vergebens.  So 
entstanden  vor  einer  noch  verhältnismälsig  kurzen  Reihe  von  Jahren 
die  ersten  Ferienkolonien,  und  heute  dürfte  es  wohl  kaum  noch  eine 
gröisere  Stadt  geben,  die  nicht  während  der  Sommerferien  eine 
gröfsere  oder  geringere  Anzahl  von  Kindern  zur  Erholung  und 
Kräftigung  auf  das  Land  schickt.  Der  Erfolg  ist  ein  so  offenkun- 
diger, dais  sogar  vielfach  die  Väter  der  Stadt  sich  bewogen  fbUten, 
eine  gröfsere  Summe  aus  Kommimalmitteln  zur  Verfügung  zu  stellen, 
überzeugt,  dais  das  geopferte  Kapital  gut  und  nutzbringend  ange- 
legt sei. 

In  Hamburg  hat  sich  vor  mehreren  Jahren  ein  Verein  für 
Ferien-Wohlfahrtsbestrebungen  gebildet,  der  sich,  wie  schon 
aus  seinem  Namen  hervorgeht,  eine  möglichst  günstige  und  weit- 
gehende Ausnutzung  der  Ferien  für  die  Schüler  zur  Aufgabe  gemacht 
und  schon  sehr  erfreuliche  Resultate  gezeitigt  hat,  ja  sogar  nach 
mehr  als  einer  Seite  hin  bahnbrechend  vorging  und  für  andere  vor- 
bildlich geworden  ist. 

Das  Wesen  der  Ferienkolonien  besteht  ja  bekanntlich  darin» 


689 

daCs  eine  Anzahl  von  Kindern  der  OroJBstadt  während  der  Sommer- 
ferien aufs  Land  geechiokt  wird  und  in  den  Dörfern  bei  den  Land- 
lenten  Wohnung  und  Beköstigung  findet,  wobei  namentlich  die  dort 
billigen  Produkte  der  Landwirtschaft,  in  erster  Linie  Milch  und 
Eier,  in  reichlicher  Menge  zur  Verfügung  stehen.  Dazu  kommt 
noch  als  ein  wesentliches  Moment  die  reine  frische  Land-  respektive 
Waldlufty  deren  wohltätiger  Binfluis  nicht  unterschätzt  werden  darf. 
Leider  aber  ist  es  auch  unter  den  günstigsten  Verhältnissen  immer 
nur  ein  geringer  Prozentsatz  der  gesamten  Schülerzahl,  dem  so  der 
Segen  eines  längeren  Landaufenthaltes  ermöglicht  werden  kann. 
Sollen  die  Zurückbleibenden  leer  ausgehen  ?  Eine  gröfsere  Zahl  in  die 
Feme  zu  senden,  verbietet  sich  wegen  der  erheblichen  Kosten.  Es 
gilt  also,  andere  Wege  einzuschlagen.  Hier  setzte  der  Verein  für 
Ferien -Wohlfahrtsbestrebungen  ein.  Zwei  Unternehmungen  sind  es 
besonders,  die  er  ins  Leben  gerufen  hat,  und  auf  die  er  mit  ge- 
rechtem Stolze  blicken  kann.  Es  sind  dieses  die  Ferienausflüge 
und  die  Ferien-Stadtkolonie  Waltershof. 

.  Zu  den  Ferienausflügen  sammelt  sich  an  bestimmten 
Wochentagen  eine  grofse  Schar  der  in  Hamburg  zurückgebliebenen 
Schüler  um  ihre  Lehrer,  die  in  dankenswerter  Weise  einen  Teil 
ihrer  Ferienzeit,  die  sie  doch  auch  zu  ihrer  eigenen  Erholung  nötig 
haben,  gerne  opfern,  und  es  werden  Ausflüge  in  die  Umgebung 
der  Stadt  gemacht.  Gute  Fahrverbindungen  nach  allen  Seiten  er- 
leichtem die  Unternehmungen  wesentlich.  Die  eine  Abteilung  trägt 
ein  Dampfer  elbabwärts  und  ladet  sie  dort  an  einsamer  Stelle  aus, 
wo  sich  die  Kinder  in  der  mit  Heidekraut  bestandenen  Hügellandschaft 
nach  Herzenslust  austoben  können.  Andere  führt  die  Bahn  oder 
auch  ein  Dampfer  nach  der  am  Südufer  der  Elbe  liegenden  Fabrik- 
stadt Harburg,  wo  sie  in  den  Wäldern  der  Schwarzen  Berge  herum- 
streichen können.  Wieder  andere  Scharen  wenden  sich  nach  Norden 
in  das  Tal  der  Alster,  das  auf  längere  Strecken  reich  an  landschaft- 
lichen Schönheiten  ist.  Zu  den  Kosten  hat  jedes  Kind  nur 
30  Pfennige  beizusteuern,  das  Fehlende  bewilligt  der  genannte 
Verein  aus  seinen  Mitteln.  Die  vorsorgliche  Mutter  löst  durch 
ein  mitgegebenes  umfangreiches  Paket  die  bei  den  allezeit  hungrigen 
Kindern  doppelt  wichtige  Magenfrage,  und  abends  kehrt  die 
frohe  Schar  mit  geröteten  Wangen  und  einer  Fülle  neuer  Eindrücke 
in  das  elterliche  Heim  zurück.  In  den  beiden  letzten  Jahren  nah- 
men an  diesen  Ferienausflügen  je  zwischen  4000  und  5000  Schüler 
teil,  gewifs  ein  Beweis,   welch  freudigen  Anklang  dieselben  sowohl 


690 

bei  den  Kindern  als  anoli  bei  ihren  Eltern  fanden.  Die  Veranstalter 
dürfen  abo  ihre  Unternehmung  als  eine  praktische,  nützliche  und 
beliebte  bezeichnen  und  des  Dankes  der  Beteiligten  gewils  sein. 

Eis  Würde  schon  darauf  hingewiesen,  dals  die  Kinder  von  diesen 
Ausflügen  eine  Fülle  neuer  Eindrücke  mitbringen.  Auch  die  Be- 
deutung dieses  Punktes  darf  keinesfalls  unterschätzt  werden.  Fast 
sollte  man  es  nicht  glauben,  aber  es  ist  eine  feststehende,  betrübende 
Tatsache,  dafs  viele  Eander  bei  dieser  Gelegenheit  zum  ersten  Male 
in  ihrem  Leben  aus  dem  Häusermeer  und  der  ungesunden  Luft  der 
Stadt  hinaus  in  die  freie,  herrliche  Natur  mit  ihren  mannigfachen 
Schönheiten  gelangen,  die  erste  grüne  Wiese,  das  erste  wogende 
Getreidefeld  sehen,  die  erste  Lerche  hören.  Welche  Bereicherung  an 
Eindrücken  müssen  abo  die  Ausflüge  hinterlassen  1 

Die  wichtigste  Unternehmung  des  Vereins  für  Ferien- Wohl&hrts- 
bestrebungen  war  und  ist  jedoch  die  Einrichtung  der  Ferien-Stadt- 
kolonie Waltershof,  auf  die  derselbe  mit  ganz  besonderem  Stolze 
zurückblickt,  mit  dem  gerechten  Stolze  des  Schöpfers,  der  von  seinem 
Werke  aus  innerster  Überzeugung  sprechen  kann:  „Das  ist  mir 
wohlgelungen". 

Wie  schon  bemerkt,  scheitert  die  Frage  der  Aussendung  einer 
ausreichenden  Zahl  von  Ferienkolonisten  vor  allem  am  Kostenpunkte. 
Wohl  nehmen  die  Landleute  in  der  näheren  und  ferneren  Umgebung 
der  Stadt  die  Kinder  gerne  auf,  und  man  hat  auch  selten  über 
mangelhafte  Beköstigung  oder  unfreundliche  Behandlung  zu  klagen; 
weit  schwieriger  aber  wird  es,  die  nötigen  Betten  zu  beschaffen. 
Man  mülste  zur  Unterbringung  der  Kinder  einen  recht  groJsen  Bezirk 
in  Anspruch  nehmen,  und  das  würde  schon  die  Reise  an  sich  nicht 
unwesentlich  verteuern  und  auch  die  Beaufsichtigung  und  Leituog 
beträchtlich  erschweren.  Da  warf  man  in  Hamburg,  d.  h.  in  dem 
schon  mehrfach  genannten  Vereine,  die  Frage  auf,  ob  nicht  in  der 
unmittelbaren  Nähe  der  Stadt  Gebiete  aufzufinden  seien,  die  allen 
vernünftigen  Anforderungen  an  einen  gesunden  Landaufenthalt  ent- 
sprächen und,  was  die  Hauptsache  war,  doch  so  nahe  seien,  dafs 
man  mit  geringen  Kosten  die  Kinder  morgens  hin  und  abends  wieder 
zurück  befördern  könnte.  Damit  wäre  die  schwierigste  Frage,  näm- 
lich die  des  Nachtquartieres,  gelöst;  denn  die  Beköstigung  konnte 
im  Verhältnis  hierzu  nur  geringe  Schwierigkeiten  verursachen.  Sehr 
erleichtert  würde  auch  vor  allen  Dingen  die  Beaufsichtigung.  Eine 
ausreichende  Beaufsichtigung  von  Kindern  der  Groüastadt  auf  dem 
Lande  ist  aber  unbedingt  nötig,  weniger  wegen  der  eventuellen  Ge- 


691 

fahren,  denen  sie  ausgesetzt  sein  könnten,  oder  wegen  absichtlicher  Un- 
arten,  sondern  deshalb,  weil  sie  sonst  ans  reiner  Unkenntnis  der  land- 
und  forstwirtschaftlichen  Betriebe  denselben  manchen  Schaden  zu- 
fügen würden.  Man  richtete  also  sein  Augenmerk  auf  die  Umgebung 
Hamburgs  und  hatte  einen  geeigneten  Ort  auch  bald  gefunden. 

Die  Elbe  teilt  sich  einige  Meilen  oberhalb  Hamburgs  in  zwei 
Hanptarme,  die  Norder-  und  Süderelbe.  Erstere  flieist  an  Hamburg, 
letztere  an  Harburg  vorbei.  Diese  Hauptarme,  namentlich  aber  die 
Süderelbe,  senden  noch  eine  Anzahl  kleinerer  Zweige  aus,  die  ein 
ganzes  Netz  von  Stromarmen  und  -Kanälen  bilden  und  sich  erst  weit 
unterhalb  Altonas  nach  und  nach  wieder  in  einem  meerbusenartigen 
Bette  vereinigen.  Das  ganze  Gewirre  von  Wasserläufen  und  Strom- 
inseln trägt  den  Charakter  einer  Deltabildung.  Die  gröfste  Insel, 
Wilhelmsburg,  trägt  am  Nordufer  die  bedeutendsten  Becken  des 
Hafens  von  Hamburg,  andere  wieder  bergen  die  Schifi&werften  der 
Elbe  und  Fabrikanlagen  der  verschiedensten  Art.  Mehrere  dieser 
Inseln  aber  liegen  auch  heute  noch  seitab  von  dem  Treiben  der 
Groisstadt  in  idyllischer  Buhe  da;  eine  derselben  fübrt  den  Namen 
Waltershof.  Sie  wird  von  dem  Eöhlbrand,  dem  stärksten  Arm 
der  Süderelbe  im  Osten,  und  von  dem  abzweigenden  Eöhlfleth  im 
Südwesten  nmfiossen,  während  im  Norden  nach  der  Norderelbe  hin 
noch  einige  kleine  Inseln  vorgelagert  sind.  Waltershof  ist  Ham- 
burger Staatsdomäne  und  enthält  gegenwärtig  auiser  der  deutschen 
Seemannsschule  nur  einen  Pachthof  und  grolse  Wiesenländereien, 
die  als  Viehweide  dienen.  Der  weitaus  gröfste  Teil  der  Insel  ist 
mit  Schutzdeichen  umgeben  und  von  zahlreichen  Wassergräben  durch- 
zogen. Durch  den  Eöhlbrand  findet  ein  reger  Personendampfer- 
verkehr zwischen  Hambnrg-Altona  einerseits  und  Harburg  anderseits 
statt,  und  die  Dampfboote  legen  in  Waltershof  regelmäisig  an. 

Diese  Insel  erschien  für  die  Zwecke  der  Ferien-Stadtkolonie 
vorzüglich  geeignet;  denn  einmal  ist  sie  weit  genug  von  Hamburg 
entfernt,  um  von  dem  Groisstadtlärm  unberührt  zu  bleiben,  aber 
doch  wieder  so  nahe,  dafs  die  Kinder  in  kürzester  Zeit  die  Hin- 
und  Bückreise  machen  können.  Dann  kann  man  auch  vermittels 
der  Personendampfer  eine  gröfere  Anzahl  von  Personen  besser  als 
mit  jedem  anderen  Eommunikatioosmittel  rasch,  bequem  und  billig 
hin  und  zurück  befördern. 

Während  der  vierwöchentlichen  Sommerferien  wurden  zwei 
Gruppen  je  14  Tage  lang  nach  der  Stadtkolonie  verschickt,  im 
ganzen  712  Eander.     Jedes  Kind  hatte  zu  den  erheblichen  Kosten 


692 

einen  Beitrag  von  sechs  Mark  zu  leisten.  Für  das  noch  Fehlende 
sorgte  eine  Reihe  menschenfreundlicher  Wohltäter.  Die  Leitong  der 
Kolonie  war  von  dem  Vorstände  einem  Lehrer,  Herrn  K.  Mandkl, 
übertragen.  Diese  Wahl  war  eine  recht  glückliche,  da  derselbe  eine 
reiche  praktische  Erfahrung  hinter  sich  hatte  und  nun  auf  den  Er- 
gebnissen des  Jahres  1901,  dem  ersten  Lebensjahre  der  jungen, 
eigenartigen  Unternehmung  in  Gemeinschaft  mit  den  Damen  und 
Herren  des  Vorstandes  sorgsam  erwägend  und  prüfend  das  Werk 
weiter  ausbaute.  Ihm  zur  Seite  standen  mehrere  Lehrer  und  Lehre- 
rinnen als  Gruppenführer  resp.  -Führerinnen,  die  für  Au&icht  und 
Beschäftigung  der  Kinder  sorgten  und  ihre  gesamte  Erholungszeit 
der  guten  Sache  opferten. 

Grobe  Opfer  an  Zeit  und  Mühe  brachten  auch  zahlreiche  Mit- 
glieder  des  genannten  Vereins,  namentlich  die  Vorstandsmitglieder, 
so  vor  allen  Dingen  der  Vorsitzende  Herr  Dr.  Baoge,  die  Damen 
Fräulein  A.  Wolffson,  in  weiteren  Kreisen  durch  ihre  auf  eigene 
Kosten  gegründeten  und  unterhaltenen  Haushaltungsschulen  bekannt, 
femer  Fräulein  M.  Hebz.  Beide  Damen  nahmen  sich  besonders  der 
Küche  an  und  ent&lteten  dort  nicht  blols  durch  ihre  sachverständigen 
Anordnungen,  sondern  auch  durch  unverdrossenes,  fleilsiges  Eingreifen 
und  persönliche  Arbeit  einen  rühmlichen  Eifer  für  die  gute  Sache. 
Endlich  sei  noch  des  Herrn  Dr.  med.  A.  Pbedöhl  gedacht,  der  sich 
die  Mühe  nicht  verdiiefsen  liels,  jedes  Kind  vor  der  ersten  Ausfahrt 
und  nach  der  letzten  Rückfahrt  zu  wägen,  bei  einer  Schar  von  712 
kleinen,  zappeligen  Gesellen  wahrlich  keine  geringe  Leistung. 

Betrachten  wir  nunmehr  den  Verlauf  eines  Tages  in  der  Kolonie. 

Des  Morgens  um  halb  neun  Dhr  versammeln  sich  die  Kinder 
bei  den  jedem  Besucher  Hamburgs  bekannten  St.  Pauli -Landungs- 
brücken um  ihre  Gruppenführer.  Vor  der  ersten  Ausfahrt  findet 
in  dem  dort  liegenden  Güterschuppen  der  Nordsee -Linie  die  Fest- 
stellung des  Gewichts  der  kleinen  Kolonisten  durch  den  oben  ge- 
nannten Arzt  statt.  Dann  geht  es  auf  den  schon  bereit  liegenden 
Dampfer,  der  auch  gleichzeitig  die  erforderlichen  Lebensmittel  für 
die  Küche  mitnimmt.  Langsam  kreuzt  das  Fahrzeug  im  Angesichte 
der  malerischen  hohen  Eibufer  den  breiten,  belebten  Strom;  vorbei 
geht  es  an  der  greisen  Schi&werft  von  Blohm  &  Voss,  dann  lenkt 
das  Schiff  in  den  Köhlbrand,  und  nach  etwa  halbstündiger  Fahrt 
ist  das  Ziel,  die  Insel  Waltershof,  erreicht.  Sofort  geht  es  zur 
Schutzhütte.  Es  ist  dies  eine  grofse,  doppelte  Halle  mit  offener 
Vorderseite,  aus  2ement  und  Asbest  erbaut.     In  der  Mitte  zwischen 


693 

den  beiden  Hallen  befindet  sich  die  Küche  mit  einem  geräumigen, 
kühlen  Keller.  Auf  der  einen  Seite  sind  die  Tische  der  Knaben, 
anf  der  anderen  die  der  Mädchen  aufgestellt.  Gleich  nach  der 
Ankunft  bei  der  Hütte  wird  den  Kindern  das  Frühstück  verabreicht, 
das  aus  Butterbrot  und  Milch  besteht.  Nachdem  so  der  erste  Hunger 
gestillt  ist,  vereinigen  sich  die  einzelnen  Gruppen  um  ihre  Führer 
und  Führeriunen,  welchen  junge  Damen  aus  den  höchsten  Ständen 
als  freiwillige  Helferinnen  zur  Seite  stehen.  Dann  werden  gemein- 
schaftliche Spiele  arrangiert,  kleine  Ausflüge  und  Deichwanderungen 
veranstaltet  und  alles  getan,  um  den  Kindern  das  Leben  so  ange- 
nehm wie  möglich  zu  gestalten.  Bisweilen  wird  auch  das  Ufer  auf- 
gesucht, dann  rasch  Schuhe  und  Strümpfe  abgestreift,  und  bald  watet 
die  kleine  Gesellschaft  in  dem  seichten  Wasser  umher  und  sucht 
Muscheln  und  glatte  Steine,  indem  sie  dabei  mit  den  Enten  um  die 
Wette  plätschert  und  schnattert.  Alles  ist  eitel  Freude  und  aus- 
gelassene Fröhlichkeit,  um  so  mehr,  als  man  der  jubelnden  Schar 
möglichst  viel  Freiheit  lälst.  Ist  die  Hitze  gar  zu  groDs,  so  gewährt 
ein  kleines  Gehölz  in  unmittelbarer  Nähe  der  Schutzhütte  kühlenden 
Schatten.  Wenn  aber  der  Himmel  seine  Schleusen  öfiFnet,  dann 
nimmt  die  geräumige  Halle  das  kleine  Volk  unter  ihr  schützendes 
Dach  auf.  Dann  werden  Schach-,  Domino-  und  andere  Spiele  her- 
vorgeholt, oder  es  wird  vorgelesen  und  ein  Märchen  erzählt.  Auch 
eine  Kasperbude  fehlt  nicht,  und  die  Lachsalven  des  allezeit  beifalls- 
freudigen Auditoriums  begleiten  die  lustigen  Streiche  des  ewig  jungen 
Kaspar.  Kaum  aber  drängt  der  erste  goldene  Sonnenstrahl  durch 
das  graue  Gewölk,  so  geht  es  wieder  hinaus  ins  Freie. 

Eine  ganz  besondere  Anziehungskraft  üben  die  zahlreichen 
Wassergraben  mit  ihrem  mannig£dtigen  lebendigen  und  toten  Inhalt 
aus.  Für  die  Kinder  der  Grolsstadt  bergen  sie  gar  viele  unbekannte 
Dinge  und  reizen  die  Neugierde.  Dann  wachsen  dort  ja  auch  die 
wundervollen  grofsen  Bohrkolben.  Die  Aufsicht  wird  allerdings 
durch  diese  Wasseradern  den  Führern  wesentlich  erschwert ;  aber  sie 
sind  glücklicherweise  nicht-  so  tief,  dafs  sie  das  Leben  der  Kinder 
gefl&hrden  könnten,  und  für  den  Fall  eines  unfreiwilligen  Bades  hat 
der  umsichtige  Leiter  je  zwei  Knaben-  und  Mädchen-Beserveanzüge 
bereit,  um  die  nassen  Kleider  wechseln  zu  können. 

Endlich  schlägt  die  Stunde  des  Mittagsmahles,  von  der  allezeit 
hungrigen  Schar  natürlich  lange  ersehnt  und  mit  Freuden  begrüJst. 
Die  Speisen  werden  aus  den  von  Hamburg  mitgebrachten  Vorräten 
in  der  geräumigen  Küche  unter  der  Leitung  und  der  tätigen  Mithilfe 

Sefaulgesandheitapflegre.  XVI.  86 


694 

von  Damen  aus  der  Hamburger  Gesellsohaft  zubereitet,  um  die  Ent- 
werfung des  Küchenzettels  hat  sich  neben  den  schon  mehrfeioh  ge- 
nannten Damen  die  Leiterin  der  hamburgischen  Yolks-KafiFeehalleD, 
Fräulein  von  Schachtmeteb,  besondere  Verdienste  erworben.  Es 
gibt  immer  gute,  warme  Kost  in  möglichster  Abwechslung  und  so 
reichlich,  dais  auch  der  letzte  der  hungrigen  Gftste  endlich  mit  einem 
Blick  des  Bedauerns  auf  die  unbezwungenen  Beste,  aber  doch  be- 
friedigt Löffel  und  Gabel  aus  der  Hand  legi  Mancher  aber  wird 
sich  später  noch  oft  nach  dem  kräftigen,  wohlschmeckenden  Mittags- 
tisch mit  seiner  schier  unerschöpflichen  Reichhaltigkeit  zurücksehnen. 
Auch  für  einen  guten  Trunk  frischen  Wassers  ist  gesorgt.  Noch  im 
Vorjahre  war  man  genötigt,  alles  Trinkwasser  yon  Hamburg  mitzu- 
bringen, gewiis  eine  groise  Unbequemlichkeit.  Nunmehr  liefert  ein 
inzwischen  angelegter  abessimscher  Brunnen  einwandfreies  Wasser  in 
reichlicher  Menge. 

Nach  dem  Mittagessen  überlälst  sich  die  jugendliche  Schar  auf 
den  Deichen  und  Böschungen  einer  behaglichen  Siesta.  Aber  das 
sorglose  dolce  far  niente  wird  bald  durch  den  anlegenden  Dampfer 
unterbrochen,  der  nicht  selten  Gäste  aus  Hamburg  bringt,  die  sich 
das  lustige  Treiben  der  kleinen  „Badereisenden**  ansehen  wollen. 
Die  Kinderschar  begriilSst  sie  stets  mit  Jubel;  denn  häufig  werden 
mit  den  Gästen  verschiedene  vielversprechende  Körbe  ausgeladen, 
deren  Inneres  Kirschen,  Stachelbeeren  und  andere  schöne  Dinge 
birgt,  die  den  Kindern  immer,  selbst  nach  einem  guten  Mittagessen, 
hochwillkommen  sind. 

Am  Nachmittag  wird  den  Kindern  ein  Vesperbrot  mit  Milch 
verabreicht,  und  dann  kommt  endlich  kurz  vor  der  Bückkehr  noch 
die  Abendmahlzeit.  Sie  besteht  aus  der  in  Norddeutschland  ebenso 
beliebten  wie  zuträglichen  roten  Himbeergrütze  mit  Milch,  für  die 
kleinen  Kolonisten  eine  wahre  Götterspeise.  Inzwischen  ist  der 
Dampfer  bei  der  Landungsbrücke  erschienen,  der  um  halb  sieben  ühr 
die  ganze  Gesellschaft  nach  Hamburg  zurückbringt.  Ein  kurzes 
Gewimmel,  ein  lebhafter  und  lauter  Abschied  an  der  Landungs- 
brücke, und  die  Kinder  fluten  nach  allen  Seiten  auseinander,  um 
den  elterlichen  Wohnungen  zuzueilen,  indem  sie  unterwegs  der  sie 
abholenden  Mutter  leuchtenden  Blickes-  von  all  den  erlebten  Aben- 
teuern, von  den  Herrlichkeiten  und  Genüssen  erzählen. 

So  verläuft  das  Leben  für  die  jungen  Kolonisten  Tag  für  Tag. 
Nur  an  den  Sonntagen  findet  keine  AusfEÜirt  nach  Waltershof  statt. 
Einmal  hat  dann  wenigstens  ein  Teil  der  Kinder  Gelegenheit,   mit 


695 

den  Eltern  und  Angehörigen  einen  Spaziergang  zu  maohen;  dann 
ist  aber  auch  der  freie  Tag  für  die  Leiter  und  Führer  nach  der 
anstrengenden  und  nervenaufreibenden  Tätigkeit  unbedingt  nötig. 

Naoh  14  Tagen  wird  die  erste  Abteilung  der  Kinder  entlassen 
und  durch  die  zweite  abgelöst.  Es  mufs  anerkannt  werden,  dafs  die 
kleinen  Kolonisten  durchweg  durch  ein  gutes  Betragen  ihre  Dank- 
barkeit für  die  ihnen  gewährte  Sorgfalt  zu  beweisen  suchen. 

Wenden  wir  uns  nun  noch  kurz  zu  der  Frage :  Welches  ist  das 
Ergebnis,  der  Erfolg,  all  dieser  Sorgen  und  Arbeiten,  des  Aufwandes 
an  Kraft,  Zeit  und  Geld?  Wie  schon  bemerkt,  bringen  die  Kinder 
eine  Fülle  neuer  Anschauungen  und  Eindrücke  mit  nach  Hause» 
und  der  Wert  dieses  Gewinnes  ist  keineswegs  gering  anzuschlagen. 
Der  eigentliche  Zweck  soll  jedoch  körperliche  Kräftigung  und  Er- 
frischung sein,  und  da  zeugt  schon  die  gesunde  Farbe  der  Wangen 
von  der  wohltätigen  Wirkung  des  Landaufenthaltes.  Um  aber  auch 
zu  unumstöüslichen,  zahlenmäfeig  feststehenden  Besultaten  zu  kom- 
men, werden  die  Kinder,  wie  bereits  erwähnt,  yor  der  ersten  Aus-^ 
fahrt  und  der  letzten  Rückfahrt  unter  der  Au&icht  des  mehrfach, 
genannten  Arztes  gewogen,  und  da  tritt  das  erfreuliche  Resultat  zu 
Tage,  dafs  sich  eine  durchschnittliche  Gewichtszunahme  yon  zwei 
bis  drei  Pfund  feststellen  läfet;  gewiis  nach  einem  nur  14iägigeu 
Aufenthalte  in  Waltershof  ein  schönes  Ergebnis. 

Die  ganz  eigenartige,  neben  einem  ähnlichen  Unternehmen  in 
Dresden  einzig  dastehende  Veranstaltung  der  Ferien  -  Stadtkolonie 
erregte  in  den  weitesten  Kreisen  der  Schul-  und  Verwaltungsbehörden 
sowie  der  Schulhygieniker  berechtigtes  Aufsehen,  und  es  liefen  von 
vielen  Seiten,  sogar  bis  über  die  Grenzen  Deutschlands  hinaus,  zahl- 
reiche Anfragen  ein,  mehr  als  dem  Vorstande  trotz  des  Hebens* 
würdigsten  Entgegenkommens  erschöpfend  zu  beantworten  möglich 
war.  Diesen,  sowie  allen  anderen  Literessenten  ein  getreues  Bild 
des  Unternehmens  zu  bieten,  ist  der  Zweck  vorstehender  Zeilen. 
Mögen  sie  dazu  dienen,  dem  gegebenen  Beispiele  zum  Wohle  der 
heranwachsenden  Jugend  recht  viele  Nachahmxmgen  zu  erwecken  I 
Mögen  sie  aber  vor  allen  Dingen  auch  dazu  beitragen,  dais  dem 
Vereine  für  Ferien -Wohlfahrtsbestrebungen  recht  viel  praktisches 
Interesse  entgegengebracht  wivd,  dals  ihm  gröüsere  Summen  zufliefsen, 
damit  er  seine  philantropischen  Veranstaltungen  immer  weiter  aus- 
bauen kann. 


36' 


696 


Znr  Statistik  der  Nervosität  bei  Lehrern. 

I.  Beitrag. 

Von 

Dr.  Ralf  Wichmann, 

Nervenarzt  in  Bad  Harzbarg. 
(Fortsetzang.) 

B.  Erblich  belastete  Lehrer. 

Unter  den  305  Lehrern,  welche  ebenso  vielen  Familien  entsprechen, 
sind  in  239  Familien  =  78%  Nerven-  oder  Geisteskrankheiten 
nicht  vorgekommen.  (Li  einem  Fall  ist  hierüber  nichts  erwähnt.) 
In  66  Lehrerfamilien  =  22%  dagegen  sind  Nerven-  oder  Geistes- 
krankheiten bei  den  Eltern  oder  Geschwistern  vorgekommen.  Li 
diesen  66  Lehrerfamilien  waren  17  mal  der  Vater,  26  mal  die  Mntter, 
4  mal  beide  Eltern  und  36  mal  Geschwister  mit  Nerven-  oder  Geistes- 
krankheiten behaftet.  Den  17  Vätern  ist  ein  Alkoholiker  mit  zu- 
gerechnet. Diese  66  Lehrer  kann  man  also  ab  erblich  nervös  be- 
lastet bezeichnen* 

Von  den  239  nicht  erblich  belasteten  Lehrern  sind  41  ganz 
gesnnd,  d.  h.  17,1%;  von  den  66  erblich  belasteten  Lehrern  sind 
fünf  ganz  gesnnd,  d.  h.  7,5  7o- 

Von  den  66  erblich  belasteten  Lehrern  sind  51  verheiratet  nnd 
15  ledig.  Von  den  verheirateten  sind  drei  verwitwet.  Der  Kon- 
fession nach  verteilen  sich  die  66  Lehrer  auf: 

Protestanten  . .  57 
Katholiken  ...  8 
Lsraeliten 1. 

Von  den  66  erblich  belasteten  Lehrern  waren  bis  zum  Lehrer- 
examen gesund  45,  d.  h.  69  %,  und  21  =  31%  hatten  schon  vor 
dem  Lehrerexamen  schwerere  Krankheiten  —  die  Kinderkrankheiten 
abgerechnet  —  durchgemaoht.  Als  solche  Krankheiten  werden  von 
ihnen  genannt:  Migräne;  nervöses  Herzklopfen;  Kopfschmerzen  4 mal; 
Schwindel;  Nasenbluten  und  Blutarmut  je  2 mal;  Mattigkeit  und 
Schwäche  3  mal;  Schlaflosigkeit;  Nervosität;  Zwangsgedanken;  Ver* 
dauungsschwäche    und    Stuhlbeschwerden    3  mal ;     Appetitlosigkeit ; 


697 

Herzklopfen;  Typhus  3 mal;  Brastfellentzündung,  Mittelohrkatarrh, 
Kopfrose,  Atembesohwerden,  Rhenmatismus;  Beinleiden,  Neuralgie; 
Onanie  nnd  PoUntionen,  nnd  Neigung  zu  Erkältungen. 

a)  Die  45  erblich  belasteten,  aber  bis  zum  Lehrerexamen 

gesunden  Lehrer. 

Von  diesen  45  Lehrern  sind  38,  d.  h.  84  Vo,  yerheiratet ;  dar- 
unter sind  drei  yerwitwet.  Ledig  sind  sieben.  Es  litten  von  diesen 
45  Lehrern  während  des  Examens  9,  d.  h.  20%!  an  nervösen  Be- 
schwerden. Es  blieben  von  den  45  Lehrern  bis  jetzt  dauernd  ge- 
sund 5  Lehrer,  d.  h.  11  %,  die  übrigen  40  Lehrer  =  89  %  sind 
erkrankt.  Von  den  45  Lehrern  haben  30,  d.  h.  66%,  für  Angehörge 
zu  sorgen.    Yon  den  45  Lehrern  sind  im  Schuldienst  angestellt: 

1  Lehrer     1 —  5  Jahre  lang 


12 

Ji 

5—10 

1» 

» 

6 

» 

10    15 

n 

Ti 

10 

n 

15    20 

fl 

n 

6 

n 

20—25 

» 

7i 

3 

n 

25—30 

n 

n 

3 

n 

30—35 

» 

n 

2 

n 

35-40 

» 

rt 

2 

« 

40—45 

n 

n 

Von  den  45   Lehrern  erteilen   15, 

d. 

i.  33%,  Privatunterricht 

und  zwar: 

6  Lehrer  bis 

zu    2  Stunden 

pro  Woche 

2 

n 

n 

.      4        . 

n          n 

2 

6 

mm 

n 

w 

7»         "             7i 

rt          7i 

4 

n 

n 

«      8       , 

n          7i 

1 

n 

Ji 

»    12       » 

n          n 

Es  unterrichten 

im  Durchschnitt: 

1  Lehrer    30—  40 

Kinder 

4 

n 

40      50 

n 

12 

n 

50—  60 

7i 

10 

» 

60—  70 

n 

6 

n 

70—  80 

» 

6 

T» 

80—  90 

» 

0 

T) 

90—100 

n 

1 

T) 

100    110 

n 

2 

7) 

110—120 

n 

1 

w 

120—130 

n 

698 

1  Lehrer  120—135  (90)  Kinder 
1       „        146    (66nnd70)  „ 

Es  yerwenden  auf  Schulyorbereitaiig  und  Korrekturen: 

7  Lehrer  bis  zu  1  Stunden 

26       «         »     n    2        „ 
10      ^         „     „    3        „ 

Diese  45  Lehrer  würden  unterrichten  können  täglich,  ohne  zu 
übermüden: 

1  Lehrer  bis  zu  1  Stunden 

^        r>  r)      n    ^  n 

13  4 

^        7>  n      f)    ^  n 

1  7 


1  Q 


7? 


Einer  kann  nichts  Bestimmtes  hierüber  mitteilen. 

Von  den  45  Lehrern  haben  15,  d.  i.  33  %,  die  Ferien  aus  Ge- 
sundheitsrücksichten yerlängem  müssen.  30  Lehrer  oder  66  Vo  haben 
das  nicht  getan,  aber  zwei  unter  diesen  letzteren  hätten  es  nOtig 
gehabt.  Wegen  nervöser  Beschwerden  haben  15,  d.  i.  33%,  den 
Unterricht  aussetzen  müssen.  30  Lehrer  oder  66%  haben  das  nicht 
getan,  aber  drei  von  ihnen  hätten  es  eigentlich  tun  müssen,  und  ein 
vierter  ist  zurzeit  wegen  nervöser  Beschwerden  auf  Grund  ärztlichen 
Attestes  beurlaubt. 

Von  diesen  45  Lehrern  geben  12,  d.  i.  26%,  an,  zurzeit  nicht 
an  Angstzuständen,  Zwangsgedanken,  Kopfdruck  oder  Herzklopfen 
zu  leiden.  Einer  gibt  andere  nervöse  Beschwerden  an.  Die  übrigen 
32,  d.  i.  71  %,  klagen  in  folgendem  Prozentsatz  über: 

Angstzustände. . .   17,  d.  i.  37  % 
Zwangsgedanken.     8,     „     17% 

Kopfdruck 26,     „     57  % 

Herzklopfen 19,     „     42% 

Es  kommt  also  nicht  selten  vor,  dais  ein  und  derselbe  Lehrer 
über  verschiedenartige  nervöse  Beschwerden  klagt. 


699 


b)   Die  21  erblich  belasteten,  schon  vor  dem  Examen 

krank  gewesenen  Lehrer. 

Von  den  21  erblich  belasteten,  schon  vor  dem  Elzamen  krank 
gewesenen  Lehrern,  waren  währenddes  Elzamens  gesnnd,  d.  h.  litten 
nicht  an  nervösen  Beschwerden,  8  Lehrer,  d.i.  38  7o.  Ein  Lehrer 
hat  diese  Frage  nicht  beantwortet  Die  übrigen  12  Lehrer,  d.  i.' 
57%,  litten  während  des  Examens  an  nervösen  Beschwerden. 

Diese  21  Lehrer  sind  später  nach  dem  Examen  sämtlich  er 
krankt  (100%)*  Die  von  ihnen  angegebenen  Krankheiten  sind  fol 
gende:  Nervöse  Überreizung,  Yerdanongsschwäche  nnd  Melancholie 
Stnhlverstopfong,  Blutarmut,  Nervosität,  nervöser  Darmkatarrh 
Herzklopfen,  Neurasthenie  (9  mal),  Angstzustände,  Zwangs 
gedanken,  Migräne  und  Herzbeschwerden,  Halsentzündung,  Magen 
leiden  und  Schlafstörung,  Lungen-,  Geschlechts-  und  Nervenleiden 
Magen*  und  Lungenleiden,  Lungenentzündung,  Typhus,  Gelenk 
rhexmiatismus. 

Von  diesen  21  Lehrern  sind  14,  d.  i.  66  7o,  verheiratet.  Es 
haben  von  den  21  Lehrern  11,  d.  i.  52%,  für  Angehörige  zu  sorgen. 

Die  21  Lehrer  sind  im  Schuldienst  angestellt: 

1  Lehrer    1 —  5  Jahre 

5  ,         5-10      „ 

6  ,  10-15  , 
8       „        15—20     „ 

3  „  20-25  „ 
1  „  25-30  „ 
1  „  30—35  „ 
1  „  35-40  „ 

Von  den  21  Lehrern   erteilen  acht  Privatunterricht  und  zwar 
2  Lehrer  bis  zu  2  Stunden  pro  Woche 

^»»  n      n    ^  ii  7t  n 

"n  »W^  7)  T)  7) 

Es  haben  im  Durchschnitt  unterrichtet: 

2  Lehrer  20—30  Kinder 
1       „       40-50       „ 

5       „       50—60       „ 

7  „       60-70       „ 

4  „  70—80  , 
1       „       80-90       „ 

und  einer  140  Kinder  in  2  Klassen. 


700 

Von  diesen  21  Lehrern  verwenden  täglich  auf  Sohnlvorbereitung 
und  Korrekturen: 

5  Lehrer  his  zu  1  Standen 

4       „         „     „    3        „ 

^  4. 

Sie  würden  unterrichten  können,  ohne  zu  ermüden,  t&glich: 

4  Lehrer  bis  zu  3  Stunden 
12       „         „     „    4        „ 

Es  haben  von  den  21  Lehrern  die  Ferien  verlängern  lassen 
müssen  aus  Gesundheitsrücksichten  13,  d.  i.  61%,  und  es  haben  den 
Unterricht  wegen  nervöser  Beschwerden  aussetzen  müssen  12  Lehrer, 
d.  i.  67  7o. 

Unter  den  21  Lehrern  leiden  zurzeit  nicht  an  Angstzuständen, 
Zwangsgedanken,  Kopfdruck  oder  Herzklopfen  3  Lehrer.  Diese 
3  Lehrer  leiden  an  anderen  nervösen  Beschwerden.  Einer  gibt 
auTserdem  nichts  an.  Die  übrigen  18,  d.i.  85  %,  Lehrer  geben  die 
Klagen  in  folgender  Prozentzahl  an: 

über  Angstzustände  .  .    6  mal  =  28  7o 
„     Zwangsgedanken    9    „     =  42% 

^     Kopfdruck 11    „     =  52  7o 

„     Herzklopfen  ...  10    „     =  47  Vo 

ۥ  Vor  dem  Lehrerexamen  krank  gewesene  Lehrer. 

Von  den  305  Lehrern  waren  bis  zu  ihrem  Lehrerexamen,  wo- 
runter das  erste  zu  verstehen  ist,  235  gesund.  Die  üblichen  Kinder- 
krankheiten sind  dabei  als  unwesentlich  nicht  berücksichtigt.  Ein 
Lehrer  gibt  nichts  Näheres  an.  Die  übrigen  69  Lehrer  haben  bereits 
vor  ihrem  Lehrerexamen  erwähnenswerte  Krankheiten  durchgemacht. 

Diese  bereits  vor  dem  Lehrerexamen  durchgemachten  Krank- 
heiten der  69  Lehrer  waren  folgende: 

L    Infektionskrankheiten. 

Typhus 7  mal 

Lungenentzündung 5    „ 

Brustfellentzündung 4   „ 

Husten 1    „ 

Gehirn-  und  Brustentzündung 1    „ 

Gelenkrheumatismus  und  Rheumatismus  . . .  7    „ 

Kopfrose 1    „ 


701 


U.    Rachen-,  Nasen-,  Hals-  nnd  Ohrleiden. 

Chronischer  Nasenrachenkatarrh 3  mal 

Mittelohrkatarrh 2    „ 

Chronischer  Lufiröhrenkatarrh 1    „ 

Kehlkopfkatarrh,  Halsbeschwerden 2    „ 

Gehörleiden 2    „ 

Stockschnupfen 1    „ 

Nasenbluten 1 


» 


III.    Chronische  Lungenaffektionen. 

Lungenemphysem 1  mal 

Lungenschwache 1  „ 

Atembeschwerden 1  „ 

Lungenkatarrh ' 1  „ 

ly.    B  lut  krank  hei  ten. 

Blutarmut 3  mal 

Schwäche 1  „ 

Kalte  Pulse 1  „ 

y.    Magen -Darmaffektionen. 

Magensehwflche  und  Magenbeschwerden  ....  3  mal 

yerdauungsbesohwerden 4  „ 

Stauungen  im  Pfortadersystem    1  „ 

yL    Neryenkrankheiten. 

Kopfweh 7  mal 

Migräne 4  „ 

Kopf  kongestion 1  „ 

Schwindel 1  „ 

Neurasthenische  Angstzustände 1  „ 

Zwangsgedanken  seit  Kindheit 1  » 

Leichtes  Erröten 1  „ 

Herzklopfen 4  „ 

Nervosität 4  „ 

Schlaflosigkeit 1  » 

Ängstlichkeit,  Aufgeregtsein   2  „ 

yerdauungsbesohwerden  (nervöse) 1  „ 

Appetitlosigkeit 1  „ 

Zitterkrampf  in  den  Fingern 1  „ 


702 

Vn.    Verschiedenes. 

Angenafifektionen 4  mal 

TTnterleibsentzttndang 1    „ 

Onanie,  Pollutionen 1    „ 

Knochen wnchenmg,  Fnfsgeschwnlst 1    „ 

Somit  erhalten  wir  als  Vorkrankheiten  unter  den  69  Lehrern 

Infektionskrankheiten 26  mal  =  37  Vo 

Rachen-,  Nasen-,  Hals-  und  Ohrleiden  12  „  =  17  % 

Chronische  Lungenaffektionen 4  „  =    ö  % 

Blutkrankheiten 5  „  =     7  % 

Magen-Darmkrankheiten 8  „  ==  11  % 

Nervenkrankheiten SO  „  =  43  % 

Verschiedenes 7  „  =  10  % 

Unter  diesen  69  Lehrern  kommt  Nerven-  oder  Geisteskrankheit 
in  der  Familie  vor: 

bei  dem  Vater . .     9  mal 
„    der  Mutter  .   12    „ 
„    Geschwistern     9    „ 


Der  Konfession  nach  verteilen  sich  diese  69  Lehrer  auf: 

Protestanten . .  55 
Katholiken...  13 
Israeliten  ....     1 

Verheiratet  sind  von  den  69  Lehrern  51.  Von  diesen  69  Lehrern 
sind  später  nach  dem  Lehrerexamen  erkrankt  63,  also  91%,  und 
dauernd  gesund  geblieben  6,  also  8,6%. 

a)    Die  sechs  Gesundgebliebenen. 

Diese  6  gesundgebliebenen  Lehrer  hatten  als  Kinder  resp. 
vor  ihrem  Lehrerexamen  an  folgenden  Krankheiten  gelitten:  Kinder- 
krankheiten, einer  Geschwulst  am  Fulse  (Operation);  Lungenentzün- 
dung im  15.,  und  ein  anderer  einmal  im  17.  Lebensjahre;  Brustfell- 
entzündung; Tjrphus,  Gehirn-  und  Brustentzündung,  unter  diesen 
6  Lehrern  sind  5  Protestanten  und  1  Katholik.  Fünf  von  ihnen 
sind  verheiratet  und  drei  haben  für  andere  Angehörige  zu  sorgen. 
Sie  sind  5Vs,  6,  10,  19,  25Vs  und  27  Jahre  lang  im  öflPenÜichen 
Schuldienst  tätig  und  unterrichteten  im  Durchschnitt: 


703 


1  Lehrer  20—30  Kinder 

1  „        60—60       „ 

2  „  60—70  „ 
1  „  70—80  „ 
1       „        80—90      „ 

Sie  yerwenden  tfiglich  auf  Korrekturen  und  Sohnlvorbereitang: 

1  Lehrer  bis  zu  1  Standen 

0  »  n         n      ^ 

1  M  n         »       O 


n 


Es  erteilen  von  ihnen  4  Lehrer  Priyatnnterricht  und  Ewar 
3,  4,  6  nnd  8  Stunden.  Deijenige,  welcher  die  6  Stunden  Privat- 
nnterricht  erteilt,  gibt  diese  nur  im  Winter.  Diese  6  Gesunden 
sind  bis  in  die  letzte  Zeit  gesund  geblieben  und  geben  auch  bei 
Frage  16  keine  Beschwerden  an. 

b)   Die  63  nach  dem  Lehrerexamen  Erkrankten. 

Von  diesen  63  Lehrern  haben  29  fflr  Angehörige  zu  sorgen, 
d.  i.  46  7o. 

Von  ihnen  sind  im  Schuldienst  angestellt: 

4  Lehrer     1 —  5  Jahre  lang 


16      „ 

5-10      „ 

n 

14      » 

10-15      , 

n 

11       r, 

15-20      „ 

r> 

8       » 

20    25      „ 

n 

3       „ 

25—30      „ 

» 

4      « 

30    35      „ 

>» 

1        r, 

35-40      „ 

n 

2       „ 

40—45      . 

n 

m  ihnen  im  Durchschnitt: 

1  Lehrer 

10—  20  Sdifller 

4       „ 

20-  30 

» 

4      „ 

40-  60 

n 

16      „ 

50—  60 

n 

19      » 

60—  70 

» 

^       r, 

70—  80 

» 

6       , 

80—  90 

» 

3       „ 

90    100 

n 

3      „ 

100—110 

t) 

1        n 

140 

„  (in  zwei  Klassen). 

704 

Von  ihnen  verwenden  täglich  auf  Korrekturen  und  Vorbereitung: 
13  Lehrer  bis  zu  1  Stunden       9  Lehrer  bis  zu  S  Stunden 

Drei  Lehrer  haben  nichts  hierüber  angegeben,  teilen  aber  mit, 
dals  sie  Privatarbeiten  hätten.  Einer  von  denen,  welche  sich  4 
Stunden  täglich  yorbereiten,  begreift  darin  auch  seine  Vorbereitung 
auf  ein  höheres  Lehrerezamen  mit. 

Unter  den  63  Lehrern  erteilen  33,  d.  i.  52%,  Privatunterricht 
und  zwar: 

bis  zu 


2  Stunden 

8  Lehrer 

4        „ 

12       „ 

6        „ 

8      „ 

8        „ 

2      „ 

10        „ 

2      „ 

12 

1      - 

Diese  63  Lehrer  würden  ihrer  Ansicht  nach  täglich   folgende 
Stundenzahl,  ohne  zu  ermüden,  unterrichten  können: 

2  Lehrer  bis  zu  2  Stunden 


TJ 


28       „         „     „    4 

4        n  n      w    " 

1  7 


7) 


Von  diesen  63  Lehrern  haben  38,  also  60%,  bereits  ein-  oder 
mehrmals  aus  Gesundheitsrücksichten  die  Ferien  verlängern  müssen. 
Auüserdem  haben  25,  also  39%,  von  ihnen  den  üntei-richt  wegen 
nervöser  Beschwerden  aussetzen  müssen.  Sechs  weitere  haben  das 
zwar  nicht  getan,  hätten  aber  infolge  ihrer  nervösen  Beschwerden 
alle  Ursache  dazu  gehabt. 

Von  diesen  63  Lehrern  wird  bei  Frage  16  geklagt: 
über  Angstzustände . .   20  mal  =  31  7o 
„     Zwangsgedanken  21    „     ==33  % 

„     Kopfdruck 35    „     =56% 

„     Herzklopfen 30    „     =  47  % 

Femer  wird  2  mal  geklagt  über  Melancholie,  4  mal  über  Schlaf- 
störung, sodann  vereinzelt  über  Verdauungsstörungen,  Gedächtnis- 
schwäche, Aufgeregtsein,  Hast  und  Unruhe. 

(ScUoTs  folgt) 


706 


2.nB  Derfanttttlttngen  nn^  IDereinett* 


Seehster  Dentseher  Eongrefs  fflr  Volks-  nnd  Jngendspiele 

yom  5.-7.  Juli  1903  m  Dresden. 

Nach  einer  Mitteilnng  von  Stndiendirektor  Professor  RATDT-Leipzig, 

Geschäftsführer  des  Zentralansschnsses. 

In  sehr  anregender  Weise  wurde  der  Eongreb  dnrch  die  Vater- 
ländischen Festspiele  eingeleitet,  die  am  Sonntag,  den  5.  Juli,  nachmittags 
auf  den  prächtig  an  der  Elhe  gelegenen  Spielwiesen  stattfanden.  Die 
zahlreich  erschienenen  Mitglieder  des  Zentralansschnsses  zur  Förderang  der 
Volks-  nnd  Jngendspiele  in  Deutschland  marschierten  an  der  Spitze  des 
Festzuges  vom  Altmarkt  aus,  wo  der  Oberlehrer  Dr.  Nowak  die  Festrede 
hielt,  nach  den  Spielplätzen  und  erfireuten  sich  des  dort  herrschenden 
tamkräftigen  und  spielfrohen  Treibens.  Bei  der  PreisyerteOung  sprach  der 
Vorsitzende  des  Zentralausschusses,  von  SCHENCKENDOBFF-Görlitz,  seine 
hohe  Befriedigung  über  das  Geschaute  aus  und  kennzeichnete  in  kurzen 
Worten  die  Ziele  solcher  vaterländischen  Festspiele. 

Den  ersten  Vortrag  des  ersten  Verhandlungstages  hielt  der  Geh. 
Med. -Rat  Professor  Dr.  WALDEYER-Berlin  über  das  Thema: 

Die  anatomischen  Verhältnisse  des  Brustkorbes 

mit  besonderer  Beziehung  auf  Leibesübung 

und  Gesundheitspflege. 

In  ausgezeichneter  Weise  besprach  der  Redner  zuerst  den  Bau  des 
menschlichen  Brustkorbes.  Er  wies  darauf  hin,  dafs  die  obeien  Rippen 
weniger  beweglich  sind,  als  die  unteren ;  daher  erweitern  sich  beim  Atmen 
unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  die  oberen  Brustabschnitte  weniger. 
Einigermafsen  wird  dies  durch  die  Beweglichkeit  der  Enorpelfuge  zwischen 
Handgriff  und  Eörper  des  Brustbeines  ausgeglichen.  Eünstlich  können  wir 
eine  beträchtlichere  AtemgrOlse  des  oberen  Brustbeinabschnittes  und  damit 
der  Lungenspitzen  durch  zweckmäCsige  Turnübungen  erzielen,  wobei  nament- 
lich systematische  Arm-  und  Rumpfmuskelübungen  eine  wichtige  Rolle 
spielen. 

Den  zweiten  Vortrag  hielt  der  Stadtschulrat  Dr.  Eebsghensteikeb- 
München  über  das  Thema: 

Was  können  die  Städteverwaltungen  tun,  um  die  körperliche 
Erziehung  der  Jugend,  besonders  die  der  Volksschule  und  der 

schulentlassenen  Jugend  zu  fördern? 

Die  lebenswarmen,  von  Herzen  kommenden  und  zum  Herzen  gehenden, 
Yon  langandauemdem,  sich  immer  wiederholendem  Beifall  begleiteten  Aus- 
führungen gipfelten  in  folgendem: 


706 

Die  ungeheueren  Arbeitsleistungen  der  St&dte  auf  allen  Eulturgebieten 
yerzehren  gleichgrofse  Summen  geistiger  und  körperlicher  Kraft.  Es  ist 
hohe  Zeit,  daEs  die  Städte  lernen,  diesen  Er&fteverbrauch  rationell  zu 
gestalten,  indem  sie  die  Städter  zu  einer  vemfinftigen,  naturgemälsen 
Lebensweise  erziehen.  Dazu  haben  sie  zunächst  durch  geeignete  Unter- 
richtsmafsnahmen  die  nötige  Einsicht  zu  erwecken,  sodann  durch  die  ent- 
sprechenden städtischen  Einrichtungen  f&r  die  Gewöhnung  an  eine  ver- 
nOnftige  Lebensweise  zu  sorgen.  Das  letztere  hat  zum  Teil  durch  die 
Pflege  des  Turnens,  des  Turnspieles,  der  Wanderfahrten,  des  Schwimmens 
und  Badens  zu  geschehen.  Die  Städte  haben  ffir  die  nötigen  Einrich- 
tungen zu  sorgen  und  alle  einwandfreien  Vereine  zu  unterstfltzen,  welche 
die  gleichen  Aufgaben  pflegen.  Der  Vortrag  wird  den  Stadtverwaltungen 
im  Wortlaute  übersandt  werden. 

Am  Nachmittage  wurden  auf  den  Eibwiesen  am  Johannstädter  Ufer 
Jugendspiele  den  Eongre&teünehmem  yorgeführt.  Von  ganz  besonderem 
Interesse  war  das  Musterspiel  einer  Altonaer,  sowie  einer  vereinigten 
Rendsburg-Haderslebener  Schttlerriege  im  Schlagballspiel  ohne  Einschenker, 
sowie  ein  Faustballspiel  derselben  Schüler. 

Am  zweiten  Verhandlungstage  hielt  Dr.  med.  SCHMIBT-Bonn  dann 
einen  von  vielen  greisen  farbigen  Zeichnungen  trefflich  illustrierten  be- 
deutsamen Vortrag  über  das  Thema: 

Die  beste  Ausgestaltung  öffentlicher  Erholungsstätten 

für  Jugend  und  Volk. 

Der  Vortrag  hatte  im  wesentlichen  folgenden  Inhalt:  Bei  der  außer- 
ordentlichen Ausdehnung  unserer  Städte  und  der  immer  dichteren  Bebauung 
des  umgebenden  Gebietes  sieht  sich  der  Städter  immer  mehr  der  Nator 
entrückt.  Die  Stadtverwaltungen  sehen  es  immer  mehr  als  eine  soziale 
Pflicht  an,  neben  Schmuckanlagen  in  den  Städten  städtische  Parks  und 
Stadtwaldungen  der  Bevölkerung  zur  Erholung  za  schaffen.  Redner  wendet 
sich  gegen  die  Sucht,  jedes  Plätzchen  und  Winkelchen  in  der  Stadt  mit 
Anlagen  zu  bedecken;  er  wünscht  vor  allem,  daß  in  solchen  Parks  und 
Stadtwaldungen  die  Rasenflächen  zu  geordneten  Jugendspielen  hergegeben 
werden;  dafs  sie  nicht  lediglich  Riesenrestaurationen  werden;  daEs  in  den 
Stadtwaldungen  für  Ferienspiele  Plätze  und  Erquickungsgelegenheilen  ge- 
schaffen werden.  Zum  Schlüsse  entwickelte  der  Vortragende  den  gro(s- 
artigen  Plan  des  deutschen  Kaisers,  den  Grunewald  bei  Berlin  zu  einem 
Volkspark  zu  stiften. 

An  diesen  Vortrag  schlofs  sich  eine  Aussprache,  in  der  manche 
andere  erfreuliche  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  öffentlicher  Erholungsplätze 
erwähnt  und  andererseits  manche  Wünsche  nach  dieser  Richtung  hin  aus- 
gesprochen wurden. 

Nachdem  sodann  im  Auftrage  des  Vorstandes  der  Geschäftsführer, 
Studiendirektor  Professor  Raydt,  vor  der  Öffentlichkeit  dem  Vorsitzenden 
herzlichsten  Dank  gesagt  hatte  für  das,  was  er  mit  seltener  Ausdauer  und 
wunderbarem  Geschick  für  die  Sache  der  Volks-  und  Jugendspiele  gewiikt 


707 

habe,  wurden  die  Eongrefsverhandlangen  mit  einem  Hoch  auf  die  Stadt 
Dresden  and  deren  Oberbürgermeister  Beütleb,  der  so  fiberaas  viel  za 
dem  guten  Gelingen  des  Kongresses  beigetragen  habe,  geschlossen. 

Nach  einem  gemeinsan^en  Festmahl  besuchten  die  Eongreisteilnehmer 
die  Vorffihrang  der  jetzt  mehrfach  in  Deutschland  eingeführten  Trocken- 
schwimmfibungen  und  sich  anschließender  Schwimmvorführungen.  Die  vom 
Oberlehrer  Elahb  geleiteten  Übungen  zeigten  in  deutlicher  Weise,  dafs 
eine  Ausbildung  aller  Schulkinder  im  Schwimmen  durchaus  nicht  im  Bereich 
der  Unmöglichkeit  liegt 


filtinere  MiUtxinn^tn. 


Die    Badeverhältnisse    der   Volksscliiilkinder  in    Greifswald 

scheinen,  wie  Dr.  Peipeb  in  der  Sitzung  der  Greifswalder  Schulkommission 
am  25.  Febr.  1903  mitteUte,  durchaus  ungflnstige  zu  sem  („Gesundhdf^ , 
1903,  No.  7).  Die  Erhebungen,  die  Rektor  Graul  angestellt  hat,  zeigten 
folgende  bemerkenswerte  Ergebnisse: 

7M  A..  TTin^ar  ®®'a;««i.P™JL^^    I«  Sommer  1902        InsgeBamt 

Zahl  der  Kinder  emmal^  warm  ^^^  ^^^^^        haben  gebadet 

565  Knaben 12  =    2,1 7o     284  =  50,0%  527o 

558  Mädchen  ....  149  =  26,7  „        42  =     7,5  „  34  „ 

Es  ergibt  dieser  Nachweis  die  wenig  erfreuliche  Tatsache,  daCs  die 
Hautpflege  unter  den  Greifswalder  Yolksschfilern  nicht  allzu  hoch  steht. 
Im  Sommer  baden  allerdings  50%  der  Knaben,  von  den  Mädchen  dagegen 
nur  7,5%.  Im  Winter  wird  nur  ein  äufserst  geringer  Teil  der  Knaben, 
dagegen  etwa  ein  Viertel  der  Mädchen  eines  Bades  oder,  besser  gesagt, 
einer  warmen  Abwaschung  teilhaftig.  Die  Segnungen  einer  geregelten 
Hautpflege  durch  Schulbrausebäder  wären  hier  nicht  blols  erwünscht,  sondern 
direkt  erforderlich. 

Staubfreie  Tnmlialleil.  In  einem  Vortrage  über  Turnunterricht 
und  Körperpflege  {^Körper  und  Qeist^,  4.  April  1903)  kommt  E.  Stboh- 
METEB  auch  auf  die  früher  schon  von  Dr.  F.  A.  SCHMIDT-Bonn  hervor- 
gehobene Gesundheitsschädlichkeit  des  Staubes  in  den  Turnhallen  zu 
sprechen,  der  ohne  Zweifel  den  Atmungsorganen  gefährlich  werden  kann. 
Stb.  stimmt  deshalb  ein  in  den  Buf:  „Hinaus  ins  Freie!  Das  Turnen 
in  frischer,  freier  Luft  sei  Regel,  das  Turnen  in  der  Halle 
nur  Notbehelf!''  Immerhin  muls  er  zugeben,  dafs,  wenn  wir  auch  so 
viel  wie  möglich  das  Turnen  im  Freien  pflegen  sollen,  unserer  klimatischen 
Verhältnisse  wegen  doch  ein  geregeltes,  lückenloses  Freilufttumen  für  die 
Dauer  des  ganzen  Jahres  unmöglich  ist  und  ein  grolser  Teil  der  Turn- 
stunden in  der  Halle  abgehalten  werden  mufs.  Ist  dies  nun  aber  der 
Fall,  so  müssen  wir  Sorge  tragen,   dafs  die  Schädigungen  der  Gesundheit 


708 

durch  den  Tnrnhallenstaab  nicht  oder  doch  nur  in  geringem  Mafse  ein- 
treten können,  d.  h.  wir  müssen  relativ  stanbfreie  Hallen  mit  gnter 
Atmnngslnft  zu  erlangen  suchen.  Dies  ist  u.  a.  zu  erreichen  dadurch, 
dals  man  die  Fufsbekleidung,  an  welcher  die  Kinder  tagtäglich  grolse 
Mengen  von  Schmutz  in  die  Turnhallen  bringen,  gut  säubern  läist. 
Hierzu  müssen  in  erster  Linie  Draht  matten  oder  Eisenroste  yorbanden 
sein,  und  zwar  von  solcher  Grölse,  dafs  jeder  Eintretende  mehrere  Schritte 
darauf  machen  mufs.  Hinter  der  Drahtmatte  oder  dem  Roste  mufs  nodi 
eine  ebenfalls  grofse  Fufsmatte  liegen,  und  sowohl  Matten  als  Kratzer 
sind  oft  von  dem  daran  sitzenden  Staube  zu  befreien. 

Ein  Krfippelheim  in  Holland.  Der  Mitteilung,  die  wir  in  dieser 
Zeitschrift  (1900,  S.  344)  s.  Z.  machten  über  den  Niederländischen  Verein 
zur  Pflege  kränklicher  und  verwachsener  Kinder,  der  durch  die  Initiative 
des  Dr.  med.  Renssen  in  Arnheim  ins  Leben  gerufen  wurde  und  die  Be- 
gründung und  Unterhaltung  von  Krüppelheimen  bezweckt,  ist  nun  folgendes 
beizufügen:  Während  der  Verein  anfangs  sich  nur  mit  zwei  Patienten  zu 
beschäftigen  hatte,  welche  in  zwei  Zinmuem  des  Diakonissenkrankenhauses 
untergebracht  wurden,  war  schon  im  Jahre  1901  die  Anzahl  der  zu  Ver- 
sorgenden bis  auf  sechs  gestiegen.  Man  erachtete  es  infolgedessen  für 
notwendig,  ein  eigenes  Heim  zu  gründen,  und  es  wurde  hierzu  ein  Haus 
in  der  Pels  R^ckenstraat,  das  jetzige  „ Johanna-Krüppelheim  **,  bestimmt. 
Die  Kosten  des  Baues  und  der  Einrichtung  betrugen  34000  Gulden 
(ungefähr  56  500  Mark),  so  daEs,  obwohl  der  Verein  für  die  Pflege  kränk- 
licher und  verwachsener  Kinder  einen  grofsen,  nicht  zu  verzinsenden  Vor- 
schuls  machte,  und  viele  Privatleute  Beiträge  leisteten,  doch  ein  Defizit  von 
einigen  Tausend  Gulden  entstand.  Der  stellvertretende  Vorsitzende  des 
Stiftes,  Dr.  Knottnebus,  hielt  bei  der  Eröffnung  eine  Ansprache,  worin 
er  zuerst  der  Frau  yan  Nes,  der  geistigen  Mutter  dieses  Heims,  die  für 
seine  Gründung  viel  getan  hat,  dann  Herrn  Dr.  Renssen  aus  Arnheim 
und  Herrn  Dr.  Disselhoff  aus  Kaiserwerth,  dem  Bürgermeister  und  auch 
dem  Diakonissenhause  warmen  Dank  aussprach.  Der  Redner  erwähnte 
dann  den  Zusammenhang  zwischen  dem  Niederländischen  Verein  zur  Pflege 
kränklicher  und  verwachsener  Kinder  und  den  Heimen,  und  wies  darauf 
hin,  dafs  der  Verein  es  den  Heimen  selber  überläfst,  die  Richtung  und 
Art  der  Pflege  zu  bestimmen.  Hierauf  sprach  Herr  Dr.  Renssen  in  seiner 
Eigenschaft  als  Verwaltungsmitglied  des  Niederländischen  Vereins  und  Vor- 
sitzender der  Abteilung  Arnheim  des  „Geneeskundigen  Kring*'  (medizini- 
schen Kreises).  Er  gab  dem  Stifte  die  Versicherung  der  Sympathie  der 
Ärzte  und  hoffte,  dafs  dieses  erste  „Te  huis^  zu  jeder  Zeit  das  „Erste*^ 
bleiben  möge.  Dann  sprach  der  Bürgermeister  Worte  warmer  Anerkennung 
des  Werkes,  das  hier  getan  wurde,  und  gab  dem  Gefühle  Ausdruck,  man 
dürfe  stolz  darauf  sein,  dafs  Arnheim  das  erste  Heim  habe.  Hoffentlich 
folgen  diesem  ersten  Krüppelheim  in  Holland  mehrere  andere  in  anderen 
Städten!  Mitg.  von  Dr.  MouTON-Haag  (Holland). 

Hftnflgkeit  der  SehstSrnngen  bei  Lehrerinnen.  In  einem  Frage- 
bogen, den  Dr.  RaijF  Wighmann  in  Harzburg  vor  einem  Jahre  zu  seiner 
Orientierung  über  die  Nervosität  bei  den  Lehrerinnen  in  einer  Anzahl  von 
10  000  Exemplaren  an  die  deutschen  Lehrerinnen  verschickte,  hatte  er  als 


709 

Nebenfrage  anch  die  gestellt:  ^Benutzen  Sie  ein  Angenglas?*'  Hierbei  hatte 
Dr.  Wichmann  nicht  beabsichtigt,  festzustellen,  wie  grols  der  Prozent- 
satz myopischer  oder  presbyopischer  Lehrerinnen  sei.  Man  weiCs  ja  längst, 
da(s  die  Augen  der  Lehrerinnen  in  einem  groDsen  Prozentsatz  in  der  Weise 
verändert  sind,  dafs  das  Tragen  von  Augengläsern  nötig  ist;  man  weils 
femer  längst,  dafs  die  Enrzsichtigkeit  wie  überhaupt  unter  den  studierten 
Leuten,  so  auch  bei  den  Lehrerinnen  stark  zugenommen  hat,  ohne  daCs 
die  hierin  liegende  Gefahr  bereits  genügend  erkannt  und  gewürdigt  wäre. 
Yielmehr  hatte  er  mit  seiner  Frage  „Benutzen  Sie  ein  Augenglas?**  etwas 
ganz  anderes  bezweckt. 

Seit  einigen  Jahren  ist  nämlich  von  verschiedenen  Ärzten,  der  ver- 
storbene Augenarzt  Dr.  Mooben  an  der  Spitze,  auf  den  Zusammenhang 
zwischen  Allgemeinleiden  und  Augenleiden  hingewiesen  worden.  Es  besteht 
eine  gewisse  Reziprozität  zwischen  beiden.  Hierzu  wollte  Dr.  W.  ver- 
suchen, einen  Beitrag  zu  liefern.  Da  die  Benutzung  eines  Augenglases 
beweist,  da£s  das  Auge  nicht  normal  ist,  so  genügte  es  fOr  seinen  Zweck, 
die  Frage  so  allgemein  zu  halten,  wie  er  es  tat. 

Man  darf  nun  wohl  annehmen,  dafs  bei  einem  Berubstande,  wie  die 
Lehrerinnen  ihn  bilden,  die  sogenannten  äulseren  Ursachen,  welche  die 
Augen  schädigen,  wie  sie  eben  der  Beruf  mit  sich  bringt,  im  grofsen  und 
ganzen  dieselben  sind.  Ausnahmen  davon  werden  bei  einer  Statistik  über 
einige  hundert  Fälle  deshalb  wohl  kaum  in  Frage  kommen.  W.  vermutete 
schon  lange,  da(s  neurasthenische,  blutarme,  kränkliche  Lehrerinnen  häufiger 
Augengläser  nötig  hätten,  als  gesunde.  Dafür  lieCse  sich  folgende  Er- 
klärung geben:  Durch  Schwächung  des  ganzen  Körpers  werden  die  Augen 
in  Mitleidenschaft  gezogen.  Unter  sonst  gleichen  äufseren  Verhältnissen 
werden  sie  in  einem  durch  Krankheit  geschwächten  Körper  eher  disponiert 
sein,  sich  zu  verändern,  als  in  einem  gesunden  Körper.  Diesen  Punkt 
wollte  W.  durch  seine  Frage  klarstellen.  Das  Ergebnis  hat  seine  Erwartung 
bestätigt.  Er  hat  im  ganzen  780  Antworten  von  Lehrerinnen  aus  allen 
Teilen  Deutschlands  erhalten.  Unter  diesen  780  Lehrerinnen  benutzen 
328  ein  Augenglas,  also  42  V<^.  Von  den  780  Lehrerinnen  sind  240, 
also  30%,  als  ganz  gesund  zu  betrachten.  Dagegen  haben  540  Lehre- 
rinnen, das  ist  69%,  Krankheiten  zur  Zeit  des  Examens  oder  später 
durchgemacht  oder  sind  noch  krank.  Von  den  240  ganz  gesunden  Lehre- 
rinnen benutzen  86,  das  ist  35%,  ein  Augenglas.  Von  den  540  krank 
gewesenen  oder  noch  kranken  Lehrerinnen  benutzen  243,  das  ist  45%, 
ein  Augenglas.  Es  ergibt  sich  also  aus  diesen  Zahlen,  dafs  die  krank 
gewesenen  oder  noch  kranken  nervösen,  blutarmen  u.  s.  w.  Lehrerinnen 
um  10%  häufiger  Aug^igläser  nötig  haben  als  die  ganz  gesunden.  Das 
Allgemeinleiden  hat  also  ungünstigen  Einflufs  auf  die  Augen. 

(Mitg.  von  Dr.  R.  WiCHMANN-Harzburg.) 

Ober  die  ErBiehug  Urperlieh  minderwertiger  Kinder  in 
Lenden  macht  F.  Hat  Diceimson  Bbbbt  in  „The  Lancet**  (4.  Juli  1903) 
Mitteilungen,  denen  wir  folgendes  entnehmen: 

In  den  eeit  1893  in  London  eingerichteten  Hilfsklassen  fär  Schwach- 
begabte fanden  bisher  auch  Krflppel  und  körperlich  schwächliche 
Kinder  Aufnahme.    Seit  1900  hat  man  fftr  letztere  besondere  Klassen 

Sehulgesnndheitspflege.  XVL  87 


710 

eingerichtet.  Yerf.  wurde  von  der  Behörde  beauftragt,  alle  ihr  bisher 
bekannt  gewordenen  derartigen  Kinder  im  Hinblick  hierauf  zu  begutachten. 
Es  waren  deren  über  600.     Davon  litten: 

an  tuberkulösen  Gelenkaffektionen  48%  (Wirbelkaries  22%,  Entzündung 

des  Hflftgelenks,  meist  2  bis  6  Jahre  dauernd,  20  Vo,   Entzündung 

der  übrigen  Gelenke  6^0)9 

an  Paralyse  (Nervenlähmung,    oft  mit  Epilepsie,   Hydrocephalus,    Lobe- 

cillitas)  29%  (davon  Kinderlähmung,  meist  6  bis  8  Jahre  dauernd, 

167o), 

an  Rhachitis  13%, 

an  verschiedenenen  Krankheiten  (meist  Epilepsie)  10%. 

Unter  allen  diesen  Kindern  erschienen  zum  Schulbesuch  völlig  untauglich 
etwa  29%,  weil  sie  entweder  körperlich  gar  zu  elend  waren,  oder  wefl 
ihre  Krankheit  in  akutem,  fieberhaftem  Stadium  sich  befand.  Auch  Epi- 
leptiker und  Schwachsinnige  gehören  hierher,  fttr  sie  ist  aber  auf  andere 
Weise  gesorgt. 

Auf  Grund  dieser  Untersuchungen  flbemahm  die  Behörde  eine  private 
Krttppelschule,  errichtete  seither  sieben  neue  und  bereitet  mehrere  weitere 
vor.  Eine  Parlamentsakte  von  1899  gibt  ihr  das  Recht,  auch  für 
körperlich  sieche  Kinder  zu  sorgen  und  sie  zum  Schulbesuch  bis  zu 
ihrem  16.  Leben^ahre  anzuhalten.  Jedes  Kind  mufs  vor  seiner  Aufnahme 
amtsärztlich  untersucht  werden.  Die  Auswahl  ist  oft  schwierig,  denn  einmal 
wollen  Lehrer  oder  Eltern  gern  ein  schwächliches  Kind  aus  der  allgemeinen 
Schule  in  die  Sonderklasse  geben,  während  es  doch  ganz  gut  dort  verbleiben 
könnte,  ein  andermal  werden  schwer  kranke  Kinder  gebracht,  die  ganz  un- 
geeignet sind  u.  s.  w.  Die  Praxis  hat  zu  folgenden'  leitenden  Grundsätzen 
für  die  Aufnahme  geführt: 

1.  Jedes  Kind,  das  nur  irgend  die  allgemeinen  Schulen  besuchen 
kann,  wird  dazu  angehalten. 

2.  Die  Krflppelklassen  sind  als  Erziehungs«,  nicht  als  Heilstätten  zu 
betrachten,  die  lässigen  Eltern  ihre  Kinder  abnehmen. 

3.  Alle  fOr  ihre  Umgebung  gefährlichen  oder  stark  belästigenden 
Kinder  sind  auszuschlielsen  (Lungenschwindsucht,  Spina  bifida, 
Epilepsie). 

Keine  Klasse  hat  mehr  als  20  Kinder,  die  Unterrichtszeit  ist  kurz, 
die  Kranken  sitzen  oder  liegen,  wie  es  gerade  palst,  mittags  erhalten  alle 
warmes  Essen  (ein  sehr  wichtiger  Heilfaktor  bei  den  meist  ärmlichen  Ver- 
hältnissen!); wer  nicht  allein  kommen  kann,  wird  von  einem  gemeinsamen 
Ambulanzwagen  abgeholt.  Allmonatlich  werden  die  Klassen  ärztlich  besichtigt. 

Haben  solche  KrUppelklassen  wirklich  einen  Zweck,  zumal  da  sie 
naturgemäfs  sehr  kostspielig  sind?  Es  mu6  zugegeben  werden,  da(s  die 
meisten  ihrer  Insassen  frflhzeitig  sterben.  Aber  manche  unter  ihnen  er- 
reichen doch  ein  höheres  Alter  und  werden  durch  den  Unterricht  in  den 
Stand  gesetzt,  sich  selbst  zu  ernähren.  Für  gröfsere  Städte,  so  schlie&t 
deshalb  der  Verf.,  sind  Krflppelklassen  von  Wert,  besonders  wenn  man 
bedenkt,  dafs  diese  unglücklichen  Kinder  sonst  zu  nichts  anderem  als  zom 
Betteln  angehalten  zu  werden  pflegen. 

(Mitg.  von  Dr.  SiEYSKiNO-Hamburg.) 


711 

Anweisnngeii  fiber  das  Verhalten  bei  geistiger  Arbeit  hat  un- 
längst der  akademische  Abstinenzrereiii  in  Kopenhagen  ausgearbeitet  nnd 
sämtlichen  Gymnasien  in  Dänemark  zum  YerteUen  unter  die  Primaner  zu- 
gesandt. Bas  Schreiben  ist  von  sechs  Professoren  nnd  Dozenten  an  der 
Universität  Kopenhagen,  zwei  bekannten  Nervenärzten  nnd  einem  Oynmasial- 
lehrer  empfohlen.     Der  Inhalt  ist  folgender: 

Als  Hanptregel  für  geistige  Arbeit  gilt,  dafs  von  einem  ausgeruhten 
und  frischen  Gehirn  mehr  und  auch  wertvollere  Arbeit  geleistet  wird,  als 
von  einem  abgespannten  und  ermfideten.  (Eine  lange,  umfassende  Ver- 
suchsreihe hat  gezeigt,  dafs  eine  Schülerabteilung,  die  vor  Anfang  der 
Schulzeit  des  Morgens  durchschnittlich  46  Fehler  in  einer  Diktatübung 
machte,  nach  drei  Stunden  ununterbrochener  Schularbeit  in  einer  Diktat- 
Übung  derselben  Dauer  und  Schwierigkeit  durchschnittlich  80  Fehler 
hatte.)  Aber  bei  der  Vorbereitung  fQr  das  Examen,  wenn  Sammlung  und 
Verständnis,  nicht  ein  mechanisches  Einpauken  der  möglichst  gröisten  Anzahl 
von  Einzelkenntnissen  beabsichtigt  wird,  gilt  dieses  in  besonderem  Gradci 
Viele  schlechte  Prüfnngsresultate  sind,  jedenfalls  zum  Teil,  auf  irrationelles 
Eepetitionsverfahren  und  die  damit  verbundene  Überbürdung  und  Nervosität 
zurückzuführen.     Deshalb: 

1.  Geniefse  jede  Nacht  regelmäfsigen  und  reichlichen  Schlaf,  wenigstens 
acht  Stunden,  gehe  niemals  spät  ins  Bett. 

2.  Mittels  kleiner  Pausen  während  des  Lesens  wird  in  derselben 
Zeit  mehr  Arbeit  geleistet.  Der  Durchschnitt  einer  langen  Versuchsreihe 
ergab,  dafs  Studenten,  welche  in  der  ersten  halben  Stunde  ca.  2500  Addi- 
tionen von  Zahlen  ausführten,  in  der  zweiten  halben  Stunde  ohne  da- 
zwischen gelegene  Pause  nur  2100,  aber  mit  einer  Pause  von  fünf  Minuten 
2400  Additionen  machten. 

3.  Mache  dir  täglich  ein  paar  Stunden  nicht  zu  gewaltsame  Bewegung 
in  der  frischen  Luft. 

4.  Das  Essen  mufs  hinreichend,  nahrhaft  und  leicht  verdaulich  sein. 
Halte  die  Verdauung  in  Ordnung;  sei  mälsig  im  Genuis  von  Kaffee  und 
Thee;  aber 

4.  vor  allen  Dingen  glaube  nicht,  dafs  alkoholische  Ge- 
tränke (Wein,  Schnaps,  bayerisches  Bier  u.  a.)  stärkend  oder 
anregend  sind.  Wissenschaftliche  Untersuchungen  haben  es  unwider- 
leglich bewiesen,  dafs  die  anscheinend  anregende  Wirkung  des  Alkohols 
nur  auf  Selbsttäuschung  beruht.  Wenn  man  auch  selbst  meint,  man  arbeite 
und  denke  besser  und  schneller,  läfst  sich  doch  immer  objektiv  dartun,  dals 
selbst  nach  kleinen  Mengen  von  Alkohol  (Vs  bis  1  Liter  Bier,  1  bis  2  Glas 
Wein  u.  s.  w.)  das  Auffassungs-  und  Denkvermögen  herabgesetzt  ist.  Durch 
stetigen  Gebrauch  häufen  sich  die  Wirkungen.  (Einige  Versuchspersonen 
lernten  täglich  eine  halbe  Stunde  in  19  aufeinander  folgenden  Tagen 
Zahlen  auswendig:  a)  In  den  ersten  fünf  Tagen  ohne  Alkohol  stieg  die 
Anzahl  von  629  auf  1572  Zahlen,  b)  in  den  folgenden  sechs  Tagen  mit 
Alkohol  fiel  die  Anzahl  von  1572  auf  476  Zahlen,  c)  in  den  folgenden 
sechs  Tagen  ohne  Alkohol  stieg  die  Anzahl  von  476  auf  2310  Zahlen, 
d)  in  den  folgenden  zwei  Tagen  mit  Alkohol  fiel  die  Anzahl  von  2310  auf 
948  Zahlen.)        (Mitg.  von  Gymnasiallehrer  H.  E.  HASS-Kopenhagen.) 

37* 


712 

HaDgeliide  Zahnpflege  in  englisehen  Schulen.  Wie  y^TheJtmm, 

of  (he  Amer.  Assoc.^  mitteilt,  kam  auf  der  Jahresversammlang  der  eagli- 
Bchen  Zahnärzte  die  schlechte  Beschaffenheit  der  Zähne  der  Schulkinder 
znr  Sprache.  Die  Eltern  in  den  unteren  und  mittleren  Yolksklassen  zeigten 
freilich  ebenso  wie  die  Leiter  der  Schulen  Verständnis  für  die  Notwendigkeit 
einer  geregelten  Zahnpflege,  aber  die  öffentlichen  Behörden  wären  von 
einer  geradezu  unbegreiflichen  Indolenz.  Die  Versammlung  verlangt« 
dringend  von  der  Begierung  eine  Abstellung  dieser  Milsstände  und  fordert 
Bildung  einer  besonderen  königlichen  Kommission  zur  Untersuchung  der 
Zähne  der  armen  Schfller. 


Sa$e5$ef(^i(^ilti^ef. 


Dr.  Richard  Landanf-  Aus  Nürnberg  konunt  die  traurige  Nach- 
ridit,  da(s  unser  Mitarbeiter  Dr.  R.  LjlNDaxj  nach  längerem  schweren 
Leiden  im  besten  Mannesalter  gestorben  sei.  L.  war,  wie  aus  allen 
seinen  Schriften  hervorgeht,  eine  ideal  angelegte  Natur,  ein  humaner  Arzt, 
ein  eifriger  Vertreter  fortschrittlicher  Gesinnung.  Als  städtischer  Schul- 
arzt in  Nürnberg  widmete  er  sich  der  Schulhygiene  mit  seltenem  Eifer 
und  grolser  Gewissenhaftigkeit.  Seine  Arbeit  über  „Nervöse  Schulkinder', 
die  in  weiten  Kreisen  eine  ungemein  günstige  Beurteilung  fand,  zeigte, 
dals  er  der  Einderseele  ein  groDses  Verständnis  entgegenbrachte.  Die 
Schule  verliert  an  ihm  einen  treuen  und  strebsamen  Freund.  Wir  be- 
dauern aus  ganzem  Herzen  seinen  frühen  Tod.     (D.  R.) 

Schnlhygienischc  Vorlesungen  in  Hamburg.  Für  das  Winter- 
semester sind  im  öffentlichen  Vorlesungswesen  angezeigt:  Dr.  BümpbIi, 
Oberarzt  am  Eppendorfer  Erankenhause,  „Die  Übertragung  der  ansteckenden 
Krankheiten  und  ihre  Verhütung,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Schulverhältnisse";  Dr.  Saenqeb,  Spezialarzt  für  Nervenkrankheiten,  «Über 
die  nervösen  Erkrankungen  der  Schulkinder^. 

Freie  Fahrt  ffir  Schnlwandernngen  erstrebt  der  Hauptausschuls 
des  Bayrischen  YolksschuUehrervereins,  der,  wie  wir  der  „Fäd.  Bef.*^ 
(No.  32)  entnehmen,  an  das  Ministerium  des  Äuiseren  die  Bitte  gerichtet 
hat,  dafe  jeder  Klasse  der  Volksschulen  Bayerns  zum  Zwecke  der  Schul- 
wanderung aUij&hrlich  einmal  eine  freie  Fahrt  auf  den  bayrischen  Staats- 
und Lokaleisenbahnen  gewährt  werde. 

Der  erste  heUenische  Erniehnngskongrefa  soll,  wie  die  »i^. 
Bef.''  (No.  32)  mitteilt,  am  12.  April  1904  in  Athen  erö&et  werden. 
Derselbe  wird  einberufen  durch  drei  bedeutende  wissenschaftliche  Gesell- 
schaften Athens  —  durch  die  Gesellschaft  zur  Beförderong  der  griechischen 
Studien,  dorch  die  literarische  Gesellschaft  ,Pamals^  und  durch  die  Ge- 
sellschaft für  Verbreitung  nützlicher  Bücher.    Nach  dem  uns  zugegangenen 


713 

vorläufigen  Programm  wird  mit  dem  Eongreis  eine  Schnlansstellnng 
verbanden  sein,  die  ein  bis  zwei  Monate  danem  soll.  Die  Ansstellnng 
wird  umfassen:  1.  das  Scbnlwesen  Griechenlands  und  der  Lftnder  griechischer 
Zunge,  2.  das  Lehrmittelwesen  illr  Schulen  aller  Länder  und  Stufen. 
Fremde  Aussteller  wollen  ihre  Sendungen  bis  zum  14.  Februar  1904  ein- 
treffen lassen.  Zollfreiheit  wird  wahrscheinlich  gewährt  werden.  Nicht 
zurückgezogene  Gegenstände  werden  einem  zu  bildenden  athenischen  Schul- 
museum ttberwiesen  werden.  Eingehendere  Informationen  ttber  die  Aus- 
stellung erteilt  gern  das  Comit^  d^Organisation  du  Gongr^s  hell^nique 
d'Education,  42  Rue  de  rAcad6mie,  Secr^taire  G.  Dbossikib. 

Sommerpflege  fflr  schwächliclie  selmleiitlasseiie  Kinder.  Die  Ver- 
eine fQr  Ferienkolonien  haben  gewöhnlich  genug  mit  den  schulpflichtigen 
Kindern  zu  tun  und  sind  nicht  in  der  Lage,  auch  noch  für  die  schulent- 
lassene Jugend  zu  sorgen.  Und  doch  gibt  es  unter  der  letzteren  sehr  viele 
dürftige,  schwächliche  Kinder,  die  einen  Aufenthalt  auf  dem  Lande  im 
Interesse  ihrer  Gesundheit  und  Arbeitsfähigkeit  sehr  nötig  hätten.  Hier 
können  die  Jugendfürsorgeverbände  in  die  Lücke  treten.  Da  die 
nötigen  Geldmittel  oft  schwer  aufzutreiben  sind,  bleibt  nur  übrig,  die 
freie  Aufnahme  solcher  schulentlassenen  Knaben  und  Mädchen  bei  Fa- 
milien auf  dem  Lande  und  in  kleinen  Städten  anzustreben.  Wie  die 
j^Nogat-Ztg.^  berichtet,  will  der  Danziger  JugendfiQrsorgeverband  eine  solche 
Vermittlung  von  Sommerpflege  fOr  schulentlassene  Kinder  übernehmen.  Er 
bittet  deshalb  Familien  auf  dem  Lande  oder  in  kleinen  Städten  um  eine 
Einladung  für  ein  erholungsbedürftiges  Mädchen  oder  auch  für  einen  Knaben; 
kranke  Kinder  kommen  dabei  nicht  in  Frage,  nur  erholungsbedürftige, 
schwächliche.  Es  handelt  sich  hier  um  ein  persönliches  Liebeswerk,  um 
einen  persönlichen  Dienst  der  Wohlhabenderen  an  den  Ärmeren.  Solche 
Arbeit  birgt  ihren  Segen  für  beide  Teile  in  sich. 

Hilfsklassen  für  sehwaelinBnige  Kinder  im  Haag.    Seit  einiger 

Zeit  haben  wir  im  Haag  eine  Hilfsklasse  für  schwachsinnige  Kinder  unter 
der  Leitung  des  Herrn  P.  H.  Schbeüdeb.  Der  Gemeindevorstand  er- 
achtet es  als  wünschenswert,  der  bestehenden  Klasse  eine  zweite  hinzuzufügen. 
Auch  in  Scheveningen  ist  die  Möglichkeit  vorhanden,  dals  dort  die  Errich- 
tung einer  derartigen  Klasse  sich  von  grobem  Nutzen  zeigen  wird.  Der 
Bürgermeister  und  die  Beigeordneten  sind  mit  dem  Gemeinderatsvorstand 
der  Meinung,  dafs  den  Lehrern,  denen  der  Unterricht  anvertraut  wird, 
aufser  ihrem  gewöhnlichem  Gehalt,  eine  Zulage  von  200  Gulden  gewährt 
werden  muis.  Wenn  jedes  Jahr  eine  neue  Klasse  von  zurückgebliebenen 
Kindern  errichtet  wird,  dann  wird  man  nach  Veriauf  von  sieben  Jahren 
diese  Klassen  zusammenfügen  können  zu  einer  Elementarschule,  speziell  fikr 
zurückgebliebene  Kinder  bestimmt.  Voriäuflg  können  die  beiden  Klassen 
im  Haag  in  einer  der  öffentlichen  Schulen  untergebracht  werden. 

(Mitget.  von  Dr.  MouTON-Haag-HoUand.) 
Sekitlbäder  ib  LaBdsehiiUiäuseni.  Wie  die  .2/«ue  Zürich.  Zig." 
berichtet,  hat  vor  kurzem  der  Grobe  Rat  des  Kantons  Schaffhausen 
einer  Landgemeinde  zu  den  auf  60000  Fr.  veranschlagten  Kosten  eines 
Schulhausbaues  einen  Staatsbeitrag  von  20000  Fr.  unter  der  Bedingung 
zugesagt,  dals  Schulbäder  eingerichtet  werden. 


714 

Die  Einffihrung  eines  zahn&rzüieheii  Dienstes  in  den  stidti- 
sehen  Elementarschulen  hat  unlängst,  nach  einem  Bericht  der  ^Strafsh, 
Fost^^  der  Gemeinderat  von  Markirch  beschlossen.  Gegen  ein  Entgelt 
von  1800  Mark  beauftragte  er  zwei  Zahntechniker,  die  Zähne  sämtlicher 
Elementarschnlkinder  allijährlich  zweimal  zu  untersuchen.  Den  Kindern  ist 
es  dann  freigestellt,  sich  zwecks  Ausbesserung  schadhafter  Gebisse  anf 
Kosten  der  Stadt  in  zahnärztliche  Behandlung  zu  begeben.  Eine  erste 
Untersuchung  der  Kinder  hat  bereits  stattgehabt,  wobei  sich  in  Anbetracht 
der  vielen  vorgefundenen  schadhaften  Gebisse  herausstellte,  dafs  die  von 
der  ArbeiterbevOlkerung  mit  Freuden  begrüDste  Neuerung,  die  in  den  letzten 
Jahren  übrigens  auch  in  verschiedenen  anderen  Städten  eingeführt  worden 
ist,  einem  wirklichen  Bedürfnisse  entspricht. 

Über  die  Gefahr  des  Alkoholgennsses  und  die  Aufgabe  der 
Schule  an  der  Bek&mpfung  derselben  hat  die  königl.  Regierung  zn 
Arnsberg  neulich  zum  zweiten  Male,  gestützt  auf  die  bezüglichen  Er- 
lasse des  preufsischen  Kultusministeriums,^  eine  Verfügung  ergehen  lassen. 
Sie  macht,  wie  die  Tagesblätter  mitteilen,  darauf  aufmerksam,  daCs  die 
Gefahren  des  Alkohols  verschiedener  Art  sind,  indem  sie  sich  richten  gegen 
das  körperliche  und  geistige  Wohl  des  einzelnen,  gegen  das  Familienleben 
und  gegen  das  wirtschaftliche  Gedeihen  des  Volkes;  es  ist  deshalb  nötig, 
nicht  nur  bei  einem  einzigen  Unterrichtsgegenstand,  sondern  bei  den  ver- 
schiedenen Gruppen  des  Unterrichts  die  Schäden  des  Alkoholmifsbrauchs, 
die  ^Notwendigkeit  und  die  Mittel  seiner  Unterdrückung  aufzudecken.  «Es 
werden  —  sagt  die  Regierung  —  Religions-  und  Leseunterricht  zuvörderst 
den  sittlich-religiösen  Schäden,  der  Rechenunterricht  den  wirtschaftlichen, 
der  Naturunterricht  den  gesundheitlichen,  der  Geschichts-  und  E^rdkunde- 
unterricht  den  sozialen  Schäden  zu  begegnen  haben.  ^ 

Badeeinrichtungen  in  den  Liegnitzer  Schulen.  Gestützt  darauf, 
dafs  sich  durch  eifrige  Benutzung  der  Badeeinrichtung  in  einer  Liegnitzer 
Yolksschule  der  Gesundheitszustand  der  Kinder  wesentlich  gebessert  hat, 
wurde,  wie  wir  dem  „Liegn.  Tagehl,^  entnehmen,  auch  die  neuerbaute 
Seminarübungsschule  mit  einem  Douchenbad  versehen,  das  im  KeUergeschoüs 
des  Schulhauses  untergebracht  ist. 

Über  kSrperliche  Zfichtigung  in  englischen  Schulen.  Auf  An- 
trag des  Education  Committe  wurde  unlängst  in  Plymouth  allen  Hauptlehrem 
und  demjenigen  Klassenlehrern,  die  auf  eine  pädagogische  Tätigkeit  von 
mindestens  fünf  Jahren  zurücksehen  können,  das  Recht  zuerkannt,  wider- 
spenstige Kinder  durch  Schläge  mit  einem  Stock  in  die  Hand  zu  strafen. 
So  unbedingt  der  ^Lancet^  (No.  4168)  auch  für  die  Befugnis  der  Lehrer 
eintritt,  erforderlichenfalls  sich  durch  körperliche  Züchtigung  Respekt  zu 
verschaffen,  so  eindringlich  verwirft  er  gerade  die  angegebene  Methode  der 
Züchtigung,  die  er  als  eine  geradezu  barbarische  brandmarkt.  Ein  Stock 
sollte  überhaupt  nicht  verwendet  werden,  sondern  nur  eine  Rute.  Die 
geeignetste  Körperstelle  für  die  Züchtigung  ist  das  GesäCs ;  die  hier  appli- 
zierten Schläge  schmerzen  wohl,   schaden  aber  nicht  weiter.     Die    Strafe 


'  Siehe  diese  Zeitschrift,  1902,  S.  347  und  1903,  S.  506. 


715 

ist  niemals  in  der  ersten  Erregung  zn  yoUziehen,  sondern  stets  nach  Schnl- 
schloTs  in  Gegenwart  eines  zweiten  Lehrers  nnd  wenigstens  zweier  Schul- 
kameraden des  Schuldigen. 

Zur  FSrderuDg  der  Augenuntersachiingen  an  Schulen  ist  nach 

einer  Mitteilung  der  ^Medical  News^  der  First  Ward  Training  School  in 
Allegheny  von  einem  Herrn  Henby  Philipps  ein  hochherziges  Geschenk 
in  der  Höhe  von  7000  Mark  ttherwiesen  worden.  Die  Kosten  für  An- 
schaffung von  Gläsern  und  für  eventuell  erforderliche  Behandlung  von 
Kranken  werden  von  dem  genannten  Herrn  durch  eine  zweite  Schenkung 
gedeckt  werden. 

Eine  Aasstellnng  fiber  die  Hygiene  des  Eindesalters,  Kleidang, 
Schnl-  nnd  Unterrichtswesen  soll,  wie  die  Tagesblätter  berichten,  im 
Laufe  des  bevorstehenden  Winters  in  St.  Petersburg  stattfinden. 

Ein  nenes  Bealschnlgebände  ist,  wie  die  y^Eismacher  Zig,''  mit- 
teilt, unlängst  in  Sonneberg  eingeweiht  worden.  Dasselbe  soll  mit  allen 
baulichen  und  hygienischen  Errungenschaften  der  Neuzeit  vom  Keller 
bis  zum  Boden  ausgestattet  sein.  Es  findet  sich  darin  ein  sinnig  angelegtes 
Schulbad.  Die  Räume  fttr  Physik  und  Chemie  sind  so,  wie  man  sie  auf 
mancher  Universität  vergeblich  suchen  wird.  Die  mit  der  Schule  ver- 
bundene Turnhalle  ist  geräumig  und  mit  vortrefflichen  Apparaten  versehen, 
der  Zeichensaal  ist  lichtvoll  und  kann  als  würdige  Aula  fär  festische  Ver- 
anstaltungen benutzt  werden.  Garten  und  Spielplatz  bieten  Räume  zur 
notigen  Bewegung  der  Schfkler  im  Freien. 

An  dem  nnentgeltliehen  Heilknrsns  ffir  stotternde  Kinder  der 
Wandsbeker  Mittel-  und  Volksschulen,  fOr  den  die  erforderlichen  Geld- 
mittel vom  städtischen  Haushalt  getragen  werden,  und  der  vom  16.  April 
bis  29.  August  dauerte,  nahmen,  wie  die  y^Bamib,  Nackry'  mitteilen, 
28  Kinder  teil.  Unter  diesen  waren  sechs,  die  schon  im  vorigen  Jahre 
einen  Heilkursus  besucht  hatten ;  sie  haben  jetzt  als  völlig  geheilt  entlassen 
werden  kOnnen.  Von  den  übrigen  22  Kindern  sind  16  als  geheilt,  4  als 
fast  geheilt  und  2  als  gebessert  entlassen. 

Eine  Erbebnng  über  ^e  Sehnlgeb&nde  in  Prenfsen  hat,  wie  wir 

dem  y^Berh  Tagebl.^  entnehmen,  der  Kultusminister  angeordnet.  In  der- 
selben wird  gefragt:  1.  wieviel  Schulgebäude  in  deiyenigen  Gemeinden  in 
Stadt  und  Land  vorhanden  sind,  welche  unter  26  Schulstellen  besitzen, 
sowie  2.  wann,  und  3.  in  welcher  Bauart  die  betreffenden  Baulichkeiten 
errichtet  sind.  Dabei  ist  ersichtlich  zu  machen,  4.  welchen  Zwecken  die 
einzelnen,  unter  besonderem  Dache  errichteten  Bestandteile  des  Schulgehöfts 
dienen.  Namentlich  kommt  es  darauf  an,  6.  die  Zahl  der  Klassenräume 
und   6.   die  Zahl  der  Lehrerdienstwohnungen  genauer  ersehen  zu  können. 


716 


2lmtlt(|e  ))erftt$«iigeii* 


VergflDstignDgen  fflr  Sclmlfabrteii  und  Ferienkolonien  in  Prenbem. 

BerHn  W.  66,  den  28.  Mai  1902. 

An  die  Stelle  der  früheren  Znsatzbestimmimgen  lYG  za  §  11  der 
Yerkehrsordnvng  anf  Seite  9  bis  12  des  Deutschen  Eisenbahn-Personen- 
nnd  Gepäcktarifs  Yom  1.  Janvar  1900,  Teil  I,  sind  yom  1.  Apdl  d.  J.  ab 
die  folgenden  getreten: 

1.  Schüler  Öffentlicher  Schalen  oder  staatlich  konsessionierter  nnd  beauf- 
sichtigter Priyatschnlen  werden  zu  gemeinschaftlichen,  nnter  Anfeicfat 
der  Lehrer  nntemommenen  Ansflflgen  bei  einer  Teilnehmerzabl  von 
mindestens  zehn  Personen  (einschMefäich  der  begleitenden  Lehrer, 
Lehrerinnen  oder  des  Schnlinspektors)  oder  bei  Zahlung  ftr  min- 
destens zehn  Personen  in  der  III.  Wagenldasse  bei  einfacher  oder 
Hin-  und  Rückfahrt  znm  halben  Fahrpreise  befördert.  Freigepftck 
wird  nicht  gewfthrt. 

2.  Den  Schulen  im  Sinne  der  Ziffer  1  sind  gleidizustellen:  Fort- 
bildungsschulen, Seminare,  Pr&parandenanstalten,  sowie  Untenichts- 
anstalten  fiDr  Blinde  nnd  Taubstumme. 

3.  Zur  Fahrt  mit  Schnellzügen,  sowie  an  Sonn-  und  Festtagen  wird  die 
Vergünstigung  in  der  Begel  nicht  gewährt. 

4.  Zwei  Schüler  deijenigen  Klassen,  die  im  allgemeinen  von  Kindern 
besucht  werden,  die  das  zeimte  Leben^ahr  noch  nicht  übendirittai 
haben,  werden  für  eine  Person  gerechaet.  Als  solche  Kinder  sind 
in  der  R^el  anzusehen: 

die  Yorschulklassen  und  die  unterste  Klasse  der  Gymnasien,  Real- 
schulen, Lateinschulen  und  höheren  Bftiger-  und  Mädchenschulen, 
sowie  die  untere  Hilfte  der  Klassen  einer  Volksschule.    Bei  un- 
gerader Klassenzahl  wird  der  unteren  HftlAe  die  grOfsere  Zahl 
zugerechnet. 
6.  Die  Beförderung  erfolgt  auf  Chrond  eines  Befördenngsscheins,  der 
von  der  Fahrkarten-Ausgabestelle  auf  schriffiicben  Antrag  des  Schnl- 
Torstandes  ausgestellt  und  bei  Beendigung   der  Fahrt   abgenommen 
wird.     Bezüglich  der  Anmeldung  findet  die  Bestimmung  unter  B, 
Ziffer  3  entsprechende  Anwendung. 
6.  Dieselben  Vergünstigungen  werden  gewährt  den  von  Vereinen  und 
Behörden  in  Ferienkolonien  entsendeten  Kindern  und  den  zur  Auf- 
sicht beigegebenen  Begleitern,  und  zwar  ohne  Beschränkung  anf  eine 
Mindestzahl,  sowohl  für  die  Reise  nach  der  Ferienkolonie  und  zurück, 
als  auch  iDr  Ausflüge  während  des  Aufenthalts  daselbst. 


717 

Ich  ersuche  Sie,  die  SchiÜYorstände  imd  die  Direktoren  der  in  Ihrem 
Bezirk  in  Betracht  kommenden  Schulen  unter  Benutzung  der  beiliegenden 
Abdrucke  in  Kenntnis  zu  setzen. 

Der  Minister  für  Handel  und  Gewerbe. 
Im  Auftrage:  Neuhaus. 
An 
s&mtliche  Herren  Regierungspräsidenten  und 

den  Herrn  Polizeipräsidenten  in  Berlin. 
I.  No.  nib.  1977. 

{jfMonatssAr.  f.  d.  Tumtveaen*^,  22.  Jahrg.,  H.  6.) 


Literatur. 


Besprechungen. 

Alfbsd  Baümgabtbn,  Dr.  med.  Nenrastheiie,  Weseo,  Heihmg, 
YorbeugitQg.  Fflr  Ärzte  und  Nichtftrzte.  Wörishofen  1903.    8^  347  S. 

Der  Nachfolger  Pfarrer  Enbipps  tritt  in  seinem  Budi  keineswegs  als 
extremer  Naturheilapostel,  sondern  mit  der  Prätention  des  Arztes  auf,  gönnt 
sogar  der  arzneilichen  Behandlung  ein  Pl&tzchen,  urteOt  gelegentlich  scharf 
Aber  Kurpfuscher,  aber  doch  enthält  der  rein  medizinische  Teil  seiner  Aus- 
führungen manches,  Ober  das  man  den  Mantel  ärztlicher  Nächstenliebe 
decken  mttfste.  Seinen  Äulserungen  über  die  „Nervenkraft^  mag  man  den 
Wunsch,  populär  zu  schreiben,  zu  gute  halten.  Aber  was  er  Aber  die 
„akute  Form  der  Neurasthenie **  mit  „hohem  Fieber*^  spricht,  mufs  bedenk- 
liches Eopfechfltteln  erregen. 

Anschaulich  und  fftr  den  Laien  gewüs  anziehend  sind  seine  mannig- 
fachen Krankenschilderungen.  Die  wichtige  Unterscheidung  zwischen  Neu- 
rasthenie auf  erworbener  und  solcher  auf  angeborener  Grundlage  trifft 
er  nicht. 

Viele  Yon  seinen  Ratschlägen  verdienen  wohl  Beherzigung,  so  die 
Warnung  vor  ungendgendem  Schlaf,  vor  dem  Alkohol,  vor  dem  Alleinsein. 
In  der  Wasserbehandlung  stehen  die  „Gflsse^  obenan,  während  die  Douchen 
verp(tet  sind. 

Zu  protestieren  ist  dagegen,  dafs  das  Radfahren  dem  Neurastheniker 
immer  zu  raten  sei.  Gerade  bei  hochgradiger  Erschöpfung  ist  zunächst 
jede  Bewegmg  vom  Übel ;  auch  Segelsport  ist  keineswegs  ein  ideales  Heil- 
mittel sans  Phrase.  Die  Rasenspiele,  das  Holzsägen  und  WandcHrn  kann 
man  sich  geftJI«n  lassen.  Freflich  werden  nur  die  wenigsten  Ärzte  so 
fQgsame  Patienten  finden  wie  Baümgabten,  der  vier  Studenten  als  Kur  eine 
Fufswanderung  nach  Neapel  diktierte.  Was  ttber  Di&t  und  Kleidung  gesagt 
wird,  kann  man  im  grofsen  Ganzen  unterschreiben. 

Einige  Banalitäten,  wie  die  Versicherung,  dals  die  Schnelligkeit  der 
Fortbewegung  durch  dais  Automobil  gefordert  worden  sei,  laufen  mit  unter, 


718 

ebenso  anch  WidersprOsche  wie  der,  dafs  rohe  Eier  zonächst  (S.  242)  als 
schwer  verdaalich  hingestellt,  dann  aber  gerade  bei  der  schlimmsten  Form 
der  Neurasthenie  als  wichtige  Nahrung  zwei-  bis  dreistflndlich  ein  Eidotter 
(S.  261)  empfohlen  wird. 

Etwas  wesentlich  Neues  ist  in  dem  Buch  nicht  zu  finden.  Wenn 
dennoch  ein  Teil  der  begründeten  Ratschläge  beherzigt  werden  sollte  von 
dem  nervösen  Publikum,  das  sich  durch  den  Nimbus  der  WOrishofer  Heil- 
stätte mehr  als  Ton  einem  praktischen  Arzt  imponieren  läfst,  so  hätte  das 
Buch  immerhin  einen  Erfolg.  Wetoandt- Würzburg. 

Dr.  J.  Pohl.    Das  Haar.    Die  Haarkrankheiten,  ihre  Behandliuig, 

und  die  Haarpflege.  6.  Aufl.  Stuttgart  und  Leipzig,  Deutsche  Verlags- 
anstalt,  1902.  El.  8^  170  S.  Geh.  M.  2.50,  geb.  M.  3.50. 
Das  Yorliegende  Büchlein  ist  ein  Muster  einer  populär -medizinischen 
Schrift  im  besten  Sinne  des  Wortes.  Streng  gezogen  sind  hier  die  Grenzen, 
wo  der  Laie  urteilen  und  sich  selber  helfen,  und  wo  der  Arzt  zu  Hufe 
gezogen  werden  soll.  Ein  erster  Abschnitt  behandelt  die  anatomischen 
und  physiologischen  Verhältnisse  des  menschlichen  Kopfhaares,  ein  zweiter 
die  krankhaften  Zustände  desselben,  sowie  die  Haarpflege  in  klarer  und 
allgemein  verständlicher  Form;  hervorzuheben  ist  das  Kapitel  über  Geheim- 
mittelwesen, das  gerade  auf  diesem  Gebiete  blüht  und  grofsen  Schaden 
stiftet.  Nirgends  fehlt  es  neben  den  Ratschlägen  und  Vorschriften  auch 
an  einer  gemeinfafslichen  Begründung  und  Belehrung.  —  Wir  können  das 
Buch,  das  schon  in  fünfter  Auflage  erschienen,  jedem,  nicht  nur  dem  Arzt, 
sondern  auch  dem  Laien  angelegentlich  empfehlen. 

Dr.  HBUSS-Zürich. 

Walteb  SABaBNT  (North  Scituate,  Mass.).    The  Evolation  of  the  Little 
Red  Schoolhonse.     The  School  Eeview  (a  Journal  of  Secondary  Eda- 
cation,  edited  by  the  School  of  Education  of  the  üniversity  of  Chicago), 
Volume  XL    No.  6.   June  1903.    pag.  436—455.     8^    Preis  der 
Einzelnummer  20  Cents. 
Die  Abhandlung   bietet   uns    einen  kurzen  Überblick   über  die  Ent* 
Wicklung  der  Schnlhausarchitektur  im  Nordosten  der  Vereinigten  Staaten, 
von  dem  typisch  gewordenen,  noch  heute  hier  und  da  existierenden  „Red 
Schoolhouse''  an,  wo  unter  den  bescheidensten  Verhältnissen  den  Kindern 
die  erste  Bildung  zu  teil  wurde,  bis  zu  dem  nach  den  modernsten  An* 
forderungen  der  Technik,  Hygiene  und  Ästhetik  ausgeführten  Schulpalaste, 
wie  er  jetzt  allenthalben  die  grölseren  Städte  und  Gemeinwesen  schmückt. 
In  geschickter  Weise  hat   es  Verfasser  verstanden,   den  Leser   mit   den 
psychologischen  Ursachen  der  jeweiligen  Veränderungen  und  Verbesserungen 
der  Schulbauten   bekannt  zu  machen.     Einen  ganz  besonderen  Wert  ge- 
winnen seine  Ausführungen  durch  die  zahlreichen  erläuternden  Illustrationen, 
die  dem  Texte  beigegeben  sind.     Oberlehrer  Karl  RoLLEB-Dannstadt. 


§tv  $d^]tliirfi 


L  Jahrgang.  1903.  No.  10. 


®ri9tiiaUb^aiibluii$eii. 


über  die  Notwendigkeit  der  Anstellnng  von  Schnläriten 

an  höheren  Lehranstalten. 

Vortrag,    gehalten    in    der   hygienischen   Sektion    der   Sohlesisohen 

Gesellsohaft   am    17.  Mai   1903 

von 
Dr.  SamoscHp    Schularzt   in  Breslau. 

(Fortsetzung.) 

In  seiner  zweiten  Arbeit  gibt  Schmid  -  Monkabd  an,  dais  die 
Zahl  der  Nervösen  —  als  nervöse  Zustände  bezeichnet  er  andauern- 
den Kopfsohmerz,  erhöhte  Reizbarkeit  und  Ermüdbarkeit,  Schlaf- 
losigkeit und  untlberwindliche  Schla£fheit  —  im  7.  bis  11.  Lebens- 
jahre IOV09  im  15.  bis  17.  Lebensjahre  25%  beträgt.  An  einer 
Schule  wurden  60  7o  Nervöse  festgestellt.  Sohmib-Monnabd  hält 
es  auch  unter  Berufung  auf  andere  Literaturangaben  für  erwiesen, 
daCs  es  auf  allen  unseren  Schulen  eine  Anzahl  nervöser  Elinder  gibt 
und  zwar  auf  Mittelschulen  und  höheren  Schulen  in  den  ersten 
Jahren  gleichviel,  dafs  diese  Zahl  aber  wächst  auf  den  höheren 
Schulen  im  Gegensatz  zu  den  Mittelschulen,  und  dafs  sogar  auf 
einzelnen  höheren  Schulen  mehr  als  die  Hälfte  der  Schulkinder 
nervöse  Zustände  aufweist.  In  seinen  Ausführungen  über  Ätiologie 
und  Prophylaxe  berücksichtigt  der  Verfasser  aUe  diejenigen  Momente 
innerhalb  und  auiserhalb  des  Schullebens,  deren  Betrachtung,  wie 
ich  schon  erwähnte,  unerlälsliche  Vorbedingung  für  ein  ernst  zu  neh- 
mendes  Urteil  über  den  Schuleinflufs  ist.  Von  den  praktischen  Vor- 
schlägen, die  Schmid -MoNNARD  macht,  hebe  ich  nur  die  von  ihm 
für  notwendig  erklärte  Untersuchung  der  Leman&nge  hervor. 

Der  Solialant.  L  21 


178  720 

An  die  Arbeiten  von  Schmid-Moknabd  möchte  ich  eine  Abhandlung 
von  Dr.   Th.  Benba^   über:    „Die  Schwachbegabten   anf  höheren 
Sehnten^  anreihen.     Als  bemerkenswertestes  Ergebnis  dieser  Arbeit 
hebe  ich  hervor,    daüs   nach  Benda   die  grolse  Zahl  der  Schwach- 
begabten auf  höheren  Schulen  in  zwei  Kategorien  zer&IlL     1.  Die 
für  die  Anforderungen  der  Schule  zu  schwach  Begabten;    dazu  ge- 
hören nach  Benda  die  Durchschnittsschüler,    von   denen  der  Autor 
behauptet,  dais  sie.  um  genügende  Leistungen  aufweisen  zu  können, 
einer   übermfiJsigen    gesundheitsschädlichen  Anspannung  des  Geistes 
bedürfen.   Dazu  gehören  femer  die  individuell  Veranlagten,  die  Hoch- 
begabten, die  sich  an  den  Zwang  der  Schule  nicht  gewöhnen  können, 
diejenigen,    deren   geistige   Entwicklung   überhaupt   erst    nach    der 
Pubertät  einsetzt,  die  verkehrt  Erzogenen  und  die  körperlich  Minder- 
wertigen.    Sollen    doch   40  Vo    der    Schüler   höherer   Lehranstalten 
chronisch   kränklich   sein.     2.  Die  pathologisch  schwach  Begabten; 
dazu   gehören   die    Schwachsinnigen    leichten    Grades,    die    psycho- 
pathisch    und     moralisch    Minderwertigen.     Alle     diese    Schwach- 
begabten, gleichgültig,   welches  die  Ursache  ihrer  Minderwertigkeit 
als    Schüler    der    Anstalten    ist,     leiden    unter    einer    dauernden 
psychischen  Depression,  xmter  der  krankmachenden  Anstachelung  des 
Ehrgeizes   tind   unter   ungerechten    Strafen.     Ein  wenig   tröstliches 
Bild,  das  uns  Benba  von  dem  Schülermaterial  der  höheren  Schulen 
entwirft,    das   aber   nach   Gbiesbagh*  der  Wirklichkeit   entspricht; 
denn  nach  diesem  Autor,  der  sich  wiederum  auf  Bbckkagbl  bezieht, 
erreichen  in  Baden  nur  ein  Drittel  der  Gymnasiasten  das  Sohulsiel, 
in  Preulsen  gar  nur  20%;  vier  Fünftel  scheiden  in  Preuüsen  vorher 
aus,  40%  sogar  ohne  das  Einjährigenzeugnis.    Professor  Sohuschnt' 
hat  ausgesprochene  nervöse  Symptome  bei  51,7%  von  205  Schülern 
der  Staatsoberrealschule  im  Y.  Bezirk  zu  Budapest  festgestellt.    In 
Bulsland  hat  Dr.  Nesteboff^  nach   vier  Jahre   lang   fortgesetzten 
Untersuchungen  an   einem  Moskauer  Gymnasium  Neurasthenie  bei 
30  Vo  von  588  Schülern  festgestellt  und  die  Zunahme  derselben  ent- 
sprechend dem  Alter  beobachtet.     Nbsteboff    steht   nicht   an,   die 
Schule   in   erster   Reihe   für   diese   Erscheinung  verantwortlich   zu 
machen.    Recht  interessante  Versuche  hat  Dr.  N.  Saok^  über  die 


^  D%48e  ZeitKhrift,  1902,  S.  160. 
>  Gesunde  Jugend,  1901,  S.  14. 
'  Diese  Zeitschrift,  1895,  S.  605. 
«  Diese  ZeUschrift,  1888,  S.  409. 
*  Diese  ZeUschnft,  1893,  S.  649. 


721  179 

körperliobe  Entwioklang  der  Knaben  in  den  Mittelsohnlen  nnd  Gym- 
nasien Moskaus  angestellt.  Von  dem  sehr  richtigen  Standpunkt  aus- 
gehend, dals  für  die  praktische  Schulhygiene  in  erster  Reihe  zuver- 
lässige statistische  Daten  über  den  Gesundheitszustand  der  Schüler 
erforderlich  seieu,  hat  er  vergleichende  Untersuchungen  über  die 
körperliche  Entwicklung  von  Gymnasiasten,  Bealschülem,  Yolks- 
Bobülem,  jugendlichen  Fabrikarbeitern  und  Bauemkindem  mit  6800 
Beobachtungen  angestellt.  Als  Mafsstab  für  die  körperliche  Ent- 
wicklung gelten  die  Länge,  das  Gewicht,  der  Brustumfang  und 
Brustdurchmesser.  Im  Jahrgang  1893  dieser  Zeitschrift  sind  die 
Ergebnisse  der  Messungen  der  Körperlänge  und  des  Brustumfanges 
veröffentlicht.  Besonders  bemerkenswert  ist  Folgendes:  1.  Die  Gym- 
nasial- und  Bealschüler  übertreffen  alle  anderen  Yergleichspersonen 
an  Körperlänge.  2.  Die  reicheren  Gymnasiasten  werden  grölser  und 
entwickeln  sich  schneller  als  die  ärmeren.  3.  Der  Brustumfemg  der 
Moskauer  Gymnasiasten  ist  absolut  grölser  als  der  der  Fabrikarbeiter, 
aber  kleiner  als  der  der  Bauemkinder.  4.  Der  relative  Brustumfang, 
das  ist  das  Verhältnis  des  Brustumfanges  zur  halben  Körperlänge, 
das  nach  Saok  einen  zuverlässigen  Maisstab  für  den  Gesundheits- 
zustand darstellt,  ist  bei  den  Moskauer  Gymnasiasten  schlechter 
entwickelt,  als  bei  allen  anderen  Versuchspersonen.  Damit  stimmt 
überein,  daTs  in  Moskau  42  Vo  und  in  Dorpat  50%  der  ehemaligen 
Schüler  höherer  Lehranstalten  wegen  zu  schwach  entwickelter  Brust 
vom  Militärdienst  befreit  wurden.  Am  Schluis  seiner  Arbeit  weist 
der  VerfiEusser  darauf  hin,  dafs  das  beschlexmigte  Wachstum  der 
Gymnasiasten  ein  verdächtiges  Zeichen  sei,  da  es  nicht  von  einer  ent- 
sprechenden Zunahme  des  Brustumfanges  begleitet  sei.  —  Von  ander- 
weitigen Untersuchungen,  die  chronische  Kränklichkeit  betreffend, 
wäre  noch  Folgendes  zu  erwähnen:  Dr.  Tauffeb^  hat  im  Schuljahr 
1887/88  227  Schüler  der  königlich  ungarischen  Staatsoberrealschule 
in  Temesvar  untersucht  und  nur  100  für  gesund  befunden.  Dr.  Fizia.* 
stellte  bei  143  von  312  Schülern  des  Staatsobergymnasiums  in  Tesdbien 
allgemeine  Körperschwäche,  Blutarmut  und  Skrophulose  fest.  Wenn 
ich  nun  noch  hinzufüge,  dafs  der  sohulhygienischen  Literatur  zufolge 
die  Aushebungsresultate  bei  den  Einjährig- Freiwilligen  ungünstiger 
sind   als   bei  den  übrigen  Mannschaften,    so  glaube  ich  Ihnen  eine, 


Zeitichrift,  1889,  S.  106. 
ZeiUehrifi,  1890,  S.  619. 


180  722 

wenn  aaoh  nioht  vollständige,  so  doch  immerhin  genügende  Literator- 
übersioht  gegeben  zn  haben. 

Sie  werden   ans  dem  Gesagten   keineswegs    entnommen    haben, 
dals  ein  vollgültiger  Beweis  für  den  schleohten  Gesnndheitsznstand 
der    Schüler    höherer   Lehranstalten    geliefert    sei.      Einer    solchen 
Annahme    stehen    denn    doch     noch    zn    vielerlei    Bedenken     ent- 
gegen,   anf  die  ich  hier   nicht   näher   eingehen   will.     Aber   darin 
werden  Sie  wohl  mit  mir  übereinstimmen,    wenn  ich  sage,    dals  die 
bisherigen  XJntersnchnngen  denn  doch    zn  denken  geben,    nnd    dais 
das  Gefühl  der  Bemhignng,   das  wir  vielleicht  nnr  ans  allgemeinen 
Eindrücken  schöpfen,  nicht  so  ganz  berechtigt  sei.     Und  nm  so  eher 
kann  ich   diese  Behanptnng  wagen,    als   in    der   mir   zngänglicüien 
Literatur  keine  Anhaltspunkte  dafür  enthalten  sind,  dals  der  Gesund- 
heitszustand an  höheren  Schulen  ein  befriedigeuder  oder   guter  seL 
Man  findet  wohl  hie  und  da  die  Behauptung  eines  Rektors,  dals  an 
seiner   Schule    der  G^undheitszustand   ein   ganz   vorzüglicher   sei; 
leider  fehlen  die  Beweise,  das  heilst  die  ärztlichen  Untersuchungen. 
Und  wenn  aus  Norwegen^  berichtet  wird,  dals  der  Gesundheitszustand 
der  dortigen  Schuljugend  im  Alter  von  12  bis  16  Jahren  nicht  un- 
günstig ist,  so  bringe  ich  gerade  diesem  Bericht  aus  statistisch-tech- 
nischen Gründen  gewisse  Bedenken  entgegen.     Ein  Zweifel  an  der 
Vorzüglichkeit  des  Schülermaterials   der   höheren  Schulen    erscheint 
mir  durchaus  berechtigt,  und  die  Vermutung  —  recht  vorsichtig  aus- 
gedrückt — ,  dals  nach  dieser  Richtung   hin    die  Schule  nicht  frei 
von  Schuld  und  Fehle  sei,  ist  nicht  von  der  Hand  zu  weisen.  Diese 
Anschauung   hat   in    den   letzten  Jahren   eine  immer  weitere  Ver- 
breitung  auch   in  Pädagogen-  und  Laienkreiseu   gefunden   und   hat 
auch  die  Aufmerksamkeit  der  Behörden  herausgefordert.  Ich  erinnere 
hier  daran,  dals  bereits  im  Jahre  1882  der  Statthalter  von  Elsafs-Lotii- 
ringen  einer  ärztlich -sachverständigen  Kommission  *  die  Frage  vorlegte, 
wie  viel  Anstrengung  des  Geistes  man  der  Jugend  zumuten  dürfe,  ohne 
dals  der  Körper  darunter  leidet ;  ich  erinnere  femer  daran,  dals  das 
Grolsherzoglich  hessische  Ministerium  des  Innern  und  der  Justiz  im 
Jahre  1883',  dem  Strafsburger  Gutachten  entsprechend,  die  tägliche 
Arbeitszeit  der  Schüler  in  einer,    wie  die  Erfahrung  lehrte,  zweck- 


^  Diese  Zeiteehrift,  1895,  S.  505. 

'  Diese  Zeitschrift,  1899;  Schubert,  Vorschlag«  zum  weiteren  Ausbaades 
Schularztwesens. 

'  Diese  Zntsekrifty  1899. 


728  181 

entspreobenden  Weise  regelte.  Die  Königliche  wissensohaftliclie 
Deputation  für  das  Medizinal wesen  in  Prenfsen  setzte  1884  nach 
Referaten  von  Vibchow  und  Westphal  eine  Arbeitszeit  Ton  acht 
Stunden  pro  Tag  oder  48  Standen  pro  Woche  für  die  Schüler  der 
oberen  Erlassen  fest.^  Dieselbe  Deputation  hat  in  Beschlüssen  youl 
Jahre  1888  den  Wert  der  hygienischen  Schulaufsioht  und  das  Be- 
dürfnis nach  einer  solchen  anerkannt.*  Aber  leider  ist  dieses  Qut- 
achten  derart  diplomatisch  abgefafet^  dafs  es  auf  der  einen  Seite 
wegnimmt,  was  es  auf  der  anderen  hinzutut.  So  wird  z.  B.  den 
städtischen  Verwaltungsbehörden  empfohlen,  Ärzte  in  die  Schul- 
kommission zu  wählen,  gleichzeitig  wird  aber  betont,  dafs  diese 
Empfehlung  nicht  als  Vorschrift  erachtet  werden  solle. 

Auf  der  im  Jahre  1890  von  dem  deutschen  Elaiser  einberufenen 
Schulkonferenz  kam  die  Schulhygiene  ebenfalls  zur  Sprache.'  Von 
den  14  der  Konferenz  yorgelegten  Fragen  enthält  eine  den  Passus: 
„Welche  sonstige  Einrichtungen  zur  körperlichen  Ausbildung  der 
Jugend  sind  zu  pflegen?^  Aus  den  zur  Annahme  gelangten  Thesen 
sei  die  These  3c  hervorgehoben,  die  da  lautet:  »Zur  Erfüllung  der 
an  Lehrer  und  Schüler  zu  stellenden  Forderungen  sind  unerläfsliche, 
wenn  auch  in  ihrer  Verwirklichung  nach  den  örtlichen  Verhältnissen 
zu  bemessende  Vorbedingungen:  Begünstigung  der  Pflege  des  Kör- 
pers und  der  Erfüllung  der  Forderungen  der  Schulhygiene,  Kontrolle 
der  letzteren  durch  einen  Schularzt/ 

In  Sachsen,  das  bezüglich  der  Schulhygiene  in  yorderster  Reihe 
marschiert,    hat   die  Plenarversammlung  des  Sächsischen  Medizinal- 
KoUegiums   in   der    Schularzt-  und  Überbürdungsfirage   eine  Anzahl 
von  Beschlüssen  gefeüst,  aus  denen  ich  folgende  hervorhebe:   1.  Die 
Anstellung  hygienisch  vorgebildeter  Schulärzte  für  sämtliche  ünter- 
richtsanstalten  des  Landes  bildet  das  Endziel  der  schulhygienischen 
Bestrebungen;    dasselbe  ist  jedoch  zurzeit  aus  praktischen  Gründen 
noch  nicht  erreichbar.    Dagegen   macht   sich  die  alsbaldige  Durch- 
führung folgender  Maßnahmen  bereits  jetzt  erforderlich: 
a)  Die  Anstellung   von   hygienisch    vorgebildeten   Schulärzten   ist 
notwendig  für  grofse  und  mittlere  Städte,    wünschenswert  min- 
destens ein  Schularzt  für  die  Schulen  in  kleineren  Orten. 


*  Diese  Zeitschrift,  1899 ;    Schmid  •  Movnasd,   EnUtehnng  und  Yerhüttingr 
nervöser  Zustande. 

'  Diese  Zeitschrift,  1889,  S.  191. 

'  Diese  Zdtsehrifi,  1891,  S.  109,  ond  Gesunde  Jitgend,  1901,  S.  115. 


182  724 

b)  Es  macht  fiioh  eine  Beanfsiohtignng  in  sohulärztliober  Hinsicht 

fQr  sämtliche  Privatschulen,    sowie    der  höheren  Lehranstalten 

erforderlich.^ 

Und,  wenn  ich  mir  einen  kleinen  Seitensprung  ins  Ausland 
erlauben  darf,  das  ich  im  übrigen  aulser  aeht  gelassen  habe,  obwohl 
es  uns  manchmal  in  der  Schulhygiene  gerade  bei  höheren  Lehr- 
anstalten übertrifft,  so  möchte  ich  erwähnen,  dafs  in  Norwegen  das 
neue,  die  höheren  Schulen  betreffende  Gesetz  vom  27.  Juli  1896 
einen  §  66  enthält,  der  da  lautet:  „Um  über  die  gesundheitlichen 
Verhältnisse  der  Schulen  beständig  Aufsicht  zu  führen,  soll  die  Yor- 
standschaft,  deren  jede  Schule  eine  hat,  einen  Arzt  au&ehmen,  dessen 
Wirksamkeit  im  Interesse  der  Schule  durch  eine  besondere  von  der 
Oberverwaltung  ausgefertigte  Instruktion  geregelt  werden  wird**.* 

Dafs  auf  hygienischen  Kongressen  und  Naturforsoherversamm- 
lungen,  Ärztevereinen  etc.,  hygienischen  Vereinigungen,  Städtetagen 
die  Schularztfrage  vielfach  diskutiert  worden  ist,  erscheint  selbst- 
verständlich. Bemerkenswert  ist,  dais  in  solchen  Versammlungen, 
insbesondere  in  denen  des  Deutschen  Vereins  für  öffentliche  Gresmid- 
heitspflege  und  des  Allgemeinen  deutschen  Vereins  für  Schulgesnnd- 
heitspflege,  sowie  auch  auf  den  Naturforscherversammlungen,  I^lda- 
gogen,  dem  höheren  Lehrstande  angehörend,  eine  Lanze  für  den 
Schularzt  eingelegt  und  mit  ihren  Ausführungen  Zustimmung 
geemtet  haben.  Ich  nenne  hier  Namen,  wie  SchHiLSB  -  Giefsen,' 
HEBBEBiOH-München,^  ScHOTTEN>Ebdle,^  Döbb- Bockenheim,^  Stadt- 
schulinspektor Gbebbbn,^   Autbnristh^  und  Glaunin&- Nürnberg,' 

BASAKOWBKY-Lemberg/®  SsEHAUSEN-Marburg^^  etc. 
(Fortsetzung  folgt.) 

'  Diese  Zeitschrift,  1903,  S.  124. 

*  Biese  Zeitschrift,  1897,  S.  399. 

'  Diese  Zeitschrift,  1899,  S.  587  ff.  Eioe  Übersicht  ober  die  sohidliygiem- 
Bchen  Schriften  dieses  Aators  findet  sich  in  einem  Nekrolog  auf  denselben 
(Gesunde  Jugend,  1903,  Heft  3  a.  4). 

«  Diese  Zeitschrift,  1899,  S.  606. 

*  Gesunde  Jugend,  1901,  Verhandlungen  der  II.  Jahresversammlung  des 
Allgemeinen  Deutschen  Vereins  für  Schulgesundheitspflege. 

*  Ebenda. 
'  Ebenda. 

^  Diese  Zeiisehrift,  1896,  S.  195  ff. 

*  Diese  Zeitsehrift,  1896,  8.  195  ff. 
^"^  Diese  Zeitschrift,  1902,  S.  622. 

"  Diese  Zeitschrift,  1903,  S.  68. 


725  183 


Das  Schularstwesen  in  Dentschland. 

Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Umfrage  bei  den 
gröfseren  Städten  des  deutschen  Reiches. 

Von 
Dr.  Paul  ScHUBEBT-Nümberg. 

(Fortsetzung.) 

m.  Die  gesundheitliche  Überwachang  des  Schulkiodes. 

Die  Überwachung  der  Gesundheit  jedes  einzehien  Schulkindes 
hat  lange  Zeit  als  eine  Angelegenheit  der  privaten  Hygiene  ge- 
golten. Von  Seiten  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  glaubte 
man  genug  getan  zu  haben,  wenn  man  den  unter richtsbetrieb 
und  die  Räume,  die  daftlr  bestimmt  sind,  möglichst  freihielt  von 
allem,  was  den  Kindern  körperlichen  Nachteil  bringen  könnte.  Erst 
im  letzten  Jahrzehnt  TerschafiFte  sich  die  Auffassung  allgemeinere 
Geltung,  dafs  ein  öffentliches  Interesse  vorliegt,  den 
Gesundheitszustand  jedes  einzelnen  Kindes  zu  unter- 
suchen und  zu  überwachen,  und  zwar  aus  drei  Gründen: 

1.  Weil  die  Einrichtungen  unserer  öffentlichen  Schulen,  auch 
wenn  sie  fär  ein  normales  Kind  hygienisch  aufs  beste  bestellt  sind, 
dennoch  für  einzelne  mit  gewissen  Krankheitsanlagen  oder  Krank- 
heitsrückständen behaftete  Kinder  Gtefahren  mit  sich  bringen,  und 
weil  infolgedessen  für  diese  Kinder  gewisse  Ausnahmen  und  Be* 
Tücksichtigungen  Platz  greifen  müssen.  Gleichwie  von  Seiten  der 
Pädagogen  schon  längst,  wenigstens  in  der  Theorie,  der  Grundsatz 
anerkannt  ist,  dafs  man  beim  Unterricht  individualisieren  und  die 
Eigenart  der  kindlichen  Veranlagung  berücksichtigen  soll,  so  muss 
auch  die  hygienische  Forderung  anerkannt  werden,  dafs  Unterricht 
und  Schulbetrieb,  die  im  allgemeinen  doch  nur  für  den  Normal- 
typus eines  Kindes  zugeschnitten  sein  können,  der  abnormen  Be- 
sonderheit einzelner  Kinder  nach  Bedarf  angepaiSst  werden.  Dies 
gilt  besonders  vom  Turnen  (bei  lungen-  und  herzkranken,  bei  bruch- 
behafteten Elindem),  jedoch  in  mancher  Hinsicht  auch  von  anderen 
Teilen  des  Schullebens,  z.  B.  vom  Gesangunterricht,  von  der  Be- 
nutzung der  Schulbäder,  und  auch  die  Verteilung  auf  richtige  Bank- 

Der  Schalarst  L  22 


184  726 

gröfsen,  die  Zuweisung  besonders  heller  Arbeitsplätze  an  Kurz-  und 
Schwachsichtige,  die  Be&eiung  von  einzelnen  ünterrichts&chern  u.s.  w. 
gehört  hierher. 

2.  Es  liegt  ferner  ein  öffentliches  Interesse  deshalb  vor,  weil 
die  Erreichung  der  Unterrichtsziele  für  viele  Kinder  erschwert  oder 
unmöglich  gemacht  ist,  wenn  gewisse  körperliche  Fehler  nicht  recht- 
zeitig erkannt  und  berücksichtigt  werden.  Schwerhörige  und  kurz- 
sichtige Kinder  bedürfen  bevorzugter  Plätze  und  andauernder  be- 
sonderer Berücksichtigung  seitens  der  Lehrer.  Kinder  mit  behinderter 
Nasenatmung  bleiben  geistig  rückständig  und  müssen  ärztlicher  Be- 
handlung zugeführt  werden,  nicht  nur,  um  körperlich  zu  gesunden, 
sondern  auch,  um  das  Ziel  zu  erreichen,  das  der  Staat  mit  Auf- 
erlegung der  allgemeinen  Schulpflicht  ins  Auge  gefaCst  hat.  Ein 
nicht  geringer  Prozentsatz  der  Schüler  leidet  an  Schwachsinn  ver- 
schiedener Herkunft  und  verschiedenen  Grades,  derart,  daüs  der 
Unterricht  in  einer  Nosmalschule  ergebnislos  an  solchen  Kindern 
abgleitet,  dafs  jedoch  in  besonderen  Hilfsschulen  durch  eigens  ange- 
pa&ten  Unterricht  ein  gewisses  Maus  von  geistiger  Ausbildung  ver- 
mittelt werden  kann.  Die  Errichtung  besonderer  Hilfsschulen  oder 
Nebenklassen,  wie  sie  an  manchen  Orten  genannt  werden,  für  geistig 
minderwertige,  aber  noch  bildungsfähige  Kinder  wurde  von  den 
Lehrern  seit  langer  Zeit  gefordert,  von  den  Schulbehörden  wiederholt 
grundsätzlich  mit  der  Begründung  verweigert,  dais  damit  nur  der 
Bequemlichkeit  der  Lehrer  gedient  wäre.  Erst  als  auf  allen  Gre- 
bieten  des  Schulwesens  die  Überzeugung  von  der  Notwendigkeit 
heranreifte,  der  individuellen  Hygiene  der  einzelnen  Schulkinder 
eingehende  Beachtung  zu  schenken  —  es  war  dies  etwa  im  Beginn 
der  neunziger  Jahre  des  verflossenen  Jahrhunderts  — ,  erst  dann 
femd  das  System  der  Hilfsschulen  Anerkennung  und  allgemeinere 
Verbreitung.  Wenn  man  in  jüngster  Zeit  mit  der  Errichtung  weiterer 
Sonderklassen  vorgeht,  z.  B.  in  Mannheim  mit  Wiederholungs-  und 
AbschluTsklassen,  so  ist  auch  dies  eine  Anerkennung  des  Prinzips, 
dafs  die  Berücksichtigung  der  körperlichen  und  geistigen  Besonder- 
heiten der  einzelnen  Schüler  im  öffentlichen  Literesse  liegt,  weil 
davon  für  einen  nicht  unbeträchtlichen  Bruchteil  der  Kinder  die 
Erreichung  der  Unterrichtsziele  abhängt. 

3.  Endlich  ist  die  genaue  Kenntnis  des  Gesundheitszustandes 
jedes  einzelnen  Kindes  erforderlich,  um  Übertragung  von  Slrank- 
heiten  auf  die  Mitschüler  zu  verhüten.  Soweit  dabei  die  sogenannten 
akuten  Infektionskrankheiten,  wie   Scharlach,  Diphtheritis,  Masern 


727  185 

u.  8.  w.,  in  Betracht  kommen,  ist  das  öfifentliche  Interesse  nie  verkannt 
worden;  vielmehr  sind  die  amtlichen  Verfügungen  zur  Abwehr  dieser 
Krankheiten  weit  älter  als  die  ganze  Schularztbewegung,  und  ihre 
yerantwortliche  Durchführung  ruht  auch  heute  noch  überall  in 
Deutschland  in  den  Händen  der  Amtsärzte,  denen  die  Schulärzte 
in  diesem  Teil  ihrer  Tätigkeit  subordiniert  bleiben. 

Anders  liegt  die  Sache  bei  den  chronischen  Infektionskrank- 
heiten und  bei  den  übertragbaren  Parasiten  (Ungeziefer).  Diese 
Übel  wurden  lange  Zeit  als  Privatangelegenheit  betrachtet,  und 
nur,  wenn  etwa  in  ganz  schlimmen  Fällen  Läuse  oder  Elrätze  zu- 
fällig bemerkt  wurden,  gab  das  dem  Lehrer  Anlafs  zu  Vorbeugungs- 
mafsregeln  gegen  Übertragung.  Zweifellos  ist  es  aber  Aufgabe  der 
öffentlichen  Gesundheitspflege,  auch  bei  diesen  Leiden  ganz  ebenso 
wie  bei  akuten  Infektionskrankheiten  der  Ansteckung  planmä&ig 
entgegenzuarbeiten.  Man  denke  nur  an  die  Gefahr  der  Yerschleppung 
von  Tuberkulose  und  infektiösen  Augenkrankheiten. 

Die  Erkenntnis,  dafs  die  gesundheitliche  Überwachung  aller 
Schüler  eine  Frage  des  öfifentlichen  Wohles  ist,  kam  zunächst  zum 
Ausdruck  in  den  Verfügungen  zahlreicher  Städte,  dafe  die  Stadt-, 
Polizei-  oder  Armenärzte,  an  manchen  Orten  auch  die  Schulärzte, 
verpflichtet  sein  sollten,  alle  Kinder  in  gewissen  Zeiträumen  einer 
allgemeinen  Besichtigung  zu  unterwerfen,  und  solche  Schüler,  die 
dabei  krankheitsverdächtig  erschienen,  oder  die  vom  Lehrer  besonders 
bezeichnet  wurden,  genauer  zu  untersuchen.  Hierüber  wurden  schon 
im  allgemeinen  Teil  nähere  Angaben  gemacht.  Diese  insbesondere 
in  den  Regierungsbezirken  Arnsberg  und  Düsseldorf  allgemein  ein- 
geführten „Revisionen"  der  Schulkinder  (dies  ist  der  stehende  Aus- 
druck) müssen  als  unzulänglich  bezeichnet  werden.  Man  kann  davon 
zwar  Nutzen  erwarten  bezüglich  der  Feststellung  von  Krätze,  Unge- 
ziefer, groben,  auf  destruierenden  Knochenerkrankungen  beruhenden 
Rückgratverkrümmungen  und  ähnlichen  sinnfälligen  Leiden,  aber  es 
ist  unmöglich,  durch  blofse  Besichtigung  die  herz-  und  lungenkranken, 
die  mit  Mängeln  der  Sinnesorgane  oder  mit  Leistenbrüchen  be- 
hafteten Kinder  herauszufinden.  Das  bedarf  eigentlich  keines  Be- 
weises. Gleichwohl  wurde  die  Notwendigkeit,  alle  Kinder  plan- 
mäfsig  und  gründlich  zu  unterauchen,  erst  spät  erkannt.  Die 
seit  vielen  Jahrzehnten  in  so  grober  Zahl  angestellten  Untersuchungen 
auf  Kurzsiohtigkeit,  die  ohrenärztlichen  Massenuntersuchungen  mit 
ihrem  unerwartet  groüsen  Prozentsatz  schwerhöriger  Kinder,  sowie 
-die  in  einigen  auiserdeutschen  Staaten  gesammelten  Erfahrungen  hätten 

22* 


186  728 

unsern  SchulauüsichtsbeliOrdeii  einen  Beleg  daffir  bieten  können,  dals 
Eltemhanfi  nnd  Schule  sehr  häufig  in  Unkenntnis  bleiben  fiber 
wichtige  körperliche  Mängel  der  Kinder,  daüs  die  Schüler  als  unauf- 
merksam, als  schwachbegabt  und  träge  bezeichnet  und  gestraft  werden, 
wo  die  ärztliche  Untersuchung  Erkrankungen  der  Sinnesorgane  auf- 
deckt. Es  blieb  aber  der  im  Jahre  1896  in  Wiesbaden  probeweise 
durchgeführten  genauen  Untersuchung  von  7000  Schulkindern  vor- 
behalten, die  Notwendigkeit  einer  planmälsigen  Untersuchung  aller 
Schulkinder  darzutun  und  das  Schularztwesen  in  Deutschland  auf 
neue  Bahnen  zu  lenken. 

Die  gesundheitliche  Überwachung  der  Schulkinder  bildet  seither 
einen  Hauptabschnitt  aller  nach  1897  erlassenen  schulärztlichen 
Dienstordnungen.  Im  allgemeinen  hat  man  sich  dabei  an  den  Sinn, 
an  vielen  Orten  sogar  abschnittweise  an  den  Wortlaut  der  Wies- 
badener Dienstanweisung  gehalten;  Eottbus  nahm  sie  ganz  und 
Friedrichshagen  mit  einigen  allerdings  nicht  unwesentlichen  Aus- 
lassungen im  wortgetreuen  Abdruck  an.  Doch  treten  andererseits 
wieder  mancherlei  Besonderheiten  in  den  verschiedenen  Städten  zu 
Tage.  Der  ganze  Stoff  gliedert  sich  am  besten  in  die  Untersuchung 
der  Schulneulinge  und  in  die  gesundheitliche  Überwachung  im 
späteren  Schulleben. 

1.  Untersuchung  der  neu  in  die  Schule  eintretenden 

Kinder. 

Diese  Untersuchung  bildet  das  Fundament  der  ganzen  Schüler- 
hygiene  und  wird  daher  in  den  meisten  Schularztordnungen  mit  be- 
sonderer Sorgfalt  behandelt. 

Überall  wird  dabei  das  Recht  der  Eltern  insofern  gewahrt,  als 
ihnen  freigestellt  wird,  die  Untersuchung  ihrer  Kinder  von  dem  Arzt 
ihres  Vertrauens  ausführen  und  das  Ergebnis  durch  ein  Zeugnis 
beglaubigen  zu  lassen,  wobei  meist  die  Bestimmung  getroffen  ist, 
dafs  die  hausärztliche  Untersuchung  alle  vom  Schularzt  zu  berück- 
sichtigenden Funkte  umfassen  muis.  Zu  diesem  Zweck  werden  von 
der  Schulbehörde  Formulare  mit  Vordruck  für  privatärztliche  Auf- 
nahmeuntersachuDgen  unentgeltlich  abgegeben.  Von  der  Erlaubnis 
privatärztlicher  Untersuchung  wird  nach  allem,  was  darüber  bekannt 
geworden  ist,  nicht  sehr  häufig  Gebrauch  gemacht.  In  Leipzig^ 
waren  es  in  den  aus  begüterten  Eureisen  beschickten  Bürgerschulen 


^  Vergl.  diese  ZeiUehrift.    1902.  S.  251 


729  187 

9,5  7o,  in  den  Bezirkssohnlen  1,1  %,  im  Dnrohsclinitt  aller  städti- 
schen Schulen  4  7o-  Von  grundsätzlicher  Weigerung  der  Eltern, 
ihr  Kind  überhaupt  untersuchen  zu  lassen,  yerlautet  nichts. 

Eine  gesetzliche  Handhabe,  die  Untersuchung  der  Kinder 
zu  erzwingen,  scheint  in  Deutschland  nur  beim  Auftreten  von  akuten 
Infektionskrankheiten  zur  Verfügung  zu  stehen.  Aus  dem  Grofs- 
herzogtum  Sachsen -Weimar  verlautet  in  jüngster  Zeit,  daüs  der 
Staat  die  Genehmigung  des  von  der  Stadt  Jena  entworfenen  Orts- 
statuts über  die  Anstellung  von  Schulärzten  verweigert  hat,  weil 
die  Eltern  unter  Strafandrohung  genötigt  werden  sollten,  sich  der 
Schularztordnung  zu  fügen,  was  nach  dem  bestehenden  Gfesetz  nicht 
zulässig  ist. 

Es  mag  daher  juristisch  gerechtfertigt  sein,  wenn  die  soeben  in 
Kraft  getretene  Schuldienstordnung  von  Fürth  in  Bayern,  um  den 
Schein  zu  meiden,  als  wolle  man  auf  die  Eltern  einen  ungesetzlichen 
Zwang  zur  Untersuchung  ihrer  Kinder  ausüben,  die  Vorfrage  stellt, 
ob  die  Eltern  geneigt  sind,  ihr  Eand  der  ständigen  schulärztlichen 
Überwachung  zu  übergeben.  Diese  Bestimmung  findet  sich  in  §  3 
und  lautet: 

„Für  jedes  neu  in  die  Volksschule  der  Stadt  Fürth  ein- 
tretende Schulkind  läfst  die  Schulbehörde  einen  Gesundheitsschein 
anlegen;  für  solche  Kinder,  deren  Eltern  oder  sonstige 
Erziehungsberechtigte  die  schulärztliche  Überwachung 
ablehnen,  werden  Gesundheitsscheine  nicht  angelegt. 
Zu  einer  Erklärungsabgabe  über  etwaige  Ablehnung 
der  ständigen  schulärztlichen  Überwachung  wird  all- 
jährlich vor  Beginn  der  Untersuchungen  durch  amt- 
liches Ausschreiben  aufgefordert.^ 

Die  meisten  Städte  zeigen  in  ihren  Dienstordnungen  das  Be- 
streben, die  Empfindlichkeit  der  Eltern  in  jeder  möglichen  Weise 
zu  schonen  und  sie  mit  der  Untersuchung  ihrer  Kinder  durch  den 
Schularzt  vertraut  zu  machen.  An  vielen  Orten  beschränkt  man 
sich  nicht  auf  die  Mitteilung  an  die  Eltern  der  Schulneulinge,  dafs 
und  zu  welcher  Stunde  die  schulärztliche  Untersuchung  stattfinden 
wird,  sondern  sucht  damit  eine  Belehrung  über  Zweck  und  Art  der 
Schularzteinrichtung  zu  verbinden,  zugleich  mit  dem  Hinweis  darauf, 
dals  Enthebung  von  der  schulärztlichen  Untersuchung  durch  ein 
geeignetes  hausärztliches  Zeugnis  bewirkt  werden  kann.  Dieses 
zuerst  von  Wiesbaden  eingeführte  Bundschreiben  lautet: 


188  730 

„Za  besserem  Schatze  der  Gesundheit  der  die  öffentlichen  Schalen  be- 
suchenden Kinder  sind  Scholftrzte  bestellt  worden,  denen  die  ärztliche 
Untersachang  der  Kinder  nach  deren  Eintritt  in  die  Schale,  die  regel- 
mäCsige  Überwachung  ihres  Gesundheitszustandes»  solange  sie  die  Schale 
besuchen,  und  die  Bevision  der  Schulräumlichkeiten  von  gesundheitlichem 
Gesichtspunkte  aus  übertragen  ist. 

Diese  Einrichtung  wird  den  Schulkindern  wie  deren  Familien  von 
wesentlichem  Nutzen  sein.  Bei  der  Unterrichtserteilung  wird  die  Körper- 
beschaffenheit und  der  Gesundheitszustand  des  einzelnen  Kindes  weiter- 
gehende Berücksichtigung  finden,  als  es  bisher  geschehen  konnte,  und  es 
werden  die  Eltern  durch  die  zu  ihrer  Kenntnis  gebrachten  Beobachtungen 
der  Schul&rzte  in  ihren  Bestrebungen,  ihre  Kinder  gesund  zu  erhalten, 
unterstützt  werden. 

Eltern,  welche  wünschen,  dals  ihre  Kinder  nicht  durch  den  Schularzt 
untersucht  werden  (die  ärztliche  Behandlung  gehört  nicht  zu  den  Dienst- 
obliegenheiten der  Schulärzte),  müssen  den  erforderlichen  gesundheitlichen 
Nachweis  durch  Zeugnisse  ihres  Hausarztes  erbringen. 

Formulare  für   ärztliche  Zeugnisse  sind  

unentgeltlich  entgegenzunehmen.** 

Gleich  oder  ähnlich  lautende  Mitteilungen  verwenden  die  Städte 
Oassel,  Darmstadt,  Frankfurt  a.  M,  Grunewald,  Plauen, 
Posen  und  Trier.  Leipzig  yerbindet  damit  die  Angabe  des 
Untersuchungstermins,  Crimmitschau  fügt  die  Aufforderung  an  die 
Eltern  hinzu,  der  Untersuchung  beizuwohnen,  Quedlinburg  ver- 
sendet eine  längere  populär  gehaltene  Belehrung  über  den  Nutzen 
der  schulärztlichen  Einrichtung. 

Das  beste  Mittel,  die  Eltern  der  allgemeinen  Untersuohungs- 
pflicht  günstig  zu  stimmen,  ist  wohl  die  Erlaubnis,  dieser  Unter- 
suchung beizuwohnen.  Eine  Reihe  von  Städten  begleitet  daher  die 
Bekanntgabe  des  Untersuchungstermins  mit  einer  Einladung  der 
Eltern.     Als  Beispiel   diene  das  Formular  von  Charlottenburg: 

Am ,  den um 

Uhr  findet  eine  Untersuchung  Ihres  Kindes 

durch   den    Schularzt   statt.     Erwünscht    ist 

die  Gegenwart  der  Mutter  oder  des  Vaters. 

Die  Untersuchung  unterbleibt,  wenn  dies  von  den  Eltern  oder  Er- 
ziehern unter  Beifügung  eines  bestimmten  von  dem  Hausarzte  ausgefüllten 
Formulars  beantragt  wird. 

Charlottenburg,  den 190 

Der  Bektor: 

Die  Anwesenheit  der  Mutter  oder  einer  elterlichen  Vertrauens- 
person  bei  den  Untersuchungen  der  Schulneulinge  ist  aus  mehr  als 
einem  Grunde  erwünscht.    Die  Schüchternheit  und  Ängstliohkeit  der 


731  189 

Kiemen  wird  so  am  besten  überwunden.  Das  Ans-  nnd  Ankleiden 
der  Kinder,  besonders  der  Mädchen,  geht  in  diesem  zarten  Alter 
Booh  nicht  gut  ohne  fremde  Hilfe  von  statten,  und  wenn  anoh  die 
Gegenwart  des  Lehrers  bei  Knaben,  nnd  der  Lehrerin  bei  Mädchen 
überall  vorgeschrieben  ist,  so  erscheint  es  doch  zweckmäfsiger,  diese 
fiilüskraft  zur  An&echterhaltong  der  Ordnung  nnd  znr  Schreibhilfe 
für  den  Arzt  zn  verwenden,  als  zu  diesen  nicht  jedem  Lehrer  ge- 
läufigen Handreichungen. 

Wichtiger  noch  ist,  dals  dem  untersuchenden  Arzt  die  Mög- 
lichkeit geboten  wird,  Fragen  an  die  Angehörigen  des  Kindes  zu 
richten,  vertrauliche  Mitteilungen  entgegenzunehmen  und  allgemeine 
hygienische  (nicht  therapeutiBche)  Batschläge  zu  erteilen. 

Die  schulärztlichen  Jahresberichte  vieler  Städte  heben  die  Zweck- 
mälsigkeit  der  Beiziehung  der  Eltern  hervor.  Ein  Schularzt,  der 
auf  der  Höhe  seiner  Aufgabe  steht,  findet  bei  diesem  Anlab  eine 
selten  in  gleichem  Mafse  sich  bietende  Gelegenheit,  die  Grundsätze 
der  Hygiene  des  kindlichen  Alters  wirksam  im  Volke  zu  verbreiten. 

Die  Arbeit  des  Schularztes  bei  den  Untersuchungen  der  Schul- 
neulinge würde  wesentlich  gefördert  werden,  wenn  in  jedem  Falle 
zuverlässige  Angaben  über  die  körperliche  Entwicklung,  über  durch- 
gemachte Krankheiten  und  vorhandene  Mängel  oder  Gebrechen  zur 
Verfügung  stünden.  Aus  diesem  Grunde  verteilen  manche  Städte 
einen  hierauf  bezüglichen  Fragebogen  an  die  Eltern,  der  beim 
Eintritt  des  Kindes  in  die  Schule  ausgefüllt  zu  überreichen,  oder  bei  der 
Anmeldung  vom  Lehrer  unter  Befragung  der  Angehörigen  zu  be- 
antworten, auch  wohl  durch  eigene  Wahrnehmungen  des  Lehrers 
während  der  ersten  Zeit  des  Schulbesuches  zu  ergänzen  ist.  Schrifir 
liche  oder  mündliche  Mitteilungen  des  Lehrers  über  seine  an  den 
Kindern  gemachten  Beobachtungen  werden  in  verschiedenen  Städten 
ausdrücklich  angeordnet.  Solche  Bestimmungen  sind  u.  a.  getroffen 
in  den  Dienstordnungen  von  Borbeck,  Cöln,  Crimmitschau, 
Falkenstein,  Leipzig  und  Löbtau.  In  Gera  legt  man  diesen 
Erhebungen,  die  unter  den  ärztlichen  Begriff  „Ananmese*'  fällen, 
einen  über  Gebühr  greisen  Wert  bei.  Hier  wird  in  §  1  bestimmt, 
dals  von  den  zu  Beginn  des  neuen  Schuljahres  aufgenommenen 
Kindern  nur  diejenigen  einer  genauen  schulärztlichen  Untersuchung 
zu  unterziehen  sind,  „bei  welchen  von  den  Eltern  bei  der  An- 
meldung zur  Schule  irgendwelche  Angaben  über  Kränklichkeit  oder 
dem  Kinde  anhaftende  körperliche  Fehler  gemacht  worden  sind,  und 
alle  diejenigen,  welche   dem   Lehrer   in   den   ersten  Wochen   nach 


190  732 

Aufnahme  in  die  Schule  irgendwie  als  körperlich  oder  geistig  minder- 
wertig erschienen  sind^.  Alle  anderen  Schnlnenlinge  werden  nach 
§  3  nnr  einer  „änfserliohen  ärztlichen  Revision  unterzogen  zur  Er- 
mittlung von  übertragbaren  Krankheiten  und  Ungeziefer".  Das 
gleiche  Verfahren  wird  gemftfs  einer  gütigen  schriftlichen  Mitteilung 
in  Meifsen  geübt.    Vergl.  den  allgemeinen  Teil  dieser  Mitteilungen.^ 

Beachtenswert  ist  eine  Stelle  in  der  Dienstordnung  von 
St.  Johann  a.  d.  Saar,  worin  es  als  erwünscht  bezeichnet  wird, 
dafs  zur  Untersuchung  der  Schulneulinge  „wenn  möglich  ein  Zeugnis 
eines  Arztes,  betreffend  überstandene  Krankheiten,  allgemeine  Kon- 
stitution etc.*'  vorgelegt  wird. 

Die  von  den  Eltern  auszufüllenden  Fragebogen  enthalten  in 
einzelnen  Fällen,  z.B.  in  Borbeck,  nur  die  Bubrik. :  „Bezeichnung 
der  von  den  Eltern  oder  Pflegern  mitgeteilten  körperlichen  Ge- 
brechen, Fehler,  Mängel,  Eigentümlichkeiten  etc.^ 

Eingehender  ist  die  Fragestellung  in  Schöneberg: 

1.  Welche  Krankheiten  hat  das  Kind  überstanden? 

2.  Sind  Nachteile  davon  zurückgeblieben,  und  welche? 
(Gehörleiden,  Rückgrats-  oder  Gliederverkrümmnngen  a.  dergl.) 

3.  Ist  das  Kind  gegenwärtig  mit  einem  Fehler  oder  Leiden  behaftet? 
(Bruchschaden,  Epilepsie,  Herz-,  Langenleiden  n.  dergl.) 

4.  Ist  sein  Schlaf  ruhig  oder  schnarchend,  der  Mund  im  Schlaf  ge- 
öffnet oder  geschlossen? 

5.  Sind  besondere  Fehler  oder  Untugenden  an  dem  Kinde  bemerkt 
worden? 

In  Meifsen,  wo  nach  §  6  der  Dienstordnung  der  Schularzt 
die  neueintretenden  Blinder  nur  „gegebenen  Falles^  und  nach  §  7 
„auf  Antrag  des  Schuldirektors  oder  auf  Anordnung  der  Schul- 
behörde^  zu  untersuchen  hat,  werden  den  Eltern  folgende  Fragen 
vorgelegt: 

1.  Nur  von  den  Eltern  erzogen  (Spielschule)? 

2.  Ältere  Geschwister  - jüngere  Geschwister 

3.  Überstandene  Krankheiten. 

4.  Ist  von  einer  Krankheit  etwas  geblieben? 

5.  Ist  von  Schreck  oder  Unfall  etwas  geblieben? 

6.  Besondere  Gebrechen:  Nervenschwach?  Weint  es  leicht?  Ist  es 
furchtsam?  Blutarm?  Blasenleidend?  Ausschlag?  Kurzsichtig?  Schwer- 
hörig?    Fehler  der  Sprechwerkzeuge?    Andere  Fehler? 

7.  Lernte  es  Mh  oder  spät  sprechen? 


'  Schularet  No.  8.  S.  145  (603). 


733  191 

8.  Ist  es  zu  Haase  ruhig  oder  lebhaft? 

9.  Hat  es  besondere  Angewohnheiten? 
10.  Sonstiges. 

In  Breslau  lautet  der  Fragebogen: 

1 — 3.  Name,  Wohnung  und  Gebortstag. 

4.  In  welchem   Lebensjahre   hat  das  Kind  Krankheiten  und  welche 
dnrchgemacht? 

5.  Wnrden  dauernde  schädliche  Folgen  davon  beobachtet? 

6.  Hat  das  Kind  Verletzungen  mit  dauernden  Folgen  durchgemacht? 

7.  Ist  das  Kind  schwerhörig? 

8.  Ist  das  Kind  kurzsichtig? 

9.  Hat  das  Kind  sonstige  Gebrechen  und  Schwächen? 
(Krämpfe  usw.) 

10.  Wann  lernte  das  Kind  sprechen? 

Dresden-Löbtau  widmet  den  häuslichen  und  wirtschaftlichen 
Verhältnissen  besondere  Beachtung: 

I.  Fragen,  die  Familienverhältnisse  betreffend. 

1 — 3.  Name,  Wohnung  und  Stand  der  Eltern  oder  Erzieher. 

4.  Wieviel  Geschwister  hat  das  Kind? 

5.  Wie  alt  sind  diese? 

6.  Wie  viele  Geschwister  sind  gestorben  und  an  welcher  Krankheit? 

7.  Bestehen  in  der  Familie  Lungenkrankheiten?    Nervenkrankheiten? 
Welche  Krankheiten  sonst? 

8.  Von  wem  ist  das  Kind  bis  jetzt  zumeist  erzogen  worden? 

9.  Wird  das  Kind  künftig  oft  sich  selbst  überlassen  sein? 

10.  Wird  das  Kind  seine  Schularbeiten  ungestört  und  zu  welcher  Zeit 
erledigen  können? 

11.  Ist  die  Mutter  genötigt,   ebenfalls  dem  Broterwerb  nachzugehen? 

12.  Mufs   das    Kind   häusliche  oder  gewerbliche  Arbeiten  verrichten 
und  welche? 

n.  Fragen,  das  Kind  betreffend. 

1.  Hat  das  Kind  an  schweren  Krankheiten  gelitten?   An  welchen? 

2.  Hat  es  Operationen  dnrchgemacht?  Welche? 

3.  Sind  Nachwirkungen  zurückgeblieben? 

4.  Schläft  das  Kind  fest  oder  unruhig? 

5.  Schläft  es  mit  offenem  Munde? 

6.  Ist  das  Kind  ohrenleidend?  Augenleidend?  Magenleidend?  Blasen- 
leidend? Lungenleidend?  Herzleidend? 

7.  Leidet  das  Kind  an  Krämpfen? 

8.  Hat  es  sonst  ein  Leiden  oder  körperliches  Gebrechen  an  sich? 

9.  Stottert  das  Kind? 

10.  In  welchem  Alter  lernte  das  Kind  gehen? 

11.  Ist  das  Kind  heiter?    Verschlossen?  l^latterhaft?  Trotzig?  Wahr- 
heitsliebend? Scheu?  Wifsbegierig? 

12.  Hat  das  Kind  sonstige  Angewohnheiten  (linkshändig  usw.)? 

ni.  Sonstige  Bemerkungen  der  Eltern  oder  Erzieher. 


192  734 

Endlich  sei  hier  auf  die  unter  sich  fast  genau  übereinstimmenden 
Fragebogen  hingewiesen,  welche  von  der  herzoglichen  Regierung  in 
Meiningen  und  von  der  grofsherzoglich  hessischen  Regierung 
vorgeschrieben  sind,  und  deren  Abdruck  sich  in  No.  5  und  Ko.  8 
des  „Schularzt"  (S.  93  [339]  und  S.  156  [613])  vorfindet. 

Für  die  Au&ahme  in  Hil&schulen  für  Schwachsinnige  und  in 
Stotterheilkurse  bestehen  an  manchen  Orten  besondere  Fragebogen. 

Bei  der  ärztlichen  Untersuchung  der  Schulneulinge  nimmt  die 
Entscheidung,  ob  ein  Kind  die  erforderliche  körperliche  und 
geistige  Reife  zum  Schulbesuch  erlangt  hat,  eine  besondere 
ßeachtung  in  Anspruch.  Gesetzlich  ist  das  vollendete  sechste  Lebens- 
jahr als  Zeitpunkt  der  Rekrutierung  festgestellt. 

In  Preufsen^  lautet  die  Bestimmung  über  die  Schulpflicht: 

„Mit  Beginn  eines  neuen  Schuljahres  —  April  —  sind  alle  Kinder 
schulpflichtig,  die  zu  dieser  Zeit  bereits  sechs  Jahre  alt  sind  oder  bis  zum 
30.  September  das  sechste  Lebensjahr  vollenden. 

Sollte  jedoch  der  körperliche  oder  geistige  Zustand  eines  Kindes  zu 
ernsten  Bedenken  gegen  seine  Beschäftigung  in  der  Schule  Anlab  geben, 
dann  ist  unter  Vorlegung  eines  ärztlichen  Zeugnisses  die  Befreiung  von 
der  ordnungsmäfsigen  Einschulung  bei  der  Schuldeputation  nachzusuchen. 
Auch  in  dem  Falle,  dafs  schulpflichtige  und  schulfähige  Kinder  zonAchst 
häuslichen  Unterricht  erhalten  sollen,  ist  dies  und  zugleich  anzuzeigen,  wer 
ihn  erteilen  wird." 

(Folgen  Ausnahmebestimmungen  über  Auäiahme  in  di^  Unterklasse 
höherer  Lehranstalten.) 

Li  Bayern  bestimmt  die  Egl.  Verordnung  vom  5.  Nov.  1880  und 
vom  26.  April  1882  in  betreff  der  Aufnahme  in  die  Volksschule, 
dafs  die  Schulpflicht  mit  dem  zurückgelegten  sechsten  Lebensjahre 
beginnt,  und  zwar  für  alle  Kinder,  welche  zu  dieser  Zeit  die  gehö- 
rige Entwicklung  der  geistigen  und  körperlichen  Kräfte  erreicht 
haben.  Gestattet  ist  die  Aufnahme  in  die  Schule  unter  den 
gleichen  Voraussetzungen  hinsichtlich  der  geistigen  und  körperlichen 
Entwicklung  vor  vollendetem  sechsten  Lebensjahre  „nur  in  ganz 
seltenen  Ausnahmen,  und  zwar  nur  bei  Kindern,  die  bereits  5  V^ 
Jahre  alt  sind,  auf  Grund  eines  die  Aufnahme  begutachtenden  ärzt- 
lichen Zeugnisses"  (Artikel  6  der  mittelfiränk.  Lehrordnung).  Eine 
Kgl.  Regierungsentschliefsung  vom  5.  Juni  1885  an  die  amtlichen 
Ärzte  sagt,  daüs  bei  Ausstellung  dieser  Zeugnisse  mit  mögliebster 
Strenge  zu  verfahren  sei,    und   dafs   auch   seitens    der  Hausärzte 


^  Den  Breslauer  Bestimmungen  entnommen. 


736  193 

gleiche  Strenge  bei  der  Abgabe  derartiger  Zeugnisse  beobachtet 
werden  solle. 

Ähnliche  Bestimmungen  bestehen  wohl  in  allen  Bundesstaaten, 
so  dafs  überall  die  Möglichkeit  geboten  ist,  körperlich  oder  geistig 
noch  nicht  genügend  entwickelte  Kinder,  selbst  bei  vollendetem 
sechsten  Lebensjahre,  auf  Grund  ärztlicher  Zeugnisse  vom  Schul* 
besuch  zurückzustellen. 

Nach  übereinstimmendem  Urteil  der  Ärzte  und  Lehrer  liegt  ein 
dringendes  Bedürfnis  vor,  die  Schulfähigkeit  der  neu  aufzunehmen- 
den Kinder  einer  ernsten  Prüfung  zu  unterwerfen,  weil  ein  grober 
Bruchteil  der  Kinder  mit  sechs  Jahren  noch  zu  wenig  entwickelt  ist, 
um  mit  Erfolg  und  ohne  körperlichen  Nachteil  in  die  Schule  geschickt 
zu  werden. 

Die  berufensten  Hüter  des  Kindes,  die  eigenen  Eltern,  deren 
Pflicht  es  wäre,  sorgsam  darüber  zu  wachen,  dafs  ein  durch  yorherge- 
gangene  Krankheit  oder  infolge  aufsergewöhnlich  langsam  stattfinden- 
der Entwicklung  hinter  seinen  Altersgenossen  zurückgebliebenes  Kind 
nicht  zu  früh  zur  Schule  geschickt  werde^  verkennen  oft  genug  diese 
ihre  Aufgabe  und  drängen  ihren  zarten  Spröfsling  der  Schule  auf, 
trotz  der  Abmahnung  des  mit  der  Neuaufnahme  betrauten  Lehrers. 
Den  Eltern  fehlt  nicht  selten  der  unbefaogene  Blick  für  die  Be- 
urteilung der  von  ihrem  Kinde  erlangten  Entwicklungsstufe;  sie 
suchen  einen  falschen  Stolz  in  frühem  Schuleintritt,  behaupten  auch 
wohl,  das  Kind  jsei  geistig  über  sein  Alter  hinaus  entwickelt  und 
könne  daheim  nicht  mehr  recht  unterhalten  und  beschäftigt  werden, 
obwohl  gerade  diese  geistige  Frühreife  nicht  selten  eine  künstliche, 
durch  Treibhauskultur  bewirkte  ist,  und  obwohl  gerade  diesen  Kin- 
dern ein  weiteres  der  Körperpflege  und  dem  ungebundenen  Umher- 
tummeln gewidmetes  Jahr  not  täte.  Wenn  dies  von  den  bemittelten 
und  gebildeten  Bevölkerungsschichten  gilt,  so  werden  andererseits  die 
Eltern  aus  dem  Arbeiterstand  durch  wirtschaftliche  Erwägungen 
nach  derselben  Richtung  gedrängt.  Das  zur  Schule  geschickte  Kind 
entlastet  die  Mutter  von  der  Aufsicht  und  macht  sie  für  ihre  Arbeit 
frei.  Auch  lebt  in  den  armen  Leuten  wohl  schon  der  Wunsch,  dafs 
ihr  Kind  ein  Jahr  früher  seiner  Schulpflicht  genügen  möchte  und 
für  den  Erwerb  verfügbar  werde. 

Die  Folgen  sind  von  Arzt  und  Lehrer  vorauszusehen.  Ein  Teil 
dieser  halbreifen  Kinder  erreicht  das  Klassenziel  nicht  und  muls 
repetieren,  ein  anderer  Teil  bleibt  in  der  Ernährung  zurück,  zumal 
wenn  die  im  ersten  Schuljahr  so  häufigen  akuten  Infektionskrank- 


194  7S6 

heiten  (Masern,  Kenchhusten  a.  s.w.)  ein  derartiges  körperlich  unter- 
entwickeltes Kind  treffen. 

Die  Lehrer  der  unteren  Klassen  klagen  darüber,  sind  aber  bei 
der  An&ahmemeldung  den  Eltern  gegenüber  machtlos,  sobald  das 
Kind  das  gesetzliche  Alter  erreicht  hat.  Nur  ein  ärztliches  Zeugnis 
kann  hier  Abhilfe  schaffen. 

Es  ist  daher  eine  wichtige  Aufgabe  des  Schularztes»  die  Schul- 
reife der  angemeldeten  Kinder  zu  prüfen,  und  schwächliche,  nicht 
voll  entwickelte  Kinder  auch  gegen  den  Willen  der  Eltern  zurück- 
zustellen. 

Dabei  tritt  nun  die  Schwierigkeit  hervor,  dafs  die  Entscheidung 
der  Schul&higkeit  bald  getroffen  werden  mufs,  während  die  genaue 
ärztliche  Untersuchung  der  Neulinge  am  besten  erst  nach  mehr- 
monatlichem Schulbesuch  vorgenommen  wird,  sowohl  wegen  des 
hierfür  erforderlichen  Zeitaufwandes,  als  auch  um  dem  Lehrer  Zeit 
zu  lassen  zu  eigener  Beobachtung,  und  den  Kindern  zum  Ablegen 
der  Schüchternheit  und  zur  Erlangung  einiger  Schuldisziplin. 

Einige  der  Städte,  welche  die  Prüfung  auf  Schulreife  ausdrück- 
lich in  ihrer  Dienstordnung  erwähnen  (es  ist  dies  etwa  bei  der  Hälfte 
der  Fall),  haben  sich  dafür  entschieden,  die  genaue  Untersuchung 
der  Kinder  möglichst  zu  beschleunigen,  mit  der  Anweisung,  sie 
„sofort"  (Stolberg),  „in  den  ersten  Tagen"  (Magdeburg,  Qued- 
linburg), „zu  Anfang  des  Schuljahrs^  (Trier),  „in  den  ersten  drei 
Wochen^  (Oöln),  ^spätestens  sechs  Wochen  nach  dem  Eintritt^ 
(Grunewald)  vorzunehmen.  Ohne  genaue  Angabe  des  Zeitpunktes 
der  Untersuchung  fordern  die  Abgabe  eines  schulärztlichen  Urteils 
über  vorhandene  Reife  die  Städte:  Benneckenstein,  Darmstadt, 
Düren,  Elmshorn,  Erfurt,  Frankfurt  a.  0.,  Gransee,  Löb- 
tau-Dresden  und  Zeitz.  In  Heilbronn  werden  nur  auf  Antrag 
des  Ortsschulinspektors  einzelne  Kinder  bezüglich  Zurückstellung 
vom  Schulbesuch  um  ein  Jahr  untersucht  und  begutachtet. 

In  Leipzig  enthält  zwar  die  Dienstordnung  nichts  über  die 
vorliegende  Frage,  doch  geht  aus  dem  in  dieser  Zeitschrift  (1902, 
No*  5.)  veröffentlichten  Bericht  des  Stadtbezirksarztes  Dr.  Poettsb 
hervor,  dafs  daselbst  als  Zweck  der  Untersuchung  u.  a.  auch  in 
Betracht  kommt  „Ausschliefsung  bezw.  Zurückstellung  körperlich 
oder  geistig  unreifer  und  zum  Schulbesuch  noch  nicht  fähiger 
Kinder". 

In  letzter  Zeit  hat  sich  eine  ändere  Regelung  Bahn  gebrochen. 

Man   trennt   die  üntersnchnng   auf  Schulfihigkeit   von 


737  196 

der  flanptantersachiiiigi  yerlegt  die  erstgenannte  in'die 
ersten  Tage  des  Sohnlbeginns,  nnd  gewinnt  dadnroh  Zeit,  die 
letztere  nach  Wochen  oder  Monaten  mit  Mnise  nnd  Gründlichkeit 
vorzunehmen. 

Der  Blick  eines  erfahrenen  Arztes  yermag  durch  blolse  Be- 
sichtigung der  Schulrekruten  mit  geringem  Zeitaufwand  die  schwäch- 
lichen Kinder,  deren  Schul&higkeit  zweifelhaft  ist,  auszulesen.  Da- 
durch kann  der  berechtigten  Forderung  der' Eltern  Genüge  getan 
werden,  alsbald  zu  erfahren,  ob  ihr  Kind  aufgenommen  werden  wird. 

Einer  ge&lligen  brieflichen  Mitteilung  des  Herrn  Geh.  Sanitätsrats 
und  Stadtarztes  Dr.  Spiebs  ist  zu  entnehmen,  daüs  z.  B.  in  Frank- 
furt a.  M.  beim  Schuleintritt  nur  eine  oberflächliche  allgemeine 
Besichtigung  der  Kinder  stattfindet,  und  erst  später,  wenn  dieselben 
schon  etwas  mit  dem  Schulleben  vertraut  sind,  die  genauere  Unter- 
suchung nachfolgt. 

Die  im  April  d.  J.  für  Berlin^  beschlossene  neue  Dienst- 
ordnung schreibt  gleichfalls  eine  gesonderte  Voruntersuchung  hin- 
sichtlich der  Schulreife  vor,  labt  aber  die  Wahl  nicht  durch  den 
Schularzt  aus  der  Gesamtheit  der  ihm  vorgeführten  Schulneulinge 
treffen,  sondern  beschränkt  die  ärztliche  Begutachtung  auf  jene 
Kinder,  deren  Schulfähigkeit  von  der  Schulkommission  oder  dem 
Rektor  angezweifelt  wird.  Es  heifst  in  §  1  der  Berliner  Dienst- 
anweisung : 

§  1.  Dem  Schulärzte  liegt  es  ob,  bei  der  Einschuluig  die  Kinder 
auf  ihre  Schnlfähigkeit  zu  untersuchen.  Dem  Schularzt  werden  zu  diesem 
Zweck  von  dem  Schnlkommissionsvorsteher  bei  der  Anmeldung  der  Kinder, 
und  vom  Rektor  beim  Eintritt  der  Kinder  in  die  Schule  diejenigen  zu- 
gesandt, welche  bezüglich  ihrer  Schulfähigkeit  als  zweifelhaft  erscheinen  .  .  . 

Die  als  nicht  schulfähig  erkannten  Kinder  sollen  zunächst  auf  ein 

halbes  Jahr,  nötigenfalls  auf  längere  Zeit  zurückgestellt,  und  nach  Ablauf 
dieser  Zeit  von  neuem  untersucht  werden. 

Hierzu  ist  erläuternd  zu  bemerken,  dafs  die  Schulkommission 
aus  BtLrgem  gebildet  wird,  die  diese  Funktion  im  Ehrenamt  aus- 
üben, bestimmte  Stadtbezirke  zugeteilt  erhalten  und  eine  Art  Mittels- 
person zwischen  Schule  und  Elternhaus  bilden. 

Die  Einschulung  findet  in  Berlin,  wie  in  vielen  anderen  Orten, 
halbjährlich  statt,  so  dals  die  Kinder  nicht  immer  auf  ein  volles 
Jahr  zurück  gestellt  zu  werden  brauchen.    Dals  man  in  Berlin  den 


^  Vergl.  ScMarMi  No.  9.    Dienstordnung. 


196  738 

Schulärzten  die  Auslese  Dicht  selbst  überlälist,    liegt  wohl   an   den 

allzu    grofsen     Schulbezirken;     es     kommen    hier    durchschnittlioh 

6000  Schüler  auf  einen  Schularzt. 

Schöneberg  und  Friedenau  bei  Berlin  haben   schon   1899 

in  ihrer   fast  gleichlautenden  „Ordnung,    betreffend   die   Anstellung 

und  Tätigkeit  von  Schulärzten*^  folgende  Bestimmung  getroffen: 

Art.  10.  Der  Schalarzt  bat  jedes  Kind,  welches  zur  Aufnahme  in 
die  Schnle  angemeldet  werden  soll,  vor  dem  Eintritt  in  dieselbe  auf  seine 
Schnlfähigkeit  zu  untersuchen. 

Die  herzoglich  weimarischen  Städte  Weimar,    Ilmenau  und 

Apolda   führen   in    ihrer  Schularztordnung   die   übereinstimmende 

Verordnung : 

„Die  Schulärzte  haben  die  neaeintretenden  Kinder  zunächst  nur  auf 
solche  erhebliche  Mängel  zu  untersncheo,  die  ein  Zurückstellen  vom  Schul- 
besuch bedingen.  Die  definitive  und  gründliche  Untersuchung  hat  erst  nach 
Ablauf  von  vier  bis  fünf  Wochen  nach  dem  Schulbeginn  zu  erfolgen,  damit 
der  Lehrer  seine  inzwischen  gemachten  Beobachtungen  dem  Arzt  mit- 
teilen kann.*' 

Forst  besitzt  keine  eigentliche  Schularztordnung,  doch  findet 
daselbst  nach  gütiger  brieflicher  Mitteilung  des  Schularztes  Dr.  Lüm- 
MBBBHEiM  sofort  beim  Eintritt  der  Kinder  eine  Voruntersuchung 
statt,  um  unreife  und  kranke  Kinder  zurückzuweisen,  und  erst  nach 
acht  Wochen  erfolgt  die  genaue  Untersuchung. 

Görlitz  behandelt  in  seiner  bereits  beschlossenen,  aber  erst  im 
April  1904  in  Kraft  tretenden  Dienstordnung  die  Prüfung  auf 
Schulreife  mit  besonderer  Ausführlichkeit.  Nach  Voranstellung  des 
eben  citierten  Satzes  aus  der  weimarischen  Schularztordnung  heifst 
es  weiter: 

§  2 Diese  Untersuchung  hat  alsbald,  spätestens  zehn  Tage 

nach  dem  Eintritt  der  Kinder  in  die  Schnle  stattzufinden.  Über  die  vom 
Schulbesuch  zurückzustellenden  Kinder  wird  eine  Bescheinigung  nach  For- 
mular I  ausgestellt,  welche  dem  Schulleiter  zur  weiteren  Veranlassung  zu 
übergeben  ist. 

Liegen  bereits  anderweitige  ärztliche  Bescheinigungen  über  vom  Schul- 
besuch zurückzustellende  Kinder  vor,  so  sind  dieselben  vom  SchnUeiter  dem 
Schularzt  vorzulegen.  Ist  daraus  der  Grund  der  Zurückstellung  nicht  klar 
ersichtlich,  so  sind  sie  durch  den  Schulleiter  den  Eltern  des  Kindes  zur 
weiteren  Vervollständigung  zurückzugeben.  Wird  dieser  Forderung  von  den 
Eltern  nicht  Folge  geleistet,  so  hat  der  Schularzt  selbst  die  Untersuchung 
des  Kindes  vorzunehmen. 

Auch  die  soeben  in  Kraft  getretene  neue  Nürnberger  Dienst- 
ordnung trennt  die  Untersuchung  auf  Schulreife  von  der  Haupt- 
untersuchung und  gibt  darüber  folgend^  Vorschriften: 


739  197 

„Die  erste  Untersnchmig  wird  gleich  bei  Beginn  des  Schuljahres  vor- 
genommen nnd  mofs  bis  Ende  des  Monats  September  beendigt  sein. 
Sie  besteht  in  einer  änfseren  Besichtigung  der  Kinder  nnd  hat  den  Zweck, 
festzustellen,  ob  dieselben  schulfähig  sind,  d.  h.  nach  ihrer  körper- 
lichen und  geistigen  Entwicklung  ohne  Schaden  und  mit  Erfolg  an  dem 
Schuhinterrichte  teilnehmen  können.  Findet  der  Schularzt,  im  Ein- 
Ter nehmen  mit  dem  Lehrer,  dafs  es  notwendig  ist,  ein  Kind  in  sei- 
nem eigenen  Interesse  wie  in  dem  des  gemeinsamen  Unterrichts  auf  ein 
Jahr  vom  Schulbesuche  zurückzustellen,  so  bestätigt  er  dies  durch  ein 
Zeugnis,  von  dessen  Inhalt  die  Angehörigen  des  betreffenden  Kindes 
durch  die  Inspektion  in  Kenntnis  gesetzt  werden.  Diese  hat  so- 
dann das  weiter  Erforderliche  zu  verfügen.*' 

Es  heifst  dann  weiter,  dals  die  zweite  eingehende  Untersuchung 
bis  ssum  Schluls  des  I.  Semesters  stattzufinden  hat,  und  dafs  im 
II.  Halbjahr  sich  eine  dritte  Untersuchung  anschliefsen  soll,  welche 
die  höheren  Sinnesorgane  umfafst. 

Auch  die  jüngste  der  erlassenen  Schularztordnungeu,  die  im 
August  d.  J.  zum  Beschluils  erhobene  „Ordnung  für  die  gesundheit- 
liche Überwachung  der  städtischen  Volksschulen  in  Fürth*'  ver- 
fährt in  gleichem  Sinne: 

„Die  zur  Probe  in  die  Schule  aufgenommenen  Kinder  werden  alsbald 
nach  ihrem  Eintritt  untersucht ;  bei  den  übrigen  soll  die  allgemeine  Unter- 
suchung bis  zum  Beginn  der  Ostcrferien  beendigt  sein,  während  die  Unter- 
suchung auf  Seh-  und  Hörfehler  bei  den  Kindern  des  ersten  Jahrganges 
erst  im  Sommer  erfolgt. '^ 

So  hat  sich  in  letzter  Zeit  eine  Dreiteilung  der  Aufnahme- 
Untersuchung  als  zweokmftisig  erwiesen  und  geht  anscheinend  als 
ständige  Einrichtung  in  alle  neueren  Schularztordnungen  über.  Von 
der  gegen  Sohlufs  des  ersten  Schuljahres  yorzunehmenden  Unter- 
suchung der  höheren  Sinnesorgane  wird  noch  an  besonderer  Stelle 
zu  sprechen  sein. 

Sohlieislioh  sei  noch  erwähnt,  dafs  Ober- Schönweide  bei 
Berlin  nur  die  Prüfung  auf  SchulflEÜiigkeit  eingeführt  hat,  im  übrigen 
aber  eine  genaue  Untersuchung  der  Kinder  auf  die  Zuweisung  zur 
Hilfsschule  und  auf  besondere  ins  Ermessen  des  Schulrorstandee 
gestellte  Fälle  beschränkt. 

Wie  nötig  übrigens  die  Feststellung  der  Schulfthigkeit  ist,  und 
wie  häufig  die  Fälle  yorzeitiger  Zuweisung  unreifer  Kinder  zum 
Schulbesuch  yorkommen,  kann  aus  den  in  Berlin  gesammelten  Er- 
fahrungen ersehen  werden.  Die  vom  Jahre  1900  bis  1902  daselbst 
yon  zehn  probeweise  angestellten  Schulärzten  yorgenommenen  Unter- 
suchungen der  Sohulneulinge   hatten  das  Ergebnis,    daCi    im   ersten 


198  740 

Jahre  12,3%,  im  zweiten  Jahre  9,7  %  der  Kinder  vom  Schulbesach 
zurückgestellt  werden  mnfsten.  Die  Zurückstellung  erfolgte  am 
häufigsten  wegen  allgemeiner  Körperschwäche  (26%),  wegen  kurz 
vorher  überstandener  schwerer  Krankheit  (16%),  wegen  Kränklich- 

• 

keit  (Bhachitis,  Skrophulose»  Blutarmut  [16  Vo]),  wegen  ungenügender 
Entwicklung  (10%),  wegen  Lungentuberkulose  (57o),  auTserdem 
wegen  schwerer  Herzfehler,  Keuchhusten,  Epilepsie,  sonstigen  ner- 
vösen Erkrankungen,  Hautkrankheiten,  mangelhafter  Sprachentwick- 
lung u.  s.  w.* 

In  einer  Reihe  von  Städten  besteht  gleichfedls  eine  Vorunter- 
suchung, aber  zu  anderem  Zweck.  Yorbildlich  war  hierfür  §  1, 
Absatz  2,  der  Wiesbadener  Dienstordnung,  welcher  lautet: 

„Aofser  dieser  in  den  ersten  vier  bis  sechs  Wochen  des  Schuljahres 
vorzunehmenden  genanen  Untersucbnng  sollen  die  neu  eintretenden  Kinder 
in  den  ersten  zwei  bis  drei  Tagen  bereits  einer  änlserlichen  ärztlichen 
Revision  unterzogen  werden  behufs  Ermittlung  von  übertragbaren 
Krankheiten  und  Ungeziefer." 

Diese  Bestimmung   haben   auch  die  Städte  Cassel,  Colmar, 

Cottbus,  Hagen  und  Mülhausen  i.  Eis.  aufgenommen;  Aachen 

läfst  ftLr  diese  Art  der  Voruntersuchung  acht  Tage  Zeit,    Essen 

und  Gera  verbinden  die  Untersuchung  auf  übertragbare  Krankheiten 

und  Ungeziefer  mit  der  Hauptuntersuchung. 

Die  Hauptuntersuchung  der  Schulneulinge  findet  an  den 
Orten,  welche  keine  gesonderte  Voruntersuchung  auf  Schul- 
reife besitzen,  in  den  ersten  Wochen  oder  Monaten,  an  den  Orten 
mit  Voruntersuchung  meist  nach  mehrmonatlichem  Schulbesuch  statt, 
muls  aber  überall  bis  zum  Schluis  des  ersten  Halbjahres  vollendet  sein. 

Die  genaue  Untersuchung  aller  neu  in  die  Schule  tretenden 
Kinder  wurde  in  Deutschland  im  Jahre  1897  von  Wiesbaden 
eingeführt,    ist   aber  zuerst  im  Ausland  in  Anwendung  gekommen. 

In  Antwerpen  enthalt  schon  das  ,,B^glement.  Inspection 

hygiönique  et  m^dicale   des  öcoles*'  vom  11.  April   1882  in 

Artikel  3  folgende  ßestimmung: 

,,Dans  les  6coles  primaires  gratuites  et  dans  les  jardins  d'enfants,  les 
m^decins  se  fönt  präsenter,  ä  chaque  6cole,  tous  les  61^ves  re^us,  depuis  la 
Visite  pr^c6dente  et  constatent  l'^tat  de  sant6  de  chacun  d'eux.  Ils  con- 
signent,  dans  un  registre  qui  reste  ä  l'^cole,  le  resultat  de 
cet  examen." 


^  Bericht    über    die  Tätigkeit   der   an   20  Oemeindeschulen   angestellten 
Schulärzte  vom  1.  Juni  1900  bis  1.  Juni  1902  von  Dr.  Arthub  Habtkamn. 


741  199 

Über  Moskan  ist  einer  gütigen  aus  dem  Jahre  1895  stam- 
menden brieflichen  Mitteilung  von  Herrn  Professor  Ebismann  zn 
entnehmen,  dafs  gemäfs  einem  im  Jahre  1888  von  der  Stadtver- 
ordnetenversammlung gefafsten  Beschlufs  den  Schulärzten  unter 
anderem  obliegt: 

„Beim  Schulbeginn  werden  alle  Kinder  vom  Arzt  untersucht,  wobei 
Eücksicht  genommen  wird  auf  Spuren  von  Kuhpockenimpfnng,  akute  oder 
chronische  Infektionskrankheiten,  Haut^  Augen,  Ohren,  Nase,  Bachen,  Zähne, 
innere  Organe,  Blutarmut,  Skrofulöse,  KOrperkonstitution,  Entwicklung  des 
Skeletts,  Anomalien  der  Sprache  u.  s.  w.  Alles  Auffällige  wird  in 
der  Sanitätsliste  des  betreffenden  Kindes  notiert,  und  zwar 
Jahr  für  Jahr." 

Noch  ausführlicher  behandelt  diesen  Gegenstand  der  Erlaüs  des 
Königl.  ungarischen  Ministeriums  für  Kultus  und  öffent« 
liehen  Unterricht  vom  Jahre  1887.  Die  Instruktion  der  allerdings 
nur  für  Mittelschulen  angestellten  Schulärzte  enthält  hier  in  Teil  II 
§§  11  bis  19  genaue  Vorschriften  über  die  Untersuchung  der  Schul- 
neulinge.    Die  allgemeine  Bestimmung  lautet: 

„Der  Schularzt  hat  jeden  neueintretenden  Schüler  zu  Beginn  des 
Schn^ahrs  ....  zu  untersuchen.  Femer  hat  er  auch  die  schon  früher 
aufgenommenen,  aber  ärztlich  noch  nicht  untersuchten  Schüler  ehestens  zu 
untersuchen.  Zu  diesem  Behufe  erscheinen  die  Schüler  einzeln  vor  dem 
Arzte  ....  Über  die  Untersuchung  hat  der  Schularzt  ein  Ver- 
zeichnis zu  führen^  in  welches  er  alle  diejenigen,  bezüglich 
deren  er  in  sanitärer  Hinsicht  etwas  zu  bemerken  findet, 
einzutragen  hat.*' 

Es  ist  dann  weiter  angeordnet,  dafs  die  inneren  Organe,  ins- 
besondere die  Atmungswerkzeuge  und  das  Herz,  untersucht  werden 
müssen,  dafs  zu  ermitteln  ist,  ob  der  Schüler  an  den  Turnübungen 
unbedingt  teilzunehmen  oder  nur  zu  gewissen  Übungen  heranzu- 
ziehen ist,  oder  vom  Turnen  überhaupt  ausgeschlossen  werden  soll; 
dals  auf  Tuberkulose,  auf  Wirbelsäulenverkrümmungen,  auf  Kropf, 
auf  unwillkürlichen  Harnabflufs,  auf  Sprachstörungen,  auf  kontagiöse 
Haar-  und  Hautkrankheiten  zu  achten  ist;  daUs  die  Augen  hinsicht- 
lich Sehvermögen  und  Farbenblindheit,  die  Ohren  in  betreff  krank- 
hafter Prozesse  und  Schwerhörigkeit,  endlich  auch  die  Zähne  in  die 
Untersuchung  einbezogen  werden  mtissen,  und  dafs  aus  allen  krank- 
haften Befunden  die  Konsequenzen  für  den  Unterricht,  für  Anweisung 
von  Plätzen  u.  s.  w.  zu  ziehen  sind. 

Wiesbaden  hatte  also  gute  Muster  vor  sich,  als  es  bei  Erlafs 
seiner  Dienstordnung  jene  bekannten,    seither   in   fast  alle  deutsche 

Der  Sehulant  I.  28 


200  742 

Schularztordnungen  wörtlich  oder  dooh  dem  Sinne  nach  aafgenom- 
menen  Bestimmungen  traf,  die  hier  der  Vollständigkeit  halber  noch- 
mals angeführt  werden  sollen. 

Der  Zweck   der  Untersuchung  ist   in  §  1,  Absatz  1,   kurz  und 
klar  ausgesprochen: 

„Die  Schulärzte  haben  die  neueintretenden  Schüler  genau  auf  ihre 
Eörperbeschaffenheit  und  ihren  Gesundheitszustand  zu  untersuchen,  um  fest- 
zustellen, ob  sie  einer  dauernden  ärztlichen  Überwachung  oder  besonderen 
Berücksichtigung  beim  Schulunterricht  (z.  B.  Ausschlieisung  vom  Unterricht 
in  einzelnen  Fächern,  wie  Turnen  und  Gesang,  oder  Beschränkung  in  der 
Teilnahme  am  Unterricht,  Anweisung  besonderer  Sitzplätze  wegen  Gesichts- 
oder Gehörfehler  u.  s.  w.)  bedürfen/* 

Derselbe  Paragraph  enthält  dann  die  Vorschrift,  dab  über  jedes 
untersuchte  Kind  ein  Gesundheitsschein  auszufüllen  ist,  der  es 
während  seiner  ganzen  Schulzeit  begleiten  soll. 

Die  erst  im  März  d.  J.  beschlossene  Dienstanweisung  in  Mainz 
führt  unter  den  A.ufgaben  der  genauen  Untersuchung  aller  Schul- 
kinder einen  neuen  wichtigen  Gredanken  an,  nämlich  die  Erforschung 
der  ursächlichen  Momente  für  gefundene  Erkrankungen,  mit  beson- 
derer Berücksichtigung  der  gewerblichen  Kinderarbeit. 

Auch  Halberstadt,  dessen  Dienstordnung  aus  der  jüngsten 
Zeit  stammt,  hat  die  Anordnung  getroffen,  dafs  bei  Kindern,  welche 
eine  schlechte  Konstitution  aufweisen,  nach  der  Ursache  zu  forschen 
ist,  wobei  insbesondere  auf  Nebenbeschäftigungen  geachtet  werden  soll. 

Diese  neueren  Bestimmungen  geben  dem  schulärztlichen  Dienst 
noch  mehr  als  es  bisher  schon  der  Fall  war,  eine  soziale  Be- 
deutung. 

Da  weder  in  der  Wiesbadener,  noch  in  der  Mehrzahl  der  anderen 
deutschen  Dienstordnungen  eine  Aufzählung  aller  der  Punkte  ge- 
geben wird,  auf  die  sich  die  Untersuchung  der  Schulrekruten  zu 
erstrecken  hat,  so  empfiehlt  es  sich,  für  diese  Feststellung  die  For- 
mulare der  Gresundheitsscheine  heranzuziehen,  die  in  ihren  einzelnen 
Spalten  einen  Vordruck  für  alles  das  enthalten,  was  vom  Arzt  bei 
jedem  Kinde  geprüft  werden  soll.  Das  Wiesbadener  Formular  ent- 
hält folgende  Bubriken:  Allgemeine  Konstitution,  6rölse,  Gewicht, 
Brustumfang,  Brust  und  Bauch,  Hauterkrankungen  und  Parasiten, 
Wirbelsäule  und  Extremitäten,  Augen  und  Sehschärfe,  Ohren  und 
Gehör,  Mund,  Nase  und  Sprache,  Besondere  Bemerkungen  und  Vor- 
schläge für  die  Behandlung  in  der  Schule,  Mitteilungen  an  die 
Eltern,  Bemerkungen  des  Lehrers. 


743  201 

Dieses  Formular  ist  von  nachfolgenden  Städten  entweder  genau 
oder  mit  geringfügigen  Änderungen  akzeptiert  worden: 

Aachen,  Apolda  (fehlt  die  Spalte  für  Gre wicht),  Bennecken- 
stein,  Bielefeld  (eigene  Spalte  für  Zähne),  Britz,  Cassel,  Ohar- 
lottenburg,  Chemnitz  (fügt  am  Schlufs  noch  folgende  Rubriken 
bei:  länger  dauernde  Erkrankungen,  Leistungsfähigkeit,  Charakter), 
Cottbus,  Darmstadt,  Dülken,  Ebersbaoh,  Elmshorn  (eigene 
Spalte  für  geistige  Entwicklung),  Flensburg,  Forst  fi.eg.-Bezirk 
Frankfurt  (fehlt  GrölSse,  Gewicht  und  Brustumfang),  Frankfurt  a.  M., 
Friedrichshagen,  Göttingen,  Hagen,  Heilbronn,  Lichten- 
berg, Malstadt-Burbach,  Mülhausen  i.  Eis.,  Oberschönweide, 
Posen,  Remscheid,  Steglitz  (fehlt  Brustum&ng),  Strafsburg  i.E., 
St.  Johann,  Weimar  (fehlt  Gewicht),  Zittau  und  Zeitz  (fehlt 
GröCse,  Gewicht  und  Brustumfang). 

Einige  Städte  der  Rheinprovinz  stellen  zwar  dieselben 
Fragen  wie  Wiesbaden,  es  haben  aber  Zusammenziehungen  einiger 
Rubriken  stattgefunden,  so  dafs  in  einer  Spalte  vereinigt  sind: 
a)  Brust  und  Bauch,  b)  Wirbelsäule  und  Extremitäten,  c)  Haut- 
krankheiten und  Parasiten;  und  ebenfalls  in  eine  Spalte  sind  zu- 
sammengezogen: a)  Augen  und  Sehschärfe,  b)  Ohren  und  G^hör, 
c)  Mund,  Zähne,  Nase  und  Sprache.  In  allen  anderen  Rubriken 
deckt  sich  das  Formular  mit  dem  von  Wiesbaden.  Dadurch  sind 
zwar  vier  Spalten  erspart,  jedoch  scheint  der  Raum  zu  knapp  be- 
messen, besonders  bei  den  Sinnesorganen.  Hierher  gehören:  Bonn, 
Cöln,  Düren  und  Stolberg.  Ihnen  schlieist  sich  Insterburg 
an,  bei  dem  aber  die  Spalte  für  Brustumfang  fehlt,  und  Königs- 
hütte,  bei  dem  Grölse  und  Gewicht  fehlen.  Königsberg  in  Pr. 
fügt  sich  in  dem  vom  Schularzt  auszufüllenden  Teil  dem  rhein- 
ländischen  Formular,  enthält  aber  noch  folgende  Spalten  für  Ein- 
tragungen des  Klassenlehrers:  Erkrankungen  des  Schülers  mit  Datum- 
angabe, Mitteilungen  an  die  Eltern,  ob  dieselbe  mit  Erfolg  war, 
schlechtes  Mitkommen,  physische  Eigentümlichkeiten,  besondere 
häusliche  Verhältnisse,  besonderer  Platz  in  der  Klasse,  Dispensation 
von  bestimmten  Fächern. 

Die  sächsischen  Städte  (Leipzig,  Crimmitschau,  Zwickau) 
weichen  vom  Wiesbadener  Formular  dadurch  ab,  dais  sie  Gröise, 
Gewicht,  Brustumfang,  Wirbelsäule  und  Extremitäten  nicht  auf- 
genommen (letztere  sollen  nach  den  Erläuterungen  unter  der  Rubrik : 
Allgemeine  körperliche  Beschaffenheit  notiert  werden),  dafür  aber 
folgende  Spalten  hinzugefügt  haben :  Allgemeine  geistige  Beschaffen- 

23* 


202  744 

heit,  Ursftohliolie  Verhältnisse,  Ist  ärztliche  Behandlung  erforderlich 
und  waram?  Ist  ärztliche  Behandlung  erfolgt  und  mit  welchem  Er- 
gebnisse? Die  Bückseite  des  G-esundheitsscheines  enthält  zu  jeder 
der  11  Spalten  erläuternde  Bemerkungen.  Daraus  gebt  u.  a.  hervor, 
dals  die  Spalte  für  allgemeine  geistige  Beschaffenheit  nach  An- 
gaben des  Lehrers  zu  beantworten  ist,  dals  es  für  die  Unter- 
suchung des  Herzens  genügt  y,die  Herztöne  an  der  Spitze  und  Basis 
schnell  abzuhören,  um  etwaige  Klappenfehler  zu  finden",  dafs  eine 
Untersuchung  der  Lungen  nur  bei  Verdacjit  auf  Erkrankung  der- 
selben erfolgen  soll.  Über  die  Prüfung  des  Seh-  und  Hörvermögens 
sind  genaue  Anweisungen  gegeben,  auf  die  an  späterer  Stelle  näher 
eingegangen  werden  soll.  Bei  der  Untersuchung  der  Mundhöhle 
heilfit  es,  dafs  dazu  ein  Spatel  oder  Löffel  notwendig  ist,  der  nach 
jedesmaligem  Gebrauche  gereinigt  werden  soll.  Hierbei  sei  auf  den 
schon  erwähnten  Bericht  des  Stadtbezirksarztes  Dr.  Poetteb^  hin- 
gewiesen, wonach  es  in  Leipzig  üblich  ist,  den  Spatel  mit  Borsäure 
zu  reinigen  oder  die  Kinder  mit  eigenem,  mitgebrachtem  Löffel  zu 
untersuchen. 

Es  darf  an  dieser  Stelle  wohl  die  Bemerkung  eingeschaltet  werden» 
dafs  für  Massenuntersuchungen,  die  im  Schulhause  selbst  erfolgen,  der 
Gebrauch  eines  Zungenspatels  oder  einiger  weniger  derartiger  Instru- 
mente verboten  werden  sollte.  Die  Reinigung  nach  jedesmaligem 
Gebrauch  kann  hier  niemals  mit  derselben  Gründlichkeit  geschehen 
wie  im  ärztlichen  Sprechzimmer.  Das  Waschen  des  Spatels  mit 
Borlösung,  auch  wenn  hierzu  nach  jedem  Gebrauch  frische  Lösung 
genommen  wird,  kann  nicht  für  absolut  sicher  gelten,  und  wenn 
auch  die  Gefahr  einer  Übertragung  von  Infektionsstoffen  bei  solchem 
Vorgehen  nicht  gerade  sehr  grofs  ist,  so  kann  sie  doch  nicht  als 
ausgeschlossen  bezeichnet  werden,  und  es  besteht  die  Möglichkeit, 
dals  aus  dieser  Handhabung  eine  Waffe  gegen  die  Schüleruntersuchung 
überhaupt  geschmiedet  werden  könnte. 

Aus  gleichem  Grunde  ist  das ,  in  den  Erläuterungen  der  sächsi- 
schen Gesundheitsscheine  enthaltene  Verbot,  den  Nasenrachenraum 
mit  dem  Finger  zu  untersuchen,  durchaus  zu  billigen. 

Eine  etwas  abweichende  Einteilung  hat  der  grofsherzoglich 
Hessen-Darmstädter  „G^sundheitsbericht**,  dem  sich  der  ^Per- 
sonalbogen'^  von  Halberstadt  zwar  mit  abweichender  Form,  aber 
mit  genau  übereinstimmenden  Rubriken  anschliefst:  1 — 3.  Datum  und 


'  Diese  Zeäschriß,   1902,   S.  241. 


745  203 

Name  des  Arztes  (des  Lelirers),  4.  Kinderkrankheiten  (aus  dem  an 
die  Eltern  gerichteten  Fragebogen  ^,  knrz  einzutragen),  5.  karzsiohtig, 
6.  schielt,  7.  schwerhörig,  8.  stottert,  9.  lungenkrank,  10.  herzkrank, 
11.  mit  Bruchschaden  behaftet,  12.  mit  schiefer  Wirbelsäule,  13.  mit 
Fehlem  in  Mund,  Rachenhöhle,  Nase,  14.  mit  Hautkrankheit,  lö. 
epileptisch,  16.  geistig  auffällig  zurückgeblieben  und  weshalb? 

In  Coburg  lehnt  sich  der  „Gesundheitsbericht"  an  den  von 
Darmstadt  an,  doch  mit  folgenden  Abweichungen:  Eigene  Spalten 
für  Skrofulöse,  Magen-  und  Darmerkrankungen,  Kropf,  auffällig 
schadhafte  Zähne;  Trennung  der  Lungenkrankheiten  in  Lungen- 
tuberkulose und  andere  Erkrankungen  der  Atmungsorgane;  Trennung 
der  Herzkrankheiten  in  organische  Erkrankungen  und  sonstige  Herz- 
leiden; am  Schlufs  eine  Spalte:  andere  vorstehend  nicht  aufgeführte 
Krankheiten  und  sonstige  Bemerkungen. 

Die  sonst  vorliegenden  Gesundheitsscheine  tra;gen  ihr  eigenes 
Gepräge  und  lassen  sich  nicht  weiter  gruppieren. 

Alle  bekannt  gewordenen  Formulare  führen  die  Spalten  für 
Auge,  für  Ohr  und  für  Mund,  Nase  und  Nasenrachenraum.  Mit 
letzterer  Rubrik  ist  die  Frage  nach  Sprachstörungen  vereinigt  in 
Crefeld  und  in  Meiderich,  während  eine  gesonderte  Rubrik  für 
Sprachstörungen  in  Breslafti,  Grofslichterfelde  und  Hanau 
vorhanden  ist.  Die  Beschaffenheit  der  Zähne  ist  besonders  erwähnt 
in  Erfurt  und  in  Grofslichterfelde. 

Fast  ebenso  allgemein  wie  die  Rubrik  für  die  Sinnesorgane  ist 
die  für  allgemeine  Körperbeschaffenheit  zu  finden,  nicht  so  regel- 
mäfsig  ist  jedoch  die  Frage  nach  der  geistigen  Befähigung,  der  man 
nur  in  Bromberg,  Crefeld,  Grofslichterfelde  und  Löbtau 
begegneti  und  dann  auch  in  Hanau,  welches  in  getrennten  Spalten 
nach  besonderen  geistigen  Fähigkeiten  und  geistigen  Schwächen 
fragt. 

Eine  weitere  Übereinstimmung  fast  aller  Formulare  liegt  in  der 
Anführung  von  Hautkrankheiten  und  Parasiten  und  von  Erkran- 
kungen der  Organe  der  Brust-  und  Bauchhöhle,  wobei  eine  geson- 
derte Frage  nach  ünterleibsbrüchen  von  Breslau,  Danzig,  Hanau 
und  Meiderich  gestellt  wird. 

Die  Rüokgratsverkrümmungen  sind  meist  mit  Knochenbau,  Ex- 
tremitäten, Körperbau  u.  dergl.  zusammengefafst  und  fehlen  nur  in 
wenigen  Gesundheitsscheinen. 


^  Vergl.  oben  Seite  155  (613). 


204  746 

Besondere  Erwähnnng  verdienen  noch  folgende  vereinzelt  auf- 
tretende Rnbriken: 

Nervenleiden  in  Breslau  und  Erfurt. 

Konstitntionsanomalien  (Blutarmut,  Skrofulöse,  Lymphdrüsen) 
in  Breslau  und  Bromberg. 

Chronische  Infektionskrankheiten,  insbesondere  Tuberkulose  und 
kontagiöse  Augenkrankheit  (Granulöse)  in  Dan  zig. 

Hereditäre  Verhältnisse  und  bisherige  Krankheiten  in  Danzig. 

Ans  einer  Reihe  von  Städten  mit  zum  Teil  vortrefflichen  schul- 
ärztlichen Einrichtungen  liegen  Gesundheitsbogen  leider  nicht  zum 
Vergleich  vor,  doch  dürften  die  angeführten  vollauf  genügen,  um  die 
Aufmerksamkeit  auf  alle  Einzelheiten  zu  lenken,  die  hierbei  in  Be- 
tracht kommen.  Sehr  wünschenswert  wäre  ein  für  alle 
deutschen  Städte  gleichheitlich  eingerichtetes  Formular, 
damit  die  darauf  sich  aufbauenden  Jahresberichte  unter  sich  ver- 
gleichbar und  zu  einer  grolsen  allgemeinen  Statistik  verwertbar 
wären.^  Die  wissenschaftlichen  Früchte  der  in  erster  Linie  allerdings 
praktischen  Zwecken  dienenden  schulärztlichen  Untersuchungen 
könnten  auf  diesem  Wege  der  Ernte  entgegenreifen.  Die  Einigung 
über  ein  gemeinsames  Formular  dürfte  ein  dankbares  Arbeitsfeld  für 
Bchulhygienische  Kongresse  bilden.  Nebenher  sei  noch  bemerkt, 
dais  an  einzelnen  Orten  nur  sehr  allgemein  gehaltene  dürftige  Scheine 
in  Verwendung  stehen. 

Über  das  spätere  Schicksal  der  Gesundheitsscheine,  wenn  das 
Kind  die  Schule  verlassen  hat,  scheint  sich  eine  einheitliche  Praxis 
noch  nicht  herausgebildet  zu  haben.  Halberstadt  bestimmt  darüber 
in  §  2:  „Diese  Personalbogen  sind,  soweit  sie  Knaben  betreffen,  nach 
Schulentlassung  noch  zehn  Jahre  lang  aufzubewahren.''  ESs  geschieht 
dies  offenbar,  um  erforderlichenfalls  bei  der  AushebuDg  zum  Militär 
Anhaltspunkte  zu  bieten.  Am  einfachsten  wäre  es  wohl,  wenn  man 
diese  Scheine  bei  der  Schulentlassung  den  Eltern  einhändigen  wollte. 

Für  Kinder,  die  zur  Aufnahme  in  Hilfsschulen  (Neben- 
klassen,  Schulen  für  Schwachsinnige)  bestimmt  sind,  haben  einzelne 
Städte  besondere  Personalbogen  aufgestellt. 

In  Halle  unterscheidet  er  sich  nicht  von  den  anderwärts  für 
vollsinnige  Kinder  bestimmten.  Li  Berlin  beziehen  sich  die  ersten 
zehn  vom  B«ktor  zu  beantwortenden  Fragen  auf  das  bisherige  Schul- 


^  Vergl.  Dr.  Sjlmosoh,  Über  schulärztliche  Statistik,  in  No.  4  and  6 
Zeitschrift, 


74/  205 

leben  und  die  Lernerfolge,  dann  folgen  die  Fragen  an  den  Arzt 
über  allgemeine  Körperbesohaffenheit  (Skrofulöse,  Bhaohitis,  Tuber 
kulose,  Lues,  Kopfbildung),  nervöse  Störungen,  psychische  Fähig 
keiten,  Seh-  und  Hörvermögen,  Sprache,  Zustand  der  Atmungsorgane 
adenoide  Wucherungen,  und  Vorgeschichte:  a)  Heredität  (Geistes 
krankheiten,  Verbrechen,  Blutsverwandtschaft,  Tuberkulose,  Lues 
Alkoholismus),  b)  Wirtschaftliche  Lage  und  Ernährungszustand  der 
Eltern,  c)  Entwicklung  des  Eandes  (Zahnung,  Beginn  des  Gehens 
Beginn  des  Sprechens,  häusliche  Erziehung,  Verhältnisse  der  Eltern) 
d)  Überstandene  Krankheiten  (Meningitis,  Krämpfe,  Verletzungen 
Operationen,  Schädelverletzungen  bei  der  Geburt,  Infektionskrank 
Leiten).  Am  Schlub  haben  Arzt  und  Schulinspektor  ein  zusammen 
fassendes  urteil  abzugeben.  In  Remscheid  wird  gefragt  nach 
Sinnesorganen,  Sprachfehlem,  Epilepsie,  Blödsinn,  hochgradigem 
Schwachsinn,  geistiger  Schwäche,  Nervosität,  moralischem  Defekt, 
Folgen  von  Krankheiten,  körperlicher  Entwicklung,  Kopfbildung, 
fiimkrankheit,  Schwindsucht  und  Elrüppelhaftigkeit. 

(Fortsetzung  folgt.) 


kleinere  Mitttünn^tn. 


Zur  Schularztfrage  in  Berlin.  Nachdem  die  Schülarzteinrichtüng 
in  Berlin  seit  zwei  Jahren  probeweise  ftlr  eine  kleinere  Anzahl  von  Schalen 
bestanden  hat,  wurde  dieselbe  zu  einer  dauernden  Einrichtung  gemacht  und 
auf  sämtliche  Gemeindeschulen  ausgedehnt.  An  Stelle  der  früher  vorhan- 
denen zwölf  Schulärzte  sind  vom  1.  September  d.  J.  ab  36  getreten. 
Während  frtther  jeder  Schularzt  zwei  Schulen  mit  je  etwa  1000  Kmdem 
zu  versorgen  hatte,  erstreckt  sich  die  Tätigkeit  der  36  Schulärzte  auf 
264  Gemeideschulen  mit  4576  Klassen  (einschliefslich  91  Nebenklassen 
für  Schwachbegabte)  und  216040  Kindern.  Auf  jeden  Schularzt  entfallen 
somit  etwa  6000  Kinder.  Die  Mehrleistung,  die  mit  der  Neuordnung 
verbunden  ist,  wird  ausgeglichen  einerseits  dadurch,  da(s  manche  Arbeit, 
welche  bisher  von  den  wenigen  Schulärzten  geleistet  wurde,  sich  jetzt  auf 
sämtliche  verteilt,  andererseits  durch  die  Verdoppelung  des  Gehaltes 
(2000  Mark), 

Von  Anfang  an  war  der  schulärztliche  Dienst  in  Berlin  etwas  anders 
organisiert  als  nach  dem  von  Seite  des  preuTsischen  Unterrichtsministeriums 
empfohlenen  Wiesbadener  Muster,  und  zwar  in  zwei  wesentlichen  Punkten. 
Erstens    wurde    darauf   gehalten,    dafs  der  Schularzt   nicht  nur  mit  dem 


206  748 

Schalkinde,  sondern  auch  mit  dessen  Eltern  in  Beziehung  tritt.  Das  Kind 
soll  nicht  in  Abwesenheit  der  Eltern,  sondern  in  Gegenwart  derselben, 
insbesondere  der  Matter,  antersacht  werden,  da  sich  nar  durch  die  An- 
gaben der  Matter  eine  sichere  Benrteilang  über  das  frühere  Verhalten  des 
Kindes  und  über  das  Verhalten  zur  Zeit  der  Untersnchang  gewinnen  läfst. 
Durch  die  Rücksprache  mit  der  Mutter  des  Kindes  kann  dieselbe  über 
seinen  Gesundheitszustand  unterrichtet  und  können  ihr  Ratschläge  erteilt 
werden.  Nach  der  gemachten  Erfahrang  wurden  solche  Ratschläge  sehr 
dankbar  entgegengenommen  und  in  der  Regel  auch  befolgt. 

Aufserdem  unterscheidet  sich  die  Berliner  Einrichtung  dadurch,  dals 
keine  Gesundheitsscheine  ausgestellt  und  geführt  werden.  Nur  für  Kinder, 
die  mit  krankhaften  Zuständen  behaftet  sind,  werden  Überwachungsscheine 
ausgestellt,  welche  vom  Klassenlehrer  aufzubewahren  sind.  Die  Kinder 
mit  Gberwachungsscheinen  unterliegen  der  dauernden  Beobachtung.  Da- 
durch, dafs  die  Gesundheitsscheine  in  Wegfall  kommen,  wird  den  Schul- 
ärzten viel  Arbeit,  insbesondere  Schreibarbeit,  erspart  und  kann  den  mit 
Krankheitszuständen  behafteten  Kindern  grö&ere  Aufmerksamkeit  geschenkt 
werden.  (Mitget.  v.  Prof.  Dr.  A.  HAETMANN-Berlin.) 

OhreflSrztliche  Untersnchang  von  Schnlkiiideni.  In  70  Schul- 
orten des  Kreises  Marburg  wurden  sämtliche  7537  Schulkinder  auf  ihre 
Hörfähigkeit  geprüft,  wobei  28,4%  nicht  normalhOrig  gefunden  wurden. 
In  Bukarester  Schulen  fand  Dr.  Felix  sogar  31  %.  Bei  Schwerhörigkeit, 
die  bei  den  Kindern  häufig  unbemerkt  bleibt  und  Yon  den  Eltern  als  Un- 
aufmerksamkeit oder  Dummheit  aufgefalst  wird,  leidet  die  ganze  geistige 
Entwicklung  der  Kinder,  da  sie  dem  Unterricht  nicht  zu  folgen  vermögen. 
So  kommt  es,  dafs  die  Untersuchungen  bei  den  guten  Schülern  einen  er- 
heblich geringeren  Prozentsatz  der  Schwerhörigkeit  nachweisen  konnten  als 
bei  den  schlechten  Schülern. 

Schnlärite  in  GSrlitz.  Der  Magistrat  von  Görlitz  stellte  bei  der 
Stadtverordnetenversammlung  den  Antrag,  2100  Mark  in  den  Etat  für 
1904  zum  Zweck  der  Anstellung  von  Schulärzten  einzusetzen  und  begrün- 
dete diesen  Antrag  sehr  treffend  wie  folgt:  Ein  groiser  Teil  der  Schüler 
tritt  schon  krank  in  die  Schule  ein.  Diese  Krankheiten  sind  besonders  in 
der  ärmeren  Bevölkerung  den  Eltern  grölstenteils  gar  nicht  bekannt,  z.  B. 
Herz-  und  Lungenkrankheiten,  Yergröfserung  der  Gaumen-  und  Rachen- 
mandeln, Rückgratsverkrümmungen,  Sehstörungen,  Schwerhörigkeit  u.  s.  w. 
Den  Schulärzten  soll  die  Aufgabe  zufallen,  diese  Krankheiten  festzustellen 
und  die  Eltern  auf  die  Notwendigkeit  ärztlicher  Hufe  aufmerksam  zu 
machen.  Der  Erfolg  hat  gezeigt,  dais  die  Eltern  fast  ausnahmslos  dieser 
Forderung  nachkommen,  und  dafs  so  ein  grofser  Teil  von  E^rankheiten 
beseitigt,  gebessert,  oder  wenigstens  nicht  schlimmer  geworden  sind,  die 
bei  weiterer  YemacblässiguDg  zu  Siechtum  und  Verkrüppelung  AnlaDs  ge- 
geben hätten.  In  jedem  Falle  bleiben  kranke  Kinder  unter  ständiger 
schulärztlicher  Kontrolle,  bis  sie  geheilt  sind. 

Die  Schulärzte  haben  dafür  zu  sorgen,  dafs  die  Kinder  durch  den 
Besuch  der  Schale  keine  Beschädigungen  erleiden  und  sind  verpflichtet, 
die  Schuleinrichtungen  beständig  in  Rücksicht  auf  die  Gesundheit  der 
Schüler  zu  überwachen. 


749  207 

Znr  Zeit  des  Herrschens  ansteckender  Krankheiten  haben  die  Schul- 
ärzte die  Kranken  nnd  Krankheitsverdächtigen  frühzeitig  vom  Schnlbesnche 
auszaschliefsen  nnd  dafür  Sorge  zn  tragen,  daCs  die  Erkrankten  erst  nach 
dem  Erlöschen  jeder  Übertragnngsgefahr  wieder  eintreten.  Es  hat  sich 
gezeigt,  dals  hierdurch  der  Verbreitung  ansteckender  Krankheiten  wirksam 
entgegengetreten  wurd. 

Die  Stadtverordneten  haben  ihre  Zostimmong  erteilt,  so  dafs  die  schon 
seit  längerer  Zeit  im  Entwurf  fertig  gestellte  Dienstordnung  nunmehr  in 
Kraft  treten  kann.  Es  werden  sechs  Schulärzte  angestellt,  deren  Ernen- 
nung bereits  erfolgt  ist. 

Die  Schularatflrage  in  Eisenach  stand  vor  kurzem  auf  der  Tages- 
ordnung des  Schulvorstandes.  Der  Referent,  Schuldirektor  Heiland,  stellte 
die  Untersuchung  der  neueintretenden  Kinder  als  besonders  wichtig  hin, 
damit  die  Schule  kranke  Kinder  indiriduell  berücksichtigen  könne.  Im 
übrigen  aber  bezeichnete  er  die  Anstellung  von  Schulärzten  mehr  als  eine 
Wohlfahrtseinrichtung,  bei  der  das  „schulische*'  Interesse  erst  in  zweiter 
Linie  komme.  Das  Direktorenkollegium  nehme  daher  eine  abwartende 
Stellung  ein.  Die  Kosten  wurden  auf  1080  Mark  veranschlagt.  Dr.  Rein- 
HABD  und  einige  andere  Redner  traten  unter  Hinweis  auf  die  der  Sache 
wohlwollende  Stimmung  der  Lehrerkonferenzen  und  der  Lehrerzeitung  für 
Schulärzte  ein.     Die  Sache  wurde  vertagt. 

Zu  Onnsten  der  Schnlarzteinriehtnng  hat  sich  unlängst  der  Be- 
zirkslehrerverein Dresden-Land  ausgesprochen,  indem  er  für  die  Yer- 
treterversammlung  des  Sächsischen  Lehrervereins  folgenden  Antrag  ein- 
brachte: „Die  Yertreterversammlung  wolle  beschlie&en:  Der  Sächsische 
Lehrerverein  erblickt  in  der  Tätigkeit  besonders  vorgebildeter  Schulärzte 
als  Ratgeber  in  hygienischen  Fragen  für  alle  Schulen  des  Landes  eine 
segensreiche  Unterstützung  der  Lehr-  und  Erziehungsarbeit.  Deshalb  hält 
er  die  Förderung  der  Schularztangelegenheit  bis  zur  landesgesetzlichen 
Regelung  auf  dem  Verordnungswege  fUr  wünschenswert.  Bei  der  Auf- 
stellung der  Bestimmungen  über  die  Tätigkeit  der  Schulärzte  erachtet  er 
die  Mitarbeit  von  Schulmännern   aller  Gattungen   von  Schulen  für  nötig." 


Jahresbericht  Aber  die  sehnlärztliche  Tätigkeit  in  den  Mittel-  und 
Stadtschulen  der  Haupt-  und  Residenzstadt  Darmstadt  im  Schul- 
jahr 1902/1903.     Von  Dr.  Büchhold,  zurzeit  ältester  Schularzt. 
Die  allgemeine  Konstitution  der  3239  aus  den  Klassen  8,  6,  4  und 
1  untersuchten  Kinder  wurde  bei  32,75  %  gut,  bei  63,59  %  mittel  und 
bei  3,64  %  schlecht  gefunden.     Seit  1899    hat  sich  der  Prozentsatz   der 
guten  Konstitution  um  ca.  4  %  gehoben,    während  die  relative  Zahl  der 
schlechten  annähernd  gleich  geblieben  ist. 

Blutarmut  wurde  bei  7,10 7o  der  Mädchen  und  bei  6,02  7o  der 
Knaben  gefunden,  und  ist  die  häufigste  unter  den  einzelnen  Erkrankungs- 
formen geblieben. 


208  750 

Die  Zahl  der  skrophnlösen  Kinder  betrag  bei  Mädchen  0,95 Vo 
und  bei  Knaben  0,52Vo.  Rhachitis  war  bei  1,11%  der  Mädchen  nnd 
bei  1,48%  der  Knaben  vorhanden.  Die  meisten  dieser  Kinder  wurden 
in  der  Unterklasse  gefunden,  und  es  kamen  in  den  oberen  Jahrgängen  nur 
noch  vereinzelte  Fälle  vor. 

Erkrankungen  der  Wirbelsäule  und  der  Extremitäten  fanden  sich 
bei  0,64  %  der  Mädchen  nnd  bei  0,93  %  der  Knaben.  Erkrankungen 
Yon  Mund,  Nase  und  Hals  im  ganzen  bei  4,41  %  der  Kinder. 

Fehler  der  Lunge,  der  Luftröhre  und  des  Rippenfells  waren 
bei  0,81  %  der  Kinder  nachweisbar,  wobei  zu  erwähnen  ist,  dals  schwere 
Lungenerkrankungen  selten  vorkamen  nnd  Tuberkulose  nur  vereinzelt  kon- 
statiert wurde. 

Leiden  des  Herzens  nnd  Herzbeutels  lagen  bei  1,28%  vor, 
doch  waren  die  meisten  dieser  StOrangen  nur  abnorme  Herzgeräusche  in- 
folge von  Blutarmut,  und  nur  wenige  Fälle  betrafen  organische  Herzfehler, 
denen  besondere  Aufmerksamkeit  zugewandt  wurde  durch  Zuweisung  von 
Landaufenthalt,  Badekuren  und  Milchfrühstttck. 

ünterleibsbrttche  wurden  bei  Mädchen  gar  nicht,  bei  Knaben  in 
0,57  %  beobachtet.  Diese  Kinder  wurden  bei  jedem  Klassenbesuch  nach- 
gesehen, zur  Tragung  eines  Bruchbandes  angehalten  und  beim  Turnunter- 
richt berflcksichtigt. 

Die  Zahl  der  Hauterkrankten  beläuft  sich  auf  2,26%. 

Parasiten  wurden  bei  5,9%  gefunden,  und  zwar  fielen  davon 
5,75  %  auf  Mädchen  und  nur  0,15  %  auf  Knaben.  Es  zeigt  sich  hier 
der  EinfluTs  der  langen  Haare,  der  auch  bei  den  häufigen  RückfUlen  zwangs- 
weise im  Krankenhaus  gereinigter  Mädchen  zum  Ausdrack  kommt,  so  dafe 
man  es  für  wünschenswert  erklären  mufs,  dafs  sämtlichen  einmal  mit  Un- 
geziefer behafteten  Mädchen  die  Haare  unter  allen  Umständen  kurz  ge- 
schoren und  kurz  gehalten  werden  mOgen. 

Abnormitäten  der  Augen,  einschlielslich  entzündliche  Leiden  und 
Anomalien  der  Refraktion,  waren  bei  6,23  %  vorhanden. 

Ohrenkrankheiten  anffallenderweise  nur  bei  2,22%. 

Sprachfehler  hatten  1,23%  au&uweisen,  geistige  Schwäche  0,43%, 
wobei  indes  zu  bemerken  ist,  dals  die  Insassen  der  Hilfsschulen  hierbei 
nicht  mitgezählt  sind.  Über  diese  Klassen  ist  ein  eigener  Bericht  des 
Dr.  Langsbosf  beigefQgt. 

Die  Zahl  der  dauernd  Überwachten  betrug  1,14%. 

Eine  Anzahl  Tabellen  geben  lehrreiche  Einzelheiten  über  die  Kranken- 
bewegung in  den  Darmstädter  Schulen. 

Der  weitere  Inhalt  des  Jahresberichtes  beschäftigt  sich  mit  Verbesse- 
nmgen  an  den  Vorhängen,  mit  der  Frequenz  der  Schulbrausebäder,  mit 
Wahl  von  Schulbänken,  mit  Erfahrungen  über  Fuisbodenanstrich  mit 
Dustlessdl,  das  befriedigende  Ergebnisse  lieferte.  Der  Vorschlag,  zu  den 
Erstuntersuchungen  der  Kinder  die  Mütter  einzuladen,  wie  es  in  Elmshorn 
geschieht,  wurde  mit  der  Begründung  abgelehnt,  dals  dies  nur  in  kleinen 
Städten  durchfahrbar  sei,  in  gröberen  aber  durch  den  Andrang  der  Mütter 
st(tarend  wirken  müsse.  (Ver^eiche  jedoch  die  Durchführung  dieser  Ein- 
richtung in  Berlin.     D.  R.) 


Jritfilirift  fit  S|Bl9rfni)i||cit$||l(ir. 

XVI.  Jahrgang.  1903.  No.  11, 


Ein  Beitrag  nur  SchnlgesniidheitspfleKe.^ 

Von 
Dr.  Cabl  HENNiG-Leipzig. 

Motto:  Im  Kinde  iit  ein  Quell  Ton  manoherlei 
Leben,  nar  noch  mit  Dnft  nnd  Nebel 
bedeckt.  Herder. 

Als  Sohn  eines  Sohulmeisteis,  welchen  Liebe  zur  Jngend,  zur 
Natur  und  zur  Wissenschaft  bis  in  das  Qreisenalter  hinein  erfüllten 
und  geistig  aufrecht  erhielten,  nachdem  sein  Augenlicht  schon  trübe 
geworden,  erfasse  ich  gern  die  mir  gewordene  Anregung,  einiges 
Erlebte  zu  einer  Betrachtung  über  die  Gesundheitspflege  des  Schul- 
kindes zu  verwenden. 

Vorurteile  zu  beseitigen,  schwache  Gemüter  zu  stützen,  zu 
lehren,  wie  Versäumtes  gut  zu  machen  sei,  gehört  ja  zu  dem  be- 
glückenden Berufe  des  Arztes. 

Da  Erziehung  und  Unterricht  die  Hauptaufgaben  der  Schule 
sind,  so  darf  ich  zunächst  bei  der  Fürsorge  für  das  jugendliche 
Wohlbefinden  verweilen. 

Jean  Paul,  Fbiedb.  Heinb.  Christ.  Sghwasz,  Pestalozzi 
halten  den  Wahlspruch  hoch: 

„Nur  in  Lust  und  Freude  gedeiht  der  kindliche  innere  Sinn.^ 

Was  mit  Unlust  getrieben  wird,  trägt  herbe,  saure  Früchte. 
Unlust  entsteht  während  noch  so  trefflicher  Belehrung,  sobald  das 
Kind  Langweile  fühlt,  aber  auch  —  solange  es  enge  Schuhe  trägt. 


^  Obgleich  diese  Abhandlung  nichts  eigentlich  Neues  bringt  und  obgleich 
wir  mit  einzelnen  ÄaÜBemngen  des  Verfassers  nicht  einverstanden  sind,  haben 
wir  ihr  gern  Fiats  gegeben,  weil  sie  Ton  warmer  Liebe  far  die  Jagend  doroh- 
dmngen  ist  und  uns  in  zu  behersigenden  Worten  daran  erinnert,  dals  die 
Schule  noch  andere  Aufgaben  hat,  als  den  leider  immer  mehr  in  den  Vorder- 
grund tretenden  Drill.    (D.  £ed.) 

Sehiügesiudheitopflege.  XVI.  38 


752 

Das  Pedantische,  Strenge,  Trockene  kann  nur  als  Rahmen  des 
Unterrichts  dienen  nnd  geht  bei  Mutwillen  nnd  hartnäckigem  Wider- 
stand des  Zöglings  in  die  zu  strafende  Form  über,  welcher  die  wohl- 
tätige Arznei  gewachsen  ist.  Wie  bei  jedem  Heilmittel,  so  ist 
auch  bei  dem  erzieherischen  die  Wahl  der  Strafe,  die  Zeit  ihrer 
Wiederholung  und  Dauer  dem  weisen  Ermessen  des  erfahrenen 
Schulmannes  zu  überlassen;  Nachtragen  ist  schädlich.  Ohne  Zucht 
keine  Erziehung  —  man  bildet  ein  schwer  lenkbares  Geschlecht 
heran,  wenn  man  körperliche  Strafe  neuerdings  ganz  beseitigen  will; 
Ehrfurcht  vor  den  Eltern,  vor  Erwachsenen  überhaupt,  namentlich 
Tor  dem  Alter  gehen  verloren.  Ein  zu  zeitig  gewecktes  Selbst- 
bewufjstsein  reift  rohe  Gresellen,  böse  Buben. 

Es  ist  eine  rühmliche  Einrichtung  in  den  Städten,  auch  in 
vielen  ländlichen  Orten,  dais  die  Kinder  vor  der  Pfiichtschule  in 
Grärten,  von  sanften  Jungfrauen  geleitet,  und  in  Spielschulen  ins 
Schülerleben  eingeführt  werden.  Gbabneb  gibt  in  seiner  Reise- 
beschreibung von  den  Niederlanden  Nachricht  von  Spielschuien, 
wohin  man  die  Kinder  früher  als  in  die  Lehrschulen  gehen  läfst. 
Diesen  Gedanken  hat  Schbebeb,  welchem  jetzt  in  den  nach  ihm 
benannten  Gärten  westlich  von  Leipzig  eine  Büste  gewidmet  wird, 
praktisch  aufgefafst.  Viel  Heil  und  Zeitgewinn  sind  aus  diesen 
trefflichen  Einrichtungen  hervorgegangen.  Li  Gesang  und  Tanz 
werden  Volksweisen  und  Sinngedicl  te  gekleidet.  Dabei  hat  das 
Kind  frische  Luft,  bewegt  sich  unter  seinesgleichen,  knüpft  Freund- 
schaften —  Kinder  erziehen  einander!  —  und  lernt  spielend  die 
Vorstufen  zu  Gediegenerem  ersteigen. 

In  gleichem  Verständnis  für  das  Volkswohl  sind  seit  mehr  als 
50  Jahren  in  den  Lehrplan  Tum-  und  Exerzierübungen  eingefügt 
Was  das  Turnen  für  Mädchen  betrifit,  so  ist  für  städtische 
Schülerinnen  das  Turnen  an  Geräten  bis  auf  leichtere  Übungen  vom 
12.  Lebensjahr  an  aus  leiblichen  Ursachen  nicht  mehr  rätlich,  das 
Kaltbaden  und  Schwimmen  Blutarmen  zu  untersagen,  meist  auch 
den  Gehörleidenden. 

Hier  komme  die  Frage  der  Überbürdung  zur  Sprache! 
Leibliche  Übungen  und  privater  Musik-  und  Sprachunterricht  können 
vom  Schularzte  beanstandet  werden,  wenn  sie,  summiert,  den  dem 
Alter  des  Kindes  entsprechenden  täglichen  Satz  der  Anspannung 
überschreiten.  Hierzu  ist  auch  in  den  meisten  Städten  die  neuer- 
dings an  die  geistige  Hausarbeit,  an  das  Nachstudieren  und  Bepe- 
tieren,  zu  wendende  Zeit  zu  rechnen.  —  Ich  habe  in  meiner  Jugend, 


763 

solange  ich  die  Volksschule  besuchte,  keine  Pri^ataufgaben  zu  lösen 
gehabt  und  auf  dem  Gymnasium  stets  allein  nachgearbeitet;  es 
haben  weder  Eltern  noch  Geschwister,  noch  Hauslehrer  mir  dabei 
geholfen;  dennoch  bestand  ich  alle  Prüfungen  mit  Auszeichnung. 
Gegenwärtig  wird  von  den  meisten  Lehranstalten  erwartet,  dais  zu 
Hause  nachgeholfen  werde,  in  der  Regel  unter  Aufsicht  und  Bei- 
hilfe der  Angehörigen,  einer  Bonne  oder  eines  Gjrmnasiasten.  Wie 
■oll  aus  solchem  Gebahren  ein  selbständiger  Geist  hervorgehen? 

Dazu  kommt,  dais  neuerdings  in  den  heifsesten  Tagen  viel 
seltener  als  früher  1 — 2  Stunden  freigegeben  oder  zu  einem  gemein- 
schaftlichen Gange  ins  Freie  benutzt  werden. 

Der  brennendste  Punkt  ist  aber  die  in  den  letzten  10  bis 
20  Jahren  hochgespannte  Ehrliebe  der  Kleinen,  die  Sucht  nach 
guten  Zeugnissen,  statt  sich  mit  dem  verdienten  Lob  zu  begnügen. 
Auiserdem  wirkt  noch  die  Sorge  vor  dem  Verschlafen,  die  Hast 
zum  Schulwege,  nachdem  spät  abends  noch  privatim  zu  schreiben,* 
rechnen,  lernen  war,  besonders  wo  die  Kinder  gezwungen  werden, 
an  später  Mahlzeit  der  Eltern  teilzunehmen.  So  wird  das  erste 
Frühstück  verschmäht  oder  ohne  GenuJs  verschlungen  —  und  die 
Blutarmut  ist  fertig,  welche  der  Jungfrau  so  oft  Bleichsucht  bringt. 

Allerdings  ist  in  jetzigen  Schulen  die  löbliche  Sitte  eingeführt, 
dem  Kinde  ein  zweites  Frühstück  zu  bieten;  bei  manchen  Eondem 
jedoch  gibt  dieses  nicht  hinreichenden  Ersatz,  wenn  sie  in  sommer- 
licher Mittagsglut  einen  weiten  Heimweg  haben.  Man  erkennt  der- 
artige Folgen  nicht  sowohl  an  den  blassen  Gesichtern,  welche  im 
Verkehr  mit  Naturvölkern  diesen  sprichwörtlich  auffallen,  als  an 
den  dimkelunterlaufenen  Lidern,  den  sogenannten  Augenschatten. 
Entstellt  werden  solche  kleine  Gelehrte,  sie  werden  müde,  lebenssatt; 
wie  oft  hört  man  seit  80  Jahren  von  Selbstmorden  der  Kinder  aus 
Verzweiflung,  dafs  sie  hinter  den  gesteckten  Zielen,  hinter  den  be- 
fthigteren  Mitschülern  zurückgeblieben  sind,  oder  aus  Furcht  vor 
Züchtigung.     Man  höre  Jean  Paul: 

„Freudigkeit  öffnet  das  Kind  dem  eindringenden  All, 

sie  gibt  Stärke. '- 

Hinzu  kommt  der  Schaden  für  die  Sehkraft.  Kurzsichtigkeit 
und  Schwachsichtigkeit  sind  erstens  leider  erblich,  zweitens  nicht 
selten  vereint.  Ich  kann  die  immer  häufiger  mir  begegnenden 
Brillenträgerinnen  nur  mit  Bedauern  ansehen.  Eine  Zierde  ist  das 
Augenglas  wenigstens  für  Mädchen  nicht,  und  Knaben  sehen  mit 
solcher  Notwehr  stutzerhaft  aus.     Die  Haltung  beim  Sitzen  und 

38* 


754 

Gehen  leidet  infolge  der  allgemeinen  und  der  Augenfioh wache;  es 
entstehen  krumme  Bücken.  Hiergegen  gibt  es  nur  zwei  Mittel: 
1.  ein  allgemeines  inneres:  bessere,  blutbildende  Kost;  ftlr  englische 
Ejankheit:  Sonnen-  und  Luftbäder,  Kaltwasserkur  methodisch, 
Phosphorlebertran,  Vermeiden  der  Kartoffel,  welche  sonst,  in  sandi- 
gem Boden  gewachsen,  das  Kind  besser  nährt,  als  Zucker  und 
Schokolade  (Ersatz  sind:  Saccharin  —  das  auch  den  Zähnen  nicht 
schadet  —  und  Kakao);  2.  ein  mechanisches:  ein  die  Stirn  nach  der 
Stuhllehne  beim  Schreiben  zurückhaltendes  Stahlband  nach  Angabe  des 
Verfassers  in  der  zweiten  Auflage  von  Sohbbbebs  Erziehungsbudh. 

Liebe  zur  Natur  einpflanzen!  Dies  gehört  zu  den  schönsten 
Aufgaben  des  Lehrers.  Man  vernehme  Dinteb,  man  suche  den  zur 
Seite  geschobenen  Oken,  dessen  „Maturgeschichte  für  alle  Stände**  auf  I 
Das  jüngere  Kind  kann  beim  Sammeln  von  Blumen  und  Gräsern 
zwanglos  allmählich  mit  den  Namen  unserer  Wiesen-  und  Wald- 
pflanzen befreundet  werden  und  braucht  nicht  alle  mit  der  Wurzel 
auszureüsen  (Tod  der  herrlichen  Orchideen  1). 

Die  jetzt  sehr  vernachlässigte  Kräuterkunde  bildet  einen  Be- 
standteil gesunder  Volksmedizin;  giftige  Schlangen  lehre  man  unter- 
scheiden. Vorträge  über  den  gesunden  Menschen-  und  Tierkörper 
fördern  die  allgemeine  Bildung  und  lassen  sich  in  sokratische 
Wanderabschnitte  zerlegen.  Der  kranke  Mensch  gehört  nicht  vor 
das  Laienpublikum.  Den  heranwachsenden  Knaben  wie  den  Mädchen 
schadet  es  nicht,  wenn  sie  gelegentlich  in  die  wissenschaftliche 
(lateinische)  Nomenklatur  der  Botanik,  wenigstens  der  Landesflora, 
eingeführt  werden,  da  die  in  den  verschiedenen  Gauen  einer  Pflanze 
zuerteilten  zwei-,  oft  vielerlei  (deutschen)  Benennungen  häufig  Ver- 
wirrung, manchmal  Unheil  anrichten. 

Der  Jüngling  werde  auf  die  leider  noch  im  Argen  liegende 
Wichtigkeit  des  fortbestehenden  und  ersetzten  Waldes  für  Klima 
und  für  die  Gesundheit  der  Anwohner,  sowie  den  Schutz  der  Feld- 
früchte aufmerksam  gemacht.  Lüftung  der  Schulräume  wird  neuer- 
dings zweckmäßig  durch  viertelstündiges  Entleeren  derselben  in  den 
ünterrichtspausen  bewirkt;  Zugluft  während  des  Unterrichts  können 
nur  wenige  vertragen. 

Während  der  rauhen  Jahreszeit  sind  die  dem  Ofen  nahe  sitzenden 
Schüler  hinreichend  durch  Ofenschirm  vor  der  strahlenden  Hitze  zu 
bewahren. 

Das  frühe  Erwecken  und  Anwenden  der  bei  vielen  Kleinen 
halbschlafenden  Sinne  werde  nicht  versäumt,  doch  ohne  Ermüdung. 


765 

Die  bisweilen  mehr  als  hinreiohend  hohen  und  breiten  Fenster  der 
neueren  Sohnlrftnme  werden  durch  blaJsblaue  Vorhänge  und  durch 
Blattpflanzen  abgedämpft;  letztere  verbessern  auch  die  Luft. 

Dem  Stottern  gibt  das  Zuschnellsprechen  der  Umgebung 
Vorschub. 

Die  Schädlichkeit  des  oft  giftige  Keime  enthaltenden  Zimmer- 
und  Strafsen 8 taubes  drängt  auf  Beinhalten  im  Hause,  durch  Ver- 
meiden der  Teppiche  oder,  wo  diese  unumgänglich,  auf  Ausklopfen 
derselben  aufser  dem  Hause;  endlich  auf  Sprengen  von  Wasser  auf 
den  offenen  Plätzen. 

Sehr  ist  auf  Reinhalten  der  Fingernägel  zu  sehen;  man  darf 
vorhalten,  dafs  eine  mit  schwarzem  Nagel  aufgekratzte  Blase,  z.  B. 
am  Fufse,  das  Blut  vergiften  kann. 

Hohe  Wichtigkeit  hat  das  Überwachen  der  Senkgruben  und 
Abzugskanäle  erlangt.  Die  Ortsbehörden  kennen  jetzt  die  Leichtigkeit, 
womit  Typhus-  und  Ruhrkeime  der  Lufi;,  mehr  noch  dem  Trink- 
und  Waschwasser  mitgeteilt  werden.  Ansteckende  Krankheiten  sind 
das  einzige  Kapitel  der  Krankheitslehre,  welches  allgemein  mitteilbar 
ist.  Scharlach  steckt  nach  meiner  in  Frankreich  bestätigten  Wahr- 
nehmung noch  in  der  siebenten  Woche  an,  Pocken  werden  vom 
14.  Tage,  wie  noch  nach  Monaten  mitgeteilt,  daher  die  Wohltat  der 
Schutzpockenimpfung,  während  Masern  gleich  im  Anfange,  dann 
noch  drei  Wochen  übertragbar  sind;  Keuchhusten  ist  schwer  aus- 
zurotten und  kehrt  bisweilen  wieder. 

Geist  und  Körper  gedeihen  bei  abwechselnder  Inanspruchnahme; 
GS-arten-  und  Feldarbeit,  besonders  gesellig  betrieben,  geben  soviel 
Lebensmut  wie  mäfsige  Reisen,  besonders  FuJsgänge.  Die  Ein- 
richtung kleiner  botanischer  (Giftpflanzen-)  und  Gemüsegärten  in  der 
Nähe  der  Volksschule  bewährt  sich  täglich  mehr  als  segensreich. 


766 


Über  die  sweckm&fliipite  Einrichtang  Ton  Schalarxtstellen 

in  Stftdten  mittlerer 


Von 
Dr.  med.  F.  Wbx- Lübeck. 

In  No.  2  und  3  des  Jahrganges  1903  dieser  Zeitschrifi  ist  eine 
Arbeit  von  mir,  „Die  Entwicklung  der  Schnlarztinstitntion  in  Deutsch- 
land, und  der  Schularzt  in  Rostock'',  erschienen.  Die  'Absicht, 
welche  mich  bei  ihrer  Anfertigung  leitete,  war  die,  Aufklärung  über 
Zweck,  Ziel  und  Tätigkeit  der  Schulärzte  zu  geben,  Bedenken,  von 
welcher  Seite  sie  auch  kommen  mochten,  zu  zerstreuen,  und  die 
praktische  Durchführbarkeit  der  Institution  zu  beweisen.  Durch  ihre 
Lektüre  sollten  die  zuständigen  Mitglieder  von  Magistrat  und  Bürger- 
schaft für  die  gute  Sache  gewonnen  werden  und  zu  dem  Entschlufs 
gelangen,  für  die  Einführung  von  Schulärzten  zu  wirken  und  su 
stimmen.  Ihre  Aufgabe  war  also  eine  Torbereitende.  —  Die  nach- 
stehende Arbeit  soll  nun  zeigen,  wie  man  unter  Berücksichtigung 
der  bisherigen  Erfahrungen  in  einer  Stadt  mittlerer  GröJse  (als  Bei- 
spiel ist  wieder  Bestock  gewählt)  am  zweckmäfsigsten  die  Schularzt- 
stellen im  einzelnen  einrichtet.  Da  jede  Arbeit  für  sich  ein  ge- 
schlossenes Granzes  bilden  soll,  lieben  sich  einzelne  Wiederholungen 
nicht  immer  ganz  vermeiden. 

* 
Gegen  den  Schluüs  des  Jahres  1902  hat  der  „Allgemeine  deutsche 
Verein  für  Schulgesundheitspflege"  an  die  Regierungen  und  Stadt- 
verwaltungen eine  Eingabe  gerichtet,  in  welcher  um  die  Anstellung 
von  Schulärzten  ersucht  wird.  In  dieser  Eingabe  wird  ausgeführt, 
dafs  bereits  genügend  Erfahrungen  vorliegen,  um  über  die  Tätigkeit 
der  Schulärzte  urteilen  zu  können,  und  dieses  urteil  laute  dahin, 
dafs  oberall,  wo  Schulärzte  eingefiihrt  worden  sind,  ihre  Wirksamkeit 
eine  durchaus  zufriedenstellende  und  erspriefsliche  gewesen  sei.  Die 
vielen  Befürchtungen,  die  man  an  die  schulärztliche  Tätigkeit,  ins- 
besondere für  das  innere  Leben  der  Schule,  knüpfte,  seien  nicht 
eingetroffen;  die  Lehrerschaft  habe  sich  bald  mit  der  ESinrichtung 
befreundet,  ein  Widerstand  der  Lehrerschaft;,  sobald  sie  das  Wee^a 
und  Wirken  der  Schularztinstitution  in  rechter  Form  kennen  gelernt 


757 

habe,  sei  nirgends  hervorgetreten.  Die  Sohalarzteinriohtung  sei  daher 
für  die  grölseren  und  kleineren  Städte  ein  Erfordernis,  dessen  Schwierig- 
keiten sich,  wie  yiele  Beispiele  zeigten,  wohl  überwinden  liefsen. 

Diesem  Wunsche  des  Vereins  für  Sohulgesundheitspflege  nach 
Anstellung  von  Schulärzten  sind  in  Deutschland  bereits  eine  ganze 
Anzahl  von  Städten  durch  die  Tat  zuvorgekommen. 

Wenn  auch  immer  noch  einige  Stadtverwaltungen  sich  ab- 
lehnend verhalten,  und  wenn  auch  —  wie  dies  wohl  immer  zu  ge- 
schehen pflegt,  wenn  eine  neue  Einrichtung  sich  Bahn  bricht  — 
einzelne  Stimmen  laut  werden,  welche  das  Neue  zwar  nicht  als 
schlecht  und  verkehrt,  so  doch  als  überflüssig  bekämpfen,  so  sind 
doch  im  Laufe  einiger  weniger  Jahre  in  mehr  als  60  deutschen 
Städten  Schulärzte  angestellt  worden.  Dementsprechend  muis  man 
auch  in  Rostock  dieser  Frage  näher  treten. 

Zweck  der  vorliegenden  Arbeit  ist  es  nun,  zu  zeigen,  wie  man 
unter  Berücksichtigung  der  bisherigen  Erfahrungen  die  Schularztfrage 
für  Rostock  am  zweckmäüsigsten  zur  Lösung  bringen  könnte.  — 
Es  sei  eingeschaltet,  dafs  längst  bevor  es  Schulärzte  in  Deutschland 
gab,  solche  schon  in  aufserdeutschen  Ländern  tätig  waren,  doch 
würde  es  zu  weit  führen,  wenn  wir  uns  auch  mit  den  ausländischen 
Schularzteinrichtungen  hier  beschäftigen  wollten,  zumal  die  dortigen 
Verhältnisse  kaum  auf  Rostock  übertragen  werden  können.  Auch 
von  den  deutschen  Städten  soll,  zur  Vermeidung  von  Wieder- 
holungen, zunächst  nur  ein  Typus  ausfährlich,  und  im  Anschlufs 
daran  die  Abweichungen  von  diesem  besprochen  werden. 

Als  Typus  der  deutschen  Schularzteinrichtungen  gilt  die  Wies- 
badener; sie  ist  mit  im  ganzen  geringen,  durch  die  lokalen  Ver- 
hältnisse bedingten  Abänderungen  für  eine  grolse  Anzahl  von  Städten 
vorbildlich  geworden,  und  wenn  man  heutzutage  kurzweg  vom 
„Schularzt''  spricht,  so  ist  damit  wohl  meist  der  Schularzt  nach 
Wiesbadener  Muster  gemeint.  Zwar  besaisen  schon  vor  Wies- 
baden einzelne  Städte  einen  Schularzt,  der  aber  einen  wesentlich 
engeren  Pflichtkreis  und  eine  beschränktere  Tätigkeit  hatte;  über 
diese  früheren  Schulärzte  hier  sprechen  zu  wollen,  erscheint  um  so 
mehr  überflüssig,  als  diese  Städte  sich  inzwischen  dem  Wiesbadener 
System  angeschlossen  haben. 

Die  dortige  Einrichtung  wurde  im  Jahre  1896  besonders  auf 
den  Betrieb  des  Stadtrats  Prof.  Ralle  zunächst  probeweise  getroffen, 
nachdem  eine  durch  den  Magistrat  veranlafste  ärztliche  Untersuchung 
von  etwa  7000  Schulkindern  der  Volks-  und  Mittelschulen  bei  2ö% 


758 


Wichtigste  Bestianugen  der  DienstanweisnigeB 


No. 

Stadt 

Tag  und  Jahr  der  Dienst-      1 
anweisung                     1 

Findet  eine 
Aufiiahme- 
unter- 
suehung 
mit  Aus- 
stellung 
eines  Ge- 
snndheits- 
Scheines 
statt? 

Findet  in  den  ersten  Tagen 

äuAere  Revision  auf  Unge- 

siefer  und  ansteckende 

Krankheiten  statt? 

Werden 
•/.Jfthrige 
Messungen 
und  Wftgun- 
gen  Tom 
Klassen- 
lehrer, und 
Brust- 
umfangs- 
messungen 
▼omArstTor- 
genommen? 

Wieder- 
holung 

der 
Unter- 
suchung 
ad  1? 

Sprechstunde  in  der  Schule 
mit  Klassenbesichtigungi 

betr.   Zustand   der  Schüler 
und  der  RAnmlichkeiten, 
findet  statt: 

Wird  nötigenfalls  Mitteilung 
an  die  Eltern  gesandt? 

l 

s 

8 

4 

6 

6 

I 

Wies- 
baden 

6. 

vn. 

99 
(revi- 
diert) 

ja 

in  den 

ersten 

3—4 

Tagen 

ja 

bei    Beginn 
des  dritten, 
fünft.,  acht. 

Schuljahr- 
gangs m.  ab* 

schliefBen- 
dem    Urteil 
bei  der  Ent- 
lassung 

alle 
14  Tage 
(bei  Epi- 
demien 
häufiger) 

ja; 

cf.For 
miliar 
Anl.B. 

* 

II 

Cassel 

11. 
IX. 
Ol 

ja 

in  den 

ersten 

2-3 

Tagen 

ja 

bei    Beginn 
des  dritten, 
fünften  und 
aoht.Schalj. 

desgl. 

• 

ja 

m 

Erfurt 

1. 

V. 

99 

ja; 

anoh,  ob 
schal  fähig 

nein 

nein 

nein 

desgl. 

ja 

IV 

Kö- 
nigs- 
berg 

30. 

III. 

98 

ja 

nein 

nein 

nein 

desgl. 

ja 

V 

Frie- 
drichs- 
hagen 

bei 
Berlin 

9. 
I. 
00 

ja 

nein 

nein 

nein 

desgl. 

nein 

VI 

Posen 

21. 

IV. 

99 

ja 

nein 

nein 

naeh 
Vi-1  Jahr 

monatlich 
einmal 

ja 

1 

759 


ttr  SebnlSrcte  in  25  dentscbeB  Städten. 


Mnlb  der  Behularst 

Kinder 

nnterBuchen? 


in  deren 
Wohnvng  ? 


b) 

in  seiner 

häneliehen 

Spreeh- 

Btande  ? 


8 


Findet 

besondere 

ReviBlon 

des  Bchul- 

hanseB 
und  Beiner 

Räume 

BUtt? 


a 

• 

Is 

7?£ 

*s  S 

•  S  •*» 

■^-2  ► 

«  (» 

-s^ 

hOQ  "^ 

•3*2  0« 

»<       ä 

».     OD 

'  S 

Bchulft 
Glichen 

und  ai 

ll| 

Hftl 
n  den 

'S  § 

283 
II  § 

•*« 

a*" 

10 

11 

12 

Haben  sie 

Auf 

Erachten 

wie- 

absug^ben 

lange 

und 

werden 

in  weichen 

sie  ge- 

Fftlien? 

wählt? 

la 

14 

Bemer- 
kongen 


zur  Feflt- 
stellang^, 

ob  Sobttl- 
▼enaum- 

nis 
gereohi- 

fertigt  ist 


nein 


je  einmal 
i.  Sommer 
n.  Winter 
Eintrag,  d. 
Beobach- 
tuDgen  n. 
Vorschl. 
in  ein  beim 

Schul- 
leiter aafl. 
Buch 


• 

• 

• 

im 

ja; 

ja; 

Win- 

ohne 

an  den 

ter 

An- 

älte- 

gabe, 

sten 

wie 

Schul- 

oft 

arzt 

nein 


auf 
unbe- 
stimm- 
te Zeit 

mit 

viertel 

jährl. 

gegen- 

seit. 

Kündi- 

gting 


desgl. 


nein 


desgl. 


desgl. 


desgl. 


desgl. 


nein 


desgl. 


desgl. 


nein 


desgl. 


desgl. 


8tt  ge- 
geben. 
Zeit 


desgl. 


nein 


desgl. 


nein 


bei  Ver- 
dacht an- 
stecken- 
der 
Krankheit 


2mal  im  J. 
unter  Zu- 
ziehung 
des  Schul- 
leiters und 
städt.  Bau- 
beamten 


desgl. 

monat- 

dem 

lich 

Ma- 

einmal 

gistrat 

nein 


desgl. 


desgl. 


nein 


of.  I 


desgl. 


nein 


d.  Ge- 
mein- 
de- 
vor* 
stand 


nein 


desgl. 


nein 


nein 


desgl., 
aufserdem 

Teü- 
nahme  an 
den  Be- 
sichtigun- 
gen durch 
die  Bau- 

kom- 
mission 


desgL 

ja; 

dem 

ohne 

Ma- 

An- 

gistrat 

gabe, 

wie 

oft 

• 

bei  Über- 
weisung 
an  flüS- 
u.  Stotter- 
sohulen, 
Ferien- 
kolon., bei 
Dispens.- 
Qesuchen 
u.  Gefahr 
ansteckd. 
Krankht. 


desgl. 


Findet  eine 

\k 

i 

S. 

ÄilÄ. 

Wledar- 

1 

n 

.u.h»nK 

lehrer  nnd 
Bra.t- 

-& 

No, 

Stadt 

mit  Aa>- 
■tellnag 
etnei  Qe- 

Uuter- 

■DchnilK 

1  i 

II 

-:ä?. 

.rc-c^ 

ad  t? 

s 

5^ 

1 

.tatt? 

II- 

» 

1  S 

1 

3 

3            j             i 

s 

s 

vn 

Elmt- 

9. 

UI. 
Ol 

j» 

nein 

tUjährUch 

in  jedem 
Halbjahr 

derart, 
dafB  jede 
ElJae 
(weimol 
während 
dea  Halb^ 
Jahres  be- 
BDchtwird 

ja 

Viu 

Soho- 

T7 

nein 

jk 

Gesund- 

alle 

ja 

VII 

anoh  aof 

HO^sge 

berg 

99 

Schul- 
fähigbeit 

wird  nach 
'/■jahrigem 

^nter- 

vor  dem 

anchung 

TT, 

EiDtriU 

beanch 

derEinder 

Ol. 

(GetQod- 

heit«- 
goh«iDa.4) 

uigelegt 

ertt    naoh 
Zuatim- 

mang  der 
Blum 

IX 

ChM. 

lotten- 
bnrg 

22. 

ni. 

00 

roÖKlichBt 

w&rt  d«r 
Bitern 

nein 

j» 

nein 

einmal 

j. 

X 

Düren 

13. 

j»; 

nein 

»om  Schnl- 

bei  Beginn 

in  regel- 

i« 

III 

auch  buf 

j*t  bei  der 

lei  vierton 

mäfsigen 

00 

Sohal- 
fShiglceit 

Adfnahroe 

KW.  bei  den 

Wiedet- 

holaoga- 

antei^ 

Sohnljahrea 

Zwisohen- 
rSnnien 
(jede 

Klasae ein- 
mal im 

Halbjahr) 

llnlk  dar  BehuUrat 

S  .. 

KlBdar 

nndit 

Reibion 

1 

1- 

HabtD  lie 

Aul 

wlo- 

An  BcbDl- 

1 

laage 

Bemer- 

») 

bj 

Ib  MiD«r 

b«UB> 

und  HlDar 

ii 

s 

und 
In  «eUben 

werden 
■lere- 

kongm 

In  dcreo 

hlnallchen 
Spnch- 
■t(i«d<? 

>UU? 

H 

'S 

FIllMl? 

wlWt? 

7 

e 

s 

10 

11 

11 

11 

U 

bei   liDi^e- 

>i 

einmal  im 

im 

„öfter" 

an  da« 

nein 

unbe- 

rer  Schal- 

,verdäoh- 

Sommer 

Win- 

Schul- 

TenSam- 
nU,  ohne 

SehSler 

nnd  ein- 
mfd  im 

ter 

kol- 
legium 

■timm- 
te  Zeit 

mit 
riertel- 
jührl. 
Kiindi- 

liehe« 

AttMt 

Winter 

vag 

«nr  Feit- 

neio 

de.gl. 

deegl 

snf 

an  den 

a)bei 

deegl. 

In  drin- 

■tellnng 

Einbe- 

Site- 

Diipen- 

?äf 

derKnnk- 

iten 

heit   eines 

Sehnl- 

hat  der 

nicht  be- 

die 

arst 

b]  bei 

Soh.-A. 

handelteii 

Schnl 

Hangeln, 

ScUie- 

KiDdea 

tation 

welche 
Aaaachlie- 
üungT.d 
Sohnle  be- 

GillDR 

n.Derin- 
fektion 

einer 

dingen, 
o)Br 

ElaMe 
■n  bean- 

Ferien- 

trage« 

kolonien 

jft 

nein 

nein 

er  «oll 

viertel 

an  die 

bei  Oe- 

ohne 

d.  Ver- 

jühi- 

Sehnl- 

rochen  nm 

An- 

■tind- 

lieh 

depn- 

lingere 
Sehol- 

gabe 

niader 

UUon 

Lehrer 

fdr  die 

Schul- 

hygie- 

ne rör- 

dern 

j» 

J'yV 

a-,,. 

einm«l 

einmal 

an  du 
Bür- 

nein 

deegL 

dMht  mn- 

kUjShi-lioh 

Jahr 

Halb- 

gen 

■tecken- 

mit  dem 

jahr 

deiKruk- 

Bau- 

Bt«r- 

hett 

bMmUn 

amt 

No. 

SUdt 

1 

o 

1" 
1 

i 

Findet  eine 

■UCbUDE 

mit  Aue 
■  iBlinng 
eine«  Ge- 
sa ndheita- 

(chainet 

iiii 

Werden 

Nftiwn^n 

and  Wlgnn- 

Uhrer,  und 

Wieder- 
holnng 

der 
Unter- 

enelianK 
ad  1? 

£     - 

l 

1: 

s 

i 

i! 
II 

IS 

1 

1 

4 

s 

• 

XI 

Fleni- 
bnrg 

8. 
IV. 
02 

ja 

nein 

i» 

bei  Knaben, 
welche  in 
die  vierte, 
undbeiHfid- 
olien,welohe 
in  die  fünfte 
EhuM  kom- 
men, and 
beim  Sohnl- 
•hgang 

alle 
14  Tage 

j' 

xn 

Daarig 

27. 
VI. 
Ol 

Geanod- 
beits- 

f.  die  einer 

dauern- 
den Übei^ 
wacbung 
bedürftig. 

nein 

nein 

einmal 

i. 

xm 

BriU 

6. 
I. 
99 

j» 

nein 

Bnwtomf.- 

Me»»ungen 
b.  Madohen 
inderelterl 

Wohn  an  g. 

Sontt  Uea- 

nnrb.d.nnt 
Überwachg. 
etebenden 

nein 

monatlich 
einmal 

j« 

IIV 

Offen- 
buh 

28. 
II. 
99 

dabri'iit 
den  Elton) 

heit  ge- 
stattet 

nein 

nein 

einmal 
im  Jahr 

monatlioh 
aweimal 

XV 

Aft- 

ohen 

1. 

IV. 
Ol 

j* 

in  den 
enten 
acht 
Tagen 

mit  Hilfe 

des  Sobnl- 

dienere 

nein 

einmal 

j» 

763 


Mufs  der  Schnlarst 

8 

H 

«> 

Kinder 

Findet 

'S  d 

52 

5|? 

Haben  sie 

Auf 

untersuchen? 

besondere 
Revision 

tri 

2«B 

Eraehten 

wie- 

in deren 
Wohnnng? 

b) 

in  seiner 

h&usliehen 

Sprech- 

des Sehul- 
hauses 

und  seiner 
Räume 
statt? 

'S -So 

a8  a 

X  ® 

'S  s 

•  2 

®  'S 

.5  M 

t'^0 

•'355 

•     'S 
S-dS 

abiugsben 

und 

in  welchen 

Fällen? 

lange 
werden 
sie  ge- 
wählt? 

Bemer- 
kungen 

stunde  ? 

ja 

7 

8                    9 

10 

11 

12 

18 

14 

ja 

„in  drin- 

einmal im 

im 

nein 

an  das 

nein 

ohne 

genden 
FäUen« 

Jahr  ge- 

Win- 

Schul- 

An- 

meinsam 

ter  auf 

kol- 

gabe 

mit  dem 

Ver- 

legiam 

Schul- 

langen 

leiter 

des 

sow.event 

Schul- 

einem 

koUe- 

Bau- 

giams 

beamten 

ja 

nein 

Gegen- 

nein 

Teil- 

an  die 

a)fiirHilfs- 

auf  un- 

wart  bei 

nahme 

Schul- 

schule, 

best. 

der  jähr- 

an den 

depu- 

b) Stotter- 

Zeitm. 

lichen  Re- 

Konfe- 

tation 

kurse, 

gegen- 

vision 

renzen 

c)  Dispen- 

seitig. 

durchBau- 

der 

sations- 

vier- 

and  Schul- 

Schul- 

/ 

gesuche, 

telj. 

verwaltg. 

depu- 
tation 

d)b.Gefahr 

anstecken- 

derKrank- 

heiten 

Kündi- 
gung 

zur  Fest- 

wie  vorige 

nein 

im 

nein 

an  die 

nein 

ohne 

stellang, 

Spalte 

Win- 

Schul- 

An- 

ob Schul- 

ter 

depu- 

gabe 

versäumn. 

tation 

gerecht- 

fertigt.,od. 

b.  ansteck. 

Krankh., 

od.in  drin- 

genden 

Fallen 

nein 

„krank- 

heitsver- 

dächtige^ 

Kinder 

nein 

desgl. 

nein 

an  den 
dienst- 
älte- 
sten 
Schul- 
arzt 

für  Milch- 
und  Bade- 
kuren 

desgl. 

nein 

in  drin- 

einmal im 

nein    jährl. 

an  den 

nein 

auf 

genden 

Sommer 

Imal, 

jhrlge- 

unbe- 

Fällen 

und  ein- 
mal im 
Winter 

1 

fem.  a. 
W.des 
Ob.B.- 

Mstrs. 

wählt. 

Vor- 

sitzen- 

1    den 

stimm- 
te Zeit 

No. 

Stadt 

S 

s 
1' 

PIndst  ein« 

mit  Ad«- 
«t«11nng 
«lne>  Ge- 
■nndbfllt«. 
■  cheln« 
■tntt? 

£.3 

Werden 

Heitaae*« 
and  WSgan- 

lehrer.  und 

TomAritTor. 
giinommen? 

WiBder- 

halung 

der 

VaitT- 

■uehang 

»d  1 

f 

11 
f. 

ii 

il 

Ii 

' 

3 

• 

* 

» 

• 

XVI 

Boiin 

6. 

n. 

9» 

j" 

vom  Sohal- 

dienernnter 

Anflicht  des 

Lehrers 

nein 

monatlich 
einmal 

j* 

XVU 

Heil- 
braun 

6 

V. 
98 

nein 

durch 

den  Schnl- 

arzt 

nein 

monatlich 
einmal 

neinj 

i 
1 

XVIII 

Pnuik- 
furt 

1. 
U. 

99 

i» 

ja 

monatlich 
iweimal 

j. 

XIX 

Bres- 

? 

innerhalb 
des  erateo 

Schul- 
jahres 

nein 

monatlich 
je  einmal 

DDRbhäDIC. 

Unter- 
tDcbnng 
d.  Bänme 
a.d.Kind. 

i' 

765 


If uA  der  Sehularxt 

« 

M 

1 

Kinder 

Findet 

SS 

Haben  sie 

Auf 

besondere 

js5 

5  ^ 

mm' 

nntereaehen  ? 

Revision 

9«8 

Brachten 

wie- 

des  Schal- 

«.5^ 

«■£- 

S  0 

S     N 

Il1 

absageben 

lange 

Bemer- 

in deren 
Wohnnngr? 

b) 

in  seiner 

h&nslichen 

Bprech- 

Btunde  ? 

hauses 

and  seiner 

R&ame 

statt? 

Sa 
=■? 

d 

s  s 

1« 

gl- 

nnd 

in  welchen 

F&Uen? 

werden 
sie  ge- 
wählt? 

kungen 

7 

8 

9 

10 

11              12 

18 

14 

znr  Fest- 

bei Ver-  einmal  mit 

.einmal  einmal 

an  das 

nein 

auf 

zweimal 

stellung, 

dacht  an- 

Schulleit., 

im 

im 

Ober- 

unbe- 

im Jahr 

ob  Schul 

stecken- 

Schul- 

Jahr 

Halb- 

bür- 

stimm- 

Revision 

Versäum- 

|der Krank- 

inspektor, 

jahr 

ger- 

te  Zeit 

d.fiüum- 

nis 

heiten  und 

Baubeam- 

mei- 

mit 

lichkeit. 

gerecht- 

Dispeu 

ten,  Vor- 

ster- 

gegen- 

und  Ein- 

fertigt 

sations- 
gesuchen 

sitzenden 
der  Schul- 
kom- 
mission 

amt 

seit. 
viertel- 
jähr. 
Kün- 
digung 

richtun- 
gen der 
Privat- 
schulen 
u.  Kind.- 
Bewahr- 
anstatt. 

können 

womög- 

nein 

nein 

vor 

an  den 

beiDispeu' 

ohne 

dem  Stadt 

lich  in  den 

Sohlufs 

Stadt- 

sations- 

An- 

arzt über- 

Nach- 

jedes 

arzt 

gesuchen, 
Über  weis. 

gabe 

wiesen 

mittags- 

Schul- 

werden 

stunden, 

halb-  ( 

i.  Anstalt., 

bei  Begut- 

Jahres 

Feststellg. 

achtungen 

mit 

von  *  an- 

cf 13 

dem 
Stadt- 
arzt 

steckend, 
und  ekel- 
erregend. 
Krank- 
heiten 

■ 

zur  Fest- 

nein 

einmal  im 

nein 

1  3mal 

an  den 

desgl. 

auf 

stellung, 

Sommer, 

i.  Jahr 

Stadt- 

drei • 

ob  Schul- 

zweimal 

unter 

arzt 

Jahre 

versäum- 

im  Winter 

Vors. 

DIS 

des 

gerecht- 

Stadt- 

fertigt, 

arztes, 

und  wenn 

aufser- 

nötig 

dem 

„öfter« 

nein 

nein 

nein 

nein 

auf  Be- 

desgl. 

nach 

auf 

d.  Stadt- 

• 

1 

rufung 
durch 
den 
Stadt- 
arzt 
(Vor- 
9itznd.) 

Züchti- 
gungen 

drei 
Jahre 

arzt  ist 
Leiter 
des  ge- 
samten 
Schul- 
arzt- 
wesens 

No. 

Siadt 

1 

i 
i 
1 

PiDdelelne 

■uehaDg 
mit  Ao^ 
■tellang 
eine»  Ge- 
•BDdbeita- 
■chelne» 

■ttttr 

i 

Werden 

V.J»hriKe 

Rluteo- 

lehrer,  und 

Brut- 

nmhDgs- 

KenomnenP 

Wleder- 

.Dcbang 
ul  1? 

1 

!    i 
1    i 

S     ! 
-  -  1 
3=  1 

\i 

l 

a 

S 

4 

i 

« 

1 

M 

Km 

16. 

ni. 

Ol 

j« 

nach 

IS 

Halb- 
iahrea 

e&rat- 
liehe 
Klaa- 
sen 

nein 

viertel- 

ohne  Ee- 

TJsiOD  der 

Eäume 

nein 

XXI 

Planen 
i.  V. 

(evnng. 
Sehn- 
ten) 

24. 
I. 
Ol 

j» 

nein 

nein 

einmel 
mon&tlich 

narbei 
Unter- 

<^ 
SpUte 

xxn 

Berlin 

I. 
OS 

ToriTchul- 
beginn  auf 

Schul- 
rahigkeit 
Eltern 
können 

nein 

□ein 

d«Mtl- 

nein 

xxin 

Nnra. 
berj 

vir. 

98 

n«iQ 

nein 

nein 

nein 

de.gl. 

j> 

767 


Mnft  der  S«halarxt 

• 

9 
•0    C^ 

••> 

^m      M\      P4 

KiBder 
antersnehen? 

Findet 

besondere 

Revision 

ü 

2/S  © 
2  2  o 

Haben  sie 
Erachten 

Auf 
wie- 

des 8chal- 

s-s? 

?  s 

•«.Öd 

abzugeben 

lange 

Bemer- 

») 

b) 
in  seiner 

hanses  and 
seiner 

«  2 

•  £ 

und 
in  welchen 

werden 
sie  ge- 

kungen 

in  deren 

häaeliehen 

Räame 

ij 

Fallen? 

wählt? 

Wohnung? 

Spreeh- 
■tnnde  ? 

statt? 

33  V 

E« 

'1' 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

18 

14 

bei  Ver- 

nein 

einmal  im 

nein 

nach 

an  den 

für  Hilfs- 

ohne 

aufser- 

dacht  un- 

Winter 

Schlufs 

Ober- 

schulen 

An- 

dem sind 

begründe- 

des 

bür- 

und 

gabe 

Armen- 

ter Schul- 

Schul- 

ger- 

Stotter- 

augen- 

versäum- 

jahres 

mstr., 

knrse 

ärzte  an- 

nis 

1 

1 

unter 
Vors. 
d.  Ob.. 
Bürg.- 
Mstrs. 

ab.  nur 

betr. 

Spalte 

9 

/ 

gestellt 

„nötigen- 

nein 

Teil- 

nein 

nach 

an  den 

Dispens.- 

auf 

falls' 

nahme  an 

dem 

Schul- 

Gesuche, 

drei 

der  Be- 

Ermes- 

aus- 

Oberweis. 

Jahre 

• 

gehung 

sendes 

schufs 

an  Hilfs-, 

der  Schu- 

Be- 

Heil-, Ver- 

len  durch 

zirks- 

sorgungs-, 

Bau-  und 

Schul- 
ausschuls 

arztes 

- 

Bessergs.- 
Anstalten, 

Ferien- 
kolonien, 
Feststellg. 

ansteck, 
und  ekel- 
erregend. 
Krankhtn 

desgl. 

nein 

in  ange- 
messenen 

Zeit- 
räumen 

nein 

die 
Schul- 
ärzte 
werd. 
period. 
zu  Be- 
ratun- 
gen be- 
rufen 

nein 

bei  Ver- 
dacht an- 
steckend. 
Erankhtn. 

oder  ge- 
sundheits- 
schädigen- 

der  Bin- 
riohtungn. 

ohne 
An- 
gabe 

desgl. 

nein 

haben  den 

nein 

3mal 

an  den 

b.  Dispen- 

ohne 

auch 

*^ 

regel- 

i.  Jahr 

Ma- 

sations- 

An- 

Privatr 

mälsigen 

auf  Be- 

gistrat 

gesuchen, 

gabe 

schalen 

Umgän- 

rufung 

bei  und 

gen  der 

durch 

nach  an- 

Pfleger 

den 

steckend. 

beizu- 

Schul- 

Krank- 

wohnen 

rat 

heiten 

Seholgesandhtitspflege.  XVL 


39 


768 


fl  o 

O        k 

'       B» 

1 

Findet  eine 

&S5^ 

Werden 

"3  S^  a 

d 

Aufkiahme- 

HPgS 

«/.Jährige 

Wieder- 

£&-§! 

5? 

No. 

Stadt 

hr  der  Die 
eiflung 

unter- 
Buehung 
mit  AuB- 
Btellnng 

den  ersten 
vieion   auf 
id  anstecki 
hellen  etat 

Messungen 
und  Wägnn- 
gen  Tom 
Klassen- 
lehrer, und 
ßrust- 

holung 

der 
Unter- 

feie'S" 
^  <*  S  S.QB 

2  £  ' 

d 

eines  Ge- 

004  "  d 

nmfangs- 

suchung 

tfX 

Bundheita- 
seheines 

■*"  ^  h  < 

*:  a)  o  V 

messungen 
▼omArxtvor- 

ad  1? 

■Mio  * 
0-.    ._ 

0   X 

SP 

statt? 

»■  d 

genommen  ? 

Bpre 
ml 

betr 
und 

1 

1 

s 

8 

4 

s          , 

• 

xxrv 

Leip- 
zig 

22. 
IL 
02 

ja 

nein 

nein 

nein 

einmal 
monatlich 

1 

• 

J» 

1 

1 

1 

1 

XXV 

Chem- 
nitz 

22. 

111. 

Ol 

• 

JA 

nein 

ja 

.im  Oktober 
findet  Nach- 
besichti- 
gang  der 
ad  1  unter- 
suchten  Kin- 

zweimal 
monatlich 

■ 

J* 

1 

1 

der  statt 

i 

der  üntersuohten  körperliche  Gebreehen  und  gesnndheitliclie  Mängel, 
ja,  selbst  ansteckende  Elrankheiten  ergeben  hatte.  Es  worden  anfangs 
vier  Schulärzte  angestellt.  Die  diesen  in  einer  Dienstanweisung  zu- 
erteilten  Aufgaben  umfalsten: 

die  ärztliche  Untersuchung  aller  neu  aufgenommenen  Schüler, 
soweit  sie  nicht  einen  anderen  ärztlichen  Ausweis  über  ihren  Gesund- 
heitszustand brachten, 

die  Ausstellung  und  Führung  eines  Personalbogens  f&r  jedes 
kränklich  befundene  E[ind, 

die  Abhaltung  einer  „Sprechstunde"  in  jeder  Schule  alle  14  Tage 


UuA  dor  SctaDlant 
KtDder 

Pindst 
beaood*» 
RcTlaloD 

h 

i! 

■i 

Haben  ilii 

Auf 
wie- 

de*  Sebiü- 

ä't 

1 1 

s 

■biu^ebeD 

Ung, 

Bemer- 

hauiu 

■g  3 

•■ 

und 

ia  dercD 
WohDonf? 

iD  Mtner 

8pr«h. 
•tnnde? 

nnd  lelDOT 
Raiunfl 
■Utt? 

ii 

1 

in  welchen 
FUlen? 

«leir«. 
wShlt? 

kungen 

7 

8 

• 

10 

n 

11 

1! 

M 

,nötigOT 

Dein 

in  perio- 

nein 

in 

an  den 

b.  Ditpen- 

anf 

Wl." 

diicher 

regel- 

Stadt- 

aatioQi- 

drei 

Wieder- 

D>sr.i- 

be- 

gesachen, 

Jahre 

kehr 

Hen 
Zwi- 

rän 

an  den 
Stadt- 
beikt.- 
Arxt 

lirlu- 
arat 

weg.  AuB- 
gobUelig. 

aus  der 
Sohule  od 
Überwei«. 
an  Hilft- 

■chalen, 

^DStigen- 

wie  in 

je  einmal 

im 

viertel 

an  den 

de.gl., 

d«gl. 

f»ll«'. 

Spalte  7 

im  Som- 

Win- 

jähr- 

ersten 

ferner  bei 

ferner  bei 

mer  and 

ter 

lioh 

Sohnl- 

Eweifel- 

FiUen  der 

Winter, 

arst 

bafter 

Spalte  13 

feroer 
Teil- 

SchuWer- 
Bäamnii, 

nahme  an 

beiZifohti-l 

den  jShr- 

gnng,Ver.| 

UobenDm- 

dacht  an- 

gänRen 

«Uokend. 

der  Baa 

Krank- 

beamten 

heiten  od 
Feetttellg. 
d.  Oeneig. 
».  wichen 

nebst  hygienisclLer  ReTision  und  Überwacliang  d«r  Schnlraame,  ilirer 
Ansatattang,  Beleaohtang,  Lüftnng,  Beinigang  a.  dergl.,  und  endltob 

die  Verpflifilitciig  zur  Haltung  kurzer  Yorträge  Ober  Bchnl- 
bygieniBohe  Fragen  io  den  Lebrervereammlimgen. 

Das  Honorar  betrog  jäbrlicb  600  Mark. 

Dieser  Versnob  bewährte  sich  so,  dalä  die  städtisohen  Behörden 
die  Einriclitang  zu  einer  dauernden  zu  maohen  besohlossen  und 
gleiohzeitig  statt  der  vier  Schulärzte  sechs  anstellten. 

Auf  Grand  der  gewonnenen  Erfahrnogen  wurde  nach  Ablauf 
de«  Versnohsjahres  die  Dienstordnung  in  einigen  Punkten  abgeändert, 


770 

derart,  dafs  nanmehr  die  AnsfüIIuDg  eines  Gesnndheitsscheinee  naeh 
yorgeschriebenem  Master  für  jedes  neu  eintretende  Schalkind  ver- 
langt wnrde.  Ferner  wurde  in  jeder  Schule  eine  MeüsTorriclitang  and 
Wage  angebracht  und  Messung  and  Wägang  von  nun  ab  vom  E^lassen- 
lehrer   yorgenommen,   während  sie   an&ngs   dem  Schalarzt  zufielen. 

Die  damals  getroffene  Bestimmung,  dafs  grundsätzlich  jeder 
Jahrgang  in  jedem  Semester  durch  den  Schularzt  aufs  neae  za  ontar- 
Sachen  sei,  hat  sich  im  Laufe  der  Zeit  als  überflüssig  herausgestellt; 
man  hat  vielmehr  1899  angeordnet,  dals  —  abgesehen  von  den  neu 
eintretenden  Schulkindem  —  immer  nur  der  dritte,  fünfte  and  achte 
Jahrgang  zu  untersuchen  sei.  Beim  Abgang  soll  ein  abschliefsendee 
Urteil  über  die  Gesamtentwicklung  des  Kindes  während  seiner  Schal- 
zeit in  seinem  Gesundheitsschein  eingetragen  werden. 

Diese  in  Wiesbaden  gemachten  Erfahrungen  haben  sich  eine 
ganze  Reihe  von  Städten  zu  nutze  gemacht  und  eine  Einrichtung 
getroffen,  die  der  Wiesbadener  entweder  gänzlich  gleicht  oder 
doch  wenigstens  dieselben  Grundsätze  zeigt,  wenn  aach  in  Einzel- 
heiten einige  Abweichungen  festzustellen  sind. 

Die  wichtigsten  Bestimmangen  der  Dienstanweisungen  von 
25  Städten  sind  in  den  vorstehenden  Tabellen  zusammengestellt 

(Schlafs  folgt.) 


Landeriiehongaheioie  gegen  die  Tuberknlose. 

Von 

Dr.  Georo  Liebe,  Heilanstalt  Waldhof  Elgershauaen. 

Es  wird  jetzt  mancherorts  daran  gezweifelt,  dafs  die  Heilstätten 
für  Langenkranke  auch  wirklich  Erfolge  haben,  die  den  au^ewandtoi 
Kosten  entsprechen.  Niemand  wird  die  Berechtigung  solcher  Über- 
legungen anzweifeln,  denn  wer  sein  gutes  Geld  für  eine  Sache  gibt, 
will  auch  die  Überzeugung  haben,  dals  es  nicht  nutzlos  weggeworfen 
sei.  Man  kann  aber  wohl  die  Zwdf  1er  beruhigen  und  aaf  eine  ganze 
Beihe  wirklich  positiver  Erfolge  hinweisen.  Energisch  müssen  daher 
diejenigen  zurückgewiesen  werden,  seien  es  Ärzte  oder  Laien,  die 
ihre  Abneigung  gegen  Heilstätten  durch  ganz  unbegründete  Schmäh- 
ungen auszudrücken  belieben. 


771 

» 

Trotzdem  mols  man  sich  bewuTst  sein,  daüs  die  Heilnng  er- 
wachsener Kranker  immer  nur  ein  Mittel  zweiter  Gttte  ist.  Der 
vornehmste  Grundsatz  der  Heilkunde  ist  es  ja  vielmehr,  Krankheiten 
SU  verhüten ;  dann  brauchen  sie  nicht  erst  geheilt  zu  werden.  Auch 
die  Tuberkulose  mub  mit  der  Zeit  immer  mehr  so  angefalst  werden, 
das  heilst  man  muls  schon  bei  der  Jugend  einsetzen.  Die  ganze 
Erziehung  unserer  Jugend  muis  von  Grund  aus  hygienisch  gestaltet 
werden,  und  dazu  gehört  vor  allem  eine  Umwandlung  der  Sitz-  und 
Staubschulen  in  ßewegungs-  und  Luftschulen.  Der  Unterricht  muls 
viel  mehr  als  dies  jetzt  der  Fall  ist,  von  der  Schulbank  ins  Freie, 
auf  die  grüne  Wiese,  in  Feld  und  Wald  verlegt  werden;  denn  es 
ist  sicherlich  wahr,  daCs  nur  in  einem  gesunden  Körper  ein  gesunder 
Geist  wohnen  kann. 

Den  Anfang  mit  diesen  Bestrebungen  haben  die  Persönlich- 
keiten gemacht,  die  die  Landerziehungsheime  gründeten,  voran 
Dr.  LiBTZ  in  Haubinda  in  Thüringen  und  in  Ilsenburg  am  Harz, 
Frau  Professor  Petersen  in  Stolpe  bei  Berlin  und  Fbei  und  Zuber- 
BÜHLER  in  Schlofs  Glarisegg  am  Bodensee.  Es  sind  dies  in  länd- 
licher Umgebung  gelegene  Internate,  in  denen  die  Kinder  zu  gesun- 
den und  kräftigen  und  dabei  von  aller  Schablone  freien,  denkenden 
Menschen  erzogen  werden.  Libtzs  Buch  ^Emlohstobba''/  das  wirk- 
lich jeder  lesen  sollte,  der  irgendwie  mit  der  Erziehung  der  Jugend 
zu  tun  hat,  schildert  das,  was  der  Verfasser  will  und  was  er  in 
seinen  Landerziehungsheimen  nun  praktisch  durchgeführt  hat.  Wirk- 
lich, wenn  alle  Jungen  und  Mädchen  so  würden,  frei  und  offen  und 
dabei  kindlich  fröhlich,  nichts  an  sich  von  den  emanzipierten  Herr- 
chen und  Dämchen  der  Stadt,  das  würde  nicht  nur  nach  pädagogi- 
scher Hinsicht  ein  grofsartiger  Erfolg  sein,  sondern  auch  nach 
hygienischer,  denn  solche  feste  kleine  Menschen  werden  auch  der 
Tuberkulose  ganz  anderen  Widerstand  zu  leisten  vermögen,  als  der 
heutige  Durchschnitt. 

LiETZ  steht  nicht  allein  mit  seinen  Bestrebungen,  er  hat  sie 
nur  bis  vor  kurzem  allein  in  Taten  umgesetzt.  Genannt  seien  nur 
zwei  Förderer  dieser  Richtung.  Voran  Arthur  Schulz  in  Fried- 
richshagen bei  Berlin,  der  Herausgeber  der  „Blätter  für  deutsche 
Erziehung^  und  Führer  einer  schon  recht  grofsen  Gemeinde,  die 
sich   um    die    Blätter   schart    und    nichts    Geringeres    will,    als   in 


*  LiETZ,  Emlohfltobba,  Roman  pder  Wirklichkeit?   Bilder  ans  dem  Schul- 
lehen  der  Vergangenheit,  Gregenwart  und  Znkanft.     Berlin,  Dammler,  1897. 


772 

ähnlicher  Weise,  wie  Lietz  es  für  wenige  tat,  die  gesamte  deutsche 
Schule,  Toran  gerade  die  Volksechale  in  dieser  Weise  umzugestalten. 
Auch  SoHULZ  hat  seine  Grundsätze  in  einem  nicht  minder  lesens- 
werten Buche  niedergelegt.^  Endlich  Peteb  Johannes  Thieii  in 
Elberfeld,  der  Führer  der  Lebensheimer  Bewegung  und  Herausgeber 
der  „Lebensheimer  Blätter^,  der  mit  seinen  Anhängern  Toraussicht- 
lieh  in  nächster  Zeit  ein  Schulsanatorium  eröffnen  wird. 

Wenn  nun  auch  alle  diese  Männer,  wenigstens  teilweise,  schon 
tatsächliche  Erfolge  erreicht  haben,  so  ist  doch  die  von  Schulz  aus- 
gehende Bewegung  die  wichtigste,  da  sie  sich  nicht  auf  einige  wenige 
zahlungsfähige  Individuen  beschränkt,  sondern  sich  auf  die  Volks- 
schule erstreckt. 

Wir  müssen  uns  klar  werden,  dais  die  jetzige  Art  des  ünter- 
richtens  geradezu  die  Tuberkulose  züchtet.  Wir  kennen  ja  kein 
besseres  Heilmittel  gegen  diese  Krankheit,  und  auch  kein  besseres  Ver- 
hütungsmittel, als  ein  Freiluftleben.  Unsere  Schule  ist  aber  gerade 
das  Gegenteil.  Sie  hält  Elinder,  die  ja  noch  viel  weniger  wider- 
standsfähig sind  als  die  Erwachsenen,  halbe,  ja,  man  kann  sagen  oft 
ganze  Tage  in  Räumen  eingeschlossen,  die  nicht  selten  in  der  gesund- 
heitswidrigsten Weise  überfüllt  sind,  und  deren  Luft  geradezu  stinkt. 
Es  ist  nicht  der  Zweck  dieser  Zeilen,  auf  diese  Verhältnisse  näher 
einzugehen.  Es  soll  dies  an  anderer  Stelle  geschehen.  Nur  darauf 
sei  nochmals  hingewiesen,  dafs  alle  unsere  Schulen  viel  mehr 
ins  Freie  verlegt  werden  müssen,  derart,  dafs  nicht  nur  ein 
groGser  Teil  des  Unterrichts  im  Freien  abgehalten  wird,  sondern  dafs 
auch  die  Gebäude  selbst  überall  in  ländliche  Umgebung  gesetzt,  im 
Pavillonstil  gehalten  und  reichlich  mit  Gärten,  offenen  Unterrichts- 
hallen (für  warme  Regentage)  u.  s.w.  versehen  sein  müssen.' 

Wir  wenden  uns  zurück  zu  den  schon  bestehenden  Land- 
erziehungsheimen. Diese  stellen  an  ihre  Zöglinge  ziemliche  An- 
forderungen in  betreff  der  körperlichen  Leistungsfähigkeit  und  ver- 
langen daher  auch  bei  der  Aufnahme  den  Nachweis  voller  Gesundheit. 
Das  sollte  überhaupt  jede  Schule  tun.  Und  wie  man  jetzt  damit 
beginnt,  Hilfsschulen  oder  -klassen  für  geistig  Minderwertige  zu  er- 


^  Schulz,  Arthur,  Der  Mensch  und  seine  natürliche  Aasbildung.  Gegen 
das  althergebrachte  Verfahren  in  Erziehung  and  Unterricht.  2.  Auflage.  Berlin, 
Rieh.  Heinrich.     1896. 

*  Wer  diesen  Fragen  Interesse  entgegenbringt,  dem  seien  die  oben  ge- 
nannten „Blätter  für  deutsche  Ereiehung**  dringend  empfohlen.  Jährlich  12  Hefte 
4  Mark.    Geschäftsstelle  Friedriohshagen- Berlin,  Seestr.  8  c. 


773 

riohten,  so  müssen  auch  die  körperlich  Minderwertigen,  die  wohl  in 
der  Sitzschule  mit  den  anderen  fortkommen»  aber  nicht  mehr  in  der 
freien  Erziehangsschnle,  besonders  berücksichtigt  werden.  Denn  es 
gibt  eine  ganz  groise  Anzahl  von  Kindern,  die  man  den  Gesunden 
nicht  gleichstellen  kann,  schwächliche,  schon  skrofulöse,  zu  Tuber- 
kulose und  allen  möglichen  Leiden  disponierte  Kinder.  Wenn  man 
bedenkt,  dafs  in  höherem  Alter  nahezu  hundert  Prozent  aller  Menschen 
in  ihrem  Körper  irgendwo  etwas  Tuberkulose  haben,  so  muts  man  wohl 
bei  den  meisten  dieser  Kinder  eine  latente  Tuberkulose  vermuten. 
Bei  unserer  jetzt  üblichen  Erziehungs weise,  in  der  dicken  Luft  der 
Grofsstadt  lebend,  jahrelang  der  sitzenden  Lebensweise  der  Schule 
und  der  nun  einmal  daselbst  oft  verdorbenen  Luft  ausgesetzt,  kom- 
men diese  Kinder  fast  nie  auf  einen  grünen  Zweig,  bleiben  wenig 
widerstand&hig  und  bilden,  vielleicht  mit  weniger  Ausnahmen  als 
wir  denken,  später  die  grolse  Armee  der  Tuberkulösen. 

Auch  für  diese  mufs  gesorgt  werden,  namentlich  solange  noch 
nicht  alle  unsere  Schulen  zu  Landerziehungsheimen  umgestaltet  wor- 
den sind.  Es  müssen  besondere  Anstalten  geschaffen  werden,  nenne 
man  sie  nun  Schulsanatorien  oder  mit  dem  freundlicheren  Namen 
„Landerziehungsheime  für  kranke  Kinder^,  die  sich  von  den  gewöhn- 
lichen Kinderheilstätten  dadurch  unterscheiden,  daCs  sie  weniger  oder 
zum  mindesten  nicht  nur  für  kürzere  „Kuren"  dienen,  sondern  auch 
Kinder  für  längere  Zeit  zur  Erziehung  nach  den  in  den  jetzigen 
Landerziehungsheimen  geltenden  Grundsätzen  aufnehmen.  Aber  die 
dort  immerhin  übliche,  ja,  notwendige  Unterwerfung  unter  eine  für 
alle  gleichmälsig  geltende  Ordnung  auch  in  bezug  auf  Abhärtung, 
Kräfteverbrauoh  u.  s.  w.,  muJs  in  dem  für  kranke  und  kränkliche 
Kinder  bestimmten  Landerziehungsheime  einer  ganz  ausdrücklich 
individualisierenden  Behandlung  unter  Leitung  eines  Sach- 
kundigen, auch  mit  der  Pädagogik  einigermaßen  vertrauten  Arztes  Platz 
machen.  Es  sollen  Aufnahme  finden  schwächliche,  »disponierte^  Kinder, 
die  in  die  besten  hygienischen  Verhältnisse  versetzt  werden  müssen,  um 
nicht  der  Tuberkulose  zum  Opfer  zu  fallen,  leichtkranke,  schon 
tuberkulöse  Kinder.  Da  diese  bekanntlich  in  den  seltensten  Fällen 
Auswurf  haben,  so  kann  von  irgend  einer  Gefahr  nicht  die  Bede 
sein.  Sollte  ein  Kind  schwer  erkranken,  bazillenenthaltigen  Auswurf 
bekommen  oder  dergleichen,  so  würde  es  in  eine  Heilanstalt  oder  in 
eine  besondere  Krankenabteilung  (nach  Art  der  „infirmary''  englischer 
und  amerikanischer  Heilstätten)  überführt  werden  und  dort  solange 
verbleiben,  wie  die  Ursache  anhält. 


774 

Natürlich  sollen  die  Kinder  zuerst  ^Kur  machen''.  Sie  werden 
mit  dem  hygienisch  -  diätetischen  Verfahren  behandelt,  durch  reich- 
lichen Luftgenuüs,  der  zum  Teil  auf  Spaziergängen,  bei  Spielen,  zum 
Teil  in  der  Ruhe  auf  dem  Liegesessel  stattfindet;  ferner  durch  gute 
und  reichliche,  aber  einfache  und  milde  Kost,  natürlich  unter  Ver- 
meidung aller  Nervenreize,  besonders  des  Alkohols;  durch  die  indi- 
viduell abgestufte  Verordnung  von  Körperbewegung,  leichter  Be- 
schäftigung (in  Gärtnerei,  Tischlerei,  Viehwirtschaft  der  Anstalt  u.s.w.); 
durch  mild  beginnende  und  immer  dem  kindlichen  Organismus  an- 
gepalste  Wasserbehandlung,  durch  Luftbäder,  die  im  Sommer  bei  der 
günstigen  Lage  auf  Stunden  ausgedehnt  werden  können. 

Ein  grofser  sonniger  Spielplatz,  auf  dem  sich  ein  seichtes  Wasser- 
becken mit  Brause  befindet,  bildet  einen  geradezu  idealen  Aufent- 
haltsort für  Kinder,  denen  die  Natur  nicht  gleich  das  VoUmafs  der 
Kräfte  in  die  Wiege  gelegt  hat.  Dort  oder  in  offenen  Hallen,  auch 
auf  Spaziergängen  durch  die  Wälder  und  auf  den  nächsten  Bergen 
mit  Fernsicht  wird  auch  der  Unterricht  erteilt,  nicht  in  dumpfen 
Schulstuben. 

Der  Unterricht  selbst  aber  kann  in  einem  solchen  Land- 
erziehungsheime vollständig  nach  den  von  den  „Reformern**  (um  das 
abgebrauchte  Wort  hier  zu  verwenden)  aufgestellten  Grundsätzen 
erteilt  werden. 

Wenn  die  Kinder  krank  sind,  dann  muts  dem  Urteile  des  Arztes 
geglaubt  werden.  Es  kann  dann  tatsächlich  ein  Unterricht  im  Freien 
eingeführt  werden,  eben  um  den  kranken  Kindern  die  Gesundheit 
wieder  zu  geben.  Der  Leiter  wird  als  Arzt  der  Behörde  gegenüber 
ohne  weiteres  behaupten  und  begründen,  dals  derartige  Kinder  den 
Strapazen  des  Schreibens,  Rechnens  und  Lesens  in  den  ersten  Jahren 
nicht  gewachsen  sind;  ebenso  kann  das  den  Eltern  aufs  ernsteste 
versichert  werden,  was  nicht  unwichtig  ist.  Man  kann  dann  auch 
wirklich  einen  Sommer  lang  einen  Anfangsunterricht  geben  lassen, 
der  auf  nichts  anderes  gegründet  ist,  als  auf  die  Fragen  der  Kinder. 
Das  schwächliche,  das  kranke  Kind  soll  wenigstens  am  Anfange 
nicht  angestrengt  werden.  Daher  überlasse  man  es  ihm,  das  Mali 
„des  Unterrichts^  zu  bestimmen,  eben  indem  man  auf  seine  Fragen 
antwortet.  Wenn  unsere  E^leinsten  krank  sind,  so  ist  es  den  Eltern 
das  erfreulichste  Zeichen  der  Besserung,  wenn  die  Kinder  wieder 
nach  ihrem  Spielzeug  verlangen.  So  auch  hier.  Wenn  das  Kind 
wieder  Lebenstrieb  und  Ejraft  in  sich  spürt,  so  fängt  es  an,  sich  fär 
alle   Dinge   seiner  Umgebung   zu   interessieren,    und   das  Ergebnis 


775 

dieses  Vorganges  ist  die  Frage.  Ja,  eine  solche  darch  ärztlicbe 
Machtbefugnis  über  allen  Bureankratismns  und  Schematismus  er- 
habene Anstalt  bietet  viel  Günstiges  und  bildet  geradezu  ein 
Idealversuchsfeld. 

Soviel  über  den  Gedanken  der  Gründung  solcher  Heime,  die 
ganz  unzweifelhaft  in  der  Bekämpfung  der  Tuberkulose  noch  eine 
wichtige  Rolle  zu  spielen  berufen  sind.  Eis  sei  mir  aber  gestattet, 
noch  eine  praktische  Bemerkung  anzufügen,  die  wenigstens  zum 
Teil  zugleich  eine  solche  pro  domo  ist.  Ich  habe  jetzt  in  meiner 
Heilanstalt  Waldhof  Elgershausen  ein  derartiges  Landerziehungsheim 
errichtet  und  darf,  da  wif,  wenn  auch  nur  als  Appendix,  zur  Rhein- 
provinz  gehören,  wohl  hier  noch  einige  Worte  darüber  anschlieJsen, 
die  den  ^Blättern  für  deutsche  Eraiehung**  entnommen  sind: 

„Die  Heilanstalt  Waldhof  Elgershausen  liegt  im  Kreise  Wetzlar 
(Rheinprovinz)  am  Südostabhange  des  Westerwaldes,  des  vielleicht 
noch  am  wenigsten  bekannten  deutschen  Mittelgebirges,  umgeben 
▼on  guten  Fichtenbeständen,  gegen  kalte  Winde  durch  die  umliegen- 
den Höhen,  besonders  den  burggekrönten  Greifenstein,  geschützt. 
Ein  alter  Fürstlich  Solms-Braunfelsscher  Hof  wurde  auf  Veranlassung 
des  bekannten  Philanthropen,  des  yerstorbenen  Prinzen  Albbecht 
zu  Solms-Braunfels,  zar  Heilanstalt  umgewandelt.  An  der  schönsten 
und  sonnigsten  Stelle  des  grofsen  umwaldeten  Wiesengeländes  erhebt 
eich  ein  Neubau,  das  ,,Prinz  Albrecht-Haus ".  Ea  enthält  vier  grofse 
Säle  zu  je  210  cbm  Luftraum,  zwei  grofse  Zimmer  (60  cbm),  zwei 
kleine  Zimmer,  zwei  Wasserklosetts.  Der  Blick  schweift  über  das 
anmutige  Wiesental  und  über  die  wenige  Minuten  davon  entfernt 
liegenden  anderen  Gebäude  der  Anstalt.  Dicht  neben  dem  Hause, 
unmittelbar  am  Tannenwalde,  steht  eine  geräumige,  festgedeckte 
Liegehalle.  Der  grofse  Platz  vor  ihr  und  um  das  Haus  wird  in 
diesem  Frühjahre  zu  einem  Spielplatz  hergerichtet;  die  quer  durch 
diesen  ganzen  Teil  laufende  Hochdruckwasserleitung  ermöglicht  es, 
Luftbäder  mit  Plätsoherbassin,  Brausen  u.  s.  w.  einzurichten.  Dazu 
kommt  die  idyllische  Lage  des  Ganzen,  eine  halbe  Stunde  von  jeder 
Ortschaft  entfernt  —  kurz,  gerade  dieses  „Prinz  Albrecht-Haus"  ist 
2U  einem  Kinderheime  wie  geschafFen.''  ^ 


^  Die  Herren  Kollegen,  die  rieb  für  das  Heim  interessieren  and  darin 
«inen  brauchbaren  Faktor  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose  erblicken,  bitte  ich, 
den  Prospekt  zu  verlangen,  der  mehr  besagen  kann,  als  dieser  der  Allgemein- 
heit dienende  Aufsatz. 


776 


Zur  Statistik  der  Nervosität  bei  Lehrern. 

I.  Beitrag. 

Von 

Dr.  Ralf  Wichmann, 

Nervenarzt  in  Bad  Harzbarg. 
(Schlufe.) 

D.   WShrend  des  Examens  kranke  Lehrer. 

Die  fünfte  Frage:  Litten  Sie  vor  oder  wahrend  des  Lehrer- 
examens an  nervösen  Beschwerden?  ist  von  53  Lehrern  =  17% 
mit  »ja"  beantwortet  worden.  Von  diesen  gaben  31  Lehrer  nähere 
Auskunft  über  ihr  Leiden  vor  und  während  des  Exames  und  führen 
folgendes  an: 

Über  Kopfbeschwerden  wird  15  mal  =  48%  Klage  geführt. 
Es  handelt  sich  um  Kopfschmerz,  Kopf  druck  in  den  meisten  Fällen; 
auch  Stechen  in  der  Kopfhaut,  einseitigen  Kopfschmerz  bei  Über- 
arbeitung des  Abends,  sowie  um  Druck  und  Paraesthesie  —  ,,  Ameisen 
im  Kopf''.  Einer  schreibt:  ,,Ich  konnte  auf  dem  Seminar  nicht 
wohl  über  Mittemacht  hinaus  arbeiten,  ohne  in  der  nächsten  Zeit 
dafür  büfsen  zu  müssen.  Einst  arbeitete  ich  bis  2Vs  oder  3  ühr 
nachts.  Die  Augen  fielen  mir  inzwischen  immer  zu,  da  konnte  ich 
in  acht  Tagen  keine  geistige  Anstrengung  ertragen,  ohne  Kopfweh 
zu  erhalten".  Das  ist  also  ein  typischer  Fall  von  Kopfschmerz 
durch  Überanstrengung  und  Erschöpfung.  In  einem  anderen  Fall 
wird  der  Kopfschmerz  auf  Onanie  zurückgeführt.  Der  betre£fende 
Lehrer  schreibt:  „Diesem  Laster  fröhnte  ich  schon  in  den  Knaben- 
jahren bis  in  die  Zeit  meiner  Verheiratung  hinein,  habe  aber  nie 
auTserehelichen  Geschlechtsverkehr  gepflegt**.  In  4  Fällen  werden 
andere  nervöse  Kopfbeschwerden  geklagt,  darunter  Flimmern  vor 
den  Augen.  Einmal  wird  Schwindel  und  Nasenbluten  angegeben; 
desgleichen  einmal  Zwangsgedanken,  Befangenheit,  «die  mich  auch 
jetzt  noch  belästigen  und  schon  belästigten  als  ich  noch  Kind  war". 
Aufgeregtes  Wesen,  Blutandrang  nach  dem  Kopfe,  leichte  Erreg- 
barkeit, Erregung  und  Blutandrang  (schrecklicher  Drill  im  Inter- 
nat), sowie  Angstgefühl  werden  von  5   Lehrern   angegeben.     Mehr- 


777 

fach  wird  über  Herzbeschwerden  während  der  Bxamenszeit  geklagt: 
Herzklopfen,  Herzbeklemmung,  HerzstoDsen,  Schmerzen  in  der  Herz- 
gegend. Zwei  Lehrer  haben  Zittern  in  den  Händen  resp.  Zitter- 
krampf in  den  Fingern.  Schlafstörung,  Schlaflosigkeit,  übermäisiges 
Schlafbedürfnis,  Erschöpfung  wird  in  4  Fällen  angegeben.  Magen- 
beschwerden, Magenschwäohe,  Erbrechen  nach  dem  Essen,  Abmage- 
mng  kommt  5  mal  als  Klage  vor.  In  einem  Fall  werden  der  Vor- 
bereitung aufs  Examen  sexuelle  Beschwerden  zugeschoben.  Der 
BetrefFende  schreibt:  „Die  Examen  regten  mich  derartig  auf,  dafs 
während  der  Arbeiten  Pollutionen  erfolgten.  Sehr  häufige  nächt- 
liche Samenergüsse,  welche  Benommenheit  des  Kopfes,  Blutandrang 
nach  dem  Kopfe  und  Kopfschmerz  zur  Folge  hatten,  stellten  sich 
ein.  Ich  schreibe  dies  der  Überanstrengung  mit  geistigen  Arbeiten 
zu.  Von  morgens  5^/2  Uhr  bis  abends  9Vs  Uhr  mit  wenig  Pausen 
zu  arbeiten,  war  ich  nicht  gewöhnt.  Dazu  fehlte  es  an  Zerstreuung, 
ausreichender  körperlicher  Bewegung,  wie  es  im  Internat  nicht  anders 
sein  kann^.  Ein  Lehrer  gibt  aulserdem  an,  dafs  er  zwar  nicht  an 
nervösen  Beschwerden,  wohl  aber  an  Lungenspitzenkatarrh  während 
der  genannten  Zeit  gelitten  habe.  Mit  diesem  würde  die  Zahl  der 
während  des  Examens  krank  gewesenen  Lehrer  von  53  auf  54 
steigen.  Ich  lasse  diesen  letzteren  jedoch  aufser  Betracht,  weil  er 
keine  nervösen  Beschwerden  hatte. 

Von  Interesse  ist  die  Frage,  ob  diese  53  Lehrer  nun  dauernd 
krank  blieben,  ob  sich  also  aus  den  nervösen  Beschwerden  der 
Examenszeit  ein  dauerndes  Nervenleiden  entwickelte,  oder  ob  sie 
wieder  gesund  wurden.  Dies  beantwortet  sich  folgendermafsen :  Nur 
6  Lehrer,  also  11%,  von  jenen  53  blieben,  nachdem  sie  das 
Lehrerexamen  abgelegt  hatten,  und  nachdem  die  vor  und  während 
des  £!xamens  bestandenen  nervösen  Beschwerden  sich  wieder  gelegt 
hatten,  bis  zuletzt  dauernd  gesund.  Die  übrigen  47  Lehrer,  also 
88%,  sind  auch  später  krank  geworden.  Aber  auch  das  Gesund- 
bleiben jener  6  Lehrer  ist  nicht  streng  zu  nehmen,  denn  bei 
Frage  16:  Leiden  Sie  an  Angstzuständen,  Zwangsgedanken,  Kopfdruck 
oder  Herzklopfen?  geben  diese  6  Lehrer  an,  hieran  zu  leiden I 

Von  den  53  Lehrern  geben  48,  d.  i.  90%,  bei  Frage  16 
nervöse  Beschwerden  an,  nämlich  Angstzustände,  Zwangsgedanken, 
Kopfdruck  oder  Herzklopfen  zur  Zeit  der  Beantwortung  des  Frage- 
bogens. Nur  5  Lehrer,  d.  i.  9  %,  verneinen  unter  diesen  53  die 
Frage  16.  Aber  3  von  diesen  5  Lehrern  geben  wiederum  an, 
dafs  sie  an  den   aufgeführten   nervösen  Beschwerden  früher  gelitten 


778 

haben.  Somit  bleiben  von  den  53  Lehrern  nur  zwei  übrig,  und 
diese  beiden  sind  lungenleidend.  Der  eine  hat  früher  an  Schlaf- 
losigkeit gelitten.  Der  andere  gibt  bei  Frage  17  an,  dals  sein  Ge- 
dächtnis kurz  und  unklar  geworden  sei,  dafs  er  „jeden  Abend  — 
einem  unerklärlichen  Drange  folgend  —  vor  dem  Zubettegehen  jedes 
Zimmer  ableuchten  müsse,  weil  er  sonst  nicht  schlafen  könne".  ESr 
schreibt  femer:  „Wenn  ich  andauernd  intensive  Denkarbeit  yerrichte» 
wie  z.  B.  bei  Ausarbeitung  eines  Vortrags,  so  stellt  sich  regelmäCng 
heftiges  Stechen  in  der  rechten  Schläfe  und  im  rechten  Ohr  ein. 
Auiserdem  mufs  ich  seit  einigen  Jahren  jedes  von  mir  geschriebene 
Schriftstück  von  meiner  Frau  nachlesen  lassen,  weil  ich  häufig 
"Wörter  auslasse.  Als  bestes  Gegenmittel  fand  ich  immer  Ruhe, 
Schonung".  Demnach  ist  dieser  Lehrer  bezüglich  seines  Nerven- 
systems natürlich  auch  nicht  als  gesund  zu  betrachten.  Wir  erhalten 
also  das  Ergebnis,  dafs  sämtliche  53  Lehrer,  welche  während 
des  Lehrerexamens  an  nervösen  Beschwerden  gelitten 
haben,  später  in  ihrem  Berufe  nervenkrank  geworden 
sind.  Das  sind  100%.  Wenn  sich  diese  an  kleinem  Material 
gefundene  auffällige  Tatsache  auch  an  einem  grofsen  Material  be- 
stätigen sollte,  80  dürfte  das  für  die  Verhütung  der  Nervosität  in 
vielen  Fällen  bei  Lehrern  von  grofser  Wichtigkeit  werden  können. 
Es  müfste  deshalb  meiner  Ansicht  nach  an  einem  grofsen  Material 
dieser  Punkt  geprüft  werden. 

Von  diesen  53  Lehrern  wird  geklagt  bei  Frage  16: 
über  Angstzustände . .   26  mal  =  49  7o 
„     Zwangsgedanken  20    „     =37  % 

„     Kopfdruck 32    „     =  60  7o 

„     Herzklopfen   ...   27    „     =  60  7o 
Femer  5  mal  über  Schlafstörung.     Nicht  selten  sind  alle  diese  Be« 
schwerden   zusammen    vorhanden,    wie   das  ja   bei  Neurasthenikem 
etwas  Gewöhnliches  ist. 

Der  Konfession  nach  verteilen  sich  diese  53  Lehrer  auf: 

Protestanten . .  45 
Katholiken.  .  .  7 
Israeliten  ....      1 

Bezüglich  der  Heredität  dieser  53  Lehrer  ist  folgendes  zu  sagen. 
Unter  den  6  oben  Erwähnten,  welche  sich  als  gesund  betrachten, 
leidet  1  mal  der  Vater  an  Hüftnervenentzündung,  die  übrigen  5 
Väter  haben  keine  Nerven-  oder  Geisteskrankheit.  Die  6  Mütter 
sind  nicht  nerven-  oder  geisteskrank.     Unter  den   Geschwistern    ist 


779 

keines  nerven-  oder  geisteskrank.  Nur  ein  Bruder  starb  als  zehn- 
jähriges Kind  an  Gehirnentzündung.  Man  kann  also  von  hereditärer 
Belastung  durch  Nerven-  oder  Geisteskrankheit  bei  diesen  6 
Lehrern  nicht  sprechen. 

Unter  den  47  übrigen  Lehrern  kommen  Nerven-  oder  Geistes- 
krankheiten vor  in  17  Familien,  d.  i.  36%,  und  zwar: 

beim  Vater 7  mal 

bei  der  Mutter 10    „ 

„  den  Geschwistern  9  „ 
Von  den  53  Lehrern  sind  40,  d.  i.  74%,  verheiratet,  darunter 
zwei  verwitwet.  Von  den  6  angeblich  Gesunden  sind  drei  ver- 
heiratet, drei  ledig.  Sämtliche  sechs  geben  an,  dafs  sie  nicht  für 
Angehörige  zu  sorgen  hätten.  Von  den  übrigen  47  Lehrern  haben 
24  für  Angehörige  zu  sorgen,  also  51%,  und  von  den  übrig  blei- 
benden sind  auch  noch  zwölf  verheiratet.  Es  bleiben  also  im  ganzen 
Ton  den  47  Lehrern  11,  welche,  streng  genommen,  nicht  für  An- 
gehörige zu  sorgen  haben.  Aber  von  diesen  11  Lehrern  haben  drei 
Schulden  abzutragen.  Somit  bleiben  also  unter  den  47  Lehrern  nur 
8,  d.  i.  17%,  übrig,  welche  ihre  Einnahmen  lediglich  für  sich  selbst 
verwenden  können.  Dieses  Moment,  das  Sorgen  für  Angehörige, 
spielt  überhaupt  bei  vielen  Neurasthenikern  ätiologisch  eine  wichtige 
Solle.  Die  vorstehenden  Angaben  scheinen  mir  zu  zeigen,  dals  von 
diesem  Erfahrungssatze  die  Lehrer  keine  Ausnahme  machen.  Ich 
meine,  dals  beim  Zustandekommen  der  Nervosität  bei  den  Lehrern 
das  Sorgen  für  Angehörige  im  weiteren  Sinne  eine  gewisse  Rolle 
mitspielt. 

Die  angeblich  6  Gesunden  sind  im  Schuldienst  angestellt: 
1,  2,  4Vsi  &>  9,  10  Jahre.  Das  ist  verhältnismäfsig  kurze  Zeit. 
Die  übrigen  47  sind  im  Schuldienst  angestellt: 

1  Lehrer     1 —  5  Jahre  lang 


18 

ff 

6—10 

9 

n 

10—15 

8 

» 

16—20 

6 

w 

20—26 

1 

» 

25  30 

4 

n 

30—35 

1 

M 

36—40 

n 


Es  unterrichteten  die  6  angeblich  Gesunden: 

2  Lehrer  40—50  Schüler 
1        »  50  „ 


780 

1  Lehrer      60      Schüler 
1        ^       90—95        „ 

1        „       80,  60,  50,  130,  50,  50,  70  Schüler  auf  äeben 
yerschiedenen  Stellen. 

Von  den  47  übrigen  Lehrern  unterrichteten  im  Darchschnitt : 

1  Lehrer  20—30  Kinder 

1  ^       40^50       „ 

16  „  50—60  „ 

19  „  60—70  „ 

4  „  70-80  „ 

2  „  80—90  „ 

Femer  geben  an,  dafs  sie  unterrichten  im  Durchschnitt: 
1  Lehrer  46,  100,  95  Kinder 

1       .        102 

1       „       90—100,  75,  60—60       „ 
1       „       90,  80,  40,  50—60 
Privatstunden  erteilen  von  den  6  angeblich  Gesunden  4  Lehrer 
und  zwar  einer   3,  einer  4,   zwei  je  6   Stunden  pro  Woche.     Von 
den  übrigen  47  Lehrern  erteilen  21,  d.  i.  44 Vo,  Privatstunden: 

3  Lehrer  bis  zu     2  Stunden  pro  Woche 
6  4 

*  V  »»^  n  n  n 

«^n  wjf"  n  n  n 

^  n  rj       n      ■»•"  www 

Unter    den    drei,    welche    6    Stunden    Privatunterricht  erteilen,   ist 
einer  mitgezählt,  welcher  seinen  eigenen  Sohn  unterrichtet. 

Von    den  6  angeblich    Gesunden   würden    ihrer   Ansicht  nach 
täglich  folgende  Stundenzahl,  ohne  zu  ermüden,  geben  können: 

3  Lehrer  bis  zu  4  Stunden 

Die  übrigen  47  Lehrer  geben  folgende  Stundenzahlen  an,  welche 
sie  täglich,  ohne  zu  übermüden,  unterrichten  können: 

7  Lehrer  bis  zu  3  Standen 


11    , 

4 

n 

8       „ 

»     »    5 

» 

9      „ 

»     »    6 

» 

1      « 

»     »    8 

n 

Fall    ist 

nichts    ange( 

;eben. 

Derjenige     Lehrer, 

In    einem 

welcher  glaubt,    8  Stunden  täglich  unterrichten  zu  können,  ist  seit 
6    Jahren    im   Schuldienst    angestellt,    erblich   nicht    belastet,   v«r- 


781 

heiratet  und  anterrichtet  im  Darohsohnitt  60  Kinder.  Er  leidet  an 
unregelmälüsiger  Herztätigkeit,  Benommenheit  des  Kopfes,  Angst  vor 
öffentlichem  Auftreten  und  Zwangsgedanken.  Er  hat  wegen  seines 
Leidens  schon  am  Urlaub  nachgesucht,  welcher  ihm  trotz  Befür- 
wortung seitens  des  zuständigen  Kreisarztes  abgeschlagen  wurde,  wie  er 
glaubt  aus  dem  Grunde,  weil  man  von  der  Voraussetzung  ausgeht: 
er  sehe  gesund  aus,  und  es  werde  ihm  deshalb  wohl  nichts  fehlen. 
Zwei  von  den  erwähnten  6  angeblich  gesunden  Lehrern 
machen  bezüglich,  der  Zahl  der  Unterrichtsstunden,  welche  sie 
glauben,  ohne  zu  übermüden,  geben  zu  können,  noch  folgende  Be- 
merkungen : 

1.  „Das  richtet  sich  nach  der  Klasse.  Li  einer  Klasse,  wie  ich 
sie  jetzt  habe,  VII.  (unterste  Klasse)  mit  48  Kindern  am  Anfang 
des  Schuljahres,  kann  ich,  ohne  zu  ermüden,  nicht  mehr  als  vier 
Stunden  täglich  unterrichten.  In  anderen  Klassen  würde  ich  wohl 
sechs  ertragen  können." 

2.  „In  meiner  einklassigen  Schule  höchstens  5  Stunden,  wenn 
es  sich  nur  um  Vormittagsunterricht  handelt,  oder  wenn  eine  Mittags- 
pause von  nicht  weniger  als  2  Stunden  eintritt.^ 

Unter  den  47  übrigen  Lehrern  machen  ebenfalls  einige  Lehrer 
zu  diesem  Gegenstand  besondere  Bemerkungen :  Ein  Lehrer,  welcher 
6  Klassenstunden  unterrichten  kann,  führt  an,  daJB  Einzelstunden 
und  Korrekturen  ihn  viel  mehr  ermüden.  —  Einer  weist  auf  die 
Pausen  hin,  die  zwischen  den  Stunden  nötig  sind.  —  Einer  meint: 
„ohne  jede  sonstige  Sorge  könnte  ich  einen  fruchtbringenden  Unter- 
richt von  täglich  4  Stunden  in  voller  Kraft  und  ohne  jede  Er- 
müdung erteilen**.  —  Einer  —  ein  B.ektor  —  will  3  Stunden  vor- 
mittags und  1  Stunde  nachmittags  geben  können.  —  Einer  gibt 
an:  etwa  3  bis  4  Stunden,  der  Nachmittagsdienst  drückt  be- 
sonders schwer.  —  Einer  schreibt:  „das  kommt  darauf  an,  wie  die 
Stunden  zu  einander  liegen,  wie  viel  Abteilungen  zu  unterrichten 
sind,  und  was  der  Gegenstand  des  Unterrichts  ist.  Die  ersten  beiden 
Stunden  des  Tages  erteile  ich  ohne  Ermüden.  Hätte  ich  darauf 
1  Stunde  Pause,  so  könnte  ich,  falls  ein  technisches  Fach  da- 
zwischen wäre,  weitere  2  Stunden  ohne  wesentliche  Ermüdung 
unterrichten.  Je  mehr  Abteilungen  in  einer  Klasse  sind,  desto 
weniger  bietet  sich  zu  einer  kurzen  Erholung  während  des  Unter- 
richts Gelegenheit.  Der  Nachmittagsunterricht  ist  immer  ermüdend'*. 
Ein  anderer  schreibt:  ,|Unter  günstigen  sanitären  Verhältnissen  (gute 
Luft,  heller  freundlicher  Schulraum,  kein  Berufsärger  mit  Vorgesetzten, 


782 

Eltern  u.  s.  w.  vorausgesetzt)  würde  ich  meine  28  Standen  wöchent- 
lich gern  erteilen,  und  auch  ohne  Schaden,  wie  ich  glaube.  Ich 
würde  eher  die  sanitären  Verhältnisse  gebessert  sehen,  die  Schüler- 
zahl bedeutend  (auf  circa  30)  herabgesetzt  wünschen,  als  auf  Stunden- 
verminderung  sehen".  —  Einer  meint:  „3  Stunden  würde  er  viel- 
leicht geben  können,  ohne  zu  übermüden,  doch  würde  sich  das  ganz 
danach  richten,  ob  und  wie  lange  Pausen  dazwischen  liegen".  —  Bei 
einem  Lehrer  hat  die  Witterung  hierauf  Einflufs.  Er  schreibt: 
„an  manchen  (regnerischen)  Tagen  ermüde  ich  schon  nach  V«  Stunde, 
an  anderen  erst  nach  2  Stunden;  im  übrigen  würde  ich  4  Stunden 
mit  dem  Nachmittagsunterricht,  ohne  zu  übermüden,  unterrichten 
können*'. 

Die  Zeit,  welche  täglich  auf  Schulvorbereitung  und  Korrek- 
turen von  diesen  53  Lehrern  verwendet  wird,  ist  folgende.  Von 
den  6  angeblich  Gesunden  verwenden: 


1  Lehrer  bis 

zu 

1  Stunde 

3      «        V 

7) 

2  Stunden 

2       „         „ 

r> 

8         „ 

Lehrern 

10  Lehrer  bis 

zu 

1  Stande 

21       „         „ 

7t 

2  Stunden 

11       »         „ 

n 

3        „ 

4       »         « 

7) 

4        , 

Und  einer  braucht  8  bis  10  Stunden  täglich  zur  Vorbereitung;  er 
bereitet  sich  auf  die  Prüfung  als  Mittelschullehrer  vor  und  rechnet  die 
Zeit,  welche  er  für  das  Studium  zum  fkamen  verwendet,  mit. 

Von  diesen  53  Lehrern  haben  29  Lehrer,  also  54  %,  zum  Teil 
mehrmals  die  Ferien  verlängern  lassen  aus  Gesundheitsrücksichten, 
und  23,  also  43%,  geben  an,  dafis  sie  auch  den  Unterricht  wegen 
nervöser  Beschwerden  —  abgesehen  von  Ferienverlängerung  —  haben 
aussetzen  müssen.  Femer  sind  9  Lehrer,  also  16%,  unter  den 
53,  die  das  zwar  nicht  getan  haben,  aber  angeben,  dals  sie  alle  Ur- 
sache dazu  gehabt  hätten.  Biese  neun  haben  sich  aber  gezwungen, 
weiter  zu  arbeiten,  owohl  sie  sich  abgespannt  und  krank  fühlten. 
Einer  von  ihoen  hatte  auch  den  aus  Gesundheitsrtlckaichten  nach- 
gesuchten Urlaub  bewilligt,  erhalten,  aber  ihn  aus  Mangel  an  Geld 
nicht  angetreten. 


783 


B.  Die  Baeh  dem  Examen  später  erkrankten  Lehrer. 

Die  Gesamtsumme  der  später  nach  dem  Examen  erkrankten 
Xiehrer  beträgt  257.  Bei  diesen  Lehrern  sind  in  der  Zeit  nach  dem 
Bxamen  bis  jetzt  folgende  Krankheiten  vorgekommen: 

I.   Infektionskrankheiten. 

Typhns 7  mal 

Grastrisohes  Fieber 1  „ 

Blinddarmentzündung 6  „ 

Ruhr 3  „ 

Keuchhusten 1  „ 

Diphtherie 2  „ 

Bronchialkatarrh 7  „ 

Lungenentzündung 9  „ 

Brustfellentzündung 4  „ 

Influenza 13  „ 

Scharlach 1  „ 

Kopfrose ...    2  » 

Gelenkrheumatismus 7  „ 

Rheumatismus 6  „ 

Karbunkel 1  „ 

Summa  69  =  27  % 

n.    Rachen-,  Nasen-,  Hals-  und  Ohrleiden. 

Rachen-  und  Halskatarrh 27  mal 

Mandelentzündung 2  „ 

Kehlkopfkatarrh 12  „ 

Heiserkeit 4  „ 

Stimmbandlähmung 2  „ 

Luftröhrenentzündung 2  „ 

Mittelohrentzündung 5  „ 

Ohrensausen 1  „ 

Nasenbluten 2  „ 

Nasenmuschelschwellung 1  „ 

Polypöse  Wucherungen 1  „ 

KropJEirtige  Halsanschwellung   1  „ 

Summa  60  =  23% 

8Ghiilg«Bundheit8pflege.  XVI.  40 


784 

m.    Chronisohe  Lnngenaffektionen. 

Lungenspitzenkatarrh 4  mal 

Chronischer  Lungenkatarrh 9    « 

Bluthusten 2    „ 

Lungenverkalkung 1    » 

Lungeninfarkt 1    » 

Lungenemphjsem 2    „ 

Atembeschwerden 1    » 

Summa  20  =  7  Vo 

IV.    Organische  Herzaffektionen. 

Herzklappenfehler. 4  mal 

Herzerweiterung 2    „ 

Herzverfettung 1    „ 

Herzaffektion 1    » 


Summa    8  =  3  7o 


y.    Magen-Darmaffektionen. 

Magenkatarrh 9  mal 

Magenleiden 9  „ 

Chronischer  Darmkatarrh 4  „ 

Dickdarmkatarrh 1  „ 

Hämorrhoiden 2  „ 

Gelbsucht 1  „ 

YerdauangsstOrungen 6  » 

Stuhlbeschwerden 3  „ 

Pfortaderstauungen   1  „ 

Erbrechen 1  „ 


Summa  37  =  14  7o 

YL    Nervenkrankheiten. 

Facialislähmung 1  mal 

Trigeminusneuralgie 2    „ 

GFenickkrampf 1 

Neuralgie 1 

Migräne 5 

Nervosität«  Neurasthenie 64 

Müdigkeit,  Erschöpfung   9 


9 

n 
n 

9 


7«5 


Grereiztheit,  Aufregung,  Unnihe  ....     15  mal 

Nervöser  Kopfischmerz 22    „ 

Kopfbenommenheit 3    „ 

Blutandrang  zum  Kopf 2    „ 

Schwindel 3    „ 

Zwangsgedanken 4    „ 

Herznervosität,  Herzklopfen 16    „ 

Angstgefühl 6    „ 

Schlaflosigkeit 13    „ 

Nervöses  Magen-Darmleiden 12    „ 

Überarbeitong ....  2    „ 

Büokenstechen 

Zittern 

Schmerzen  in  Eichel  and  Hoden . . . 

ArbeitsTinltist 

Menschenscheu 

Gemütskrankheit,  Lebensflberdrufs  . . 


Summa  176  =  68  Vo 


Vll.    Verschiedenes. 

Blutarmut 4  mal 

Allgemeine  Verfettung 1  „ 

Zuckerkrankheit 2  „ 

Gallensteinkolik 2  „ 

Nierenentzündung 2  „ 

Nierensteine 1  „ 

ürindrang 1  „ 

Geschlechtskrankheit 1  „ 

Syphilis 1  „ 

Pollutionen 1  „ 

Onanie 1  „ 

Hautkrankheit 2  „ 

Zungencyste 1  « 

Muskelschwund 2  „ 

Augenschwäche 1  » 

Bandwurm 1  „ 


Summa  24  =  9  7o 


40' 


786 


Demnach  erhalten  wir  394  Krankheiten  unter  257  Lehrern 

Infektionskrankheiten in  69  Fällen  =  27  % 

Bachen-,  Hals-,  Nasen-  und  Ohrleiden    ^  60       ^      =23  Vo 

Chronische  Langena£fektionen „  20       „      =-    7  % 

Organische  Herzaffektionen „  8       ^      =    3  % 

Magen-Darmaffektionen „  37       „      =  14  % 

Nervenleiden w  1*^6       n      =  68  % 

Verschiedenes „  24       „      =r    9  % 


Summa  394 

Diese  Angaben  sind  gemacht  auf  Qrund  der  Frage  7  des  Frage- 
bogens: „Blieben  Sie  nach  dem  Lehrerezamen  bis  jetzt  dauernd 
gesund?  Eventuell  woran  erkrankten  Sie?"  Die  Antworten  auf 
Frage  16  enthalten  ebenfalls  Klagen  über  nervöse  Beschwerden, 
aber  diese  sind  hier  noch  nicht  mit  berücksichtigt,  sondern  folgen 
später.  Die  obigen  394  Krankheiten  resp.  Symptome  solcher  ver- 
teilen sich  auf  257  Lehrer  in  der  Weise,  dafs  bei  vielen  Lehrern 
mehrere  der  Krankheiten  oder  Symptome  gleichzeitig  oder  zu  ver- 
schiedenen Zeiträumen  nach  einander  vorkommen. 

In  vielen  Fällen,  von  denen  vorstehende  Angaben  herrühren, 
ist  auch  die  weitere  Unterfrage  der  Frage  7:  „Wie  lange  Zeit  nach 
dem  bestandenen  Lehrerezamen  erkrankten  Sie?"  beantwortet.  Ich 
lasse  die  Zahlenangaben,  soweit  sie  Infektionskrankheiten  und  die 
übrigen  Rubriken  —  ausser  Nervenkrankheiten  —  betrefFen,  aulser 
Betracht,  weil  dies  wenig  Interesse  hat.  Dagegen  ist  es  wichtiger, 
zu  wissen,  wie  lange  Zeit  nach  dem  Examen  die  funktionellen 
Nervenkrankheiten,  also  speziell  die  Neurasthenie  und  was  zu  ihr 
gehört,  entstanden  sind.  Darüber  will  ich,  soweit  es  möglich  ist, 
Angaben  machen.  Ich  berücksichtige  dabei  nicht  die  10  Fälle 
von  Facialislähmung,  Trigeminusneuralgie,  G-enickkrampf,  Neuralgie 
und  Migräne.  Alle  übrigen  in  vorstehendem  Verzeichnis  aufgeführten 
Fälle  von  Nervenkrankheiten  resp.  Symptomen  derselben  fallen 
unter  das  Sammelgebiet  der  Nervosität  oder  Neurasthenie.  Ich 
zähle  auch  die  psychischen  Symptome,  Menschenscheu,  Gemüts- 
krankheit und  Lebensüberdrufs,  der  Einfachheit  halber  mit  zu  den 
nervösen  Symptomen.  Dann  stehen  im  ganzen  auf  Grund  der 
Frage  7  des  Fragebogens  166  nervöse  Symptome  zur  Verfügung,  und 
von  diesen  haben  126  Lehrer  den  Zeitpunkt  angegeben,  zu  welchem 
das  nervöse  Symptom  nach  dem  Examen  bei  ihnen  auftrat.  Darüber 
ergibt  sich  folgendes: 


im 


787 

Die  nervösen  Beschwerden  traten  auf  nach  dem  Examen: 

(sogleich  resp.  im  ersten  Jahre  1 
nach    dem    Examen    29  mal  |  60  mal  =  47  ^/o 
vom  2. — 5.  Jahre  inkl.  31  mal  J 

«      6.-10.      „      24    „    =19Vo 

„    11.— 15.      „     20    ,    =16% 

,    16.— 20.      „     14    ,    =11% 

„    21.-25.      „     6    ,    =    4% 

naohdem25.       „ 2    ,    =    1  % 

Summa  126  mal 

Ohne  ans  diesem  letzten  Zahlenergebnis  einen  endgültigen 
Schluis  ziehen  zu  wollen,  denn  daza  sind  die  Zahlen  viel  zu  klein, 
kann  ich  doch  nicht  unterlassen,  darauf  hinzuweisen,  dals  ein  Ver- 
gleich dieser  Zahlen  mit  jenen  oben  mitgeteilten  interessant  ist, 
weiche  zu  ergeben  schienen,  dals  alle  Lehrer,  die  während  des 
Examens  an  nervösen  Beschwerden  litten,  später  nervenkrank  wurden. 
Es  scheint  doch  auffallend  zu  sein,  dafs  in  der  grofsen 
Mehrzahl  der  vorstehenden  Fälle  die  Nervosität  in  den 
ersten  5  Jahren  der  Lehrtätigkeit  nach  dem  Examen 
sich  entwickelt  hat.  Ob  es  sich  tatsächlich  so  verhält,  wie  vor- 
stehende Tabelle  zeigt,  dafs  nämlich  mit  zunehmenden  Schuldienst- 
jahren die  ErkrankungszijBfer  der  Lehrer  an  Nervosität  nicht,  wie 
man  erwarten  sollte,  zu-,  sondern  abnimmt,  bleibt  weiteren  um- 
fassenderen Untersuchungen  an  gröJserem  Material  zur  Bestätigung 
oder  Berichtigung  vorbehalten.  Vielleicht  würde  das  darauf  hin- 
deuten, dals  nicht  der  Beruf  und  die  Lehrtätigkeit  als  solche  das 
schädliche  Moment  zur  Entstehung  der  Nervosität  bilden,  sobald  ein- 
mal die  ersten  15  Lehrjahre  gut  überstanden  sind.  In  den  ersten 
15  Jahren  der  Lehrtätigkeit  scheint  die  Gefahr  zu  liegen, 
sowie  in  der  schon  oben  als  ätiologisch  gefährlich  be- 
zeichneten Seminar-  und  Examenszeit. 


788 


Htx»  ii ttf amminn^tn  ntib  Dereineti. 


Die  IV.  sehweizerisehe  Konferenz  fBr  das  Idiotenwesen 
am  11«  nnd  12«  Mai  1903  in  Luern. 

Von 
Dr.  med.  KBAFT-Züricb. 

Die  schweizerische  Konferenz  für  das  Idiotenwesen  hat  sich,  wie  der 
Vorstand  in  seinem  Einladungsschreiben  fdr  die  diesiährige  Versammlnng 
sagte,  zur  Aufgabe  gemacht: 

1.  Die  Theorie  und  Praxis  der  Erziehung  geistesschwacher  Kinder  in 
allen  Teilen  der  Schweiz  planm&Csig  zu  fördern;  2.  dem  angeborenen 
Rechte  dieser  Kinder  auf  die  Befähigung  zu  einem  menschenwürdigen 
Dasein  durch  die  sachverständige  Ausbildung  ihrer  natürlichen  Anlagen  bei 
der  Bevölkerung,  den  Behörden  und  in  der  Gesetzgebung  Anerkennung  zu 
verschaffen;  3.  den  Mitgliedern  Gelegenheit  zu  bieten,  einander  persönlich 
naher  zu  treten,  ihre  Ansichten  und  Erfahrungen  auszutauschen  und  sieh 
zu  unverdrossenem  Wirken  zu  ermuntern. 

Die  Konferenz  war  gut  besucht.  Im  allgemeinen  gewann  man  ans 
der  Teilnahme  an  der  Konferenz,  aus  den  Referaten  und  der  Diskussion 
den  Eindruck,  dafs  die  gute  Sache  marschiert,  und  dafs  man  sich  nach- 
gerade allerorten  bestrebt,  den  Ärmsten  der  Schwachen,  den  geistig  ganz 
oder  halb  Verkrüppelten,  ohne  Ansehen  der  Person  nnd  Konfession,  ein 
menschenwürdiges  Dasein  und  eine  geeignete  Erziehung  in  irgend  wdcher 
Form  zu  gewähren. 

Ein  anschauliches  Bild  der  bisherigen  Entwicklung  der  Idiotenpflege 
in  der  Schweiz  gewährte  das  Referat  des  Konferenzpräsidenten,  Herrn 
Lehrer  Aueb  in  Schwanden  (Olarus).  Es  geht  aus  demselben  hervor, 
dafs  im  Jahre  1901  in  der  Schweiz  18  Anstalten  für  geistesschwache 
Kinder  mit  748  Zöglingen  bestanden.  Diese  Anstalten  blühen  heute  nodi 
und  zählen  zurzeit  813  Pfleglinge.  Seit  1901  sind  vier  neue  Anstalten 
erstanden,  drei  kleinere,  die  Pension  Rosengarten  in  Regensburg,  das 
Heim  für  schwachsinnige  Kinder  zu  Stein  im  Toggenburg,  und  die  Anstalt 
Seedorf  bei  Freiburg,  femer  die  gröüsere  Anstalt  St.  Johann  bei  Neu- 
st. Johann.  Diese  vier  Anstalten  zählten  im  Februar  1903  zusammen 
54  Zöglinge.  Im  selben  Zeitpunkte  betrug  die  Gesamtzahl  der  Zöglinge 
der  schweizerischen  Anstalten  für  Geistesschwache  867,  gegen  748  oder 
411  vor  zwei,  bezw.  sechs  Jahren.  Seit  der  eidgenössischen  Zählung  im 
März  1897  ist  die  Zahl  der  Anstaltszöglinge  um  111%,  also  um  mehr 
als  das  doppelte,  gestiegen. 

Neben  den  soeben  genannten  gibt  es  aber  noch  andere  Anstalten» 
welche  geistesschwache  Kinder  aufnehmen  und  sie  individuell  behandeln, 


789 

so  die  beiden  1886  gegrflndeten  Anstalten  fflr  Epileptische.  In  der  groben 
schweizerischen  Anstalt  fftr  Epileptische  in  Ztlrich  waren  49,  in  der  berni- 
schen Anstalt  Bethesda  in  Tschngg  bei  Erlach  28  schwachsinnige  Kinder 
ontergebracht.  Ferner  besitzt  die  toggenbnrgische  Waisenerziehnngsanstalt 
St.  Iddaheim  bei  Ltttisbnrg  eine  besondere  Abteilnng  ffir  Schwachsinnige 
mit  14  Zöglingen.  Die  drei  genannten  Anstalten  beherbergen  also  91 
schwachsinnige  Kinder,  nnd  es  waren  somit  im  Febrnar  1903  in  unseren 
schweizerischen  Erziehnngs-  nnd  Pflegeanstalten  ffir  Geistesschwache  sowie 
in  anderen  Anstalten  968  Zöglinge  versorgt.  Seit  ihrer  ErOffnnng  haben 
die  22  schweizerischen  Erziehnngs-  nnd  Pflegeanstalten  ffir  Geistesschwache 
3028  Zöglinge  anfgenommen,  nnd  zwar  1630  männliche  nnd  1398  weib- 
liche. Die  Bewegung  hat  nunmehr  auch  Eingang  gefunden  in  Gegenden, 
die  sich  frfiher  neutral  oder  ablehnend  verhielten.  Eine  Reihe  von  Kan- 
tonen werden  in  den  nächsten  Jahren  Anstalten  grfinden,  so  Bern,  St  Gallen, 
Luzern,  Genf,  Glams,  Schaffhausen  n.  a. 

Allein  es  handelt  sich  nicht  blofs  daium,  ffir  bildungsfähige  Schwach- 
sinnige zu  sorgen;  auch  der  ganz  unglficklichen  bildnngsunfähigen,  der 
Idioten  im  engeren  Sinne,  mnfs  gedacht  werden.  Auch  fQr  sie  ist  eine 
richtige  Ffirsorge  und  Pflege  nötig.  Anstalten,  welche  sich  dieser  Aufgabe 
unterziehen,  sind:  Bfihl  bei  Wädenswil,  St.  Joseph  bei  Bremgarten  und 
„Schutz**  in  Walzhauseo,  das  Asile  de  l'Espörance  in  Etoy.  Die  gemein- 
nfitzige  Gesellschaft  des  Kantons  und  Bezirkes  Zttrich  wird  uns  die  erste 
öffentliche  ffir  diesen  Zweck  bestimmte  Anstalt  bringen. 

Besonderer  Pflege  und  Erziehung  bedürfen  die  schwachsinnigen  Taub- 
stummen. Herr  G.  HebaiiD  aus  Chnr,  Bankier  in  Paris,  schenkte  der 
schweizerischen  gemeinhfitzigen  Gesellschaft  sein  Schlofsgut  Turbenthal,  auf 
welchem  nunmehr  die  erste  schweizerische  Anstalt  ffir  Schwachbegabte 
Taubstumme  gegründet  wird.  Sie  wird  eingerichtet  ffir  24  Zöglinge  und 
wahrscheinlich  im  Frfil^ahr  1904  eröffnet. 

Hand  in  Hand  mit  der  Entwicklung  des  Anstaltswesens  geht  die 
Förderung  der  Einrichtung  von  Spezialklassen  ffir  Schwachbegabte.  Einer 
Statistik  von  Lehrer  Gbaj*  in  Zfirich  ist  zu  entnehmen,  dafs  am  1.  Febr. 
1903  in  18  gröfseren  Gemeinwesen  der  Schweiz  53  Spezialklassen  mit 
1096  Schülern  bestanden.  Neue  sind  seither  errichtet  worden  in  Ror- 
schach  Solothum,  Töfs  und  Wald  (Kt.  Zfirich),  so  daCs  die  Gesamtzahl 
der  Zöglinge  1160  beträgt.  Im  Jahre  1897  zählte  man  567  Schfiler, 
der  Zuwachs  beträgt  also  100%.  Nachhilfeklassen  (sog.  Fähigkeitsklassen) 
flnden  sich  in  Appenzell  (A.-Rh.)  mit  14  und  St.  Gallen  mit  22  Abteilungen. 

Das  Referat   des  Herrn  Dr.  Uleigh,   Arzt  an  der  Schweiz.  Anstalt 

ffir  Epileptische  in  Zfirich,  fiber  den  Schwachsinn  bei  Kindern,  seine 
anatomischen  Graudiagen,  seine  Ursachen,  seine  Verhütung,  gipfelte 

in  folgenden  Thesen: 

1.  Schwachsinn  ist  der  Sammelname  ffir  die  mannigfaltigen  yer- 
schiedenen  geistigen  Schwächezastände. 

2.  Der  Schwachsinn  ist  die  seelische  Äufserung  einer  körperiichen 
Erkrankung  (des  Gehirns). 

Die  Erkrankung  ist  angeboren  oder  erworben,  sei  es  bei  der  Geburt, 
sei  es  in  frfihester  Jugend. 


790 

3.  Die  anatomischen  Ornndlagen  der  Gehirnerkrankimg  sind 
-verschiedenster  Art:  Wachstamshemmangen,  Entwicklangsfehler,  Mils- 
bildungen,  entzündliche  nnd  ähnliche  Vorgänge  im  Gehirn.  (Zn  kleines, 
zn  gro&es  Gehirn,  Fehlen  einzelner  Teile,  Erweiterung  der  HimhOklen 
dnrch  Flflssigkeitsansammlung  n.  s.  w  ). 

4.  Als  Ursachen  der  dem  Schwachsinn  zn  gmnde  liegenden  Gehiro- 
erkranknng  kennen  wir: 

Die  erbliche  Belastung. 

Die  Vergiftung    der   Keimzellen    mit  Alkohol    und    anderen    GifteL. 

(Trunksucht  bei  den  Eltern,  Rauschzustand  während  der  Zengong.) 
Syphilis  der  Eltern. 
Ausfall  der  Tätigkeit  der  Schilddrüse. 
Erkrankungen,  Vergiftungen  und  Verletzungen  des  kindlichen  Gehirns 

vor,  während  und  nach  der  Geburt. 

5.  Die  vorbeugenden  Mafsnahmen  zur  Verhütung  des  Schwachsinns 
bestehen  theoretischerseits  in  der  Erforschung  der  Ursachen,  praktischer- 
seits  in  der  Bekämpfung  der  bekannten  Ursachen. 

Die  Hauptaufgaben  sind: 

Aufklärung   des  Volkes   über   das  Wesen   und   die  Folgen  der  erb- 
lichen Belastung. 

Die  Bekämpfung  des  Alkoholmifsbrauches  sowie  anderer  Gewohnheits- 
gifte. 

Die  Bekämpfung  der  Syphilis. 

Die  Bekämpfung  der  Tuberkulose. 

Die  Bekämpfung  des  Kretinismus. 

Die  Bekämpfung  der  Armut  sowie  des  Elends  überhaupt. 
Fernere  Mittel  zur  Verhütung  des  Schwachsinns  sind: 

Schonung  und  richtige  Pflege  der  Mutter  während  der  Schwanger- 
schaft. Schonung  der  Kinder  während  der  Schwangerschaft,  bei 
und  nach  der  Geburt. 
Unzweifelhaft  spielt  hier  in  der  Tat  der  Kampf  gegen  Armut 
und  Elend  eine  grofse  Rolle.  Sind  doch  in  der  wirtschafüich  ungünstigen 
Stellung  die  Hauptquellen  für  ein  körperliches  und  geistiges  Siechtum 
gegeben,  so  dafs  wir  uns  nicht  wundern  müssen,  wenn  ein  überwiegender 
Prozentsatz  der  Schwachsinnigen  sich  aus  der  Klasse  der  wirtschaftlich 
Schwachen  rekrutiert.  Es  ist  das  nur  eine  neue  Mahnung  an  uns,  nie  zn 
erlahmen  im  Kampfe  für  die  wirtschaftliche  Emanzipation  des  vierten 
Standes;  aus  Elend,  Sorge  und  Not  resultiert  nicht  ein  geistig  kräftiges 
Geschlecht,  erspriefst  kein  ethisches  und  moralisches  Denken  und  Fühlen, 
sondern  nur  ein  roher  Kampf  ums  Dasein  oder  Stumpfheit  und  Schwachsinn. 
Wenn  schon  im  Mutterleibe  die  Entwicklung  der  Kinder,  besonders  aber 
die  Entwicklung  des  Gehirns  so  leicht  bedroht  werden  kann,  dann  ist  das 
neuerdings  eine  Mahnung  an  uns,  der  Pflege  der  Schwängern  unser  Augen- 
merk zu  schenken;  leider  geschieht  es  bis  jetzt  zu  wenig.  Manches  Kind 
wird  auch  vor  dem  Verfall  in  Schwachsinn  bewahrt,  wenn  wir  dafQr 
sorgen,  dafs  die  Geburtshilfe  eine  kunstgerechte  und  geübte  sei,  und  wenn 
wir  im  ferneren  sowohl  im  Interesse  der  Mutter  als  des  Kindes  für  einen 
weitgehenden  Schutz  der  Wöchnerinnen   uns  bemühen   und  einer  richtigen 


791 

and  billigen  Sänglingsern&hrang  durch  Einrichtung  von  Milchversorgongs- 
anstalten  auf  staatlichem  and  priyatem  genossenschaftlichem  Boden  Yorschnb 
leisten.  Ohne  Zweifel  werden  alle  diese  Bestrebungen  geeignet  sein,  den 
Schwachsinn  einzudämmen.  Wenig  würden  wir  dagegen  erwarten  von 
einer  die  Heirat  fOr  gewisse  Kranke  beschränkenden  Ehegesetzgebung,  wie 
sie  auf  der  Konferenz  von  Dr.  ScHENKER-Aarau  vertreten  wurde. 

Über  die  Stellung  der  Lehrkräfte  an  den  Spezialklassen 

fBr  Schwachbegabte 

referierte  Herr  J.  HsBZOa,  Lehrer  an  den  Spezialklassen  der  Stadt  Luzem. 
Seine  Anschauungen  Aber  diesen  Punkt  fafste  er  in  folgenden  Thesen  zu- 
sammen : 

1.  Die  Spezialklasse  fQr  Schwachbegabte  ist  ein  integrierender  Be- 
standteil der  Volksschule.  Der  Lehrer  an  derselben  ist  deshalb  den 
gesetzlichen  Vorschriften  und  Verordnungen  nnterstellt,  die  für  die  Primar- 
schule Gültigkeit  haben. 

2.  Es  kann  kein  Lehrer  zur  Übernahme  einer  Spezialklasse  gezwungen 
werden.  Deshalb  mu(s  ihm  der  Rücktritt  in  die  Normalschule  freistehen, 
wie   er  auch   von   den  Behörden  in  dieselbe  zurückversetzt  werden  kann. 

3.  Durch  seine  spezielle  berufliche  Ausbildung  erhält  er  eine  gewisse 
selbständige  Stellung,  und  in  der  Schulführung  soll  er  soweit  Freiheit  er- 
halten, dals  er  Lehrziel,  Lehr-  und  Lektionsplan  den  jeweiligen  Verhält- 
nissen anpassen  kann. 

4.  Der  Lehrer  der  Minderbegabten  mufs  manches  Angenehme  ent- 
behren, was  im  Verkehr  mit  geistig  frischen  Kindern  erfreut  und  ermutigt ; 
auch  tritt  ihm  im  Verkehr  mit  den  Kindern  und  deren  Eltern  manches 
Unangenehme  entgegen. 

ö.  Die  Arbeit  in  der  Hilfsschule  stellt  hohe  Anforderungen  an  die 
Kräfte  des  Lehrers.  Diese  vermehrten  Anforderungen  sollen  durch  eine 
Besoldungzulage  einigermafsen  ausgeglichen  werden. 

6.  Der  Lehrer  soll  sich  der  aus  der  Hilfsschule  entlassenen  Zöglinge 
in  liebevoller  Fürsorge  annehmen. 

Wir  sind  damit  einverstanden,  dafs  der  Spezialklassenlehrer  einer 
besonderen  Vorbildung  bedarf;  aber  dann  ist  es  eben  nur  gerecht,  dafs  auch 
seine  Honorierung,  entsprechend  seiner  Mehrarbeit  und  der  Forderung 
eines  besonderen  Fähigkeitsausweises,  eine  bessere  und  befriedigendere  sei, 
besser  also  als  diejenige  der  übrigen  Primarlehrer.  Wenn  anfangs  ver- 
diente Förderer  des  Spezialklassenunterrichtes  gegen  eine  Mehrbesoldung 
der  Spezialklassenlehrer  im  Verhältnis  zum  Primarlehrer  waren,  weil  sie 
befürchteten,  es  möchte  schliefslich  lediglich  die  klingende  Münze,  statt 
der  Liebe  zur  Sache,  ein  Anreiz  zur  Übernahme  der  schweren  Aufgabe 
werden,  so  war  ursprünglich  diese  Ansicht  wohl  nicht  ganz  unbegründet. 
Heute  sehen  wir  aber  ein,  da&  die  Mehrhonorierung  ein  Erfordernis  ist, 
um  überhaupt  geeignete  Lehrkräfte  erhalten  zu  können,  und  dafs  wir  in 
einer  Besoldungszulage  nur  ein  geringes  Äquivalent  für  die  nicht  geringen 
Opfer  des  Lehrers  erblicken  dürfen. 


792 

Über  die  Sorge  für  die  Sehwaehsinnigen  und  Sehwaehbegabtem 
naeh  ihrem  Austritt  ans  den  Anstalten  bezw.  Spezialklassen 

referierte  Herr  J.  Stbaumank,  Vorsteher  der  Erziehungsanstalt  fDr  Schwach- 
sinnige auf  SchloCs  Biberstein  bei  Aaran.  Sein  Vortrag  stützte  sich  im 
wesentlichen  auf  folgende  Thesen: 

1.  Erziehung  nnd  Unterricht  in  Anstalten  und  Spezialklassen  fOr 
Schwachsinnige  und  Schwachbegabte  sind  so  zu  gestalten,  dals  auf  ein 
möglichst  selbständiges  Fortkommen  der  austretenden  Zöglinge  Bedacht 
genommen  wird. 

2.  Zu  diesem  Zwecke  ist  neben  den  Schulfächem  dem  Handfertigkeits- 
unterricht und  den  Handarbeiten  alle  Aufmerksamkeit  zu  schenken. 

3.  Es  sollen  nach  dem  Vorgehen  der  schweizerischen  gemeinnützigen 
Gesellschaft  in  den  Orten,  wo  Anstalten  und  Spezialklassen  fflr  Schwach- 
sinnige und  Schwachbegabte  errichtet  sind,  Kommissionen  ernannt  werden, 
die  Patrone  ffir  austretende  Zöglinge  bestellen. 

4.  Diese  Patrone  haben  den  erwerbsfähigen  Schwachsinnigen  geeignete 
Platze  zu  suchen  und  ihnen  mit  Rat  und  Tat  an  die  Hand  zu  gehen. 

5.  Für  die  nur  zum  Teil  erwerbsfähigen  Schwachsinnigen  sind  Asyle 
mit  landwirtschaftlichem  Betrieb  zu  gründen. 

Der  Staat  leistet  angemessene  Beiträge,  und  die  Gemeinden,  deren 
Ortsangehörige  hier  versorgt  sind,  sorgen  für  genügende  Kostgelder. 

6.  Damit  für  die  unglücklichen  Idioten  allseitig  gesorgt  werde,  sind 
Blödsinnige  und  erwerbsunfähige  Schwachsinnige  in  besonders  zu  gründenden 
Pflegeanstalten  unterzubringen. 

In  klarer  und  überzeugender  Weise  wurde  von  dem  Ref.  nach- 
gewiesen, dafs  die  Fürsorge  für  die  Schwachsinnigen  nach  ihrem  Austritt 
aus  der  Anstalt  und  der  Spezialklasse  nicht  erschöpft  sei,  dafs  wir  immer 
bedenken  sollen,  wie  der  Schwachsinnige,  obwohl  erwerbsfähig,  doch  nicht 
selbständig  erwerbsfähig  sei  und  der  steten  Leitung  bedürfe,  wenn  nicht 
alle  in  Anstalt  und  Spezialklassen  aufgewendete  Mühe  umsonst  sein  and 
Strafanstalt  oder  Armenhaus  schliefslich  der  letzte  Zuflnchtsort  des  be- 
dauernswerten Schwachsinnigen  werden  sollen.  Deshalb  wird  plädiert  ftkr 
Kommissionen,  die  Patronate  für  austretende  Zöglinge  bestellen  und  erwerbs- 
fähige Schwachsinnige  in  Stellen  unterbringen.  Nur  zum  Teil  erwerbs- 
fähige Schwachsinnige  seien  in  Asylen  mit  landwirtschaftlichem  Betrieb  zu 
versorgen.  Gänzlich  bildungsunfähige  Idioten  müssen  in  zu  gründenden 
Pflegeanstalten  untergebracht  werden. 

Es  darf  wohl  behauptet  werden,  dafs  die  Konferenz  in  Luzem  in 
mancher  Hinsicht  schöne  Anregungen  gebracht  hat.  Zwar  ist  ja  wohl  an- 
zunehmen, daCs  vor  der  Hand  nur  ein  Bruchteil  aller  Versorgungsbedürftigen 
und  aller  derjenigen,  die  einer  besonderen  individuellen  Erziehung  teilhaftig 
werden  sollten,  auch  wirklich  berücksichtigt  sei.  Es  bleibt  deshalb  noch 
genug  zu  tun  übrig,  und  es  müssen  noch  reichliche  Opfer  an  Geld,  Zeit 
und  Hingabe  gebracht  werden,  wenn  wir  uns  dem  Ideale  alhimfassender 
Hilfe  nähern  sollen. 


793 
Die  Schale  im  Kampfe  gegen  den  Alkoholismns. 

Vortrag,    gehalten    von    W.  Weiss,    Sekandarlehrer,    in    der 

Versaromlnng  des  Schweizerischen  Vereins  abstinenter  Lehrer 

nnd  Lehrerinnen  bei  Anlafs  des  XX.  Lehrertages, 

lO./ll.  Jnli  1903. 

Will  der  Lehrer  —  fahrte  der  Referent  aus  —  die  Alkoholfrage  vom 
erzieherischen  Standpunkt  aus  richtig  benrteilen,  so  hat  er  sich  in  erster 
Linie  zu  fragen:  Liegen  im  Alkoholgenufs  gewisse  Momente,  welche  die 
Erreichnng  der  höchsten  Ziele  der  Erziehung  stören  oder  geradezu  in  Frage 
stellen?  Wissenschaft  und  Erfahrung  antworten  darauf  mit  Ja.  Denn  der 
fortgesetzte  oder  auch  nur  gelegentliche  Alkoholgenufs  zieht  bei  Kindern 
schwere  funktionelle  Störungen  und  nachweisbare  Organver&nderungen  nach 
sich.  Mit  dem  akuten  Alkoholismus  der  Erzeuger  steht  der  originäre 
Schwachsinn  der  Nachkommen  in  kausalem  Zusammenhang.  Vor  allem 
werden  die  Gehimfunktionen  anormal.  Der  in  der  Vererbung  und  den 
Trinksitten  begründete  Alkoholismus  der  Jugend  fördert  die  Entstehung  des 
rücksichtslosen  Egoismus  und  des  Verbrechens,  vernichtet  die  Grundlage  des 
Charakters  und  hindert  dessen  Entwicklung  und  völlige  Entfaltung.  Die 
harmonische  Ausübung  der  im  Menschen  angelegten  Kräfte  nach  der 
physischen,  intellektuellen  und  ästhetisch-moralischen  Seite  hin,  sowie  die 
Charakterbildung  werden  somit  durch  den  tatsächlich  vorhandenen  Alkoho- 
lismus zu  Utopien. 

Darum  mufs  der  Erzieher  sich  zweitens  fragen:  Was  hat  die  Schule 
zu  tun,  um  die  Jugend  vor  den  Gefahren  des  Alkohols  zu  bewahren?  Die 
Vereinigten  Staaten  Nordamerikas  haben  diese  Frage  damit  gelöst,  dafs  sie 
in  ihren  Schulen  einen  obligatorischen  Unterricht  in  Hygiene  einführten, 
der  von  der  Physiologie  ausgeht  und  daran  anschlielsend  Anweisungen  über 
die  Natur  und  die  Wirkungen  der  alkoholischen  Getränke  und  anderer 
Reizmittel  gibt.  22  Millionen  Kinder  der  Union  genielsen  diesen  Unter- 
richt, dessen  segensreiche  Folgen  sich  jetzt  schon  nicht  nur  an  der  Jugend 
selbst,  sondern  auch  in  der  Gesellschaft  der  Erwachsenen  zu  zeigen  be- 
ginnen. Denn  der  Amerikaner  sagt:  „Solche  Dinge  bringt  man  den  Kindern 
nicht  bei,  ohne  da(s  das  praktische  Leben  den  Wink  versteht."  Bis  die 
entsprechenden  Gesetze  in  allen  45  Staaten  der  Union  durchgingen,  hatten 
die  amerikanischen  Frauen  in  jahrzehntelangem  Kampfe  eine  Vorarbeit  ge- 
leistet, die  bei  uns  erst  in  den  Anfängen  steht.  Es  wäre  deshalb  verfrüht, 
einen  solchen  Unterricht  jetzt  schon  bei  uns  zu  befürworten.  Als  letztes 
Ziel  soll  er  allerdings  nie  aus  den  Augen  gelassen  werden;  doch  gegen- 
wärtig handelt  es  sich  darum,  den  Boden  vorzubereiten  und  besonders  die 
Lehrerschaft  für  die  groise,  erzieherische  Bedeutung  der  Alkoholfrage  zu 
interessieren.  Heute  schon  kann  jeder  Lehrer  durch  gelegentliche  Beleh- 
rungen im  Rahmen  des  jetzigen  Unterrichtsplanes  sehr  viel  tun.  Damit  ei 
jedoch  mit  voller  Überzeugung  gegen  den  Alkohol  Front  machen  kann,  ist 
die  Einftlhrung  eines  entsprechenden  hygienischen  Unterrichts  in  den  Lehrer- 
bildungsanstalten mit  aller  Energie  anzustreben.  Unser  Wahlspruch  sei: 
„Wider  den  Alkohol  und  damit  für  Kinder-  und  Menschenglück.  ** 

(,,Neu€  Zürch.  Zig^) 


794 

Die  Stellung  des  Knabenhandarbeitsnntemehts  im  Erciehnngswesen 

Deatscidands  und  anderer  Linder. 

Vortrag,  gehalten  von  Dr.  A.  Pabst  in  der  Hauptversammlnng 
des  Deutschen  Vereins  für  Knabenhandarbeit  zn  Bremen 

am  3./4.  Oktober  1903. 

Nur  der  ist  in  Wahrheit  ein  Lehrer  —  begann  der  Referent  — ,  der 
das  Geheimnis  der  Arbeit  lehrt.  Lern-  und  Kopfarbeit  mufs  in  jeder  Er- 
ziehung geleistet  werden,  die  Erkenntnis  aber,  dafs  auch  die  Handarbeit 
dabei  eine  grofse  Rolle  spielt,  ist  uns  verloren  gegangra,  obgleich  alle 
namhaften  Pädagogen  auf  sie  hingewiesen  haben.  In  den  frflheren  ein- 
fachen Verhältnissen  half  das  Kind  im  Hause  und  in  der  Werkstatt,  es 
fertigte  sich  sein  Spielzeug  selbst  an;  aber  die  Verhältnisse  haben  sich  ge- 
ändert, namentlich  in  den  Groisstädten,  und  die  Erziehung  hat  diesen  ver- 
änderten Verhältnissen  Rechnung  zu  tragen.  Zu  keiner  Zeit  ist  zwar  fQr 
die  Schule  und  für  den  Unterricht  mehr  getan  als  heute,  und  doch  ist  das 
Endergebnis  durchaus  nicht  in  allen  Teilen  befriedigend.  Wir  brauchen 
weniger  Unterricht,  aber  mehr  Erziehung.  In  längeren  Ausführungen  legte 
dann  der  Redner  dar,  vrie  die  heutige  wissenschaftliche  Pädagogik  auf  ganz 
anderen  Grundlagen  aufgebaut  sei  und  daher  ganz  andere  Anforderungen 
an  die  Erziehung  stelle.  Sie  hat  auch  den  Wert  der  Arbeit  als  Erziehungs- 
faktor erkannt  und  wissenschaftlich  begründet,  und  so  kommt  auch  heute 
das  Wort  Goethes  wieder  zur  Geltung:  „Weniger  Theorie  und  mehr  Praxis*. 
Der  Grundgedanke  des  Handfertigkeitsunterrichts  ist  von  deutschen  Geistern 
ausgegangen  und  namentlich  von  fböbel  zuerst  in  praktische  Bahnen  ge- 
leitet. Aber  er  fand  im  Auslande  mehr  Anklang  als  bei  uns,  und  jetzt 
konnten  wir  kein  einziges  europäisches  Kulturland  nennen,  wo  der  Arbeits- 
unterricht keine  Anhänger  zählt.  In  Frankreich  ist  der  Handfertigkeits- 
unterricht durch  Gesetz  dem  Lehrplan  der  Volksschule  als  obligatorischer 
LeLrgegenstand  eingefügt  worden,  allerdings  sind  die  Lehrgänge  nur  in  den 
Oberklassen  den  unseren  ähnlich.  Auch  in  England  wird  für  den  Hand- 
arbeitsunterricht viel  mehr  getan  als  bei  uns.  In  London  allein  gab  es 
im  Jahre  1902  1749  Schulen  mit  100  100  Schülern,  an  die  Handfertig- 
keitsunterricht erteilt  wurde.  In  Deutschland  dagegen  findet  der  Arbeits- 
unterricht weit  weniger  Unterstützung,  wendet  doch  z.  B.  Berlin  dafür 
jährlich  nur  3000  Mark  auf.  Wenn  wir  also  für  unsere  Bestrebungen 
gröfsere  Beachtung  und  Unterstützung  wünschen,  so  hoffen  wir,  der  Er- 
ziehung unserer  Jugend  einen  grofsen  Dienst  zu  leisten,  nicht  nur  der  Er- 
ziehung unserer  Handwerker  und  Arbeiter,  sondern  auch  der  gelehrten 
Berufe.  (Mitget.  von  E.  v.  ScHENCKBNDOBFP-Görlitz.) 


795 


kleinere  ^itteilitngeii. 


statistische  ErliebuDgc^n  iiTliShereii  Schulen.  Von  Herrn  Prof. 
Dr.  med.  et  phil.  Gbiesbach,  als  Vorsitzendem  des  Allgemeinen  deutschen 
Vereins  für  Schnlgesnndheitspflege,  ist  den  Rektoraten  aller  höheren  Schulen 
im  Deutschen  Reiche  folgende  Zuschrift  mit  beiliegendem  Fragebogen  zu- 
gestellt worden: 

Mtdhausen  (ElsaCs),  14.  August  1903. 

Ew.  Hochwoblgeboren ! 

Auf  Anregung  und  unter  Mitarbeit  des  Herrn  Prof.  Dahn- Braun- 
schweig beehre  ich  mich,  Ihnen  behufs  schul-  und  nnterrichtshygienischer 
Erhebungen  im  Deutschen  Reiche  eine  Anzahl  Fragen  zu  unterbreiten,  um 
deren  möglichst  erschöpfende  Beantwortung  ich  Sie  ganz  ergebenst  bitte. 
Bei  Raummangel  im  Fragebogen  bitte  ich,  die  Beantwortung  mit  Angabe 
der  Fragenummer  auf  besonderen  Blättern  vorzunehmen  und  das  Ganze, 
mit  Ihrer  Unterschrift  versehen,  als  „Korrektur  nebst  Manuskript''  (3  Pf.- 
Marke  bis  50  g,  5  Pf. -Marke  bis  100  g)  baldmöglichst,  spätestens  acht 
Tage  nach  Empfang,  an  mich  gütigst  zurückzusenden. 

Meine  Sendung  ist  an  den  Herrn  Direktor  der  Anstalt  adressiert. 
Sie  enthält  so  viel  Exemplare  dieses  Schriftstückes,  als  Ihr  Kollegium 
Professoren  und  Oberlehrer  zählt.  Der  Herr  Direktor  wird  freundlichst 
gebeten,  jedem  der  Herren  Professoren  und  Oberlehrer,  die  an  der  Anstalt 
tätig  sind,  ein  Exemplar  gütigst  einhändigen  zu  wollen.  Im  Falle  des 
Verreistseins  einzelner  Herren  ist  Nachsendnng  sehr  erwünscht,  falls  deren 
Adresse  bekannt*  ist. 

Die  Beantwortung  der  lediglich  auf  die  Anstalt  bezüglichen  Fragen  1 
bis  27  wird  nur  von  dem  Herrn  Direktor  oder  einem  Stellvertreter  des- 
selben erbeten. 

Die  Beantwortung  aller  übrigen  Fragen  wird  aufeer  vom  Herrn  Di- 
rektor von  jedem  der  Herren  Professoren  und  Oberlehrer,  an  höheren 
Töchterschulen,  sofern  Beantwortung  für  diese  Anstalten  in  Betracht  kommt, 
auch  von  den  Lehrerinnen,  nach  persönlicher  Erfahrung  und  Ansicht  der- 
selben erbeten. 

Gleichzeitig  beehre,  ich  mich,  Sie,  unter  Hinweis  auf  die  zum  Auflegen 
im  Konferenzzimmer  bestimmten  Anlagen,  von  dem  I.  internationalen  schul- 
hygienischen Kongrefs  in  Nürnberg  am  4.  bis  9.  April  1904  in  Kenntnis 
zu  setzen. 

Hochachtungsvoll  ergebenst 

Prof.  Dr.  med.  et  phil.  Obiesbach, 
Vorsitzender  des  Allgemeinen  Deutschen  Vereins  für  Schnlgesundheitspflege. 


1 


796 

Fragebogen  (fQr  höhere  Schulen). 
Beantwortung  eilt! 

1.  Befinden  sich  in  der  Anstalt  sog.  Tiefklassen,  Zimmer,  in  welchen  das 
Tageslicht  nicht  in  ausreichendem  Mafse  bis  zn  den  am  weitesten  vom 
Fenster  entfernten  Sitzplätzen  dringt,  so  dafs  die  Inhaber  der  Plfttze 
beim  Hinaussehen  kein  Stack  des  Himmels  erblicken? 

2.  Gibt  es  ünterrichtsräome  mit  offenen  bezw.  nur  Yon  einer  Kuppel 
umgebenen  Gasflammen? 

3.  Aus  welchem  Stoff  und  von  welcher  Farbe  sind  die  gegen  direktes 
Sonnenlicht  gebrauchten  Vorhänge? 

4.  Besitzt  das  Gebäude  Luftheizung,  Niederdruckdampfheizung,  Gasheizung, 
Ofenheizung? 

5.  Aus  welchem  Holz  sind  die  Fu&bOden  der  Klassenzimmer?  Werden 
die  Fufsböden  mit  staubbindendem  öl  angestrichen?  Welches  Ol: 
Dustless  —  Floricin  —  Hygieneöl  oder  Recentinol  wird  benutzt? 

5a.  Befinden  sich  breite  Rillen  zwischen  den  Dielen? 
5b.  Wie    denken  Sie    über    die  Brauchbarkeit   des  bei  Ihnen  benutzten 
Fufsbodenöles? 

6.  Sind  die  Wände  mit  Ölfarbenanstrich,  Leimfarbenanstrich  oder  mit 
Tapeten  versehen? 

7.  Befinden  sich  in  den  Klassenräumen  behufs  Lüftung  mittels  der  Fenster 
Kippflügel  ? 

8.  Ist  eine  besondere  Ventilationsvorrichtung  vorhanden? 

9.  Welches  Subselliensystem  wird  in  der  Anstalt  benutzt,  sind  die  Snb- 
sellien  am  Boden  unbeweglich  befestigt? 

10.  Werden  Klassen,  Korridore,  Treppen  und  Subsellien  täglich  entstäubt 
und  feucht  aufgewischt? 

11.  Befinden  sich  Aborte  innerhalb  des  Schulgebändes  oder  in  der  Nähe 
der  Klassen? 

12.  Welches  System  der  Aborte  wird  benutzt?  Wasserspülung?  Tonnen- 
system? 

Sind  die  Aborte  zum  Sitzen  eingerichtet,  oder   mufs  der  Schüler 
nach  französischer  Art  stehend  oder  hockend  ein  Senkloch  benutzen? 

13.  Befindet  sich  die  Garderobe  in  den  Klassenzimmern? 

13a.  Gibt  es  an  Ihrer  Anstalt  Badeeinrichtungen,  und  welcher  Art  sind 
dieselben? 

14.  Befinden  sich  auf  dem  Gebäude  Blitzableiter? 

15.  Gibt  es  in  der  Nähe  des  Schulgebäudes  Stralsenlärm,  Fabrikbetrieb 
mit  lästigem  Geräusch,  Kohlenrauch,  übelriechenden,  gesundheitsschäd- 
lichen Gasen  und  anderen  Abgängen,  oder  sonstige  Unterrichtsstömngen? 

16.  Sind  besonders  hervortretende  gesundheitliche 'Mängel  vorhanden  und 
welche? 

17.  Bestehen  schulärztliche  Einrichtungen  an  Ihrer  Schule? 

18.  Finden  regelmälsige  gesundheitliche  Begutachtungen  der  Schulräume  statt? 

In  welchen  Zwischenräumen  und  von  wem? 

19.  Wie  hoch  beläuft  sich  die  Zahl  der  obligatorischen  und  der  Mnlta- 
tiven  Stunden  in  jeder  Klasse  Ihrer  Anstalt  pro  Woche?  (Nur  f&r 
nichtpreufsische  Schulen  zu  beantworten.) 


797 

20.  In  welchen  Klassen  Ihrer  Anstalt  werden  pro  Tag  mehr  als  sechs 
Standen  erteilt? 

21.  Wieviel  Schüler  erreichen  in  Ihrer  Schale  darchschnittlich  das  Klassenziel 

b)  glatt? 

h)  mit  Nachhilfe? 

22.  Sind  mit  Ihrer  Anstalt  Fachklassen  and  Werkstätten  verbanden,  and 
welcher  Art  sind  dieselben? 

23.  In  welchen  Klassen  Ihrer  Anstalt  wird  kein  Religionsanterricht  erteilt? 
(Nar  für  nichtprenisische  Schalen  za  beantworten.) 

24.  Werden  an  Ihrer  Anstalt  öffentliche  Prüfungen  abgehalten  and  in 
welchen  Klassen? 

25.  Werden  von  Abitnrienten  in  dentscher  oder  fremder  Sprache  Abgangs- 
reden gehalten? 

26.  Aas  wie  vielen  Herren  besteht  Ihr  Lehrerkollegiam,  and  bei  wie  vielen 
davon  bestehen  Gesandheitsmängel  infolge  dienstlicher  Überbürdong? 

27.  Stehen  dem  Direktor  znr  Erledigang  von  Yerwaltangsgeschäften  vom 
Staate  oder  von  der  Stadt  besoldete  Sekretäre  znr  VerfQgang? 

28.  Wie  denken  Sie  über  die  Einführong  des  schalärztlichen  Dienstes  in 
höheren  Schalen,  anch  in  höheren  Töchterschalen? 

29.  Halten  Sie  eine  Herabmindernng  der  Lehrstoffe  and  Lehrziele 

für  notwendig? 
„    ersprie&lich? 
n    möglich? 
„    nnmöglioh? 

30.  Olanben  Sie,  daCs  eine  Yermindernng  des  Lernstoffes  in  Ihrer  Schale 
den  Ergebnissen  des  Unterrichts  schädlich  werden  könnte,  falls  an  die 
Stelle  des  gröfseren  Qaantams  des  Wissens  eine  erheblichere  Gründlich- 
keit and  Vertiefang  in  den  einzelnen  Schalfächern  treten  würde? 

31.  In  welchen  Fächern  Heise  sich  nach  Ihrer  Ansicht  das  Lehrpensam 
vermindern? 

32.  Welche  Veränderangen  im  Schalbetriebe  halten  Sie  für  geeignet,  am 
die  allgemeine  geistige  and  körperliche  Entwicklang  der  Schüler,  ihr 
selbständiges  Urteil  and  ihre  Selbständigkeit  za  fördern? 

33.  Halten  Sie  es  für  eine  Schädigang  des  Schalbetriebes  and  eine  Beein- 
trächtigang  des  Wissens  and  Könnens  der  Schüler,  wenn  fünf  Lehr- 
standen in  vier  Zeitstanden  erteilt,  wenn  also  für  jedes  Lehrfach  nar 
40 — 45  Minaten  verwendet  würden? 

34.  Olanben  Sie,  dals  bei  einer  Yermindernng  des  Lernstoffes  and  ver- 
kürzt.er  Unterrichtsstande  sich  der  Nachmittagsanterricht  ganz  beseitigen 
oder  anf  technische  Fächer  beschränken  liefse? 

35.  Glaaben  Sie,  dals  Lehrer  and  Schüler  nach  der  Mittagsmahlzeit  geistig 
ebenso  leistangsfähig  sind  wie  in  der  Yormittagszeit? 

36.  Sind  Sie  der  Ansicht,  dafs  der  Nachmittag  schalfrei  sein  mnb,  am  für 
die  Anfertigang  der  Schalarbeiten,  für  Bewegang  im  Freien,  für  Jagend- 
spiele, für  den  Anfenthalt  in  der  Familie  and  fClr  häasliche  Beschäfti- 
gungen in  aasreichendem  Malse  Zeit  za  gewinnen? 

37.  Wie  sollte  nach  Ihrer  Ansicht  der  fremdsprachliche  Unterricht 

a)  in  den  klassischen  Sprachen, 


798 

b)  in  den  neueren  Sprachen 
organisiert  sein? 

In  welcher  Klasse  and  in  welcher  Weise  sollte  er  beginnen? 

38.  Wie  denken  Sie  Aber  Reformschnlen  nach  Frankfurter  und  Altonaer 
System? 

39.  Glauben  Sie,  dafs  nur  eine  Gattung  höherer  Schulen  eine  ausreichende 
allgemeine  Bildung  zu  yermitteln  und  für  das  praktische  Leben,  sowie 
für  Studien  auf  Hochschulen  yorzubereiten  im  stände  ist? 

Wenn  Sie  dies  für  möglich  halten,  welches  Lehrziel  wäre  in  einer 
solchen  Anstalt  den  alten  Sprachen  anzuweisen? 

40.  Bestehen  an  Ihrer  Anstalt  Vorschulklassen? 

Sind   Sie   für  Beibehaltung   oder  Abschaffung    derselben  und   ans 
welchen  Gründen? 

41.  Wie  denken  Sie   über  den  Wert  von  Handarbeiten   im  Schulbetriebe? 

42.  Glauben  Sie,  dafs  die  höhere  Schule  den  Religionsunterricht  dem  Hanse 
überlassen  darf? 

43.  Glauben  Sie,  daüs  man  in  der  Schule  den  Gesangunterricht  entbehren 
könnte? 

44.  Wie  denken  Sie  über  die  Erteilung  anatomisch  -  physiologischen  nnd 
hygienischen  Unterrichts  in  den  Klassen  Untersekunda  bis  Oberprima 
und  die  Aufnahme  solchen  Stoffs  in  die  Lesebücher  der  unteren  Klassen? 

45.  Halten  Sie  folgende  Einteilung  des  Schuljahres  und  der  Fenen  für  das 
ganze  Deutsche  Reich  für  annehmbar? 

1.  Trimester:  Herbst  bis  Weihnachten. 

2.  Trimester:  Weihnachten  bis  Ostern. 

3.  Trimester :  Ostern  bis  zur  letzten  Juliwoche,  in  welche  Zeit  der 
Schlufs  des  Schuljahres  zu  legen  ist. 

Weihnachtsferien:  14  Tage. 

Osterferien:  Acht  Tage  vor  und  acht  Tage  nach  Ostern. 
Pfingstferien :  Samstag  vor  Pfingsten  bis  Samstag  nach  Pfingsten. 
Grofse  Ferien:    60  Tage,  von    der  letzten  Juli-    bis    zur   letzten 
Septemberwoche. 

46.  Halten  Sie  das  Abiturientenexamen  für  entbehrlich? 

47.  Halten  Sie  das  Examen  in  allgemeiner  Bildung,  welches  nur  von 
Kandidaten  des  höheren  Lehramts  in  der  Staatsprüfung  verlangt  wird, 
für  ebenso  entbehrlich  wie  für  die  studierten  Kandidaten  anderer 
Staatslaufbahnen? 

48.  Halten  Sie  es  für  erwünscht,  dafs  in  den  Studiengang  aller  Kandidaten 
des  Lehramts  hygienische,  insbesondere  schulhygienische  Unterweisungen 
aufgenommen  werden? 

49.  Halten  Sie  es  für  erwünscht,  dafs  die  schulhygienischen  Kurse  fär 
Direktoren  und  Lehrer,  wie  sie  in  Posen  mit  Erfolg  stattgefunden 
haben,  auch  anderwärts  von  den  Regierungen  eingerichtet  werden? 

50.  Glauben  Sie,  dafs  an  Ihrer  Schule  teilweise  oder  in  ausgedehnterem 
Mafse  eine  Überbürdung  a)  der  Schüler,  b)  der  Lehrer  vorhanden  ist? 

Ort,  Datum  und  Namensunterschrift,  gefälligst  recht  deutlich: 


799 

Charakter  der  Anstalt,  an  der  Sie  t&tig: 
Gymnasinm.  Realprogymnasinm. 

Realgymnasinm.  Realschule. 

Oberrealschnle.  Höhere  Töchterschule. 

Progyronasinm.  Seminar. 

(Zatreffendea  eh  nntentreiohen  and  hinsusafugen,  ob  etaaüioh  oder  stSdtiach.y 

(Wie  interessant  und  wichtig  es  auch  wäre,  eine  einläfsliche  Beant- 
wortung der  Yorstehenden  zahlreichen  Fragen  durch  die  Rektorate  aller 
höheren  Schalen  Deatschlands  zu  erhalten,  so  wäre  doch  im  Interesse  der 
praktischen  Verwertang  des  betr.  Materials  eine  gewisse  Beschränkung  im 
Inhalte  des  Fragebogens  wünschenswert  gewesen.     D.  Red.) 

Sehillarzt  und  Elternliaiis«  Auf  diesen  Zusammenhang  macht  in 
einem  kurzen  Aufsatz  über  die  Schnlarztfrage  in  Berlin  («Sojer.  Praxis^  ^ 
No.  33)  Dr.  F.  GOLDSTEIN-Berlin  anfinerksam.  Wenn  G.  sagt,  dafs  die 
Schule  nur  einen  kleinen  Einflufs  auf  die  Gesundheit  der  Kinder  ausflben 
könne,  so  scheint  er  wohl  die  gesaiidheitsschädlichen  Momente,  welche  im 
heutigen  Schulbetriebe  immer  noch  liegen,  zu  unterschätzen.  Dagegen  ist 
es  gewifs  zutreffend,  wenn  er  darauf  hinweist,  dafs,  wenn  man  ein  richtiges 
Bild  über  die  sanitären  Verhältnisse  der  Schulkinder  im  allgemeinen  ge- 
winnen wolle,  man  ihre  häuslichen  Verhältnisse  Tor  allen  Dingen  zum 
Gegenstand  der  Beobachtung  machen  müsse.  Schulärztliche  Tätigkeit  ohne 
Berücksichtigung  des  MUieus,  in  dem  sich  das  Kind  den  weitaus  gröfsten 
Teil  des  Jahres  über  befindet,  ist  nur  halbe  Arbeit  und  kann  zu  falschen 
Schlüssen  fahren.  Der  Schularzt  wird  sich  daher  eingehend  über  den 
Gesundheitszustand  der  filtern  zu  informieren  haben,  und  er  wird  die 
Lebenshaltung  der  Familie  und  besonders  ihre  Wohnungsverhältnisse  zu 
berücksichtigen  haben.  Dieser  Hinweis  auf  die  soziale  Bedeutung  der 
schulärztlichen  Tätigkeit  ist  gewifs  zu  beherzigen. 

Die  Frage  der  Schalsahn&rzte  berührt  Dr.  Josbph  ZizKA-Prag 
in  einem  Aufsatz,  dessen  wesentlichen  Inhalt  wir  nach  der  j^Deutsch.  med. 
Presse"  (11.  Juli  1903)  hier  wiedergeben. 

Von  allen  Organen  des  menschlichen  Körpers  —  sagt  Dr.  Zizka  — 
ist  das  Gebifs  dasjenige,  aus  dessen  Veränderungen  man  einfach  und  dabei 
verhältuismäfsig  verläfsÜch  den  Gesundheitszustand  des  Organismus  er- 
kennen kann. 

Auf  Grund  wissenschaftlicher  Arbeiten,  sowie  auf  Grund  klinischer 
Erfahrungen  ist  festgestellt  worden,  dafs  alle  Momente,  welche  die  allge- 
meine Ernährung  ungünstig  beeinflussen,  im  Gefolge  auch  das  Gebifs  mehr 
oder  minder  angreifen  und  an  demselben,  dem  Grade  der  allgemeinen  Er- 
nährungsstörung gemäfe,  sichtbare  Zeichen  hinterlassen ;  aus  diesen  Zeichen 
kann  man  lesen,  ob,  wann  und  wie  lange  das  betreffende  Individuum  an 
einer  Ernährungsstörung  gelitten  hatte. 

Diese  an  dem  Gebisse  sichtbaren  Zeichen  können  entstanden  sein  zur 
Zeit  der  Entwicklung  des  Gebisses  resp.  einzelner  Zahngruppen,  oder  zur 
Zeit,  zu  welcher  das  Gebifs,  respektive  die  einzelnen  Zahngruppen,  fertig 
ausgewachsen  sind.  Im  ersten  Falle  hinterläfst  eine  allgemeine  Ernährungs- 
störung sichtbare  Zeichen  an  dem  Schmelz,  die  als  Hypoplasien  verschie- 
dener Art  beschrieben  worden  sind,  im  zweiten  Falle  ruft  eine  allgemeine 

SehalgeBandbeitspflege.  XVI.  41 


800 

ErnAhmngsstörang  pathologische  Yerttndeningeii  der  harten  2^ngewebe  — 
haapts&chlich  des  Zahnbeines  (Odontomalacia)  hervor ;  diese  Veränderongen 
führen  in  weiterer  Folge  dnrdi  die  im  Monde  immer  anwesenden  SftoreB 
nnd  Bakterien  zum  Zerfall  des  Zahnes,  den  man  allgemein  Garies  be- 
nannt hat. 

Ein  erfahrener  Zahnarzt  kann  demnach  ans  den  verschiedenen  Hypo- 
plasien am  Zahnschmeize,  sowie  ans  dem  Orade  des  Zerfalles  der  Zfthne 
ziemlich  verlftlslich  den  gewesenen  nnd  jeweiligen  Ernfthrnngszastand  be- 
urteilen; ja  noch  mehr,  er  kann  ans  dem  Verlaufe  der  sogenannten  Zahn- 
caries  genan  darauf  schlieüsen,  ob  die  allgemeine  EmährungsstOrong  all- 
gemeinen Charakters  ist  oder  nicht. 

Aus  dem  Angefahrten  wird  es  jedem  klar,  wie  wir  uns  das  FflbreB 
der  Protokolle  über  den  Gesundheitszustand  der  Schuljugend  vorstellen. 

Ein  Gesundheitsprotokoll  müiste  enthalten  in  erster  Reihe: 

1.  Genaue  Angaben  aber  den  Zustand  des  Gebisses  (veranschaulicht 
auf  einem  Schema  oder  besser  auf  einem  Gipsabgufs  der  Kiefer,  an  welchem 
der  Zustand  der  einzelnen  Zähne  möglichst  treu  abgebildet  wäre; 

2.  Angabe  über  die  Grölse; 

3.  Angabe  über  das  Gewicht; 

4.  Angaben  über  das  Seh-  und  Hörvermögen,  insofeme  dieselben 
durch  eine  einfache  Untersuchung  festzustellen  sind; 

5.  Angaben  über  die  Gesundheitsverh&ltniBse  des  Kindes  in  der  Zeit 
vor  seinem  Eintritt  in  die  Schule; 

6.  Angaben  über  die  Gesnndheitsverhältnisse  des  Kindes  während 
des  Schulbesuches. 

Das  Ausfallen  der  Rubrik  2,  3  und  6  könnte  dem  Lehrer  überlassen 
werden.     Rubrik  ö  wäre  nur  einmal  auszustellen. 

Resum^. 

1.  Die  erste  und  wichtigste  Aufgabe  des  Schularztes  ist  die  Fest- 
stellung des  Gesundheitszustandes  der  Schulkinder  und  die  Füh- 
rung eines  ProtokoUes  über  denselben; 

2.  das  Gebils  ist  ein  Organ,  aus  dessen  Zustand  man  immer  auf 
eine  ziemlich  einfache  und  dabei  verläisliche  Weise  den  früheren 
und  den  jeweiligen  Ernährungszustand  des  Organismus  feststellen 
kann; 

3.  die  Schularztfrage  und  Schulzahnarztfirage  sind  gemeinsam  zu  be- 
handeln und  zu  lösen; 

4.  Schulärzte  müssen  erfahrene  Zahnärzte  sein. 

(Diese  letztere  Forderung  mufs  wohl  als  zu  weit  gehend  bezeichnet 
werden.  Die  Untersuchung  der  Zähne  der  Schulkinder  kann  von  jedem 
Arzte,  auch  ohne  zahntechnische  Spezialkenntnisse,  vorgenommen  werden; 
für  die  Behandlung  der  Zähne  dagegen  ist  allerdings  der  Spezialist  not- 
wendig, der  aber  durchaus  nicht  Schularzt  zu  sein  braucht.     D.  Red.) 

Eine  Schnlbadestnnde,  wie  sie  sich  in  der  sog.  Hilfsschule  H  in 
Hannover  abwickelt,  wird  in  der  r,Fädag.  Rundschau"  des  „Deuistk, 
VoUcsbl.*'  (13.  Juli  1903)  beschrieben.  Da  es  immer  noch  Lehrer  gibt, 
welche  den  Schnlbädem  nicht  hold  sind,  weil  sie  glauben,  das  Baden 
könne  nicht  ohne  bedenkliche  Störung  des  Unterrichtes  ablaufen,    so  Ter- 


801 

dient  es  gewifs  Berflcksichtigang,  wenn  wir  sehen,  wie  hier  die  Badestonde, 
ganz  wie  eine  Tornstnnde  etc.,  in  den  Rahmen  des  Schnlstondenphins  ein- 
gefügt ist.     Wir  lassen  die  obenerwähnte  Schilderang  folgen. 

Im  Souterrain  der  Schale  befinden  sich  zwei  Baderäame,  einer  für 
Knaben,  einer  für  Mftdchen.  Beide  sind  dorch  einen  langen  Gang  getrennt 
nnd  befinden  sich  an  einander  entgegengesetzten  Endpunkten  des  Gebändes. 
Die  Knaben  werden  w&hrend  des  Bades  von  einem  Lehrer,  die  Mftdchen 
▼OD  einer  Lehrerin  überwacht.  Die  Handhabung  an  den  Regulierapparaten, 
welche  übrigens  ftufserst  einfach  ist,  besorgt  der  Schuldiener  respektive 
die  Schaldienerin.  Im  Verhinderungsfall  kann  sie  mit  leichter  Mühe  durch 
die  beaufsichtigende  Lehrkraft  oder  einen  hierzu  beauftragten  Schüler  vor- 
genommen werden.  Die  Erwärmung  des  Wassers  erfolgt  im  Winter  durch  den 
Dampf  der  Niederdruckdampfheizung,  im  Sommer  wird  warmes  Wasser  in 
eigenen  Kesseln  erzeugt.  Das  Bad  kostet  also  eigentlich  fast  nur  die  einmah'ge 
Anlage;  denn  im  Winter  kostet  die  Erwärmung  des  Wassers  nichts  und 
im  Sommer  genügen  zwei  bis  drei  Kübel  Kohle,  um  das  Wasser  für  vier 
Badestunden  im  Tag  genügend  zu  erwärmen.  Die  Schule  hat  24  Bade- 
stunden  per  Woche.  An  dem  Baden  nehmen  alle  Schüler  teil  mit  Aus-> 
nähme  derjenigen,  welche  durch  ein  schulärztliches  Gutachten  hiervon  be^ 
freit  sind. 

Das  Badelokal  besteht  aus  zwei  Abteilungen:  dem  Auskleidezimmer 
und  dem  eigentlichen  Baderaum.  Im  Auskleidezimmer  befinden  sich  quer- 
gestellte Bänke  mit  E^eiderrechen  und  Bücherbrettern,  wie  in  unseren 
Tumsaalgarderoben.  Die  Yerbindungstür  ist  so  angebracht,  dafs  der  Lehrer, 
welcher  sich  dort  aufstellt,  beide  Räume  gleichzeitig  und  bequem  über^ 
blicken  kann.  Neben  der  Yerbindungstür,  bequem  erreichbar,  befindet  sich 
ein  äujjserst  praktischer  Regulierapparat  mit  Thermometer,  welcher  ge« 
stattet,  die  Temperatur  des  Wassers  durch  einen  einfachen  Handgriff  nach 
Belieben  zu  erhöhen  oder  herabzumindern. 

Die  Klasse  (circa  ÖO  Schüler)  wird  von  dem  beaufsichtigenden  Lehrer 
herabgeführt  und  nimmt  auf  den  Garderobekänken  Platz.  Das  Baden  er- 
folgt in  zwei  Abteilungen.  Die  Abteilung  I  kleidet  sich  aas  —  vollständig ; 
denn  Schwimmhosen  sind  in  den  Schulbädem  in  Hannover,  wenigstens  in 
den  Knabenbädem,  die  der  Betreffende  besichtigte,  nicht  eingeführt.  Un- 
günstige Beobachtungen  in  sittlicher  Beziehung  vnirden  nicht  gemacht 
Übrigens  kann  man  ja,  wenn  man  bei  uns  einmal  Schulbäder  einführt  und 
die  vollständige  Entkleidung  anstolsig  findet,  verfügen,  dafs  die  Schüler 
sich  Badehosen  oder  besser  noch  kleine  Badeschürzen,  wie  sie  in  unseren 
Yolksbädem  eingeführt  sind,  mitbringen.  —  Wer  sich  entkleidet  hat,  be- 
gibt sich  ohne  weiteren  Yerzug  in  den  Baderaum.  Dort  befinden  sich 
nicht  einzelne  Badezellen,  sondern  an  der  Decke  angebracht  in  zwei  Reihen 
zehn  Brausen,  welche  die  Wasserstrahlen  nach  allen  Seiten  hinsenden,  so 
dafs  es  den  im  Räume  befindlichen  Schülern  unmöglich  ist,  den  Wasser- 
strahlen zu  entgehen. 

Die  Badezeit  für  eine  Abteilung  beträgt  eine  Yiertelstunde.  Die 
Temperatur  des  Wassers  beträgt  anfangs  35^  Celsius.  Nachdem  ungefähr 
zehn  Minuten  verstrichen  sind,  wird  die  Temperatur  um  einige  Grade 
herabgesetzt.     Einige  Minuten  später  erfolgt  eine  abermalige  Herabsetzung 

41* 


802 

der  Wassertemperatnr;  diese  ist  das  Zeichen  znm  Yerlassen  des  Baderaim». 
Die  Abteilung  n  hat  sich  mittlerweile  bis  auf  die  Unterhosen  entkleidet; 
wenn  die  Abteilung  I  zurdckkehrt,  werden  die  letzten  Eleidnngsstflcke  ab* 
gelegt,  nnd  die  Abteilung  11  betritt  den  Baderaum.  Abteilung  I  trocknet 
sich  mittlerweile  mit  den  selbst  mitgebrachten  Handtflchem  ab  und  kleidet 
sich  an. 

Eine  Badestnnde  besitzt  also  folgende  Einteilung: 

1.  Viertelstunde:  Herabf&hren  der  Klasse. 

Abteilung  I  entkleidet  sich. 

2.  Viertelstunde:  Abteilung  I  badet.     Abteilung  II  kleidet  sich  ans. 

3.  Viertelstunde:  Abteilung  II  badet.     Abteilung  I  kleidet  sich  an. 

4.  Viertelstunde:  Abteilung  11  kleidet  sich  an.    Die  Klasse  wird  ins 

Lehrzimmer  zurück-  oder  fortgeführt. 
Ich  kann  wirklich  nicht  einsehen  —  sagt  der  Autor  — ,  wie  eine 
Schulbadestunde,  in  der  Weise  abgehalten,  eine  Störung  des  Unterrichts 
darstellen  soll.  Ich  glaube,  dafs,  wer  eine  solche  Störung  dabei  voraus- 
setzt, sich  die  Schulbftder  vielleieht  anders  vorstellt  —  etwa  so,  dafs  ans 
den  Klassen  wfthrend  der  Pausen  oder  vielleicht  gar  wfthrend  der  Unter- 
richtszeit einzelne  Schttler  zum  Baden  weggeschickt  werden.  Ein  solches 
System  möchte  ich  allerdings  auch  nicht  befürworten.  Ich  möchte  mich 
auch  gegen  ein  Baden  in  separaten  Zellen  aussprechen;  denn  einesteils  wird 
dadurch  die  Aufisicht  unmöglich  gemacht,  andererseits  stellen  sich  die 
Kosten  der  Anlage  bedeutend  höher. 

Ober  Hefllage  und  Schriftrichtnng  äuftert  sich  K.  Fühber, 
Lehrer  in  St.  Oallen,  in  den  „B/.  f.  SchtdgesundheU^fl^  (1903,  No.  3) 
in  einem  fthr  die  Steilschrift  günstigen  Sinne.  Gestützt  auf  vielfache  eigene 
Beobachtungen  und  erhobene  Erkundigungen  ist  F.  zur  Überzeugung 
gekommen,  dals  in  diesem  Punkte  unbewufst  oder  nur  zu  einem 
kleinen  Teile  bewujbt  von  der  Schule  öfter  gesündigt  wird,  als  man 
gemeinhin  anzunehmen  pflegt.  Wollen  wir  —  sagt  er  —  eine  die 
Gesundheit  der  Schulkinder  in  gar  keiner  Weise  geffthr- 
dende  Heftlage,  so  gibt  es  nichts  anderes,  als  zur  geraden 
Mittenlage,  d.  h.  zur  Steilschrift,  zu  greifen,  bei  welcher  weder  gefikhr- 
liehe  Neigungen  des  Kopfes,  noch  Wirbelsftuleverkrfimmungen  vorkommen. 
F.  beschuldigt  die  AUmacht  der  öffentlichen  Meinung,  welche  von  der  bis- 
herigen Schrägschrift  nicht  abgehen  wolle,  dafs  trotz  der  übereinstimmenden 
Urteile  über  die  günstige  Körperhaltung  der  steilschreibenden  Schüler  die 
vor  zehn  Jahren  ziemlich  energisch  in  Fluls  gekommene  Steilschriftbewegnng 
verhsltnismäfsig  rasch  wieder  in  Niedergang  gekommen  sei.  Unter  diesen 
Umstünden  hSlt  F.  einen  Mittelweg  für  geraten,  der  darin  besteht,  dafs 
die  Steilschrift  vorderhand  nur  als  Schulschrift  gefordert  werde  und 
zwar  nur  für  die  vier  ersten  Klassen  der  Volksschule,  d.  h.  für  diejenigen 
Schtüer,  deren  zarter,  jugendlicher  Körper  noch  stark  in  der  Entwicklang 
begriffen  und  daher  den  schlldigenden  Einflüssen  der  Steilschrift  gegenüber 
noch  wenig  widerstandsfUiig  ist.  Wollte  man  dann  später  zur  Schrägschrift 
übergehen,  so  wäre  dies  für  die  Schüler  die  einfachste  Sadie  von  der 
Welt.  (Wir  begrülisen  diese  Anschauung  F.s,  der  ja  auch  in  dieser  ZeU- 
schnft^  Jahrg.  1901,  S.  888,  schon  I^hrer  Wipf  Ausdruck  gegeben  hat. 


803 

weil  wir,  wie  wir  wiederholt  ischon  Gelegenheit  hatten  zu  sagen,  der  festen 
Überzeugung  sind,  da(s  das  einzig  wirksame  Mittel  znr  Erziehnng  einer 
richtigen  Körperhtütnng  beim  Schreiben  in  der  DurchflUinmg  der  Steitechrift 
liegt    B.  Red.) 

Ober  den  zweckmäfsigsten  Belag  der  Sehvllitfe  ftofeert  sich 

B.  Kbügeb,  Oberlehrer  am  Technikum  in  Bremen,  im  ,tTechn,  Otmeindebl.'^ 
(21.  März  1903)  folgendermafsen:  Ist  der  Boden  lehmig,  tonig  oder  erdig, 
oder  besitzt  er  hnmnsartige  Beschaffenheit,  so  empfiehlt  sich  eine  Unter- 
bettnng  ans  Eisenschlacken  oder  Rasenerz,  Kohlenkleie  oder  gesiebter  grober 
Koksasche,  Steinschlag  oder  Ziegelbrocken,  oder  grobem  Kies  in  einer 
Höhe  von  10 — 15  cm,  je  nach  der  Beschaffenheit  des  Untergrundes. 
Diese  Unterbettung  ist  abzurammen  und  einzuwalzen,  unter  Umständen  auch 
mit  Wasser  einzuschlemmen  und  mit  nicht  zu  feinem  Kies,  der  zweck- 
m&fsig  mit  etwas  Lehm  vermischt  wird,  oder  mit  grobkörnigem,  lehmhaltigem 
Sand  mindestens  5  cm  hoch  zu  flberschfltten.  Diese  Decke  ist  sorgfältig  in 
Stand  zu  halten  und  bei  Trockenheit  ausreichend  zu  besprengen.  Ein  auf 
solche  Weise  befestigter  Schulhof  ist  ziemlich  staubfrei  und  wird  nach 
Regenwetter,  weil  die  Unterbettung  das  Wasser  begierig  aufsaugt,  schnell' 
wieder  trocken.  Die  Kosten  dieser  Befestigung  stellen  sich  auf  etwa 
Mk.  1. —  bis  Mk.  1.50  pr.  qm  Bodenflflche. 


9.a^tt^tf^%^tl%öftt. 


Oesniidheltsregeln  fftr  SehnlkiBder  sind  im  Grobherzogtum  Wei- 
mar in  den  Schulen  in  Form  grolser  Plakate  angebracht  worden  und  sollen, 
wie  das  „Berl,  Tagehh*^^  mitteilt  auch  in  den  Berliner  Schulen  zur  An- 
wendung kommen.  Das  Plakat  enthält  21  Regeln  und  trägt  die  Über- 
schrift: „Was  müssen  wir  tun,  um  gesund  zu  bleiben?^  Die  21  Regeln 
lauten:  Wir  müssen  unseren  Körper,  namentlich  Gesicht,  Hals  und  Brust, 
täglich  waschen.  Wir  müssen  unsere  Hände  häufig  waschen  und  die  Nägel 
kurz  und  sauber  halten.  Wir  müssen  unsere  Zähne  morgens  und  nadi 
dem  Essen  mit  einer  Bürste  reinigen.  Wir  müssen  unser  Haar  vormittags 
und  nachmittags  vor  dem  Schulbesuch  kämmen.  Unsere  Kleider  müssen 
täglich  von  Schmutz  und  Staub  durch  Klopfen  und  Bürsten  gereinigt  werden. 
Unser  Schuhwerk  muis  jeden  Morgen  gereinigt  werden.  Wir  müssen  vor 
der  Schultür  den  Schmutz  abtreten.  Wir  dürfen  Papier,  Pflanzen,  Speise- 
reste, Obst  nicht  in  die  Klasse  werfen.  Wir  dürfen  nicht  auf  den  Fufs- 
boden  spucken.  Wir  müssen  im  warmen  Zimmer  Halstücher  und  Über- 
kleider ablegen.  Durch  die  Fenster  mufs  besonders  in  den  Zwischenpansen 
frische  Luft  in  die  Klasse  gelassen  werden.  Wir  müssen  die  Pausen  wo- 
möglich im  Freien  zubringen.  Wir  müssen  die  Frühstückszeit  zum  Ver- 
zehren des  Frühstücks  benutzen.  Wir  müssen  uns  beim  Gehen,  Stehen 
und  Sitzen  gerade  halten.     Wir  müssen  beim  Sitzen  beide  Füfse  mit  der 


804 

ganzeD  Flftcbe  anfeetzen.  Wir  mttBsen  beim  Lesen,  Schreiben  and  Zeichnen 
den  Oberkörper  aufrichten.  Wir  mflssen  grob  nnd  deutlich  schreiben. 
Wir  dürfen  uns  beim  Schreiben  nicht  selbst  Schatten  machen.  Wir  mQssen 
uns  beim  Arbeiten,  besonders  beim  Lesen,  Schreiben  und  Zeichnen,  gegen 
grelles  Sonnenlicht  schützen.  Wir  dürfen  beim  Dämmerlicht  nicht  lesen 
und  schreiben.  Wir  sollen  es  dem  Lehrer  melden,  wenn  es  an  unserem 
Platze  zu  heils  oder  zu  kalt  ist,  wenn  wir  an  unserem  Platze  nicht  gut 
hören  oder  sehen  können,  wenn  wir  uns  krank  fühlen,  wenn  zu  Hanse 
eine  ansteckende  Krankheit  ist. 

Die  gesundheitliche  Überwachung  der  Schulen  in  Prenrsen  darek 

besondere  Sehnlärzte  macht  nach  den  im  Kultusministerium  einlaufend^i 
Berichten  weitere  erfreuliche  Fortschritte.  Am  deutlichsten  zeigte  sich  der 
Erfolg  der  regelm&bigen  ärztlichen  Untersuchung  der  Schaler  in  den  öst- 
lichen Bezirken  an  der  Abnahme  der  Grannlose.  Ein  anderes,  wichtiges 
Gebiet  ist  das  der  Ohrenleiden,  wobei  nach  den  Erfahmngen  der  Schul- 
ärzte festgestellt  werden  kann,  dafe  die  Abneigung  gegen  ohrenärztliche 
Eingriffe  und  gegen  eine  langwierige  Behandlung  sehr  wohl  zu  ttberwinden 
ist.  Eine  wesentliche  Mithilfe  in  diesem  Punkte  war  die  Aufeuchung  der 
Eltern  der  betreffenden  Patienten  durch  die  Damen  des  yaterländischen 
Frauenyereins.  In  Zeitz  fanden  die  .zwei  Schulärzte  unter  3964  Kindern 
565  Kranke,  in  119  Fällen  wurden  erst  von  den  Ärzten  die  Eltern  auf 
die  Erkrankungen  ihrer  Kinder  aufmerksam  gemacht.  Überall  wird  hervor- 
gehoben, dafs  die  Schulärzte  zielbewuist  mit  den  Lehrern  und  Schul- 
aufsichtsbeamten zusammengewirkt  haben.  Am  weitesten  scheint  man  in 
dieser  Beziehung  im  Kreise  Recklinghausen  zu  sein;  hier  werden  alle 
Schulen  zweimal  jährlich  durch  Schulärzte  revidiert,  die  lokalen  Behörden 
erhalten  kurze  Berichte  aber  den  Befund.  Die  Schnlbänke  lassen  leider 
in  hygienischer  Beziehung  noch  viel  zu  wünschen  übrig;  auf  die  berech- 
tigten, gesundheitlichen  Forderungen  wird  bei  Neuanschaffongen  noch  zu 
wenig  Rücksicht  genommen.  Der  Beginn  des  Unterrichts  in  ländlichen 
Schulen  ist  steUenweise  schon  auf  6  Uhr  früh  angesetzt;  im  Bezirk  Brom- 
berg hatten  Kinder  im  achten  Schuljahre  Wege  bis  zu  sieben  Kilometern 
sur  Schule  zurückzulegen,  wodurch  sie  schon  unter  normalen  Wittenmgs- 
nnd  Wegeverhältnissen  körperlich  überanstrengt  sind.  Das  sind  doch  Zu- 
stände, die  in  Preufsen  nicht  vorkommen  dürften.  Es  ist  also  noch 
manches  zu  reformieren.  Mit  der  Zurückstellung  der  Kinder  auf  ein 
halbes  Jahr  ist  es  gewils  nicht  getan. 

Ein  nenes  Lehr-  nnd  Erziehnngsinstitnt  fBr  HIdehen   soll   im 

Laufe  dieses  Herbstes  in  dem  Münchener  Vorort  Prinz  Ludwigshöhe 
eröffnet  werden.  Die  f,Münch.  med.  Wochenschr,"^  (No.  26)  empfiehlt  das- 
selbe lebhaft  der  Aufinerksamkeit  der  Ärzte.  ^Wer  weils  —  schreibt  sie  — 
wie  zur  Zeit  selbst  die  besten  Mädcheninstitute  Münchens  oft  in  ganz  un- 
zulänglichen Privatwohnungen  untergebracht  sind,  in  notdürftig  adaptierten 
Räumen,  meist  ohne  Oarten,  —  wie  die  Mädchen  zum  Oenu&  der  frischen 
Luft  in  den  staubigen  Straben  spazieren  geführt  werden,  der  wird  die 
Errichtung  einer  derartigen,  den  Anforderungen  der  Hygiene  besser  ent^ 
sprechenden  Anstalt  längst  als  ein  Bedürfnis  gefühlt  haben.  Die  oben 
genannte  Anstalt  entspricht  diesen  Anforderungen.     Sie  ist  für  ihren  be- 


806 

sonderen  Zweck  neu  erbaut  an  Stelle  der  durch  ihren  herrlichen  Blick 
aber  das  Isartal  berühmten  frttheren  Restanration  Prinz  Lndwigshöhe,  in 
hoher,  freier  Lage,  inmitten  eines  aasgedehnten  Oartens  und  Parkes,  and 
Tcrftlgt  Aber  geräumige,  heDe  und  luftige  Schul-  und  Schlafsfile,  fiber 
eigenen  Spielplatz,  Schwimmbad  und  Eisbahn,  greise  Terrassen  zur  Ertei- 
lung des  Unterrichts  im  Freien  etc.  Die  Nähe  der  Stadt  und  die  be- 
queme Verbindung  durch  die  Isartalbahn  erlaubt  neben  den  Oanzpensionärinnen 
auch  den  Besuch  von  Externen  und  Halbpensionären.  Die  Leitung  der 
Anstalt  liegt  in  den  Händen  der  Witwe  eines  bayrischen  Amtsarztes 
Dr.  HiMHEB  .  .  .,  die  schon  früher  den  Beruf  als  Erzieherin  und  Lehrerin 
ausgetibt  hat  und  f&r  die  richtige  Erfüllung  der  grolsen,  ihr  gestellten 
Aufgabe  alle  Garantien  bietet.^ 

Eine  Bespreehnnf;  ttber  die  Zahnpflej^e  der  Volksschttler  fand, 
wie  wir  der  „Wien,  med,  Wochenschr.*^  (1902,  No.  17)  entnehmen,  am 
20.  April  d.  J.  in  der  nied.-österr.  Statthalterei  statt.  An  derselben  nahmen 
Vertreter  des  Ministeriums  des  Innern,  des  Landesschulrates,  des  Stadtphysi- 
kates,  der  Gemeinde  Wien  und  der  zahnärztlichen  Vereine  teil.  Der  Ge- 
danke, durch  Zahnärzte  Revisionen  bei  den  Volksschfllem  yomehmen  zu 
lassen,  um  kariöse  Zähne  möglichst  früh  der  ärztlichen  Behandlung  zuführen 
zu  können  und  dadurch  bleibenden  Schädigungen  vorzubeugen,  fiel  nicht 
auf  fruchtbaren  Boden;  die  Versammlung  ging  resultatlos  auseinander. 
Gegen  die  Durchführung  des  Projektes  sprach  sich  insbesondere  der  Ver- 
treter der  Kommune  aus:  ihm  scheine  es,  dals  es  sich  nur  um  Schaffung 
von  einigen  Stellen  für  Schulzahnärzte  handle;  es  bestehe  die  Gefahr,  dafe 
die  Schulkinder  durch  unsaubere  Instrumente  infiziert  werden  könnten;  in 
den  Ambulatorien  werden  ohnehin  Hunderte  von  Zähnen  unentgeltlich  „ge- 
rissen*', die  Eltern  würden  sich  der  Untersuchung  ihrer  Kinder  widersetzen, 
and  endlich  koste  die  Sache  Geld.  Der  Vertreter  der  Kommune  beurteilte 
leider  groOse  hygienische  Fragen  von  dem  Standpunkte  des  —  Kleingewerbe- 
treibenden. 

Transportable  Schalpayilloiis  in  Berlin.  Der  „Dreismnigen  Ztg^ 
entnehmen  wir,  dals  in  der  Nähe  des  Bahnhofes  Landsberger  Allee  acht 
transportable  Schulpavillons  errichtet  werden  sollen,  die  den  Zweck  haben, 
den  schulpflichtigen  Kindern  jener  Gegend  ein  Heim  zu  gewähren,  da  der 
Bau  von  massiven  Schnlgebäuden  mit  der  schnellen  Besiedlung  des  Viertels 
hinter  dem  Friedrichshain  nicht  hat  das  gleiche  Tempo  einhalten  können 
and  anderseits  geeignete  Mietsräume  dort  nicht  vorhanden  waren,  um 
nun  eine  Vermehrung  der  fliegenden  Klassen  zu  vermeiden,  hat  sich  der 
Berliner  Magistrat  entschlossen,  dem  Vorgange  anderer  Grolsstädte,  wo  die 
Vermehrung  der  Bevölkerung  eine  ebenso  sprunghafte  ist,  mit  dem  Bau 
von  Pavillons  oder  Baracken  zu  folgen.  Diese  Bauten  sind  so  konstruiert, 
dals  sie  allen  Anforderungen  der  Hygiene  Rechnung  tragen,  insbesondere 
sind  die  Innenwände  mit  einem  völlig  glatten,  imprägnierten  Material  be- 
kleidet, das  leicht  gereinigt  und  desinfiziert  werden  kann.  Jeder  Pavillon 
erhält  zwei  Klassen  und  einen  Nebenraum.  Der  provisorische  Charakter 
der  Einrichtung  spricht  sich  darin  ans,  dafs  die  Pavillons  zerlegbar  sind; 
ist  also  in  der  betr.  Gegend  später  die  Schulhausnot  durch  den  Bau  eines 
festen  Ctebäudes  beseitigt,   so  können  die  Baracken  schnell  abgebrochen 


806 

und  nötigenfalls  in  einem  anderen  Stadtteil  wieder  aufgebaut  werden,  wo 
gleichfalls  Mangel  an  Scholränmen  vorhanden  ist.  Bekanntlich  ist  voi 
fQnf  Jahren  eine  Lichterfelder  Schule  nach  dem  Pavillonsystem  erban; 
worden ;  doch  beruht  dieser  Bau  auf  ganz  anderen  Prinzipien  als  das  jetz: 
in  Berlin  zur  Anwendung  gelangende  System.  Während  nämlich  die 
Berliner  Pavillons  aus  Holz  hergestellt,  zerlegbar  und  transportabel  sein 
und  nur  ein  Parterregeschois  aufweisen  werden,  sind  die  Lichterfeller 
Pavillons  vollständig  massiv  und  haben  neben  dem  Parterregeschofe  andi 
noch  ein  erstes  Stockwerk.  Die  Baukosten  f&r  eine  Baracke  stellen  si;^ 
einschliefslich  der  gesamten  Ausstattung  auf  etwa  18000  Mark.  Durch 
das  Hinzutreten  von  anderen  Kosten,  so  fflr  Regulierung  des  Terrains  und 
Einrichtung  der  Klosetts,  ergibt  sich  fbr  die  acht  Baracken  eine  Gesamt- 
ausgabe von  189000  Mark.  Die  Schulpavillons  sollen  schon  mit  Beginn 
des  Winterhalbjahres  in  Benutzung  genonunen  werden. 

Der  fiesiindheitspflege  im  Volkssehnliinterricht  mehr  Zeit  zu 

widmen,  ist  eine  Forderung  des  Lehrervereins  für  Wandsbek  und  Umgegend. 
In  einer  unlängst  abgehaltenen  Arbeitsversammlnng  des  genannten  Vereins  ist, 
wie  die  j^Hamh.  Nach/r.^  mitteilen,  die  Schulgesundheitspflege  im  allgemeinen 
in  Beratung  gezogen  worden.  Hervorgehoben  wurde,  die  Pflege  des  menschlichen 
Körpers  mflsse  im  Unterricht  ausfährlicher  behandelt  werden.  Die  Kinder 
unserer  Volksschulen  hören  von  Algen,  Famen  und  Moosen,  aber  sie  er- 
fahren nichts  von  der  Bedeutung  der  richtigen  Ernährung  und  Be- 
kleidung unseres  Körpers,  nichts  von  der  Bedeutung  der  frischen  Luft,  der 
täglichen  Haut-  und  Zahnpflege,  nichts  von  der  Verhütung  und  Heilung 
von  Krankheiten.  Der  Unterricht  in  der  Gesundheitspflege  im  AnschlnCs 
an  den  Unterricht  in  der  Naturkunde  fflr  die  beiden  obersten  Klassen 
unserer  Volksschulen  müsse  gefordert  werden. 

Städtische  Schnlfsahnärzte  in  Petersburg.  Zur  unentgeltlichen 
zahnärztlichen  Behandlung  unbemittelter  Schulkinder  hat,  wie  die  „&tf. 
Brax,^  (No.  46)  mitteilt,  die  Stadt  Petersburg  auf  Anregung  der  russischen 
Gesellschaft  für  Volkshygiene  ein  Institut  geschaffen,  welches  aussch]ie(slich 
der  Untersuchung  und  Behandlung  zahnkranker  Schulkinder  dient.  Gegen- 
wärtig sind  fünf  Zahnärzte  beschäftigt,  die  der  Reihe  nach  die  Kinder  der 
einzelnen  Stadtteile  untersuchen  und  behandeln.  Nach  einem  Berichte 
Prof.  LiMBEBGB  soll  die  Zahl  dieser  Zahnärzte  verdoppelt  werden,  und 
steht  zu  hoffen,  dals  das  Beispiel  Petersburgs  auch  in  anderen  russischen 
Städten  Nachahmung  finden  wird. 

Fflrsorge  fBr  geistig  zurfickgebUebeiie  Kinder  in  Berlin.    Wie 

die  jfZeitschr,  f.  d,  Behdl,  Schwachsmmger  eic.^  mitteOt,  wurde  unlängst 
in  Berlin  in  einer  zahlreich  besuchten  Versammlung  ein  „Erziehungs-  und 
Fürsorgeverein  für  geistig  zurückgebliebene  Ejnder^  gegründet.  Zweck 
und  Ziel  des  Vereins,  der  seine  Tätigkeit  auf  Berlin  beschränken  und  den 
engsten  Anschluls  an  bereits  vorhandene,  ähnlichen  Zwecken  dienende 
Vereine  erstreben  will,  bestehen  darin,  Verständnis  für  die  Ausbildung  und 
Erziehung  der  geistig  zurückgebliebenen  (schwachsinnigen)  Kinder  zu  wecken 
und  zu  beleben  und  an  der  geistigen,  leiblichen,  sittlichen  und  wirtschaft- 
lichen Förderung  dieser  geistig  Minderwertigen  mitzuwirken.  Zu  diesen 
Zweck   will   man   das    öffentliche  Interesse   für   die   bereits   bestehenden 


807 

sogenannten  Hilfsklassen  wecken,  am  die  diese  besnchenden  bedtlrftigen  Kinder 
mit  Nahrung  und  Kleidung  zu  versehen  und  ihnen  geeignete  Ferienpflege 
zu  yerschaffen,  nach  dem  Austritt  aus  der  Schule  aber  für  die  geistig 
Zurückgebliebenen  eine  geeignete  Beschäftigung  zu  suchen  und  sie  auch 
späterhin  zu  überwachen.  Die  Versammlung  genehmigte  den  Statutenentwurf 
und  einen  Aufruf  an  das  grofse  Publikum,  in  welchem  um  tatkräftige  unter- 
Stützung  dieses  gemeinnützigen  Vereins  in  warmen  Worten  gebeten  wird. 
Zum  Vorsitzenden  wurde  gewählt  Schulinspektor  Dr.  v.  Gizicki. 


Regelung  der  Unterrichtszeit  und  der  Weihnachtsferien  an  den 

Mitteischnlen  in  Österreich. 

Verordnung  des  Ministers  für  Kultus  und  Unterricht  yom 

21.  August  1903,  Z.  28852, 
an  sämtliche  LandesschulbehOrden. 

Ich  finde  mich  bestimmt,  in  teilweiser  Abänderung  der  Ministerial- 
Verordnung  vom  21.  Dezember  1876,  Z.  19109  (Minist.-Vdgs..Bl.  1876, 
No.  2),  betreffend  die  Regelung  der  Semesterdauer,  der  Schulferien  und 
der  Unterrichtszeit  an  den  Mitteischnlen  nachstehendes  zu  verfQgen: 

1.  Nach  jeder  Unterrichsstunde  mulis  eine  Erholungspause  eintreten. 
Die  Zeitdauer  jeder  dieser  Pausen  ist  so  zu  bemessen,  dafs  eine  ent- 
sprechende Lüftung  der  Schnlzimmer  stattfinden  kann. 

Nach  je  zwei  Lehrstunden  hat  eine  gröisere  Pause  einzutreten. 

Die  Pausen,  mindestens  die  grölseren,  sollen  die  Schüler,  wenn  es 
anders  tunlich  ist,  in  freier  Luft  zubringen. 

Die  Gesamtdauer  der  Erholungszeit  ist  so  festzusetzen,  dafs  auf  jede 
Unterrichtsstunde  (obligat  und  nicht  obligat)  eine  Pause  yon  zehn  Minuten 
in  Abrechnung  kommt.  Die  Verteilung  und  Bemessung  der  einzelnen 
Pausen  regelt  mit  Zustimmung  der  Landesschulbehörde  die  Lehrerkonferenz. 

Wo  besondere  lokale  Verhältnisse  es  rätlich  erscheinen  lassen,  kann 
auf  motiviertes  Ansuchen  des  Lehrkörpers  yon  der  Landesschulbehörde  ge- 
stattet werden,  daDs  die  Zahl  der  obligaten  Unterrichtsstunden  vormittags 
auf  fünf  ausgedehnt  werde. 

Ich  darf  erwarten,  dals  trotz  der  angeordneten  Erweiterung  der  Ruhe- 
pausen die  Erreichung  der  festgesetzten  Lehrziele  nicht  in  Frage  gestellt 
wird,  da  ja  erprobterma(sen  die  Pausen  die  Leistungsftlhigkeit  der  Lehrer 
und  Schüler  für  die  folgende  Unterrichtsstunde  erhöhen. 

2.  An  Mittelschulen,  an  welchen  die  Weihnachtsferien  bis  1.  Januar 
inklusive  dauern,  kann  mit  Rücksicht  auf  die  auswärtigen  Schüler  in  Hin- 
kunft mit  Zustimmung  der  Landesschulbehörde  auch  der  2.  Januar  als 
Ferialtag  behandelt  werden. 

Diese  Verfügungen  treten  mit  dem  Schuljahre  1903/1904  in  Kraft 
(„  Verordnungsblatt  für  den  Dienstbereich  d.  Min.  f,  KtUtus  u.  Unterricht*^ 

in  Wien,  Jahrg.  1903,  Stück  XVIL) 


808 

Bmittlaiig  und  Feststellnng  yon  Typhnserkranknngen 

bei  SchttUunden. 

Erlafs  des  Ministers  der  geistlichen,  Unterrichts-  und 
Medizinalangelegenheiten  vom  26.  Angnst  1903. 

Anläfslich  eines  Spezialfalles,  in  welchem  znr  Entscheidung  stand,  ob 
der  beamtete  Arzt  berechtigt  sei,  Erhebungen  in  der  Schule  behafe  Ermitt- 
lung und  Feststellung  yon  Typhuserkrankungen,  einschliefslich  der  Entnahme 
von  Blut  behufs  AusfQhrung  der  YiDALschen  Reaktion,  ohne  vorheriges 
Benehmen  mit  der  Schulaufsichtsbehörde  vorzunehmen,  bestimme  ich  folgend^: 

Die  Ermittlung  und  Feststellung  von  Typhuserkrankungen  wird  wesent- 
lich erleichtert  und  gefördert,  wenn  es  den  mit  dieser  Aufgabe  betrauten 
Medizinalpersonen  ermöglicht  wird,  die  Schulversäumnislisten  einzusehen,  die 
Schulkinder  zu  besichtigen  und  solchen  Kindern,  bei  denen  der  Verdacht 
besteht,  dais  sie  eine  Typhuserkrankung  überstanden  haben,  aus  dem  Ohr- 
läppchen oder  der  Kuppe  des  Zeigefingers  ein  Tröpfchen  Blut  zu  entnehmen 
behufs  Ausfflhrung  der  YiDALschen  Reaktion. 

Die  Rücksicht  auf  die  Interessen  der  Schule  verlangt  jedoch,  da(s  die 
Medizinalpersonen  behufs  derartiger  Erhebungen  nicht  ohne  Ihre  Zustimmong 
und  nicht  ohne  sich  zuvor  mit  der  zuständigen  Schulaufsichtsbehörde  ins 
Benehmen  gesetzt  und  mit  derselben  die  Zeit  und  den  umfang  der  beab- 
sichtigten Erhebungen  vereinbart  zu  haben,  die  Schule  betreten. 

Was  die  Entnahme  von  Blut  behufs  Vornahme  der  ViDALschen  Reaktion 
betriflFt,  so  darf  diese  nicht  ohne  Zustimmung  der  Eltern  der  betreffenden 
Kinder  vorgenommen  werden.  Bei  der  Harmlosigkeit  dieses  Eingriis  darf 
angenommen  werden,  dafs  die  Eltern  denselben,  wenn  sie  in  angemessener  Weise 
darum  befragt  werden,  kaum  jemals  verweigern  werden.  Von  einer  zwangs- 
weisen Durchführung  derartiger  Eingriffe  mufs  jedoch  unter  allen  Umständen 
abgesehen  werden. 

Euer  Hochwohlgeboren  stelle  ich  hiemach  das  Weitere  ergebenst  anheim. 

(Unterschrift.) 

an  die  Herren  Regierungspräsidenten  und  den 
Herrn  Polizeipräsidenten  in  Berlin. 


Abschrift  übersende  ich  Euer  Exzellenz  zur  gefälligen  Kenntnisnahme 
ergebenst. 

Berlin,  den  26.  August  1903. 

Der  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten. 

In  Vertretung: 
Wbveb. 

An  die  Herren  Oberpräsidenten. 
M.  13189.  U.  in.  A. 


809 


txttxatnx. 


Besprechangeo. 

CaIiVIn  M.  Woodward  (Washington  üniversity).  A  New  Era  in  the 
Pablie  Schools  of  St.  Louis.  The  Sc^wol  Beview  (a  Journal  of  Se- 
condary  £dncation,  edited  by  the  School  of  Education  of  the  Duiversity 
of  Chicago),  Volume  XI.  No.  6.  June  1903.  pag.  486—494.  S^. 
Preis  per  Einzelnummer  20  Cents. 

Verfasser  kommt  zunftchst  auf  die  pekuniftren  Schwierigkeiten  zu 
sprechen,  mit  denen  das  öffentliche  Schulwesen  in  St.  Louis  trotz  reicher 
Znschflsse  aus  den  mannigfaltigsten  Quellen  vor  nicht  allzu  langer  Zeit  noch 
za  kftmpfen  hatte,  und  berichtet  weiter,  da£s  Tor  zwei  Jahren  die  Schnl- 
behOrden  einen  Antrag  einbrachten,  die  allgemeinen  Steuern  fOr  Schulzwecke 
za  erhöhen,  der  im  November  yorigen  Jahres  auch  Annahme  fand  und  fQr 
das  Schulwesen  einen  jährlichen  Mehrzuschufs  yon  800000  Dollar  bedeutet. 
Diese  günstigen  Umstände  hatten  eine  Menge  allgemeiner  Verbesserungen 
im  Gefolge  und  ermöglichten  zugleich  die  Errichtung  zweier  neuen  höheren 
Lehranstalten,  der  Willia.mMag-Eikley  Manual  Training  High 
School  und  der  James  E.  Teatman  Manual  Training  High 
School.  Beide  Anstalten  sind  im  Bau  begriffen  und  nach  den  neuesten 
Anforderungen  der  Bautechnik  entworfen.  Sie  sind  bestimmt  je  für  die 
Aufnahme  von  1000  Knaben  und  Mädchen;  die  erstere  soll  am  1.  Februar 
und  die  zweite  im  September  nächsten  Jahres  eröffnet  werden.  Verfasser 
hat  seinen  Ausführungen  eine  kurze  Beschreibung  des  Planes  der  McKinley 
High  School  beigefttgt,  auf  die  ich  an  Ort  und  Stelle  verweise. 

Oberlehrer  Kabl  RoLLEB-Darmstadt. 

W.  E.  iGKATiEFF.  Die  elektrische  Beleuchtung  der  Schnlzimmer 
Tom  sanitären  Standpunkte  ans  (mss).  Moskau,  1903.  Inaug.-Diss. 
8^  114  S.     Mit  3  Tafeln. 

Im  ersten  Teile  seiner  Arbeit  gibt  der  Verfasser  eine  Übersicht  Ober 
die  Frage  von  der  kflnstlichen  Beleuchtung  der  Schulzimmer,  soweit  sie  der 
Gegenstand  eyperimenteller  Untersuchungen  gewesen  ist.  Seine  eigenen 
Versuche  beziehen  sich  auf  eine  gröbere  Reihe  photometrischer  Beobach- 
tungen in  einigen  Lehranstalten  Moskaus,  in  welchen  die  elektrische  Be- 
leuchtung teilweise  in  der  Form  yon  Glüh-  oder  Bogenlampen  mit  ver- 
schiedenartigen Lampenschirmen  und  -Kugeln,  teilweise  in  der  Form  yon 
NBRNST-Lampen,  eingeführt  ist.  Die  Bestimmung  der  Platzhelligkeit  der 
einzelnen  Arbeitsplätze  wurde  einmal  im  leeren  Zimmer  und  sodann  bei 
besetzten  Bänken  yorgenommen.  Die  Resultate  sind  in  flbersichtlicher 
Weise  durch  Tafehi  illustriert. 

Bei  direkter  Beleuchtung  mit  Glühlampen,  die  mit  grolsen,  un- 
durchsichtigen Reflektoren  (yon  oben)  und  durchscheinenden  kleineren 
Mflchglasschirmen  (yon  unten)  yersehen  waren,  ergab  sich,  wie  yon  yom- 
herein  zu  erwarten  war,  eine  ungleichmäfsige  Lichtyerteilung  und, 


810 

bei  Besetztmg  der  Arbeitsplätze,  die  Bildnng  ausgedehnter  nnd 
tiefer  Schatten,  welche  die  Schreibenden  geradezu  zwingen,  eine  schiefe 
Körperhaltung  anzunehmen.  Die  durchschnittliche  PlatzheUigkeit  war, 
namentlich  bei  Besetzung  der  Arbeitsplätze,  ungenügend ;  und  wenn  sie  vom 
Verf.  als  im  allgemeinen  befriedigend  erklärt  wird,  wenigstens  da,  wo  sie  im 
Mittel  12 — 14  M.-K.  beträgt,  so  ist  demgegenflber  darauf  hinzuweisen, 
dals  das  yon  Gohn  angegebene  Minimum  von  10  M.-K.,  das  7on  I.  seiner 
Beurteilung  zu  Grunde  gelegt  wird,  sich  eben  auf  das  rote  Licht  besieht, 
was  Yon  den  meisten  Beobachtern  nicht  genflgend  berttcksichtigt  wird.  Non 
bedeuten  aber  10  M.-K.  im  roten  Licht  etwa  26  M.-K.  im  wei&en  Licht, 
so  dafs  das  CoHNsche  Minimum  für  das  weifse  Licht  25  M.-K.  beträgt. 
Das  stimmt  auch  überein  mit  den  Forderungen  anderer  Autoren,  die  für 
feinere  Arbeit  eine  PlatzheUigkeit  von  20 — 25  M.-K.  yerlangen.  Inter- 
essant ist,  daC3  das  Reinigen  der  Milchglasschirme  oder  -Glocken,  sowie  der 
Glühbirnen  von  dem  gewöhnlich  auf  ihnen  lagernden  Staube  die  Platzhellig- 
keit um  18 — 21  ^/o  zu  erhöhen  vermochte. 

Die  direkte  Beleuchtung  mit  NEEKSX-Lampen  yon  je  32  M.-K., 
deren  Glühkörper  von  einer  matten  Glaskugel  umgeben  war,  während 
über  demselben  sich  ein  undurchsichtiger  Lampenschirm  von  32  cm  Durch- 
messer befand,  ergab  im  grolsen  Ganzen  dasselbe  Resultat,  nur  mit  dem 
Unterschiede,  dafs  hier  die  durchschnittliche  Platzhelligkeit  eine  viel  be- 
deutendere war.  Dieselbe  erreichte  beinahe  18  M.-K.,  im  Maximum  25,6, 
im  Minimum  8  M.-K.  Also  auch  hier  eine  ungleichmäfsige  Be- 
leuchtung der  einzelnen  Arbeitsplätze.  Der  Verlust  der  Platz- 
helligkeit bei  Schattenbildung  durch  die  anwesenden  Schüler  betrug 
30—43%. 

Auch  die  halb  direkte^  halb  indirekte  Beleuchtung  mit  Bogen- 
lampen, an  denen  yon  oben  grofse,  durchscheinende  Lampenschirme,  von 
unten  kleinere  Reflektoren,  System  hbabowsky,  angebracht  waren,  zeigte 
kein  wesentlich  besseres  Resultat.  Allerdings  war  das  Auge  beim  Eintritt 
in  ein  yon  zwei  derartigen  Lampen  beleuchtetes  Schulzimmer  überrascht 
von  der  durch  diese  Lampen  gelieferten  Menge  eines  angenehmen,  weilslich- 
bläulichen  Lichtes.  Aber  auch  hier  war  die  Lichtyerteilnng  auf  den 
einzelnen  Arbeitsplätzen  eine  ungleichmäfsige,  mit  Schwankungen  von 
11 — 31  M.-K.;  der  Lichtyerlust  bei  Besetzung  der  Arbeitsplätze  durch 
Schüler  betrug  im  Durchschnitt  für  die  einzelnen  Bankreihen  0 — 36%. 
Was  die  Verwendung  dieser  Art  der  künstlichen  Beleuchtung  unter  Zuhilfe- 
nahme der  Reflektoren  hbabowseys  in  Schulzimmem  anbelangt,  so  ist  L 
der  Ansicht,  dals  weitere  Beobachtungen  notwendig  seien,  und  dafs  jeden- 
falls die  Bestrebungen  dahin  gehen  müssen,  weniger  direktes  und  dafis^ 
mehr  indirektes  Licht  zu  erhalten.  Überhaupt  gelangt  I.  auf  Grund  seiner 
Untersuchungen  zu  der  nun  wohl  yon  niemandem,  der  sich  mit  dieser 
Frage  ernsthaft  beschäftigt  hat,  angezweifelten  Anschauung,  dafs  für  die 
Beleuchtung  der  Schulzimmer  das  direkte  Licht  ganz  un- 
günstig ist,  dafs  das  halb  indirekte  Licht  als  eine  Konzession 
gewissen  Verhältnissen  gegenüber  zugelassen  werden  kann, 
dafs  aber  der  entschiedene  Vorzug  der  reinen  indirekten 
Beleuchtung  gebührt.  F.  EsiSMANK-Zürich. 


811 

FsENZEL,  Fr.  Die  HilfsschaleB  fBr  Schwachbegabte  Kinder.  Leop. 
Voss»  Hamburg  u.  Leipzig,  1903.     8^  88  S.  Ji  1,—. 

Der  YerÜBsser,  Leiter  der  Hilfeschule  in  Stolp,  Pommern,  gibt  in 
dem  vorliegenden  Büchlein  eine  Qbersichtliche  Darstellung  Qber  die  Ent- 
wickluig,  Bedeutung  nnd  Organisation  der  Hilfescbnlen.  Als  wichtigste 
Abschnitte  seien  folgende  namhaft  gemacht: 

Geschichtliche  Übersicht  über  die  Entwicklung  der  Fürsorge  für 
Blödsinnige  und  Schwachbegabte  in  Anstalten  und  Schulen;  Notwendigkeit, 
Nutzen ,  Aufgaben ,  Schuleinrichtung ,  Unterrichtsmafsnahmen ,  Lehrplan , 
Schüler  und  Lehrer  der  Hilfsschulen;  Tätigkeit  des  Arztes  an  der  Hilfs- 
schule, Fürsorge  für  die  Schüler  der  Hilfsschulen    nach   ihrer  Entlassung. 

Li  vortrefflicher  Weise  erfüllt  diese  Schrift  den  Zweck,  zur  Orien- 
tierung auf  diesem  Oebiete  des  SchwachsinnigenbOdungswesens  zu  dienen, 
vor  allem  flür  Schulbehörden  und  andere  Verwaltungen,  deren  T&tigkeit 
in  den  Bereich  der  Hilfsschulbestrebungen  eingreift.  Doch  auch  der  Lehrer 
der  Hilfsschule  wird  sie  mit  Interesse  und  Gewinn  lesen ;  ihm  dürften  be* 
sonders  das  beigegebene  umfangreiche  Literaturverzeichnis  und  Sachregister, 
sowie  einige  Muster  von  Schul-  und  Individuallisten  willkommen  sem.  Das 
gediegene  Büchlein  verdient  recht  weite  Verbreitung. 

H.  GsAF-Zürich. 

POBT,  G.,  Prof.  Dr.  med.,  Hygiene  der  Zähne  und  des  Hnndes  im 
gesunden  nnd  kranken  Znstande.  Stuttgart.  Ernst  Hemrich  Moritz. 
1902,  kl.  8^  94  S.,  geb.  Mk.  1.—. 

Eine  ganze  Reihe  tüchtiger  Arbeiten,  die  den  breiten  Volksschichten 
die  Bedeutung  einer  rationellen  Zahn-  und  Mundpflege,  sowie  die  Wichtig- 
keit einer  richtigen  Behandlung  erkrankter  Zfthne  vor  Augen  führt,  ist  in 
den  letzten  Jahren  auf  den  Büchermarkt  geworfen  worden. 

Wohl  keine  dieser  Publikationen  hat  ihre  Aufgabe  so  kurz  und  klar 
gelöst,  wie  das  vorliegende  Büchlein  der  „Bibliothek  der  Gesundheitspflege*'. 

Es  ist  keine  Kleinigkeit,  aus  dem  grofsen  Wissensschatze  der  modernen 
Zahnheilkunde,  die  sich  bekanntermafsen  aus  einer  ganzen  Reihe  Disziplinen 
zusammensetzt,  gerade  das  herauszugreifen,  was  dem  Durchschnittsmenschen 
eine  klare  Idee  der  hohen  Bedeutung  der  Zahne,  ihrer  Hygiene  und  Be- 
handlung mit  Rücksicht  auf  den  Gesamtorganismus  und  sein  Wohlbefinden 
geben  kann. 

Wohl  wenige  Gebiete  des  menschlichen  Organismus  sind  heute  seitens 
des  greisen  Publikums  noch  so  vernachlässigt,  von  den  Medizinern  im 
allgemeinen  noch  als  eine  „Quantit^  n^gligeable'^  betrachtet,  wie  die  Zähne 
und  die  Mundhöhle. 

Grofs  und  schwerwiegend  sind  die  Folgen  dieser  Vernachlässigung 
in  lokaler  wie  allgemeiner  Beziehung,  und  doch  könnte  auf  prophylaktischem 
und  hygienischem  Wege  so  viel  getan  werden,  wenn  nur  seitens  der  Ärzte, 
Zahnärzte  und  Lehrer  die  Grundsätze  einer  Zahnhygiene  ins  Volk  hinein- 
getragen würden. 

Diese  Aufgabe  hat  das  Büchlein  Ports  unternommen.  Es  soll 
vor  allen  Dingen  Lehrern  nnd  Familienvorständen  zum  Studium  dringend 
empfohlen  sein. 


812 

Es  seien  hier  nur  eisige  wichtige  Momente  heransgegiiffen. 

„MQtter  stillt  enre  Kinder  selbst^^  Wenn  diese  Mahnnng  in  jedes 
Hans  von  arm  nnd  reich  getragen  wflrde  nnd  Nachahmnng  fl&nde,  wftre 
hinsichtlich  der  Stärke  nnd  Gesundheit  unseres  Volkes  im  allgemeinj^,  der 
Gesundheit  seiner  Zähne  im  speziellen  viel  gewonnen. 

Richtige  Handpflege,  Zähne  reinigen  morgens  nnd  abends  mit  Zahn- 
bürste, Wasser  und  Kreide,  fleifsig  gurgeln  schon  von  Kindsbeinen  auf, 
verhindert  einmal  Karies  selbst  schwächlicher  Zähne,  erhält  einen  gesunden 
Zahnapparat,  verhütet  andererseits  auch  manche  Infektionskrankheit  im  Kindes- 
alter. Die  Beaufsichtigung  und  Behandlung  der  Milchzähne  findet  hier  ihre 
energische  Verteidigung,  eine  Notwendigkeit,  die  selbst  in  gebildeten  Kreisen, 
ja  auch  bei  Zahnärzten  als  ein  Luxus  betrachtet  wird. 

Auf  die  Ursachen  der  Zahnkaries,  die  Einflüsse,  die  besonders  zu 
Karies  prädisponieren,  in  Rasseneigentümlichkeiten,  Bodenbeschaffenheit, 
Kalkgehalt  der  Feldfrflchte,  Civilisation  etc.  eintretend,  geht  Verfasser  auf 
die  Gewerbekrankheiten  mit  Rücksicht  auf  den  Zahnapparat  über. 

Der  Extraktion  der  Zähne,  der  Narkose  etc.  ist  ein  besonderes  Kapitel 
gewidmet,  wobei  hauptsächlich  folgende  Punkte  herauszugreifen  sind: 

Verf.  tritt  energisch  für  die  Erhaltung  des  Sechejahr-Molaren  ein,  sofern 
er  erhalten  werden  kann,  eine  Ansicht,  der  leider  selbst  in  zahnärztlichen 
Kreisen  nicht  immer  beigepflichtet  wird. 

uns  freut  des  Verfassers  SteUungnahme  gegen  die  Narkose,  die  wenn 
immer  nur  möglich  aus  dem  zahnärztlichen  Operationszimmer  eliminiert 
werden  soUte.  Mit  der  lokalen  Anästhesie  kann  der  gewissenhafte  und 
sachkundige  Zahnarzt  bei  der  Extraktion  auskommen. 

Zur  Behandlung  der  Zahnkaries  übergehend,  wie  Füllungen  und 
Materialien,  künstlichen  Ersatz,  verweilt  Verfasser  bei  der  Kronen-  nnd 
Brückenarbeit.  Die  Einwände  allerdings,  die  gegen  diese  gemacht  werden, 
sind  nicht  stichhaltig.  Ist  Kronen-  und  Brückenarbeit  „lege  artis"  ausge- 
führt, dann  kann  von  einer  Erschwerung  der  Mundhygiene  durch  sie  nicht 
gesprochen  werden,  auch  der  arme  Mann  kann  sidi  die  Krone  dienstbar 
machen,  vorausgesetzt,  da(s  der  Zahnarzt  das  Gebiet  beherrscht  —  neben 
dem  Metallwert  seine  Kunst  und  Arbeit  den  Verhältnissen  anpafst  — 
POBT  schliefst  mit  einer  kurzen  Abhandlung  über  die  Behandlung  der 
Stellnnganomalien.  —  Das  Büchlein  darf  jedermann  zum  Studium  empfolileE 
werden,  es  enthält  die  reifen  Erfahrungen  eines  tüchtigen  Zahnarztes  wie 
Mediziners.  Dr.  STOPPANY-Zürich. 


Bibliographie. 
Die  mit  *  bezeichneten  Werke  wurden  der  Redaktion  sugesandt. 

*Anales  de  Instmcciön  Brmaria.  Rep.  Oriental  del  Uruguay.  Monte- 
video 1903.     Tomo  I.  Num.  2.     8^     S.  89—248. 

*AnnaU  d'igime  SperimenidU,  e  Diretti  dal  Prof.  AKGBLO  Gblli.  Vol. 
Xni  (N.  S.)  Fase,  m,  1903. 

'*'Baub,  Alfb.,  Dr.  med.  Hygienischer  Bäder- AUas  für  8<MU  und  Hantö, 
26  Tafeln  mit  erläuterndem  Text.  Wiesbaden,  Otto  Neumich,  1903.. 
Kl.  Fo.,  geb.  M   1.60. 


813 

*BeriefU  über  den  vierten  Verbandatag  der  HüfsscfnUen  Deutschlands  bu 

Maingf    am  14.  bis  16.  April  1903,    erst,  von  Dr.  Wbhrhahn  und 

Rektor  Basbdow.     Hannover,  1903.     8^.     196  S. 
^Bbbninqbr,  Joh.     Ziele  und  Aufgaben  der  modernen  Schuh  und  Volks- 

hygiene.     Winke    und  Ratschläge    für  Lehrer,    Schulärzte   and  Eltern. 

Wiesbaden,  Otto  Neiunich,  1903.     Or.  8^.     90  S.     M.  2.—,  in  ganz 

Leinen  JM.  2.86. 
Brssgbn,  Max,  Dr.  med.   Die  drüsigen  Wucherungen  im  oberen  Bachen- 

räume  (Rachenmandel)  und  die  DauerschweUung  der  Nasenschleimhaut 

in  ihren  Beziehungen  tiueinander  und  eum  geistigen  Zustande  des  Smdes, 

Die  Gesundheitswarte  der  Schule.     1.  Jahrg.,  No.  9.. 
'*^üNGB,  Dr.  med.,  Prof.     Wider  den  Alkohol.     Ges.  Reden  und  Abhand- 
lungen.    Basel,  Schriftstelle  des  Alkoholgegnerverbandes,  1903.     El.  8^, 

71  S.     JH  0,20. 
^Chauvaik,   G.,  Dr.   med.     But    de  Vinspeciion   midicäle  et  hygihnique 

des  6coles  pubUques  et  privies.     Organisation  de  cette  inspeciion.    Con- 

ditions    d^efficacite.      Ck)ngr^s   intern.   d'Hygi^ne  et   de  Demographie  k 

Bruxelles.     1903. 
*H0LST,  Axel,  Dr.  med.     Idem.  / 

^MoBNY,  E.,  Dr.  med.     Idem. 
Cook,   Development  and  Gore  of  ChUdren.     Joum.  Amer.  Med.  Assoc, 

6.  Juni  1903. 
Gbofbr,   Elsb.     Zur  modernen  Mädchenerjnehung,     Die  Jugendfürsorge. 

IV.  Jahrg.,  H.  8. 
^GUNTZ,  Friedr.,  Dr.  med.    Gesamtbericht  über  die  Tätigkeit  der  Schul- 
ärzte im  Jahre  1902/03.    Wiesbaden,  1903.     8®.     11  S. 
DOPP,  Eath.  Elisas.    The  Place  of  Industries  in  Elementary  Education, 

The  üniversity  of  Chicago  Press.     Chicago,   1903.     208  S.     $  1.—. 
Döring,  A.     tJber  sittUche  Erziehung  und  Maralunterridit.     Zeitschr.  f. 

Pädagog.  Psychologie,  Pathologie  u.  Hygiene.     Jahrg.  Y,  H.  1/2. 
'T'RENZEL,  F.     Die  Hilfsschulen  für  Schwachbegabte  Kinder,     Hamburg, 

Leopold  Voss,  1903.     9f^.     88  S.     JH  1.—. 
GUTZMANN,    A.,    Dr.   med.      Zum    Taubstummenunterricht   durchs    Ohr. 

Med.-päd.  Monatsschr.  f.  d.  ges.  Sprachheilkunde.     Mai-Juni  1903. 
*GuTB,  Prof.     Les  vig4taU<ms  adenoides  ä  t4cole.     Amsterdam,    F.  van 

Rossen,  1903.     Kl.  8®.     14  S.  mit  Abbildgn. 
*JoLLBS,   Ad.,   Dr.  med.     Über    Wasserbegutachtung.     Leipzig  u.  Wien, 

Fr.  Deuticke,  1903.     8^     29  S.     ü.  1.—. 
'*liBT,  Dr.     Les  soi-disant   ^^mauvaises  habitudes**   des  enfants.     Extrait 

des  Annales  de  la  Soc.  de  M6d.  d'Anvers.     Juin-Juillet,  1903. 
Müller-Cramer,  Zur  Geschichte  der  Leibesübungen  in  Zürich.    Schweiz. 

Bl.  f.  Gesundheitspfl.,  No.  17. 
♦Paulisch,  Dr.     Beiträge  zur  Geschichte  und  zum  gegenwärtigen  Stand 

der  Schulhygiene  in  Deutschland.     Sond.-Abdr.  aus  d.  Yierte^ahrsschr. 

f.  ger.  Med.  u.  öffenü.  San.-Wesen.     3.  Folge,  XXVI,  Sepd.-Heft. 
♦Bieder,    Hbrm.,    Prof.    Dr.      Körperpflege    durch    Wasseranwendung. 

Bibliothek    der    Gesundheitspflege.     Stuttgart,    E.   H.  Moritz.     El.  8^. 

201  S.  mit  Abbildgn.     M.  2.—. 


814 

*RiBTZ,  £.,  Dr.  med.  Bas  Wachstum  Berliner  Schulkinder  während  der 
Schuljahre,     Archiv  f.  Anthropologie,  N.  F.     Bd.  I,  H.  1.     1903. 

*Sghmid,  f.,  Dr.  med.  Die  Verhrdtmg  der  HeilstäUen  filr  Tuberkulöse 
in  der  ScJiweig  im  Jähre  1902.  Sep.-Abdr.  ans  „Tuberculosis",  Vol.  I. 
No.  2. 

* Die  Leistungen  der  schweißerischen  Volksheilstäüen  /är  Tuber- 
kulöse in  den  Jähren  1899 — 1901.  Sep.-Abdr.  aus  „Tuberculosis", 
Vol.  II,  No.  6. 

*8iehenundewaneigster  Bericht  und  Rechnung  Über  die  Ferienkolonien  und 
Milchkuren  erholungsbedürftiger  Schulkinder  der  Stadt  jSürich  etc.  für 
1902.     Zürich,  1903,  27  S.  mit  Abbildgn. 

*SlCHBRBR,  Otto,  Dr.  med.  Hygiene  des  Auges  im  gesunden  und  kranken 
Zustande.  Bibliothek  der  Gesundheitspflege.  Stuttgart,  E.  H.  Moritz. 
El.  8^.     130  S.  mit  AbbUdgn.     JK.  1.50. 

SOBEL,  A.  A  consideration  of  (he  common  contagious  skin  diseases  oh- 
served  in  {he  ChUdren  of  the  Public  Schools,  Amer.  Therapist,  M&rz  1903. 

^Stadblmann,  Hbinr.,  Dr.  med.  Schulen  für  nervenkranke  Binder. 
Sep.-Abdr.  a.  Sammlung  y.  Abb.  a.  d.  Geb.  d.  Päd.  Psych,  u.  Physiol., 
'     VI,  5.     8^     130  S.     JH  0.75. 

Stbigbr,  Aj>.,  Dr.  med.  Schulhygienische  Skisgen.  I.  SchreibhaUung 
und  KurgsichUgkeit.  Blätter  fftr  Schulgesundheitspflege  u.  Kinderschatz. 
I.  Jahrg.,  No.  5. 

Stbpanoff,  Nicolas.  TaiUe  et  poids  des  enfants  des  Ecoles  de  Lau- 
sänne.     Th^se  de  Lausaune,  1903. 

SUGE,  H.  Wie  werden  den  SchUlem  am  besten  die  Begriffe  der  ße- 
sundheiislehre  angeeignet?  Die  Gesundheitswarte  der  Schule.  I.  Jahrg., 
No.  9. 

*Trümpp,  Jos.,  Dr.  med.  Gesundheitspflege  im  Kindesälter.  U.  Teü: 
Körper-  und  Q-eistespflege  im  schulpflichtigen  Alier.  Bibliothek  der 
Gesundheitspflege.    Stuttgart,  £.  H.  Moritz.    Kl.  8®.    140  S.    A  1.—. 

♦üngbwitteb,  Righ.,  Die  Nährwerte  der  Nahrungsmittel  und  ihre  Ver- 
wendung zur  rationellen  Ernährung  nach  Lahmann  nebst  ÜbersieMs- 
tabeUe,  Stattgart,  i.  Selbstvetl.,  1903.     Gr.  8<>,  12  S.,  JH  0,50. 

*  Verhandlungen  der  IV.  Schweigerischen  Konferenz  für  das  Idiotenwesen 

in  Lusem,  am  11.  u.  12.  Mai  1903.  Herausg.  im  Namen  d.  Eonferenz- 
Yorstandes  von  C.  AUBR,  K.  KöLLB  und  H.  Graf.  Glarus,  1903. 
8^     119  S.  mit  Abbildgn. 

*  Verhandlungsschrift   der  Sitzung  des  Ausschusses  der  Deutschen  Turner- 

Schaft  (E.  V.)  in  Nürnberg,  16.  bis  18.  Juli  1903.  Sond.-Abdr.  a.  d. 
Deutschen  Tumzeitung. 

*  Vorläufige  Ergebnisse   der   ärztlichen  Untersuchung    der  in   den  Jähre» 

1901  u.  1902  ins  schulpflichtige  Alter  gelangten  Kinder.  Vom  eidg. 
stat.  Bureau.  Zeitschr.  f.  Schweiz.  Statistik.  39.  Jahrg.,  n.  Bd., 
5.  Liefg. 
*Wbhmer,  R.,  Dr.  med.  Encyklopädisches  Handbuch  der  Schulhygiene. 
I.  Abt.  Mit  134  Abbildgn.  Leipzig  u.  Wien,  A.  Pichlers  Witwe  ä 
Sohn.     Gr.  8*.     400  S.     Geh.  M.  10.-. 


§tv  $fl^itlfttrfi 


I.  Jahrgang.  1903.  No.  11. 


d^rtjiitaU^attblttitgett« 


Über  die  Notwendigkeit  der  Anstellung  von  Schnlftnten 

an  höheren  Lehranstalten. 

Vortrag ,   gehalten    in   der  hygienischen   Sektion    der  Sohleaischea 

Gesellschaft   am    17.  Mai   1903 

von 

Dr.  Samosoh»   Schularzt   in  Breslau. 

(Schlafs.) 

Interessant  ist  femer,  dafis  speziell  Lehrerrersammlnngen 
sich  mit  der  Schnlarztfrage  beschäftigt  und  vielfach  Resolutionen 
angenommen  haben,  die  sich  im  Sinne  einer  positiven  B^e- 
lung  dieser  Frage  mehr  oder  weniger  entschieden  aussprachen.  Es 
ist  dies  geschehen  im  Berliner  Lehrerverein,  im  Berliner  Bealschul- 
mfinnerverein,  auf  der  Generalversammlnng  des  Allgemeinen  sächsi' 
sehen  Lehrervereins,  im  Stuttgarter  Bezirkslehrerverein,  auf  der  YIH. 
and  X.  Generalversammlung  des  rheinischen  Lehrertages,  auf  dem 
YII.  deutschen  Lehrertag,  in  den  katholischen  Lehrervereinen  von 
Koblenz,  Wiesbaden,  Duisburg,  in  einer  Versammlung  der  Bremen- 
ser  Lehrer  und  anderen  mehr.^  Sehr  deutlich  spricht  sich  die  immer 
mehr  zu  Gunsten  der  Schularztinstitution  sich  ändernde  Stellung- 
nahme der  Pädagogen  in  der  Literator  aus.  Es  ist  unmöglich,  auch 
nur  die  Namen  der  sich  dafür  aussprechenden  Pädagogen  zu  nennen, 
und  ich  beschränke  mich  darauf,    drei  Monographien  zu  erwähnen, 


^  Diese  Angahen  entstammen  zerstreuten  Notizen  dieser  ZeUechrift  and 
einer  Broschüre  von  Johahiou  Bbbkivckb  „Schal-  nnd  Volkshygiene^,  Harn- 
boiy,  Leopold  Voss,  1908. 

Der  Sehiilarsi.  L  24 


210  816 

die  aus  der  Feder  yon  Pädagogen  stammen  und  besonders  lesenswert 
sind:  1.  Die  Schnlarztfrage  von  SchiIiLeb,  2.  Das  Bedürfnis  nach 
Sclinlftrzten  für  höhere  Lehranstalten  von  Bollbb  nnd  3.  Schnl- 
nnd  Yolkshygiene  von  Johannes  BssNiNaEB.  Ohne  mich  mit  allem 
nnd  jedem,  was  in  diesen  Arbeiten  enthalten  ist,  identifizieren  zu 
wollen,  glanbe  ich  doch,  dafs  hier  eine  Basis  gegeben  ist,  anf  der 
ein  gemeinsames,  ersprieMiches  Arbeiten  möglich  nnd  anssichtsvoll 
erscheint. 

Ich  habe  soeben  ein  etwas  rosig  angehanchtes  Bild  gemalt  von 
dem  Verständnis,  das  man  in  behördlichen,  Laien-  nnd  Pädagogen- 
kreisen  der  Schnlarztinstitntion  entgegenbringt.  Dieses  Verständnis 
hat  ja  nun  auch  für  die  Volksschnlen  einen  praktischen  Ausdruck 
gefunden,  indem  hier  eine  Kommune  nach  der  anderen 
Schulärzte  anstellt.  Für  die  höheren  Schulen  trifft  das  mit 
einer  Ausnahme,  auf  die  ich  bald  eingehen  werde,  nicht  zu.  Woran 
liegt  das?  Auf  einen  Teil  der  hier  in  Betracht  kommenden  Gründe 
bin  ich  bereits  eingegangen;  ich  habe  darauf  hingewiesen,  dals  die 
Richtung  unserer  heutigen  sozialen  Politik  mit  ihrer  gewifs  gerecht- 
fertigten Fürsorge  für  die  sog.  niederen  Stände  eine  sehr  gewichtige 
Bx>lle  spielt,  dafs  es  aber  nunmehr  an  der  Zeit  sei,  auch  der  Schaler 
höherer  Lehranstalten  zu  gedenken;  femer  habe  ich  als  ursächliche 
Momente  erwähnt  die  meines  Erachtens  unrichtige  Annahme  einer 
überall  genügenden  elterlichen  Fürsorge,  und  sodann  den  Mangel  einer 
zuverlässigen  Statistik  und  Übersicht  über  den  allgemeinen  Gesund- 
heitszustand der  Schüler  Höherer  Lehranstalten.  Dazu  kommt  nun 
noch  ein  ungemein  wichtiger  vierter  Grund,  auf  den  ich  hier  ein- 
gehen will:  das  ist  die  Schwierigkeit  in  der  Durchfährung.  Wenn 
die  letztere  so  einfach  wäre,  wie  an  den  Volksschulen,  dann  hätte 
auch  schon  in  die  höheren  Schulen  der  Schularzt  seinen  Einzug  ge- 
halten. Aber  man  trägt  Bedenken,  gerade  den  Kernpunkt 
schulärztlicher  Tätigkeit,  die  Hygiene  des  Individuums, 
in  höheren  Schulen  zur  Geltung  zu  bringen,  weil  man 
nicht  weils,  wie  man  es  machen  soll;  man  fürchtet  Konflikte  mit 
den  Eltern  und  den  Hausärzten.  Es  muJs  ohne  weiteres  zugegeben 
werden,  dafs  der  Modus  procedendi  an  den  höheren  Schulen  ein 
anderer  sein  muTs  als  an  Volksschulen.  Damit  fkUt  aber  noch  lange 
nicht  das  Prinzip.  Als  ich  daran  gehen  wollte,  mir  über  die  Art 
des  Vorgehens  unter  Zugrundelegung  der  Untersuchungsmethoden  in 
Schweden  und  Dänemark  und  in  Halle  klar  zu  werden,  um  dies- 
bezügliche Vorschläge  zu  machen,   da  ging  es  mir  wie  dem  Grafen 


817  211 

WaIiDRBSEE  in  Ohina:  Peking  war  schon  erobert.  Ich  fand  in  der 
Literator  eine  Notiss,  dersnfolge  in  Sachsen  -  Meiningen  staatliche 
Sohnlarzte  an  höheren  Schulen  mit  bestem  Erfolge  angestellt 
seien.  Herr  Medizinalrat  Lbübübgheb  war  so  liebenswürdig,  mir 
ans  dem  Ministerinm  die  dasSchnlarztwesen  betre£fenden  Bestimmungen 
zugehen  zu  lassen,  von  denen  ich  folgende  hervorhebe :  ^  Die  ärztliche 
Überwachung  bezieht  sich: 

1.  auf  die  Schüler,  auf  deren  EOrperbeschaffenheit  und  Gesund- 
heitszustand, 

2.  auf  die  Schulräume,  deren  Ausstattung  und  Zustand  etc., 
kurz  gesagt,  auf  die  äulseren  Bedingungen  des  Lebens  in  der 
Schule. 

Man  ersieht  hieraus,  dalis  Sachsen -Meiningen  die  Hygiene  des 
Individuums  auf  den  höheren  Schulen  fEUr  notwendig  hält  und  prak- 
tisch durchführt.  Es  geschieht  dies  folgendermalsen:  Jeder  Lem- 
anftnger  hat  beim  Schuleintritt  einen  Gesundheitsbericht  oder  einen 
von  den  Angehörigen  ausgefällten  Fragebogen  vorzulegen.  Die 
übrigens  sehr  glücklich  zusammengestellten  Formulare  werden  vom 
Direktor  bei  der  Anmeldung  ausgegeben.  Diejenigen  Kinder,  die 
einen  Gesundheitsbericht  nicht  vorlegen,  werden  vom  Schularzt  unter- 
sucht; dieser  vermerkt  in  dem  von  ihm  ausgefüllten  Gesundheits- 
bericht die  etwa  vorgefundenen  Abnormitäten  und  gibt  auch  unter 
gleichzeitiger  Mitteilung  an  den  Lehrer  kurz  an,  was  er  des  Schülers 
oder  der  Schule  halber  für  notwendig  oder  wünschenswert  hält  (An- 
weisung von  Plätzen,  Dispensationen  etc.).  Dem  Schularzt  liegt  es 
auch  ob,  geeignetenfaUs  direkt  oder  durch  den  Direktor  die  Eltern 
von  seinem  Befunde  in  Kenntnis  zu  setzen.  Eine  spätere  Einzel- 
untersuchung findet  nur  dann  statt,  wenn  entweder  die  erstmalige 
Untersuchung  eine  Abweichung  vom  Normalen  ergeben  hat,  oder 
wenn  aus  irgend  einem  anderen  AnlaDs,  namentlich  auf  Grund  der 
Beobachtungen  des  Lehrers,  die  Vermutung  besteht,  dais  sich  seit 
der  ersten  Untersuchung  bei  einem  Schüler  eine  krankhafte  Veränderung 
eingestellt  hat.  Für  auiserordentlich  wichtig  halte  ich  auch  die  Be- 
stimmung, dafs  die  die  Schule  verlassenden  Schüler  vor  dem  Abgang 
noch  einmal  untersucht  werden  sollen  behufe  fiatschlagserteilung  für 
die  Berufswahl.  Wir  finden  hier  die  Erfüllung  einer  Forderung,  die 
schon  wiederholt  von  Schulhygienikem,  insbesondere,  glaube  ich,  von 


*  Vergl.    Prof.   Lsübuscheb,    Staatliche   SchularEte.      Berlin,   Reuther  k 
Reiohard,  1902. 

24* 


212  818 

Profossor  Hbric.  Oohn,  erhoben  worden  ist.  Diese  Gesandheits- 
berichte  begleiten  den  Schüler  bei  seinem  ganzen  Gkinge  durch 
die  Schale  und  werden  wegen  ihrer  etwaigen  Bedeatong  fOr  die 
Militärmnstenmg  bis  znm  Abschlols  des  23.  Lebensjahres  des  be- 
treffenden Schülers  aufgehoben.  Auch  diese  Anordnung  erscheint 
mir  recht  bemerkenswert,  wie  überhaupt  sämtliche  Bestimmungen 
Sachsen-Meiningens,  das  Schularztwesen  und  die  Schulhygiene  be- 
treffend, das  Vollendetste  zu  sein  scheinen,  das  bisher  auf  diesem 
Gebiete  geleistet  worden  ist.  Dieses  Land  hat  insbesondere  mit 
Rücksicht  auf  die  Hygiene  des  Individuums  gezeigt,  dafs  dieselbe 
auch  auf  höheren  Schulen  notwendig  und  sehr  gut  durchführbar  ist. 
Die  Erfahrungen  daselbst  haben  die  Befürchtungen  bezüglich  etwaiger 
Konflikte  mit  den  Eltern  und  den  Hausärzten  als  unberechtigt  er- 
wiesen. Die  besondere  Aufmerksamkeit  möchte  ich  auf  die  Unter- 
suchung mittels  eines  Fragebogens  und  eventuell  vom  Hausarzt  aus- 
zustellenden Gesundheitsberichts  lenken.  Dals  mit  dieser  Methode 
sich  umfassende  wissenschaftliche  Untersuchungen  anstellen  lassen, 
beweist  die  Tatsache,  dals  in  Schweden  und  Dänemark  35000  und 
in  Halle  8500  Kinder  auf  diese  Weise  untersucht  worden  sind. 
Sachsen-Meiningen  hat  den  Beweis  erbracht,  dafs  diese  Methode  sich 
zu  systematischen,  sich  ständig  wiederholenden  und  praktische  Ziele 
verfolgenden  Untersuchungen  eignet.  In  der  Realschule  zu  Frankfurt- 
Bockenheim  ist  ebenfalls  ein  solcher  Fragebogen  im  Gebrauch^  und 
sogar  auch  in  Uruguay,'  was  ich  des  Kuriosums  halber  erwähne. 
Auf  zwei  Details  des  schulärztlichen  Dienstes  möchte  ich  noch  kurz 
eingehen:  das  sind  die  Mitteilungen  an  die  Eltern  und  die  Klassen- 
besuche. Es  ist  ja  von  vornherein  klar,  dals  wir  mit  Mitteilungen, 
die  nach  dem  Schema  der  bei  den  Volksschulen  gebräuchlichen  ab- 
gefialst  sind,  und  die  eine  Diagnose  verlangen,  unter  Umständen, 
z.  B.  durch  eine  unvorsichtige  Diagnose,  eine  unberechtigte  Beunruhi- 
gung der  Eltern  hervorrufen  und  bei  den  Hausärzten  Anstols  erregen 
könnten.  Wir  dürfen  daher  den  Eltern  nicht  mitteilen,  ihr  Kind 
leide  an  der  und  der  Krankheit,  sondern  wir  dürfen  an  sie  nur  das 
ESrsuchen  richten,  eine  Untersuchung  des  Kindes  durch  den  Hans- 
arzt veranlassen  zu  wollen  mit  der  Bitte,  uns  von  dem  Ergebnis 
derselben  Mitteilung  zu  machen.  Gleichzeitig  könnten  wir  hinzn- 
fügen,   dals  eventuell  die  Untersuchung  durch  den  Sdiiularzt  nach 


'  Dieae  Zeitsdi/r,  1898,  S.  681. 
*  Biese  Zeitacht,  1898,  S.  48. 


819  213 

Erteilung  ihrer  beBonderen  Genehmigung  Btattfinden  könnte.  Auf 
diese  Weiae  sind  meines  Erachtens  irgend  welche  Konflikte  aus- 
geschlossen. Nehmen  wir  den  Fall  an,  die  Eltern  lassen  ihr  Kind 
weder  vom  Hausarzt  untersuchen,  noch  ermächtigen  sie  den  Schul- 
arzt dazu,  nun,  so  geht  das  betre£Fende  Kind  jeden  Anrechts  auf 
eine  besondere  Berücksichtigung  yerlustig,  und  den  Eltern  fällt  allein 
die  Verantwortung  für  etwaige  Gesundheitsstörungen  zu.  Im  all- 
gemeinen dürften  diese  Fälle  nicht  gerade  häufig  sein. 

Was  die  Klassenbesuche  während  des  Unterrichts  an- 
langt, so  halte  ich  dieselben  auf  Grund  meiner  Erfahrungen  an 
Volksschulen  für  unentbehrlich.  Eine  Prüfung  und  Begutachtung  der 
Heizung  und  Ventilation,  der  Belichtung  des  Zimmers  und  der  Wand« 
tafel,  der  Subsellien  in  ihrer  Beziehung  zur  Haltung,  Körpergröfse  der 
Kinder,  und  anderer  Dinge  mehr,  hat  nur  Sinn  und  Zweck, 
wenn  sie  während  der  Unterrichtszeit  yorgenommen  wird  und 
kann  meines  Erachtens  von  demjenigen,  der  einen  sicheren  und 
schnellen  Blick  für  diese  Dinge  besitzt,  in  kurzer  Zeit  erledigt 
werden.  Es  ist  nach  meinen  Erfahrungen  in  wenigen  Minuten 
möglich,  z.  B.  festzustellen,  dalis  die  Temperatur  im  Zimmer  zu 
hoch  ist,  die  Ventilationsklappen  geschlossen,  die  Subsellien  faLsoh 
aufgestellt,  indem  gröfsere  Banknummem  zwischen  kleinere  ein- 
geschaltet sind,  daJis  gröfsere  Kinder  auf  niederen  und  kleine  auf 
hohen  Bänken  sitzen,  dafo  die  Kinder  von  dem  reflektierenden 
Licht  der  Wandtafel  geblendet  werden  u.  a.  m.  Man  könnte  hier 
einwenden,  dals  die  Feststellung  und  Beseitigung  solcher  Übelstände 
vom  Lehrer  geleistet  werden  können.  Tatsächlich  geschieht  das  aber 
nicht,  und  das  ist  auch  nicht  zu  verwundern.  Der  Lehrer  ist  ein- 
mal, und  soll  es  auch  sein,  in  erster  Reihe  Pädagoge.  Der  Blick  für 
hygienische  Übelstände  ist  ihm  in  der  Regel  nie  so  in  Fleisch  und 
Blut  übergegangen  wie  dem  fachmännischen  Hygieniker.  Er  bedarf 
von  Zeit  zu  Zeit  der  Anregung  seitens  des  letzteren,  um  in  der 
peinlichen  Durchführung  schulhygienischer  Vorschriften  nicht  zu  er- 
lahmen. Die  Klassenbesuche  während  des  Unterrichts  erscheinen 
mir  besonders  geeignet,  zwischen  Arzt  und  Lehrer  in  hygienischen 
Fragen  eine  Verständigung  herbeizuführen,  da  ja  hier  dem  Arzt  Ge- 
legenheit gegeben  ist,  den  Schaden  hygienischer  Übelstände  ad  oculos 
zu  demonstrieren.  Das  einzige  Bedenken  gegen  diese  Klassenbesuche 
scheint  mir  darin  zu  liegen,  daiis  die  durch  dieselben  bedingte  Störung 
des  Unterrichts,  namentlich  in  den  höheren  Klassen  der  Gymnasien  etc., 
recht   unangenehm   empfunden   werden  würde.     Wir   können  aber. 


214  820 

glaube  ich,  dieses  Bedenken  auf  ein  Minimum  reduzieren,  wenn  wir 
folgenden  Weg  einschlagen:  Der  Schularzt,  der  die  Absicht  hat, 
eine  bestimmte  Klasse  zu  besuchen,  Iftist  sich  von  dem  Ordinarius 
der  betreffenden  Elasse  für  den  Zeitraum  der  nächsten  ein  bis  zwei 
Wochen  diejenigen  Stunden  angeben,  in  denen  der  ärztliche  Besuch 
mit  dem  Unterricht  am  ehesten  verträglich  wäre.  Es  verlieren  da- 
durch diese  Besuche  den  unangenehmen  Beigeschmack  einer  un- 
vorhergesehenen Kontrolle,  während  ihr  Bevorstehen  eine  Anregnng 
zur  peinlichen  Beobachtung  schulhygienischer  Vorschriften  bedeutet. 
Wir  wollen  ja  gar  nicht  kontrollieren,  wir  wollen  gar  nicht  In- 
spektoren sein,  wir  wollen  nur  unser  Fachwissen  in  den  Dienst  der 
Schule  und  des  Unterrichts  stellen.  Eine  Eifersüchtelei  zwischen 
Arzt  und  Lehrer  halte  ich  für  unsinnig,  da  ja  beide  nach  demselben 
Ziele  streben  —  nach  der  denkbar  besten  Ausgestaltung  unseres  Schul- 
wesens. Es  &llt  uns  Ärzten,  die  wir  sehr  empfindlich  gegen  medi- 
zinische Kurpfuscherei  sind,  nicht  ein,  pädagogische  Kurpfuscherei 
zu  treiben  und  in  Dinge  hineinzureden,  die  wir  nicht  verstehen. 
Von  der  als  richtig  bewiesenen  Voraussetzung  ausgehend,  data  das 
Schulleben  einen  EinfluTs  auf  die  gesundheitliche  Entwicklung  der 
Schuljugend  haben  kann,  nehmen  wir  das  Recht  für  uns  in  An- 
spruch, diesen  Einflub  zu  studieren  und  durch  dieses  Studium  der 
Schule  selbst  zu  nützen.  Unser  Verhältnis  zum  Lehrer  ist  gleich 
dem  des  pathologischen  Anatomen  zum  Kliniker.  Durch  die  Tätig- 
keit des  ersteren  wird  dem  letzteren  Gelegenheit  gegeben,  Selbstkritik 
zu  üben  und  sich  Rechenschaft  über  die  Zweckmäßigkeit  seines  Tuns 
und  Handelns  zu  geben.  Analog  dem  wollen  wir  Schulhygieniker 
durch  unsere  Beobachtung  der  gesundheitlichen  Entwicklung  der 
Jugend  den  Pädagogen  anregen,  über  sein  Tun  nachzudenken  und 
zu  prüfen,  ob  und  nach  welcher  Richtung  eine  Abweichung  von 
dem  Wege,  den  er  bisher  gegangen,  erforderlich  scheint.  Wir  Ärzte 
enthalten  uns  jedes  Urteils  nach  der  Seite  der  pädagogischen  Technik 
hin,  ebenso  wie  der  pathologische  Anatom  dem  Kliniker  niemals 
Vorschriften  über  Behandlung  seiner  Patienten  machen  wird.  Unsere 
Tätigkeit  soll  dem  Pädagogen  neue  Gesichtspunkte  und  Hil&mittel 
erschliejsen,  die  ihn,  mehr  als  bisher,  fthig  erweisen  sollen,  sein 
Arbeitsgebiet  fruchtbar  und  segensreich  zu  gestalten.  Darum  wird 
auch  der  Schwerpunkt  unserer  schulärztlichen  Tätigkeit  an  höheren 
Schulen  nach  der  Seite  hin  liegen,  dalis  die  Schule  von  unseren  Fest- 
istellungen  Kenntnis  nimmt  und  daraus  ihre  Schlüsse  zieht.  Hier 
handelt   es   sich   nicht   so   sehr   darum    wie  bei   den  Volksschulen, 


821  215 

soziale  Fürsorge  fär  das  einzelne  E[ind  zu.  treiben,  sondern  hier 
kommt  es  im  wesentlichen  darauf  an,  der  Lehrerschaft,  unter  deren 
Einflufs  die  Kinder  lange  Jahre  hindurch  stehen  sollen,  Kenntnis 
2u  verscbafiPen  über  das  ihr  anvertraute  Material.  Ich  glaube  den 
Herren  Pädagogen  nicht  zu  nahe  zu  treten,  wenn  ich  behaupte,  dals 
sie  im  wesentlichen  nur  die  Leistungen  der  Schüler  an  sich  betrachten, 
sich  jedoch  häufig  im  Unklaren  sind  über  die  vielleicht  in 
der  Katur  oder  in  der  körperlichen  Entwicklung  des 
Kindes  gelegenen  Ursachen  mangelhafter  Leistungen. 

Ich  erinnere  hier  daran,  dals  seiner  Zeit  von  ärztlicher  Seite 
(Benda^)  die  Behauptung  aufgestellt  worden  ist,  der  Durchschnitt 
der  Oymnasisten  sei  von  Haus  aus  auf  Grund  von  Bedingungen, 
die  von  der  Schule  unabhängig  sind,  den  Anforderungen  ihrer  Schule 
nicht  gewachsen.  Ich  erinnere  ferner  daran,  dafs  von  pädagogischer 
Seite  (Bbahm*)  eine  Trennung  der  Schüler  nach  ihrer  Leistungs- 
fähigkeit unter  ärztlicher  Mitwirkung  yerlangt  worden  ist.  Der 
Lehrer  ist  eben  nicht  auch  Arzt  und  kann  daher  allein  nicht  leisten, 
was  beide  zusammen  leisten  müssen.  Zur  Illustrierung  dessen  berufe 
ich  mich  auf  einen  Pädagogen,  den  Bektor  Kabl  Weitzbl'  in  Ulm. 
Derselbe  hat  in  dem  Gedanken,  dals  eine  Schulgesundheitslehre 
eine  Schulkrankheitslehre  voraussetze,  zehn  Jahre  hindurch  eine 
Krankheitsstatistik  aufzustellen  versucht.  Das  Ergebnis  seiner  Ver- 
suche begleitet  er  mit  den  Worten:  „Nach  jahrelanger  Beschäftigung 
mit  den  Fragen  und  Kenntnisnahme  der  nachgerade  unheimlich  an- 
gewachsenen Fachliteratur  können  wir  als  Laien  die  Überzeugung 
nicht  unterdrücken,  dals  das  bis  jetzt  gesammelte  statistische  Material, 
die  Untersuchung  der  Augen  und  Ohren  ausgenommen,  nicht  hin- 
reicht zu  einem  objektiven  Nachweis  der  dem  Besuch  der  Schule 
zur  Last  fallenden  Gesundheitsstörungen  bei  Mädchen,  und  dafs 
femer  ein  beweiskräftiges  Material  nur  in  den  Fällen  zu  gewinnen 
sein  wird,  wo  direkte  ärztliche  Untersuchung  in  grofsem  Umfange 
sich  ermöglichen  läfst^.  Zur  Beurteilung  der  Bildunga*  und  Leistungs- 
fähigkeit eines  Menschen  gehören  eben  auch  ärztliche  Kenntnisse, 
and  um  so  weniger  wird  gerade  in  höheren  Schulen  der  Lehrer  ein 
allseitig  zutreffendes  Urteil  über  die  Kinder  haben,  als  gerade  bei 
dem  dort  herrschenden  Fachlehrersystem  der  einzelne  Lehrer  in  eine 


»  1  c. 

*  Diese  ZeUechr.  1897,  S.  385. 

*  IHeee  Zeiiechr.  1895,  S.  186. 


216  832 

viel  weniger  inteimiye  Berührung  mit  den  Kindern  kommt.  Gerade 
mit  Rflbksicht  hierauf  ist  dieses  Fachlehrersystem  auch  von  pftda- 
gogisoher  Seite  yielfaoh  aDgegri£fen  worden;  aber  auch  nach  anderer 
Biohtung  hin  haftet  ihm  ein  wesentlicher  hygienischer  Übelstand  an, 
indem  nämlich  dieses  System  eine  Bflcksiohtnahme  auf  die  während 
eines  länger  dauernden  Unterrichts  eintretende  Abspannung  und  ESr- 
mftdung  des  kindlichen  Geistes  verhindert.  Der  Mathematiker,  der 
um  11  Uhr  die  Ellasse  betritt,  verlangt  von  dem  Schäler  dieselbe 
geistige  Frische,  die  der  Lateinlehrer  vielleicht  um  7  Uhr  moigene 
verlangt  hat. 

Ich  habe  dieses  Fachlehrersystem  erwähnt  im  AnschluJs  an  eine 
Bemerkung  des  Herrn  Professor  Pabtsoh  an  dieser  Stelle,  weil  ich 
hierin  einen  Gfrund  dafür  zu  sehen  glaube,  dals  gerade  den  höheren 
Schulen  eine  schulhygienische  Überwachung  besonders  not  tut.  loh 
will  nun  noch  hinzufügen,  dafs  die  Untersuchung  der  Lern- 
anfänger an  den  höheren  Schulen  vielleicht  noch  wichtiger 
ist  wie  an  den  Volksschulen.  Meine  Erfahrungen  an  den  letzteren 
haben  mich  gelehrt,  dafs  die  aus  schlechten  sozialen  Verhältnissen 
stammenden  Kinder  während  der  ersten  Schulzeit  eine  Besserung 
ihres  Gesundheitszustandes  erfahren.  Die  Gewöhnung  an  Zucht, 
Ordnung,  Sauberkeit,  der  stundenlange  Aufenthalt  in  hygienisch  weit 
besseren  Bäumen  als  den  häuslichen  übt  einen  wohltätigen  Einfiols 
aus.  Das  Oegenteil  wird  für  die  Kinder  der  besseren  Stände  behauptet. 
Hier  nimmt  man  an,  dafs  der  Schulbesuch  eine  Verschlechterung 
der  äufseren  Lebensbedingungen  und  damit  auch  des  GresundheitB- 
zustandes  bedeute.  Auch  über  diese  Frage  wird  erst  die  schul- 
ärztliche Tätigkeit  Aufklärung  bringen. 

Wir  sehen  also,  dals  die  Aufgaben  des  Schularztes  an  höheren 
Lehranstalten  recht  mannigfacher  und  vielseitiger  Art  sind.  Man 
könnte  ihrer  noch  viel  mehr  aufzählen,  wenn  man  Spezialwünsdie 
berücksichtigen  wollte,  wenn  mau  z.  B.  systematische  Augenunter- 
suchungen, wie  sie  in  erster  Reihe  von  Cohn,  in  allemeuester  Zeit 
von  Hbine  in  der  Sitzung  der  medizinischen  Sektion  vom  22.  Mai 
verlangt  wurden,  anerkennen  wollte.  Die  Hygiene  des  einzelnen 
Kindes,  der  Kernpunkt  schulärztlicher  Tätigkeit,  ist  an 
höheren  Schulen  mindestens  ebenso  notwendig  wie  an 
Volksschulen,  wenn  auch  vielleicht  in  etwas  anderem  Sinne.  Erst 
auf  der  durch  sie  geschaffenen  Basis  werden  wir  zu  einer  gerechten 
und  wissenschaftlich  einwandsfreien  Würdigung  des  Schuleinflusses 
gelangen,  und  erst  dann  wird  die  Schule  ihrer  Verpflichtung  gerecht 


823  217 

werden  kOimen,  auch  ihrerseits  die  denkbar  besten  Bedingungen  für 
die  Entwicklung  und  das  Gedeihen  der  Sebnljngend  zu  schaffen; 
denn  diese  Yerpfliohtang  liegt  ihr  auch  ob,  selbst  für  den  Fall,  daCs 
unsere  Untersuchungen  die  Schuldlosigkeit  der  Schule  an  einer  etwa 
bestehenden  allgemeinen  gesundheitlichen  Minderwertigkeit  der  Schul- 
jugend erweisen  sollten.  Wir  dürfen  nicht  vergessen,  dafs  die  Schule 
nur  der  Schüler  wegen  da  ist,  und  dals  sie  nicht  auf  gesunde  Kinder 
ausschiielslich  zugeschnitten  sein  darf,  wenn  ein  grofser  Teil  der 
Kinder  krank  ist.  Soll  aber  die  Schule  diesen  Anforderungen  ge- 
nügen, so  bedarf  sie  der  Schulhygiene  und  der  lebendigen  Mitwirkung 
des  Schularztes. 


Das  Schularztwesen  in  Deutschland. 

Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Umfrage  bei  den 
gröfseren  Städten  des  deutschen  Reiches. 

Von 
Dr.  Paul  ScHUBKET-Nürnberg. 

(Fortsetzang.) 

Die  Enthebung  7on  der  schulärztlichen  Untersuchung  erfolgt 
soweit  bekannt  geworden  ist,  überall,  sobald  ein  hausarztliches  Zeug- 
nis beigebracht  wird,  das  alle  im  Gesundheitsschein  enthaltenen 
Fragen  umfafst.  Meist  werden  seitens  der  Schulverwaltung  zum 
Zwecke  solcher  priyatärztlichen  Zeugnisse  Formulare  yerabfolgt.  Es 
liegen  solche  vor  aus  den  Städten  Cottbus,  Darmstadt,  Elms- 
horn, Frankfurt  a.  M.,  Göttingen,  St.  Johann  a.  d.  Saar  und 
Wiesbaden.     Sie  haben  alle  übereinstimmend  folgende  Spalten: 

Allgemeine  Konstitution,  geistige  Fähigkeiten,  Brustorgane, 
Bauchorgane,  Wirbelsäule  und  Extremitäten,  flaut  und  Parasiten, 
Augen  und  Sehvermögen,  Ohren  und  Gehör,  Mund,  Nase  und 
Sprache,  Besondere  Bemerkungen,  Ärztliche  Anträge  betreffend 
Unterricht. 

Eine  besondere  Rolle  spielt  in  allen  den  zahlreichen,  nach  Wies- 
badener Muster  eingerichteten  Schularztordnungen  die  Beurteilung 
der  „allgemeinen  Konstitution".  Wiesbaden  schreibt  darüber 
Tor,  dab  dabei  jedem  Kind  eine  Art  Gesundheitszensur  erteilt  wird. 


218  824 

und  zwar  nach  den  Kategorien  gut,  mittel  nnd  schlecht.  Die  Be- 
zeichnung »gut^  ist  nur  bei  ▼ollkommen  tadellosem  GesundheitB- 
zustand,  und  „schlecht"  nur  bei  ausgesprocheneb  Krankheitsanlagen 
oder  chronischen  Erkrankungen  zu  wählen. 

Obwohl  zuzugeben  ist,  dafs  diese  Gruppierung  der  sämtUchen 
Schulen  einer  Stadt  in  drei  grofse  sanitäre  Zensus  ein  übersichtliches 
und  bei  richtiger  Handhabung  auch  lehrreiches  Bild  gibt,  so  mindert 
sich  doch  der  Wert  dieser  Einrichtung  durch  den  Umstand,  dals  die 
Grenzen  nicht  scharf  genug  gezogen  werden  können  und  allzu  sebr 
von  dem  Ermessen  des  untersuchenden  Arztes  abhängen.  Mag 
immerhin  durch  lange  Übung  das  Urteil  des  einzelnen  Schularztes 
eine  genügende  Stetigkeit  und  Gleichmäbigkeit  gewinnen,  und  auch 
unter  den  Schulärzten  derselben  Stadt  eine  gewisse  Übereinstimmung 
hinsichtlich  des  anzuwendenden  Malsstabes  erzielt  werden  können, 
so  kommt  doch  den  auf  diesem  Wege  gewonnenen  Prozentzahlen 
nur  eine  örtliche  Bedeutung  zu,  und  man  darf  sie  nicht  ohne 
Weiteres  für  eine  vergleichende  Beurteilung  des  Gesundheitszustandes 
der  Jugend  verschiedener  Städte  verwerten. 

Dennoch  erfreut  sich  diese  Gesundheitszensur  anscheinend  all- 
gemeiner Beliebtheit,  und  wenn  die  in  §  1  der  Wiesbadener  Dienst- 
ordnung enthaltene,  eben  citierte  Vorschrift  kaum  in  die  Hälfte  der 
deutschen  Schularztordnungen  Aufnahme  gefunden  hat,  so  zeigen 
doch  die  Gesundheitsscheine  vieler  anderen  Städte,  dals  sie  auch  dort 
in  Übung  steht.  Soweit  ermittelt  werden  konnte,  kommt  das  Ver 
fahren  in  folgenden  Städten  zur  Anwendung:  Aachen,  Apolda 
Benneckenstein,  Bielefeld,  Bonn,  Bromberg,  Oassel 
Oharlottenburg,  Chemnitz,  Oöln,  Coburg,  Cottbus,  Darm 
Stadt,  Dülken,  Düren,  Elmshorn,  Erfurt,  Essen,  Flens 
bürg,  Forst,  Frankfurt  a.  M.,  Friedrichshagen,  Fürth 
Göttingen,  Gräfrath,  Grunewald,  Hagen,  Hameln,  Heil 
brenn,  Insterburg,  Königshütte,  Königsberg  i.  Pr.,  Leip 
zig,  Lichtenberg,  Magdeburg,  Malstadt-Burbach,  Meide 
rieh,  Mülhausen  i.  Eis.,  Oberschönweide,  Ohligs,  Posen. 
Quedlinburg,  Remscheid,  Stettin,  Stolberg,  Strafsbnrg 
i.  Eis.,  St.  Johann  a.  d.  Saar,  Trier,  Wald,  Weimar,  Zeitz, 
Zittau,  Zwickau. 

Die  Zensur  gut,  mittel  und  sohlecht  wird  manchenorts  auch  in 
anderen  Fragen  des  Gesundheitsbogens  gefordert;  so  verlangen 
Magdeburg  und  Quedlinburg  bei  der  geistigen  Entwicklung 
eine  Unterscheidung  in  „defekt"   (d.  h.  unfähig  zum  Schulbesuch}, 


826  219 

„zurückgeblieben^  (d.h.  fflr  Hilftsohnlen  geeignet)  und  „normal*'. 
Auch  Hör-  und  Sehvermögen  und  Gebils   erhalten   die  Zensuren  I 

bis  ni. 

Sehr  wertvoll  fär  die  gesundheittiohe  Überwachung  der  Schulen 
sind  die  bei  der  Aufnahmeuntersuchung  stattfindenden  und  im  späteren 
Schulleben  in  angemessenen  Zeiträumen  zu  wiederholenden  Wä- 
gungen und  Messungen.  Wir  besitzen  hierin  den  zahlenmäisigen 
Ausdruck  für  den  körperlichen  Entwicklungsgang  des  Schulkindes, 
und  man  kann  wohl  sagen,  dais  der  Wägung  und  Messung  in  der 
Schule  dieselbe  sjrmptomatische  Bedeutung  zukommt,  wie  der  Thermo* 
metrie  am  Krankenbett.  Ein  wesentlicher  Unterschied  besteht  aller- 
dings zwischen  beiden  Verfahren.  Bei  der  Länge  und  dem  Gewicht 
des  Kindes  kommt  es  nicht  auf  die  absolute  Zahl  an,  sondern  auf 
die  Zunahme  beider  Zahlen  im  Laufe  des  Schullebens.  Dr.  Schmid- 
MoNNARD  hat  sich  bekanntlich  gro&e  Verdienste  erworben  um  die 
richtige  Würdigung  der  Längen-  und  Gewichtszunahmen  in  den  ver- 
schiedenen Stadien  der  Entwicklung  des  Kindes,  besonders  um  die 
Zeit  der  Pubertät,  und  um  die  Kenntnis  des  engen  Zusammenhanges 
dieser  Verhältnisse  mit  der  Morbidität   der  kindlichen  Altersstufen. 

Wenn  diese  Messungen  und  Wägungen  für  die  Beurteilung  des 
körperlichen  Entwicklungsganges  verwertet  werden  sollen,  so  ist  dabei 
allerdings  eine  unerlälsliche  Bedingung  zu  erfüllen,  die  in  den  Schularzt- 
ordnuDgen  nicht  immer  mit  der  nötigen  Schärfe  zum  Ausdruck 
kommt:  Die  Zeit  der  Vornahme  dieser  Messungen  und 
Wägungen  mufs  genau  angegeben  und  innegehalten  werden, 
damit  sie  nicht  bei  demselben  Kinde  ein  mal  im  März,  das  andere 
mal  im  April  oder  Mai  erfolgen;  die  zwischenliegenden  Zeiträume 
müssen  durch  das  ganze  Schulleben  die  gleichen  bleiben  (^/s  bis 
1  Jahr,  je  nach  den  örtlichen  Vorschriften);  nur  dann  kann  die 
Gröüsen-  und  Gewichtszunahme  ohne  weiteres  für  die  Beurteilung 
der  normalen  Entwicklung  verwertet  werden. 

Wiesbaden  hat   darüber  folgende,  von   den  meisten   Städten 

nachgeahmte  Bestimmung  getroffen: 

jfiie  Wägongen  and  Messangen  werden  von  den  betreffenden  Klassen- 
lehrern vorgenommen  and  sind  in  jedem  Halbjahre  in  die  betreffende  Spalte 
einzatragen  (Abrandangen  auf  ^/s  cm  and  ^/i  kg).  Brastamfang  wird  vom 
Arzte  gemessen,  jedoch  nar  bei  Kindern,  die  einer  Langenerkranknng  ver- 
dächtig sind,  oder  deren  allgemeine  Konstitation  im  Gesandheitsschein  als 
schlecht  bezeichnet  ist.^ 

Viele  Städte  lassen  jährlich  einmal  Grö&e  und  Gewicht  fest- 
stellen, andere  (wie  z.  B.  Britz  bei  Berlin  und  Eberswalde)  bei 


220  826 

der  Neuaufnahme  und  später  nur  noch  bei  den  Überweisungesohfilem, 
einige  nur  bei  der  Aufnahme. 

An  einigen  Orten  sind  mit  den  Wägungen  die  Hausmeister 
betraut,  die  dabei  von  den  Lehrern  beaufsichtigt  werden  sollen. 

Eng  mit  der  sohulärztliohen  Erstuntersuchung  und  mit  der  Ein- 
richtung der  Gresundheitascheine  ist  die  gleichfalls  nach  Wiesbadener 
Muster  ganz  allgemein  getroffene  Bestimmung  verknüpft,  dals  jene 
Eander,  die  einer  ständigen  ärztlichen  Überwachung  bedürfen, 
einen  Vermerk  „ärztliche  Kontrolle^  auf  ihrem  Gesundheitsbogen 
erhalten,  und  dadurch  als  solche  gekennzeichnet  werden,  die  dem 
Arzt  bei  jedem  Klassenbesuch  unter  Vorlegung  des  Gresundheits- 
Scheines  zur  Besichtigung  oder  Untersuchung  vorgeführt  werden 
müssen.  Die  Auswahl  dieser  „Überwaohungsschüler^  ist  wiederum 
dem  ärztlichen  Ermessen  anheimgestelltj  und  daran  wird  auch  durch 
die  Vorschrift  nichts  geändert,  dals  von  dieser  Malsregel  die  Kinder 
getroffen  werden  sollen,  deren  Konstitution  mit  Note  III  („schlecht^) 
zensiert  worden  ist.  Die  Auswahl  der  Überwachungsschüler  ist  einer 
der  für  die  schulärztlichen  Praktiker  im  Vordergrunde  des  Interesses 
stehenden  und  grundsätzlich  noch  nicht  vollkommen  klar  gelegten 
Punkte.  Dr.  Sahosoh  hat  in  dieser  Zeitschrift  (1903,  No.  4  u.  5) 
jüngst  seine  Auffassung  dargelegt  und  begründet,  und  es  wäre  zu 
wünschen,  dafs  darüber  weitere  Äulsernngen  von  berufener  Seite 
erfolgen  möchten. 

Die  Bestimmung  einer  ständigen  ärztlichen  Kontrolle  der  ge- 
sundheitlich minderwertigen  Kinder  ist  von  grölster  Wichtigkeit  für 
die  Hygiene  des  Schulkindes,  und  man  kann  wohl  sagen,  dafs  jede 
Schularzteinrichiung  unvollkommen  ist,  die  nicht  auch  diese  Form 
der  ärztlichen  Überwachung  in  ihren  Betrieb  aufgenommen  hat. 

Es  sei  hier  noch  darauf  hingewiesen,  dafs  einzelne  Städte,  wie 
z.  B.  Bromberg  und  Trier,  Gesundheitsbogen  nur  für  solche  Kinder 
anlegen,  welche  dauernder  ärztlicher  Überwachung  bedürftig  gefunden 
wurden.  Auch  Berlin  legt  diese  Formulare,  die  dort  „Überwaohungs- 
bogen'^  genannt  werden,  nur  für  nicht  völlig  gesunde  Kinder  an,  fär 
die  besondere  Sitzplätze  und  Ausnahmen  im  Unterricht  nötig  sind. 
Man  verspricht  sich  davon  eine  Minderung  der  Schreibarbeit  für  den 
Schularzt.  Allein  abgesehen  davon,  dafs  die  Ausfüllung  eines  Ge- 
sundheitsscheines für  ein  in  allen  Stücken  gesundes  Kind,  mit  Aus- 
nahme der  Niederschrift  der  Personalien,  die  übrigens  durch  den 
Lehrer  erfolgen  kann,  dem  Schularzt  kaum  irgend  welche  Mühe 
macht,    da   er    die    Rubriken    einfach    leer    läfst   oder    mit    einem 


827  221 

Pcblzeiohen  versieht,  so  spricht  doch  wohl  manches  gegen  diese 
nur  scheinbare  Vereinfachnng.  Der  Gesundheitsbogen  dient  im  Laufe 
des  Sohullebens  zu  Eintragungen  mannigfacher  Art:  Messungen  und 
Wftgungen,  durch  Krankheit  bedingte  Sohulversäumnisse,  An- 
weisungen bestimmter  Plätze«  Dispens  von  einzelnen  Unterrichts- 
zweigen,  Beobachtnngen  des  Lehrers.  Auch  bietet  wahrend  der 
Ärztlichen  Untersuchung  selbst  der  Gesundheitsbogen  mit  seinen 
einzelnen  Spalten  ein  Schema  für  den  Gang  der  Untersuchung  und 
hilft  dazu,  den  Arzt  vor  Irrung  und  Vergessen  einzelner  Teile  zu 
schützen. 

So  wie  die  Einrichtung  in  Berlin  getrofiFen  ist,  yerdienen  die 
Formulare  eher  den  Namen  von  Erankheitssoh einen. 

Das  führt  dazu,  auf  die  Bedenken  aufmerksam  zu  machen,  welche 
von  mancher  Seite  im  allgemeinen  gegen  die  Schüleruntersuchung 
erhoben  wurden.  Man  hat  gesagt^  dais  die  krank  befundenen  Kinder 
▼or  ihren  Genossen  gekennzeichnet  würden  und  eine  Art  „Capitis 
diminutio''  erführen. 

In  der  Tat  sollte  man  diesen  Gesichtspunkt  nicht  völlig  auiser 
acht  lassen,  und  alles  zu  vermeiden  bestrebt  sein,  was  die  Kinder  vor 
ihren  Mitschülern  bloisstellen  könnte.  Verschwiegenheit  über  die 
flrgebuisse  der  Untersuchung  ist  eine  selbstverständliche  Pflicht  für 
Arzt  und  Lehrer;  sie  wird  in  einigen  Schularztordnungen  ausdrücklich 
erwähnt.  Brandenburg  a.  H.  verfügt  in  §  16:  „Anderen  Personen 
als  dem  Schularzt  dürfen  die  Gesundheitsbogen  nur  mit  Genehmigung 
der  Schulkommission  zugängig  gemacht  werden.*'  Auch  sonst  finden 
sich  in  einzelnen  Dienstordnungen  beherzigenswerte  Punkte.  So 
schreibt  die  Grolsherzoglich  hessische  Regierung  im  §  3  ihrer  An- 
weisung für  Landschulen  vor:  „Soweit  die  Untersuchung  die  un- 
bedeckten Körperteile  betrifft,  sind  die  Schüler  von  den  übrigen 
abgesondert  zu  untersuchen,  wie  denn  überhaupt  dem  Empfinden  der 
Kinder  besondere  Rücksicht  zu  tragen  ist.*'  —  In  Görlitz  müssen 
nach  §  9  der  Dienstordnung  die  Kinder  „tunlichst  einzeln  untersucht 
werden''. 

Die  Aachener  Dienstordnung  hat  durch  Verfügung  der  Königl. 
Regierung  vom  29.  Juni  1901  einen  Anhang  erhalten,  in  dem  es 
u.a.  heüSst:  „Kinder  mit  auffallenden  körperlichen  Gebrechen  sind 
nicht  in  Gegenwart  von  anderen  Kindern  zu  untersuchen.^ 

•  Diese  Anordnung  ist  sehr  zweckmälsig  und  verdient  in  Zukunft 
in  alle  Dienstordnungen  aufgenommen  zu  werden. 

Andererseits  scheint  man  aber  in  Frieden  au  zu  weit  zu  gehen 


222  828 

mit  dem  Inhalt  des  Artikels  10:  „Etwaige  üntersuobangen  von  Brost 
und  Bauoh  bei  Mädchen  sind  nnr  in  der  elterlichen  Wohnung  aus- 
zuführen/ 

Eine  andere  Form  der  Bttcksichtnahme  auf  das  elterliche 
Empfinden  hat  Trier  gefanden,  indem  es  den  Eltern  der  Über- 
wachungsschüler folgende  Zuschriffc  sendet: 

Mitteilung. 

Bei  der  heute  vorgenommenen  schnlSrztlichen  Besichtigung  der  Volks- 

schale  ist  Ihr  Kind  

einer  ärztlichen  Üherwachnng  für  bedürftig  erklärt  worden.  Sollten  Sie 
die  fernere  Untersnchong  bezw.  Überwachong  Ihres  genannten  Kindes  durch 
den  Schularzt  nicht  wünschen,  so  hahen  Sie  zu  Beginn  eines  jeden  Schul- 
halhjahres  ein  anderweites  ärztliches  Zeugnis  üher  die  allgemeine  Konsti- 
tntion, über  den  Gesundheitszustand  des  Herzens  und  der  Lunge,  der 
Sinnesorgane,  der  Wirbelsäule  und  Oliedmafsen  des  Kindes,  sowie  über  die 
Freiheit  von  Hautkrankheiten  beizubringen. 

T rier ,  den  

Über  die  Technik  der  Untersuchung  enthalten  nur  wenig 
Schularztordnungen  nähere  Vorschriften.  Chemnitz,  Frank- 
furt a.  M.,  Leipzig,  Nürnberg,  Posen,  St.  Johann  a.  d.  Saar, 
Reichenbach  und  Trier  bestimmen  ausdrücklich,  dafs  die  Kinder 
mit  entblöfstem  Oberkörper  dem  Arzt  vorgeführt  werden  müssen. 
Die  Anwesenheit  des  Lehrers  bezw.  der  Lehrerin  wird  überall  ge- 
fordert, an  einigen  Orten  auch  die  des  Rektors;  die  Gegenwart  der 
Eltern  wird  als  erlaubt  oder  sogar  als  wünschenswert  bezeichnet 
Die  Schularztordnung  in  Hagen  spricht  in  §  3  aus,  dafs  der 
Klassenlehrer  bei  der  Untersuchung  das  Amt  des  Schriftführers  zu 
versehen  hat.  Tatsächlich  wird  dies  wohl  an  vielen  Orten  auch 
ohne  gedruckte  Anordnung  geschehen. 

Die  wichtigsten  Einzelheiten  über  den  Qwng  der  Erstunter- 
suchung  bietet  der  auf  reiche  Erfahrung  gestützte  und  manchen 
praktischen  Vorschlag  enthaltende,  schon  mehrfach  erwähnte  Bericht 
des  Stadtbezirksarztes  Dr.  Poetteb^  über  das  in  Leipzig  übliche 
Verfahren.  Die  für  eine  Ellasse  mit  40 — 45  Kindern  aufzuwendende 
Zeit  wird  daselbst  auf  etwa  1^/s  Stunden  angegeben.  Brieflich  hatte 
der  genannte  Autor  die  Güte,  noch  folgende  Erläuterung  beizufügen: 
„Die   Untersuchung  erfolgte    mit   völlig   hinreichender   Genauigkeit 

innerhalb  der  angegebenen  Zeit Wenn  die  Dntersuohungs- 

zeit  anfangs  auch  etwas  länger  dauern  mag,   so    übt  man   sich  sehr 


*  Diese  Zeitschrift  1902,   Seite  243  bis  249. 


829  223 

rasch  ein.  Wichtige  Leiden  brauchen  daher  keinesfalls  übersehen 
zu  werden»  besonders  wenn  man  systematisch  vorgeht  und  wenn, 
was  höchst  wünschenswert  ist,  die  Mutter  bei  der  Untersuchung  zu- 
gegen ist.^ 

Erheblich  mehr  Zeit  wird  nach  gütiger  brieflicher,  vom  Stadt- 
arzt  Herrn  Oeh.  Sanitätsrat  Dr.  Spibss  erteilter  Auskunft  in  Frank- 
furt a.  M.  aufgewendet:  „Die  Dntersuchungszeit  der  Neueingetretenen 
erfordert   nach  Angabe  der  Schulärzte  zwischen  sieben  und  neun 

Minuten,   ich  glaube,    stellenweise  noch   weniger Die  Art 

der  Untersuchung  hat  sich  nach  Ansicht  der  Schulbehörden  und 
Schulärzte  durchaus  bewährt." 

Theoretisch  wurde  von  mancher  Seite  gefordert,  dafo  man  für 
die  Untersuchung  eines  jeden  Kindes  etwa  eine  halbe  Stunde  Zeit 
verwenden  müsse,  wenn  der  ganzen  Sache  überhaupt  ein  Wert  bei- 
gemessen werden,  und  Flüchtigkeit  und  falschen  Ergebnissen  vor- 
gebeugt werden  solle.  Man  darf  jedoch  bei  Beurteilung  dieser 
Schüleruntersuchungen  den  Zweck  derselben  nicht  aus  dem  Auge 
verlieren.  Es  handelt  sich  ja  nicht  um  die  Aufnahme  eines  in  alle 
klinischen  Einzelheiten  eindringenden  Befundes,  wie  er  für  den 
behandelnden  Arzt  erforderlich  ist,  der  seinen  Heilplan  darauf  auf- 
zubauen hat;  auch  die  genaue  Würdigung  aller  jener  Begleit- 
erscheinungen, welche  die  Prognose  beeinflussen  und  für  die  Würdi- 
gung eines  Leidens  in  forensischer  Hinsicht,  oder  bei  Lebens-  und 
Unfallversicherungen  von  Bedeutung  sind,  kann  bei  diesen  schulärzt- 
lichen Untersuchungen  aufser  acht  gelassen  werden;  der  Schularzt 
hat  femer  mit  der  Behandlung  nichts  zu  tun.  Es  genügt  daher,  die 
Hauptdiagnose  zu  stellen  und  die  hieraus  sich  ergebenden  Bat- 
schläge sowohl  an  den  Lehrer  für  den  Schulbetrieb,  wie  an  die 
Mtem  für  Zuziehung  des  behandelnden  Arztes  zu  erteilen. 

Unerläfslich  ist  eine  lückenlose  Untersuchung  der  wichtigsten 
Organe  nach  dem  vorgeschriebenen  Schema,  damit  nicht  Wesentliches 
übersehen  wird.  Entbehrlich  hingegen  ist  das  tiefere  Eingehen 
auf  den  Krankheitsfall,  das  dem  behandelnden  Arzt  überlassen 
werden  darf. 

So  ist  z.  B.  das  Vorhandensein  einer  Bückgratsverkrümmung 
bei  einem  entkleideten  Kinde  in  wenigen  Sekunden  festgestellt,  wo- 
gegen Art,  Grad,  Ursache  und  Behandlung  des  Leidens  zeitraubende 
Messungen  und  anderweitige  Untersuchungen  erfordern,  die  für  den 
Schularzt  zwar  ein  wissenschaftliches  Interesse  bieten  würden,  aber 
für  den  praktischen  Zweck  seiner  Untersuchung  entbehrlich  sind. 


234  830 

Ebenso  leioht  und  schnell  kann  der  Sohalarzt  am  offenatehenden 
Mund  und  an  der  Klangfarbe  der  Sprache  des  Kindes  das  Vor- 
handensein eines  Atmnngshindemisses  im  Bereich  der  oberen  Luft- 
wege erkennen,  hingegen  darf  er  die  Entscheidung  darüber,  ob  das 
Hindernis  in  Schwellung  der  Nasenmuschel,  in  Sekretanhäufnng,  in 
Nasenpolypen,  in  Hypertrophie  der  Ghtumenmandeln,  oder  in  ade- 
noiden Wucherungen  des  Nasenrachenraumes  besteht,  dem  behan- 
delnden A.rzt  überlassen. 

In  diesem  Sinne  aufgefaist  und  durchgefährt,  erfüllt  die  schul- 
ärztliche Untersuchung  in  jeder  Hinsicht  die  ihr  gestellte  Aufgabe, 
ohne  sich  durch  eine  allzu  subtile  und  zeitraubende,  im  MiCsverhältnis 
zu  ihrem  Ziel  und  Zweck  stehende  Detailarbeit  Schwierigkeiten  zu 
schaffen»  die  ihr  schlielslich  wegen  des  erforderlichen  Zeitaufwandes 
zur  Klippe  werden  müisten,  an  der  die  ganze  Einrichtung  sdieitem 
könnte.  Das  Bessere  ist  auch  auf  diesem  Gebiet  zuweilen  der  Feind 
des  Guten. 

Entscheidend  muis  die  Erfahrung  sein  und  die  nunmehr  durdi 
eine  Reihe  von  Jahren  in  zahlreichen  Städten  zur  vollen  Befriedi- 
gung sachverständiger  und  objektiv  urteilender  Männer  ausgebildete 
schulärztliche  Praxis. 

Manche  Städte  stellen  allerdings  an  die  schulärztliche  Brstunter- 
suchung  so  geringe  Ansprüche,  dals  die  ganze  Einrichtung  als  voll- 
wertig nicht  bezeichnet  werden  kann. 

So  erfolgt  in  Gera,  wie  schon  erwähnt,  genaue  Untersuchung 
nur  bei  den  von  Eltern  oder  Lehrern  als  kränklich  bezeichneten 
Kindern,  anderenfalls  werden  die  neueintretenden  Elnder  nur  einer 
Rension  unterzogen  zur  Ermittlung  von  übertragbaren  Ejrankheiten 
und  Ungeziefer.  Ähnlich  lauten  die  Bestimmungen  in  Kiel.  In 
Osnabrück  ist  nach  §  1  „jedes  neueintretende  Kind  auf  seinen 
körperlichen  und  geistigen  Gesundheitszustand  zu  untersuchen,  und 
zwar  im  allgemeinen  jedes  einzelne  Kind  äuüserlich  und  nur  wenn 
erforderlich  sorgfältig  und  gründlich*'.  In  Rinteln  (Reg.-Bes. 
Oassel)  werden  die  Kinder  gleichfetlls  nur  äuiserlich  revidiert,  und 
nur  die  „verdächtig  erscheinenden**  werden  genau  untersucht. 

In  Plauen  sagt  §  ö:  „Den  neneintretenden  Schulkindern  hat  der 
Schularzt  seine  besondere  Aufmerksamkeit  zuzuwenden;  er  hat  sie  ge- 
gebenenfalls daraufhin  zu  profen,  ob  ihre  körperliche  Beschaffenheit 
oder  ihr  Gesundheitszustand  beim  Unterricht  eine  besondere  Berflcksichti- 
jmng  fordert.** 


831  225 

Dem  Sinne  nach  deckt  sieh  damit  §  6  der  Dienstordnung  in 
Meifsen.  Dabei  macht  das  Wort  „gegebenenfalls^  den  Eindruck,  als 
ob  eine  genaue  Untersuchung  die  A^usnahme  bilden  würde.  Es  entspricht 
diese  Form  des  schulärztlichen  Dienstes  der  früheren  vorwiesbadener 
E!poche  des  Sohularztwesens,  der  auch  die  ersten  Dienstordnungen 
von  Leipzig  und  Nürnberg  angehört  haben,  über  deren  Um- 
g'estaltung  schon  berichtet  wurde.  Dresden  scheint  sich  noch  im 
Übergangsstadium  zu  befinden,  indem  die  allgemeine  genaue  Unter- 
suchung nur  von  einzelnen  Schulärzten  probeweise  vorgenommen  wird. 

Die  im  allgemeinen  Teil  dieser  Zeüschrift  (S.  144 — 145)  namhaft 
gemachten  Städte  mit  rudimentären  schulärztlichen  Einrichtungen 
haben  grölstenteils  auch  für  die  Schulnenlinge  nur  äufse  r e  Besichtigung 
eingeführt,  mit  genauerer  Untersuchung  einzelner  verdächtiger  Kinder. 
Besonders  gilt  dies  von  allen  Orten  des  Beg.-Bez.  Arnsberg  (mit 
Ausnahme  der  Stadt  Hagen,  die  Vollschulärzte  besitzt)  und  von 
vielen  Orten  des  Beg.-Bez.  Düsseldorf ,  so  insbesondere  von  Alten- 
essen, Duisburg,  München-Gladbach,  Neufs,  Solingen. 
In  beiden  Regierungsbezirken  bestehen  seit  vielen  Jahren  generelle, 
durch  Begierungsverfögungen  geregelte  Bestimmungen  über  die  sani- 
täre Überwachung  der  Schulkinder,  die  auch  jetzt,  nach  Einführung 
der  Kreisärzte,  noch  zu  Recht  bestehen,  aber  nicht  überall  mehr  in 
aller  Strenge  durchgeführt  werden,  während  einzelne  Städte  über  das 
gesetzliche  Mals  freiwillig  hinausgegangen  sind  durch  Anstellung  von 
Schulärzten  nach  Wiesbadener  Muster.  Da  sich  indessen  diese  alten 
generellen  Verfügungen,  die  hinsichtlich  Arnsbergs  schon  im  all- 
gemeinen Teil  gestreift  wurden,  nicht  auf  die  Erstuntersuchungeu 
beschränken,  sondern  auch  die  Besichtigung  der  anderen  Klassen 
umfassen,  so  soll  davon  an  späterer  Stelle,  bei  dem  Abschnitt  über 
die  wiederholten  Untersuchungen  der  Kinder,  im  Zusammenhang  be- 
richtet werden. 


Von  den  durch  die  schulärztlichen  Untersuchungen  festgestellten 
Erkrankungen  müssen  sowohl  die  Lehrer,  wie  auch  die  Eltern 
Kenntnis  erhalten.  Die  Mitteilungen  und  Ratschläge  an  die  Lehrer 
können  bei  der  Untersuchung  selbst  von  kurzer  Hand  erteilt  werden, 
sollen  auch  in  den  Gesundheitsbogen  eingetragen  werden.  Die  Mit- 
teilung an  die  Eltern  mufs  im  allgemeinen  schriftlich  erfolgen  und 
ist  durch  den  Lehrer  oder  Rektor  zu  übersenden.  Es  soll  bei  dieser 
Mitteilung  eine  schonende  Form  angewendet   und  jede  Härte  und 

Der  Sehnlarst.   1.  26 


226  832 

Schroffheit  vermieden  werden  (Ohemnitz).  Beizufügen  ist  der  Rat,  das 
Kind  ftrztlioh  behandeln  zu  lassen.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  wird 
es  dahingestellt  bleiben,  ob  die  Eltern  diesen  Rat  befolgen  oder 
nicht.  In  einigen  Städten  wird  verfügt,  dals  darauf  geachtet  werden 
soll,  und  wenn  nötig  eine  zweite  Zuschrift  an  die  Eltern  zu  richten 
ist.  Eine  in  Leipzig^  von  einigen  Schulärzten  aus  eigenem  Antrieb 
vorgenommene  Nachprüfung  hat  ergeben,  dais  in  etwa  '/«  der  Fälle 
die  Mtem  dem  schulärztlichen  Rat  sofort  folgten,  ein  anderer  Bruch- 
teil tat  dies  auf  Grund  einer  zweiten  Ermahnung,  und  nur  bei 
3,8%  war  nichts  zu  erreichen.  Die  Stadt  Dülken  verfährt  in 
dieser  Hinsicht  am  nachdrücklichsten,  indem  bei  ernsten  und  wich- 
tigen Erkrankungen  vom  Lehrer  festzustellen  ist,  ob  der  Ermahnung 
zur  ärztlichen  Behandlung  Folge  geleistet  wird;  eventuell  mub  dem 
Bürgermeisteramt  Anzeige  erstattet  werden. 

Die  Formulare  für  die  an  die  Eltern   zu   erlassende  Mitteilung 
sind  fast  alle  nach  Wiesbadener  Muster  eingerichtet  und  lauten: 

Hitteilang. 

Die    von    dem   Magistrat  angeordnete    ärztliche    Untersuchang    resp. 

Überwachung  ihres  Kindes   

geh hat  ergeben,    dals   dasselbe 

an  ^ _ 

leidet,     Für  die  Gesundheit  Ihres  Kindes,  wie  für  das  Interesse  der  Schale 

ist  deshalb    • 

dringend  erforderlich. 

Wiesbaden,    den    190. 


An 


Der  Magistrat; 


No 

In  dem  Breslauer  Formular  lautet  der  Schlufssatz: 

„Im  Interesse  des  Kindes  und  der  Schule  ist  deshalb  nötig,  da(s  das- 
selbe in  ärztliche  Behandlang  tritt." 

Bonn  fügt  aufser  diesem  Satz  noch  hinzu: 

„Auf  Wnnsch  der  Eltern  nimmt  der  Schalarzt  die  genauere  Unter- 
snchnng  unentgeltlich  vor.  Eine  Behandlang  des  Kindes  durch  den  Schul- 
arzt erfolgt  nicht." 

Hessen- Darmstadt  (und  nach  dessen  Vorbild  auch  Eobnrg) 
fügen  eine  andere  Bemerkung  bei: 


^  PoETTER,  1.  c.  S.  255—266. 


833  227 

„Sie  wollen  diese  Mitteilung  nntersdireiben  und  binnen  drei  Tagen 
zoTückgeben,  dabei  aber  von  jeder  Znsatzbemerknng  absehen.  Zn  persön- 
licher Rflcksprache  ist  der  Lehrer  gern  bereit.  ** 

An  einzelnen  Orten  sind  fOr  gewisse  Krankheiten  eigene 
Formulare  in  Übung.  Insbesondere  gilt  dies  fdr  akute  Infektions- 
krankheiten, von  welchen  noch  besonders  zu  sprechen  sein  wird.  In 
Griefsen  besteht  ein  Formular  für  Meldung  von  Bückgratsyerkrüm- 
mnngen. 

Die  am  vorgenommene  Untersuchung  Ihres 

^^^   hat  ergeben,   dab  die 

Tochter 

Wirbelsäule  des  Kindes  Neigung  zeigt,  auszubiegen.  Die  Schule  wird 
dieser  Tatsache  in  Zukunft  ihre  volle  Aufinerksamkeit  widmen;  wir  er- 
suchen aber  auch  Sie,  unsere  Bestrebungen  zu  unterstfltzen  und  eventuell 
unter  Befragung  Ihres  Hausarztes  mitzuhelfen,  dafs  eine  dauernde  Ver- 
krümmung verhindert  wird. 

Giefsen,   den  * 

Der  Oberlehrer:  Der  Schularzt: 


Formulare  bei  vorgefundenem  Ungeziefer  sind  in  vielen  Städten 
in  Anwendung,  zugleich  mit  Ratschlägen  zur  Selbstbehandlung, 
so  z.  B.  in  Apolda,  Grefeld,  Frankfurt  a.  M.,  Giefsen, 
Mülhausen  i.  Eis.,  Weimar  und  Wiesbaden. 

Bei  der  praktischen  Bedeutung  dieses  Gegenstandes  mögen  die 
wichtigsten  dieser  Belehrungen  im  Wortlaut  mitgeteilt  werden. 

1.  Wiesbaden  und  gleichlautend  in  Weimar,  Apolda, 
Crefeld): 

Wiesbaden,  den  19 

Bei  der  stattgehabten  ärztlichen  Untersuchung  Ihres  Kindes  

hat  sich   auf  dem  Kopfe  desselben 

Ungeziefer  gefunden.  Da  durch  dieses  leicht  schwere  Erkrankungen 
verursacht  werden,  und  es  zudem  auf  andere  Personen  übertragen  werden 
kann,  so  ist  im  Interesse  Ihres  Kindes,  Ihrer  Familie,  sowie  der  Schule 
eine  gründliche  Kur  dringend  geboten. 

Sollten  Sie  es  nicht  vorziehen,  Ihren  Hausarzt  dieserhalb  zu  fragen, 
80  empfehlen  wir  Ihnen  folgende  Behandlungsweise : 

In  erster  Linie  das  Abschneiden  der  Haare,  besonders  bei  starker 
Anhäufung  des  Ungeziefers  sowie  bei  Krusten-  und  Borkenbildung  als  un- 
bedingt notwendig  zu  bezeichnen. 

Sodann  reiben  Sie  dem  Kinde  den  ganzen  behaarten  Kopf  abends 
mit  Petroleum  stark  ein  —  die  Nähe  der  Lampe  und  des  Lichtes  ist  zu 
vermeiden  —  und  ziehen  ihm  eine  Nachthaube    oder  ein  Kopftuch  über, 

25» 


228  834 

das  am  Halse  fest  anschlieist ;  am  anderen  Morgen  waschen  Sie  den  Kopf 
mit  wannen  Wasser  und  etwas  Schmierseife,  kämmen  die  Haare  mit  feinem 
Kamm  und  ölen  dieselben  etwas  ein. 

Dies  mnfs  an  drei  aufeinanderfolgenden  Tagen  geschehen. 

Zur  Entfemong  der  zurückbleibenden  Nisse  waschen  Sie  dem  Kinde, 
solange  solche  noch  vorhanden  sind,  den  Kopf  täglich  mit  einer  Sodalösnng 
—  etwa  1  Elslöffel  auf  V«  1  Wasser  —  oder  reiben  Sie  die  Kopfhaare 
bflschelweise  zwischen  zwei  mit  starkem  Essig  getränkten  Tttchem. 

Bei  starker  Kmstenbildnng  and  bereits  bestehender  Entzflndnng  der 
Kopfhaut,  der  Augen  etc.  müssen  Sie  vorher  den  Hausarzt  befragen  und 
nach  dessen  Vorschriften  verfahren. 

Sollte  eine  neue  Untersuchung  nach  8 — 14  Tagen  ergeben,  dab  der 
Kopf  Ihres  Kindes  noch  nicht  entsprechend  gereinigt  ist,  so  wird  zwangs- 
weise  Reinigung  des  Kindes .  im  Krankenhause  an  zuständiger  Stelle  be- 
antragt werden. 

Im  Auftrage  der  Schuldeputation: 
Der  Schularzt. 
An 


2.  Frankfurt  a.  M. 

In  der  Schule  kann,  da  die  Kinder  dicht  bei  einander  sitzen,  auch 
das  reinlichste  Kind  durch  Übertragung  von  seinem  Nachbar  einen  un- 
sauberen Kopf  bekommen. 

Dieser  Zustand  mu(s  unter  allen  Umständen  möglichst  rasch  beseitigt 
werden, 

erstens  um  des  Kindes  selbst  willen,  welches  dadurch  schlieMich 
sogar  hartnäckige  und  schmerzhafte  Ausschläge,  DrtUeneitemngen 
und  gefährliche  Augenerkrankungen  bekommen  kann,  und 
zweitens  wegen  der  Mitschüler,   welche  sonst  leicht  angesteckt 
werden  können. 
In    solchen    Fällen   ist   das  beste   Hausmittel  zur  Reinigung  des 
Kopfes  folgendes:    Man  wasche  an  drei  aufeinander  folgenden  Tagen  den 
Kopf  und  das  Haar  gründlich  mit  Petroleum  (wegen  der  Feuersgefahr  nie- 
mals in  der  Nähe  eines  Lichtes  oder  einer   Lampe!);    die    folgende  Zeit 
wasche  man  täglich  Kopf  und  Haar  ebenso  gründlich  mit   einer  möglichst 
warmen  Sodalösung  (2  ECslöffel  Soda  auf  1  1  Wasser)  und  kämme  jedes- 
mal das  Haar  mit  einem  engen  Kamme  auf  das  sorgfältigste  durch,  nament- 
lich auch  von  unten,  vom  Nacken  her. 

Dieses  Waschen  und  Kämmen  muCs  wochenlang,  jedenfalls  so  lange 
fortgesetzt  werden,  bis  sämtliche  Nisse  (die  kleien  Eier  der  Tiere)  von  den 
Haaren  verschwunden  sind.  Zu  untersdieiden  von  einfachen  Schuppen  sind 
diese  Nisse  dadurch,  da(s  sie  fest  an  den  Haaren  haften,  während  die 
Schuppen  leicht  abgestreift  werden  können. 

3.  Malhausen  i.  Eis. 

-Schule  in  Mülhausen. 

Bei  der  am  stattgehabten  schulärztlichen 

Untersuchung  ihres  Kindes hat 


835  229 

sich  auf  dem  Kopfe  desselben  Ungeziefer  gefunden.  Da  hierdurch 
schwere  Ej^ankungen  und  Übertragungen  auf  andere  Personen  verursacht 
werden,  so  ist  im  Interesse  Ihres  Kindes,  Ihrer  Familie  und  der  Schule 
eine  gründliche  Kur  dringend  geboten.  Falls  Sie  es  nicht  vorziehen,  Ihren 
Hausarzt  zu  befragen,  empfehlen  vrir  folgende  Behandlungsweise: 

1.  YoUst&ndiges  Abschneiden  der  Haare. 

2.  Bei  geschlossenen  Augen  des  Kindes  ist  dessen  ganze  behaarte 
Kopffläche  vor  dem  Schlafengehen  mit  Petroleum  einzureiben. 
Die  Nähe  des  Herdfeuers,  offener  Lampen-  und  Kerzenflammen 
ist  wegen  Feuersgefahr  zu  vermeiden. 

3.  Bedecken  des  Kopfes  mit  einer  Nachthaube  oder  einem  eng- 
anschliefsenden  Kopftuche. 

4.  Waschen  des  Kopfes  am  anderen  Morgen  mit  warmem  Wasser 
und  Schmierseife. 

6.  Abtrocknen  des  Kopfes  mit  sauberem  Handtuche  und  Bestreichen 
der  behaarten  Kopfhaut  mit  Olivenöl. 

Die  ganze  Kur  muls  an  drei  aufeinander  folgenden  Tagen  wiederholt 
werden. 

Zur  Entfernung  der  zurQckbleibenden  Nisse  waschen  Sie  dem  Kinde 
bei  geschlossenen  Augen  desselben  den  Kopf  mit  lauwarmer  Sodalösung 
—   1  E&löffel  auf  ^1%  1  Wasser. 

Bei  starker  Krustenbildung  und  bereits  bestehender  Entzündung  der 
Kopfhaut,  der  Augen  etc.  mflssen  Sie  unbedingt  Ihren  Hausarzt  befragen 
und  nach  dessen  Vorschriften  verfahren.  Sollte  eine  schulärztliche  Unter- 
suchung nach  14  Tagen  ergeben,  dais  Ihr  Kind  noch  nicht  entsprechend 
gereinigt  ist,   so  wird  zwangsweise  Reinigung  im  Krankenhause  beantragt. 

Mfllhausen,  den  19 

D Der  Schularzt: 


An 


Hier, -Strabe  No. 


Frankfurt  a.  M.  geht  nook  einen  Schritt  v^eiter  und  Iftüst, 
wenn  die  Anzeige  von  Ungeziefer  an  die  Eltern  erfolglos  war,  durch 
die  Schnidepntation  Anzeige  an  das  Polizeipräsidium  erstatten  behufs 
Anordnung  zwangsweiser  Reinigung.  Das  hierzu  dienende  Formular 
hat  folgenden  Wortlaut: 

Städtische  Schuldeputation. 

J.-No 

Frankfurt  a.  M.,  den 

1.  An  das  Königliche  Polizei-Präsidium,  hier. 

Nach  einer  Anzeige  des  Rektors  der  

Schule  leidet  d         Schiller 

Sohn  Tochter  Pflegling  de 


230  836 

,  wohnhaft  

No.         laut    Feststellung   des 

Schularztes  Herrn  Dr an  Kopfnngeziefer. 

Mehrmalige  Anffordemngen  seitens  der  Schule  an  die  Eltern  (Pflege- 
eitern),  das  Kind  zu  reinigen  hezw.  in  reinlichem  Znstande  zur  Schule  zi 
schicken,  blieben  erfolglos. 

Da  bei  diesem  Leiden  in  hohem  Malse  die  Gefahr  der  Verschleppong 
besteht,  ersuchen  wir  ergebenst,  eine  zwangsweise  Reinigung  des 
Kindes  veranlassen  zu  wollen. 

2.  ü.  Y.  R.  an 

Herrn  Rektor 

zur  Kenntnisnahme  und  mit  dem  Ersuchen,  nach  Ablauf  von  drei  Wochen 
hierunter  erneut  zu  berichten,  falls  bis  dahin  die  Reinigung  des  Kindes 
nicht  bewirkt  sein  sollte. 

Endlich  ist  noch  zu  erwähnen,  äab  in  Darmstadt  eine  sehr 
empfehlenswerte  Belehrung  über  die  Zahnpflege  den  Eltern  zuge> 
schickt  wird. 

An  die  Eltern  der  Schttler! 

1.  Die  Eltern  werden  eindringlichst  ermahnt,  bei  ihren  Kindern  auf  eine 
sorgfiUtige  und  regelmäfsige  tägliche  Zahnpflege  zu  achten. 

2.  Schlechte  nnd  fehlende  Zähne  sind  häufig  die  Ursache  von  schwereu 
Magen-  und  Verdauungsstörungen. 

3.  Die  Höhlungen  fauler  Zähne  bergen  zahllose  Fäulniskeime,  nicht  selten 
auch  die  Pilzkeime  der  Diphtherie  und  Tuberkulose. 

4.  Täglich  mindestens  einmal,  am  besten  aber  morgens  und  abends, 
sollen  die  Kinder  mit  Zahnbürste  und  etwas  Wasser  die  Zähne 
wenigstens  eine  Minute  lang  putzen  nnd  nicht  nur  die  Vorderfläcbe, 
sondern  auch  die  Rtkckfläche  und  Kaufläche  der  Zähne.  Zweckmäfsig 
kann  auch  etwas  Zahnpulver  (geschlemmte  Kreide  oder  sogenanntes 
Pfefferminzzahnpulver)  auf  die  Barste  genommen  werden.  Jedes 
Kind  mufs  seine  eigene  Barste  haben. 

5.  Kranke  Zähne  sind  möglichst  beim  Beginn  der  Erkrankung  von 
einem  Zahnarzt  behandeln  zu  lassen,  da  nur  bei  frühzeitiger 
Behandlung  Aussicht  vorhanden  ist,    den   kranken  Zahn   zu  eriialten. 

6.  Jeder  Zahn,  der  ausgezogen  werden  muls^  bedeutet  eiDcn  Verlust  an 
Gesundheit. 

Die  Schulärzte. 

(FortsetiQDg  folgt.) 


g37  231 


lllettiere  Ütitteiiittiseti* 


Nene  Scbnllrste.  In  Bingen  hat  die  Stadtverordneten  -  Yer- 
sammlnng  den  Beschlofs  gefafet,  in  Verfolg  der  Vorschläge  des  Grofe- 
herzoglich  Hessischen  Ministerinms  einen  Schularzt  für  die  st&dtischen 
Volksschnlen  anzustellen.  In  Planen  ist  ein  vierter  Schalarzt  angestellt 
worden,  nnd  zwar  für  den  Stadtteil  Rensa. 

Über  die  Nenregelang  des  sehuUrztliehen  Dienstes  in  Berlin 

schreibt  die  „Natiamdgeitimg^  folgendes:  Die  Zahl  der  Schulärzte  be- 
trägt nunmehr  36,  so  dafs  auf  jeden  etwa  8  Schulen  mit  118  Klassen 
nnd  6550  Schulkindern  kommen.  Es  handelt  sich  bei  diesen  Zahlen 
selbstverständlich  nur  um  einen  Versuch  in  erweitertem  Malsstabe.  Wenn 
auch  die  Forderung  der  sozialdemokratischen  Stadtverordneten,  für  jede 
Schule  einen  besonderen  Arzt  anzustellen,  als  tkbertrieben  bezeichnet  werden 
muTs,  so  wird  andererseits  auch  zugegeben  werden  müssen,  dafs  die  Zahl 
der  Schulärzte,  sobald  die  Finanzlage  der  Stadt  es  irgendwie  zuläfst, 
mindestens  zu  verdoppeln  sein  wird.  Für  diese  aufserordentlich  viel- 
seitigen nnd  umfangreichen  Verpflichtungen  erhält  der  Schularzt  ein  jähr- 
liches Entgelt  von  2000  Mark.  Wie  er  jedoch  diesen  Pflichten  6500 
Kindern  gegenüber,  von  denen  etwa  800  neueintretende  sind,  den  Lehrern, 
Rektoren,  Schulkommissionsvorstehem,  Eltern  und  der  Behörde  gegenüber 
voll  nachkommen  will,  ist  schwer  verständlich,  Dafs  nun  gar  bei  längerer 
Behinderung  eines  Schularztes  ein  benachbarter  Kollege,  d.  h.  ebenfalls 
ein  Schularzt,  die  Vertretung  übernehmen  soll,  ist  ein  Unding.  Indessen, 
Hie  neuen  Einrichtungen  weisen  Mängel  auf,  Zeit  und  Erfahrung  werden 
sie  mindern.  Von  aUen  Seiten,  insbesondere  von  der  Schule,  wird  die 
Einführung  der  Schulärzte  freudig  begrüfst,  und  die  wesentliche  Ver- 
mehrung ihrer  Zahl  wird  sich  nicht  lange  hinausschieben  lassen. 

Zahnirztliehe  Untersuchung  von  84  Kindern  der  Magdeburger 

Hilfsschulen.  Als  im  Frühjahr  1902  die  (4522)  Schulkinder  Magdeburgs 
von  Dr.  Gbeve  zahnärztlich  untersucht  wurden,  wandte  derselbe,  \fie  er 
in  der  „D.  med.  Wochenschr,^  (No.  43)  mitteilt,  sein  besonderes  Augen- 
merk den  Kindern  der  Hilfsschulen  zu.  Es  werden  nun  von  G.  die  dabei 
gewonnenen  Zahlen  den  Untersuchnngsresultaten  der  anderen  Kinder  gegen- 
übergestellt. 

Karies  der  Zähne  fand  sich  bei  den  Hilfsschulkindern  seltener;  5,95% 
hatten  intakte  Gebisse  gegen  3,07  %  der  übrigen  Kinder.  Dagegen  zeigten 
30,95%  der  Hilfsschulkinder  Hypoplasie  der  Zähne,  die  sich  bei  den 
anderen  Kindern  nur  in  20,4%  fand.  Bemerkenswert  ist,  dab  von  den 
30,95%  Kindern  mit  hypoplastischen  Zähnen  21,43%  gestillt  und  nur 
9,52%  nicht  gestillt  waren  gegen  13,47:6,94%  der  anderen  Kinder. 
Sogenannte  kontrahierte  und  hochgezogene  Gaumengewölbe  wurden  'in 
2,38  7o  gegen  0,1 7  7o  festestem. 

(Mitg.  von  Dr.  med.  FsANKENBUBOEB-Nümberg.) 


232  838 

Schnllrzte  in  GSrlifz.  Die  Stadtverordneten- Versammlang  in  Görlitz 
genehmigte  am  25.  September  die  MagistratsTorlage,  nach  welcher  znm 
1.  April  1904  bei  allen  elf  Gemeindeschulen  die  Anstellung  von  Schul- 
ärzten stattfindet  AoTser  dem  Stadtarzt,  welcher  neben  der  Gesamtleitnng 
zwei  Schulen  selbst  flbernimmt,  werden  fflnf  Schnlfirzte  angestellt.  Fflr 
die  letzteren  sind  als  Honorar  2100  Mark  im  Etat  ausgeworfen.  Die 
Entschädigung  richtet  sich  nach  der  Kopfzahl  der  Schüler  und  beträgt 
26  Pfennige  für  jedes  Kind  jährlich.  Als  Schulärzte  sollen  die  fänf  Annen- 
ärzte angestellt,  und  die  schulärztlichen  Bezirke  mit  den  armenärztlichen 
möglichst  zusammengelegt  werden.  Zur  Beschaffung  schulärztlicher  Uten- 
silien werden  noch  400  Mark  in  das  Budget  eingesetzt  werden. 

(Mitg.  von  Stadtarzt  Dr.  REiiCBB-Oörlitz.) 


DteitMtbtiitti0eti  fftr  S^niatjtt. 


Ordnog  ffir  die  gesnndheitliehe  Überwaehnng  der  stidtiseheM 

Velksgehnlen  zu  Fürth  dnreh  die  SebnlXrzte 

unter  Mitwirkung  der  Lehrer. 

I.  Aufgabe  der  Schulärzte  im  allgemeinen. 

§  1.     Die  Schulärzte  haben  die  Aufgabe 

a)  die  Schulbehörde  bei  Handhabung  der  Gesundheitspflege  in  An- 
sehung der  Schulgebäude  und  Schuleinrichtungen  zu  unterstfltzen, 

b)  den  Gesundheitszustand  der  Schulkinder  zu  überwachen,  und,  in- 
soweit dies  ohne  ärztliche  Behandlung  geschehen  kann,  durch 
geeignete  Anregungen  zu  verbessern. 

n.  Mitwirkung  bei  der  Überwachung  der  gesundheitlichen 

Verhältnisse  der  Schulgebäude. 

§  2.  Der  Schularzt  prttft  die  sämtlichen  Räume  der  ihm  zugewiesenoi 
Schulgebäude  und  deren  Einrichtungen  mindestens  je  einmal  im  Sommer 
und  im  Winter;  hierbei  richtet  er  seine  Aufmerksamkeit  besonders  auf 
die  Handhabung  der  Reinigung,  Lüftung,  Heizung,  auf  die  Belichtung  und 
Beleuchtung,  auf  die  Beschaffenheit  der  Schulbänke  und  deren  Eignung 
für  die  Kinder  nach  ihrer  Gröfee,  endlich  auf  die  Beschaffenheit  der  Aborte. 

Die  Besichtigung  erfolgt  während  der  Unterrichtszeit. 

Die  Schulbehörde  oder  das  von  ihr  bezeichnete  Schulorgan  sind 
spätestens  am  Tage  vor  der  Besichtigung  in  Kenntnis  zu  setzen.  Seine 
Wahrnehmungen,  insbesondere  Verbesserungsvorschläge  trägt  der  Schularzt 
in  das  schulärztliche  Tagebuch  ein,  welches  er  bei  der  Konferenz  der 
Schulärzte  vorlegt;  in  dringlichen  Fällen  ist  die  unmittelbare  Anzeige  an 
die  Schulbehörde  geboten. 


889  288 

Zn  Anweisnngeii  an  die  Schnlorgane  oder  Schülbediensteten  ist  der 
Schularzt  nicht  berechtigt;  eine  private  Rflcksprache  mit  denselben  ist 
jedoch  gegebenenfalls  erwfloscht. 

Aof  £rsachen  der  SchnlbehOrde  ist  der  Schnlarzt  anch  zu  einer 
,  aniserordentlichen  Besichtigang  der  Schnlgebände  und  einzelner  Rftome  oder 
Einrichtungen  derselben  verpflichtet. 

m.  Mitwirkung  bei  der  Überwachung  der  Gesundheit 

der  Schulkinder. 

§  3.  Fflr  jedes  neu  in  die  Volksschulen  der  Stadt  Fflrth  eintretende 
Schulkind  l&fet  die  Schulbehörde  einen  Gesundheitsschein  anlegen;  f&r 
solche  Schfller,  deren  Eltern  oder  sonstige  Erziehungsberechtigte  die  schul- 
ärztliche Überwachung  ablehnen,  werden  Gesundheitsscheine  nicht  angelegt. 

Zu  einer  Erklflrungsabgabe  Ober  etwaige  Ablehnung  der  standigen 
schulärztlichen  Überwachung  wird  alljährlich  vor  Beginn  der  Untersuchungen 
durch  amtliches  Ausschreiben  aufgefordert. 

Die  Scbulbehörde  veranlagt  die  Feststellung  der  Gröfse  und  des 
Gewichts  der  Schulkinder  durch  den  Klassenlehrer  mit  Beihilfe  des  Schul- 
hausmeisters und   läfet   das  Ergebnis   in  den  Gesundheitsschein  eintragen. 

Diese  Feststellungen  werden  von  Jahr  zu  Jahr,  in  einzelnen  Fällen, 
auf  Verlangen  des  Arztes,  auch  öfter  wiederholt. 

Den  Volksscbullehrem  bleibt  flberlassen,  in  einer  besonderen  Rubrik 
des  Scheines  Beobachtungen  einzutragen,  welche  nach  ihrer  Meinung  fllr 
den  Gesundheitszustand  des  SchQlers  von  Bedeutung  sind. 

Der  Schularzt  unterzieht  die  sämtlichen  Kinder,  fUr  welche  Scheine 
ausgestellt  sind,  einer  Untersuchung  auf  ihre  Körperbeschaffenheit  und 
ihren  Gesundheitszustand. 

Die  zur  Probe  in  die  Schule  aufgenonmienen  Kinder  werden  alsbald 
nach  ihrem  Eintritt  untersucht;  bei  den  flbrigen  soll  die  allgemeine  Unter- 
suchung bis  zum  Beginn  der  Osterferien  beendet  sein,  während  die  Unter- 
suchung auf  Seh-  und  Hörfehler  bei  den  Kindern  des  ersten  Jahrganges 
erst  im  Sommer  erfolgt. 

Die  Untersuchung  erfolgt  im  Schulhause  in  dem  von  der  Schulbehörde 
bestimmten  Räume  und  zu  den  zwischen  dem  Arzte  und  der  Schulbehörde 
vereinbarten  Stunden. 

Die  Untersuchung  hat  den  Zweck,  festzustellen,  ob  ein  Schüler  einer 
dauernden  ärztlichen  Überwachung  oder  einer  besonderen  Berücksichtigung 
beim  Schulunterricht  (z.  B.  Ausschließung  von  einzelnen  Fächern,  Be- 
schränkung der  Teilnahme  am  Unterricht,  Anweisung  eines  besonderen 
Platzes  etc.  etc.)  bedarf. 

Bei  dieser  ersten  und  bei  jeder  späteren  Untersuchung  ist  besonders 
zu  achten  auf  Körperhaltung,  Sdiwerhörigkeit,  Nasenpolypen,  Wucherungen 
im  Nasenrachenraum,  Kurzsichtigkeit,  Gesundheit  von  Herz  und  Lunge, 
Schwach-  und  Blödsinn,  Ungeziefer,  Hautkrankheiten,  Anzeichen  von  an- 
steckenden Krankheiten,  Zahnpflege  —  femer  bei  Knaben  auf  Vorhanden- 
sein einer  Bruchanlage. 

§  4.  Der  Befund  der  Untersuchung  wird  in  dem  Gesundheitsschein 
vermerkt.     Die  allgememe  Körperbeschaffenheit  der  Kinder  ist  als  nS^t**, 


234  840 

„mittel^,  oder  als  „schlecht^  zu  bezeichnen,  nnd  zwar  als  gut  bei  voll- 
kommen tadellosem  Gesandheitsznstand,  als  schlecht  bei  ansgesprochenen 
Krankheitsanlagen  und  chronischen  Erkrankungen. 

Die  Einträge  in  die  übrigen  Spalten  des  Oesundheitsscheines  erfolgen 
nur  bei  vorhandenen  bestimmten  Krankheitserscheinungen. 

Die  Gesundheitsscheine  derjenigen  Kinder,  welche  einer  ständigen 
Überwachung  bedflrfen,  werden  auf  der  ersten  Seite,  oben  rechts,  mit  dem 
Vermerk  „Ärztliche  Überwachung"  versehen. 

Zu  den  ersten  Einträgen  in  die  Gesundheitsscheine  bei  der  Unter- 
suchung neu  eintretender  Kinder  wird  den  Schulärzten  fOr  die  Dauer  der 
Untersuchung  eine  Schreibkraft  zur  YerfQgung  gestellt. 

§  5.  Findet  der  Schularzt  Krankheitszustände,  welche  die  Anweisung 
eines  besonderen  Platzes  in  der  Schule,  oder  die  Beobachtung  eines  ge- 
wissen Verhaltens  gegenüber  dem  Schüler  oder  im  Interesse  der  übrigen 
Schulkinder  die  Einleitung  eines  Heilverfahrens  erheischen,  so  macht  ^ 
hiervon  der  Schulbehörde  oder  dem  von  dieser  bestimmten  Organe  schrift- 
liche Mitteilung.  AuTserdem  wird  empfohlen,  gelegentlich  der  Sprech- 
stunden (s.  §  6)  mit  dem  Lehrer  Rücksprache  zu  nehmen. 

Ist  ein  Krankheitszustand  festgestellt,  welcher  die  Beachtung  seitens 
der  Eltern  oder  der  Erziehungsberechtigten  erheischt,  so  werden  diese 
unter  Verwendung  eines  besonderen  Formulars  verständigt,  wobei  auf  eine 
etwa  erforderliche  ärztliche  Behandlung  besonders  aufmerksam  zu  machen 
ist ;  die  Mitteilung  wird  zunächst  der  Schulbehörde  eingesendet,  von  dieser 
gegengezeichnet  und  alsdann  zugestellt. 

Nötigenfalls  wird  die  Mitteilung  an  die  Eltern  wiederholt.  Ältere 
Kinder  können  auch  mündlich  von  dem  Schularzt  auf  die  Notwendigkeit 
ärztlicher  Behandlung  zur  Heilung  eines  Übels  hingewiesen  werden,  wenn 
der  Klassenlehrer  der  Anschauung  ist,  dafs  das  Kind  die  ihm  gegebene 
Aufklärung  versteht. 

§  6.  Der  Schularzt  hält  in  einem  von  der  Schulbehörde  zu  be- 
zeichnenden Raum  und  zu  einer  mit  der  Schulbehörde  zu  vereinbarenden 
Zeit  Sprechstunden  ab,  deren  Zahl  so  zu  bemessen  ist,  da(s  auf  je  zwei 
Wochen  während  des  Schuljahres  eine  Sprechstunde  entfällt.  Hierbei 
werden  diejenigen  Kinder  dem  Arzte  in  möglichst  unauffälliger  Weise  all- 
mählich vorgeführt,  welche  einer  besonderen  Überwachung  bedürfen,  femer 
jene,  bei  welchen  nach  Ansicht  der  Lehrer  Veranlassung  zur  Untersuchnng 
besteht;  insbesondere  sollen  Kinder,  welche  in  der  Schule  über  Kopf- 
schmerzen und  Übelkeit  häufiger  klagen,  oder  welche  durch  Unaufmerksam- 
keit, schnelle  Verschlechterung  der  Schrift,  ungewöhnliche  Schläfrigkeit 
besonders  auffallen,  vorgestellt  werden. 

Endlich  sind  die  Kinder  vorzuführen,  deren  Untersuchung  wegen 
Verdachts  ansteckender  Krankheiten  etwa  erforderlich  ist. 

Die  Ergebnisse  dieser  Untersuchung  werden  gegebenenfalls  auf  dem 
Gesundheitsschein  kurz  vorgemerkt;  insbesondere  wird  die  Einreibung 
bisher  gesunder  Kinder  unter  die  zu  überwachenden  Kinder  durch  Vortrag 
in  dem  Gesundheitsschein  verfügt,  wie  auch  die  Löschung  der  Vormerkung 
..Ärztliche  Überwachung"  erfolgen  kann. 


236 

Vor  Beginn  dieser  Sprechstunde  besacht  der  Arzt  stets  einige  Schul- 
klassen,  nimmt  mit  dem  Lehrer  kurze  Rücksprache  und  läüst  Kinder,  deren 
Aussehen  ihm  als  krankheitsverdächtig  anffäUt,  znr  Sprechstunde  mfen. 

§  7.  Far  die  unter  „ärztlicher  Überwachung"  stehenden  Kinder, 
iwelche  die  Volksschule  verlassen,  soll  in  dem  Gesundheitsschein  ein  Ge- 
samturteil  über  die  gesundheitliche  Entwicklung  eingetragen  werden; 
gegebenenfalls  ist  durch  Vermittlung  der  Schulbehörde  den  Eltern  Rat  zu 
erteilen,  für  welche  Berufe  ein  Kind  nach  seiner  körperlichen  Entwicklung 
sich  gar  nicht  oder  nur  weniger  gut  eignet. 

§  8.  Auf  Wunsch  der  Schulbehörde  untersucht  der  Schularzt  in 
dringenden  Fällen  einzelne  Kinder  auch  auiserhalb  der  allgemeinen  Unter- 
snchungen  und  Sprechstunden.  Dies  geschieht  insbesondere,  wenn  es  sich 
handelt 

a)  um  Befreiung  vom  Schulbesuch  (allgemein)  oder  für  bestimmte 
Unterrichtsfächer ; 

b)  um  Zweifel  darüber,  ob  bei  Schulversäumnissen,  welche  mit 
Krankheit  entschuldigt  werden,  ohne  dals  ärztliche  Behandlung 
stattfindet,  Krankheit  wirklich  vorliegt; 

c)  um  die  Feststellung  von  Schwachsinn,  Blödsinn  oder  von  ekel- 
erregenden Krankheiten,  welche  die  Zuweisung  an  die  Hilfs- 
schule für  Schwachsinnige  oder  die  Ansschlie£sung  von  der  Schule 
rechtfertigen ; 

d)  um  Verdacht  ansteckender  Krankheiten  (s.  §  10). 

In  den  Fällen  unter  b  und  d  ist  der  Schularzt  verpflichtet,  nötigen- 
falls die  Feststellung  in  der  Wohnung  des  Schülers  zu  treffen. 

§  9«  Die  Gesundheitsscheine  werden  vorerst  von  dem  Lehrer  auf- 
bewahrt. Sie  sind  dem  Schularzt  auf  dessen  Verlangen  jederzeit  zu  be- 
händigen. Wechselt  ein  Schüler  die  Klasse  oder  die  Schule,  so  werden 
die  Gesundheitsscheine  der  Schulbehörde  eingesandt,  bezw.  auf  deren 
Weisung  dem  neuen  Klassenlehrer  übermittelt. 

Die  Gesundheitsscheine  für  unter  „ärztlicher  Überwachung*'  stehende 
Kinder  werden  in  jeder  Klasse  gesondert  verwahrt  und  dem  Arzte  bei 
jedem  Besuche  in  der  Klasse  vorgelegt. 

Gesundheitsscheine  für  Schüler,  welche  die  Volksschulen  der  Stadt 
Fttrth  verlassen  haben,  werden  von  der  Schulbehörde  gesammelt  und  bis 
znr  Erfüllung  der  Schulpflicht  aufbewahrt.  Auf  Ersuchen  werden  sie  auch 
den  Leitern  von  Mittelschulen  übersandt. 

Den  Eltern  und  sonstigen  Erziehungsberechtigten  werden  die  Gesund- 
heitsscheine für  Kinder,  deren  gesundheitliche  Überwachung  beendet  ist, 
auf  Verlangen  von  der  Schulbehörde  ausgehändigt. 

§  10.  Wenn  der  Lehrer  davon  Kenntnis  erlangt,  oder  wenn  An- 
zeichen vorhanden  sind,  dafe  ein  Schulkind  an  Pocken,  Masern,  Scharlach, 
Diphtherie,  Keuchhusten,  epidemischer  Genickstarre  erkrankt  ist,  so  ver- 
ständigt er  hiervon  unmittelbar  den  Schularzt  und  gleichzeitig  die  Schnl- 
behörde. 

Der  Schularzt  vergewissert  sich,  ob  ansteckende  Krankheit  besteht 
und  ob  das  Kind  ärztlich  behandelt  wird.  Ist  ansteckende  Krankheit 
gegeben,  so  gibt  er  der  Scbulbehörde  ztur  weiteren  Veraolftssung  Kenntnis; 


236  842 

l&fflt  sich  ansteckende  Krankheit  nicht  feststellen,  so  macht  er  dem  Lehrer 
kürze  Mitteilung. 

Tritt  hei  Bewohnern  des  Schnlhanses  eine  ansteckende  Krankheit  auf, 
so  trifft  der  Schularzt  die  nämlichen  Feststellungen. 

§  11.  In  denjenigen  Schalen,  fQr  welche  Schnlhäder  eingerichtet 
sind,  führt  der  Arzt  die  gesundheitliche  Oberaufsicht  und  bezeichnet  die- 
jenigen Kinder,  welche  zufolge  Schwächlichkeit  oder  Krankheit  von  dem 
Besuche  des  Bades  auszuschliefsen  sind. 

§  12.  Bei  der  Auswahl  der  Kinder  fär  die  Ferienkolonien  wird  die 
Schulbehörde  von  dem  Schularzt  auf  ihr  Ersuchen  unterstfltzt. 

§  13.  Die  Schulärzte  in  dieser  Eigenschaft  lehnen  die  Behandlung 
der  von  ihnen  untersuchten  Kinder  ab. 

In  allen  Fällen,  in  welchen  behandelnde  Ärzte  beigezogen  sind  und 
sich  fär  den  Schularzt  trotzdem  eine  Tätigkeit  ergibt,  setzt  sich  dieser 
mit  dem  behandelnden  Arzt  ins  Einvernehmen. 

IV.  Anstellungsbedingungen,  Geschäftsfflhrung,  Schlufs- 

bestimmung. 

§  14.  Die  Schulärzte  werden  vom  Magistrat  auf  die  Dauer  von 
3  Jahren  angestellt  Innerhalb  dieser  Dauer  kann  der  Magistrat  den 
Schularzt  nach  Smonatlicher  Kündigung  entheben. 

Bei  schweren  Verfehlungen  gegen  die  obigen  Verpflichtungen  oder 
falls  der  Arzt  aufhören  sollte,  dem  ärztlichen  Bezirksverein  anzugehören, 
kann  die  Enthebung  auch  ohne  Einhaltung  einer  Kündigungsfrist  erfolgen. 

Der  Schularzt  erhält  ein  in  ^/«jährigen  Raten  zahlbares  Gehalt  von 
500  Mark. 

§  16.  Die  Schulärzte  wählen  den  ersten  Schularzt.  Auf  dessen 
Einladung  treten  die  Schulärzte  so  oft  es  erforderlich  ist  zu  einer  Be- 
ratung zusammen. 

In  diesen  Beratungen  werden  die  Bemängelungen  der  Schulräume  und 
deren  Einrichtungen  festgestellt,  Anregungen  allgemeiner  Art  an  die  Scfanl- 
behörden  beschlossen  und  Grundsätze  über  die  Ausübung  des  Amtes  inner- 
halb der  vorstehenden  Vorschriften  aufgestellt.  Auf  Ersuchen  werden  der 
Schulbehörde  Ratschläge  über  schulhygienische  Fragen  erteilt. 

§  16.  Die  Schulärzte  reichen  alljährlich,  und  zwar  bis  Ende  Sep- 
tember, einen  gemeinschaftlichen  Jahresbericht  über  ihre  Tätigkeit  und  ihre 
Wahrnehmungen  im  verflossenen  Schuljahre  ein. 

Zur  Vorbereitung  dieser  Berichte  und  zur  Aufzeichnung  ihrer  Beob- 
achtungen führen  sie  das  schulärztliche  Tagebuch. 

Der  Bericht  soll  sich  erstrecken  auf  eine  ZusammensteUung  der  Unter- 
suchungen und  ihrer  Resultate;  auf  die  Zahl  der  Sprechstunden  und  der 
Klassenbesuche,  auf  die  Art  der  wichtigeren  ErkrankungsfUle  pnd  die 
Häuflgkeit  ihres  Auftretens;  auf  die  Art  der  erteilten  besonderen  ärzt- 
lichen Anregungen,  insbesondere  hinsichtlich  der  Schulräume  und  ihrer 
Beschaffenheit;  auf  die  Anzahl  der  an  die  Eltern  gesendeten  Mitteilungen 
und  deren  Erfolge. 

In  den  Jahresberichten  ist  nach  Ma&gabe  der  vorhandenen 


237 

auch  deijenigen  Kinder  zn  gedenken,  welche  der  schalärztlichen  Über- 
livachong  nicht  unterstellt  sind. 

§  17.  Im  Falle  der  Behinderung  haben  sich  die  Schulfirzte  unent- 
geltlich gegenseitig  zu  vertreten,  nötigenfalls  bestimmt  der  erste  Schularzt 
den  Stellvertreter;  von  der  Vertretung  ist,  wenn  sie  länger  als  eine  Woche 
dauert,  die  Schulbehörde  in  Kenntnis  zu  setzen. 

£iner  Benachrichtigung  und  der  Bestellung  eines  Stellvertreters  be- 
darf es  nicht,  wenn  die  Behinderung  in  die  Zeit  der  städtischen  Schul- 
ferien fällt. 

§  18.  Die  Schulärzte  werden  ersucht,  in  Versammlungen,  insbesondere 
der  Lehrer,  soweit  dies  erwünscht  und  ausführbar  ist,  kurze  Vorträge  über 
Schulhygiene  zu  halten. 

§  19.  Der  Magistrat  behält  sich  vor,  nach  Anhörung  der  Lokal- 
schulkommission diese  Ordnung  jederzeit  abzuändern. 

Fürth,  den  16.  Juli/27.  August  1903. 

Stadtmagistrat. 

KUTZEB. 


Dr.  E.  Wieneb.  Die  SchnUrztefrage  in  Osterreich.  „Wiener 
kUnische  Bundsckau*',  1903,  No.  21—24. 

Nach  Anführung  der  die  Schulhygiene  betreffenden  gesetzlichen  Be- 
stimmungen und  nach  Aufzählung  der  überaus  spärlichen  „Anläufe^,  die 
in  einzelnen  Städten  Österreichs  hinsichtlich  einer  ärztlichen  Schulaufeicht 
genommen  wurden,  gibt  der  Verfasser  dem  Wunsche  Ausdruck,  dafs  die 
Institution  der  Schulärzte  im  Gesetzeswege  einzuführen  sei.  Bei  den 
Mittelschulen,  die  in  Österreich  fast  ausschliefslich  Staatslehranstalten  sind, 
wäre  die  Anstellung  von  Schulärzten  Sache  des  Staates;  bezüglich  der 
Volksschulen  sollten  die  Schulärzte  nach  ähnlichen  Prinzipien,  wie  die  Lehrer 
angestellt  werden. 

Die  Schulärzte  sollen  einem  „Landes-Schul-Sanitätsinspektor''  unter- 
stehen: ein  solcher  wäre  für  jedes  Kronland  zu  systemisieren,  sollte  ein 
Hilfsorgan  des  Landes-Sanitätsreferenten,  ständiger  Referent  im  Landes- 
schulrate  sein  und  seine  Berichte  einem  Sanitätsorgane  im  Unterrichts- 
ministerium, etwa  einem  Ober-Sanitätsrate  allmonatlich  oder  vierteljährlich 
vorzulegen  haben,  welch  letzterer  Referent  für  alle  schulhygienischen  An- 
gelegenheiten im  Ministerium  und  eventuell  auch  im  Obersten  Sanitätsrate 
wäre.  Für  die  Tätigkeit  der  Schulärzte  an  Kindergärten,  Volks-  und 
Bürgerschulen  entwirft  der  Verfasser  ein  Schema,  aus  welchem  die  wichtigsten 
Bestimmungen  hier  wiedergegeben  seien:  Der  Schularzt  hat  täglich  an 
Schultagen  zu  Beginn  des  Unterrichtes  in  der  Schule  anwesend  zu  sein, 
sanitäre  Angelegenheiten  der  Schule  oder  einzelne  Schüler  betreffende  Be- 


238  844 

richte  (Krankmeldungen,  Zeugnisse)  zu  prüfen  und  zu  begutachten,  bezw. 
solche  zu  verfassen,  und  anwesende,  sich  krank  meldende  Schüler  zn  unter- 
suchen. Sofern  diese  letzteren  vom  Schulgelde  befreit  sind,  hat  der 
Schularzt  dieselben  über  Verlangen  der  Eltern  (Vormünder)  auch  unent- 
geltlich ärztlich  zu  beraten  und  mit  Medikamenten  oder  Verbandstoffen 
zu  beteilen.  Kinder,  die  nicht  weiter  als  1  km  vom  Schulgebäude  entfernt 
wohnen,  sind  —  wenn  vom  Schulgelde  befreit  —  auch  in  der  Wohnung 
(über  Ansuchen  der  Eltern)  vom  Schularzte  zu  behandeln.  Bei  Infektions- 
krankheiten hat  der  Schularzt,  sofern  nicht  ein  vom  Amtsarzte  be- 
stätigtes (!  Ref.)  anderweitiges  ärztliches  Zeugnis  vorliegt,  jedes  ver- 
dächtige oder  erkrankte  Kind  zu  untersuchen  und  über  dessen  Wieder- 
zulassung zum  Schulbesuche  nach  erfolgter  Wiedergenesung  zu  entscheiden. 
Alle  unbemittelten  Kinder  sind  bei  Epidemien  (unter  den  früher  erwähnten 
Bedingungen)  vom  Schularzte  unentgeltlich  zu  behandeln. 

Nach  Erledigung  der  täglichen  laufenden  Geschäfte  hat  der  Schularzt 
einen  Teil  der  Gebäude  hygienisch  zu  inspizieren,  und  zwar  derart,  dafe 
er  alle  Räumlichkeiten  innerhalb  eines  Zeitraumes  von  14  Tagen  gesehen 
hat.  Die  Schulzimmer  sind  in  der  Regel  eine  Viertelstunde  vor  Schlnfs 
des  Unterrichtes  oder  vor  Beginn  der  Pause  zu  besuchen,  Schüler,  die 
dabei  durch  schlechte  Haltung  oder  krankhaftes  Aussehen  auffallen,  hat  der 
Arzt  für  den  nächsten  Morgen  behufs  gründlicher  Untersuchung  in  sein 
Dienstzimmer  zu  bestimmen.  Findet  der  Schularzt  bei  dieser  Unter- 
suchung Gebrechen  vor,  welche  besondere  spezialärztliche  Kenntnisse  er- 
fordern, so  hat  er  im  Falle,  dafs  das  Kind  vom  Schulgelde  befreit  ist, 
zu  veranlassen,  dafs  dasselbe  einem  von  der  Schule  angestellten  Spezialisten 
vorzustellen  sei,  im  anderen  Falle  hat  er  eine  entsprechende  Mitteilung 
an  die  Eitern  (VormtLnder)  gelangen  zu  lassen.  In  den  ersten  Wochen  des 
Schuljahres  sind  die  neu  eintretenden,  dann  die  übrigen  Schüler  zu  unter- 
suchen, und  ist  der  Befund  in  einem  für  die  ganze  Schulzeit  vorgesehenen 
Gesundheitsschein  einzutragen.  Sofort  nach  Abschlufs  der  allgemeinen 
Untersuchung  der  Kinder,  sodann  aber  vierteljährlich,  hat  der  Schularzt 
einen  Bericht  über  seine  Tätigkeit  zu  erstatten.  Der  Schularzt  ist  den 
Lehrerkonferenzen  beizuziehen,  sofern  sanitäre  Angelegenheiten  verhandelt 
werden;  der  Schulleiter  ist  nicht  verpflichtet,  den  Anträgen  des  Schularztes 
unbedingt  Folge  zu  leisten,  doch  hat  er  bei  Unterlassung  der  Durchführung 
solcher  Anträge  ohne  weitere  Aufforderung  die  Begründung  der  Ablehnung 
derselben  an  die  vorgesetzte  Behörde  gelangen  zu  lassen.  In  der  letzten 
Volks-  und  letzten  Bürgerschulklasse  hat  der  Arzt  kurze  Vorträge  Über 
Gesundheitspflege  zu  halten. 

Diese  Instruktionen  hätten  sinngemäfse  Anwendung  zu  finden  an 
Mittelschulen  sowie  an  Kindergärten. 

Wiener  fordert  weiter,  dafs  ein  Schularzt  für  je  1000  Schulkinder 
systemisiert  werde.  Häufige,  etwa  vierzehntägige  Besprechungen  der  Schul- 
ärzte mit  den  Lehrern,  wobei  schnlhygienische  Themen  zu  erörtern  wären, 
sollten  das  pflichtgemälse  Einvernehmen  der  Lehrer  mit  dem  Schularzte 
fördern.  Für  Schulärzte  wäre  ein  zwei-  bis  dreimonatlicher  Kursus  über 
Schulhygiene  und  Sanitätswesen,  Kinderheilkunde,  Psychiatrie,  Augen-  und 
Ohrenheilkunde  und  Zahnheilkunde  einzuführen.    Die  Frequentanten  müBsen 


845  239 

sich  ausweisen  können,  da(s  sie  dorch  sechs  Monate  an  einem  Kinder- 
spitale  t&tig  waren;  nach  abgelegten  Kolloquien  oder  Prüfungen  wäre 
ihnen  ein  Zeugnis  auszustellen. 

Die  Schulärzte  wären  nach  einem  ein-  bis  dreijährigen  Provisorium 
definitiv  anzustellen  und  dieselben  in  allen  Gehaltsstufen  den  Lehrern 
gleichzustellen. 

Wir  haben  es  in  der  fleifsigen  und  gewifs  von  den  besten  Absichten 
geleiteten  Arbeit  Wieners  mit  dem  Refonnplan  eines  jungen  Idealisten 
za  tun,  der  sich  um  die  praktische  Durchführbarkeit  seines  grols  angelegten 
Programmes  erst  nicht  viel  den  Kopf  zerbricht;  theoretisch  hat  wohl 
der  Verfasser  eine  gewifs  sehr  wirksame  ärztliche  Schulaufsicht  konstruiert, 
aber  wir  älteren  Ärzte  sind  in  unseren  schulärztlichen  Forderungen  viel 
bescheidener  und  sehr  zufrieden,  wenn  eine  weniger  ideelle  aber  erreich- 
bare  ärztliche  Überwachung  der  Schulen  und  der  Schüler  allgemein 
eingeführt  wird. 

Wäre  es  möglich,  alles  nach  dem  Wunsche  des  Verfassers  zu  be- 
stellen, dann  würde  nach  der  Ansicht  des  Referenten  ein  allgemeiner 
Sturm  losbrechen:  Das  Finanzministerium  würde  erklären,  ohne  Vor- 
Schreibung  neuer  grofser  Steuern  den  Plan  nicht  durchführen  zu  können, 
Schulleiter  und  Lehrer  würden  gegen  ihre  fast  vollständige  Ausschaltung, 
die  praktischen  Ärzte  wegen  des  Eingriffes  in  ihre  Erwerbsverhältnisse 
Protest  erheben,  und  die  neuen  Schulärzte,  denen  bei  der  Fülle  der  zu 
leistenden  Arbeit  eine  andere  ärztliche  Praxis  kaum  möglich  wäre,  würden 
die  kargen  Lehrergehalte  kaum  als  entsprechendes  Äquivalent  für  die 
grobe  von  ihnen  geforderte  Arbeitsleistung  ansehen  können. 

Man  mufs  im  praktischen  Leben  —  und  so  auch  in  der  öffentlichen. 
Gesundheitspflege  —  Realpolitik  treiben,  wenn  man  wirklich  etwas  er- 
reichen will,  und  wer  zu  viel  verlangt,  erhält  in  der  Regel  —  gar  nichts! 
Seien  wir  zufrieden,  wenn  wir  in  der  Schularztfrage  schrittweise  vorwärts 
kommen ;  wenn  ein  fester  Grund  gelegt  ist,  kann  die  Zukunft  den  weiteren. 
Ausbau  auch  noch  bringen.  Der  Hinweis  des  Verfassers  auf  die  ameri- 
kanischen Verhältnisse  kann  für  uns  in  Österreich,  ja,  man  kann  sagen 
in  Europa,  nicht  als  beweisend  für  die  Durchführbarkeit  der  Reformvorschläge 
des  Verfassers  sein:  wir  sind  leider  nicht  so  reich  wie  die  Amerikaner, 
und  übrigens  ist  der  tägliche  schulärztliche  Besuch  der  Schulen  nicht  in^ 
ganz  Amerika  eingeführt,  wie  es  nach  den  Bemerkungen  des  Verfassers^ 
auf  S.  3  scheinen  könnte.  Die  j^Zeiischr.  f,  Schülgesu/ndheiispfi,^  berichtet 
im  Jahrgange  1900,  S.  124,  wohl  von  einer  täglichen  Untersuchung 
der  Kinder  öffentlicher  Schulen  in  New  York  durch  210  Ärzte,  aber  dieser 
Dienst  wurde  freiwillig  geleistet;  „die  ganze  Einrichtung",  besagt  die 
citierte  Notiz,  „ist  nur  ein  Versuch :  wenn  sie  sich  bewährt,  soll  sie 
dauernd  werden,  mit  festangestellten  und  honorierten  Ärzten^,  und  im 
Jahrgang  1902,  S.  529,  wird  aus  Washington  berichtet,  dafs  der  Kongrefs 
ein  beabsichtigtes  Gesetz  über  die  ärztliche  Schulaufsicht  nicht  an- 
genommen hat,  und  als  eine  Reihe  der  bekanntesten  Washingtoner  Ärzte 
der  Stadt  ihre  Dienste  unentgeltlich  zur  Verfügung  stellte  —  lehnte  der 
Magistrat  aus  juristischen  Gründen  „das  lobenswerte  Anerbieten *"  ab.  -r— 
Also  auch  in  Amerika  ist  man  von  dem  Ideale  noch  weit  entfernt. 


240  846 

Die  vom  Referenten  vorgebrachten  Bedenken  wollen  aber  dnrchaiiB 
nicht  den  theoretischen  Wert  der  hobschen  Arbeit  Wienebs  herabsetzen, 
nnd  es  wäre  nur  zn  wünschen,  dafs  einige  der  durchführbaren  Yorschlftge 
des  Verfassers  die  ihnen  gebührende  Beachtung  finden  möchten. 

AliT8GHÜL-Prag. 


Personalverieichnis  der  Scbnlärite  des  Dentsohen  Reiches. 

(Fortsetzung.) 

Mren  (Reg.-Bez.  Aachen). 

Hoch,  Dr.  Peter.  —  Knnster,  Dr.  Leonh.  -      Sawall,  Dr.  Eduard. 

Ebersbaeh  u  Sachs. 

HeifBner,  Dr.  Alfred.  —  Bichter,  Dr.  Felix. 

Eberswalde. 

Joseph,  Dr.  Bernhard.  —  Hehlhausen,  Dr.  Friedr.  Felix. 

filmshon  (Schleswig-Holstein). 
Gerling  juu.,   Dr.   Karl,   Obmann.   —   Hahn,  Dr.  Ernst.  —  Schell- 
mann, Dr.  Wilhelm. 

Erfiiirt. 

Loth,  Dr.  Rieh.  Louis  Jul.,  Sanitätsrat,  I.  Schularst.  —  Axmann,  Dr. 
Hans.  —  Buchholz,  Dr.  Friedr.  —  Hey  dl  off,  Dr.  Job.,  Medizinalrat,  Kreis- 
arzt —  Umpfenbach,  Dr.  Max. 

Eschweiler  (Reg.-Bez.  Aachen). 

Bartz,  Dr.  Rieh.  —  Ditges,  Dr.  Karl.  —  Jannes,  Dr.  Peter.  — 
Schult,  Dr.  Paul. 

Essen  (Reg.-Bez.  Düsseldorf). 

A.  für  die  Altstadt: 
Racine,  Dr.  Hugo,  Kreisarzt.  —  Genneper,   Dr.  Jacob,  Stadtarzt.  — 
Heinsberg,  Dr.  Friedr.   —    Trottmann,  Dr.  Gustav.   —   Hefsberg,  Dr. 
Leop.,  Sanitatsrat,  Spezialarzt  f.  Augenkrankh. 

B.  für  die  Neustadt  (Altendorf): 
Beckmann,  Dr.  Job.  —  Gerhards,  Dr.  Jos.,  Stadtarzt.  — Krämer, 
Dr.  Fritz.  —  Stahr,  Dr.  Paul,  Polizeiarzt.  —  Schäfer,  Dr.  Adolf,  Spezialarzt 
f.  Augenkrankh. 

Enpen  (Beg.-Bez.  Aachen). 

Heeren,  Dr.  Niool.   —   Kirsch,  Dr.  Gerhard.  —    Sa  weis,  Dr.  Frans. 

Falkenstein  i«  V.  (Kreishauptmannsoh.  Zwiokaa). 
Leonhardt,  Dr.  Franz. 

Flensburg. 

▼.  Fischer^Benzon,  Dr.  Ludw.  —  Ihn,  Dr.  Heinr.  —  Jensen,  Dr. 
Nie.  —  Nissen,  Dr.  Eman.  —  Rathje,  Dr.  Rieh.  —  Ries,  Dr.  Andr. 


847  241 

# 

Font  bei  Frankfurt  a.  Oder. 
L  am  merz  heim,  Dr.  Frits.  —  Mivelowski,  Dr. 

Frankftirt  a.  Main. 

Spieffl,  Dr.  Alex.,  Geh.  SanitSUrat  a.  Stadtant,  Obmann.  —  Gaben- 
Brach,  Dr.  Eu^n.  —  Diefenbaoh,  Dr.  Joe.  —  Gelhaar,  Dr.  Brich.  — 
Grünwald,  Dr.  Karl.  ~  Hubner,  Dr.  Emil.  —  Knopf,  Dr.  Herm.  — 
Körte,  Dr.  Karl.  —  Läpp,  Dr.  Wilh.  —  Laqner,  Dr.  Leop.  —  Marens, 
Dr.  Otto.  —  T.  Mettenheimer,  Dr.  Heinr.  —  Schlesinger,  Dr.  Herrn.— 
Senffert,  Dr.  Theod.  —  Simon,  Dr.  Max. 

Frankftirt  a.  Oder. 

Harttang,  Dr.  Otto.  —  PageU,  Dr.  Ernst.  —  Weidner,  Dr.  Hngo. 

Freiberg  i.  Saehs. 

Eifsner,  Dr.  Th. 

Friedenan  bei  Berlin. 

Schnlts,  Dr. 

Friedrieksbagen  bei  Berlin. 

König,  Dr.  Otto. 

Filrtk  i.  Bayern. 

Frank,  Dr.  Jacob.  —  Stark,  Dr.  Emil.  —  Wollner,  Dr.,  Spesialarst 
f.  Angenkrankh.  —  Oppenheimer,  Dr.,  Spezialarzt  f.  Ohrenkrankh. 

Gera  (Rea£s). 

Ahlers,  Dr.  Panl. 

Gersweiler  (Beg.-Bez.  Trier). 

Fanth,  Dr. 

Giefsen. 

Bötticher,  Dr.,  Kreisassistensarzt. 

GSrUtc. 

Anders,  Dr.  Joh.  —  Hartmann,  Dr.  Rieh.  —  Beimer,  Dr«  Karl, 
Stadtarzt  —  Rondke,  Dr.  Wilhelm.  —  Scholz,  Dr.  Karl.  —  Zernik,  Dr. 
Bmil,  SanitStsrat. 

GSttingen. 

Frank,  Dr.  —  Hildebrandt,  Dr.  L. 

Gransee  (Beg.-Bez.  Potsdam). 

Wendt,  Dr. 

Grefs-Lickterft^lde. 

Arnstein,  Dr.  Arth.  —  Fiege,  Dr.  Wilh.  —  Kröcher,  Dr.,  Sanitatsrat. 

—  Bepenthin,  Dr.  Walt 

Grunewald  (Reg.-Bez.  Potsdam). 

Bindemann,  Dr. 

Hagen  i.  Westf. 

Hefs,  Dr.  Friedr.  —  Kettler,  Dr.  Paal.  ~  Schnettler,  Dr.  Angost. 

—  Schmidt,  Dr.  Fr.  —  Voormann,  Dr.  Alb. 

Augenarzt:  May  weg,  Dr.,  Sanitatsrat 

Der  Schnlarit.  I.  26 


242  848 

Halberstadt. 

Horitz,  Dr.,  Kreizarzt  n.  Medizinalrat,  „erster  Sohularzf.  —  Nagel, 
Dr.,  AnnenarlBt. 

flanbon  (Kreis  Buhrort). 

Beanclair,  Dr.  —  Bossmann,  Dr.  —  Egner,  Dr.  —  Loose,  Dr.  — 
Miiller,  Dr.  —  Sch&fer,  Dr.  —  Vilmar,  Dr.  —  ZnraUt,  Dr. 

Hameln. 

Steinebach,  Dr.  Joh.,  Hedizinalrat,  Kreisarzt.  —  The.il knhl,  Dr. 

Bannoyer. 

Bollhagen,  Dr.,  Nervenarzt,  für  die  Hilfsschulen  für  Schwachbegabte. 

HeilbroDii. 

Die   jeweiligen    Assistenzärzte    des    städt.   Krankenhauses    fungieren    als 
Schulärzte. 

Herford  (Eeg.-£ez.  Minden). 

Rh  einen,  Dr.,  Medizinalrat  u.  Kreisarzt. 

Herne  (Keg.-Bez.  Arnsberg). 

Arndt,  Dr.  med. 

Dmenau  (Sachsen- Weimar). 

Michael,  Dr.  Walter.  —  Wiesel,  Dr.  Rieh. 

Jena. 

(Vakat.) 

Insterbnrg  (Reg.-Bez.  Gumbinnen). 
Arlart,  Dr.  Fritz.  —  Sprunck,  Dr.  BLans. 

St  Johann  a.  Saar. 

Becker,  Dr.  Alfred.  —  Martens,  Dr.  Wilhelm. 

Kassel. 

Rockwitz,  Dr. Karl,  Obmann.  — Ahlborn,  Dr.  Sigmd.  —  Kölsohtzky. 
Dr.  Franz.  —  Meder,  Dr.  Richard.  —  Reuffurth,  Dr.  Ad.  —  Schwarz- 
köpf,  Dr.  Karl. 

Kiel. 

Bockend ahl,  Dr.,  Medizinalrat  u.  Kreisarzt  —  Kattein,  Dr. 

KSnigsberg  i.  Nm. 

Peyser,  Dr.,  Sanitätsrat. 

KSnigsberg  i.  Pr. 

Ascher,  Dr.  Louis,  Kreisassistenzarzt.  — Bongers,  Dr.  Paul.  —  Cohn, 
Dr.  Rudolf,  Professor.  —  Dräer,  Dr.  Arthur.  —  Hensel,  Dr.  Karl.  —  Lahr, 
Dr.  —  Laser,  Dr.  Hugo.  ^  Rosenstock,  Dr.  Job.  —  Schellong,  Dr.  Otto. 
—  Voelsch,  Dr.  Max. 


Glowalla,    Dr.  Leopold.    —    Kaiser,   Dr.  Salo.    —    Kissinger,    Dr, 
Philipp.  —  Patrzek,  Dr.  Franz.  —  Steffiar,  Dr.,  Augenarzt. 

(SohluCs  des  Verzeichnisses  folgt  in  Heft  12) 


Jrttfilin|)  fir  Si||iitg(fitabl|(it$|i|lr|(. 

XVL  Jahrgang.  1903.  No.  12. 


(i^risittaUb^attblttttsen. 


Das  Nationalkonvikt  in  Tivoli,  schnlhygienisch  beleuchtet. 

Von 
L.    KOTELMANN. 

(Mit  3  Abbildungen.) 

Für  die  Errichtung  eines  mit  einer  höheren  Sohule  verbundeneD 
Internates  dürfte  sich  kaum  ein  passenderer  Ort  finden  als  Tivoli  in 
der  Provincia  Romana. 

Die  Stadt  zählt  nur  17000  Einwohner,  und  die  Schüler  werden 
daher  durch  grofsstädtisohe  Zerstreuungen  von  ihrer  Wissenschaft* 
liehen  Arbeit  nicht  abgezogen.  Anderei*seits  haben  sie  Gelegenheit, 
die  Altertümer  und  Kunstschätze  Roms  zu  studieren,  da  dieses  täg- 
lich mehrmals  in  IVa  bis  2  Stunden  erreicht  werden  kann. 

Vor  allem  aber  ist  Tivoli  hygienisch  auiserordentlich  bevorzugt. 
Es  liegt  im  Sabinergebirge,  ist  zu  einem  grofsen  Teil  von  Oliven- 
wäldern umgeben  und  grenzt  an  die  ausgedehnte  Campagna,  aus  der 
in  der  Ferne  die  Kuppel  der  Peterskirche  hervorragt.  Die  Luft 
zeichnet  sich  infolgedessen  durch  Reinheit  und  hohen  Ozongehalt 
aus,  und  ihre  Temperatur  wird  im  Sommer  durch  die  Höhenlage 
des  Ortes  und  die  Katarakte  des  Anio,  welche  eine  starke  Ver- 
dunstungskälte  verbreiten,  gemäfsigt.  Auch  das  Wasser  ist  vor- 
tre£Flioh.  Eine  Leitung  bringt  es  aus  den  Bergen  bei  Subiaco  nach 
Tivoli,  und  zwar  nicht  nur  in  sehr  reichlicher  Menge,  sondern  auch 
in  töUig  reiner  und  durch  seinen  Kohlensäuregehalt,  sowie  seine 
Kühle  erfrischender  Bescha£Penheit. 

Unter  diesen  Umständen  kann  es  nicht  überraschen,  dals  Tivoli 
von  jeher  ein   beliebter  Sommeraufenthalt  war.    Schon   Horaz  und 

Sebalgetfundheitspflege.  XVI.  42 


850 

Martial  haben  es  als  solcheo  besungen,  Aagustus,  Mäcen  und  Quinctilius 
Varus  hatten  hier  ihre  Villen,  und  noch  heute  wird  der  Ort  von 
erholungsbedürftigen  Römern  vielfach  besucht. 

So  war  es  denn  ein  glücklicher  Gedanke,  ihn  zum  Sitz  eines 
Alumnates  zu  machen,  das  nach  dem  Bruder  des  Königs  von  Ita- 
lien den  Namen  ^Convitto  Nazionale  e  R.  Scuole  Secondarie  Amedeo 
di  Savoia  Duca  d'Aosta"  führt. 

Die  gesamte  Anstalt  zerfällt  in  zwei  Teile:  ein  humanistisches 
Gymnasium  und  eine  technische  Schule.  Während  die  letztere  f^r 
zukünftige  Handwerker  bestimmt  ist,  wird  das  Gymnasium  von 
solchen  Schülern  besucht,  die  sich  dem  Studium  oder  einem  anderen 
höheren  Beruf  widmen  wollen. 

Die  Scuola  tecnica  hat  nur  drei  Klassen,  die,  von  unten  ge- 
zählt, als  Prima,  Sekunda  und  Tertia  bezeichnet  werden.  Bei  dem 
humanistischen  Gymnasium  sind  zwei  Teile  zu  unterscheiden:  das 
Gymnasium  im  engeren  Sinne  mit  den  fünf  Klassen  Prima  bis 
Quinta  und  das  sich  daran  anschliefsende  Lyceum  mit  den  drei 
Klassen  Prima  bis  Tertia.  Das  Gymnasium  entspricht  den  unteren 
und  mittleren  Klassen  unserer  deutschen  Gymnasien,  das  Lyceum 
deren  oberen  Klassen.  Der  Kursus  in  sämtlichen  Klassen  ist  ein- 
jährig. 

Die  technische  Schule  wird  von  70  Schülern  besucht,  das  Gym- 
nasium von  75,  das  Lyceum  von  einer  geringeren  Zahl.  Von  den 
Schülern  gehören  73  als  Alumnen  dem  Konvikte  an. 

Dieses  ist,  wie  die  nebenstehende  Zeichnung  zeigt,  ein  stattliches, 
nach  allen  Seiten  freiliegendes  Gebäude,  das  im  Innern  einen 
Garten  und  mehrere  Höfe  umschliefst/  Es  enthält  die  Klassen,  die 
Räume  für  die  Internen  und  aufserdem  die  Wohnung  des  Direktors. 

Die  Klassen  sind  hoch  und  luftig.  Für  die  VentilatioD  ist 
durch  Klappen  von  mattem  Glas  in  dem  oberen  Teil  der  Fenster 
gesorgt;  au&erdem  reichen  letztere  bis  auf  den  Fufsboden  herab,  so 
dafs  sie,  wenn  geöffnet,  viel  Luft  einlassen. 

Das  Licht  kommt  den  Schülern  von  links.  Es  ist  reichlich 
vorhanden  und  kann  durch  hölzerne  Fensterläden  abgeschlossen 
werden.  Diese  sind  statt  der  bei  uns  üblichen  Vorhänge  in  Gebrauch, 
da  das  Sonnenlicht  in  Italien,  sowohl  was  die  Helligkeit,  als  was 
die  Wärme  anbetrifft,  bekanntlich  sehr  intensiv  ist. 

Die  innere  Einrichtung  der  Schulzimmer  zeichnet  sich  durch 
grofse  Einfachheit  aus.  An  den  Wänden  hängt  je  ein  Kruzifix,  ein 
Bild  des  regierenden   Königs  und  seines  Vaters,   sowie  eine  Anzahl 


851 

geographischer  Karten.  Aulkerdem  siad  einige  eiserne  Hakeo  für 
die  Eilte  nnd  Kleider  der  Schiller  angebracht,  trotzdem  Kleidangs- 
stiictEe,  da  sie  die  Luft  versohlechterD,  nicht  in  die  Klassen,  sondern 
auf  die  Korridore  oder  in  besondere  Giarderoben  gehKren. 

Was  daa  Mobiliar  anbetriGTt,  so  ist  in  jeder  Klasse  eine  bölüerne 
Wandtafel  auf  beweglichem  Gestelle  vorhanden.  Die  Suhsetlien, 
die  aas  einer  Fabrik  für  Schul-  und  Turngeräte  in  Bari  stammen, 
sind  sehr  verschieden.  In  der  Tertia  des  Lyceums  finden  sich 
Kinzeltisohe  mit  Stühlen.  Die  Tischplatte  besteht  ans  einem  35  cm 
breiten  geneigten  nnd  einem  17  cm  breiten  horizontalen  Teil; 
in  letzteren  ist  das  Tintenfafs  eingelassen.  Unter  der  Tischplatte 
befindet  sich  ein  Kasten  fUr  die  BUcher  und  unter  diesem  über  dem 


Nalionalkonvikt  in  Tivoli. 

Boden  ein  Rost  für  die  Füfse;  solche  Roste  sind  nötig,  da  der  Fufs- 
boden,  wie  fast  immer  in  Italien,  aus  Stein  besteht.  Während  die  Tische 
drei  verschiedene  Crröfsen  besitzen,  sind  die  Stühle  alle  gleich  hoch, 
was  hygienisch  natürlich  unzulässig  ist.  Anders  verbalten  sich  die 
Subsellien  in  der  Prima,  d.  i.  der  untersten  Klasse  des  Gymnasiums. 
Hier  stehen  zweisitzige  Bänke,  alle  von  gleicher  Höhe.  Sie  haben 
eine  Tischplatte  von  30  cm  Breite,  in  deren  Mitte  sich  das  Tinten- 
fafs befindet,  einen  Höhenunterschied  zwischen  Pult  nnd  Sitz  von 
34  cm  niid  eine  sogenannt«  Nulldistaaz.  Die  Breite  der  ans  Latten 
bestehenden  Bank  beträgt  25  cm.  Als  schräg  nach  hinten  geneigte 
Lehne  dient  der  nächste  Tisch,  der  mit  der  vorhergehenden  Bank 
fest  verbanden  ist.  In  der  letzten  Subsellienreihe  vertreten  deshalb 
Schemel  die  Stelle  der  Bank. 

<2* 


852 

Die  Räumlichkeiten  für  die  Internen  bestehen,  abgesehen  von 
einem  prächtigen  Festsaal,  aus  füof  Arbeitszimmern,  von  denen  jedes 
für  eine  Squadra,  d.  i.  eine  Abteilung  von  nicht  ganz  20  Schülero, 
bestimmt  ist.  Ebeuso  sind  fünf  Schlafsäle  vorhanden,  in  denen  je 
eine  Squadra  schläft.  Die  Bettstellen  bestehen  aus  Eisen  nnd 
enthalten  eine  Uatratze,  eine  Wolldecke  und  eine  Steppdecke  aus 
Baumwolle.  Gegessen  wird  in  einem  gemeinsamen  Eissaal,  der  70 
bis  80  Plätze  besitzt.  Für  die  Hautpflege  der  Zöglinge  stehen 
zwölf  Wannenbäder  und  vier  Duschen  zur  Verfügung.  Das  gut 
eingerichtete  Hospital  enthält  nur  selten  Kranke,  die  meist  an 
„verdorbenem  Magen^  leiden.  Von  Infektionskrankheiten  pflegen  nur 
Masern  und  Scharlach  vorzukommen.  Tuberkulose  ist  nie  beobachtet 
worden.  Etwas  trägt  wohl  hierzu  bei,  dafs  es  verboten  ist,  auf 
den  Fufsboden  zu  spucken;  denn  in  den  Klassen  und  auf  den 
Korridoren  liest  man  vielfach  die  Inschrift:  ^Per  ragioni  di  igiene 
b  proibito  di  sputare  sul  pavimento*". 

Die  Körperpflege  der  Alumnen  läfst  kaum  etwas  zu  wünschen  übrig. 
Sie  tragen  eine  nicht  zu  eng  anschliefsende  Uniform  von  schwarzem 
Tuch,  die  mit  Schnüren  und  Goldstickerei  verziert  und  daher  sehr 
kleidsam  ist.  Die  von  ihnen  benutzten  Glacehandschuhe  erscheinen 
uns  Deutschen  für  Schüler  entbehrlich. 

Die  Ernährung  ist  gut  und  reichlich.  Des  Morgens  um  8Vt 
Uhr  wird  Elaflfee  mit  Milch  und  Weifsbrod,  jedoch  ohne  Butter  ver- 
abreicht. Das  Mittagessen  findet  um  12  Uhr  statt  und  besteht  aus 
Suppe,  zwei  Fleischgerichten  und  Gemüse,  wozu  Sonntags  eine  sülse 
Speise  hinzukommt;  aufserdem  steht  Brod  nach  Belieben  zur  Ver- 
fügung. Als  Getränk  erhalten  die  jüngeren  Schüler  Vs,  die  älteren 
^A  1  Wein.  Bei  dem  schädlichen  Einflufs,  den  Alkohol  gerade  auf 
die  Jugend  ausübt,  sollte  man  denselben  jedoch  aus  den  Internaten  ver- 
bafihen.  Zu  Abend  gibt  es  um  8  Uhr  Suppe,  eine  Fleischspeise 
mit  Gemüse  und  Früchte,  dazu  Brod  und  ebensoviel  Wein  wie  am 
Mittag. 

Auch  an  Bewegung  in  freier  Luft  fehlt  es  den  Zöglingen  nicht, 
indem  sie  täglich  einen  Spaziergang  von  P/s  bis  2  Stunden  unter- 
nehmen. Sie  sind  dabei  in  kleinere  Gruppen  verteilt,  die  von  je 
einem  Lehrer  und  Diener  begleitet  werden,  während  man  in  Deutsch- 
land in  dieser  Beziehung  wenigstens  den  älteren  Schülern  gröfsere 
Freiheit  gewährt. 

Von  den  Körperübungen  findet  das  Exerzieren  und  Turnen 
gleichfalls    im    Freien    statt.     Dem    ersteren    ist    eine   Stunde,  dem 


letzteren  sind  zwei  Stunden  wöchentliob  gewidmet.  Beim  Exerzieren 
werden  auch  Übungen  im  Zielen  mit  dem  Gewehre  Torgenommen. 
Das  Turoen  hatte  ich  Gelegenheit  in  zwei  Unterrichtsstunden, 
von  denen  die  eine  an  Interne,  die  andere  an  Externe  erteilt  wurde, 
Daher  keouen  zn  lernen.  Nachdem  ich  von  den  Internen  militärisch 
begrüfst  worden  war,  führten  sie  einen  Dauerlauf  aus  uud  nahmen 
dann,  auf  allen  Vieren  kriechend,  verschiedene  Übungen  auf  dem 
Erdboden  vor.  In  den  HAuden  hielten  sie  dab?i  ein  Brettchen  mit 
Griff,  um  vor  Verunreinigung  durch  die  Erde  geschützt  zu  sein. 
Zum  Schlufs  wurde  an  Stangen  and  Stricken  geklettert,  wie  sie  auf 


Tumhof  de»  National konvikt«  in  Tivoli. 

dem  hier  abgebildeten  Tumhof  zn  sehen  sind.  Wer  den  höchsten 
Punkt  erreichte,  befestigte  oben  eine  Fahne.  Die  Externen  begannen 
gleichfalls  mit  einem  Danerlauf.  Sodann  wurde  über  eine  Schnor 
gesprungen.  Der  Hocheprnng  fand  mit  Anlauf  von  einem  Pufebrett 
aus  statt,  der  dazu  gehörige  Absprung  mit  ausgestreckten  Armen. 
Warum  für  diesen  Absprung  eine  staubige  Matrafze  und  nicht  der 
aufgelockerte  and  leicht  befeuchtete  Boden  benatzt  wurde,  ist  mir 
nicht  verständlich.  Dem  Springen  folgten  Übungen  mit  eisernen 
Stäben,  die,  je  nach  der  Kraft  der  Schüler,  verschieden  schwer  waren 
und  zunächst  in  die  Ferne  geschleudert  worden.    Darauf  hatten  die 


8Ö4 

Tarnenden  den  Eisenstab  mit  beiden  Armen  in  horizontaler  Rich- 
tung bald  hoch,  bald  niedrig  zu  halten.  Zwei  andere  Stäbe,  in 
jeder  Hand  einer,  mufsten  dagegen  senkrecht  möglichst  hoch  ge- 
hoben werden.  Für  das  zuletzt  vorgenommene  Fufsballspiel  schienen 
mir  die  Knaben  etwas  zu  jung  zu  sein;  der  Ball  wurde  teils  mit 
dem  Fufs,  teils  mit  der  Hand  geschleudert. 

Von  Turngeräten  sah  ich  aulser  den  erwähnten  noch  das  Beck 
und  einen  wagereohten  Balken,  der  tiefer  und  höher  gestellt  werden 
konnte  und  mit  halbkreisförmigen  Eisenbügeln  versehen  war;  ich 
vermute,  dafs  er  die  Stelle  des  Pferdes  vei-trat.  Ferner  waren  Keulen 
im  Gewicht  von  14  bis  18  kg  zum  Schwingen  vorhanden.  Der 
Barren  fehlte  dagegen. 

Wie  für  das  Turnen,  so  sind  auch  für  das  Fechten  zwei  Stunden 
in  der  Woche  bestimmt.  Der  geräumige  Fechtsaal,  von  dem  auf  Seite  855 
eine  Abbildung  folgt,  ist  mit  Fahnen,  Gewehren,  Säbeln,  Floretts 
und  Drahtmasken  zum  Schutze  des  Kopfes  verziert.  Obgleich  der 
Fechtunterricht  nur  fakultativ  erteilt  wird,  so  nehmen  doch  die 
älteren  Schüler  fast  alle  daran  teil,  da  namentlich  das  Stofsfechten 
als  eine  vornehme  Kunst  gilt.  Daher  auch  die  Inschriften  an  deu 
Wänden:  „Onore  alle  arme"  und  „La  scherma  nobilita  ed  e  Tarie 
dei  cavallieri".  Als  Tugenden,  die  es  fördert,  werden  ihm  nach- 
gerühmt: „Disciplina,  Coraggio,  Abnegazione,  Lealtä  und  Cortesia". 
In  der  Tat  zeichneten  sich  die  fechtenden  Schüler  durch  vornehme 
Höflichkeit  aus,  '  so  dafs  sie  den  deutschen  Knaben  in  dieser  Be- 
ziehung zum  Vorbild  dienen  könnten.  Aufser  dem  Florettfechten 
wird  auch  das  Säbelfechten  und  das  Fechten  mit  Holzstäben  be- 
trieben. 

Nicht  minder  als  für  die  Pflege  und  Erholung  des  Leibes  ist 
für  die  geistige  Zerstreuung  der  Alumnen  gesorgt.  Es  besteht  eine 
Schülerkapelle,  die  oft  fröhliche  Weisen  auf  ihren  Blasinstrumenten 
ertönen  läfst.  Ferner  werden  die  Zöglinge  in  passende  Stücke  des 
Theaters  geführt,  und  endlich  finden  sogenannte  Konferenzen,  d.  i- 
wissenschaftliche  Vorträge,  im  Konvikte  statt,  an  denen  auch  die 
Honoratioren  der  Stadt  teilnehmen.  Ein  solcher  Vortrag,  den  ich 
hörte,  behandelte  „die  Zustände  des  Theaters  und  der  musikalischen 
Bildung  in  Rom  im  zweiten  Viertel  des  neunzehnten  Jahrhunderts 
(18:^5 — 1850)**  und  war  aufserordentlich  anregend. 

Für  geistige  Ausspannung  sorgen  aufserdem  die  Ferien.  Die 
längsten  sind  die  Sommerferien,  welche  drei  Monate,  von  Anfang 
Juli  bis  Ende  September  dauern  und  nur  für  diejenigen,  welche  die 


855 

A.ligang8prUfiuig  machen  wollen,  verkürzt  werden.  Weiter  sind  nocli 
L6  Tage  frei,  nAmlich  die  kirchlichen  Feste,  wie  Weihnacht,  Fast- 
nacht, Ostern,  der  Geburtstag  des  Königs  nnd  der  Königin  tmd  vei- 
sohiedene  andere  Nationalfeiertage. 

Auch  während  des  Schuljahres,  das  sich  vom  1.  Oktober  hia 
Flui»  Jani  erstreckt,  findet  keine  Überanstrengung  statt.  Das  Ziel 
der  italienischen  Gymnasien  ist  etwas  niedriger  als  das  der  deutschen. 


FudiUaal  des  Nntioniilkonvikts  in  Tivoli. 

da  es  in  acht  und  nicht  wie  bei  uns  in  neun  Jahren  erreicht 
wird.  Dem  entsprechend  betrügt  auch  die  wöchentliche  Unter- 
richtszeit weniger  als  in  Deutschland.  Die  alteren  Schüler  besuchen 
die  Klasse  von  9  bis  12  Uhr  vormittags  und  von  4',*  bis  6Vt  Uhr 
nachmittags,  die  jflageren  am  Nachmittag  kürzere  Zeit;  dabei  sind 
aber  alle  Mittwoch-  und  Sonnabendnachmittage  frei.  Das  ergibt  für 
die  ^teren  Knaben  26  Stunden  pro  Woche  gegenüber  32  Stunden 
bei  uns. 


856 

Strafen  zur  AnstreDgung  des  Lerneifers  werdeo,  wie  überhaupt 
Strafen,  selten  verhängt.  Sie  bestehen  in  privaten  oder  öffentlichen 
Ermahnungen,  in  Entziehung  des  Spaziergangs,  in  Elarzer  bis  zu 
drei  Tagen  und  in  Zurückbehaltung  während  der  Ferien;  körper- 
liche Züchtigungen  sind  ausgeschlossen. 

Endlich  wird  den  Aluronen  hinreichende  Zeit  zum  Schlafe  ge- 
währt. Sie  stehen  im  Sommer  um  5^/s  ühr,  im  Winter  um  6  Dbr 
auf  und  geben  um  97«  Dbr  zu  Bett.  Aufserdem  schlafen  sie  1  bis 
V/\  Stunde  nach  Tisch,  da  die  grofse  Mittagshitze  Italiens  starke 
Ermüdung  erzeugt. 

Vor  allem  aber  lassen  sich  der  treffliche  Direktor,  Herr  Dr. 
Marcello  Rocchetti,  und  die  ihm  unterstellten  Lehrer  und  Er- 
zieher die  Fürsorge  für  das  geistige  und  körperliche  Wohl  der  ihnen 
anvertrauten  Jugend  auf  das  wärmste  angelegen  sein.  Die  Lehrer, 
die  sämtlich  den  Titel  Professor  führen  und  sich  durch  Erwerbung 
des  Doktorats  (Laurea  di  Dottore)  als  für  das  Lehramt  befähigt  aus- 
weisen müssen,  leisten  wissenschaftlich  zum  Teil  Hervorragendes, 
wie  denn  einige  zugleich  als  Docenten  an  der  Universität  Rom  wirken. 
Es  sind  ihrer  etwas  mehr  als  20,  von  denen  15  am  Gymnasium  bezw. 
Lyceum,  7  an  der  technischen  Schule  unterrichten.  Die  Erzieher 
erteilen  keinen  Unterricht,  höchstens  in  den  Elementarklassen.  Allen 
diesen  Herren  sage  ich  für  das  freundliche  Entgegenkommen  und 
die  bereitwillige  Unterstützung,  die  sie  mir  bei  meinen  Untersuchungen 
gewährt  haben,  zum  Schlufse  verbindlichsten  Dank. 


Über  die  zweckmälbi{^te  Einrichtong  von  Bchnlaxztstellen 

in  Städten  mittlerer  Gröliie. 

Von 
Dr.  med.  F.  Wex- Lübeck. 

(Schlufs.) 

Aus  dieser  'Zusammenstellung  der  schulärztlichen  Einrichtungen 
in  25  Städten  ergibt  sich  folgendes: 

ad  1.  Alle  Städte,  mit  Ausnahme  Nürnbergs,  haben  eine 
genaue  Untersuchung  aller  Neuaufgenommenen  innerhalb  der  ersten 
Wochen  nach  Beginn  des  Schuljahres  bezw.  -halbjahreis  mit  Ans- 
füUung  eines  Gesundheitsbogens  durch  den  Schularzt  angeordnet. 


857 

Diese  UntersuchuDg  soll  feststellen,  ob  und  welche  Kinder  einer 
dauernden  ärztlichen  Überwachung  oder  besonderer  Berücksichtigung 
beim  Schulunterricht  (z.  B.  Ausschliefsung  vom  Unterricht  in  ein- 
zelnen Fächern,  wie  Turnen  und  Gesang,  oder  Beschränkung  in  der 
Teilnahme  am  Unterricht,  Anweisung  eines  besonderen  Sitzplatzes 
wegen  Gesichts-  oder  Gehörsfehler  u.  s.  w.)  bedürfen. 

Von  den  „Gesundheitsscheinen^  liegt  ein  Muster  bei.  (Anlage  A.) 
JBrscheint  ein  Kind  einer  ständigen  ärztlichen  Überwachung  bedürftig, 
so  ist  der  Vermerk  ^ärztliche  Kontrolle''  auf  der  ersten  Seite  oben 
rechts  zu  machen.  Die  Spalte,  betreffend  „allgemeine  Konstitution '^f 
wird  bei  der  Aufnahmeuntersuchung  für  jedes  Kind  ausgefüllt,  und 
zwar  nach  den  Kategorien  „gut,  mittel  und  schlecht*". 

Kinder,  deren  allgemeine  Konstitution  als  „schlecht"  bezeichnet 
ist,  werden  so  lange  als  „unter  ärztlicher  Überwachung'*  stehend  be- 
handelt,  bis  der  Schularzt  sie  ausdrücklich  auf  ihrem  Gesundheits- 
schein als  dessen  nicht  mehr  bedürftig  bezeichnet. 

Dan  zig  verlangt  einen  Gesundheitsbogen  nicht  für  alle,  sondern 
—  wie  es  auch  ursprünglich  in  Wiesbaden  der  Fall  war  —  nur 
für  die  einer  dauernden  ärztlichen  Kontrolle  bedürftigen  Kinder;  und 
Schöneberg  stellt  einen  solchen  nicht  gleich  bei  der  Aufnahme- 
Untersuchung,  sondern  erst  nach  Ablauf  des  ersten  Schulhalb- 
jahres aus. 

Vier  Städte  (Berlin,  Düren,  Erfurt,  Schöneberg)  schreiben 
auch  noch  eine  Untersuchung  darauf  vor,  ob  das  Kind  überhaupt 
Bchul&hig  ist,  und  zwar  verlangen  Berlin  und  Sohöneberg  lo- 
gischerweise diese  Untersuchung  vor  der  Einstellung  in  die  Schule. 
Von  dem  Ausfall  der  Untersuchung,  welche  in  Charlottenburg 
„möglichst  in  Gegenwart  der  Eltern 'S  denen  auch  in  Berlin  und 
Offenbach  „die  Anwesenheit  gestattet  ist'',  sonst  in  Gegenwart  des 
Klassenlehrers  bezw.  einer  Lehrerin  vorgenommen  werden  soll, 
hängt  einmal  —  wo  dies  vorgeschrieben  —  ab,  ob  das  Kind  über- 
haupt auf  der  Schule  verbleibt  (bezw.  aufgenommen  wird)  und  ferner, 
ob  es  einer  dauernden  Beaufsichtigung  und  Berücksichtigung  bedarf. 
(Falls  die  Eltern  dies  wünschen,  können  die  Gesundheitsscheine  eben- 
so gut  von  irgend  einem  anderen  approbierten  Arzte  ausgefüllt  sein. 
Formulare  hierzu  sind  jederzeit  unentgeltlich  zu  haben.) 

ad  2.  In  den  ersten  Tagen  nach  Schulbeginn  soll  in  Aachen, 
Gas  sei  und  Wiesbaden  —  unabhängig  von  der  Untersuchung 
ad  1  —  eine  äufsere  Revision  der  Neuaufgenommenen  behufs  Er- 
mittelung von  übertragbaren  Krankheiten  und  Ungeziefer  statthaben. 


858 


Anlage  A. 


für 


geboren  den 
geimpft     „ 
wiedergeimpft 


Gesnndheitsschein    _ _ 

,   Sohn  —  Tochter  —  d  

.18 Schule seit 1 

18 

.     .18 


Datum 

und 

Schuljahr 


Allgemeine     1  ^^gß^ 


Haut- 


Konstitution 


^  Brust-  'i 

I    um-    '  ^^^^  ^^^  '■      «rkran- 


s. 


I. 


w. 


cm 


■'  wicht       , 


kg:     [i     cm 


Bauch 


kungen 
^Parasiten) 


Wlrbel- 
sinle 
und 
Extre- 
mitäten 


S  : 


II. 


W. 


s. 

TIT 

1               .        1        ' 
1        .'        Il 

1 
1 

II 

1 

111. 

1                             .'II 

1 

1 

w. 

1                                          1                     1                       1 

- 

1 

1 

1 

Datum 

und 

Schuljahr 


I     Augen 

und 
Sehschärfe 


Ohren 

und 
Gehör 


Mund, 

Nase 

und 

Sprache 


Besondere     |i 
Bemerkunjren 
u.  Vorschläge ,, 

für  die 
Behandlung   >| 
in  der 
Schule 


Mit- 
teilungen i 
an  die 
Eltern 


Bemerkan^» 
des 
Lehrer» 


859 

Oöln  verlangt  diesA  Revision  nach  Beginn  jedes  Halbjahres,  and 
zwar  in  sämtlichen  Klassen. 

ad  3.  Abgesehen  von  den  Kindern,  welche  als  unter  ärztlicher 
Überwachung  stehend  betrachtet  werden,  wird  die  genaue  Unter- 
suchung (wie  1)  in  acht  Städten  wiederholt,  um  Veränderungen  im 
Gesundheitszustand  nach  der  einen  oder  anderen  Seite  hin  feststellen 
zu  können.  Einmal  wird  die  Untersuchung  wiederholt  in  Posen, 
wo  ^nach  Verlauf  von  einem  halben  bis  ganzen  Jahr''  und  in 
Chemnitz,  wo  ^im  Oktober  jedes  Jahres''  eine  Nachbesichtigung 
sämtlicher  zu  Ostern  in  die  unterste  Klasse  eingetretener  Kinder 
stattzufinden  hat.  Begelmäfsige  Nachschau  wird  verlangt  „in 
jedem  Balbjahr"  in  Elmshorn,  „mindestens  einmal  im  Laufe 
eines  Jahres*'  in  Offenbach,  ^beim  dritten,  fünften  und  achten 
Jahrgang"  in  Wiesbaden  und  Cassel,  „bei  Beginn  des  vierten 
und  siebenten  Schuljahres"  in  Düren,  und  endlich  „bei  Knaben, 
welche  in  die  vierte  und  bei  Mädchen,  welche  in  die  fünfte  Klasse 
versetzt  sind,   sowie  beim  Abgang  von  der  Schule^  in  Elensburg. 

Mit  einer  Bestimmung  steht  Wiesbaden  isoliert  da,  sie  lautet: 
„Es  ist  erwünscht,  dafs  nach  Untersuchung  der  zur  Entlassung 
kommenden  Schüler  des  achten  Jahrgangs  ein  abschlieisendes  Urteil 
über  die  Gesamtentwicklung  des  Kindes  während  seiner  Schulzeit 
in  seinen  Gesundheitsschein  eingetragen  werde,  und  zwar  unter  Be- 
rücksichtigung der  während  jener  Zeit  stattgehabten  nennenswerten 
Erkrankungen,  welche  von  dem  Klassenlehrer  zu  notieren  sind.^ 

ad  4.  Von  geringerer  Bedeutung,  aber  für  die  Organisation 
des  schulärztlichen  Dienstes  doch  von  Wichtigkeit  ist  die  Frage  der 
Wägungen  und  Längenmessungen,  über  welche  wir  allerdings 
in  zehn  Dienstanweisungen  Angaben  vermissen.  Sie  wird  in  elf 
Städten  vom  Lehrpersonal,  in  zweien  vom  Schuldiener  unter  Auf- 
sicht des  Lehrers,  und  nur  in  Düren  und  Heilbronn  durch  den 
Schularzt  selber  vorgenommen. 

Während  Längen messungen  und  Wägungen  für  gewöhnlich  halb- 
jährlich zu  machen  sind,  finden  sie  in  Elmshorn  nur  jährlich,  und 
in  Düren  bei  der  Aufnahme  sowie  den  Nachuntersuchungen  (ad  4) 
statt.  In  Britz  brauchen  nur  die  unter  ärztlicher  Überwachung 
stehenden  gemessen  und  gewogen  zu  werden. 

Die  Messung  des  Brustumfangs  wird  stets  vom  Arzt  vorge- 
nommen, und  zwar  nur  bei  Kindern,  die  einer  Lungenerkrankung 
verdächtig  sind,  oder  deren  allgemeine  Konstitution  im  Gesundheits- 
schein   als    „schlecht^^    bezeichnet    ist.      Sie    darf   in    Friedrichs- 


860 

hagen    und    Britz    nur    in    der    elterlichen    Wohnung    ausgeführt 
werden. 

ad  5.  Ein  integrierender  Teil  der  Aufgaben  des  Schularztes 
ist  in  seiner  Tätigkeit  als  ^Schülerarzt^  gegeben,  wobei  all» 
Dienstanweisungen  ausdrücklich  darauf  hinweisen  und  es  betonen, 
dafs  die  Behandlung  eines  erkrankten  Schulkindes  niemals  Sache 
des  Schularztes  ist.  Er  soll  nur  untersuchen  und,  falls  notwendig, 
die  Eltern  benachrichtigen  lassen,  denen  stets  die  Wahl  des  Arztes 
überlassen  bleibt. 

Es  ist  zu  dem  Behuf  in  der  Schule  die  sogenannte  „Sprech* 
stunde^  eingerichtet,  die  vormittags  in  der  Dauer  von  ungefähr  zwei 
Stunden  abgehalten  wird,  und  deren  erster  Teil  zu  einem  je  10  bis 
15  Minuten  dauernden  Besuch  von  zwei  bis  fünf  Klassen  während 
des  Unterrichts  dient. 

Jede  Klasse  soll  womöglich  zweimal  (nach  einigen  Dienst- 
an  Weisungen  einmal)  während  eines  Halbjahres  besucht  werden. 
Bei  diesen  Besuchen  werden  sämtliche  Kinder  einer  äufseren  Revi- 
sion unterzogen ;  bei  besonderen,  zu  sofortiger  Besprechung  geeig- 
neten Beobachtungen  wird  von  dem  Lehrer  Auskunft  gefordert  und 
ihm  solche  erteilt. 

Erscheinen  hierbei  einzelne  Kinder  einer  genaueren  Unter- 
suchung bedürftig,  so  ist  diese  nachher  in  einem  besonderen  Baume 
vorzunehmen. 

Gleichzeitig  dienen  diese  Besuche  auch  zur  Revision  der  Schul- 
lokalitäten und  deren  Einrichtungen,  sowie  zur  Kontrolle  über  Ven- 
tilation, Heizung,  körperliche  Haltung  der  Schulkinder  u.  s.  w. 

In  der  zweiten  Hälfte  der  Sprechstunde  werden  die  erforder- 
lichen genaueren  Untersuchungen  vorgenommen.  Auch  sind  hierbei 
Kinder  aus  anderen,  an  dem  Tage  nicht  besuchten  Klassen  dem 
Arzte  in  dringenden  Fällen,  besonders  bei  Verdacht  auf  ansteckende 
Krankheiten,  zuzuführen* 

Die  Häufigkeit  dieser  „Sprechstunde^  ist  eine  verschiedene.  In 
elf  Städten  findet  sie  alle  14  Tage  und  in  ebenso  vielen  alle  Monate 
statt,  in  der  Weise,  dafs  jede  einzelne  Klasse  im  Semester  zwei- 
(bezw.  ein-)mal  untersucht  wird,  während  Cöln  nur  alle  Viertel- 
jahr eine  Sprechstunde  hat.  In  Berlin  findet  sie  „in  angemessenen^ 
und  in  Düren  in  „regelmäfsigen^  Zwischenräumen  statt. 

Die  Untersuchung  der  Kinder  und  der  Klassenräume  wird  in 
Breslau  unabhängig  von  einander  ausgeführt,  und  in  Cöln  wird 
lediglich    „Sprechstunde",    d.  h.    Untersuchung    der    Kinder,  vorge^ 


861 

flommen,    ohne    dafs  hierbei   die  Hygiene  des  Schulhauses  spezielle 
Beiücksichtigung  findet. 

ad  6.  Die  „Mitteilung  an  die  Eltern"  über  den  Untersuchungs- 
befund wird  meist  vermittels  vorgeschriebener  Formulare  (siehe  An- 
lage B)  gemacht,  deren  Zusendung  Sache  des  Schulleiters  ist.  Es 
hat  dies  jedoch  nur  bei  ernsten,  wichtigen  Erkrankungen  zu  ge- 
schehen, wo  das  Interesse  des  Kindes  oder  der  Schule  ein  ener- 
gisches Vorgehen  fordert.  In  sechs  Städten  findet  eine  derartige 
Benachrichtigung  der  Eltern  nicht  statt. 
Anlage  B. 

HitteiliiDg. 

Die    von    dem   Magistrat  angeordnete    ärztliche    Untersuchung    resp. 

Überwachung  Ihres  Kindes  

gcb hat  ergeben,  dafs  dasselbe 

an  

leidet.    Für  die  Gesundheit  Ihres  Kindes,  wie  für  das  Interesse  der  Schule 
ist  deshalb    

dringend  erforderlich. 

Wiesbaden,  den 19 

An  dieser  Stelle  mag  die  in  einzelnen  Städten   getroffene   Ein- 
richtung  Platz    finden,    dafs    den    Eltern    bei    der  Aufnahme   ihres 
Kindes   kurze   gedruckte   Belehrungen    über   die   Sohularztaufgaben 
eingehändigt  werden.     Ein  Muster  dafür  liegt  an.     (Anlage  0.) 
Anlage  C. 

Zu  besserem  Schutze  der  Gesundheit  der  die  öffentlichen  Schulen  be- 
suchenden Kinder  haben  die  städtischen  Körperschaften  beschlossen,  Schul- 
ärzte anzustellen,  welchen  die  ärztliche  Untersuchung  der  Kinder  nach 
deren  Eintritt  in  die  Schule,  die  regelmäfsige  Überwachung  ihres  Gesund- 
heitszustandes, so  lange  sie  die  Schule  besuchen,  und  die  Revision  der 
Schulräumlichkeiten  vom  gesundheitlichen  Gesichtspunkte  aus  übertragen  ist. 

Diese  Einrichtung  wird  den  Schulkindern  wie  deren  Familien  von 
wesentlichem  Nutzen  sein.  Bei  der  Unterrichtserteilung  wird  die  Körper- 
beschaffenheit und  der  Gesundheitszustand  des  einzelnen  Kindes  weiter- 
gehende Berücksichtigung  finden,  als  es  bisher  geschehen  konnte,  und  es 
werden  die  Eltern  durch  die  zu  ihrer  Kenntnis  gebrachten  Beobachtungen 
der  Schulärzte  in  ihren  Bestrebungen,  ihre  Kinder  gesund  zu  erhalten, 
unterstützt  werden. 

Eltern,  welche  wünschen,  dafs  ihre  Kinder  nicht  durch  den  Schularzt 
untersucht  werden  (die  ärztliche  Behandlung  gehört  nicht  zu  den  Dienst- 
obliegenheiten der  Schulärzte),  müssen  den  erforderlichen  gesundheitlichen 
Nachweis  durch  Zeugnisse  ihres  Hausarztes  erbringen. 

Formulare  für  ärztliche  Zeugnisse  sind  im  Botenzimmer  des  Rathauses 
und  bei  den  Schulpedellen  unentgeltlich  entgegenzunehmen. 


862 

ad  7.  Die  AusiibuDg  des  schulärztlichen  Dienstes  ist  im  all- 
gemeiDen  an  die  Schule  gebunden,  doch  sind  auch  einzelne  Fälle 
vorgesehen,  in  denen  der  Schularzt  eine  Untersuchung  des  Kindes 
in  dessen  Wohnung  vorzunehmen  hat.  Als  ein  solcher  Fall  ist  in 
16  Dienstanweisungen  „die  Feststellung,  ob  Schulversäumnis  gerecht- 
fertigt ist,"  genannt;  aber  stets  nur  dann,  wenn  kein  anderweitiges 
(haus-)ärztliches  Attest  beigebracht  wird. 

Plauen  und  Chemnitz  verlangen  eine  häusliche  Untersuchung 
„nötigenfalls",  Britz  und  Schöneberg  aufserdem  noch  bei  Ver- 
dacht bezw.  zur  Verhütung  ansteckender  Krankheiten  oder  endlich 
„in  dringenden  Fällen". 

In  fleilbronn  können  diese  Besuche  dem  Stadtarzt  zugeschoben 
werden,  was  seinen  Grund  in  den  später  zu  besprechenden  eigen- 
artigen schulärztlichen  Verhältnissen  Heilbronns  hat. 

ad  8.  In  ähnlicher  Weise  wird  der  Schularzt,  abgesehen  natür- 
lich Von  den  Fällen  der  vis  major,  wie  sie  plötzliche  ünglücksföUe, 
Epidemien  u.  dergl.  mit  sich  bringen,  in  manchen  Dienstanweisungen 
verpflichtet,  auch  in  seiner  häuslichen  Sprechstunde  eine  Unter- 
suchung, vorzunehmen.  Es  geschieht  dies  in  Königsberg,  Offen- 
bach, Aachen,  Bonn,  Britz,  Chemnitz,  Düren  und  Elms- 
horn „bei  Verdacht  ansteckender  Krankheiten"  bezw.  „in  dringenden 
Fällen«. 

ad  9.  Die  Hygiene  des  Schulhauses  findet  neben  deü 
mehr  allgemeinen  Besichtigungen  der  Räume  und  ihrer  Einrichtungen, 
wie  sie  gelegentlich  der  „Sprechstunden«  vorgenommen  werden, 
ihren  Ausdruck  in  den  gründlichen  Revisionen  des  ganzen  Schul- 
hauses mit  seinen  Nebenanlagen.  Dieselben  werden  in  10  Fällen 
je  einmal  im  Sommer-  und  Winterhalbjahr  ausgeführt,  in  Bonn, 
Flensburg  und  Cöln  nur  einmal,  in  Frankfurt  dagegen  dreimal 
im  Jahre  (zweimal  im  Winter,  einmal  im  Sommer).  Berlin  und 
Leipzig  setzen  keine  bestimmte  Zeit  fest,  sondern  verlangen  sie 
„in  angemessenen  Zeiträumen"  bezw.  „in  periodischer  Wiederkehr". 

Die  hierbei  sowie  bei  den  sonstigen  Besuchen  gelegentlich  ge- 
machten Beobachtungen  über  die  Beschaffenheit  der  zu  überwachenden 
Gegenstände  sowie  über  Handhabung  der  Reinigung,  Lüftung,  Heizung 
und  Beleuchtung,  und  die  etwa  an  diese  Beobachtungen  sich  an- 
schliessenden Vorschläge  werden  Von  dem  Schularzt  entweder  in  ein 
für  diesen  Zweck  bei  dem  Schulleiter  aufliegendes  Buch  eingetragen, 
oder  auf  dem  vorgeschriebenen  Wege  zur  Kenntnis  der  zuständigen 
Behörden  gebracht. 


863 

Souderbestimmungen  haben  noch  Königsberg,  Bonn  nnd 
^Flensburg,  welche  jedesmal  Zuziehung  des  Schulleiters  und  des 
städtischen  Baubeamten  vorschreiben.  In  Breslau,  Plauen  und 
Danzig  geht  die  Revision  von  der  Baukommission  aus,  welche  die 
Schulärzte  zuzieht,  denen  daher  dort  keine  regelmälsige  selbständige 
Hevision  obliegt. 

In  Posen,  Chemnitz  und  Düren  nimmt  der  Schularzt, 
abgesehen  von  seinen  eigenen  zwei  S.evisionen,  auch  noch  aufserdem 
an  denen  der  Baubehörde  teil. 

Vier  Dienstanweisungen  endlich  lassen  von  der  Mitwirkung  des 
Schularztes  bei  der  Hygiene  des  Schulhauses  nichts  verlauten. 

ad  10.  Die  Hältung  gemeinverständlicher  Vorträge  in  den 
LehreiTersammlungen  über  die  wichtigsten  Kapitel  der  Schulhygiene 
verlangen  elf  Städte:  „während  des  Winters",  Bonn  und  Düren 
„einmal  im  Jahr**,  und  Erfurt:  „zu  gegebener  Zeit^,  während  in 
zehn  Städten  keine  solche  Vorträge  gehalten  werden.  Doch  schreibt 
Charlottenburg  statt  dessen  vor:  „Der  Schularzt  soll  das  Interesse 
und  Verständnis  der  Lehrer  für  die  Anforderungen  der  Schulhygiene 
fördern  und  unterstützen*'. 

ad  11.  Behufs  Erreichung  eines  möglichst  gleichmäfsigen, 
gleichartigen  Vorgehens  halten  die  Schulärzte  miteinander  Kon- 
ferenzen ab.  Solche  sind  in  21  Dienstanweisungen  vorgeschrieben. 
Die  Häufigkeit  dieser  gemeinsamen  Besprechungen  schwankt  sehr,  von 
einmal  im  Jahr  (Aachen,  Co  In)  bis  zwölfmal  im  Jahr  (Königs- 
berg). Zweimal  im  Jahr  finden  sie  in  Bonn,  Düren  und  Heil- 
bronn statt,  dreimal  in  Frankfurt  und  Nürnberg,  viermal  in 
Chemnitz  und  Charlottenburg,  „periodisch"  in  Berlin, 
„öfters"  in  Elmshorn.  Ohne  Zeitangabe  sind  Schöneberg 
mit  Konferenzen  „auf  Einberufung  durch  die  Schuldeputation*',  und 
Danzig  „mit  Teilnahme  an  den  Konferenzen  der  Schuldeputation.** 

In  Frankfurt  beruft  der  Stadtarzt  und  in  Plauen,  sowie  in 
Leipzig  der  Bezirksarzt  „nach  seinem  Ermessen*'  die  Schulärzte  zu 
Konferenzen. 

ad  12 — 15.  Auf  die  Spalten  12 — 15  wird  in  den  folgenden 
Abschnitten  zurückgekommen. 


*  ! 


Nachdem  wir  im  vorstehenden  gesehen  haben,  wie  in  den 
genannten  Städten  die  schulärztliche  Einrichtung  im  einzelnen 
organisiert  ist,  und  wir  dadurch  auch  über  den  Umfang   der  Tätig- 


864 

keit  des  einzelnen   Schularztes  informiert  sind,   gehen  wir  jetzt  zar 
Besprechung  der  allgemeinen  Fragen  über. 
Sie  lauten: 

a)  Auf  welche  Schulen  erstreckt  sich  bisher  die  Tätigkeit  der 
Schulärzte? 

b)  Wem  sind  die  Schulärzte  unterstellt? 

c)  Auf  wie  lange  sind  sie  angestellt? 

d)  Wie  groCs  ist  ihr  Gehalt  und,  —  im  Zusammenhang  damit 
—  auf  wieviele  Kinder  erstreckt  sich  ihre  Tätigkeit? 

e)  Wie  ist  ihre  Organisation  untereinander? 

f)  Welche    Bedingungen    werden    an    ihre    Vorbildung    und 
Persönlichkeit  gestellt? 

g)  Einige  besondere  Fälle. 

ad  a.  Der  erste  Punkt:  „Auf  welche  Schulen  ersti-eckt  sich 
bisher  die  Tätigkeit  der  Schulärzte 'S  ist  leicht  beantwortet,  denn  es 
sind  überall  nur  'die  Volks-  und  Mittelschulen  der  schulärztlichen 
Aufsicht  unterstellt,  nicht  auch  die  höheren  und  privaten  Lehr- 
anstalten. Eine  Ausnahme  machen  Bonn  mit  zweimal  jährlich  vor- 
zunehmenden Revisionen  der  Privatschulen  und  Kleinkinderbewahr- 
anstalten,  sowie  Nürnberg,  doch  geht  aus  den  Bestimmungen  letzterer 
Stadt  nicht  klar  hervor,  ob  auch  die  Gymnasien  eingeschlossen  sind, 
während  die  privaten  Erziehungs-  und  Unterrichtsanstalten  besonders 
hervorgehoben  werden. 

ad  b.  Unterstellt  sind  die  Schulärzte  bisher  den  Magistraten 
bezw.  den  Schulkommissionen  derselben,  von  welchen  sie  auch  er- 
nannt werden.  Der  Bericht,  welchen  der  Kultusminister  BossB 
über  das  Schularztwesen  anfertigen  liefs,  besagt  hierüber:  „Die  vor- 
gesetzten städtischen  Verwaltungsbehörden  bestimmen,  welche  Ärzte, 
unter  welchen  Bedingungen  und  für  welche  Schulen  sie  bei  der 
Schulaufsicht  zu  beteiligen  sind''. 

Bis  erst  einmal,  wie  es  in  Sachsen-Meiningen  bereits  ge- 
schieht, der  Staat  die  Regelung  dieser  Angelegenheit  in  die  Hand 
nimmt,  bleibt  sie  den  jeweiligen  Bedürfhissen  und  lokalen  Ver- 
hältnissen der  einzelnen  Städte  überlassen. 

ad  c.  Die  Anstellung  der  Schulärzte  (cfr.  Spalte  14  der 
Tabelle)  erfolgt  in  12  Städten  auf  unbestimmte  Zeit  mit  gegen- 
seitigem vierteljährigem  Kündigungsrecht;  in  fünf  Städten  werden 
sie  auf  die  Dauer  von  drei,  in  Dresden  von  sechs  Jahren  ange- 
stellt, sind  dann  aber  wieder  wählbar.  Sieben  Städte  endlich  haben 
keine  entsprechende  Bestimmung. 


865 


Name 

der 
Stadt 


Zahl 

der 

Schalftrste 


Jedem 

Schularzt 

antersiehen 

Kinder 


Gehalt 


Altendorf  a.  R.  . . . 

Berlin 

Bonn 

Boston 

Breslaa 

Oharlottenburg  . . . 
Danzig 


Darmstadt 
Dresden  . . 
ESlmshom  . 

Erfurt 

Frankfurt . 
Kairo 

Kiew 


Königsberg . 
Kopenhagen 
Leipzig .... 
New  York  . 
Nürnberg  . . 
Offenbaoh . . 
Plauen  .... 
Posen 


Sachsen  -Meiningen 

Schöneberg 

Wiesbaden 


36 

3 

55 

25 


4 

10 


(1  Chef,  2  Assistent.) 

3 
(darunter  1  weibl.) 

10 


15 
300 
6 
3 
3 
8 

(darunter  2  Spesial) 


1800—2000 

1400 
2000 


1000—1500 
4000 


1700 
1500—1700 


1800—2000 

2600 
3000—4000 

1000 

3000 
1600-1800 

900-1500 
1200—1500 

1200 


600    Mk. 

2000    r, 

600      „ 

800      „ 

500      „ 

steigend  400-1000  Mk. 

bis  L5  Klassen  225  Mk., 

für  weitere  je  5  Klassen 

75  Mk. 

400-500  Mk. 

pro  Kind  50  Pfg. 
1600  Mk. 
1000  „ 
12000  (bezw.  3600)  Frs.^ 

1000  Rnb.  =  2150  Mk. 

600  Mk. 
400  Kr. 
500  Mk. 
800  „ 
600  „ 
900  „ 
500  „ 
800  (bezw.  250  Mk.) 

1000  Mk. 

600  n   « 


^  Der  Chefarzt  erhält  12000  Frs.,  jeder  Assistent  3600  Frs. 

*  Aufserdem  erhalten  sie  eine  jeweils  nach  der  Zahl  der  untersuchten 
Schüler  des  dritten,  fünften  und  achten  Jahrganges  zu  berechnende  Vergfltung 
auf  Gh'und  einer  ron  ihnen  am  Jahressohlufs  einzureichenden  Liquidation. 

Schnlgesnndheitspflege.  XVI.  43 


866 

ad  d.  Die  weitere  Frage:  „Aaf  wie  viele  Kinder  erstreckt  sich 
auswärts  die  Tätigkeit  jedes  Schularztes  und  wie  hoch  beläuft  sich 
sein  Gehalt ?**  ist  in  der  umstehenden  Tabelle  beantwortet.  Da  die 
Angaben  hierüber  aus  deutschen  Städten  recht  spärlich  waren,  sind 
Vergleiches  halber  auch  einige  au&erdeutsche  Städte  mit  heran- 
gezogen. 

Dieser  Tabelle,  die  allerdings  groüse  Lücken  aufweist,  ist  weiter 
nichts  hinzuzufügen,  als  auf  die  weiten  Grenzen  hinzuweisen,  in 
denen  Gehalt  und  Zahl  der  überwiesenen  Kinder  schwankt. 

ad  e.  Unter  den  Schulärzten  selbst  fungiert  in  Cassel,  Offen- 
bach, Schöneberg  und  Wiesbaden  der  „älteste  Schularzt^  als 
primus  inter  pares,  während  in  Aachen  und  Chemnitz  die  Schul- 
ärzte sich  alljährlich  aus  ihrer  Mitte  einen  „ersten''  Schularzt 
wählen.  In  Frankfurt  steht  der  Stadtarzt  an  der  Spitze  und 
dient  als  Vorsitzender  der  Schulärzte,  deren  Tätigkeit  er  überwacht 
und  einheitlich  regelt;  ähnlich  in  Breslau,  Danzig,  Dresden, 
Heilbronn  und  Leipzig.  Ohne  jede  Organisation  untereinander 
sind  die  Schulärzte  in  10  Städten.  An  den  Stadtarzt  bezw.  ältesten 
oder  ersten  Schularzt  (oder  auch  an  den  Vorsitzenden  der  Schul- 
deputation)  haben  die  Schulärzte  (wie  dies  in  Spalte  12  der  Tabelle 
zusammengestellt  ist)  über  ihre  Tätigkeit  in  dem  abgelaufenen  Schul- 
jahr einen  schriftlichen  Bericht  einzureichen,  welcher  diese  einzelnen 
Berichte  wiederum  mit  einem  kurzen  übersichtlichen  Gesamtbericht 
dem  Magistrat  vorlegt. 

Das  Verhältnis  der  Schulärzte  zu  einander  wird  auch  noch 
durch  die  in  allen  Dienstaoweisungen  wiederkehrende  Bestimmung 
betroffen,  dafs  sie,  wenn  sie  aufserhalb  der  Ferien  verreisen  oder 
sonst  irgendwie  behindert  sind,  für  kostenlose  geeignete  Vertretung 
zu  sorgen  haben,  meist  indem  sie  sich  gegenseitig  vertreten. 

Verschiedentlich  ist  das  Verlangen  nach  einem  Oberschularzt 
laut  geworden,  dem  dann  die  Hygiene  des  Unterrichtes  und  Schtü- 
gebäudes  aller  Schulen  einer  Stadt  unterstände,  während  für  die 
Hygiene  der  Schulkinder  eine  Anzahl  praktischer  Arzte  angestellt 
werden  sollte.  Zum  Oberschularzt,  der  eine  spezielle  schulhygienische 
Ausbildung  genossen  haben  müDste,  sei  am  besten  der  Amtas-(  Be- 
zirks-, Stadt*)arzt  geeignet,  während  die  Schulärzte  dieser  besonderen 
Vorbildung  nicht  bedürften,  (cfr.  Zeitschrift  für  Schulgesundheits- 
pflege  1896  S.  380.>  Einen  ähnlichen  Vorschlag  machte  Dr.  £obl 
im  „Kollegialen  Verein"  in  Berlin:  es  solle  in  jeder  Schulkommission 
ein  unbesoldeter  Ar/t  für  die  Hygiene  des  Unterrichtes  und  Schul- 


867 

gebäudes  Sitz  und  Stimme  haben,  während  für  die  Hygiene  des 
Kindes  mehrere  besoldete  praktische  Ärzte  angestellt  würden.  Bisher 
ist  aber  weder  in  Deutschland  noch  irgendwo  ein  Oberschalarzt  er- 
nannt, noch  der  Vorschlag  Dr.  Edels  zur  AosführuDg  gelangt. 

ad  f.  Über  die  Frage:  Welche  Bedingungen  werden  an  die 
Person  und  Vorbildung  des  Schularztes  gestellt?  enthält  nur  die 
Dienstanweisung  von  Breslau  Angaben.  Sie  lauten:  »Die  Be- 
werber um  Schularztstellen  müssen  den  Nachweis  einer  bestandcDen 
hygicDischen  Staatsprüfung  oder  der  geschehenen  Teilnahme  an 
einem  hygienischen  Universitätskurs  für  Arzte  führen^. 

Prof.  Schattenfroh  äufsert  sich  in  der  Monatsschrift  für  Ge- 
sundheitspflegey  1902,  No.  11,  über  diesen  Punkt  folgendermaisen: 
^Jedenfalls)  ist  die  Forderung  berechtigt,  dafs  der  Schularzt  neben  den 
Kenntnissen  eines  tüchtigen  praktischen  Arztes  und  neben  einer 
tüchtigen  Ausbildung  in  der  Hygiene  auch  über  ein  gewisses  Mafs 
von  psychiatrischem  Wissen  verfügt".  Wie  der  Schularzt  sich  diese 
Kenntnisse  aneignen  soll,  darüber  differieren  die  Ansichten.  Der 
deutsche  Lehrertag  in  Frankfurt  beschlofs:  „Schularzt  kann  nur 
derjenige  praktische  Arzt  werden,  welcher  die  Schulhygiene  zum 
Gegenstand  seines  besonderen  Studiums  gemacht  hat^.  £benso  ver- 
langt Erismann- Zürich,  „dafs  womöglich  Ärzte  mit  spezieller 
hygienischer  Vorbildung  angestellt  werden  sollten^. 

Diese  Vorbildung  läfst  die  ungarische  Regierung  durch  all- 
jährlich abzuhaltende  dreimonatliche  Kurse  denjenigen  zu  teil  werden, 
welche  Schulärzte  zu  werden  beabsichtigen.  Solche  hygienische 
Kurse  verlangte  für  Deutschland  Dr.  Weyl  im  Korrespondenzhlatt 
Berliner  Ärzte,  (1898  No.  50).  Ihm  wurde  geantwortet  (1 899,  No.  1), 
dafs  lediglich  die  Teilnahme  an  einem  Kurse  nicht  ausschlaggebend 
sein  könnte  für  die  Beurteilung  der  Frage,  ob  jemand  für  die 
Stellung  eines  Schularztes  als  fähig  zu  erachten  sei  oder  nicht. 

Eine  andere  Art  von  Vorbildung  zum  Schularzt  könnte  in  der 
Ausbildung  in  einem  Spezialfach  gegeben  sein.  So  sind  in  Paris 
neben  den  Schalärzten  noch  Spezialisten  angestellt;  das  gleiche  ist 
in  Deutschland  nur  in  Posen  der  Fall,  wo  neben  sechs  Schulärzten 
zwei  Spezialisten  (für  Augen  und  Ohren)  tätig  sind.  Zu  dieser 
Frage  fiufsert  sich  Schiller  (cfr.  diese  Zeitschrift  1899,  S.  575), 
dafs  man  sich  mit  Recht  mit  der  Anstellung  von  Spezialärzten  ab- 
wartend verhalten  solle;  man  müsse  erst  sehen,  wie  weit  sich  ein 
Bedürfnis  hierfür  geltend  machen  werde.  Ebenso  sprechen  sich 
Prof.  VON  EsMARCH  (cfr.  diese  Zeitschrift  1899,  S.  591)  und  der  Medi- 

43» 


868 

zinalreferent  für  Elsafs-Lothringen,  Dr.  Kbibgbr,  energisch  gegen 
Spezialisten  als  Sohulärzte  aus.  Dagegen  hat  in  neuester  Zeit  eine 
Autorität  auf  dem  Gebiet  des  Schularzt wesens,  Prof.  Hbrmank 
CoHN  in  Breslau  in  einem  Vortrage  „Warum  müssen  besondere 
Schul- Augenärzte  angestellt  werden?^  (Wochenschrift  fwr  Therapie 
imd  Hygiene  des  Auges^  1903,  No.  33  u.  ffg.)  wieder  eine  Lanze  für 
Spezialisten,  insbesondere  Augenärzte,  gebrochen. 

ad  g.  Zum  Schlufs  müssen  auch  noch  einige  schulärztliche 
Einrichtungen  Erwähnung  finden,  die  abweichend  sind  von  dem 
sonst  allgemein  üblichen  Modus,  aus  der  Mitte  der  praktischen  Ärzte 
die  nötige  Anzahl  von  Schulärzten  auszuwählen,  bei  denen  die  schnl- 
ärztliche  Tätigkeit  vielmehr  als  Anhängsel  des  gemeindeärztlichen  oder 
amtsärztlichen  Dienstes  betrachtet  wird. 

In  Orefeld  sind  keine  besonderen  Sohulärzte  angestellt,  da- 
gegen ist  mit  den  Bezirksarmenärzten  die  Vereinbarung  getroffen, 
dais  diese  alljährlich  die  neu  aufgenommenen  Kinder  auf  Schol- 
flihigkeit  untersuchen. 

In  Borbeck  i.  W.  halten  die  Schulärzte  gegen  eine  jedes- 
malige Entschädigung  von  50  Mark  im  Mai  und  November 
Revision  aller  Schulkinder  ab.  Den  Eltern  erkrankter  Sander  wird 
dort,  wenn  nötig,  aufgegeben,  ärztliche  Hilfe  in  Anspruch  za 
nehmen,  die  unbemittelten  Kindern  unentgeltlich  vom  Armenarzt  zu 
teil  wird. 

In  Dortmund  haben  die  Polizeiärzte  die  Funktion  von  ,,Scbal* 
revisionsärzten''  mit  der  Verpflichtung,  bald  nach  Ostern  und  bald 
nach  Michaelis  eine  Revision  der  ihnen  zugewiesenen  Klassen  vor- 
zunehmen, und  zweitens  die  ihnen  von  den  Lehrern  zugesandten, 
anscheinend  an  einer  ansteckenden  Krankheit  leidenden  Kinder  zu 
untersuchen  und  die  nötigen  Anweisungen  zu  erteilen. 

Eine  ähnliche  Einrichtung  besteht  in  Essen,  wo  der  Polizeiarzt 
„in  zweifelhaften  Fällen '^  auf  Ersuchen  der  Rektoren  krankheits- 
verdächtige Kinder  zu  untersuchen  hat. 

In  Heilbronn  endlich  hat  man  1898  gelegentlich  der  An- 
stellung eines  zweiten  Assistenzarztes  am  dortigen  städtischen  Kranken- 
hause beschlossen,  die  beiden  Assistenzärzte  mit  der  Funktion  von 
Schulärzten  zu  betrauen  nach  Mafsgabe  einer  der  Wiesbadener 
nachgebildeten  Dienstordnung  (s.  Tabelle,  XVII,  Seite  764).  Auf 
diese  Einrichtung  brauchen  wir  später  nicht  zurückzukommen,  denn 
sie  kommt  für  Rostock  nicht  in  Frage,  sie  wird  auch  von 
Dr.  Knaijbs  (Bericht  über  die  Schularztfrage,  S.  3)  wohl  nicht  un- 


869 

richtig  kritisiert,  wenn  er  sagt,  dafs  dieselbe  sehr  wenig  zweok- 
dienlicli  zn  sein  scheine;  sie  besteht  noch  heutigentags,  mufs  sich 
daher  für  Heilbronn  wohl  bewährt  haben. 


Den  nunmehr  folgenden  Vorschlägen  für  Einrichtung  von  Schul- 
arztstellen in  Rostock  müssen  wir  eine  Angabe  über  die  Zahl  der 
Schulen  und  Schulkinder  Rostocks  voranschicken. 

Es  gibt  daselbst: 

a)  drei  höhere  Schulen  mit    .     1581 

b)  zehn  Elementarschulen  mit     5339 

c)  dreizehn  Privatschulen  mit     1690 

i.  S.  8610  Schulkindern. 

Eine  ärztliche  Beteiligung  an  der  Beaufsichtigung  oder  Ver- 
waltung der  Rostock  er  Schulen  findet  bisher  nur  in  der  Weise  statt, 
dass  in  der  Elementarschulkommission,  welcher  die  Volks-  und 
Privatschulen  unterstellt  sind,  ein  Arzt  aus  der  Bürgervertretung 
Sitz  hat;  dieser  fungiert  in  Fragen  von  Neubauten  oder  Ver- 
besserungen als  Sachverständiger.  Der  Stadtphysikus  hat  mit  dem 
Schulwesen  nichts  zu  tun. 

Betrachten  wir  nun,  ebenso  wie  im  ersten  Teil  dieser  Arbeit, 
zunächst  die  speziellen  Aufgaben,  die  dem  Rostocker  Schularzt 
zweckmälsig  zugewiesen  werden  dürften,  um  dann  zu  den  allge- 
meinen Fragen,  betr.  Zahl,  Gehalt,  Stellung  u.  dergl.,  überzugehen. 
Wir  folgen  badei  am  besten  den  im  ersten  Teil  in  der  Tabelle  Seite 
758 — 769  zusammengestellten  Hauptpunkten. 

1.  Die  Vornahme  einer  Untersuchung  mit  Ausfüllung 
eines  Gesundheitsscheines  in  den  ersten  Wochen  nach  er- 
folgter Aufnahme  in  die  Schule  braucht  nicht  erst  diskutiert 
zu  werden,  denn  sie  ist  grundlegend  für  die  schulärztliche  Tätig- 
keit: ohne  sie  kein  Schularzt!  Eine  besondere  Bestimmung  darüber 
erlassen  zu  wollen,  ob  eine  spezielle  Untersuchung  „auf  Schulfähigkeit" 
stattzufinden  habe,  erscheint  für  Rostocks  Verhältnisse  überflüssig, 
gleichgültig,  ob  diese  Untersuchung  vor  oder  nach  erfolgter  Einstellung 
in  die  Schule  geschieht.  Wird  sie  nämlich  nachher  vorgenommen 
—  wie  meist  üblich  — ,  dann  ist  es  schwierig,  das  eben  aufgenom- 
mene Kind  wieder  von  der  Schule  zu  entfernen;  hat  sie  vorher  statt, 
so  untersteht  erstens  das  Kind  noch  nicht  der  schulärztlichen  Aufsicht 
und  zweitens  müfste  die  Untersuchung  in  der  häuslichen  Sprechstunde 
des  Arztes  vorgenommen  werden,    was  eine   wesentliche  Belastung 


870 

desselben  bedeuten  würde.  Zeigen  sich  dagegen  bei  der  ersten  Auf- 
stellung des  Gesundheitsscheines  irgendwelche  körperliche  oder  geistige 
Gebrechen,  so  werden  diese  gewifs  entsprechende  Berücksichtigang 
finden  können,  ohne  dafs  die  Frage  der  Scbulfähigkeit  jedesmal 
speziell  beantwortet  zu  werden  braucht. 

Als  Schema  für  den  Gesundheitsschein  wird  das  oben  bei- 
gebrachte (S.  858)  Muster  empfohlen ;  es  enthalt  alles  Notwendige 
unter  Vermeidung  des  Überflüssigen. 

2.  Die  Vornahme  einer  „vorläufigen  äufseren  Besichtigung 
auf  ansteckende  Krankheiten  und  Ungeziefer  innerhalb  der  ersten  drei 
bis  vier  Tage"^  erscheint  für  Rostock  gleichfalls  überflüssig,  denn  die 
Zahl  der  in  jedem  Halbjahr  aufgenommenen  Schüler  ist  in  Rostock 
so  gering,  dafs  die  genaue  Untersuchung  (ad  1)  doch  in  den  ersten 
Tagen  nach  Schulbeginn  stattfinden  wird.  Immerhin  läüst  sich  aber 
grundsätzlich  gegen  jene  Bestimmung  nichts  sagen. 

3.  Die  regelmäfsige  Vornahme  von  Längenmessung  und 
Wägung  zu  Beginn  jedes  Halbjahres  läfst  am  besten  die 
gleichmäfsig  fortschreitende  Entwicklung  des  Schulkindes  erkennen 
und  ist  daher  als  durchaus  zweckmäfsig  zu  betrachten.  Sie  dürfte^ 
dem  allgemeinen  usus  entsprechend,  am  besten  durch  den  Lehrer 
geschehen,  und  zwar  mit  Hilfe  des  Schuldieners.  Ebenso  empfiehlt 
sich  die  Vornahme  der  Brustumfangsmessung  durch  den  Arzt  bei 
Verdacht  auf  Lungenerkrankung  und  bei  den  unter  ärztlicher  Auf- 
sicht stehenden  Kindern.  Die  Bestimmung,  dafs  diese  Messung  bei 
Mädchen  nur  in  der  elterlichen  Wohnung  vorzunehmen  sei,  bedeutet 
eine  allzu  grofse  Vorsicht,  ja,  fast  ein  Mifstrauensvotum  gegen  den 
Arzt,  und  dürfte  daher  in  einer  Rostock  er  Dienstanweisung  besser 
fortfallen. 

4.  Dagegen  empfiehlt  sich  sehr  die  bisher  nur  in  wenigen 
Städten  eingeführte  Wiederholung  der  Aufnahmeunter- 
suchung mit  entsprechender  Eintragung  in  den  Gesund- 
heitsschein. Durch  diese  Kontrolle,  ob  sich  der  Gesundheitszustand 
inzwischen  irgendwie  geändert  hat,  wird  erstens  dem  Wohle  des 
betreflenden  Kindes  gedient,  sodann  ist  sie  von  statistischem  und 
wissenschaftlichem  Wert,  und  drittens  wird  sie  dereinst  im  Laufe  der 
Jahre  das  beste  Kriterium  dafür  abgeben,  ob  sich  die  Schularzt- 
einrichtung bewährt  hat,  oder  ob  sie  überflüssig  ist.  Die  Wieder- 
holungsuntersuchung zu  Beginn  des  dritten,  fünften  und  achten 
Schuljahres  vornehmen  zu  lassen,  wie  dies  in  Wiesbaden  der  Fall 
ist,  erscheint  nach  den  dort  gemachten  Erfahrungen  völlig  ausreichend. 


871 

Dagegen  hat  die  vereinzelt  dastehende  Wiesbadener  Be- 
Stimmung,  am  Schlufs  der  SohuUaufbahn  ein  absohliefsendes 
Urteil  über  die  Gesamtentwicklnng  des  Kindes  abzugeben, 
doch  sehr  ihre  Bedenken.  Denn  es  würde  dadurch  dem  Kinde  ein 
Gesundheitspafs  ausgestellt,  der  ihm  im  späteren  Leben  unter  Um- 
ständen von  groüsem  Nachteil  sein  könnte.  ESs  würden  nämlich  die 
Behörden  z.  B.  bei  Bewerbungen  sehr  bald  diesen  Pafs  sich  vorlegen 
lassen,  und  ein  Bewerber,  der  in  seinem  Schein  viele  Krankheiten 
stehen  hat,  würde,  auch  wenn  diese  längst  geheilt  und  spurlos  vorüber 
sind,  doch  hinter  einem  sonst  gleichwertigen  Bewerber  zurückstehen, 
der  zufällig  während  seiner  Schulzeit  von  Ejrankheiten  verschont 
blieb.  Das  wäre  aber  eine  Ungerechtigkeit,  die  geeignet  ist,  das 
ganze  Schularztwesen  zu  milskreditieren. 

5.  Die  Abhaltung  einer  sogenannten  „Sprechstunde*'  in  der 
Schule  ist,  ebenso  wie  die  Untersuchung  der  Neuaufgenommenen, 
vom  Begriff  des  Schularztes  untrennbar;  es  fragt  sich  nur,  wie 
häufig  sie  in  Rostock  gehalten  werden  soll.  Die  Zahl  der  Städte, 
welche  sie  zweimal  im  Monat  vorschreiben,  ist  gleich  derjenigen, 
welche  sie  nur  einmal  verlangen,  es  scheint  aber  doch  eine  Sprech- 
stunde alle  14  Tage  das  Richtige  zu  sein.  Denn  selbst  hierbei 
bekommt  der  Schularzt  nur  zweimal  im  Halbjahr  jede  Klasse  zu 
Gesicht,  was  doch  dringend  nötig  ist,  wenn  er  nur  einigermaüsen  die 
Lehrer,  Schüler  und  Klassen  kennen  lernen  will.  Auch  wird  durch 
die  Häufigkeit  der  Besuche  in  der  Schule  das  gegenseitige  Interesse 
wachgehalten  und  weit  mehr  Garantie  für  die  richtige  und  recht- 
zeitige Ausführung  seiner  Vorschläge  geboten,  als  wenn  man  ihn  so 
selten  zu  sehen  bekommt. 

6.  Auch  für  Rostock  empfiehlt  sich  sehr  die  Übersendung 
kurzer  „Mitteilungen  an  die  Eltern''  auf  einem  vorge- 
druckten Formulare  (Anlage  B),  das  vom  Schularzt  auszufüllen  und 
vom  Schulleiter  zu  übersenden  wäre.  Obwohl  im  allgemeinen  von 
derartigen  Mitteilungen  nach  aufsen  aus  durchsichtigen  Gründen  nur 
bei  ernsten  und  wichtigen  Erkrankungen  Gebrauch  gemacht  werden 
soll,  mufs  man  wünschen,  dafs  Mitteilungen  an  die  Eltern  in 
Rostock  in  recht  ausgiebigem  Mafse  gemacht  werden.  Denn  bei 
dem  ohnehin  schon  schwerfälligen  Charakter  unserer  Bevölkerung  ist 
es  notwendig^  dafs  die  Eltern  ausdrücklich  und  eindringlich  darauf 
hingewiesen  werden,  dafs  etwas,  und  was  zum  Wohle  ihres  Kindes 
gesehen  mufs.  Andererseits  ist  hier  auch  nicht  zu  befürchten,  dafs 
die  Eltern    beim  Empfang    solcher  Mitteilung  aufbrausen  und  sich 


872 

dieselben  verbitten  werden.  Dieser  Möglichkeit  kann  aach  noch 
dadurch  wirksam  vorgebeugt  werden,  dafs  die  Eltern  bei  der  Auf- 
nahme ihrer  Kinder  eine  gedruckte  Belehrung  über  Zweck  und 
Aufgabe  der  Schulärzte  erhalten,  wie  eine  solche  dieser  Arbeit  (An- 
lage C)  beiliegt. 

7.  u.  8.  Das  Verlangen,  der  Schularzt  solle  einzelne  Kinder  bei 
Verdacht  ungerechtfertigter  Schulversäumnis  in  deren  Wohnung  auf- 
suchen, dürfte  kaum  Widerspruch  erfahren,  zumal  es  nach  den  aus- 
wärtigen Erfahrungen  nur  selten  an  ihn  gestellt  wird.  Ebenso  muls 
er  auch  in  seiner  häuslichen  Sprechstunde  bei  Verdacht  ansteckender 
Krankheiten,  sowie  überhaupt  „in  dringenden  Fällen^  stets  ohne 
besondere  Entschädigung  in  Anspruch  genommen  werden  können. 
Es  wird  dieser  in  der  grofsen  Mehrzahl  der  Dienstanweisungen  an- 
geführte Punkt  um  so  eher  auf  Bestock  sich  übertragen  lassen,  als 
die  Entfernungen  dort  im  allgemeinen  so  gering  sind,  daUs  Schul- 
arzt und  -kind  ohne  besondere  Schwierigkeiten  schnell  zu  einander 
gelangen  können. 

9.  Von  den  Vorschriften  über  die  Ausführung  der  Revisionen 
des  ganzen  Schulgebäudes  und  seiner  Einrichtungen  dürfte 
der  zuerst  in  Königsberg  eingeführte  Modus,  sie  gemeinsam  mit  dem 
Baubeamten  und  Schulleiter  vorzunehmen,  auch  für  Rostock  der 
beste  sein.  Denn  die  Anwesenheit  dieser  Beamten  hält  Professor 
VON  EsMAROH  für  ganz  besonders  zweckmä&ig  und  empfiehlt  die  Auf- 
nahme dieser  Bestimmung  in  andere  Dienstanweisungen.  ^Einmal 
wird  sich  dadurch  die  Durchirihrung  nötiger  schultechnischer  Ver- 
änderungen und  Verbesserungen  merklich  vereinfachen  und  beschleu- 
nigen lassen,  sodann  werden  Schularzt  und  Baubeamter  bei  dieser 
G^elegenheit  von  einander  lernen  können.^ 

Diese  gemeinsame  Revision  würde  am  besten  je  einmal  im 
Sommer-  und  Winterhalbjahr  vorgenommen;  häufiger  erscheint  über- 
flüssig, und  nur  einmal  im  Jahr  nicht  ausreichend.  Denn  es  stellt 
die  Hygiene  im  Winter  andersartige  Anforderungen  an  die  Hand- 
habung von  Ventilation,  Heizung,  Beleuchtung  u.  dergl.  als  im 
Sommer,  es  mufs  daher  auch  eine  doppelte  Revision  stattfinden. 
So  ist  es  bekannt,  daüs  bei  Klagen  über  schlechtes  Funktionieren 
einer  Ventilationsanlage  meist  deren  falsche  Einstellung  schuld  ist, 
derart,  dafs  man  vergals,  die  Sommerventilation  an-  und  die  Winter- 
ventilation abzustellen,  oder  umgekehrt.  Auf  derlei  Dinge,  sowie 
auf  die  Beschaffenheit  der  Luft,  die  Sitzraumfläche,  die  Subfiellien, 
die  allgemeine  Reinlichkeit,  die  Bedürfnisanstalten,  Badeeinrichtungen, 


873 

"Fnrnhallen,  Spielplätze,  Schulgärten  n.  s.  w.  müfste  der  Rostocker 
Schularzt  unter  den  veränderten  Bedingungen  des  Winters  und 
Sommers  ein  aufmerksames  Auge  haben. 

10.  Das  Halten  von  kurzen  Vorträgen  über  die  wich- 
tig^sten  Kapitel  der  Schulgesundheitslehre  ist  besonders  von 
der  Lehrerschaft  dringend  verlangt  und  dürfte  daher  besonders 
geeignet  sein,  die  Aufgabe  der  Schule,  einen  an  Geist  und  Körper 
gesunden  Staatsbürger  heranzuziehen,  dem  Schullehrer  und  -arzte 
durch  gemeinsames  Wirken  zu  erleichtem.  Wie  die  Erfahrung  ge- 
zeigt hat,  siud  die  Vorträge  gut  besucht  gewesen,  doch  dürften  sie 
auf  den  Winter  beschränkt  bleiben  und  die  Zahl  von  drei  bis  vier 
Vorträgen  nicht  überschreiten,  da  sonst  Wiederholungen  stattfinden 
müfsten  und  das  Interesse  der  Zuhörerschaft,  innerhalb  welcher  ja 
ein  nur  ganz  geringer  Wechsel  stattfindet,  erlahmen  würde. 

11.  Zu  gemeinsamen  Konferenzen  mit  Gelegenheit  zum 
Meinungsaustausch  müfsten,  wie  fast  alle,  so  auch  die  Bostocker 
Schulärzte  verpflichtet  werden.  Eine  regelmäisige  Konferenz  am 
Sohlufs  jedes  Halbjahres,  aufserdem  noch  „je  nach  Bedürfnis**, 
dürfte  jedoch  für  Rostocks  Verhältnisse  genügend  sein. 


Wir  kommen  nunmehr  zu  den  allgemeinen  Punkten  und  be- 
ginnen mit  der  wichtigen  nnd  schwierigen  Frage: 

a)  „Auf  welche  Schulen  soll  sich  die  Tätigkeit  des 
Rostocker  Schularztes  erstrecken?"  Wollten  wir  uns  hierbei 
nur  nach  dem  Vorbild  der  anderen  Städte  richten,  so  wäre  die 
Angelegenheit  schnell  abgetan,  indem  man  Schulärzte  nur  für  die 
Elementarschulen  vorschlüge.  Auiser  diesen  sind  aber  in 
Rostock  noch  die  höheren  und  die  privaten  Schulen  —  letztere 
sogar  in  aufiPallend  grofser  Zahl  —  vorhanden.  Ist  es  nun  notwendig 
oder  wenigstens  wünschenswert,  dafs  diese  Schulen  in  den  Wirkungs- 
kreis des  Schularztes  einbezogen  werden? 

Wir  betrachten  diese  Frage  am  besten  einmal  vom  Gesichtspunkt 
der  Hygiene  des  Schulgebäudes  und  sodann  von  demjenigen  der 
Hygiene  des  Schulkindes. 

Es  ist  bekannt,  dafs  in  der  Mehrzahl  der  Städte  die  Gebäude 
der  höheren  Schulen  durchweg  hinter  den  hygienisch  weit  besseren, 
weil  neueren,  städtischen  Schulhäusern  für  die  Elementarschulen 
zurückstehen,  woraus  allein  schon  der  Sohlufs  zu  ziehen  wäre,  dalls 
die  ersteren  ganz  besonders  eines  Schularztes  bedürfen. 


874 

In  Rostock  entspriobt  die  neue  Realschule  durehans  allen 
billigen  Anforderungen  der  Hygiene;  das  Gebäude  der  „Groben 
Stadtschule",  welches  Gymnasium  und  Realgymnasium  enthält,  ist 
aber  längst  durch  die  modernen  Volksschulbauten  Rostocks  über- 
holt. Nicht  als  ob  das  Gebäude  der  „Gro&en  Stadtschule*'  deshalb 
schon  schlecht  zu  nennen  wäre,  es  liefs  aber,  wenigstens  zur  Zeit, 
als  der  Unterzeichnete  ihm  angehörte,  in  Bezug  auf  die  innere  Ein- 
richtung und  Handhabung  der  gewöhnlichsten  hygienischen  Vor- 
schriften sehr  viel  zu  wünschen  übrig.  Inzwischen  ist  allerdings 
vieles  besser  geworden,  doch  steht  zu  fürchten,  dafs,  wenn  die 
treibende  Kraft,  der  Schularzt,  ausbleibt,  es  auch  wieder  schlechter 
wird,  ebenso  wie  auch  die  jetzt  noch  mustergültigen  Einrichtungen 
der  Realschule  ihren  Wert  verlieren  werden,  wenn  ihre  richtige  Hand- 
habung im  Laufe  der  Zeit  einschliefe. 

Die  höheren  Töchter-  und  Privatschalen  Rostocks  sind,  wie 
überall,  in  privaten  Häusern  untergebracht;  dals  bei  diesen  eine 
strenge  ärztlich-hygienische  Überwachung  noch  mehr  am  Platze  ist, 
bedarf  keiner  Worte. 

Was  nun  die  Hygiene  des  Schulkindes  anlangt,  so  darf  man 
nicht  glauben,  dafs  mit  dem  höheren  Stande  der  Eltern  eine  gröisere 
Fürsorge  für  die  Gesundheit  der  Kinder  einhergehe.  „Eis  gibt  einen 
ziemlich  hohen  Prozentsatz  von  Eltern,  die  es  mit  der  Zuziehung 
des  Hausarztes  durchaus  nicht  eilig  haben,  und  deren  Kinder  oft 
wochenlang  mit  ansteckenden  Krankheiten,  wie  Keuchhusten,  Sbiut- 
ausschlagen,  Augenleiden  u.  s.  w.  behaftet,  die  Schule  weiter  besuchen 
und  den  Gesundheitszustand  ihrer  Mitschüler  ge&hrden^  sagt  Ober- 
lehrer Roller  in  einer  Schrift  „Das  Bedür&is  nach  Schulärzten 
für  die  höheren  Lehranstalten''.  Auch  dieser  Autor  kommt  in  der 
genannten  Schrift  zu  dem  Schlufs,  für  sämtliche  höhere  Anstalten 
die  Mitwirkung  des  Arztes  zu  beanspruchen  (1.  c.  S.  56). 

Zwar  werden  eine  ganze  Anzahl  von  Kindern  aus  diesen 
Schulen  (besonders  aus  den  höheren  Töchterschulen)  einen  vom  Haus- 
arzt ausgefüllten  Gesundheitsschein  beibringen;  das  kann  aber  nicht 
gegen  das  Bedürfnis  nach  Schulärzten  ins  Feld  geführt  werden, 
denn  das  Prinzip  verlangt  nur,  dafs  die  Gesundheitsbögen  vor- 
liegen, gleichgültig,  von  welchem  Arzt  sie  ausgefüllt  sind.  — 
Endlich  sprechen  auch  soziale  Gründe  für  die  Ausdehnung  der 
schulärztlichen  Tätigkeit  auf  alle  Schulen.  Der  Staat  kann  keinen 
Unterschied  machen  zwischen  den  Kindern  der  wohlhabenden  Klassen 
und  denen  der  arbeitenden  Bevölkerung.  —  Wir  besitzen   übrigens 


875 

ein  Analogon  dazu  im  ImpfzwaDg,  denn  es  verlangt  der  Staat  vom 
Schulrekruten  des  Gymnasiums  bei  der  Aufnahme  den  Impfschein 
ebenso  gut  wie  vom  Dorfschüler;  ähnlich  müfste  die  Behörde  auch 
auf  den  Gymnasien  und  den  Privatsohulen  die  Ausfüllung  und 
Weiterführung  eines  Gesundheitsscheines  ebenso  gut  verlangen  wie 
auf  den  Volksschulen. 

Auf  Grund  dieser  Überlegungen  ist  der  Unterzeichnete  zu  dem 
Schluss  gekommen,  dafs  das  Schularztwesen  in  Rostock  zweck- 
mäfsig  auf  alle  Schulen  ausgedehnt  würde,  und  zweifelt  nicht  an 
der  Durchführbarkeit  dieser  Mafsregel. 

b)  Unterstellt  wären  die  Rostocker  Schulärzte  dem  Rate  der 
Stadt,  und  würden 

c)  am  besten  auf  die  Dauer  von  drei  Jahren  mit  gegenseitigem 
vierteljährlichen  Kündigungsrecht  gewählt,  nach  deren  Ablauf  sie 
wieder  wählbar  sind.  Es  erscheint  dies  praktischer  als  der  aller- 
dings in  den  meisten  Städten  übliche  Modus,  sie  auf  unbestimmte 
Zeit  zu  wählen,  denn  erstens  hält  die  Möglichkeit,  nicht  wieder- 
gewählt zu  werden,  den  Eifer  der  Schulärzte  wach,  zweitens  könnte 
auch  immerhin  der  Fall  eintreten,  dafs  ein  Schularzt  aus  dem  einen 
oder  anderen  Grunde  nicht  geeignet  für  seine  Stellung  ist,  wobei  es 
dann  viel  einfacher  erscheint,  ihn  nicht  wiederzuwählen,  als  ihn 
seines  Amtes  entsetzen  zu  müssen. 

d)  Als  Gehalt  mufs  900  Mark  in  Vorschlag  gebracht  werden. 
Es  ist  diese  Summe  zwar  im  Verhältnis  zur  geleisteten  Arbeit  immer 
noch  gering  zu  nennen,  doch  hält  sie  sich  in  der  Mitte  der  in  den 
anderen  Städten  gezahlten  Honorare,  wo  sich  angesehene  Ärzte  in 
den  Dienst  der  guten  Sache  gestellt  haben  und  mit  der  genannten 
Summe  zufrieden  sind.  —  Bei  Gewährung  dieses  Gehaltes  könnte 
auch  die  Wiesbadener  Einrichtung,  die  Wiederholungsunter- 
suchung extra  zu  honorieren,  fortfallen,  was  die  Berechnung  wesentlich 
vereinfachen  würde.  Falls  aber  das  Gehalt  in  Rostock  die  Summe 
von  900  Mark  nicht  erreichte,  so  dürfte  einer  der  Wiesbadener 
analoge  Bestimmung  angebracht  sein. 

Eng  mit  dem  Gehalt  ist  die  Zahl  der  für  Rostock  anzu- 
stellenden Schulärzte  verbunden.^ 

Es  sind  daselbst  z.  Z.  8610  Schulkinder  und  26  Schulen  vor- 
handen, aufserdem    ist    der  Neubau    einer  weiteren  Volksschule    in 


^  Auf  den  Vorschlag,  dafs  xnan  für  alle  Schüler  nnd  Schulen  npr  einen 
Schalarzt  mit  dem  Verbot,  Privatpraxis  zu  treiben,  anstellen  solle,  komme  ich 
in  diesen  Ansführangen  nicht  znröck. 


876 

Vorbereitung.  —  Wenn  etwas  Gutes  geschaffen  und  G-ründliches 
geleistet  werden  soll,  mufs  man  daran  festhalten,  einem  Schularzt 
nicht  erheblich  mehr  als  1200  Kinder  zu  überweisen.  Es  wird 
diese  Zahl  allerdings  in  manchen  Städten  überschritten,  dals  dieses 
aber  nur  auf  Kosten  der  G-ründlichkeit  geschehen  kann,  ist  klar. 
Darum  hat  man  auch  in  einigen  Städten  die  ursprünglich  geringere 
Anzahl  von  Schulärzten  später  erhöht. 

Deshalb  ist  zu  raten,  in  Rostock  nicht  erst  weniger  als  sieben 
Schulärzte  anzustellen. 

e)  Was  die  Organisation  der  Schulärzte  untereinander  betrifft, 
so  empfiehlt  sich  am  meisten  der  Modus,  dcüs  sie  alljährlich  aus 
ihrer  Mitte  einen  wiederwählbaren  „ersten**  oder  „Vorsitzenden^ 
Schularzt  ernennen,  welcher  ihre  Tätigkeit  und  die  Vertretungen 
regelt,  in  den  Sitzungen  präsidiert,  ihre  Berichte  zusammenfaüst  und 
dergl.,  ohne  dabei  die  Befugnis  eines  Vorgesetzten  zu  haben.  Bei 
Einführung  dieses  Modus  wird  vermutlich  die  geeignete  Persönlich- 
keit gewählt,  während  Dienst-,  Lebens-  oder  Approbationsalter  an 
sich  nocht  nicht  zum  Vorsitzenden  und  Vertreter  nach  aufeen  quali- 
fizieren. 

f)  Die  schwierige  Frage  der  „Vorbildung"  bleibt  wohl  für  Rostock, 
ebenso  wie  in  den  anderen  Städten  (Breslau  ausgenommen),  am 
besten  unerörtert.  Auch  von  den  von  privater  Seite  gemachten  Vor- 
schlägen lälst  sich  keiner  recht  für  Rostock  anwenden;  dagegen 
bürgt  die  groise  Zahl  der  hier  praktizierenden  Ärzte  dafür,  dals 
unter  ihnen  unschwer  die  geeigneten  Persönlichkeiten  gefunden 
werden  können.  Spezialisten  nach  dem  Vorbilde  Posens  hier  ein- 
führen zu  wollen,  erscheint  für  die  Universitätsstadt  mit  ihren 
vielen  Polikliniken  überflüssig. 

g)  Die  Verbindung  der  Schularztstellen  mit  den  Polizei-  oder 
Armenarztstellen  kommt  für  Rostock  nicht  in  Betracht,  da  sie 
nur  dort  eingeführt  ist  und  Zweck  hat,  wo  die  Zahl  der  Armen- 
bezw.  Polizeiärzte  sich  mit  der  Zahl  der  Schulärzte  deckt.  —  Endlich 
mufs  auch  noch  berücksichtigt  werden,  welche  Stellung  der  ärztliche 
Berater  der  Stadt,  der  Stadtphysikus,  dem  Schularztwesen  gegenüber 
einnehmen  soll.  Er  könnte  ja  nach  dem  Vorgange  Frankfurts 
Vorgesetzter  der  Schulärzte  sein  und  ihren  Dienst  leiten,  doch 
empfiehlt  sich  die  Schaffang  eines  solchen  Vorgesetzten  für  Rostock 
nicht,  da  dann  erstens  z wichen  Schulärzten  und  Behörde  eine  neue 
Instanz  geschaffen  würde,  und  zweitens  jemand  nicht  zum  Vor- 
sitzenden geeignet  erscheint,   der  im  übrigen  abseits  vom  Schularzt- 


877 

wesen  und  -dienst  steht.  Hingegen  könnte  er  auf  Grund  seiner 
Stellung  als  praktischer  Arzt  sehr  wohl  zum  Schularzt  gewählt 
werden  und  wäre  dann  vielleicht  auf  Grund  seiner  amtlichen 
Stellung  die  geeignete  Persönlichkeit  zum  ersten  Schularzt  —  doch 
das  bleibt  am  besten  dem  Kreise  der  Schulärzte  überlassen. 

Fassen  wir  zum  Schlufs  unsere  Vorschläge  für  die  Einrichtung 
von  Schulärzten  in  Rostock  noch  einmal  zusammen,  so  ergibt  sich 
folgendes : 

I.  Spezielles: 

Die  Schulärzte  haben  die  neu  aufgenommenen  Rinder  genau  zu 
untersuchen  und  den  Befund  in  einem  Gesundheitsschein  einzutragen. 
Sie  haben  diese  Untersuchung  zu  Beginn  des  dritten,  fünften  und 
achten  Schuljahres  zu  wiederholen. 

Sie  halten  alle  14  Tage  in  der  Schule  eine  ^^Sprechstunde*' 
ab,  deren  erste  Hälfte  dem  Besuch  von  Klassen  und  deren  zweite 
Hälfte  der  Untersuchung  von  Kindern  dient. 

Sie  haben  mittels  Yorgedruckter  Formulare  die  Eltern  von  dem 
zu  benachrichtigen,  was  im  Interesse  der  Kinder  notwendig  ist. 

Sie  haben  einzelne  Kinder  bei  Verdacht  ansteckender  Krank- 
heiten, unberechtigter  Schulversäumnis,  sowie  in  dringenden  Fällen 
entweder  in  deren  Wohnung  oder  in  der  eigenen  Sprechstunde  zu 
untersuchen. 

Sie  haben  je  einmal  im  Sommer  und  Winter  gemeinsam  mit 
dem  Schulleiter  und  dem  zuständigen  Baubeamten  die  Gebäude  und 
Einrichtungen  der  Schulen  genau  zu  revidieren. 

Sie  halten  im  Winter  einige  kurze  Vorträge  über  die  wichtigsten 
Kapitel  der  Schulgesundheitslehre  in  den  Lehrerversammlungen  ab. 

Sie  haben  am  SchluTs  jedes  Schulhalbjahres,  event.  nach  Be- 
dürfnis häufiger,  gemeinsame  Konferenzen. 

IL  Allgemeines. 

Die  schulärztliche  Tätigkeit  erstreckt  sich  auf  alle  Schulen 
Rostocks. 

Die  Schulärzte  sind  dem  Rat  der  Stadt  unterstellt. 

Sie  werden  mit  gegenseitigem  vierteljährigen  Kündigungsrecht 
auf  drei  Jahre  angestellt  und  sind  dann  wiederwählbar. 

Es  werden  sieben  Schulärzte  angestellt,  jeder  erhält  ein  Gehalt 
von  900  Mark. 

Sie  wählen  alljährlich  unter  sich  einen  „versitzenden  Schularzt.^ 


878 


Jins  Derfammlttii0en  unb  Vereinen. 


über  die  Wirksamkeit  der  Sektion  ungarischer  Schulärzte 
und  Lehrer  der  Hygiene  im  Jahre  1900—1902. 

Von 

Dr.  W.  Genersich, 

Aasistent  am  hygienischen  Institut  zu  Budapest. 

Unser  Landesverein  für  Hygiene,  bemülit  jedes  ernste  Bestreben 
zur  Verbreitung  hygienischer  Kenntnisse  mit  voller  Kraft  zu  unter- 
stützen, gründete  im  Interesse  der  weiteren  Entwicklung  der  Insti- 
tution der  Schulärzte  und  Lehrer  der  Hygiene  ein  besonderes 
Komitee,  das  seinen  Mitgliedern  den  richtigen  Weg  zu  einer  erfolg- 
reichen Tätigkeit  zeigt.  Nachdem  der  Termin  unseres  Mandates 
abgelaufen  ist,  soll  mein  Bericht  nachweisen,  in  welchem  Malse  die 
Sektion  ihrer  Aufgabe  entsprochen  hat. 

Wenn  wir  auf  die  verflossene  Zeit  zurückblicken,  so  müssen 
wir  vor  allem  jener  schweren  Verluste  gedenken,  die  unsere  Sektion 
betroffen  hat.  Das  unerbittliche  Schicksal  entrifs  aus  unserer  Mitte 
mehrere  der  besten  Apostel  der  Hygiene. 

Innerhalb  eines  Jahres  verloren  wir  Eugen  Fabeas,  dessen 
erfolgreiches  Wirken  auf  dem  Gebiete  der  hygienischen  Admini- 
stration selbst  im  Auslande  Anerkennung  fand;  ferner  ist  ein  warmer 
Freund  des  hygienischen  Unterrichtes,  Cabl  y.  Geblögzt,  dahin- 
gegangen. In  demselben  Jahre  betrauerten  wir  den  Hinschied 
unseres  hochverehrten  Lehrers,  Professor  Fodob.  Die  Gründung 
des  Landesvereines  für  Hygiene,  die  Organisation  der  Institution  der 
Schulärzte  und  Lehrer  der  Hygiene  sind  Fodors  schönste  Schöpfungen, 
und  unsere  Sektion  wird  sein  Andenken  für  alle  Zeiten  in  dankbarer 
Pietät  bewahren. 

An  FoDOBs  Stelle  trat  Professor  Liebebmakn,  dessen  Wirk- 
samkeit unserer  Sache  auch  schon  groCse  Dienste  geleistet  bat,  so 
dafs  die  Sektion  nur  ihre  gerechtfertigte  Anerkennung  und  Anhäng- 
lichkeit zum  Ausdruck  brachte,  als  sie  ihn  zum  Ehrenpräsidenten 
wählte.  Die  Sympathie  unserer  Freunde  verschafft  Linderung  in 
den  schweren  Schicksalsschlägen;    auch    unsere    Sektion   findet   Be- 


879 

mhignng  in  dem  oiSenbaren  Wohlwollen  ihres  Ehrenpräsidenten  und 
in  seinem  dankenswerten  Versprechen,  dafs  er  unsere  Sache  in  vollem 
Einklänge  mit  den  Schulärzten  und  Hand  in  Hand  mit  ihnen 
fordern  wird. 

Unter  dem  Präsidium  des  Herrn  Dr.  Sghusghny  hat  das  Fach- 
komitee,  abgesehen  von  mehreren  wichtigen,  auf  die  hygienische 
Überwachung  unserer  Schuljugend  bezügliche  Fragen,  den  Unterricht 
in  der  Gesundheitslehre  und  die  Reform  der  Schulhygiene  zum 
Gegenstande  der  Diskussion  gewählt.  Die  Bestimmungen  der  zum 
Zwecke  der  Reform  der  Schulärzte-Institution  einberufenen  mini- 
steriellen Konferenz  haben  unsere  Sektion  zu  einer  Aktion  bewogen, 
welche  eigentlich  das  hauptsächlichste  Moment  ihrer  Wirksamkeit 
ausmacht.  Da  die  Konferenz  auf  eine  Mitwirkung  des  Landesvereins 
für  Hygiene,  dieser  zweifellos  in  sohulhygienischen  Angelegen- 
heiten kompetentesten  Korporation  nicht  reSektierte,  hat  das  Fach- 
komitee  den  Standpunkt,  welchen  es  gegenüber  den  auf  die  Aus- 
bildung und  Tätigkeit  der  Schulärzte  bezüglichen  Reformplänen 
des  Ministeriums  einnahm,  in  einem  Memorandum  zum  Ausdruck 
gebracht. 

Das  Fachkomitee  hat  die  Angelegenheit  des  hygienischen  Unter- 
richtes mit  steter  Aufmerksamkeit  verfolgt  und  in  einem  Memorandum 
sich  gegen  jenen  Antrag  verwahrt,  welcher  dahin  tendierte,  dafs  bei 
Gelegenheit  der  Revision  des  Schulplanes  der  höheren  Töchter- 
schulen, sowie  der  Vorbereitungsschulen  für  Elementarlehrer  und 
-lehrerinnen,  die  Anstellung  von  Lehrern  der  Hygiene  beiseite  ge- 
lassen und  der  Unterricht  der  Gesundheitslehre  in  den  Hintergrund 
gedrängt  werde.  Mit  Rücksicht  auf  die  fachgemäise  Leitung  des 
schulhygienischen  Kurses  von  Seiten  des  Prof.  Dr.  Liebebmann, 
sowie  auf  die  vorzüglichen  Leistungen  des  Prof.  Alexanbeb  im 
Kurse  über  Pädagogie,  steht  die  Berechtigung  dieser  Bewegung 
auüser  allem  Zweifel. 

Wie  bereits  erwähnt,  hat  sich  unser  Fachkomitee  des  öfteren 
mit  den  Fragen  der  hygienischen  Beaufsichtigung  der  Jagend  be- 
fafst.  Zum  Zwecke  der  Vermeidung  der  Übertragung  infektiöser 
Krankheiten  durch  die  Schule,  hat  die  Sektion  den  Vorschlag  ge- 
macht, dafs  die  an  den  Wohnungen  anzuschlagenden  Warnungstafeln 
mit  dem  Vermerk  zu  versehen  seien,  dafs  diejenigen  Kinder,  welche 
sich  mit  dem  Kranken  in  einer  gemeinsamen  Wohnung  befinden 
oder  denselben  besucht  haben,  nur  aui'  besonders  einzuholende  Er- 
laubnis des  Amtsarztes  hin  zum  Schulbesuch  zugelassen  werden. 


880 

Bezüglicli  des  Schutzes  gegen  venerische  Krankheiten  wurde 
der  Beschlufs  gefafst,  dem  Lehrkörper  der  medizinischen  Fakult&t 
eine  Eingabe  zu  unterbreiten  mit  der  Bitte,  er  möchte  dafür  Sorge 
tragen,  dafs  sämtliche  Universitätshörer  über  die  Gefahren  dieser 
Krankheiten  in  passender  Weise  aufgeklärt  werden. 

Weiter  wurde  die  Aufmerksamkeit  der  kompetenten  Kreise  auf 
die  moralische  Überwachung  der  Jugend  bezw.  auf  die  einer  lässigen 
Kontrolle  entspringenden  Gefahren  gelenkt,  welche  die  Jugend 
namentlich  bei  Gelegenheiten,  wie  sie  das  Landestumfest  bietet,  in 
moralischer  und  hygienischer  Beziehung  bedrohen. 

Erwähnenswert  ist  auch  das  Gutachten,  welches  unsere  Sektion 
über  Aufforderung  des  Vereins  der  ungarischen  Turnlehrer  im  Inter- 
esse des  Turnunterrichtes  abgegeben  hat,  und  in  welchem  das 
Komitee  seiner  Überzeugung  Ausdruck  gibt,  dafs  der  Turnlehrer 
eine  hochwichtige,  jedoch  auch  viel  Geschick,  Takt  und  Aufmerk- 
samkeit fordernde  und  ermüdende  Arbeit  leiste,  welche  keineswegs 
leichter  ist  als  der  theoretische  Unterricht  in  der  Mittelschule,  falls 
der  Lehrer  eben  seinen  Beruf  richtig  erfafst  und  im  vollen  Bewulst- 
sein  seiner  Verantwortlichkeit  bezüglich  der  körperlichen  Integrität 
seiner  Schüler  handelt,  den  Unterricht  abwechslungsvoll  und  genuls- 
reich  macht;  ferner,  dafs  es  jedenfalls  die  Bestrebungen  des  Tarn- 
lehrers  beeinträchtige  und  zu  einer  den  Erfolg  des  Unterrichtes  in 
Frage  stellenden  Entmutigung  führen  müsse,  wenn  den  mit  dem 
Turnunterricht  verbundenen  Schwierigkeiten  keine  Aufmerksamkeit 
geschenkt  und  dem  Lehrer  die  gebührende  Anerkennung  versagt 
wird. 

In  Berücksichtigung  dessen,  dafs  unzweckmäisig  gebaute  und 
schlecht  eingerichtete  Schulen  die  Gesundheit  der  Schüler  und  Lehrer 
ständig  gefährden,  lenkt  das  Fachkomitee  schliefslich  die  Aufmerk- 
samkeit der  Schuldirektoren  und  -Behörden  darauf  hin,  daCa  es  jeder- 
zeit bereit  ist,  auf  Anfragen  in  wichtigeren  hygienischen  Angelegen- 
heiten Aufschlufs  zu  erteilen. 

Die  Leiter  des  Unterrichtswesens  für  die  Institution  der  Schul- 
ärzte zu  gewinnen  ist  eine  Aufgabe,  deren  Lösung  hauptsächlich 
dadurch  erreicht  werden  kann,  daCs  unsere  Sektion  eine  recht  weite 
Wirkungssphäre  sich  erringt;  anderseits  können  wir  selbst  auf 
die  Entwicklung  der  Schulhygiene  nur  dann  einen  entsprechenden 
Einflufs  ausüben,  wenn  sämtliche  Schulärzte  ihren  Beruf  mit  uner- 
müdlicher Tätigkeit  erfüllen. 


881 


TVarnm  mfissen  begondere  SehnlangeniTzte  angestellt  werden? 

Vortrag  und  Diskussion 
in  der  hygienischen  Sektion  der  Schlesischen  Gesellschaft 

am  29.  April  1903. 

(  W^ochensckrift  f.  Therapie  u.  Hygiene  des  Auges,  Jahrg.  VI,  Nr.  33  u.  ff.) 

Über  den  Vortrag,  der  von  Prof.  Herm.  Gohn  gehalten  wurde,  ist 
in  Kr.  8  dieser  Zeitschrift  ansfflhrlich  berichtet  worden.  Aus  der  an- 
regenden Diskussion,  welche  sich  hieran  knüpfte,  sei  folgendes  nach- 
getragen: 

Schularzt    Dr.    Samosch    hebt    den    Standpunkt    der   Verwaltung 
beryor.     Der   schulärztliche  Überwachungsdienst  hat  nur  den  Zweck,   die 
Tatsache  der  Erkrankung  überhaupt  festzustellen,  und  die  Eltern  zur  Auf- 
suchung  ärztlichen  Rates    zu    veranlassen.     Die   Institution    verfolgt  also 
keine  wissenschaftlichen,   sondern  rein  praktische  Zwecke   und  nimmt  den 
Angen-,  Ohren-  und  Zahnkrankheiten  gegenüber  dieselbe  Stellung  ein,  wie 
bei  den  übrigen  Erkrankungen  der  Schüler:  die  Krankheiten  als  solche  fest- 
zustellen,   dann   aber    den   Eltern    zur   genaueren  Untersuchung  und  Be- 
handlung durch  den  Arzt  ihres  Vertrauens  zu  überweisen.    Der  Vorschlag 
CoHNs,    es   solle  der  Schulaugenarzt  gleich  selbst  die  notwendigen  Brillen 
verordnen,    würde  das   für  die  Schularztinstitution  so  segensreiche  Prinzip 
durchbrechen,  dafs  der  Schularzt  nicht  selbst  behandeln  darf.    Man  würde 
durch  die  vorgeschlagene  Anstellung  von  fünf  Schulaugenftrzten,   wenn  sie 
zugleich  therapeutisch  eingreifen  sollen,   ein  Monopol  schaffen,  das  zu  un- 
liebsamen Eonsequenzen  führen  mü&te.     Auch  gegen  die  Voruntersuchung 
im  Freien,  wie  sie  Gohn  vorschlägt,    wendet  sich  Samosch  und  wünscht 
mit  Rücksicht  auf  die  praktischen  Ziele  der  Augenuntersuchung,   dafs  sie 
im  Klassenzimmer  vorgenommen  werde,   an  dem  Ort,   wo  die  Kinder  sich 
hauptsächlich  anzustrengen  haben.    In  ähnlichem  Sinne  än&erten  sich  auch 
die  Schulärzte  Dr.  Pebls  und  Dr.  FsiEBLAirDEfi. 

Prof.  Gohn  erwiderte,  daCs  die  Schulverwaltung  wohl  ein  Interesse 
daran  habe,  nicht  nur  zu  wissen,  welche  Kinder  mangelhaftes  Sehvermögen 
haben,  sondern  auch,  ob  sie  kurzsichtig,  übersichtig  oder  astigmatisch  seien, 
weil  dem  Übelstande  durch  Augengläser  abgeholfen  werden  solle.  Die 
Untersuchung  im  Freien  biete  den  Vorteil,  bei  Kindern,  welche  anfangs 
eine  über  den  Durchschnitt  stehende,  etwa  doppelt  so  gute  Sehschärfe 
besessen  haben,  schon  aus  dem  Rückgang  zur  sogenannten  normalen  Seh- 
schärfe zu  erkennen,  da&  das  Auge  Schaden  gelitten  hat.  Hinsichtlich 
der  Behandlung  präzisiert  Gohn  seinen  Standpunkt  dahin,  dafe  nur  die 
Brillenverordnnng  vom  Schnlangenarzt  vorgenommen  werden  solle,  jede 
weitere  Behandlung  etwa  vorhandener  Augenkrankheiten  möge  dem  von 
den  Eltern  gewählten  Arzt  überlassen  bleiben. 

(Mitg.  von  Dr.  P.  SCHUBBBT-Nürnberg.) 


SebulgeBundbeiispfle^.  XVI.  44 


882 


kleinere  MxUtxinn^tn. 


StanunlerknTse  in  Dfigseldorf.  Im  verflossenen  Sommersemester 
haben  hier  die  vier  ersten  Stammlerkurse  stattgefunden.  Eine  Rundfrage 
bei  den  verschiedenen  Schulsystemen  hatte  nämlich  ergeben,  dafs  viele 
Schtller,  die  mit  irgend  einer  Art  des  Stammeins  behaftet  waren,  in  der 
Schule  nicht  von  ihrem  Leiden  geheilt  werden  konnten.  Daher  war  es 
ein  menschenfreundlicher  Entschlufs  des  Stadtschulinspektors  Gbüss,  diese 
Kinder,  wie  die  Stotterer,  in  besonderen  Kursen  vom  Stammeln  befreien  zu 
lassen.  Mit  dieser  Aufgabe  wurden  die  beiden  städtischen  Sprachheil- 
lehrer, Hauptlehrer  Hobbix  von  der  hiesigen  Hilfsschule  und  Lehrer  Mones 
betraut.  An  jedem  Kursus  nahmen  14  Schüler  und  Schülerinnen  teil. 
Vorwiegend  waren  es  Lispler,  aber  auch  Laller,  Polterer,  Gammazisten, 
Lambdazisten  n.  a.  fehlten  nicht.  Nach  dreimonatlicher  Arbeit  wurden 
die  Teilnehmer  bezüglich  ihrer  Sprache  den  Herren  Rektoren,  Lehrern 
und  Lehrerinnen,  deren  Klasse  sie  besuchen,  in  Gegenwart  des  Stadtschul- 
inspektors und  auch  des  Stadtarztes  von  den  Kursusleitern  vorgestellt. 
Das  Resultat  war  ein  hocherfreuliches.  Sämtliche  Kinder  waren  von  ihrem 
Sprachgebrechen  befreit,  und  sie  schienen  darüber  sichtlich  erfreut  zu  sein. 
Da  diese  neue  heilpädagogische  Einrichtung  sich  demnach  gut  bewährt 
hat,  so  wird  sie,  wie  die  Stottererkurse,  eine  ständige  werden  zum  Wohle 
sprachgebrechlicher  Volkschüler. 

(Im  Auftrage  d.  Stadtschulinspektion  mitget.  v.  H.  HoRBix.) 

KreisschalinspektiOD«  An  der  im  Sept.  d.  J.  in  Glogau  abge- 
haltenen Kreislehrerkonferenz  teilte  der  Kreisarzt  Dr.  HiBSCHF£LD-Burg 
die  Resultate  seiner  Schulinspektionen  mit.  Wie  wir  dem  ^NiederschUs. 
Änz.^  entnehmen,  sind  in  27»  Jahren  vom  Kreisarzt  63  Schulen  be- 
sichtigt worden,  wovon  allein  34  im  Jahre  1902.  Nicht  weniger  als 
14  Schulbrunnen  sind  beanstandet  worden.  Auf  die  Zahn-  und  Mundpflege 
bei  den  Schulkindern  wurde  ganz  besonders  hingewiesen,  und  für  die  Hand 
der  Lehrpersonen  die  Anschaffung  der  Dr.  RoESEschen  Broschüre:  „An- 
leitung zur  Zahn-  und  Mundpflege*'  warm  empfohlen.  Im  Jahre  1902 
wurden  5597  Kinder  auf  Kurzsichtigkeit  untersucht  und  dieselbe  bei  201 
Kindern  festgestellt.  Schwerhörigkeit  ist  bei  66  Kindern  ermittelt  worden. 
In  21  Fällen  ist  ansteckende  Körnerkrankheit  der  Augen  festgestellt 
worden  und  aufserdem  auch  einige  Fälle  von  eitriger  Augenentzündnng. 
Diese  Krankheiten  wie  auch  alle  ansteckenden  Hautkrankheiten  sind  un- 
verzüglich der  Ortspolizeibehörde  zu  melden.  Die  Reinlichkeit  des  Körpers 
und  der  Kleider  der  Schulkinder  ist  auch  hin  und  wieder  zu  bemängeln 
gewesen. 

Die  üntersnchung  der  Schulkinder  auf  SchwerhSrigkeit  ist 
ein  dringendes  Bedfirfliis.  Einen  neuen  Beweis  hierfür  liefert  im 
j,Berl,  Tagehl^  eine   Mutter,    indem   sie    schreibt:     „Mein  Sohn  litt  bis 


883 

zu  seinem  kürzlich  beendeten  achten  Lebensjahre  durch  drei  Jahre  an 
Schwerhörigkeit,  eine  Folge  des  Scharlachfiebers.  Das  früher  intelligente 
Kind,  das  leicht  begriff,  hielt  in  den  einfachsten  elementaren  Fächern  mit 
anderen  Kindern  in  der  Schnle  dennoch  nicht  gleichen  Schritt,  obwohl 
mein  Mann  und  ich  mich  bemühten,  ihm  das  Schnlleben  durch  häusliche 
Nachhilfe  zu  erleichtem.  Da  las  ich,  daCs  ein  Professor  das  Gehör  von 
fast  8000  Schulkindern  untersucht  und  bei  fast  dreifsig  Prozent  als  nicht 
normal  gefunden  hatte.  Und  immer  litt  die  geistige  Entwicklung  der 
schwerer  hörenden  Kinder,  die  das  vom  Lehrer  Vorgetragene  nicht  so  wie 
die  anderen  verstehen  und  auffassen  konnten,  darunter.  Der  Professor 
hat  auch  gefunden,  dafs  es  bei  guten  Schülern  weniger  Schwerhörende 
gibt.  Oft  liegt  die  Ursache  der  Schwerhörigkeit  nur  an  kleinen,  leicht 
zu  hebenden  Übeln.  Dies  veranlafste  mich;  meinen  Sohn  einem  tüchtigen 
Ohrenarzte  zu  übergeben.  Seit  Herstellung  meines  Knaben  begreift  er 
so  leicht  wie  früher,    und  er  hält  mit  den  Mitschülern  gleichen  Schritt."^ 

GeOhrliehe  Bleistifte.  Nach  der  „Chem.  Ztg.''  (1903,  No.  26) 
hat  Fb.  Wiedmann  festgestellt,  dafs  gelbe  Bleistifte  häufig  mit  Blei- 
chromat  gefärbt  sind,  und  zwar  oft  in  solchen  Quantitäten,  dafs  bei  der 
ziemlich  verbreiteten  Unsitte,  Schreibutensilien  in  den  Mund  zu  nehmen, 
die  Gefahr  chronischer  Bleivergiftungen  ziemlich  grofe  ist.  Da  eine  Be- 
anstandung dieser  Fabrikate  auf  Grund  eines  der  bestehenden  Gesetze 
kaum  möglich  sein  dürfte,  sollten  die  mit  gelber  bleihaltiger  Farbe  ge- 
strichenen Bleistifte  namentlich  von  der  Verwendung  in  den  Schulen  aus- 
geschlossen werden. 

Prenfsisehes  Sehnl-Elend.  Eine  betrübende  Schulstatistik,  die  von 
der  viel  beklagten  Überfüllung  der  Volksschulen  und  dem  Lehrermangel 
handelt,  wurde  auf  der  jüngst  abgehaltenen  Bezirkslehrerkonferenz  des 
Schulaussichtskreises  Gostyn  (Posen)  zur  Kenntnis  gebracht.  Danach 
werden  in  118  Klassen  7146  Kinder  von  nur  87  Lehrern  unterrichtet; 
sieben  LehrersteUen  sind  aber  noch  unbesetzt.  In  13  Fällen  müssen  weit 
mehr  als  100  Kinder  von  einem  Lehrer  unterrichtet  werden.  In  Possa- 
dowo  hat  ein  Lehrer  schon  seit  Jahren  ständig  über  1 70  Kinder  in  seiner 
Klasse;  in  Zalesic  kommen  zurzeit  auf  einen  Lehrer  160,  in  Ciolkowo 
140,  Grabonop  144,  in  Altkrölen  136,  in  Sulkowika  133,  in  Zychtewo 
131,  in  Rokossown  137  Schüler.  Was  soll  da  für  die  Germanisierungs- 
arbeit  herauskommen?  —  In  den  meisten  Fällen  sind  übrigens  in  dieser 
Gegend  nur  noch  alte  baufällige  Schulhäuser  vorhanden. 

(„Päd.  JBe/.",  No.  41.) 

Der  Austausch  Yon  Schfilern  zwischen  den  yerschiedenen  Klassen 

der  Hilfsschnle.  In  der  j^Ztschr.  f.  d.  Behandig,  Schwachsinniger  etc. "  (1903 
No.  8)  weist  P.  Schwahn  darauf  hin,  dafs  der  Austausch  von  Schülern 
an  der  Hilfsschule  weder  notwendig  noch  wünschenswert  sei.  Derselbe 
veranlagt  ein  permanentes  Wandern  von  Schülern  und  eine  empfindliche 
Mehrbelastung  der  untersten  Klassen-,  er  schafft  eine  lästige  Unruhe  im 
Schulkörper  und  stört  ohne  Not  die  Schulordnung;  den  Leitern  und 
Lehrern  bereitet  er  Schwierigkeiten;  den  Kindern,  Eltern  und  Gemeinden 
ladet  er  unter  Umständen  schwere  Opfer  auf.  Der  Austausch  erschwert 
terner  die  Aufstellung  des  Stundenplans,  fordert  die  unpädagogische  Gleich- 

44* 


884 

leguDg  der  Standen,  die  verwerfliche  Anfeinanderfolge  der  schwierigen 
Unterrichtsstunden  und  die  ennfldende  Unterrichtszeit  für  die  Kleinen. 
Manchen  Schfllem  nützt  derselbe  onterrichtlich  absolnt  nichts,  vielen 
wenig,  einigen  etwas  Geringes,  das  ihnen  jedoch  leichter  anf  andere  Weise 
geworden  w&re.  Er  wirkt  bei  den  Aasgeschiedenen  schmerzlich,  entmatigend, 
abstumpfend,  sehr  kränkend  and  verietzend.  Endlich  wird  durch  den 
Austausch  der  Lehrer  an  den  oberen  Klassen  weniger  selbstlos  und  opfer- 
willig der  individuelle  Unterricht  bedeutungslos  gemacht.  Er  entfremdet 
Lehrer  und  Kinder,  f&rdert  weniger  die  Erziehung  und  verstöfet  gegen 
die  Konzentraiionsidee  der  Schule. 

Über  die  Haftpflieht  der  Lehrer  hat  die  Hamburgische  Ober- 
schulbehörde den  Lehrern  folgende  Mitteilung  zugehen  lassen:  Die  Be- 
sorgnis, mit  welcher  die  hiesige  Lehrerschaft  bisher  die  Haftpflicht-Be- 
stimmungen des  Bürgerlichen  Gesetzbuches  betrachtet  hat,  beginnt  einer 
ruhigeren  Auffassung  zu  weichen.  Die  Oberschulbehörde  versteht  es  voll- 
kommen, dafs  die  vielfach  geäufserte  und  wesentlich  in  den  Kreisen  der 
Yersichemngsgesellchaften  vertretene  Meinung,  als  ob  die  von  der  Haft- 
pflicht drohenden  wirtschaftlichen  Gefahren  durch  das  Bürgerliche  Gesetz- 
buch verschärft  seien,  zunächst  einigen  Eindruck  gemacht  hat;  um  so 
lebhafter  ist  ihre  Genugtuung,  dafs  in  dieser  wichtigen  Frage  der  sach- 
liche Sinn  der  Lehrer  die  Oberhand  gewinnt.  Es  hat  denn  auch  eine 
eingehende  Prüfung  der  gesetzlichen  Bestimmungen  und  der  Spruchpraxis 
der  hamburgischen  Gerichte  die  Oberschulbehörde  zu  der  Überzeugung 
geführt,  dafs  eine  Änderung  des  Rechtszustandes,  welche  die  Interessen 
der  Lehrer  in  irgendwie  wesentlicher  Beziehung  berührt,  nicht  eingetreten 
ist.  Die  Oberschulbehörde  hat  deshalb  zu  der  Lehrerschaft  das  Ver- 
trauen, dafs  sie  sich  in  unbefangener  Würdigung  der  Sachlage  durch  be- 
unruhigende Ausstreuungen  nicht  beirren  lassen,  vielmehr  in  der  bisherigen 
anerkennenswerten  Weise  fortfahren  wird,  die  exponierten  Lehrfächer  des 
engeren  Schulbetriebes,  wie  den  Tum-  und  naturwissenschaftlichen  Unter- 
richt, angemessen  zu  beleben,  und  sich  in  dei^enigen  Leistungen  und  Ver- 
anstaltungen des  weiteren  Schulbetriebes  zu  betätigen,  welche  wesentlich 
dazu  beitragen,  die  Körperpflege  und  Erziehung  der  Jugend  zu  fördern. 
Anderseits  dürfen  auch  die  Lehrer,  welche  dieses  Vertrauen  recht- 
fertigen, überzeugt  sein,  dafs  die  Behörde  bei  eintretender  Haftpflicht  die 
einzelnen  Fälle  wohlwollend  prüfen,  und  da,  wo  keine  grobe  Fahrlässigkeit 
vorliegt,  ihren  Einfluis  an  den  mafsgebenden  Stellen  dahin  geltend  machen 
wird,  dafs  die  von  der  Haftpflicht  betroffenen  vor  wirtschaftlichen  Nach- 
teilen bewahrt  bleiben. 


885 


Sasesgefd^td^tlid^es. 


Kurse  Ar  stotternde  Kinder  der  Gemeindeschnlen  sollen  mit 

Beginn  des  Wintersemesters  in  Berlin  abgehalten  werden.  Die  Ein- 
richtung hat  sich  so  gnt  bewährt,  dafs  die  Zahl  der  Kurse,  wie  das  „Berl. 
Tagehh^  mitteilt,  von  15  anf  20  erhöht  worden  ist.  In  diesem  Jahre 
sollen  vorzugsweise  Kinder  der  Mittelstufe  —  Knaben  und  Mädchen  — 
Berflcksichtigung  finden,  Geübt  wird  täglich  eine  Stunde.  Geleitet  werden 
die  Kurse  von  eigens  zu  diesem  Zwecke  vorgebildeten  Lehrern. 

Zur  Unterbringnng  von  Stadtkindern  auf  dem  Lande  existiert 

in  Breslau  ein  eigener  Verein;  demselben  sind,  wie  wir  der  „BresL 
Morgeneig,**  entnehmen,  von  einem  ungenannten  Wohltäter  3000  Mark 
überwiesen  worden  zur  Förderung  der  Yereinstätigkeit.  Dem  gütigen 
Geber  werden  viele  elende  Stadtkinder  dankbar  sein,  denen  nun  durch 
Vermittlung  des  Vereins  ein  längere  Zeit  dauernder  Aufenthalt  auf  dem 
Lande  zur  Wiederherstellung  ihrer  Gesundheit  verschafft  werden  kann. 
In  der  letzten  Vorstandssitzung  am  16.  September  ist  bereits  über  die 
Verwendung  der  Summe  verfügt  worden,  da  schon  eine  genügende  Anzahl 
von  Anträgen  vorlag. 

Behufs  bequemer  Reinigung  der  Sehnlzimmer  wurde  vom  Stadt- 
baurat HÖPFNEB-Kassel  ein  Apparat  konstruiert  und  der  75.  Versammlung 
deutscher  Naturforscher  und  Ärzte  in  Kassel  vorgewiesen,  der  gestattet, 
durch  einfaches  Umdrehen  einer  Kurbel  sämtliche  in  einem  Schulsaale  be> 
iindlichen  Subsellien,  die  zu  dem  Zwecke  in  einen  gemeinsamen  eisernen 
Rahmen  gefafet  sind,  bis  zur  Decke  in  die  Höhe  zu  heben  und  langsam 
wieder  herabzulassen,  so  dafs  die  Möglichkeit  geschaffen  wird,  den  Fufs- 
boden  des  ganzen  Schulsaales  sorgfältig  vom  Staube  reinigen  und  dadurch 
alle  möglicherweise  vorhandenen  Krankheitserreger  entfernen  zu  können. 
Der  in  Kassel  ausgestellte  Apparat  ist  von  der  Maschinenbauanstalt  6 rink, 
Wablershausen- Kassel,  nach  dem  Plan  des  Erfinders  ausgeführt  worden. 

Die  üntersnchnng    der  Zähne   stmtlieher  Schulkinder  durch 

einen  Spezialisten  in  Emsdetten  ist,  wie  wir  dem  „Wesfphäl.  Merkur" 
entnehmen,  vom  dortigen  Schulvorstand  gutgeheifsen  worden. 

Klassen  fBr  geistig  zurfickgebliebene  Kinder  (sog.  „Neben- 
klassen *^)  gibt  es  in  Berlin  zurzeit  88.  Die  223.  Gemeindeschnle 
allein  zählt  deren  sieben,  die  ein  selbständiges  Schulsystem  mit  fünf  auf- 
steigenden Stufen  bilden.  Die  Schüler  dieser  Nebenklassen  rekrutieren 
sich,  wie  die  „TägL  Rundschau''  berichtet,  zum  grofsen  Teile  aus  den 
ärmsten  Schichten  der  Bevölkerung.  In  vielen  Fällen  sind,  wie  von  den 
überwachenden  Ärzten  nachgewiesen  ist,  die  traurigen  häuslichen  Verhält- 
nisse schuld  an  dem  geistigen  Rückstand  der  Kinder.  So  wurden  z.  B. 
von  108  Scnülern  der  genannten  Schule  45  als  ungenügend  genährt  be- 
zeichnet.   Die  häuslichen  Verhältnisse  dieser  Kleinen  sind  oft  die  denkbar 


886 

QDgflDstigsten,  namentlich  wenn,  was  ja  leider  nicht  selten  vorkommt,  der 
Vater  trinkt  oder  arheitsschen  ist  und  sich  wenig  nm  seine  Kinder 
kümmert.  In  solchen  Fällen  hat  die  Schale  die  ernste  Pflicht,  sich  der 
Kinder  anzunehmen,  sie  zu  schützen  und  zu  stützen  und  sie,  wenn  nötig, 
mit  Hilfe  des  Gesetzes  betreffend  Fürsorgeerziehung,  dem  väterlichen  Ein- 
flüsse zu  entziehen.  Yerhältnismäisig  grofs  ist  auch  die  Zahl  der  Waisen 
und  der  Kinder  eheverlassener  Frauen  unter  den  Schülern  der  Neben- 
klassen (etwa  163).  Dazu  kommt  die  grofee  Zahl  deijenigen,  die  erblich 
belastet  sind,  besonders  durch  Alkoholismus,  Lues,  Tuberkulose,  Nerven- 
krankheiten u.  s.  w.  (von  108  Kindern  55).  Andere  haben  eine  schwere 
Krankheit  durchgemacht,  die  auch  lähmend  auf  die  geistige  Entwicklung 
einwirkte  (33V8  %).  Aller  dieser  Kinder  haben  sich  die  Lehrer  an 
den  Nebenklassen  anzunehmen.  So  erwächst  ihnen  neben  ihrer  päda- 
gogischen Tätigkeit  ein  reiches  Gebiet  sozialer  Fürsorge.  Zunächst  handelt 
es  sich  darum,  für  bessere  Kleidung  und  besonders  für  bessere  Nahrung 
der  Kinder  zu  sorgen.  In  dieser  Hinsicht  ist  der  Versuch  zu  begrülsen, 
der  an  mehreren  Gemeindeschulen  mit  Nebenklassen,  zuerst  wohl  an  der 
110.,  gemacht  worden  ist,  nämlich  den  kranken  und  schwachen  Kindern 
morgens  zum  zweiten  Frühstück  ein  Glas  warme  Milch  zu  reichen.  Schon 
durch  diese  kleine  Gabe  werden  die  Kinder  gesundheitlich  oft  bedeutend 
gefördert.  Das  ist  ihnen  deutlich  anzumerken;  ihre  Farbe  wird  gesünder; 
das  Körpergewicht  nimmt  zu  und  sie  beteiligen  sich  auch  lebhafter  am 
Unterrichte. 

Interessant  ist  ein  Versuch,  der  von  der  223.  Gemeindeschule  gemacht 
wurde,  wo  übrigens  infolge  der  Unterstützung  durch  menschenfreundliche 
Wohltäter  im  letzten  Halbjahre  für  etwa  1000  Mark  Milch  an  arme 
Kinder  gegeben  werden  konnte.  Dieser  Schule  stellte  die  Zentrale  für 
Milchverwertung  vier  Monate  lang  täglich  15  Liter  Vollmilch  und  20  Liter 
Magermilch  unentgeltlich  zur  Verfügung!  Die  Magermilch  wurde  in  der 
Weise  verwandt,  dafs  30  Kindern  zweimal  morgens  ^/s  Liter  davon  gekocht 
verabfolgt  wurde.  Die  Kfnder  standen  während  dieser  vier  Monate  unter 
ärztlicher  Aufsicht.  Die  Milch  schmeckte  ihnen  stets  vorzüglich,  sie 
wurde  in  einigen  Fällen  auch  besser  verdaut  als  Vollmilch ;  das  Allgemein- 
befinden der  Kinder  besserte  sich  zusehends,  und  das  Körpergewicht  nahm 
zu,  so  dafe   diese  Art  Milchspeisung  in  der  Tat  empfohlen   werden  kann. 

Über  die  Frai;e  der  Reyaeeination  der  SehElkiDder  in  Mähren 

hat  die  „Wien.  Med.  Wochensehr,*^  vor  kurzem  von  juristischer  Seite 
folgende  Darstellung  erhalten: 

„Die  mährischen;  Gemeindeärzte  müssen  nach  der  Auslegung,  welche 
die  Statthalterei  dem  §  12  des  Landesgesetzes  vom  10.  Februar  1884 
gegeben  hat,  die  öffentliche  Impfung  unentgeltlich  vornehmen.  Am 
12.  Juli  1891  hat  das  Ministerium  des  Innern  die  Revaccination  der 
Schulkinder  empfohlen,  wenn  seit  der  ersten  Impfung  zehn  Jahre  ver- 
flossen sind,  und  die  mährischen  Behörden  haben  —  was  sozial  nur  zu 
billigen  ist  —  die  Empfehlung  zum  Auftrag  gemacht.  Die  Gemeindeärzte 
sollten  aber  die  neue  Pflicht  wieder  unentgeltlich  besorgen,  wehrten  sich, 
und  verlangten  hierfür  die  normalmäfsige  Gebühr.  Sie  beriefen  fich  hierbei 
auf  §  10    des  Lapdesgesetzes  vom  2.  August  J898,  L.  G.  Bl.  No.  66, 


887 

der  dem  Gemeindearzt  für  ärztliche  Verrichtungen,   die  nicht  in  ErfQllnng 
des  selbständigen  oder  flbertragenen  Wirkungskreises  der  Gemeinde,  sondern 
aber    Auftrag   der  Stadtverwaltung    besorgt    werden,    die    normalmäfsigen 
Oebühren  zuspricht.     Von  allen  Instanzen  abgewiesen,  erhob  Dr.  Smtcka, 
Stadtarzt   in  Littau,   die   Beschwerde  an   den   Verwaltungsgerichtshof,   der 
sie  jedoch  mit  Erkenntnis  vom  10.  Juni  1903,  Z  6615,  als  unbegrtlndet 
erklärte :  „weil  die  Revaccination  der  Schulkinder  zur  ö£f entlichen  Impfung 
g^ehöre,  weil  der  Gemeindearzt   nach  dem  mährischen  Landesgesetze   vom 
10.  Februar  1884  verpflichtet  sei,   als  solcher  die  Impfung  vorzunehmen 
und  fQr  seine  Funktionen   als  Gemeindearzt  aufser   der  festgestellten  Be- 
zahlung keine  Gebühr  beanspruchen  könne. *^     Nach  der  Ansicht  des  Bericht- 
erstatters verstöfst  diese  Enscheidung  gegen  den  Wortlaut  des  §  10 
des  Landesgesetzes  vom  2.  August  1898.     Dieses  teilt  ausdrücklich  die 
Verrichtungen,  die  der  Gemeindearzt  als  solcher  zu  besorgen  hat,  in  Ver- 
richtungen, die  in  den  Wirkungskreis   der  Gemeinde  fallen,  und   andere, 
die  über  Auftrag  der  Staatsbehörde  vollzogen  werden.     Die  Vornahme  der 
Impfung  gehört  nach  §  4d  des  Rcichssanitätsgesetzes  vom  30.  April  1870 
zu  den  von  der  Staatsbehörde   vorzunehmenden  Kommissionen,    bei  denen 
die  Gemeinde  nur  mitzuwirken  hat,  und  auch  §  12  des  mährischen  Landes- 
gesetzes vom  10.  Februar  1884  ändert  dies  nicht  ab.     Wenn  man  selbst 
annehmen  wollte,   dafs  bis  zum  Landesgesetze  vom  2.  August  1898   das 
Landesrecht  der  Gemeinde  die  Kosten  der  Impfung  überwälzt  habe  (obwohl 
es  hierzu  verfassungsmäfsig   gar  nicht  in  der  .Lage  war),  so  war  mit  dem 
neuen  Gesetze  eine  genaue  Vorschrift  gegeben,    die  den  Gemeindearzt  zur 
unentgeltlichen   Amtswaltung    nur    im    Rahmen    des   Wirkungskreises    der 
Gemeinde  verhält.     Von   da  an  haben  die  Gemeindeärzte  Mährens    nicht 
blofs  Anspruch  auf  Gebühren  für  die  Revaccination,  sondern  für  die  Impfung 
überhaupt,   wie  die  Ärzte  in  anderen  Ländern  sie  schon  seit  Beginn  der 
Institution  erhalten. 

I.  Internalionaler  Kongrers  für  Schttlhygiene  in  Nfirnberg, 
4. — 9.  April  19U4.  Vorläufige  Tagesordnung.  (Nach  dem  Stande 
der  Vortragsmeldnngen  bis  zum  13.  November  1903.)  Allgemeine 
Sitzungen.  (Dienstag,  Donnerstag,  Sonnabend.)  1.  Prof.  Dr.  Herm.  Cohk, 
Breslau :  Was  hat  die  Augenheilkunde  fUr  die  Schulhygiene  geleistet,  und 
was  mufs  sie  noch  leisten?  2.  Prof.  Dr.  Axel  Johannessen,  Kristiania: 
Über  den  Stand  der  Schulhygiene  in  Norwegen.  3.  Dr.  Le  Gendee,  Paris, 
Präsident  der  „Ligue  des  m^decins  et  des  familles" :  Sur  Thygi^ne  et  les 
maladies  personelles  des  mattres  an  point  de  vue  de  leurs  rapports  avec 
les  616ves.  4.  Dr.  Sickingeb,  Stadtschulrat,  Mannheim:  Organisation 
grofser  Volksschulkörper  nach  der  natürlichen  Leistungsfähigkeit  der  Kinder. 
5.  Prof.  Dr.  Liebebmann,  Kgl.  Rat,  Budapest:  Über  die  Aufgaben  und 
die  Ausbildung  von  Schulärzten.  6.  Prof.  Dr.  Hueppe,  Prag :  Verhütung 
der  Infektions-Krankheiten  in  der  Schule.  7.  Prof.  Dr.  £uLENBüBa, 
Geheim.  Medizinalrat,  Berlin:     Über  Schülerselbstmorde.  h 

I.  Hygiene  der  Schulgebäude.  A.  Referate:  1.  Hygiene  der 
Schulgebäude.  Referent:  Prof.  Dr.  Blasius,  Braunscbweig.  Korreferent: 
Stadtbaumeister  Ostrbloh,  Braunschweig.  2.  Normen  für  Tageslichteinfall 
in  Schulen.    Referent:  Prof.  Dr.  Max  Gbübeb,  München.     B.   Vorträge: 


888 

1.  HEGEBtrs,  Abmin,  Stadt  Ingenieur,  Budapest:  Über  die  neueren  Schul« 
bauten  der  Stadt  Budapest.  2.  Dr.  Angebeb,  £bnst,  kgl.  Bezirksarzt, 
Weilheim,  Oberbayem:  Das  Schulhaus  auf  dem  Lande.  3.  Hintbageb, 
k.  k.  Prof.  u.  diplom.  Architekt,  Wien:  Das  Yolksschulhaus  der 
Gegenwart  in  hygienischer  Beziehung.  4.  Szupan,  Wilh.,  kgl.  Rat, 
Direktor  der  Handelsakademie  in  Budapest:  Die  Schulbank  von  Michl  und 
Szupan  in  Budapest.  5.  Dr.  Liebbeigh,  Richabd,  Paris:  Einflufs  der 
Schule  auf  Auge  und  Wirbelsäule.  6.  Bbink,  Heinbich,  Spezialfabrik  fttr 
Schul-  und  Turnhallen-Einrichtungen,  Wahlershausen  bei  Kassel:  Nene 
hygienische  Einrichtungen  fCtr  Klassenzimmer  und  Turnhallen.  Prof.  Dr. 
KÖNiGSHÖFEB,  Sauitätsrat,  Stuttgart:  Über  Geradehalter.  8.  Hoch,  Lehrer: 
Beitrag  zur  endgültigen  Lösung  der  Schulbankfrage.  9.  Webeb,  Oberbaurat, 
Nürnberg:  Technische  Grundsätze  für  den  Bau  der  Yolksschulhäuser  in 
Nürnberg. 

IL  Hygiene  der  Internate.  A.Referate:  1.  Hygiene  des  Internats. 
Referent :  Dr.  Juba,  Schularzt  und  Prof.  der  Hygiene  in  Budapest.  B.  Vor- 
träge: 1.  Tbüpeb,  Institutsdirektor,  Jena:  Über  die  ethische  Hygiene  der 
Internate.  2.  Dr.  Mathieü,  Alb.,  Paris,  Sekretär  der  „Ligue  des 
m^decins  et  des  familles*' :  L'internat  dans  les  Etablissements  de  l'instruction 
secondaire  en  France. 

III.  Schulhygienische  Untersuchungs-Methoden.  A.Referate: 
1.  Wert  der  Experimente  bei  Schuluntersuchungen.  Referent:  k.  k.  Sani- 
tätsrat Dr. Altschül,  Prag.  Korreferent:  Dr.  Vannod,  Bern.  B.  Vorträge: 
1.  Yasusabübo,  Dr.  med.,  Prof.  an  der  Universität  zu  Tokio  und  In- 
spektor der  schulhygienischen  Abteilung  des  Kaiserl.  Japan.  Unterrichts- 
ministeriums :  Mitteilungen  über  Resultate  der  ErmOdungsmessungen  in  vier 
japanischen  Schulen  zu  Tokio. 

IV.  Hygiene  des  Unterrichts  und  der  Unterrichtsmittel. 
A.  Referate:  1.  Mafs  der  Lehrpensen  und  Lehrziele  an  höheren  Unter- 
richtsanstalten. Referent :  Nervenarzt  Dr.  Benda,  Berlin.  2.  Vorzüge  des 
ungeteilten  Unterrichts.  Referent:  Dr.  Hintzmann,  Oberschuldirektor, 
Elberfeld.  Korreferent:  Prof.  Dr.  M.  C.  Schüyten,  Antwerpen.  .3.  Koedu- 
kation in  den  höheren  Schulen.  Referent :  Prof.  Dr.  Axel  Hebtel,  Kopen- 
hagen. Korreferent:  Prof.  Dr. PALMBEBG,Helsingfors.  4.  Mindestforderungen 
bei  der  typographischen  Ausstattung  von  Schulbüchern.  Referent :  Dr.  Neu- 
BUBGEB,  Augenarzt,  Nürnberg.  B.Vorträge:  1.  Dr.  Landau,  Jan.,  Krakau: 
Ein-  oder  zweimaliger  Unterricht.  2.  Enbbis,  Rektor,  Rüdesheim  a.  Rh. : 
Die  Hygiene  des  Unterrichts  in  der  Volksschule.  3.  Tböltsch,  Ebnst, 
Lehrer,  Nürnberg:  Die  Veranschaulichung  des  grundlegenden  Rechnens 
im  Zahlenraum  2 — 100  am  Nürnberger  Rechenbrett.  4.  Dr.  Wildbb- 
MUTH,  Sanitätsarzt,  Nervenarzt,  Stuttgart:  Schule  und  Nervenkrankheiten. 
5,  Dr.  NoXKOW,  P.  M.,  Prof.  der  Pädagogik  an  der  Universität  Sofia, 
Bulgarien:  Die  passiven  Unterrichtsmethoden  vom  schulhygienischen  Stand- 
punkt aus.  6.  Dr.  Weyl,  Theod.,  Dozent  für  Hygiene  in  Charlottenburg: 
Über  Niederhaltung  des  Genies  durch  den  Schulbetrieb. 

V.  Hygienische  Uqterweisung  der  Lehrer  und  Schüler. 
A.  Referate:  1.  Hygienische  Unterweisung  der  Lehrer.  Referent:  Prof. 
Dr.  Blasics,  Braunschweig.     Korreferent:   Prof.  Dr.  Alexander  Web- 


889 

mCKE,  Braanschweig.  2.  Hygienische  ünterweisüDg  der  Schüler:  Refe- 
rent; Prof.  Dr.  Wbbnickb,  Posen.  B.  Vorträge:  1.  Dr.  Schuschnt, 
Heinbigh,  Schularzt  und  Prof.  der  Hygiene,  Budapest :  Die  sexuelle  Auf- 
klärung und  die  höheren  Schulen.  2.  L^ghapelle,  Sevebin,  Professeur 
de  Pädiatrie  et  Pathologie  g^n^rale  k  l'univ.,  Laval,  Canada:  Ce  qne  la 
femme  doit  apprendre  en  hygi^ne  et  en  m^decine.  3.  Fisoheb,  Emil,  Kustos 
des  naturhistorischen  Schulmuseums  Rixdorf-Berlin :  Lehr-  und  Lernmittel  für 
den  Unterricht  der  Hygiene  der  Schule.  4.  Prof.  Dr.  Hartmann,  Arthub, 
Berlin :  Die  Erziehung  des  Volkes  zur  Gesundheitspflege  durch  den  Schul- 
arzt. 5.  Prof.  Dr.  Bbeitüng,  Max,  Coburg:  Die  Schule  als  sozial- 
politischer Faktor,  ß.  Dr.  Flaghs,  Albebt,  Arzt,  Moinesti,  Rumänien: 
Zur  Verbreitung  der  Kenntnis  hygienischer  Lehren  in  der  Schuljugend. 
7.  Dr.  Epstein,  Ernst,  Spezialarzt,  Nürnberg:  Die  Aufklärung  der 
heranwachsenden  Jugend  über  die  Geschlechtskrankheiten. 

VL  Körperliche  Erziehung  der  Schuljugend.  A.  Referate: 
1  Turnen  und  Jugendspiele.  Referent:  Dr.  Sghmidt,  Bonn.  Korreferent: 
MÖLLER,  Tuminspektor,  Altona.  2.  Schulbäder.  Referent:  Dr.  Sghmidt, 
Bonn.  B.  Vorträge:  1.  Dr.  Reich,  Nicol.,  Budapest:  Über  schwedische 
Heilgymnastik  und  deren  Wert  für  die  Entwicklung  der  Schuljugend  zur 
Zeit  der  Pubertät.  2.  Dr.  Samosgh,  Schularzt,  Breslau:  Schulärztliche 
Untersuchungen  über  den  Einflufs  der  an  den  Breslauer  Volksschulen  üb- 
lichen Jugendspiele  auf  die  Herztätigkeit  der  Kinder.  3.  Eüöenio  Bab- 
tolome  t  Mingo,  Direktor  y  Prof.  de  los  jardines  de  la  infancia,  Madrid : 
Education  corporelle  des  enfants.  4.  Moeller,  Wilh.,  Lehrer,  Hamburg: 
Die  Stellung  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  zur  Schule  und  zur  Familie. 

5.  Prof.  Dr.  Palmbebö,  Helsingfors,  Finland:  Die  physische  Ent- 
wicklung der  Schulkinder  in  den  skandinavischen  Ländern  und  in  Finland. 

6.  Prof.  Dr.  Glauning,  städt.  Schulrat,  Nürnberg:  Der  Spielplatzbetrieb 
in  Nürnberg. 

VU.  Krankheiten  und  ärztlicher  Dienst  in  den  Schulen. 
A.  Referate:  1.  Morbiditätsstatistik.  Referent:  k.  k.  Sanitätsrat  Dr.  Alt- 
SGHüL,  Prag.  Korreferent:  Prof.  Dr.  Büeghel,  Direktor  des  statistischen 
Amtes,  Nürnberg.  2.  Aufgaben  des  Staates  im  Schularztwesen.  Referent: 
Medizinalrat  Prof.  Dr.  Leübüsgheb,  Meiningen.  3.  Die  Errichtung 
städtischer  Schulzahnkliniken,  eine  yolkshygienisch-intemationale  Forderung 
unserer  Zeit.  Referent:  Privatdozent  Dr.  Jessen,  Strafsburg.  Korreferent: 
Beigeordneter  Dominigus,  Strafsburg.  B.  Vorträge:  1.  Dr.  Righteb, 
Kabl,  kgl.  Kreisarzt,  Remscheid:  Wie  weit  soll  und  darf  die  Erteilung 
ärztlichen  Rates  und  die  Behandlung  yon  Schülern  und  Schülerinnen  seitens 
der  Schulärzte  gehen?  2.  Dexteb,  Edwin  Gbant,  Prof.  of  Education, 
üniversity  of  Blinois:  The  influence  of  the  weather  npon  the  child. 
3.  Dr.  Landau,  Jan.,  Krakau:  Die  Schulärztefrage  in  Österreich.  4.  Dr. 
Engelhobn,  Medizinalrat,  Göppingen:  Welche  Bedeutung  für  die  Schul- 
hygiene hat  die  Psychologie  und  Psychopathologie  der  Entwicklungsjahre? 
5.  Dr.  Seggel,  Cabl,  Generalarzt,  München:  Schädigung  des  Lichtsiuns 
durch  die  Schule.  6.  Dr.  Bbesgen,  Maximil.,  Sanitätsarzt,  Wiesbaden: 
Die  hauptsächlichsten  kindlichen  Erkrankungen  der  Nasenhöhle,  der  Kacheu- 
höhle   und   der  Ohren,    sowie  ihre  Bedeutung  für  Schule  und  Gesundheit. 


890 

7.  Dr.  Almqüist,  E.  B.,  Prof.  der  Hygiene  in  Stockholm :  Die  Prinzipien, 
betreffend  die  Schulärzte.  8.  Prof.  Dr.  Cohn,  ELebmank,  AngeoarzL 
Breslau :  Augenhöhle  und  Knrzsichtigkeit.  9.  Dr.  Haskowec,  Ladislaus, 
Dozent  der  Nenropathologie,  Prag:  Pour  Intter  contre  la  d^^n^rescence 
des  enfants.  10.  Dr.  Kielhauseb,  Hubert,  Zahnarzt,  Graz:  Zahn- 
untersuchungen in  Schulen. 

Vni.  Sonderschulen.  A.  Referate:  1.  Das  Sonderklassensystem 
der  Mannheimer  Volksschule.  Referent:  Dr.  Sickinger,  Stadtschalrat, 
Mannheim.  Korreferent:  Dr.  Moses,  Stadtarzt,  Mannheim.  2.  Ober 
Krttppelschulen.  Referent :  Dr.  Leonh.  Rosenfeld,  Nürnberg.  3.  Hüüs- 
schulen  fttr  Schwachbegabte.  Referent:  Fb.  Fbenzel,  Leiter  der  Hilfs- 
schule in  Stolp.  Korreferent:  Dr.  Schlesinger,  Schularzt,  StraTsbnrg. 
B.  Vorträge:  1.  Dr.  Zimmer,  Berlin-Zehlendorf:  Ein  Heil-  und  Erziehungs- 
heim für  nervöse  junge  Mädchen.  2.  Dr.  Gelpke,  Augenarzt,  Karlsruhe: 
Beziehungen  des  Sehorgans  zum  angeborenen  und  erworbenen  Schwachsinn. 

IX.  Hygiene  der  Schuljugend  ausserhalb  der  Schale. 
A.  Referate :  Elternabende.  Stadtschulinspektor  Weiss,  Nürnberg.  B.  Vor- 
träge: 1.  Roller,  Karl,  Oberlehrer,  Darmstadt:  Die  Beschäftigung 
der  Schüler  der  höheren  Lehranstalten  aufserhalb  der  Schule,  vom  gesund- 
heitlichen Standpunkte  aus  betrachtet.  2.  Dr.  Kaufmann,  Fribdr.,  Augen- 
arzt, Ulm:  Die  Hausaufgaben  der  Schüler.  3.  Dr.  Blitstein,  Arzt, 
Nürnberg:  Alkohol  und  Schule.  4.  Dr.  Haüfe,  Ewald,  Waidbruck, 
Tirol :  Die  natürliche  Erziehung  und  die  hygienische  Schule.  5.  Favkk- 
BouRCART,   Ingenieur:     Importaoce  hygienique   des  colonies  de  vacances. 

6.  Berninger,  Lehrer,  Wiesbaden:    Über  Organisation  von  Elternabenden. 

7.  Dr.    VON    Forster,    Hofrat,    Nürnberg:     Volksbildung    und    Schul- 
gesundheitspflege. 

X.  Hygiene  des  Lehrkörpers.  A.  Referate:  —  B.  Vorträge: 
1.  Dr.  Wichmann,  Ralf,  Physikus,  Nervenarzt,  Bad  Harzburg:  Zur 
Überbürdungsfrage  der  Lehrerinnen. 


Umtlxä^t  IDetfttgtitigeti. 


AUsferti^ng  ärztlicher  Zengniase  zur  Begrfindang  von 

SchuiversAnrnnissen. 

Erlafs  der  k.  k.  Landesregierung  in  Kärnten 
vom  25.  September  1902,  Z.  17814, 

an  die  k.  k.  Bezirkshauptmannschaften  in  Kärnten  und  den  Stadtmagistrat 

in  Klagenfnrt. 

Der  k.  k.  kärntnerische  Landesschnlrat  hat  sich  mittels  Zuschrift 
vom  12.  September  d.  J.,  Z.  2885,  mit  dem  Ersuchen  an  die  k.  k.  Landes- 
regierung gewendet,  dahin  wirken  zu  wollen,   dais  die  in  Schulangel^en- 


891 

heiteD,  iDsbesondere  die  znr  Rechtfertigung  von  Scholversäamnissen  anszn- 
stellenden  ärzüicben  Zeugnisse  von  den  betreffenden  Ärzten  mit  möglichster 
Klarheit  und  Vollständigkeit  verfafst  werden. 

Der  k.  k.  kämtnerische  Landesschulrat  sah  sich  hierzu  durch  die 
Tatsache  veranlaCst,  dafs  Tiele  derartige  anher  mitgeteilte  ärztliche  Zeugnisse, 
oft  sehr  lückenhaft  verfafst,  einerseits  den  Schulbehörden  nicht  Gelegenheit 
gaben,  zu  erkennen,  ob  und  innerhalb  welcher  Zeit  ein  statthafter  Ent- 
schuldigungsgrund für  das  Ausbleiben  von  Kindern  aus  der  Schule  vorhanden 
iwar,  anderseits  aber  infolge  ihrer  Mangelhaftigkeit,  insbesondere  des  Fehlens 
genauerer  Zeitbestimmungen,  den  Parteien  die  Handhabe  zu  mifsbräuch- 
licher  Verwendung  derselben  boten. 

Der  k.  k.  kämtnerische  Landesschulrat  hat  weiter  jener  Normen 
besonderer  Erwähnung  getan,  welche  zumeist  zur  Ausstellung  derartiger 
ärztlicher  Zeugnisse  in  Schulangelegenheiten  Anlafs  geben.  Diese  sind  ins- 
besondere folgende: 

Laut  §  23  des  Reichsvolksschulgesetzes  vom  2.  Mai  1883,  R.  G.  Bl. 
]^r.  53,  sind  Kinder,  denen  ein  dem  Unterrichtszwecke  oder  Schulbesuche 
hinderndes  geistiges  oder  schweres  körperliches  Gebrechen  anhaftet,  von  der 
Verpflichtung,  die  öffentliche  Schule  zu  besuchen,  zeitweilig  oder  dauernd 
entbunden.  Gemäfs  §  21  und  22  des  Gesetzes  vom  17.  Jänner  1870, 
L.  G.  Bl.  Nr.  12,  sind  diese  Kinder  von  der  Ortsschulbehörde,  welche  vor 
Beginn  jedes  Schuljahres  die  Aufzeichnung  aller  im  schulpflichtigen  Alter 
stehenden  Kinder  vornimmt,  in  einem  eigenen  Verzeichnisse  zusammenzu- 
stellen, welches  sofort  der  Bezirksschulbehörde  vorzulegen  ist. 

Laut  §  21  des  Reichsvolksschulgesetzes  vom  2.  Mai  1883,  R.  G.  Bl. 
Kr.  53,  und  laut  der  §  31  und  32  des  Gesetzes  vom  17.  Jänner  1870, 
L.  G.  Bl.  Nr.  12,  darf  der  Austritt  aus  der  Schule  nur  erfolgen,  wenn 
die  Schüler  die  für  die  Volksschule  vorgeschriebenen  notwendigen  Kennt- 
nisse, als:  Religion,  Lesen,  Schreiben  und  Rechnen,  besitzen  und  dies  durch 
ein  Zeugnis  einer  öffentlichen  Volksschule  nachweisen.  Von  der  Beibringung 
dieses  Zeugnisses  sind  aber  Kinder  befreit,  deren  geistiger  oder  körper- 
licher Zustand  erwiesenermafsen  die  Erreichung  des  Zieles  der  Volksschule 
nicht  mehr  erwarten  läfst. 

Nach  §  3  und  4  der  Schul-  und  Unterrichtsordnung  vom  20.  August 
1870,  R.  G.  Bl.  Nr.  105,  darf  kein  Kind  ohne  statthafte  Entschuldigungs- 
gründe  einzelne  Stunden  oder  Tage  der  gesetzlichen  Schulzeit  versäumen. 
Als  statthafte  Entschuldigungsgründe  sind  insbesondere  anzusehen: 

a)  Krankheit  des  Kindes; 

b)  Krankheit  der  Eltern  oder  Angehörigen,  weim  diese  der  Pflege  des 
Kindes  erwiesenermafsen  notwendig  bedürfen; 

c)  schlechte  Witterung,  wenn  dadurch  den  Kindern  Gefahr  an  Ge- 
sundheit droht; 

d)  Ungangbarkeit  der  Wege. 

Die  letzten  zwei  Punkte  c  und  d  wurden  hier  aufgenommen,  weil  es 
auch  vorkam,  dafs  ein  ärztliches  Zeugnis  darüber  eingeholt  wurde,  dafs  ein 
bestimmtes  Kind  den  Weg  zur  Schule  bei  schlechtem  Zustande  desselben 
und  bei  schlechter  Witterung  aus  Gesundheitsrücksichten  nicht  zurück- 
legen könne. 


892 

Ans  diesen  Normen  wird  ersichtlich,  dafs  auch  die  in  Schalangelegen- 
heiten ansznstellenden  ärztlichen  Zeugnisse  hei  ihrer  Verfassung  einer  ge- 
wissen Sorgfalt  bedürfen. 

Um  diesem  Punkte  Rechnung  zu  tragen  und  um  zu  verhüten,  daüs 
solche  ärztliche  Zeugnisse  wegen  mangelhafter  Fassung  zurückgewiesen 
resp.  zur  Ergänzung  rückgestellt  werden  müssen,  werden  die  k.  k. 
Bezirkshauptmannschaften  und  der  Stadtmagistrat  augewiescn,  sämtliche 
Ärzte  des  dortigen  politischen  Bezirkes  zu  yeranlassen,  dafs  in  Hinkunft 
die  in  Schulangelegenheiten  auszustellenden  ärztlichen  Zeugnisse  mit  mög- 
lichster Klarheit  verfafst  werden  und,  wenn  tunlich,  enthalten 

den  Namen  und  das  Alter  des  Kindes; 

die  Angabe  der  Krankheit; 

die  Dauer  der  Krankheit  mit  der  Beifügung,  wann  die  Schulbesuchs- 
fähigkeit begonnen  hat,  und  wann  sie  enden  wird,  sowie 

den  Zweck  der  Ausstellung  des  Zeugnisses  (zur  Entschuldigung  des 
Ausbleibens  von  der  Schule  etc.). 

Bei  dieser  Gelegenheit  ist  den  Ärzten  auch  mitzuteilen,  dafs  nach  dem 
Gebührenpatente  vom  9.  Februar  1850  ärztliche  Zeugnisse,  welche  bestimmt 
sind,  das  Ausbleiben  der  Schüler  aus  dem  Unterrichte  dieser  Schulen  zn 
rechtfertigen,  insoweit  zu  deren  Besuch  eine  gesetzliche  Verpflichtung  be- 
steht, blofs  zu  diesem  Gebrauche  stempelfrei  sind. 

(„D.  österr.  Sanitäfswesen'' ,  Nr.  49.) 


fitertttitr. 


Besprechungen. 

H.  Tfl.  Matthias  Meyer.  Die  Schnlstfttton  der  Zukunft.  Mit  28  Ab- 
bildungen im  Text.    Hamburg,  L.  Voss,  19U3.    Gr.  8®.   78  S.  JH.  1.50. 

Unter  dem  vielsagenden  Titel :  „Die  Schulstätten  der  Zukunft"  bringt 
der  als  Pädagoge  und  Schulhygieniker  bestbekannte  Verfasser  eine  Reklame- 
schrift für  die  transportablen  Pavillonbauten  nach  System  DöCkeb- 
Chbistoph  &  Unmabk. 

Die  Vortrefflichkeit  der  DöCKEBschen  Schulbaracken  ist  aufser  Zweifel 
und  hat  sich  an  allen  Orten  bewährt,  wo  es  sich  um  die  rasche  Herstellnng 
von  Schulbau- Provisorien  handelte.  Auf  diesem  begrenzten  Gebiete  der 
Aushilfe  bei  plötzlich  auftretendem  Bedürfnis  nach  Schulunterkünften  wird 
sich  die  DöCKEBsche  Baracke  vor  Fertigstellung  eines  massiven  Schul- 
neubaues auch  fernerhin  empfehlen.  Das  Pavillonsystem  mit  transportablen 
Schulbaracken  als  Schulstätte  der  Zukunft  zu  proklamieren,  dünkt  uns 
dagegen  total  verfehlt. 

Es  ist  aufser  allem  Zweifel,  dafs  der  neuzeitliche  Schulbau  in  grofsen 
Städten  manche  Mängel  aufweist,  dafs  ganz  besonders  die  Zentralisierung 
in    übergrofsen  Gebäuden    aus    hygienischen  Gründen   nachteilig  ist,    aber 


893 

wenn  wir  Umschaa  halten,  finden  wir  im  In-  und  Aaslande  Städte,  die 
den  Umfang  der  Schnlgebäude  auf  ein  bescheidenes,  hygienisch  einwand- 
freies Mals  beschränken,  und  die  ihre  Schnlstätten  mit  allen  Einrichtungen 
▼ersehen,  welche  die  Schulgesundheitspflege  fordert,  und  welche  der  Fort- 
schritt der  Technik  bietet. 

Die  Ausführungen  des  Verfassers  über  die  „Schulkasemen^  und  über 
die  Eorridorbauten  sind  Yortrefflich,  und  stimmen  wir  denselben  ebenso 
zu,  wie  seinen  allgemeinen  Erörterungen  über  das  Payillonsystem. 

Inwiefern  sich  das  von  gesundheitlicher  Seite  empfehlenswerte  Pavillon- 
system für  Unterrichtsstätten  im  Schulbetriebe  bewährt,  lälst  sich  heute 
noch  nicht  bestimmt  aussprechen,  da  bisher  nur  wenige  Anlagen  dieser 
Art  ausgeführt  wurden,  und  zwar  in  Strafsburg,  Ludwigshafen  a.  Rh., 
Trondhjem  (Norwegen),  Grofs-Lichterfelde  bei  Berlin,  Langenthal  (Schweiz) 
und  Lingen  a.  d.  Ems.  In  kleinen  Städten  dürfte  das  Pavillonsystem  in 
Zukunft  gröfsere  Verbreitung  finden,  während  in  grofsen  Städten  die  ört- 
lichen Verhältnisse  selten  die  zerstreute  Bauart  zulassen. 

Die  zweite  Hälfte  der  Flugschrift  enthält  den  Entwurf  und  die  aus- 
führliche Beschreibung  einer  14  klassigen  Knaben-  und  Mädchen- Volks- 
schule im  Pavillonsystem  mit  Turnhalle  und  Sonderräumen  für  Zeichnen, 
Naturlehre,  Knabenhandfertigkeit,  Modellieren  und  Haushaltungskunde. 

Wenn  wir  auch  nicht  mit  allen  Ansichten  des  Verfassers,  betreffend 
den  Schulbau  der  Zukunft,  übereinstimmen,  so  empfehlen  wir  doch  jedem 
mit  dem  Bau  von  Volksunterrichtsstätten  Betrauten  die  Lektüre  der  streng 
sachlich  gehaltenen  Broschüre.  Prof.  C.  HiNTBÄasB-Wien. 

Gbob,  J.  J.,  Lehrer.  Die  normalen  KSrperhaltnngen.  Beitrag  znr 
LSsnng  der  Schulbank-  nnd  der  Schriftfrage.  Küisnacht  bei  Zürich. 
1903.     8®,  24  S.  mit  Abbildungen. 

Verfasser  ist  Konstrukteur  einer  sog.  Universalschulbank,  deren 
charakteristische  Bestandteile  sind:  1.  Der  Inklinationssitz  und 
2.  die  Stemmsprosse  —  eine  Fnfsleiste,  die  so  angebracht  ist,  dafs 
der  sitzende  Schüler  bei  ausgestreckten  Beinen  sich  mit  den  Füfsen  an- 
stemmen kann,  und  deren  Lage  der  Länge  der  Beine  des  Schülers  an- 
gepalst  werden  kann.  Der  Inklinationssitz  der  GfiOBschen  Bank  ist  ein 
Schmiegesitz.  Er  ist  als  Einzelsitz  auf  dem  Sitzbalken  derart  befestigt, 
daljs  er  sich  um  seine  Längsachse  drehen  läfst,  nach  vorn  bis  ca.  30^ 
unter  die  Horizontale,  rückwärts  bis  in  die  Vertikale.  Der  Schüler  schreibt 
auf  dem  Schmiegesitz  in  der  vorderen  Sitzlage  mit  schräg  vorwärts  ge- 
streckten Beinen,  die  auf  der  vorderen  Stemmsprosse  ihren  Halt  finden; 
er  liest,  hört,  ruht  in  der  hintern  Sitzlage,  den  Rücken  angelehnt,  die 
Beine  auf  der  hintern  Stemmsprosse  aufgestellt.  Der  Sitz  geht  automatisch 
aus  der  Inklination  in  die  Horizontale  und  in  die  Reklination  über;  beim 
Aufstehen  fällt  er  in  die  Vertikale  zurück,  und  der  Schüler  findet  bei 
vorgeschobener  Tischplatte  genügend  Raum  zum  Stehen  in  der  Bank. 

Gbob  will  durch  seine  Universalbank  die  nach  den  Gröfsenverhält- 
nissen  der  Kinder  im  Nummemsystem  abgestuften  Schulbänke  ersetzen. 
Er  hält  es  mit  Rücksicht  auf  die  individuellen  Verschiedenheiten  im  Wachs- 
tum der  mafsgebenden  Körperteile  für  unrichtig,  feste  Normalien  für  ver- 


894 

schiedene  Bankgröfsen  aafznstellen;  er  erklärt  die  Bank  ohne  verstellbare 
Teile  als  ein  Unding  und  verlangt  von  der  Universalbank  eine  unbeschränkte 
Adaptionsfähigkeit.  Erreicht  wird  dieser  Zweck  bei  der  GBOBschen  Bank, 
die  eine  fixe  Sitzhöhe  hat,  durch  die  Yerstellbarkeit  der  vorderen  Stemm- 
sprosse und  der  Tischplatte.  Immerhin  ist  zu  sagen,  dafs  mit  Bezug  anf 
die  letztere  Grob  ebenfalls  in  den  von  ihm  gerOgten  „Fehler*'  anderer 
Schulbankkonstrukteure  verfallen  ist  und  für  die  „Differenz''  ganz  bestimmte 
Normalien,  und  zwar  solche  mit  recht  grofsen  Intervallen  (22 — 24,5 — 
27 — 29,5  cm)  angenommen  hat,  so  dafe  mit  Hinsicht  auf  eines  der  wich- 
tigsten Malse  der  Schulbank,  das  von  ihm  in  den  Vordergrund  gestellte 
Prinzip  der  unbegrenzten  Adaptionsfähigkeit,  durchbrochen  ist.  Aulserdeni 
ist  zu  sagen  —  und  hierin  liegt  der  Hauptirrtnm  Gbobs  — ,  dafs  es  un- 
richtig ist,  das  Prinzip  einer  grofsen  Adaptionsfähigkeit,  welches  mit  Recht 
bei  der  Konstruktion  von  Schulbänken  für  das  Haus  angewendet  wird, 
auf  die  in  der  Schule  zu  verwendenden  Bänke  flberzutragen;  hier  ist 
aus  verschiedenen  Gründen,  auf  die  an  diesem  Orte  nicht  näher  eingegangen 
werden  kann,  der  im  Nummernsystem  abgestuften  Bank  mit 
festen  Teilen  entschieden  der  Vorzug  zugeben. 

Was  nun  den  Inklinationssitz  Grobs  und  die  damit  organisch  zusammen- 
hängende Fufsstemmsprosse  anbelangt,  so  sind  die  für  diese  Konstruktion 
vom  Verfasser  angeführten  Gründe  durchaus  nicht  beweisend.  Die  ein- 
fache, auf  einige  Zeichnungen  der  gegenseitigen  Lage  der  Wirbelsäule,  des 
Inklinationssitzes  und  der  Beine,  und  auf  den  Hinweis  der  Haltung  der 
Kutscher  auf  dem  Bocke  gegründete  Behauptung,  dais  nur  bei  dieser 
Konstruktion  eine  richtige  Körperhaltung  der  Kinder  beim  Schreiben 
möglich  sei,  genügt  keineswegs.  Es  fehlt  hier  einerseits  die  anatomische 
Grundlage  und  anderseits  der  Erfahrungsbeweis.  Ebenso  wird  man  bis 
auf  weiteres  die  Richtigkeit  der  Behauptung  Grobs,  dafs  die  Schulbank 
eine  horizontale  Tischplatte  haben  müsse,  bezweifeln.  Dagegen 
sind  wir  gern  bereit,  den  Ausführungen  des  Verfassers  über  die  Schriftart 
bezw.  Heftlage  im  aUgemeinen  beizustimmen.  Wir  begrüüsen  es,  dafs  G., 
in  Übereinstimmung  mit  einer  von  uns  schon  oft  ausgesprochenen  Ansicht, 
offenbar  zur  Oberzeugung  gekommen  ist,  dafs  nicht  in  erster  Linie  die 
Konstruktion  der  Schulbank,  sondern  die  Heftlage  und  Schreibart  die 
Körperhaltung  des  schreibenden  Schülers  bedingt,  und  dafs  er  der  Steil- 
schrift bei  gerader  Mittenlage   des  Heftes  Gerechtigkeit  widerfahren  lälst. 

F.  ERISMANN-Zürich. 


^tv  $4|ttlftrfi 


I.  Jahrgang.  1903.  No.  12. 


(Driginalabliattblttttgen. 


Das  Schnlarrtwesen  in  Deutschland. 

Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Umfrage  bei  den 
gröfseren  Städten  des  deatschen  Reiches. 

Von 
Dr.  Paul  ScHUBEBT-Nürnberg. 

(Fortsetzung.) 

Die  Untersuchung  der  neu  in  die  Schnle  eintretenden  Kinder 
ist  an  den  meisten  Orten  mit  der  Yornntersnchnng  (wo  eine 
solche  stattfindet)  und  mit  der  Hauptuntersuchnng  beendet. 

In  jüngster  Zeit  beginnt  indes  noch  eine  dritte  gesonderte 
Untersuchung  sich  einzubürgern,  die  gegen  Ende  des  Schuljahres 
erfolgende,  von  der  Hauptuntersachung  getrennte  Prüfung  der 
höheren  Sinnesorgane. 

Obwohl  diese  Trennung  bisher  nur  in  wenigen  Städten  durch- 
geführt ist,  so  bieten  Auge  und  Ohr  der  Kinder  doch  so  eigenartige 
Verhältnisse  dar,  dafs  es  wohl  gerechtfertigt  erscheint,  die  Art  ihrer 
Untersuchung  in  den  einzelnen  Städten  einer  besonderen  Besprechung 
zu  unterwerfen. 

Die  Sonderstellung  der  höheren  Sinnesorgane  bei  der  Schul- 
untersuchung liegt,  abgesehen  von  der  allgemeinen  hohen  Wichtig- 
keit von  Auge  und  Ohr,  in  zwei  Umständen  begründet.  Erstens  in 
den  Wechselbeziehungen  zwischen  der  normalen  Funk- 
tion beider  Organe  und  dem  Schulbetrieb.  Während  Er- 
krankungen der  Wirbelsäule,  der  Lungen,  des  Herzens  usw.  nur  mittel- 

Der  SchaUrst.  I.  27 


244  896 

bar  die  Lernfähigkeit  und  den  Unterrichtserfolg  in  einem  gewissen 
Grade  beeinträchtigen,  bilden  Sehstörungen  nnd  Schwerhörigkeit  ein 
ernstes  und  unmittelbares  Hindernis  für  den  Unterricht  und  sind 
in  sehr  vielen  Fällen  die  Ursache,  dafs  das  Klassenziel  nicht  erreicht 
wird.  Das  gilt  ganz  besonders  von  der  Schwerhörigkeit,  zumal  wenn 
sie  unbemerkt  bleibt  und,  wie  dies  so  überaus  häufig  geschieht,  aU 
Unaufmerksamkeit  und  Denkfaulheit  gedeutet  wird.  Beim  Auge  hin- 
wieder kommt  noch  der  rückwirkende  Einfluls  des  Schulbetriebes  auf 
die  Entstehung  der  Kurzsichtigkeit  hinzu,  um  die  Sonderstellung 
der  Augenuntersuchtmgen  in  der  Schule  zu  rechtfertigen.  Es  beginnt 
den  jüngeren  Generationen  der  Fachgenossen  aus  dem  Bewulstsein 
zu  schwinden  und  verdient  wohl  zeitweise  hervorgehoben  zu  werden, 
dafs  der  Aufschwung  der  Schulhygiene  von  dem  durch  Hermann 
OoHN  u.  a.  geführten  Nachweis  der  Entstehung  der  Myopie  durch 
den  Schulbetrieb  seinen  Ausgang  nahm,  und  dafs  sowohl  unsere 
Schulhausbauten  wie  das  Schulmobiliar  und  die  Unterrichtsmittel 
hauptsächlich  durch  die  Forderungen  der  Augenärzte  und  die  Rück- 
sichtnahme auf  das  Sehorgan  der  Kinder  eine  so  vollkommene  Um- 
wälzung erfahren  haben.  Zweitens  aberweist  neben  der  Wichtig- 
keit der  höheren  Sinnesorgane  im  Schulleben  auch  die  Schwierig- 
keit ihrer  Untersuchung  diesem  Z weige  schulärztlicher  Tätigkei t 
eine  eigenartige  Stellung  zu.  Diese  Schwierigkeiten  sind  subjektiv 
und  objektiv.  Technik  und  Erfahrung  in  äugen-  und  ohrenärztlichen 
Untersuchungen  stehen  nicht  jedem  Schularzt  in  gleichem  Malse  zur 
Verfügung  und  lassen  die  Beiziehung  von  Spezialärzten  wünschens- 
wert erscheinen.  Aber  auch  der  Spezialarzt  kann  nicht  gut,  wie  es 
bei  der  allgemeinen  körperlichen  Untersuchung  der  Kinder  geschieht, 
in  einem  beliebigen  Zimmer  des  Schulhauses  seines  Amtes  walten; 
der  Augenarzt  braucht  ein  Dunkelzimmer  und  eine  Anzahl  zum  Teil 
komplizierter  und  schwer  transportierbarer  optischer  Instrumente, 
der  Ohrenarzt  ist  gleichfalls  auf  einen  für  otiatrische  Zwecke  ein- 
gerichteten BAum  angewiesen.  Dazu  kommen  noch  die  höheren 
Ansprüche,  die  bei  Seh-  und  Hörprüfungen  an  die  geistige  Reife 
des  Kindes  gestellt  werden  müssen,  weil  hierbei  ein  wichtiger  Teil 
der  Untersuchung  auf  Frage  und  Antwort  beruht. 

Aus  allen  diesen  Gründen  rechtfertigt  es  sich  wohl,  die  Unter- 
suchung der  höheren  Sinnesorgane  als  eine  Sache  sui  generis  zu  be- 
trachten und  zu  behandeln. 

Die  schulärztlichen  Dienstanweisungen  enthalten  darüber  sehr 
wenig,   und   wenn    man  es  nicht   aus  den  Gesundheitsscheinen  ent- 


897  245 

nehmen  könnte,  die  ohne  jede  Ansnahme  eine  Spalte  für  Auge  nnd 
Ohr  enthalten,  so  würde  man  bei  den  meisten  Städten  im  Zweifel 
bleiben,  ob  die  höheren  Sinnesorgane  Gegenstand  der  Prüfung  bei 
allen  Schulneulingen  bilden.  Freilich  kommt  es  hier  vor  allem  auf 
das  wie  an,  und  der  Schwerpunkt  liegt  dabei  in  der  Zuziehung  von 
Spezialärzten. 

Der  Sehn  [Verwaltung  stehen  verschiedene  Wege  offen,  sich  die 
Hilfe  der  Augen-  und  Ohrenärzte  zu  sichern.  Sie  kann  solche  Ärzte 
ganz  ebenso  wie  die  allgemeinen  Schulärzte  fest  anstellen  und  in 
zweckdienlicher  Zusammenarbeit  mit  den  letzteren  verwenden.  Sie 
kann  mit  einem  oder  mehreren  Spezialärzten  des  Ortes  Verträge 
schliefsen  für  eine  bestimmte  Inanspruchnahme  im  schulärztlichen 
Dienst,  mit  Honorierung  nach  der  Binzelleistung.  Sie  kann  endlich, 
wenn  staatliche  Kliniken,  Wohltätigkeitsanstalten  oder  Polikliniken 
am  Ort  bestehen,  sich  die  unentgeltliche  Untersuchung  der  Kinder 
erwirken. 

Aus  dem  Personalverzeiobnis  der  Schulärzte  Deutschlands,  welches 
in  den  letzten  Heften  dieser  Zeiisckrift  veröffentlicht  wurde,  finden 
sich  in  folgenden  Städten  Spezialar^te  als  Schulärzte  angeführt: 

Augenärzte  in  Aachen,  Borbeck,  Bromberg,  Kottbus, 
Essen  (zwei),  Fürth,  Hagen,  Königshütte,  Lüneburg,  Mül- 
hausen,  Offenbach,  Posen,  Remscheid,  Ratibor  und  Stettin. 

Ohrenärzte  in  Aachen,  Danzig,  Fürth,  Mülhausen, 
Posen,  Remscheid  und  Stettin. 

Dabei  ist  zu  bemerken,  dafs  in  Bromberg  der  Augenarzt  der 
einzige  dort  angestellte  Schularzt  ist,  und  dais  in  Lüneburg  über- 
haupt nur  die  Augen  der  Kinder  untersucht  werden,  und  zwar  all- 
jährlich bei  einem  Drittel  der  Schüler,  während  allgemeine  Unter- 
suchungen der  Kinder  nicht  stattfinden. 

Über  die  Tätigkeit  der  Posener  Spezialärzte  verdanke  ich  der 
Güte  des  Schulaugenarztes  Dr.  Pincüs  folgende  Mitteilung.  Die 
Schulärzte  sind  dort  ermächtigt,  wo  sie  es  für  notwendig  halten,  den 
betreffenden  Spezialarzt  zuzuziehen.  In  der  Praxis  hat  sich  das  so  ge- 
staltet, dafs  sie  jeden  Fall,  bei  dem  sie  durch  die  von  ihnen  in  der  Schule 
vorzunehmende  Voruntersuchung  eine  Anomalie  der  höhereu  Sinnes- 
organe gefunden  haben,  dem  Spezialarzt  zuschicken.  In  der  letzten 
Zeit  haben  auch  die  Lehrer  Vorprüfungen  der  Sehschärfe  mit  Cohn- 
schen  Tafeln  im  Freien  vorgenommen  und  die  schwachsichtigen 
Kinder  zum  Augenarzt  gewiesen.  Die  Kinder  erhalten  einen  Zettel, 
der  die  Eltern  auffordert,  mit  ihnen  die  angegebene  Sprechstunde  des 

Der  Schulant.   I.  28 


246  898 

Spezialarztes  zu  besuchen.  Der  Oberlehrer  überwacht  die  Befolgung 
dieser  Anordnung.  DieUntersuchungsergebnisse  werden  vomSpezialarzt 
auf  dem  Überweisungszettel  notiert,  damit  die  Eintragung  in  den 
•  Gesundheitsschein  des  Kindes  erfolgen  kann.  Wenn  eine  Brille 
erforderlich  ist,  so  wird  sie  vom  Schulaugenarzt  yer- 
ordnet  und  den  Unbemittelten  durch  Vermittlung  des  Rektors  von 
der  Armenpflege  geliefert.  Auch  anderweitige  Behandlung  wird  yom 
Schulaugenarzt  an  zugewiesene  Schulkinder  geleistet,  so  z.  B.  bei 
akuten  Augenentzündungen,  skrofulösen  und  trachomatOsen  Er- 
krankungen. Die  Anstellung  besonderer  Augenärzte  für  ständige 
Überwachung  und  Behandlung  des  Trachoms  in  der  Schule  wird 
auch  in  Posen,  wie  überhaupt  in  den  teilweise  stark  verseuchten 
Ostprovinzen  für  wünschenswert  gehalten,  vorläufig  aber  bleibt  das 
noch  dem  Schulaugenarzt  überlassen,  der  für  die  unentgeltliche 
Behandlung  zugewiesener  Schulkinder  eine  Zulage  von  100  Mark 
zu  seinem  schulärztlichen  Honorar  von  150  Mark  bezieht 

Ähnlich,  jedoch  in  manchen  Punkten  abweichend,  liegen,  so  viel 
ermittelt  werden  konnte,  die  Verhältnisse  in  den  andern  Städten, 
welche  eigene  Augen-  und  Ohrenärzte  angestellt  haben. 

Die  Voruntersuchung  wird  meist  vom  Schularzt  gemacht, 
doch  keineswegs  überall  systematisch  bei  jedem  einzelnen  Kind.  In 
Bemscheid  z.  B.  ist  dies  dem  Ermessen  eines  jeden  der  zehn  Schul- 
ärzte überlassen.  In  Königs hütte  besorgt  dies  teils  der  Lehrer, 
teils  der  Schularzt.  In  Kottbus  findet  überhaupt  keine  ärztliche 
Voruntersuchung  statt;  nur  die  zufällig  vom  Lehrer  als  kurzsichtig 
erkannten  Schüler  oder  solche,  auf  die  der  Schularzt  selbst  aufmerksam 
wurde,  werden  dem  letzteren  überwiesen. 

Die  spezialärztliche  Untersuchung  findet  überall  im 
Hauise  des  Arztes  statt.  Das  Ergebnis  der  Untersuchung  wird  in 
Kottbus  vom  Augenarzt  in  den  Gesundheitsschein  eingetragen,  und 
zwar  mit  genauer  Briilenbestimmung  (auch  eventuell  Zylinderkombi- 
nation) und  mit  Bemerkungen  für  den  Lehrer,  z.  B.  über  erforder- 
liche öftere  Untersuchung. 

In  Remscheid  wird  das  untenstehende  Formular  ausgefüllt 
an  die  Eltern  geschickt,  worin  die  Bereiterklärung  zu  kostenloser 
Auskunft  durch  den  Spezialarzt  ausgesprochen  ist  Verordnungen 
werden  von  letzterem  nicht  ausgefertigt.  Wird  er  von  bemittelten 
Eltern  darum  ersucht,  so  haben  diese  zu  zahlen;  Mitglieder  der 
Krankenkassen  werden  an  die  zuständigen  Arzte  verwiesen,  ebenso 
die  Stadtarmen  an  den  hierfür  aufgestellten  Augenarzt  für  Arme. 


899  247 

Mitteilnng. 
Bei  der  üntersnchnng  durch    den    znständigen    städtischen  Schalarzt 
und  sodann   durch  den  Unterzeichneten  hat  sich   ergeben,   dafs  Ihr  Kind 

~ äugen-,  obren-,  nasen-,  baiskrank  ist.* 

Sie    werden    hiervon    mit    dem    Bemerken    benachrichtigt,    dafs    der 
Unterzeichnete  bereit  ist,  nähere  Auskunft  über  den  Gesund- 
heitszustand Ihres  Kindes  zu  erteilen  (kostenlos). 
Diese  Mitteilung  ist  bei  dem  Besuche  mitzubringen. 

Remscheid,  den  190. 

Der  Schularzt 
für  Untersuchung  von  äugen-,  obren-, 
nasen-  oder  halskranken  Kindern. 
An 


*  Zatreffendes  ist  zu  unterstreichen. 

Auch  in  Stettin  hat  der  Augenarzt  nur  die  Untersuchung  und 
nicht  die  Behandlang  zu  leiten.  Es  steht  den  Eltern  frei,  mit  der 
Behandlung  einen  beliebigen  Arzt,  also  auch  den  Schulaagenarzt,  zu 
betrauen,  jedoch  gegen  Bezahlung.  Ist  eine  Behandlung  armer 
Kinder  erforderlich,  so  hat  der  Rektor  den  entsprechenden  Vermerk 
zu  machen  und  das  Weitere  zu  veranlassen. 

In  Kotthus  behandelt  der  Spezialarzt,  ohne  jedoch  dazu  ver- 
pflichtet zu  sein,  sowohl  Brillen  bedürftige,  wie  auch  skrofulöse 
Augenleiden  unentgeltlich,  ohne  Ansehen  des  Vermögens  und  Standes 
der  Eltern,  und  macht  auch  rhinologische  Operationen  in  gleicher 
Weise. 

Die  Honorare  der  Spezialärzte  schwanken  nicht  minder  wie 
deren  Funktionen,  ohne  jedoch  zu  letzteren  immer  im  richtigen  Ver- 
hältnis zu  stehen.  Kotthus  zahlt  ein  Fixum  von  100  Mark,  Rem- 
scheid 2^00  Mark,    Königshütte  500  Mark,    Stettin  600  Mark. 

In  dem  an  die  Magistrate  deutscher  Städte  versandten  Frage- 
bogen war  u.  a.  die  Auskunft  erbeten: 

„Findet  spezialärztliche  Untersuchung  der  Kinder  statt?** 

Unter  den  Städten,  welche  hierauf  mit  „ja**  antworteten,  kehren 
zunächst  alle  jene  Orte  wieder,  die  schon  oben  genannt  sind,  weil 
sie  im  Personalverzeiohnis  der  Schulärzte  einen  Augen-  oder  Ohren- 
arzt aufweisen.  Aufserdem  aber  berichten  von  stattfindenden  äugen- 
ärztlichen  Untersuchungen:  Cöln,  Crefeld,  Darmstadt, 
Dresden,  Hamborn  (obwohl  am  Ort  ein  Augenarzt  nicht  ansfissig 
ist).  Hannover  (Hilfsschule),  Magdeburg,  Mülheim  a.  d.  Ruhr, 
Meiningen,  Osnabrück,  Saarbrücken  und  Zittau. 

28* 


248  900 

Von  ohrenärztlichen  UnteTsnchnngen:  Grefe Id,  HaiiDO^er, 
Magdeburg,  Mülheim  a*  d.  Ruhr,  Meiningen,  Osnabrück, 
Saarbrücken,  Steglitz  nnd  Zittau. 

Hier  sowohl  wie  bei  den  fest  aDgestellten  Spezialschnlärzten  ist 
zu  bemerken,  dals  die  Ohrenärzte  weit  seltener  verwcDdet  werden 
wie  die  Augenärzte.  Ein  Ohrenarzt  allein,  ohne  gleicbzeitige  In- 
anspruchnahme eines  Augenarztes,  findet  sich  nur  in  Steglitz. 

Quedlinburg  berichtet,  dafs  Verhandlungen  mit  Spezialflrzten 
schweben.  Saarbrücken  überweist  die  Kinder  an  einen  der  an- 
sässigen Spezialärzte  und  zahlt  diese  nach  den  geleisteten  Diensten. 
Frankfurt  a.  M.  verweist  auf  die  zahlreich  vorhandenen  Polikliniken, 
denen  die  einer  spezialärztlichen  Untersuchung  bedürftigen  Sander 
zugewiesen  werden.  Jena  erfreut  sich  in  gleichem  Sinne  der  Uni- 
versitätsanstalten. 

(Fortsetsung  folgt.) 


jRUittere  iKittetlnitsett. 


Schnlärztliehes  ans  Hessen«  Unter  Bezugnahme  anf  einen  Antrag 
des  „Allgemeinen  Deutschen  Vereins  für  Schulgesnndheits- 
pflege",  betreffend:  die  Anstellung  von  Schulärzten  im  Deutseben 
Reiche,  hat  die  Grofsherzoglich  Hessische  Regierung  dem 
Vorsitzenden  des  IV.  Ausschusses  der  Zweiten  Kammer  folgende 
Mitteilung  zugehen  lassen:  Dem  Herrn  Präsidenten  des  IV.  Ausschusses 
der  Zweiten  Kammer  der  Landstände  beehrt  sich  das  unterzeichnete  Grofs- 
herzogliche  Ministerium  des  Innern  auf  das  gefällige  Ersuchen  vom 
12.  Februar  1.  J.,  welches  am  23.  April  wiederholt  wurde,  ergebenst  za 
erwidern,  dafs  der  Frage  der  Bestellung  von  Schulärzten  im 
Grofsherzogtum  zum  Teil  auf  Anregung  der  beiden  Kammern  der 
Landstände,  bereits  näher  getreten  wurde.  Der  Antrag  der  „Schal- 
arztkommission^  des  Allgemeinen  Deutschen  Vereins  für  Schulgesond- 
heitspflege  vom  1.  Dezember  1902  kommt  in  Rücksicht  der  in  Hessen 
bestehenden  Verhältnisse  in  gewissem  Sinne  zu  spät,  indem  für  die  fünf 
gröfseren  Städte  des  Landes  die  Schularztfrage  als  gelöst  anzusehen  ist. 
Auch  in  bezug  auf  die  Bestellung  von  Schulärzten  auf  dem  Lande  ist  die 
Regierung  vorgegangen.  In  einzehien  Kreisen  sind  bereits  sämtliche  Schalen 
unter  die  Fürsorge  von  Schulärzten  gestellt,  in  andern  erst  einzelne  Orte. 
Ein  guter  Anfang  ist  gesichert,  und  ein  steter  Fortgang  steht  zu  hoffen. 
Die  Unterweisung  der  Seminaristen  in  den  Seminarien  und  der  Lehrer 
durch  hygienische  Vorträge  der  grofsherzoglichen  Kreisärzte  in  den  Bezirks- 
lehrer-Konferenzen ist  seit  einigen  Jahren  eingeführt  und  hat  sich  anschei- 
nend bewährt. 


901  249 

In  den  Lehrplftnen  der  höheren  Lehranstalten  nnd  der  Yolksschnlen 
ist  Yorkehning  getroffen,  in  dem  naturknndlichen  Unterricht  eine  dem 
Lehensalter,  dem  Bildnngsstande  and  dem  Geschlecht  der  Schttler  ange- 
messene hygienische  Belehrung  zn  gewähren.  Hierzu  werden  für  die 
Heizung,  Lüftung  und  Belichtung,  die  Kleidung,  Nahrung  usw.  die  Lehr- 
stunden in  der  Naturlehre  benutzt,  das  meiste  wird  aber  in  dem  natur- 
geschichtlichen Unterricht  mitgeteilt,  ganz  besonders  in  der  Anthlropologie, 
der  Lehre  von  dem  Bau,  dem  Leben  und  der  Pflege  des  menschlichen 
Körpers,  Der  £rfolg  der  Belehrung  hängt  einmal  von  der  richtigen  Aus- 
wahl und  Verteilung  und  dann  Yon  der  praktischen  Behandlung  des  Lehr- 
stoffes ab.  Die  Auswahl  und  Anordnung  des  Stoffes  fällt  wesentlich  den 
die  Lehrpläne  entwerfenden  Schulbehörden  zu,  die  praktische  Behandlung 
aber  ist  ausschliefsliche  Sache  der  Lehrer,  die  deswegen  eine  tüchtige 
hygienische  Vorbildung  empfangen  müssen. 

Die  Abteilungen  für  Schulangelegenheiten  und  für  öffentliche  Gesund- 
heitspflege halten  es  für  ihre«  Aufgabe,  auf  dem  betretenen  Wege  weiter 
zu  gehen  und  demnächst  in  gemeinsamer  Arbeit  folgende  zum  Teil  schon 
vorher  erwähnte  Ziele  zu  erstreben:  1.  Einführung  eines  von  hygienischen 
Fachmännern  zu  erteilenden  Hygieneunterrichtes  an  den  Lehrerbildungs- 
anstalten und  an  den  Seminarien,  2.  Herstellung  von  Lehrplänen  für  diesen 
Unterricht  durch  gemeinsame  Arbeit  von  Ärzten  und  Schulmännern,  3.  Be- 
schaffung geeigneter  Lehr-  und  Anschauungsmittel,  4.  Durchsicht  der  natur- 
kundlichen Lehrpläne  aller  Schulgattungen  mit  dem  Ziele,  der  hygienischen 
Belehrung  einen  breiteren  Raum  und  die  zweckmäfsigste  Anlehnung  an 
geeignete  Abschnitte  der  Natnrlehre  nnd  Naturgeschichte  zu  gewähren, 
ö.  Fortsetzung  der  hygienischen  Vorträge  in  den  Bezirkskonferenzen. 

Weitergehende  Ziele  glauben  beide  Abteilungen  zunächst  nicht  ins 
Auge  fassen  zu  sollen.  Namentlich  können  sie  erstens  eine  Verwendung 
der  Ärzte  als  Lehrer  der  Hygiene  in  den  andern  Schulen  als  den  Semi- 
narien, und  zweitens  eine  Belehrung  über  sexuelle  Dinge  nicht  empfehlen. 

(Mitget.  V.  Oberlehrer  Karl  ROLLEB-Darmstadt.) 

Die  Bedenken  des  Breslaner  Stadtarztes  ge^en  die  Anstellung 
von  SchniangenSrsten,  Unter  diesem  Titel  repliziert  Prof.  H.  Gohn 
in  der  „Wochenschr,  f,  Therapie  u.  Hygiene  d,  Auges^  VII.,  6  u.  7: 
Gelegentlich  einer  Beratung  der  Ärztekammer  für  die  Provinz  Schlesien 
über  die  AnsteUung  von  Schulärzten  an  höheren  Schulen  wandte  sich  der 
Breslauer  Stadtarzt  Oebbecke  gegen  die  von  Cohn  vorgeschlagene  Ein- 
führung der  Schulaugenärzte,  indem  er  ausführte,  dafs  die  Arbeitslast 
eines  solchen  nach  der  Berechnung  des  Verfassers  eine  so  grofse  sein 
würde,  dafs  der  Magistrat  wohl  kaum  die  Kosten  dafür  tragen  könnte. — 
Gohn  antwortet  in  einem  Briefe  an  den  Stadtarzt  und  legt  dar,  dafs  hier 
ein  Irrtum  in  der  Berechnung  und  Abschätzung  der  Tätigkeit  eines  even* 
tnellen  Schulaügenarztes  vorgekommen  sei,  und  dafs  die  Forderungen,  die 
an  einen  Schulaugenarzt  gestellt  würden,  von  diesem  ohne  allzu  grofsen 
Zeitaufwand  erfüllt  werden  könnten.  —  In  einer  Replik  bemerkt  der  Stadt- 
arzt unter  anderm,  dafs  er  die  Frage  der  Anstellung  von  Schulaugenärzten 
noch  nicht  für  spruchreif  halte,  worauf  Cohn  ganz  mit  Recht  erwidert, 
dafe  die  Verhältnisse  so  klar  seien,  daCs  im  Interesse  des  Augenlichts  der 


250  902 

heranwachsenden  Jagend  die  Einführung  von  Schalaagenärzten  nicht  anf 
die  lange  Banli  geschoben  werden  sollte.  Im  ttbrigen  wären  die  daraas 
entstehenden  Kosien  nicht  so  grofs,  daTs  sie  die  Stadt  Breslau  nicht  sollte 
tragen  können.  „Ich  glaube,  wir  lassen  diese  ganze  Frage  offen,"  sagte 
der  Stadtarzt;  und  Cohn  erwidert  ihm,  dafs  er  solange  mit  seinen  Vor- 
schlägen und  mit  seiner  Kritik  wiederkommen  werde,  bis  in  Breslau  Scbul- 
augenärzte  angestellt  sein  würden;  „denn  sie  werden  der  Jugend  Segen 
bringen!"  (Mitget.  v.  Dr.  Heimann- Charlottenburg.) 

Anstellung  tob  Schularzt en  In  Ffirth.  Die  städtischen  Kollegien 
von  Fürth  bewilligten  unlängst  den  Betrag  Yon  2000  Mark  für  Aufstellung 
von  vier  Schulärzten.  Letztere  haben  bei  Bezug  einer  alljährlichen  Remune- 
ration von  je  500  Mark,  anfangend  mit  Beginn  des  Schuljahres  1903/04 
unter  Mitwirkung  der  Lehrer  die  gesundheitlichen  Verhältnisse  in  den 
städtischen  Volksschulen  zu  überwachen,  die  Schulkinder  periodisch  za 
untersuchen  usw. 

Amtsarzt  und  Schnlärste  in  Nflnchen.  Schon  längere  Zeit  wurde 
in  den  Kreisen  der  Müncbener  Stadtvertretung  der  Gedanke  erwogen,  im 
Rahmen  der  Organisation  des  gemeindlichen  Verwaltungskörpers  eine  Stelle 
zu  schaffen,  die  für  sämtliche  die  Gemeinde  berührende  Medizinalangelegen- 
heiten zuständig  und  mit  einem  ärztlichen  Fachmann  zu  besetzen  sein  sollte. 
Den  Anstofs  zu  einer  raschen  Lösung  dieser  Frage  gab  nun  dieser  Tage 
der  von  dem  rührigen  Gemeindebevollmächtigten  Dr.  Wagkeb  gestellte 
Antrag,  der  Magistrat  wolle  der  Einführung  von  Schulärzten  nähertreten. 
Man  sagte  sich  —  und  zwar  mit  Recht  — ,  dafs  die  Organisation  dieses 
Institutes,  dessen  Schaffung  die  Gemeindeverwaltung  in  ihrer  weitaus  über- 
wiegenden Mehrheit  sympathisch  gegenübersteht,  am  besten  von  einem 
Fachmanne  vorgenommen  werde.  Daher  kam  das  -GemeindekoUegium  in 
seiner  letzten  geheimen  Sitzung  zu  dem  Beschlüsse,  einen  von  der  Ge- 
meinde besoldeten,  von  dieser  aasschlierslich  beschäftigten  städtischen  Amts- 
arzt aufzustellen.  Dieser  Amtsarzt  soll  den  Rechtsräten  im  Range  gleich- 
gestellt sein  und  soll  keine  Privatpraxis  ausüben  dürfen.  Seine  erste  Auf- 
gabe .soll,  wie  bemerkt,  die  sein,  zu  einer  befriedigenden  Lösung  der 
Schularztfrage  entsprechende  Vorschläge  auszuarbeiten.  In  den  Kreisen  der 
Gemeindeverwaltung  rechnet  man  damit,  dafs  die  Aufstellung  von  etwa 
26  Schulärzten  notwendig  werden  wird,  und  dafe  hierfür  sowie  für  die 
Bestallung  des  Amtsarztes  eine  Ausgabe  von  mindestens  30000  Mark  er- 
forderlich wird.  Ob  die  Ausgabe  fOr  diese  Zwecke  schon  im  konmienden 
Etat  erscheint,  läfst  sich  noch  nicht  bestimmt  sagen. 

Schulärztinnen  in  Charloltenbnrg.  Man  schreibt  der  „Berl 
Volksatg.*^ :  In  der  Entwicklung  und  Ausgestaltung  des  städtischen  Schal- 
wesens nach  fortschrittlichen  Grundsätzen  ist  unsere  Nachbargemeinde  Char- 
lottenburg seit  einem  Jahrzehnt  ftür  Berlin  und  andere  groCse  Kommonea 
vorbildlich  geworden.  Charlottenburg  hat  jetzt  mit  dem  Beschlüsse  des 
Magistrats,  eine  Schulärztin  anzustellen,  eine  bahnbrechende  Tat  auf  einem 
bisher  vielumstrittenen  Gebiete  vollbracht.  Als  Berlin  sich  dazu  entschloß, 
die  Schulkinder  in  einer  Reihe  von  Lehranstalten  durch  Schulärzte  Aber 
wachen  zu  lassen,  war  für  Charlottenburg  die  Schularztfrage  längst  gelöst, 
da  dort  an  jeder  Gemeindeschule  ein  Schularzt  tätig  ist.    ViTenn  Ghariotten- 


903  251 

bnrg  jetzt  die  erste  Kommnne  in  Deutschland  ist,  in  der  eine  Schnlärztin 
wirken  soll,  so  hat  diese  Tatsache  eine  am  so  gröfsere  Bedeutang,  als  die 
Stadtverwaltang  in  der  Begründung  ihres  Vorhabens  von  der  Annahme 
ausgeht,  dafs  die  Anstellung  von  Schulärztinnen  in  absehbarer  Zeit  in  jeder 
gröfseren  Gemeinde  erfolgen  mufs.  Es  wird  in  dieser  Begründang  betont, 
dafs  Ärztinnen,  die  sich  in  erster  Linie  die  Behandlung  von  Frauen-  und 
Kinderkrankheiten  zur  Aufgabe  machen,  zur  Beaufsichtigung  des  Gesund- 
heitszustandes der  Schulmädchen  und  zur  Durchfühmug  einer  wirksamen 
Schulhygiene  besonders  geeignet  sind,  dafs  jedoch  zugleich  die  Besucher- 
innen der  Realgymnasialkurse  für  Mädchen  durch  die  Anstellung  einer 
Schulärztin  einen  Fingerzeig  erhalten  sollen,  auf  welchem  Gebiete  sie  sich 
selbst  später  zu  betätigen  imstande  sind.  Dieselben  Gründe,  die  für  die 
Ausbildung  von  Ärztinnen  überhaupt  sprechen,  sollten  auch  die  Anstellung 
von  Schulärztinnen  als  dringend  erforderlich  erscheinen  lassen.  Wie  viele 
Frauen,  so  weigern  sich  zahlreiche  Mädchen,  sich  durch  einen  Arzt  unter- 
suchen zu  lassen,  sie  suchen  selbst  ernstliche  Leiden  zu  verheimlichen  in 
der  Besorgnis,  ihre  Krankheit  dem  Arzte  offenbaren  und  sich  dann  einer  körper- 
lichen Untersuchung  unterwerfen  zu  müssen.  Diese  und  andere  Mifsstände 
lassen  sich  durch  die  Anstellung  von  Schulärztinnen  beseitigen,  und  es  ist 
zu  hoffen,  dafs  der  Versuch,  den  Gharlottenburg  gegenwärtig  unternimmt,  die 
ständige  Beschäftigung  weiblicher  ärztlicher  Sachverständigen  an  den  Mädchen- 
schulen in  einer  größeren  Zahl  von  Gemeinden  zur  Folge  haben  wird. 

Ober  die  TStigkeit  der  Schulärzte  in  Ratibor  ist  ein  Bericht 
für  das  Schuljahr  1902/03  erschienen.  Die  Gesamtzahl  der  Knaben  betrug 
im  Berichtgahr  1744,  die  der  Mädchen  1496.  Dr.  Bloch  (Knaben) 
hielt  82  Sprechstunden  ab  und  stattete  58  Klassenbesuche  ab,  Dr.  Giebigh 
(Mädchen)  hielt  acht-  bezw.  vierzehntägig  Sprechstunden  und  machte  48 
Klassenbesuche.  Die  Berichte  verzeichnen  die  wichtigeren  £rkrankungs- 
f^e.  Die  Anzahl  der  von  den  beiden  Ärzten  an  die  Eltern  gesandten 
Mitteilungen  betrug  263  bezw.  197.  Die  Erhebungen  haben  ergeben,  dafs 
über  50%  dieser  Mitteilungen  über  Erkrankungen  von  Schülern  und  not- 
wendige, ärztliche  Mafsnahmen  schon  beim  ersten  Male  von  den  Eltern 
berücksichtigt  wurden  und  bei  Wiederholung  der  zuerst  nicht  berücksich- 
tigten Mitteilungen  der  Prozentsatz  sich  noch  günstiger  gestaltete.  Die 
Zahl  der  Knaben,  die  eine  bezahlte  Nebenbeschäftigung  (Austräger-  und 
Laufburschendienste  u.  a.)  haben,  betrug  98;  die  Knaben  standen  im  Alter 
von  9  bis  14  Jahren.  Bei  einigen  von  ihnen  mufete  eine  wesentliche  Ein- 
schränkung der  Nebenbeschäftigung  angeordnet  werden;  ein  Knabe  war  als 
Austräger  täglich  über  fünf  Stunden  nach  der  Schulzeit  beschäftigt,  ein 
anderer  trug  dreimal  wöchentlich  sechs  Stunden  hintereinander  Joumal- 
mappen  aus  und  mufste  dabei  53  Stockwerke  steigen.  Gesundheitliche 
Störungen  waren  in  allen  Fällen  der  Überanstrengung  festzustellen.  Die 
dauernde  Verhütung  derartiger  Milsstände  wird  ilas  Reichsgesetz,  betreffend 
die  gewerbliche  Kinderarbeit,  ermöglichen.  Auf  die  Schädlichkeit  des 
Alkohols  wurde  bei  geeigneter  Gelegenheit  hingewiesen.  Die  Schulbrause- 
bäder übten  einen  sehr  wohltätigen  Einflufs  aus.  Die  Schulanlagen  wurden 
von  den  beiden  Ärzten  in  Gemeinschaft  mit  dem  Stadtbaurat  und  den 
Rektoren  besichtigt  und  auf  die  Abstellung  von  Milsständen  hingewirkt. 


252  d04 

Die  Frage   der  Anstellnnc  von  Sehnl&rzten  für  die  Mittel- 

8Chllleil  wurde  neulich  in  der  Stadtverordnetenversainmlang  von  Frank- 
furt a.  M.,  wie  wir  den  Frankfurter  Tagesblättern  entnehmen,  lebhatt 
erörtert.  Der  Magistrat  beantragt,  gestützt  anf  die  günstigen  Resultate 
der  ärztlichen  Überwachung  der  Volksschule,  nun  auch  ftlr  die  Mittelschule 
die  Schaffung  dreier  Schularztstellen.  Stadtverordneter  Dr.  Kibchheim 
empfiehlt  seitens  des  Sclmlausschusses,  der  sich  bereits  mit  dieser  Frage 
beschäftigte,  die  sofortige  Annahme  der  Vorlage.  Sie  sei  nur  die  Konse- 
qnenz  eines  früher  gefafsten  Beschlusses  der  Stadtverordneten-Versammlung. 
Dr.  QuABCK  begrüfst  zunächst  die  Vorlage,  deren  Eingang  er  schon  früher 
gewünscht  hätte.  Er  knüpft  hieran  eine  Kritik  aller  hygienischen  Schul- 
einrichtungen  in  Frankfurt.  Dabei  stützt  er  sich  zum  Teil  auf  den  Jahres- 
bericht des  Stadtarztes.  Im  letzten  Jahre  sei  bei  nicht  weniger  als  63  % 
aller  Volksschüler  eine  Beobachtung  notwendig  gewesen.  Er  weist  auch  darauf 
hin,  dafs  die  Benutzung  der  Schulbadeeinrichtungen  eine  sehr  verschiedene 
sei,  und  daüs  dies  zum  Teil  auf  die  Beeinflussungen  von  Seite  der  Lehrer 
und  Lehrerinnen  zurückgeführt  werden  müsse.  Die  Verwendung  zu  junger 
Ärzte  sei  zu  vermeiden,  ebenso  wie  die  von  Ärzten  mit  zu  grofser  Privat- 
praxis, da  sie  hierdurch  zu  sehr  an  der  Ausübung  ihrer  Pflichten  ver- 
hindert würden.  Als  sehr  empfehlenswert  hält  er  die  Heranziehung  von 
Schulärztinnen.  Stadtverordneter  YTedel  steht  der  Frage,  betreffend  die 
weiblichen  Schulärzte,  sehr  sympathisch  gegenüber.  Dr.  Hetdbb  wendet 
sich  gegen  die  Ausführungen  Dr.  Quabcks,  dals  der  Gesundheitszustand 
der  Kinder  sich  verschlechtert  habe.  Die  höhere  Krankheitsziffer  sei  nur 
eine  Folge  der  intensiveren  Untersuchung.  Die  Schulärzte  bekommen  auch 
mit  der  Zeit  mehr  Erfahrung  und  können  eine  immer  gröfisere  Anzahl 
Kinder  überwachen.  Ebenso  weist  er  zurück,  da(s  die  Stadt  zu  junge 
Ärzte  zu  Schulärzten  heranziehe.  Dr.  Quabck  drückt  seine  Freude  da- 
rüber aus,  dafs  Stadtverordneter  VTedel  der  Anstellung  weiblicher  Schul- 
ärzte sympathischer  gegenüberstehe  als  früher.  Er  betont  noch,  dab  er 
gegen  die  Bestellung  der  drei  Ärzte  nichts  einzuwenden  habe,  nur  über 
die  Anstellungsbedingungen  wünsche  er  eine  Kommissionsberatung.  Stadtrat 
Gbimm  tritt  den  Ausführungen  Dr.  Quabcks  entgegen.  Zunächst  hält  er 
es  nicht  für  praktisch,  die  Schulärzte  ganz  aus  der  Privatpraxis  heraus- 
zuziehen. Was  die  Frage  der  weiblichen  Schulärzte  anbelange,  so  könne 
ja  jetzt  keine  Rede  davon  sein,  dieselben  einheitlich  einzuführeui  da  bis 
jetzt  in  Frankfurt  nur  zwei  weibliche  Ärzte  existieren. 


90&  268 


Dienstordnung  f&r  die  Sehnlärzte  der  Stadt  Nfimberg. 

(Beschlossen  im  Juli,  August  und  November  1903.) 

§  1.  Die  Schulärzte  haben  im  allgemeinen  die  Verpflichtung,  im  Auf- 
trage des  Magistrats  und  der  Schulbehörde,  sowie  im  Einvernehmen  mit 
dem  Kgl.  Bezirksarzte  bei  der  staatlich  angeordneten,  gesundheitlichen  Be- 
aufsichtigung der  städtischen  Schulen,  sowie  der  privaten  £rziehungs-  und 
XJnterrichtsanstalten,  der  Kinderbewahranstalten  und  Kindergärten  mit- 
zuwirken. 

§  2.  Sie  haben  die  ihnen  zugewiesenen  öffentlichen  und  privaten 
Schulen  mindestens  dreimal  im  Jahre,  und  zwar  vor  Weihnachten,  vor 
Ostern  und  vor  den  Sommerferien  zu  besuchen  und  hierbei  auf  die  richtige 
Handhabung  aUer  für  die  Gesundheit  der  Kinder  und  Lehrer  getroffenen 
Einrichtungen,  vor  allem  in  bezug  auf  Erwärmung,  Beleuchtung,  Lüftung 
und  Reinigung  der  Schulräume  einschliefslich  der  Tumsäle,  Schulbäder  und 
Aborte,  zu  achten. 

Hierbei  haben  sie  auf  die  Körperhaltung  der  Kinder,  sowie  darauf 
ihr  Augenmerk  zu  richten,  ob  jedem  derselben  die  seiner  Körpergröfse 
entsprechende  Schulbank  zugewiesen  ist. 

Ebenso  haben  sie  auf  Einladung  an  den  regelmä&igen  jährlichen 
Umgängen  der  magistratischen  Schulpfleger  in  den  ihnen  zugewiesenen 
Schulhäusem  teilzunehmen. 

Über  ihre  Amtshandlungen  und  ihre  Wahrnehmungen  bei  diesen  Be- 
suchen haben  sie  jedesmal,  unter  Benutzung  eines  hierzu  bestimmten  Vor- 
drucks, kurze  Aufzeichnungen  zu  machen.  Dieselben  werden  samt  den 
statistischen  Nachweisen  an  Weihnachten,  Ostern  und  am  Jahresschlüsse 
zur  Einsichtnahme  dem  Magistrat  vorgelegt,  welcher  nach  Bedarf  Abschriften 
fertigen  läfst  und  die  Urschriften  behufs  Aufbewahrung  bei  den  schulärzt- 
lichen Akten  zurttcksendet. 

§  3.  Die  Schulärzte  haben  die  in  ihrem  Bezirke  liegenden  Kinder- 
bewahranstalten und  Kindergärten  mindestens  dreimal  jährlich,  und  zwar  in 
denselben  Zwischenräumen  wie  die  städtischen  Schulen,  zu  besuchen,  und 
wenn  Veranlassung  hierzu  besteht,  über  den  Befund  alsbald  an  den  Ma- 
gistrat zu  berichten. 

§  4.  Die  Schulärzte  haben  femer  alle  in  die  Schule  neu  eintretenden 
Kinder  einer  genauen  Untersuchung  zu  unterziehen,  um  festzustellen,  welche 
derselben  beim  Unterrichte  besondere  Berücksichtigung  (Anweisung  eines 
Sitzplatzes  in  den  vorderen  Bankreihen,  Befreiung  von  der  Teihiahme  an 
einzelnen  Unterrichtsgegenständen  u.  dgl.)  oder  während  der  Schulzeit 
ärztlicher  Überwachung  bedürfen.  Diese  Untersuchung  gliedert  sich  in 
drei  Abschnitte. 


254  906 

Die  erste  wird  gleich  bei  Beginn  des  Schuljahres  vorgenommen  imd 
mnfs  bis  Ende  des  Monats  September  beendigt  sein.  Sie  besteht  in  einer 
ftnfseren  Besichtigung  der  Kinder  und  hat  den  Zweck,  festzustellen,  ob  die- 
selben schulfähig,  d.  h.  nach  ihrer  körperlicl^en  und  geistigen  Entwicklung 
ohne  Schaden  und  mit  Erfolg  an  dem  Schulunterrichte  teilnehmen  können. 
Findet  der  Schularzt,  im  Einvernehmen  mit  dem  Lehrer,  dafs  es  notwendig 
ist,  ein  Kind  in  seinem  eigenen  Interesse  wie  in  dem  des  gemeinsamen 
Unterrichts  auf  ein  Jahr  vom  Schulbesuche  zurttckzustellen,  so  bestätigt  er 
dies  durch  ein  Zeugnis,  von  dessen  Inhalt  die  Eltern  des  betreffenden 
Kindes  durch  die  Inspektion  in  Kenntnis  gesetzt  werden.  Diese  hat  sodann 
das  weiter  Erforderliche  zu  verfQgen. 

Die  zweite,  eingehende  Untersuchung  mufs  bis  zum  Schlüsse  des 
Winterhalbjahres,  d.  h.  bis  Ostern,  beendet  sein. 

Zur  Vornahme  derselben  werden  die  Kinder  dem  Schularzte  mit  ent- 
blöfstem  Oberkörper  vorgestellt,  so  dafs  es  möglich  ist,  ihre  körperliche 
Entwicklung  und  ihren  Gesundheitszustand  genau  zu  erforschen. 

Zu  dieser  zweiten  Untersuchung,  welche  entweder  in  dem  Klassen- 
zimmer oder  in  einem  andern  geeigneten  Räume  vorgenommen  wird,  und 
zwar  bei  Knaben  in  Anwesenheit  des  Klassenlehrers,  bei  Mädchen  im  Bei- 
sein einer  Lehrerin  bezw.  deren  Stellvertreterin,  werden  auch  die  Mütter 
der  Kinder  eingeladen.  Daher  ist  es  notwendig,  dais  fflr  dieselbe  im  vor- 
aus ein  bestimmter  Tag  zwischen  dem  Lehrer  und  dem  Schularzte  ver- 
einbart und  den  beteiligten  Müttern  bekannt  gegeben  werde. 

Diese  Untersuchung  wird  im  Anschluls  an  einen  mit  Vordruck  ver- 
sehenen Gesundheitsbogen  vorgenommen,  in  dessen  Spalten  der  Lehrer 
schon  vor  der  Untersuchung  die  Personalien  der  Kinder  und  der  Schularzt 
den  bei  jedem  Kinde  sich  ergebenden  Befund  in  möglichster  Kürze  einträgt. 

Die  dritte  Untersuchung  ist  im  Sommerhalbjahr  vorzunehmen  und  bis 
zum  Beginn  der  Sommerferien  zum  Abschlnfs  zu  bringen.  Sie  hat  die 
Kinder  auf  ihre  Hör-  und  Sehfähigkeit  zu  prüfen.  Über  die  bei  derselben 
wahrgenommenen  Mängel  und  Gebrechen  ist  von  dem  Schularzte  in  dem 
Gesundheitsbogen  ein  kurzer  Vermerk  einzutragen. 

§  ö.  Dei  Gesundheitsbogen  wird  der  Zensurliste  beigelegt  und  mit 
derselben  aufbewahrt. 

Der  Gesundheitsbogen  deijenigen  Eander,  welche  in  Anbetracht  ihres 
kränklichen  Zustandes  einer  wiederholten  Besichtigung  durch  den  Schularzt 
bedürfen,  wird  mit  dem  Vermerk:  „Ärztliche  Überwachung"  versehen  und 
dem  Schularzte  bei  den  nachfolgenden  Besuchen  vom  Lehrer  vorgelegt. 
Dies  wird  solange  fortgesetzt,  bis  der  Schularzt  das  Kind  aus  seiner  Über- 
wachung entläfst.     Der  erwähnte  Vermerk  wird  sodann  gestrichen. 

§  6.  Bei  seinen  Besuchen  in  den  Schulen  hat  der  Schularzt,  ab- 
gesehen von  den  Kindern,  die  unter  ärztlicher  Überwachung  stehen,  auch 
diejenigen  Kinder  zu  untersuchen,  deren  Untersuchung  ihm  selbst  notwendig 
erscheint  oder  von  dem  Lehrer  beantragt  wird.  Die  Ergebnisse  der  Unter- 
suchung sind  in  dem  Gesundheitsbogen  kurz  aufzuzeichnen.  Gegebenen- 
falls ist  ein  solcher  neu  anzulegen. 

§  7.  Werden  bei  der  ärztlichen  Untersuchung  an  einem  Kinde 
ernstere  Erkrankungen  oder  Gebrechen  festgesteUt,  so   werden  die  Eltern 


907  266 

durch  eine  gedruckte  Mitteilung  hiervon  in  Kenntnis  gesetzt  und  auf- 
gefordert» das  Kind  in  ärztliche  Behandlung  zu  gehen.  Diese  Mitteilung 
ist  von  dem  Schularzt  und  dem  Schulinspektor  zu  unterzeichnen  und  von 
dem  letzteren  an  die  Eltern  zu  flbersenden. 

§  8.  Die  Untersuchung  der  Kinder  durch  den  Schularzt  unterbleibt, 
wenn  unter  Benutzung  des  eingeführten  Yordrocks  eine  hausärztliche  Unter- 
snchuDg  stattgefunden  hat  und  das  entsprechend  ausgefüllte  Formular  von 
den  Eltern  vorgelegt  wird. 

§  9.  Eine  eingehende  Untersuchung  der  Mädchen  vom  vierten  Schul- 
jahre ab  darf   der  Schularzt  nur  mit  Genehmigung  der  Eltern  vornehmen. 

Dagegen  hat  er  die  Knaben  in  dem  letzten  Vierteljahre  vor  der  Ent- 
lassung aus  der  Werktagsschole  auf  Wunsch  der  Eltern  einer  genauen 
Untersuchung  zu  unterstellen,  um  ihnen  auf  Grund  derselben  bezüglich  der 
Wahl  eines  Berufes  geeignete  Ratschläge  zu  erteilen. 

§  IG.  Abgesehen  von  den  in  §  4  und  6  enthaltenen  Bestim- 
mungen hat  eine  scholärztliche  Untersuchung  einzutreten  : 

a)  wenn  für  ein  Kind  vor  vollendetem  sechsten  Lebensjahre  die  Auf- 
nahme in  die  Werktagsschule  gewünscht,  oder  wenn  für  Schüler  der 
Werktags-  oder  Fortbildangsschnle,  für  Schülerinnen  der  Werktags- 
oder Mädchensonntagsschule  unter  Berufung  auf  deren  Gesundheits- 
verhältnisse die  Entlassung  vor  vollendeter  Schulpflicht  beantragt  wird; 

b)  wenn  für  einzelne  Kinder  die  Zurückstellung  vom  Schulbesuche  auf 
ein  Jahr  oder  die  Befreiung  von  der  Teilnahme  an  einzelnen  Unter- 
richtsgegenständen verlangt  wird; 

c)  wenn  für  Kinder,  welche  an  ansteckenden  Krankheiten  gelitten  haben, 
der  Nachweis  zu  erbringen  ist,  dafs  sie  ohne  Gefährdung  der  Mit- 
schtüer  zum  Schulbesuche  wieder  zugelassen  werden  können; 

d)  wenn  Zweifel  darüber  bestehen,  ob  Schulversäumnisse  wegen  Krank- 
heit gerechtfertigt  sind; 

e)  wenn  Anhaltspunkte  dafür  gegeben  sind,  dafs  ein  Kind,  das  von  den 
Angehörigen  ohne  nähere  Bezeichnung  des  Charakters  der  Erkrankung 
als  krank  angemeldet  wird,   an  einer  ansteckenden  Krankheit  leidet. 

Diese  Untersuchungen  erfolgen  auf  Anordnung  des  zuständigen  Schul- 
inspektors. Sie  unterbleiben  jedoch,  wenn  ärztliche  Zeugnisse  vorgelegt 
werden. 

In  besonders  dringenden  Fällen  sind  die  Lehrer  befugt,  aufserordent- 
liche  Untersuchungen  einzelner  Kinder  ihrer  Klasse  bei  der  Inspektion  zu 
beantragen.  Diese  Untersuchungen  können  in  der  Sprechstunde  des  für 
die  Schule  aufgestellten  Schularztes  vorgenommen  werden.  Wenn  trotz 
eines  vorliegenden  ärztlichen  Zeugnisses  ein  Antrag  auf  schulärztliche  Unter- 
suchung eines  Kindes  gestellt  wird,  so  ist  derselbe  durch  die  Inspektion 
dem  Magistrate  zur  Verbescheidung  vorzulegen. 

Das  auf  Grund  der  Untersuchung  von  dem  Schularzte  ausgestellte 
Zeugnis  wird  mit  der  Zensurliste  des  betreffenden  Kindes,  in  der  städtischen 
Handelsschule  bei  den  Rektoratsakten  aufbewahrt. 

§  11.  Beim  Auftreten  von  Masern,  Scharlach,  Diphtherie  und  Typhus 
in  den  städtischen  und  privaten  Schulen,  wie  in  den  Kinderbewahranstalten 
und  Kindergärten,  ist  von  dem  Lehrer  bezw.  von  der  Leitung  der  Anstalt 


256  908 

dem  Schulärzte  Meldung  zu  erstatten,  und  zwar  schon  dann,  wenn  nur  ein 
Fall  einer  derartigen  Erkrankung  yorgekommen  ist.  Der  Schularzt  ist  yer- 
pflichtet,  auf  Grund  einer  solchen  Meldung  sich  ohne  Verzug  an  Ort  und 
Stelle  zu  begeben,  die  sämtlichen  anwesenden  Kinder  in  der  fraglichen 
Klasse  oder  Anstalt  einer  Untersuchung  zu  unterziehen  und  über  deren 
Ergebnis  alsbald  unmittelbar  an  den  Kgl.  Bezirksarzt  zu  berichten.  Dieser 
wird,  je  nach  dem  angezeigten  Befand,  bei  der  Distriktspolizeibehörde  ent- 
sprechenden Antrag,  z.  B.  auf  zeitweise  Schließung  der  betreffenden  Schul- 
klasse,  stellen.  Bei  diesen  Untersuchungen  ist  der  Schularzt  befugt,  solche 
Kinder,  bei  welchen  er  das  Vorhandensein  einer  ansteckenden  Krankheit 
oder  verdächtige  Erscheinungen  wahrnimmt,  sofort  aus  dem  Unterrichte 
nach  Hause  zu  entlassen. 

Bei  dem  Auftreten  von  Steinblattern,  Röteln  und  Keuchhusten  ist  nnr 
dann  von  dem  Lehrer  Anzeige  zu  erstatten,  und  von  dem  Schularzte  m 
der  oben  angegebenen  Weise  Nachschau  zu  halten,  wenn  kurz  nacheinander 
oder  miteinander  gehäufte  Fälle  dieser  Krankheit  vorkommen. 

Das  Auftreten  von  Genickkrampf  ist  in  jedem  einzelnen  Falle  von 
dem  Lehrer  zur  Anzeige  zu  bringen. 

Kinder,  welche  eine  der  obengenannten  Krankheiten  durchgemacht 
haben,  dürfen  nach  den  Ministerialentschliefsungen  vom  15.  Februar  1844, 
16.  Januar  1867  und  8.  Juni  1875  zum  Besuch  der  Schule  erst  dann 
wieder  zugelassen  werden,  wenn  durch  ein  ärztliches  Zeugnis  bestätigt  wird, 
dafs  die  Wiederaufnahme  in  die  Schule  ohne  Gefährdung  der  andern  fijnder 
erfolgen  kann.  Nach  der  Regierungsentschliefsung  vom  22.  März  1903 
hat  das  Zeugnis  im  Falle  von  Scharlach  die  vollständige  Beendigung  der 
Abschuppung  am  ganzen  Körper,  im  Falle  von  Keuchhusten  das  Aufhören 
der  krampfhaften  Hustenanfälle  zu  bestätigen.  Dieses  Zeugnis  ist,  wenn 
ein  anderes  ärztliches  Zeugnis  nicht  vorgelegt  werden  kann,  von  dem  Schal- 
arzte auszustellen. 

§  12.  Massenuntersuchungen  von  Schulkindern  zum  Zwecke  wissen- 
schaftlicher Fragen  dürfen  die  Schulärzte  nur  dann  vornehmen,  wenn  der 
Magistrat  im  Benehmen  mit  dem  Kgl.  Bezirksarzte  und  der  Kgl.  Lokal- 
schulkommission die  Erlaubnis  dazu  erteilt  hat. 

§  leS.  Den  Schulärzten  steht  nicht  das  Recht  zu,  selbständig  Wei- 
sungen zu  erteilen.  Jedoch  sind  sie  verpflichtet,  auf  die  von  ihnen  etwa 
wahrgenommenen  Mängel  in  bezug  auf  die  gesundheitlichen  Zustände  nnd 
Einrichtungen  der  Schulräume  die  Inspektoren,  Oberlehrer,  Lehrer  nnd 
Hausmeister  sofort  aufmerksam  zu  machen.  Ebenso  haben  sie  über  Wünsche 
oder  Beschwerden,  die  ihnen  bei  ihren  Besuchen  in  den  Schulen  hinsichtlich 
der  Gesundheitsverhältnisse  derselben  vorgetragen  werden,  sowie  über 
etwaige  von  ihnen  selbst  beobachtete  Mifsstände  alsbald  an  den  Magistrat 
zu  berichten. 

§  14.  Die  Schulärzte  sind  femer  verpflichtet,  an  den  unter  Zuziehung 
des  Kgl.  Bezirksarztes  in  der  Regel  dreimal  im  Jahre  vom  städtischen 
Schulrate  einzuberufenden  Sitzungen,  bei  welchen  Fragen  der  Schulgesund- 
heitspflege und  insbesondere  die  bei  den  Besuchen  in  den  Schulen  ge- 
machten Wahrnehmungen  zur  Besprechung  kommen,  regelmäßig  teil- 
zunehmen. 


i 


909  267 

Femer  haben  sie  auf  Einladung  zu  den  Sitzungen  der  Kgl.  Schul- 
inspektionen zu  erscheinen.  Sie  nehmen  an  denselben  mit  beratender 
Stimme  teil. 

§  15.  Am  Ende  jedes  Schuljahres,  und  zwar  spätestens  bis  zum 
1.  September,  haben  die  Schulärzte  einen  schriftlichen  Bericht  über  ihre 
Tätigkeit  an  den  Magistrat  zu  erstatten.     Derselbe  soll  enthalten  : 

1.  die  Zahl  der  ordentlichen  und  aufserordentlichen  Besuche  in  den 
Klassen  der  ihnen  zugeteilten  Schulen; 

2.  eine  übersichtliche  Zusammenstellung  der  Zahl  der  im  regelmäfsigen 
Verfahren  untersuchten  Kinder  und  der  Ergebnisse  der  Untersuchungen, 
ausgeschieden  nach  den  einzelnen  Jahrgängen; 

3.  desgleichen  eine  Zusammenstellung  der  Zahl  der  aus  besonderen  An- 
lässen untersuchten  Kinder  in  den  genannten  Schulen,  Anstalten  und 
im  Hause,  sowie  der  Ergebnisse  derselben; 

4.  die  Zahl  der  ausgestellten  schulärztlichen  Zeugnisse; 

5.  die  Zahl  der  an  das  Elternhaus  übersandten  Mitteilungen; 

6.  die  Zahl  der  unter  ärztlicher  Überwachung   stehenden  Schulkinder; 

7.  kurze  Angabe  der  gestellten  Anträge; 

8.  etwaige  allgemeine  Bemerkungen. 

Auf  Grund  der  von  den  einzelnen  Schulärzten  erstatteten  Jahresberichte 
wird  ein  Gesamtbericht  verfafst,  für  welchen  ein  mit  dieser  Aufgabe  ständig 
betrauter  Arzt  gegen  besondere  Vergütung  den  rein  ärztlichen  Teil,  ins- 
besondere eine  übersichtliche  Darstellung  des  Ergebnisses  der  an  den 
Kindern  vorgenommenen  Untersuchungen  zu  bearbeiten  hat. 

§  16.  Die  ärztliche  Behandlung  der  untersuchten  Schulkinder  gehört 
nicht  zur  Aufgabe  des  Schularztes. 

§  17.  Über  die  amtlichen  Vorkommnisse  haben  die  Schulärzte  ein 
Tagebuch  zu  führen,  welches  samt  allen  amtlichen  Schriftstücken  auf- 
zubewahren ist.  Die  von  ihnen  gemachten  Aufzeichnungen  sind  als  amt- 
liche Aktenstücke  und  daher  als  Eigentum  des  Magistrats  zu  erachten.  Sie 
sind  von  jedem  Schularzt  aufzubewahren  und  gehen  im  Falle  seines  Rück- 
tritts auf  seinen  Nachfolger  über. 

§  18.  Ist  ein  Schularj^t  während  des  Schuljahres  veranlafst,  seine 
Tätigkeit  vorübergehend  zu  unterbrechen,  so  hat  er  bei  dem  Magistrat 
rechtzeitig  um  Urlaub  nachzusuchen. 

In  dem  Urlaubsgesuche  ist  anzugeben,  welcher  von  den  andern  Schul- 
ärzten für  die  Dauer  des  Urlaubs  die  Stellvertretung  übernimmt. 

§  19.  Die  Schulärzte  werden  von  dem  Magistrat  auf  je  drei  Jahre 
angesteUt,  unbeschadet  der  beiden  Teilen  jederzeit  zustehenden  dreimonat- 
lichen Kündigung.  Sie  können  jedoch  nach  Ablauf  dieser  Frist  wieder 
aufs  neue  aufgestellt  werden. 

Nürnberg,  den  1.  Dezember  1903. 

Stadtmagistrat. 
Dr.  VON  Schuh. 


258  910 


Personalyerzeichnis  der  Scbolärzte  des  Deutschen  Reiches. 

(Schlufs.) 

Leipzig. 

Siegel,  Dr.,  Stadtbezirksarzt,  Ober-Medizinalrat  als  Leiter  dee  Schularzt- 
Wesens.  —  Bärwinkel,  Dr.  Friedr.  —  Beelitz,  Dr.  Oswald.  —  Benecke, 
Dr.  Friedr.  Wilh.  —  Götz,  Dr.  Ferd.  —  Grosse,  Dr.  Paul.  —  Heyde,  Dr. 
Aug.  —  Kleinknecht,  Dr.  Hilmar.  —  Klemm,  Dr.  Ed.  £ud.  —  Kloberg, 
Dr.  Phil,  —  Kohl,  Dr.  Friedr.  —  Krappe,  Dr.  Karl.  —  Lange,  Dr.  J.  — 
Langerhans,  Dr.  Ernst.  —  Lohse,  Dr.  Christ.,  Sanitätsrat.  —  Meyer,  Dr. 
Wilh.  —  Thiersoh,  Dr.  Justus.  —  Thimann,  Dr.  Otto.  —  Tsohäohe,  Dr. 
Otto.  —  Winkler,  Dr.  Ed. 

Liebtenber;;  (Reg.-Bez.  Potsdam). 

Brookmann,  Dr.  Heinr.  — Eichstädt,  Dr.  Job.  —  Seeger,  Dr.  Max. 

Lobbericb  (Reg.-Bez.  Düsseldorf). 

Hennes,  Dr.  Anton.  —  Kessel,  Dr.  Frz.  —  Kömstedt,  Dr.  Karl, 
Sanitätsrat. 

LSbtan  bei  Dresden. 
Dufeldt,   Dr.  Ernst.   —   Ebeling,  Dr.  Karl.    —   Langer,  Dr.  Hugo. 

—  Quenzel,  Dr.  Bobert.  —  Treiber,  Dr.  Karl. 

Magdeburg. 

Strafsner,  Dr.,  Stadtarzt,  Medizinalrat,  Leiter  des  Schnlarztwesens.  — 
Baatz,  Dr.  Max.  —  Danckworth,  Dr.  Paul.  —  Drescher,  Dr.  Emil.  — 
Förster,  Dr.  Herrn.  —  Gremse,  Dr.  Bad.  —  Kämpf,  Dr.  Wilh.  —  Kohler, 
Dr.  P.    —   Martin,  Dr.  Herrn.  —  Müller,  Dr.  —  Neubauer,  Dr.  Walter. 

—  Bosenthal,  Dr.  Ernst.  —  Rudolf,  Dr.  Otto.  —  Büder,  Dr.  Wilh.  — 
Schmidt,  Dr.,  Altstadt.  —  Schmidt,  Dr.,  Sadenbnrg.  —  Schröter,  Dr. 
Herrn.  —  Schwartzkopf,  Dr.  Ericb.  —  Sepp,  Dr.  Herm.  —  Therig,  Dr. 
Eduard.  —  Wendorf,  Dr.  Emil.  —  Wenzel,  Dr.  Gg.  —  Wiesenthal,  Dr. 
P.  —  Wolfrom,  Dr. 

Haistatt- Bnrbaeh  (Reg.-Bez.  Trier). 

Esser,  Dr.  Gust.  —  Hefs,  Dr.  Vict.  —  Staudaoher,  Dr.  Karl. 

Meiderich  (Reg.-Bez.  Düsseldorf). 

Hecker,  Dr.  Karl.  —  Lengeling,  Dr.  Heinr.  —  Pajenkamp,  Dr. 
Wilh.  —  Paschen,  Dr.  Dietr.  —  Struck,  Dr.  Fritz.  —  Tilmann,  Dr. 
Heinr. 

Herzegtnm  Saehsen-MeiDingeii. 

Meiningeil,  Stadt:  Leubuseber,  Dr.,  Prof.,  Reg.-  u.  Medizinalrat.  — 
Frey  bürg,  Dr.,  Physikus.  —  Schmidtmann,  Dr.,  Sanitfitsrat.  —  Johannea, 
Dr.  —  Bossart,  Dr.,  in  Lichte  (Schwarzbg.-Rudolst.X  fnr  einige  Grenxorie. 

Breitangen:  Postler,  Dr.  Ernst. 

Behmngen:  Ihmels,  Dr.  Ludwig. 


911  269 

Oambnrg:  Grobe,  Dr.  Jal. 
Eisfeld:  Deipser,  Dr.  Anton,  Physikus. 
Qleicherwiesen:  Schultz,  Dr.  Hans. 
Oräfentlial :  Schöningh,  Dr.,  Physikas. 
Heldbnrg:  Gernert,  Dr.  Rob. 
Hildburghansen:  Berthot,  Dr.,  Physikus. 
Httttensteinach:  Simon,  Dr. 
Jttchsen:  Brehme,  Dr.  Gg. 
Lanscha:  Eckardt,  Dr.  Otto. 
Lebesten:  Peets,  Dr. 
Llebenstein :  Müller,  Dr. 
Mengersgerenth:  Rnewels,  Dr.  Friedr. 
Pöfsneck:  Körner,  Dr.  Emil. 
Banenstein:  Florschntz,  Dr. 
Bömbild:  Bonn,  Dr.  Ernst. 

Saalfeld:  Helmkampf,  Dr.,  Physikus  u.  Sanitätsrat.  —  Schulz,  Dr.  Yict 
Salzangen:  Wagner,  Dr.,  Geh.  Medizinalrat,  Physikus. 
Scbalkan:  Werner,  Dr.,  Physikus. 

Sonneberg:  Haufs,  Dr.  Bruno.  —  Hof  mann,  Dr.  Gust.  —  Kreifs- 
mann,  Dr.,  Physikus. 

Steinacb:  Bohlen,  Dr.  Heinr. 
Themar:  Schmitz,  Dr.  Franz. 
Untermafsfeld:  Schaubach,  Dr. 
Untemenbrunn:  Koppenhagen,  Dr.  Benno. 
Walldorf:  Glück,  Dr.  Ernst. 
Wasnngen:  Wegener,  Dr.,  Physikus. 
Wemshausen:  Simon,  Dr.  Karl. 

Heifsen  i.  Saebs. 

y.  Keller,  Dr. 

Mfilhansen  i.  Eis« 

Sachs,  Dr.  Willi,  Obmann.  —  Dreyfufs,  Dr.  Renatus.  —  Epstein, 
Dr.  Berthold.  —  Freund,  Dr.  —  Ginglinger,  Dr.  Josef.  —  Günzburger, 
Dr.  —  Jacob,  Dr.  Max.  —  Müller,  Dr.  Otto.  —  Sachs,  Dr.  Alfred.  — 
Will,  Dr. 

Spezialärzte:  Ostermann,  Dr.,  Augenarzt.  —  Kleinmann,  Dr.,  Ohrenarzt. 

Mfilbeim  a.  Ruhr. 

Marx,  Dr.  Heinr.,  Medizinalrat.  —  y.  Eicken,  Dr.  Emil. 

Neufs  (Beg.-Bez.  Düsseldorf). 

Goder,  Dr.  Johann.  —  Kehren,  Dr.  Ludwig. 

Neuweifsensee  bei  Berlin. 

Grünau,  Dr.  Wilhelm. 

Nienburg  a.  W.  (Beg.-Bez.  Hannover). 

Picht,  Dr.,  Medizinalrat,  Kreisarzt 

Nordbausen  (Beg.-Bez.  Erfurt). 
Forstmann,  Dr.  Paul.  —  Willecke,  Dr.  Frans. 


260  912 

Nfirnberg. 

Bändel,  Dr.  Theodor.  —  Bernett,  Dr.  Wilh.  —  ßurkhardt,  Dr.  Paul. 

—  von  Ebner,  Dr.  Wilh.  — Frankenbnrger,  Dr.  Alexander.  —  Klingel, 
Dr.  Philipp.  —  Marx,  Dr.  Albert.  —  llatthäus,  Dr.  Johannes.  —  Ranninger, 
Dr.  Wilh.  —  Rothmaun,  Dr.  Gast.  —  Schmidt,  Dr.  Wolfgang.  —  Stein- 
hard,  Dr.  Ignatz.  —  Sturm,  Dr.  Jac.  —  Welzel,  Dr.  Karl.  —  Zahn, 
Dr.  Georg. 

Oberbauseil  (Reg.-Bez.  Düsseldorf). 

Beckmann,  Dr.  Heinr.  —  Bässen,  Dr.  Eeinr.  —  Dehnert,  Dr.  Augast. 

—  Gockel,  Dr.  Konrad.  —  Junckermann,  Dr.  Friedr.  —  Legrand,  Dr.  Jos. 

OberscbSDweide  bei  Berlin. 

£llerhorst,  Dr.  Beruh.  —  Lempke,  Dr.  Heinr. 

Obligs  (Eteg.-Bez.  Düsseldorf). 
Burdach,   Dr.    —    Koch,    Dr.  Wilh.    —    Koeppern,   Dr.  Heinr.    — 
Koller,  Dr.  Karl.    —   Menzzer,  Dr.  Karl.    —   Orthmann,  Dr.  Daniel.  — 
Thomas haff,  Dr.  Fritz. 

Offenbacb  a«  M. 

Zinleer,  Dr.,  Kreisassistenzarzt,  „Vertreter  der  Schulärzte".  —  Grein, 
Dr.  Ernst,   Kreisassistenzarzt.  —  Feibusoh,  Dr.  Rob.  —  Klein,  Dr.  Theod. 

—  Weifsgerber,  Dr.  Karl. 

Als  Spezialärzte:  Wettlaufe r,  Dr.,  Augenarzt.  —  Wolpe,  Simon, 
Zahnarzt. 

Für  den  Landkreis  mit  33  Gemeinden: 
Zinfser,  Dr.,  Kreisassistenzarzt. 

Oppenbeim,  Kreis, 

mit  den  Städten  Oppenheim,  Nierstein  und  Bodenbeim. 
Stigell,  Dr.  Herm.,  Kreisarzt. 

Osnabriek. 

Thiemann,  Dr.  H. 

Pankow. 

Schäfer,  Dr.,  Sanitätsrat. 

Planen. 

Dillner,  Dr.  Franz,  Qeh.  Sanitätsrat.  —  KÖnigsdorffer,  Dr.  Hans.  — 
Schinze,  Dr.  Reinhard. 

Posen. 

Calvarj,  Dr.  Max.  —  Krysiewicz,  Dr.  Boleslaw.  —  Landsberg,  Dr. 
Max.  —  Laschke,  Dr.  Rieh.  —  Michalski,  Dr.  Stefan.  —  Rilke,  Dr.  Otto. 

Als  Spezialärzte:  Pincus,  Dr.  Oskar,  Augenarzt.«^  Kassel,  Dr.  Karl, 
Ohrenarzt. 

Qnedlinbnrg. 

Kahleyfs,  Dr.  —  Strokorb,  Dr.  Wilh.  —  Steinbrück,  Dr.  Otto. 

Batibor. 

Bloch,  Dr.  Paul,  zugleich  als  Spezialarzt  für  Augenkrankheiten.  — 
Gierich,  Dr.  Rieh. 


9 13  261 

Beeklinghaasen. 

Dreck  er,  Dr.  Bud.,  Geh.  Saoitätsrat  a.  Ereisphysikua.  —  Schultz,  Dr.  A. 

—  Frentrop,  Dr.  Karl,  in  Beoklinghaasen-Brach.  —  labrack,  Dr.  Joh.,  in 
RecklinghauBen-Bmch.    —    Veitmann,  Dr.  Bernh.,  in  Becklinghaasen-Bmch. 

Beiehenbach  i.  Yoif^l. 

Unglaub,  Dr.  Heinrich. 

Reinickendorf  (Reg.-Bez.  Potsdam). 

Hüttner,  Dr.  —  Salomon,  Dr. 

Remscheid. 

Arnoldi,   Dr.  Beinhold,  Sanitfitsrat,  Obmann.  —  Dahlhaus,  Dr.  Paal. 

—  Hofmann,  Dr.  Rnd.  —  Leder  er,  Dr.  Theod.  —  Leo,  Dr.  Alfr.  —  Lü- 
decke, Dr.  Martin.  —  Münch,  Dr.  —  Pnmplun,  Dr.  Emil.  —  Richter, 
Dr.  Karl,  Kreisarzt.  —  v.  Sassen,  Dr.  Otto. 

Als  Spezialarzt:  Eottenhahn,  Dr.  Hermann,  Augen-  u.  Ohrenarzt. 

Riegelsberg  (Reg.-Bez.  Trier,  Kreis  SaarbrüokeD). 
Keipert,  Dr.  Anton,  in  Heusweiler.  —  Tewes,  Dr.,  in  Buchenschachau. 

Rinteln  (Reg.-Bez.  Kassel). 

Koch,  Dr.  Emil,  SanitStsrat. 

Rybnik  (Oberschlesien). 

Siegel,  Dr.  Paul.  —  Silberberg,  Dr.  Nathan. 

Saarbrflcken. 

Bickelmann,  Dr.  Albert. 

Saarlonis. 

Hesse,  Dr. 

Schleswig. 

Hell,  Dr.  Paul. 

SchSneberg. 

Bohnstedt,  Dr.  Paul,  Obmann.  —  Buttmann,  Dr.  M.  —  Goldfeld, 
Dr.  Victor.  —  Hüls,  Dr.  Peter.  —  flügge,  Dr.  Hans.  —  Schönfeld,  Dr. 
Richard. 

Senftenberg  (Prov.  Brandenburg,  Reg.-Bez.  Frankfurt  a.  0.). 
Herd  t mann,  Dr.  Paul. 

Solingen  (Eteg.-Bez.  Düsseldorf). 

Büren,  Dr.  Ernst.  —  Schemm,  Dr.  Frz.  —  Wentzel,  Dr.  Rob. 

Spandan« 

Jan  icke,  Dr.,  Medizinalrat,  Kreisarzt. 

Steglitz  bei  Berlin. 
Heidenhain,  Dr. 

Stettin« 

Bethe,  Dr.  Ed.  Ernst  Just.,  Sanitatsrat.  —  Freund,  Dr.  Ludw.  — 
Fröhlich,  Dr.  W.  —  Jahn,  Dr.  Paul  Emil  Otto.  —  Lehmann,  Dr.  Rob. 
Heinr.  Joh.  —  Leitz,  Dr.  —  Lewerenz,  Dr.  Arthur.  —  Malkewitz,  Dr. 
Ernst  Friedr.  Emil.  —  Muehl,  Dr.  Oust  Herrn.  —  Wilkerling,  Dr.  Hart. 
Job.  —  Spedalarzte  f.  Augen-  u.  Ohrenkrankh. :  Mürau,  Dr.  Ernst.  —  Roth- 
holz, Dr.  Herm. 

Der  Sehtdarit.  L  29 


262  914 

Stolberg  (Landbez.  Aaohen). 
Hanfsen,  Dr.  Jnl.  —  Joriasen,  Dr.  Felix.  — Bodenwald,  Dr.  Bnst. 
—  Schmitz,  Dr.  Joh.  —  Wachendorf,  Dr.  Theod. 

Strafsbarg  i.  Eh. 

Belin,   Dr.  Karl.   —   Holtzmann,  Dr.  Alfons.    —    Schlesinger,  Dr. 
Sagen. 

TilBit. 

Nnr  für  die  Hilfsklasse  besteht  ein  Schularzt  (Name  ?). 

Trier. 

Heddfius,  Dr.  A.  —  Losen,  Dr.  Adolf.  —  Schlofs,  Dr.  Otto. 

Üekendorf  (Kreis  Gelaenkirchen  in  Westfalen). 

Wirth,  Dr.  Rob. 

Wald  (Beg.-Bez.  Düsseldorf). 
Decker,  Dr.  Hermann.  —  Stratmann,  Dr.  A.,  Sanit&tsrat. 

Weimar. 

Kreifs,  Dr.  Theodor.  —  Münzel,  Dr.  Ed. 

Wesel  (Reg.-Bez.  Düsseldorf). 

Lahr,  Dr.  Max.  —  Pooth,  Dr.  Wilh. 

Wiesbaden. 

Guntz,  Dr.,  Obmann.  —  König,  Dr.  Alb.,  Ereisassistenzarzt.  —  Lngen- 
bühl,  Dr.  EmiL  —  Pagenstecher,  Dr.  —  Schaffner,  Alex.  —  Schulz, 
Dr.  Ferd.  —  Stricker,  Dr.  Aug. 

Witten  (Reg.-Bez.  Arnsberg). 

Bö  he  im  er,  Dr.  Adolf. 

Worms. 

Fresenius,  Dr.  Otto,  Kreisassistenzarzt.  —  Lutz,  Dr.  Ernst  —  Baiser, 
Dr.  Theod. 

Für  den  Landbezirk: 
Fresenius,  Dr.  Otto,  Ereisassistenzarzt. 

Zeitz  (Reg.-Bez.  Mersebnrg). 

Langenberg,  Dr.  Adam,  Sanitätsrat.  —  Stumpf,  Dr.  Paul 

Zittau. 

ühlig,  Dr.  Otto. 

Zwickau. 

Keller,  Dr.  Eurt.  ~  Pieper,  Dr.  —  Schäfsler,  Dr.  Karl. 


Nachtrag. 

Bautzen. 

Neu  mann,  Dr.  Ernst  Bichard. 

Euer  (Reg.-Bez.  Münster). 

Lehmkuhl,  Dr.  Bioh.,  in  Buer  —  Beckmann,  Dr.  Franz,  in  Beck- 
hausen. —  Lubbesmeyer,  Dr.  Albert,  in  Erle  bei  Buer.  —  Teubner,*Dr. 
Fhtns,  in  Erle  bei  Buer.    Terwey,  Dr.  Joseph,  in  Besse  bei  Buer. 


Zeitsehrift  fOr  Schnlgesimdheitspflege. 


Sachregister. 


abnorme,  anormale  £inder,  vide 
Schwachbegabte,  Schwachsinnige. 

Aborte  498. 538,  vgl.  Bedarfnisanstalten. 

Abstinente  Studenten  in  Tübingen  83, 
in  Heidelberg  180. 

Alkohol,  Aufiiahme  von  belehrenden 
Aufsätzen  in  Lesebucher  584. 

—  und  Schule  104.  572. 
Alkoholgenuls,   Belehrung  der  Schul- 
kinder über  den  Schaden  584. 

—  Gefahr,  und  Aufgabe  der  Schule 
bei  der  Bekämpfung  714. 

—  der  Mütter,  und  dessen  Einfluls  auf 
die  Kinder  685. 

Alkoholismus,  Bekämpfung  durch  die 
Schule  (Leitsätze)  248.  7d3. 

—  Bekämpfung  durch  die  staatlichen 
Unterricnts-  und  Erziehungsanstalten 
189. 

—  Erziehung  und  Schule  im  Kampfe 
dagegen  187. 

—  IX.  internationaler  Kongrefs  zur 
Bekämpfung  in  Bremen  246. 

Antialkoholismus,  Unterricht  über  34. 

Aprosechia  nasalis  bei  Schulkindern  7. 

Arbeitsplätze  in  Schulen ,  Messung  der 
Helligkeit  100. 

Arbeitssanatorium  38.   . 

Auge,  Gesundheitspflege  des,  nebst  fiat- 
geber  zur  Berufswahl  für  Augen- 
kranke 509. 

—  und  Kunst  in  der  Schule  438. 

—  Verletzungen  und  Sohultinte  583. 
Augen«  Erkrankungen  der  77. 
Augenärzte  für  die  Schule,  Notwendig- 
keit der  Anstellung  881. 

Augenärztlicher  Standpunkt  zum  Hand- 
arbeitsunterricht 211. 

Sehalgesundheitspflege.  XVL 


Augenentzündungen,  epidemische,  in 
Schulen  677. 

Augenkranke  Schulkinder  in  Posen  807. 

Augenkrankheiten  in  New  Yorker 
Schulen  184. 

Angenuntersuchungen  an  Schulen,  zur 
Förderung  derselben  in  Amerika  715. 

Ausbildung,  hygienische,  der  Lehrer 
179.  180. 

Ausstellung  über  die  Hygiene  des 
Kindesalters,  Kleidung,  Schul-  und 
ünterriohtswesens  in  St.  Petersburg 
716. 

—  internationale,  für  physische  Er- 
ziehung in  Anvers  810. 


Bade-Einrichtungen  in  den  Liegnitzer 
Schulen  714. 

—  und  Erholungsaufenthalt,  Segnungen 
des  806. 

—  -Verhältnisse  der  Volkssohulkinder 
in  Greifewald  707,  ygl.  Schulbäder. 

Bauart  und  Konstruktion  des  Schul- 
gebäudes 225. 

Bauplatz  für  Schulhäuser  219. 

Bedürfnisanstalten  der  Schulen  in  Ber- 
lin, Milsstände  498. 

Begnadigung  verurteilter  Jugendlicher 
112. 

Beköstigung  dürftiger  Schulkinder  in 
Dresden  31. 

Beleuchtung  der  Schulzimmer,  natür- 
liche 280,  künstliche  284,  elektrische, 
vom  sanitären  Standpunkte  aus  809. 

Berliner  Volksschulen,  frequenzverhält- 
nisse  30. 

45 


916 


Bewagangsspiele  and  Sohultanmunter- 
rioht  477.  481  (Madohentarnen). 

Bildangsföhige  Kinder,  neue  xürche- 
rische  Pflegeanstalt  fSr  646. 

Bleistifte,  gefährliche  883. 

Brausebad,  das,  und  seine  Wirkungen 
408. 


Coeduoation  od.Ge8chleohtertrennung? 
575. 


]>eoken  des  Sohulsimmers  278. 
Desinfektion  Tön  Büchern  und  Sohul- 
heften  in  Wien  506. 

—  yon  Sohulbiiohem  28. 

—  yon  Schulbüchern  in  Bnffialo  102. 
Diphtherie-Epidemie,  Schulschlufs  187. 

—  Verbreitung  durch  Bleistifte  503. 
Dürftige  Schulkinder,  Beköstigung  in 

Dresden  31. 
Dustlessöl,    Verwendung     in    Schul- 
zimmem  302,  s.  FuXsbodenöle. 


Elternabende  38. 

Enthaltsamkeit,  Denkschrift  des  Vereins 

schweizerischer   abstinenter   Lehrer 

407. 
Entwicklung,  körperliche,  und  Schul- 
erfolg 1. 
Erholungsstätten  für  Kinder  in  öster^ 

reich  179. 
Erholungsstätte  für  kranke  Kinder  in 

Wien  181. 
Erholungs-  und  Feierabendhäuser  für 

Lehrerinnen  in  Österreich  644. 
Erholungszeit  im  Freien   und  in   der 

FamiUe  473. 
Ermüdung,   Raumsinn   der  Haut   und 

MuskelleistungjBeziehungen  zwischen 

97. 
Ermüdung  der  Schüler  592. 
Erziehung,    physische,     internationale 

Ausstellung  für,  in  Anvers  310. 
Erziehungsanstalten    auf   dem    Lande 

403. 
Erziehungskongrels,  erster  hellenischer 

in  Athen  712. 


Fähigkeitsgruppen  in  den  Volksschulen 
▼on  Zürich  504. 

Fenster,  Vertikaischiebfenster  für  Scha- 
len 182. 

Ferien,  Qieichlegung  309. 

Ferienausflüge  in  Schöneberg  508. 


Ferienausflüge  in  Hamburg  689. 
Ferienkolonien  für  Studenten  in  Ungarn 
30. 

—  in  Hamburg  310. 

—  in  Leipzig  578. 

—  in  Basel  575. 

—  und  Schulfahrten  in  Preufsen,  Be- 
günstigungen 716. 

Ferien-  und  Stadfckolonien  in  Zwickau 
494,   in  Waltershof  (Hamburg)  690. 

Ferien- Wohlfahrtsbestrebungen  in  Ham- 
buiff  6C8. 

Floricm-Fuisbodenöl  351. 

Fortbildungskurs,  hygienischer,  für 
Leiter  und  Lehrer  höherer  Lehr- 
anstalten 179. 

Fortbildungskurs  für  Mädchen,  Preis- 
aufgabe für  die  Errichtung  107. 

Fragebogen  über  Schulanfänger  25. 407. 

Frauen  in  Schulbehörden  187. 

Frequenzverhältnisse  der  BerlinerVolks- 
sohnlen  30. 

Frühstück,  freies,  für  VolkssohuUdnder 
30a 

FüTse,  warme,  in  der  Schule  347. 

FuTsbekleidung,  Wechsel  in  der  Schule 
579. 

FuXsboden  des  Schulzimmers  277. 

FuTsböden  und  Schulzimmer  Kassels 
401. 

Fufsbodenöle,  staubbindende,  und  ihre 
Verwendung  302.  349.  562.  621. 


änge  im  Schulgebäude  231. 

—  im  Schulzimmer  461. 
Gehörschwäche,  unbewuTste,  einseitige 

497. 

Geistige  Arbeit,  Verhalten  bei  711. 

Geistesschwache  Kinder,  Pflegeanatalt 
in  Zürich  407. 

Geistig  zurückgebliebene  Kinder  in 
Berlin,  Fürsorge  für  806,  Klassen  für 
885;  ygl.  Idioten,  Schwachbegabte 
und  Schwachisnnige. 

Gerichtshöfe  zur  Aburteilung  von  Kin- 
dern 33. 

Geschlechtertrennung  oderCoeducation? 
575. 

Granulöse  in  den  Volksschulen  Ost- 
preufsens  310. 

Gröfse  des  Schulzimmers  274. 

Gesundheit  und. Erwerbsfähigkeit  504. 

Gesundheitliche  Überwachung  der  Schu- 
len in  Preufsen  durch  besondere 
Schulärzte  804. 

Gesundheitslehre,  Vorträge  über,  in 
höheren  Lehranstalten  34. 

—  in  der  preufsischen  Volksschule  143. 


917 


•Qesundheitspflege,  Belehrunffen  über 
dieselbe  in  den  Schulen  149. 

—  Öffentliche,  Jahresvenammlang  des 
Deutschen  Vereins  für,  in  Dresden 
186. 

—  Berücksichtigang  im  Unterricht  506. 

—  im  Volksschalanterrioht  80. 

—  vgl.  Hygiene. 
Gtosnndheitsregeln  für  Soholkinder  im 

(iroisherzogtam  Weimar  803. 
QesandheitsYerhaltnisse  and  körperliche 

Entwicklung  derVolksschalkinder  in 

Dresden  806. 
Gesundheitszustand,   Fragebogen  über 

den,  in  Düsseldorf  407. 

—  der  Schu^ugend.  Hebung  durch 
Arst  und  Lelu'er  248. 

—  der  Schulkinder,  allgemeiner  76. 

—  der  Schulkinder  in  Dresden  247. 


Haar,  Haarkrankheiten,  ihre  Bedeutung 

und  Haarpflege  718. 
Haftpflicht  der  Lehrer  884. 

—  der  Schulbehörde  bei  UnfiEdl  496. 

—  der  Stadtgemeinde  gegenüber  Schul- 
kindern in  Berlin  247. 

Halsdrüsen,  geschwollene,  bei  Schul- 
kindern 77. 

Hand,  linke,  Bedeutung  der  Übung  178. 

Handarbeitsunterricht,  AugenärzÜicher 
Standpunkt  zum  211. 

—  für  Mädchen,  Beform  des  401. 

—  in  der  5.  Mädchenklasse,  Nichtein- 
fuhrun^  in  Glückstadt  505. 

Hausarbeiten  der  Schulkinder,  Protest 

gegen  508. 
Hauaufgaben,  Wert  und  Stellung  im 

Erziehungs-  und  ünterrichtsplan  der 

Volksschulen  589. 
HefUage  und  Sohriftrichtung  802. 
Heizung  des  Schulzimmers  290. 
Helligkeit,  Messung  der,  von  Arbeits- 
plätzen 100. 
Hilftklassen  für  schwachsinnige  Kinder 

im  Haag  713. 
Hilfsschule,    Austausch    von   Schülern 

zwischen  den  verschiedenen  Klassen 

883. 

—  Besonderheiten  des  Sachnnterrichtes 
in  der  393. 

—  Leitsätze  für  die  Organisation  392. 

—  Organisation  193. 

—  Rechnen  auf  der  Unterstufe  der- 
selben 387. 

—  Zwangsweise  Zuführung  der  Kinder 
zur  388. 

HilfB8chulenDeutschlands,IV.Verbaijds- 
tag  in  Mainz  186.  387,  über  die  642. 


Hilftschulen  für  schwaohbefiUiigte  Kin- 
der 108.  811. 

Hitzferien  in  Wien  897. 

Hörfähigkeit  der  Schulkinder  240. 

Hönrermögen,  mangelhaftes,  bei  Schul- 
kindern 77. 

Hygiene  des  Schulhauses  74. 

—  des  Schulkindes  76. 

—  des  Stundenplans  in  Mittelschulen 
639. 

—  des  Unterrichts  72. 

—  des  Unterrichtsplans  878. 

—  der  Zähne,  des  Mundes  in  gesundem 
und  krankem  Zustande  811. 

Hygienische  Ausbildung  der  Lehrer  180. 

Hygienischer  Fortbildungskurs  für 
Leiter  und  Lehrer  höherer  Lehr- 
anstalten 179. 

Hygienischer  Unterricht  in  der  Schule 
485. 

an  den  Lehrerseminarien  18. 

für  Lehrer  108. 


Idiotie,  die  verschiedenen  Formen, 
vom  therapeutischen  und  prophylak- 
tischen Standpunkte  394. 

Idiotenpflege  in  der  Schweiz  788. 

Idiotenwesen,  IV.  Schweiz.  Konferenz 
für,  in  Luzem  788. 

Jugendferienhort  in  Zürich  505. 

Jugendfürsorge,  verschiedene  Formen 
von,  in  Duisburg  175. 

—  in  Breslau  108. 

Jugendliche  Verurteilte,  Begnadigung 
derselben  112. 

Jugendspiele,  Pflege  der  21. 

Jugendspielplatz  in  Leipa  21. 

Jugend-  und  Volksspiele,  Zweck,  Natur, 
Ausführung  und  Mittel  zur  Ver- 
breitung der  488;   vgl.  Volksspiele. 


Karre,    die,    ein  Feind  der  Kinder- 
gesundheit 101. 
Keuchhusten  587. 
Kinderarbeit  in  Amerika  81. 

—  Gesetz,  betreffend  die,  in  Deutsch- 
land 245.  646. 

—  Neues  Gesetz  gegen  die,  in  Nord- 
amerika 410. 

Kinderausbeutung,  gegen  die  industrielle 
643. 

—  in  Schweden  184. 
Kinderbrausebad  33. 
Kinderelend  38. 

Kinderheilstätten,    Erfolge    der   Ham- 
burger 300. 

45* 


918 


Kindenanatorien  in  Bed  Bank  580,  in 
Kopenhagen  31. 

Kindervolksköchen  in  Berlin  31. 

Klassenwanderungen,  Ausdehnung  der- 
selben 572. 

Kleiderablagen  im  Sohulgebände  233. 

Kleidung  junger  Mädchen  414.  588. 

Kleidung  und  Schule  488. 

Knabenhandarbeitsunterricht,  Stellung 
des,  imErziehungswesenDeutschlands 
und  anderer  Länder  794. 

Kohlenoxydvergiftung  103. 

Körperhaltungen,  normale  893. 

Körperpflege,  Hebung  der,  in  den 
Mädchenvolksschulen  499. 

Körperliche  Entwicklung  und  Qesund- 
heitsverhältnisse  in  den  Volksschulen 
Dresdens  306. 

Körperliche  Entwicklung  und  Schul- 
erfolg 1. 

Körperliche  Erziehung  in  England, 
Mängel  577. 

Körperliche  Erziehung  und  Schule  in 
Schottland  495. 

Körperlich  minderwertige  Kinder,  Er- 
ziehunpr  von,  in  London  709. 

Krankheiten,  venerische,  Bedeutung 
der  Erziehung  und  Belehrung   102. 

Kränkliche  Schulkinder  in  Posen«  Für- 
sorge für  241. 

Kreisärzte  und  Schulhygiene  194. 

Kreisschulinspektion  882. 

Krüppelheim  in  Holland  708. 


Ijandau,  Richard,  f  712. 
Landeserziehungsheim  Glarisegg  635. 
Landeserziehungsheime  404. 

—  gegen  die  Tuberkulose  770. 
Läusesucht,  Bekämpfung  in  Zürich  34. 
Lehrer,   hygienische   Ausbildung   179. 

180. 

—  hygienische  Unterrichtskurse  für  108. 
--  Nervosität  der  626.  696.  776. 
Lehrerinnen,  Sehstöruogen  bei  708. 
Lehrerkrankheiten  590. 
Lehrerschaft,  Stellung  der,  an  Spezial- 

klassen  für  Schwachbegabte  791. 
Lehrerwohnungen    und    Schulgebäude 

zu  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  184. 
Lehrplan,  Lehrstoffe  und  Lebrziele  466. 

—  der  höheren  Schulen  in  Beziehung 
zur  ünterrichtshygiene  466. 

Lehrstoff,  Eteduktion  des,  in  den  Primar- 
schulen Qraubündens  189. 

Leibesübungen  auf  den  Hochschulen  236. 

^—  besondere  für  engbrüstige  Kinder 
494. 

—  und  Schultumunterricht  139. 


Lichtlinien  der  Schreibhefte,  sanitäre 
Bedeutung  508. 

Linke  Hand,  Bedeutung  der  Übung 
derselben  178. 

Londoner  Volksschulkinder,  Lage}  der 
586. 

Lungenheilstätte  für  Lehrer  und  Lehre- 
rinnen 29. 


Mädchen,  Zulassung  in  Gvmnasien, 
Bealjpfymnasien  und  Realschulen  33. 

—  Aumahme  in  das  kantonale  Gym- 
nasium in  Zürich  308. 

Mädchen- Lehr-  und  Erziehungsinstitut, 
neues,  in  München  804. 

Mädchenturnen  184.  482. 

Maturitätsprüfungen  an  den  oster- 
reichischen  Mittelschulen  500. 

Medizinisch-pädagogisches  Institut  398. 

Milchkuren,  Reorganisation  in  Zürich 
406. 

Mittellose  Schulkinder,  Fürsorge  fSr  27. 


Nachmittagsunterricht,  Stundenvertei- 
lung 471. 

Naharbeit,  Schädlichkeit  der  213. 

Nationalkonvikt  in  Tivoli,  schnlhygie- 
nisch  beleuchtet  849. 

Nervöse  und  nervös  beanlagte  Kinder, 
deren  Erziehung  415. 

Nervöse  Schulkinder  37. 

Nervosität,  Anzeichen  des  Beginnes  in 
den  Schularbeiten  der  Kinder  895. 

—  der  Lehrer,  zur  Statistik  der  626. 
696.  776. 

Neurasthenie,  Wesen,  Heilnngy  Vor- 
beugung 717. 

Nicht  vollsinnige  Kinder,  Gesetz,  be- 
treffend Erziehung  und  Unterricht  34. 


Ohrenkrankheiten  bei  Schulkindern  in 
England  243. 

—  und  tuberkulöse  Belastung  bei  Schul- 
kindern 105. 

Ohrenuntersnchungen  in  der  Dorfschule 
654. 

—  in  der  Volksschule  637. 
Opposition  der  Architekten  und  Bau- 
beamten gegen  die  Schulärzte  71. 

—  der  Ärzte  gegen  die  Schulärzte  69. 

—  der  Lehrer  gegen  die  Schulärzte  67. 

Orientierung  des  Schulhauses  223. 

Orthopädische  Apparate,  kritiklose  An- 
wendung bei  Kückgratsverkrümmun- 
gen  303. 


919 


OrthopädisclieÜbaDgenftm  k.  k.0fißzier8- 
töchter-Ersdehungsinstitut  in  Hemals- 
Wien  27. 


Parallelklassen  380. 

Pathologie,  pädagogische,  im  Seminar- 
unterricht  115. 

Photometrie,  relative  Studien  zur  252. 

Pflegeanstalt  für  geistesschwache  Kin- 
der 407. 

Pflegepersonal,  weibliches,  für  die  Schule 
in  London  248. 

Pflegeschwestem  an  öffentlichenSchulen 
in  New  York  und  Brooklyn  248. 

Poliklinik,  zahnärztliche,  in  Darmstadt 
34. 

Pocken,  SchulschluTs  in  Edinboro  309. 

Posen,  traurige  Schulzustände  in  29. 

Prüfungswesen  und  Entlassungsprüfun- 
gen,  gegen  die  401. 


Quebec,  Schlechte  Schulverhältnisse  in 
188. 


Rachentonsillen,  geschwollene  bei 
Schulkindern  77. 

Bachitis  bei  Schulkindern  77. 

Rauchen  der  Schulkinder  183:  Tgl. 
Tabakrauchen. 

Rechnen,  das,  auf  der  Unterstufe  der 
Hilfsschule  387. 

Reduktion  des  Lehrstoffes  in  den  Primar- 
schulen des  Kantons  Qraubünden  189. 

Reinhaltung  der  Schulen  in  Nor- 
wegen 16. 

Reinigung  der  Schulzimmer  82. 

—  bequeme,  der  Schulzimmer  885. 

—  der  Schulhäuser,  Beseitigung  der 
Mithüfe  der  Kinder  249. 

—  der  städtischen  Schulen  in  Berlin 
501. 

—  der  Volksscbulklassen  441.  545. 

—  und  Kehren  der  Schulzimmer,  Ver- 
wendung von  Kindern  bei  642. 

Revaccination  der  Schulkinder  in  Mäh- 
ren 886. 

Rückgratsverkrümmungen,  kritiklose 
A  n  Wendung  von  orthopädischen  Appa- 
raten 303. 


&(anatorien,  vgl.  Kindersanatorien. 
Scharlachepidemie  in  Boston  309, 
Schleppe  in  der  Schule,  gegen  die  242. 
Sohoolhouse,  Little  Red  Evolution   of 
718. 


Schularbeiten,    beginnende   Nervosität 

bei  den  395. 
Schulanfang  und  Schlafzeit  478. 
SchulanfSnge,  Fragebogen  Aber  25. 
Schularzt,  Aufgaben  desselben  72. 

—  Aufruf  eines  an  die  Lehrer  804. 

—  in  Rostock  63.  153. 

—  und  Elternhaus  799. 
Schularzteinrichtung  in  Wiesbaden  757. 
Schularztfrage,  zur  298. 
SchularztinstitutioD,    Entwicklung    in 

Deutschland  153. 

—  in  Deutschland  63. 

Schnlarztstellen,  JE weckmäfsige  Einrich- 
tung in  Städten  mittlerer  Grofse 
756   856. 

Schulärzte,  Bestimmungen  der  Dienst- 
anweisungen 758. 
Schulärzte  in  Berlin  308. 

—  in  höheren  Lehranstalten  155. 

—  deren  Notwendigkeit  19. 

—  eigenartige  Begründung  der  Not- 
wendigkeit 181. 

—  Opposition  gegen  die,  der  Archi- 
tekten und  Baubeamten  71;  der  Ärzte 
69,  der  Lehrer  67. 

—  Statistisches  über  Gehalt,  Zahl  der 
zugewiesenen  Kinder  usw.  156. 

—  Vorbildung  der  158. 

—  Vorschläge  für  Anstellung  derselben 
in  Rostock  162. 

—  Zahl  der,  in  einzelnen  Städten  und 
Gehalt  865. 

—  und  Lehrer  der  Hygiene  in  Ungarn 
878. 

Schulärztliche  Untersuchungen,  neueste, 
in  Berlin  505. 

Schulaugenärzte,  Notwendigkeit  der  An- 
stellung 881. 

Schulbad  in  Gera  309. 

Schulbadestunde,  eine  800. 

Schulbäder  632. 

—  in  Landschulhäusern  713. 

—  in  Posen  578. 

—  und  Volksbäder  In  Holland  95. 

—  vgl.  Schulbrausebäder,  Brausebad, 
Kinderschulbad. 

Schulbank,  Hygiene  der  190. 

—  „Nürnberger"  und  „Rettig^  -  Bank 
88.  92. 

Schulbanksysteme,    praktischer    Wert 

189 
Schulbänke  448. 
Schulbesuch,    allzu   früher,   und  seine 

schädlichen  Folgen  106. 
Schulbrausebäder,  Benutzung  in  Plauen 

und  Glauchau  303. 
Schulbrunnen,  Wasseruntersuchung  504. 
Schulbücher,  Desinfektion  28. 

—  Desinfektion  in  Buffalo  102. 


920 


Solmlelend,  preuünsoheB  883. 

Schalerfolg  uud  körperliche  Entwick- 
lung 1. 

SchulerziehuDg,  deutsche  und  englische 
487. 

Schulfahrten  und  Ferienkolonien  in 
Preufsen,  Vergünstigungen  716. 

Schulgebäude,  das,  Bauart  und  Kon- 
struktion 225. 

—  Orientierung  des  223. 

—  und  seine  Einrichtung  in  Frank- 
reich und  Eisafs  -  Lothringen  217. 
273.  448.  535. 

—  das  neue  Beal-,  in  Sonneberg  715. 

—  Eliminierung  gesundheitsschädlicher 
Einflüsse  498. 

—  Erhebungen  über  die,  in  Freu  Ilsen 
715. 

—  Verteilung  der  einzelnen  Räume 
273. 

—  und  Lehrerwohnungeu  zu  Anfang 
des  19.  Jahrhunderts  184. 

Schulgesundheitspflege,  Ausstellungen 
in  Dresden  248,  in  Paris  411. 

—  ein  Beitrag  zur  751. 

—  Fortschritte  in  Braun  schweig  240. 

—  Gemeingut  der  Schule  10. 

—  Jahresversammlung,  IV.,  des  AUg. 
Deutschen  Vereins  uir,  in  Bonn  405. 
463. 

—  Eongreis,  I.  internationaler  für  644. 

—  in  Oberfranken  247. 

—  Schweizerische  Qesellschaft  für  187; 
Jahresversammlung,  IV.,  derselben 
in  Schaffhausen  632. 

—  Vorträge  im  Berliner  Verein  für  248. 
Schulhäuser,  ländliche,   Bau  und  Ein- 
richtung 249. 

Schulhefte,  Beschaffenheit  588. 

Schulhöfe,  zweckmäfsiger  Belag  der- 
selben 803. 

Schulhygiene,  Ferienkurs  über,  in 
Greifswald  246. 

—  Internationaler  Eongreis  für,  Ver- 
anstaltung 500,  Aufruf  zur  Gründung 
580,  Tagesordnung  des  Nürnberger 
887. 

—  und  Ereisärzte  194. 

—  Tätigkeit  der  Medizinalbeamten  aui 
dem  Gebiete  der  569. 

Schulhygienisoher  Unterricht  in  den 
V.  St.  von  Nordamerika  262. 

Schulhygienische  Versammlung  der 
Ärzte  und  Lehrer  der  Moskauer 
Landschaft  188. 

—  Vorlesungen  in  Hamburg  712. 

—  Vorschriften  in  der  Schweiz  116. 

Schulkinder,  aus  dem  Armenetat  ent- 
lassene, Fürsorge  für,  imEantonBem 
246. 


Sohulklassen,  kleine  615. 
Schulkopfweh,    neue   Untersuchungen 

über  405. 
Sohulküchen  in  Genf  27. 
Schulmisere  in  Rizdorf  188. 
Schulmuseum  in  Wien  36. 
Schulpantoffeln  in  Amsterdam  581. 
Sohulpavillons,  transportable,  in  Berlin 

805. 
Schulpausen  in  Minden  586. 
Schulranzen,  zugunsten  des  246. 
Schulstätten  der  Zukunft  892. 
Sohulstaub,  gegen  den  309. 

—  der  Eanipf  mit  dem  309. 
Schultinte,  Gefährlichkeit  81. 

—  und  Verletzungen  des  Auges  538. 
Schulturnen  u.  freie  Leibesübungen  139. 
Schulturnunterricht    und    Bewegungs- 
spiele 477. 

Schulverhältnisse,  schlechte,  im  Staate 
Quebec  188. 

Schul  Versäumnisse,  Ausfertigung  ärzt- 
licher Zeugnisse  zur  Begründung  von 
890. 

--  Statistik  der  165. 

Schulwanderungen,  freie  Fahrt  für  712. 

Schulwesen  in  St.  Louis  809. 

Schulzahnklinik,  städtische,  in  Stras- 
burg 32. 

Schulzahnkliniken,  städtische  58. 

Schulzeit,  tägliche,  Initiativbegehren 
auf  Reduktion  in  Obwalden  246. 

Schulzimmer,  Grofse  274. 

—  FuÜBboden  der  277. 

—  Wände  und  Decken  der  278. 

—  Türen  der  279. 

—  Beleuchtung  der  280. 

—  Ventilation  der  285. 

—  Heizung  der  290. 
Schulzustände,  traurige,  in  Posen  29. 
Schutzhalle  auf  dem  Schulhofe  109. 
Schwachbegabte  Eind,  das,  im  Hause 

und  in  der  Schule  390. 
Schwachbegabte  Einder,   Hilfsschulen 

für  811. 
Schwachbefähigte  Einder,  Fürsorge  für, 

in  Charlottenburg  311. 

—  Hilfsschule  far  108. 

—  in  New  Yorker  Schulen  241. 
Schwächliche,    schulentlassene  Einder, 

Sommerpflege  für  718. 

Schwachsinn  bei  Eindem,  seine  ana- 
tomischen Grundlagen,  seine  Ursachen 
und  seine  Verhütung  789. 

Schwachsinnige  Einder,  Berücksichti- 
gung der,  im  bürgerlichen  und  öffent- 
lichen Recht  des  Deutschen  Reiches 
891. 

—  Bildungsanstalten  für,  in  St.  Gallen 
246. 


921 


Schwachsmnige  Kinder,  Eniehung  181. 

—  Fürsorge  rar.  in  Bayern  500. 

—  Fürsorge  für,  nach  ihrem  Austritt 
aus  der  Anstalt  bezw.  Spezialklassen 
792. 

—  Hilfsklassen  für,  im  Haag  713. 

—  Unterricht  und  Erziehung  289. 
Schwerhörigkeit  der  Schulkinder,  Be- 
dürfnis naohbezüglichenUntersuohnn- 

Sen  882. 
Wimmunterricht     für    Hamburger 
Volksschüler  179. 

Seelisch  Belastete,  Erziehung  und  Be- 
handlung in  Haus  und  Schule  414. 

Sehschärfe,  Beeinflussung  durch  die 
Farbe  künstlicher  Lichtquellen  814. 

Sehstörungen  der  Lehrerinnen,  Häufig- 
keit der  708. 

Sexualhygienische  Unterweisung  der 
Fortbildnngsschüler  586. 

Skoliose  bei  Schulkindern  77. 

Skoliose  und  Schule  475. 

Skrophulöse  Schulkinder  in  Stralsburg 
247. 

Sommerpflege  für  schwächliche,  schul- 
entlassene Kinder  713. 

Sommerschulferien,  Verlegung  der,  in 
Wien  396. 

Sommerwohnungen  für  arme  Kinder 
in  Brooklyn  308. 

Speisung  von  Schulkindern  in  Nürnberg 
405. 

Spezialklassen  für  Schwachbegabte, 
Stellung  der  Lehrerschaft  an  den  791. 

Spielen  der  Kinder  in  öffentlichen 
Qartenanlagen,  Verbot  des  408. 

Spielräume,  geschützte  241. 

Sprachpflege  in  den  Nebenklassen  24. 

Spucknäpfe,  hygienische,  in  Wiener 
Schulen  108. 

Sputnmbeseitigung  in  der  Schule  496. 

Staatsexamen,  zahnärztliche,  histologi- 
sche und  osteologische  39. 

Stadtkinder,  Unterbringung  auf  dem 
Lande  885. 

Stammlerkurse  in  Düsseldorf  882. 

Statistische  Erhebungen  in  höheren 
Schulen  795. 

Steilschrift  in  Italien  (scrittura  diritta) 
653. 

—  in  den  Schulen  Kroatiens  und  Sla- 
Yoniens  308. 

—  Verhältnis  der  Lehrer  zur  399. 
Stimmlosigkeit,  hysterische,  bei  einem 

Kinde  29. 

Stottern  als  seelische  Hemmungserschei- 
nung 648. 

StotterndeKinder,AbhaltnngyonKursen 
für,  in  Beriin  883. 

—  Fürsorge  für,  in  Wien  289. 


Stotternde  Kinder,  anentgeltlicher  Heil- 
kurs in  Wandsbek  715. 

Stotterer-  (Ferien-)  Kolonien  für  städti- 
sche Volksschulkinder  in  Zürich  503. 

Stottererkurse  in  DOsseldorf  882. 

Stundenplan,  Hygiene  des,  in  Mittel- 
schalen  689. 

Stundenrerteilnng  dnschlielslich  Nach- 
mittagsunterricht 471. 


Tabakrauchen,  Hifsbrauch  unter  Schul- 
kindern 30. 

—  und  Schule  311. 

Tageslicht,  Messungen  des,  in  Cleveland 
409. 

Tintentafel,  neue  310. 

Trachomerkrankungen  in  New  Yorker 
Schulen  109. 

Treppen  im  Schulgebände  230.  233. 

Trinkgefäfse,  gänzliche  Abschaffung  109. 

Trinksittenreform  in  der  Studenten- 
schaft 585. 

Trunksucht,  Bekämpfung  durch  den 
Unterricht  606. 

Tuberkulose -Konferenz,  internationale 
in  Berlin  23. 

—  Landeserziehungsheime  gegen  die 
770. 

—  Majforegeln  gegen  die  Weiterverbrei- 
tung in  der  Schule  409. 

—  Ursache  und  Verhütung  24. 
Tuberkulöse  Belastung  und  Ohrenkrank- 
heiten bei  Schulkindern  105. 

Türen  der  Schulzimmer  279. 

Turnhallen,  staubfreie  707. 

Tum-  und  Spielplätze  535. 

Tununterricht,  leichtere  .oder  ange- 
nehmere Arbeit  als  der  wissenschiSt- 
liche  Unterricht?  492. 

Typhuserkrankungen  bei  Schulkindern, 
Ermittlung  und  Feststellung  808. 


Ungarn,  Wirksamkeit  der  Schulärzte 
und  Lehrer  der  Hygiene  in  den  Jahren 
1900-1902  878. 

Unterricht,  hygienischer,  in  der  Schule 
485. 

in  den  Lehrerseminaren  13. 

Unterrichtsgesetz,  neues  englisches  und 
die  Beaufsichtigung  der  Schule  574. 

Unterrichtshygiene,  der  Lehrplan  der 
höheren  Schulen  in  Beziehung  zur 
466. 

Unterrichtskurse,hygienische,  fürLehrer 
108. 

Unterrichtspausen  an  den  österreichi- 
schen Mittebchulen  576. 


922 


Ünterrichtsplan,  snr  Hygiene  des  373. 

Untenichtsseit  tind  Weihnachtsferien, 
Begelang  der,  an  den  Mittelschulen 
in   Österreich  807. 

Untersuchung  der  Kinder  beim  Eintritt 
in  die  Schule  77. 

Untersuchungen,  schulärztliche,  die 
neuesten,  in  Berlin  505. 

Untersuchung  auf  geistige  und  körper- 
liche Gebrechen  der  in  das  schul- 
pflichtige Alter  eingetretenen  Kinder 
im  Kanton  Zürich  410. 


Tentilation  des  Schukimmers  285. 

—  Klagen  über  fehlende  400. 

—  durch  Vertücalschiebfenster  182. 
yentilationseinrichtung,eine,  für  Schul- 

Eimmer  102. 
Verbandkästen,    BeechaflEung  ron,    für 

Schulen  572. 
Verbrecher,   ErEiehungsanstalt  far,   in 

New  York  579. 
Verkrüppelte  Kinder,  Hospital  für,  in 

New  York  408. 
Volksgesundheitspflege,  Anteil  derVolks- 

schule  an  ihr  567. 
Volksschule,  Gesundheitslehre  in   der 

143. 

—  Anteil  an  derVolksgesundheitspflege 
667. 

Volksschulen,  Frequenz  Verhältnisse  der 

Berliner  80. 
Volks-  und  Jugendspiele  in  Deutschland 

186. 

—  Förderung  in  deutschen  Stfidten  641. 

—  Jahrbuch  für  812. 

—  Kongrefs,  IV.  deutscher,  in  Dresden 
705. 

—  vgl.  Jugendspiele. 
Volksschulhäuser,  ländliche,  Bau  und 

Einrichtung  10^. 
Volksschulklassen,  Beinigung  der  441. 
545. 


Wandtafel  461. 

Wände  und  Decken  des  Schulzimmers 

278. 
Wasseruntersuchung  bei  Schulbrunnen 

504. 


Weihnachtsferien  und  Unterrichtszeit, 
Regelung  der,  an  den  Mittelschulen 
in  Österreich  807. 

Wiederholungsklassen  383. 

Wirtschaftliche  Verhältnisse,  Berück- 
sichtigung im  Unterricht  606. 

Wohlfiahrt,  öffentliche,  die  Schule  im 
Dienste  der  579. 


2ähne,  Hygiene  der  811. 

—  der  Schulkinder,   Sorge  für  die,  in 
Beichenberg  502. 

Zahnärzte  für  die  Schule  799. 

—  Austeilung  besonderer,  für  die  Schul- 
kinder in  Charlottenburg  310. 

—  städtische  für  die  Schulen  in  Peters- 
burg 806. 

Zahnärztlicher  Dienst  in  Markirch  d09. 

714. 
Zahnärztliche  Poliklinik  in  Darmatadt 

248.  644. 

—  Staatsexamen,     histologische     und 
osteologische  39. 

Zahnhygiene  in  Schule  und  Haus  180. 
Zahnkaries,  eine  Volksseuche  180. 
Zahnklinik,  städtische,  in  Strafsburg  32. 
Zahnpflege,  EnquSte  über  die,  in  der 
Volksschule  409. 

—  Förderung  der,  bei  Schulkindern  188. 

—  in  der  Volksschule  805. 

—  in  den  Hambux^r  Volksschulen  306. 

—  mangelnde,  in  englischen  Schulen 
712. 

—  Unterweisung  der  Volksschulkinder 
in^Göteburg  310. 

Zahn-  und  Mundpflege  in  den  Schulen, 

Organisation,  in  Altena  499. 
Zahnuntersuchungen  in  Bheydt  105. 

—  sämtlicher  Schulkinder  885. 
Zeichensaal  462. 

Zeitschrift,  schulhygienische,  neue  107. 
Zeugnisse,   ärztliche,   zur  Begründung 

der  Schul  Versäumnisse  890. 
Züchtigung,  körperliche,  in  englisohen 

Schulen  714. 
Zfichtigungsrecht  der  Lehrer,  Entscheid 

des  Beichsgerichts  246. 
Zurückgebliebene  Kinder,  Schule   für, 

in  Amsterdam  308. 
Zwischendecken  im  Schulgebäude  229. 


Namenregister. 


Abel  463. 
Alezander  879. 
Almqaist  583.  890. 
Alport  77. 
Altenbnrg  194. 
Altschul  88.  888.  889. 
Am  Ende  194.  195. 
Andreae  194. 
Angerer  888. 
Arndt  478. 
Aaer  788. 
Axenfeld  677. 
Axmann  107.  447. 


Baer  377. 

Bagi^e  693. 

Bagineki    194.    248.   498. 

583.  644. 
Baldrian  415. 
Barbour  81. 
Baronje  465. 
Bartolome  y  Mingo  889. 
Basedow  387. 
Batat  584. 
Baudran  290. 
Baamgarten  194.  717. 
Banr  10.  78. 116.  194.  590. 

592.  812. 
Bayern,  Prinz  Lad.  Ferd.  v. 

479. 
Bayr  i9.  36.  108. 165.  179. 

181.  192.  304.  308.  408. 

415.  500.  606.  509.  644. 
Beoelaere  415. 
Behnke  655. 
Bell  179. 
Belliard  658. 
Belloro  655. 
Benda  88Ö. 
Bense  583. 


Berger  143.  194.  433.  446. 

447. 
Bernhard  498. 
Bernheim  246. 
Berninger  38.  818.  890. 
Bertram  68. 
Beyer  475. 
Bieberstein  197.  312. 
Binswanger,  v.  380. 
Blasins  240.  887.  888. 
Blath  67. 
BlitBtein  890. 
Bode  195. 
Boerhare  579. 
Bolton  97.  98.  99.  100. 
Boltz  376. 
Borchard  498. 
Borobio  y  Diaz  583. 
Bommann  401.  468. 
Brahm  380. 
Brandeis  195. 
Breitang  889. 
Brendel  447. 
Bresgen  813.  889. 
Bride  29. 
Brink  888. 
Brinckmann  447. 
Brissaad  583. 
Brückmann  40. 
Brühl  240. 
Branner  77. 
Buechel  889. 
Bachner  351.  353. 
Bähring  195. 
Bajwid  583. 
Bange  813. 
Bargass  40.  195. 
Bargerstein  197.  312.  497. 

576.  588. 
Barkhardt  196. 


Carstädt  450.  451. 

Cassel  78, 

Celli  194.  415.  653. 

Chaavain  818. 

Cheatle  243. 

Claasnitzer  626. 

Clay  415. 

Coen  239. 

Cohn   64.    65.    100.    195. 

415.  416.  445.  447.  583. 

655.  677.  680.  681.  813. 

867.  881.  887.  890. 
Oolombini  653. 
Croner  813. 
Gano  469.  471.  484. 
Cantz  813. 
Garschmann  508. 
Gaylits  40. 


]>annweier  416. 
DarieSy  Haghes  R.  40. 
Darr  644. 
Degelbeck  644. 
Deutsch  186.  390. 
Delias  644. 
Demolins  404. 
Des  Goadres  814. 
Dexter  889. 
Dierks  655. 
Dieterich  85. 
Dickinson  Berry  709. 
Dilling  447. 
Disselhoff  708. 
Dominicas  889. 
Don  187.  246. 
Dopp  813. 
Döring  655.  818. 
Dörr  469.  471.  479.  492. 
Driso  655. 
Dahamel  404. 
Dackes  583. 


924 


ESberhard  656. 
Ebinghaus  886. 
Edel  154.  866. 
Eiselein  644. 
Ellinger  155. 
Elsner  85. 
Ende,  t.  508. 
Endris  406.  488.  888. 
Engelhorn  889. 
Engels  849.  445.  568. 
Epstein  889. 
Erismann    158.  418.  489. 

588.  810.  867.  894. 
Eschle  38. 
Esmarch,  v.  40.  75.  159. 

195.  867. 
Eulenburg  469.  470.  588. 

644.  887. 
Ewald  69. 
Eykman  588. 


Falk  64. 

Parkas  878. 

Favre-Boarcart  890. 

Feilchenfeld  416.  509. 

Felix  497.  588. 

Fiedler  656. 

Finkler  406.  485. 588.  644. 

Fischer  40.  889. 

Flachs  889. 

Platt  287. 

Flesch  486. 

Fodor  878. 

Foerster,  W.  40.  587. 

Forster,  v.  890. 

Frank  180. 

Frank,  J.  P.  874. 

Fraenkel  89. 

Frenzel  88.  89.  198.  811. 

818.  890. 
Frey,  W.  416.  771. 
Friebel  197.  318. 
Friedländer  881. 
Fricke  656. 
Fuchs  40.  654. 
Führer  416.  802. 
Fürst  441.  545. 


Gelpke  890. 

Genersich  498.  494.  878. 

Gerenyi  181. 

Gerhardi  195. 

Gerlöczy,  v.  878. 

Gerstenberg  141. 

Gervinas  468. 

Giese  387. 

Gizycki,  v.  181.  289. 

Glanning  879. 


Glauning  644.  889. 
Goldstein  799. 
Görke  198. 
Gossler  40.  498. 
Graf  (Pastor)  656. 
Graf  (Zürich)  789.  811. 
Gramse  40. 
Graul  707. 
Graapner  804. 
Grazianow  1. 
Greef  677.  681. 
Green  e  40 

Griesbach  97.  98.  99. 100. 
886.  465.  582.  644.  795. 
Grob  416. 
Gross  281. 
Grote  186.  194.  388. 
Gruber  887. 
Gulick  809. 
Gunning  898. 
Günther  188. 
Gunzburg  197. 
Gurlitt  401. 
Gutenberg  447. 
Guttmann  80.  195. 
Gutzmann  24.  97.  818. 
Gutzwiller  40. 
Guye  7.  818. 
Gysel  416. 


Haenel  197.  812. 
H&konson- Hansen  16. 
Hartmann    40.    248.    294. 

295,  442.  447.  498.  565. 

656.  889. 
Haskoweo  890. 
Hass  711. 

Hauensohild  677.  680. 
Haufe  890. 
Havorka,  t.  308. 
Hay  588. 
Heer  195. 
Heermann  40. 
Hegedüs  888. 
Heine  437. 
Heinemann  584. 
Heller  469. 
Hennig  751. 
Henz  683. 
Herald  789. 
Herberich  479. 
Hermann  416. 
Hertel  447.  583.  888. 
Herz  40.  692. 
HeuBs  718. 
Hey  mann  81.  583. 
Hinträger  40.  888.  893. 
Hintzmann  468.  469.  888. 
Hippels  73. 


Hirschberg  677. 

Hirschfeld  882. 

Hirt  585. 

Hirth  438. 

Hoch  888. 

Hoelemann  666. 

Hofer  416. 

Hoffa  588. 

Höfler  656. 

Hoffmann  851. 

Holst  405.  813. 

Honebrinker  445. 446.  447. 

656. 
Hopf  644. 
Höpfner  885. 
Horriz  882. 

Hueppe  195. 416. 588. 887. 
Hüls  195. 
Hunt  187.  246. 


Jansen  95. 

Jelgersma  398. 

Jessen   40.  818.  587.  889. 

Igl  656. 

Ignatieff  196.  809. 

Johannessen  683.  887« 

Jolles  95.  813. 

Jong,  de  96. 

Juba  888. 

Junghans  495. 

Jüngst  41. 

Just  21. 


Kahlbaum  377. 
Kalb  41. 

£alle  447.  504.  757. 
Kandier  196. 
Karlewski  105. 
Kastenholz  406.  466. 
Kaufmann  890. 
Keller  187.  639. 
Kemsies  41.  98.  99.  248. 
Kerr  180. 

Kerschensteiner  705. 
Key  481. 
Kielhauser  890. 
Kielhorn  892. 
Kienscherf  196. 
Klähr  707. 
Klein  588. 
Klette  196. 
Klewe  484. 
Klimaszewsky  41. 
Kluge  570. 
Knauss  78.  159.  868. 
Knittel  33. 
Knottnerus  708. 
Köhler  196.  645. 


925 


König  416.  654. 
Eöniershöfer  888. 
Kopczynski  804.  305. 
Eorman    406.    470.    484. 

486.  488. 
Körte  567. 
KöBter  656. 
Koielmann  849. 
EoY&cs  196. 

Eräpelin  97.  98.  196.  886. 
Kraft  107.  509.  592.  594. 

632.  788. 
Kraus  196. 
Krause  41. 
Krebs  196.  414.  588. 
Krieger  159. 288. 289. 290. 
Kniger  509.  803. 
Kracker  509. 
Kmmholz  656. 
Krüss  100. 
Kuhn  217.  278.  448.  509. 

585. 
Kulmsig  666. 

• 

Ijachapelle  889. 
Lade,  v.  583. 
Laitinen  584. 
Landau(Nnmbei^)  37.373. 
Landau  (Erakau)  888.  889. 
Lange  435. 
Langenbeck  447. 
Laquer  78.  414. 
Laubi  187.  637.  654.  655. 
Lauche  479. 
Laufenberg  196. 
Lay  656. 
Lebermann  644. 
Lehmann  656. 
La  Gendre  582.  887. 
Leibold  654. 
Lessenich  1.  475. 
Leuba  100. 
Leubuscher  196.  376.  447. 

656.  889. 
Levy  41. 
Ley  813. 

Liberty,  Tadd  178. 
Lichtwark  435. 
Liebe  770. 
Liebermann  584.  878.  879. 

887. 
Liebig  468. 
Liebmann  656. 
Liebreich  888. 
Lietz  635.  771.  772. 
LinoLberg  806. 
Linke  187.  682. 
Lippert  41. 
Lobedank  41.  416. 


Lobsien  41. 
Lode  350.  868. 
Löffler  246. 
Lorinser  64. 
Lotz  610. 


Mac  Donald  1. 
Madsen  610. 
Maier  (Heilbronn)  103. 
Markuse  67. 

Marpmann  82.  83.  84.  86. 
Harr  41.  442.  565. 
Martins  78. 

Mathieu  465.  582.  888. 
Mathes  197.  813. 
Maul  139. 
Maurizio  314.  502. 
Mayer  (Mannheim)  393. 
Mayer  (Simmem)  574. 
Mayweg  677. 
Mazakarini  654. 
Meier,  L.  657. 
Meinecke  484. 
Merkel  644. 
Meyer,  Herm.  459. 
Meyer,    A.    Th.    Mathias 

657.  892. 
Michaelis  610.  657. 
Michel  41. 
Mikulicz,  T.  196. 
Mishima  584. 
Mittenzweig  196. 
Möller  (Altona)  197.  312. 

889. 
Moeller  (Hamburg)  889. 
Möller(Heiligenhafen)  642. 
Mones  882. 
Mooren  709. 
Moser  890. 
Moses  447. 
Mosny  813. 
Mössner  102. 
Mosso  583. 
Mouton   7.   97.  303.  399. 

468.  475.  479.  531.  708. 

713. 
Müller,  Louise  667. 
Müller  (Zürich)  813. 
Maller  (Wädenswil)  40. 
Munk  434. 
Murray  243. 


Wäf  667. 
Nägeli  41. 
Narjoux  219. 
Nastri  654. 
Neidthardt  486. 
Nes,  van  708. 


Neuburger  888. 
Neuendorff  196. 
Newsholme  106. 
Nigg  644. 
Nolte  391. 
Noikow  583.  888. 


Obertüschen  23.  876. 
Oebbecke  447. 
Öhm  97. 

Oppenheimer  211. 538. 680. 
Ortmann  664. 
Oseretzkowsky  100. 
Ost  187.  633. 
Osterloh  887. 
Ostmann  105. 


Pabst  406.  486.  644.  794. 

Pagliani  583. 

Palmberg  888.  889. 

Paulisch  813. 

Pawel  271. 

Päzolt  643. 

Peiper  707. 

Percepied  41. 

Perez  196. 

Peris  881. 

Permevan  243. 

Petersen  (Bonn)  406.  475. 

484. 
Petersen  (Kiel)  245.  572. 

584. 
Petersen  (Stolpe)  771. 
Pfeiffer  189.  197.  510. 
Pfister  197.  414. 
Philbrick  41. 
Pimmer  41. 
Pincus  807. 
Plack  347. 
Plate  584. 
Poelchau  197. 
Pohl  197.  718. 
Port  811. 
Porter  1.  41 
Posch  271. 
Prausnitz  252. 
Predöhl  692. 
Proskauer  197. 
Proust  583. 
Patermann  41. 


quirsfeld  197. 


Radozwill  510. 
Rammoul  41. 
Hassmund  570. 


926 


Raydt  705. 

BechholE  610. 

Beese  196. 

Beioh  898. 

Beichenbaoh  814.  351. 852. 

858.  445.  562.  621.  622. 

628.  624. 
Beichert  654. 
Bein  435. 
BeinmüUer  470. 
BeisBig  70.  \ 

Bensbnrg  406.  469.  471. 

490.  491. 
Benwen  708. 
Bettig  88.  92.  98.  94. 
Bey  406.  478.  490.  491. 
Biant  451. 
Bichards  574. 
Biohter  (Bemsoheid)  889. 
Bichter  (Straasberg)  102. 

143.  615. 
Bieder  818. 
Bietz  814. 
Binkel  479. 
Bitsohard  246. 
Bohrer  243. 
Boller  64.  73.  157.  160. 

194.  300.  646.  718.  809. 

890. 
Boseberry  488. 
Bosenfeld  375.  890. 
Bossem,  v.  95. 
Bot  653. 
Botb,  E.  657. 
Boih  (Elberfeld)  401. 
Bubner  291. 
Buhemann  24. 
Bflbi  358.  445.  624. 
Bompel  712. 
Bnasell  41. 
Buzicka  252. 


S^abbas  584. 
Sack  1. 
Saeuger  712. 
Salomon  197. 
Samosch  881.  889. 
Samtleben  352. 
Sargent  42.  657.  718. 
Sauer  584. 
Schaofatmeyer  694. 
Schanze  195.  804.  416. 
Sohattenfroh  19.  42.  298. 

867. 
Schellenberg  504. 
Schenckendorff,  v.  42. 139. 

140.  187.  197.  312.  583. 

794. 
Schenker  79. 


Soherbel  197. 
Schiller  158.  867. 
Schilling  510. 
Schintz  298. 
Schlesinger  470.  890. 
Schlockow  66. 
Schlüter  569. 
Schmeel  621. 
Schmidt  (Bern)  116.  583. 

814. 
Schmid-Monnard  49.  414. 

447. 
Schmidt,  F.  A.  (Bonn)  1. 

42.  186.  197.  312.  406. 

479.  481.  706,  707.  889. 
Schmidt-Bimpler  677. 680. 
Schmidtbauer  399.  657. 
Schneider.  G.  102. 
Schneider  401. 
Schonte  197. 
Schock  96. 
Schotten  644. 
Schreuder  398.  718. 
Schubert,  Dr.  med.  71.  88. 

89.    90.    92.    118.  447. 

644.  653.  881. 
Schubert,  Lehrer  479. 
Schuch,  V.  644. 
Schnitze  437. 
Schulz  771.  772. 
Schüller  479. 
Schürmeyer  64. 
Schuschny  583.  879.  889. 
Schätz  657. 
Schuyten   197.   510.  683. 

888. 
Schwahn  883. 
Schwalbe*  67. 
Schwegler  310. 
Schwenk  394. 
Schwer  657. 
Seehausen  68. 
Seggel  77.  889. 
Seiter  406.  469.  475.  488. 
Sepp  64. 
Serafini  653. 
Sherrington  180.  510. 
Sichelstiel  88.  89.  90.  92. 
Sicherer  814. 
Sickinger  381.  382.  657. 

887.  890. 
Siefrig  198. 
Siegel  494. 
Siegert  396. 
Siegrist  196. 
Sieveking  254.  495.  498. 

710. 
Simonetta  42. 
iSittard  479. 
Skwortzow  583h 


Smy6ka  887. 

Snell  677.  680. 

Soave  653. 

Sobel  814. 

Sommer  394. 

SpiesB  186. 

Spiritus  465. 

Spitzner  115.  116.  395. 

Spühler  236.  313. 

Stadelmann  377.  814. 

Stange  107. 

Stegemann  657. 

Steiger  196. 814.  410.  814. 

Stern  444. 

Stepanoff  814. 

Stetter  510. 

Stevenson  188. 

Stich  644. 

Stiehl  42. 

Stilling  657. 

Stockhauser  657. 

Stoppani  812. 

Straumann  792. 

Strohmeyer  510.  707. 

Strümpell  115. 

Suck  93.  190.  444.  814. 

Snhr  584. 

Sydney-Stephenson  677. 

Szupan  584.  888. 


Thiel  772. 
Thomas  198. 
Tillmann  644. 
Timm  471.  475. 
Tobeitz  42. 

Tolosa,  Latour  de  583. 
Tomasczewski  196. 
Tribukeit  479. 
Tröltsch  888. 
Trumpp  657.  814. 
Trüper  888. 
Tschirch  86. 
Tnchschmid  187.  634. 


Ulrich  789. 
üngewitter  814. 


Tannod  888. 
Vargas  583. 
Vestea,  di  583. 
Vogel  182. 
VoUand  77. 
VoUert  198. 
Volkmann  435. 
Vulpius  375. 


927 


l^agDer  100.  573. 
Wakely  187.  246. 
Walda  21. 
Waldoyer  186.  705. 
Waldo  667. 
WalUcsek  86. 
Weber  67.  888. 
Wehmer  814. 
Wehner  575. 
Wehrhahn  387.  470.  478. 

479.  510. 
Wehrlin  42. 
Weiss  (Nürnberg)  890. 
Weiss  (Zürich)  793. 
Wellington  488. 
Wemicke,      A.     (Braun- 

sohweig)  888. 
Wemicke  (Posen)  889. 
Wemicke,  E.  42.  852. 510. 
Westergaard  588. 
Wetterwald  195. 


Wex  63.  158.  756.  856. 
Weygandt  414.  500.  718. 
Weygoldt  479.  644. 
Weyl  168.  867.  888. 
Wichmann  626.  696.  708. 

709.  890. 
Wickenhagen  42.  406  477. 
Widerstrom  102. 
Wiedmann  883. 
Wildermath  888. 
Wilke  657. 
Windheoser  198. 
Wingen  100. 
Winkler  588. 
Wipf  802. 
WiUsek  666. 
Witting  186. 
Witry  583. 
Wlassak  198. 
Wohrizek  668. 
Wolff  42. 


Wolffson  692. 
Wolgast  684. 
Woodt  510. 
Woodward  658.  809. 
Wandt  440. 


ITasasabaro  888. 


Zander  510. 
Ziegler  416. 
Ziehen  398. 
Züchert  658. 
Zimmer  626.  890. 
Zimmermann  42. 
Zizka  799. 

ZoUinger  42.  411.  465 
Zuberbühler  771. 


Der  Schikrct. 


Sachregister. 


Arztliche  Beobaohtungssohüler,  Aus- 
wahl und  schulärztliohe  Statistik 
58/255.  69/315.  105/421. 

Arztliche  Überwachung: 

—  der  Gymnasien,  Realgymnasien  und 
Realschulen  im  Herzogtum  Meiningen 
90/386. 

—  des  Herzoglich  Meiningensohen 
Lehrerseminars  99/845. 

—  der  Schulen  in  New  York  31/129. 
Ärztliche    Untersuchung   der   neuein- 
tretenden Schüler  81/327. 

Augenuntersuchungen  in  den  Volks- 
schulen, Zweck  und  Methode  180/524. 

~  in  London  108/424. 

Amtliche  Besichtigung  der  Schulen  in 
Hamburg  128/522. 

Amtsarzt  und  Schulärzte  in  München 
250/902. 

Ansteckende  Krankheiten,  Meldewesen 
bei  Schulkindern  in  England  109/425. 

Armenarzt  und  Schularzt  (Denkschrift 
der  Berliner  Armenärzte,  betr.  An- 
stellung von  Schulärzten)  41/199. 
44/202. 


Berufewahl  und  Schularzt  61/263. 
Besichtigung,  amtliche,  der  Schulen  in 
Hamburg  128/522. 


]>ienstordnung  für  die  Schulärzte: 

—  in  Aachen  16/58. 

—  in  Berlin  29/127.  169/671.  231/837. 

—  in  Bonn  50/208. 
--  in  Danzig  37/185. 


Dienstordnung  für  Schulärzte: 

—  in  ländlichen  Gemeinden  des  Grofs- 
hersogtnms  Hessen  153/611. 

—  des  Herzogtums  Meiningen  96/342. 

—  in  Nürnberg  253/905. 
Dienstordnung  für  die  Schulärzte  und 

Lehrer  der  städtischen  Volksschulen 
zu  Chemnitz  110/426.  131/625. 

—  für  die  Schulärzte  unter  Mitwirkung 
der  Lehrer  in  Fürth  232/838. 

Distriktsschnlarst,  der,  in  Preufsen  7/49. 


Körperliche  Entwicklung  der  Knaben 
in  den  Mittelschulen  und  Oymnasien 
Moskaus  179/721. 

Kränklichkeit,  chronische,  in  mittleren 
und  höheren  Schulen  167/669. 

Kreisschularzt  in  Preulsen  6/48. 

—  Vortrag  über  den  in  Danzig  12/54. 


lisndgemeinden,  Anstellung  von  Schul- 
ärzten in  den,  der  Kreise  Mainz, 
Karlsruhe,  Annaberg  und  Rathenow 
106/422. 

Landschularzt,  Tätigkeit  128/522. 

Lungenkrankheiten  bei  Schulkindern 
in  Wien  8/50.  9/51. 


Meldewesen  bei  ansteckenden  Krank- 
heiten der  Schulkinder  in  England 
109/425. 

Mitteilungen,  schulärztliche,  an  die 
Eltern  bezw.  Lehrer  212/818. 225/831. 

Morbiditätsstatistik  der  Wiener  Schul- 
kinder 109/425. 


929 


Henröee  Zustande  bei  Sohiilem  höherer 
Lehranstalten,  Entstehung  und  Ver- 
hütung 177/719. 


Ohrenärztliohe  Untersuchung  TonSohul- 
kindem  im  Kreise  Marburg  206/748. 


Personalyerzeichnis  der  Schnlfinte  des 
Deutschen  Beiches  171/678.  240/846. 
258/910. 

Poliklinik,  sahnärztliche,  furVolksschul* 
kinder  in  Darmstadt  107/423. 


Sanitary  Control  of  schools  with  special 
reference  to  the  Eduoation  Bill  32/180. 
Schvdarzt,  die  Aufgaben  des  14/66. 

—  und  Armenarst  41/199.  44/202. 

—  und  BemÜBwahl  61/268. 

—  und  Dr.  Arthur  Hartmann  15/57. 

—  und  Überbnrdungsfrage  26/124. 
Sohularsteinrichtung,   Antrag  des  fie- 

zirkslehrervereins  Dresden-Land   zu 
ffunsten  der  207/749. 
3<mularzt frage,  zur  12/54. 

—  zur  in  BerUn  12/54.  205/747. 

—  zur  in  fiisenaoh  207/749. 

—  zur  in  Mönchen.  (Sind  Schulärzte 
wünschenswert  oder  notwendig?) 
82/328.  129/523. 

—  zur  in  Österreich  22/120.  287/843. 

—  zur  in  Sachsen  79/325. 

—  zur  in  Wien  8/50.  30/128. 

—  zur  Lösung  der  auf  dem  Lande  5/47. 

—  die  im  westpreufsischen  Bektoren- 
verein  149/607. 

Schularztordnung,  Ausbau  der  in  Nürn- 
berg 147/605. 
Schularztwesen,  das  in  Deutschland 
I.  Geschichtlicher  Bückblick  117/511. 
IL  Allgemeines  187/595. 
III.Die  gesundheitliche  Untersuchung 
der  Schulkinder  183/725.  217/828. 
243/895. 
Schularztwesen,  zur  Geschichte  des  in 

Osterreich  101/417. 
Schulärzte,  Abschaffung  in  Greifswald 
5/47.  11/53. 

—  zur  Anstellung  von  128/522. 

—  Kreisschreiben  des  Grolsherzoglich 
hessischen  Ministeriums  zur  An- 
stellung von  152/610. 

—  Bundschreiben  des  Allgemeinen 
Deutschen  Vereins  für  Schulgesund- 
heitspflege an  die  Begierungen  und 
Stadtverwaltungen  31/129. 

—  zur  Anstellung  von  an  mittleren  und 
höheren  Schulen  160/608. 


Schulärzte,  zur  Anstellung  von  an  höhe- 
ren Lehranstalten  32/130.  167/659. 
177/719.  209/815. 

—  volkstümliche  Belehrung  über  die 
Bedeutung  der  149/607. 

—  Warum  müssen  besondere  tjigeatellt 
werden?  161/609. 

—  Bedenken  des  Stadtarztes  gegen  die 
Anstellung  von  in  Breslau  249/901. 

—  für  Privatschuleu  149/607. 

—  Personalverzeichnis  der  des  Deut- 
schen Beiches  171/673.  240/846. 
258/910. 

—  Angaben  der  in  Düsseldorf  29/127. 

—  Kosten  der  Binf&hrung  in  Wien 
80/826. 

Schulärzte,  Anstellung  bezw.  Nenein- 
fuhrung: 

—  in  Auerbach  59/261. 

—  in  Augustusburg  30/128. 

—  in  BerUn  29/127. 

—  in  Bielitz  149/607. 

—  in  Bingen  231/887. 

—  in  BrauDSchweig  45/203. 
~  in  Bunzlau  128/522. 

—  in  Columbia  129/623. 

—  in  Duisburg  59/261. 

—  in  Eisenaoh  79/325. 

—  in  Elmshorn  47/205. 

—  in  Falkenstein  59/261. 

—  in  Forst  45/203.  59/261. 

—  in  Fürth  148/606.  250/902. 

—  in  Görlitz  206/748.  232/838. 

—  in  Gotha  79/325. 

—  in  Göttingen  128/522. 

—  in  Japan  61/263. 

—  in  Karlsruhe  79/325. 

—  in  Kassel  80/326. 

—  in  Kiel  29/127. 

—  in  Mainz  59/261. 

—  in  Mannheim  79/325. 

—  in  Mülhausen  i.  E.  11/53. 

—  in  München  30/128.  69/261. 

—  in  Neuweifsensee  79/325. 

—  in  Oldenburg  (Grofsherzogtum) 
59/261. 

—  in  Plauen  231/837. 

—  in  Saarlouis  59/261. 

—  in  Stetün  128/522. 
~  in  Straisburg  69/261. 
-^  in  Worms  128/522. 

—  in  einigen  Städten  der  Vereinigten 
Staaten  von  N.-A.  79/325. 

—  für  Landgemeinden  der  Kreise 
Mainz,  Karlsruhe,  Annaberg  und 
Bathenow  106/422. 

—  für  Mittelschulen  in  Frankfurt 
262/904. 

—  für  mittlere  und  höhere  Schulen  in 
Breslau  125/519. 


980 


Sohnlacxte,  Tätigkeit  der  in: 

—  Gharlottenbarg  251/903. 

—  Dannrtadt  207174:9. 

—  Frankfurt  48/206. 

—  Nürnberg  27/126. 

—  Batibor  251/903. 

Schulärzte,  Mitteilangen  aber  An- 
stellangen  und  Tätigkeit  in  Lichten- 
berg, NeuweifeenBee,  Ober -Schön- 
weide,  BottmelBburg,  Stettin -Wil* 
mersdprf  10/52. 

Schulärzte  und  Amtsarzt  in  München 
250/902. 

—  und  Lehrer  der  Hygiene,  Begulativ 
der  Sektion  der  ungariflohen  148/606. 

Schulärzte,  weibliche  in  Berlin  61/263. 
Schulärztinnen  150/608. 

—  in  Charlottenburg  250/902. 
Schulärztliches  aus  Hessen  248/900. 

—  aus  New  York  31/129. 
Schulärztlicher  Dienst,  Neuregelung  in 

Berlin  231/837. 
Schulärztliche  Klassenbesuche  während 
des  Unterrichts  213/819. 

—  Mitteilungen  an  die  Eltern  bezw. 
Lehrer  212/818.  225/831. 

—  Statistik  und  Prinzipien  bei  Auswahl 
'der  sogen,  ärztlichen  Beobaohtungs- 

Schüler  53/255.  69/315.  105/421. 

—  Tätigkeit  in  den  Mittel-  und  Stadt- 
schulen Darmstadts  im  Jahre  1902/03. 
(Jahresbericht)  207/749. 

—  Untersuchungen  in  Dresden,  Ergeb- 
nisse und  Wert  48/206. 

—  Untersuchungseigebnisse  in  der 
Schweiz  11/53. 

—  Vorträge  in  Königshütte  60/262. 

Schulgebäude,  Beaufnchtigung  und  In- 
standhaltung. (Erlafs  des  Herzogl. 
Meiningenschen  Eultusministeriums) 
64/266. 

—  Untersuchung  der  und  der  Schul- 
räume und  deren  Einrichtung.  (Kreis- 
schreiben  an  die  Schulärzte  des 
Herzogtums  Meiningen)  96/342. 

—  Untersuchung  der  in  Brunn  22/120. 
Schulhäuser,  Anlage  (Ausschreiben  des 

Herzogl.  Meiningenschen  Staats- 
ministeriums) 66/268.  86/882. 

Schulhygiene,  Aufgaben  der  praktischen 
161/663. 

Schulhygienisches  aus  Österreich  82/328. 

Schulkinder,  Untersachung  der  in 
Brunn  24/122. 

—  Untersuchung  der  im  Herzogtum 
Meiningen.  (Kreisschreiben  an  die 
Schulärzte)  96/342. 

Sohulkinderuntersuchung,  Ergebnisse 
einer  im  Amtsbezirke  Bumburg 
(Böhmen)  62/264. 


Schüleruntersuohungen     in     Dresden 

60/262. 
Schulzabnarztfrage,    zur  in   Hamburg 

81/827. 
Schwachbegabte  auf  höheren  Schalen 

178/720. 
Somatologie,  Erteilung  des  Unterrichte 

in  nur  durch  Ärzte  149/607. 

Überburdungs-  und  Schularztfrage 
26/124. 

Überwachung,  ärztliche  der  Gymnasien, 
Bealgymnasien  und  Bealschulen  im 
Herzogtum  Meiningen  90/336. 

—  ärztliche  des  Herzogl.  Meiningen- 
schen Lehrerseminars  99/345. 

—  ärztliche  der  Schulen  in  New  York 
81/129. 

Untersuchung,  ärztliche  der  neu  in  die 
Schule  eintretenden  Schüler  81/327. 
186/728. 

—  gesundheitliche  vonSchüIem  höherer 
Lehranstalten  in  Dänemark  und 
Schweden  165/667. 

—  ohrenärztliche  von  Schulkindern  im 
Kreise  Marburg  206/748. 

—  schulärztliche  der  Schulgebäude, 
Schulr&ume  und  deren  Einrichtung, 
sowie  der  Schulkinder,  (Kreisschreiben 
an  die  Schulärzte  des  Herzogtums 
Meiningen)  96/342. 

Untersuchungen,      schulärztliche      in 
Dresden : 
Ergebnisse  und  Wert  48/206. 
BesulUte  60/262. 
Untersuchungsergebnisse,  schulärztliche 

in  der  Schweiz  11/53. 
Untersuchung  der  Schulkinder: 

—  in  Brunn  24/122. 

—  in  Dresden  48/206.  60/262. 

—  im  Herzogtum  Meiningen  96/842. 

—  im  Amtsbezirk  Hamburg  (Böhmen) 
62/264. 

Untersuchungen,  zahnärztliche: 

—  in  Schalen  127/521. 

—  von  84  Kindern  der  Magdeburger 
Hilfsschulen  231/887. 

—  der  Schulkinder  in  Stettin  47/205. 

2ahnarztfrage  für  Schulen  in  Hamburg 

81/327. 
Zahnärztliche    PolikHnik    für    Volks- 

Bchulkinder  in  Darmstadt  107/428. 
Zahnärztliche  Untersuchungen : 

—  in  Schulen  127/521. 

—  von  84  Kindern  der  Magdeburger 
Hilfsschulen  281/837. 

—  der  Schulkinder  in  Stettin  47/205.