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Full text of "G. F. Sartorius, Freyherrn von Waltershausen: Urkundliche Geschichte des ..."

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GENERAL UBRARY 
UNIVERSITY Of MICHIGAN. 



THE 



Hagerman Coliection 



OP BOOK« RBLATIMtt TO 



NISTORY AND POUTICAL SCIENCE 



■OUttMT MTITN MONBY PLAOIO SV 



JAMES J. HAGERMAN OF CLASS OF '61 



IN 



Profesfor Charles Kendall Adams 



IN TMB WAR 



1883. 




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G. F. S a r to r i u s cn^- '-' ./^^-<*-^,-''^ f>^" 

Freyherrn von ff^aUershaufien 



Urkundliche Geschichte 



des Ursprunges 



der deutschen. Hanse. 



Herausgegeben 



t*i 



von 



J. M. Lappenberg. 




Erster Band» 



Hamburg, 

Tcrlegt TOD Friedrich Pertlief. 

18 30. 



H 



^ 



V. 



1. 









<^ 



Den 



frejen Städten 

liübeck^ Bremen und Hamburg 



weihen die Wiltwe und Kinder des Verfassers dieses letzte Werk seines Lebens ^ 

als ein Denkmahl unbegränzter Dankbarkeit und Verehrung. 



Geschichte 



des Ursprunges 

der deatschen Hanse, 



L 



Vorwort 



Dem Werke des verewigtDn Sartorius über die Geschichte des 
hanseatischen Bundes ist seit seinem ersten Erscheinen im Jahre 1802 
durch sehr allgemeine Anerkennung eine Stelle unter den ausge* 
zeichnetsten Leistungen über deutsche Geschichte angewiesen wor» 
den. Erfreulich ist es die Würdigung zu betrachten, welche dem- 
selben durch die damaligen Zeitgenossen zu Theil wurde, nament- 
lich durch Johannes von Müller^), denjenigen Geschichtsforscher, 
welcher zur Beurtheilung desselben, durch die ausgebreitete Runde, 
welche er vom Mittelalter besass, vorzüglich berufen war* Wirk- 
lich darf auch noch heute Deutschland sich weniger Werke rüh- 
men, in welchen treflBüche Gesinnung und ein in jenen Tagen gar 
seltenes, eifriges Studium urkundlicher Quellen mit einer so glückli- 
chen Anwendung der Einsicht gegenwärtiger Staats - und Lebens- 
verhältnisse auf die Darstellung der Vergangenheit sich in ähnli- 
cher Maasse vereinigt finden. 

Die Lücken und Unvollkommenheiten seines Werkes waren je- 
doch Niemanden weniger verborgen als dem Verfasser, welcher sich 
damals vergeblich bemüht hatte, den Zutritt zu denjenigen Archiven 
zu erhalten, welche die wichtigsten für seinen Gegenstand schienen 
und der die Schwierigkeiten der Benutzung selbst mancher der ge- 
druckten Quellen der Städtegeschichten vielfach erfahren hat. Als 
aber nach aer völligen Umgestaltung des ehemaligen deutschen Rei- 
ches der Zutritt zu vielen städtischen Archiven und die Benutzung 
der in denselben enthaltenen reichen historischen Fundgruben von 
den Behörden ohne Schwierigkeiten gestattet wurde, auch nach der 

i) Seine Becension, zuerst abgedruckt in der Jenaer allg« Literatur - Zeitung t. J. 1804» fin* 
det sich in seinen Werken Th, XL S« 1-25- 



VIII 



Befreyung des Vaterlandes mit der bessern Ver%valtung ein neubeleb- 
tes Interesse an deutscher Gescihchtsforschung erwacht war : so säumte 
Sartorius nicht seine besten Hräfte einer solchen neuen Bearbeitung 
des sich angeeigneten Stoffes zuzuwenden, welche er das Werk sei- 
nes Lebens mit gerechter Freude nennen dürfte. Die zahlreichen 
Mittheilungen, welche die grösstentheils von ihm selbst durchsuchten 
Archive, besonders von Lübeck und Colin, dann aber auch von 
Hamburg, Bremen und anderen ehemaligen Hausestädten, ihm 
darboten, so wie' andere, die durch be&eundete und für sein Thema 
begeisterte Gelehrte, unter denen H. von Schröter zu Rostock 
vor allen hier zu nennen ist, ihm überlassen Avurden, häuften sich 
jedoch bald so sehr an, während dennoch so vieles andere fehlte 
und genauster Nachforschung bedurfte, dass Sartorius schon vor ei- 
nigen Jahren seinen Plan der Umarbeitung auf die Geschichte des 
tJrspnuigs der Hanse , in derjenigen Periode , welche in dem ersten 
Theile des altern Werkes dargestellt wird, also bis zum Jahre 1370, 
beschränkte. Dieser Entschluss schien dem Interesse der Wissenschaft 
um so entsprechender, da die mitzutheilenden zahlreichen Urkunden 
üiid Acten, für deren diplomatische Zuverlässigkeit nicht ohne grossen 
Zeitaufwand beym Abschreiben und Vergleichen Gewähr geleistet 
werden kann,^ vielfacher Sprach- und Sach- Erläuterungen bedurften, 
deren Auffindung bey der Grösse des Schauplatzes, auf welchem die 
ersten einzelnen üeime der Hanse hervorsprossen und der Geringfü- 
gigkeit dessen, was für allgemeine Handelsgeschichte bisher vorgear- 
beitet ist, unermüdliche Anstrengungen uHd den* stets geschärften 
Blick der umsichtigen Kritik bey Benutzung der vorhandenen Hülfs- 
mittel in Ansprucn nimmt Auch sind die späteren Zeiten der 
Hanse in seinem älteren Werke bereits so ausfuhrlich geschildert, 
dass das Bedürfniss einer neuen Bearbeitung desselben vielleicht 
imr von einigen hanseatischen Geschichtsfreunden für einzelne Ab- 
theilungen desselben empfunden seyn mag ; dagegen für die er- 
wählte Feriode die reiche Masse der zu liefernden bisher unbekann« 
ten Urkunden für die Geschichte aller Länder des nördlichen 
Europas neue Aufklärungen darbietet, w-ährend die Geschichte des 
hansischen Bundes selbst ein in Klarheit und Fülle anschauliches Le- 
ben gcAvinnt. Was Sartorius leistete, um hier allen Ansprüchen zu 
genügen, welche die seit seinen früheren Bildungsjahren sehx umge- 
staltete Wissenschaft fordert, davon können zahlreiche Gelehrte ein 
ehrenwerthes Zeugniss ablegen, wie namentlich G. F. Benecke, 



Den 



fpeyen Städten 

Lübeck^ Bremen und Hamburg 



weihen die Wittwe und Kin<ler des Verfassers dieses letzte Werk seines Lebens^ seinem 
Wunsche gemäss, als ein Denkmahl unbegränzter Dankbarkeit und Verehrung. 



IX 



Jacob Grimm, C. v. Schlözer, deren mitwirkende Bemühmigen 
und Belehrungen öffentlich anzuerkennen, der Herausgeber als einen 
heiligen Auftrag des Verfassers glaubt betrachten zu dürfen, so wie 
andere , deren an den geeigneten Orten dankbar gedacht ist Beson* 
ders wird den gelungenen Bestrebungen die Geschichte des ältesten 
deutschen Handels nach Russland au^uklären, ehrende Anerkennung 
nicht versagt werden dürfen. 

Wenn Sartorius in der Sammlung und Bearbeitung der Urkun- 
den bewährte, wie gewissenhaft er seinem Gegenstande und der "Wis- 
senschaft jeden neuen Gewinn zuzuwenden strebte: so wird ihm um 
so weniger verdacht werden , wenn er in der Darstellung sich an den 
von ihm bey der ersten Bearbeitung dieses Stoffes dargelegten mid 
als 55Aveckmäfsig erprobten Grundsatz hielt, lediglich die Geschichte 
des Vereines darzustellen, nicht aber die derselben verwandte Ge- 
schichte einzelner Städte und Reiche in jene zu verweben. Der Ge- 
schichtsforscher wird sogar nicht nur für letztere, sondern auch für 
jene manche in der kurzen Geschichtserzählung nicht benutzte Aus- 
beute finden, so wie namentlich es ihm überlassen bleibt, die in 
manchem Betracht anziehenden und unschwer verständlichen Recesse 
der Hanse, glaubwürdiger und inhaltsreicher, als sogar eine gleich- 
zeitige Chronik es zu seyn vermag, selbst ferner zu benutzen. 

Ziweck und Behandlung det nachfolgenden Werkes waren nicht 
allein genau bestimmt, sondern die Abhandlung schon entworfen, die 
Urkundensammlung im Allgemeinen geordnet und von beiden ein 
beträchtlicher TheD. bereits abgedruckt (jene bis zum Bogen O, diese 
bis zum Bogen 23), als den hochgeachteten academischen Lehrer und 
Geschichtsschreiber der Hanse ein unerwarteter Tod der schönsten 
Wirksamkeit entriss und ihm den Genuss euies edlen Bestrebens, das 
theure Werk seines Lebens vollendet zu sehen, raubte. Der nun- 
mehrige Herausgeber des hinterlassenenManuscriptes, dem die letzte 
Revision des Verfassers noch fehlte, liefs sich zur Ue bernahme dieses 
allerdings schon an sich lästigen und durch die Entfernung vom 
Druckorte sehr erschwerten Geschäftes bewegen, theils durch die 
Betrachtung, dass die f^'iiere Bearbeitung der Urkunden am zweck- 
massigsten dort besorgt ^vürde, wo viele Original - Urkunden und 
glaubwürdige Abschriften, Avie in Hamburg und in dem benachbar- 
ten Lübeck vorhanden sind, theils durch die sich ergebende Schwie- 
rigkeit einen Gelelnrten zu finden , welcher mit cler vorliegenden 
Masse von Einzelheiten und verschiedenartigen Beziehungen der 



Geschichte der Hansestädte ohne zu grossen Verzug sich würde ver- 
traut machen Avollen, während einem hansestädtischen Archivare diese 
Anstrengung als verhältnissmässig gering erscheinen durfte. Vor 
allem jedoch sprach bey ihm hier das Interesse, Avelches er seit frü- i 

heil Jahren dem Gegenstande selbst, so wie seit mehreren der Arbeit 
des emsigen Forschers, der viele durch ihn aufgesuchte und erläu- 
terte Urkunden von ihm erhalten und über manche wesentliche An- 
sicht 1) sich mit ihm verständigt hatte, zu widmen pflegte. Da Ab- 
weichungen von dem Plane des Verfassers wenig Avünschenswerth und 
zuweilen unthunlich waren, so hat der Herausgeber in dem erzählen- 
den Theile wenig hinzugesetzt und nur geändert, wo jener, wenn 
darauf aufmerksam geworden, es unstreitig selbst gethan haben würde: 
mehr jedoch, wenn gleich mit derselben Rücksicnt, bey den Urkun- 
den und Recessen, deren Bearbeitung Sartorius noch nicht abgeschlos- 
sen hatte und welche noch viele Ergänzungen, Vergleichungen und 
Erläuterungen erforderte. Diesen seinen Antheil an dem Werke je- 
desmal näher zu bezeichnen schien dem Herausgeber bey seinem en- 
gen Verhältnisse zu demselben unnöthig, so wie unmöglich; nur an 
einigen sehr ^venigen Stellen, welche auf einer von Sartorius abwei- 
chenden Ansicht beruhen, ist solches in den Anmerkungen angedeu- 
tet. Im Allgemeinen \vird derjenige, dem daran liegen sollie, den 
Antheil desselben an dem von Sartorius unvollendeten Theile des 
Werkes aus demjenigen, was er in den Nachträgen zu den bey Ue- 
bemahme desselben bereits gedruckten Bogen hinzugefügt hat, er- 
messen können, so wie auch aus der Nothwendigkeit , welche sich 
ergeben hat, das auf einen Band berechnete Werk nunmehr in 
zwey^ Theilen erscheinen zu lassen. Bey dem Abdrucke der Urkun- 
den ist die ^rösste Genauigkeit zum Gesetze gemacht; wo es möglich 
War, sind die von Sartorius gesammelten Abschriften mit den Origi- 
nalen neu vergUchen und sind diese buchstäblich abgedruckt; woher 
häufig die grosse Ungleichheit der Schreibart und oft selbst der Wort- 
bildung, welche in manchen Urkunden sich findet, hat wiedergege- 
ben werden müssen ^); nur bey einigen ganz neuen, offenbar unge- 

1) Namentlich die von Sartorius nunmehr durch manche neue Urkunden bestätigte Ansicht 
da£s der Hansebund zunächst yon den Vereinen deutscher Kaufleute in der Fremde ausging 
und dass die deutschen Sl/idte sich erst später zu dem gemeinschaftlichen Schutze dieser 
Facloreyea vereinigten« In aller Kürze hatte ich gelegentlich diese Ansichten augedeutet in 
den Berliner Jahrb. f. wissensch. Kritik.« i828- Fehr* S.291* u.flgd. 

2) So finden sich in der Urkunde t. J. 1346. ü. B. S, 407. im Originale die Formen sal, 
scal und schal ; venlniss und uengniss; dritticJi und dertich; in anderen uolumus und 



- j 



iiauen Abschriften, deren Originale nicht mehr verglichen werden 
konnten, hat der Herausgeber sich zuweilen einige aus der Verglei- 

•' ^ -hm bekannten gleichzeitigen O^ " ^ ""^ ^ ^ ^ 
itiffungen erlaubt Dagegen 1 
jHinzutugung euier lur gen 
entbehrliclien, doch hoffentlich nicht lästigen Interpunction, das Ver- 
ständniss der Urkunden zu erleichtern. 

Seine Bemühungen aus anderen Archiven , als dem hamburgischen 
das Urkundenbuch mit Einschaltungen und Zusätzen zu bereichern, 
sind, mit wenigen Ausnahmen, nicht sehr glücklich gewesen; unter 
diesen Ausnahmen sind vorzügHch die durch die Güte des Herrn 
Professor Michelsen zu Kiel, damahls zu Copenhagen, erhaltenen 
Urkunden, auf \velche der Herausgeber durch Suhm's Geschichte von 
Däniiiark aufmerksam geworden \tar, zu nennen. Es hat sich hiedurch 
auf eine ausgezeichnete Weise bewährt, mit \velcheni Eifer Sartorius 
die ihm zugängHchen Archive benutzt hat, wie denn namentlich zu 
Lübeck, wo Herr Professor Grautoff für den Herausgeber mit ge- 
übtem Auge und unermüdUcher BeharrUchkeit neue Vergleichungen 
von Urkunden und fernere Nachforschungen anzustellen die mit in- 
nigem Danke anzuerkennende Güte gehabt hat, nur wenig Erhebli- 
ches aufzufinden gewesen ist. Die Sammlung der Urkunden für die 
ältere Geschichte der Hanse möchte denn vielleicht, so weit \venig- 
stens die Archive der grössern Städte des Vereines sie liefern können, 
als geschlossen anzusehen seyn, wenn nicht zu hoffen stände, dass 
die jetzt dargebotene der Anlass zu und der Leitfaden bey neuen 
Nachforschungen werde , besonders in den Archiven mancher weniger 
wichtigen MitgUeder des Bundes, so \vie derer, welche ausserhalb 
Deutschlands lagen, von denen nebst anderen die Stadt Campen 
eine sehr hervortretende Stelle in der älteren CJeschichte des Bundes 
einnahuL 

Die erste Entstehung desselben wird jedoch in städtischen Ur- 
kunden nie vollständig nachzuweisen seyn, da sie auf allgemeinen 
Verhältnissen jener Zeiten beruht, welche Sartorius nur sehr Kurz oder 
gar nicht berührt hat* Es wird daher dem Herausgeber, verstattet seyn, 
sie, mit einigen anderen verwandten, die in der Sartoriusschen Abhand- 
lung gegebene Darstellung erläuternden oder ergänzenden Bemerkungen, 

ifolumuSf cruis Cime; sogar die Eigennamen finden sich in derselben Urkunde Tersclüe* 
den geschrieben, i^ia Rozstock und Roatol; Luhyhe und Lubeie u.a. Vgl* auch Auin. 
z. Bd. U. S. 492* 

b * 



XII 



welche in dem von. ihm revidirten Theile des Werkes und den Zu- 
sätzen keine passende Stelle gefunden haben, in diesem Vorworte 
kurz zu entwickeln. 

Es ist vor allem der Mangel an Einheit der Nation gewesen, 
welcher die Städte des nördlichen Deutschlands, me früher Italiens, 
gross gemacht hat, und jene zu der Entstehung der Verfassungen und 
V ereine führen musste , welche den kräftigen Sinn der Bürger ^ähr- 
ten und den vollen Genuss des Er\vorbenen ihnen zu sichern ver- 
mochten. Wenn es den Landbe^volinern auch zuträgUch blieb, den 
Vereinigungspunkt, \velcher in den Landesherren gegeben war, zu 
erhalten undf zu befestigen: so verstanden jene Städte denselben in 
sich selbst zu finden und auszubilden, deren freye Verfassungen m den 
kleinen Gebieten beschränkter Fürsten und Grafen schneller und 
frischer aufblühen konnten, als es unter dem Scepter willkührlicher 
und mit den Nachbarn in steten kostspieligen Fehden verAvickelter 
Könige mögUch war. Unter ähnlichen Vortheilen der natürhchen 
Lage, bey nicht geringerer SchifFfahrtskunde , in demselben frucht- 
baren Zeitpunkte, wo alte liraft und Ausdauer mit neuen Bildungs- 
stoffen sich vereinten, gelangten dennoch die Seestädte mancher an- 
derer Reiche nicht zu ähnlichen Vortheilen, wie die deutschen, 
oder Hessen sich die bereits errungenen >vieder entreissen. Die eng 
vereinten deutschen Städte dagegen wussten nicht nur sich zu erhal- 
ten und zu bereichern, sondern auch die Zinsen, welche das von 
den Missionaren nach dem Norden gebrachte Pfund christlicher Lehre, 
so wie die Besiegung der Wenden trugen, sich anzueignen, und diese 
Gebenden mit den Schätzen und Waffen, welche jene selbst ihnen 
gehefert hatten, zu beherrschen, während sie durch Befestigun] 
christHcher Lehre und Sitte, so ^vie Verbreitung der Cultur um 
regsamen Handelsverkehres als einer der mächtigsten Hebel der Bil- 
dung und belebenden Industrie in der Weltgeschichte erscheinen. 

Der Ursprung der Hanse ist in zwei verschiedenen, weiui gleich 
nahe verwandten Thatsachen zu finden, den Vereinen deutscher 
liaufleute im Auslande, und den einzelnen sich allmäUch ausdehnen- 
den Bündnissen der Städte im nördlichen Deutschland. Letztere sind 
mit so vieler Sorgfalt und einem so reichen Schatze von MateriaUen 
in dem vorliegenden Werke untersucht, dass es zwecklos seyn würde, 
hier noch weiter über das hohe Alter der Vereine der wendischen und 
anderer durch die gemeinsame, von dem lübecker Vorbilde entlehnte 
Rechtsverfassung verschwisterten Städte, so wie ähnliche Verbindun- 



XII 



gen zur Erhaltung des Landfriedens, die stets engere Anschliessung 
verschiedener Städte an einander und deren verschiedenartige Zwecke 
sich verbreiten zu wollen. Da auch diese sich auf schriftUche 
Urkunden begründeten, so wird bey dem etwa noch Verniissten der 
beste Weg der Forschung seyn, jenen femer nachzuspüren. Anders 
verhält es sich mit den vereinen der Deutschen im Auslande , welche 
nicht auf Bundbriefen beruhen, nicht durch geräuschvolle Thaten die 
Aufmerksamkeit der Chronikenschreiber auf die Entstehung ihres 
still thätigen und rasch bewegUchen Daseyns lenken konnten, son- 
dern die lediglich durch tieferes Eingehen in die Verhältnisse und 
Ansichten älterer Zeiten zu erläutern sind, und also ferneren Raum 
für AvissenschaftUche Untersuchung übrig lassen. 

Die Ansicht des früheren Mittelalters , dass ein Jeder, ohne Rück- 
sicht auf Landesrecht, nach dem Rechte seiner Nation zu richten sey, 
hat sich auch in den spätem Jahrhunderten desselben erhalten, Avenn 
gleich, als nicht mehr Völkerstämme umherzogen, den Fremden in 
jeglichem Lande bey ihrer geringen Anzahl die Ausübung ihrer Rechte 
oft unmögUch werden musste, Avemi ihnen nicht wie der GeistUchkeit 
durch besondere Vorrechte des Standes, oder den zum Land-, Deich- 
und Bergbau herbeygezogenen Colonisten durch Privilegien, \vobey 
auch der Juden zu gedenken ist, die Erhaltung ihrer erwählten oder 
ererbten Rechte gesichert war. Bey der Seltenheit des Verkeh- 
res hätte der ^vandemde Kaufmann auf die Erhaltung des ihm an- 
:ebomen Rechtes wahrscheinUch ganz verzichten müssen, Avenn lucht 
lern Grundsatze nationaler Rechte verwandt, in dem beruhig- 
ten und im Frieden sich entfaltenden und gliedernden Europa der- 
jenige der Autonomie sich geltend gemacht hätte, ein Grundsatz, ohne 
welchen der Handel nirgend und zu keiner Zeit gedieh. Wenn da- 
her sogar die zwischen den binnenländischen, einheimischen und 
fremden Kaufleuten entstandenen Streitigkeiten nach kaufinännischen 
Gewohnheitsrechten entschieden wurden ^) ; so musste dieses viel mehr 



1) S. goldne Bulle für Bern t. J. 1218« "DisceptaCio Inf er burgenses et mercatores pro con- 
suetudinario iure niercatorum et maxime Colonienstum diiudicetur," und die Statuten 
belTetischer Städte in Dreyer's Beitrügen S. 50 u. 80« ** Queriraonia inier mercatores 
nostros de rebus suis iuxta consuetudinea suaa iibere eain et secundum iura aua inter 
ipsos concordent/' Freybrief Edward !• vou England v. J. 1303: Omnes BaJiui et ministri 
leriarum — inercatoribus — celerem iasticiam faciant de die in diein, sine dilalione, secunduin 
L/egem merccUoriam de uniuersis et singulis, que per eandein legein po(erunt terminari. 
S. unten ü, V. 1303. 1. AehnlicheBeyspiele sind in den Trivilegien der Messen in Franlt- 
retcb| 60 wie den I(alienischen Statuten zu finden. 



XIV 



beym Seehandel geschehen, durch welchen Kaufleute in grössere 
Gesellschaften zu gemeinschaftlichem Schutze gegen Seeräuber, und 
Unterstützung in Kämpfen gegen die Elemente, wie auch häufig 
gegen die Eingebornen der besuchten Länder vereinigt wurden. Im 
südlichen Europa stellt sich diese allgemeine Erscheinung bey der 
Wohlhabenheit und Macht der dortigen Städte in Factoreyen dar, 
welche jede einzehie bedeutende Handelsstadt in den Häfen des we- 
niger gefährlichen Mittehneers besass ^), so wie auch hier Vereini- 
;ungen zu Seefahrten ^) üblich waren, welche gemeinschaftliche 
jwecke voraussetzten und zu autonomischen Bestimmungen führten« 
Im Norden mussteu diese Verhältnisse sich anders gestalten. Die 
langsamere Entwicklung der Bildung und des Verkehres, die Ver- 
schiedenheit der Meere, der Einfluss des rauhen Klimas und langen 
Winters, die Unbedeutsamkeit der Seestädte, welche kaum von 
den häufigen üeberf allen der Normannen und der Wenden sich befreyet 
fühlten, alle diese Ursachen erschwerten die Bestrebungen der Ein- 
zelnen und machten ein engeres Anschliessen der Kaufleute, selbst 
derjenigen aus verschiedenen Städten an einander zu Handelsreisen 
erforderlich. Wir finden daher zu Venedig, wie zu Wisby und Now- 
gorod Vereinigungen der gesammten deutschen Kaufleute, und wenn 
zu London und in den flandrischen Städten, wo selbst die südeuro* 
päischen Kaufleute nur in Nationen getrennt erscheinen, Cöln und 
einige andere wohlhabende deutsche Städte im Namen aller Deutschen 
auftreten, so kann eine bedeutende Abweichung von dem allgemeinen 
Handelssystem hierin nicht erkannt werden. Die Nothwendigkeit 
dieser Vereine erklärt sich nicht hinlänglich aus der Verschiedenheit 
der Sprache, Münze und der Handelsgebräuche, ^velche in den 
meisten germanischen Ländern des nördhchen Europas zur Zeit der 
Entstehung der Hanse eine grosse Uebereinstimmung und allgemei- 
nere Verbreitung besassen, als in späteren Jahrhunderten sich erhal- 
ten hat. Dagegen war der Rechtsgang mit seinen selten wiederkeh- 
renden ungebotenen Rechtstagen und dem schwerfälligen Beweisver- 
fahren, nicht minder als die Verschiedenheit der Wehr- und Sühn- 
gelber Fremden und dem Verkehre sein: abschreckend Ein Zusam^ 



1) So die Niederlagen der Amalfilaner zu Falermo, Messina nnd Syracas, der Genneser in 
Messina, der Tisaner i379 in Tripolis, 1182 in Accon, bald darauf in Joppe und Tyrus^ 
der Yenelianer in Palermo u. andern Orten« S« Leo Gsch. d. iialien. Staaien U. 142» 179* 

2) Tardessus Collection de lois mariümes I. 168- 219* 



XV 



menlreten der Laiidsleute musste auch um so eher statt finden, wo 
die Kürze des Sommers, die Länge der Reise in kleinen SchüFsge- 
fässen und die Unvollkommenheit der compass- und kenntnissloseii 
Schifffahrt, die Langsamkeit des Ein - uiid Verkaufes , wozu Ort und 
Gelegenheit erst aufzusuchen waren, so wie der Eintreibung der Schul- 
den, wo alle diese Umstände den Fremden häufig eine Ueber^yinterung 
nothwendig machten, und durch dieselben die Möglichkeit entste- 
hender Streitigkeiten^ Todes - und Erbfälle sich vergrösserte und die 
Errichtung gemeinschaftlicher Morgensprachen, Kassen, Begräbnisse, 
Capellen eriorderlich wurde , so wie fiir die Waaren die Anschaffung 
eigener Speicher im Haupthafen nebst Plätzen und Brücken zum 
Anlanden in demselben, so wie Wohnungen für die Landsleute und 
was sonst der auf seine «gnen Mittel zurückffe\viesene Handelsver- 
kehr erheischte. Zugleich oedurften die zußülig Vereinten gemein* 
samer Aelterleute, den heutigen Handelsconsuln entsprechend, welche 
alle diese Anstalten leiteten und verwalteten, so wie die erworbenen 
Privilegien genau kennen sollten, besonders zur Vertretung ihrer 
Landsleute bey Entrichtung der Ein - und Ausfuhr - Zölle , deren 
höchstverworrene Tarife häufig verändert wurden* Hier ist aber 
besonders hervorzuheben, dass auch an den Orten, wo alle die ge- 
dachten Bedingungen einer Factorey nicht vereinigt waren, dennoch 
die Anstalt zum Rechtsprechen unter den Landsleuten sich findet* 
In Bergen bemerken wur Aelterleute, während über andere gemein- 
same Einrichtungen der Deutschen kein Beweis darUegt; in England 
sollen die Deutschen das Jus Theutonicorum zu einer Zeit, wo nur 
einzelne Städte Privilegien daselbst besassen, erhalten *); in Now- 
gorod hatten sich die durch ihr Recht getrennten Grothen und 
Deutschen erst später zu einer gemeinsamen Residenz vereinigen kön- 
nen, während die durch das Interesse oft getrennten, aber rechts- 
verwandten Niederländer mit den Deutschen lange vereinigt, erst 
in späteren Zeiten sich von denselben abgesondert zu haben scheinen* 
In \Visby finden wir in den ältesten Zeiten kein Vorherrschen ei- 
ner einzelnen deutschen Stadt, und wenn in Schonen auch schon 
früh Lübeck zu besonderem Ansehen gelangte, so deutet theils die 
dort vorhandene alte Einhebung und der Rurchhof der Deutschen 2) 
auf frühe Vereinigung derselben an diesen Rüsten, theils möchte das 



1) S, ZusStzB S. 723. 

2) S. ü. V. i280- 3. 



XVI 

Hervortreten des lübecker Vogtes unter den Bürgern der mit lübschem 
Rechte begabten Städte, eben so wie die frühe Nahmhaftigkeit der 
durch die weite Verbreitung ihrer Handels -Rechte sehr hervortreten- 
den Cölner in London, gerade einen neuen Beweis dafür darbieten, 
dass die gemeinsame Rechtspflege das ursprüngliche Motif der hansi- 
schen Factoreyen enthält* Nur in den Niederlanden sind vielleicht 
keine Vereinigungen der Deutschen in der ältesten Zeit nachzuweisen, 
so sehr alt die Hansen einzelner Städte und die Zollbestimmungen 
für die Deutschen auf Gothland daselbst sind, ein Umstand, welchen 
durch die nähere Verwandtschaft der Anwohner der Küsten der 
Nordsee unter einander zu erklären, unbedenklich scheint 

Eine nähere Andeutung verdienen ferner in ihrem Verhältnisse 
zum Hansebunde die Gilden der Kaufleute in ihren heimathlichen 
Wohnsitzen. Es lag in der ganzen germanischen Verfassung, dass 
gleich anderen zu gemeinsamen Interessen Verbundenen, auch die 
Kaufleute sich in Gilden oder Hansen, welche Ausdrücke hier als 
gleichbedeutend zu betrachten sind, sich bildeten, und zwar in den 
altern Städten unter der an gewisse Leistungen geknüpften Genehmi- 
gung der Landesherren ^). Am häufigsten finden wir diese in Eng- 
land, wo jene altdeutsche Verfassung sich überhaupt am längsten in 
ihren Grundzügen erhielt ^), dann auch in den Niederlanden* In 
manchen Fällen ist es diese Kaufmannsgilde gewesen, welche das 
älteste Markt- und Stadtrecht sich verschaff'te, und daher den Verein 
der gleichberechtigten Bürger bildete, aus welchen der Rath aus- 
schliesslich gewählt wurde, zu dessen Theilnahme die landesherrli- 
chen Dienstleute, so wie ^ die Handwerker in solchen Städten erst 



i) Hieber gehört auch die Urkunde des Bischofes Bernhard V. Ton Paderborn für die Bür- 
ger der g]eichbenannlen S(adt v.J. 1327) "worin er unter andern alten Gerechtsamen der- 
selben aufzählt: habont ius, quod hanse dicitur, de quo nobis soluuut annuam pensioncin. 
S. Wigand Zeitschrift f. Gsch. u. Allerthumskunde Westphalens III. 219. Wenn gleich 
der Aubdruck Hanse gewöhnlich nur von Innungen der Kaufleute gebraucht wird, so fin- 
det er sich doch zuweilen auch auf diejenigen der Handwerker übertragen : wrie im Mühl- 
hauser Statute See. XIIL 

2) Ausser den unten S.73. und in Hüllmann's Slä'dtewesen 1.322* angeführten Kaufraanns- 
gilden, sind noch nachzuweisen: gilda luercatoria zu Winton 1190) welche nach der 
antiqua lex civitatis behandelt werden sol]; Kyiner I. 50; ferner zu Oxford, nach deren 
Vorbilde Yarniouth im J. 1208 eine ähnliche erhielt^ s. das« iOO« Seneschalli gildae mer« 
catorum zu Bristol werden im J. 1240 genannt; s. Barett history of Bristol. 516. ^ach 
Madox history of the Exchequer cap. XI. p. 288 und Firma Burgi Cap. I. Secl. 9. sollen 
1227 dergleichen zu Liverpool gewesen seyn. Anderson in der Gesch. d. Handels fuhrt 
sie an zu Winchester 1189) Heiston in Cornwallis 1201 und Andover in Hampshire 1205* 



XVII 

durch spätere Umwälzungen gelangten. Es lassen hier sich die Belege 
dieser Ansicht nur kurz andeuten, welche aus den altern Nahmen 
von Hansa- und Gildehäusern statt der späteren Rathhäuser, der ge- 
setzlichen Vereinigung des Raths-- und des Gildeschreibers in demsel- 
ben Individuum und ähnlichen Verhältnissen zu entwickeln sind *). 

Diese kaufmännische Aristocratie , welche sich vor den übrigen 
Einwohnern geltend machte, zeigte sich vor allen in den Städten, welche 
den ergiebigen Seehandel trieben^ und beschränkte sich zuweilen auf 
diejenigen Kaufleute, welche den bedeutendsten Handelszweig sich an- 
geeignet hatten , wie z. B* die Londoner Hahse der Bürger zu Dam- 
me 2). Die ganze Stadtverfassung war durch die Sommerreisen der 
Kaufleute modellirt: die grossen Versammlungen der Gemeinde, die 
Verlesung der Burspraken, die Tage der Rathswahlen waren wegen 
der Sommerreisen der Kaufleute auf die für die Schiflffahrt unbequemen 
Zeiten verlegt; der Rath, wenn gleich meistens ausschliesslich aus 
Kaufleuten zusammengesetzt, fasste keinen Beschluss in Handelsangele- 
genheiten, wenn die Mehrzahl'der übrigen Kaufleute verreist war ^), Bey 
der Ausdehnung der Städte und Vermehrung des Verkehres musste 
jedoch die Gilde durch ihre Allgemeinheit bald an Bedeutung verlieren, 
und ihre in der freyen Verfassung wichtigsten Rechte wurden dem 
Rathe, zu v/elchem auch andern Bürgern der Zutritt eröffnet war, 
übertragen. Häufig wurden daher die Gilden durch Gesetze unter- 
drückt ^), doch haben sie sich, wenn gleich der Bedeutung mehr 
als der Form nach umgestaltet , in den scandinavischen Reichen 
bis zum heutigen Tage erhalten* In manchen der landesherrlichen 
Gewalt strenger untergebenen Städten erblicken wir sie jedoch länger, 
als in anderen; wo sich auch die, anfänglich von dem Landesherrn 
ihnen gewöhnlich vorgesetzten Hansegrafen finden. 



1) S. K. Kanuts Gildeßcr© Art. 43« in K. Anchers saml. Skrifler III. 232. Di« Campana 
Convivii zxx Schleswig war was sonst die städtische Banuglocke heisst. Script, rer. Da- 
nie. IL 611. Das St. Marien Gildehaus zu Bergen war die dortige Dingstätte. S. Bor- 
gens Gamle Bylov ed. Fougner-Lundh. Das älteste Stadtei*bebuch Ton Hamburg gedenkt 
gleichfalls bey d. J. 1248- 1258 eines Gildefaauses und domua conpivii, des nachberi- 
gen Schafferhauses (s. Staphorst Hainb. Kirchen * Gesch. Th. 2* S. 103* 104 u. 6l4.) und 
eröffnet uns dadurch einen lehrreichen Blick auf die älteste Verfassung der Stadt. 

2) S. unten S. 73. 

3) S. Dorlrechter Urkunde t. J. 1250-60 im Tfachtragc Bd. II. S. 7l6. 

4) S. Kopenhagener Stadtrecht v. J. 1294. Art. 4. in Script. Rer. Dan. VII. 86. Bremer Urk. 
▼• J. 1322* in C a s s e r s ungedr. Urk. S. 466* 

C 



XVIII 

Der Nähme eines Grafen der Hanse, welcher sich zu Bremen, 
Middelburg, Regensburg und Wien findet, während nirgend ein Gil- 
degraf oder Graf der Kaufleute genannt wird, deutet in der städtischen 
Verfassung auf ein hohes Alter und geschehene Uebertragung ehemah- 
liger aus den Hofrechten entsprungener Verhältnisse auf die Bürger. 
Der Hansegraf zu Regensburg war ein von denselben erwählter 
Meister oder Oldermann, welcher deren Rechte und Gewohnheiten, 
zu denen auch die Zölle gehörten, auf den Märkten im Auslande 
vertrat, in der Stadt aber nur mit Beystimmung der Bürger Einrich- 
tungen treffen durfte *). Die Nachrichten über die Middelburger Hanse 
sagen deutlich , dass sie sich auf den ausländischein Handel und 
die Schifffahrt von Osten und Westen her bezog. Diese Bezie- 
hung auf den Grosshandel hatten auch die mercatores hansati zu 
Paris 2), so wie zu York im J. 1200 die Gilda mercaria, Krämer- 

;iide, von den Hansen der Bürger in den Ländern des Königes, 

"Ingland und Normandie, unterschieden wurde. 

Eine urkundliche Erwähnung der Hansegrafen zu Bremen vor 
d. J. 1395 ist zwar bisher nicht aufgefunden, doch wird einer Hense 
schon in den Statuten dieser Stadt v* J. 1303 gedacht 3). Dass aber 
auch hier die Hanse sich ursprünglich auf den Handel mit den Frem- 
den bezog, beweist die Urkunde des bremischen Erzbischofes Siegfried 
v.J. 1181 *), welcher die Erhebung der gleichbenannten Abgabe , ^ so 
weit sie ihm zukam (quae ad nos respectum habuit), erliess; ein anderer 
Theil derselben fiel wahrscheinlich wie in Middelburg an die Mit- 
glieder der Gilde. In demselben Sinne befreyete Graf Philipp die 
Bürger von Damme in allen seinen Städten von der Abgabe, welche 
seine Beamten (Boden, comites) Hanse nennen, und Kaiser Friedrich I. 
die Lübecker von einer vom Zolle unterschiedenen Hanse in Sachsen, 



l) Url. T. J« 1207- Hanisgraae de officio soo jura et consoetudlnes ipsorom in nundinis re- 
^uirat^ et si infra ciuilatein is aliquid ordinäre disposuerit, id nonnisi secunduin civilia 
iiistitota et ex consensu urbanorum fiat. Dieser uraf der Regensborger wird bereits ia 
der Bestätigung aller Rechte derselben auf den Märkten zu Eiins erwänt. S. Urk. y. J. 
1190 in Orig, Guelf. T. UL Fraefat. p. 30. Unter andern Regensburgischen Beaiulen 
wird der Hansegraf auch erwähnt i23& n* 1258« S. Ried Cod. dipK episc. Ratisbon. 

2) Urk. T. 1204. 8. unten S. 74. K- 3. 

3} S. bey Oelrichs S.54. Wil he oc en copman wesen, so scal he rer scbellinge gheuen 
Tor sine hense; ther scal sinte victor hebben den dritten deeh Sl. Victor wird als d^r 
Nähme einer Badstube zu Bremen nachgewiesen, yermuthiich war jedoch demselben Hei- 
ligen früher ein Altar Ton den vereinten Kaufleuteu geweiht, 

4) ÜB. y. und Nachtrag zu derselben Bd. II. S. 712. 



XIX 

so wie die Fremden von einer Hanse zu Lübeck. Diese Abgabe scheint 
nun aus dem Vorhergehenden dahin zu bestimmen zu seyn, dass sie 
von dem einheimischen Bürger für die Zulassung der Gilde der aus- 
wärts handelnden Kaufleute entrichtet wurde, von den Fremden aber, 
welchen keine Vorzüge vor denen des Ortes gestattet werden sollten, 
für die Erlaubniss dasplbst Handel zu treiben, wodurch sie in die 
Gilde traten ^) oder deren Mitgliedern gleich berechtigt wurden, so 
wie noch heute in einigen Staaten durch Erlegung einer Patentsteuer. 
Daher findet sich denn auch diese Abgabe nicht nach dem Werthe 
oder M aasse der Handelsgegenstände , sondern als persönliche Abgabe 
in einer für jeden Berechtigten gleichen Summe bestimmt* Für die 
Hanse der Cölner zu London wurden 2 Schillinge entrichtet, für die 
der Lübecker 5 Seh. ; zu Bremen 4 Seh. , zu Middelburg 3 l/2 Seh, 
(von welchen 42 Pf. die Hanse nur 2 Pf. erhielt), welcher Ertrag, 
gleich dem anderer ursprünglich aus dem Hofrechte entlehnten Abga- 
ben, dem Landesherrn und später theilweise oder ganz den damit be- 
lehnten Gilden oder Städten zufiel. Die Befreyung von der Abgabe 
genannt Hanse wird auch nur in den ältesten städtischen Privilegien 
erwähnt, hernach aber, bey ihrer Geringfügigkeit, derselben nicht 
mehr gedacht. 

Es sey uns jetzt gestattet, auf die Nachrichten zurückzukommen, 
welche über die Hansegrafen zu Bremen im J. 1395 uns aufbehalten 
sind, welche die offenbar älteren Verhältnisse dieses Amtes entweder 



i) Wie zu Paris in die Societas francisca. So worden auch im J« 1127* vom Grafen Wil- 
helm Ton Flandern die Bürger zu St. Omer, welcbe nach dem deutschen Reiche handeln 
wollten, Ton jeder Errichtung einer Hansa befreyet, d. h. zu St. Omer, nicht aber im 
ganzen deutschen Reiche, in welchem der Graf keine Abgaben erlassen konnte* S. Ducange, 
wo noch andere Nachweisungen aus flandrischen Urkunden v* J* 1164« 1201« u. a. über 
Hansa, in der Bedeutung einer Abgabe von Handel sich finden« Dass für das auf römischen 
Inschriften gelesene Wort ansarium, aurarium zu lesen sey, habe ich früher bemerkt* 
S* Berlin. Jhrb. f. wissensch* Kritik. 1828* S. 291 u. 639« Zur yollsländigen Zusammen- 
stellung der Bedeutungen des Wortes Hanse, gehört auch noch die so benannte Strafe 
der Cölner Air fremde Kaufleute, welche das Verbot in ihre Stadt zu kommen übertra* 
ten. Erzbischof Conrad -von Cöln sagt in einer Urk* a. 1359* Al^y 9* Quicunque aulem 
talium mercatorum secus ^el in contrarium facere Tel fecisse ab aliquo cive coloniensi fuit 
deprehensus, ab ipso cive impune et licite arrestari et puniri poterit more antiauo, secun- 
dum qnod Yulgo ifansen Tocalur, quod taliter fieri consuevit, quod ciTis coloniensis mer* 
catorem in tali excessu a se depreheusum calamo Tel junco vel aliquo simili ligamento 
ligabit etc* Eine ganz ähnliche Beschreibung dieses Gebrauchs findet sich in der Urk. K. 
Karl IV* bey Ducange h. y« Vielleicht ist der pravus abusus mit welchem die Cölner 
und ihre Genossen die Lübecker in England belästigten, etwas Aehuliches (s.UV* 1226. 20$ 
und ist hier auch die Abstammung des Wortes hänseln zu Sachen* 

c * 



XX 



angeben, oder abändern* Es werden in deni Denkelbuche dieser 
Stadt 1) als deren Aemter, nachdem sie Mitglieder des Rathes bil- 
deten, angegeben: 1. Die Annahme und Beeidigung der Bürger und 
die Ver\vahrung des Bürgerbuches. Dieses Geschäft möchto als ein 
ursprüngliches zu betrachten seyn, so fem die Bürgerschaft oder 
Bürgergilde von der Gilde oder Hanse der Raufleute ausgegangen ist* 
2. Sie sollen von dem Bürgergeide die Wege ausserhalb der Stadt 
machen lassen und in der Stadt über die Strassen das Regier haben. 
JDiese Function trifft mit der des Hansegrafen zu Regensburg überein, 
welcher mit den Kaufleuten über den Zustand der Strassen zu Lande 
und zu Wasser berathschlagte ^). 3. Es wurde denselben die Füh- 
rung des Denkelbuches übertragen, welche früher den Kämmerern 
oblag, für welche Arbeit ihnen das Hansegeld und dagegen den Bürger* 
meistern von dem Bürgergeide 2 Mark jährUch als Ersatz für das 
Hansegeld, welches diese von Alters her zu erhalten pflegten, gegeben 
wurde. Diese ursprüngliche Verbindung, \venn nicnt Identität, der 
Bürgermeister und der Hansegrafen scheint unsere Meinung über die 
frühere grosse Bedeutung der letzteren in den kleinen Anrangen des 
städtischen Hreises sehr zu bestätigen. 

In den Städten, welche auf freyere Verfassung begründet waren, 
wozu im Allgemeinen wohl die enghschen Städte zu rechnen sind, 
finden sich keine der Hanse ^) oder Gilde vorgesetzte Grafen, son* 
dern Oldermannen derselben, wie bey den Hamburgern und Lübeckern 
in dem auch von Bremen angenonmaenen ältesten Schiffrechte, wo- 
bey jedoch es zu bemerken ist, dass der Nähme ihrer Hansen nur 
im Auslande, nie aber in städtischen Beziehungen nachge^viesen ist. 
Die Vereine der nach gewissen Gegenden handelnden Raufleute bil- 
deten hier ursprüngUch keinen Bestand theil der städtischen Verfas- 
sung, AVie etwa die Gilden der Wechsler und Handwerker, und sie 
^varen nur in so fern geschlossen, als der Bürger einer Stadt, welcher 
nach London, Utrecht oder andern Orten, wo seine Mitbürger eine 



i) S« über dasselbe Denelen über die Rolandsä'alen in Bremen. S. 28* 

2) Ueber die letzteren s. besonders Urk« t. 1281* in Gemeiner's RegensborgiscLer Chronik 
S. 4l4* und daselbst S. 556 und 562« 

3) Es ist nicht zu übersehen, dass der Ausdruck Hansen in allen Zelten Air die Mitglieder 
einer Hansa oder Hense, Hansebrüder oder Kaufleute von der Hanse nie vorkommt. Wenn 
daher das deutsch -lateinische Zwitterwort Hanseaten verworfen wird, so lässt sich der 
Ausdruck Hansen für die zur Hanse Berechtigten, die Hansischen, durch sein Alter gleichfalls 
nicht füglich rechtfertigen« 



XXI 



Hanse errichtet hatten, dort gewisse Bedingungen zur Aufnahme 
zu erfüllen hatte. Die Verfügungen dieser Hansen bedurften jedoch 
bald einer Bestätigung des heimischen Gesammt Vereines, um die Be- 
schlüsse der Morgensprache gegen die Widerspenstigen auszuführen, 
so wie um eine z^veyte Instanz in dem städtischen Obergerichte oder 
Rathe für jene begründen zu können. Die Hauptbestimmungen die- 
ser Hansen waren, wie \vir aus den vorhandenen Nachrichten deuthch 
schüessen können, die Erhaltung des National- oder neueren Stadt- 
rechtes so \vie der autonomischen Verfügungen, femer die Haltung 
der Morgensprache unter dem von den Hansebrüdern er^vähnten 
Oldermanne und die Obacht für die gemeinschaftlichen Handels - Inter- 
essen der Hansebrüder. An diese Knüpfte sich auch die Sorge für 
geistliche Anforderungen, die Stiftung von Messen, Erhaltung eines 
*riesters, eine Grabstätte für die im Auslande Verstorbenen, so 
^vie femer die Ausführung geselliger Zwecke während des Aufenthaltes 
im fremden Lande. Diese Privathansen haben sich noch lange nach 
der Bildung der grossen Hanse erhalten, wie nahmentlich von Ham- 
burg sich nachweisen lässt, welches vor 1270 Hansen zu Utrecht und 
Ostkerken bey Sluys besass, und wo wir die Statuten der hambur- 
gischen Haufleute zu Stavern v. J. 1380, derer zu Amsterdam v. J. 
1384, so wie beider bereits v. J. 1365 kennen, so \vie derjenigen zu Sluys, 
welche wir früher in Ostkerken fanden und welche hernach den all- 
gemeinen Nahmen der Flanderfahrer erhielten, v. J. 1402, wo noch im 
16ten Jahrhunderte eine hamburgische Capelle vorhanden war *). 

Wenn gleich die Hansebrüder keinem ihrer Mitbürger den 
Handel nach einem Orte verwehren konnten, da die Handelsprivile- 
gien gewöhnUch vom Rathe und der ganzen bürgerUchen Gemeinde 
erworben \vurden, so musste ihnen dennoch die Aufnahme in ihre 
freye Genossenschaft im Einzelnen überlassen bleiben, um so mehr 
da bey längerem Aufenthalte an den einzelnen Orten sich häufig die 
Hansen ein Vermögen in Grundstücken erworben und andere Ein- 
richtungen und Stiftungen errichtet hatten, zu deren Grenusse anderer 
Theilnahme ohne Einschränkung zuzulassen sie nicht verpflichtet 
werden konnten* Auch Fremde wxurden zu diesen Hansen theilweise 

Belassen, wie Kaiser Friedrich IL 1226 von derjenigen der Cölner, 
riüeler und deren Genossen in England die Zulassung der Lübecker 



i) lieber diese hamburgisclie Hanse In Sluys s. Sartorius Gesch. d. Lans. Bondes Bd. II. 
S. 562* Ueber Greifswalder Kaufinaons^esellschaflen s. UV. 1356« 



XXII 



verlangte; und wie die Aufnahme des. Hamburger Schiffrechtes bey 
den Bremern unter fortbestehender Appellation von der Hanse in 
Flandern nach Hamburg zu bewe'isen scneint 

Je mehr die Hansen im Auslande einen ausschliessenden Cha- 
rakter behaupteten, desto mehr mussten auch die Theihiehmer dersel- 
ben sich in der Heimath aneinander schliessen, welche nicht minder 
durch die Gefahren der See zu gemeinschaftlichen Fahrten vereinigt 
wurden; doch waren hier in der Regel die Verbindungen viel loser^ 
und zum Theil junger, durch geistliche Brüderschaften, Armenkas- 
sen, gesellige Vereine, gemeinschaftUches Botenwesen veranlasst; selten 
durch Vereinigungen zu städtischen Pflichten, me die gemeinschaftliche 
Theilnahme an der Vertheidigung der Stadt zu Wasser und zu Lande, 
oder auch durch gemeinschaftliche Bevorrechtigung, Alle bisher auf- 
gefundenen Nachrichten über dergleichen durch den Handel nach irgend 
einem besondem fremden Lande vereinte Brüderschaften in den 
deutschen Städten sind nicht älter als die letzte Hälfte des l4ten Jahr- 
hunderts, und also um vieles jünger als die Nachrichten vom Handel 
dieser Städte nach den ausländischen Coraptoiren. Es scheint daher 
auch irrig, die ältesten Nachrichten über das Entstehen der kaufmän- 
nischen Vereine in den einheimischen Archiven dieser Gesellschaften 
guchen zu w^oUen, wenn dieselben gleich für die mittlere und spätere 
Zeit reichhaltigere Nachrichten, über die Hanse darbieten können. 

Diese Hansen der Einwohner einzelner deutscher Städte im Aus- 
lande waren eine Abweichung von dem alten Rechte der Deutschen. 
Die ausgeschlossenen Städte versuchten, wie wir es von Lübeck bey 
der Cöhier Hanse in London so eben erwähnt haben, ihre Auf- 
nähme durch kaiserUche Gebote oder andere Mittel zu erzwingen, 
und da diese nicht gelangen, verschafften sie sich bey den fremden Lan- 
desherren das Recht eigene Hansen zu errichten. JDieses Mittel führte 
bald zu den gewünschten Vereinigungen, wie wir in England aus der 
Urkunde v. J. 1282 deutlich erkennen. In Flandern und Holland 
müssen andere in der Natur des dortigen Handels liegende Gründe 
;ewirkt haben , um die Existenz einzelner ParticuUer - Hansen zu er- 
lalten, weiui gleich die Unterordnung derselben unter den allge- 
meinen Verein der deutschen Kaufleute zu Stande kam. In Wisby, 
so wie Nowgorod ist nach allen vorhandenen Nachrichten die Ge- 
meinschaft der deutschen liaufleute iiie durch Hansen einzelner Städte 
gestört worden; in Norwegen und Schweden oder Dänmark eben 
so wenig; nur in Schonen hat der Besitz einzelner Vitten für den 



XXIII 



Heringsfang einzelne Städte allinälig zur Erriemiung besonderer Vogte 
und Errichtung abgesonderter Gesellschaften gefüLrt. Dass in jenen 
Ländern die Deutschen in den ältesten Zeiten keine Zölle und Gil- 
denabgaben zu entrichten hatten , ist aus der für die Russen, Gothen, 
Normannen und andere westliche Völker zuweilen ausgesprochenen 
;egenseitigen Vergünstigung wahrscheinlich, und erklärt zugleich, wie 
\ey einer solchen Gleichstellung aller Deutschen keine Separat- Han- 
sen bey jenen Völkern entstanden, 

"Wenn das Zusammentreffen deutscher Haufleute im Auslande 
zu Vereinigungen unter denselben führte , so mussten sie auch bald 
zu der Wanrnehmung gelangen, dass einzelne unter iluien, deren 
Stadt für manchen Handelsverkehr nicht geeignet lag , sich an 
die Eiinvohner der vortheilhafter gelegenen Städte näher anzuschliessen 
hatten. Wir müssen uns vergegenwärtigen, wie in dem damahligen 
Handelsverkehre, der Haufmann aus dem Binnenlande mit seiner 
Waare über Land und Sand zog, um selbst mit einem in einer fer- 
nen Hafenstadt gemietheten Schiffe auf den entlegenen Markt zu 
schiffen. Auffallende Denkmähler dieser Kindheit des Verkehres sind 
die Privilegien gegen das Strandrecht, welche Landstädte, wie Soest, sich 
erwarben, so wie das Erscheinen von Bürgern aus Münster, Dortmund 
und andren biiuienländischen deutschen Städten in Gothland und Now- 
gorod ; bey deren AnbHcke wir jetzt verwundert glauben möchten, dass 
einst sogar der Dichter , welcher sicilische Schiffe in Prag landen liess, 
auch nicht so sehr geirrt haben möchte. Es war daher ein grosser 
Fortschritt des Handels, als die binnenländischen sich näher an die 
der See und den grossem Strömen anwohnenden Kaufleute schlössen; 
worauf hernach die desfallsiffen Verträge einzehier deutscher Städte 
unter einander erfolgten, weiche nicht nur die Aufnahme und Be- 
günstigung der Bürger der einen Stadt in der andern bezweckten, 
sondern auch deren Vertretung und Gleichstellung mit den eigenen 
Bürgern im Auslande. Waren gleich in den ältesten Zeiten die 
Deutschen als Nation stets vereint aufgetreten, woher für die deut- 
schen Kaufleute besonders in England und Flandern der Nähme der 
Mercatores Imperii Romani sich erhielt, so mussten mit dem Empor* 
kommen der Städte Trennungen und Bevorzugungen einzelner die- 
ser Genossenschaften statt finden, wie oben erwähnt ist. Diese 
Städte gelangten daher bald dazu, in ihrem Nahmen für ihre Bürger 
oder einzelne derselben, diejenigen Rechte geltend zu machen, wel- 
ciie der ganzen Nation zukamen. Das weite Band der grossen 



XXIV 



sich nunmehr vereinzelnden Gemeinschaft unter dem germanischen 
Kxiegsbefehl war zerrissen, und die ersten Emporkömmlinge in der 
neuen Handelswelt, welche die Nationen verband, Avaren es, Vielehe 
auch die National • Einheit Avieder herstellen sollten. Daher denn die 
vielen Verträge, welche im I3ten Jahrhundert geschlossen wurden 
von einzehien Städten für ihre Bürger und ihre Gäste (hospites, 
socii, omnes quos sibi adiunxerint, qui in eorum iure sunt), deren 
\vir besonders von Hamburg, als der den Eibhandel vorzugsweise 
beherrschenden Stadt viele besitzen i), weshalb auch noch in denselben 
alle Eibfahrer (omnes ex Albea veliiicantes) 2) besonders einbegriffen 
werden ; Avährend für die Theilnalime an dem Ostseehandel die Land- 
städte weniger beschränkt \varen, und durch die grosse Freyheit des 
Handelsverkehres in den nordischen Reichen die Vertretung einzel- 
ner Städte seltener in Anspruch zu nehmen seyn konnte. Besonders 
merkwürdig ist in dieser Beziehung der Vertrag der Hamburger mit 
den Dithmarschen, v. X 1265., in welchem den Gästen binnen einer 
gewissen Zeit anheimgestellt wird, die von jenen festgesetzten Be- 
dingungen anzunehmen oder zu verwerfen 3). In einem ähnUchen Ver- 
hältnisse zu dem Handel auf dem Rheinstrome stand bis zu der Ver- 
sandung der Mündung desselben die Stadt Cöln. 

Eine Folge dieser Verhältnisse war die Ertheilung der Rechte 
der Hamburger, Lübecker, Cölner, in fremden Ländern an andere 
Städte , da denselben die Rechte , welche sie sich als Gäste jener ohne- 
hin zu verschaffen Avussten, zu versagen, unnütz gewesen seyn würde. 
Mit der Entstehung und Ausbildung des Commissionshandels musste 
freylich für die binnenländischen Städte der Werth des Bundes, be- 
sonders der ursprünghche Zweck desselben verschwinden, welche 
Umgestaltung des Handels jedoch nui^ sehr langsam vor sich ging* 
Jene Verbrüderung der alten sächsischen und westphäUschen Binnen- 
städte mit den Ostseestädten wurde nach der Schlatht von Demmin 
im J. J164, wo die wendische Herrschaft durch Herzog Heinrich 
den Löwen in jenen Gegenden vernichtet war, und eine neue christ- 
liche Cultur an dem baltischen Ufer schnell emporblühen konnte, mög- 



^i»« * « 



1) In dem durch K. Friedrich 11. im J* 1189 der Sladt Hamburg ertheillen Privilegium werden 
rücksichtlich des Slader Zolles unterschieden: das Bürgergut und die bona hospitum, wel* 
che die Hamburger seewärts einführen. 

2) Urk. 1266* ^on Zierikze und Vorne im Ifachtrage Bd. II. *S. 724* 

3) S. Nachtrag 2. J. 1265 9 so wie die Verträge Hamburgs mit den Herzogen ron Sachsen- 
Lauenbnrg, den Hadelern, Wurstfriesen u. a. t. J. 1236) 1241) 1299* etc. 



XXV 



lieh und für das Fortbestehn des alten Handelsverhältnisses nothwen- 
dig ; wobey durch deren Entstehung auch die südelbischen und nieder- 
ländischen Städte zu der Rolle «er Vorfechter des Reiches gegen 
Slaven, Dänen und andere nordische Völker mit berufen ^vurden. 

Auf die Verhältnisse der Gäste in einzelnen vorragenden Städten 
des Bundes und die damit verknüpfte Erwerbung von Privilegien 
im Auslande durch letztere für die von ihnen vertretenen Städte, 
ist vielleicht auch die merk\vürdige Eintheilung der Hanse- 
städte in drey Abtheilungen: das lübsche und ^vendische 
Drittheil, das der Westfalen und Preussen, und das gothländische 
begründet. Es ist erweislich, dass diese Eintheilung in den flan- 
drischen Niederlagen schon früh bestanden hat, wo sie zuerst und 
lange Zeit hindurch allein klar ausgesprochen sich findet. Bey dieser 
Ansicht lässt sich voraussetzen, dass Hamburg, ^velches in den Nieder- 
landen schon so sehr früh mit Lübeck vereint erscheint, zu dem 
Lübschen Drittel stets gehört habe; doch kann dieses Verhältniss 
urkundUch im J. 1356 nachgewiesen ^verden i). Das Alter dieser 
Eintheilungen ist sehr dunkel. Eine von Sartorius wie es scheint 
dafür angeführte und in das 13. Jahrhundert gesetzte Urkunde gehört 
einer spätem Zeit an ^). 

Sehr auffallend erscheint darin die Verbindung der westphäU- 
schen mit den preussischen Raufleuten, ^velche nicht wie die anderen 
Abtheilungen durch die Nachbarschaft ihrer Städte zu erklären ist. 
Dennoch haben sie gemeinschaftlich in Flandern einige Privilegien 
erworben, von denen jedoch das älteste mir bekannt gewordene erst 
vom J. 1340 ist^). Doch scheint aus denselben hervorzugehen, 
dass auch diese Verbindung nicht auf einer willkürlichen auf den han- 
sischen Niederlagen gemacfiten Eintheilung, sondern auf altern Han- 
dels - und Schutzverhältnissen beruhte und vielleicht durch die Ver- 
bindung cölnischer Erzbischöfe mit dem deutschen Orden veranlasst 
war. Die Erwähnung der Raufleute Westphalens in einer Urkunde 
der deutschen Hanse in England v. J. 1303 auf eine solche dort be- 
reits befestigte Eintheilung zu beziehen, möchte bey ermangelnder 
fernerer Bestätigung noch voreilig scheinen. Eher möchte die Ver- 
einigung der sächsischen Städte , welche wir unter den übrigen 



1) Sartorias, welcher es für die vorliegende Periode bezweifelt (s. unten S. 85)? Iwmte die 
Urkunde CLXXXIb nicht. 

2) Dem Jahre 1377. S. Nachtrag zur Urkunde LXXIV. Bd. II. S. 734. 

3) UV. 1340, 3. UV. CXLVIU. CLXI. 

d 



XXVI 



Kaufleuten des römischen Reiches in J. 1309 in Flandern besonders 
ausgezeichnet erblicken i), uns zu erkennen geben, wie die später als 
ordiiungsmässig bekannten Verein« und Verbrüderungen der deut- 
schen Kaufleute verschiedener Städte und Landesherren schon damals 
auftraten. Nicht miwahrscheinlich ist es jedoch, dass die ganze Ein- 
theilung von dem Vereine der deutschen Raufleute au£ Grothland 
ausgegangen ist, in -welchem^ bey seiner Ausdehnung, eine Gliede- 
rung nacTi Ländern schwerhch lange ausbleiben konnte. Es ist des- 
falls nicht zu übersehen, w^enn in den Verhandlungen über die 
Appellation von dem von Gothland ausgegangnen Hofe zu Nowgorod, 
die Städte Sachsens und Slaviens, so \vie Westphalens und Preussens 
neben einander gestellt werden, welche schwerlich für zufälUg zu 
erklären sey n möchte und demnach nach der Erwerbung der Privilegien 
der nach Gothland handelnden Raufleute des römischen Reichs 2) bereits 
von diesen nach ihren flandrischen Niederlassungen gebracht seyn mag. 
Aus diesen Vereinen deutscher Raufleüte m der Fremde, ^vie in 
der Heimath entwickelte sich der hansische Städtebund, "welcher ein 
so wirksames Beförderungsmittel und eine so mächtige Stütze für 
die Ordnung, das Besitzthum und die Freyheit, zunächst dem nörd- 
lichen Europa geworden ist. Er entstand, der Ausdehnung sowohl 
des Z^veckes als der Theilnehmer nach, so allmälig, dass ein An- 
fangspunct der Hanse gewiss nicht an2Higeben ist. Die Verbin» 
düngen der Städte in der letzten Hälfte des l4ten Jahrhunderts stel- 
len die Hanse freylich in ihrem ganzen Umfange und ihrer vollen 
Ausbildung dar , doch beruhen sie grösstentheils , abgesehen von 
den Vereinigungen der Kaufleute auf Gothland, zu London, Now- 
;orod und in Flandern, welche ohne Genehmigung ihrer Stadtr 
Behörde nicht bestanden, auf älteren Vereinigungen, deren Runde 
durch wenige, sehr vereinzelt stehende Nachrichten auf uns gelangt 
ist Ausser den von Sartorius bereits benutzten Urkmiden ist hier 
noch auf das merkwürdige Schreiben des Erzbischofes von Bremen 
an die Ditlmiarschen v. J. 1306 aufmerksam zu machen, welches die 
Beschwerden des Rathes zu Hamburg und der Städte zwischen der 
Weser und Polen an der Ostsee enthält und von ihrer gemeinschaft- 
lichen Gesandtscliaft nach Rom und ihrer einflussreichen Vereinigung 
spricht^). Es dürfte daher nicht auffallen, wenn wir einige Jahr- 

1) ÜB. CXX und CXXI. 

2) UV. 1252. 1. ÜB. XX. XXIX, 

3) ÜB. CXV. 



XXYII 



zehiide früher genauere Nachrichten über allgemeine Städtebünde iin 
nördlichen Deutschland in Beziehung auf die Sicherung ihres aus- 
^värligen Handels entdeckten. Wie planmässig und eifrig einzelne 
Städte diese Bündnisse mit anderen otädten anknüpften, erkennen 
wir unter andern an dem Beispiele Braunschweigs, welches 1247 Bünd- 
nisse mit Lübeck und Hamburg schloss i), in dem folgenden Jahi'e mit 
Stade und 1256 mit Bremen, ^vorauf 1258 eine Erneuerung des 
Bündnisses mit Hamburg erfolgte. Selbst die Streitigkeiten der Städte 
unter einander deuten auf nahe Verhältnisse, welche unter densel- 
ben statt fanden. So stehen auch vielleicht die beiden im J. 1258 
von Cöln mit Hamburg und mit Bremen geschlossenen Vergleiche 
in Beziehung zu einander. Die Bündnisse der Städte sind zmiächst 
durch das Bestreben zur Erhaltung des Landfriedens, besonders 
während des für Deutschlands Ruhe unheilbringenden Interregnums 
V* J. 1250-1273, herbey geführt , und in Gemeinschaft mit Fürsten 
und Herren, welche an den im Auslande entstandenen Vereinen der 
Kiaufleute kernen Antheil hatten, wahrscheinlich sie nicht kannten, einge- 
gangen. Ein solches Bündniss ^var dasjenige, welches zwischen den Edlen 
und Städten an beiden Eibufern und in Westphalen, so wie Lübeck 
und Bremen, kurz vor oder im J. 1256 geschlossen ist ^), also, was 
zur richtigen Auffassung dieser Erscheinung nicht übersehen werden 
darf, um dieselbe Zeit als derjenige Bund, welcher von den rheinischen 
Städten ausgegangen war, im südlichen Deutschland sich bereits ver- 
breitete ; während ähnliche Verträge zwischen Städten nnd Adli- 
chen auch dort eingegangen wurden ^). Eine merkwürdige Urkun- 
de *) über eine Aussöhnung des Bischofes Wedekind von Minden 
mit dieser Stadt, welche neun Monate später als die eben angeführte 
abgefasst ist, sagt, dass der Streit derselben geschlichtet sey durch 
gewisse Geistliche, Ministerialen und die " Consules civitatum opidorum 
Westphalie pacis federe unitorum'*; worunter das in andern Urkunden 
der Stadt Mmden gedachte Landfriedensbündniss zu verstehen, wohl 
niemand z^veifeln wird, so wie auch der Zwist des Bischofes mit der 
Fehde des Grafen von Wölpe wahrscheinlich in naher Verbindung steht 

1) Dass die Angabe bey Willebrandl (s. unten I. 70.) zu geringfügig behandelt worden ist, 
■wie denn dessen Authenlicltät nicht so sehr -wie seine Folgerungen zu bezweifeln sind, 
ergiebt sich a^s dem im Kach trage wegen dieses Bündnisses Ton mir Angeführten« 

J) Pax iam iurala a vobis. U. B. XXV. 

3) ju. B. 1259 2u Cöln S. Kindlinger Münster. Beiträge Tl. Url. 38. 

4) Urk. 1256. Non. Decembr. abgedruckt in den Westphäl. Frorinzial - Blättern B. i. Heft 2. 
Cod. dipl. no. 4« 

d * 



XXVIII 

Bey diesen Verhältnissen der Städte zu den Fürsten und dem 
Adel ist eine Nachricht um so auffallender, welche einem ums Jahr 
1267 oder 1269 zwischen den Fürsten von Braunschweig , Markgra- 
fen von Brandenburg und von Meissen, so wie den Grafen von 
Holstein zu Quedlinburg gehaltenen Fürstentage den Zweck beylegt, die 
Hansestädte zu demüthigen i). Die älteren Nachrichten 2) nennen freylich 
nur die Städte allgemein oder erwähnen dieselben gar nicht und sprechen 
nur von einem während des damahligen zerrissenen Zustandes Deutsch- 
lands von den sächsischen Fürsten beschlossenen Vereine zur Erhaltung 
des Friedens 3). Die letzte Angabe scheint auch deshalb die richtige 
zu seyn, weil wir überhaupt von den Folgen eines solchen Vertrages 
gegen die Hansestädte nichts, wohl aber von einigen dieser Fürsten 
wissen, dass sie damahls mit Lübeck so wie Hamburg in dem besten Ver- 
nehmen standen. Sollte jedoch damahls von.der Unterdrückung einzelner 
Städte die Rede gewesen seyn, so ist eher an einzelne sächsische Städte 
zu denken, aus deren früheren Chroniken diese Nachricht entlehnt scheint, 
welche auch in andern Fällen den Namen der Hansestädte ein- 
zelnen Vereinigungen dortiger Städte beygelegt haben, welche zu der 
Hansa in keiner oder nur entfernten Beziehungen standen. So soll der 
Graf Albrecht von Regenstein nach seiner Fehde mit der Stadt Qued- 
linburg nach einem von den Hansestädten geführten Processe von den- 
selben zum Tode verurtheilt und dieses Urtheil vom Kaiser bestätigt 
seyn ^). Alle authentischen Nachrichten aber, welche wir über die Hanse 
aus dieser. Zeit besitzen, lassen uns vermuthen, dass auch hier nur 
von einer Verbindung mehrerer Quedlinburg benachbarter Städte 
die Rede ist, etwa Halberstadt und Aschersleben, welche noch 1328 
ein Bündniss unter sich erneuerten s). 

Die wichtigste und älteste Nachricht über den städtischen Hanse- 
bund würde, wenn gehörig beglaubigt, vielleicht diejenige seyn, welche 
Willebrandt ^) giebt, dass bereits im X 1260 ein Hanse tag zu Lübeck 
gehalten sey. Da die Untersuchung über so manche früher ganz 
und gar verworfene Nachrichten dieses Schriftstellers, wenn auch nicht 



1) S. Suhm X. 646. und Frilsch Gesch. v. Quedlinburg I. 149- 

2) Fraginentum Cliron. ßardew. geschrieben nach 1488. bey Leibnitz. S. BrunsTic. III. 218. 
Körner bey Eccard II« bezieht sich auf ein nicht naher bekanntes Chronicum Saxonicuin. 

3) S. Spangenl)erg Sachs. Chronik b. J. 1270. Die Lübsche Chronik Deünars schweigt 
Ton diesen Fürstenfagen ; so'wie auch Bangert, der aus Urkunden schöpfte, in den Orig. Lubec. 

4) S. Winningstädt in Abels Chroniken. S. 501* Spangenberg Sachs. Chronik. S. 479* 

5) Frilsch a. a. 0. 164. 

6) Hans. Begebenh. I. S. 7. 



wM 



zu ihrer Rechtfertigung 5 doch zu Entdeckung der Berichtigungen geführt 
hat, durch welche geläutert sie werthvoll erscheinen i), so möchte 
auch diese nicht ohne alle Berücksichtigung zu verwerfen seyn* Jene 
Notiz wird dadurch erheblicher, dass der gelehrte Syndicus Dreyer in 
seinem handschriftlichen Index chronologicus subsidiorum diplomatico- 
rum einen Recessus Hansae, puncto novae stapulae Londinensis et 
Brugensis de 1260 Octobn anführt, der jedoch sich allen neueren Nach- 
forschungen entzogen hat. Dass Gegenstände dieser Art von den Hanse- 
städten um diese Zeit, oder wenn wir einen der so gewöhnlichen 
Schreibfehler in Trennung oder Zusammenziehung der Zahlen des 
Jahres und des Tages annehmen wollen, einige Jahre später, verhan- 
delt seyn mögen, wird niemand bezweifeln. 1280 und 1282 fanden 
ähnliche Verhandlungen wegen beider gedachten Stapelplätze statt. 
Wenn wir jedoch den ferneren Inhalt des zu Lübeck abgefassten 
Recesses, wie Willebrandt ihn angiebt, betrachten, dass er nämlich 
die in Norwegen und Moskau zu suchenden Handelsfreyheiten , so 
wie die Beschützung der Landstrassen und Ausrottung der Raubne- 
ster zwischen Lübeck, Hamburg und Braunschweig betroffen habe, 
so wie auch damahls (in demselben Recesse?) beliebt sey, dass eine 
Stadt der andern Certification vollkommenen Glauben beymessen solle, 
so kann die Kritik nur mistrauisch werden. Dass schon 1282 die 
Städte vereinigt in Norwegen unterhandelten, ergiebt sich freylich 
aus urkundlichen Nachrichten^), so wie die Zerstörung der Raub- 
schlösser in diese oder eine frühere ^eit gehören kann ; die Erwähnung 
Moskaus aber, wenn wir unter derselben nicht eine moderne Bezeich- 
nung für das längst verschollene Nowgorod annehmen wollen, würde 
uns zwingen, diesen Recesss um zwey oder drey Jahrhunderte jünger 
£U halten, als angegeben ist. Die Bestimmungen über die Certificate 
kommen in den späteren Recessen so häufig vor, dass sie zur Be- 
richtigung des Datums des vorliegenden von gar keinem Wertjie sind ^). 
Alle meine Nachforschungen nach diesem Recesse oder einem anderen 



i) Ganz gerechtfertigt hat sich seine Angabe der Recesse Tom J. 1366 an; zu letztern gehört 
die Kachriebt über die Ausstossung Bremens, welche jedoch 1358 statt 1308 geschah, die 
Torgedachte Nachricht über Braunschweig b. J. 1247* u* a. 

2) ÜB, XLV^^ 

3) Der Becess zu Lübeck r. J. 1640 Trinit. enthält Verhandlungen über die Verlegung des 
Stapels in Brügge, so wie London, auch den Beschluss eine Gesandtschaft nach Moscau zu 
schicken: ferner Verhandlungen, wegen der Isländer und Norderfahrer. S. Willebrandt 
a. 0. U. 249. Doch passt hieher nicht der Monat October, und es fehlt ein Beschloss 
wegen der Zerstörung der obengedachten Baubschlösser. 



XXX 



welcher von Dreyer und Willebrandt hier gemeint seyn konnte, sind 
vergeblich gewesen, und bleibt dieser Gegenstand der Aufmerksam- 
keit künftiger Forscher der hansischen Geschichte vorbehalten. 

Zu den zu berichtigenden Angaben über ältere Geschichte der 
Hansa, welche zugleich bestätigen, welcher Maasstab der Kritik an die 
vorhandenen Ueberlieferungen oft noch zu legen ist, gehören hier noch 
die über die von Werdenhagen aus des Syndicus Doman Auszuge 
der hansischen Recesse angeführten Statute vom Jahre 13(2 bis 1347. 
Diese Zahlen sind alle durch Schreibfehler verfälscht, wie von einem 
derselben in Betreff der Wiedertäufer, sich augenscheinlich ergiebt*), 
wo 1535 statt 1335 gemeint ist, und für diese, so wie die übrigen 
Jahrszahlen sich aus einer . Abschrift des Domanschen Auszuges im 
hamburgischen Archive, so wie geschehene Vergleichung der Recesse 
selbst bestätigt. Die Statute v, 1312, 1317, 1327, 1341 über die Ent- 
scheidung der Streitigkeiten zweier Hansestädte mit einander, sowie des 
Rathes mit den Bürgern, sind, wie Doman Cap, VII. angiebt, v. J. 
1412, 1417, 1427 und 1441. Der Beschluss, dass wer in einer Hanse^ 
Stadt Aufruhr stiftet, in der andern nicht zuzulassen sey, datirt 
nicht von 1317 ^) , sondern v. 1417. S. ebendas. Eben so sind die Be- 
schlüsse gegen die Städte, deren Bürger sich gegen den Rath empö- 
ren, ein volles Jahrhundert später als die angegebenen Jahre 1317, 
1318, 1327 u. 1347 zu setzen. S. Doman Cap.IL Die Beliebung, dass 
wenn ein Deputirter den andern bey den Unterhandlungen beleidigt, 
jener nicht sogleich seine Stelle verlieren, sondern eine Geldbusse 
erlegen soll, ist nicht von 1318, sondern von 1380. S. ebendas* Der 
Beschluss die Buntwirker betreffend, ist nicht v.J. 1318, sondern aus 
dem Recess v. J. 1481 entlehnt. 

Zu den wenig beachteten, jedoch sehr trüben Quellen der Ge- 
schichte der ältesten Städtevereine im nördlichen Deutschland gehö- 
ren auch noch die Rollen der Handwerker. 

Aus späterer Zeit waren einige Gesammtbeschlüsse der Ostsee- 
städte in Betreff der Handwerker schon bekannt 3); mehrere einer 
frühern Zeit angehörig sind im Urkundenbuche abgedruckt, deren 
Alter unbezweifelt ist. Die Rolle der Böttcher von 1321 ist im Re- 
cesse V. J. 1367 bestätigt. Eine auffallende Nachricht , die sehr einer 
Bestätigung bedarf, ist in den im J, 1710 obrigkeitlich confirmirten Ar- 
tikeln der Schuster zu Hamburg enthalten, welche besagt, dass eine 

i) S. Sartorius Gesch. d. hans. Bundes I. S. 127« 

2) Auch Dreyer EinL in die Lübscbea Yerordnungen hat die falsche Jahrszabl. 

3) S. Dreyer Einl. in d. lübsch. Verordnungen. 



XXXI 

* 

Ordnung für diese Gewerbe von den Städten Lübeck, Hamburgs 
Wismar, Stralsund, Rostock und Lüneburg im J. 1226, Montags nach 
h. Drey faltigkeit, im sechsten Regierungs jähre Kaiser Friedrich II ab- 
gefasst sey* Sie führen ferner Beschlüsse dieser Städte v. J. 1366 u. 1547 
an, welche jedoch eben so wenig näher documentirt werden können. 

Wenn nunmehr zu entscheiden wäre, bey welchen Städten der Ur- 
sprung der Hanse zu suchen sey, so müssen wir hier wiederum eine 
ältere Meinung, welche neuerlich zu sehr beseitigt wurde, in den 
Schutz nehmen : dass nemlich dieser zunächst auf den uralten Ver- 
hältnissen zwischen den Städten Hamburg und Lübeck 
beruhe. Wenn gleich die Vereine verständiger, kräftiger und ge- 
wandter Männer, der norddeutschen Kaufleute im Auslande durch 
ihr Alter und durch ihre Wichtigkeit berechtigt sind, die Grundlage 
der Hanse genannt zu werden, so wird man dennoch nicht bezwei- 
feln können, dass dieselben theils sehr vorübergehende Erscheinun- 
gen gebildet, theils sich bald untereinander zersplittert hätten, wenn die 
Städte nicht durch andere Bedürfnisse, theils aus dem damahligen Zu- 
stande Deutschlands, theils aus den unveränderlichen Verhältnissen ihrer 
natürlichen Lage hervorgehend, aneinander geknüpft wären. Unter allen 
Städten aber, welche die Hanse bildeten, sind keine, welche so früh, viel- 
fach imd enge unter einander verknüpft waren, als Lübeck und Hamburg *); 
keine andere Städte haben so früh gemeinschafdiche Handelsprivilegien 
im Auslande sich erworben ^) oder verfolgten die gemeinschaftliche 
Spur so nahe ^), keine Städte haben so frühe und so viele gemein- 
schafdiche Einrichtungen getrofien, als diese über Münze, Schiffs- 
recht, und andere staatsrechtliche, so wie Handels - Einrichtungen* 
Dieses enge Verhältniss dieser beiden Städte ist aber für die Ent- 
stehung der Hanse deshalb besonders wichtig geworden, weil 
sie als die Vertreter ganz verschiedener Handelsinteressen des 
Ostsee- und des Elb- Handels anzusehen sind, welche in richtiger 
Erkenntniss des eigenen Vortheils zu wechselseitiger Unterstützung 
sich vereinten. Mit Lübeck waren die übrigen Ostseestädte seit 
ihrer ersten Anlage in so sehr gleichen Interessen und Ver- 
hältnissen , dass sowohl jede dieser Städte einzeln nahmhaft. 



1) UV. 1210. 1241. 1255, 3. ÜB.XXHP. XXVK XXVI. 

2) ÜV. 1225, 2. ÜB. XVL XVIf . UV. 1250. 4- Nachtrag z. i. 1266. Bd. H. S. 724. 

3) ÜV. 1261, 1. 1266, 2. 1267, 1. 



xxxii 



als auch ihre Gesammtheit unter dem Nahmen der wendischen 
Städte bald anerkannt ward. Beym Elbhandel tritt dagegen der 
Nähme des grössten Marktes und Hafens, von dem aus die Land- 
und oberelbischen Städte, die oben gedachten Gäste und Genossen, 
ihren Antheil an der SchiffTahrt in der Nordsee wahrnehmen, mehr 
hervor. "Wir bemerken ferner, dass der Verträge Lübecks mit den 
an der Elbe oder südlich von derselben gelegenen Städten, ausser 
mit Hamburg nur sehr ^venige sind, während diese mit letzterer 
Stadt zahlreiche und wichtige Verträge schlössen, ^vogegen uns kein 
Bündniss einer der andern Ostseestädte mit Hamburg oder gar mit einer 
der andern Elb - oder der Landstädte bekannt ist, Hamburg und 
Lübeck waren also die Vermittler aller dieser verschiedenen Interessen: 
und wir dürfen wohl behaupten, dass, wenn irgend ein zufälhges 
Verhältniss, eine aristocratiscne Familien -Feindschaft, Zwist verschie- 
dener Ijandesherren oder falsch verstandene Handelseifersucht diese 
Städte hätte treiuien können, eine gemeine deutsche Hanse nicht 
aufgeblüht -wäre, sondern die Geschichte nur von Vereinen ein- 
zelner Städte, so wie ein Meer, oder ein Fluss sie dargeboten 
hätte, berichten ^vürde. Die Erkenntniss dieses Hergangs der Ge- 
schichte lehrt uns zugleich, dass auch hier nicht Willkür und Zufall 
ein launenhaftes Spiel getrieben haben. Die wesentlichsten Verhält- 
nisse, aus denen die Hanse hervorging, haben sich sogar noch bis 
zum heutigen Tage erhalten. Die Städte, auf welchen die Hanse 
zunächst begründet war, da auch Bremen zu dem Weserhandel in ähn- 
lichen Verhältnissen stand und besteht, wie Hamburgs und Lübecks 
Lage sie für die Elbe und die Ostsee ihnen darbieten, sind diejeni- 
gen, welche vielfache Veränderungen der Staaten und des Handels 
des nördlichen Europas überlebt haben, Haben gleich die ehemali- 
gen hansischen Niederlagen an der Ostsee ihr Öaseyn längst ver- 
loren , sind auch grosse neue Handelsstädte an deren . Küsten an- 
•elegt, so lässt doch immer auf eine auffallende Weise sich er- 
lennen,- wie noch stets deutsche Hände und deutsche Mittel den 
Handel daselbst leiten. Am unerschütterhchsten verbleibt das Ver- 
hältniss Hamburgs zu seinen alten Gästen und befreundeten Genos- 
sen, dessen Aufhören ohne eine völlige Vernichtung oder wesent- 
liche Umgestaltung des Eibstroms nicht denkbar ist, und -welches 
demnach als auf der jetzigen Gestaltung unseres Planeten beruhend 
angesehen werden darf. 



mm 



Inhalts - lieber sieht. 



Vorwort. 

Einleitung in die Geschichte des Ursprungs der deutschen Hanse. S. 1 — 4- 

Erste Abtheilung. 

Geschichte des Vereines der niederdeutschen Kaufleute und Städte, seit 

dem i2ten Jahrhunderte, bis zum Jahr 1370- • • S. 4 — 97. 

Erster Abschnitt. 

Entstehung dt^r Verbindong unter den niederdeutschen Kaufleuten iju Auslände 

im I2ten Jahrhundert und Ausbildung desselben während des 13leu. . S. 6* 

Zweyter Abschnitt. 

Erste Verbindungen einzelner, dann mehrerer niederdeutschen Städte während 
des I3ten Jahrhunderts, zur Erhaltung ihrer Freyheit und ihres Rechts im 
Innern, so wie gegen das Ausland und zur Beschirmung ihrer Büi*ger und 
Kauffahrer. . • . . • • . • . • S. 19. 

Dritter Abschnitt. 

Erste glückliche Fehden Lübecks, der wendischen nnd anderer Seestädte während 
des 13ten Jahrhunderts, welche ihr Ansehen Terbreiteten , und zur Befesti- 
gung des Vereins mit tmd unter den andern Städten beytrugen. . • S. 31. 

Vierter Abschnitt. 

Grössere Ausbildung der Vereine der norddeutschen Kaufleute in der Fremde 
und der Städte daheim, während der ersten grossem Hälfte des i4ten Jahr- 
hunderts bis zu dem Ausbruche der grossen Fehde im sechsten Jahrzehend 
dieses Jahrhunderts mit König Waldemar III* Yon Dänmark« . • S. 41* 

Fünfter Abschnitt. 

Fehden der verbundenen norddeutschen Städte mit den scandinavischen Mächten 
zur Erweiterung ihres Einflusses, zur Begründung ihrer UandelsgeselJschaft 
daselbst, und zur Anerkennung ihrer Verbindung unter dem Nahmen Kauf- 
leute und Städte der deutschen Uanse. . • • . . S. 55« 

Sechster Abschnitt. 

Verfassung, Benennung und Zwecke des Vereins der niederdeutschen Kaufleute 

und Slädle am Ende dieses Zeitraums. ..... S. 67* 



/ 
/ 



XXXIV 

Zweyte Abtheilung. 

Geschichte des Handels der niederdeutschen Kauileute und Städte seit 

dem zwölften Jahrhunderte bis zum Jahre 1370. • • S. 98 — 313. 

Erster Abschnitt. 

Einleitung in die Geschichte des Handels der Niederdeutschen wahrend dieser 

Zeit; Verkehr mit Livland. ...•«.• S. 98. 

Zweyter Abschnitt. 
Verkehr der niederdeutschen Kaufleote und. Städte mit Russland. •' • S. 106. 

Dritter Abschnitt. 
Handel der deutschen Kaufleute und Städte mit Schweden. • . S. 157. 

Vierter Abschnitt« 

Verkehr der deutschen Kaufleute und Städte mit Dänmark und besonders mit 

Schonen. ••••••...• S. 163. 

Fünfter Abschnitt. 

Handel der niederdeutschen Kaufleute und Städte mit Norwegen. • S. 192. 

Sechster Abschnitt. 

Handel der niederdeutschen Kaufieute und Städte mit den Niederlanden und 

Frankreich. ...•.•••• S. 211. 

Siebenter Abschnitt. 

Handel der norddeutschen Kaufleute und Städte mit England und Schottland. S. 274* 



} 



EINLEITUNG IN DIE GESCHICHTE DES URSPRUNGES 

DER DEUTSCHEN HANSK 



lliin bestimmtes Anfangsjahr des Vereins der niederdeutschen Kanfleute und 
Städte anzugeben, welcher späterhin die deutsche Hanse genannt ward, ist un- 
thunlich, indem die zuerst hier oder da Zusammentretenden auf einen engen Kreis 
sich beschränkten, den zunächst sie drängenden Bedürfnissen abzuhelfen bemüht 
waren , eine Verbindung in grösserer Ausdehnung zuvörderst aber nicht beabsichtig- 
ten, mehrere Vereine der Art endlich von geringerem Umfange, fast gleichzeitig, 
durch gleiche Bedürfnisse veranlagst, entstanden. Alle diese ältesten besondem 
Vereine sind kaum noch auszumitteln , obwohl die uns überlieferten auf früher 
vorhandene hinweisen; auch ist nicht immer urkundlich darzuthun, wie diese un- 
ter einander sich wiederum verbanden, andere sich ihnen angeschlossen haben. 

Gewiss dachten die zuerst zusammentretenden niederdeutschen Kaufleutc in 
der Fremde, die durch Sitte, Sprache und die Verfolgung gemeinschaftlicher Zwecke 
einander verwandt waren, nicht an eine Handelsverbindung, welche den Verkehr 
im Norden, auf der Ost- und Nordsee beherrschen soUtp; eben so wenig aber 
haben die sich zuerst mit einander verbindenden Städte geahnet, dass daraus ein 
Bund hervorgehen würde, welcher der Macht der Könige und Völker im Norden 
die Spitze zu bieten vermöchte. 

Das gemeinschaftlich gefühlte Bedürfniss bey den niederdeutschen Kaufleuten 
in der Fremde, wie bey den Städten daheim, hat zunächst zu einzelnen Verbin- 
dungen in engem Kreisen geführt; diese haben im Verlaufe der Zelt sich erweitert, 
getrieben durch gleiche Bedürfnisse schlössen sich andere an, als die goldenen 
Früchte der ersten kaufmännischen Vereine in dem Auslande sich zeigten, und 
immer neue Städte im Nordosten entstanden, sie und die früher vorhandenen aber 

A 



2 EINLEITUNG. 

mit grösseren Freyheiten begabt wurden. Nicht durch einen Zauberschlag, nicht 
zufolge einer Idee, sondern aus dem lebhaft gefühlten gleichmässigcn Bedürfnisse, 
ist in und mit der Zeit aus kaum bemerkten Anfangen eine Verbindung herv^orge- 
gangen, welche den Handel und die städtischen Freyheiten im Norden Deutsch- 
lands schirmte: ein Erfolg, der um so erfreulicher war, da, bey der gelähmten 
kaiserlichen und Reichsgewalt , Niemand sonst sich zeigte , welcher diese Segnun- 
gen dem fleissigen Bürger, dem fahrenden Manne, den freyen Gemeinen hätte ge- 
währen können, da, ohne diese Vereine, vielmehr die Städte und ihre Bürger in 
die Gewalt fremder Mächte gerathen scyn würden, oder, ihrer Freyheiten beraubt, 
der Gewalt 'einheimischer Herren nicht würden haben entgehen können. Aus so 
unvollkommenen Anfangen ging endlich eine Verbindung hervor, deren Wirkim- 
gen nicht auf Deutschland beschränkt blieben , vielmehr erstreckten sie sich über 
den gesammten Norden von Europa^ Der Bund hat eine weltgeschichtliche Be- 
deutung gewonnen, dieser Verein von Städten und Kaufleutcn hat im Mittel- 
alter so grosse Wirkungen hervorgebracht, dass er als eine der bedeutenderen 
Stufen in der Gesittung unsers Welttheils betrachtet werden muss. 

Wenn nun die glücklichen Nachkommen einen Rückblick auf den Ursprung 
einer Verbindung thun wollten, der sie so Vieles verdankten, und welche sie in den 
Besitz eines solchen Ansehens in ganz Europa gesetzt hatten; so wussten sie doch 
nie mit Bestimmtheit zu sagen, welchen ihrer Altvordern sie eigentlich zu Dank 
verpflichtet wären. Nicht nur die spätem Schriftsteller, sondern auch die Abge- 
ordneten auf den Hansetagen, ja des Bundes Syndicl selbst, die im sechszehnten 
und siebenzehnten Jahrhimderte angestellt und unter Anderm aucJi mit der Ge- 
schichte des Vereins beauftragt wurden, wichen, was den Ursprung betrifft, um 
Jahrhunderte von einander ab. In Wahrheit ist er auch um so vieles frühf^r oder 
später zu setzen, je nachdem man ihn in den ersten zufälligen, durch das nächste 
Bedürfniss gebotenen, und über einen engern Kreis sich erstreckenden Verbindun- 
gen norddeutscher Kaufleute in dem Auslande, und einiger wenigen Städte dieses 
nördlichen Theiles unseres Vaterlandes setzt; oder ihn erst in der Verbreitung die- 
ser kaufmännischen Vereine über den gesammten Norden findet, die einen Mittel- 
punct an den vereinten Städten gewannen; oder in der Verbindung dieser, der 
Seestädte etwa, oder der angesehenem See- wie Landstädte erkennt, welche über 
den gesammten Norden Deutschlands verbreitet, durch ihre Abgeordneten zusam- 
mentreten, gemeinschaftliche Beschlüsse fassen und gemeinsame Zwecke verfolgen. 
Hält man sich endlich bey Beantwortung dieser Frage an den Nahmen deutsche 



EINLEITUNG. 3 

Hanse, den die Kaufleute und Städte nachher so verherrlicht haben, und der eini- 
gen wenigen der letztem bis auf uns , zur Erinnerung an eine grosse Vergangen- 
heit, geblieben ist; so liegen auch in dieser Hinsicht Jahrhunderte dazwischen, be- 
vor dieser Nähme, der zuerst nur dem Vereine deutscher, vornehmlich im Auslande 
verweilender Kaufleute beygelegt wurde, auf den grossen Verein der niederdeut- 
schen Städte und Kaufleute übertragen ward, bis er zuletzt dem Städte -Bund 
allein verblieb, seitdem dessen Macht immer mehr sich ausgebildet hatte, alle be- 
sonderen Vereine ihm mehr unterworfen wurden, Nähme und Sache von mehreren 
fremden Mächten, zulezt von allen, ja von Kaiser und Reich selbst stillschweigend 
d. h. ohne Bestätigungs- Urkunde, anerkannt wurde. 

Die Geschichte der Vereine der niederdeutschen Kaufleute und Städte, bis zu 
ihrer mehr gemeinschaftlichen Verbindung und deren Ausbildung, umfasst den 
Zeitraum vom Anfange des zwölften bis zu der zweyten Hälfte des vierzehnten 
Jahrhunderts etwa bis zu dem J. 1370? in welchem die mächtigsten Städte des 
Vereins , die Seestädte, vor ganz Europa ihre Macht im Kampfe gegen König Wal- 
dcmar von Dänmark zeigten, und einen ruhmvollen Frieden mit den WaflFen in 
der Hand erzwangen: die Geschichte dieses Zeitraumes ist der Gegenstand des Fol- 
genden , in welchem die Wahrheit der allgemeinen Darstellung des Entstehens und 
der Bildung des Vereins im Einzelnen zu erhärten seyn wird. 



A 2 



ERSTE ABTHEILUNG. 



Geschieht^ des Vereins der niederdeutschen Kaufleute imd Städte, seit dem arvs^ölften 

Jahrhundert bis zu dem Jalire 1370- 



ERSTER ABSCHNITT. 

4 

Entstehung der Verbindung unter den niederdeutschen Kaufleuten im Auslande un ZM ölften 

Jahrhunderte, und Ausbildung derselben während des dreyzehnten. 



Uass die niederdeutschen Kauffahrer im Auslande durch Sitte und Sprache ver- 
eint, Fremden gegenüber, vollends in jenen Zeiten, sich enger mit einander ver- 
banden, ^var so natürlich, dass Aehnllches von den Kauffahrern anderer Völker, und 
zwar von den mehr und früher fortgesclirittencn Völkerschaften Italiens und eines 
Theils der pyrenäischen Halbinsel schon zuvor geschah ; ohne dass jedoch bey ihnen 
daraus ein so ausgebildeter und wirksamer Verein von Kaufleuten und Städten, wie 
in Norddeutschland, erwachsen wäre. Das Bedürfniss entstand aus dem damahligen 
Zustande Europas, aus der verbreiteten ungünstigen Ansicht der Rechte der Aus- 
länder in fremden Landen, der Art wie dieser auswäillge Verkehr allein betrieben 
werden musste, da man den Ausländem weder die eigenen Güter zum Verkaufe 
anvertrauen , noch den Ankauf der fremden Waaren , deren man bedurfte , durch 
sie besorgen lassen konnte : wurde doch selbst im Vaterlandc das Bedürfniss sol- 
cher Verbindungen zum Schutze lebhaft genug geftihlt. 

Nach den auf uns gekommenen zuverlässigen Nachrichten und Urkunden, sind 
die ältesten Verbindungen der norddeutschen Kauffahrer im Auslande westlich in 
England, östlich auf der Insel Gothland zu suchen. 

Dafs die Sachsen und Friesen mit ihren in England angesiedelten Landsleii- 
ten fortdauernd, von den frühesten Zeiten an, einen Verkehr unterhielten, lag in 



VEIUBIN D. KAUFL. im 12. v. 13. JAHRH. 5 

der Natur der Sache. Verbindungen zwischeq Karl dem Grossen und den angel- 
sächsischen Königen sind nicht unbekannt. In den Gesetzen Königs Ethelred 
(Qyg-,jOl6) werden den Kaufleuten des römischen Kaisers ansehnliche Freyheiten 
in England bewilligt 1). Die Abgeordneten der Stadt Cöln rühmten sich ver- 
schiedentlich auf den Hansetagen in einer spätem Zeit, als der Bund seinem 
Verfalle bereits entgegenging, dass ihrer Stadt Kaufleute schon unter Wilhelm 
dem Eroberer (1066-1087) bedeutender Freyheiten in England sich zu erfreuen 
gehabt hätten 2)j die, welche sie von Heinrich H. (1154-1189) erhielten, sind in 
einigen Urkunden bis auf uns gekommen. In einer derselben erwähnt der König 
ihres Hauses in London, welches er in seinen besondem Schutz nimmt 3). Um 
die Mitte des zwölfl:en Jahrhunderts sagen sich Kaiser Friedrich I. und K. Heinrich 
II. von England wechselseitige Sicherheit des Verkehrs zwischen ihren beiden 
Ländern und Völkern einander zu 4). In einem Freybriefe des Königs Richard 
(1189- 1199) kommt das Haus der Cölner unter dem Nahmen ihrer Gildehalle in 
London vor, welche er von einer davon zu entrichtenden Abgabe befreyt; diese 
Begünstigung ist, nebst Hin*zufuguhg anderer Freyheiten, von den ersten Nachfolgern 
des Königs ihnen bestätigt worden 5). 

Doch nicht die Cölner allein, auch anderer deutschen Städte Kaufleute, haben, 
wenn gleich nicht ganz so früh, von den Königen von England Freyheiten erhalten. 
Heinrich IL befreyte die Lübecker im J. II76 vom Strandrechte an den Küsten 
seines Reichs; er gewährt ihnen und allen Kaujfahrern aus andern deutschen 
Städten^ welche England mit ihren Waaren besuchen, die Freyheiten und das 
Herkommen, deren sie zu Zeiten seiner f^orfaJiren sich schon zu erfreuen gehabt 
haben 6). Ein um diese Zeit lebender Schriftsteller erzählt, dass London von 

1) lohaunU Bomtou chronicon in SS, X« hUt. Aiigl. ed. R. Twysden. Lond. 1652* f* p*808'- Leges Ethelredi 
regia XXIII* „Et hoiniiiea Iiuperatoris (vielleiclit sind die Cölner gemeint), qtil veniebaut cum na^ibus 
suis bouarum legum digni tenebuutur, aicut et noa emere in suaa navea etc. -~ The ieague between 
Carolua Magnus and king Ofia aus Malmesbury de gestis regum Auglorum I. cap. 4. in Hakluyt's collect, 
of voyages. Lond. 1600. VoL I. 125* 

2} Nach den handschrlAlichen Recessen irerschicdeuer Hausetage aus dem sechszehuteu Jahrhunderte im 
brauuschweigischen Archive. 

3) Urkunden I. II. III« 

4) Radivicus canonicus Frisingensis L 17* bey Hakluyt a. a. O. 128: Sit Igitur inter nos et populos uosiros 
diiectionis et pacis unitas indivisa, commercia tuta. Bestätigt v. K. Heinrich H. im J. 1157> 

5) Urk. VIIL Xni. LXXII. ürk. J. 1203. 6) ürk. 1 1176. 



Q ERSTE ABTH. ERSTER ABSCHN. 

vielen Fremden, besonders aber aus Deutschland, mit ihren Gütern besucht 
würde i); und aus dem Freybriefe der Stadt Lübeck, welchen sie Ton Kaiser 
Friedrich II. erhielt, erhellet deutlich, dass ausser den Cölnern auch die Kaufleute 
der niederländischen Stadt Tiel, und andere hier zu London Yorzüge besassen, 
wodurch die Kaufleute Lübecks gedrückt wurden, deren Genuss sie ihnen verwei- 
gerten , von welchem Druck der Kaiser die Lübecker befreyt 2). Heinrich III. 
nahm die Untertlianen des Herzogs Otto von Braunschweig im J. 1230 niit ihren 
Gütern und Waaren, die sie nach England bringen, in seinen besondern Schutz; 
er befreyte die Kaufleute von Gothland sieben Jahre nachher von den Abgaben 
bey der Einfuhr aus ihrer Insel und der Ausfuhr aus England nach Gothland 3). 
Er ertheilte den hamburgischen Kaufleüteh, im J. 1266, auf Bitte des Herzogs 
Albrecht von Braunschweig, die Befugniss, ihre Hansa, oder ihren kaufmännischen 
Verein , gegen Erlegung der üblichen Abgaben, in England zu haben ; er verstattet 
Aehnliches im folgenden Jahre den Lübeckern auf desselben Herzogs Vorbitte, 
also , dass sie in England gleich den Gölnem ihre Hansa haben sollten 4). 

Aber nicht nur erhielten die Kaufleute einzelner norddeutschen Städte von 
den 'Königen von England Freyheiten, das Recht ihre Handelsgesellschaften in 
ihrem Reiche zu haben j sondern es wurden auch gemeinschaftlich im J. 1200 
den deutschen Kaufleuten von Heinrich III., welche in London ein Haus, unter 
der Benennung der deutschen Gildehalle besitzen, die Freyheiten zugesichert, wie 
sie ihnen von seinen P^orfähren bereits ertheilt worden wären. Aehnliches w^ird 
in andern folgenden Urkunden ihnen bestätigt ; diese vereinten deutschen Kaufleute 
sind bemüht, den Raum ihrer Gildehalle um dieselbe Zeit bereits zu erweitem 
und von den darauf haftenden Renten sich zu befreyen 5). Demnach ist die 
Begründung der Niederlage der Deutschen, ihrer Gildehalle zu London im 
dreyzehnten Jahrhunderte und früher unbezweifelt gewiss; ihr später daselbst so 
berühmt gewordener Verein war im Grundriss bereits vorhanden. Das Ganze 

i) "Willielmus Maliuesbureusis (f 1142 unter der Regierung des Königs Stephan) bey Hakluyt L c. 127 
sagt: Londonia civitas uobilis, opinia civiuin divitiis coustipata, uegociatorum ex omni terra, et maxime 
ex Germania \enieutium, commerciis. 

2) Urk. J. 1226, (20 

3) Urk- J. 1230, C20 1237. 

4) Urk. J. 1266 (2.) , 1267 CD 

5) Urk. J. 1260, (3.) Ürk. XXVIL 



VEREIN. D. KAUFL. im 12. u. 13. JAHRH* 7 

scheint vorzüglich von den deutschen Kaufieuten^ die dahin handelten, weniger 
von den deutschen Stadtobrigkeiten ausgegangen zu seyn; auf jeden Fall sind es 
nur einzelne Städte, die liir ihre Kaufleute einzelne Freiheiten erwarben; von 
einem Vereine deutscher Städte, welcher dergleichen in gemeinsamem Nahmen 
erworben hätte , ist in dieser Zeit noch gar nicht die Rede. Aber die norddeutschen 
Kaufleute in England sind allmählich aus ihren einzeln Vereinen, die sich auf die. 
Bürger und Kaufleute einzelner Städte bezogen, die auch ihre besondem Freyheiten 
daneben beybehalten haben mögen, in einen gemeinschaftlichen zusammenge- 
schmolzen , ohne jedoch ein bestimmtes Jahr desshalb angeben zu können. Dieser 
Verein deutscher Kaufleute erwirbt Freyheiten, Rechte und Besitzungen in London, 
er hat seinen Vorstand, oder Aldermannj dicss alles aber geschieht, wie es 
scheint, durch ihre eigene Kraft, ohne Vermittlung der Städte, aus welchen sie 
stammten; obwohl einzelne Städte, auch nachher noch, fiir ihre Bürger und 
Kaufleute Freyheiten von den englischen Königen besonders erhielten, ältere sich 
bestätigen Hessen. Im J. 1282 entscheidet die Exchequer einen Streit zwischen 
der Stadt London und den Kaufleuten der deutschen Hansa daselbst, bey welcher 
Gelegenheit ihr gemeinschaftlicher Verein als mehr ausgebildet erscheint, welcher 
unabhängig von den deutschen Städten, mit der Stadt London abschliesst. Die 
Ausbildung dieses gemeinschaftlichen Vereins der niederdeutschen Kaufleute scheint 
lediglich ihr eigenes Werk zu seyn. Ohne Einwirkung, Vollmacht oder Vermit- 
telung der Abgeordneten einzelner oder verbündeter deutschen Städte schliessen die 
Kaufleute der deutschen Hansa zu London mit dieser Stadt und des Königs Beamten 
ab , sie machen sich verbindlich zu gewissen Leistungen, ohne dass die Engländer, 
wie es später der Fall war, nachdem ein Verein von Städten, eine deutsche Hansa 
derselben sich mehr ausgebildet hatte, deren VoUmacliten , Einwilligung oder 
Bestätigung gefordert halten l). 

In den Niederlanden hat die Sache einen ähnlichen Gang genommen, obwohl, 
er nicht so ganz mit befriedigenden gleich alten Urkunden zu belegen Ist, auch 
der Einflufs der Städte auf die. sich daselbst bildenden Vereine der Kauffahrer 
bestimmter hervortritt 

Es ist höchst wahrscheinlich, dass die Kaufleute der niederdeutschen Städte 
in den Niederlanden nicht später als in England einen Verkehr angeknüpft haben, 

1) Die Belege finden sich einzeln weiter unten» bey EutwicXelung des deutsch -englischen Handels: Tergl. 
besonders Uik. XLYI. 



8 ERSTE ABTH. ERSTER ABSCHN. 

da ein so bedeutender Theil des Landes deutsche Hoheit anerkannte, da Lage, 
Nachbarschaft und Sprache Verbindungen der Art von selbst herbeyfuhrten. Ohne 
Zweifel haben Cöln und andere rheinische und westphälische Städte, als Soest, 
Dortmund u. a,, ferner die Städte an der Weser und Elbe, als Bremen, 
Stade , ^ Hamburg u. f. so wie andere sächsische Städte , als Magdeburg und 
Braunschweig , mehrere märkische , dann die an den Küsten der Ostsee belegenen, 
zuvörderst Lübeck, nachher andere, weiter nach Osten hin, über Holland und 
Seeland nach und mit Flandern und Brabant früh einen Verkehr betrieben: allein 
die darauf sich beziehenden und auf uns gekommenen Urkunden reichen nicht 
über das dreizehnte Jahrhundert zurück, auch erwälmen sie nur der Bewilligung 
eines allgemeinen Schutzes, der Befreyung vom Strandrechte, oder sie bestimmen 
die zu erhebenden Zölle von den Waaren der Kaufleute einzelner Städte in 
Holland, dem Stifte Utrecht, in Grave, Dortrecht und Brabant; doch deuten sie 
auch auf früher vorhandene von Einzelnen erworbene Freyheiten hin l). 

"Was indess Flandern betrifft, und nahmentlich die Stadt Brügge, 'woselbst 
sich der allgemeine europäische Markt in dieser Zeit zu bilden anfing; so können 
wir keine frühere , von den norddeutschen Kaufleuten gemeinschaftlich daselbst 
erworbene Freyheiten nachweisen, als die von dem J. 1252, obwohl früher ein 
Verkehr zwischen beiden Theilen bestanden hat, und die desshalb zu entrich- 
tenden Abgaben früher festgesetzt waren, wie aus diesen spätem Urkunden 
theilweise selbst sich ergibt. In jenem Jahre ertheilte die Gräfin Margareth von 
Flandern und ihr Sohn Guido, auf die Bitte aller Katißeute des römischen 
Reichs^ die Gothland besuchen^ besonders auf die Bitte des Lübeckers Hermann, 
genannt Hoyer und des Hamburgers Jordan, diesen Kaufleuten mehrere Freyheiten ; 
mit ihrer Zustimmung wurden die Zölle festgesetzt, welche sie den Herren von 
Flandern und deren Lehnleuten, Johann von Ghistelle, Herrn von Formezele, 
und VV^ulfhard, Herrn von W'astina, entrichten sollten. In dieser letzten Urkunde 
der Lehnträger werden jene Beide, Hermann und Jordan, besondere Abgesandte 
(nuncü) aller Kaufleute des römischen Reichs genannt; und in einer, von eben 
diesen Lehnleuten zehen Jahre nachher denselben Kaufleuten ertheilten Zollrolle 
wird ausdrücklich ei'wähnt, dass die Abgaben nach der Weise festgesetzt worden, 
wie es unter ihren Vorfahren in dieser Hinsicht zu Brügge Herkommens gewesen 
sey; welches offenbar auf das höhere Alter dieses Verkehrs hinweiset 2). 

1) Ulk. XVI. XVII. XVIII. XXX, XXXlrt. XXXIX. Dreyer jus uaufr, 238- ürk. J. 1252 (3.) 

2) ürk. XX. XXI. XXVIII. XXIX. Urk. J. 1252- (2). 



VEREIN D. KAUPL. im 12. u. 13. JAHRH. 9 

Allein hier wurden nicht wie in England den daselbst verweäenden deut- 
schen Kaufleuten, die in einen Verein sich zusammen gethan hatten, und ein 
geineinschaflliches Haus in London hesassen^ Freyhelten ei-theilt; es sind vielmehr 
zwey Abgeordnete aus zwey' angesehenen deutschen Seestädten, die für alle 
Kaufleute des römischen Reichs, welche Gothland besuchen, diese Freyheiten 
erwerben, welche auch im Allgemeinen von den deutschen Städten, gleichmässig 
den Flämingern bey sich wiederum zugestanden wurden , wie wir denn von zwey 
Städten, Bremen und Münster, die desshalb ausgefertigten Urkunden noch besitzen 1). 

Gewiss haben bereits damahls die niederdeutschen Kaufleute zu Brügge in 
einer Verbindung unter einander gestanden, eben sowohl wie in andern fremden 
Ländern, da diess von den obwaltenden Verhältnissen geboten ward: nur können 
wir es nicht mit Urkunden aus dieser Zeit,, so wie in England, belegen. Von der 
andern Seite deutet Alles liier mehr auf eine gewisse schon allgemeiner bestehende 
Verbindung unter den Städten hin, wenigstens auf eine allgemeine Gesellschaft 
ihrer Kaufleute, welche ihrer Genossen in Flandern sich annehmen und sie vertreten ; 
wenn anders nicht das Ganze von der Gesellschaft der deutschen Kaufleute auf 
Gothland ausgegangen ist, zu welcher die Lübecker gewiss, die Hamburger 
wahrscheinlich auch gehörten ; indess haben die beiden Abgeordneten doch zugleich 
Vollmachten von verschiedenen Städten des römischen Reichs, nicht von den auf 
Gothland vereinten Kaufleuten, wenigstens allein nicht, vorgezeigt 

Um das Jahr 1280 verliessen die deutschen Kaufleute die Stadt Brügge, 
unzufrieden mit den Bedrückungen von Seiten dieser Gemeine, sie verlegten ihren 
Sitz nach Ardenburg, woselbst ihnen der Graf von Flandern den ungestörten 
Gebrauch ihrer alten, in Brügge geübten Freyheiten bewilligte. Diess ist entweder 
auf Antrag der vereinten deutschen Kaufleute zu Brügge, des gemeinen Kaufmanns 
daselbst, wie man später gemeinhin zu sagen pflegte, oder auf Antrieb der grossen 
Handelsgesellschaft auf Gothland, oder durch einen Beschluss, wenigstens mit 
Zustimmung der zu diesem Zwecke vereinten Städte, geschehen. Wir haben noch 
einige Urkunden von d. J. 1280 u. i281> in welchen die Städte Wisby (Deutsche 
wie Gothländer), Stendal und Halle ihre Zustimmung, unter Vorbehalt ihrer ander- 
weitigen Freyheiten des Handels, zu dieser Verlegung erklären 2). 

Neben diesem allgemeinern Vereine der niederdeutschen Kauffahrer in den 
Niederlanden, gemeinhin zu Brügge, haben die Kaufleute der einzelnen deutschen 



1) ürk. XXIIL 2) Urk. XLü. XLm. ürk. J. 1280. (5). 

B 



» > 



12 ERSTE ABTH. ERSTER ABSCHN. 

Auf dieser Insel Gothland bat sich 3ehr früh ein Verein niederdeutscher 
Kaufleute gebildet, der durch das zwölfte und bis gegen das Ende des dreyzehnten 
Jahrhunderts vorherrschend in dem gesammten norddeutschen Verkehr, besonders 
in der Ostsee, doch auch in der Westsee gewesen zu seyn scheint; bis die Stadt 
Lübeck sich durch ihre glücklichen Fehden mit den benachbarten Mächten , durch 
ihre Verbindung mit den nachbarlichen Schwesterstädten, durch die Thätigkeit ihrer 
gewerbfleissigen Bürger und Kauffahrer, und durch den Verfall der Insel das 
Uebergewicht erhielt. 

Schon Herzog Heinrich der Löwe schlichtete im J. 1163 die bereits seit längerer 
Zeit dauernden Streitigkeiten zwischen den Eingeborenen der Insel und den Deutschen, 
vereinte sie friedlich wieder mit einander, und ertheilte den Gothländei-n in seinem 
eigenen Lande Schutz, Frieden vmd die Rechte, gleich wie bereits Kaiser Lothar 
(li 25 -11 37) sein Grossvater ihnen dieselben zugestanden hatte. Der Herzog 
bewilligte ihnen die Zollfreyheit in allen seinen Städten, freyes Erbrecht den Erben 
der in seinem Lande Verstorbenen, überall die Beftignisse, die seinen eigenen 
Kaufleuten zustehen, unter der Bedingung, dass den Seinigen dieselben Rechte auf 
der Insel bewilligt, und dass die Gothländer seinen Hafen Lübeck fleissig besuchen 
würden. Von dieser Zeit an haben sich die Deutschen hier behauptet, sich stets 
fester daselbst angesiedelt, und eine Handelsgesellschaft gebildet, die von dem 
grössten Einflüsse auf den Handel ihrer Landsleute mit Fremden ward. 

Die NachrIchteiÄ der Chronikenschreiber, welche von dem grossen Verkehr 
auf Gothland in früherer Zeit reden, von dem Zusammenflusse fremder Kauffähiger 
daselbst aus dem Morgen - und Abendlande , von dem eigenen Verkehr der 
Eingebomen mit andern altem Städten, Schleswig, Sigtuna^ Julin ü. a., mit Russen, 
mit Griechenland und Asien unmittelbarer oder mittelbarer Weise, lassen sich um 
so weniger bezweifeln, da die glückliche Lage dieser Insel, sie zu einem wün- 
schenswerthen Mittelpuncte bey der damahligen unvollkommnen Schifffahrt zwischen 
den östlichen und westlichen Theilen, vollends seit dem Verfalle und Untergange 
jener alten nordischen Handelstädte, erhob. Zugleich war die Insel als ein grosser 
Freyhafen zu betrachten, denn die Eingeborenen hatten ihre alten Volksfreyheiten 
behauptet, gegen Schweden zwar zur Erlegung einer jährlichen Geldsumme sich 
anheischig gemacht, wesshalb sie als zu Schweden gehörig betrachtet wurden, 
lediglich jedoch in der Absicht, um ihre Volksfreyheiten zu behaupten ihren Verkehr 
unbeschränkt zu betreiben, frey vom königlichen Einflüsse und königlichen Beamten 
sich selbst nach alter Weise zu regleren. Die Gothländer hatten ihren Kaufhof 



VEREIN D. KAUFL. im 12. v. 13. JAHRH. 13 

in Nowgorod, ihre Kirche daselbst, so wie die Russen umgekehrt auf der Insel; 
sie besassen von der andern Seite Freyheilen in dem westlichen Europa, in den 
Niederlanden, in England, in deutschen Ländern. Eine so vortreffliche Lage 
und so gluckliche Verhältnisse sind von den Kauffahrern aus Norddeutschland 
früh, wie wir gesehen, schon zu Kaiser Lothars Zeiten, benutzt worden. Hier 
sich aufhaltend, haben sie eine Handelsgesellschaft gebildet, aus den Kauffahrem 
einzelner Städte bestehend, die, unter dem allgemeinen Vereine, ihre besondem 
Verbindungen hatten. Aus Urkunden ergibt sich Folgendes: 

In Gesellschaft mit den Eingeborenen auf der Insel schlössen die daselbst sich 
aufhaltenden deutschen Kaufleute mit Mistislaw Davidowitsch, Fürsten von Smolensk, 
im J. 1229 einen Vertrag ab. Der Fürst hatte seine Abgeordneten nach Higa 
gesandt, um die Streitigkeiten beyzulegen, die zwischen den Smolenskem von der 
einen Seite, den Rigaem und den Kaufleuten aufGothland von der andern obwal- 
teten. Die Sache gelang vollkommen, als sich des Fürsten Abgeordnete nach 
Gothland begaben, zu wechselseitiger Zufriedenheit Am Schlüsse werden die, 
welche dieses Vertrags Abfassung von Seiten der Kaufleute bewirkt haben genannt, 
nähmlich: drey Bürger aus Gothland, einer aus Lübeck, einer aus Soest, zwey 
aus Münster, zwey aus Groningen, zwey aus Dortmund, einer aus Bremen, drey 
Bürger aus Riga und viele andere verständige Leute ; die Urkunde , heisst es femer, 
ward ausgegeben in Gegenwart der russischen Gesandten und aller lateinischen 
Kaufleute 1). Offenbar sind nur die Kaufleute der vorzüglich hier einen Handel 
treibenden deutschen Städte genannt, die vielleicht als die Altermänner den 
besondem Vereinen der Kaufleute aus den einzelnen Städten, oder die, wie man 
nachher sagte, welche als Altermänner und als Kaufmannsrath der Gesellschaft 
vorstanden« Nicht zu übersehen ist, dass unter denen, die nahmhafl gemacht 
werden, mit Ausnahme Rigas, von den Städten der Ostsee Lübeck allein vorkömmt, 
dagegen der grössere Theil der genannten Kaufleute aus Sachsen und W'estphalen 
war, welche, bevor die meisten deutschen Städte an den Küsten der Ostsee aufkamen 
und gediehen, früher zum Wohlstande und zur Freyheit gelangt, den Handel 
hier in den entfernten Gegenden vornehmlich betrieben. 

Diess scheint auch der Schluss der ältesten Skra des deutschen Hofs zu 
Nowgorod, welche in diese Zeit fallt, zu bestätigen, in welcher geboten ward, 
das jährlich dort überschiessende Geld nach Gothland zu bringen, um es in 



1) ürk. J. 1229. 



14 ERSTE ABTH. ERSTER ABSCHTi 

der Marienkirche der Deutschen daselbst niederzulegen in St Peters Kasten, des 
Schutzheiligen des deutschen Hofs zu Nowgorod, zu welchem vier Schlüssel 
gehören , die von dem Olderman von Gothland ( d. i. den angesiedelten Deutschen 
in Wishy, denn es ist lediglich von Deutschen die Rede,) dem Olderman von 
Lübeck, von Soest und von Dortmund aui'bewahrt werden sollen. Es ist ein- 
leuchtend, dass die Kaufleute der einzelnen Städte, ihren eigenen Vorstand, Richter 
oder Olderman daselbst hatten i). Auch nahmen die Lübecker im J. 1263 die 
Kaufleute von Soltwedel in diesen ihren Verein daselbst auf, verstatteten ihnen 
gleich ihren Bürgern die gleichen Rechte, den Sitz auf ihrer Bank, da wahrscheinlich 
die von Soltwedel nicht zahlreich genug zi^ Gothland waren, um ihren besondem 
Verein zu bilden, ihre besondere Bank, ihren besondem Stuhl, ihren eigenen 
Olderman , Advocatcn oder Richter sich daselbst zu halten 2). 

Diese besondem Vereine der Kauffahrer aus einzelnen Städten sind denn 
aber auch von Zeit zu Zeit zusammengetreten , und sie selbst oder ihre Vorsteher 
oder Altermänner haben im Nahmen der gesammten deutschen Kaufleute auf Gothland 

■ 

allgemeine Beschlüsse gefasst, deren einer v. d. J. 1287 ^ns aufbewahrt worden 
ist, und der von dem grossen Ansehen und von der Macht dieses Vereins vollgültiges 
Zeugniss gibt, von einer Macht, die unabhängig von den Städten, diese vielmehr 
selbst seinen Vorschrülen unterwirft;. Es beschliessen nähmlich in dieser Urkunde 
alle Kaufleute aus den verschiedenen Städten und Orten, welche Gothland besuchen, 
des gemeinen Bestens wegen , wie folgt : Ist irgend ein Schaden durch Schiffbruch 
oder Raub entstanden , so sollen alle näher benachbarte Städte auf diess Gerücht 
in ihren Bürgerversammlungen ein Verbot erlassen, diese verunglückten oder 
geraubten Güter zu kaufen oder zu verkaufen; dagegen sollen sie verbunden seyn 
den Unglücklichen zur Rettung oder Wiedergewinnung ihrer Güter beyzustehen. 
Wem bewiesen wird, dergleichen Gut an sich gebracht zu haben, der soll 
dasselbe ohne alle Entschädigung dem Eigenthümer w ieder ausliefem und obenein 
seiner Stadt als Busse zwanzig Mark Silbers entrichten. Sollte aber eine Stadt 
selbst in solcher Angelegenheit sich säumig zeigen, so sollen die zu entrichtenden 
zwanzig Mark nicht ihr, sondern der Gesellschaft der Kaufleute verfallen seyn. 
Welche Stadt endlich diese Vorschriften nicht befolgen wollte, die soll aus der 
Gemeinschaft der Kaufleute {ex societate seu consodalitate mercatorum) ausgestossen 
seyn aller Orten und auf allen Strassen, bis sie den Vorschriften Genüge geleistet 



O Urk. IX^ 2) ürk. J. 1263- (2>) 



VEREIN D. KAUFL. im 12- u. 13. JAHRH. 15 

haben wird. Der Stadt Reval, welche bisher diesem sich nicht hat fiigen wollen, 
wird eine Frist bis auf nächstefn Johannis bewilligt; fiigt sie sich binnen der Zeit 
nicht, so soll sie aus der Gemeinschaft der Kaufleute (a consorcio mercatoruni) 
ausgestossen seyn. Wer aber einen falschen Reinigungseid, zur Ablehnung der 
gegen ihn angebrachten Beschuldigung, leistet, der soll am Leben gestraft werden. 
Zur Urkunde ist das Siegel aller in Gothland sich aufhaltenden deutschen Kaufleute 
angehängt, und unterzeichnet: Gegeben zu Wisby i. J. 1287? auf Johannis i). 

Diese Urkunde, welche von der Macht dieser Gesellschaft der deutschen 
Kaufleute auf Gothland zeugt , welche , unabhängig von den Städten , Beschlüsse 
fasst, die Städte selbst ihnen unterwirft, und, bey Strafe des Ausschlusses aus 
der Gemeinschaft, ihnen Vorschriften ertheilt, lässt einen Blick in den ersten und 
eigentlichen Ursprung des nachmahls so berühmten und ausgedehnten Vereins unter 
allen niederdeutschen Städten und KauflTahrern thun, der zuerst mehr von diesen 
Kaufleuten als von dem Vereine der Städte ausgegangen ist, obwohl in der Folge, 
bey grösserer Ausbildung der städtischen Verbindung , die Gesellschaften deutscher 
Kaufleute in der Fremde dieser mehr und mehr unterworfen wurden, und der 
Verfall der Insel , der Verlust ihrer Freyheiteri und manche Unfälle, vqji denen sie 
betroffen wurde, endlich aber das Emporkommen der grossen Macht Lübecks, 
diese früher so bedeutende Gesellschaft der deutschen Kaufleute auf Gothland 
verschwinden Hessen, ohne dass man eine Urkunde über deren wirkliche 
Aufhebung oder deren Auflösung hätte : eine ganz veränderte Zeit hat sie geräuschlos 
unterdrückt. 

Erklärlich werden nun die Ausdrücke, die so häufig in den altem Urkunden 
UMid Freybriefen vorkommen: Kaufleute, die Gothland besuchen, und ähnliche; 
gewiss ist diese Gesellschaft damit gemeint, sie ist wahrscheinlich die älteste aller 
der verschiedenen, unter deutschen Kaufleuten in der Fremde eingegangenen, sie 
ist mehr als andere früh ausgebildet worden , und auf jeden Fall , wenn auch die 
in England sich vielleicht gleich früh gebildet hat; so ist doch die auf Gothland 
die mächtigste und einflussreichste von allen andern in dem zwölften und bis gegen 
Ende des dreyzehnten Jahrhunderts gewesen. Das Gebot, dass eine Stadt, die 
sich ihren Beschlüssen nicht unterwirft, aus der Genossenschaft der Kaufleute aller 
Orten und auf allen Strassen zur Strafe ausgestossen werden soll, zeugt auch 
davon, dass eine gewisse Verbindung unter diesen verschiedenen norddeutschen 



1) ürk. LXVII. 



^ß ERSTE ABTH. ERSTER ABSCHN. 

kaufmännischen Gesellschaften schon damahls bestanden haben muss, die an dieser, 
der deutschen Kaufleute auf Gothland, ihr Haupt hatte. 

Am meisten beweiset aber das Wapen dieser Gesellschaft ihr Ansehn und 
ihre frühe Ausbildung. Von wem sie es erhalten hat, ist ungewifis, ob sie es 
selbst sich zugelegt, ebenfalls j welchen Werth man aber darauf in jener Zeit 
legte, ist eben so bekannt, als dass der städtische Verein, selbst zur Zeit seiner 
o-rössten Macht, dass die deutsche oder grosse deutsche Hanse nie ein eigenthümliches 
Wapen geführt hat, sondern sich stets mit dem Siegel der Stadt behalf, wo die 
vereinten Städte eben ihre Tagfahrt hielten, von wo aus sie ihre Ausfertigungen 
erliessen. Die später vorkommenden Wapen der hansischen Niederlagen in der 
Fremde mit dem doppelten Adler sind aus einer viel spätem Zeit, von den Kaisem 
im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhunderte erhalten worden : die deutsche Hanse 
in England hat noch kein gemeinschaftliches in dieser Zeit ; zur Beglaubigung wur- 
den ihren Urkunden die Siegel der vorzüglichsten einzelnen Hensebrüder angehängt. 

Das Wapen mit der ümschi-ift , " Siegel der deutschen Kaufleute auf Gothland 
weilend" stellt einen grössern aufrecht stehenden Lilienbusch dar, das Wapen der 
auf Wisby angesiedelten und eingebürgerten Deutschen , die mit den Eingeborenen 
die Stadtgemeine bildeten, auch zu gleichen Theilen die Stadtobrigkeit ausmachten, 
fiilirt dieselbe Lilie jedoch kleiner, und auch in anderen Beziehungen von ersterm 
sehr abweichend. Diese eingebürgerten und angesiedelten Deutschen zu Wisby 
oder auf Gothland, denn es gab auf der Insel nur diese einzige Stadt, sind nicht 
mit der Gesellschaft der deutschen Kaufleute daselbst zu verwechseln, obwohl 
beide Theile einander vvechselseitig unterstützen itiochten. Wahrscheinlich ist die 
Gesellschaft früher hier entstanden, die Ansiedelung und Einbürgerung der Deutschen 
später. Dagegen war die deutsche Gemeine auf Wisby ein sehr angesehenes Glied 
der [Verbindung der deutschen Städte längere Zeit hindurch, während die Han- 
delsgesellschaft, die früher um Vieles einflussreicher und bedeutender war, mehr 
vor dem ausgebildeten Vereine der Städte in Schatten zurücktrat : allein es haben die 
Abgeordneten der deutschen Gemeine auf Gothland oder zu Wisby ihren Einfluss 
bis zum grössern Verfall der Insel auf den Tagfahrten der städtischen Abgeord- 
neten bis in das fünfzehnte Jahrhundert, ja noch späterhin, behauptet. Es 
scheint selbst, dass die Macht des deutschen kaufmännischen Vereins auf Gothland, 
seit der grossem Ausbildung der städtischen Verbindung, auf die deutsche einge- 
bürgerte Gemeine zu Wisby zunächst mehr übergegangen ist; die Gesellschaft 
verschwindet, die Gemeine tritt einige Zeit hindurch mehr hervor. Der Nähme 



VEREIN. D. lUüFJU m l^ u. 13. JAHREL 17 

a]>er gemeine Kaufleute wad ähnliche {communis mercator^ communes^ universh 
,onmes met/cakprei) hafceja wahrscheinlich hier ihren Ursprung gehaht und die 
Macht und den grossen Einfluss der Gesellschaft überlebt ; denn aucJi da, als die 
Macht der vereinten Städte immer mehr sich erhob, und alle Niederlagen der 
Kaufleute In der Fremde ihr unterworfen waren ^ welches nicht leicht und nur 
ganz allnsiählich gelange iMdie Bezeichnung gemeiner Kaufmann, etwa mit dem 
Zusätze zu London, Brügge u. f.- sich aufhaltend, immer bey behalten worden 1). 
Von der Insel Gothland aus ward auch ohne Zweifel der unmittelbare 
Verkehr dieser Norddieiutsriäen auf Bussland eingeleitet, so wie von hier aufi 
querst von ihnen, und yiahmentlidbi von Bremen die livländische Küste befahren 
wurde. Wahrscheinlich ist der Hof der Deutschen zu Nowgorod unji diese Zeit, 
in der zweyten Hälfte des zwölfl^n Jahrhunderts, gegründet worden. Wir finden 
.die deutschen Kaufleute in dcsr ersten Hälft« des dreyzehnten Jahrhunderts daselbst, 
und wie ^s heisst, nach alter Weise, yoUkommen eingerichtet mit ihren Alterleute^ 
und Weisesten an der Spitze; sie haben Freyheiten und Besitzthümer erworben, 
sie halten ihre gemeinschaftlichen Versammlungen. Die fortdauernde Verbindung 
und Abhängigkeit dieses deutschen Hpfs zu Nowgorod vo^i den Deutschen auf 
Gothland ist auch gänzjich nicht zu verjceanen; die Anls^e ist lediglich das Werk 
dieser Kauffahrer auf Gothland, nicht der Städte^ wiewohl, als die Verbindung 
unter den Letztern mehi* sich ausbildete und schon in der zweyten Hälfte des dreyzehnr- 
ten Jahrhunderts, ihr Einfluss auf den Hof der Deutschen zu Nowgorod immer be- 
deutender ward, nahmentlich liübecks, welche Stadt, durch ihr bewundemswerth 
schnelle« Eo^pQrblüheia :nebst den Deutschen auf Wisby die Herrschaft de^ Hofe 



^pi*^^— ^— r«»*- 



1} Biß Bezeichttung communis meroaior kpinvit in mehrereu jLJrkuiideii der Zeit ^»r b.B. Urk* LKX. LXXVI. 
und LXXXI« unit^ersi meroatores in curia Nogardensi — et communes mercatorts «^ communes Theutonici ^> 
U.S.W. Das Wapen sowohl der Gesellschaft der deutscheu KaufleutCf als auch das der deutscheu Geiueiue 
zu'Wisby ist im Abdruck diesem Werke beygeftigt. Wenu es in der Emleitung oder in der -Vorrede zum 
Wishyischeu Stadt -Hechte .(ß* Au^abe yon Joji. Hadorph« StocHh. 1688* uud Gi|ta Lagh herausg«- 
geben Ton Schildnerj heisst: Magnus Tau Sweden> Tan Norweghene onde Tan Scone (I^rikson r. 1319- 
1362) "-" g.A^ ^^^% ^^^ ^® hebben scoldeu Eu lughesegel Tan bey den Tunghen (der deutscheu uud goth- 
ländischen Gemeine), so mag hier eine Bestätigung gemeint seyn, denn die Siegel, die ^ch im lübischen 
ArchiTe finden, sind theilweise aus früherer Zeit, uud der Ausdruck en Jughesegel kann nioht wohl 
bedeuten » dass von ein uu$l demselben Siegel die Rede sey. Das Siegel der gothländischen Gemeine ist 
das Lamm mit der Siegesfahne, das der deutschen Gemeine die kleinere (.ilie. Das Siegel der Gesell- 
schaft der deutschen Kaufleute auf Gothland ist Ton eiuem schwedischen Könige wohl gewiss nicht 
ertheilt worden, schwerlich ' auch Ton einem Kaiser; die Gesellschaft hat es sich wahrscheinlich eigea- 
mächtig beygelegt. 



jg ERSTE ABTH. ERSTER ABSCHN. 

ansprach, sie dann ausschllessend forderte und nachher mit den Deutschen ^uf 
Wisby thellte, seitdem die grosse Handelsgesellschaft der Deutschen auf der InÄel 

mehr an Ansehen abnahm. 

Nirgends in diesem Nordosten ist die Benennung üblich, die im Westen von 
den einzelnen Vereinen deutscher Kaufleute und einzelnen Städten in Flandern 
und England vorkommt, oder mit welcher die sämmtlich vereinten deutschen 
Kauffahrer in dem letztem Lande bezeichnet werden: von einer Hense oder einer 
Hanse der deutschen Kaufleute in dieser Zeit ist hier nie. die Rede. Weder die 
Gesellschaft der deutschen Kaufleute auf Gothland, noch der Verein auf dem Hofe 
derselben in Nowgorod fuhren diese Bezeichnung; die Grossfursten und Fürsten 
Russlands kennen in ihren Freybriefen, welche sie den Deutschen und Gothlän- 
dem ertheilen, nie diesen Nahmen; sie werden nie Hansen genannt, noch weniger 
ist in dieser Zeit von deutschen Hansestädten hier die Rede, obwohl der kaufmän- 
nische Verein in früher Vollendung erscheint Eben so wenig kommt diese Benen- 
nung der deutschen Kaufleute und ilirer Vereine in Dänmark Schonen, Schweden 
und Norwegen in dieser Zeit vor. 

In diesen scandina vischen Reichen finden wir so früh keine Gesellschaft 
deutscher Kauffahrer mit solcher Macht und von solchem Ansehen, wie die auf 
der Insel Gothland, ja nicht einmahl einen Verein, oder Vereine, die so selbstständig 
sich ausbilden und einen so frühen Vereinigungspunct besitzen, als die, welche 
in Russland oder England vorkommen. Zwar fmden wir die deutschen Kauffahrer 
und selbst die der westlichst belegenen Land - und Seestädte in einem sehr frühen 
und sehr lebhaften Verkehr mit diesen Reichen, mit Dänmark, besonders auf 
Schonen, und mit Schweden: aber das Ganze, wo sich auch etwas der Art, ein 
Verein unter diesen Kauffahrem verschiedener deutschen Städte bildete, scheint 
vielmehr durch die Thätigkeit der einzelnen, besonders der nächst beiaachbarten 
deutschen Städte früh bewirkt oder fortgeführt worden zu seyn; diese Städte 
erwerben Freyheiten Itir ihrer Kauffahrer, nicht die letzteren selbst oder die Ge- 
sellschaften derselben. Ueberall hat in Dänmark, Schonen und Schweden die 
Sache eine ganz verschiedene Wendung genommen, man kannte und besass hier 
andere Mittel, um zum Ziel, ja auf eine noch voUkommnere Weise zu gelangen. 
Der Anfang später entstehender und sich bildender Vereine der Kauffahrer auf 
Schonen zeugt deutlich von der Abhängigkeit derselben von den Städten; di« 
Vereine erbitten sich von ihnen die Bestätigung der beliebten Ordnungen. Vielleicht 
sind zu Anfang die Deutschen auf der nachmahls so berühmt gewordenen Niederlage 



VEREIN D. KADFL. im 12. u. 13. JAHRH. 19 

zu Bergen in Norwegen selbstständiger zuerst verfahren, unterstützt vielleicht von 
der grossen Handelsgesellschaft auf Gothland; doch haben wir keine urkundlichen 
Nachrichten darüber} auch hatten die Deutschen bey der Begründung derselben zu 
Bergen und in andern norwegischen Städten langehin mit den Eingeborenen und 
Ausländem zu kämpfen, und erst, nach mehreren blutigen Fehden von Seiten der 
mehr oder weniger vereinten und benachbarten Seestädte mit den Königen des 
L.andes, schien die Niederlage dauernd zu gelingen : wiewohl der Verkehr zwischen 
INormaimen und Sachsen in sehr frühe Zeiten hinaufreicht 

Die Verbindungen unter den deutschen Kauffahrern sind altem Ursprungs 
und früher im Auslande bekannt, als der Verein der deutschen Städte, wiewohl 
es diesem allmählich gelungen ist, nachdem er sich vollkommner ausbildete, und 
die Städte an Macht und Freyheit bevrondernswerth schnell zunahmen, jene sich 
zu unterwerfen; doch deuten die beybehaltenen Benennungen gemeiner Kaufmann, 
Kaufleute der deutschen Hanse, ja der Nähme deutsche Hanse selbst, als Be- 
zeichnung des spätem mächtigen Vereins der niederdeutschen Städte, auf diesen 
Ursprung hin. 



ZWEYTER ABSCHNITT. 

Erste Verbindungen einzelner, dann mehrerer niederdeutschen Städte, während des dreyzehnten 
Jahrhunderts, zur Erhaltung ihrer Freyheit und ihres Rechts im Innern, so wie gegen das 

Ausland und zur Beschirmung ihrer Bürger und Kauffahrer» 



iJiese städtischen Vereine Im nördlichen Deutschlande hahen nicht nur in einem 
kleinen Umfange ihren Anfang gefunden, sondern sie reichen auch wenig üher 
die Mitte des zwölften Jahrhunderts zurück, wenigstens in sofern die Sache mit 
Urkunden, oder anderen beglaubigten Nachrichten zu belegen ist. 

An sich konnte der Gedanke zu solchen Vereinen nicht fem liegen, indem 
das gleichmässig gefühlte Bedürfniss die Städte dazu antrieb, sobald sie nur irgend 
die dazu erforderliche Freyheit und Selbstständigkeit erlangt hatten. Alles schien 
sie daraufhin zu weisen, um sich gegen mannigfaltige Widersacher zu verthei- 
digen, woran es ihnen nie, auch in den nächsten Umgebungen nicht, fehlte. 
Der Geist, der sich in ihrer Mitte bildete, war ganz von dem verschieden, welcher 

C 2 



20 ERSTE ABTH. ZWEYTER AfeSCHN, 

den Adel und die Freyen des Landes beseelte; diese Verscthiedenheit trat immer 
mehr hervor, je mehr die Städte in Freyheit und Wohlstand zunahmen. Dos 
Zuströmen höriger Leute in diese freyen Gemeinden, die Bildung eines neuen 
freyen dritten Standes hinter Mauern, Wall und Gräben, nachdem die gemeinen 
und kleinen Freyen auf dem platten Lande meist ihre Freyheit verloren hatten, konnte 
nicht gleichgültig von dem benachbarten Landadel betrachtet werden. Wahr- 
scheinlich haben daher die Städte sich früher mit einander verbunden, so wie sie 
zu grösserer Freyheit und Selbstständigkeit gelangten* Gewiss wohl zuerst, wa» 
den Norden Deutschlands betrifft, am Niedertheine , in Sachsen und Westphalen, 
späterhin in den östlichen Theilen, wo die Städte später angelegt wurden, auch 
später zu Macht und Ansehen gelangten. WahrscJieinlich liegen noch in den 
Archiven jener Länder Urkunden verborgen, die darüber Zeugniss geben können^ 
wiewohl sie nicht bekannt sind; die darüber vorhandenen weisen aber darauf hin^ 
was auch ohnedem sich als wahrscheinliche Vennuthung aufdringt. 

Die ältesten aufgefundenen Urkunden, die von Vereinen dieser Art reden, be- 
ziehen sich auf zwey östlich belegene, nachher in dem norddeutschen Städte- Verein 
sehr berühmt gewordene Städte, Lübeck und Hamburg, welche durch ihre eigen- 
thümlichen Verhältnisse zu Dänmark und Holstein, und wegen der daraus fiir sie 
entstehenden gemeinschaftlichen Gefahren ganz besonders, so wie durch ihre Lage 
an den zwey verschiedenen und benachbarten Meeren, dazu aufgefordert wurden. 

Seit dem J. 1210 sind zwischen beiden Städten zu Gunsten ihrer Bürger 
verschiedene Verträge abgeschlossen worden. In einem derselben, von dem Jahre 
1241 > verbinden sie sich wechselseitig das Meer von da, wo die Trave in dasselbe 
fallt, bis zur Mündung der Elbe und diesen Strom hinauf bis Hamburg auf 
gemeine Kosten wechselseitig für ihre Bürger zu schirmen. Würde Einer aus 
ihi*er Mitte ausserhalb der Mauern beider Städte ermordet oder misshandelt, so 
wollten sie auf gleiche Weise zum Ersatz oder zur Wiedergewinnung des Geraubten 
zusammenhalten, und dem Kläger zur Verfolgung seines Rechts behüMlich seyn. 
Ohne Zweifel ist dieser Verein durch die Unruhen in Dänmark und den Zwist 
zwischen dem Könige Erich und dessen Bruder Abel , — beide Städte waren nicht 
ohne Antheil an diesem Zwiste — und durch die Fehden und Unsicherheit, die 
daraus hervorgingen, zunächst veranlasst worden. Diese und ähnliche Ursachen 
haben die Verbindung untei* beiden Städten erhalten ; so bestätigte die Stadt Lübeck 
im J. 1259 einen Beschluss wegen Vertheilung der wechselseitig aufgewandten, 



1 
I 



ERSTE VERBINDUNGEN DER STÄDTE rat 13. JAHRH. oi 

oder aufzuwendenden Kosten, die zu stellende Mannschaft und Schiffe zur Abwehp 
der Seeräuber und der Feinde beider Städte i). 

In demselben Jahre 1241, in welchem der erste enge Verein zu wechsel- 
seitigem Schutz zwischen Lübeck und Hamburg abgeschlossen ward, haben auch 
die Städte Soest und Lübeck wechselsweise eine Erklärung ausgestellt, dass die 
bisherigen Streitigkeiten zwischen ihren Bürgern beygelegt worden wären, durch 
die Vermittelung guter und bescheidener Männer (vielleicht durch die Bürger und 
den Rath anderer Städte, wie es unter den näher verwandten und mit einander 
verbundenen üblich war), und dass die vormahlige und alte Freundschaft zwi- 
schen beiden Theilen wieder hergestellt seyn solle 2), 

Wir kennen andere in diese Zeit fallende Verbindungen unter einzelnen 
Städten eingegangen, die zwar nicht so bestimmt gegen Feinde und Widersacher 
lauten, die aber auf wechselseitigen Schutz des Handels vornehmlich, und auf 
einige vor andern Fremden einander eingeräumte Vorzüge sich beziehen : dergleichen 
sind zwischen Braunschweig und Stade in d. J. 1248 ^nd i249, zwischen Cöln 
und Bremen im J. 1258> zwischen der letzten Stadt und Hamburg im J. 1259 
und unter mehreren andern abgeschlossen worden ^). 

Doch am merkwürdigsten ist der Verein v. d. J. 1253 > der zwischen vier der 
ältesten westphälischen Städte, nähmlich zwischen Münster, Dortmund, Soest und 
Lippe eingegangen ward, deren Kaufleuten wir, wenigstens was die ersten drey 
beti'ifft, mit am frühesten, und zwar auf den entferntesten deutschen Handclsqiederla- 
gen z. B. in Nowgorod und unter andern Gesellschaften deutscher KaufTahrer in fremden 
Ländern begegnen* Jene vier Städte erklären zu einer immerwährenden Verbindung 
{perpetua confoederatione) zusammengetreten zu seyn, also, dass sie allen Denen, 
die Einen der Ihrigen fahen oder berauben. Alles versagen wollen, was zu deren 
Bestem gereichen könnte, nahmentlich eine Anleihe bey ihnen zu machen. Diese 
Verbindung soll gehen gegen die Burgvögte (castellani) der Herren, die sich 
dergleichen zu Schulden kommen lassen, so wie gegen die Herren selbst, gegen 
Ritter und Knapen und deren Helfershelfer. Auch soll der durch solche Räuber 
Gekränkte in seiner Klage gegen den, durch richterlichen Spruch geächteten Beleidiger, 
in den Städten zur Verfolgung seines Rechts so unterstützt werden, als wäre er 
ein Angehöriger des Orts. Sollte aber ein Bürger dieser Städte in eine der ver- 
bündeten kommen , und wegen augenscheinlicher Gefahr seiner Person oder seiner 

■ s 

O ürk. J. 1241. (2.) XXVI. 2) ürk. J. 1241. (13. 40 3) ürk. J. 1248- (5.) 1249, 1258- (1. 2 ) 1259. (l). 



22 ^ ERSTE ABTH. ZWEYTER ABSCHN. 

Sachen den Ort nicht verlassen können; so sollen ihn' die Bürger dieser Stadt 
sicher bis dahin geleiten, wo ihn seine Mitbürger in Empfang nehmen können. 
Wird ein Ritter den Verbündeten als ein treu- und ehrbrüchiger glaubhaft ange- 
zeigt, so soll ihm kein Anlehn in den Städten verstattet werden, bevor er nicht 
das, was er verbrochen, wiederum gut gemacht hat. Sollte aber einer der Verbün- 
deten des andern Mitverbundenen geraubtes Gut in einer andern Stadt, oder wo es 
sonst wäre, ausserhalb seiner Vaterstadt kaufen oder in sein Eigenthum verwandelt 
haben , so soll er es nicht nur nach der letztem nicht bringen dürfen, noch daselbst 
oder anderswo verkaufen, sondern er soll auch als gleich schuldig mit dem Dieb 
oder Räuber geachtet werden. Wer dagegen handelt, soll , ausser einer Busse an 
Geld und Wein,' seiner Stadt verantwortlich bleiben und aller Ehre beraubt seyn. 
Die Schuld wird durch das Zeugniss zweyer guten Männer bewiesen; fehlt dieser 
Beweis, so kann der Beschuldigte SH*h mit Hülfe sechs dazu tauglicher Personen 
desshalb reinigen; wird aber eine der verbundenen Städte des Bruchs dieser 
Uebereinkunft beschuldigt, so kann sie sich desshalb mit Hülfe von zwölf dazu 
tauglichen Personen', reinigen, deren sechs aus dem Rathe, sechs aus den Einwohnern 
der Stadt zu nehmen sind l). 

Eine Verbindung unter den Städten von einer noch grossem Ausdehnung, 
nicht nur unter den westphälischen Städten, sondern auch zwischen ihnen und 
Bremen und denen von Hamburg, Lübeck und Stade, so wie zwischen den andern 
an der Elbe und jenseits derselben belegenen Städten, wird als bereits vorhanden 
in einem Schreiben von den In Minden sich aufhaltenden Ministerialen, dem 
Rathe und der Gemeine der Stadt v. J. 1256 an die ebengenannten Städte und 
die Edelleute daselbst, erwähnt, und auf diesen (früher) beschworenen Vertrag 
oder Frieden {pacem) hin die zugesagte Hülfe begehrt. Die Ministerialen, Rath 
und Gemeine der Stadt Minden klagen über die Bedrückungen des Grafen von 
Willpa und seines Dapifers, Conrads von Rdvensberg, die sie beraubt, Einige 
von ihnen ermordet hätten und Andere im Gefangniss hielten, sie fordern die Hülfe 
wie die bereits beschworene Vereinbarung oder der Friede von ihnen, als ihren 
Eidgenossen, es fordern. Sie erwähnen der Unterstützung, welche ihnen der 
westphälische Adel und die westphälischen Städte zusenden würden, sie begehren 
dieselbe von den an der Elbe belegenen, es sey vermittelst schwer oder anders 
Bewaffneter zu Pferd, oder vermittelst Fussvolks, die zu denen von Bremen stossen 
sollen , um gleich zu Anfang den Friedenstörern mit Glück zu widerstehen 2). 

1) ürk. J. 1253 (2). . 2) ürk. XXV. 



ERSTE VERBINDUNGEN DER STÄDTE im 13. JAHRH. 23 

Es ist zu bedauern, dass man diesen früher eingegangenen Frieden oder dieM 
Vereinigung zu Erhaltung des Friedens nicht näher kennt j denn ^vare diess der 
Fall, so würde sich auch mit Sicherheit entscheiden lassen, ob derselbe mehr als 
eine eigentliche städtische Verbindung, oder aber als ein Landfriede lur diese 
Gegenden, der Adel und Städte umfasste, zu betrachten wäre. Auf jeden Fall 
ist es die erste Verbindung, die sich auf einen so grossen Umfang unter den 
norddeutschen Städten erstreckt, und gewiss wohl anzunehmen, dass das Ganze 
von ihnen vorzüglich ausgegangen ist. Auch zu der Zeit, als der städtische Bund 
völlig ausgebildet war, haben die Städte mit ihren Nachbarn, dem hohen 
imd niedem Adel Verbindungen dieser Art häufig abgeschlossen, und sie waren 
es immer, von denen die Sache am lebhaflesten betrieben ward, da ihr eigener 
Vorthell sie dazu antrieb. 

Von demselben Jahre (1256) ist eine andere Urkunde auf uns gekommen, 
welche von der Verbindung einiger östlich belegenen Städte zeugt, und welche 
beweiset, dass Streitigkeiten, die zwischen den Vereinten entstanden, von den 
andern mit verbundenen Gemeinen geschlichtet wurden: eine Urkunde, die den 
Keim der nachher so berühmt gewordenen Verbindung der wendischen Städte zu 
enthalten scheint. Die Stadt Wismar erklärt, dass der bereits lange dauernde 
Zwist zwischen Rostock und Lübeck, auf dem Rathhause der letztern Stadt, im 
BeysejTi einiger Rathmänner der drey Städte ausgeglichen worden sey, wie es 
denn ein gültiger Rechtssatz dieser Vereine ward, dass Streitigkeiten unter den 
Genossen durch Vermittelung der andern in Güte oder Recht ausgeglichen wurden i). 
Vom J. 1259 ^^^^ haben wir einen gemeinschaftlichen Beschluss dieser drey Städte, 
vermöge dessen sie die Seeräuber zu VVasser und Land friedlos erklären, somit 
offenbar in engerer Verbindung standen ^). Diese drey Städte haben den Kern 
des Vereins der wendischen Städte ausgemacht, denen sich zunächst Stralsund und 
Greifswald, nachher andere anschlössen, welche sämmtlich dmxh das gemeinsame 
lübische Recht ohnehin einander näher verwandt w^aren. 

Im J. 1281 entschieden die drey Städte Lübeck, Rostock und Wismar durch 
einen schiedsrichterlichen Spruch die bereits längere Zeit dauernden Sfreltigkeiten 
zwischen Stralsund imd Greifswald; das Recht dazu war schon durch das frühere 



1) Urk. XXIV. 

2) Nach Drey er, apparat. MS, arch, Luhic. woria der Tiihalt der Urkunde angeführt wird, indem er sich 
auf Negendanck, diplcmatar» MS, M^gahp, beruft; die Urkunde iat mir toiut uicht näher bekannt 
geworden« 



y 



24 ERSTE ABTH. ZWEYTER ABSCHN. 

Beyspiel anerkannt. Die Sache wird verhandelt im Beyseyn der nalunentlldi auf- 
gefiihrten Abgeordneten dieser fänf Städte , der Spruch lautete also : 

Alle seit Anfang des Streites, von Seiten der Stralsunäer und Gi^eifswalder 
zu vi^echselseltigem Nachtheile und gegen die gemeine Freyheit des Kaufmanns 
vorgenommenen Handlungen sollen sogleich aufhören, und zwischen den Städten 
dieselbe gleiche Freyheit der Kaufleute, wie sie früher bestand, hergestellt werden 
und dauernd bleiben; eben so sollen die Forderungen, wegen des wechselseitig 
einander zugefügten Schadens, die von beiden Seiten gemacht werden könnten, 
gänzlich niedergeschlagen seyn, worin Beide willigen. "Wer dagegen handelt, soll 
dem Fiscus der drey schiedsrichtenden Städte mit hundert Mark Goldes verfallen 
seyn. Sollte aber ein Rathsh'err der einen oder andern Stadt, einseitig und ohne 
"Wissen des übrigen Raths und der Gemeine seiner Stadt, etwas gegen diese 
lieber einkunft unternehmen ;' so können letztere eidlich sich desshalb reinigen i). 

Diese Beschlüsse und das dabey beobachtete Verfahren lauten so, wie in 
ähnlichen Fällen von der Hanse auf ihren Versammlungen verfahren ward, als die 
allgemeine Verbindung vollkommner ausgebildet war. Die Abgeordneten, welche 
die Beschlüsse fassen, sind Rathsverwandte der Städte, welche sie abgesandt hatten ; 
sie wurden besiegelt von den drey schledsrichtenden Städten daheim mit jeder 
Stadt Siegel, daher es Inder lübischen Ausfertigung heisst: verhandelt zu Rostock, 
gegeben zu Lübeck. 

Diese fünf Städte halben im 3. j 293 durch ihre bevollmächtigten Abgeordneten 
einen Verein auf drey Jahre unter einander abgescfhlossen, der wahrscheinlich 
schon früher der That nach oder durch schriftliche Verträge, die aber nicht auf 
uns gekommen sind, unter ihnen bestand; dieser ist nachher öfters z. B. im J. 
1296 und so fort erneuert worden. Die Abgeordneten erklären darin, nach reif- 
licher Ueberlegung, zum Besten des Friedens, zu Nutz und Frommen des gemeinen 
Kaufmanns imd ^u wechselseitiger Hülfe In Verfolgung ihres Rechts, sowohl zu 
Wasser als zu Land^ von Martini an, sich vereinigt zu haben. Um indess jede 
Schwierigkeit oder Störung zu entfernen, da die Sache Mehrere betrifft, und deren 
Leitung von dem Rathe Mehrerer abhängt; so soll kein Theil ohne Einwilligung 
und Rath der Mitverbundenen eine Fehde anfangen, vielmehr jeder seine Be- 
schwerden den übrigen Genossen mitthellen, welche zuvörderst durch Schriften 
und Bothen versuchen sollen, in Güte die Abstellung derselben zu bewirken; 

1) ürk. XLIV. 



ERSTE VERBINDUNGEN DER STÄDTE im 13. JAHRÄ 25 

bleibt aber dieser Versuch fruchtlos, so sollen die übrigen Städte ihr beystehen 
in folgendem Verhältnisse. Lübeck stellt hundert, Wismar acht und dreyssig, 
Rostock siebenzig, Greifswald acht und dreyssig und Stralsund fünfzig Reisige 
{viros^ armis bene expeditos) um dem beschädigten Theile zum Ersatz seines 
erlittenen Schadens zu verhelfen. Sollte eine grössere Hülfe erforderlich seyn, so 
versprechen sie sich einander in gleichem Verhältnisse diese, bis zu Beendigung 
der Sache, zu stellen. Wird eine Tagfahrt in Bezug auf diese Angelegenheiten 
festgesetzt, und versäumt eine der verbundenen Städte ohne rechtfertigende Ursache 
dieselbe, so verfällt sie zum Besten der andern Genossen in die Strafe von hun- 
dert Mark slavischer Pfennige; spränge eine der Städte von der Verbindung ab 
und leistete die versprochene Hülfe nicht, so soll sie den andern Städten^ die zu 
diesem Zwecke gemachten Auslagen ersetzen, ausserdem aber in eine Strafe von 
fünfzig Mark feinen Silbers verfallen seyn, und aus dem lübischen Rechte gestossen 
werden, bis sie den Verbundenen Genugthuung verschafft haben wird. Sollte indess 
eine Stadt einen eigenen erblichen Herrn haben, gegen welchen sie den andern 
Städten nicht mit bewaffneter Hand öffentlich würde beystehen können, so soll 
sie ihren Beytrag in Geld entrichten i). 

Bemerkenswerth ist, dass diese fünf, durch lübisches Recht sich einander 
näher verwandten und sich enger gegen ihre Widersacher verbindenden Städte 
zwar die Ungehorsamen aus ihrer Mitte in so fern ausstossen können, dass sie 
der Wohlthaten des lübischen Rechts nicht gemessen sollen ; aber aus der Gemein- 
schaft der deutschen Kaufleute können sie dieselben nicht ausstossen, der Vortheile, 
die daraus entstanden, sie nicht berauben. Diess aber vermochte, wie wir gese- 
hen haben, die grosse Handelsgesell schafl der Deutschen auf Gothland schon früher 
allerdings , und dieselbe Strafe ist von den Seestädten schon damahls und nachher 
von der allgemeinen deutschen Hanse verhängt worden, indem die Widerspensti- 
gen von beiden, so wohl aus der Verbindung der Städte ausgestossen , als auch 
von dem Geiiusse der durch den gemeinen Kaufmann in der Fremde erworbenen, 
oder sonst ihm zustehenden Freyheiten, Rechten und Niederlagen ausgeschlossen 
wurden. 

Auf diese engere Verbindung unter den fünf w endischen Städten beschränkten 
sich diese jedoch nicht. Einzelne derselben traten in Verbindung mit anderen, 
besonders Lübeck. Diese Stadt verband sich mit den Deutschen auf Wisby im 



1) ürk. LXXVIII. LXXXIV. 

D 



26 ERSTE ABTH. ZW EYTER ABSCHN. 

J. 1280 gc*gen Alle, Hohe und Niedrige, zum Schutz des Hafens der Trave, des 
Sundes und der Strasse längs der Ostsee his Nowgorod, alle dazwischen Hegenden 
Häfen und Rheden mitljegriffen, auf gemeinschaftliche Kosten und für die nächsten 
zehn Jahre.; so wie beide Städte mit Riga, zwey Jahre nachher, auf acht Jahre 
dieselbe Verbindung zu gleichem Zwecke eingingen ^). 

Um diese Zeit kommt der Nähme slavische oder wendische Städte auch 
zuerst vor, und er wird in der Folge stets häutiger gebraucht. In einer Urkunde 
\on d. J. 1283 bestätigt der König Erich von Dänmark den Hamburgern gleich 
den übrigen slavischen und Seestädten ihre alten Freyheiten in Schonen. 

In einer auf acht Jahre eingegangenen Verbindung mehrerer Städte mit dem 
Könige Erich von Dänmark vom J. j284j hey welcher Gelegenheit er ihnen ver- 
schiedene Freyheiten ertheilte, kommt die Benennung slavische Städte wieder 
vor, ohne dass jedoch diese einzeln aufgeführt würden. Wahrscheinlich sind jene 
grössern schon länger enge verbundenen fünf Städte Lübeck, Wismar, Rostock, 
Stralsund und Greifswald nicht allein unter dieser allgemeinern' Bezeichnung da- 
mahls begriffen worden , sondern auch die ihnen verwandten minder bedeutenden, 
kleinem pommerschen Städte, als Demmin, Stettin und Anclam, denen der König 
schon das Jahr zuvor gemeinschaftlich mit jenen funfen ihre alten Freyheiten 
in Schonen und Dänmark, gleich den Hamburgern, bestätigte; welche acht Städte 
auch mit mehreren norddeutschen Fürsten zu wechselseitigem Schutze sich vereint 
hatten, ohne dass sie mit dem Nahmen slavische oder wendische Städte bezeiclmet 
worden wären. Im Verlauf der Zeit, als diese Benennung immer mehr üblich 
ward, und der Verein z^v Ischen den fünf Städten sich stets enger schloss, sind sie, 
nähmlich Lübeck, Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald unter dem ge- 
rn einschafÜichcn Ausdruck wendische Städte vorzugsweise und allein in der Folge 
begriffen worden; sie sind seit dem Ende des dreyzehnten und im folgenden 
Jahrhunderte, ja in noch spätem Zeiten, die vorzüglichste und einflussreichste 
Abtheilung in dem gesammtcn Vereine der norddeutschen Kaufleu :e und Städte 
geblieben, welcher Abtheilung erst In späterer Zeit Hamburg und Lüneburg bey- 
gezählt worden sind 2). Das Ansehen dieser fünf enger vereinten wendischen 

i) Urk. XU. XLviir. 

2) Ulk. T. J. 1283. LI. LV. LVI. LVn. u. s. w. Die drcy letztem Urkunden sind tou demselben Jalir 
und Tag, es werden ausser jenen fiiiif Städten, als Bundesgenossen des Königs, noch die Städte Anclam, 
Demmin und Stettin» ferner Hamburg und Kiel genannt, diese aber heissen nicht slavische oder wendische 
Städte; in den beiden Urkunden LV. und LVI. kommt lediglich der allgemeine Ausdruck slawische Städte 
iror , sie werden aber nicht einzeln und nahmentlich aufgeführt. 



^ 



ERSTE VERBINDUNGEN DER STÄDTE im i3. J.4HRH. 27 

Städte ergibt sich aus den folgenden Begebenheiten; sie sind am thätigsten in 
dem Kampfe mit König Erich von Norwegen, in welchem sie gemeinschaftlich 
mnit den Deutschen auf Wisby und der Stadt Riga verfahren, und einen günstigen 
Frieden im J. 1285 erzwingen. An diese fünf Städte wandten sich auch die Städte 
Stavern und Campen, als der König Erich von Norwegen ihnen besonders auf- 
sässig war, wegen einiger in seinem Hafen Marstrand vom gemeinen Kauftnannc 
ergriffenen und hingerichteten Seeräuber im J, 1293 J sie schlössen gemeinschaft- 
Jiich mit dem Könige ab i). 

Aber diese wendischen Städte haben auch schon in dieser Zeit einen Einfluss 
Äiuf andere geübt, der auffallend genug ist. 

Wir haben eine Urkunde v. d. J. 1300> welche den vorherrschenden Einfluss 
der wendischen Städte in der Leitung der gemeinschaftlichen Handels - Angelegen- 
heiten und Lübecks insbesondere beweiset, auch die Verbindung, in welcher sie 
mit andern Landstädten standen. Lübeck ladet um Michaelis dieses Jahrs die 
Stadt Osnabrück ein, durch Abgeordnete zu einer bey ihr zu haltenden Tag- 
fahrt zu erscheinen, welche von den wendischen (slavischen) Städten auf einer 
von ihnen jüngst zu Wismar gehabten Zusammenkunft beliebt worden sey, um 
wegen der erlittenen Bedrückungen in Flandern, Dänmark und Norwegen das Er- 
forderliche zu beschliessen , indem diese Angelegenheiten sowohl die westphäli- 
schen Kaufleute als die der wendischen Städte angehe; Lübeck bittet von diesem 
Allen die Städte Münster, Dortmund und Soest zugleich in Kenntniss zu setzen. 

Diess sind die ersten deutlichen Spuren des nachmahls ausgebildeten engem Aus- 
schusses der wendischen Städte, und des Vorsitzes und der Leitung der allgemeinen, 
besonders der Handels - Angelegenheiten durch Lübeck. Die Sache bestand, ohne 
irgend einen desslialb beliebten Vertrag zu kennen, ja nicht einmahl irgend, ein 



1) Urk. LXI« LXXVI. LXXVIL u. f. auch mehrere gedruckte, s» das Yerzeichmss bey diesen Jahren. In dem 
lübischen Archive Copiar. MS. privil. Germ. II. f. 87* findet sich eine Bestätigung der Freyheiteu auf den 
Märkten zu Huitwanger in Seeland durch König Erich von Däumark v. J. 1283, Hir die Bürger der Städte 
Lübeck, "Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin imde den anderen borgheren ^ vnde allen anderen 
euer wentland belegen. Dasselbe kommt -vor in Albert« de Bardewic cod. pririL Lubecens, MS. f. 4I. in 
demselben Archive, wo sich das gleiche Privilegium, gegeben an demselben OrtCi Saxekoping, nur mit dem 
J*1378 findet. Die Urkunde habe ich in der Urschrift nicht aufgcfuuden, und verntulhe} dass in der Samm- 
lung Albr. V. Bardewick die Jahrzahl falschlich angegeben, d. J. 1283 vielmehr das rechte sey, da der 
Inhalt mit andern Urkunden aus demselben Jahre gut übereinstimmt. Dreyer rühmt an mehreren Orten 
sehr diesen Bardewickscheii codex, ich habe ihn mit den Urschriften vergliclien, meist sehr mangelhaft ge- 
funden. Offenbar ist in dieser Urkunde von den wendischen Städten in der weitem geographischen Be- 
deutimg lediglich die Rede. 

D 2 



28 ERSTE ABTH. ZWEYTER ABSCHN. 

ProtocoU aus dieser Zeit zu haben , welches wegen dieser Verhandlungen auf den 
Tagfahrlen wäre geführt worden, und höchst wahrscheinlich ist, dass weder das 
Eine noch das Andere rorhanden war, dass das wechselseitige gefühlte Bedürf- 
niss die Sache gestaltete, und dass man weniger noch schrieb als handelte. 

Um dieselbe Zelt und selbst noch einige Jahre zuvor kommt auch eine an- 
dere Verbindung unter der Benennung Seestädte oder deutsche Seestädte vor, 
worunter zunächst nichts weiter , als was der buchstäbliche Sinn des Worts gab, 
verstanden werden mochte. So ertheilte König Magnus von Norwegen bereits im 
J. 1278 den deutschen Kaufleuten, auf die Bitte der Vorsteher und Gemeinen 
vieler deutschen Seestädte, die nachgesuchten Freyheiten, und von der Zeit an 
kommt diese Bezeichnung immer häufiger vor. Dass darunter nicht nur jene 
wendischen sondern auch die andern an den Küsten der Nord— und Ostsee He- 
genden deutschen Städte begriffen wurden, ist wohl keinem Zweifel unterworfen. 
Nahmentlich werden in den zunächst folgenden Urkunden ausser den sogenannt 
wendischen, die Deutschen auf Wisby, die Städte Riga, Kiel, Eibingen, und an 
der Nordsee: Hamburg, Bremen, Campen, Stavem und Groningen als darunter 
begriffen aufgeführt. Diese Benennung schien auf alle, wenn sie nicht nahment- 
lich aufgezählt wurden, bezogen werden zu können, wie sie an den Küsten bei- 
der Meere von den russischen bis zu den flandrischen Grenzen hin lagen. Diese 
Seestädte haben zu jeder Zeit des Vereins niederdeutscher Kaufleute und Städte, 
besonders seit der zweyten Hälfte des dreyzehnten Jahrhunderts, den entschieden- 
sten Einfluss auf denselben behauptet. Das Meer war eigentlich die Schaubühne 
der Grösse des Vereins; über dasselbe hin konnte man, mit geringer Ausnahme, 
zu den gemeinsamen Handelsniederlagcn in dem Auslande meist nur gelangen; auf 
diesen Meeren mit ihren Schiffen wurden die Fehden mit den fremden Mächten 
gefuhrt Mit der Ausdehnung der gemeinschaftlich zu verfolgenden Zwecke wuchs 
auch der Seestädte Ansehen, und das der grossem Landstädte, selbst derer, welche 
keinen erblichen Landesherrn anerkannten, und deren Zahl unter ihnen grösser 
war, als bey den Seestädten, trat mehr zurück. 

Dass nun bald mehrere bald wenigere Seestädte mit einander zu dieser oder 
jener Fehde sich vereinten, ist aus vielen Urkunden deutlich genug; aber ähnliche 
Urkunden eines engem Vereins dieser Seestädte, wie wir dergleichen in Bezug auf 
die wendischen und nahmentlich auf die fünf grossem unter ihnen besitzen , sind 
nicht aus dieser Zeit auf uns gekommen, wenigstens sind bis jet^t keine der Art 
aufgefunden worden. 



ERSTE VERBINDUNGEN DER STÄDTE im 13- JAHRH. 29 

TSiS fuhren die Seestädte bald in grösserer, bald in geringerer Ausdehnung 
gemeinschafdich Fehden mit Fremden, sie schliessen Verträge mit ihnen ab, er- 
werben Freyheiten von ihnen, sie müssen zu solchem Zweck mit einander durch 
Bothen oder Abgeordnete schriftlich oder mündlich auf Tagsatzungen verhandelt 
haben oder zusammen gekommen seyn , obwohl von diesen auf ihren Tagfahrten 
gefassten Beschlüssen wenig oder nichts uns überliefert worden ist, vielleicht aucb 
desshalb, weil damahls schriftlich wenig aufgezeichnet ward. 

Allein es erhellet doch aus einer auf uns gekommenen Urkunde, dass diese 
Seestädte, wie sie sich nennen, zugleich in Verbindung mit mehreren Landstädten 
waren, und dass sie durch ihr Ansehen in der Fremde wie in Deutschland eine^ 
Art Gewalt über diese übten, und eine, gegen ihren Rath aufgestandene Gemeinde 
zum Gehorsam zurückführten, indem sie ihr die Vortheile des Verkehrs mit ihnen 
abschnitten. So geschah es nach erfolgtem Aufstande der Bürgerschaft der Stadt 
Braunschweig gegen ihren Rath um d. J. 1292) dass die Räthe oder Abgeordne- 
ten der gemeinen Seestädte zu Lübeck versammelt, ein Schreiben an Hildesheim 
erliessen, worin sie erklären, dass, nachdem sie, zufolge des an Lübeck, Ham- 
burg und Lüneburg gegebenen Auftrags, erfahren hätten, wie die Braunschweiger, 
weder der von den Beauftragten mit ihnen geschlossenen Uebereinkunft gemäss, 
noch zufolge der mit ihrem Herzoge Albrecht genommenen Abrede sich fugen 
wollten; sie, die Seestädte, beschlossen hätten, ihren Kaufleuten alle Gemein- 
schaft mit den Braunschweigern in Flandern, Holland und Brabant zu untersagen. 
In keiner Stadt , . in keinem Orte , wo Braunschweiger zugegen sind , oder sich 
aufgehalten haben, und selbst einen Monath nach deren Abreise, sollen die Kauf- 
leute der Seestädte Tücher kaufen , an Braunschweiger verkaufen oder gegen 
andere tauschen. Die Seestädte erwarten, dass die Stadt Hildesheim genau die- 
sen Beschlüssen nachkommen werde, sie zeigen ihr femer an, dass sie zu gleichem 
Zweck an den Grafen von Flandern und dessen drey Städte geschrieben , und 
dem gemeinen Kaufmanne daselbst, der in ihrem Rechte sey, und andern Städten, 
die in ihrer Verbindung wären (ac aliis ciuitatibus in nostra conjederacione 
comprehensis) diese Beschlüsse mitgctheilt hätten. Die Verbindung unter den 
Städten war demnach gewiss vorhanden, obwohl deren Ausdehnung sich nicht 
^ bestimmt daraus ergibt i). 



1) ürk. LXXIV- 



30 ERSTE ABTH. ZWEYTER ABSCHN. 

Wenn nun die wendischen und die Seestädte die bedeutendsten Vereine in 
dieser Zeit unter den norddeutschen Städten bildeten, wenn sie auf die übrigen 
einen grössern oder geringern Einfluss schon ausübten; so gab es doch viele an- 
dere, da durch die Nachbarschaft mehrere Städte zu näheren besonderen Vereinen 
sich aufgefordert fanden. Diese Verbindungen haben zu jeder Zeit, selbst nachdem 
der allgemeine Verein vollkommener ausgebildet war, fortbestanden. So kommen 
verschiedentlich in den Urkunden der Zeit auch sächsische, westphälische, preussi- 
sehe Städte vor, welche gewisse gemeinsame Beschlüsse fassten^ die sich auf ihre 
besondem Kreise beschränkten, doch auch wieder auf das Allgemeine ihren 
Einfluss hatten. 

Bey Gelegenheit des Streits über die Vorherrschaft auf dem Hofe zu Now- 
gorod zwischen Lübeck und Gothland oder Wisby werden die Beliebungen der 
sächsischen, der westphälischeo, der wendischen und preussischen Städte envähnt, 
und ähnliche Ausdrücke kommen auch für andere Gegenden des nördlichen Deutsch- 
lands vor. Man sieht aber auch aus diesen Urkunden, wie unvollkommen alle 
diese Verbindungen an sich und mit dem allgemeinen Vereine waren, wie einzelne 
Städte aus den einzelnen Abtheilungen ihren eigenen Weg gingen, und wie Lü- 
beck sowohl als Wisby durch Umlaufsschreiben an die einzelnen Städte sich 
wenden mussten, um sie zu gewinnen, und w^e bey der einen diese, bey der 
andern jene Gehör fand. 

Alle diese einzelnen Vereine der benachbarten Städte, so wie der allgemeine 
Verein wurden durch gemeinschaftliche, mehr oder weniger gleiche Bedürfnisse 
zusammengehalten; aber viele hatten hinwieder ihre besondern Rücksichten^ also 
dass allgemeine Verbindungen, schriftliche Bundesverfassungen noch nicht zu er- 
warten standen. — Am meisten trafen sie in den Vortheilen zusammen, die für 
den Handel im Auslande waren errungen worden ; die andern Rechte und Freyheiten 
zu behaupten war mehr die Sache jeder einzelnen Stadt und ihrer nächst benachbar- 
ten Schwestern. Aber selbst in Hinsicht auf jene gemeinschaftlich zu benutzenden 
Freyheiten in der Fremde ging, mit geringer Ausnahme etwa der deutschen Nie- 
derlage in Flandern, das Uebergewicht in die Hände der Kaufleute und des Raths 
der See- vmd wendischen Städte über, wiewohl mehrere der altem Landstädte, 
früher als die zum Theil später an den Küsten des östlichen Meers angelegten, in 
die entferntesten Länder, selbst über die See hin, einen lebhaften Verkehr betrieben 
halten. Die Vorherrschaft der Seestädte, der wendischen und besonders Lübecks 
ward durch die glücklichen Fehden vermehrt, welche sie im Verlauf der Zeit 



ERSTE VERBINDUNGEN DER STÄDTE im 13. JAHRH. 31 

führten. Es mochte den ältesten und angesehensten Landstädten immer mehr 
der Vortheil einleuchten an ihre mächtigen Schwestern längs der See sich an- 
zuschliessen , wie denn diesen Letztem das Verdienst hieiht durch die be<\'iesene 
Klugheit und die von ihnen entfaltete Macht zu dem Vereine aller niederdeutschen 
Städte vorzüglich bey getragen zu haben. — Von diesen ihren Fehden wird nun 
zu reden seyn. 



DRITTER ABSCHNITT. 

Erste glückliche Fehden Lübecks, der wendischen und anderen Seestädte, während des drei- 
zehnten Jahrhunderts, welche ihr Ansehen verbreiteten, und zur Befestigung des Vereins init 

und unter den andern Städten be} trugen. 



Alle Städte, wo sie im Mittelalter sich zu grosserer Freyheit ausbildeten, sind sofort 
in immerwährende Fehden mit den benachbarten Fürsten und Herren verwickelt 
worden; sie mit Glück zu fuhren, ist einer der Hauptgründe der einzelnen Vereine 
unter den sich zunächst benachbarten gewesen und geblieben. Der Geist, der auf 
den Burgen herrschte, war von dem, der hinter Mauern, Wall und Gräben in den 
Städten sich bildete, so verschieden, dass der Streit zwischen beiden Theilen nie 
fehlen konnte. Wenn Friede zu. Wasser und Land der Städte sehnlichster Wunsch 
war, in Fehden die Herren der Burgen sich gefielen, und eine höchste Gewalt zu 
Erhaltung des Friedens unter Allen fehlte, so war der Kampf unvermeidlich. Jede 
Gemeine hatte von einem unruhigen Nachbar zu leiden, jede wünschte diese Burg, 
die ihr nahe lag, diesen Aufenthalt abgesagter Feinde vernichtet zu sehen. Die 
Städte waren nimmer müde in diesem Kampfe, und die Herren nimmer müde, 
neue Burgen zu erbauen. Vom zwölften bis tief in das sechszehnte Jahrhundert, 
lange nach dem allgemeinen Landfrieden, dauerten diese Fehden. 

Jede Stadt hatte dergleichen Abenteuer zu bestehen. Diese besondem Fehden 
aber sind kein Gegenstand der Geschichte des norddeutschen allgemeinen Städte- 
Vereins; nur dann, wenn sie zu gemeinen Angelegenheiten desselben erhoben 
wurden, tritt eigentlich jener Fall ein. Früh wie spät blieb dieser Unterschied; 
Fehden, welche diese oder jene Seestadt, z. B. Lübeck oder Hamburg, einzehi 
oder gemeinsam gefuhrt haben, sind eben so wenig, als die, in welche sich klei- 
nere oder grössere Landstädte des Vereins cinliessen, als gemeinschaftliche Fehden 



32 ERSTE ABTH. DRITTER ABSCHN. 

desselben zu betrachten ; doch sind Kämpfe der Art, von Einzelnen, besonders von 
den Seestädten angefangen, mehr als bey denen, in welche sich die Landstädte 
einllessfen, in solche ausgeartet, an welchen mehrere, wenn auch nicht alle Städte 
Theil nahmen, und ihr glückliches Ende hat, wiewohl nur einzelne die Fehde 
führten, auf die Befestigung der Handclsmacht und auf das Ansehen der norddeut- 
schen Städte sehr bedeutend gewirkt, diese aber sind hier nicht zu übersehen. 

Die Städte des Binnenlandes hatten, im Allgemeinen zu reden, weniger Auf- 
forderung zu solchen Kämpfen, als die Seestädte, da diese nicht nur zu Land 
von gleich unruhigen Nachbarn gedrängt wurden, und fiij' ihren Landhandel 
gleiche Gefahren abzuwenden hatten; sondern auch durch das Meer in viele an- 
dere Berührungen kamen, und in Streitigkeiten mit Entlegeneren verwickelt wur- 
den, während die Landstädte mehr auf ihre Nachbarschaft mit ihren Fehden 
beschränkt blieben. Auch war es leichter, zur See einer bedrängten und be- 
freundeten Schwester Hülfe zuzusenden, als zu Land in entfernten Gegenden, 
durch mancher Herren Gebiete von einander getrennt, diesen Zweck zu erreichen. 
So war es zu erwarten, dass die deutschen Seestädte zuerst gemeinschaftlich 
grössere Fehden zu bestehen haben würden, und so ist es auch genau, den 
Zeugen gemäss eingetroffen. In der Ostsee aber mussten die ersten bedeutenden 
Streitigkeiten entstehen, da so verschiedenartige Ansprüche in der Nähe sich hier 
vielfach durcn kreuzten. Auch haben auf diesem Meere und an den nächstbelege- 
nen norwegischen Küsten zuerst verschiedene deutsche Städte gemeinschaftlich 
gegen die nordischen Könige gekämpft. 

Es würde unbegreiflich seyn, v/ie diese wenigen Städte der Ostsee, die meist 
viel später, als die altern westlich von der Elbe, angelegt wurden, in einem 
Zeiträume, meist nur von einigen Menschenaltem, zu solcher Kraft hätten gedeihen 
können, dass sie es mit den Königen des Nordens aufzunehmen, und mei$t 
glücklich den Kampf zu bestehen vermochten, wenn es nicht gewiss wäre, dass 
selbst eine unvollkommene Freyheit, ein unvollkommenes Recht, und eine noch 
gar nicht eben weit getriebene Vervollkommnung des Gewerbfleisses , dennoch 
jenen Städten vergleichungsweise eine Kraft und Stärke, und einen Reichthum 
verliehen hätten, welche der innere Zustand jener nordischen Reiche nicht zuliess, 
der den Königen gänzlich abging. Diese Länder hiessen zwar Königreiche, allein 
es gab dort keine wirklichen Könige, sondern nur oberste Lehnsherren, welche die 
Kräfte ihrer Lehnsleute zu einem gemeinen Zweck nie hinlänglich verbinden 
konnten. Unglücklich schwankten diese Länder zwischen Wahl- und Erbreichen 



ERSTE FEHDEN LÜBECKS U. EINIG. AND. SEESTÄDTE m 13. JAHRa 33 

die Könige und ihre Kronen blieben abhängig von ihren geistlichen und weltlichen 
Grossen, sie \varen mit ihnen in einem immerwährenden Kampfe. Jedes Jahr 
wechselte den Besitzstand und die Kraft. Kein Theil der höchsten Gewalt war 
ihnen gesichert. Jeder kühne Vasall fand leicht Anhänger; begierig nach 
Neuerungen, , waren immerwährende Unruhen das unausbleibliche Loos dieser 
Länder. Zwischen Tod, Gefangenschaft, Krieg und Behauptung des Thrones 
schwankten die Unglücklichen immer, welche ein trauriges Geschick auf den 
Thron erhoben hatte. Ohne stehende bewaffnete Macht, ohne einen geordneten 
öffentlichen Haushalt, entschied eine unglückliche Schlacht oft über Krone, 
Freyheit und Leben. Nicht genug aber, dass ein so rechtloser Zi^tand das 
Innere dieser drey Königreiche verheerte, sie bekriegten sich auch stets noch 
unter einander, wesshalb denn die Grenzen und Besitzungen dieser Länder in 
einem immerwährenden Schwanken waren. Eben diess aber bot den Städten 
Hülfe in ihren Kämpfen. Es fehlte ihnen nie an Verbindungen, die sie mit den 
andern Königen eingingen; unter den unzufriedenen Grossen dieser Reiche fanden 
sie leicht Verbündete , selbst unter den Fürsten des nördlichen Deutschlandes, 
deren Unabhängigkeit durch die dänische Macht eine Zeitlang besonders gefährdet 
wurde; denn auch die geringe Hülfe, welche die Städte zu Anfang, vor ihrem 
grösseren Gedeihen, gewähren konnten, war immer Etwas werth ; sie ward allmählich 
höher geschätzt, als diese Gemeinden an Macht und Wohlstand zunahmen, sie 
ward zuletzt entscheidend. Nicht nur die Schiffe, welche die Städte ausrüsteten, 
nicht nur die Reisigen und die Mannschaft, die sie aus ihren Städten absandten, die 
sie in ihren Dienst genommen hatten; vielmehr noch waren es die Geldkräfte, über 
welche sie verfugen konnten, die Darleihen, die sie ihren Freunden machten, 
w eiche deren Zahl so vermehrte. Es ist zugleich zu bewundern, mit w elcher Klug- 
heit schon anfangs die wenigen Städte, die zuerst gediehen, ihre Verbindungen aus- 
zuwählen verstanden, und mit welcher Schlauheit sie in diesen nordischen Reichen 
ihren Vorthell zu verfolgen wussten. Wenn nun auch einige glückliche und 
tüchtige Könige, wie etwa Kanut oder VValdcmar IL von Dänmark, ihre Herr- 
schaft ausdehnten, und die Deutschen an den Küstenländern der Ostsee ihre 
Lehnshoheit anerkennen mussten; so lösete sich doch diess grosse Reich, nac|i 
einer unglücklichen Schlacht, eben so leicht wieder auf. Jenes Zeitalter verstand 
es nicht, die Besiegten, durch einen bessern Zustand, als der vorhergehende war, 
an den Sieger zu knüpfen: und wie Viele haben diess in spätem Zelten verstan- 
den? Kriegslustige Abenteuerer würfelten um den Besitz grosser Landstrecken, 

E 



34 ERSTE ABTH. DRirfER ABSCHN. 

und das Volk kümmerle sich wenig um diess blutige Spiel, da Leiden und Dulden 
doch immer sein Loos blieben. Nur in den Städten war ein anderer Geist rege 
geworden, da die Genossen derselben nicht, wie rohe Krieger, ihr Leben auf 
das Spiel setzen wollten, um in den Fehden und durch sie zu leben, da viel- 
mehr aus häuslichem Flcisse und aus des Friedens Künsten des Lebens schönere 
Freuden lur sie entsprangen. Städte dieser Art aber waren in den nordischen 
Reichen wenig zahlreich, und an sich zu ohnmächtig, um dem Bestreben der 
Grossen und Mächtigen des Landes eine andere Richtung zu geben. 

Diesseits der Ostsee in deutschen Landen war es anders. Die freyen Ge- 
meinden hoben sich allmählich aus dem wilden Getümmel hervor. Bey ihnen 
war die Gewalt in die Hände einiger angesehenen Geschlechter und der vermö- 
genderen Kaufleute übergegangen oder in denselben befestigt wordeu, ohne jedoch 
den übrigen Bürgern den ihnen gebührenden Antheil, oft freylich einen sehr 
geringen, zu rauben, ohne ihnen den Glauben zu nehmen, dass sie wirklich einen 
solchen Antheil hätten, dass sie freye Leute wären, und dass, was geschehe, 
mit ihrer Zustimmung und zu ihrem Besten geschehe. Meist frey in diesen frühen 
Zeiten von dem alle besseren Massregeln verdrängenden leidenschaftlichen Geschrey 
der rohen Menge, waren diese scheinbar schwachen Genossenschaften an Einheit 
und Kraft jenen Reichen dennoch überlegen, die bey stolzerm Nahmen ein 
zerrissenes Innere zeigten. 

Geld und Wohlhabenlieit geben zu jeder Zeit Mittel zu Unabhängigkeit und 
Macht denen, welche sie verständig zu gebrauchen wissen. Dienste, welche die 
Städte kauften, Männer, welche sie lohnten, unter dem hohen wie unter dem 
niedem Adel, gaben eine zuverlässigere Stütze, als der Lehus- Verband den 
Königen darbot; denn den Lohn hatten die Lehnsträger vorweg empfangen, die 
Dienste sollten nachfolgen; es war ein unvollkommenes Verhältniss, unvollkom- 
mene Leistungen mussten entstehen. Die Städte hingegen sammelten innerhalb 
ihrer Mauern, und jedes gesammelte Gut ward von neuem fruchtbar verwandt; 
jene vergeudeten, diese hatten den Quell des Reichthums in sich. 

Söldner hielten die Städte früh, des Landes Adel focht gerne in ihrem 
Solde, des Raths Diener in der Stadt Wapen gekleidet, nebst den cdeln und 
gemeinen Bürgern waren in den Waffen geübt, und eine rüstige, freywillig 
vereinte Jugend, so wie das bedächtige Alter, waren bereit fär ihr Recht, fiir ihr 
Eigenthum ihr Leben zu w^agen. In den Fehden mit den Grossen halfen die 
(Städte bald Diesem bald Jenem, um den Einen durch den Andern zu schwächen. 



ERSTE FEHDEN LÜBECKS U. EINIG. AND. SEESTÄDTE im 13. JAHRH. 35 

Ihre Seeschiffe zum Handel und Kriege thelKveise gleich geschickt, da auf dem 
unsichem Meere nur bewaffnete Fahrzeuge vor immerwährenden Angriffen sich 
schützen konnten, gaben, ohne bedeutende Kosten, zugleich Mittel zur Verlhei- 
digung: mit der Ausdehnung ihres Handels wuchs auch Ihre Kriegs -Seemacht, 
denn meist dienten alle grössere Kauftahrer zu dem gedoppelten Zweck. 

Die Normänner, welche früher In freundlichem Himmelsstrichen Ihren 
Nahmen und Ihre Waffen furchtbar gemacht, und neue Reiche gegründet hatten, 
konnten dennoch jetzt den Kampf mit diesen deutschen Gemeinen nicht aushalten, 
die an Betriebsamkeit, an Relchthum Ihnen überlogen waren, an Liebe zu Ihrer 
Genossenschaft den tapfem nordischen Männern gleich kamen. 

Traf es sich aber, dass die Mannschaft der Städte zur See, oder zu Land 
von einer grössern Macht überwältigt ward, dass die Jugend fiel, ihre Verbündeten 
sie verllessen : so boten doch "Wall und Mauern den Ueberbli ebenen eine fast un- 
bezwingllch sichere Frey statte dar. Zu jenen. In der Belagerungs- Kunst unerfahre- 
nen Zielten, ohne die Alles niederstürzenden grösseren Feuerschlünde, verschwendete 
an diesen Erd- und Steinmassen das muthlgste Heer oft Zelt und Kräfte vergebens. 
Die Stadtbewohner, aufgefordert durch das Theuer&te, was sie besassen, fanden 
keine Aufopferung zu gross, da sie für ihre Unabhängigkeit und Freyhelt, für 
ihren Herd, für Ihre Kinder, im Schoosse der Ihrigen und unter ihren Augen, 
fochten. Zugleich waren Innerhalb der Stadt Vorräthe die Belagerung einige 
Zelt auszuhalten, bis etwa eine befreundete Schwester oder ein Verbündeter des 
hohen oder niedem Adels, über seines Gleichen oder des fremden Königs und 
dessen Anhänger zu grosses Glück elfersüchtig, oder schon längst mit ihnen in 
Feindschaft, die Belagerten befreyte. 

Die Geschichte einer Stadt in dieser Hinsicht Ist die Geschichte aller; doch 
hat Lübeck, vor Ihren übrigen Schwestern an den Küsten der Ostsee, blutige Fehden 
früher gefochten, und gegen Könige und Fürsten gekämpft, selbst bevor Irgend 
eine nähere allgemeinere Verbindung unter den norddeutschen Städten bestand. 
Denn diese Stadt, durch Ihre Lage, durch ihre Verfassung, die Einrichtung ihres 
Gemeinwesens, durch ihre frühe Ilrklärung zu einer freyen Stadt des Reichs, 
durch Handels- und Schifffalu-ts- Kenntnisse, die von andern zurückgekommenen 
oder zerstörten, fremden oder vaterländischen Städten hierher verpflanzt waren, 
begünstigt, gedieh früher und rascher als andere. Verbunden mit verschiedenen 
deutschen Fürsten und Herren hat sie In mehreren Fehden gegen Waldemar U. 
mit gefochten, und Ihre, eine Zeltlang eingebüsste Reichsfreyhelt zuletzt behauptet. 

E 2 



36 



ERSTE ABTH. DRITTER ABSCHN. 



In der Schlacht bey Bornhöved , welche der Dänen Herrschaft diesseits der Eider 
und Ostsee brach, folgten die Lübecker, wohlgemuthe freye Männer, unter An- 
fuhrung ihres Mitbürgers, Alexanders von Sollwedel, und nahmen Theil an dena 
Ruhme dieses heissen Tages (22- Jul. 1227) , das nordöstliche Deutschland der dä- 
nischen Herrschaft wieder entrissen zu haben. 

In einer andern Fehde wagten die Lübecker, als der Verlust ihrer 
Freyheit bereits entschieden zu seyn schien, stark durch ihren Muth, die erste 
Schlacht zur See gegen die Dänen (1234) > und nach einem Kampfe , der vom. 
Morgen bis zum Abend gefochten ward, trugen sie den Sieg davon, und führten 
als Siegeszeichen, ein erbeutetes dänisches Schiff in ihren Hafen: also, dass zu- 
nächst ihre Feinde allen Ansprüchen auf eine Stadt entsagten, die ihr Recht so 
wacker zu vertheidigen wusste. 

Zwar hoffte Waidemars Nachfolger, Erich Plogpenning (1249), das verlorene 
Nordeibingen wieder zu erobern, auch Hess er zu diesem Zwecke die lübischen 
Schiffe und Kaufleute in seinem Reiche verhaften: aber muthig liefen ihre hinter- 
bllebenen Landsleute in See, nahmen und plünderten Kopenhagen, verbrannten 
Stralsund, als dänische Anpflanzung, und kehrten abermahls siegreich, mit Beute 
beladen, unter Alexander von Soltwedel in ihren Hafen zurück. Fünf Jahre 
uachher (1254) fochten die Lübecker unglücklich bey Skanoer, doch landeten sie 
auf den Inseln Moen und Falster, und gewannen dort Stegehuus, hier Nyekiöbing, 
so wie für ihre Bundsgenossen, die Herzoge von Schleswig, bessere Bedingungen. 

Diese und manche andere kecke Untemehmung'en einer einzelnen Stadt 
mussten wohl ihren Nahmen berühmt und geehrt unter den Nachbarn machen. 
Die Städte dieser Landschaften wünschten mit ihr in engere Verbindung zu treten, 
um so mehr, da Stralsund es zwiefach empfunden hatte, wie sie deutschen Städten 
mitspiele, die es mit ihren Feinden hielten, und die ihre Eifersucht geweckt 
hatten. Es mochten gar bald die deutschen Städte an der Ostsee ihren gemein- 
schaftlichen Vor theil, so wie ihre gemeinschaftlichen Feinde genauer kennen lernen, 
die ihnen Lübeck deutlich genug gezeigt hatte. Ihr Verkehr, der in den nordischen 
Reichen, oder durch dieselben hin und zwischen ihnen gefiihrt ward, blühte 
immer mehr auf, indem daselbst die einheimischen Städte^ deren Freyheit, Handel 
und Macht nicht in gleichem Maase gediehen. Die deutschen Gemeinen mussten 
indess bald einsehen, wie sehr ihr Handel, dessen Verbreitung und Gedeihen, 
von dem nur zu oft wiederkehrenden willkürlichen Zugreifen der nordischen 
Könige abhängig seyenj die Freiheit, jene Reiche mit Sicherheit zu be- 



. * 



ERSTE FEHDEN LÜBECKS IT. EINIG. AND. SEESTÄDTE im 13. JAHRH. 37 

suchen, ihren^ Handel daselbst frey zu betreiben, konnte nur durch die Stärke ihrer 
eigenen und vereinten Seemacht erzwungen werden. 

Bey dieser Lage der Dinge mussten die deutschen Städte der Gegend an 
eine Verbindung imter einander denken, um gemeinschaftlich zu erhalten, was !sie 
einzeln zu behaupten zu schwach waren ; denn nicht alle vermochten^ was Lübeck 
bereits geleistet hatte, und auch diese ward stärker durch einen Bund mit Lands- 
leuten und Freunden, welche gemeinschaftliche Zwecke verfolgten. 

Zuerst unter den nordischen Mächten empfand, wie es scheint, König Erich 
von Norwegen im J. 1284 die Wirkung eines solchen Vereins. Verschiedene 
deutsche Städte der Nord- und Ostsee hatten bereits längst einige Handelsfrey heiten 
in jenem Reiche, einzeln oder gemeinschaftlich, schriftlich oder durch Herkommen 
erworben; da sie aber eben damahls des Königs Feinden, den Dänen, geneigt 
waren, so fand Erich sich bewogen, ihre Schiffe theilweise anzuhalten , dieselben 
zu verkaufen, und ihren Handel im Lande gänzlich zu vernichten. Mehrere dieser 
deutschen Städte verbanden sich darauf zur Fehde gegen ihn, und Lübeck, als 
die mächtigste Stadt, stand an der Spitze der übrigen. Sie nebst Wismar, Rostock, 
Stralsund, Greifswald, Riga und den Deutschen auf Wisby sandten gemeinschaftlich 
eine Flotte aus, beunruhigten die norwegischen Küsten, und erzwangen durch 
ihr Verbot aus ihren Städten weder Korn noch Brot und Bier nach Norwegen 
zu fuhren, dass König und Land sich ihrem Willen fiigen mussten. Erich liess 
sich die Vermittelung des Königs Magnus von Schweden gefallen, er gab in dem 
Frieden zu Calmar im J. 1285 die zu Bergen angehaltenen deutschen Schiffe 
wieder frey, versprach als Entschädigung 6OOO Mark norwegischer Münze zu 
, zahlen , verstattete neue , bestätigte den Städten ihre alten Handelsft'eyheiten , und 
dehnte sie auch auf Campen, Stavern und Groningen aus, welche in einiger 
Verbindung mit den früher genannten gestanden zu haben scheinen. Der König 
erkannte sogar drey abgeordnete Städte als Schiedsrichter an , deren Ausspruch 
er sich in allen seinen künftigen Streitigkeiten mit Dänmark zu unterwerfen gelobte. 
Auch hatte er schon das Jahr zuvor die Zusicherung seines Schutzes gegen alle 
ihre Widersacher in Norwegen , nicht nur den zuerst genannten Städten, 
sondern auch den deutschen Kaufleuten überhaupt, und nahmentlich den Kaufleu- 
ten und Bürgern von Hamburg, Bremen, Stettin, Demmin, Elbing und Reval 
versprochen 1). 

1) Ausser den bekannten gedruckten Nachrichten s. besonders XLVHb bis LXHb ürk. J. 1285- (!• 3« 4.) In 
LIII erklärt zwar der köuig Erich im J. 1284) dass er den deutschen Kaufleuten ihre Freiheiten erhalten, 



^ 



38 



ERSTE ABTH. DRITTER ABSCHN. 



Em so glücklich geendigter Slreit musste dem Verein der Städte neues An- 
sehen \erschafFen, und den Wunsch erwecken in denselben aufgenommen zu 
werden. Zwar hatte die Stadt Bremen es mit dem Könige von Norwegen in 
jener Fehde gehalten ,' und zur Belohnung ward sie auch in den folgenden Jahren 
von ihm im Zoll, im Handel, in der Häringsfischerey vor den andern begünstigt j 
nun aber erzwangen jene sieben Städte Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, 
Greifswald, Riga und die deutsche Gemeine auf Wisby, nebst den Städten Cam- 
pen, Stavern, Stettin und Anclam von dem Könige die Bestätigung der zu Calmar 
erhaltenen Freyheiten und noch neue hinzu, am 29 Jun. 1294. Doch auch nach 
diesem Vertrage hielt es der König mit Bremen gegen die übrigen deutschen 
Städte, besonders der Ostsee, woraus wenigstens erhellet, dass selbst nicht alle 
näher benachbarten Seestädte die Wichtigkeit eines engem Vereins unter einander 
aufgefasst hatten; auch scheint Hamburg abgesondert von den übrigen mit dem 
Könige verhandelt zu haben. 

Es ist wohl nicht zu bezweifeln, wie spätere Nachrichten es wahrscheinlich 
vermuthen lassen , dass das schnelle Emporstreben Lübecks nicht ohne einige 
Eifersucht von den altern Schwestern betrachtet wurde; die Herrschaft auf der Elbe 
und Weser schien bedeutendere Ansprüche als auf der kleinen und kurzen Trave 
zu begründen; auch waren die beiden an diesen Strömen belegenen Hauptstädte 
Hamburg und Bremen nicht, wie die östlichen, wo lübisches Recht galt, aus 
diesem Grunde geneigt, einen vorherrschenden Einfluss Lübeck einzuräumen, sie 
schienen auf eigenen Füssen fest zu stehen , und unabhängig von Anderen der 
Ihrigen Wohl begründen zu können. Allein zuletzt musste es doch Bremen, so 
wie allen andern benachbarten deutschen Seestädten einleuchten, selbst mit einiger 
Aufopferung, mit der Unterdrückung ihres Selbstgefühls mehr und mehr an 
diese deutschen Gemeinen der Ostsee, als an die Könige des Nordens sich zu 
schliessen, und eine gleiche einer ungleichen Verbindung, einen schwesterlichen 
Bund einer, wenn auch vorübergehend noch so vortheilhaften Abhängigkeit von 
einem Könige vorzuziehen i). 

und ihren Klagen abhelfen wolle, diese Zusicherung ist allen, uahmeutlich den Städten Lübeck, Ham- 
bürg, Wismar, Rostock, Bremen, Stralsund, Greifswald, Stettin, Demrain, Anclam, Gothlaud (den 
Deutschen auf Wisby) Rlbing, Riga und Reval ertheilt worden. Diess waren aber nur Worte und Auer- 
bietungen« welche der König den ihm näher befreundeten Städten, sowohl als den sieben, die am meisten 
gelitten hatten und über ihn vornehmlich klagten, ertheilte. Der Friede zu Calmar (ürk. 1285) gebt nur 
auf die sieben Städte i mit beschränktem Eiuschluss Campens, Stavems und. Groningens. 
O Vergl. besonders LXXVI, LXXVII, ürk.^J.1286. 1287 (3), 1288 (3), 1292 (1.3.4), 1293 (2), 1294(1.2.3) 
1296 , 1209 C4) , 1300 (2). 



ERSTE FEHDEN LÜBECKS U. EINIG. AND. SEESTÄDTE im 13. JAHRH. 39 

Doch keine der nordischen Mächte war fiir die Städte der Ostsee und die 
nächst henachbarten der Nordsee so gefährlich als Dänmark. Denn wenn gleich 
durch die Schlacht bey Bornhöved Vieles zunächst verloren schien, so waren 
doch mit ihr die Ansprüche nicht erloschen, und mehrere Mahle wurden in 
der Folge von des Landes Königen die Versuche gewagt, dem leeren Titel 
König der Wenden oder der Slaven zugleich die Macht und den Gehalt wieder 
hinzuzufügen. Es ist auch lediglich diesen wendischen oder deutschen Seestädten, 
so wie den Fürsten dieser Gegenden zu danken, dass diese Ansprüche späterliin 
gänzlich und für immer aufgegeben werden mussten. 

In jenen Zeiten, als Kaiser und Reich mehr im Westen und Süden und 
durch Fehden im Innern beschäftigt waren, überliess man die entfernteren Grenz- 
bewohner ihrem Schicksale j sie mochten, so gut sie konnten, sich selbst helfen. 
Auch pflegte die deutsche Hanse späterhin, als man ihre Rechtmässigkeit in Anspinich 
nahm, unter den dem Reiche geleisteten Diensten vornehmlich und mit Recht 
hervorzuheben, dass sie ihm als Bollwerk gegen die nordischen Mächte gedient 
habe. Dänmark blieb dem Reiche wie den Städten die ohne Vergleich gefährlichere 
Macht, abgesehen von dessen ferneren weittragenden Ansprüchen, schon allein 
seiner behaupteten Besitzungen wegen. 

Verschiedene Landstriche diesseits der Ostsee in Liv- und Esthland, erkann- 
ten auch nach der unglücklichen Schlacht bey Bornhöved stets die dänische Ober- 
herrschaft an; dasselbe war der Fall mit der Insel Rügen und einem Theilc 
Vorpommerns. Dänmark beherrschte ausserdem die Reite und den Sund durch 
seine Besitzungen an beiden Ufern. Das Betreiben einer der wichtigsten Erwerbs- 
arten der deutschen Städte hing von Dänmark ab, da an den schonischen Küsten 
zu jener Zeit der ergiebigste Häringsfang betrieben ward, und diese in dänischer 
Hand waren. Auf solche Weise hing der deutschen Ostseestädte Gedeihen, ihr 
Erwerb und Verkehr, die Verbindung mit ihren Freunden der Westsee von 
diesem Reiche vornehmlich ab. Dänmark aber war, wie man sagt, damahls viel 
volkreicher als späterhin, indem die Pest und innere unaufhörliche Fehden noch 
nicht die so nachtheiligen Wirkungen gehabt hatten: und wenn auch gewiss 
manche Angaben übertrieben sind, so warr doch das Reich unbezvveifelt in jenen 
Zeiten die angesehenste Land- und Seemacht des Nordens. 

Sicher würden auch die Städte mit all ihrem Muthe, mit all ihrer List und 
Klugheit, ungeachtet ihres thätigen Gefühls für Freyheit und Unabhängigkeit, 
dennoch dieser Macht unterlegen seyn, und der gesammte Norden v\ ürde vielleicht 



40 ERSTE ABTH. DRITTER ABSCHN, 

gleiches Schicksal mit ihnen getheilt hahen, wenn nicht Unruhen auf Unruhen 
im Innern des Landes gefolgt wären, wenn nicht die grossen Vasallen des Reichs 
durch Aufstand und Fehden dasselbe zerrissen hätten. Glücklicher Weise war, 
durch die dringende gemeinschaftliche Gefahr bewirkt, doch etwas mehr Eintrat'ht 
unter den Deutschen diesseits der Ostsee. Im J. 1236 oder 1237 i) hatte der 
Schwertorden in Li\land ^it dem deutschen sich vereinigt, und diese Verbindung, 
welche beiden einen grossem Zuwachs an Kraft verlieh, war den norddeutschen 
Städten gewiss höchst erwünscht, da der Orden Kaiser und Reich als Oberherm 
anerkannte, und die dänischen Besifc^ungen in dem östlichen Theile der Südkiiste 
des baltischen Meers späterhin durch ihn von dem Könige Waldemar von Dänmark 
erworben Avurden. Die Anlage und das Aufblühen so vieler deutschen Gemeinden 
in diesen Gegenden, deren Verbindung mit den andern westlich belegenen deutschen 
Städten, der Verein der mehr oder weniger zwischen dem Orden und der Eid- 
genossenschaft der Städte entstand, gewährte allen Deutschen grosse Vorthelle, 
und half die gefurchtete där.ische Macht schwächen. 

Unter Erich Plogpenning schien bereits jegliches Band, welches das schlecht 
vereinte dänische Reich einigermassen zusammen halten sollte, zu reissen; in im- 
merwährendem Kampfe mit seinen Grossen fiel der König, in einem Streite mit 
den gegen ihn aufgestandenen Nordfriesen, in ihre Hand, und fand durch sie im 
J. 1252 seinen Tod. Einen Theil von Esthland erwarb der deutsche Orden: die 
Lübecker hatten nicht unglücklich gegen den König in dieser Fehde mitgefochlen. 

Christoph I. erbte ein zerrüttetes Reich; in Fehde mit den Nachbarn und 
seinen Grossen, vergriff er sich an dem Erzbischofe des Reichs und büsste das 
Vergehen durch Meuchelmord: eine vergiftete Hostie überlieferte ihn nach einer 
sechsjährigen, unruhigen Regierung dem Tode. 

Erich Glipping (1258-86) fing seine Regierung damit an, dass die Grossen 
ihn einige Zeit in Ketten gefangen hielten; davon befreyt, verstrich aber auch 
diese Regierung in Angst und Noth, und die Verschworenen Hessen ihn endlich 
eines elenden Todes, durch sechs und sechszig ihm beygebrachte Wunden sterben. 

Lübeck hatte in diesen Unruhen des Reichs die Hand mit im Spiele, und 
war nach Umsläden bemüht, so wie auch andere der nächst benachbarten Städte, 
wie z. B. Stralsund u. a. die Verhältnisse' zu benutzen, 'um ältere Freyheiten 
bestätigt zu erhalten, und neue zu erwerben. Doch scheint es nicht, dass die 



1) Voigts Geach. Preusseus IL 341* ii«2* 



ERSTE FEHDEN LÜBECKS U. EINIG. AND. SEESTÄDTE im 13. JAHRH. 44 

deutschen Städte mehr oder weniger vereint an dem Untergange des Reichs 
damahls gearbeitet hätten. 

Aber Lübecks Nähme nnd Ansehen waren doch durch die Thaten , welche 
die Stadt allein unternommen ^hatte , bey den Fürsten und den Königen sowohl, 
als bey den ihr näher verwandten Schwestern immer mehr gestiegen, und ihr 
EInfluss auf den Verein derselben war schon gegen das Ende des dreyzehnten 
Jahrhunderts in allen Verhältnissen fühlbar geworden, der sich im Verlauf der 
Zeit immer mehr entwickelte und Lübeck allmählich an die Spitze des gesamm-* 
ten Vereins stellte. 

VIERTER ABSCHNITT. 

Grössere Ausbildung der Vereine der norddeutschen Kaufleute in der Fremde und der Städte 
daheim, während der ersten grössern Hälfte des Tierzehnten Jahrhunderts bis zu dem Ausbruche 
der grossen Fehde im sechsten Jahrzehend dieses Jahrhunderts, mit König Waldemar lU. 

von Dämnark. 



JLlie verschiedenen Verbindungen der niederdeutschen Kaufleute in der Fremde, 
und mehrerer Städte in verschiedenen Abtheilungen und Kreisen dauerten fort, 
auch zunächst unter den bisher üblichen Benennungen und in dem herkömmlichen 
Umfange. 

In Elngland nennen sich die vereinten deutschen Kaufleute auf ihrer Gilde- 
halle zu London, und wo sie im Lande etwa besondere Niederlagen haben 
mochten, wie von Alters her, Kaufleute der deutschen Hense und Hensebrüder 
{hensebröder) in England; die Könige und die Stadt -Obrigkeit in London er- 
wähnen ihrer auch unter diesem Ausdrucke: Kaufleute der deutschen Hanse, die 
in London oder England sich aufhalten; doch bedienen sich die Erstem bey der 
Bezeichnung derselben selbst noch gewöhnlich des Nahmens : Inhaber der deutschen 
Gildehalle in London. Nie ist in den englischen Urkunden dieser Zeit von 
einer deutschen Hanse oder Hense schlechtweg, oder von vereinten Städten der 
deutschen Hanse die Rede. Die Könige und die Obrigkeit der Stadt London 
imterhandeln nicht mit diesen, sie unterhandeln allein mit den Deutschen, welche 
die Gildehalle in London inne haben, dieser oder der deutschen Hanse in 
England ertheilen sie Freyheiten. Von einem Unterhandeln mit einem deutschen 
Städte - Vereine ist nie die Rede^ haben die Könige über die Beleidigung 

F 



44 



ERSTE ABTH. VIERTER ABSCHN, 



Goslar, Magdeburg und dem Lande Sachsen, und den andern Kaufleuten des 
römischen Reichs deutscher Zunge; und die Stadt Brügge ertheilt in demselben 
Jahr eben denselben und den Kaufleuten, gemeiniglich {ghemeenlike) aus dem 
römischen Reiche, Handelsfrey heilen : nie aber gebrauchen sie das Wort Kauf- 
leute der deutschen Hanse, und noch viel weniger den Ausdruck Hanse - Städte. 
Eben so bezeichnet sie oder auf ähnliche Weise im J. 1315 der Herzog von 
Lothringen, Brabant und Limburg, der Graf Ludwig in d, J. 1338 und 1349. 
Wilhelm Graf 'von Hennegau und Holland nimmt die gemeinen Kaufleute von 
Preussen und Westphalen (l34l) , die unter sich enger verbunden waren , in 
seinen Schutz, so auch Margaretha von Flandern, Kaiserin von Rom, fiinf Jahre 
nachher 9 und die Poperinger kennen nur im J. 1347 den gemeinen Kaufmann 
von Allemannien i). 

Fei-ner der Verein der niederdeutschen Kaufleute In Brügge trat in 
diesem Jahre auf Simon und Judä-Tag 1347 zu Brügge bey den Carmelitem 
im Reventer zusammen, wo er später auch immer seine allgemeine Versammlung 
hielt, und fasste höchst merkwürdige Beschlüsse; aber er nennt sich in den Be- 
schlüssen, die er fasste, selbst gemeiner Kaufmann aus dem romischen Reiche 
von Allemannien und nicht anders. 

In der Urkunde wird gesagt: zur guten Ordnung für die Zukunft hätten sie, 
die versammelten Kaufleute, die Gewohnheiten ihrer Verbindung in ein Buch zu- 
sammenzutragen beschlossen , die schon fi*üher bestanden hätten 2) , und demnach 
sey zuerst zu wissen: dass der gemeine Kaufmann (daselbst) in drey Drittel ge- 
theilt sey, nähmlich: 1. In Lübeck, die wendischen Städte und die Sachsen und 
die dazu gehören; 2- in, Westphalen und Preussen und die dazu gehören; und 
endlich 3. in die von Gothland, Livland und Schweden (d. h. die eing.ebür- 
gerten Deutschen in den schwedischen Städten) und die dazu gehören. Diese 
Eintheilung bezieht sich offenbar nur auf die deutschen Kaufleute in Flandern, 
sie ist jedoch hernach auch auf den gesammten Verein der Städte und Kauf- 
leute, wie es scheint'^ mehr übergegangen , und ist wohl die altere Eintheilung ge- 
blieben, bis erst etwa zwey Jahrhimderte nachher die Eintheilung in vier Quartiere 
auflcam. Die Eintheilung in Drittel scheint schon in dieser fiiihem Zeit in. allge- 
meiner Beziehung, obwohl selten, gebraucht worden zu seyn, aber sie hat auf 
den Verein der Städte überhaupt noch geringen oder keinen, wenigstens nicht aas 
Urkunden zu beweisenden Einfluss. 



1) ürk. XCXVUb. CXVmc. CXLIV. CXLVII. CLX. CLXV. 1315. 1349. 



2) ürk. LXXIV 



^- -i __. *!- 



AUSBILDUNG D. VEREINE D. KFL. U. STÄDTE im 14- JAHRH. bis 1360. 45 

Aehnliches fand nun auch auf allen deutschen Niederlagen in der Fremde 
im Norden und Nordosten statt; die Vorsteher des deutschen Hofs zu Nowgorod 
nennen sich so wenig Hansen als die in Schoben oder Norwegen dieses Nahmens 
sich bedienen. Die Bezeichnung Hanse der deutschen Kaufleute zu Nowgorod 
kommt nur erst in einem Schreiben Rostocks an den Heermeister von Livland 
Gozcevoin (1347-1360) vor, und zwar nur in dem Sinne worin diess Wort 
viel früher söhon in England war gebraucht worden, von wo es zu den deutschen 
Städten übergegangen war, die sich nun auch desselben bedienten zur Bezeichnung 
anderer deutschen Vereine in der Fremde, obwohl sie daselbst ursprünglich nicht 
üblich war. Auf eine ähnliche Weise wird auch um dieselbe Zeit von einem 
Kronbedienten von Norwegen in einem Schreiben an Lübeck dieser Ausdruck 
"Kaufleute euerer Hanse zu Bergen sich aufhaltend," gebraucht i). 

Wir haben dagegen vielfiiltige Belege, wie in dieser Zeit die Vereine der 
deutschen Kaufleute in dem Norden und Nordosten mehr als zuvor, nahmentlich 
was den deutschen Hof zu Nowgorod betrifft, von den Städten abhängig werden. 
Der Hof zu Nowgorod empfangt eine neue Ordnung von Lübeck, und er ward 
immer mehr ihr und den Deutschen auf Wisby unterworfen; so wie die Nieder- 
lagen in den scandinavischen Reichen abhängiger schon zuvor von den wendischen 
und Seestädten waren, so blieben sie es auch in dieser Zeit. Von diesem Allen 
im Einzelnen wird schicklicher bey der Geschichte des Handels weiter unten die 
Rede seyn. Gewiss ist, dass die Selbstständigkeit dieser kaufmannischen Gesell- 
schaden immer mehr verschwand^ so wie der Verein unter den Städten sich voll- 
kommener ausbildete, und von diesem ist hier vornehmlich nur zu reden. 

Ueber diesen Verein der Städte wissen wir aber aus dieser Zeit wenig mehr, 
als was aus dem vorhergehenden Zeitabschnitt bereits bekannt war. Die Verbin- 
dungen unter den wendischen und Seestädten — besonders zwischen den nach Osten 
hin belegenen — dauerten fort, so wie deren Vorherrschaft in allen allgemeinen 
Angelegenheiten der norddeutschen Städte, besonders in Handels -Rücksichten. Ne- 
ben diesen bestanden gleichfalls fortwährend die besonderen Vereine der Städte in 
einzelnen Kreisen des niedern Deutschlands, und diese sämmtlich waren in einer 
gewissen allgemeinen Verbindung, an deren Spitze die See - und wendischen Städte 
standen, ohne jedoch irgend eine Urkunde auch nur aus dieser Zelt zu besitzen, 
welche darüber eine besimmte Auskunft gäbe, weil wahrscheinlich jetzt sowohl als 



1) ürk, CLXI. ein. 



46 



ERSTE ABTH. VIERTER ABSCHN. 



früher kein scbriftliclier Vertrag über eine solche allgemeine Verbindung aufgesetzt 
worden ist, da das gemeitischaftlich gefühlte Bedürfniss die Städte besser, als der 
todte Buchstabe zusammenhielt Gewiss aber ist ein solches Einverständniss in 
den weit verbreiteten Kreisen der niederdeutschen Städte, sie sind gewiss von Zeit 
zu Zeit durch Abgeordnete zusammengetreten ; aber wir haben nur erst ganz gegen 
das Ende dieses Zeitabschnitts einige uns überlieferte vollständige ProtocoUe, die 
auf den Tagfahrten der Abgeordneten einiger angesehenen See - oder wendischen 
Städte aufgenommen worden sind. Die Sache selbst und der Umfang der allge- 
meinern Verbrüderung ist indess so wenig jetzt als gegen Ende des vorigen Zeit- 
abschnittes irgend einem Zweifel unterworfen; sie bestand schon längst. 

In einem Einladungsschreiben Lübecks an Osnabrück ohne Jahrzahl, das 
aber unbezweifelt in den Anfang des vierzehnten Jahrhunderts zu setzen ist, fordert 
Erstere die Letztere auf, ihre Abgeordneten nach Lübeck gegen Pfingsten zu 
senden, um über die von dem Kaufmanne zu Brügge vorgebrachten Beschwerden 
das Nöthige zu beschliessen. Lübeck erklärt diese Einladung zu erlassen, weil es 
ihr und den ihr benachbarten Städten rathsam geschienen habe und sie gleichsam 
in der Mitte derselben überhaupt liege; sie erklärt ähnliche Einladungen nach 
Westphalen, an die Städte in Sachsen, das Wendenland (slai^iam)^ die Mark, Polen, 
Gothland, Riga und andere schickliche Orte {loca congrua) abzusenden, auf dass 
sie durch Abgeordnete gleichfalls erscheinen möchten, nicht aber übel zu deuten, 
wenn die erscheinenden Gesandten mit Ausschluss der nicht erschienenen, oder 
ohne auf sie Rücksicht zu nehmen, Beschlüsse fassen würden: zuletzt fordert Lübeck 
die Stadt Osnabrück auf, diess Alles den ihr benachbarten grossem und kleinem 
Städten \Ciuitaiihu8 et opidis) mitzutheilen, deren Bürger einen Verkehr mit 
Flandern betrieben. 

Diess höchst merkwürdige Schreiben, obwohl wir von der darin ausgeschrie- 
benen Tagfahrt keine nähere Kenntniss haben, gibt uns über Mehreres sehr 
entschieden Aufschluss und dient Früherm zur Bestätigung. Lübeck erlässt das Aus- 
schreiben einverstanden mit den benachbarten wendischen oder Seestädten, sie 
ladet nach Lübeck ein und entschuldigt sich gleichsam damit, weil sie in der 
Mitte der über einen so* grossen Umfang verbreiteten Städte liege. Dieser Umfang 
ist sehr gross, alle norddeutschen Gemeinden sind eingeladen, die nach Flandern 
Handel treiben , nicht nur die im eigentlichen Deutschlande , in dem eroberten und 
vereinten Wendenlande belegenen, w^orunter vielleicht die Preussen, die nicht beson- 
ders und nahmentlich aufgeführt werden, mit begriffen waren; sondern auch die 



AUSBILDUNG D. VEREINE D. KFL. U. STÄDTE im 14. JAHRH. bis 1360. 47 

deutschen Gemeinden In GolUand und Polen, obwohl diese Länder fremde Herr- 
schaft anerkannten. Wir wissen aus spätem Nachrichten, dass die Stadt Cracau 
d. h. gewiss die deutsche Gemeinde daselbst, als ein vollkommenes Glied der Hanse 
betrachtet wurde, wie es von den Deutschen auf Wisby längst bekannt ist, und 
in der Ordnung der Niederlage zu Brügge unter den Schweden, die in den 
schwedischen Städten angesiedelten Deutschen, zu einer besondern Gemeine ver- 
eint, verstanden wurden. 

Man sieht aber zugleich aus jenem Schreiben Lübecks an Osnabrück, wie 
man, da gewiss nur Wenige erschienen, dennoch wegen eines durch diese zu 
fassenden gültigen. Alle verbindenden Beschlusses sich vorzusehen pflegte. Die 
ganze Einrichtung, wie sie später sich entwickelte und festsetzte, bestand schon 
wirklich, obwohl Manches noch schüchtern und höflich angedeutet ward, was 
nachmahls als in unvordenklichem Herkommen gegründet, oder durch die Abfas- 
sung förmlicher Beschlüsse feststand. Man sieht endlich aus jenem Schreiben, wie 
die allgemein verbreitete Theilnahme aller Niederdeutschen an dem reichen Verkehr 
mit Flandern dem Vereine der Kaufleute und Städte und dessen Ausbildvmg höchst 
förderlich war 1). 

Der Nähme Hansestädte kommt aber in dieser Urkunde nicht vor, er er- 
scheint, so viel bewusst ist, zum ersten Mahle in einer Ordnung, welche der 
Rath der Stadt Anclam im J. 1330 seinen Krämern daselbst ei-theilte, gleichwie, 
so heisst es daselbst, dergleichen den Krämern zu Lübeck, Stralsund und in andern 
Hansestädten, an der See belegen, von ihrem Rath ertheilt worden wären 2). 
Diese Bezeichnung der Städte ist mit dem früher vorkommenden Worte Hanse 
oder Hense, zur Bezeichnung des Vereins der Kaufleute einzelner Städte in Flan- 
dern , oder der Gesellschaft der in England sich aufhaltenden deutschen Kaufleute 
nicht zu verwechseln. Dieses Wort Hansestädte soll entweder die Städte be- 
zeichnen, weil sie in einer Verbindung wie die Kaufleute mit einander stehen, 
oder es soll anzeigen, dass es Städte seyen, deren Bürger Theil an den Handels- 
gesellschaften oder Hansen haben, welche die Norddeutschen besonders im Auslande 
eingegangen waren. Wahrscheinlich war auch diese Bezeichnung bey den Städten 
der Ostsee schon <lamahls üblich, da der Rath einer nicht einmahl sehr 
bedeutenden Stadt bey einer Verordnung fiir seine Bürger sich derselben als 
bekannt, bedient. 



i) Wigaud» Archiv Ar die Gcachichle VTeitphalcns LH. 4. S.21. 2) Urk. t. J. 1330. 



4g ERSTE ABTH. VIERTER ABSCHN. 

Aber dieser Ausdruck Hansestädte ist doch noch gar nicht weitverbreitet. 
In den andern Urkunden kommt er erst einige Jahrzehnde spater vor. Zwar in 
den Freybriefen und Urkunden, welche König Magnus von Norwegen, Schweden 
und Schonen den Städten ausstellte, wähi-end der Jahre 1343, 1344 und 1357i 
kommt das Wort deutsche Hanse und zwar zum ersten Mahle, als von den 
scandinavischen Königen gebraucht, vor: allein von Hansestädten ist darin nicht 
die Rede, sondern nach Aufluhrung einzelner östlich belogenen Seestädte, denen 
die Freyheiten ertheilt werden, folgt der Zusatz, und allen Kaufleuten der 
deutschen Hanse, oder es ist darin von den Seestädten, oder den Kaufleuten 
der deutschen Hanse, die in Bergen sich aufhalten, die Rede, gleichwie früher 
von Kaufleuten der deutschen Hanse, die in England oder zu London weilen, die 
Rede war, keinesweges aber kommen darin Hanse - Städte , oder Städte der 
deutschen oder grossen deutschen Hanse vor. Die Städte nennen sich selbst in 
einem Beschwerdeschreiben an den König von Norwegen v. d. J. 1354j mercatores 
de hansa theutonicorum ^ nicht Hansestädte l). 

Merkwürdiger und entscheidender sind aber in dieser Beziehung die Ver- 
handlungen auf einer Versammlung der Abgeordneten mehrerer Städte, die zu 
Lübeck im J. 1358 (20 Jan.) zusammentraten. Wir Rathmänner, heisst es daselbst, 
der Städte Lübeck, Goslar, Rostock, Stralsund, Wismar, Braunschweig, als 
Glieder desselben Drittels (des sächsischen und wendischen nach der zu Brügge 
üblich gewordenen Eintheilung) der Kaufleute des römischen Reichs von 
Allemannien von der deutschen Hense, die zu* Brügge sich aufhalten, und von 
wegen anderer Städte desselben Drittels, die uns ihre schrifUichen Vollmachten 
geschickt haben, zugleich mit den Rathmännem der Städte Thom, Elbing, mit 
Vollmacht der preussischen Städte, beschliessen wegen des Unrechts, welches dem 
gemeinen Kaufmanne von Allemannien von der deutschen Hense in 
Flandern geschehen ist, dass der Verkehr mit diesem Lande aufgehoben seyn soll 
Es kommen jedoch in derselben Urkunde zuerst auch folgende Ausdrücke vor : Jede 
Stadt soll ihren Bürgern gebieten , dass keiner derselben , keiner ihrer Kaufleute, 
dass Niemand von der deutschen Hense weiter nach Flandern als bis zur 
Maas fahren solle. Würde Jemand, der nicht in der deutschen Hense wäre, zu 
Land oder zu Wasser in ^inen Hafen oder in eine Stadt kommen, die in der 
deutschen Hense wäre, so soll er Gleiches geloben. Sollte auch Jemand 



1) Urk. CLXXX uud audere bey deu angeführten Jahren« 



AUSBILDUNG D. VEREINE D. KFL. U. STÄDTE im 14. JAHRH. bis 1360. 49 

Von der deutschen Hense gegen diese gefasslen Beschlüsse handeln, und flüciitig, 
in einer andern Stadt von der deutschen Hense aber ergrififen und 
schuldig befunden werden; so soll er in der Stadt kein sicheres Geleit haben, 
man soll vielmehr daselbst über ihn richtet; und sollte eine Stadt von der 
deutschen Hense sich diesen Beschlüssen frevelhafter Weise nicht unterwer- 
fen wollen, so soll sie auf ewige Zeiten aus der deutschen Hense gestossen 
werden und des deutschen Rechts entbehren i). 

Diese Urkunde lässt keinen Zweifel. Es ist hier nicht mehr allein von den 
Kaufleuten, die in der deutschen Hense sind, sondern von deutschen Hensestädten 
die Rede, die mit einander in einer Verbindung stehen, wie früher die deutschen 
Kaufteute in der Fremde gestanden hatten, von denen die alte Bezeichnung 
ihres Vereins und der Nähme Hense oder Hanse nun auch auf den Verein der 
Städte übertragen ward. Von dem damahligen Umfange der Verbindung unter 
den Städten erhellet jedoch aus den Urkunden nichts Befriedigendes; es ergibt 
sich nur, dass einiger Städte Abgeordnete, nach der beym gemeinen Kauf- 
nianne in Brügge üblichen Eintheilung, des ersten Drittels der wendischen und 
sächsischen Städte nähmlich, und einiger preussischen , mit Vollmacht anderer 
Städte ihres Drittels versehen, diese allgemein verbindlichen Beschlüsse für Alle, 
die in der deutschen Hense sind, fassen, Strafen bestimmen und die Ausstossung 
von Kaufleuten und Städten, welche diesen Beschlüssen widerstreben sollten, be- 
lieben. Diess scheint nur dadurch erklärt werden zu können, dass man die Ein- 
willigung der andern Städte, der westphälischen , Gothlands und der livländischen 
Städte gewiss war, oder sie zu erhalten hoffte: oder dass die Beschlüsse zwar 
allgemein ausgedrückt, doch nur eigentlich für die wendischen, sächsischen und 
preussischen Städte eine verbindende Kraft hatten. Das Ganze zeugt von dem 
grossen Ansehen und dem Einflüsse Lübecks und der wendischen Städte auf alle 
Angelegenheiten des Vereins, worüber, indess auch in andern Fällen sich Unzu- 
friedenheit bey den übrigen Städten gezeigt hat. 

Eben daraus scheint sich aber auch zu ergeben, dass der allgemeine Verein 
der Städte noch keinesweges fest gebildet war, auch heisst es am Schluss dieser 
Urkunde: Sollte eine Ausgleichung zwischen dem (gemeinen) Kaufmanne und den 
Flämlngern wegen des von ihnen erlittenen Unrechts Statt finden, so soll diese 
keinen Fortgang haben, es willigten denn alle vorbenannte Städte ein, und die 



1) CLXXXIIL 



/ 



50 ERSTE ABTH. VIERTER ABSCHN. 

andern Städte^ die dazu gewonnen werden {de se dar io hehben moghefi). 
Alle Rathmänner der vorbenannten Städte, und alle die, welche in Briefen ihre 
Einwilligung oder Vollmacht gesandt haben, wollen, dass diese Beschlüsse stets 
und fest gehalten werden sollen. 

Man sieht so ziemlich, wie solche mehr oder weniger allgemein verbindende 
Beschlüsse auf den Versammlungen der Abgeordneten einiger und der angese- 
hensten Städte damahls zu Stande kamen ^ später wurden dergleichen auf allge- 
meinen Hansetagen gefasst; aber in den spätem wie in den frühern Zeiten sind 
die Beschlüsse von den angesehensten und mächtigsten Städten stets ausgegan- 
gen. Diese, wenn man so sagen darf, aristokratische Vorherrschaft hat immer 
fort gewährt, und wenn einzelne der angesehensten andern mächtigen widerstreb- 
ten, ganze Drittel, um nach der damahligen Eintheilung zu reden, ihre Zustim- 
mung verweigerten, trotzig bey ihrem Willen beharrten, so fehlten die Mittel, 
dem gefährlichen Zwiespalte zu begegnen : es ist diese vielen solcher Verbindungen 
nur zu gemeine Krankheit, an welcher zuletzt auch dieser Verein, gleicli so 
vielen andern, zu Grunde gegangen ist. Es erhellet aus den vorhandenen Urkunden, 
dass selbst so nah benachbarte Seestädte, wie Bremen und Hamburg, den übri- 

• 

gen östlich belegenen Seestädten widerstrebten , » dass sie selbst in den Fehden 
nicht immer gemeine Sache mit den übrigen machten, oft nur erst dann sich an- 
schlössen, wenn die östlichen glücklich waren, um des daraus entstehenden Vor- 
theiles theilhaftig zu werden. Die östlich belegenen Städte waren mehr denn die 
westlichen, wegen der Herrschaft auf der Ostsee besorgt, Hamburg mehr wegen 
der sichern Fahrt auf der Elbe, Bremen wegen der auf der Weser; Cöln war 
am lebhaftesten, von Anfang an, wegen des Verkehrs mit dem Niederlande und 
England bemüht, und wiewohl diese Stadt sehr früh auch an dem schonischen 
Fischfange und an dem Verkehr mit Norwegen Theil genommen hatte, so schien 
sie sich mit der Zeit doch mehr auf England und die Niederlande, den Süden 
und Westen zu beschränken. Die holländischen, seeländischen , friesischen und 
die benachbarten Städte folgten Cöln's Beyspiel, doch nahmen sie fortdauernd an 
dem schonischen und norwegischen Handel grossen Theil, während die ange- 
sehenem sächsischen und westphälischen Städte, die früher einen so grossen 
Antheil an dem entferntesten Handel, östlich selbst mit Gothland, Russland, 
sowohl wie mit Dänmark und Schweden, genommen hatten, diesen allmählich 
mehr den nahe benachbarten der Ostsee überlicssen , und wie leicht be- 
greiflich, sich gleichfalls mehr auf die Niederlande und England beschränkten*, 



AUSBILDUT^G D. VEREINE D. KFL. U. STÄDTE im 14. JAHRH. bis 1360. 5^ 

während die wendischen Städte, Hamburg und Bremen, fort und fort nach allen 
Richtungen hin sich thätig bewiesen, un(L eben dadurch auch vorherrschend 
wurden. 

Auf diese Weise entstanden oft yerschiedenartige Interessen, Eifersucht und 
"Widerstreben, vollends bey den Fehden mit benachbarten Herren, welche Auf- 
wand forderten, den nicht Alle gleichmässig zu machen beabsichtigten. Wider- 
strebte eine bedeutende Stadt, so war die Vereinigung und Hülfe schwer; *sie 
zu unterwerfen, gelang nur dann, wenn sie durch den Ausschluss aus der 
Gemeinschaft zu sehr litt. Wir haben ein Beyspiel aus dieser Zeit von einer der 
angesehensten Städte, die sich unterwerfen musste. 

In einer Urkunde von demselben Jahre {^Steph. protomartyr. 26. Dec. 1358.) 
erklären die Ratlimänner und Gemeinde der Stadt Bremen den Rathmännem der 
Seestädte und auch anderer Städte und den gemeinen Kaufleuten 
der deutschen Hanza {^de hanza Theutonicorum) des heiligen römischen 
Reichs, zu gi'össtem Dank verpflichtet zu seyn, wegen ihrer Wiederaufnahme 
in den Verein, und weil ihnen der Genuss der Freyheiten und Rechte wieder 
verstattet worden, von welchem sie, seit einiger Zeit, ausgeschlossen gewesen 
wären; sie erklären Jedermänniglich , und bekennen hiermit öffentlich, dass sie alle 
Beschlüsse, die von ihren Abgeordneten und Rathmännem, Heinrich, genannt 
Doneldey, und Bernhard Dettenhusen auf der jetzigen Tag fahrt zu Lübeck 
mit den Rathmännem dieser Stadt und denen der anderen Städte, die daselbst 
versammelt sind, Nahmens der Kaufleute der vorbesagten Hanza beliebt worden, 
unverbrüchlich halten wollen, und zwar geloben sie; 

1. Dass, wenn die Stadt Bremen von den untengenannten Städten, nähmlich 
Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald zum Besten aller bemeldeten 
Kaufleute zur Hülfe und Vertheidlgung des Sundes aufgefordert würde, sie ein 
gutes Schiff mit fünfzig Bewaffneten und den nöthigen Krlegsgeräthschaften versehen 
auf eigene Kosten und Gefahr senden, und wenn ihr und ihren Verbündeten 
der Sieg verbleibe, sie mit ihnen die Beute, die sie von den Seeräubern machen 
würden, nach Zahl der gestellten Mannschaft theilen wolle. 

2. Wenn aber die Rathmänner von Hamburg Bremen zur Vertheidlgung der 
Elbe auffordern, so gelobt die Stadt nach der Elbe auf eigene Kosten und Ge- 
fahr ein Schiff mit hundert Bewaffnelen zu schicken. Mit Vertheilung des Ge- 
winnstes oder der Beule soll es auf die vorbeschrl^bene Weise gehalten werden; 

G 2 



52 ERSTE ABTH. VIERTER ABSCHN. 

sollte aber eine grössere Hülfe erforderlich seyn, so wird auch diese zu sen- 
den geloht. 

3. Bremen verspricht alle Verträge und Beschlüsse der Rathmänner der 
vorhenannten Städte Nahmens aller vorbenannten K^ufleute zu 
halten; sollte aber einer ihrer Bürger nach Orten seegeln oder sie besuchen, 
welche durch die vorbenannten Rathmänner und Kaufleute verboten sind, so 
soll er mit dem Verluste des Gutes und des Lebens {et corpore) bestraft werden, 
also dass zwey Drittel der Güter den vorbenannten Kaufleuten, das dritte Drittel 
der Stadt , wo er festgenommen worden , zufallen soll ; doch verbleiben 
dessen übrige Güter, die er in Bremeb oder an andern geschützten Orten hat, 
seinen Erben und Verwandten. 

4. Die Stadt Bremen erklärt femer, dass den vorbenannten Kaufleuten aus 
den durch sie, wähi*end der Zeit ihres Ausschlusses aus der Gemeinschaft, in 
England, Norwegen und Flandern erworbenen Vorzügen und eingegangenen 
Verträgen kein Schaden erwachsen solle. 

5. Würden endlich der Rath oder die Gemeinde der Stadt Bremen oder 

* 

Einer aus ihrer Mitte, oder ein Anderer in ihrem Nahmen und mit ihrem Vor- 
wissen gegen die vorgeschriebenen Beschlüsse handeln; so willigen Rath und Ge- 
meinde der Stadt ein, dass sie und ihre Nachkommen von der Hense der vor- 
bemeldeten Kaufleute und von ihren Freyheiten für immer ausgeschlossen und des 
Rechts derselben verlustig seyn sollen. 

Es ist einleuchtend, welchen Werth Bremen darauf setzte, Glied des Ver- 
eins der Kaufleutc und Städte zu seyn; sie hatte schon lange mit den übrigen 
nicht in bestem Verständnisse gelebt; die besonderen Begünstigungen, die sie in 
Norwegen erhalten hatte, woselbst sie es mit dem Könige gegen die Städte hielt, 
war nicht so leicht vergessen, und eine verbotene Fahrt eines ihrer Bürger, und 
die Beschuldigung, dass ein Anderer aus ihrer Mitte, der jedoch kein Bremer 
war, von einem Schloss die Fahrt auf der Elbe gestört habe, kam hinzu. 
Wenn Bremen für ihre Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der See— und 
andern Städte und des gemeinen Kaufmanns der deutschen Hanza 
dankt, wenn sie erklärt, dem Aufgebote der alten fünf wendischen Städte, und 
dem der Stadt Hamburg zur Vertheidigung des Sundes und der Elbe folgen zu 
wollen, so wie den Beschlüssen der See- und anderen Städte sich zu unter- 
werfen, wenn sie diess auf eiuer Versammlung der Abgeordneten mehrerer Städte 
zu Lübeck erklärt: so scheint immer noch bey den Ausdrücken und an der Form 



AUSBILDUNG D. VEREINE D. KFL. U. STÄDTE im 14. JAHRH. bis 1360. 53 

Etwas zu fehlen; allein die Sache liegt doch bereits fast völlig ausgebildet vor 
Augen 1). 

Von dieser Zeit an kommen nun auch immer mehrere Urkunden und 
sdbst aus deinselben Jahre vor, welche die grössere Ausbildung des städtischen 
Vereins bewahrheiten, und bezeugen, dass die Macht von dem gemeinen Kauf- 
manne immer mehr in die Hände der verbundenen Städte übergegangen war, 
dass auch allgemeinere Versammlungen, unbeschadet der. besondem, dass Ver- 
sammlungen der Abgeordneten der Hansestädte Statt fanden; wenigstens haben 
vyir von dieser Zeit an mehrere unverwerfliche, diess beweisende Urkunden, 

In einem Einladungs - Schreiben Lübecks an Rostock ( Epiphan. Domini 
6. Jan.) V. X 1359 ^^ einer Tagfahrt bezieht sich Lübeck auf eine frühere Versammlung 
städtischer Abgeordneten in ihrer Mitte, die im abgelaufenen Jahre, auf aller 
Heiligen, am I.November d. J. 1358, gehalten worden. Es hatte, wie es scheint, 
ihr Abgeordneter, der Augustiner Mönch Peter, jiicht die befriedigende Antwort 
aus Flandern gebracht, die man erwartete; auch waren in der Zwischenzeit 
andere Streitigkeiten zwischen den Deutschen und den Flämingem eingetreten. 
Darauf waren, wie Lübeck in dem Schreiben ferner sagt, die Rathmänner der 
Städte Hamburg, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Anclam und Demmin 
mit Lübeck auf einer Versammlung zu Rostock auf Jüngst vergangenem Nicolai- 
fest (6. Dec.) 1358 von Neuem zusammengetreten und hatten einstimmig beliebt, 
dass Briefe an alle Städte, welche gemeinhin zur deutschen Hanse 
gehören (^omnes communiter ad hansam teuthonicorum periinentes civifafes), 
gleichwie sie im vorigen Sommer des abgelaufenen Jahrs in Lübeck versammelt 
gewesen, wiederum, auf nächsten Johannis (24. Jun.) d. J. 1359y ebendaselbst zur 
Berathung zu erscheinen hätten, um über die gegen die Fläminger zu ergreifenden 
Maasregeln , die Vermeidung der Fahrt durch den Sund , und was rur Erhaltung 
des Friedens zur See, Jegliche Seestadt an Hülfe zu stellen habe, zu berathen. 
Zu diesen und andern zu fassenden Beschlüssen aber sollen die Abgeordneten 
mit hinlänglicher Macht versehen werden. Lübeck richtet nicht nur diese 
Bitte ins Besondere an Rostock , sondern sie ersucht auch dieselbe , eine 
Abschrift dieses Schreibens im eigenen Nahmen und unter ihrem Siegel den 
märkischen Städten, welche dieses Geschäft, mitangeht, zuzusenden, da sie 
(Lübeck) bereits andere Briefe den sächsischen und wcstphälischen 

1) CLXXXVU. b. 



54 ERSTE ABTH. VIERTER ABSCHN. 

Städten, ferner an Gothland und Cöln, so wie an die preussischen und 
livländischen Städte durch ihren Bothen {cnrsorem) geschickt habe. 

Diesem gemäss hat denn auch die Stadt Rostock eine gleichlautende Einla- 
dung an die märkischen Städte Pritzwalk, Kyritz, Berlin und Cöln (an der Spree), 
Ha\clbefg, Werben, Seehausen, Stendal, Gardelege, Soltwedel und Perleberg 

erlassen i). 

Diese Urkunden lassen gar keinen Zweifel über den -vollkommenem Verein 
der Städte zur deutschen Hanse und zwar in einer solchen Ausdehnung, dass auch 
die kleinern Städte zu diesen Hansetagen berufen wurden, wenn ihr Wohl bey 
den yorzunehmenden Verhandlungen mit im Spiel war. 

Die Verbindung unter den Städten in dieser Ausdehnung kommt hier zuerst 
so bestimmt vor, auch der Nähme: Städte, die zur deutschen Hanse ge- 
meinhin gerechnet werden; ihre ZusammenkünRe werden auch von andern 
und nahmentlich denen der Seestädte unterschieden. Es ist indess auch in 
dieser Zeit von einem schriftlich aufgesetzten Vereine nicht die Rede, weil sich 
die Sache ganz von selbst gemacht hatte. Bey diesem allgemeinen Vereine be- 
standen aber die besondem fort, und neue der Art wurden eingegangen. 

So vereinigen sich in dieser Zeit, das Jahr ist nicht angemerkt, aber höchst 
wahrscheinlich ist es vor dem Jahre 1360 geschehen, die Städte Lübeck, Ham- 
burg, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Anclam und Demmin auf drey 
Jahre mit einander, wie es früher und oft besonders von den erstem fiinf, mit 
Ausnahme Hamburgs, geschehen war, gegen die Fürsten und Herren, die sie 
belagern oder in ihren Rechten kränken würden. Es sollen nähmlich die nicht 
angefallenen Städte durch Vermittelung ihrer Bothen und Briefe bey den Herren 
sich der übrigen annehmen, und wenn diess unthunlich, den Herren aber gefiele 
einen Tag zur Beylegung in Freundschaft oder Recht zu bestimmen, so sollen sie 
auch dazu befugt seyn; gelingt aber auch dieses nicht, so sollen die verbunde- 
nen Städte weder mit Lebensmitteln, Waffen, oder anderen Gütern, weder 
heimlich noch öffentlich ihnen Hülfe gewähren, dagegen die Bürger der bedräng- 
ten Stadt mit aller Sicherheit und Freyheit, wie zuvor, in die übrigen vereinten 
Städte kommen dürfen; 

Zugleich fassten diese Städte um dieselbe Zeit andere, oft' genug in etwas 
anderer Form später vorkommende , und auf allgemeinen Versammlungen beliebte 

1) CLXXXVIir. CLXXXIX. 



AUSBILDUNG D. VEREINE D. KFL. U. STÄDTE im 14. JAHRH. bis 1360. 55 

Beschlüsse: dass die mit dem Kreuz Bezeichneten, nicht in den Städten zu 
dulden seyen, wenn sie nicht mit dem liibischen Rechte zufrieden seyn wollten; 
femer, dass eine gleiche Grösse der (Härlngs) Tonnen unter ihnen gehalten wer- 
den solle, so dass die Rathmänner von Wismar denen -von Lübeck und Ham- 
burg das Maas der Länge und Breite ihrer Tonnen, so wie ferner denen von 
Rostock, Stralsund und Greifswald mittheilen sollten. Dieselben Beschlüsse waren 
jüngst zu Lübeck schon gefasst worden, hatten aber keine Wirkung gehabt, 
indem die Stralsander , ' ohne' die Colberger, nicht hatten einwilligen wollen, 
vielmehr ward die Sache auf eine zweyte Zusammenkunft verschoben. 

Auch ward beschlossen. Keinem in einer der Städte Schutz und sicheres Gelelt 
zu geben, der wegen unbezahlter Schulden eine andere Stadt verlassen würde; 
keine Stadt soll eben so wenig ihre eigenen Bürger gegen die Schuldforderungen 
der Bürger einer andern Stadt schützen; doch soll sich dieser letzte Punct nicht 
auf Greifswaid, Anclam und Demmin, (man weiss nicht warum), erstrecken i). 

Man sieht deutlich, dass bey den Verbindungen der einzelnen Ablheilungepi 
der Städte ihre Willkür und Freyheit sehr vorherrschend blieb, dass der allge- 
meine Verein die Freyheit jeder Stadt oder der näher vereinten Städte, schonen 
musste; diess ist zu allen Zeiten des Bundes der Fall gewesen, und nur die 
Vereine der Kaufleute in der Fremde sind von nun an , bey der Ausbildung des 
allgemeinen Vereins, mehr in Abhängigkeit von demselben gekommen. 

Es hat nur ganz allmählich und erst in spätem Zeiten die Gewalt der 
Hansetage und deren Beschlüsse auf alle Städte mehr Kraft erhalten können; die 
allgemeine Verbindung enger zu schliessen, ist durch das Glück, womit einige 
Fehden mit den scandina vischen Mächten geführt wurden, vorbereitet worden. 
Von diesen Fehden wird zuvor zu reden seyn. 

FÜNFTER ABSCHNITT. 

Fehden der verbundenen norddeutschen Städte mit den scandinavischen Mächten zur Erweiterung 

ihres Einflusses, zur Begründung ihrer Haudelsberrschaft daselbst, und zur Anerkennung 

ihrer Verbindung unter dem Nahmen Kaufleute und Städte der deutschen Hanse. 



IJer unruhvolle Zustand in den scandinavischen Reichen dauerte fort, die Könige 
Sassen unsicher auf ihren Thronen. Allein von Zeit zu Zeit bestieg doch ein 



1) CXCI. 



56 ERSTE ABTH. FÜNFTER ABSCHN. 

Icräftlger und lüclitiger König denselben, und wenn das Glück ihm günstig war, 
so trat auch die alte Gefahr für die Städte sogleich wieder ein. 

Besonders war diess mit Dänmark, der gefahrvollsten Macht für die 
Städte, der Fall, als König Erivh Menved (1286) den dänischen Thron bestieg. 
Zwar erfreuete er sich auch keines ruhigem Besitzes, als seine Vorfahren; allein 
er war von Zeit zu Zeit, zum Nachtheile der norddeutschen Landschaften, glück- 
licher gegen seine innem und auswärtigen Feinde. Die Herren von Meklenburg 
empfingen von ihm ihr Land als dänisches Lehn, Rostock musste deni Könige 
huldigen; zur Bezähmung des Landes und der stolzen Bürger der Stadt legte er 
im J. 1301 Danskeburg an der Mündung der Warno an. Selbst Lübeck, die 
angesehenste Stadt des nördlichen Deutschlandes an der Ostsee, von Fehden 
gedrängt, begab sich auf zehn Jahre im J. 1307 i^ d^s Königs Schutz; sie, die 
noch kurz zuvor so glücklich gegen Dänmark gefochten, die so ruhmvoll und 
allein der dänischen Seemacht widerstanden hatte, gelobte, nun während 
dieser Zeit, jährlich siebenhundert und fünfzig Mark Silbers dem Könige zu 
entrichten, und versprach, sich nicht dawider zu setzen, wenn das Reich ihm 
die Oberherrschaft über sie abtreten würde; dagegen ihnen der König freyen 
Handel selbst mit seinen Feinden zusagte, doch mit dem Vorbehalte, ihnen keine 
Hülfe gegen ihn zuzuführen, und dass während jener zehn Jahre Dänen und 
Lübecker als ein Volk betrachtet werden, d. h. ohne Zweifel gleicher Handels- 
freyheiten theilhaftig seyn sollten« 

Erichs Absichten wurden endlich deutlich genug , als er , auf den Fall des 
Aussterbens der Fürsten von Rügen, deren Land nicht nur als Lehn, sondern 
als Erbgut mit seiner Krone verbinden wollte, als er die Lehnshoheit über die 
pommerschen Fürsten ansprach, und Beydes durch Verträge und Zwang erhielt. 
Somit entwickelte sich eine höchst dringende Gefahr für die deutschen Seestädte 
in Pommern und Meklenburg, über deren KecJcheit ohnehin so mancher der 
wendisch -deutschen Fürsten klagte. 

In dem zweyten Jahrzehnde des vierzehnten Jahrhunderts schienen der 
König und seine debtsch — wendischen Lehnleute in Meklenburg, Pommern und 
Rügen den Untergang der freyen städtischen Gemeinden dieser Gegenden, vor- 
nehmlich Rostocks, Wismars, Greifswalds und Stralsunds beschlossen zu haben. 
Wirklich fielen auch diese Städte, da sie allein in der Gefahr auf ihre eigene 
Macht sich beschränkt sahen, in dicv Gewalt ihrer Feinde. Selbst von der früher 
mit ihnen so eng verbundenen Stadt Lübeck ist, wie es scheint, keine IJülfc 



FEHDEN D. VEREINTEN STÄDTE WÄHREND DES 14. JAHRH. bis 137a 57 

erschienen. Die vier Städte unterlagen nach einem muthvollen aher ungleichen 
Streite, und büssten durch Schätzung und Huldigungen ihren Widerstand und ihr 
hoffärttges Betragen gegen ihre Herren. 

Allein vielmehr, als diess, ward dennoch nicht ausgerichtet, obgleich der* 
König, fast mit allen benachbarten Fürsten und Herren dieser Gegenden, sich 
zur Vernichtung der städtischen Frey hei t in Verbindungen eingelassen hatte. Theils 
leisteten seine Verbündeten unvollkommen das, was sie versprochen hatten, theils 
ward der König von Verfolgung seines Zwecks durch Gährungen in Jütland ab- 
gerufen. Der Sturm ging vorüber, die Huldigungen wurden in der Folge wenig 
geachtet, und durch die zunehmende Wohlhabenheit die Geldbusse verschmerzt. 

In der drohenden Gefahr liir die deutschen Städte dieser Gegenden hat 
keine der andern östlichen, fem oder nah belegenen den Bedrängten, so viel 
man weiss, öffentlich bey zustehen gewagt, welche geheime Wünsche sie auch hegen 
mochlen. So unvollkommen war also gewiss und von so geringem Nutzen in 
dieser Beziehung zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts die Verbindung unter 
den niederdeutschen Slädten, in so fern eine solche damahls bestand. Gewiss 
würden auch die Könige und Fürsten des Nordens diese freyen Gemeinden gar 
bald wieder unterdrückt haben, wenn sie nur im Innern ihrer Länder die Ruhe 
dauernd hätten erhalten, und unter einander zum gemeinsamen Zweck verbunden 
bleiben können. Diess war nicht der Fall; neue Unruhen, neue Fehden führten 
neue Bedürfhisse herbey, welche die Städte durch Darlehn befriedigten j der Geist 
der Zeit, der ihre Freyheit hervorgerufen hatte, schützte sie auch. 

Als Christoph II. im J. 4320 in Dänmark den Thron bestieg, fand er ein 
durch lange Unruhen und Fehden erschöpftes Reich vor, viele Krongüter, woraus 
des Königs Einkommen ganz vorzüglich entsprang, verpfändet, und einen Krieg im 
Innern, welcher ihm die Krone zu entrelssen drohte. Er flüchtete, den Empörern 
zu entgehen, im sechsten Jahre seiner Regierung aus seinem Reiche nach Rostock. 
Ein Gegenkönig ohne Macht ward erwählt; die Grossen vertheiltcn die Provinzen 
des Reichs unter sich, welches er um so eher zugab, da diess die Bedingung 
seiner neuen Würde war, und diese leere Würde immerhin für einen Ehrgeizigen 
einigen Reiz hatte. 

Die Fehden theilten sich den dänischen Kronlehen diesseits der Ostsee mit; 
in dem wilden Getümmel in Meklenburg, Pommern und Rügen fochten die 
Städte Anklam, Demmin, Stralsund und Greifswald für den entsetzten rechtmässig 

H 



5g • ERSTE ABTH. FÜNFTER ABSCHN. 

gen König, für Christophs Vasallen in Rügen, die unmündigen Prinzen des warlis- 
lavlschen Stammes gegen den Eindringling. 

Der vertriebene König bat bey den Städten Rostock und Lübeck um Hülfe; 
denn so war das schnell wechselnde Schicksal, dass der Nachfolger dessen, der 
die Städte mit dem Untergange bedrohte, ihre Unterstützung zur Behauptung 
seiner Krone bedurfte. Die deutschen Städte dieser Gegenden empfingen fiir sich 
und ihre Freunde im J. 1328 von ihm grosse Handelsfreyheiten in Dänmark, und 
mehr durch ihre Bemühungen bey des vertriebenen Königs Anhängern, als durch 
die Gewalt der Waffen, halfen sie ihm wieder zur unsichem Krone, aber nicht zur 
verlorenen Macht. Sie hatten, was sie wünschten, Handelsfreyheiten erworben, die 
dänischen Landestheile waren unter mehrere Herren vertheilt, und die Aussicht 

4 

zur gänzlichen Auflösung der grossen gefürchteten Macht ziemlich gewiss, als 
endlich Christoph im J. 1333 starb. 

Bey dieser Schwäche Dänmarks war durch die Vereinigung der beiden 
Reiche Norwegen und Schweden, seit dem J. 1319, unter Magnus Smäk eine 
gegründete Besorgniss bey den Städten entstanden , da der König gleich nach 
seiner Thronbesteigung, vertrauend auf die durch die Vereinigung fiir ihn ent- 
springende grössere Macht, Befehle zur Beschränkung ihres Verkehrs in Norwegen 
erliess, und gleich nachher auch durch die Unruhen in Dänmark begünstigt 
den Titel eines Königs oder Herrn von Schonen 'den übrigen beyfugte, und das 
für die deutschen Kauffahrer so wichtige Land erst dem Nahmen nach vereinte, 
dann pfandweise erhielt, bis er es zuletzt als Erbstück der schwedischen Krone 
einverleibte und den Dänen abkaufte. Vergebens baten Lübeck, Rostock und 
Stralsund im J. 1333 ihn um die Bestätigung ihrer alten Handelsfreyheiten in 
Schweden wie in Norwegen: der König liess sie hart an, sie erreichten ihre 
Wünsche nicht. 

Doch der wechselseitige Hass und die eigenthümliche Volksverschiedcnheit 
zwischen Schweden und Normannen half den deutschen Städten mehr als ihr 
eigenes Widerstreben; jene waren hinlängliche Bürgen, dass beide Reiche nie zu 
einem Ganzen vereint, dass ihre gemeinschaftliche Kraft nie beharrlich zu Unter- 
drückung der deutschen Gemeinden würde verwandt werden können. 

Bald zeigte sich auch der wechselseitige Hass in gefahrvollen Ausbrüchen. 
Vergebens versuchte König Magnus das Ungewitter dadurch zu besprechen, dass 
er in jedem seiner beiden Reiche einen seiner Söhne zum Mitregenten annahm, 
um somit jedem Volke gleichsam einen eigenen Konig zu geben, bald aber wollten 



FEHDEN D. VEREINTEN STÄDTE WÄHREND DES 14. JAHRH. bis 1370. 59 

beide nur seine Söhne und nicht mehr ihn als König anerkennen , und fechtend 
gjegen seine leibHchen Kinder^ so wie gegen die Grossen beider Reiche, ging die 
Ho£Enung einer einheitsvollen Verbindung derselben gänzlich verloren. Zugleich 
focht Magnus unglücklich gegen die Russen im Osten des schwedischen Reichs, 
im Westen gegen die Dänen; ein päpstlicher Bann vollendete die Verwirrung, 
und die fürchterliche Pest, der schwarze Tod genannt, verheerte endlich um die 
Mitte des vierzehnten Jahrhunderts den Norden und vornehmlich Schweden und 
Norwegen so , dass alle Hoffnung zum Bessern erstarb. 

Als es so wild in diesen Ländern aussah, da änderte sich auch das Verhält- 
niss derselben zu den deutschen Städten, die einige Zeit zweifelhaft bald den einen, 
bald den andern der gegen einander streitenden Theile unterstützten. Magnus 
verglich und verband sich mit ihnen, vorzüglich mit Lübeck, Hamburg, Rostock, 
Wismar, Stralsund und Greifswald im J. 1343 «nd ertheilte ilmen und allen 
Kaufleuten der Hanse der Deutschen die zuvor verweigerten Freyheiten, ja er 
vermehrte sie ihnen, wie sie es nur irgend wünschen konnten 1). 

Indess weder Ma£:nus noch das Reich Schweden konnten die verlorene Ruhe 
wieder gewinnen. Der König trat, um wenigstens eines gefährlichen Feindes sich 
zu entledigen, an Dänmark die von den Schweden so mühsam erworbenen Lan- 
destheile Schonen, Hailand und Blekingen heimlich wieder ab, und fugte diesen 
die alten Besitzthümer des schwedischen Reichs die Inseln Oeland und Gothland 
hixxzu. Allein. ,diess ward die Losung zum Aufstande £ir alle seine missvergnügten 
ünterthanen, und der Unwille gegen ihn stieg so hoch, dass ihn sein Sohn selbst, 
König Hakon von Norwegen, im J. 1361 gefangen nahm, welcher nun auch von 
den Schweden, < — da sein iBrudei: Erich, vormahliger Mitregent seines Vaters 
in diesem Reiche, gestorben war — als König anerkannt wurde. 

Unter diesen Unruhen in Schweden und Norwegen war in Dänmark allmäh- 
lich eine bessere Ordnung entstanden. Nach Christophs H. Tod verfiel das Reich 
in Anarchie, einige Jahre blieb es ohne König, die verschiedenen Landestheile 
waren unter die Grossen vortheilt; die dänischen Lehnträger in Deutschland, wie 
die Herzoge von Pommern entzogen sich der fremden Lehnshoheit und unter- 
warfen sich wiederum Kaiser und Reich. Allein mit Waldemar IH. (Atterdag) 
fing ein neues und besseres Leben wieder an. Seine Absicht ging zunächst dahin, 
die abgerissenen Theile des Königreichs zu sammeln und ein neues Dänmark 



O U. 1343 1 !• 

H2 



60 ERSTE ABTH. FÜNFTER ABSCHN. 

Wieder zu bilden. Er trat die entferntem und vereinzelten Theile ab, um die 
näher belegenen und zusammenhängenden gewisser zu behaupten, er \\^ss sich 
auf Kauf und Tausch ein, um einen festen Stamm in der Mitte zu bilden^ von 
wo aus alsdann die vermehrte Kraft nach Aussen wirken sollte. 

So verkaufte er das entfernte Esthland nach langer Fehde dem deutschen 
Orden im J. 1347, da er es doch gegen diesen und geg^n die Anfalle der Russen 
nicht schützen konnte. Dagegen wandte er seine Bemühungen auf die Wieder- 
erwerbung der alten der Krone entrissenen Theile, welche vordem den Kern des 
dänischen Reichs ausgemacht hatten, und hier war er meist glücklich. 

Die deutschen Städte, besorgt über Waidemars Fortschritte, schlössen sich von 
nun an mehr an Schweden und Norwegen, und waren wahrscheinlich als geheime 
Werkzeuge in verschiedenen Empörungen g^gen ihn nicht unthätig. In- 
dessen war die Eintracht und der ernste Wille bey ihnen noch nicht zu finden, 
welche sie einige Jahre nachher gegen den König zeigten, als sein grosses 
Glück sie aufschreckte, das sie zu einer engern Verbindung fiihrte und einen 
Kampf gegen ihn veranlasste, dessen Gleichen die deutschen Städte noch nie ge- 
wagt halten. 

Waldemar fing an mit Gewalt sich in den Besitz der Länder zu setzen, 
welche ihm König Magnus heimlich abgetreten hatte. Die deutschen Fürsten im 
Wendenlande, in Cassuben, Pommern und Rügen mussten wieder dänische 
Lehnshoheit anerkennen, des Königs Macht und Ansehen wuchs, so wie die Be- 
sorgniss der deutschen Städte, als er die Inseln Oeland und Gothland toit Gewalt 
besetzte , und auf dieser letzten , die durch ihren Handel berühmte , mit den deut- 
schen Gemeinden in so enger Verbindung stehende Stadt Wisby im J. 1361 
einnahm. 

Hier hatten die deutschen Seefahrer und Kaufleute ihre älteste und angese- 
henste Handelsgesellschaft gehabt, die Deutschen waren hier so zahlreich, dass sie 
schon seit langer Zeit einen ansehnlichen Theil der Stadt ausmachten, gleiches 
Bürgerrecht mit den Eingeborenen besassen und gleichen Antheil an der Stadl- 
regierang hatten. Diese Deutschen auf Wisby, wie sie genannt werden, bildeten, 
vollends seit dem Verfallen der grossen deutschen Handelsgesellschaft daselbst, 
eines der angesehensten Glieder in dem Vereine der norddeutschen Kaufleute und 
Städte. Vor den Mauern der Stadt starben im Kampfe gegen Waldemar's Heer 
achtzehnhundert Bürger, Deutsche und Gothländer; darauf fiel der Ort mit uner- 
messlicher Beute in des Königs Hände, die Mauer der Stadt ward von den 



FEHDEN D. VEREINTEN STÄDTE WÄHREND DES 14. JAHRH. bis 1370. gj 

Erobern zum Thell geschleift, Gothland und Oeland mit der dänischen Krone ver- 
bunden, und der Titel König der Gothen dem der Dänen und Wenden oder 
Slaven beygefiigt. 

Diess grosse Glück des gefiirchteten Nachbars weckte die deutschen Städte 
aus ihrem Schlummer gewaltig auf. Sie waren an ihren ältesten Rechten ge- 
kränkt, an ihrem EJgenthume hatten sie bey Wisbys Plünderung bedeutend 
eingebüsst; das unverschuldete Leiden der unglücklichen Schwester forderte zur 
Rache auf. Mit Waidemars Feinden, den Königen Magnus und Hakon von 
Schweden und Norwegen, traten die Seestädte Lübeck, Wismar, Rostock, Stral- 
sund, Greifswald, Anclam, Stettin und Colberg im J. 1301 in ein Bündniss, zu 
dessen Förderung die preussischen Städte wenigstens allen Handel mit Dänmark 
aufgaben und einen Pfundzoll bewilligten. Jenen Städten gesellten sich noch 
in demselben Jahre Hamburg, Bremen und Kiel bey, und die Könige ertheilten 
ihnen und Stade, ohne jedoch Kiel wieder nahmentlich zu erwähnen, und allen 
und jeden Städten und Kaufleuten der deutschen Hanse unschätzbare Freyheiten 
in ihren Reichen. Mit den Städten waren auch von den deutschen Fürsten der 
Graf Heinrich von Holstein und der Herzog von Meklenburg verbunden, und so 
zogen sie zur blutigen Fehde, von dem Grafen von Holstein und dem lübischen 
Bürgermeister, Johann Wittenburg, gefuhrt. 

Die Verbundenen entrissen dem Könige Waldemar die beiden Inseln Oeland 
und GotUand wieder, verdrängten oder schlugen seine Flotte. Als aber die 
städtische Macht auf den feindlichen Küsten landete, wurden ihre Schiffe über- 
fallen, tmd wenig von den verbündeten Königen unterstützt, erreichten sie mühsam 
und mit nahmhaftem Verluste die eigenen Häfen ; Wittenburg aber, den man mit 
Recht oder Unrecht einer Versäumniss beschuldigte, fiel auf offenem Markte zu 
Lübeck durch des Henkers Schwert, als Opfer der getäuschten Erwartungen. 

Indessen hatten die Städte einige Zeit den Zoll zu Helsingoer inne und die Insel 
Oeland oder die Feste Borgholm, welche letztere ihnen die Könige Magnus und 
Hakon verpfändet, und grössere Handelsfreyheiten in Schweden und Norwegen 
zugestanden hatten, auch ward alsbald ein Stillstand oder Friede mit Dänmark 
(im J. 1362) abgeschlossen und in den J. 1363 und 1364 erneuert oder verlängert, 
worin der König mit allen Herren und Städten, die in der deutschen Hanse sind, 
welchem auch Stade nahmentlich bey trat, abgeschlossen zu haben, erklärte: Es 
erthellte der König auf sechs Jahre vom J. 1365 an den Städten Lübeck, Rostock, 
Stralsund, Bremen, Hamburg, Kiel, Wismar, Greifswald, Stettin, Neu-Stargard, 



62 ERSTE ABTH. FÜNFTER ABSCHN. 

Colberg und allen denen, die in ihrem Rechte sind, welches die deutsche Hanse 
genannt wird, so wie allen Gästen in Schonen, die von der deutschen Hanse 
sind, mehrere Freyheiten, woran sich andere noch, nahmentlich einige kleinere 
livländische Städte, anschlössen. Diese Friedens- oder Stillstands - Verträge ge- 
diehen um so mehr, da sie auf städtischer Seite eifrigst gesucht wurden, indem 
ganz unerwartet die beiden mit den Städten verbundenen Könige der Verbin- 
dung wenig geneigt blieben , seitdem König HaLon von Norwegen die dänische 
Prinzessin Margaretha zur Gemahlin nahm. Die aus diesen veränderten Verhält- 
nissen unter den nordischen Reichen hervorgehende Gefahr entging den Städten 
nicht, ihre Bemühungen, die sie ins Geheim mit einigen verbundenen deutschen 
Fürsten betrieben, brachten es dahin ^ dass die Schweden ihre bisherigen Könige 
Magnus und Hakon, Vater und Sohn, der Krone verlustig erklärten, und sie 
ihrem Freunde, dem Herzoge Albrecht von Meklenburg, im J. 1363 antrugen, 

König Waldemar reisete indess in Europa umher, um mit andern Königen 
und Fürsten sich zu verbinden. Er wirkte von Kaiser Karl IV. einen Befehl aus 
^n die Stadt Lübeck, die dem Könige verpfändete und seit der Fehde ihm vorent- 
haltene Reichssteuer a\iszuzahlen. Papst Urban V. aber sagte ihm des heiligen 
Stuhls mächtigen Schutz zu. Es erfolgten die päpstlichen Befehle an die Bischöfe 
von Camin, Lübeck und Linköping, alle Empörer gegen den König und alle ihre 
mitverbundenen Fürsten und Städte in den Bann zu thun. Kein Stillstand oder 
Frieden zwischen W^aldemar und den Städten konnte dauernd bleiben^ er hatte 
sich auch in den Streit gemischt, der zwischen den abgesetzen Königen Magnus 
und Hakon von Schweden und ihrem zum Besitze gelangten Freunde Albrecht 
von Meklenburg ausbrach; dieser behielt zwar die Krone, doch sollte er Scho- 
nen, die Inseln Gothland und Oeland an Waldemar abtreten. 

Die Städte sahen wohl ein, dass von der Art der Beendigung dieser ver- 
schiedenen Verwirrungen, ihr Ansehen, ihr Handel, ihre Freyheit abhingen; sie 
verbanden sich daher im J. 1367 mit einander zu Cöln, um mit den Waffen ihre 
Widersacher zu bekämpfen, in einer grössern Ausdehnung als es bisher geschehen 
war. Alle östlich und wesdich an den deutschen Küsten belegenen Städte traten 
bestimmter, als es je zuvor der Fall war, gegen die l^eiden Könige Waldemar 
von Dänmarlj imd Hakon von Norwegen in eine Verbindung zusammen, die zu Cöln 
im J. 1367 v^^ ^^^ daselbst versammelten Abgeordneten einiger Städte der Ost- 
und Westsee, wie es scheint, Nahmens aller, wie sie an den Küsten von Livland 
und Preussen bis zur Zuiderscc, Holland und Seeland lagen, abgeschlossen ward. 



FEHDEN D. VEREINTEN STÄDTE WÄHREND DES 14. JAHRH. bis 1370. 63 

Bewundcrnswerth ist es, dass diese vielen Städte, gewiss weniger durch die Ver- 
bindung, als durch das ihnen allen gemeinschaftliche Gefühl erlittenen Unrechts 
und gemeiner Gefahr, die beliebte Zahl an Mannschaft und Schififen redlich stellten, 
und zur rechten Zeit vor und in dem Sund erscijienen: diese Eintracht ist nicht 
unbelohnt geblieben. 

Gegen Dänmark war der Kampf vornehmlich gemeint, gegen Norwegen nur, 
um den König Hakon von der Verbindung mit Waldemar und der Bekämpfung 
ihres Schützlings, des neuen Königs von Schweden, Albrechts von Meklenburg, abzu- 
halten, von dem sie bereits, im Fall eines glücklichen Erfolgs sowohl was Schonen 
als Dänmark betraf, die unschätzbarsten Handelsfreyhelten sich hatten zusichern 
lassen. Die Herren von Meklenburg und Holstein, so wie der nordjütische Adel 
waren auf Seiten der Städte mehr oder weniger besonders mit den wendischen 
verbunden, 

Bey der Annäherung des drohenden Sturms flüchtete König Waldemar nach 
Deutschland, um mit seinem geretteten Geldvorrathe Mannschaft zu werben, und 
um die Hülfe anderer deutschen Fürsten und des Kaisers Karls FV. anzusprechen. 
Allein mehr konnte er nicht erhalten, als eine wirkungslose kaiserliche Acht gegen seine 
Feinde und wider seine, gegen ihn aufgestandenen Unterthanen, w eiche der Kaiser, 
als vermeinter Inhaber der höchsten Gewtlt in allen weltlichen Dingen, aussprach: 
Mehr konnte Waldemar nicht erhalten, als einen Befehl an verschiedene deutsche 
Fürsten, welche als kaiserliche Bevollmächtigte in dem Streite des Königs mit seinen 
Nachbarn und Unterthanen eine Untersuchung einleiten und einen rechtlichen Aus- 
spruch thun sollten. Aber diese Untersuchungen und dieser Spruch, wenn es je 
anders dazu kam, konnten dem Könige nur wenig helfen, da diesen Bevollmächtigen 
des höchsten Oberhaupts dennoch alle wirkliche Macht fehlte, ihrem dereinstigon 
Spruche die Vollziehung zu verschafl'en, wie denn auch an des Kaisers Acht nach 
Sitte der Zeit sich Niemand kehrte. 

Während Waldemar bey Fremden vergebens um Hülfe sich bemühte, fühlten 
seine hinterlassenen Räthe die Grösse der Gefahr. An ihrer Spitze stand Henning 
von Podebusk, des Reichs Hauptmann, welcher den Sturm der von Seiten der 
Städte auf das Reich geschah, einige Zeit vergebens zu beruhigen oder ihm zu 
widerstehen suchte. Glücklicher Weise für Dänmark leisteten die Verbündele^ der 
Städte nicht, was zur beabsichtigten Theilung und Auflösung des Reichs hätte 
fuhren können. Der Mächtigste ihrer Mitverbundenen, Albrecht, ward vom Könige 
von Norwegen feindlich angefallen, und hatte Mühe sich zu behaupten. Die Städte 



64 ERSTE ABTH. FÜNFTER ABSCHN. 

allein verfuhren um so rascher, mit einem bisher noch nie gesehenen Glück, mit 
einer Eintracht unter so Vielen, welche sie selbst, so wie ihre Freunde und 
Feinde, in Erstaunen setzen musste. 

Da die Städte vergebens sich bemüht hatten, den König Hakon von Nor- 
wegen von der Thellnabme an der Fehde gegen den König Albrecht abzuhalten, 
da er seinem Vorsatze getreu ihren Freund feindlich überzog: so fielen sie nun 
auf die norwegischen Küsten, .plünderten Kirchen und Klöster, verheerten mehrere 
Städte mit Feuer und Schwert, fünfzehn Kirchspiele und legten zweyhundert 
Dörfer in Asche. Diess gewaltige Beginnen zwang den König Hakon sogleich 
zum Stillstande und zum Frieden, zur Entsagung seiner Ansprüche auf die 
schwedische Krone, zur Anerkennung Albrechts von Mecklenburg als König von 
Schweden, und zur Bestätigung aller von den Städten in Norwegen innehabenden 
Freyheiten in d. J. 1369 und 1370- 

Noch glücklicher waren die Städte gegen Dänmark. Ihre Flotte verheerte im 
J. 1368 einen Theil der dänischen Küsten, vorzüglich Schonen, wo sie Albrechts 
Unternehmungen unterstützten. Im folgenden Jahre eroberten sie Kopenhagen 
und den Schlüssel des Sundes, Helsingoer, ferner Nykiobing, Falslcrbo, und Ell- 
holm; sie verheerten und plünderten zu gleicher Zelt die seeländischen Küsten, 
nebst den Inseln Amack und Hween, und was bedurften sie nun weiter? Es 
war mehr, als wohin sie ihre kühnsten Hoffnungen mochten getragen haben; sie 
waren Herren des Sundes, Herren der festen Plätze der schonischen Halbinsel 
geworden, für ihr Gewerbe und Handel die wichtigsten Besitzungen des Nordens. 

Sechszehnhundert rüstige Männer von Lübeck zeichneten sich bey dieser 
Fehde vornehmlich aus. Der Stadt Rathsherren Everhard von More und Gott- 
schalk von Attendorn, waren die Anführer der Flotte; Bruno von Warendorp, 
ein lübischer Bürgermeister, ihr Hauptmann. Der letzte büsste im Kampf fiir 
seine Vaterstadt sein Leben ein; die Asche des Hochverdienten sammelten seine 
dankbaren Mitbürger im Chor von S. Marien zu Lübeck und über der Gruft 
ward sein Bildniss, Schild und Helm zur Nachahmung liir spätere Geschlechter 
aufgestellt. 

Diess grosse Glück schien dem Reichshauptmanne und den Reichsräthen 
Dänmarks, die in des Königs Abwesenheit die Regierung führten, so höchst ge-» 
fahrlich, dass sie Unterhandlungen anfingen, die auch schon gegen das Ende d. J. 
1369 und im J. 1370 zum Frieden führten. Vermöge dieses behielten die Städte 
die festen Plätze in Schonen nebst den dazu gehörigen Landstrecken, und zwey 



i 



FEHDEN D. VEREINTEN STÄDTE WAHREND DES 14. JAHRH. bis 1370- 55 

Drittel der daselbst fallenden königlichen Einkünfte auf fun&ehen Jahre zum 
Schadenersatze. Zugleich versprechen die Reichsräthe^ dass, wenn der König, 
wie zu erwarten stand , diese Bedingungen zu hart finden würde , ihm die Ruck*» 
kehr in sein Reich so lange verweigert werden sollte, bis er diesen Fried ensschluss 
angenommen und beslätigt haben werde. Er musste einwilligen, und bezeugte 
seine Zustimmung In mehreren Urkunden, die zwischen ihm, seinem Reichsrathe 
und den Städten ausgefertigt wurden. 

Zufolge derselben versprach er, dass, Im Fall durch fremde Hand den Städten 
die ihnen auf fünfzehn Jahre verpfändeten schonischen Schlösser entrissen werden 
sollten, er mit seinen und des Reichs Waffen sie dem gemeinschalUichen Feinde 
abnehmen und ihnen wieder überliefern wolle. Zum Unterpfande für diese neue 
Zusage übergab er ihnen noch , ausser jenen Schlössern auf Schonen , das Schloss 
Warberg in Halland, Er versprach ihnen femer, dass, \venn er die Krone 
niederlegen und einen Andern zum Könige ernennen würde, um hiermit sich und 
seinen Nachfolger von der gegebenen Zusage zu befreyen, seines Reichs Stande und 
Räthe sich dagegen zu setzen befugt se3m sollten, keiner aber zur Krone Dänmarks 
ohne Rath der Städte gelangen, keiner als rechtmässiger König anerkannt werdep 
solle, bevor er nicht die ihnen bewilligten Rechte und Freyheiten, und die von 
ihm, dem Könige Waldemar, mit ihnen eingegangenen Verträge bestätigt haben 
würde i). Zu gleicher Zeit erhielten die Städte theils einzeln, thcils gemeinschaftlich 
verschiedene Freyheitsbriefe für ihren Handel mit den dänischen Landschaften, 
vermöge welcher nicht nur die alten Freyheiten bestätigt, sondern auch verschie- 
dene neue hinzugefugt wurden. 

So glücklich hatten die vereinten Städte Zeit und Umstände benutzt, so 
zweckmässig hatten sie ihre Kräfte verwandt, und so glorreich endete diese erste 
Fehde, welche sie, mehr denn je unter einander vereint, und in einer grössern 
Ausdehnung als je zuvor gewagt hatten. Das Daseyn^ der Nähme und die Gül* 
tigkeit dieses Vereins waren vor dem gesammten Europa durchgefochten worden, 
die Völker Scandinaviens hatten seine Macht empfunden oder waren Zeugen seines 



1) Lübeck gründete darauf uocb im tecbszehnten Jahrbuuderte (nach haudfchriHlichen Nachrichten^ uuge- 
•cheut die Ausprüchei data ohne der Stadt Zustimmung kein König Ton Dänmark als rechtmässiger König 
anzusehen sey. — Die Urkunden sind hier nicht einzeln angeftlhrt, der grösste Theil aller der unten ver- 
zeichneten und zuerst abgedruckten aus diesem Jahrzehend gehört hierher und liefert die Belege. Die 
Sache an sich i was diese Fehde betrifft t ist auch von den bekannten Schriftstellern ziemlich richtig yot- 
getragen! und die Belege kleiner Abweichungen finden die Liebhaber in den Urkunden. 

I 



66 ERSTE ABTHL FÜNFTER ABSCHN. 

Glücks gewesen. Auch in den entferntem Gegenden östlich und westlich hat sich 
ohne Zweifel der Ruhm und das Ansehen dieser Yerhindung der niederdeutschen 
Städte verbreitet, so wie über ganz Deutschland. 

Zwar weder mit Russland, noch mit Flandern und England wufden ähnliche 
Fehden gewagt; theils lagen diese Länder zu fem, thells waren sie in sich oder 
durch ihre nächsten Verbindungen zu mächtig, als dass etwas dem Aehnliches 
hätte daselbst gelingen können. Mit Ausnahme einzebier Gewaltthätigkelten , Ca- 
pereien und Achnlichem, fand Nichts der Art Statt Mit diesen Völkern suchte 
man durch die verstattete Erlaubniss oder das Verbot des Verkehrs bey Beschwer- 
den, die man mit Recht oder Unrecht führte, sich zu helfen, und man half sich 
wirklich, da man der deutschen Städte Zwischenhand nicht wohl entbehren 
konnte, da man wechselseitig das Bedürfniss lebhaft fühlte durch den Verkehr 
verbunden zu bleiben. 

Eben so verhielt es sich auch , wie es scheint, mit Deutschland ; der Vereinten 
Nähme war geehrt, theil weise gefürchtet, doch ist keine gemeinschafUiche Fehde 
von ihnen in Deutschland gegen deutsche Fürsten gefochten worden. Einzelne 
Freunde und Genossen des Vereins haben zwar gegen ihre Nachbaren manche 
Fehden gefiihil: und sie glücklich bestanden; jede Stadt liefert Beyspiele der Art; 
auch haben benachbarte und befreundete Schwestern den Bedrängten gewiss bey- 
gestanden; dass aber der Verein als solcher sich eingemischt und diese Privat- 
Fehden zu gemelnschafUIchen erhoben hätte, darüber fehlen alle Beweise. Ge\vlss 
lautete der Verein unter den Städten dem Geiste nach, wenn auch nicht zufoJge 
des Buchstabens, auf wechselseitigen Schutz gegen unruhige Nachbaren im deutschen 
Reiche, und die Verbindungen der deutschen Städte in einzelnen Kreisen reden 
davon auf das Bestimmteste, die Urkunden liefern Thatsachen dieser Art in Menge. 
Gewiss mögen auch die dem Vereine sich Zurechnenden Städte, durch den Waf- 
fenruhm und Glanz, den die Seestädte über sich verbreitet hatten, zum Theil 
kecker und unternehmender um diese Zeit in den Streitigkeiten mit ihren Lan- 
desherren, oder andern mächtigen Nachbaren auf Schlössern und Burgen geworden 
seyn: doch fehleif alle Belege, woraus sich ergäbe, dass, mit Ausnahme der von 
den Seestädten unternommenen Fehde gegen die nordischen Mächte, irgend eine 
andere und besonders der Landstädte zu einer allgemeinen Angelegenheit bis zu 
dieser Zelt wäre erhoben, und durch die Anwendung einer mehr gemeinsamen 
bewaffneten Macht beendigt worden. 



FEHDEN D. VEREINTEN STÄDTE WAHREND DES 14. JAHRH. bis 1370. 67 

Die Seestädte waren und blieben der Theil des Vereins, der den Ruhm des- 
selben über Europa verbreitete, und der auch stets überwiegend in der Verbin- 
dung blieb, von deren inneren Einrichtung, wie sie am Schluss dieses Zeitraums 
sich gebildet hatte , nun zu reden seyn wird» 

SECHSTER ABSCHNITT. ^ 

Verfassung, Benennung und Zwecke des Vereins der niederdeutschen Kaufleute und Stii'dle am 

Ende dieses Zeitraums* 



Wir haben aus dem letzten zehn bis zwölf Jahren bis z. J. 1370 eine ununter- 
brochene Reihe der Recesse oder ProtocoUe der auf den verschiedenen Tagfahrten 
durch die daselbst erschienenen Abgeordneten gefassten Beschlüsse, und eine 
grosse Zahl anderer Urkunden und Acten, grösser als aus der frühem Zeit Sie 
dienen als Belege des früher Angeführten über die Entstehung und Bildung dieses 
Vereins, der ohne schriftliche Abfassung über die Rechte und Pflichten der Ver- 
einten diu'ch die Macht der Umstände sich gebildet hatte. 

Abgesehen von den allgemeinen Verbindungen unter den norddeutschen 
Kaufleuten auf ihren Niederlagen im Auslande, abgesehen Ton dem Vereme der 
Städte in einzelnen kleinem Kreisen, über welche wir thellweise Urkunden be- 
sitzen, über welche schriftlich Einiges aufgezeichnet und uns überliefert worden 
ist, haben wir allein eine schriftlich verfasste sogenannte Conföderation aus dem 
Schlüsse dieses Zeitraums, welche wenigstens alle Seestädte mit einander in einer 
bisher unbekannten Ausdehnung schriftlich verband. Dieser Verein ist zu Cöln im 
J. J 367 eingegangen und unter dem Nahmen cölnische Conföderation bekannt 
geworden, sie wird oft in spätem Zeiten angeftihrt, die Rechte und Verbindlich- 
keiten der Vereinten werden daraus abgeleitet, sie ward gleichsam als der Grund 
und die Verfassungs- Urkunde des Vereins betrachtet. GlelchwolJ wie unvollkom-^ 
men ist sie, wie viele Fragen bleiben durch sie unbeantwortet! Offenbar war 
diese Verbindung nur durch die Umstände, durch Bedrückungen und Besclirän- 
kungen der städtischen Freyheiten von Seiten des Königs Waldemar von Dähmark 
in seinem Reiche veranlasst worden, an deren Genuss viele Städte Theil nahmen. 
Sic ist selbst nur unter einigen, wenn gleich den angesehensten Städten an der 
See eigentlich abgeschlossen worden, und zwar nur auf einen vorübergehenden 
Zweck und auf wenige Jahre; eine Bundes -Verfassung, wie wir sie uns denken 

I2 



63 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN. 

Tvürden, muss man nicht darin suchen; nicht alle Genossen des Vereins werden 
darin nahmeptlich aufgeführt, es werden allgemeine Zwecke, abgesehen von den 
besondern, welche diese cölnische Conföderation veranlassten, nicht aufgestellt: 
das Alles ruhte lediglich im Herkommen, in dem, was sich von selbst verstand, 
und was sich von selbst gestaltet hatte. Nur erst aus dem folgenden Jahrhun- 
derte haben wir wirkliche allgemeine, schriftlich verfasste Vereine oder Tohopesaten 
der Slädte, die aber meist selbst mehr Entwürfe waren oder blieben, als allge- 
mein zur Ausführung kamen, indem das unbezwingliche Gefühl der Einzelnen, 
ihre eigene ungezügelte und unbeschränkte Freyheit zu behaupten, so gross war, 
dass man es kaum über sich gewinnen konnte, derselben auf einige Zeit zu 
entsagen. Wo aber finden sich eben bessere schrifÜiche Vereine in anderen Ver- 
haltnissen aus jener Zeit? Gleichwohl ist mit Hülfe so unvollkommener Verfassung 
oder bey gänzlichem Mangel derselben, durch den Geist, der das Ganze wenig- 
stens von Zeit zu Zeit belebte, geleistet worden, was durch spätere, der Form 
nach bessere Bundes vereine nie geleistet worden ist! 

Diese berühmte Conföderation lautete in ihren wesentlichen Theilen also: 
Die Abgeordneten der Städte Lübeck, Rostock, ^Stralsund, Wismar, Culm, 
Thom, Elbing, Campen, Harderwyk, Elburg, Amsterdam und Briel erklären, dass 
sie sich zur Fehde gegen die Konige von Dänmark und Norwegen vereinigen und 
zwar wie folgt Die Städte von der wendischen Seite mit den livländischcn Städten 
und denen, die ihnen Zubehören, stellen zehn grosse Schiffe, jedes mit hundert 
gewapneten Männern, Einer Schute und Schnike versehen; die sechs preussischen 
Städte stellen fünf dergleichen grosse Schiffe ; Campen Ein solches mit zwey Rhein- 
schiffen und anderthalb hundert Gewapneten; Dordrecht, Amsterdam, Stavem, 
Harderwyk, und alle Städte an der Südersee, mit ^^usnahme Campens , eine Cogge 
mit hundert Gewapneten; die von Seeland aber zwey Coggen mit zweyhundert 
Mann. Auf jedes Hundert schwer Bewaffneter sollen zugleich zwanzig Schützen 
mit guten Waffen und Armbrüsten kommen. Die Städte machen sich verbindlich 
mit ihren Kriegs- und Handels -Flotten, ihre KaufTahrer mögen nach dem Westen 
oder Osten bestimmt seyn, indem Sunde zusammen zu kommen; die KaufTahrer sollen 
wegen ihrer weiteren Fahrt von den Hauptleuten der Kriegsschiffe abhängen, bey 
Strafe des Verfalls von Schiff und Gut an die Stadt, wo dieselben hingehören. Alle 
KaufTahrer, die durch den Sund schiffen wollen, sollen sich gleichfalls mit Waffen 
versehen. Sollte einer der SchifFleute aus Städten dieses Vereins zu iien Königen 
übergehen, so soll er auf ewige Zeit in denselben keinen Schutz geniessen, und 



VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. gg 

sollte eine Stadt von der wendischen Seite, \on Preussen, Livland und überall 
Ton der deutschen Hanze, von der Südersee, Holland und Seeland nicht diesen 
Beschlüssen sich fugen, so soll sie von aller Gemeinschaft des Handels mit den 
andern und von deren Häfen ausgeschlossen bleiben. Aller Handel mit den Län- 
dern der beiden Könige, so wie die Zufuhr an Wa£Fen und Lebensmittel dahin 
ist bey gleicher Strafe untersagt. 

Zur Bestreitung der Kosten aber soll jeder Kaufmann von dem Werthe seines 
Gutes zu einem Pfund Groten einen Groten, gleichmässig, nach den verschiedenen 
Münzsorten berechnet, bey der Ausfahrt aus jegKchem Hafen entrichten, die 
Schiffer die Hälfte der Abgabe von dem Werthe ihres Schifis, und die gleiche wie 
die Kaufleute von ihren Gütern, die sie fuhren, und die nicht zu ihrer Nahrung 
erforderlich sind, alles nach eidlicher Angabe. Jede Stadt des Vereins erhebt die 
Abgabe und gibt darüber einen Schein, damit der, welcher sie entrichtet hat, sich^ 
über die Erlegung derselben rechtfertigen könne, wenn Schiff und Gut in einen 
andern Hafen kommen. Wäre aber ein Schiff aus ein^m Hafen gesegelt, wo diess 
Pfundgeld nicht erhoben wird, als aus England oder Flandern, so soll die Ab- 
gabe bey der Ankunft in einer dieser Städte entrichtet werden, wenn der Schiffer 
oder Kaufmann keinen Schein über deinen bereits erfolgte Zahlung vorzeigen kann. 
Segelt ein Schiff von Osten nach Westen und zeigt der Schiffer oder Kaufmann 
seinen Abgabenschein vor, so braucht er in Hamburg keine Abgabe zu entrichten ; 
käme er aber von Westen und wollte er östlich fahren, und hätte er bis dahin 
kein Pfundgeld erlegt, so ist er dazu in Hamburg verbunden, dann aber weiter 
östlich frey unter Bey bringung der schrifÜichen Beweise, dass er daselbst oder an 
dem Orte, von wo er zuerst aussegelte, die Abgabe entrichtet habe. Diese 
Scheine sollen enthalten, wie viel, von welchem und von wie vielem Gute und zi* 
welcher Zeit das Pfundgeld entrichtet worden sey. Das erhobene Geld aber soll 
von jeder Stadt zum Besten der gemeinen Städte , welche Kriegsschiffe ausgerüstet 
haben, aufbewahrt werden, und Geld und Scheine sollen von den Abgeordneten 
\ der Städte auf ihrer bevorstehenden Tagfahrt auf Johannis zu Lübeck gebracht und 
berechnet oder vertheilt werden, nach Mannzahl d. i. nach Maasgabe der gestellten 
Mannschaft. Das Pfundgeld soll aber erhoben werden, während Eines Jahrs vom 
nächsten Fastenabend an, und bey den Städten soll die Verlängerung stehen; doch 
soll kein Schiff durch den Sund segeln, bevor nicht die Kriegsschiffe mit der ganzen 
Flotte zu segeln bereit sind. Auf gleiche Weise sollen auch die Vortheile oder 
Beute (i/romen)^ welche in den Reichen beider Könige etwa erworben würden, nach 



70 



ERSTE ABTa SECHSTER ABSCHN. 



Mannzahl verthellt werden; Freyheiten und Rechte aber, die man daselbst erwürbe^ 
sollen von allen gleichmässig benatzt werden dürfen, dagegen trägt jeder Theil 
seinen erlittenen Schaden, Kosten und Verlust 

Die von Preussen , Campen, der Siidersee und Holland sollen keinen Kosten- 
beytrag geben, noch an den Vortheilen Theil haben, die aus der Verbindung der 
Städte von der wendischen Seite, mit dem Könige von Schw^eden, den Herzogen 
von Meklenburg, dem Grafen Heinrich von Holstein und andern Heri:en entsprin- 
gen möchten, Vortheile und Schaden, die daraus entstehen, gehen allein die Städte 
von der wendischen Seite an, unbeschadet jedoch des (gemeinen) Kauf- 
mannes Recht. Sollten aber die wendischen Städte es dahin bringen, dass diese 
Fürsten und Herren den übrigen Städten beystehen wollten, so wollen diese auch von 
nächsten Ostern an auf E i n Jahr sich mit den Herren verbinden, ohne einseitig Frie- 
den zu machen. Das Letztere versprechen sich beide Abtheilungen der vereinten Städte, 
sie versprechen einander zusammenzuhalten, bis in allen Dingen von beiden Königen 
ihnen Recht widerfahren seyn wird. Sollte aber nach hergestelltem Frieden, einer 
der Könige eine Stadt anfallen dieser Sache wegen; so wollen sie Alle einander 
beystehen. Jede Stadt soll ihre besondere oder frühere Fehde {yoreveyde) mit 
den Königen abthun, mit Rath der andern Städte und ohne deren Schaden; 
wollte jedoch eine Stadt nicht dem Rathe der andern sich lugen, so stehe sie ihre 
eigene Gefahr; wollen aber die Könige die Vermittelung der Städte nicht anneh- 
men, so sollen alle Verbündete der Stadt beystehen, als wäre es ihre eigene Sache. 
Diese Vereinigung soll drey Jahr lang nach dem mit den Königen geschlossenen 
Frieden bestehen. Treue Haltung dieser Zusagen machen den Schluss; wer dage- 
gen fehlt soll am Leben gestraft werden. 

•■ Das ist die berühmte Verbindung, auf welche sich so oft in der Folge, als 

auf die Grundlage des gesammten Vereins bezogen ward, was sie ojEFenbar nicht 
war. Allein dadurch zeichnet sie sich allerdings aus, dass, abgesehen davon, dass 
nur für diese Fehde und auf eine beschränkte Zeit dieselbe eingegangen ward , sie 
doch über alle die Seestädte sich erstreckte, wie sie von der russischen Grenze bis 
zur flanderschen hin lagen. Dass Landstädte an dieser Verbindung thätig Theil. 
genommen haben sollten, erhellet freylich nicht daraus, vielmehr Yv^ss^ sich eher 
das Gegentheil daraus abnehmen, da sie nahmentlich nirgends erwähnt werden. 
Gewiss aber haben die wenigen hier zu Cöln durch Abgeordnete erschienenen 
Städte Nahmens aller andern Seestädte wenigstens abgeschlossen. Auf der in der 
Verbindung verabredeten Tagsatzung zu Lübeck auf Johannis im J. 1368, zur Aus- 



VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 71 

wechselung der Bestätigungs — Urkunden , erschienen ausser denen, die in Cöln 
anwesend waren nur noch die Abgeordneten von, Stettin, Greifswald, Neu- Star- 
gard, Colberg, Danzig, Riga, Reval, Dortrecht, Ziriksee ; dagegen fehlten die von Culm, 
Harderwyk und Elburg; doch ist es ganz gewiss, dass alle die Seestädte vereint 
waren , wie man sie bisher nie vereint gesehen hatte , und ohne Zweifel haben 
die einen die anderen vertreten, w^ie auch aiü einigen Ausdrücken in der Urkunde 
deutlich erhellet. In wie fern aber die Landstädte daran Theil genommen, ist 
schwerer zu sagen. Dänische Schriflsteller und Chronikenschreiber fuhren eine 
grossere Zahl Hansestädte an , wie sie in späterer Zeit vorkommen , die dem Kö^ 
nige von Dänmark selbst dem Nahmen nach unbekannt gewesen wären, welche 
ihm ihre Absagungsbriefe zugesandt, und ihn vermocht hätten, in einer nicht 
feinen Spottrede sich darüber zu äussern. Aus unb^zwelfelt echten Urkunden 
erhellet i) , dass Cöin einige Tage nach Abschluss dieses Vereins ein Umlaufschrei- 
ben an die Städte Braunschweig, Hildesheim, Magdeburg, Hameln, Hannover, 
Lüneburg, Bremen, Stade, Hamburg, Kiel, Greifswald, Anclam, Stettin, Neu- 
Stargard, Colberg, Riga, Dorpat, Reval und Pemau erliess, worin sie ihnen an- 
zeigt, dass die oben angeführten Seestädte Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, 
Culm, Thorn, Elbing, Campen, Harderwyk mit Vollmacht mehrerer anderen Städte 
der Südersee, Hollands und Seelands in ihrer Stadt versammelt gewesen wären, 
und dass die Rathmänner von Lübeck, Wismar, Rostock und Stralsund beliebt 
hätten, ihre Bothen, wegen gewisser Angelegenheiten, an sie abzusenden, denen 
sie allen Glauben schenken sollten. Ohne Zweifel bezogen sich diese durch 
Bothen ihnen mitzutheilenden Angelegenheiten auf diese cölnlsche Confoderalion, 
und die Fehde gegen die beiden Könige; allein es findet sich in den bekannten 
Urkunden keine, woraus erhellet, dass die Landstädte, in der Fehde thätig durch 
Stellung einiger Mannschaft oder durch besondere Geldbeyträge den Seestädten 
zu Hülfe gekommen wären. Selbst die Stadt Cöln, die doch nach damahliger 
Weise, indem man mit Rhelnscblffen auch die See befuhr, als Seestadt betrachtet 
werden konnte, in deren Mitte diese Verbindung geschlossen ward, scheint Nichts 
der Art geleistet zu haben, sie kommt nicht unter den nahmentllch aufgeführten 
und zu einer bestimmten Stellung von Schiffen oder Mannschaft angeschlagenen 
Städten vor. 

Allein einverstanden waren die Landstädte damit gewiss, und mittelbarer 
Weise haben sie auch zu der Fehde beygetragen, indem das Pfundgeld, womit 

1) ürk. ccxxx. 



72 ERSTE ABTKL SECHSTER ABSCHN- 

die Aasrüstang bestxiUen wurde, und welches bey der Ausfuhr aus den 
Ton allen Gutem zu entrichten war, auch die Landstädte traf in so fem sie an 
dieser Ausfuhr Theil nahmen. Auch kommen in den Freybriefen und Friedens- 
schlüssen, die in Folge dieser Fehden erworben wurden, nahmentlich einige 
Landstädte vor, so z. B. in dem Freybriefe des Schützlings der Seestädte, Königs 
Albrecht von Schweden v. J. 1368? <|»sser den Seestädten der Ost- imd Westsee, 
Cöln mit den westphälischen Städten, Dortmund, Soest, Münster, Osnabrück; 
von den sächsischen, Braunschweig, Magdeburg, Hildesheim, Haimover und Lü- 
neburg, ja die Freyheiten werden nicht nur diesen nahmentlich aufgeführten 
See- und Landstädten ertheilt, sondern überall, wie der König sagt, allen Städten, 
die in diesem Kriege verbunden, und die hinwieder mit den Städten vereint {ere 
hulpere) und in der deutschen Hanse sind. In den Friedensschlüssen mit 
König Waldemar von Dänmark v. d. J. 1370, wird zwar von den Landstädten 
nahmentlich nur Cöln erwähnt; aber mit dem Zusätze, der Friede sey, mit allen den 
einzeln aufgeführten Städten der Ost- und Westsee und Cöln, so wie mit allen* 
andern Städten, Bürgern, Kaüfleuten und ihrem Gesinde, die in diesem Kriege 
mit begriffen gewesen und die in ihrem Rechte sind, abgeschlossen. Auch ia 
der cölnischen Confoderation selbst kommen ein Paar hingeworfene Worte vor, 
die diess bestätigen, denn es heisst einmahl darin, dass auch alle Städte von der 
deutschen Hanze gleich den zum Theil nahmentlich aufgeführten östlich und west- 
lich belegenen Seestädten von allem Handel und von allen Häfen ausgeschlossen 
seyn sollten, wenn sie es mit den beiden feindlichen Königen halten würden; 
und die westlichen und preussischen Seestädte überlassen denen von der wendi- 
schen Seite alle Vortheile, 'die aus ihrer besondern Verbindung mit andern Herren 
hervorgehen würden, unbeschadet jedoch des Rechts des (gemeinen) Kaufmannes. 
Wie wichtig nun die cölnische Confoderation zur Bekämpfung der feind- 
lichen Könige auch war, und wie bestimmt die Verbindung zwischen den west- 
lich und östlich belegenen deutschen Seestädten mehr denn je zuvor darin 
ausgesprochen ward , so ist doch in Bezug auf die Verfassung des Vereins selbst 
Ttlchts anders darin zu finden, als was früher schon, bestand, was im Herkom^ 
men sich bereits längst gebildet hatte. Vereine zur Bekämpfung scandinavlscher 
Mächte, waren schon früher gewesen, zu diesem Zweck hatte man sich zur Stel- 
lung von Mannschaft und Schiffen anheischig gemacht, nur nicht in solchem 
Umfange, man hatte ein Pfundgeld schon früher beliebt zur Erhaltung der erwor- 
benen Freyheiten in der Fremde. Diese Niederlagen und kaufmännischen Vereine 



VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 73 

Im Auslande verbanden auch die Landstädte mit den Seestädten, die Unlersa- 
gung des Genusses der daselbst erhaltenen Freyhelten und der Gemeinschaft 
des Handels mit den andern Städten, war auch schon früher als Sti^fe üblich; 
auf Tagfahrten waren die Abgeordneten schon lange zuvor zusammengekom- 
Aiin, um Beschlüsse zu fassen, und von Alters her waren die Seestädte vorherr- 
schend In diesem Vereine, und unter Ihnen wiederum die von der wendischen 
Seite. Alles diess hatte schon längst bestanden, es ward nur bey Bekämpfung 
des gemeinschaftlichen grossen Feindes besonders angewandt, bestimmter in allge- 
meiner Beziehung ausgesprochen und schriftlich verfasst. 

Auf eine ähnliche Weise verhielt es sich mit dem Nahmen des Vereins. Das 
Wort Hanse In der Bedeutung einer Handelsgesellschaft, einer Gilde oder Ge- 
nossenschaft von Kaufleuten, kommt, wie es scheint, zuerst in England vor. Den 
Kaufleuten mehrerer englischen Städte Ist von des Landes Königen schon seit 
Anfang des zwölften Jahrhunderts, die Erlaubniss verstattet worden, in eine Ver- 
bindung unter einander, in eine Hanse zusammenzutreten 1). Dasselbe, wie oben 
bemerkt worden, ward von den Königen den In England sich aufhaltenden 
deutschen Kaufleuten verstattet, und um die Mitte des dreyzehnten Jahrhunderts 
bedienen sich die Räthe der Städte Hamburg und Lübeck des Ausdrucks Hense 
und Hensebrüder, um die Gesellschaften ihrer in den Niederlanden verwellenden 
Kaufleute und deren Genossen zu bezeichnen. Um dieselbe Zeit Ist Nähme und 
Sache den Grafen von Flandern nicht unbekannt 2), Graf Florens von Holland 
bestimmt und bestätigt die Freyhelten den Kaufleuten , die zu Middelburg Ihre 



1) So ertheilt König Johann im J. 1200 am 25« März seiner Stadt York mehrere Freyheiteu: — et nomina- 
tim gildam suain mercariam et Ilansas suas in j4nglia et Normannia et lastagia sua quieta^ sicut un- 
quam melius et liherius hahuerunt tempore regis Ilenrici ^ aui patris nostrif also schon zu Heinrichs 1. Zeiti 
d. i. Anfangs des z-wölfteu Jahrhunderts» er regierte in d. J. 1101-1135) war Sache und Nähme hier 
bekannt; 's. Fr. Drake's Bboracumt or the tustory and antiqiäties oj the city of York p. 203* Derselbe 
König Heinrich L bewilligte seiner Stadt Beirerley die gleichen, der Sudt York ertheilten Freyheiten gleich- 
falls nebst einem HanshuSy quam eis do et concedo, ut ibi sua statuta pertractent } Hjmer^ foed, AngL ed* 
nou, p. 10* 40* — König Johann bewilligte seiner Stadt Dunwich ap, rupem jiurmall 29* Jun* regn, nostri 
primo (1199) * liansam et gildam inercatoriam sicut habere consueuerint ; u, Historical treatise of dties and 
hurghs or bowroughs hy Rob, Brady 2<^ed. Lond. 1704, appeud. p. lO, König Heinrich HF. ertheilt (a. r. j. 
secundoj 1217/18)» seiner Stadt Herford die Befugniss: ut habeant (cives Herfordiae) in perpetuum gildam 
mercatoriam cum Hansa et aliis libertatibus et consuetudinibus ad ilUun pertinentibus, v, Madox history of 
exchequer I. 412« dipL 

2) Im hamburgischen Archive kommt in elnetn Copialhuche eine Urkunde des Grafen Thomas und seiner 
. Gemahlin Johanna v. J. 1241 m. Ma). vor: ironach Niemand, der nicht sein Handwerk aufgegeben, und 

die hansam Londoniensem erworben habe, zum Scubinus der Stadt Damm sollte erwählt werden« 

K 



74 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN. 

Hanse haben i), er gedenkt eines Hansgrafen, als Yorstehers dieser Genossen- 
schafl:, welcher in den niederdeutschen Urkunden gemeinhin Olderman genannt 
wird, in den oberdeutschen aber auch als Hanisgraf oder Hansgraf sowohl in 
Regensburg als in Wien vorkommt 2). Selbst in Frankreich war Nähme und 
Sache nicht unbekannt 3) ; dagegen scheint das Wort im Nordosten, in den scandi- 
na\ischen Reichen damahls ganz ungewöhnlich gewesen, und von den vereinten 



1) Mieris groot Charterhoek I. 356- Urkunde de« Grafen Florens TOn Holland ▼. d. J. 1271. "Ab* J7o- 
rentiuSi comes Hollandiae y concessimus haec instituta, quae suhscripta suntt confratemitati merctitorum Mid- 
dclhurgensium. — J. 6. Quicunque duas uncias Hollandiae vel amplius valens de foro ad forum attuUrit 
ex parte orientali der Maze , vel ex parte ocddentaU — — debet Hanse Denariumm {• 7» Quicunque pa- 
terna successione Uher ^ confraternitatem istam acquirere poluerit in hoc oppidot quadraginta denarios usuaUs 
et legalis monetae in Middelhurg dabit Comitiy Hanse duos denarios^ §, IQ. I^e omni autem emenda^ quae 
in confraternitate accideritt et quae per formatores siue per comitem Hanse ad satisfactionem in dicta 
confraternitate non potuerit coerceri , debet ad Praetorium de Middelburg rcquiri et dupliciter emendari» 

2J Der römische König Philipp crüieilt im J. 1207. (Gemeiners Urspr. d. Stadt Regeusburg 70.) den Bür- 
gern von Rcgeusburg die Befugniss ex arbitrio suo eligendi magistrum, qui vulgariter Hanisgrave di- 
citur; und Kaiser Friedrich II. in einer Urkunde v. d. J. 1230 bey Hund (^Metropolis Salisburg* ed. 1719* 
p. 160«) Mg^* ^^^^^ Balisponenses habe ant jus eligendi Hansgravium^ qui disponat et ordinet extra ciuita- 
tem, et non infra^ ea tantum, quae respiciunt negotia nundinarum. Auch in "Wien war ein solcher 
Hansgraf, obwohl das Jahr, in welchem diess Amt aufgekommen ist» nicht aus Rauch SS, rer. Austr. 
nr. p. 69*70. mit Gewissheit erhellet; es heisst daselbst, unter der Ueberschrift: Complura Jura municipalia 
urbis Vindobonensis nondum edita: de juratis Vindobonensibus mercaturae conciliatoribus, unter Anderm also: 
Auch sol ain y glich vnderkeuffel den hannsgrafen weisen in allen rechten ^ die er wais, — Auch soll 
ain yeglich vnderkeuffel wo der Inn wirf, das ain gast wider der stat oder des hannsgraf recht durch das 
lant fert oder wolt farn oder chaufmanschacz treiben , das sol er an den hannsgraffen pringen , Als er der 
vmb gesworn hat. Auch was die vnderkeuffel vnd der hannsgraf mit einander redent vnd meldent, das 
sol furpas nicht gemeldet werden , Tf^er das vber fuer , der sol furbas Aus dem hannsgrafambt sein vnd 
sol man in pessern an leib vnd an gut, -^ Es sol auch jeglicher vnderkeuffel dem hannsgrafen gehorsam 
sein für in ze körnen , wann er In besent , Vnd sol all mitic/ien für den hannsgraffen chomen t Als das von 
alter herkamen ist, Vnd ob er des nicht thuet, So sol er dem hannsgraffen zwelif pfennig ze wanndel geben, 

3) König Johann von Frankreich bestätigt im J. 1350 apud Cantüupum mens. Novembr. denKaufleuteu, Scböflfeu 
und burgensibus hansatis so wie allen Einwohnern von Paris die ihnen ex magna antiquitaie zustehenden 
Freiheiten) irermöge welcher kein foraneus (der nicht ein Pariser Bürger ist} Güter oder Geld nach Paris 
zu Wasser (per riparias) bringen dürfe, wenn er nicht mit einem burgensi hansato der Stadt in Verbin- 
dung getreten ist, und die societatem franciscam gewonnen hat. Burgensis hansatus, h€ihens societatem 
hujusmodi y debet habere medietatem commodi seu lucri mercature dicti foranei sibi sie associatif v» Ordon- 
nances des rois de France IV, 9« Andere, meist frühere Freybriefe der Könige Ton Frankreich (Ordonn, 
IF. 432-330 erwähnen dieser Freyheiten b. d. J. 1170» 1315» 1345, 1351, aber der Ausdruck hurgenses 
hansati kommt darin nicht vor; aliein König Philipp August bedient sich desselben im J. 1204» er ge- 
denkt der mercatorum hansatorum zu Paris ausdrücklich; TergL Histoire de la ville de Paris par Felibien 
et Lobineau T. I. in der dissertation sur Vhistoire de Vhdtel de ville de Paris p. xcirixi , welche Abhandlung 
überall wegen der Hanse der Pariser Kaudeute auf der Seine sehr belehrend ist. 



VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 75 

deutschen Städten und ihren Kaufleuten erst im vierzehnten Jahrhunderte den 
Königen daselbst gleichsam aufgedrungen worden zu »eyn. 

Die grosse Handelsgesellschaft der deutschen Kaufleute auf Wisby in Golh- 
land, welche, bevor sich Lübeck so gliickllch und kühn erhob, und bevor der 
Verein der niederdeutschen Städte sich mehr ausgebildet hatte, vorherrschend im 
nordöstlichen Handel war, und den Kauflahrem wie den Städten in Bezug auf 
den Verkehr noch gegen Ende des dreyzehnten Jahrhunderts Befehle ertheilte, 
nennt sich nie deutsche Hanse oder Hanse der deutschen Kaufleute, sondern 
schlechtweg Gesellschaft aller Kaufleute, der deutschen oder aller Kaufleute auf 
Gothland, oder aber gemeiner Kaufmann. Eben so kennt die Niederlage der Deut- 
schen zu Nowgorod in dieser altern Zeit diese Benennung nichts sie nennt sich 
stets nur deutscher Hof, es ist bey ihr lediglich von deutschen Kaufleuten, von 
Solchen, die dem deutschen Rechte zugehören, die Rede. 

Dagegen kommt das Wort Hanse in altem deutschen und flandrischen Ur- 
kunden in einer andern Bedeutung, nähmlich der einer Abgabe vom Htindel vor. 
So wird das Wort vom Erzbischofe Siegfried von Bremen im J. 1181 und vom 
Kaiser Friedrich I. in J. 1188 > so wie vom Grafen Philipp von Flandern um die- 
selbe Zeit gebraucht 1). Doch verliert sich diese Bedeutung des Worts in den 
bekannten Urkunden nachher, so dass es in diesem Sinne kaum noch späterhin 
genommen wird 2), 

Die älteste Bedeutung des Worts scheint die einer Gesellschaft, einer Menge 
von Menschen, die vereint oder verbunden sind, anzuzeigen; in einem ähnlichen 
Sinne bedient sich desselben bereits Ullilas 3). In der Voraussetzung, dass davon 



1^ Urk. V, 118B« auch iu der Bestätiguug der kaiserlicheu Urkunde durch K. Waldemar t. Dämnark t. J. 
1202 uud TOn Kaiser Fried, II. v. J. 1226« In dem augefUhrteu hamburgischeu Copierbuche kommt eiue 
Stelle iu dem Freybriefe des Grafen Philipp von Flandern für seine Stadt Damme vor : Fortmeer is myn 
unlUy dat sie te diere costume, die onse boden hanse heeten^ in negheene stede onderhorich zyn» Das Jahr 
wird daselbst so angegeben MC ende IUI« Aber damahls regierte Graf Robert, Philipp aber t. J. Ii69 «u 
1 1191* Wahrscheinlich ist die Urkunde aus dem Latein übersetst. 

2) Im J. 1430 belehnt Herrn« -von Uslar noch de koplude meistere, de nu sind und noch to körnende sindf to 
truwer hand der koplude to Gottingen ^ de hanse in der suluen stad to Gottingen ^ y*yd alle deme rechte 
alse de sulue hanse an mek von mynen elderen gekomen is eweliken to besittende und to Itehbende (Archiv der 
Stadt Göttingeu). Es scheint, dass hier nicht wohl etwas anderes als eiue Abgabe unter dem Worte 
verstanden werden könne, die zum Schutz der guttiugischen Kaufmanns -Gilde tiU die von Uslar zuvor 
war entrichtet worden« 

3) Ulfilas Marci 15 , 16* ^ uud Joh. 18 » 3« 12* rirtr^ « manipulus , Lucae 6 » 12* «a?^« multitudc , cohors , aus 
dem vierten Jahrhundert: und im Hochdeutschen bey dem unbekannten Uebersetzer Tatians 200> 1* ed. 
Palthen j p« 197* für cohors , aus dem neunten Jahrhundert. 

K 2 



jQ ERSTE ABTR SECHSTER ABSCHN- 

zunächst die Bezeichnung einer Menge oder Gesellschaft von Kaufleuten ausge- 
gangen sey, würde sich auch die wahrscheinlich spätere Bedeutung erkläiTn lassen, 
nähniHch die einer AhgaLe von einer solchen Handelsgesellschaft, oder von 
Kaufleuten zu ihrem Schutz, dergleichen Be} spiele auch bey andern Worten im 
Mittelalter vorkommen, indem cheminus {chernin) nicht nur Weg sondern auch 
Wcggeld und ptfart nicht nur Ausfuhr, sondern zugleich Abgabe von der Aus- 
fuhr bedeutet. 

Das AVort zur Bezeichnung einzelner Vereine deutscher Kaufleute in der 
Fremde besonders in England ist denn allmählich auch zur Bezeichnung des 
allgemeinen Vereins aller norddeutschen Kaufleute in der Fremde wie in Deutsch- 
land gebraucht worden, bis zuletzt der Nähme deutsche Hanse oder Hansestädte, 
zur Bezeichnung des Vereins der norddeutschen Kaufleute und Städte üblich 
wird, seltener in der ersten, häufiger in der zweyten Hälfte des vierzehnten Jahr- 
hunderts gebraucht, ohne jedoch die altern Benennungen ganz zu verdrängen. 
Noch am Ende dieses Zeitraums bis z. d. J. 1370 ist diese Bezeichnung deutsche 
Hanse schlechtweg oder deutsche Hansestädte nichts weniger als ausschliessend 
im Gebrauche, weder auf allen norddeutschen Niederlagen in der Fremde, noch 
beym Abschluss der Verträge der Städte mit fremden Mächten; allein diese Be- 
zeichnung des allgemeinern Vereins der Kaufleute und Städte verbreitet sich 
seitdem mehr und mehr, bis sie einige Jahrzehnde nachher und vollends seit dem 
Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts fast ausschliessend gebraucht wird i). 

Bey dem Gebrauche dieses Worts in dem ausgedehntem Sinne ist mit einer 
gewissen Schüchternheit, wie es scheint, zu Werke gegangen worden, so wie 
mit dem Eingestehen der Sache selbst; die Gründe, die dazu aufforderten, lassen 
sich auch leicht auflinden. Eigentlich waren nach den ältesten Reichsgesetzen zu 
Karls des Grossen Zeiten, Vereine und eidliche Gelöbnisse auf dieselben unter- 
sagt, und nur zu frommen Zwecken, femer wegen Feuersgefahren und Schiff- 
bruch in beschränktem Maase erlaubt. Die letztere Begünstigung sich zusammen- 
zuthün, um die Nachtheile beym Schiffbruche abzuwenden, mochte leicht auch 
auf andere Seegefahren, etwa gegen Seeräuber, zum Schutz in fremden Ländern 
ausgedehnt, es mochten Vereine der Kaufleute zu diesen und ähnlichen Zwecken 



1) Die Belege fiudeu sich in den Urkunden. Um lästige AYiederliohlungen zu vermeiden , sind die Worte 
derselben , die sich hierauf beziehen , hier übergangen worden , um so mehr da in dem Urkundeubuche 
aus den bereits gedruckten die Stelleu abgedruckt worden sind , welche die verschiedenen Bezeichnun- 
gen enthalten* 



VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 77 

in fremden Ländern für unschuldiger als im Innern Deulschlandes gehalten werden. 
Das Bedürfniss solcher Verbindungen, im Innern wie im Auslande, ward indcss, 
bey dem immer grössern Verfalle des königlichen und kaiserlichen Ansehens, stets 
dringender, da man ohne ihre Hülfe sich nicht geschützt fand, da ohne sie kein 
ausgedehnter Verkehr durch die Kaufleute betrieben werden konnte. Sahen aber 
der König und die Fürsten sich genöthigt, stillschweigend geschehen zu lassen, 
was nicht wohl zu ändern stand : so war doch immer der Buchstabe des Gesetzes 
dagegen, welcher geschont werden musste 1). Wenn man indess nachsichtiger die 
Vereine der Kaufleute mit der Zeit zu beurtheilen geneigt war, so blieb doch 
zwischen ihnen und denen der Städte noch ein grosser Unterschied ; diese mochten 
den Grossen bey Weitem gefährlicher erscheinen. Die Macht der verbundenen 
Städte zeigte sich in immer grösserem Umfange ; sie beschränkten sich nicht darauf, 
die In ihren nächsten Umgebungen sie drückenden Bedrängnisse abzuwenden, ihre 
Gewalt erstreckte sich über das gcsammte niedere Deutschland, sie beherrschten 
den Handel desselben im Innern wie den mit dem Auslande, sie schrieben den 
scandinavischen Königen Gesetze vor, und durch kühne Unternehmungen, durch 
Fehden, durch ihre Geldkräfte und ihre Verschlagenheit verfijgten sie über die 
Kronen dieser Reiche, und erzwangen im Innern Deutschlands, wenigstens in 
ihren nähern Kreisto, den Frieden durch dieselben Mittel. 

Wie bedenklich diese Vereine aber den Grossen erscheinen mochten, so 
gingen sie gleichwohl aus der Innern Auflösung der kaiserlichen ]Macht hervor. 
Musste der hohe wie der niedere Adel bey diesen Zuständen sich zur Erhaltung 
des Friedens in Deutscliland vereinen, durfte er es endlich nicht verschmähen. 



1) Moser (patriou Phantasien , dritte Ausgabe. Th. 1. XLIIL S. 2620 hat diess bereits bemerkt, indem er 
aus Karls des Grossen Capitularien die Stelle v* J. T/9 anfälirt: De sacramentis pro Gildonia inyicem con- 
jurantibus y ut nemo fucere praesuniatt Alio vero modo de eleemosynis aut de incendio auf de naufregiisy 
quamvis contrenientiam faciarUt Jtemo in hoc Jurare praesumaf, Moser (lihrt eben daselbst die Entscheidung 
der auf dem Reichstage zu Worms im J. 1231 aufgeworfenen Frage : ob eine Stadt oder Gemeinheit mit 
andern Verbindungen oder GesellschaAeu eingehefliUrfe > aut welche vom König Heinrich mit I\ath der 
ReichsfUrsteu dahin entschieden ward, dass ihnen dergleichen nicht erlaubt sey. Vergl. Neue und voll- 
ständige Sammlung der Reichsabschiede. Frankf* am M* 1747 f* Th. 1« S» 13. Auch hiess es in den 
letzten, vor Aufhebung des Reichs verfassteu VVahl-Capitulationen : Ihre kaiserliche Majestät wollen die 
commercia des Reichs zu- Wasser und zu Lande nach Möglichkeit befördern, — dagegen aber die grossen 
Gesellschaften, Kaufgewerbsleute und andete» so bisher mit ihrem Gelde regiert, gar abthuu (Moser 
a. a. O. S.2630* ^^^^ sieht wenigstens daraus, wie die Fürsten noch in der Erinnerung oder aus lieber- 
lieferung die mächügen Vereine fürchteten, obwohl sie in dieser letzten Zeit von der Höhe ihrer Macht 
schon längst herabgestürzt waren* 



73 ERSTE ABTK SECHSTER ABSCHN. 

(He reichen Städte selbst in seine Vereine mit aufzunehmen, well man besonders 
ihrer Geldhülfe nicht entbehren konnte: so war es auch, nachdem man eben so 
weit gekommen war, nicht wohl thunlich, den Städten die Erlaubniss zu versagen, 
Verbindungen lediglich unter einander einzugehen zur Erhaltung des Landfriedens, 
wie sie die Sache höchst unschuldig zu bezeichnen wussten. Zwar nahmen diese 
städtischen Vereine bald eine Richtung, die der Grossen Eifersucht erregte, denn 
Geist und Zweck derselben zeigten sich doch bald nur zu verschieden von denen, 
welche die Herren unter einander eingegangen waren: als aber die Elfersucht 
unter ihnen erwachte, da hatten die Städte und Ihre Vereine bereits so an Kraft 
gewonnen, dass man sich Ihnen nicht geradezu widersetzen konnte, vielmehr es 
gerathen fand. Freunde und Verbündete unter Ihnen zu suchen. Die Grossen des 
niedern Deutschlands, besonders des östlichen Theils, hatten In Ihren Nöthen bey 
den Städten Unterstützung erhalten, Darlehen von Ihnen bekommen, um Andern, 
mit denen sie In Fehden verwickelt waren, zu widerstehen. Besonders hatten die 
Fürsten In den deutschslavischen Ländern Ihrer Hülfe nur zu oft bedurft, um der 
Herrschaft der Fremden, nahmentlich der Dänen, sich zu entziehen. Zwar liebten 
die Grossen die Städte nicht, sie waren Ihnen nicht hold; aber sie konnten sie 
auch nicht missen, und wenn Andere aus der Grossen Mitte die Macht ja den 
Uebermuth dieser nicht Ebenbürtigen oft unsanft genug fühlten, so war es doch 
bald unmöglich geworden, sie wieder in die frühere Unbedeutenheit hinabzustossen. 
So breiteten sich denn die unter den nächstbenachbarten Städten zuerst 
entstandenen Vereine in immer grösserm Umfange aus , bis gleichsam alle nieder- 
deutschen Städte mittelbar oder unmittelbar darin begrififen waren. 

Die Sache machte sich ohne Geräusch gleichsam von selbst, und so war es 
am Besten, denn man musste doch manche Rücksichten wegen des Buchstabens der 
Gesetze, wegen des Herkommens nehmen. Die Sache bestand schon längst, ohne 
jedoch einen schriftlichen Verein desshalb aufweisen zu können; nur einzelne näher 
benachbarte, besonders die westphälischen und wendischen Städte, hatten dergleichen 
in engeren Kreisen, welches minder bed<fl|Llich war, aufzuzeigen. Selbst die cöl- 
nische Conföderation, der grösste allgemeine Verein am Ende dieses Zeltraums, war 
kein allgemeiner dauernder Verein aller dieser Städte. Da aber die Sache doch In 
Wahrheit bestand, so suchte man auch nach einem Nahmen oder einer Bezeich- 
nung derselben, und wählte einen unschuldigen und unverständlichen, der Vielen 
früh wie spät unerklärlich blieb, und der fiir die mehr Unterrichteten nichts eben 
Unerlaubtes anzeigte. Hansen oder Vereine von Kaufleuten hatten schon längst 



VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 79 

in Deutschland wie ausserhalb Deutschland bestanden; von einzelnen Hansen der 
deutschen Kaufleute besonders in der Fremde ging man dann zu einer Hanse der 
deutschen Kaufleute und von dieser Bezeichnung zur deutschen Hanse, welche 
Kaufleute und Städte umfasstc, zuletzt zu dem Nahmen Hansestädte und grosse 
deutsche Hanse über. Diese letzte Bezeichnung grosse deutsche Hanse kommt in- 
dess in diesem Zeiträume bis gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts noch 
nicht vor. Ja man hat selbst aus diesem ganzen Zeiträume kein Beyspiel der 
Aufnahme irgend einer Stadt in den grossen Verein, obwohl Beyspiele des Aus- 
stossens aus demselben und nachher der Wiederaufnahme von ein Paar sehr an- 
gesehenen Städten, von Braunschweig und Bremen, uns überliefert worden sind. 
Diess aber war nichts weiter, als was die grosse alte Handelsgesellschafl. der Deut- 
schen auf Gothland ojich bereits gethan halte, sie schloss widerspenstige Genossen 
von ihrer Gemeinschaft aus, was keiner Gesellschaft versagt seyn konnte. Man 
muss daher die erste Bildung des nachmahls so mächtigen Vereins sich also 
vorstellen. 

Von den Gesellschaften der deutschen Kaufleute In der Fremde ist das Ganze 
ausgegangen; an ihnen Theil zu nehmen, stand allen niederdeutschen Kauffahrern 
frey. Als Herzog Heinrich von Sachsen in d. J. 1163 den Frieden zwischen 
Gothländern und Deutschen herstellte, machte er keinen Unterschied; alle Nord- 
deutsche oder Sachsen konnten sich des Friedens und der Vortheile eines freyen 
Verkehrs auf der viel besuchten Insel erfreuen , und dasselbe war auf dem deut- 
schen Hofe zu Nowgorod laut der ältesten Skra der Fall : wer zu deutschem Rechte 
sich hält, ist beftigt an den erworbenen Freyheiten Theil zu nehmen. Wenn 
aber die Stadt Cöln, die zuerst eine Handelsansicdlung in England sich erworben 
zu haben scheint, nebst den Kaufleuten von Tiel und deren Genossen andere 
Deutsche und nahmentlich die Lübecker von der Theilnahme an den daselbst er- 
worbenen Freyheiten ausschliessen wollten, so untersagte diess Kaiser Friedrich H ; 
Alle sollten an der Gemeinschaft Theil nehmen, obwohl Einzelne besonderer 
Freyheiten sich erfreuen mochten und stets erfreut haben. 

Ei'St nachher, als nächst diesen kaufmännischen Vereinen die Verbindung 
unter den deutschen Städten sich mehr ausbildete und enger schloss, als die Herr- 
schaft über jene Handelsniederlagen in der Fremde mehr an diese vereinten Städte 
überging, ist man strenger wegen der Zulassung, zum Genuss jener Freyheiten 
geworden, strenger in Bezug auf die Aufnahme in den städtischen Verein. Im 
Verlauf der Zeit gelangten die angesehenem, mächtigem, besonders an der See 



30 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN. 

belegenen und einander nah benachbarten Städte, die durch Abgeordnete häufiger 
auf Tagfahrten zusammen traten , zu einer Art Vorherrschaft , sie schlössen den 
Kreis enger, %'vie sie denn auch zur Erhaltung und Erweiterung der Handelsfrey- 
heiten grössere Opfer gebracht hatten. Nachdem sich Alles fester in Verlauf der 
Zeit gestaltete , — doch liegt diess noch über diesen Zeitraum hinaus — da ent- 
standen erst förmliche Aufnahmen in den Handels- und städtischen Verein, wäh- 
rend früher Alle, besonders an den Handelsfreyheiten Theil nehmen konnten, auch 
die Kaufleute der unbedeutendsten Städte und Ortschaften, welche auch späterhin, 
als der Kreis schon enger geschlossen war, ihre Befugniss dazu durch das Her- 
kommen und alte Gewohnheit bewiesen. 

In dem städtischen Vereine gelangten aber die Seestädte aus bekannten Ur- 
sachen bald zu einer gewissen Vorherrschaft, und unter ihnen besonders die 
grössern am Ausfluss der Elbe und Weser belegenen, so wie die östlichen, vor- 
nehmlich die grossen fünf wendischen Städte mit Zuziehung einiger andern in 
diesem Kreise, während Cöln am einflussreichsten auf die mehr westlich belege- 
nen Seestädte blieb. 

Alle Urkunden bezeugen, dass unter den Seestädten die fünf wendischen 
Städte durch ihre kühnen, rastlosen Unternehmungen, der That nach zur Vor- 
herrschaft gelangten. Ihre Abgeordneten treten am häufigsten auf Tagfahrten zu- 
sammen, sie schienen selbst den Neid anderer angesehenen, westlich belegenen 
Städte zu wecken, wie denn Hamburg und Bremen, selbst in der letzten grossen 
Fehde gegen den König Waldemar, nur dann bey traten, als man ihnen mit der 
Ausschliessung drohte, und sie bemerkten, dass die Sache auch ohne ihren Bey- 
tritt einen glücklichen Fortgang und Ende haben würde. 

Nur immer sind weniger Städte Abgeordnete auf den Tagfahrten erschienen, 
von welchen wir, was den letzten Jahrzehend dieses Zeitraums betrifft, die 
vollständigen ProtocoUe besitzen. Haben doch selbst vier dieser wendischen Stä<lte, 
Lübeck, Wismar, Rostock und Stralsund im J. 1362 durch ihre Abgeordnete in 
Rostock im Nahmen der deutschen Hanza und besonders der Seestädte auf Mar- 
tini mehrere Beschlüsse gefasst, ohne dass eines besondem bestimmten Auftrags aller 
übrigen Städte Erwähnung geschähe l). 

Die Vorherrschaft der wendischen Städtö ergab sich von selbst, sie ward 
nur mit der Zeit weiter ausgebildet. Durch ihr gemeinschaftliches lübisches Recht 



1^ 8. den Recess gegen Eiide des Uikuudenbuchs. 



VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 81 

waren sie enger als andere mit einander verbunden, an ihrer Spitze stand Lübeck, 
durch der Stadt Reichsfreyheit vor andern Seestädten ausgezeichnet, durch ihrer 
Bürger Muth, Handelsthätigkeit , Gewerbfleiss und Reich thum über alle erhaben, 
und durch ihres Raths Klugheit und Entschlossenheit vor andern hervorragend. 
Der Vorzug der wendischen Städte hatte sich von selbst im Verlauf der Zeit 
geltend gemacht , man bemerkte nur eine Entwickelung ^dfts längst Vorhandenen, 
es war eigentlich nichts Neues. 

Bey der Wahrheit dieser Darstellung, welche Niemand in Zweifel ziehen 
kann, ist doch die Beantwortung mehrerer Fragen, die dem Beobachter sich 
aufdrängen, schwierig genug. Welche Städte bildeten etwa am Ende dieses Zeit- 
raums den Verein, welche wurden denn den wirklichen Hansestädten beygezählt? 
Diese Frage kann verschiedentlich beantwortet werden, nach dem Sinne, in 
welchem man sie thut. 

Ist der Siim der Frage, wer konnte an den allgemeinen, im Auslande theils 
durch Herkommen theils durch Freybriefe erhaltenen Handelsvortheilen Theil 
haben, so muss man die Ausdehnung des Vereins sehr gross annehmen, alle 
niederdeutsche KanfTahrer schienen dazu berechtigt, wenigstens in dieser frühern 
Zeit. Suchten Engländer, Fläminger und Walen, mittelbarer oder unmittel*- 
barer Weise daran Theil zu nehmen, wie aus mehreren Beschränkungen erhellet, 
welche diese Fremdlinge ausschlössen, so konnte von Beschränkungen der Nieder- 
deutschen auf einiger Städte Kaufleute nicht wohl die Rede seyn ; erst gegen Ende 
dieses Zeitabschnittes ward beliebt, dass nur ein ansässiger Bürger einer Hanse- 
stadt Vorsteher und Theilhaber einer Niederlage in der Fremde seyn dürfe. 

Nimmt man aber die Frage in dem Sinne, welche Städte waren um diese 
Zeit im städtischen Verein, die wirklich durch Abgeordnete auf Tagfahrten 
erschienen, so ist deren Zahl, zufolge der aus dem letzten Jahrzehend von 1359*70 
vollständig erhaltenen ProtocoUe, sehr klein. Die Abgeordneten einiger Seestädte, 
und zwar vor der cölnischen Conföderation, meist nur einiger der östlich belegenen, 
wie man gemeinhin sagte, von der wendischen Seite, kommen fast allein vor. 
Aber diese wenigen durch Abgeordnete erscheinenden Städte machten nicht allein 
die Genossenschaft aus, vielmehr war sie weit ausgedehnter. Wahrscheinlich ist 
auch das Recht, auf solchen Tagfahrten durch Abgeordnete z« erscheinen, zu Anfang 
eben so für die niederdeutschen Städte unbeschränkt gewesen, als der Genuss der 
in der Fremde erworbenen allgemeinen Handelsfreyheiten , obwohl Wenige davon 
einen Gebrauch mögen gemacht haben, da die Absendung eigener Abgeordneten 

L 



Q2 ERSTE ABTR SECHSTER ABSCHN. 

kostbar war, und die einen solchen Tag ausschreibenden See- oder wendischen 
Städte vermöge ihrer besonderen Verhältnisse und Fehden weit häufiger durch 
Abgeordnete zusammen zu treten sich veranlasst fanden. Betrafen aber die Be- 
rathungen allgemeinere Gegenstände, die Freyheiten auf den Niederlagen in der 
Fremde, woran zugleich Land - und kleine Städte Theil nahmen, so erscheinen auch 
diese auf den Tagfahrten^ oder sie wurden wenigstens daselbst zu erscheinen auf- 
gefordert, wie die bereits angeführten Fälle in früherer und in späterer Zelt 
beweisen. Osnabrück und einige nahmentlich aufgeführte andere grössere west- 
phälische Städte wurden von Lübeck mit Rath der benachbarten Städte aufgefordert, 
nicht nur selbst zu erscheinen, sondern auch beauftragt, allen Städten und Flecken 
der Gegend die Bedrückungen des gemeinen Kaufmanns in Flandern u. a. O. mit- 
zuthellen, die an dem Handel in Flandern Theil nahmen, um über diese Bedräng- 
nisse zu bejntthen; und zu gleichem Zwecke sind zu einer andern Zeit, nahmentlich 
eilf minder bedeutende märkische Städte, eingeladen worden. Ob sie wirklich dieser 
Einladung gefolgt sind, ist eine andere Frage; wahrscheinlich nicht, gewiss nicht 
alle, schon der Kosten wegen und weil sie sehr wohl wissen mochten, dass ihre 
Stimmen bey Versammlung der mächtigen See- und wendischen Städte nicht viel 
gelten würden. Es ist Aehnliches hier geschehen, was in Bezug auf das Recht 
der Absendung zum englischen Parlamente bey den englischen Städten und Flecken 
stattfand. Viele derselben hatten vormahls das Recht, Abgeordnete abzuschicken, 
die es, um die Kosten zu ersparen, eingehen liessen, und deren Nachkommen es 
gern um den höchsten Preis wieder hätten erwerben mögen. Aber so schnöde 
vorübergehen, wie es späterhin geschah, konnte man die kleinem Städte doch 
noch nicht, nach den damahligen Begriffen, wenn Etwas beschlossen werden 
sollte, was sie mit anging; man musste sie einladen, erschienen sie denn nicht, 
so mussten sie sich die Beschlüsse der Andern eben gefallen lassen, wiewohl die 
Angesehenem und Mächtigern, wenn sie nicht erschienen, sich so leicht nicht fugten. 
Wegen dieser verschiedenen Verhältnisse, die man zu schonen hatte, kommen 
denn immer mehrere Ausdrücke selbst in den Verträgen, die mit fremden Mächten 
abgeschlossen wurden, vor, die daraijif hindeuten. So heisst es in den Waffenstillstän- 
den und Friedensschlüssen mit Waldemar v- d. J. 1363 und 1364, er schliesse nicht 
nur mit den nahmentKch aufgeführten Städten, die ^'gentlich die WaflFen gegen 
ihn geführt hatten, ab, sondern auch mit allen Herrettr und Städten, die in der 
deutschen Hanse sind, oder die in ihrem Rechte sind, welches die deutsche Hanse 
genannt wird. So erthcilt König Albrecht von Schweden im J. 1368 liicht nur 



VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 33 

den pahmentlich aufgeführten sechs preussischen Städten, sondern auch allen denen, 
welche unter dem Hochmeister von Preussen sesshafl sind, und nach Erwähnung 
der vier grossen livländischen Städte allen denen, welche unter dem Meister von 
Livland sitzen, ^le gewünschten Freyheiten. In den Friedensschlüssen aher vom 
J. 1370 mit Hakon von Norwegen und Waldemar von Dänmark kommen noch 
bestimmter ähnliche Ausdrücke, nicht nur in Bezug auf die preussischen und 
livländischen Städte , sondern auch auf alle anderen vor , indem nähmlich die vor- 
züglicheren und grösseren, die in einem Kreise belegen waren, nahmentlich auf- 
geführt werden, dann aber hinzugesetzt wird : und alle andere , ihnen benachbarte, 
die in ihrem Sprengel belegen sind. Auf solche Weise war der weiteste Spiel- 
raum offen, keine Stadt konnte klagen, die nach altem Herkommen auf die 
Theilnahme an der allgemeinen Freyheit Anspruch machte ; der Verein behielt sich 
vor, gar vielje zuzulassen, an welche die Könige gar nicht gedacht hatten, darüber 
ward denn von ihnen späterhin sehr geklagt, und eben der König Hakon von 
Norwegen klagte gleich nach dem hergestellten Frieden im J. 1370 zu Bawahus auf 
das Bitterste darüber, dass immer mehr Kaufleute und Städte Theil an den bewil- 
ligten Freyheiten nähmen, als welchen er solche ertheilt habe. Warum aber hatte 
er die allgemeinen Ausdrücke sich gefallen lassen 1)? Doch nicht nur in den Verträ- 
gen mit fremden Mächten, sondern selbst in den Urkunden, die sich lediglich auf 
die Ordnung der Handelsniederlagen beziehen, wie z. B. in der Eintheilung auf 
der Niederlage in Flandern^ kommt, nach nahmentlicher Aufführung einer oder 
der andern Stadt, stets der Ausdruck vor: und die dazu gehören. Mag man die 
allgemeinen Bezeichnungen, deren man in den Verträgen mit Fremden sich bediente, 
und die eine so grosse Ausdehnung erlaubten, einer diplomatischen Verschlagen- 
heit beymessen, die den Städten gar nicht unbekannt war*: so kann man die 
Beybehaltung derselben in den städtischen Beschlüssen nur aus andern Ursachen 

erklären. 

Wie vorherrschend auch die mächtigen See- und wendischen Städte waren, 
ausschliessend durften sie doch nicht verfahren, und es gereicht ihnen zu nicht 
geringem Ruhme, dass sie die minder bedeutenden Städte, und die weniger ver- 
mögenden Kaufleute nicht ausschliessen wollten, wiewohl sie sich selbst noch 
einige weiter greifende Freyheiten zu verschaffen wussten; erst später ist der Kreis, 
nach den veränderten Verhältnissen in Europa und in Deutschland enger ge- 
schlossen worden. 

1) S. den letzteu Hecess vom J. 1370* 

L 2 



84 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN. - 

In diesem weitem Sinne die Frage genommen, müssen in dieser frühem 
Zeit alle niederdeutschen Städte mid Kaufleute, als zu dem Vereine gehörend, be- 
trachtet werden. Alle diese Kaufleute und Bürger der Gemeinden mochten, wenn 
sie Lust und Kraft dazu hatten, an den allgemeinen in der Fremde erworbenen 
Freyheiten Thcll nehmen, mittelbarer oder unmittelbarer Weise. Kommt doch 
selbst in spätem Zeiten vor, dass man ganzen deutschen, sächsischen und friesi- 
schen Völkerschaften, wie den Dithmarschen , ohne eigentliche Hansestädte in 
ihrer Mitte zu haben, dieses Recht nicht absprechen konnte, da sie unvordenkliche 
Gewohnheit dafür anführten. Dagegen geschieht der Oberdeutschen, auch selbst 
in diesem ersten Zeiträume, nie als Theilnehmer an diesem Verkehr Erwähnung, 
späterbin wurden sie völlig den andern nicht deutschen Völkern gleichgestellt; 
kein Niederdeutscher oder Hanse soll ihnen als Vermittler bey ihrem Verkehr, 
nach heutigem Ausdruck als Commissionair oder Spediteur , so wenig als Englän- 
dern , Flämingem , Lombarden oder Walen dienen : nie kommt der Nähme einer 
oberdeutschen Stadt, der Kaufleute aus derselben auf den Niederlagen oder sonst vor. 

In dieser weitem Ausdehnung war es der sächsische und friesische Stamm, 
es waren die Niederdeutschen, welche den Verein bildeten, sowohl die Städte und 
Flecken und deren Kauffahrer im eigentlichen Sachsen und Westphalen, 'in Thürin- 
gen, im westlich belegenen Holland, Seeland und Friesland, und in dem östlich 
von der Elbe sich ausdehnenden Wendenlande, femer in Preussen und Livland. 
Ja alle deutsche Gemeinden, die von diesen ausgegangen waren, obwohl einer 
fremden Oberherrschaft unterworfen, aber eine einiger Maasen freye deutsche 
Gemeine bildenden Städte, wie die, welche schwedische Oberherrschaft aner- 
kannten, als 'die Deutschen in Wisby und in andern schwedischen Städten, 
Stockholm und Calmar, ja die in Polen und der Nachbarschaft belegenen, wie 
denn die Deutschen in Cracau und Andere späterhin durch Abgeordnete auf den 
hansischen Tagsatzungen erschienen sind, und dem Vereine auch schon damahls 
verwandt waren i). 

Will man indess nur diejenigen Städte als den Verein ausmachend betrachten, 
w^elche auf die Tagfahrten dieser Zeit ihre Abgeordneten sandten, oder die, welche 
in den Verträgen mit fremden Mächten oder auf den Niederlagen im Auslande 
nahmentllch aufgeführt werden, oder an welche die Seestädte als an ihre näheren 



1) lieber die schwedisch deutschen Gemeinen s. z. B. den Recest der Tagfahrt t« d. J« 1363 auf 

Agatha zu Rostock« 



VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 85 

Verwandten schreiben , so ist deren Zahl freylich geringer, obwohl verbreitet über 
alle die Kreise der angeführten Landschaften. Doch haben wir kein amtliches Vep- 
zeichniss aus dieser Zeit, welches diese angeseheneren Städte aufzählte ; wir können 
sie nur, nach dem einzelnen Vorkommen derselben in den Urkunden, ungefähr 
angeben, obwohl diese Angabe gewiss unvollständig ist, da selbst viele kleine 
Städte, wie wir bestimmt wissen, auf den Tagsatzungen zu erscheinen, damahls 
eingeladen worden sind, welche späterhin nach vollkommener Ausbildung des 
Vereins und in den amtlichen spätem Verzeichnissen nie vorkommen. 

Legt man die im J. 1347 auf der Niederlage in Flandern schrifUich verfasste 
und früher gewiss schon vorhandene Eintheilung der Kreise der vereinten Städte 
zum Grunde, welche die allgemeinere gewesen zu seyn scheint, so lassen sich 
nach dem Vorkommen in den Urkunden als nahmhafle Genossen der verschiedenen 
Drittel etwa folgende angeben. 

Als zu dem wendischen Drittel gehörend, kommen unbezweifell die Städte Lü- 
beck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, dann Stettin , Neustargard, Colberg, 
Anklam, Demmin Tor. Wahrscheinlich gehörten ausser den kleinern märkischen 
Städten, deren bereits oben Erwähnung geschehen ist, Pritzwalk, Kyritze, Berlin und 
Cöln an der Spree, Havelberg, Werben, Seehausen, Stendal, Gardelegen, Soltwedel, 
noch die Städte Potzwalk, Brandenburg, Frankfurt a. d. O. , Ghobin, Tangermünde, 
und zuletzt auch Breslau hierher, welche in dem Schreiben der Seestädte an die- 
selben vom J. 1368 vorkommen, um sie zu bitten, während der dänischen Fehde 
die Gesinnung der ihnen benachbarten Herren zu beobachten. Wahrscheinlich sind 
auch die in Polen belegenen deutschen Gemeinden hierher gezählt worden, wenn 
sie nicht etwa dem gothländischen und livländischen Drittel beygefugt worden 
sind. Hamburg ist später unbezweifelt nebst Lüneburg den wendischen Städten 
beygezählt worden, ob aber bereits in dieser Zeit, ist sehr ungewiss. Nie kommt 
Hamburg in den Urkunden unter den nahmentlich aufgeführten wendischen Städten 
vor, und wenn es im Allgemeinen geschieht, so wird die Stadt dem wendischen Drittel 
in so fem beygezählt, als es hinwieder in die beiden Unterabtheilungen, das eigent- 
lich wendische und das sächsische Drittel zerfiel. Lüneburg ist durch einen Notar 
in der letzten Zeit auf einer Tagfahrt Einmahl erschienen. Diö Stadt hat im J. 
1363 den vereinten Städten auf einer Tagfahrt zweyhundert Mark feines Silbers 
gezahlt, ob als Beytrag zu der dänischen Fehde, das ist eben so ungewiss, als 
dass sie damahls den wendischen Städten beygezählt worden, wie gewiss diess 
auch in späterer Zeit der Fall war. Bremen ist zu keiner Zeit ru den wendischen 



86 



ERSTE ABTH- SECHSTER ABSCHN. 



Städten gerechnet worden, noch in den spätesten Zeiten spottete die Stadt über 
deren ^vormahlige Vorherrschaft. Hamburg auf der Elbe, Bremen auf der Weser 
\ orherrschend , scheinen in der frühesten Zeit gleichsam eine fiii' sich bestehende 
Abiheilung gebildet zu haben, wozu auch Stade, Buxtehude, weniger Kiel etwa 
zu rechnen seyn mochten; Bremen ward wahrscheinlich den sächsischen Städten, 
so auch vielleicht Hamburg in früher Zeit beygezählt. Zu den eigentlich sächsi-« 
sehen nahmhaften Städten gehörten von den Landstädten, Goslar, Magdeburg, 
Braunschwcig , alte angesehene freye Städte; dann Hannover, Göttingen, Ha- 
meln, Halle, Hildesheim, ferner Erfurt, Nordhausen, Halberstadt, Eimbeck, denen 
die Seestädte bey ihrer Fehde mit Dänmark als an ihre Freunde schrieben, 
gleichwie sie den märkischen Städten geschrieben hatten« 

Zu dem zweyten, dem westphälisch - preussischen I^rittel gehörten: die alte 
Stadt Cöln an ihrer Spitze und mit grossem Einflüsse auf alle Uebrigen, dann 
Soest, Dortmund und Münster, durch Alterthum und Macht früh ausgezeichnet; 
ferner Osnabrück, Lippe, Minden, Paderborn, Lemgo, Hervorden, Höxter, ferner 
alle niederländische Städte, welche deutsche Hoheit anerkannten, als Campen, 
Slavem, Groningen, Harderwyk; dann viele Städte, welche seit der cölnischen 
Conföderation auf Tagfahrten erschienen, oder in den Verträgen mit den scandi-« 
navischen Mächten nahmentlich erwähnt werden, als Amsterdam, Briel, Ziriksee, 
Enkhuisen, Dortrecht, Utrecht, Zwoll, Hasselt, Deventer, Zütphen, Elburg, Hin- 
delop, Middelburg, Arnemuiden, Wieringen und gewiss noch andere. In Preussen 
waren hierher zu rechnen Culm, Thorn, Danzig, Elbing, Königsberg, Brauns- 
berg , nebst den kleinem umher belegenen» 

Zu dem dritten Drittel gehörten an dessen Spitze mit dem grössten Einflüsse 
die Deutschen auf Wisby oder Gothland , und von den livländischen Städten, 
Riga, Reval, Dorpat und Pernau, nebst den dabey belegenen kleinem. 

Es erhellet deutlich aus den früher angeführten Einladungen Lübecks an 
Osnabrück und die andern we^tphälischen Städte, so wie an die märkischen durch 
Rostock, dass viele andere kleinere das Recht hatten, auf den Tagfahrten zu er- 
scheinen. Später ist die Trennung der vollkommenen , wirklich mit dem Recht auf 
Tagfahrlen zu erscheinen versehenen Städte, bestimmter ausgesprochen worden und 
deren Zahl hat sich nach Umständen vermehrt und vermindert. Viele kleine Städte 
haben sich allmählich an die benachbarten grösseren angeschlossen, ihnen einen 
Beytrag zum Besuchen der Tagfahrt gegeben, so wie zu andern Kosten und Aus- 
lagen, und auch diess Yerhältniss war gewiss bereits Schon in dieser Zeit, wenn 



VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. $7 

aacfa, wie Alles, noch nicht völlig ausgebildet, vorhanden. Dagegen sind andere 
aus mittelbaren zu unmittelbaren Hansestädten, wie man später sagen kann, 
emporgestiegen. 

Bey Gelegenheit der Fehde mit Dänmark heisst es auf der Tagfahrt zu Rostock 
im J. 1365 auf Michaelis, dass man mit aller Strenge gegen mehrere kleine Städte 
in Pommern und Meklenburg verfahren wolle, die das Verbot, mit den Dänen zu 
handeln und auf Schonen zu fahren, nicht beobachtet hätten; sie sollen nicht 
mit dem gemeinen Recht auf Schonen vertheidigt werden, sie sollen ausgeschlossen 
seyn, sie seyen nicht Hansestädte: also sie waren doch, ohne eigentliche Hanse- 
städte zu seyn, mit dem gemeinen Rechte zuvor vertheidigt worden. "Wir wissen 
femer, dass die grossem und mächtigem Städte, die auf Schonen ihre Fischerlagcr 
hatten, das Recht besassen, andere Deutsche auf denselben zuzulassen und mit 
ihrem Piechte zu vertheidigen. Jene kleinen Städte waren aber in sofern nicht 
Hansestädte, weil sie nicht die Befugniss hatten, die Tagfahrten zu besenden, 
weder unmittelbar noch mittelbar, obschon sie am Verkehr Theil nahmen. Diese 
nahmentlich aufgeführten kleinen nicht hansischen Städte waren Ribbenitze, 
Wolgast, Cammin, Wollin, Greifenberg, Treptow, Rügenwalde, Stolpe, Greves- 
mühlen, von welchen in spätem Zeiten gleichwohl einige, als Rügen walde und 
Stolpe unter den wirklich stimmfähigen Hansestädten in den amtlichen Verzeichnissen 
aus spätem Jahrhunderten vorkommen. So mannigfaltig ist der Wechsel in dem 
Rang der Städte, wie ihr Aufblühen und Versinken es auch war! 

Haupt des Ganzen war allmählich Lübeck durch die Gewalt der Umstände 
geworden, ohne desshalb ein schriftliches Uebereinkommen aufweisen zu können. 
Die der Stadt östlich zunächst benachbarten vier Städte Wismar, Rostock, Stralsund 
und Greifswald und besonders die erstem drey bildeten mit Lübeck gleichsam 
den engem Ausschuss , welchem erst nachher , wie es scheint , Hamburg und Lü- 
neburg beygefiigt worden sind. Wie gross indess auch Lübecks Verdienste seyn 
mochten, so verhinderte doch die Eifersucht anderer grossen Städte, wie etwa 
Cölns, Hamburgs, Bremens imd Gothlands oder Wisbys, diess gerade zu an- und 
auszusprechen. Aber in diesen wendischen Städten sind fast alle Tagfahrten dieser 
Zeit gehalten worden, sie laden dazu ein, sie haben alle grossen Unternehmungen 
eingeleitet, auch ganz vornehmlich den Verein zwischen ihnen und den östlichen 
in Preussen und Livland, so wie mit den westlichen niederländischen Seestädten 
in der dänischen Fehde betrieben. Cöln war eine ältere und früher freye Stadt 
als Lübeck, sie bestritt selbst noch im sechszehnten Jahrhunderte die Directorial- 



88 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN. 

Gewalt Lübecks, wie man später sagte, obwohl ohne "Wirkung, da die Sache 
der That nach schon ein Paar Jahrhunderte bestanden hatte und fortdauernd 
bestand, ohne darüber, wenigstens aus unserm Zeiträume, ein schriftliches üeber- 
einkommen aufweisen zu können. Die übrigen grossen nicht wendischen Städte 
mussten immer geschont werden, je unyoUkommner der Bund war. Auch das 
Berufungsrecht zu einer Tagsatzung war fiir Lübeck noch nicht förmlich anerkannt, 
die Stadt bediente sich aber desselben, wie sie sagt, bald in Auftrag der See-* 
Städte oder nach Berathung mit den ihr nahe belegenen. Oft musste mit den 
andern Dritteln oder Sechsteln besonders verhandelt werden, um sie zu dieser 
oder jener gemeinschaftlichen Unternehmung zu bringen. Durch Beharrlichkeit 
und durch ihr keckes Vortreten, selbst beym Widerspruche Anderer, setzte die 
Stadt Lübeck die Sache meist durch, die sie rasch mit den benachbarten Schwe* 
Stern begonnen hatte. 

Allerdings war die höchste Bundesgewalt, wenn man unserer Ausdrücke sich 
bedienen darf, in den Beschlüssen, die auf den Tagfahrten gefasst wurden, zu 
suchen. Allein wie viele Tagfahrten auch, besonders in den letzten zehn bis 
zwölf Jahren dieses Zeitraums, gehalten wurden, so sind auf allen nur die Al>- 
geordneten sehr weniger Städte erschienen, meist von den östlichen, und seit der 
cölnischen Conföderation auch einige von den westlichen Seestädten und zwar 
meist nur ip. Bezug auf die Fehde gegen Dänmark und Norwegen. Andere allge- 
mein hier gefasste Beschlüsse kommen sehr selten vor, und bey den wenigen 
widerstrebten immer Einige, so dass man kaum sagen konnte in wiefern das Eine 
oder das Andere, was beliebt schien, wirklich zur Ausftihrung kommen werden 
widerstrebten doch selbst in Bezug auf die Fehde mit Dänmark mehrere der 
angesehenem Städte, wie wir gesehen haben, die zum Beytritte zuletzt gleich- 
sam gezwungen wurden. 

Man hatte aber verschiedene Mittel, sich den Tagfahrten wie den daselbst 
gefassten Beschlüssen zu entziehen, wenn der eigene Yortheil dazu antrieb. Die 
Einladung zu einem Hansetage befolgte man nicht, und wiewohl es schon sehr früh 
ausgemacht schien, dass die Abwesenden die Beschlüsse der Anwesenden sich zur 
Nachfolge müssten gefallen lassen , so sind doch nur gar zu viele Beyspiele vorhan- 
den, dass diess nicht der Fall war, und wie wollte man helfen, wenn ganze 
Drittel oder die angesehensten Städte widerstrebten? Ein Vorwand, wenn man 
nicht erscheinen wollte, war leicht geftmden in der Unsicherheit der Strassen, in 
den Fehden mit dem benachbarten Adel; statt Rathmänner abzusenden, die 



VERFASSITNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 89 

eigentlich nur stimmen durften, sandte man dann etwa einen Notar, einen Schreiber 
des Raths, um doch unterrichtet zu seyn, wie die Sachen getrieben würden* So 
konnte man immer sagen, man sey nicht befragt worden, man habe nicht dazu 
gestimmt, wenn man den Beschlüssen nicht Folge leistete. 

Ein anderes Mittel, wenn eine Stadt wirklich durch ihre Raths*- Mitglieder 
erschien, dem Beschlüsse der Mehrheit aber sich nicht liigen wollte, war, die 
Sache ad referendum zu nehmen, die Abgeordneten des Raths zogen sie dann an 
ihren vollen Rath daheim zurück. Dieses gewöhnliche Mittel, das in Deutschland 
so beliebt geworden ist, und oft zu allgemeinem Verderben gereicht hat, ward nur 
zu häufig gebraucht, so dass man sich in Wahrheit wundem muss, wenn man 
die ProtocoUe der Tagsatzungen lieset, dass doch noch so Manches, eigentlich aber 
nur durch das Vor- und Zugreifen einiger der mächtigem Städte, gelungen ist. 
Zwar hat Lübeck schon früh in den Einladungsschreiben die Drohung einge^ 
rückt, dass die nicht Erscheinenden den Beschluss der Erschienenen sich müssten 
gefallen lassen, dasselbe ward bestimmt auf den Tagsatzungen in der letzten 
Fehde in die ProtocoUe gerückt; allein gegen die kleinem Städte war diess eher, 
als gegeb die grossem und mächtigem wirklich zu behaupten, wie denn eben 
diese ProtocoUe nur zu sehr diess Gebrechen bezeugen. WoUte man doch in 
einer viel spätem Zeit, als Alles vollkommener ausgebildet war, die Stimmenmehr- 
heit nur in Bezug auf die Niederlagen im Auslande gelten lassen, nicht in Bezug 
auf die übrigen Verhältnisse. 

Gewöhnlich ward auf einer solchen Zusammenkunft der Tag festgesetzt, wann 
man wieder zusammen kommen wollte, welches aber freylich von dem guten 
Willen der Einzelnen abhing. Gewöhnlich wurden von den gegenwärtigen 
Abgeordneten Andere, besonders Lübeck^ aufgefordert, die Einladungen zu er- 
lassen, die Berathimgsgegenstände mitzutheilen ; sie wurden zugleich beauftragt die 
Briefe Nahmens der Hanse, der Seestädte oder der wendischen Städte an die Ge- 
nossen oder an Fremde aufzusetzen und zu erlassen. 

Was die Zwecke des Vereins betrifft, so sind auch diese nirgends deutlich 
in dieser Zeit ausgesprochen oder schriftlich aufgezeichnet worden, sie können nur 
aus den Thaten und Beschl üssqp aufgestellt werden. Gewiss war zunächst , was 
jiuch den lockern Verein zusammenhielt, die Erhaltung und Erweiterung der in 
der Fremde erworbenen Freyheiten auf den begünstigten Niederlagen daselbst 
hierher zu rechnen. An der in Flandern nahmen Alle den lebhaftesten Antheil 
aus allen den verschiedenen Kreisen, Land- wie Seestädte, so auch an der in 

M 



90 . ERSTß ABTH. SECHSTER ABSCHN. 

England. An den erworbenen Freyheiten in Norwegen, auf den schonischen 
Märkten, und in Russland haben die westlich liegenden Städte früher mehr als 
später, wie es scheint, selbst mehrere auch kleine Landstädte Theil genommen; 
fiir die westlich liegenden Seestädte waren sie theilweise von grosser Bedeutung, 
obwohl allmählich die wendischen Städte daselbst und in Schweden durch die 
Lage begünstigt, ein immer grösseres Uebergewicht in Schonen, Schweden und 
Russland erlangen mochten, Aehnliches trat seit dem Gedeihen der livländischen 
Städte in Bezug auf den Handel mit Russland und durch Ihr Besuchen des 
Markts in Flandern ein, der eigene Handel der westlichen Städte nach der entfernten 
russischen Niederlage mag zuletzt mehr abgenommen haben. Aber Aller Vor- 
theil heischte es doch, diese Freyheiten sich zu erhalten, um sie mittelbarer oder 
unmittelbarer Weise zu benutzen, obwohl einzelne Abtheilungen oder einzelne 
Städte davon grössere Vortheile als andre hatten, auch im Besitz besonderer 
Freyheiten waren. 

Ein zweyter Zweck des Vereins war offenbar die Erhaltung der freyen 
Fahrt zu Land wie zur See. In Bezug auf die erste ist kein Beyspiel aus diesem 
Zeiträume bekannt, dass der allgemeinere Verein, wie gewiss es auch aller Ein- 
zelnen höchster Wunsch war, zu der Erhaltung des Landfriedens unmittelbar in 
grossem Kreisen gewirkt hätte; den einzelnen Vereinen in den besondem Sprengein 
blieb die Sache überlassen, und durch die bekannten Mittel gelairg es, die Störung 
des Friedens mehr zu bekämpfen, theils durch Vermittelung, — aucli in der . cölni- 
schen Conföderation kommt diess deutlich \or — , theils durch wechselseitige Stellung 
von Mannschaft von Seiten der Nachbarn, tliells dadurch, dass keine Stadt den Feind 
einer andern auf Irgend eine Weise unterstützen durfte, was von selbst auch in 
der Regel nie geschah. Thätige Waffenhülfe aber in grosser Entfernung zu Lande 
der bedrängten Schwester zuzusenden, schien nicht wohl thunllch, dagegen zur 
See die Sache sich anders verhielt, indem man sich leichter einander beyspringen, 
Schiffe zusammenstossen lassen, Fehden zur See, sowohl um den Frieden auf 
derselben zu erhalten, als auch um die erworbenen Freyheiten in der Fremde zu 
behaupten, fuhren konnte: diess fand selbst in grösserem Umfange vor der cölni- 
schen Conföderation Statt, indem mehrere westli||ie Seestädte wie Campen, Gro- 
ningen und Stavern mit den östlichen zu solchem Zwecke vereint schon in früher 
Zeit die Bekämpfung der gemeinschaftlichen Feinde wagten. lieber Seeräuber wird 
oft und viel geklagt und Friedensschiffe wurden gegen sie in die See gesandt. 
Allein diese waren selten eigentliche Seeräuber; den Nahmen theilten sich beide 



VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 137o. 91 

kämpfende Theile wechselseitig zu, da Repressalien gewöhnlich waren, und bey 
eingetretenen Bedrückungen mit gleichen geantwortet wurde. Auf diese Art von 
wechselseitiger Seeräuberey blieben alle Feindseligkeiten zwischen den deutschen 
Städten, den Engländern und Schotten beschränkt, so auch in Bezug auf die Nieder- 
lande, und, wiewohl noch in beschränkterem Maase, auf Russland: aber um ihr Recht 
und ihre Freyheiten in den scandinavischen Reichen zu behaupten, dazu führte 
man wirklich Krieg. Es blieb diess indess zuerst ganz vorzüglich die Sache der 
östlichen Seestädte, auch sind sie in diesem Kampfe nicht ermüdet, bis sie die Ober- 
herrschaft durch die Verbindung mit den westlichen völlig zu Stande gebracht hatten. 

Ein dritter Zweck war offenbar, zu bewirken, dass Zwiste, die zwischen 
den einzelnen Städten und den Grossen im In- und Auslande entstanden, durch 
ihre Vermittelung beygelegt werden sollten, so wie die Vereinten, wenn Fremde 
über Missethaten ihrer Bürger klagten, die Behauptung aufstellten, dass die Stadt- 
obrigkeiten über diese Vergehen zu urtheilen hätten. Noch bestimmter ward be- 
hauptet, dass alle Streitigkeiten unter den einzelnen Städten selbst entstanden, oder 
unter den einzelnen Städten und dem Vereine auch von den Vereinten selbst ge- 
schlichtet würden, entweder durch Vermittelung oder durch schiedsrichterlichen 
Spruch; am wenigsten wollte man die Einmischung fremder fürstlichen Gerichte 
in diesem letzten Falle zugeben. Alle besonderen Vereine einzelner Kreise deuten 
darauf hin, und auch fiir den allgemeinen Verein ist es keinem Zweifel unterwor- 
fen, dass dieselbe Regel galt: die allgemeine Verbindung oder die der mächtigsten 
Seestädte entschied oder ernannte Schiedsrichter zu diesem Zweck. In dem lange 
dauernden Streite im dritten Jahrzehend des vierzehnten Jahrhunderts, in welchem 
die Stadt Stavern mit den beiden Städten Lübeck und Hamburg verwickelt war, 
fand eine Ausnahme Statt; zwar die bereits eingeleitete Entscheidung durch 
fürstliche Gerichte ward abgewandt, aber es wurden sechs Städte, darunter drey 
flandrische, die nicht im niederdeutschen Vereine waren, und dann die näher 
verwandten Dortrecht, Middelburg und Ziriksee ernannt, die auch den Streit 
entschieden haben; wahrscheinlich war aber die Wahl dieser fremden Städte von 
dem einen Theile getroffen, weil Stavern ihre Angelegenheit den östlichen Städten 
aliein nicht anvertrauen wollte, indem sie dieselben für zu parteyisch für Harti— 
bürg und Lübeck hielt. 

Der vierte Zweck war die Aufrechthaltung der Ruhe im Innern der Städte 
selbst, nahmentlich die Verhütung jeder eigenmächtigen Veränderung des städti- 
schen Regimentes, besonders durch den Aufstand der Bürgerschaft gegen den 

M 2 



92 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN. 

Rath , wie wir denn schon sehr früh ein glänzendes Beyspiel davon an der Stadt 
Braunschweig haben. 

Die Mittel aber, um diese Zwecke zu erreichen, sind zum Theil erwähnt 
und waren sehr einfach. Ausser der Vermittelung durch Verwandte und ausser 
dem Kriege selbst zu Erreichung der beiden ersten Zwecke, diente ihnen die 
Verbindung mit andern Fürsten und Herren. Die Städte haben in der Anzahl 
dieser von Anfang an grosse Klugheit bewiesen : endlich aber kauften sie auch ge- 
radezu diese oder jene Freyheiten von den Königen und Fürsten. So heisst es 
ganz deutlich in den Vorberathungen der fünf wendischen Städte^ im J. I360j dass 
sie dem Könige Waldemar von Dänmark tausend Mark lübisch lur die Bewilligung 
der von ihnen begehrten Freyheiten geben, wenn er aber mit dem Preise nicht 
zufrieden sey, noch zweyhundert zulegen wollten i). XJeberall entstand das grosse 
Uebergewicht der Städte aus ihrem Geldreichthume, wegen der grossen und drin- 
genden Bedürfnisse bey den Fürsten und Herren. Gab man nicht Geld geradezu, 
um sich die gesuchten Freyheiten zu erkaufen, so bewilligten die Städte den Herren, 
ihren Freunden, Darlehen, welche die Stadt oder einzelne Bürger aus ihrer Mitte 
ihnen vorschössen, und die Noth war so gross, der Glaube so gering, das Zinsen- 
oder Darlehengeschäfl; so wenig verbreitet, dass man nur auf einige wem'ge Jahre 
diese Vorschüsse bewilligte, unter den härtesten und für die Könige und Fürsten 
höchst erniedrigenden Bedingungen, wie die des Einlägers, wenn sie die Wieder- 
zahlungsfrist nicht einhalten würden; zugleich erklärten alsdann die Schuldner sich 
bereit, die gewünschten Freyheiten zu bewilligen. Es ist wirklich kaum begreiflich, 
wenn man die vielen dargeliehenen Summen bedenkt, welche Eine Stadt, z. B. 
Lübeck, in deren Archiv eine grosse Menge der Empfangsscheine aufbewahrt sind, 
vorgeschossen hat, wie sie solche zu diesen und ähnlichen Zwecken vorschiessen 
konnte, so dass es nie daran mangelte. Diese Macht des Geldes, welches sie besassen, 
war auch das Haupthülfsmittel Im Falle eines Kriegs selbst gegen die Könige^ so 
wie gegen Fürsten, Herren und Ritter. Was ihre eigenen schwer und leicht be- 
waffneten Bürger, was ihre eigene Schiffsmannschaft und ihre Schiffe leisteten, wie 
hoch man es auch anschlagen mag, war nicht ausreichend; die in ihren Sold 
genommenen Ritter und Hauptleute, oder die Subsidien, um einen neuen Ausdruck 
zu brauchen? welche sie andern Fürsten und selbst Königen gaben, haben ihnen 
das Uebergewicht im Kampfe gegen Andere vornehmlich verliehen : und daran fehlte 



1) ürk. CGI. 



VERFASSUNG , BENENN- D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 93 

es nlemalils. Die Mittel sind von den einzelnen Städten, von den einzelnen 
Kreisen aller Orten eben so w^ohl, als im Allgemeinen und Nahmens des ganzen 
Vereins, dieses jedoch nur in den letzten Jahrzehnden dieses Zeitraums, angewen- 
det worden. 

Zu den Rüstungen in den Fehden gegen Waldemar von Dänmark ist zu 
solchen Kriegszwecken zuerst ein allgemeines Pfundgeld beliebt worden, es war 
diess die erste grosse, von allen vereinten Seestädten gemeinschaftlich geführte 
Fehde ; indess ist ein solches Pfundgeld auch zu denselben und ähnlichen Zwecken, 
zur Erhaltung der gemeinschaftlichen Handelsniederlagen früher und später, aber 
in beschränkterem Kreise erhoben worden, nahmentlich auch um die Kosten der 
Gesandtschaften nach diesen Niederlagen, oder andere daselbst entstandene Aus- 
gaben damit zu bestreiten, denn hier bestand ein gemeinsames Interesse, auch 
bevor der städtische Verein enger geschlossen war. 

VVie zweckmässig nun auch ein solches, bey der Ausfuhr zu entrichtendes 
Pfuhdgeld seyn mochte, wenn man auf die gegebenen Verhältnisse Rucksicht nahm, 
so waren doch damit grosse Gebrechen verbunden, wie die ProtocoUe der in der 
Zeit dieser letzten grossen Fehde gehaltenen Tagsatzungen zeigen. Schon die Ein- 
willigung zu einem solchen war schwer zu erhalten. In der ersten Fehde gegen 
Waldemar scheinen nur die wendischen Städte mit den nächst benachbarten west- 
lichen und östlichen, femer die preussischen ein solches bewilligt zu haben; in der 
zweyten Fehde jedoch haben alle Seestädte von der russischen bis zur flandri- 
schen Grenze hin sich einem solchen unterworfen. IS[achmahls aber entstanden 
über die Berechnung, so wie über die Verwendung die grössten Streitigkeiten, 
die nie endigten. Jede Stadt erhob die Abgabe bey sich auf gemeinschaftliche 
Rechnung, zugleich sollte Jede ihre Ausrüstungskosten von der durch sie erhobenen 
Summe abziehen,- in welcher Hinsicht jeder zu stellende Mann zu einem ge- 
wissen Preise angeschlagen war; der Uebcrschuss aber, den sie erhoben hatte, 
sollte dann an Andere überwiesen werden, die zu wenig erhoben hätten, um ihre 
Auslagen damit zu decken. Endlich aber sollten auch aus dem Ertrage dieses 
Pfundgeldes andere Ausgaben , als die Kosten der Gesandtschaften , die Ersetzung 
des von Einzelnen ausserordentlich und unverschuldet erlittenen Schadens in 
der Fehde daraus bestritten werden, so wie die Unterhaltung, die Versorgung und 
Vertheidigung der in der Zeit erworbenen oder den Städten verpfändeten Schlösser 
u. f. An diesen Ausgleichungen und Ueberweisungen , Rechnungen und Gegen- 
rechnungen scheiterte nur zu oft die Eintracht unter den Städten und konnte man 



94 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN. 

kaum über den endlicliea Abschluss sich vereinigen. Auch war die eine Stadt 
strenger als die andere bey der Erhebung, aus eignem besondem Vortheil dazu 
angetrieben; einzelne Bürger oder Kauffahrer suchten dagegen die Abgabe zu um- 
gehen , und bey aller Aufsicht fand auch diess Statt , wie man es denn verstand, 
das Gewissen wegen falscher Angaben und Eide zu* beschwichtigen. Gebrechen 
der Art, die immer wiederkehrten, waren mit andern verbunden, die durch eine 
festere, einheits vollere Gewalt und Verwaltung allein hätten gehoben werden 
können: daran aber fehlte es eben, und die hervorragenden bedeutendem Städte 
und nahmentlich Lübeck mit ihren nächsten östlichen Nachbarn mussten denn 
meist aushelfen. 

Ausser den Fehden, von welchem Mittel, um ihre Zwecke zu erreichen, doch 
nur ein beschränkter Gebrauch, etwa gegen die scandinavischen Mächte, gemacht 
werden konnte, kannten die Städte noch ein anderes von grösserer Ausdehnung 
und Wirksamkeit, welches von den verbundenen Kaufleuten und Städten, sowohl 
gegen Fremde, als gegen die Genossen des Vereins selbst angewandt wurde, 
welches das Ziel damahls nie verfehlte; diess w^ar die Ausschliessung von der Han- 
delsgemeinschall mit ihnen, die Verlegung ihrer Niederlagen in der Fremde an 
einen andern Ort, in ein anderes Land, das Versagen der Zulassung in die 
städtischen Häfen, und das Verbot die fremden Länder zu besuchen, über welche 
sie zu klagen hatten. 

Gegen mehrere Fremde war diess das einzige Mittel, welches angewandt 
werden konnte; denn die Gewalt der Waffen, die offene Fehde, war nur gegen 
die scandinavischen Mächte anzuwenden, wo die Nachbarschaft, die Verbindung 
der Städte mit andern deutschen Fürsten, die Verbindung mit der einen der 
scandinavischen Mächte gegen die andere ,^ mit den missvergnüglen Grossen im 
Innern der zu bekämpfenden Reiche und die versagte Zufuhr von Lebensmit- 
teln ihnen ein so grosses Uebergewicht gaben, und den angefangenen Fehden ein 
glückliches Ende verheissen konnten. Allein gegen die übrigen Mächte, über 
welche sie zu klagen hatten, waren eigene Fehden nicht zu fuhren, ihre Entfer- 
nung war zu gross, ihre Macht zu bedeutend oder schon zu sehr ausgebildet 
Alles blieb hier auf Repressalien, auf einzelnes Zugreifen beschränkt, etwa auf 
Kaperei. Diese Hülfe der Kaperschiffe war ihnen wohl bekannt, indem sie auch 
in ihren Fehden gegen die scandinavischen Mächte davon Gebrauch machten. 
Einzelnen ward es erlaubt auf eigene Gefahr gegen den Feind auszusegeln, jedoch 
unter zu leistender Bürgschaft in der Stadt, von wo sie ausfuhren, den Freunden 



VERFASSUNG , BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 95 

Nichts zu leide zu thun. Aber mit Hülfe dieser Kaper stand allein nie eine gün- 
stige Entscheidung herbey zu fuhren. Das einzige wirksame Mittel blieb, wegen 
der Verhältnisse zu Russland, Flandern und England nur das Verlassen dieser 
Länder oder Orte, wo sie bisher ihre Niederlagen gehalten, gewisser Freyheiten 
sich erfreut hatten, die Untersagung des Verkehrs mit Denen, über welche sie 
klagten. Dieses Mittel haben sie sehr häufig in diesem Zeiträume angewandt und 
immer mit Glück. Selten vergingen einige Jahre oder Jahrzchnde, dass sie nicht 
über Beeinträchtigung ihrer Freyheiten in den fremden Ländern geklagt hätten, 
und zu dem Aeüssersten gedrungen worden wären; in wie fem sie selbst daran 
Schuld waren, oder aber die Ausländer, mag oft schwer zu entscheiden seyn. 
Die Fremden sahen sie und ihr Gedeihen nicht alle gleich gern, besonders nicht 
die Kaufleute und Städte in den fremden Ländern, aber sie die Deutschen mögen 
sich auch eben so oft ein Zugreifen, ein Ueberschreiten und eigenmächtiges Er- 
weitern ihres erworbenen Herkommens erlaubt haben, wie wir es bestimmt von 
mehreren Niederlagen wissen. 

Am häufigsten kommen diese Streitigkeiten in Bezug auf Flandern und nah- 
mentlich in Bezug. auf die Stadt Brügge,- so wie in Hinsicht auf Russland vor; 
weniger, doch fehlt es auch nicht an Beyspielen, in ihrem Verkehre mit England, 
dagegen hören die Klagen über die Schotten fast nie auf, welche die Deutschen 
als die kühnsten Seeräuber da^tellten. 

Hatten sie über Brügge zu klagen , und half man ihren Klagen nicht ab , so 
verliessen sie mit ihrer Niederlage den Ort, und die Grafen von Flandern be- 
willigten ihnen liann in andern Theilen ihrer Grafschaft gemeinhin dieselben 
Freyheiten wieder; hatten sie aber über beide zu klagen, so verlegten sie ihre 
Niederlage oder ihren Stapel in andere Theile des Niederlandes, nach Holland 
etwa oder Brabant, und der Verlust, der aus ihrer Abwesenheit für Flandern er- 
wuchs, der gestörte Absatz ihrer Tücher, der durch die Untersagung von allem Ver- 
kehr mit den Flämingem entstand, nöthigte sie bald nachzugeben, und die Deut- 
schen kehrten auch gern wieder zurück, wenn man nur ihren Beschwerden abhalf; 
denn nirgends im Westen fanden sie einen ähnlichen Markt wie hier. Auf dieselbe 
Weise verfuhren sie in Bezug auf Russland. Selten dass einige Jahrzehnde hin- 
durch dieser Verkehr ungestört blieb, die Deutschen verliessen alsdann Nowgo- 
rod , und die Entbehrung , die beide Theile gleich schmerzlich empfanden, 
führte bald wieder zu einer Ausgleichung hin, die eben so schnell wieder ge- 
brochen ward. 



% ERSTE ABTH, SECHSTER ABSCHN. 

Das Mittel war untrüglich so lange die deutschen Kaufleute solche ausgedehnte 
Märkte beherrschten, und den übrigen Völkern einen Absatz ihrer Güter ver- 
schafften, den sie auf keine "Weise sonst in dieser Maase erbalten konnten. Noch 
wirksamer aber war es in Bezug auf die Genossen des Vereins selbst, w* eiche 
sich entweder den gemeinen Beschlüssen nicht unterwerfen wollten, oder die in ihrem 
Inneren Unruhen sich hingaben, gegen ihren Rath aufstanden. Gegen einzelne 
Ungehorsame, auch gegen Städte wurden Geldstrafen verhängt, als das gelindere 
Zwangsmittel, fruchteten diese aber Nichts, oder war die Sache so bedeutend, 
dass sie mit Geld nicht zu büssen stand, so war der Ausschluss aus der Ge- 
meinschaft das Letzte, was man ergreifen konnte. Das Beyspiel einiger der 
angesehensten Städte, Braunschweigs und Bremens, beweiset, wie gründlich 
diess Mittel half. Nicht nur wurden solche ausgestossene Städte des Genusses 
aller Freyheiten, die im Auslande erworben worden waren, beraubt; sondern 
deren Kaufleute wurden auch in keiner Stadt des Vereins zugelassen , als Geächtete 
durfte Niemand mit ihnen verkehren: diese Entbehrungen mussten die Wider- 
spenstigen zur Unterwerfung bringen, lange konnte keine Stadt diese ertragen, 
auch der Einzelne nicht wohl, der dem ^Beschlüsse nicht Folge geleistet hatte. 

Auf diese Weise hat der Verein bey der unvollkommensten Verfassung immer 
mehr an Ansehen und Macht gewonnen; es haben Herkommen, Gewohnheit, ge- 
meinschaftlicher Vortheil und gemeinschafUiche GeMir den Mangel an einer bessern 
Form, an geschriebenen Rechten und Verfassungen glücklich ersetzt. Denn im 
Verlauf von anderthalb Jahrhunderten war der Wohlstand der deutschen Kauf- 
leute und Städte bedeutend gestiegen und ihr Verein, Nahmen und Sache 
besonders im Norden anerkannt, geachtet oder gefürchtet 

Andere allgemeine, auf die Rechte der einzelnen Genossen und deren Verhältnis? 
zu dem Vereine sich beziehende Vorschriften, in so fern sie nicht den Handel 
und die SchijEffahrt betrafen, deren später Erwähnung geschehen wird, sind wenige 
aus dieser Zeit vorhanden, ja zu jeder Zeit sind sie selten geblieben. Die ver- 
schiedenen Verhältnisse der einzelnen Städte zu ihren Herren, ihre grössere oder 
geringere Freyheit, die verschiedenen Rechte, auf welche sie gegründet, mit denen 
sie bewidmet worden waren, machten solche allgemeine Vorschriften fast un- 
thunlich, selbst unter solchen Städten, die sich durch gleiches Recht mehr 
verwandt waren , wie z. B. die , welche lübisches Recht hatten. 

Zwar kommen einige wenige Beschlüsse der Art vor, Beliebungen einzelner 
oder mehrerer Städte, Satzungen, die auf Tagfahrten als allgemein verbindend 



VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZETTR. X 1370. 97 

beliebt wurden; aber es waren auf diesen Tagsatzungen meist nur Abgeordnete 
von sehr wenigen Städten anwesend, und Selbst bey diesen, ja bey den näher 
Verwandten, wenn dergleichen zur Sprache kam, fand man unerwarteten Wider-^ 
stand, oder aber die Abgeordneten nahmen die Sache ad referendum. 

Am meisten scheinen noch etwa folgende Beschlüsse am allgemeinsten 
verbreitet, angenommen und befolgt worden zu seyn, worauf auch auf den Tag- 
satzungen angetragen worden ^t, und die von den Anwesenden mehr oder weniger 
angenommen wurden , die auch den einzelnen Verbindtingen einiger Städte unter 
einander zum Grunde lagen. Dass nähmlich ein Verstossener aus der einen 
Stadt in einer andern keinen Schutz finden, dass man Keinem, der, um seinen 
Gläubigem sich zu entziehen, in eine andere Stadt flüchte, daselbst Schutz gewäh- 
ren, dass, wer einer Stadt Bürgerschaft aufgegeben habe, um sich den gemeinen 
Vorschriften besonders des Handels wegen zu entziehen, nirgends in den vereinten 
Städten wieder als Bürger aufgenommen werden solle; dass man in Gefangen* 
Schaft Gerathene nicht sogleich wieder auslösen, oder einem Andern abkaufen 
wolle, dass man keinem Feinde einer Stadt ein Anlehn in einer andern zu machen 
verstatten, ihm Hülfe an Lebensmitteln oder Geld gewähren, dass man keinem 
zur See oder zu Land geraubten Gute oder Dem, der es gekauft habe, irgend Schutz 
ertheilen wolle, dass die geistlichen Gerichte in den Städten, nahmentlich in Bezug 
auf die Kreuz - Signaten , zu beschränken wären. 

Diese und einige ander« ähnliche Vorschriften sind etwa Alles, was man der 
Art hierher zählen kann, die Gründe sind bekannt, warum nicht Mehreres ge>- 
schehen konnte und warum selbst Mehrere diesem ihre Zustimmung versagten. 
In Bezug auf den Handel, und nahmentlich in der Fremde, hat jedoch Mehreres 
schon stattfinden können; diesem wollen wir uns nun zuwenden. 



N 



98 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 



ZWEYTE ABTHEILUNG. 

Geschichte des Handels der niederdeutschen Kaufleute und Städte seit dem 

zwölften Jahrhunderte bis zum Jahre 1370« 



ERSTER ABSCHNITT. 

Einleitung in die Geschichte des Handels der Niederdeutschen während dieser Zeit; 

Verkehr mit Livland« 



J^ange bevor man an einen Städte - Verein im niedern Deutschland dachte, ja 
bevor Städte mit grossen Freyheiten begabt in diesen Gegenden vorkamen, war, 
je nachdem es die Kräfte zuliessen, ein gewisser Verkehr im Innern und selbst 
mit einigen Theilen des Auslandes vorhanden. Mehrere dieser altem Städte waren 
von den Königen oder den Landesherren mit Markt- und andern Zoll -Freyheiten 
und Begünstigungen begnadigt worden, auch hatten einige selbst im Auslande durch 
Herkommen, auch wohl durch besondere Gnadenbriefe von den fremden Herren 
im Auslande sich einigen Schutz, einige Begünstigung für ihren Handel zu ver- 
schaffen gewusst. Es hatten die deutschen Könige, als noch etwas mehr Einheit 
in Deutschland war, in ihren Verträgen mit fremden Mächten, obwohl selten, 
des dem deutschen Handel zu verstattenden Schutzes gedacht. Allein die deut- 
schen Könige, wiewohl als römische Kaiser dem Nahmen nach die weltlichen 
Oberhäupter der Christenheit, sahen sich durch die innem Unruhen des Reichs 
bald ausser Stand dem deutschen Kaufmanne im Innem wie im Auslande den er- 
forderlichen Schutz zu gewähren. So wurden die Kaufleute genöthigt, so wie die 
Städte, aus welchen sie kamen, sich selbst zu helfen, und diese Hülfe konnten sie 
nur in den Vereinen finden, die sie unter sich selbst eingingen, diese aber konnten, 
wenn sie sonst nicht in ihrer Thätigkeit beschränkt wurden, um so freyer ver- 
fahren, da die höchste Reichsgewalt ihnen wenige wirkliche Schranken in Bezug 
auf den Handel setzte. Innerhalb wie ausserhalb Deutschlands ging die Politik 
der Höchsten oder der Landesherren in Bezug auf den Handel nur auf ZollgeföUe, 
Abgaben, Anleihen und Geldunterstützungen, deren sie stets bedurften und die allein 
von den Kaufleuten und Städten zu erhalten standen: alle übrigen Handelseinrich- 



ERSTER ABSCHN, EINLEITUNG. VERKEHR MIT UVLAND. 99 

langen schienen sie wenig zu kümmern. So geschah es denn in den Ländern, wo 
,der Einfluss der einheimischen Kauflente und Städte minder gross war, wo die 
städtischen Freyheiten nicht so wie in Deutschland gediehen , dass die Königettnd 
Fürsten das Interesse ihrer Länder an die Gesellschaften fremder Kaufleote, an 
die Bürger fremder mächtig gewordeneu Städte verkauften, weil die Noth sie ehen 
drängte. Gegen ein Geschenk, zur rechten Zeit angebracht, gegen eine Unter- 
stützung mit Mannschaft, Schiffen oder Geld in gefahrvoller Fehde, gegen Darlehn 
oft unter harten fast schmählichen Bedingungen, der Verpfandung der Kronen 
und Reichskleinodien, empfingen sie von den Bedrängten Befreyungen im Handel, 
Zollbegünstigungen auf ewige Zeiten bewilligt. Dagegen duldeten die Städte , in 
den Ländern, in welchen sie kühn und frey sich erhoben, die Einmischung ihrer 
wirklichen oder \ermeinten Herren im Handelsverkehr besonders mit Fremden gar 
nicht, auch war Solches wenig zu befurchten, wenn nicht etwa die Herren wegen 
einer Fehde den Verkehr untersagten« 

Auf diese Weise kann man dreist behaupten, dass aller Orten, wo städti- 
sche Freyheit gedieh, der Handel im Mittelalter freyer war, als in einer spätem 
Zeit, in welcher die £iim[iischung der Fürsten, der Könige und ihrer Käthe zur 
Leitung und Lenkung des Verkehrs, des Kunstfleisses, der Gewerbsamkeit, diesem 
oder jenem Systeme zufolge, nur zu oft eintrat 

Gewiss war es auch diese den aufblühenden Städten zugestandene Willkür 
bey ihrem Handel, welche so manche andere Hindemisse, die ihn damahls 
drückten, wieder aufwog. Frey lieh musste der fahrende Mann unter verschie- 
denen Nahmen Abgaben von seinem Handel den bedürftigen Herren entrichten; 
aber diese waren nicht so gross, dass sie Handelsverboten gleich gewirkt hätten. 
Seltener wurden diese Abgaben nach dem grossem oder geringem Werthe der 
Waaren in Hunderttheilen , meist vielmehr nach den Gelassen, worin sie verfuhrt 
wurden, oder nach den Quantitäten entrichtet, so dass die Erhebimg erleichtert 
ward, und sehr selten, etwa nur in Kriegszeiten, unterlag die eine oder die andere 
Waate einem gänzlichen Verbote. 

Die Herren der Länder befolgten noch keine Handels -Politik, die auf ver- 
meinten Handelsbilanzen gegründet war. Die Kaufleute dehnten ihren Handel so 
weit und dahin aus, wo sie Vortheile für sich fanden, ohne dass ihre Herren 
berechneten, ob das Land nach ihrer Meinung dabey verlöre oder gewönne, ob 
die Bilanz für oder wider dasselbe sey. Wo die Kaufleute einen ihrem Vortheile 
entsprechenden Markt fanden, den besuchten sie, da bewarben sie sich um Frey- 

N 2 




100 "^ ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

heilen fiir ihren Verkehr, und befanden sich wohl dabey» Die mit den Latmen 
und Systemen der Minister wechseLiden Gebote und Verbote kannte man nidit, 
ma^ hatte sie nicht zu furchten. 

Dagegen hatten die Kaufleute jener Zeit mit yielen Hindernissen zu kämpfen, 
die nun gehohen sind. Sie entbehrten die Hülfen ^ welche zur Erleichterung d^r 
Zahlung nachher aufgekommen sind, der VVechsel, der Banken, der Rechnungen 
und Gegenrechnungen zur Ausgleichung wechselseitiger Schulden und Forderungen, 
weil eben das Zutrauen, der Credit, wenigstens grossen Theils, fehlte, der das 
geringe haare Handelscapital theilweise hätte ersetzen können; die Menge und Un- 
Vollkommenheit der Zahlmittel, der Münzen, des Geldes, in so fem es von den 
Landesherren ausging, der Mangel an sicheren und schnellen Verbindungsmitteln, 
an Posten, an Kunststrassen zu Wasser wie zu Land, an der sinnvollem Benutzung 
der Naturkräfte zur Erleichterung der Verbindungen j der Mangel an Mitteln daheim 
aus entfernten Gegenden Nachrichten über Bedürfhiss und Absatz durch Zeitungen 
und Courszettel schnell zu erhalten; der Mangel an Anstalten, um durch Ver- 
sicherungen einzelne von dem Unglück Betroffene von dem Untergange zu retten: 
der Mangel dieser und so mancher anderen Hülfsmittel, welche den Verkehr imter 
den Völkern erleichtert haben, musste ihre Geschäfte nothw endig mehr oder we- 
niffer beschränken. 

Indess viele dieser Hülfsmittel, die sich erst im Verlauf der Jahrhunderte 
dargeboten haben, konnten kein Gegenstand ihrer Bestrebungen seyn, da ihnen 
selbst jegliche Vorstellung davon meist abging. Dagegen fühlten sie andere Ge- 
brechen nur zu lebhaft, die ans den damahligen öffentlichen Verhältnissen hervor^ 
gingen: so wie sie denn unablässig bemüht waren, diese hinwegzuräumen. 

Zunächst gehörte hierher die Unsicherheit der Strassen zu Wasser wie zu 
Land. Die steten Fehden, so wie die Beraubungen des fahrenden Mannes durch 
die Bewohner der Burgen und Festen, durch kühne Seeräuber auf den Meeren 
störten nicht nur den Handel , sondern verhinderten auch theilweise das Gedeihen 
der Länder. Die willkürliche Erhöhung der Zölle, die Anlage neuer, die Schwie- 
rigkeit, Recht gegen Die zu erhalten, welche ihr Schwert geschickt zu gebrauchen 
wussten, tmd diesem lediglich vertrauten, und besonders die bey dem Verkehr 
mit dem Auslande so verbreitete Ansicht, den Fremden als schutzlos zu be- 
trachten, wenn er nicht in des Landes Frieden aufgenommen war: diese und 
ähnliche Hindernisse wurden täglich gefühlt 3 sie zu bekämpfen forderte zu rast- 
losem Bestreben auf 



ERSTER ABSCHN. EINLEITUNG. VERKEHR MIT LIVLAND. loi 

Die niederdeutschen Kaufleute und Ihre städtischen Obrigkeiten suchten diesen 
Uebehi durch der Päpste Breven und Bullen, durch der Kaiser Vorschreiben, durch 
ihre und der fremden Mächte Gebote, durch das Aufbieten des geistlichen und 
■weltlichen Arms zu begegnen, gegen Strand- und Grundruhrrecht sich zu schützen, 
den Schiffbrüchigen oder ihren Erben ihr gerettetes Gut zu sichern, und das Verfallen 
desselben . an den Grundherrn abzuwenden , welches beym Umsturz eines Wagens 
seinen Boden berührt hatte. Sie bemühten sich, den Strassenzwang zu mildern, 
auf die Verbesserung der Wege zu dringen, ZoUfreyheiten oder Mässigung der 
vorhandenen Zölle zu erhalten, deren Erhöhung abzuwenden ; sie verfolgten die edlen 
Räuber mit den Waffen in der Hand und behaupteten ihr Recht dazu durch den 
mit den Grossen abgeschlossenen Landfrieden; der fahrende Mann zog selbst be- 
waffnet zu Lande, zur See vereinte man sich zu Admiralschaften, die Schiffsmann- 
schaft war mit Waffen versehen und zum Kampf auf Tod und Leben gedungen. 
Eine bessere Rechtspflege suchten die Städte nicht nur innerhalb ihrer Mauern 
zu begründen, und ihre eigenthümllche Lage begünstigte sie darin, sondern sie 
waren auch bemüht, ausserhalb derselben, ja in fremden nicht deutschen Landen 
solche den Ihrigen zu verschaffen. 

Die grässliche Ausdehnung des späterhin unter dem Nahmen von RepressaUen 
bekannten Verfahrens waren die Städte eifrigst bemüht zu mildem , indem sie 
sich die Zusicherung erwirkten, dass nur der wirkliche Schuldner oder dessen 
frey williger Bürge für seine Schuld, der Verbrecher für seine Vergehungen, nicht 
aber dessen unschuldige Mitbürger haften sollten. Sie waren nicht weniger eifrigst 
bemüht, bey anhängigen Rechtsstreiten dem Beklagten gegen hinlängliche Bürgschaft 
die persönliche Freyheit zu erhalten, einen schnellen Rechtsgang für die schleunige 
Bezahlung ihrer aus dem Handel entstandenen Forderungen sich zu verschaffen, 
und durch Richter, die aus ihrer Mitte gewählt und von ihnen angestellt waren, 
ihren, in fremden Ländern verweilenden Landsleuten nach ihren vaterländischen 
Gewohnheiten in den unter ihnen entstandenen Streitigkeiten Recht sprechen 
zu lassen } das hinterlassene Gut des in der Fremde verstorbenen Landsmannes 
seinen rechtmässigen Erben zu sichern, das Geraubte, obwohl an Andere ver- 
äussert, dem wirklichen Eigenthümer wieder zuzuwenden, dem Rechte des Vorkaufs 
des Landesherrn vorzubauen, und dem Zwange der in seinem Nahmen Handelnden 
zu begegnen, welche zu willküi*lichen Preisen den Kaufleuten die Güter abnahmen ; 
sie waren bemüht, die Ihrigen von der Verbindlichkeit zu befreyen, im Fall einer 
Fehde mit Schiffen und Mannschaft dem fremden Landesherm beyzustehen, sie 



102 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

bestrebten sieb , den Ibrigen den freyen Handel und die freye Fahrt auf zwey mit 
einander im Kriege begriffene Länder zu sichern, so wie noch manche andere 
Freyhelten der Art mehr zu erwerben. 

Durch diess Alles bewirkten diese Kaufleute und ihre städtischen Obrigkeiten 
das Aufkommen von Gewohnheiten, die einem freyen und gesicherten Verkehre 
unter den Völkern angemessen waren, die den Fremdlingen im fremden Lande mehr 
Schutz und Sicherheit gewährten, wesshalb sie gerechten Anspruch auf das dank- 
bare Andenken der Nachkommen haben; denn nur allmählich ist der bessere 
Zustand Europas durch solche und ähnliche Bestrebungen herbey gefuhrt, und 
ein besserer Verein unter dessen verschiedenen Völkerschaften rege geworden, die 
zu unverbrüchlichen Gewohnheiten wurden, welche unsem Welttheil von andern 
unterscheiden. 

Ein ganz eigenthümliches Hinderniss aber für jeden auswärtigen Verkehr, 
welches auch am schwersten zu besiegen seyn mochte, lag damahls in dem nur 
zu gegründeten Misstrauen, welches man zu Fremden, die unter einem auslän- 
dischen Rechte standen, haben musste. Hierdurch ward es unthunlich, wie es 
jetzt üblich ist, den Fremden die heimischen Güter zum Verkauf anzuvertrauen, 
und mit dem Einkaufe der bey ihnen fälligen zu beauftragen, da sie im Einver- 
ständuiss mit ihren Landsleuten und Richtern jeden Auftrag der Art lediglich zu 
ihrem Vortheile benutzt haben würden. Dieser Mangel musste nothw endig sogleich 
gefühlt werden, als sich der Verkehr im Auslande aus seiner ersten Unvollkom- 
menheit heraus zu heben anfing: denn dass die fremden Kaufleute mit ihren 
Gütern stets selbst auf den Märkten des Auslandes erscheinen mussten, um den 
Verkauf und Einkauf zu betreiben, schien den Verkehr gar zu sehr zu beschränken. 

Um diesem Uebel zu entgehen, suchten die Niederdeutschen dauernde, durch 
Freyheiten begünstigte Niederlassungen im Auslande zu begründen. Diess Mittel 
schien dem Zweck vollkommen zu entsprechen. Landsleute, im fremden Lande 
sich auf einige Zeit auflialtend, oder länger daselbst verweilend, blieben den 
vaterländischen Rechten unterworfen, sie konnten die Bedürfnisse der Fremden 
besser auskundschaften, Zelt und Art eines vortheilhaften Einkaufs ausmitteln und 
den Mangel eines Commissions - Handels , wie man späterhin sich ausdrückte, 
theilweise ersetzen. 

Auf ähnliche Weise und aus denselben Gründen betreiben alle Europäer 
noch jetzt ihre Handelsgeschäfte mit andern Völkern, die auf einer ähnlichen Stufe 
der Bildung stehen, während unter den gebildetem Völkern Europas die mühsam 



ERSTER ABSCHN. EINLEITUNG. VERKEHR MIT LIVLAND. io3 

und mit grossen Kosten erworbenen Niederlagen eingegangen sind, als das wech- 
selseitige Vertrauen und gleiche Sicherheit zwischen den Kaufleuten der verschiedenen 
Völker sich vollkommener ausgebildet hatte. 

Bey der Begründung dieser Niederlagen stand indess den niederdeutschen 
Städten und Kaufleuten der Hass und die Eifersucht der Eingeborenen entgegen. 
Aber sie ermüdeten nicht, Andere waren ihnen mit dem Beyspiele vorausgegangen ; 
sie erwarben im Verlauf der Zeit lur ihre Niederlassungen mehrere Vorrechte und 
so erwuchsen die späterhin so berühmten und theilweise gefurchteten sogenannten 
hansischen Comtoire, deren Anfang klein und gering war und die damahls unter 
dem Nahmen des gemeinen Kaufmanns in England, Flandern u. f. bekannt waren. 
Erst späterhin gediehen diese Niederlagen zu grossen Stapel- und Handelszwangs- 
plätzen, über deren Rechte, die sie von feilen Herren erkauft hatten, die Einge- 
borenen späterhin um so mehr jn die bittersten Klagen ausbrachen, als eine andere 
Zeit andere Bedürfnisse und eine, von der alten Weise gänzlich verschiedene Art, 
den Handel unter den Völkern zu betreiben, eingeführt hatte. 

Für den deutschen Handel im Innern bedurfte es dieser Niederlagen nicht, 
auch sind dergleichen nie errichtet worden. Von Kaiser und Reich hat der 
Verein in Deutschland keine allgemeine Handelsfreyheiten in dieser Zeit erlangt, 
ja selbst späterhin war Alles, was in dieser Beziehung geschah, Kaiser Sigismunds 
wirkungsloser Schutzbrief für die Kaufleute der deutschen Hanse v. J. 1415 gegen 
das Strandrecht. Die deutschen Könige haben es nie verstanden, die emporkom- 
mende städtische Freyheit und Macht zur Behauptung ihres eigenen Ansehens 
und zur Befestigung ihrer Herrschaft gegen die Grossen dauernd zu benutzen, wie 
es in andern Ländern zum Theil geschah. 

Diesem Mangel allgemeiner, in Deutschland den Städten von Kaiser und 
Reich bewilligten Freyhelten ward durch das Bestreben Einzelner, auch einiger 
wenigen näher einander Benachbarten dadurch abgeholfen, dass sie von den Kaisem, 
oder von ihren Landesherren oder den ihnen näher belegenen Fürsten, ZoUfrey- 
helten, Stapelgerechtigkeiten, Mess - und Marktfreyheiten, Befreyungen vom 
Strandrechte , die Befugniss Räuber auch auf fremdem Gebiete zu verfolgen , eine 
bessere Rechtspflege zur Eintreibung ihrer ausstehenden Forderungen sich ver- 
schafften. Diese Erwerbungen durch Einzelne sind wirklich zahllos. Was aber 
Einzelne oder einige Wenige gemeinschaftlich auf diese Weise erwarben, das 
kam mittelbarer Weise mehr oder weniger Allen zu Gute. 



104 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Aach Hessen sie es Irierbey nicht bewenden. Die deutschen Seestädte 
warben von mehreren Fürsten, meist an den Küsten der Ostsee, einzeln oder 
tmter einer gemeinschaftlichen Benennung gewisse Zusicherungen zum Schutz 
für Ihre Schifffahrt und ihren Handel, von den Herren von Holstein, Meklenbui^, 
Pommern und Rügen, von mehreren unruhigen und freyen friesischen und 
sächsischen Völkerschaften, den Dithmarschen und andern mehr westlich bel^enen, 
besonders durch die Bestrebungen Bremens und Hamburgs. Der Schutz der allen 
Christeft, der allen Kaufleuten, welche die Ostsee befahren, welche Gothland 
besuchen , auf den Meeren , den Strömen , längs der Küsten für ihre Schifffahrt 
ertheilt wurde, kam ihnen Allen zu Gut ; schon theilwelse diese Ausdrücke , mehr 
noch wenn in den Urkunden des gemeinen Kaufmanns Erwähnung geschah, 
scheinen sich auf den Verein dieser Kauffahrer, wie er sich besonders auf Goth- 
land früh gebildet hatte, vornehmlich zu beziehen. 

Am zahlreichsten und ausgedehntesten und allgemeiner noch lauten Indess 
die Zusicherungen, welche die Kaufleute und Städte in den neuen deutschen An- 
pflanzungen in Preussen, besonders aber in Livland erhielten, indem der Orden 
so wie die Bischöfe des Landes die Verdienste der niederdeutschen Städte zur 
Begründung und Behauptung ihrer Erwerbungen dankbar und urkundlich aner-^ 
kannten. So ertheilte der Erzbischof Albrecht von Livland bereits in d. J. 1253, 
gestützt auf päpstliche Bullen und die Constitution des Cardinais Guido, allen 
Kaufleuten Schutz gegen Strandrecht und die Beraubung der Schiffbrüchigen, 
besonders denen, die zwischen Lübeck und Gothland und der Düna, diesen 
Strom hinauf und überall nach Liv - und Esthland fahren, bey Strafe des Kirchen- 
bannes, welcher auch gegen die Hehler und Erwerber der so geraubten Güter 
verhängt wird , bis sie deren doppelten Werth den Eigenthümern wieder erstattet 
haben; das Interdict soll das ganze Kirchspiel treffen, wo das Verbrechen began- 
gen worden. Wer von den Vorbenannten ohne Bereuung seiner Missethaten und 
ohne Ersetzung alles Geraubten stirbt, der soll des kirchlichen Begräbnisses ent- 
behren, sein Leichnam in das Meer geworfen werden. Den christlichen See- 
fahrern wird von Ebendemselben im J. 1256 zugesichert, dass die Strandbe- 
wohner den Schiffbrüchigen alle Hülfe, die sie sich selbst nur wünschen könnten, 
gewähren sollen; und da diese Gegenden vorzüglich durch den Beystand der 
Kaufleute zum Christenthume bekehrt worden, und diese eine Belohnung dess- 
halb zu erwarten haben, so sollen sie wie bisher von allen Abgaben und Zöllen 
befreyt seyn. 



ERSTER ABSCHN. EINLEITUNG. VERKEHR MIT LIVLAND. 105 

Heinrich, Bischof von Curland, fugte im J. 1254 der allgemeinen Befreynng 
vom Strandrechte noch hinzu, dass das , an der Küste seines Sprengeis gestrandete 
Gut, wenn die Schiffsmannschaft untergegangen sey, Jahr und Tag im Lande dem 
wirklichen Erhen aufbewahrt werden solle. 

Der Erzbischof Johann von Liv- und Esthland, Preussen und der Kirche 
zu Riga bestätigte in d. J. 1275 (von seinem Nachfolger Johann III. im J. 1295 
erneuert) allen Kaufleuten, weil durch ihre Muhe, ihr Blut und die von ihnen auf- 
gewandten Kosten die neue Kirche vornehmlich gediehen sey, alle von ihnen bereits 
in seinem Sprengel erhaltenen Freyheiten, wenn sie im Meere, in der Düna oder in 
des Landes Flüssen Schiffbruch leiden ; er ertheilt ihnen die Befugniss, an den Ufern 
Holz zu filllen , zur Feuerung und zur Ausbesserung ihrer Schiffe , in allen Hafen 
und an dem dazu geeignetem Strande ihre Waaren aufzustapeln, für ihre Zug- 
thiere und Pferde der Gemeinweiden sich zu bedienen, und die ihnen geraubten 
oder durch Zufall von ihnen verlorenen Güter da, wo sie dieselben finden, 
wieder als ihr Eigenthum zurückzunehmen, ohne dass des Landes Richter für 
sidi Etwas davon, weil es geraubt war,' abzuziehn berechtigt seyn sollen. 

Derselbe, in Verbindung mit Hermann, Bischof vonOesel und Ernst dem Meister 
in Livland, bestätigte im J. 1277 allen Gönnern der neuen Anpflanzung und nahmentlich 
den Kaufleuten aus allen Orten, welche die Ostsee und Livland besuchen und mit 
diesem Lande in Freundschaft sind, diese Freyheiten, unter einiger Beschränkung, 
mit Hinzufugung einiger näheren Bestimmungen und nebst einigen Erweiterungen. Den 
zum Verkaufe hingeführten Pferden soll die Benutzung der Gemeinweiden zustehen, 
unter der Bedingung, den Saatfeldern und Wiesen der Einzelnen nicht zu schaden ; 
das von ihnen zu fallende Holz soll nicht zum Bau neuer Schiffe, ohne besondere 
Erlaubniss, ihnen fr ey stehen. Bricht Streit unter ihnen selbst am Strande des Mee- 
res, oder am Ufer der Flüsse aus, .so sollen die aus ihrer Mitte von ihnen gewählten 
Richternach den jetzigen Rechtsgewohnheiten der Kaufleute in Gothland ihn 
entscheiden ; sollten sie aber sich gegen Eingeborne vergehen, so soll ihr Olderman 
nach des Landes Recht über sie sprechen; wenn endlich Eingeborene, des Erz- 
bischofs und anderer Herren Leute sich gegen sie vergehen sollten , so haben des 
Landes Richter nach Landes Recht das Urthell zu fallen. Stirbt ein Kaufmann 
im Lande in Folge eines an ihm begangenen Strassenraubcs , so bleiben dessen 
Güter ohne Abzug seinen nächsten Erben. Wird einer auf andre Weise erschla- 
gen, der Mörder aber verhaftet, so soll »die Gerechtigkeit nicht verweigert werden. 
W^äre der Mörder entflohen und anderswo vor Gericht gestellt, so soll er in 

O 



jQß ZWEYTE ABTHEIL. GESCH, DES HANDELS. 

eine Geldbusse von zehn Mark Silbers verfallen seyn, wovon der Richter jedoch 
Nichts erhalten soll. Hat der Bestohlene den Dieb ergri£Fen, nimmt er sein Gut 
wieder an sich, so fallt zwar der Dieb, sonst aber Nichts dem Richter anheim; 
der Eigenthumer kann seine Güter, die der Dieb oder Räuber in Wäldern oder 
Höhlen verborgen hat, wenn er sie auffindet, frey und sicher v^eder zu sich 
, nehmen, ohne desshalb eines Vergehens beschuldigt zu werden. 

Die Bischöfe von, Oesel Heinrich und Hermann, haben in d. J. 1256 u. 1262j 
der Bischof Friedrich von Dorpat im X 1274, gleiche Befreyungen, wenn auch 
nicht in gleicher Ausdehnung, den Kaufleuten zugestanden« Diese gemeinschafUich 
erworbenen oder Allen ertheilten Freyheiten haben einzelne deutsche Städte , vor 
allen Andern besonders Lübeck, die am thätigsten in diesen Gegenden war, 
sich bestätigen lassen ^^ wahrscheinlich haben aber auch andere Städte noch be- 
sondere Begünstigungen sich im Lande zu verschaffen gewusst. 

So hat Lübeck bereits im X 1231 von der Stadt Riga innerhalb ihrer 
Ringmauern einen Hof zum eigenthümlichen Besitze eingeräumt erhalten; auch 
verstattete Heinrich von Wida, Meister des deutschen Ordens in Preussen, den 
Lübeckern im J. 1242 eine freye Stadt in Samland, nach der zu Riga üblichen 
"Weise zu einem Hafen für Seeschiffe anzulegen, welches jedoch keine Folge 
weiter gehabt zu haben scheint, und nur beurkundet, wie die Stadt nach allen 
Seiten hin ihre Aufmerksamkeit richtete } auch ward sie zur Vermittlerin der Strei- 
tigkeiten zwischen der Stadt Riga und dem Orden um d* J« 1301 angesprochen 
und zum Beystande mit Rath und That aufgefordert« 

So erhielt Lübeck, um eines der wesentlichsten Freybriefe zu gedenken, von 
Gottfried, dem Meister, den Comthuren und Brüdern des Ordens in Livland im 
J- 1299 ausser den Freyheiten, die der Erzbischof Johann allen Kaufleuten ertheilte, 
und welche in dieser Urkunde für Lübeck wiederhohlt werden, mit dem Unter- 
schiede, dass der Streit unter den Lübeckern im Laride von ihren eigenen Richtern 
nach lübischem Rechte entschieden werden sollte, noch folgende: Ein Bergelohn 
wird denen, die zur Bergung des gestrandeten Gutes bchülflich sind, bewilligt. 
Wenn zwischen dem Orden und dessen Verbündeten von der einen Seite, und 
den Russen oder Helden und ihren Helfern von der andern, Fehde ist, so soll 
den Lübeckern dennoch der Handel durch Livland mit dessen Feinden auf ihre 
jGefahr frey stehen, und alle Güter, die sie nach Livland und den dem Orden 
unterworfenen Gegenden in ihrem Nahmen, nicht im Nahmen der Feinde bringen, 
sollen sie frey verkaufen oder wieder ausfuhren dürfen. Venedig hat auf gleiche 



ERSTER ABSCHN- EINLEITUNG. VERKEHR MIT LIVLAND. i07 

Weise um dieselbe Zeit und früher die Freyheit des Handels mit den Ungläubigen 
sich ausbedungen. Den Lübeckern steht die Freyheit der Strassen zu "Wasser 
und Land in des Ordens Gebiet zu. Sollte aber ein Streit zwischen beiden Theilen 
entstehen, so sollen sie die Güter, welche sie vor dessen Ausbruch im Lande 
hatten, oder die sie, unbekannt mit dem Streite, in gutem Glauben dahin gebracht 
hatten, frey wieder zu Wasser oder Land ausfuhren dürfen. Ihre Factore sollen 
mit ihrem eigenen Gut uftd ihrer Person für ihre Vergehen haften, nicht aber mit 
den Gütern anderer Lübecker, von welchen sie beauftragt worden sind; eben so 
wenig könnei^ diese Güter von den Dienern der Kaufleute verspielt werden. Zwi- 
schen Livland und Preussen ist den Lübeckern erlaubt zu Land, auf ihre Gefahr, 
mit ihren Gütern zu ziehen. Zuletzt werden ihnen mit Hinzufiigung des Lobs 
und Danks für ihre unerschütterliche Liebe zu dem Orden bey dessen Anfang 
sowohl, als in neuerer Zeit, alle früher erworbenen Freyheiten bestätigt, und auf 
immer ihnen verstattet, Getreide und alle Arten Güter gleich den Ordensbrüdern 
in allen Städten und Flecken, in allen, dem Orden unterworfenen oder noch zu 
unterwerfenden Ortschaften zu kaufen und auszuführen; es steht ihnen frey, der 
Eingebomen gegen Lohn, wie sie desshalb mit ihnen einig werden, sich zur Ver- 
führung ihrer Güter ^auf Wagen oder Schiffen zu bedienen , auch ausserhalb der 
öffentlichen Strassen und Wege, in Feld und Wald zu gehen und zu reiten, 
ohne desshalb straffällig zu ^eyn^ 

Diess waren allerdings Begünstigimgen , vollends wenn man die besonders 
erwägt, welche Lübeck für ^ich erhielt, dergleichen die niederdeutschen Städte 
in keinem untör deutscher Hoheit stehenden Lande sich in dieser Ausdehnung zu 
erfreuen hatten. Gewiss haben auch diese Begünstigungen die so schnell zuneh- 
mende Wohlhabenheit der westlicher belegenen deutschen Städte und vor- 
nehmlich Lübecks befördert, ohne Livland nachtheilig zu seyn, welches gleich- 
falls, ungeachtet der fast ununterbrochenen Fehden mit den Russen und Heiden, 
rasch aufblühte* 

Diese Landschaft war Aber den Deutschen nicht allein der daselbst einzu- 
kaufenden einl^eimischen Güter, und der von ihnen daselbst abzusetzenden so viel 
werth, sondern zugleich des Verkehrs wegen, der hier mit den Russen und andern 
benachbarten Völkern betrieben ward, vielleicht noch wichtiger, vollends seitdem 
die Schweden den Ausfluss der Newa beherrschten, und die Russen durch die 
unglückliche mongolische Herrschalt mehr und mehr der eigenen Schifffahrt nach 
Gothland und der Trave entfremdet wurden. Daher die Städte auch, und be- 

O 2 



108 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

sonders wiederum Lübeck, bey den Herren von Dänmark, so lange sie Esthland 
besassen, nahmentlich bey den beiden Königen Erich Glipping und Menved, so 
wie bey dessen Mutter sich bemühten, um gegen Seeraub und Strandrecht an 
den Küsten geschützt zu seyn, und eine freye Fahrt durch Esthland und "Wirland 
nach der Narwa und Nowgorod sich zu . verschaffen, welches ihnen auch 
bewilligt wurde, und nachdem diese Gegenden unter des Ordens Herrschaft 
kamen, so schienen ihre alten Freyheiten in Livland auch hier gelten zu müssen. 
Wenden wir uns nun dem so wichtigen Verkehr mit Russland zu. 



ZWEYTER ABSCHNITT. 

Verkehr der deutschen Kaufieute und Städte mit Russland« 



Unhezweifelt ist der erste unmittelhare Verkehr der Niederdeutschen mit den 
Russen in Russland von der Gesellschaft deutscher Kaufleute auf der Insel Goth- 
land, wahrscheinlich unter Anleitung der Gothen selbst, versucht und gewagt 
worden. Wir wissen, dass Sachsen schon zu Kaiser Lothars und zu Heinrichs 
des Löwen Zeiten Gothland besuchten, und dass hier eine bedeutende deutsche 
Handelsgesellschaft sich bildete. Die Kaufleute der früher aufgekommenen deut- 
schen Städte Sachsens und Westphalens sind früher hier erschienen, als man von 
deutschen Städten im Wendenlande, und weiter östlich, etwa mit Ausnahme 
Lübecks, noch wenig wusste, wenigstens befanden sich diese deutschen Städte 
noch in dem ersten unvollkommenen Anfange. 

Die Sachsen mögen indess mittelbarer Weise durch die wendischen, scan- 
dinavischen und anderer Völker Kaufleute und Städte Güter aus Russland in noch 
weit früherer Zeit bereits bezogen, und die ihrigen auf demselben Wege von 
Deutschland aus dorthin geschafft haben: allein etwas anderes ist es, wenn von 
dem unmittelbaren Verkehre der Deutschen mit und in Russland die Rede ist 
Jene den Deutschen und Russen näher benachbarten Völkerschaften, die Slaven 
oder Wenden und die Scandinaven, haben ohne Zweifel früher als die Sachsen in 
unmittelbarem Verkehr mit den Russen in Russland gestanden. 

Nach dem Verfall Sigtunas, Schleswigs, Julius und anderer älteren nördlich 
belegenen Handelsstädte, welche den Sachsen als Zwischenhand früher gedient 
haben mögen, kam die Insel Gothland mehr empor, die, ihrer günstigen Lage 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. ^09 

wegen, bald der Mitlelpunct des nordöstlichen und nordwestlichen Handels wurde. 
Die Deutschen auf dieser Insel fanden daselbst Russen gleichfalls Tor, die mit 
ihren Gütern dieselbe besuchten, und früh daselbst eine griechische Kirche hatten, 
was von der Lebhaftigkeit des wechselseitigen Verkehrs zeugt Die Gothen hatten 
dagegen auch ihre Niederlagen und Kirchen in Russland früh gehabt Wahr- 
scheinlich haben die Deutschen zuerst unter dem Schutz der befreundeten Ein- 
wohner der Insel den Versuch eines unmittelbaren Verkehrs mit und in Russland 
gewagt, während sie zuvor sich auf den mittelbaren Verkehr mit ihnen auf Goth- 
land beschränkten. Mehr mit den Vortheilen bekannt, welche der unmittelbar 
in Russland zu betreibende Verkehr ihnen gewährte, mögen sie dann bemüht 
gewesen seyn, dem Beyspiele der Gothen folgend, eigene Handelsnied erlagen und 
Kirchen in Russland sich zu verschaffen, imd in diesem Bemühen mögen sie 
durch den früh gebildeten und mächtigen Verein ihrer Kauffahrer auf Gothland, 
so wie durch das Aufblühen der deutschen Slädte begünstigt worden seyn: auch 
ist es ihnen vollkommen gelungen. Beide, Gothen und Deutsche, hatten fortan ihre 
besondern Kirchen und Niederlagen in Russland, und so wie Jene zuerst vorherr- 
schend seyn mochten, so sind sie doch bald nachher von den Deutschen überflügelt 
worden, beide Thelle blieben fortan in Russland von einander abgesondert; jeder 
Theil hatte seinen besondem Hof, seine eigene Kirche zu Nowgorod, doch waren 
sie gegen einander nicht feindselig gesinnt Gegen Elnde des dreyzehnten Jahr-, 
hunderts hören die gemeinschadlichen Unterhandlungen der Gothen und Deutschen 
mit den Russen auf, und schon einige Jahrzehnde früher, treten die Deutschen 
als die bedeutendem in diesem Verkehr auf Russland und in den Unterhand- 
lungen mit den Russen hervor. Die Letztem scheinen vorzüglich auf der Insel 
ihren Verkehr mit den westlich belegenen Völkern gefährt zu haben, wie der 
Vertrag v. J. 1229 beweiset, der mit den Kaufleuten daselbst, den Rigaern 
und den Anhängern der römischen Kirche (Lateinern) zwischen ihnen und dem 
Fürsten von Smolensk abgeschlossen ward. Indess behielten sich die Russen 
das Recht bevor, von der Insel frey nach der Trave fahren zu dürfen: aber eben 
dieser Vertrag zeigt auch, wie ganz eigentlich die Insel der Hauptsitz des Verkehrs 
zwischen den verschiedenen Völkern, zwischen ihnen und den Russen geworden 
war. Daraus aber, dass schon in der zweyten Halde des zwölften Jahrhunderts, 
wie urkundlich bewiesen ist, Russen bereits des Handels wegen Lübeck besuchen, 
ist noch nicht sogleich abzunehmen, dass nun auch Lübecker oder andere Deutsche 
zu gleicher Zeit Russland bereits unmittelbar besucht hätten; es erhellet wenigstens 



/ 






HO ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

daraus nicht mit Gewissheit, ohne es eben geradezu abläugnen zu wqllen i). Das5 
aber zu Ende des zwölften und Anfangs dos dreyzchnten Jahrhunderts über 
Livland ein Verkehr mit den benachbarten Russen über die Düna und zu Lande 
bestanden habe^ versteht sich^ von selbst und ist mit Urkunden zu beweisen. 
Eben so wenig Ist zu bezweifeln, dass um dieselbe Zeit der "Weg zu Wasser über 
die Newa, und dass vielleicht noch ein anderer Weg, nach kurzer Landfahrt, 
über den Woxa nach Nowgorod bestand 2). 

Wiewohl man nicht bestimmte Jahre anzugeben im Stande ist, wann diese 
verschiedenen Veränderungen in den Handelswegen und In der Art, wie der Ver- 
kehr betrieben ward, sich zugetragen haben, so wird sich doch der Gang, wie er 
angegeben worden, im Allgemeinen selbst durch unverwerfliche Urkunden bestätigen 
lassen; und wäre diess nicht der Fall, so würde die natürliche Lage Russlands, 
der Insel Gothland und der deutschen Städte, die Vorstellung unterstützen. 

Zu allen Zeiten schlägt man im Handel mit fernen Rändern den Weg zuerst 
em, der am Schnellesten und sichersten zum nächsten Ziele, zum Absätze der 
eigenen, zum Eintausche der fremden geschätzten Güter fuhrt. Dazu bot in 
diesem Falle die Insel Gothland zuerst die beste Gelegenheit dar. Dann schreitet 
man weiter, sucht den Verkäufer oder Erzieler im eigenen Lande auf und tritt 
mit ihm zugleich als Abnehmer der eigenen Güter in unmittelbare Verbindung. 

Keine der ältesten Urkunden, die der deutschen Niederlage in Nowgorod 
gedenken, reicht über das dreyzehnte Jahrhundert hinaus. Wenn darin von alter 
Sitte oder einem altem Herkommen die Rede ist, /so mag man immer annehmen, 
dass im zwölften Jahrhunderte dieser unmittelbare Verkehr der Deutschen mit 
den Russen In Russland seinen Anfang genommen habe, doch gewiss nur erst in 
der zweyten Hälfte desselben, als die Bremer, denen Andere folgten, angefangen 
hatten, die Düna zu befahren. Dass die Bremer von Gothland aus um d. J. il57 
oder 1158 die Mündungen der Düna aber zuerst besuchten, ist eben so gewiss, 
als von einer sogenannten Entdeckung dieser Küsten lediglich in Bezug auf Deutsche 
die Rede seyn konnte, indem sie den meisten übrigen Anwohnern der Ostsee als 
z. B. den Scandlnaven und den wendischen oder slavischen Völkerschaften schon 



1) Iii dem bekauuteu Freybriefe de« Kaisers Friedrich L v» d* J. 1188 ftr Lübeck, befreyt er uuter Andern 
auch die Ruteni vom Zolle. 

2) Von diesem Wege über den Woxa spricht Kall in einer Anmerkung zu Suhm \l\L 580, obwohl ich 
in deutscheu Urkunden dessen Erwähnung nie gefuudeu habe ; •vielleicht ist es der älteste gewesen , den 
Deutsche in Gemeinschaft mit den Gotheu einschlugen. 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. m 

langst bekannt waren. Eben diese Darstellung aber, als wäre die Mündang der 
Düna damahls Ton den Bremern entdeckt worden, beweiset, dass die Deukscben 
zuvor diese Küste nicht befahren haben. > Die Insel Gothland scheint das öst- 
lichste Land gewesen zu seyn, welches sie bis dahin besuchten, wo sie alle 
Gelegenheit fanden, mit den weiter östlich belegenen Völkern zu verkehren, deren 
Güter einzutauschen und deutsche dagegen zu geben« Allein es scheint auch 
zugleich zir erhellen, dass sie den bey Weitem entferntem Weg zur See nach 
Russland noch weniger kannten. Das eben hat die Insel zum wechselseitigen 
Marktplatze der östlichsten und der westlich belegenen Völker an der Ost- und 
Kordsee erhoben, dass ihre Lage iiir beide Theile einen Mittelpunct bildete, der auf 
diesem unsichem östlichen Meere, bey der unvollkommenen Schifffahrt jener Zeiten 
Beiden leicht zu erreichen möglich war i). Hätten wir genaue und beglaubigte 



l) Die Tortreffliche Ausgabe der ältesten einheimiscliea , Ton einem zar Zeit der sogenannten Entdeckung 
und ersten Ansiedelung der Deutschen in Livland lebenden Geistlichen verfassten Jahrbdcher durch G r u b e r , 
enthält die lauterste und älteste Quelle fUr diese folgenreiche Begebenheit (Origines Livoniae s» chro^ 
nicon Liyonicum vetus ed* Joan. Dan» Gruben Fraucof« et LipS' 1740» ^0* Woim der Tortreffliche Heraus- 
geher p. 2* n. c* dafürhält, dass von der Entdeci^ung oder ersten Beschiffuug der Düna -Mündung durch 
Sachsen oder Deutsche nur allein die Rede hier seyn könne, da man aus Adam von Bremen wisse, 
dass Sachsen zuvor das preussische Samland, Esthlaud, |a Ostergard - Russland mit Schiffen besucht hätten, 
so scheint mir» nach einer genauen Envägmtg der erwähnten Stellen bey Adam Ton Bremeui sicli dies» 
keineswegs daraus zu ergeben. Adam ron Bremen in den von G ruber augeführten beiden Stellen 
htst, eccl, IL cap. 13» dn Undenbrog 3S^ ren German^ ed, Fabricii p. 19, und de dtu Daniae p. 59* (cap. 227« 
p«770 beschreibt die Lage dieser wendischen und andern Küstenländer der Ostsee, wie er durch Hören- 
sagen — denn er selbst ist nie in diesen Gegenden gewesen — sie Temommen hatte. In der ersten 
Stelle sagt er, man komme zu Schiff you Demmin nach dem prenssischen Samlande; von Hamburg und 
der Elbe gelange man zu Land in acht Tagen nach Julin, Ton Schleswig imd Aldenburg aber zur See 
eben dahin/ und von da in drey und Ylerzig Tagen nach Ostrogard Russlands. Das ist eine allgemeine 
Beschreibung der Lage und Entfernung der angeführten Gegenden, wie er sie von Hörensagen hatte, 
nicht Ein "Wort aber sagt er davon » dass die Sachsen diesen ganzen Weg gemacht hätten, im Gegentheile 
die Slaven oder Wenden sind hier offenbar gemeinty die von Julin selbst bis Russland schiffen ; von Ham- 
burg kann man zu Land nach Julin, von Schleswig und Aldenburg zu Wasser eben dahin gelangen ; dass 
die Sachsen dies« gethan haben # ist keinem Zweifel unterworfen« Die Wenden mögen dann von Julin 
weiter nach Russland gefahren seyn; Adam gibt uns die Entfernung, die Länge der Reise an, hätten die 
Sachsen die unmittelbare Fahrt nach Russland gekannt, so brauchten sie nicht nach Juliu zu gehen« Die 
zweyte Stelle aus Adam ist unbedeutender für ims , es Ist darin nur von dem prenssischen Samlande die 
Rede, und gleichfalls wieder zufolge einer allgemeinen Beschreibung« findet mau ähnliche Nachrichten 
bey spätem Schriftstellern, z« B« bey Helmoldr so sind sie aus A^am entlehnt, und fordern keine 
weitere Prüfung« Ein neuer scharfsinniger Schriftsteller hat Adam von Bremen einer genauen Prü- 
fung unterworfen^ und über Julin, Jumiu, Wineta die besten neuern Untersuchungen angestellt: C. F* von 
Rumohr, Sammlunjf für Kunst und Historie B«l« Hamb. 1816« B« Heft 1. erste Abhandlung: Ueber das 
Verhaltniss der seit lange gewöhnlichen Vorstellungen von einer prachtvollen Wineta zu unserer positiven 



1 12 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Ueberlieferungen und Urkunden über den frühesten Zustand des Verkehrs der 
Deutschen auf der Insel Gothland, so würde sich die Wahrheit dieser Vorstellung 
gewiss auf das Bündigste darthun lassen: auf jeden Fall ist mit diesem Verkehr 
zu. beginnen, wenn von dem ältesten Handel der Deutschen mit den Russen in 
Russland die Rede seyn soll i). 

Die Torzüglichsten auf uns gekommenen Urkunden, welche auf den unmit- 
telbaren Verkehr der Deutschen mit den Russen in Russland sich beziehen, sind 
entweder Verträge, welche die Deutschen mit den russischen Fürsten und Obrig- 
keiten oder deren Nachbarn abschlössen, um besonders eine freye, geschützte 
Fahrt zu Wasser und zu Lande nach Russland zu erhalten: oder es sind Ver-- 
Ordnungen des Deutschen Hofs zu Nowgorod, oder der Städte zur Handhabung 
der Ordnung daselbst, 

1. 

Verträge zwischeu DeaUoheu uud Russen und den Nachbarn der Letxtemi um eine freye und geschützte 

Fahrt auf Russlaud zu behaupten* 

Der älteste bis jetzt aufgefundene und auf uns gekommene Vertrag ist v. d. 
J. 1229 > der zwischen dem Fürsten Mistislaw Dawidowitsch von Smolensk auf 



Keuntuiss der Cultur und Kunst der deutschen Ostseesla^en } besonders S. 42« 116 u« ff. Diese Unter- 
suchungen dürfen nicht übersehen werden; er beweist vornehmlich, dass Adam von Bremen, der nie 
in das SJaveuland gekommen war, seine Nachrichten aus frühem sächsischen, vornehmlich aber aus däui- 
schen mündlichen Ueberlieferungen genommen habe, er findet auch in der von ihm gewählten Bezeichouug 
Kusslauds durch Ostrogard Rusziae den theilweiseu scandinavischeu Urtpruug seiner Nachrichten über das 
Slaveuland* Dass aber die Scandinaven und Wenden früher mit Russlaud in unmittelbarer Verbind uug 
gestanden , dass sie es zu Land uud zu Wasser in den frühern Zeiten , und früher als die Deutschen oder 
Sachsen , besucht haben , das freylich ist gar keinem Zweifel unterworfen. 
1) Es wäre zu wünschen, dass, so weit es noch möglich ist, die Geschichte dieser Insel critiscfa untersucht 
und so geprüft würde, wie das Land recht derselben durch meinen gelehrten Freund Karl Schildner, 
Guta-Lagh. Greifswald 1818« 4. erläutert worden ist« Das spätere Sudtrecht von Wisby hat Job. 
Hadorph unter dem Titel: Wisby Sudz Lag pä Gottland (schwed. und sächsisch) herausgegeben. 
Stockh* 1688 f« Beide enthalten auch einige ältere geschichtliche Nachrichten. Unter den geschichtlichen 
Schriften Gothland betreffend, welche "Warmholz in seiner hibliotheca Suio-Goth. auTuhrt, bleibt H. N. 
Strelows Chronica Guthilandorum. Kiöbiughaffu. 1633* 4* immer die bedeutendere, aber wie uuvoUkom- 
meii und schlecht ist sie! Die gröbsten Fehler gegen die Chronologie, Behauptungen, die durch auf 
uns gekommene Urkunden sogleich widerlegt werden können, kommen darin genug vor. Eine critische 
Ausgabe dieses höchst mittelf&äs^igen Buchs würde Etwas leisten. Vielleicht sind noch in Dänmark, 
Schweden und Preussen Urkunden zu finden, die vormahls in \Yi8by waren, und die durch die Schick- 
sale der Insel zerstreut wurden» Die Armales IFUfycenses gewähren sehr wenig; und gleichwohl wäre 
eine genauere Erforschung der Geschichte dieser Insel für den Handel des ganzen Nordens in dieser Zeit 
so sehr wichtig ! 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 113 

einer Seile, und von der andern zwischen den Rigaern und den Kaufleulen auf 
Gothland, ^velche die Ostsee befahren, zur Beilegung der obwaltenden Streitig- 
keiten, abgeschlossen ward. Die Rigaer wie die Kaufleute auf Gothland werden, 
als zur lateinischen Zunge oder zu dem lateinischen Volke gehörig, Lateiner ge- 
nannt, die römischen Katholiken im Gegensatze der griechischen Kirche. 

Der Vertrag ist auf Gothland abgeschlossen worden und beruht fast durchaus 
auf Gleichheit; was den Lateinern in Russland von dem Fürsten von Smolensk 
zugestanden wird, das bewilligen sie hinwieder den Russen in Gothland und Riga. 

Todschlag und Verwundung, die Narben nachlässt, Verlust eines Glieds, 
oder Schläge, Ehebruch und Nothzucht, das Binden oder gefangen Halten eines 
Unschuldigen werden mit mehr oder wenigerem Gelde gelöset, je nachdem die 
That an einem Frcyen oder Unfreyen, Priester oder Abgesandten geschehen ist. 

Ein befrcyter Gerichtsstand wird wechselseitig den Kaufleuten im anderen 
Lande zugestanden, und das Vei'fahren also festgesetzt: Der eines Vergehens 
Beschuldigte soll, wenn er Bürgen stellt, nicht in das Geföngniss gesetzt werden. 
Klagen vor Gericht werden durch zwey Zeugen, deren Einer von dem einen, der 
Andere von dem andern Volke ist, die in gutem Rufe stehen, begründet Keiner 
darf den Andern, ohne dessen Einwilligung, zum Beweise durch das glühende 
Elsen nöthigen, oder ihn zum Zweykampfe herausfordern; wenn Landsleute in 
dem andern fremden Lande sich unter einander schlagen, so hat der Landesherr 
sich nicht darein zu mischen. Der Lateiner soll vor keines andern Fürsten Gericht, 
als allein vor dem des Fürsten von Smolensk von einem Russen belangt werden, 
so wie umgekehrt die Russen vor kein anderes, als allein vor das Gericht in 
Riga oder Gothland zu laden sind, es wäre denn, dass der Beklagte in Anderes 
willigte; Keiner darf gegen den andern Gast einen Gerichtsboten (um ihn zugrei- 
fen oder wegzuführen) Yu Hülfe nehmen, ohne zuvor eine Anzeige dem Olderman 
seiner Nation gemacht zu haben, und in dem Falle, dass der Beschuldigte den 
Befehlen des Letztern nicht folgen würde. Ein einmahl gefälltes Urtheil bleibt 
in Kraft; wenn es in dem einen Lande gesprochen worden, so soll die Sache 
nicht in dem andern von Neuem vorgenommen werden. 

Wegen des Handels und dessen Freyheit und Schutz ward gleichmässig von 
beiden Thellen in beiden Ländern Folgendes einander wechselseitig zugesagt: 
hat der fremde Kaufmann einem Einheimischen Waaren auf Credit gegeben und 
ist dieser zugleich seinen Landsleuten auch verschuldet, so geht den Letztem 
der Fremde bey der Bezahlung vor; derselbe Vorzug bleibt ihm, wenn der Lan- 

P 



114 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

desherr des Schuldners Eigenthum einzieht; auch bleihen die Erben des Schuldners 
gleich ihm selbst, dem Fremden wegen der Schuld verpflichtet. Bey einer 
Schuldforderung hat der Gläubiger sich an den Schultheissen zu wenden und 
einen Gerichtsboten zu begehren; hilft dieser ihm nicht binnen acht Tagen, so 
soll er (der Schulthelss) ihm selbst Burgen stellen , und wollte man zu Smolensk, 
Riga oder Gothland diess nicht bewilligen , so sind diese Orte selbst zur Zählung 
verpflichtet. Die Fuhrleute, welche die Güter des einen Thells nach dem andern 
über das Zwischenland (zwischen der Dnna und dem Dnepei') fuhren, haften dem I 

Kaufmann. Beiden Theilen steht der freye Verkauf an andere zu, so wie die 
Befugniss von da nach dritten Ländern zn fahren, nahmentlich den Lateinern von 
Smolensk nach andern Orten, den Russen von Gothland nach der Trave (Lübeck); 
fiir eine einmahl gekaufte Waare ist der Preis zu zahlen, sie kann dem Käufer 
nicht wieder zurückgegeben werden; der Aufkauf der Güter in dem fremden 
Lande steht beiden Theilen gleich frey. Der Fremde ist nicht ohne seinen 
Willen unter des andern Landes Kriegsvolk zu dienen verbunden; dem Bestoh- 
lenen bleibt der auf der That ergriffene Dieb zur eigenen Willkür überlassen; 
wechselseitige Zollfrey heit wird beliebt; kommen zur weltern Fahrt auf dem 
Zwischenlande Kaufleute beider Thelle zu gleicher Zeit an, so entscheidet das 
Loos darüber, wer zuerst welter geführt werden soll, andere daselbst lie- 
gende Fremde stehen Beiden nach. Scheitert den Kaufleuten des einen 
oder andern Thells ein Schiff oder eine Barke, so können sie in dem Gebiete 
derer, welche diese Freyheit erthellen, frey auf dem Wasser oder dem Lande 
ausladen, untergegangene Güter aber aus dem Wasser durch die eigenen Leute, 
oder durch Hülfe Anderer, die »Ich eben da vorfinden, wenn man ihrer Hülfe 
bedarf, an das Ufer bringen gegen einen Lohn, über welchen der Kaufmann 
mit ihnen vor Zeugen übereingekommen ist, und zwar \^as die Lateiner beti'ifft, 
sowohl in den Gebieten von Smolensk, als auch zu Polotzk und Wltepsk. 

Ausser diesen wechselseitig lur beide Thelle gleichmässig geltenden Rechten 
und Verbindlichkeiten, wurde für die Lateiner noch besonders von dem Gegentheile 
folgendes festgesetzt: Nach erfolgter Anzeige der Ankunft des Lateiners mit 
Waaren bey dem Schultheissen, ist dieser verbunden, Wagen abzusenden ohne 
den Fremden aufzuhalten, bey Tragung des Schadens, der daraus für ihn entste- 
hen könnte, und die Waaren weiter zu fuhren; kommen dann die lateinischen 
Gäste zur Stadt (Smolensk), so sind sie verbunden, der Fürstin die bestimmte 
Abgabe, ein Stück Tuch oder Leinen, dem Schultheissen aber des Zwischenlandet 



ZWBYTER ABSCIIN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 115 

cm Paar Fauslhandsehuhe zu geben, damit die Waaren ohne Aufenthalt über- 
gefahren werden. Der Lateiner ist verpflichtet, für zwey Last Wachs verkaufter 
Waaren dem Wieger einen spaolenskischen Marder, für eine gekaufte Grivna Goldes 
eine smolenskische Nogatc zu zahlen; .verkauft der Lateiner selbst, so zahlt er 
Nichts. Kauft er silberne Gelasse, so erhält der Wieger eine smolenskische 
Nogate ; verkauft er sie, so gibt er Niclits. Kauft er eine Grivna Silbers, so erhält 
der Wieger zwey Eichhörnchen, gibt er aber Silber zum Ausbrennen, so ist ein 
smolenskischer Marder zu entrichten. Sind die Waagen, auf welchen die Waaren 
gewogen werden, beschädigt oder unrichtig, so soll man sie auf den Platz, 
welcher hcy der Kirche der Mutter Gottes auf dem Berge und der lateinischen 
Kirche liegt, bringen, und sie (mit dem dort befindlichen Eichgewicht) vergleichen. 
Der Bischof von Riga, der Meister der Gotlesritter und alle Landesherren geben 
den Dwina -Fluss frey von oben bis zum Meer, sowohl ta Wasser als am Ufer 
allen Lateinern pnd allen Russep. Wer ein wirklicher Kaufmann ist, darf ihn 
frey hinauf und hinab fahren. 

Die Urkunde ward im J. 1229 ^^ Gothland in Gegenwart der russischen 
Gesandten und aller lateinischen Kaufleute ausgegeben, besiegelt mit dem Siegel 
der gesammten Kaufmannschaft, verfasst von den verstandigen Kaufleuten Regibode, 
Djütjart und Adam, Bürger von Gothland, Mombem Friedrich Dumbr aus Lübeck, 
Henrich Got Il'diger ^us Soest (Sosat, Shat), Conrad Schehel und Johann Kint 
aus Münster, Bemar und Wolker aus Groningen, Ermbrecht und Albrecht aus 
Dortmund, Heinrich Zishik aus Bremen, Albrecht Sluk, Bernhard Walter bnd 
Albrecht Fogod, rigaischen Biirgem und vielen andern verständigen und guten 
Leuten. 

Diese merkwürdige Urkunde zeigi das Uebergewicht der grossen deutschen 
Handelsgesellschaft auf Gothland, die ihr gemeinschaftÜches Siegel hat i). Die 



1) Hierbey ist die Uebersetzuug zum Grunde gelegt» vrie sie Ewers gegeben, uud nach dem durch den 
Grafen Romanzof genau besorgten Abdruck verbessert hat« Karamsin gibt einen Abdruck nach 
einer in der Bibliothek des Grafen Mussin Puschkin befindlichen Handschrift, und nach dieser» eine 
Darstellung der Sache, die jedoch wieder von beiden Urkunden abweicht« [Kar am s. russ. Geschichte 
nach der zweiten Original - Ausgabe übersetzt (v. Fr. v. Hauen Schild). Riga 1823. B. 3. S. 175-178 
n* 304 ' 309]- Ich bedauere des Russischen nicht mächtig zu seyn , um unterscheiden zu können , in 
wie fem die bedeutenden Verschiedenheiten in diesen beiden Abdrücken mehr oder weniger von deu 
Uebersetzuugeu herrühren, ich mufs daher eine genauere Vergleichung denen überlassen, welche der 
russischen Sprache mächtig sind. Aber es bleiben auch, ganz abgesehen von dem Im Text von 
Karamsin gegebenen Auszuge, zwischen der Uebersetzung der in der Mussin Puschkiuschen 
Bibliothek aufgefundenen Abschrift, uud der Uebersetzung des nach dem Originale zu Riga besorgten 

P 2 



1(6 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

genannten Kaufleule halte Ich für die Vorsteher der unteren einzelnen Vereine und 
Landsmannschaften der grossen Gesellschaft. Mit Ausnahme Lübecks, Gothlands 
und Rigas sind alle übrige nahmentlich genannte deutsche Kaufleute aus Sachsen 
und Westphalen und von den Küsten der Nordste. Ob unter den Bürgern von 
Gothland hier die daselbst eingebürgerten Deutschen, welche bereits seit d. J. 
J225 zu WIsby Ihre eigene, durch sie erbaute und vom Landesblschofe gev^^elhte 
Kirche hatten, oder ob die wirklichen Eingeborenen zu verstehen seyen, ist 
zweifelhaft, der eine Thell so wohl als der andere wird wohl also bezeichnet; 
wären die Nahmen genauer geschrieben, die offenbar In dieser russisch ausgefer- 
tigten Urkunde entstellt sind, so würde sich daraus die Frage eher entscheiden 
lassen, Regibort und Djütjart klingen nicht völlig deutsch; doch helssen in 
einer spätem russisch -deutschen Urkunde die EIngebornen Gothen. 

Uebrigens kann es nicht auffallen, dass die Rigaer, die Gothländer oder der 
gemeine Kaufmann auf Gothland bemüht sind, die Fahrt die Düna hinauf nach 

Abdrucks durch den Grafen Romanzof sehr vresentliche Verschiedenherteu > die gar nicht ton den 
Uebersetzeru herrühren können, über deren Werth ich nicht zu entscheiden wage. Die Abschrift, welche 
Karamsin hat abdrucken lassen, erweitert die durch den Gr. Romanzof besorgte, in Einigem gewährt 
sie aber auch zuweilen einen ganz andern Sinn, und yerwirrt ihn wieder in andern Stellen, auch weicht 
die Folge der Sätze ab. Die wesentlichsten Abweichungen, die zur Erläuterung dienen können, sind etwa 
folgende: für Lateinersteht immer Deutsche. Es ist deutlicher darin ausgedrückt, dass die Fremden iu 
beiden Ländern den befreyteu Gerichtsstand yor 'dem Fürsten haben sollen, wenn sie nicht freywilJig 
ihm entsagen. Der $• 22* bey Karamsin fehlt gänzlich in der Rigaer Urkunde; er lautet also: 
"Wenn ein Russe "Waare Ton Deutschen in Riga, am Gothischeu Ufer oder in irgend einer deutscheu 
Stadt zu fordern hat, so soll der Kläger zu dem Schuldigen gehen, und nach den Gesetzen mit ihm 
Terfahreu , die in derselben Stadt bestehen , doch soll er jenem keine Gewalt anthun , und der Deutsche 
soll nach demselben Grundsatze iu Russland handeln. •— Dem "Wieger ist ein smolenskischer Marder zu 
zahlen, beym "Wiegen von 2 Kap oder 24 Pud "Wachs, in der andern Urkunde für zwey Last; war diess 
das gleiche Gewicht? Der Jf 28- bey Karamsin lautet so: "Wenn das Eichpfund (es wog 12 Pud oder 
480 Pfund) unrichtig wird i so liegt ein Kap in der Muttergotteskirche am Berge, und ein anderes in der 
deutscheu Muttergotteskirche : mit diesem yergleiche man und berichtige das Pud. Dasselbe Recht haben 
die Russen in Riga und am Gothischeu Ufer. — $. 34« Das Pud (Gewicht) haben die Deutschen den 
VTelotshanen gegeben , nach welchem sie die Waaren aller Fremden überführen , und wenn es verdirbt, 
so liegt ein gleiches in der Deutschen Kirche , und es soll dann nach diesem ein neues geschmiedet wer- 
den. Auch heisst es endlich $.33; die Russen zahlen keine Gerichtsgebühren > weder in Riga noch am 
gothischeu Ufer, so auch zahlen die Deutschen keine Gerichtsgebühren in Smolensk, weder dem Fürsten 
noch der Thiunen, es wäre denn gute Leute riethen Etwas zu geben; mehr als diess soll aber nicht 
genommen werden» weder in Riga noch am gothischeu Ufer. Dasselbe Recht hat der deutsche Gast zu 
Smolensk* — Der "Vertrag wird in d, J. 1228 gesetzt, so auch in der Uebersetzung der vom Grafen 
herausgegebeneu Urkunde durch Ewers, aber iu der romauzofscheu Sammlung steht d. J. 1229* >• 
Urk. b« d. J. 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 117 

Polotzk, Witepsk und, nach kurzer Land fahrt, his nach Smolensk zu treiben und 
zu schützen, seitdem die Deutschen In Livland festen Fuss gefasst hatten. Die 
Insel Golhland ist offenbar der Mittelpunct des ganzen Verkehrs. So thätig aber 
sind die Deutschen allein, oder diese und die Gothen, je nachdem man das Wort 
Gothland versteht, in Smolensk gewesen, dass sie bereits so früh daselbst eine 
eigene lateinische Kirche besassen*, wie denn die deutschen Kaufleute seit der- An- 
siedelung ihrer Landsleute in Livland emsig bemüht gewesen sind, nach allen 
Richtungen hin ihren unmittelbaren Verkehr auszudehnen« 

Wenden wir uns nach einer andern Seite , nach Nowgorod , wo die Deut- 
schen wahrscheinlich bereits früher eine dauernde Niederlage begründet hatten, 
obwohl der älteste auf uns gekommene Vertrag erst v. d. J. 1269 ist, in welchem 
indess eines nicht näher bezeichneten alteren Erwähnung geschieht. Der Gross- 
furst Jaroslaw Jarosla witsch 1) , im Einverständniss mit den Now gorodem und 
den Abgeordneten von Lübeck und der Gothen, sagt den letzten Beiden und allen 
Lateinern den alten Schutz auf der Newa zu und zwar von Kettlingen (der 
Insel auf welcher Cronstadt jetzt Hegt) bis Nowgorod und von da zurück; der 
Fürst und die Nowgoroder haften den Sommergästen für allen Schaden, der 
ihnen begegnen könnte. Die Wintergäste sollen gleichfalls unter des Königs und 
der Nowgoroder Schutz, laut des alten Friedens ungehindert in das Land kom- 
men dürfen, sie sollen nowgorodische Boten und Kaufleute zu sich nehmen, 
die sie begleiten ; versäumen sie diess, so bürgt ihnen der Fürst und die Nowgoro- 
der nicht für den Schaden, der sie trifft; wollen die Nowgoroder die begehrten 
Boten ihnen aber nicht bewilligen und nicht für sie fahren (ihnen ihre Schiffe 
leihen), so sollen sie dennoch nach dem alten Frieden der ungehinderten Fahrt 
bis Kettlingen sich zu erfreuen haben. Fahren aber Deutsche oder Gothen des 
Verkehrs wegen nach den Carelen, so stehen ihnen die Nowgoroder nicht für 
den Schaden, welchen sie leiden können. Sollten die Nowgoroder nicht (unent- 
geldlich) aus eigenem Willen mit ihren grossem Schiffen die Deutschen und Go- 
then geleiten wollen, so sollen sie ihnen für jede Fahrt eine halbe Mark 
Silbers geben. Bedarf der Fremde (Gast), wenn er In die Newa kommt, 
Holzes oder eines Mastes, so ist es ihm erlaubt an beiden Selten des Wassers 
dieselben zu fällen. Kommen Deutsche oder Gothländer in die Wolchow, vor 



1) Ulk. XXXII. Der von Dreyer p. 177. zuerst bekannt gemachten Urknnden gescliielit au« den bey 
XI^ angei&hrten Gründen hier keine Erwähuungf 



i j 8 ZWEYTE wlBTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

die Wasserfalle, so sollen die zur Ueberfahrt bchülflichen sogenannten Vorsehkerle 
daselbst sie ohne Verzug fördern, gegen den alten üblichen Lohn; kommt der 
Gast den Strom hinauf nach dem Ort Gästefeld, so ist, was vor Alters üblich 
war, von ihnen zu entrichten. Die Llchterfahrer^ die nach der Newa und zu- 
rück gemiethet sind, sollen fünf Mark Kunen oder einen Schinken erhalten, sind 
sie nur von Nowgorod bis Ladoga gemiethet, dpey solche Mark oder einen hal^ 
ben Schinken. Zerbricht ein LichterschifiF, das Gut einnehmen sollte oder ein- 
genommen hat, auf der Fahrt, so ist der Gast nur verbunden die Schiffshauer z\jk 
zahlen. Würden die Lichterfahrer in Streit mit den Gästen auf der Fahrt stromauf 
oder ab, gerathen, und vergleichen $ie ^Ich wieder auf der Jleise, so hat es da- 
bey sein Bewenden} vergleichen 3ie sich aber nicht, so ßoUen ßie zur P.echtsver- 
handlung vor dem Herzoge und den Nowgorodern im St, Johannishof erscheinen. 
Die Fuhrleute zu Nowgorod erhalten für die Ladung eines jeden Lichterschlffes 
vom Strande nach dem deutschen Hof fünfzehn, nach dem gothländlschen zehn 
Kunen, und bey der Ausfuhr bis zu einer halben Mark Kunen. Auch im Fall 
eines Kriegs der Nowgoroder mit ihren Nachbarn sollen die Gäste die gleiche 
Sicherheit der Fahrt zu Wasser \ind Laud geniessep, so weit der Nowg^oroder 
Herrschaft: reicht. Was über die Newa ankommt, kehrt über dieselbe auch zu- 
rück, eben so, wer ?^u Laude ankommt, kehrt wieder ^u Laude zurück luit 
voller Sicherheit. 

Was das Recht und die Rechtspflege betrifft, so soll jeglicher Streit zwi- 
schen den Gästen und den Nowgorodern auf dem St. Johannishofe vor dem Burg- 
grafen, dem Herzoge und den (fremden) Kaufleuten geschlichtet werden. Schulden 
halber soll weder der Nowgoroder in Gothland noch der Deutsche oder Gothe 
in Nowgorod ins Gefangniss gesetzt, noch gemeine Gerichtsdiener gegen sie ge- 
sandt werden, um die Schuldner beym Kleide fest zu nehmen, diese3 (wenn der 
Schuldner nicht zahlt oder keinen Bürgen stellt) i3t allein dem Boten des Herzogs 
erlaubt Die Sommerfahrer haften den Russen für die von den ^Winterfahrern 
begangenen Vergehen nicht, eben so wenig die Letztern für die der Erstem. 
Klagen über Beide werden von dem Gerichte auf St Johannishof entschieden; 
wo der Streit entsteht, da soll er auch geschlichtet werden, dennoch steht Jedem 
die freye Abfahrt zu. Wird ein Dieb zwischen Kettlingen und (Alt) Ladoga er- 
griffen, so wii'd er an den letzten Ort gefuhrt und daselbst seinUrtheil gesprochen; 
wird ein solcher zwischen Ladoga und Nowgorod ergriffen, so empfangt er sein 
Urtheil zu Nowgorod. Die Uebereinstimmung zweyer Zeugen, deren Einer ein 



ZVVEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 119 

Russe, der Andere ein Ausländer ist, entscheidet, sind sie nicht einig, so giebt 
das Loos zwischen Beider Meinung den Ausschlag. Das Erschlagen eines Boten, 
eines Oldermans oder Priesters, eines Kaufmanns, Verwundung mit scharfen Waf- 
fen oder Schläge, in welchem von beiden Ländern es geschehe, von dem einen 
oder andern Volke, wird mit mehr oder weniger Geld gebüsst. 

Zur Sicherheit des deutschen und gothischen Hofs zu Nowgorod wird zuge- 
sagt, dass welcher (Russe) daselbst Einen mit scharfen Waffen verwundet, der soll 
ergi'Iffen vor dem (russischen) Gerichte nach seinem Verbrechen gerichtet wer- 
den. Dasselbe soll geschehen, wenn die Thüren oder Zäune derselben niederge- 
hauen würden. Auch wird der Besitz der Wiesen den Deutschen wie den Gothen 
zugesichert, wie sie dieselben als ihnen behörig angeben werden. 

Wegen des Handels ward festgesetzt, dass eine als Pfand angenommene 
Sache, nach geschehener Kündigung oder Anzeige im ersten Jahre, erst nach 
Verlauf des dritten Jahrs verfallen seyn solle. Welcher Russe mit einem Deut- 
schen oder Gothen in Handelsverbindung steht und deren Gut verthut, der soll 
die Gäsle zuerst, dann seine übrigen Gläubiger befriedigen. Hat eine Frau für 
ihren Mann sich verbürgt und bleibt die Schuld unberichtigt , so fallen Beide dem 
Gläubiger als eigen zuj hat sie sich nicht verbürgt, so bleibt sie frey von jqdem 
Ansprüche. 

Wage und Gewicht, womit Silber und andere Dinge auf Wagschalen ge- 
wogen werden, sollen gleich und recht gehalten werden j das Cap soll acht liv-^ 
ländische (Schiff) Pfund enthalten« 

Diess ist Alles, was von den echten ältesten Verträgen zwischen Deutschen 
und Gothen von der einen Seite und den Nowgorodern von der andern auf uns 
gekommen ist; Deutsche und Gothen erhalten gleiche Freyheiten, beide haben ihre 
geschützten Höfe nach alter Weise in Nowgorod; die ihnen zugestandenen oder 
bestätigten Rechte, sind eigentlich nichts weiter als Bewilligungen des Schutzes 
und Sicherung einer freyen Fahrt im nowgorodischen Gebiete, ein befreyter Ge- 
richtsstand, Schutz der persönlichen Freyhelt und des freyen Verkehrs, ohne 
dass besondere Abgaben oder Zölle, mit Ausnahme der alten zu Gästefeld zu 
entrichtenden Gefalle, (wahrscheinlich eine Schiffsabgabe) von ihnen gefordert wer- 
den. Auch war diess das Wesentlichste. Die Nowgoroder warfen ihrem Fürsten 
vor, durch Misshandlungen die fremden Kaufleute aus dem Lande vertrieben zu 
haben, sie nöthigten ihn zu dem eben erwähnten Verti-age. Noch in sehr viel spä- 



120 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

terer Zeit wird behauptet, die eigentliclien Freyheiten, deren man in Russland 
Sich zu erfreuen gehabt habe, hätten in der ZoUfreyheit bestanden. 

Andere Verträge von diesem Umfange zwischen den Russen von der einen 
und den Deutschen und Gothen oder einen derselben von der andern Seite sind 
aus dieser Zelt (bis z. J. 1370), nicht auf uns gekommen. Indess sind mehrere 
Urkunden in dieser Zelt ausgefertigt, einige davon uns auch überliefert worden, 
welche den alten Schutz bestätigten. An Ursachen fehlte es nie, solche Vergleiche 
oder Kreuzküssungen vorzunehmen, da nur zu oft die entstandenen Zwiste zwischen 
beiden Thellen endlich wieder beyzulegen waren. Selten verliefen einige Jahre, 
dass nicht Einzelne von der einen oder andern Seite wären erschlagen, gefangen, 
ihrer Güter beraubt worden; der eine Thell mass dem andern die Schuld bey, 
und den gemlshandelten Landsleuten suchte man dadurch Genuglhuung zu ver- 
schaffen, dass man an den unschuldigen Fremdlingen das VN'^iedervergeltungsrecht 
übte; so verfuhr denn auch hinwieder der andere Thell, und nachdem die Fol- 
gen eines solchen Verfahrens für Beide endlich unerträglich geworden waren, 
beide aber die Wiederherstellung des unterbrochenen Verkehrs doch glelchmässig 
wünschten, so fand man sich zu einem Vergleiche geneigt, der leichter dann zu 
Stande kam, als gehalten ward, denn stets führten neue Streitigkelten neue Stö- 
rungen des Verkehrs herbey, welchen wieder neue Kreuzküssungen folgten. Diese 
aber so viel wir wissen und so viele auf uns gekommen sind, bestätigten nur den 
alten Frieden und enthielten keine neue Freyhelten. 

So wurden In den letzten Jahrzehnden des dreyzehnten Jahrhunderts den 
Deutschen zwischen Nowgorod und Plescow und in Polotzk viele Güter gerauht, 
w^eil einige Russen von deutscher Seite waren gemordet worden. Eine Gesandt- 
schaft von Selten der deutschen Städte nach Nowgorod, wahrscheinlich kurz 
nach dem J. 1291 richtete Nichts aus, sie bekamen den Grossfürsten nicht zu 
sehen, doch schienen die Bürger Nowgorods mehr, als der Fürst gegen sie er- 
bittert. Der Grossfürst schob zuletzt alle Schuld auf die Nowgoroder, und Hess 
den deutschen Abgeordneten sein Leid bezeugen, dass sie ohne genügende Ant- 
wort abreisen müssten, denn die Now goroder w oUten das den Deutschen Geraubte 
behalten, das sie unter sich und ihren Pöbel verthellt hätten. Wenn um d. J. 
j298 die Abgeordneten der Nowgoroder und Plescower vor dem Bischöfe von 
Dörpt und den Ordensbrüdern, vor welchen die Deutschen ihre Klagen wegen 
erlittener Beraubungen vorbrachten, den Ersatz der genommenen Güter zusagten, 
und das Kreuz geküsst wurde, so war diess Alles doch nicht v9n Bestand. Der 



ZWEYTER ABSCIIN. VERKEHR MIT RUSSLAND. ;|21 

Grossfurst Andrei Alexandrowilsch (1294 •- 1304) antwortete den Lübeckern, die 
sich an ihn wegen der Aufrcchthaltung des allen Friedens und Rechts gewandt 
hatten, ganz günstig, und bewilh'gte Ihr Gesuch; er schien sich ihrer bedienen 
zu wollen, um zu bewirken, dass die Schweden das neue von ihnen erbaute Schlos« 
(wahrscheinlich Landskrona) w ledcr niederrelssen sollten, da er \on da aus Beiden 
die Fahrt auf der Newa wehren konnte; er lud sie ein, wenn der König diess 
nicht wolle, so möchten sie ihm Ihre Bothen senden, um die seinigen dagegen 
hinüber zu schicken, und, wie es scheint , das Weitere zu berathschlagen. Gleich 
darauf oder um diese Zelt wurden mehrere Deutsche Ihrer Güter beraubt, meh- 
rere zwischen Nowgorod und Plescow theils zu Wasser, theils zu Lande er- 
schlagen. Darauf erschienen Abgeordnete der .Städte Lübeck, Gothland (WIsby), 
und Riga, zu Nowgorod im Winter d. J, 130? ^^er 130i , welche den erlittenen 
Schaden auf mehr denn 2000 Mark Silbers berechneten, welter aber Nichts er- 
langen konnten als einen Schutzbrief, welchen der Gressfurst Andrei nebst dem 
Possadnik SImeon und dem Tysatzkoi Matthäus den Bothen der Kaufleute von der 
lateinischen Zunge, den Abgeordnelen von Lübeck, Gothland und Riga, ausfer- 
tigen liesSf worin er den Ihrigen Schutz und sicheres Gelelt auf der Fahrt 
zu Wasser und zu Lande zwar zusagte, ohne dass jedoch die Beraubungen aufhör- 
ten, die auch nach der Abreise der Gesandten bis zum Jahr 1311 fortdauerten i). 

Endlich haben wii' die Urkunde eines Vertrags zwischen beiden Thellen ganz 
überliefert erhalten, welcher In d. J. 1338 zwischen den Nowgoroder Abgeordneten 
und denen von Lübeck und Gothland vor dem Bischöfe von Dorpat und den Sei- 
nen abgeschlossen ward. Was die einzelnen Beraubten und Erschlagenen betrifft, 
so soll Ihnen oder den Ihrigen die Klage und Rechtsverfolgung derselben vor den 
Gerichten frey stehen, beider Thelle Obrigkeiten sollen Ihnen behülflich seyn, die 
Thäter zu strafen , und dass die genommenen Güter den Beraubten wieder erstattet 
werden; aber die Kaufleute oder Gäste von beiden Selten sollen deshalb nicht 
weller in ihrem Verkehr gehindert werden, weder fiir das Vergangene noch we- 
gen künftiger ähnlicher Fälle, vielmehr sollen sie sicher reisen können, ohne 
Verhinderung und ohne dass sie gepfändet werden. 

Auch soll. Im Fall die Nowgoroder mit dem Könige von Schweden, oder den 
Mannen des Königs von Dänmark (in Esthland), oder mit den deutschen Ordens- 
rittern , oder mit dem Stifte Dorpat , oder dem Bischöfe in Krieg gerlethen , gleich 



1) ÜB, ÜV. LXXI. XCUc, ürk. J, 130? oder 1305- 



J22 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

freye Fahrt zu Wasser und Land den deutschen Kaufleuten zustehen, und nach 
den alten Kreuzküssungen , den alten Briefen und dtm alten Frieden soR jeder 
Streit, da, >vo er entsteht, auch entschieden werden: worauf das Kreuz geküsst ward. 

Diese letzte Bedingung kommt auch in dem Jaroslawschen Freybriefe Tor, 
welcher hier wohl vorzüglich gemeint ist i). 

DIess ist Alles, was von spätena Bestätigungen der alten Freyhelten aus dieser 
Zeit auf uns gekommen ist 

Dass man zugleich von Seiten der Deutschen bemüht war zu Lande über Esth- 
land und Wirland bis zur Narowa und von da auf Nowgorod durch Verträge mit 
Dänmark, so lange es die Herrschaft daselbst hatte, die Fahrt sich frey zu erhalten, 
und gegen Strandrecht und Aehnllches vcm dänischer Seite sich zu schützen, ist 
bereits erwähnt worden. Von Selten der Bischöfe und Ordens -Meister, als 
Herren des übrigen Livlandes, waren nur Begünstigungen zu erwarten, doch 
stcirten ihre Kriege mit den Russen auch öfters diesen Verkehr, und, wie aus einigen 
Schreiben v. d. J. 1268 und 1278 erhellet, erbaten sie sich und erhielten auch 
wohl von Lübeck die Zusicherung in solchem Falle allem Verkehr mit den Russen 
zu entsagen ; doch sprachen die Herren des Landes dieses keineswegs als ein Recht 
an, vielmehr erkannten sie es sehr dankbar, wenn die Städte und die Kaufleute 
darein willigten ; welches späterhin auch immer seltener geworden zu seyn scheint, 
wie sich denn die deutschen Städte und Kaufleute selbst von den russischen Behör- 
den diese freye Fahrt auch in Kriegszelten mit den Nachbaren hatten zusagen 
lassen 2), 

, • Waren sie aber bemüht sich eine geschützte Fahrt zu Lande über Livland 
nach Russland zu erhalten, so waren sie es nicht minder zur See. Der Verbin- 
dung der deutschen Gemeinde zu Wisby mit Lübeck v. d. J. 1280 und Beider 
mit Riga V. d. J. 1282 zum Schutz der Fahrt auf der Ostsee bis Nowgorod ist 
gleichfalls schon früher Erwähnung geschehen 3). 

Aber die Fortschritte der Schweden in Finland und Carelien, die Anlage 
Wiburgs durch den König Birger, seine Feindschaft gegen die Russen führten 
neue Besorgnisse wegen der freyen Fahrt über die Newa nach Nowgorod herbey. 

Lübeck und die Seestädte, welche die Ostsee befahren, erhielten von dem 
Könige Birger von Schweden, durch ihre Abgeordneten an denselben, Johann 
de Doaco oder Doway von Lübeck und Martin Puka von Wisby, auf Vorbitte 

i) Urk. CXLir. 2) ürk- XXXL XXXVIlf. 3) Urk. XLI. XLYIH. 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. ^23 

des römischen Königs, im J. 1295> <lass sie vom März bis Johannis und nachher 
noch ein Jahr lang frey nach Nowgorod fahren dürften, obwohl seine Feinde, 
die Russen dadurch gCÄtäikt würden, jedoch unter der Bedingung "Waffen, Eisen^ 
Stahl und Anderes {expensas) nur zum eigenen Bedürfnisse mit sich zu führen, 
und Nichts der Art den Russen heimlich oder offenbar zukommen zu lassen. 
Nur drey Russen aber, die mit Ihren Lichterschiffen der deutschen Kaufleule 
Güter von ihren grössern Schiffen nach Nowgorod führen, verstattet er auf jedem 
Lichterschiffe Schutz, unter der Bedingung, dass ein Deutscher bey den Dreyen 
auf demselben seyn müsse; auch erthellt er diesen Russen keinen Schutz, wenn 
er sein Heer im Allgemeinen aufbieten werde, doch sollen die städtischen Kaufleute 
auch in diesem Falle seines Schutzes sich zu erfreuen haben, wenn sie ihre offenen 
Schreiben bis Johannis, ihrem Versprechen gemäss, werden eingesandt haben. Das- 
selbe ist im J. 1303 von Ebendemselben zu Gunsten der Lübecker, ohne jedoch 
der russischen Lichterschiffe zu gedenken, wiederhohlt worden. Erich, Herzog 
von Schweden, versprach um dieselbe Zelt sich der Lübecker anzunehmen, wogen 
der ihnen auf der Newa weggenommenen Güter, die unter seinem sichern Geleite 
gewesen wären; er und sein Bruder "VValdemar, Herzog von Schweden, sicherten 
im J. ±312 auf Bitte der Lübecker Ihnen und allen Kaufleuten, woher sie sind, die 
freye Fahrt auf der Newa ohne die Beschränkungen, welche ihr Bruder Birger damit 
verknüpft hatte, zu, so wie sie ihnen Schutz gegen das StranJrecht auf der Newa und 
in allen Thellen des Reichs zusagten. Es war aber um so mehr Alles von die- 
sen Herren zu erwarten, da sie mit ihrem Bruder in gefahrvollem Kampfe vetschle- 
dentllch Geldsummen (1312. 1313) von Lübeckern vorgeschossen erhalten hatten, 
welche sie In kurzer Frist, bey Strafe des EInlagers, wozu sie sich in Stockholm 
zu stellen versprachen, zurück zu zahlen angelobten. Diese Fahrt, wenn sie nicht 
durch Fehden zwischen Schweden und Russen vorübergehend gestört war, haben 
sie auch stets sich erhallen. König Magnus von Schweden bestätigte sie und 
besonders den Lübeckern, so wie allen Kaufleuten, woher sie sind, Im J. 1344 i). Bey 
allen diesen Störungen sind die Deutschen immer gleich eifrig bemüht geblieben, 
diesen Zweig Ihres Verkehrs sich zu erhalten, sie sind nie ermüdet, und erkannten 
auch in spätem Jahrhunderlen es an, dass hier der Brunnquell ihrer übrigen Nie- 
derlagen und ihrer dauernden Handelsherrschaft gewesen sey. Dieses, aber war 
um so mehr der Fall, als die Russen, durch die unglückliche mongolische Herr- 



1) ÜB. XCIV. UV. 1296. 1312. 4344. 

Q 2 



124 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

ßchafl geschwächt an den Meeresküsten Manches verloren, und durch das furchter- 
liclie Joch und die mnem Fehden geschwächt, dem eigenen Handel zur See mehr 
entfremdet wurden. Dagegen hoben sich die deutschen Kaufleute und Städte 
unter dem Schutze, ihrer Freyheit immer mehr, die deutsche Anpflanzung in 
Liyland blühte immer schöner auf, und die scandinavischen Mächte, durch innere 
Unruhen und Kämpfe unter einander geschwächt, kamen immer mehr und mehr 
in die Abhängigkeit von diesen deutschen Städten; ihre Handelsfreyheitcn auch im 
Westen von Europa unterstützten sie in dem Uebergewichte ihres Handels in der 
Ostsee, welche sie immer mehr beherrschten; und so gelang es ihnen, die westli- 
chen Völker mehr davon auszuschliessen und den Zwischenhandel zwischen dem 
Osten und Westen mehr in ihre Hände zu bannen. 

2. 

Erste Bildung und En^veiterung des deutschen Hofs zu Nowgorod. 

Nächst diesen Freyheiten, welche sich die deutschen Kaufleute in Russland 
wegen ihres Handels dahin erwarben, fordert nun die erste Bildung und die Er- 
weiterung ihres Hofes zu Nowgorod unsere Aufmerksamkeit. 

Die älteste auf uns gekommene Ordnung ihres Hofs daselbst ist zwar, so wie 
die zunächst folgende, ohne Jahrzahl, aber gewiss doch früher als der erste uns 
bekapntc Freybrief, den sie vom Fürsten Jaroslaw erhalten hatten: und wahr- 
scheinlich im Gefolge anderer frühern Verträge, deren in der Jaroslawschen 
Urkunde auch Erwähnung geschieht. 

Weiter rückwärts kann die Aufzeichnung der ältesten Hofordnung jedoch nicht 
gesetzt werden als um d. J. 1225, sie ist wahrscheinlich in den darauf folgenden 
Jahren oder Jahrzehnden aufgeschrieben worden, wiewohl der Hof selbst weit 
älter ist, weshalb es gleich zu^ Anfang darin heisst: die Ordnung enthalte die 
Rechtsgewohnheiten, wie sie von Anfang an auf dem Hofe der Deutschen zu 
Nowgorod, nach Beliebung der Weisesten aus allen deutschen Städten, zur Nach- 
achtung für Alle, welche ihn zu Wasser und zu Lande zu besuchen pflegen, 
wären festgesetzt worden. Auf diese alte Sitte wird sich ausserdem zwey Mahl 
in der Skra berufen. Der Hof selbst hat also früher bestanden, als diese Ordnung 
ist aufgezeichnet worden, doch ist dessen Anfang schwerlich weiter zurückzusetzen, 
als gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts j sie ist im Wesentlichen folgenden 
Inhalts. 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 125 

Die zu Wasser Ankommenden (von Golhland aus über die Newa) haben 
Vorrechte vor Denen, die zu Lande auf den Hof zu Nowgorod kommen ; von Jenen 
ist wahrscheinlich die Erwerbung und Erbauung desselben ausgegangen , und 
unter Ihnen 'sind Die, welche den Winter über daselbst zubringen, die Wlnterfah- 
rer, indem das Cllma die Zu- und Abreise nicht nach Belleben verstattete, vor denen, 
die zur Sommerzeit kommen und wieder abfahren können, den Sommerfahrem, 
die Bevorzugten, 

Diese Wasserfahrer fiir die Sorpmer- und Winterzelt scheinen, wie es auch 
sonst der damahligen Verhältnisse wegen Sitte war, mehr gemeinschaftlich, wie man 
späterhin sagte, in sogenannten Admiralschaften gefahren zu seynj sie wählten, 
wenn sie In die Newa kamen, sich ihre Aelterleute für den Hof sowohl als für 
St Peter, aus welchen Städten sie auch seyn mochten. Der Olderman des Hofs 
war, wie vollends aus spätem Nachrichten erhellet, der oberste Richter und höchste 
Vorsteher des Ganzen, der die Ordnung erhielt und Alle auch bey den Russen 
vertrat. Der Olderman von S. Peter, dem Schutzpatrone des Hofs und der Kirche, 
war mit der Haushaltung beauftragt, er nahm die Abgaben und Strafgefälle 
ein, welche vom Olderman des Hofs erkannt worden, er besorgte die gemeinsamen 
Ausgaben, die Gasse, die Oekonomic, und bewahrte die Schriften des Hofs auf, so 
wie die Kleinodien, welche derselbe besass. Des Hofs Olderman wählte sich 
sofort vier Mann zu Gehülfen, die ihm am tauglichsten dazu schienen; Keiner 
durfte bey Strafe die auf Ihn gefallene Wahl ablehnen ; Niemand durfte bey 
Strafe es ausschlagen bey Verhandlungen mit den Russen, vom Oldermanne dazu 
aufgefordert, ihn zu begleiten. 

Dem Oldermanne der zu Wasser ankommenden Sommer - und Winterfahrer 
steht es frey für sich und seine Genossenschaft ein Haus in dem Hofe, in welchem 
mehrere Häuser und Wohnungen vorhanden waren, nach Gutdünken zu wählen, 
er kann, wenn es Noth thut (wenn es an Raum fehlt), in seine Wohnung so Viele 
aufnehmen als er will. In der grossen Stube, die den Winterfahrern gehöret, 
kann ihr Olderman mit seiner Gesellschaft seinen Sitz nach WlUkühr wählen; Ist 
es erforderlich (fehlt es an Raum), so sollen die Wasserfahrer den Landfahrem 
Platz einräumen, wenn sie es anders vermögen. Mit Ausnahme jener grossen 
Stube sind alle Allen gemein j die sogenannte Kinderstube dient den Lehrlingen 
als Essstube, wenn anders nicht die Menge der Anwesenden Ihnen den Gebrauch 
versagt. 



126 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Findet der Olderman der Wasserfahrer , wenn er in den Hof kommt, einen 
Olderman von Landfahrern vor, so soll dieser mit seiner Oldermanschaft ihm 
weichen, und nach aller Sitte ihnen das Haus räumen, um welches sie geloset 
haben, die Landfahrer ziehen in das andere j ist es aber nölhlg (fehlt es an Raum), 
so sollen die Wasserfahrer die Landfahrer selbdritte aufnehmen. 

Niemand soll neben den Sommer- öder Winterfahrern, die zu Wasser an- 
kommen, einen Priester nach Nowgorod fuhren, auf des Hofs oder St Peters 
gemeine Kosten ; wer es thut, der trägt selbst die Ausgabe. Jenem aber soll jeder 
andere Priester, den er vorfindet, wie es auch wegen des Oldermannes der Fall 
war, weichen, und an ihn sollen sich Alle halten, die auf dem Hofe sind. Nur 
der Priester der Winterfahrer erhält auf dem Hofe von St. Peters Gut zu seiner 
Beköstigung fünfzig Mark Kunen ; auf der Reise müssen die Winterfahrer ihn seihst 
beköstigen, die Sommerfahrer müssen ihn sowohl auf der Reise als in dem Hofe 
unterhalten; Beiden steht jedoch frey ihm anderweitige Gefälligkeit zu bezeigen. 

Hat ein Meister einen Knapen zur Wasserfahrt nach Nowgorod angenommen, 
so darf er ihn nicht entlassen, bevor er ihn nicht wieder dahin gebracht hat, 
woselbst er ihn angenommen hatte, wenn er anders nicht aus rechtlichen Gründen 
ihn zu entlassen befugt ist; eine Krankheit jedoch ist kein solcher Grund. H^^Q^^n 
ist der Knape' seinem Herrn zu Nutzen und in Nöthen beizustehen verbunden, er 
kann, ohne freycs Uebereinkommen zwischen beiden Theilen, dem Dienste sich 
nicht entziehen. Sollte ein Knape auf der Reise oder in dem Hofe gegen seinen 
Herrn oder einen Meister sich auflehnen, woraus Schaden und Unordnung entste- 
hen könnte, und würde ihm bewiesen, dass er Urheber davon sey, so soll er zehn 
Mark Silbers büssen, und seine Helfershelfer zwey Mark, Ueberwiesen wird er 
durch die Aussage zweyer Meister oder zweyer Knapen, und an Schiflsbord durch 
den Schiffer; befreyen kann er sich durch den Eid von zwölf Männern, und seine 
Gefährten durch den von Dreyen. 

Vor das Gericht des Oldermans des Hofs gehören alle bedeutende Angelegen- 
heiten, Ihre eigenen Vorsteher hatten die andern Genossen oder Gesellschaften, 
selbst die Jungen; so heisst es von diesen: gerathen sie während der Essenszeit 
in Streit unter einander, schimpfen sie sich, so mögen sie unter einander vor ihrem 
Vorstande, Oldermanne die Sache beylogen. Schlagen oder verwunden sie sich 
aber unter einander, so gehört die Saclic vor des Hofes Olderman; dieser urtheilt 
auch, wenn zwischen zwey Meistern, oder zwischen Meistern und Knapen ein 
Streit entsteht. Gerathen Wasser- oder Landfahrer auf der Reise in Streit, und 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RÜSSLAND. 127 

vereinigen sie' sich unterwegs, so hat es dabey sein Bewenden; kommt der Streit 
unerledigt bis in den Hof, so muss er vor den Olderman gebracht werden. Dieser 
allein entscheidet über die Zulassung eines Landfahrers auf dem Hofe, der nicht 
heimhch, ohne ihm die Anzeige deshalb gemacht zu haben, eingeführt werden 
darf. 

"Wird eine allgemeine Versammlung der Anwesenden, Meister und Knapen 
vom Oldermanne des Hofs und seinen Rathmannen angesagt, so ist Jeder zu 
erscheinen bey grosserer oder geringerer Busse verbunden, er soll noch höher 
gestraft werden, fünf Pfund Honigs erlegen, wenn es sich ergäbe, dass er vorsätzlich 
es verschmähe der Ladung zu folgen. 

Hof und Kirche gegen Diebstahl und Ueberfall, besonders auch von Seiten 
der Russen zu bewahren, war ein eifriges Bemühen. Hofsvarte waren angestellt; 
ein solcher soll den Hof beachten , bis drey Meister zu Bett sind , besonders auf 
die Hunde sehen, die man zur Bewahrung des Hofes hielt. Der Hofwart haftet für 
den Schaden, den sie anfangen, so lange als er sie bewahren soll. Löset sie ein 
Anderer von der Ketle und entsteht daraus Schaden, so haftet derjenige dafxir, 
der^sie gelöset hat. Durchstossen sie selbst die Ketten, so haftet deshalb der 
Hofwart nicht. Wer das Amt eines Hofwarls versäumt, es sey bey Nacht oder 
Tag, der büsst mit einer Mark Kunen. In der Kirche sollen Wächter des Nachts 
seyn, wer den Dienst versäumt, der fällt in die noch höhere Strafe von einer 
Mark Silbers, auch haftet der Meister selbst, wenn von seinetwegen die Hof- 
und Nachtwache, oder der Aufenthalt in der Kirehe (Kirchenschlafen) des Nachts 
unterblieben ist. Landfahrer- wie Wasserfahrer sind zu Gleichem verbunden. 
Keiner soll in der Kirche mit einem Russen, er sey aus dem nowgorodschen 
Gebiete oder nicht, einen Handel abschliessen , bey Strafe einer Mark Silbers. 
Zu Erhaltung der Gebäude, zu Bestreitung der allgemein öffentlichen Ausgaben 
zaiilen die Winterfahrer, welche zu Schiffe in die Newa kommen, einen Verdlngh 
von hundert Mark ihres Guts St. Petern als Schoss , und eben so viel der Meister 
lur Hausmiethe. 

Wer als Sommerfahrer in die Newa kommt zahlt dasselbe, nur fiir Haus- 
miethe zahlt der Meister weniger, nämlich eine Mark Kunen. Bleibt der Sommer-? 
fahrer zur Winterzeit liegen, so hat er den Schoss der Winterfalu-er zugleich zu 
entrichten, er habe verkauft oder nicht; Gleiches gilt, fiir den Winterfahrer, der 
auf Sommerfahrt liegen bleibt, auch soll er des Königs Schoss entrichten. "Was 
es eigentlich mit diesem für eine Bewandtniss gehabt habe, ist nicht gewiss. 



i28 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Vielleicht ist es damit wie mit dem Zins in deutsclien Städten besehaffen 
gewesen, der ursprünglich dem Landesfiirsten zu entrichten war, dann aber von 
» der Gemeine erworben, nur als eine in die Gemeinde - Gasse fliessende stete Ab- 
gabe blieb. Wenigstens wird die Befriedigung mancher gemeinen Bedürfnisse des 
Hofes aus dieser Quelle bestritten. 

Die Landfahrer zahlen die Hälfte des Schosses und eine Mark Kunen als 
Hausmiethe, so wohl Winter- als Sommerfahrer, dann von jedem Pferde einen 
Balg, so oft sie fahren, ankommen oder abfahren. Königs Schoss zahlen diese nur 
ein Mahl im Sommer oder im Winter. Welcher Deutsche aus dem Lande 
kommt (dem nowgorodscheri Gebiete), der sich zu deutschem Rechte hält, er 
fahre durch oder kehre wieder, ist den halben Schoss St. Petem zu geben ver- 
bunden, er bleibt aber gleichfalls frey von des Königs Schoss. 

W^er sich der gemeinen Geräthschaften des Hofs bedient, zahlt ein Geringes dafiir ; 
so wer St. Peters Holz gebraucht um damit zu brauen oder zu backen oder wer mit 
St. Peters Kessel Wachs schmilzt. Dagegen bleiben die Kosten dem zur Lasf, 
der vor seiner Abreise nicht seine Rechnung mit den Andern abgeschlossen hat, 
mit welchen er in Geschäften stand, und dem man zu seiner Verfolgung Ge- 
richtsbothen nachschicken muss. Was von des Hofs Einkommen jährlich übrig 
bleibt, das soll nach alter Sitte und dem Beschlüsse der gemeinen Deutschen aus 
allen Städten (auf Gothland) nirgends anders hin als nach Gothland geführt 
werden, woselbst es in St. Peters Kasten in der St Marien Kirche gelegt werden 
soll, wozu vier Schlüssel gehören, welche von vier Städten aufbewahrt werden 
sollen, und zwar der eine durch den Olderman von Gothland, der andere durch 
den Yon Lübeck, der dritte durch den von Soest und der vierte durch den von 
Dortmund. Ohne Zweifel sind dies die Aelterleute der Kaufleute der vorzüglichsten 
Städte die damahls in Gothland sich aufliielten und welche zusammen den gemei- 
nen Kaufmann daselbst bildeten, indem die Kaufleute aus den einzelnen Städten 
jede ihren Vorsteher halten. Der Olderman der Kaufleute von Gothland ist hier 
offenbar der von den Deutschen zu Wisby. 

In dieser ältesten Hofordnung lautet Alles viel einfacher als späterhin; die 
Gesellschaft der nach Nowgorod handelnden Deutschen hat zur Handhabung ihrer 
Ordnung diese Beliebungen von Alters her beobachtet und aufzeichnen lassen. 
Die Wasserfahrer haben den Vorzug, sie sind wohl zuerst hierhergekommen, und 
haben die Niederlage gestiftet, wahrscheinlich ist das Ganze, wie deutliche Spuren 
zu erkennen geben, von der grossen deutschen Handelsgesellschaft in Gothland 



ZWEYTER ABSGHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. i29 

ausgegangen. Aber sie , diese hierher fahrenden Kaufleute verfahren ganz selbst- 
ständig, keine Stadt hat ihnen Ihre Einrichtung vorgeschrieben, sie wählen sich 
aus Ihrer Mitte Ihren Vorstand, und zwar den, welcher am geschicktesten dazu 
ist, ohne auf die Abkunft aus irgend einer Stadt beschränkt zu seyn. Die Skra ist 
sehr kurz, Ordnung zu handhaben, Hof und Kirche zu schützen, die Anstalt 
durch geringe Beyträge zu erhalten, das Ist die Hauptsache. Der Ueberschuss des 
Einkommens des Hofs soll jährlich zufolge alter Sitte in die Marien Kirche der 
Deutschen zu Wisby niedergelegt werden i). 

Diese ganz einfache Ordnung hat jedoch im Verlauf der Zeit manche Ver- 
änderung erlitten, so wie die Stadt Lübeck vor allen andern Städten an Macht 
und Ansehen sich mehr emporhob, so war sie auch bemüht, einen grössern EInfluss 
auf diesen Hof, wie auf alle Niederlagen sich zu verschaffen, und Vorschriften ihm 
zu ertheilen, ja sie war bemüht, den EInfluss, welchen die deutschen Kaufleute 
auf der Insel Golhland und die Deutschen auf Wisby auf diesen Hof der That 
nach, gleichsam ausschllcssend besessen hatten, an sich zu reissen. Eine Reihe 
von Urkunden aus dem Ende des dreyzehnten Jahrhunderts liefert darüber un- 
bezweifelte Belege. Die Stadt Lübeck ward in dem Unternehmen durch mehrere 
ihr östlich benachbarte wetidlsche Städte besonders unterstützt, vorzüglich von 
Rostock und Wismar, die dasselbe lüblsche Recht angenommen hatten, und die 
es nicht ungern sehen mochten , dass von dem Hofe zu Nowgorod allein die Be- 
rufung nach Lübeck gelten sollte, was bey ihnen in Bezug auf alle Rechtsstreite 
ohnehin der Fall war, um damit die Herrschaft über die Niederlage der 
Freundin zu verschaffen. 

Alles schien auch nach W'^unsch zu gehen; wir haben Urkunden, die be- 
zeugen, das die sächsischen, die wendischen, die preussischen und westphällschen 
Städte beliebt hätten, dass allein von dem Hofe zu Nowgorod nach Lübeck eine 
Berufung stattfinden sollte, aber auch eben' diese Urkunden, deren Echtheit 
durch Geistliche bezeugt ward, drücken allgemein aus, was doch nur theilweise 



1) Wäre der Ausdruck nach alter Sitte den Ueberschuss nach Gothlati^ zu bringen und in St. Peters 
Kasten in der Marienkirche daselbst nieder zu legen, auf Beides zu beziehen» so könnte diese alte Sitte 
nicht über das J. 1225 hinausreichen, indem die Kirche erst in dieser Zeit vollendet und irom Bischöfe Ton 
Linköping eingeweiht worden ist. Ich halle indess dafür, dass diese alte Sitte, von welcher hier die Rede 
in, auf die Verführung des Ueberschusses nach der Insel sich eigentlich beziehe, obwohl die Kiederle- 
guug desselben in St. Peters Kasten erst v, J. 1225 au hat stallfinden können. 

R 



130 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

der Fall war. Aus allen diesen Thcilen haben mehrere und sehr angesehene 
Städte dem "Wunsche und der Aufforderung Lübecks sich nicht gefiigt. Zu den 
Lübeck beytretenden gehörten: Cöln, Dortmund, Paderborn, Minden, Lemgo, 
Lippe, Herford, Höxter, Magdeburg, Halle, Braunschweig, Goslar, Hildesheim, 
Hannover, Lüneburg, Rostock, Stralsund, Wismar, Greifswald, Kiel, Stade, 
Riga, Danzjg und Eibingen : aber von allen übrigen hat man keine dieser Neuerung 
beystimmende Erklärung und in dem Verzeichnisse der dem Wunsche Lübecks 
beytretenden Städte kommen keine andere als die genannten vor. Gleichwie Lübeck 
die Städte für sich gewinnen wollte, so verfuhr auch Wisby. Dieser Stadt Um— 
laufschreiben ist uns erhalten worden, worin sie warnt, alte Freyheit, Unabhän- 
gigkeit und Recht nicht zu verscherzen; diess ist bey mehreren und selbst sehr 
angesehenen Seestädten nicht ohne Wirkung geblieben, zumahl da auch Eifersucht 
über Lübecks Anmassungen und Vorherrschaft hinzukommen mochte. Hamburg, 
Münster, Soest und Osnabrück w^aren schriftlich von Lübecks Freunden, Rostock 
und Wismar, aufgefordert worden, sie sind aber laut jenes Verzeichnisses nicit 
gefolgt, auch fehlten mehrere andere angesehene Seestädte als Bremen, Rcval, 
Dorpat; Pernau, Königsberg, Thom, Culm, Braunsberg, mehrere der kleinem 
wendischen Seestädte, als Anclam, Demmin, Stettin, Neustargard und viele der 
Landstädte, die doch so gut als andere von Lübeck mochten aufgefordert worden 
seyn. Die letzte Stadt hat die Ausschliessung der Deutschen auf Gothland oder zu 
Wisby von der Hen-schaft über den Hof doch nicht ganz durchsetzen können, wohl 
aber ist ihr gelungen, dieselbe mit ihnen zu theilen, und wenn die Nähe der Insel 
dieser immer einen gewissen, ihr nicht zu raubenden Vorzug erhielt; so hat die 
Stadt Lübeck doch durch ihr beyspiellos reges Emporkommen, späterhin vollends 
beym Verfall der Insel, immer mehr an Einfluss hier gewonnen, obwohl doch den 
grössten Theil des vierzehnten Jahrhunderts hindurch, wie durch viele Urkunden zu 
belegen ist, Lübeck es nicht wagte eigenmächtig in den Angelegenheiten des Hofs 
zu verfahren. Weit über das vierzehnte Jahrhundert hinaus, im fünfzehnten 
nähmlich, ist diese getheilte Herrschaft geblieben, bis nachher auch die Livländer 
einen Antheil daran genommen, und noch späterhin die vollendetere Verbindung 
der grossen deutschen Hanse auf den Tagsatzungen die Aufsicht über alle 
Niederlagen mehr in ihre Gewalt bekam i). 



1) Urk. J. 129|, LXXXI-LXXXn^, XC. Tu dfieser letzten XJrkuiiJe, rfie oTiue JaTirzalil ist, Jas Vidimus ist t. 
^* 1298 1 erklart die Stadt Ri^'a der Stadt Luheck, dass Lübecks Nähme in der (nowgorodischeu) Skra 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. ^31 

Aber zuerst, als die Stadt Lübeck eine ausschliessende Macht begründen 
wollte, %vas ihr nicht ganz gelungen ist, erliess sie wahrscheinlich um dieselbe 



ohue ihr Wissen ausgelöscht wordeu sey, sie entschuldigt sich desshalb. Ist diess etwa auf Veranlassung 
Wlsbys oder der Gesellschaft der Deutscheu auf Gothland geschehen? Ist diese Urkunde früher zu setzen» 
so möchte diese That als die erste äussere Veranlassung des iStreits betrachtet werden können. Die fol- 
genden Bogen werden deutlich zeigen , so wie die Recesse am Sohluss , dass die Herrschaft zwischen 
beiden Städten gethßilt blieb. Aber es mag hier schon im Voraus ein Auszug aus einer spätem Skra 
ohne Jahrzahl, aber gewiss aus dem fünfzehnten Jahrhunderte stehen, die unter der Aufschrift Statuta No^ 
rogardica s, a, im Archive der Stadt Cöln aufbewahrt wird, und die es bestätigt, dass die Theilung der 
Oberherrschaft unter beiden Städten auch in dieser spätem Zeit noch bestand* Es heisst daselbst, in dem 
überschriebeneu Artikel ; 

Vari Ordelen. 
It is to wef endet dat men alle Rechte y de in desseme hohe staen^ no dessen hohe richten schalL JVere 
dat ouer also » dat en ny Recht ppstunde , dat in dessen hohe nicht geschreuen en were , dat scholden die 
Olderman vnnd Jf^isesten dar vntweren , hy willen vnde hy vulhorde beider Partlieien , of sie Jammer mögen : 
weret ouer alsoy dat dat recht off ordel jenich Man bescheiden wolde^ de schall leggen vnder Sunte Petere dre 
mark sulueres ; so schall die Olderman mid sine Wisesten dat Recht, bi wetende vnde vulhorde der Partheien 
an beiden siden beschriuen an den Raet vnd Statt tho Lubeke vnde an den Raet vnde an de Statt tho Got- 
lande ; de scholen dar tho then de Jene , de dar schuldig sin ouer to wesende , de schalen dat vntweren mit 
Rechte, Vnde wo lange dit Recht an Richters dwanck steity so bliuet en jewelick Man vnuersumet inn alle 
sine Rechte ; vnd u/o sie den des Richters ouer een drcgen , dat scholen sie beschriuen jnn den Hoff tho No- 
gardeny dat schall men den vort vor ein Recht in dit bocke schriuen, Jf^ert dan de Man^ die dat ordel 
beschulden heuet , nedderi/elich des Rechten , so heuet he Sunte Petere verboret de dre mark sulueres* 
JVert he ock an sinet sahen Recht , so schal men eme wedder geuen sine drey mark* 

Van Sunte Peters Gelde, 
So wat gelde dat Sunte Peter ouerlopet bouen die Cost de jnen inne haue verdoen moet y dat schall men 
voren eines Jares tho Gottlandt , dat ander Jar tho Lubeke , vnd so wat mallich vntfeit , dat schal men 
beschriuen y vnnde malik in siner Statt vnde doen dar Rekenschap äff. 

Wenn es aber in einem Schi'eiben I^übecks an Riga ohne Jahr zahl (Clf.)» das vielleicht in den Anfang 
des Tierzehnten Jahrhunderts oder nach der Mitte desselben zu setzen ist, heisst, dass Riga den Schlüssel 
zum Kasten nach Nowgorod schicken soll, mn daraus die Bedürfnisse des Ilofs zu bestreiten, so mag diess, 
indem der Ueberschuss in Nowgorod geblieben war} als eine Ausnahme von der Regel betrachtet werden 
köuneui der durch die Unsicherheit zu "Nyasser bey eben herrschenden Fehden veranlasst worden war , und 
vielleicht war es auch desshalb geschehen» dass der Schlüssel, den Lübeck haben sollte, dort in Riga 
niedergelegt war» indem diese Stadt näher dem Hofe lag» und zu >y asser oder Land dahin gesandt 
werden konnte. Ist die Urkunde aber um d. J* 1361* zu setzen, so ergibt es sich sogleich, dass wenig- 
stens der Geldüberschuss des Hofs damahls nicht nach YTisby gesandt werden konnte, indem Stadt und 
Insel durch Eroberung unter dänische Herrschaft gekommen waren. «-Aus einem andern Schreiben des 
Hofs an Lübeck (CV.) ohne Jahrzahl » wahrscheinlich aus der sweyten Hälfte des vierzehnten Jahrhun- 
derts, erhellet der Wunsch der Rigaer, dass auch aus ihrer Mitte Aelterleute des Hofs' u. St« Peters 
möchten gewählt werden. Doch diese Aelterleute erklären, Niemand könne sich erinnern, dass diess )e der 
Fall gewesen sey. Aber die Livläuder sind um so weniger in ihren Ansprüchen ermüdet» als sie mit 
ihrem Gedeihen einen so grossen Antheil an dem russischen Handel nahmen» und in ihrem Lande ein so 

R 2 



132 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Zeit gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts eine Hofordnung oder Skra, in 
welche zwar die Verordnungen der alten wörtlich aufgenommpiji wurden , bis auf 
den Schluss, in welchem Ton dem Niederlegen des überschlessenden Geldes auf 
dem Hofe m der Marienkirche zu Wisby die Rede war, wie denn jeder Schein 
von Theilnahme Gothlands oder Wisbys an dem Einflüsse darin sorgfältig bis 
auf den Nahmen vermieden, dagegen die Oberherrschaft Lübecks über den Hof 
mit dürren Worten darin ausgedrückt wird: sie, die Stadt Lübeck wilL wenn 
über das Recht auf dem Hofe , über die da zu befolgenden Einrichtungen Zweifel 
entstehen, gnädiglich entscheiden und mit ihrer Weisheit den Zweifelnden aus- 
helfen. Diese zweyte eigenmächtig von Lübeck gegebene Hofordnung ist, ver- 
glichen mit den ältesten etwa drey Mahl so w^eitläuftig. Der bey Weitem grösste 
Theil derselben aber besteht in lübischem Rechne, wie es sich damahls ausge- 
bildet hatte; wo aber lübisches Recht galt, von da erfolgte die Berufung nach 
Lübeck von selbst, und somit war auch der Stadt Einfluss auf den Hof festgestellt 
Hienach aber strebte Lübeck unablässig, auch zu Bergen in Norwegen sollte 
Niemand zum Olderman oder in dessen Rath gewählt w^erden, der nicht aus 
einer Stadt wäre, wo lübisches Recht galt. 

Die Sätze, welche lübisches Recht enthalten, sind hier nicht nöthig besonders 
angeführt zu werden. Ein anderer, jedoch der bey Weitem geringste Theil 
dieser Skra, fordert aber eine Erwähnung, dem w^ahrscheinlich, wie auch von eini- 
gen dieser Sätze bestimmt nachzuweisen steht, die Beliebungen zum Grunde lagen, 
wie dieselben auf dem Hofe selbst vom gemeinen Kaufmann im Verlaufe der Zeit 
seit dem Verzeichnen der ältesten Skra waren beschlossen worden. Auch sind 
einige Sätze des lübischen Rechts zu erwähnen, die einige Aendrung bey der An- 
ordnung erlitten, nicht zu gedenken, dass die Geldbussen meist der Grösse nach 
verschieden sind, und dass hier für die Stadt Lübeck, den Vogt, den Rath stets 
St. Peter, die Alter- tmd Rathmänner gesetzt werden. So heisst es dann: Kein 
deutscher Kaufmann soll Gut von einem Russen borgen (auf Credit nehmen), 
bey Strafe von zehn von hundert des Werthes dieses Gutsj und bey fünfzig 
Mark, wenn er sein Gut in Gesellschafl; (Compagnie) mit einem Russen hat, oder 



lebhafter Verkehr mit den Rnsseu war. Auch wird sich aus den Acten und Hecessen des letzten Jahr- 
zeheuds dieses Zeitraums ergeben , dass \ou Zeit zu Zeit Etwas ihnen nachgegeben ward ; aber die auge- 
führte Stelle aus der Skra, die in das fünfzehnte Jahrhundert zu setzen ist, sagt es gleichwohl aus, dass 
die ijte zwischen lAibeck und Gothland getheüte Oberherrschaft bis dahin sich erhalten hat. 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 133 

dessen Güter weiter fuhrt, (Ihm als Comnilssionair oder Spediteur dient); das 

Letztere gilt auch in , Hinsicht auf die Walen, die Fläminger und wegen des Eng- 
lischen Gutes, 

Hat sich eine Gilde (Gesellschaft etwa von Winter- und Sommerfahrern) 
gehlldet, und wird von ihr Meth gebraut, so soll der, welcher so lange in dem 
Hofe ist, dass Wasser, Honig und Hopfen zusammen gemischt werden, auch 
zu den Auslagen beytragen, bevor er den Hof verlässt. Die Geldbussen, welche 
die Wedde erkennt, die sich bis auf zehn Mark Silbers und darüber belaufen, 
fallen dem Kläger zu, der aber davon zwey Mark St. Peter und eine halbe Mark 
dem Olderman, und die andere halbe Mark dessen Rathmännern zu geben hat; 
wäre kein Kläger da, so bekommt die ganze Summe St. Peter, welcher eine 
Mark Silbers dem Olderman und den Rathmännern abzugeben hat. Von Geld- 
bussen zu drey Mark Silbers und darunter fallt die Hälfte dem Kläger, zwey 
Theile der andern Hälfte aber fallen St. Peter, und der dritte Thcil dieser halb 
dem Olderman, halb den Rathmännern zu; ist kein Kläger vorhanden, so fallen 
zwey Theile der Busse St. Peter und das letzte Drittel halb dem Olderman und 
halb den Rathmännern anhelm. 

Steht ein Beklagter vor Gericht, und ginge er hochmüthig hinweg, obwohl 
der Olderman ihm geboten hätte, dem Andern zu Recht zu stehen, der soll in 
anderthalb Mark Silbers verfallen seyn, wovon die Hälfte der Kläger, zwey Drittel 
der andern Hälfte aber St. Peter, und das dritte halb dem Olderman und halb 
den Rathmännern verfallen seyn soll. Wer straffällig wird oder den andern 
schlüge an der Gremeten, an einem unter öffentlichem Schutze stehenden Orte, 
auf dem Kirchhofe oder in der Kirche, oder in der grossen Stube, wo man zu 
essen pflegt, der soll ausser der gesetzlichen Busse drey Mark Silbers wegen des 
gebrochenen Marktfrledens zahlen, welche halb dem Kläger zufallen, die andere 
Hälfte soll zu zwey Dritteln St. Peter haben, und ein Drittel halb dem Oldermanne 
und halb den Rathmännern zufallen. 

Rühmt sich Jemand einen Gewährsmann stellen zu können , so soll er den 
bey seinem Nahmen nennen , und ihn binnen vierzehn Nächten zur Stelle schaffen, 
wenn er im Lande ist, ist er ausser demselben, binnen sechs Wochen, und ist 
er über See, binnen Jahr und Tag. Binnen Landes bedeutet innerhalb der 
Herrschaft der Nowgoroder, ausserhalb Landes von der Grenze an bis Riga und 
über ganz Esthland , und über See sind die Lande diesseit (d. i. von da westlich 
nach Deutschland) belegen. 



134 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Hai Einer des Andern Gut unter sich, es sey well er mit ihm In Handelsge- 
sellschaft ist, oder als dessen Beauftragter nun weiter verfahrt zu senden, so kann 
er dasselbe nicht veräussern, verspielen oder durch Verbrechen verwirken. 

Wer mit grössern Schiffen nach der Newa segelt und Waaren angenommen 
tat, der aber nicht abfahren kann, vielleicht weil die Befrachter noch nicht fertig 
geworden sind; oder die Ladung noch nicht voll Ist, so soll er zur Fahrt an- 
nehmen , wessen Gut er will , sowohl nach als von Nowgorod. 

Die Ackerleute und Rathmänner sollen alles in den Hof gebrachte Gut 
besehen und prüfen , bevor man es zum Verkauf ausbiete , bey einer Busse von 
zehn Mark Silbers. 

Zu den Vorschriften, zu welchen der Grund bereits im lüblschen Piccht liegt, 
die aber doch einige nicht unbedeutende Veränderungen erlitten haben, sind etwa 
folgende zu rechnen. Verwundet Einer den Andern mit scharfen Waffen und behält 
dieser das Leben, so soll Ersterm die Hand abgehauen werden, es sey denn dass 
«r sich sonst mit Einstimmung der Kläger, des Oldermans und der Rathmänner 
auf andere Y^^eise abgefunden hätte; wäre der Thäter vom Hofe entkommen, so soll 
sein auf dem Hofe befindliches Gut zu zwey Thellen seinen rechten Erben zufallen, 
das übrige soll der Kläger haben, welcher, wenn so viel vorhanden ist, zwey Mark 
Silbers St Peter und eine Mark dem Olderman und den Rathmännern abzugeben hat 

Wird Einer von dem Andern vor Gericht geladen, so soll er die beiden 
ersten Mahle, wenn er nicht erscheint, eine Geldstrafe entrichten, folgt er der 
dritten Ladung nicht, so sollen der Olderman und die Rathmänner vor seine 
Wohnung gehen, wo er seine Waaren hat {hlet\ und da das Gericht halten j was 
dem Kläger alsdann rechtlich zuerkannt wird, das soll man ihm aus demselben 
überantworten. Der, dessen Pferd los auf dem Hofe umherläuft und einen An- 
dern beschädigt, kann es aufgeben und er haftet nicht welter, das Pferd Ist dann 
St. Peter und dem Kläger verfallen, betrachtet er aber ferner das Pferd als sein 
eigen, so muss er büs.sen. 

Sind Einem die Kleider zerrissen worden, ist Einer blau oder blutig geschla- 
gen oder geschimpft worden, so gilt desshalb jedes Mannes Zeugniss, der unbe- 
scholtenen Ruf hat, er sey Herr oder Knecht 

Entsteht auf dem Hofe Zwist zwischen zwey guten Leuten, und kommen 
zwey Meistermänner dazu, die mögen bcy zehn Mark Silbers Frieden bieten, und 
lassen sie nicht davon, so soll die Strafe wie sonst zwischen St Peter, dem Older- 
man und den Rathmännern gethellt werden. 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 135 

Jährlich soll diese Verordnung einmahl den Sommer- und Winterfahrern 
vorgelesen werden, von Anfang bis zu Ende. 

Wahrscheinlich ist es, dass nicht nur diese Vorschriften, sondern auch die 
welche das lüblsche Recht sonst enthielt, allmählig hier angenommen und befolgt 
worden sind, sie widersprachen dem bisher Uebllchen wohl eben nicht, nur die 
Mannigfaltigkeit der Geschäfte, die hier gemacht wurden , die verwickelten Fälle, 
die entstanden,' forderten eine bestimmte Weisung, und da fortan die Berufung 
von den Sprüchen nach Lübeck, wie nach Gothland oder WIsby ging, so war 
dieser Auszug nicht wohl zu entbehren. 

Indess geschieht in der folgenden dritten Skra dieser lübischen Vorschrift 
keine bestimmte Erwähnung. Diese besteht grösstenthells aus Beschlüssen, die 
von dem Olderman, seinen Rathgebem und der allgemeinen Versammlung der 
Kaufleule zu Nowgorod allmählig beliebt worden sind v. d. J. 1315 an bis einige 
Jahre über die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts hinaus, worin Altes und 
Neues gemischt ist, wie Jenes allmählig eine Veränderung forderte. 

Diese Sammlung Ist von den um d. J. 1370 nach Dorpat Abgeordneten, 
Johann Scepenstede von Lübeck und Daniel van der Heyde von Gothland (WIsby) 
gesammelt und verbessert worden. Wegen des Krieges, der schon zwey Jahre 
zwischen LIvland und den Russen dauerte, war der Hof zu Nowgorod verlassen, 
die Kirche zugeschlossen worden, der Kaufmann w^ar der Unsicherheit wegen 
von da abgezogen, er hatte St. Peters Geschmeide, die Messgewänder, die 
Bücher, Briefe und alte Skraen mitgenommen, welche den beiden Abgeordneten 
von J-iiibeck und Gothland zu Dorpat, als nun den höchsten Obern der Nieder- 
lage übergeben wurden. Die beiden Abgeordneten fanden aber, dass etliche 
Blätter in diesen Skraen ausgeschnitten, andere überschrieben worden waren, 
andere, von Unwissenden herrührend, enthielten Sachen, die nicht hinein gehörten, 
thellwelse wiederum überschrieben. Dieser betrübte Zustand der Verordnungen, 
die Allen zur Richtschnur dienen sollten, veranlasste jene beiden städtischen Abge- 
ordneten, diess Buch der alten Skra zu emeucm und zu gebieten ^ dass man nur 
das, was wirklich und gesetzlich beliebt werden und bleibend bestehen solle, 
in diese Skra eintrage; sollte sich aber Jemand unterstehen in der Folge, ein Blatt 
auszuschneiden oder einige Stellen zu überschreiben, so soll er mit seinem Leben 
oder Gute, nach dem Urtheile des Kaufmanns, dafür haften. Es scheint, dass 
diese beiden Abgeordneten den Hof im folgenden Jahre 1371 nach der ver- 
besserten Sammlung der Verordnungen in Nowgorod herstellten , und ohne Zweifel 



J3Ö Z^VEYTE ABTHEIL. ' GESCH. DES HANDELS. 

ist es eben diese verbesserte Sammlung, welcbe mit den Beschlüssen — nach der 
Zeitfolge — V. J. 1315 anhebt und sofort bis z. J. 1355 geht, die auf uns 
gekommen ist. 

Von d. J. 1338 haben wir endlich noch gewisse Vorschriften für den Hof> 
welche wahrscheinlich von den Abgeordn6ten der beiden Städte von Lübeck 
Marquard von Cosfelde, und von Annemer von Essen aus Gothland beliebt 
worden sind, welche nach Dorpat waren gesandt worden, um mit den dahin 
abgeordneten Russen die entstandenen Streitigkeiten beyzulegen , welche dann bey 
dieser Gelegenheit mehrere dem Hofe zur Richtschnur dienende Vorschriften er- 
Hessen. Durch diese beiden, die Sammlung jener alten BcIIebungen des Hofs, so 
wie durch diese Vorschrift^ ist In der alten Einrichtung zwar nichts Wesentliches 
geändert worden, allein das Alte wird erläutert, nach Umständen verbessert, und 
nur das ist ganz neu, dass, wenn nach alter Freyhelt der Gesellschaft es zustand 
sich ihre eignen Verordnungen zu geben, ein Recht, was sie auch fortdauernd 
behielt, dennoch eine andere Gesetzgebung aufgekommen war, nähmllch die, 
welche von Lübeck und Gothland ausging , deren Abgeordnete eigenmächtig 
Vorschriften erthellten, und dass das Ganze, selbst die Bestätigung der von der 
Gesellschaft gefassten Beschlüsse, ja die Ernennung ihrer Vorsteher von h(tiden 
Städten abhängig gemacht waren. 

Zur genauen Einsicht in den Zustand des Hofs und seines Handels ist ein Auszug 
der wesentlichsten Puncte aus der erneuerten Skra und aus den Vorschriften der 
beiden lüblschen und gothländischen Abgeordneten v. J. 1338 nach der Zeitfolge 
hier mitzuthellen unerlässlich , um sich, so weit es noch möglich ist, ein ti'eues 
Bild des ganzen Zustandes zu entwerfen. 

Gutes und verfälschtes W^achs in Russland zu erhalten war eine der Haupt- 
bemühungen der Vorsteher des Hofs, da über dessen Verfälschung so viel Streit 
beym weltern Absatz auf den Märkten im westlichen Europa entstand. So verboten 
die Vorsteher und der gemeine Kaufmann des Hofs zu Nowgorod in verschiedenen 
Jahren 1315 > 1332 u. 1333 bey schwerer Geldstrafe den Aufkauf des verfälschten 
Wachses. Sie erklären, dass es ihnen schwer geworden sey, und einen grossen 
Aufwand in Auslagen und Geschenken beym Fürsten von Nowgorod und den 
Seinigen gekostet habe, um es dahin zu bringen, dass das eingebrannte falsche 
Zeichen des Wachses, als wäre es gutes, von russischer Seite abgeschafft worden 
sey. Die Strafe ward im J. 1332 auf Befehl von Seiten der Städte erneuert, 
das verfälschte Wachs soll verbrannt werden, wer es heimlich ausfahrt, soll 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 137 

50 Mark Silber erlegen, fast die höchste Geldstrafe die man zu erkennen pflegte, 
und von dem fernem Besuchen des Hofes ausgeschlossen seyn. Kauft Jemand 
aber solch betrügliches Wachs auswärts des Sprengeis von St. Peters Recht und 
brächte er es nach Nowgorod; so soll er dasselbe nicht in St. Peters Kirche 
bringen düi*fen, er habe denn die Geldstrafe entrichtet, und die Erlaubniss des 
Oldermans des Hofs und der gemeinen Deutschen dazu erhalten ; dieselbe 
Strafe soll statt finden bey kleinen wie bey grossen Quantitäten. Im J. 1333 
ward beliebt, dass das durch die Beschauer (Wachsfinder) fiir gut erkannte 
Wachs allein von St. Peters Aelterleuten mit St, Peters Siegel gezeichnet, und 
durch sonst Niemanden besiegelt werden solle; dergleichen Wachsfinder aber sollen 
Sommer und Winter das ganze Jahr hindurch auf dem Hofe gehalten werden. 

Mochten die Klagen über das verfälschte Wachs die sie bey dessen Absatz 
im Westen vernahmen, zu so ernsten Maasregeln antreiben, so forderten die 
Klagen der Russen über verfälschte Tücher, welche die Deutschen aus dem 
Westennach dem Osten führten, gleiche Verfügungen. Im J. 1327 ward zu Nowgo- 
rod vom Kaufmanne beliebt, dass Tücher, die ausserhalb eines Orts, wo keine 
(köre) örtliche Aufsicht und obrigkeitliche Vorschrift über dessen Bereitung ist, 
verfertigt werden, nicht nach Nowgorod geführt werden sollten; dixmudische, 
ypemsche und langemarksche darf Jeder einfuhren , nicht aber die, welche ihnen 
nachgemacht, auf ähnliche "Weise geschoren und gefaltet sind, bey Verlust der 
Tücher und zehn Mark Silber fiir St Peter; dasselbe gilt wegen der (Cappelaken) 
Tücher %* Geistliche und Mönche, die nicht zu Aachen und Cöln gemacht 
worden, dasselbe sollte auch von den Umschlagtüchern gelten, die um einen 
Packen Tücher gelegt wurden, welche von dem Gehalte der übrigen darin ent- 
haltenen zeugen sollten, welche ebenfalls nachgemacht wurden. Eben dessbalb 
sollen Wanclfinder wie Wachsfmder das ganze Jahr durch angestellt seyn. 

Im J. 1318 ward untersagt in Nowgorod Gut zu kaufen oder auf Credit zu 
nehmen, unter der Bedingung den Kaufschilling an andern Orten z. B. zu Dorpat zu 
bezahlen; wo das Gut gekauft wird, da soll es auch bezahlt werden. Im J. 1333 
aber ward beliebt, dass die Deutschen weder Kupfer, Zinn und Bley noch anderes 
Gut, welches sie an die Russen absetzen, denselben auf des Königes (des Now- 
gorodischen Fürsten) Wage zuwicgen sollten , bey Strafe von 1 Mk. Silbers. 

Durch diese Beschlüsse ist in der alten Einrichtung des Hofes Nichts geändert 
worden. Diese Beliebungen bezogen sich lediglich auf den Handel, um den Klagen 
über verfälschtes Gut bey den Russen sowohl als bey den westlichen Völkern 

S 



138 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

nahmcntlich auf dem grossen flandrischen Markte vorzubauen , und die Streitig- 
keiten in dem Verkehr zwischen Deutschen und Russen zu vermeiden : sie sind an 
sich deutlich und bedürfen keiner Erläuterung i). 

Die Vorschriften der beiden Abgeordneten von Lübeck und Gothland von J 

d. J. 1338 bilden einen Nachtrag zu der altern Hofordnung. 

Der Aufsatz hebt also an: Also soll stehen der Hof zu Nowgorod; doch 
ist auch dadurch wenig in der alten Ordnung des Hofs geändert worden, Einiges 
ward jedoch naher bestimmt und weiter ausgeführt Die meisten Vorschriften 
bezichen sich auf den Handel zu Nowgorod mit den Russen und auf dem Hofe. 

Das alte Gebot, dass jeder seinen Knapcn, den er mitgebracht, auch wieder 
hinwegfiihren müsse, ward bey einer Busse von fünf Mark Silbers erneuert, und 
der Knape, der ohne seines Herrn V\^illen. bleibt, dergleichen Busse unterworfen, 
auch soll er von Stund an den Hof verlassen. Als Meister wird der angesehen, 
der auf eigene Kost in den Hof kommt , bis er ihn verlässt. Niemand soll fort- 
dauernd des Handels w egen auf dem Hofe bleiben ; nach dem Verkaufe seines 
mitgebrachten Guts soll er abreisen, wobey die Wandelung (der Tausch) auf dem 
Hofe nicht beschränkt wird. Will Einer schnell verkaufen, so kann das Gut von 
jedem sich daselbst aufhaltenden Herrn oder Knapen gekauft werden. Beym letzten 
Kauf soll Jeder mit seinem mitgebrachten Gute Alles berichtigen und dann abreisen, 
Winterfahrer bis zum letzten Wege und zum ersten offenen Wasser, Sommerfahrer 
bis zum letzten Wasser und . zum ersten Wege. Ausstehen kann Jeder mit seinen 
Waaren, so lange als er Käufer findet, auch steht es dem abreisenden l^ister frey 
seinen Knapen bey seinem Gute zu lassen, bis es verkauft ist, dann muss aber auch 
dieser abreisen, bey einer Busse von fiinf Mark Silbers. Der Kleinhandel s^en 
den Russen zu verbleiben, Packleinwand soll von den Deutschen nur zuxgajnzen 
Packen oder Stücken verkauft werden, auch ward es untersagt, in dem Hofe Zeug 
zu Hosen, Mänteln oder sonst einzeln abzuschneiden, um es sofort zu verkaufen. 
Auf dem Hofe sollen keine Mäkler geduldet werden ; bey verändertem Handel ward 
im folgenden Jahrhundert aber die Vorschrift nicht beachtet, wir haben aus 
dieser spätem Zeit eine in Nowgorod gegebene Mäklerordnung. Erneuert ward 
das Verbot mit den Russen auf Credit zu handeln, mit ihnen, den Walen, Fla- 
mingem und Engländern eine Handels- oder Schifffahrtsgemeinschaft zu haben. 

1) Diese Skra, welche die Beschlüsse v. 1315 und spätem Jahren enthält, endigt hier nicht, es ist aber 
der Zeitfolge wegen, um nicht frühere Beschlüsse mit spätem zu vermengen, die Urkunde ▼. J. 1338 
hier dazwischen geschoben worden, wie jene ununterbrochen lautet. S. Urk. CXXV. 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 



139 



/•C 



Auch soll Niemand weder zur Winter- noch Sommerfahrt mehr Güter, als zu 
einem Werthe von 1000 Mark in den Hof fuhren, der Ueberschuss ist an St. 
Peter verfallen. 

Wegen der Einrichtung des Hofs sind damahls auch einige neue oder ältere 
erweiterte Vorschriften erlassen worden. 

Die alten Vorzüge wurden den Sommer- und Winterfahrern (die zu Wasser 

ankommen) erhalten, sie behielten die Freyheit ihre Waarenhäuser {hleten) und 

ihren Stand oder Sitz sich zu wählen, auch ihre Bothen oder Diener haben das 

gleiche Vorrecht in der Küche zu stehen und zu kochen , wo sie wollen. Die 

Trinkstube, wo die Herren ihre Speise und ihr Getränk haben, soll nicht zur 

Wohnung oder Schlafstellen {hameren) dienen, sondern von jedem Hindemiss 

Irey seyn, auch die Knapen kein Getränk oder sonst Etwas darin haben, wodurch 

die Herren beschwert würden. Hat die Gesellschaft sich zu Tisch gesetzt und 

teht sie auf um schlafen zu gehen, so soll Niemand sich wieder zum Trinken 

iedersetzen, er sey Herr oder Knecht bey einer Busse von Einer Mark Silbers. 

ic, welche auf das Feuer zu sehen haben, sollen zugleich darauf sehen, dass 

iemand zum Trinken sich, wieder niedersetze, den Fehlenden sollen sie 

zeigen, versäumen sie diess, so fallen sie in gleiche Strafe. Irregefahrene, die 

Sommer - oder Winterfahrer in den Hof kommen, sollen das Recht der Land- 

rer haben, so wohl was die Häuser oder Wohnungen, als was den Schoss 

trifft. Die Landfahrer, die aus Russland kommen^ werden den Landfahrern, 

aus Deutschland kommen, wegen des Schosses gleich gestellt, vom Königs- 

oss bleiben sie frey. Jeder soll auf dem Hofe seinen Handel, es sey mit dem 

irsten oder Andern so fuhren, dass der Hof und St. Peter nicht darunter leide. 

'elchem Russen das Besuchen des Hofs untersagt wird, der ihn ein Jahr lang 

icht hat besuchen dürfen, der kann nur von dem gemeinen Kaufmanne auf 

•§iothland die Erlaubniss wieder dazu erlangen. Dieser gemeine Kaufmann be- 

.^tand also noch damahls in alter Kraft und in altem Ansehen. 

^ Wegen des Priesters waren mehrere Veränderungen emgetreten. Die Winter- 

fefahrer, wenn sie ihn begünstigen wollen, können ihm vier Mark Silbers aus 

lg ihrem Königsschosse geben, dasselbe steht auch den Sommerfahrern frey: wer 

mehr geben will, der zahlt es aus seinem Beutel. Trifft es sich, dass zwischen 



V, 



der Winter- und Sommerfahrt oder zwischen dieser und jener ein Priester vor- 






,- banden wäre, so mag man ihm die Woche einen halben Vierding aus dem Königs- 






schoss nebst der Beköstigung geben , doch nie mehr; weniger ihm zu bewilligen 

S 2 

h 









140 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

ist erlaubt. Wem der Priester einen Brief in Handelsangelegenheiten schreibt , der 
gebe ihm drey Mark Marderköpfe. 

Die besiegelten Skraen (keine mit Siegeln versehene ist auf uns gekommen) 
soll man nie aus St. Peters Kirche tragen, das Abschreiben derselben russisch 
oder deutsch ist erlaubt. Das Merkwürdigste dieser Vorschrift ist, dass sie gegen 
die älteste Sitte lediglich von den Abgeordneten der beiden Städte ausging, nicht 
von den Kaufleuten, und dass Jene eine Geldbusse von fiinf Mark Silbers darauf 
setzen, wenn man hiermit nicht zufrieden heimlich oder öffentlich Etwas auf- 
schriebe; doch kann Der, welcher dessen beschuldigt wird, durch Eid, selb 
Dritte, sich rechtfertigen i). 

Die Beschlüsse des Oldermans, seiner Rathgeber und des gemeinen Kauf- 
manns drey Jahre nachher, von 1341, bezogen sich auf die Vermeidung des 
Betrugs beym Wiegen des Wachses von Seiten der Russen; es war nach 
vieler Bemühung erhalten worden, dass es auf die in Deutschland übliche 
Weise, ohne Betrug gewogen werden solle und Jeder war bey Strafe verbindlich 
gemacht, darauf zu halten. Im Jahr 1342 ward ein Vertrag zwischen den 
Obern Nowgorods von der einen Seite und den Vorstehern des deutschen Hofs 
daselbst so wie den Abgeordneten der Städte Gothlands, Lübecks, Rigas, Münsters 
und Dortmunds von der andern Seite abgeschlossen, vermöge dessen kein ge- 
schmiertes, auf verschiedene Weise verfälschtes Wachs durch die Deutschen den 
Nowgorodei-n vor Petri und Pauli weiter abgekauft werden solle, so wenig als 
die Nowgoroder dergleichen von ihren Nachbarn kaufen und nach Nowgorod 
bringen sollen; es ward beliebt, dem Wieger des Wachses ferner kein Geschenk 
zu geben. 

In demselben Jahre ward beschlossen, dass Niemand Tuch oder abgeschnit- 
tene Stücke (Proben) desselben oder anderes Gut einem Russen (vom Hofe aus) 
mitgeben solle, um es zu Haus zu besehen, indem daraus so viel Nachtheil 
erwachsen sey. 

In demselben Jahre wurden viele Bestimmungen zur Verhütung der mannig- 
fachen Betrügcreyen beym Fell- und Pelzhandel beliebt, der so sehr weit ging. 
Sceuenissen und Troyenissen sollen in der Regel nur tausendweise oder zu halben 
und Vierieltausenden, doch die letztern auch zwischen anderm Pelzwerke und 
einzeln gekauft werden dürfen. Dieses soll nicht nur zu Nowgorod, sondern aller 



1) ürk. CXXXXIil. 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 141 

Orten, wo von Russen dergleichen gekauft werden, gellen, sowohl zu Riga, Dor- 
pat, Reval, Plescow und PIoscow als überall wo deutsches Recht gilt, folglich 
müssen die Deutschen damahls bereits Nebenniederlagcn an den beiden letzten 
Orten gehabt haben. 

Wegen des Priesters aber ward beliebt, dass man ihm nicht weniger als 
ein halbes Stück (Silbers?), sowohl bey seiner Hinreise als bey seiner Abreise 
geben solle. Am merkwürdigsten sind jedoch die Beschlüsse der Vorsteher und 
des gemeinen Kaufmanns auf dem Hofe zu Nowgorod v. d. J. 1346j welche theils 
das alte Herkommen bestätigten, theils dem im Verlauf der Zeit entstandenen 
Bedürfnisse gemäss, dasselbe änderten. Manche der bereits längst eingetre- 
tenen Veränderungen wurden wahrscheinlich nun erst schriftlich aufgezeichnet. 

Die Wahl des Oldermans des Hofes war nun ganz gegen das alte und 
älteste Herkommen, seit dem immer grösser werdenden Einfluss der städtischen 
Obrigkeit auf den Niederlagen, verändert. In der ältesten Zeit ward er so wie St. 
Peters Olderman von den zu Wasser nach Russland Fahrenden selbst auf der 
Reise gewählt, jetzt, und ohne Zweifel schon früher war das Wahlrecht an die 
Abgeordneten aus den Städten in den Hof übergegangen. Bey einer Geldbusse von 
10 Mark Silbers war geboten, dass Alle sich den Beschlüssen der Abgeordneten aus 
den Städten, so wie denen der Wachs- und Tuchfinder zu unterwerfen hätten. 
Die Strafe im Fall des Ablehnens der Wahl, war erhöht worden. St Peters 
Aelterleute sollen den sich Weigernden in Geldstrafe nehmen , bey der dritten 
Weigerung der Annahme ist die Strafe 50 Mark Silbers und der Verlust des 
Rechts des Hofes. Die Wahl soll für das eine Mahl auf Lübecker, für das andere 
auf die Deutschen auf Gothland (Wisby) beschränkt seyn. Nimmt des Hofs 
Olderman seinen Sitz, so sollen St. Peters Aelterleute (es waren jetzt zwey) ihm 
die Schlüssel übergeben, alle Aemter hören auf, bis des Hofs Olderman sie 
bestätigt oder Andere damit beauftragt hat. Des Hofs Olderman hat auch das 
Recht über Hals und Hand zu richten; diess, so schwer und selten in andern 
Ländern durch die Deutschen für die Vorsteher ihrer Niederlage zu erhalten, 
fand bey den Russen nicht die mindeste Schwierigkeit; doch begleitet er nicht die 
VerurtheilteQ zur Richtstätte, sondern ernennt zwey Stellvertreter dazu. 

Verlässt ein Oldemian St. Peters den Hof, während noch ein Olderman des 
Hofs vorhanden ist, so ist es desshalb nicht erforderlich, dass Abgeordnete aus 
den Städten, wegen Jenes Wahl dahin reisen; sondern des Hofs Olderman wählt 
Einen an dessen Stelle. Wäre aber kein Olderman des Hofs vorhanden, so sollen 



142 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Abgeordnete aus den Städten St. Peters Aelterleate wählen unter den Lübeckern 
und Gothländern; sollten aber dergleichen eben nicht anwesend seyn, so soll 
man so lange bis aus Lübeck und Gothland Einige ankommen, Tüchtige dazu 
wählen. Auf gleiche Weise sollen auch die Beysitzer oder Weisesten gewählt 
werden. Auch ernennen Lübeck und Gotliland den Priester ein Jahr um das 
andere. Es ist deutlich, wie die alte Freyheit der Gesellschaft an diese beiden 
Städte übergegangen war, es ist aber auch nicht weniger klar, dass die einseiti- 
gen Ansprüche Lübecks auf alleinige Herrschaft im Verlauf hatten aufgegeben 
werden müssen, beide führten sie, doch steht Lübecks Nähme stets voran, was aus 
seiner Maclht und seinem Ansehen in allen andern Beziehungen leicht erklärlich ist. 

Wird Einer zu St Peters Olderman gewählt und verllesse er desshalb den 
Hof, ohne eine andere gültige Ursache anführen zu können , der verfallt in zehn 
Mark, und der Erwählte soll das Amt verwalten so lange er in dem Hofe ist 
Wer von den Aelterleuten am geschicktesten ist, das Wort zu fuhren, der soll 
dazu verbunden seyn, und wäre ein Anderer dazu geschickler, um den Kaufmann 
zu vertheidigen , so können ihn die Aelterleute von St. Peter dazu auffordern, zum 
dritten Mahle, wenn er sich weigert, bey 50 Marl: Silbers und bey Verlust des Ge- 
nusses des Rechts des Hofes. Träfe es sich, dass beide gewählte Aelterleute St Peters 
ausserhalb des Hofes ihren Stand hätten; so soll der zuletzt Gewählte in den Hof 
ziehen, jedoch von Hausmiethe frey seyn. Die mit einander in Zwist Begriffenen 
sollen nicht von Nowgorod ziehen, sie hätten sich denn mit einander verglichen, 
in sofern des Hofes Olderman oder St Peters Aelterleute bey des Hofes Recht 
ihnen Solches entböte; der, welcher bey dem Streit zugegen gewesen und es den 
Aelterleuten nicht anzeigte, erlegt eine Geldbusse von 10 Mark Silbers. Bey der 
höchsten Strafe nächst der Lebensstrafe, nämlich von 50 Mark Silbers und dem 
Verlust des Rechts des Hofes, \yar es untersagt, Briefe (etwa von russischer Obrig- 
keit), zu eigenem Vortheile sich zu verschaffen, woraus dem Kaufmanne zu Now- 
gorod Schaden entstände. 

Wegen der Einrichtung des Hofs selbst, der Sicherheit desselben, der Ver- 
führung der Güter von da, des Kaufs und Verkaufs auf demselben kommen 
mehrere Bestimmungen vor, manche Neuerungen, die früher nicht waren, andere, 
die uns eine nähere Einsicht verschaffen. 

Wer zuerst mit dem Lichterschiffe an den Strand der Wolchow zu Nowgo- 
rod kommt, hat das Recht zu wählen, ob er in dem Hofe ausstehen will oder 
nicht. Früher scheinen Alle auf den Hof beschränkt zu seyn, die Menge der Zu- 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 143 

strömenden mag auch das Andere nothwendig gemacht haben, gleichwohl waren 
gewiss manche Vortheile der Sicherheit des Markts, des geringern Zeitverlusts 
und andere mit def Wohnung auf dem Hole verbunden. Man soll ferner kein 
Lichterschiff bemannen, bevor es nicht an den Strand gekommen ist, und nach der 
Reihe wie die Lichterschiffe ankommen, sollen sie aufschiffen {ypscepen)\ ihnen 
soll man dalTir nicht mehr als 15 Kunen geben. Eben den Vorzug haben die, 
welche zuerst mit Schlitten ankommen, nähmlich zu wählen, ob sie im Hofe 
ausstehen wollen oder nicht. Auf den drey (grossem) Kleten (Waarenhäusern) 
sollen 24, auf des .Dolmetschers Haus sollen sechs Meistermänner ausstehen und 
nicht mehr, es wäre denn, dass St. Peters Aelterleute ihnen mehrere verstatteten. 
Die, welche Tücher auf den Kleten haben, sollen auf den Rapaten (?), die, welche 
Geld haben, darunter schlafen. Kein Meistermann darf mehr als zwey Knechte 
bcy sich schlafen haben, hat er mehr, so sorge er fiir ihr anderweitiges Unter- 
kommen. Auf diesen Kleten soll Niemand mehr als einen (Piler) Haufen Pack- 
Tuchs haben und ein Schock Rauhwaare, um diese den Käufern zu zeigen; die 
Hauptniederlage blieb der Sicherheit wegen in der Kirche. Auf der Wachtstube 
(Gridnisse) soll man nicht mehr als eine Rolle von einerley Leinwand haben, die 
des Abends wieder in die Kirche zu -bringen ist, es sey denn man habe von 
den Aelterleuten zu Mehreren die Erlaubniss erhalten; auch soll man Rauhwaare 
daselbst nicht länger als eine Nacht lassen; Rauhwaare darf innerhalb des Hofs 
allein auf der Gridnisse geklopft werden. Das Wachen (oder wie es genaant 
ward, das Schlafen) in der Kirche geht die Reihe um, und zwar also, dass es npn 
dem obersten Klete anhebe und in jedem von unten nach oben auf die Rapaten 
gdhe u. s. w. sowohl innerhalb als ausserhalb des Hofs. Der Eine soll dem An- 
dern bey der Essenszeit ansagen, wenn die Reihe an ihn kommt. Wer die in 
der Kirche des Nachts Wachenden dahin führt, der bleibe davor stehen, bis si« 
zugeschlossen ist, auch lasse er ohne Erlaubniss der Aelterleute Niemanden hinein t), 
so wenig als sich sonst Jemand darin darf einschliessen lassen. 

Auf der Wacht- und in der Krankenstube, soll man nicht länger stehen, oder 
dieselbe belästigen als drey Tage. Da der ganze Hof in mehrere Haushaltungen 
getheilt war, so ward zur Ordnung in demselben auf jeder heizbaren Stube (wahr- 

1) Docli ist es Ton Zeit zu Zeit versucht worden. Ein sich eindrängender Lombarde , dem es durch die 
Unterstützung des Meisters in Livland Gozcewinus von Hereke (1347-1361) wie es scheint gelungen 
war , ward ausgestosseu , ürk. CLXI. 



» 



^ 



144 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

sclieinlich In einem jeden Hause vier solcher gemeinscliaftlieher Haushaltungen) ein 
Vogt von den Inhabern derselben gewählt, dieser wählt sich dann einen Meister 
und einen Knapen zu Gehülfen, welche ferner Feuer- Licht- Trinkstuben und 
Stuben - Aufseher wählten; der Vogt hielt Sonnabends sein Gericht, er strafte bis 
zu fünfzehn Kunen ; wer Ihn und die andern Angestellten verachtet, büsst eine Mark. 
Tische, Bohlen, Säulen und Ständer soll man nicht muthwilllg verletzen, be- 
schreiben, durchstechen, oder hinein brennen u. f. Zwey Knechte sollen einheizen, 
und einen Kessel Wassers bey sich haben, schliefen sie ein oder gingen sie davon, 
bevor das Feuer ausgebrannt ist, so unterliegen sie wie die Bäcker in ^gleichem 
Falle einer Strafe. Bricht Feuer aus, so dass man die Flamme sieht, es sey in 
dem Hofe oder ausserhalb desselben, so ist die Busse zehn Mark. Zerbricht 
Jemand ein Gefass in des Hofs Brauhaus, so hat er es zu ersetzen; hat Jemand 
sich des Brauhauses bedient, so muss er es und dessen Gefasse wieder rein liefern. 
Jeder soll sein Bier des andern Tages nachdem es gespundet ist ausstellen 
{vlien) oder aus dem Brauhause wegfuhren. Niemand soll einen Russen in die 
Trinkstube oder das Trinkhaus {jpotklet) gehen lassen. 

Wer backen oder brauen will, oder im Ofen heizt, der haue sein Holz 
bey Tage, auf dass er nicht Anderen durch Hauen oder Sägen beschwerlich falle. 
Niemand soll über die Planken des Hofs steigen oder darüber noch auf die 
Kirche werfen, noch sein Thier dort umher laufen lassen: den Schaden, den 
es anrichten würde, muss dessen Eigenthümer ersetzen. Bey einer Mark ist unter- 
s^^ einen von St. Peters Hunden zu schlagen o<ler zu werfen, also dass er zu 
bellen anfinge. Wird der Hof zu geklopft (nach gegebenem Zeichen geschlossen), 
so trenne sich Jeder von den Russen , behielte Jemand Einen bey sich , wenn 
man die Hunde los lässt, so verfallt er in eine kleine Geldstrafe, und litte jener 
Schaden durch die Hunde, so badet er dem Russen dafür. 

Hohes Spiel aller Art, wobey man über einen halben Vierding verlieren kann, 
ist untersagt bey Strafe von zehn Mark Silbers, wer aber in einem russischen 
Hofe spielt, wo keine Deutsche sind, der büsst das Fünffache und verliert des 
Hofes Recht. 

Ersticht einer den Andern, so hat er das Leben verwirkt, und verwundet 
er ihn mit Vorsatz, so verliert der Thäter die Hand; wer sein Messer gegen den 
Andern zieht oder ihn blau oder blutig schlägt, büsst zehn, fünf Mark aber, wenn 
er in Hast einen Andern an die Wangen schlüge, und Eine, wenn er ohne Grund 
Schimpfworte gegen den Andern ausstösst. Der Dieb, er habe viel oder wenig 



^ ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 145 

gestohlen, kommt an den Galgen, er wird öfFendich In einer gemeinen Versamm- 
lung gerichtet 1). Wer des Diebstahls oder eines andern den gemeinen Kaufmann 
angehenden Verbrechens oder Vergehens beschuldigt wird, soll Nowgorod nicht 
verlassen, bevor er nicht nach des Hofes Recht sich gerechtfertigt hat 

Wegen des Handels sind mehrere der .alten Vorschriften erneuert, zum Theil 
gescljärft, andere hinzugefügt worden. 

In Bezug auf den Kleinhandel, wahrscheinlich um den Russen ihn nicht 
ganz zu henehmen, ward hestimmt, dass die Jungen nur bis zu einem Paar 
Handschuhen, zu einem Pfunde blaues und gesponnenes Garn, Linnen und grobes 
Tuch zu einer halben Repe, Schwefel zu kleinen russischen Pfunden, deutsche (?) 
Nadeln nur tausend-, lübische hundertvveise , Paternoster, rothgegerbtes Leder 
und Pergament gleichfalls nicht in grössern Quantitäten verkaufen sollten: imd 
diess wie es schien, war nur den Jungen erlaubt. 

Wachs, Pelzwerk 'und Tuch machten noch immer die grösste Mühe, um den 
bey dem Handel mit denselben vorfallenden Betrügereyen vorzubauen. 

Ueberahtw ortet der Eine dem Andern Tuch, so soll kein Dritter es auf oder 
zu sich nehmen, um es zu besehen. Unbesehenes (ungeprüftes) Tuch soll nicht 
in die Kirche gebracht werden. 

Wer über ein Vierteltausend des kleinen Pelzwerks kauft, der soll es zuvor 
in seiner Wohnung besehen, es ist untersagt, diess auf des Priesters Zimmer zu 
thun, woselbst nur Silber gewogen werden soll, denen die es dahin bringen, um 
es brennen, einschmelzen oder prüfen zu lassen. Falsches Pelzwerk, wie die 
Städte geboten, soll Niemand kaufen, weder zu Nowgorod, noch zu Plescow oder 
Plotzkow oder in Livland, noch da, wohin sonst die Russen zu fahren pflegen. 
Zu diesen verbotenen Pelzwerken gehören nicht nur die einer andern Art nach- 
gemacht sind, sondern aucb ausgezogenes Haarwerk, welches von den Russen 
gemacht aus anderem Pelzwerk gezogen ist, genähte und mit eingebundene unter 
andere gute Arten untergeschobene doyenisse. Im Herbst gefangenes Pelzwerk, 
das nicht verfälscht ist, mag man kaufen nach seinem Werthe. Auch sollen St. 
Peters Aelterleute den Einzelnen einen Eid abnehmen, dass sie die Vorschrift 
gehalten, und die Aelterleute, welche diess versäumen, sollen in Strafe fallen. 



1} Mehrere dieser Sätze sind lübischen Rechts , sie kommen auch in der einseitig von Lübeck gegebenen 
oben angeführten Skra vor. Es scheint sich iudess daraus zu ergeben, dass eben diese lübische Skra 
nicht luibedingt hier galt, indem hier später diese Beschlüsse in der geraeinen Versammlung beliebt 
wurden, wiewohl sich Tiel lübisches Recht aus bekannten Gründen von selbst hier einführte» 

T 



146 ZWEYTE ABTHEIL. GESCa DES HANDELS. 

sollte jedoch Jemand heimlich oder durch List mit solchem Pelzwerk entkommen, 
so soll er innerhalb wie ausserhalb der nowgorodschen Herrschaft zufolge dieses 
Rechts in Anspruch genommen werden können. 

Gekauftes Wachs soll in die Kirche gebracht werden, lediglich die dazu 
bestellten Wachsfinder sollen es prüfen, wer ungeprüftes Wachs in die Kirche 
bringt, büsst 10 Mark, eben so der, welcher dergleichen ausführt, zugleich ist nliess 
verfallen. 

Jeder verschliesse sein Klet oben wie unten; wessen Stand, Laden oder 
Bude {Loes) offen gefunden wird, der haltet für Alles, was aus dem Klete ist 
gestohlen worden. 

Niemand gehe allem mit seinem Bruder, oder mit Dem, mit welchem er In 
Handelsgesellschaft steht, oder mit seinem Knechte (Diener) auf einen Kauf aus, 
wahrscheinlich, damit wenn daraus Streit entsteht, es ihm nicht an gültigen Zeugen 
fehle. Die aber, welche ihn begleiten, dürfen den Gegenstand, um welchen ge- 
handelt ward, worüber aber der Kauf nicht zu Stande kam, nicht selbst vor 
Ablauf von drey Tagen an sich bringen, es wäre denn, sie hätten die Einwilligung 
des Ersten erhalten. 

Wer Gut von den Russen erhält, der lasse sich seine Zahl vollzählen und 
bezahle den Russen nicht eher ganz ab, bis er die von ihm ausbedungene Waare 
vollständig erhalten hat, auch haftet der Russe für die verkaufte Waare, bis sie 
in den Hof gekommen ist , dagegen haften die Deutschen den Russen wegen der 
von ihnen erkauften Güter nicht über die Schwelle des Hofes hinaus; Deutsche 
sollen weder Silber noch anderes Gut in die Wohnungen der Russen bringen oder 
ihnen daselbst abliefern. 

Niemand soll verbotene Wege {wahevari) mit seinem Gute durch Preussen, 
Kurland oder Schweden einschlagen, auf Oesel oder Kurland fahren, sondern 
allein von Riga, Reval und Pcmau aussegeln. 

Wer über zwanzig Jahre alt ist, soll zum Erlernen der russischen Sprache 
weder in der Stadt Nowgorod noch in ihrem Gebiete zugelassen werden. 

Alle übrige Satzungen wiederhohlen ältere Vorschriften und schärfen 
sie. So ward bey der höchsten Geldstrafe und dem Verlust des Rechts des Hofs 
nicht nur die Handels -- Gesellschaft mit Fremden untersagt, sondern noch be- 
sonders hinzugefügt, keinen solchen, nahmentlich keinen Lombarden nach 
Russland zu fuhren. Um diese Zeit nähmlich hatte sich ein Solcher durch 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSL.\ND. 147 

den Meister in LIvland Gozcewin von Hereke sogar in den deutschen Hof zu 
drängen versucht 1). 

Ehen so ward das Statut wiederhohlt, dass Niemand üher einen Gütervverth 
von tausend Mark eigen oder in Gesellschaft mit Andern, oder zufolge Auftrags, 
hey Strafe des Verfalls an St. Peter und dem Verluste des Hofrechts haben solle, 
bis er durch St. Peters Gnade dasselbe wieder gewinnt. Eben so soll Niemand 
über Jahr und Tag auf dem Hofe liegen bleiben, keiner sich neues Gut zusenden 
lassen, bevor nicht das zuerst gebrachte verkauft, und dessen Werth oder das 
dafiir Eingetauschte ausser Landes gesandt worden. Der zu erlegende Schoss 
blieb wie vor Alters unverändert von 100 Mark einen Verding, eine Viertel Markj 
von 50 Mark wird ein halber Verding, von einem noch geringem Waarenwerihc 
von der Mai*k eine Kune entrichtet Fiir das Ausstehen im deutschen Hofe auf 
kürzere oder längere Zeit zahlt Jeder gleichfalls einen Verding; steht er auf dem 
Gothen Hofe aus sechs Wochen, so zahlt er einen Soltingh (Schilling), wenn län- 
ger gleichfalls einen Verding. 

Im J. 1354 sind in Bezug auf den Hof folgende alte Vorschriften von dem 
Olderman des Hofes, seinen Weisesten und dem gemeinen Kaufman zu Nowgorod 
erneuert worden, wie es daselbst heisst, klein wie gross, wie das Recht der Kir- 
che, des Hofes und St. Peters von Alters her bestanden hat. 

Bey 10 Mark Silber sollen nicht zwey Brüder, oder die Geld in Gemein- 
schaft haben, in der Kirche zusammen schlafen, oder daselbst Wache halten, und 
eben so wenig soll ein Meistermann zwey Knechte in der Kirche schlafen lassen. 
Entschlafen die, welche in der Kirche wachen sollen, und lassen sie ein Licht 
brennen, also dass man es sähe, die verfallen in gleiche Strafe; lassen sie ein 
Fenster offen, so ist jedes Fenster mit einer Mark zu büssen, und dieselbe Strafe 
zu zahlen, wenn es versäumt wird den Baum vor die Thüre zu legen. 

Wer vor der Kirche steht und Wache hält, der bewahre sie also, dass er 
nicht in Strafe falle; käme ein Russe auf den ersten Stein (Tritt), so ist eine 
Mark zu erlegen, käme er in die Kirche selbst, so ist die Busse 10 Mark. In die 
gleiche Strafe von 10 Mark verfällt Der, welcher die Kirche zuschliessen soll 
und ein Schloss offen lässt, eben so wer die Schlüssel aus dem Hof trüge, büsst 
10 Mark, und wer sie so öffentlich tröge, dass ein Russe sie sähe, ist in eine Mark 



1) Urk. CLXK 

T 2- 



148 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

verfallen; die Schlüssel soll man dem Oldermanne überantworten, oder seinem 
Knechte, und wenn kein Olderman im Hofe wäre, dem Priester. 

Wer Gut in ;die Kirche bringt und die Thüre damit berührte, es auf das 
Eisen legte, (vor der Thür, oder am Eingänge), wer in der Kirche mit Licht ohne 
Leuchte ginge, und sein in die Kirche gebrachtes Gut nicht aufräumt und an 
seine Stelle bringt; wer die Linie (den Strick) entschlüpfen lässt, womit die Güter 
etwa aufgewunden oder gezogen werden, so dass die Sache fiele, oder die Packen 
heftig niederschlügen, also da^s man es hörte, wer femer Gut auf die Treppen 
legte, oder auf des Morneweges Kammern oder auf das neue Werk, der verfallt in 
die Strafe von einer Mark. 

In gleiche Busse verfällt, wer Garn oder Leinwand dahin legt oder eine Linie 
aufspannt, wo die Packen* oder andere Sachen zu stehen pflegen, oder Stroh 
liegen liesse, nachdem er Garn oder Leinwand da gehabt (gebleicht) hätte, oder 
etwas des Nachts offen stehen liesse', oder mehr denn eine Linie aufspannte, das 
gekaufte Wachs nicht an die Mauer stellte ; die da stehenden verschlossenen Kisten 
und Tonnen hat er wegzuräumen ; spräche endlich Jemand gegeli diese Vorschriften 
oder widersetzte sich denselben, der fallt in gleiche Strafe. 

Femer ist bey gleicher Busse geboten, Kupfer und Bley zu zeichnen und bey 
der Mauer aufzustellen, die (bereuene) Tonnen, Leinwand und was sonst den 
Raum beengt, soll man unter den Schwibbogen bringen, und die Säcke mit 
Werg (Hede), die auf den Tonnen liegen, soll der wieder darauf legen, welcher 
sie abgenommen hat. 

In gleiche Busse fiillt, wer sich ungebührlich während der Messe beträgt, 
seine Tonnen mit Gut nicht Sonnabends an die Mauer aufräumt oder ausserhalb 
des Schwibbogens bringt, sie und seine Kisten nicht an demselben Tage zeichnet, 
wer Silber wiegt, und die Schaale nicht wieder aufhängt und die dazu gebrauch- 
ten Geräthschaften hinwegbringt. 

Der Altar ist zu ehren, die Kannen und andere Sachen räume man davon, 
giesst einer aber etwas auf den Altar, so verfallt er in Geldbusse, eben so, wenn 
er Talg {licht) oder Wachs nimmt und St. Peters Tonnen damit begiesst, oder 
Wage und Gewicht ausserhalb der Kirche lässt, wenn sie zugeschlossen ist, ohne 
Erlaubniss dazu zu haben, oder andere Geräthschaften, die dabey gebraucht 
werden. Letzteres bey Strafe eines Verdings. Wer ein Geräth St. Peters, welches 
in die Kirche gehört, verschlechterte, der büsst eine Mark. 



ZWEYTER ABSCHN, VERKEHR MIT RUSSLAND. 149 

Verkündigt der Priester, dass man in der Kirche stehen bleiben soll,' so 
verfallt der Meislermann, der hinweggeht, in die Busse von einer Mark, die Knechte 
in die eines Verdings, mit Ausnahme der Köche und der geringen Leute (Koth- 
feger). Verschläft Einer die gemeine Versammlung, wenn sie angesagt ist, der 
biisst eine Mark. 

Wer St. Peters Altermänner oder die Weisesten, wenn kein Oldcrman des 
Hofes vorhanden ist, verachtete und ihnen nicht folgte, der. büsst zehn Mark. 

Geschähe es, dass der Kaufmann den Hof verliesse {ttt vore)^ so mögen 
6 Meistermänner und 9 Knechte die Kirche noch offen halten, doch soll man 
keinen Knecht zum Meistermann machen, in der Absicht die Kirche offen zu 
halten, bey 10 Mark; verlässt der Kaufmann den Hof, so soll man die Schlüssel 
versiegeln, und den einen dem Bischöfe von Nowgorod, und den andern dem 
Abte von St. Juriane übergeben. 

Die übrigen Artikel, welche in den kurz vorhergehenden und zunächst fol- 
genden Jahren beliebt wurden, betreffen wenige einzelne Punkte. 

Im J. 1343 ward erneuert, dass man dem Priester ein halb Stück Silbers 
zur Reise nach und aus Russland zahlen solle, und im J. 1348} dass ihm die 
Wahl frey stehe, sich zu Nowgorod die Hausgenossenschafl; zu wählen, welche 
ihm beliebt, die ihn aufs Beste aufnehmen soll, welcher St Peter wöchentlich 
einen Verding für den Unterhalt des Priesters gibt. 

In demselben Jahre 1348 ward verboten, Tücher, die nicht mit dem bleyernen 
Siegel versehen sind, nach Russland ferner zu führen bey Verlust derselben und 
10 nowgorodschen Marken Busse; im X 1354 j da^ mehrere Tucharten in Flan- 
dern weder gekauft noch den Russen zugeführt werden sollen, nähmlich die, 
welche auf der Tuchhalle in Brügge auch nicht verkauft werden dürfen, insbe- 
sondere oberleygesche , deventersche , gemengte, die auf die Art der von Comlnes 
oder Verviers nachgemacht werden, überall alle die man mit Vorsatz machen 
lässt zum Nachtheil der gewöhnlich den Russen zugeführten Tücher, indem daraus 
die grossen Beschwerden von Seiten der Russen entstehen 1). 



i) Hierher gehört auch ein Schreiben der Vorsteher des Hofs au Dorpat ohne Jahrzahl, wahrscheinlich aus 
der zweyten Hälfte des vierzehuteu Jahrhunderts, vrorin sie erklären, dass sie Tiele zu Poperingeu ge- 
machte Tücher nach Art 'der von Valenciennes zum Verkauf ausgestellt gefunden hätten, darüber klagten 
die Russen als über betrügliche W^aren, sie wollen sich der Inhaber nicht annehmen. Jeder trage den 
Schaden der ihm daraus entstehe, wenn dem gemeinen Kaufmanue daraus Nachtheil erwachse, so 
will er sich an die halten, welche sie eingeführt, für die Zukunft sollen 9ie gar nicht weiter den 
Russen zugeführt werden. Utk. CVI. 



150 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Im J. 1355 ward beliebt, dass man keine gescbniltene Tucher zum Verkauf 
ferner von Brügge kaufen und den Russen zuführen solle, mit Ausnahme der 
englischen Tücher , indem so viele Beschwerden und Verdriesslichkeiten von den 
Russen wegen der gräulichen Kürze und Verschiedenheit der Farbe in einem Stück 
Tuchs entstanden wären. Die eingeführten Scharlachtücher aber, sie mögen mit 
den nöthigen Leisten (Sülbende) versehen seyn, oder nicht, sollen ihre volle gute 
Farbe haben. 

Im J. 1351 ward beschlossen, dass man Wein oder andere Getränke nur zu 
vollen Tonnen verkaufen solle bey Strafe von 50 Mark und des Hofes Recht, weil 
der kleinere Verkauf den Russen verbleiben sollte, vielleicht auch weil Verfälschung 
und Betrug beym Absatz in kleinen Quantitäten mehr zu besorgen war. Bier- 
verkäufer sollen nicht auf der Gothen Hof ausstehen , so lange der Deutsche Hof 
aufrecht steht, weil auch über Jene so viele Beschwerden von Seiten der Russen 
erfolgt waren, indem wahrscheinlich dort die nöthige Aufsicht nicht statt- 
finden konnte. 

Endlich ward vom gemeinen Kaufmanne im J. 1355 noch beliebt, dass dem, 
welcher als Olderman von St. Peter gewählt werde, vor Ueberantworlung der 
Schlüssel das Buch (d. i. diese Sammlung von Vorschriften, und wahrscheinlich 
auch die altem wie sie in den frühern Skraen vorkommen) vorgelesen werden 
solle, damit er wisse, womach er sich zu achten habe« Auch sollen St. Peters 
Aelterleute alle Privilegien und Schreiben, die dem Kaufmann zugesandt werden, 
bestens aufbewahren. Würdgti dergleichen Schriften verwahrloset und ohne Ein- 
willigung des gemeinen Kaufmannes aus dem Hofe hinweggefuhrt, so soll der 
Straffällige das Recht des Hofs verlieren und 50 Mark Silber zahlen. 

Es fehlt uns nach diesem Allen nicht an einer grossen Reihe von Urkunden 
und Actenstücken , welche über die früheste Begründung und die allmählige 
Erweiterung dieses deutschen Hofs Auskunft geben, die Nachrichten sind meist 
vollständiger aus dieser frühen Zeit, als die, welche uns von andern Ländern, 
wo Deutsche ihre Niederlagen hatten, überliefert worden sind. Die Art des Ver- 
hältnisses derselben zu den Nowgorodschen Fürsten und Obrigkeiten lässt sich 
auch daraus ziemlich genau erkennen, die Art wie der Handel zwischen beiden 
Theilen geführt ward und auf welche \^'else die Deutschen ihn vermittelnd zwi- 
schen Russland und dem westlichen Europa führten. Bey all diesem Reichthume 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR Mrr RÜSSLAND. 151 

Ton Nachrichten fehlt jedoch Vieles, um daraus ein völlig genaues und treues 
Bild sich entwerfen zu können. Ohne einen Riss, der uns fehlt, kann man sich 
von ihrem Hofe zu Nowgorod doch keine klare Vorstellung machen. Wir ver- 
nehmen viel von verschiedenen Kleten, oder Häusern, Buden, Ständen in dem 
Hofe, von ihrer Kirche, die nicht nur zum Gottesdienste sondern vornehmlich zur 
gesicherten Haupt -Waaren- Niederlage dient, so wie der Priester nicht nur als solcher 
sondern auch als Secretair ihnen diente. Auf dem Hofe lebten die Deutschen in 
verschiedenen Hausgenossonschaften, die ihre selbst gewählten Vögte hatten und 
eine gemeinschaftliche Haushaltung führten. Der :Hof umfasstc wohl zuerst alle 
in Nowgorod anwesende Deutsche, den grössern Theil späterhin, da aus Mangel 
an Raum, ein Theil auch ausser dem Hofe gewohnt hat, der indess den höchsten 
Vorstehern oder Aelterleuten des Hofs und St. Peters gleich allen Uebrigen unter- 
worfen blieb. Der Hof war der Mitlelpunct des Verkehrs zwischen Deutschen 
und Russen, er war nicht immer gleichmässig besucht, und abgesehen von Fehden 
mit den Russen, die ihn ganz zu verlassen nöthigten, war er nicht immer in 
gleicher Thätigkeit. Immer ging es ab und zu, Winters und Sommers von der 
Landseite und von der See her. Ihre eigene Obrigkeit hatte über die Landsleute 
unbeschränkte Gewalt, auch über deren Leben und Tod. Dagegen behaupteten die 
Nowgoroder ihr Recht aufs Strengste, Streitigkeiten zwischen den Ihrigen und den 
Gästen auf ihrem Johannis Hofe zu entscheiden, jedoch mit Zuziehung einiger fq^- 
den Kaufleute. Am schwierigsten blieb es, gegen die Russen und deren Angriffe sich 
zu fichützen. Wenn der Hof mit Zaun und Planken umgeben war, so konnte doch 
in Wahrheit, wenn es zu grossen Gewaltaasbrüchen kam, diess keinen dauernden 
Schutz gewähren, in solchen Fällen waren sie stets verloren, sie verliessen alsdann 
den Hof. Die Bewachung desselben so wie der Kirche, die losgelassenen Hunde 
des Nachts konnten wohl gegen Anfalle Einzelner schätzen, gegen eine aufgebrachte 
grosse Stadt aber nicht. Daher die grosse Menge von Vorschriften, die alle dahin 
gehen, jeden Streit mit den Russen zu vermeiden beym Kauf wie beym Verkauf, 
weil nicht zu berechnen stand , bey einer so reizbaren Republik , die so häufig 
auch mit ihren Fürsten kämpfte, in wie fern solche einzelne Zwiste zu einer 
gemeinschaftlichen Angelegenheit gemacht werden und einen Aufstand gegen die 
Deutschen erregen könnte, dem sie gar nicht zu widerstehen vermochten. Solch 
eine breite Grundlage ihrer Macht, wie sie sich zu Bergen in Norwegen oder, 
wie sie sich in einigen schwedischen Städten durch Einbürgeining ihrer Lands- 
leute verschafft hatten, fehlte ihnen hier gänzlich. 



152 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Das wechselseitige Bedürfniss knäpflte indess beide Thelle bey noch so fielen 
Unterbrechungen stets wieder an einander, und die Schwächung der Russen durch 
innere Zwietracht und das Joch der Mongolen , das Wachsen der Macht Schwe- 
dens in Finland und der Nachbarschaft, die vollkommnere Ausbildung der Macht 
des Ordens in Livland gaben, um in neuen Ausdrücken zu reden, den Activ- 
Handel und die Activ- Schifffahrt mehr in die Hände der Deutschen, um so 
mehr, da sie zugleich in so vielen andern westlichen Ländern Freyheiten sich 
erworben und Niederlagen begründet hatten. 

Die Handelswelse, welche die Deutschen hier befolgten, war ähnlich der 
die daraahls überall bey ihnen üblich war. Jeder zu dem Verein der Kaufleute 
und Städte Gehörige handelte auf eigenen Gewinnst und Verlust, er kam hier- 
her oder sandte seinen Diener und verkaufte was er mitbrachte und kaufte oder 
tauschte Anderes dagegen ein. Damit die Reichern die Aermern nicht ganz ver- 
drängen möchten, ward sogar eine Werthsumme bestimmt von 1000 Mark, über 
welche hinaus jeder Einzelne hier nicht Geschäfte machen durfte, es war auch 
nicht erlaubt, hier Jahr und Tag zu liegen, man musste abziehen, wenn man Ver- 
kauf und Einkauf besorgt hatte; Schauämter sollten gegen den Betrug schützen 
doch haben sle^ wie aus den häufigen Wiederhohlungen sich ergibt, schwerlich 
vil^genützt. Dass die Hauptniederlage zu Nowgorod zugleich Nebenniederlagen, 
Nebenhöfe in andern Theilen Russlands in der Zeit hatte, ist zwar gewiss, wie zu 
Altladoga, wo sie auch eine Kirche und W^iesen hatten, ferner zu Plescow, Plos- 
cow, aber von diesen letztern haben wir keine näheren Nachrichten aus dieser 
frühern Zeit, als dass daselbst eine Einrichtung war, vermöge welcher daselbst 
den Deutschen deutsches Recht gehandhabt werden konnte. Von Livland aus ward 
Plescow häufig besucht, in Smolensk war schon früh eine lateinische Kirche; dass 
diese Ansiedelungen aber dem Hofe zu Nowgorod untergeordnet gewiesen, ist zwar 
als gewiss anzunehmen, wiewohl in den verschiedenen Skraen kein Wort darüber 
vorkommt. Auf den Hof zu Nowgorod blieben die Geschäfte jedoch nicht be- 
schränkt, Russen kamen früh nach Gothland, später und fortdauernd nach Livland, 
wo sie auch mit den Deutschen, die dahin gekommen waren und mit den liv- 
ländischen Städten unmittelbar verkehrten, ebenso sind auch Deutsche offenbar 
ins Innere von Russland gefahren, und haben Geschäfte daselbst gemacht Nur 
war hier, wie aller Oilen, wo deutsche Niederlagen waren, der Verkehr auf 
gewisse Wege beschränkt, nähmlich über und von den Hauptstädten Livlands 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 153 

aus zu Wasser oder zu Land, oder unmittelbar über die Newa, nicht aber über 
Schweden, Kurland, Preussen u. f. zu Landet). 

Fremde von dem höchst geschätzten Verkehr, nahmentlich Engländer, Flä- 
minger, Walen und Lombarden, so viel es an ihnen war, auszuschllesscn , blieb 
ihr unablässiges Bemühen; jede Handels- und SchlffsgemeinschaO; mit ihnen war 
den Deutschen untersagt. Der Dänen und Normannen geschieht keine Erwähnung ; 
die Schweden haben vielleicht, so wie die Eingeborenen der Insel Gothland, sich 
des Gothen-Hofs zu Nowgorod mit bedient. Wahrscheinlich ist es den Deut- 
schen auch mehr und mehr gelungen, durch ihre Handelsbegünstigungen und ge- 
schützten Niederlagen in den andern westlichen Ländern, durch die fortdauernden 
Kriege zwischen den Schw^eden und Russen, die der That nach begründete, aus- 
schliessende Handelsherrschafl sich hier zu verschaffen. 

Der grösste Vorzug dieses Verkehrs in Russland lag, wie auch viel spätere 
Nachrichten aussagen, in der Abgabenfreyheit, deren sich die Deutschen hier er- 
freuten. Ob von dem Königsschoss den Fürsten und der Stadt Nowgorod Etwas 
zugeflossen sey, ist ungewiss. Kaum dass auf der Fahrt über die Newa einer 
alten zu Gästefeld auf dem Wolchow zu entrichtenden höchst unbedeutenden Ab- 
gabe vom Schiffe Erwähnung geschieht, und einer Abgabe eines Stücks Tuchs 
oder Linnens und eines Paars Fausthandschuhe, wovon das erstere auf der Fahrt 
nach Smolensk der Fürstin daselbst, die anderri dem Schultheissen zu entrichten 
waren. Alles Uebrige was abzugeben war, bestand nur in einem Lohn fiir 
geleistete Dienste der Einheimischen bey der weitem Verfuhrung der Güter, und 
auch dieser war höchst gering. 

. Wie vortheilhaft diess damahls für die Deutschen seyn musste, so sehr 
nachtheilig bleibt es für unsere Wissbegierde. Zollrollen aus dieser Zeil, wie 
wir dergleichen aus andern Ländern haben, obwohl freylich. in so unvollkom- 
menem Zustande, dass sie sich mit unsern heut zu Tage üblichen nicht 
vergleichen lassen , fehlen für den Verkehr mit Russland durchaus. Man kann 
daher nur die in den Urkunden gelegentlich vorkommenden Güter anführen, 
und ein Verzeichniss auf diese Weise entworfen kann nicht anders als höchst 
unvollkommen seyn. 

1) Vielleicht haben die Preiisspu ihte besondere Einrichtung hier gehabt, einer preuasischeu Gasse geschieht 
in Russischen Nachrichten in Nowgorod öfters Erwähnung ; sie ist auch niedergebrannt und geplündert 
worden: aus den mir zugänglichen Nachrichten habe ich nichts näheres darüber aufgefunden. 

ü 



154 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Die Deutschen bezogen von hier verschiedenes Pelz-, Fell- und Leder werk, 
Haarwerk, Wachs, Fettwaaren, Talg, und diess scheinen die Hauptgegenstände 
ihrer Ausfuhr, nach englischem Ausdruck die Stapelvvaaren gewesen zu seyn; 
auch Gold und Silber scheinen die Deutschen theiKveise hier gekauft zu haben, 
vielleicht auch Honig. Gewiss war diess nicht Alles, aber die Nachrichten 
sind dürftig; es scheint, dass man, wenn auch selten, Getreide von da bezogen 
hat. Von orientalischen Gütern, die von Rassland aus in dieser Zeit wären von 
den Deutschen ausgeführt worden, ist nicht die mindeste Spur, da die Lombarden 
durch das ganze westliche Europa einzeln verbreitet und auch in den Niederlanden 
und England seit dem vierzehnten Jahrhundert angesiedelt waren, das BedüiTniss 
demnach wohlfeiler befriedigten, und in Brügge auf. dem Hauptmarkte des west- 
lichen Europas ein üeberfluss an diesen Gütern war. Gewiss sind, wenn einige 
orientalische Güter über Russland bezogen wurden, diese unbedeutend gewesen; 
nie wird irgend eins derselben in den vielen auf uns gekommenen Nachrichten 
erwähnt, womit jedoch weder ein solcher Waarenzug in einer frühern Zeit be- 
stritten, noch geläugnet werden soll dass die Russen selbst mehrere dieser Güter 
aus Asien und von Constantinopel aus fortwährend bezogen hätten. 

Die Einfuhr der Deutschen nach Russland ist gleichfalls, und aus denselben 
Gründen, nicht vollständig anzugeben. Malz, Mehl, Getreide, geräuchertes Fleisch, 
Häringe, ganz vornehmlich Tücher aus andern westlichen Ländern, besonders aus 
den Niederlanden und England, und die grobem Arten aus Deutschland, Leinwand, 
Garn auch gefärbtes , Silber und Silbergeld , Kupfer , Zinn , Bley und wahrschein- 
lich mehrere Metallwaaren, Wein und Bier, vielleicht auch Honig oder geläuterter 
Seim, rothgegerbtes Leder, Buntwerk, obwohl die rohen Stoffe theilweise von 
Russland selbst genommen waren, mehrere kleine oder Krämerwaaren, als Schw^e- 
fel, Nadeln, Paternoster, Pergament und Handschuhe: diess sind alle Waaren^ 
deren in den «auf uns gekommenen Nachrichten Erwähnung geschieht. 



Ueber die Bemühungen der deutschen Kaufleute und Städte mit den Nachbarn 
der Russen slavischen oder halb slavischen Stammes auch einen Verkehr zu unter- 
halten, haben wir aus diesem Zeiträume wenig Nachricht. Der Herzog Wladislaw 
von Cujavien, Lancycien und Syradien erthellte den Lübeckern im J. 1295 Schutz 
in seinem Lande i)j und drey Jahre darauf erklärt er ihnen in einem andern 
Freybriefe, in welchem er sich zugleich Herr von Polen nennt, dass Lübecks 



O Urk. LXXXV. 



ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 155 

Feinde auch die seinigen sejn sollten; er ertheilt ihnen ausser dem allgemeinen 
Schutz die Befreyung von Strand-* und Grundruhrrecht, wenn zu Lande von 
ihnen verführte Güter durch das Einstürzen einer Brücke in das Wasser fallen 
sollten ; er gesteht ihnen die Zollfreyheit in Danzig und in allen seinen Landern 
zu; ferner die Befugniss in Danzig sich ein Haus {pallacium) zn hauen, zur Nie- 
derlage für ihre Güter und um daselbst ihre eigenen Rechtssachen auch die 
peinlichen, von welcher Grösse sie seyn mögen, zu beurtheilen und zu schlichten, 
welchem Hause er zugleich das Recht einer Freystätte zutheilt, also dass kein 
noch so grosser Verbrecher, der dahin geflüchtet, herausgezogen werden dürfe, 
Indess ist ungewiss, in wiefern diese sehr grossen Freyheitcn dauernd bestanden 
und von andern deutschen Kaufleuten haben benutzt werden dürfen, da der Schluss 
die Sache ungewiss machte welcher so lautet: dagegen erwartet er, Wladislaus, 
dass ihm Lübeck gegen Alle, die^in Pommern einfallen, beystehen werde. Der 
Freystätte wenigstens haben die Lübecker im J. 1336 entsagt. 

In Lithauen, dem gewaltsamsten und rohesten dieser nordöstlichen Län- 
der, wo auch das Christenthum keinen festen Fuss fassen konnte, waren die 
deutschen Kaufleute und Städte bemüht für ihren Verkehr Freyheiten oder doch 
Schutz zu erlangen: aber diess auch nur vorübergehend zu erhalten, war sehr 
schwer der kriegerischen Rohheit dieser heidnischen Fürsten und dieses heidnischen 
Volkes wegen. Nicht einmahl die selbst erbetenen Abgeordneten von Riga 
blieben unverletzt; nachdem der Herzog glücklich im Felde gegen seine 
Feinde gewesen war, ]\es8 er den Abgeordneten verhaften, der im Gefangniss 
starb; eben so wenig kümmerte er sich um seine eigenen Unterthanen, die zur 
Wiedervergeltung zu Riga fest genommen waren; er spottete ihrer und derer, 
die sie in Haft hielten, mit Schimpfreden; die freye sichere Fahrt die Düna hinauf 
stand nicht zu erhalten 1). Erst unter dem lltthauischen Fürsten Gedimin schienen 
sich bessere Aussichten zu eröffnen; wir haben drey Schreiben von ihm, welche 
die wünschenswerthesten Zusagen enthielten. Das eine ist an die Prediger - Mönche 
besonders an die der Provinz Sachsen (Wilna am Frohnleichnahmstag im 
J« 1323) gerichtet, worin er erklärt, dass er sich an den Papst Johann gewandt 
habe, und dessen Gesandte erwarte, um zum Christenthum überzutreten, dass er 
Bischöfe und Priester, dass er Ritter und Knappen aufnehmen und reichlich be- 
lohnen, dass er den Kaufleuten und Handwerkern nebst den Ihrigen zoUfreyea 



O ürk* Lxvnr. 

U 2 



156 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Ein- und Abzug verstatten wolle. Ein anderes Schreiben von Ebendemselben 
an demselben Tage ausgefertigt, und an den Advocaten, den Rath und die Bürger 
der Städte Lübeck, Rostock, Stralsund, Greifswald, Steltin, und die Kauf- und 
Gewerbsleute von Gotbland gerichtet, enthält die Erklärung, dass, wiewohl sie 
seit langer Zeit sein Land ohne geschüUt zu seyn zu besuchen gewagt hätten, um 
nach Nowgorod und Plescow zu ziehen, wobey sie -aber vielen Schaden erlitten, 
auch den Boten und Schreiben seiner Vorfahren nicht einmahl geantwortet und 
dankbar sich dagegen bezeigt hätten; so wolle er ihnen doch, übertretend zum 
Ghristenthume, mehrere Gnade erzeigen; er ersucht sie daher, eine feyerliche 
Gesandtsdhaft an ihn zu senden. Er verstattet ihnen sofort, sein Land Zoll«- und 
Abgabenfrey zu besuchen, ladet alle Kaufleute, Ritter und Vasallen, denen er. 
Jedem nach seiner Würde, Einkommen anweisen werde, nach seinem Lande ein, 
und sagt allen Gewerbsleuten und den Ihrigen freyen Ein- und Abzug zu; den 
in sein Land ziehenden und sich da niederlassenden Ackerleuten verspricht er 
zehnjährige Abgaben- und Dienstfreyheit u. f. In einem dritten Schreiben von 
Ebendemselben ebendaselbst an gleichem Tage ausgefertigt, an die Minoriten in 
der ganzen Welt zerstreut, besonders aber den Minister Saxonie und alle Bru- 
der, sagt er im Ganzen dasselbe zu, und verspricht den Deutschen die freye Fahrt 
über oder durch das Land des Herzogs von Masovien. 

Bey Vorlesung dieser Urkunden auf dem Rathhause zu Lübeck, erklärten 
die daselbst anwesenden und dazu berufenen Ordensritter, wenn das Vorgetragene 
in der Wahrheit gegründet sey, gern mitzuwirken, und Ihre Abgeordneten mit den 
andern nach Litthaucn zu senden. Sollte aber der Uebertritt zum christlichen 
Glauben nicht erfolgen, dagegen, wie sie aus einigen Anzeigen besorgen müssten, 
die Litthauer die christlichen Länder, Personen und Güter wieder anfallen; 
so wollten sie auch nicht an dieses ihr hier gegebenes Versprechen gebunden seyn, 
da Dem, der sein Wort nicht hält, es auch nicht gehalten werden könne. Wirk- 
lich ist auch eine Gesandtschaft Nahmens der Herren des Landes von Liv- Esth- 
und Kurland an ihn in demselben Jahre abgesandt worden, welche durch einen 
Erlass aus Wilna am Sonntage nach Michaelis erklärten, mit Gedimln dahin ab- 
geschlossen zu haben, dass alle Christen frey zu Wasser nnd Land, sein Gebiet 
und die ihm unterworfenen russischen Landschalten sollten . besuchen dürfen; sie 
sollen unter seinem Schutz und Recht stehen; geraubtes Gut soll ausgeliefert wer- 
den; der Friede oder Waffenstillstand soll zwey Monathe zuvor aufgekündigt 
werden Icönnen. Diese Erklärung scheint zufolge einer mündlich genommenen 



.» 



DRITTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHWEDEN. 157 

Abrede mit Gedimin erfolgt zu seyn, von einer schriftlich ausgefertigten Urkunde 
Ton Seiten Gediralns ist nicht die Rede. 

Die erste Besorgniss der Ritter ist auch nur zu gegründet gewesen; der 
Uebertritt zum Christenthum war eigentlich eine List , wie denn Gedimin 
ein äusserst verschlagener Mann war, dem alle Mittel gleichgültig schienen, wenn 
sie nur dem Zweck entsprachen, sein Reich zu vergrössern und seine Herrschaft 
zu verbreiten. Die kriegerische Gewalt und Fehden haben fortgedauert oder sind 
gleich nachher erneuert worden, und ein sicherer Verkehr oder Durchzug, obwohl 
von Zeit zu Zeit gewagt, ist hier nicht auf die Dauer damahls zu behaupten 
gewesen 1). 

DRITTER ABSCHNITT. 

Handel der deutschen Kaufleute und Städte mit Schweden. 



\_/hne Zweifel hat die Nachbarschaft die deutschen Kaufleute früh zur An- 
knüpfung eines Verkehrs mit Schweden vermocht. Es mögen die an der Nordsee 
belegenen Deutschen vornelimlich mit Sigtuna verkehrt haben, doch erst von ihrem 
Verkehr auf Gothland haben wir urkundliche Nachrichten, und hier mögen sie 
mit den eigentlichen Schweden vornehmlich ihren Handel betrieben haben. Wie aber 
die deutschen Städte an der Ostsee mehr aufkamen, hat der Verkehr zwischen 
diesen Deutschen und Schweden immer mehr zugenommen. 

Die erste urkundliche Nachricht, die wir besitzen, fallt in die Regierung 
des Herzogs RIrger um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, in welcher er den 
Lübeckern sehr ansehnliche Freyheiten ertheilt. Die eine ist ohne Jahrzabl, wahr- 
scheinlich die älteste (kurz vor d. J. 1251 ) 2), woraus ein früher geschützter freyer 
Verkauf zwischen beiden Theilen erhellet. Der Herzog sagt darin, dass er einen 
Abgeordneten nach Lübeck gesandt habe, um die Unzufriedenheit zu unterdrücken, 
welche durch einige Friedensstörer zur See veranlasst worden sey, dass er um einep 
Abgeordneten Lübecks gebeten, und dass er nach dessen Ankunft über den alten 
Frieden und Verein sich besprochen habe, welchen König Kanut von Schweden 
(seit H6|), Herzog Heinrich (der Löwe) von Sachsen, und der Herzog Byrger Erosa 
vor Alters zwischen den Deutschen und Schweden abgeschlossen hätten, worauf 
er im EInverständniss mit dem Erzbischof von Upsala und Andern ihnen, den 



1) Urk. CXXXa. b.r. J. 1323- 2) S. Zusätze zum Urkunden - Buch. S. 52« 



I.rjs ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Lübeckern, die alten Freyheilen bestätige, näbmiich: dass sie Zoll- und Abgaben- 
frey mit ibren Waaren nach Schweden kommen, und wenn einige von ihnen 
daselbst verweilen und wohnen wollten, diese der vaterländischen Gesetze 
theilhaftig seyn und nach ihnen regiert werden, im Uebrigen aber Sueni ge- 
nannt werden sollen; gleiche Freybelten sollen den Schweden in Lübeck zustehen. 
Schnelle Rechtshülfe nach dem vaterländischem Recht wird den Lübeckern zu- 
gesagt 9 und umgekehrt vom Herzoge erwartet dass die Schweden in Lübeck sich 
derselben zu erfreuen haben würden. Die alte Befreyung von der Reinigung 
durch das glühende Eisen und die Verfügung in Bezug auf ausser der Ehe 
geschwängerte Wittwen werden erneuert. Störer des Friedens zur See und 
Seeräuber sollen, wenn es Lübecker sind, nicht innerhalb der Stadt, w^enn 
Schweden, nicht im Königreiche geduldet werden. 

Diese Frey hei ten hat König Birger von Schweden im J. 1292 den Lübeckern 
bestätigt, so auch König Magnus in d. J. 1336 und 1344, beschränkend jedoch 
die allgemeine Handelsfreyheit der Lübecker dahin, dass sie dem allgemeinen 
Verbote, wenn es, aus welchen Gründen es auch sey, erlassen w^ürde, Fleisch, 
Getreide oder andere Güter aus dem Lande zu fuhren, unterworfen seyn sollten, 
dagegen erweiterte er ihnen den Schutz gegen das Strandrecht, und gab ihnen 
die Versicherung der Erhaltung des geborgenen schiffbrüchigen Gutes. 

In einem andern Freybriefe für Lübeck von demselben Herzoge um dieselbe 
Zeit (I25l) wird bey der Bestätigung der alten unter seinen Vorfahren schon 
bestandenen wechselseitigen ZoUfreyheiten von ihm noch hinzugefugt, dass der 
Schiffer wohin er komme dem Ortsrichter auf guten Glauben anzuzeigen habe, 
welche von seiner Mannschaft Lübecker wären, mit Absonderung der Uebrigen. 
Ausser der Befreyung vom Strandrechte sicherte der Herzog auch den Erben der im 
Lande verstorbenen Lübecker auf Jahr und Tag die Erbschaflt zu. Dieser Freybrief 
ward ihnen von König Waldemar im J. 1277 bestätigt Herzog Birger ertheilte 
im J. 1261 den Hamburgern dieselben Freyheiten mit dem Zusätze, dass nur der 
Verbrecher, nicht dessen Handelsgenosse für sein Vergehen haften solle; ihnen 
bestätigte König VV"aldemar * dieselben im J. i275> und eben dieser letzte König 
hat den Rigaem im J. 1271 das Recht ertbeilt, frey nach Schweden zu kommen, 
daselbst zu verweilen und von da hinweg zu gehen, so lange seinen Unter thanen 
dasselbe in Riga zugestanden würde 2). 

1) UV. yoT 1261. 1292. i336. 1344. Wardb. sahb. trluU. 

2) UV, 1251. 1261. 1265. 1271. 1275. 1276. 



DRITTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHWEDEN. 159 

Im J. 1312 aber erlheilten die Herzoge Erich und Waldemar von Schweden den 
Lübeckern und allen andern^Kaufleutcn woher sie auch seyn niöchten, die 
Erlaubniss nach allen Theilen des Reichs zu kommen, daselbst zu weilen und von 
da hinweg zu gehen, die Befreiung vom Strandrecht, die Bcfugniss das schiffbrüchige 
Gut zu bergen, welches dem Eigenthümer oder dessen Erben bleibt, endlich die 
Bestätigung aller von ihnen früher im Reich durch Herkommen erworbenen Frey- 
heiten 1). In dem folgeMien Jahre ertheilte auch Herzog Erich den Bürgern von 
Campen freyen Handel in allen seinen Ländern, so wie 1314 noch besondere Pri- 
vilegien auf zehn Jahre, besonders in Beziehung auf den an seinen Küsten getrie- 
benen Häringsfang 2). König Magnus bestätigte den Rigaern 1275 ihre frühem 
Privilegien und ertheilte ihnen in einer andern Urkunde dieselbe Handels- und 
Zollfreyheit in seinem Reiche ^ welche die von Gothland und von Lübeck bereits 
besassen 3). 

König Magnus bestätigte in d. J. 1343 den Seestädten, nähmlich Lübeck, 
Hamburg, Rostock, Wismar und Stralsund im Allgemeinen alle ihnen 
zustehenden älteren Freyheilen, die ihnen von seinen Ahnen und den Königen von 
Schweden und Schonen ertheilt worden. Im folgenden Jahr 1344 bestätigte er 
den Lübeckern nochmahls ihre Frey heiten mit Hinzufugung, dass im Fall einer 
zwischen beiden Theilen entstehenden Feindschaft, ein Jahr zuvor ihnen eine An- 
zeige gemacht werden solle, bevor ihnen ein Schade zugefugt würde. In demsel- 
ben Jahre in einer andern Urkunde sicherte er zugleich den Lübecker Bürgern 
alle ihre beweglichen und unbeweglichen Güter und Einkünft.e zu, die sie von 
Allers her am Kupferberg in Schweden haben 4). 

Er und sein Sohn Hakon ertheilen im J. I36l den Städten Lübeck, Ham- 
burg, Stade, Bremen, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Demmin, An- 
clam, Stettin und Colberg, ja allen und jeden Städten und Kaufleuten der 
deutschen Hanse, nicht nur die Bestätigung ihrer alten Freyheiten, sondern sie 
erklären, sie auch zu vermehren, wegen der Wohlthaten, die sie und ihre Vor- 
fahren von den Städten genossen hätten, sie ertheilen ihnen die Freyheit nach und 
durch ihre Reiche Schweden und Norwegen zu ziehen, daselbst zu vei weilen. 



1} UV. 1312« Andere von ihnen und den Konigen von Schweden, die sich auf die freye Fahrt ttber di« 
Newa beziehen, «iud bey dem Handel mit Ruasland angeführt worden. 

2) ÜV. 1313 (3). 1314. 

3) S. ÜV. 1271 (3)f und Zusätze 1276. 

4) UV. CLlb CLV. CLVL UV, 1344. 



IgO ZWEYTE ABTHEIL. GESai DES HANDELS. 

ihren Handel daselbst frey, gegen den alten üblichen Zoll, zu betreiben; sie ver- 
sprechen die Räuber ihrer Güter, es sey zu Wasser oder Land geschehen, bis zu 
deren Wiedererstattung zu verfolgen ; sie werden befreyt in beiden Reichen (Schweden 
und Norwegen) von dem Abzugsrechte oder dem Verfallen der Güter der von ihnen 
im Lande Verstorbenen, deren Erben das durch Erbschaft ihnen zugefallene Gut 
frey abzuführen das Recht haben. Sie werden vom Strandrechte befreyt, das 
seetriftige Gut aber soll, wenn die Mannschaft unterg^angen , an öffentlichen 
Orten aufbewahrt werden, um es den Erben oder Andern darauf mit gültigen 
Ansprüchen versehenen, die binnen Jahr und Tag sich melden, auszuliefern. Sie 
erhalten die Freyheit ihre Güter und Waaren zu Lande aus der Ostsee nach der 
Westsee zu schaffen, und von da, wohin es ihnen gefallt, weiter zu segeln; sie 
erhalten das Recht, aller Orten in ihren Reichen umher zu ziehen und ihre aus- 
stehenden Schulden einzutreiben, zollfrey in Schweden wie in Norwegen Salz an 
Fremde und Eingeborene schiffpfundweise zu verkaufen, und gegen Erlegung des 
üblichen Zolls die Waaren, welche sie eingeführt und die unverkauft geblieben, 
wieder auszuführen. Leichtfertige, meineidige und verdächtige Leute dürfen nicht 
gegen sie zeugen, und alle früher den Lübeckern oder ^er Hanse erthellte Freyhelten 
werden ihnen bestätigt i). Der Nachfolger in Schweden, König Albrecht, hat 
dasselbe ihnen ohne Zweifel zugesichert 2). 

Wie bedeutend nun diese Freyheiten auch waren, so sind sie doch grösssten- 
theils nur eben die, welche die deutschen Städte auch in andern nordischen Rei- 
chen sich zu verschaffen wussten, und die Urkunden geben wenig befriedigende 
Auskunft über die Art, wie sie ihren Handel mit den Schweden führten, und welche 
Gegenstände denselben ausmachten. 

Von einer deutschen Niederlage, einem deutschen Hofe, wie in Nowgorod, 
ist hier in Schweden weder zu dieser noch zu irgend einer der folgenden Zeiten 
die Rede. Aber in den besonderen Freyheiten, die Lübeck zugestanden werden, 



1} Der übrige Punct geht Schonen tiud Norwegen ins Besondere an» das Augeführte aber auch Schweden; 
UV* 1361. ein allgemeiner Schutzbrief für die Stralsunder, welche Lebensmittel in alle seine Reiche 
fuhren v, J. 1358. ÜB. CLXXX[V, 

2) Dreyer S. 136* sagt bestimmt: König Albrecht habe im J. 1368 den Städten Lübeck, Hamburg, Rostock, 
Wismar , Lüneburg , Thorn, Elbiug* Danzig und der gesammten Hanse Dasselbe bestätigt, welche Urkunde 
ich nicht aufgefunden habe (Vergh Gesch. d. Hans. Bund. J. 207-209); eine Urkunde von diesem Könige 
und von demselben Jahre bezieht sich lediglich auf Schonen* Es ist aber wohl keinem Zweifel unterwor- 
fen , dass es geschehen sey , denn Albrecht musste Alles bestätigen , was die Städte begehrten ; ihnen ver- 
dankte er den Thron« 



DRITTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHWEDEN. fßi 

finden ^\lr die Spur einer anderen Art den Handel mit den Eingeborenen mil 
Vorlheil zu betreiben. Es heisst darin: wollen sie im Lande bleiben, daselbst 
wohnen, «o sollen sie dem Rechte des Landes unterworfen seyn, und Sweni ge- 
nannt werden; dasselbe soll für die Schweden in Lübeck gelten. Sie konnten 
also dort im Lande häuslich sich niederlassen. Wir finden , dass sie bewegliches 
und unbewegliches Gut in den schwedischen Kupferwerken besassen, die sie 
ohne Zweifel vornehmlich mit ihrem Capital betrieben. Wahrscheinlich haben 
andere deutsche Städte von jener Begünstigung auch Gebrauch gemacht, und 
die Deutschen haben ihren Vorlheil wohl verstanden in den schwedischen Städten 
als Bürger sich niederzulassen; es war ihneq nicht verwehrt, und dadurch war 
. noch mehr als durch einen solchen deutschen Hof gewonnen. 

Was eigentlich der Ausdruck Sueni bedeuten solle, mit welchem Nahmen 
diese in Schweden sich niederlassenden Deutschen benannt werden sollen, ist schwer 
zu sagen; nicht Suei, Swei, Sueci heisst es in den Urkunden, wie sonst Schweden 
in denselben benannt werden; vielleicht soll das Wort so viel als Knappe 
bedeuten. Die Swenar machen jetzt die untere Stufe des Adels in Schweden aus, 
und wenn das Wort etwa das bezeichnete, was wir Knappen {cirmigerij famul'i) 
^im Mittelalter nannten, so mag es hier andeuten, dass sie als freye Leute, Ge- 
ehrte, auch das Recht hatten Waffen zu tragen. 

Wie dem auch sey, die Sache an sich, dass Deutsche sich in den Schwedischen 
Städten angesiedelt, und daselbst Bürgerrechte, ja das Recht erworben haben, 
dass in den Handelsstädten des Reichs der Rath zur Hälfte mit Deutschen besetzt 
seyn musste, ist keinem Zweifel unterworfen, und von hier aus konnten sie dann 
ihren Einfluss üben, ihre Handelsvortheile verfolgen; sie bedurften keines Hofes; sie 
hatten angesiedelte und eingebürgerte Landsleute, die durch das ganze Reich ver- 
breitet waren i). Dass nun aber den Schweden in Lübeck oder in irgend einer andern 



1) Iq wie fern bereits in diesem ersten Zeiträume die Deutschen ron diesem Ansiedelungsrechte \n Schwe- 
den und in den schwedischen Haudelsstädten Gebrauch gemacht haben i in wie vielen Städten sie diess 
Recht benuut , kann mit Urkunden nicht belegt werden ; von Wisby allein , in so fern mau es zu den 
schwedischen Städten rechnet, ist es thunlich, und allgemein bekannt. Wahrscheinlich ist es schon da- 
roahls in andern Städten auch geschehen. In einer Urkunde des Bischofs Elgers rom J. 1310 wird der 
Deutschen gedacht, die auc^ eigenthumliche Hofe in der Stadt Lund besitzen; aber Lund kann man 
eigentlich nicht in diesem Zeitraum als schwedische Stadt betrachten i auch geht nicht daraus hervor, 
dass sie die gleichen Bürgerrechte , noch weniger dass sie Antheil an dem Rath der Stadt mit den Einge- 
borenen gehabt hätten *). Dalin in der Gesch. Schwedens t deuuche Uebers. II« 602« fuhrt ein Mandatum 

*) ÜB. CXXIIb, 



162 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

deutschen Stadt Gleiches wie in den an Lübeck ertheilten Freybriefen zugestan- 
den worden wäre, davon ist keine Spur; es ist vielmehr in diesem Falle wie in 
vielen andern geschehen, dass es lediglich eine Redensart war, um gleichsam die 
Eingeborenen zu beruhigen. Wie lange ist später der Streit zwischen England 
und den Hansen gefuhrt worden, da ähnliche begünstigende Ausdrücke für die 
Engländer in den deutschen Städten in den Verträgen vorbehalten waren, eine 
englische Niederlassung aber in ihnen nur beym Verfall des städtischen Bundes 
durchgesetzt werden konnte. 

Was Lübeck zuerst verstattet ward, das ist zufolge allgemeiner Ausdrücke in 
den allgemeinern Freybriefen von den vereinten und benachbarten deutschen Städten 
ohne Zweifel hernach auch benutzt worden, und die Herrschaft im Handel durch 
das reichere Capital, die grössere Freyheit \ind die überwiegende Handels- und 
Kunstfertigkeit der Deutschen befestigt worden. 

Mit welchen Gegenständen der Handel zwischen beiden Thellen in diesem 
Zeiträume vornehmlich betrieben worden, ist im Ganzen leicht zu vermuthen, im 
Einzelnen aber nicht eben mit Urkunden zu belegen. Dass die Lübecker die Kupfer- 
werke dort betrieben und das Kupfer ausführten, ist erwiesen, so auch die Aus- 
fuhr von Eisen, den Erzeugnissen der Waldungen und was damit zusammenhing, 
von Pelzwerken, Fischwaaren, den Erzeugnissen der Viehzucht, Fleisch, selbst, 
wahrscheinlich jedoch nur aus den südlichen Provinzen, Getreide; wogegen 
die Städte die in Flandern, den Niederlanden und England eingelauschten Güter, 
feine wollene Tücher, Seidenwaaren und Sammt, Gewürze und Weine einführten, 
diese letzten auch aus Deutschland vom Rhein, dann die Erzeugnisse deutschen 
Landbaues, ihres eignen städtischen Kunstfleisses, Bier und andere Getränke, Me- 
tallwaaren und wahrscheinlich auch solche Fischarten, die sie in Norwegen oder 



sinatus regru Suec, Stockh. domin. i. post fest. Brigif, 1471 au, woria es heisst: Im J. 1470 kam die 
Bürgerschaft Stockholms und mehrere andere Städte, nebst dem Volke aus allen Landschaften des Reichs 
-vor uns, und klagte, dass zu grossem Schimpf und Nachtheile des gemeinen Mannes iu Schweden» alle 
Handelsstädte im Reich schuldig seyu sollten , den Magistrat zur Hälfte mit deutschen Riirgerraeistern und 
Rathsherren zu besetzen, woraus denn seit langer Zeit Unwillen, Zwietracht und Verderben entstanden 
sey* — In keiner deutschen Stadt möchte den Schweden etwas dem Aehnliches zugestanden seyn. Nur 
bey der ältesten Eintheilung in den deutscheu Städten in Flandern kommt ein Drittel vor, das aus 
Gothlandern , Livländeru und Schweden besteht, Diess kann eben sowohl andeuten , dass Schweden 
zu dem Genuss der dortigen Freyheiten zugelassen wurden , als dass die Deutschen eingebürgert 
in den schwedischen Städten darunter verstanden werden; dies letztere ist das allein Wahrscheinlichr« 
8. unten b. Handel mit und iu den Niederlanden« 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 1^3 

Schonen sich verschafften, vielleicht auch manche auf dem deutschen Hofe in Now- 
gorod eingetauschte Güter. Doch ist diess Alles nur Vermuthung, und wenn auch 
noch so wahrscheinliche, doch nicht mit Urkunden zu belegen. 

Dieser Handel der deutschen Städte mit Schweden hat nicht den Glanz, 
welchen andere Zweige ihres Verkehrs hatten, aber er ist gewiss, besonders für 
die näher benachbarten, von grosser Bedeutung gewesen, und hat zum Gedeihen 
ihres eigenen Wohlstandes und ihres Zwischenhandels nicht wenig beygetragen. 

VIERTER ABSCHNITT. 

Verkehr der deulschen Kaofleole und Städte mit Dänmark und |)esonder8 mit Schonen. 



^^m^mmm* 



D 



'ass die Nachbarschaft auch hier die deutschen Kaufleute und Städte früh zu 
wechselseitigen Handelsverbindungen gefuhrt habe, ist unbezweifelt. Vor allem 
Andern aber war es der Fischfang auf Schonen, der diese Verbindungen veranlasste 
und befestigte. Der Häring verliess zwar nicht ganz die pommersche Küste, aber 
er ward gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts dort weder so gut, noch so 
zahlreich als an der schonischen Küste gefunden , an dem- Theile der Halbinsel, 
woselbst er jetzt nur höchst sparsam erscheint. Sehr häufig ist Schonen in 
dieser Beziehung von den Fischern und Kaufleuten mehrerer Völker, nicht allein 
von den Deutschen, besucht worden. 

Schon im J. 1201 liess Kanut VL, unzufrieden mit Lübeck, alle ihren Bür- 
gern zubehörigen Schiffe und deren Mannschaft anhalten, welche dieser Fischerey 
wegen nach Schonen gekommen waren 1). König Waldemar H. (1202 - 1241) 
aber, eine Zeitlang Herr der Stadt und der benachbarten östlich liegenden Länder 
Kordalbinglens , ertheilte ihr, seiner Stadt, nicht nur die Bestätigung ihrer alten, 
von Herzog Heinrich dem Löwen und dem Kaiser Friederich ertheilten Freyheiten, 
sondern er erliess ihr auch in den Jahren 1202 und 1220 seine Ansprüche auf 
das Strandrecht in seinem Reiche, und erklärte, dass er auf Bitte der Prediger- 
Mönche und aus Liebe zu allen Kaufleuten ein Zeichen (einen Feuerthurm) zu 
Falsterbo auf Schonen habe errichten lassen. Ja in einer andern Urkunde, gleich- 
falls ohne Jahrzahl, die wahrscheinlich in den Anfang seiner Regierung tu setzen 



1) Helmold chronic, Slauar, IL 12, 10- et Arnold Luhec^ Uli 5» 1« VI, 13. — Ueber den YerSnderteu 
Zu^ der Häringe a. Möhsen Gesclu der Wias. in der Mark Brandeub. S. 203-5. Gesch. der G. B. 
Th. I, S. 210. 

X 2 



164 ZWEYTE ABTHEIL, GESCH. DES HANDELS. 

ist, ertheilte er den Lübeckern bereits alle die Freyheiten auf Schonen, welche den 
Grund zu ihrem und ihrer Freunde ausgedehnten Fischfange daselbst legten, und 
eine lange Reihe von Jahren die wesentlichsten Ursachen des Wohlstandes und 
des Umfanges ihrer Seemacht enthielten. 

Diese merkwürdigen Freyheiten waren folgende: Auf den Märkten zu Skanoer 
und Falsterbo erhielten die Lübecker das Recht, grössere sowohl als kleinere Waa- 
ren zu verkaufen, und alles, was daselbst käuflich war, zu kaufen j sich einen Vogt 
beliebig zu bestellen, der die unter ihnen und ihren Angehörigen entstandenen Zwiste 
schlichte, mit Ausnahme des Todschlages und der Schläge, die Blau und Blut nach 
sich ziehen, welche zur Entscheidung des Gerichts des Königes verbleiben. Gegen 
Erlegung des üblichen (Justum) Zolls an des Königes Beamte, können sie wollene 
und leinene Tücher ellenweise, so wie andere Güter nach grossem und kleinem 
Gewichte verkaufen. Ihre Güter sind in Bezug auf den Zoll nicht dem Könige 
verfallen, so lange noch nicht der erste, ihre Güter nach dem Ufer fuhrende 
Wagen in das Wasser gekommen ist, da sie noch immer den Zoll entrichten 
können. 

Beschuldigen des Königes Beamte einen ihrer Bürger eines Vergehens, so 
kann er sich eidlich davon , mit Hülfe seiner Landsleute, reinigen. 

Des im Lande Verstorbenen Güter nehmen dessen nächste Erben, w^enn sie 
zugegen sind , zu sich ; im entgegengesetzten Falle sind der königliche Vogt und 
andere gute Leute verbunden, sie den nächsten Erben aufzubewahren, ohne dass 
der Vogt irgend einen rechtlichen Anspruch daran machen dürfte. 

Hat einer bey der Häringsfischerey in Schonen seine eigene Bude, Schiff, 
Fischbehälter, Zelt oder Schoppen (Wohnung), so ist ihm erlaubt, seine Güter 
Zollfrey, während der Märkte, in das Innere des Landes zu fuhren. 

Gewaltsame Hinwegführung ist nur im Fall der Nothzucht, die Hände 
dem Beschuldigten auf den Rücken zu binden, im Fall eines Diebstahls erlaubt; 
das Legen in Fesseln, bey verschlossenen Thüren, ohne dass ein angemessenes 
Verbrechen begangen scy , ist verboten. 

Jedes Schiff, welches am Ufer ankommt, kannfrey ausgeladen werden. Was 
Einer daselbst gekaufl hat, das kann er frey abfuhren. Vom Sonntag vor Michaelis 
an soH beym Zoll die neue Münze, und nicht früher, gebraucht werden ^)* 



1) Diese Bestimmung ist aus der Sitte des Mittelalters zu erklüren, den Vortheil des Müuzens, den Schlag- 
schatz möglichst zu yergrössern » ^resshalb alle Münzen zu gewissen Zeiten i im 14ten Jahrhunderte in 
Däumark jährlich, eingezogen, und neue, im Gehalte häufig schlechtere» von demselben Nennvierthe 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. i65 

Niemand darf auf der lübischen Vilte (Fischerlager) liegen, als der, welchem 
der lübische Vogt oder die Iiibischen Bürger die Erlaubniss dazu ertheilt haben. 

Einen Schank {tahernct) auf der Vitte zu hallen , ist nicht erlaubt, doch steht 
es frey, flaschenweise Bier zu verkaufen. 

Haben die Lübecker einen Dieb ergriffen, so können sie ihn auch gebunden 
(zugleich mit der gestohlenen Sache) dem königlichen Vogt vorfuhren. 

Kauft Jemand am hellen Tage ein Thier (Pferd oder Rindvieh), welches viel- 
leicht gestohlen war, so bleibt der Käufer, der nicht darum wusste, frey von Be- 
schuldigung, wenn der Bestohlene dazu kommt und es wieder fordert. 

Die Buden gehen an die Erben über, vorausgesetzt, dass der König wegen 
der jährlich zu zahlenden Grundrente befriedigt worden ist i). 

Einige Zeit nachher befreyte derselbe König die Bremer vom Strandrechte 
in seinem Reiche. In dem Vertrage, den er mit dem Grafen Heinrich von 
Schwerin einging (1225)) ertheilte er nicht nur den Hamburgern und Lübeckern, 
sondern auch allen Kaufleuten dieser Gegend und allen andern Kaufleuten des 
römischen Reichs die Freyheit, Dänmark zu besuchen, und aller der Rechte und 
Freyheiten sich zu erfreuen, welche sie vor seiner Gefangenschaft inne gehabt 
hätten. Drey Jahre nachher befreyt er insbesondere vom Zoll und Strandrechte 
Braunschweigs Bürger in seinem Reiche, und nimmt sie in seinen besondern 
Schutz. Im J. 1231 oder 1232 aber hat Erich, König von Dänmark, Mitregent 
seines Vaters Waldemar, in seinem Reiche den Bürgern von Cöln und ihren 
Gütern den allgemeinen Schutz zugesagt; dasselbe hat er im J. 1232 den Bürgern 
von Soest, nach dem Beysplele seines Vaters, bewilligt, so wie auch das Erbrecht 
ihrer In Dänmark verstorbenen Mitbürger und überall alle Befugnisse, welche von 
seinem Vater und seinen Vorfahren in Dänmark den Cölnern zugestanden worden 
sind, woraus sich also eine noch frühere Handelsverbindung zwischen Cöln und 
Dänmark ergibt, eine frühere als wir von irgend einer andern deutschen Stadt 
urkundlich nachweisen können. 



ausgegeben wurden. Die neue Müuie wurde dann an einem betUmmten Tage Terkiindet, und unter 
Streuger YerfQguug in Umlauf gesetzt* In Schonen wurde diese jährliche Mtinzemeuerung lange bey- 
behalten (s. Huitfeldt S. 544«}9 sehr zum Drucke des Handels. Eine Verordnung des Königs Erich 
MenTed Tom J. 1304 (abgedr. in An eher Rechts - Gesch. II. 5S4« ▼gl« Suhm XL 458*) ^irft hierauf 
das beste Licht, durch die Worte: ^^ De monetis est etatuium, quod innopatio monete prius quam in 
proximo generali placito cuiusUbet terrae (d. h« jeder Landschaft Seeland^ Jäiland^ Schonen u. a.) ante 
feeium 5, Michaelis nuüatenus pubüceiur^ sicuti Tnoneiarius capitis sui ammiseionem voluerit eidtare* 
i) ÜB. Vüb UV. 1203. 2) ÜB. Xl|b UV. 1213. 1226- 1228- 1232. 



^ßg ZWEYTE ABTHEIL. GESCa DES HANDELS. 

Im Jahr 1241 ertheilte der Herzog Abel von Jiitland den Hamburgern und 
allen Gästen (ankommenden Fremden, worunter gewiss die Deutseben vornehmlicb 
verstanden wurden) in seinem Lande die Zollfreyheit, gleichwie seine Verwandten, 
Bruder Adolph, Landgraf von Holstein, und der Junker Johann zuvor sie ihnen 
bewilligt hätten. Als er König von Dänmark geworden, sicherte er im J. i25ü 
den Lübeckern und Hamburgern die Freyheit vom Strandrechte zu, und ertheilte 
den Erstem noch besonders die Handelsfreyhelt durch sein ganzes Reich. 
Im folgenden Jahre sagte er den Rostockem Gleiches zu, so wie die Befugniss auf 
den von Ihnen besuchten schonischen Märkten, die unter den Ihrigen enstehenden 
Streitigkeiten, mit Ausnahme der Fälle, wo Blut vergossen worden, durch ihre 
eigenen Richter wie die Lübecker zu richten i). Er ertheilte denen von Wismar 
dieselben Rechte, welche er und sein Vater den Lübeckern in Skanoer und an- 
dern Theilen 'seines Reichs zugestanden hatte, die ihnen auch vom Könige Eiich 
(1267) bestätigt wurden 2). 

Auf diese Weise haben bereits mehrere einzelne deutsche Städte für ihre 
Kaufleute wesentliche Freyheiten in Dänmark überhaupt, besonders zum Härings- 
fange auf Schonen während der dortigen Märkte, früh erhalten ; zahlreiche Städte 
an der Nord - und Ostsee belegen bis nach Cöln ja bis nach Friesland hin , wenn 
wir gleich nur einen Theil der Freybriefe kennen, haben gewiss Gleiches er- 
strebt und erhalten, ohne dass jedoch die Urkunden alle auf uns gekommen 
wären. Diese erworbenen Freyheiten, die ein bestimmtes gemeinschaftliches Ziel 
betreffen, reichen bis zu Anfang des dreyzehnten Jahrhunderts zurück, ja sie müssen 
theil weise noch welter zurückgegangen seyn. Einzeln haben sich auch die Städte 
für die Ihrigen diese Freyheiten besonders bestätigen lassen ; einige haben grössere 
und ausgedehntere besessen, andere wenigere, oder von geringerem Umfange. Ob 
die im J. 1225 allen Kaufleuten des römischen Reichs ertheilte Freyheit, Dänmark 
zu besuchen, sich auch auf die beym Häringfange auf Schonen zu geniessenden Vor- 
rechte bezogen habe, mag ungewiss seyn; gewiss aber ist es, dass König Abel 
mehreren (Deutschen) Kaufleuten gemeinschaftlich, nähmlich den Finlandsfaren^ 
wahrscheinlich den deutschen Seefahrern aus dem Wendenlande (nicht lediglich 
den später in engerem Sinne so genannten Kaufleuten der Wendischen Städte), 
Freyheiten zu diesem Zweck bewilligte, und zwar, wie es heisst, mit ihrer Zustim- 



1) Ueber die Jurisdlcton der Hausestädte auf deu dämschen Fischmärkten s. eine Abh* t, P. K. Au eher 
SamUde juridiske Skrifter I. 804« Beylage II. zum Cap. XXIV. seiner Rechts -Geschichte. 

2) ÜB. XIV. UV. 1250. 1251. 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 167 

mung. Der König bestimmt die von ihnen in Skanoer zu erlegenden Zölle. 
Jedes grössere Schiff (Cogge), welches westlich Ton Skanoer fährt, zahlt 32 gute 
Schillinge, die, welche gegen ihren Willen östlich getrieben werden, müssen, wenn 
der König es fordert, eidlich erhärten, dass es gegen ihren Willen geschehen sey, 
dann haben sie zwey Schilling schonisch von der Last zu zahlen. Wer dagegen 
fehlt, dessen gesammtes Gut ist dem Könige verfallen, und kehrt der Uebertreter 
nicht nach dem Königreiche zurück, so sind dessen Mitbürger oder Landsleute 
verbunden, ihn und dessen Eigenthum des Königes Boten zu überliefern; 
verweigern sie diess, so haben sie sich die Folgen bey zumessen. Wer von ihnen 
nach Norwegen fahren will, ist, mit Ausnahme des Härlngs, für Tuch, Linnen, 
Salz und eigene Lebensmittel die er führt zoUfrey; des Königes Kammermeister, 
oder ein anderer seiner Beamten hat jedoch die Befugniss ihre Schiffe und deren 
Gehalt zu durchsuchen; schiffbrüchiges Gut zu retten, steht ihnen frey. Auch 
ward ihnen um dieselben Zeiten verstattet, Abends ihre Güter zu verfuhren, 
von der Zeit wo die Vesper •- Glocke läutet bis zum Untergange der Sonne i). 
Die entgegen stehenden Befreyungen von Durchsuchung der Schiffe und der 
Haft der Landsleute sind hier erst später allgemeiner erworben worden. Auch 
ist CS auffallend, dass nicht die grosse Gesellschaft; der Kaufleute auf Goth- 
land, die damahls in so grossem Ansehen bereits bestand, sondern dass die 
VInlandsfahrer , deren Verbindung man nicht näher kennt, diese Freyheiten 
erhalten 2). 

Von König Christoph L (1252-1259) haben wir nur eine, innerhalb vier 
Wochen nach seines Vaters Tode bereits ausgestellte, in allgemeinen Ausdrücken 
abgefasste Bestätigung der Lübeck im Reiche zustehenden Freyheiten. Aber von 
Erich Glipping (1259-1286) haben wir eine ganze Reihe von Freybriefen, die 
er Lübeck und andern Städten einzeln, nachher auch gemeinschafllich, ertheilt, 
worin er die alten von seinen Vorältern (progenitores) ertheillen Freyheiten 
ihnen bestätigt, besonders gegen das Strandrecht v. d. J. 1259 j 1267 u. 1277? >vie 
auch seine Mutter und Vormünderin Margaretha schon dasselbe den Lübeckern 
im J. 1264 zugestanden hatte 3). Auch hat der König ihnen im J. 1268 ihre Frey- 
heiten in Bezug auf die schonischen Märkte bestätigt, nahmentlich auf Falsterbo. 



i; Letztere Urkunde wird angeführt bey Suhm X. 195« 

2) UV. 1251« Suhm X. 194 -j 95« Den Nahmen Yiuland iu d^m Sinne, glaubt er auch schon unter Cauut 
VI. 1188. zu finden V. 1. VUI. 166. u. a. 

3) UV. Arndt livl. Chron. IL 62. UV. 1259. 1264. 1267« 1268. 1277. 



168 



ZWEYTE ABTÖEIL. GESCH. DES HANDELS. 



Ferner liat der Herzog Waldemar von Jiitland den Bremern, die nach Schleswig 
oder irgend einem Theüe seines Herzogthums, auch Nahmens der Eyderstädter und 
der Friesen, kommen, Schutz fiir Ihre Personen und Waaren zugesichert, die 
Freyheit zu kommen, zu bleiben oder abzureisen, zugesagt; und den Lübeckern 
auf ihren Reisen nach Flandern und andern Ländern sicheres Geleit, vollen Ersatz 
des Geraubten , und Befreyung vom Strandrechte verhelssen i). 

Von dem Könige Erich war es in den Bedrängnissen, w^orin er sich befand, 
den Geldbedürfnissen, die er hatte, um so leichter dieses Alles zu erlangen. Er 
hatte von einigen lüblschen Bürgern 2000 Mark Lüb. fein Silber im J. 1272 vor- 
geschossen erhalten, und versprochen, bey der in der verflossenen Frist nicht er- 
folgten Zurückzahlung dreysslg seiner Ritter zum EInlager in Rostock oder, w^enn 
sie dahin kein sicheres Geleit erhalten könnten, an einem andern Orte im Däni- 
schen zu stellen i). Er erthellte im J.' 1276 den Stralsundern die Befugniss, durch 
ihren eigenen Vogt auf den schonischen Märkten sich in ihren Rechtsstreitigkelten 
Recht sprechen zu lassen, in so fern sie nicht vor den königlichen Amtmann 
gehören, gleichwie es den Lübeckern und Rostockern verstattet worden. Er be- 
stätigt ihnen das Jahr darauf das ihnen von seinem Grossvater bereits erthellte 
Recht ihr schiffbrüchiges Gut zu retten, und dass seine Beamten Ihnen keine 
Güter gegen einen bestimmten Preis wegnehmen, sondern nach freyer Ueherein- 
kunfl die Preise dafür zahlen sollen 3). So bestätigte er 1280 den Lübeckern, 
die sich mit ihm verbunden hatten, ihre alten Freyheiten in Dänmark und Schonen, 
sicherte ihnen zu, dass sie eben desshalb nicht mit ausserge wohnlichen Zöllen 
beschwert, und vor Gericht, wenn sie die Sache läugnen, nicht durch übelberüch- 
tigte Personen überfuhrt werden sollten; er gelobt ihnen allgemeinen Schutz und 
Beystand zu, und verspricht, bey Beleidigungen von ihrer Seite, nicht sofort gegen 
sie die Fehde anzufangen , sondern diess Mittel nach vorgegangener Ermahnung 
und ein halbes Jahr nachher zu ergreifen 4). 

Den Hamburgern bestätigte er eben so ihre alten Freyheiten wegen des 
Strandrechts, und überlässt ihnen Land auf Schonen, um daselbst ihre Buden zu 
haben, und auf den schonischen Märkten daselbst zu wohnen, und der Freyheilen 
theilhaftlg zu seyn, deren die übrigen slavischen und Seestädte daselbst sich zu er- 
freuen haben 5). 



1) ÜV. 1284. 1287. 2) ÜR. XXXV. 

4) LH. 5) ÜV. 1282. 1283- (2). 



3) ÜB. XXXVIIb XXXVHc. 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 



169 



Am merkwürdigslen ist iadess ein Freybrief, den er den Greifswaldera im 
J. 1280 zu Falsterbode auf Schonen ertheilte : er tritt ihnen nicht nur ein Stück Lan- 
des ab, um daselbst ihre Vitte zu haben, belegen zwischen der alten Einhegung 
{indago) des Kirchhofs der Deutschen, dem Meeresufer und der Fiite der Stralsunderj 
und gibt ihnen die Befugniss einen Vogt sich zu wählen, der über seine Mitbürger 
und über die unter seinem Gerichtszwange Stehenden richte; sondern er gesteht 
ihnen das Recht zu, auch in hohen wie in geringern Fällen, selbst bey Verbrechen, 
die das Leben angehen. Recht zu sprechen. Was die folgenden Puncte betrifft, 
dass Niemand ohne ihre Erlaubniss auf ihrer VItte sich aufhalten dürfe, die aber, 
welchen die Greifswalder oder deren Vogt die Erlaubniss dazu ertheilen, des kö- 
niglichen Schutzes geniessen sollen, so haben andere Städte dasselbe erhalten; eine 
solche Ausdehnung der Gerichtsbarkeit ihres Vogts aber hat keine, wenigstens in 
dieser und der nächst folgenden Zeit, aufzuweisen. Wahrscheinlich haben eigen- 
thümliche und uns unbekannte Verhältnisse zwischen beiden Theilen diese Begün- 
stigung veranlasst, und ist sie nur vorübergehend gewesen i). 

Nicht aber auf Einzelne blieb seine Gnade beschränkt; er ertheilte allen 
Gästen, die nach Ripen kommen, seinen Schutz, und bestimmte den von ihnen zu 
erlegenden Zoll wahrscheinlich niedriger als früher 2). Lübeck, Wismar, Rostock, 
Stralsund, Greifswald, Stettin, und alle im Wendenlande belegenen Städte, zum 
ersten Male in Dänmark in dieser Gemeinschaft genannt, erhielten von ihm 
im J. 1278 sicheres Geleit und Zollfreyheit auf dem neu errichteten Markte 
zu Huitvanger in Seeland 3), 

Er ertheilte 1283 den Bürgern der Städte Lübeck, Wismar, Rostock, Bem- 
min, Stralsund, Greifswald, Stettin und Anclam einen allgemeinen Schutz, wenn 
sie die schonischen Märkte oder andere Theile seines Reichs besuchen, das Recht 
daselbst zu bleiben und ihre Handelsgeschäfte zu fuhren nach alter Gewohnheit; 
er sichert in demselben Jahre in einer andern Urkunde den Kaufleuten Deutsch-^ 
landsy welche die Märkte zu Skanoer besuchen wollen, dasselbe zu, da sie wegen 
des Besuchens derselben besorgt gewesen 4). 

Im folgenden Jahre aber (1284) versprach er, den slavischen Städten ^ mit 
welchen er sich auf acht Jahr enger verbunden hatte , den freyen Handel in sei- 
nem Reiche, gegen Erlegung der herkömmlichen Zölle und Abgaben zu verstatten; 



1) ÜV. 1280. (3> 2) UV. 1283. (!)• 3) Urk. XXXIIlb rergl. mit den Nachträgen, 

4) ÜB. LI. 



170 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

ferner, dass die von ihnen eingeführten Gül^r, die er (der König) bedürfe, nicht 
mit Gewalt ihnen weggenommen werden sollten; er erlaubt ihnen die freye Aus- 
fuhr der im Lande erkauften Güter, wenn nicht augenscheinliche Noth ein Ver- 
bot fordere, in welchem Falk auf Michaelis jedes Mahl ihnen die Anzeige gemacht 
werden soll l). Eben diesen slamscJien Städten versprach er in demselben Jahre, 
dass seine Unterthanen den Norwegern, den Feinden der Städte, keine Güter 
zufuhren sollten; er verbietet auch den Norwegern den Zutritt zu seinem Reiche 
des Handels wegen, wenn sie nicht in einer bestimmten Frist, binnen welcher 
ihnen der Zutritt noch verstattet seyn soll , mit den* Städten sich versöhnen , den 
Frieden herstellen, und für den erlittenen Verlust Genugthuung leisten. 

Er verband sich mit mehreren Fürsten und den obengenannten Städten, 
denen auch Hamburg und Kiel sich zugesellten, welche dann wahrscheinlich auch 
an den erwähnten Freyheiten Theil erhielten, in demselben Jahre gegen Norwegen 2). 

Der Nachfolger des Königs, Erich Menwed, bestätigte im J. J287> schon aus 
Dankbarkelt, den Lübeckern die alten Freyheiten , da sie den Mördern seines Vaters 
den Zutritt in ihre Stadt verweigert hatten. In demselben Jahre hat ihnen Herzog 
Waldemar von Jütland dasselbe in seinem Herzogthum zugesichert. Im J. 1288 
bestätigte er ihnen das Recht, aus seinem Reiche nach Flandern und an andere 
Orte hin zu fahren 3). Im J. J294 verstattete er, auf Bitte der Bürger von Lübeck 
und Gottland, allen Kaufleuten der Seestädte^ welche die Ostsee befahren^ freyen 
Handel in allen Theilen seines Reichs, es $ey zu Wasser oder zu Land; er be- 
stätigte ihnen ihre alten Freyheiten in dem folgenden Jahre, so wie der Stadt 
Bremen, den Städten Wismar und Stralsund; der Stadt Campen verstattete 
er 1298 das Recht ihr schiffbrüchiges Gut an seines Landes Küsten zu retten, und 
der Stadt Deventer in demselben Jahre (1298) die Handelsfreyheit auf den schoni- 
schen Märkten 4). 

Doch das gute Verhältniss wurde durch die Erwerbung der Oberherrschaft über 
die Stadt Rostock im J. 1290, durch die Einnahme derselben im J. 1301, und die 
Anlage der dänischen Burg bey Warnemünde, so wie durch die Ausdehnung 
seiner Herrschaft in Mecklenburg und Pommern und über die Städte Wismar, Stral- 
sund und Greifswald gestört Selbst Lübeck musste sich im J. 1307 zu einem 
jährl. Tribut an den König v. 750 Mark auf zehn Jahr verstehen, und erhielt dage-« 

1) ÜB. LIV. LV. LVI. 2) ÜB. LVir. LVIII. 3) ÜB. LXIV* UV. 1287. 1288. (1.) 

4) ÜB. LXXVIIb c UV. 1393. 1298. Dreyer p.69. Su hm XI. 277. 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. m 

gen die allen Freyheiten zugesichert, so wie früher durch die Bischöfe von Lund und 
Ripen die Befreyung vom Strandrechl bestätigt wurde. Es klagte die Stadt Zütphen 
dem Könige im J. 1302 > dass die Kaufleute der slavischen Städte und die gemeinen 
Kaufleute der Gralschaft Geldern und des Bisthums Utrecht unerträgliche Beschwer- 
den in seinem Reiche zu dulden hätten, so dass die gemeinen Kaufleute alle ihre 
Rechte und Freyheiten in Skanoer und Falsterbode und andern Häfen seines Reichs 
etpbüssten, und ihrer eigenen Gerichtsbarkeit, die sie unter seinen Vorfahren gehabt, 
beraubt waren, dass seine Vögte und Richter, {aduocati et Justiciarii) ihnen 
nähmen, was sie Hir gut fanden, auch das gestrandete Gut als ihnen von Rechts- 
wegen verfallen ansprächen; sie bitten daher um Abstellung: aber der König war 
im Glück, und der Druck mag nicht gehoben worden seyn i). 

Die Rostocker, die ihm eine bedeutende Summe Geldes vorgeschossen hatten, 
scheinen zuerst wieder bewirkt zu haben, dass der König im J. 1305 allen Kauj^ 
leuten der Seestädte^ welche die Ostsee befahren und die dänischen Besitzungen 
besuchen, besonders denen, die nach Liv- und Ehstland und bis nach Nowgo- 
rod fahren, Schulz zusicherte, und vom Strandrechte sie befreyte 2), Zugleich 
haben sich die Lübecker den Häringsfang über die schonische Küste hinauf zu 
Calmar, Möre und aufOeland von dem Vogt zu Calmar Nahmens seines Herrn, des 
Herzoges von Schweden, im J. 1312 zusichern lassen, um einigermassen bej den 
während seiner Fehde mit Rostock, Stralsund, Greifs wald und Wismar besorgten 
oder eingetretenen Störungen auf Schonen gedeckt zu seyn, wiewohl der Häringsfang 
daselbst weder so ergiebig noch der Fisch so gut als auf der Halbinsel seyn mochte 3). 
Den Hamburgern ertheilte er aus ähnlichem Grunde einen Schutzbrief für 
seine Staaten, unter der Bedingung, dass sie seinen Gegnern in Deutschland nicht 
anhangen würden. Der Stadt Greifswald kostete es, im J.. 13139 3000 Mark, 
des Königs Gnade sich zu erkaufen; Stralsund zahlte damahls gleichfalls, um 
die Bestätigung aller Freyheiten und den Frieden zu erhalten; und die Rostocker 
empfingen in demselben Jahre die Zusicherung ihrer alten Handels - Freyheiten, und 
im J. 1315 besonders auf Schonen, indem er ihnen erlaubte, wieder ihren eigenen 
Vogt auf Falsterbo zu halten. Den Lübeckern wurde das Jahr darauf dasselbe be- 
willigt, und das Recht ertheilt, die untere Gerichtsbarkeit für die Ihrigen daselbst zu 
üben. Auch verstattet er ihnen, als eine besondre Gnade, dass sie am Ufer, wo- 



i; ÜB, CX. CXVIIe-f. ÜV. 13(y7. 1298. 1299. 2) ÜB. 1302. 1305. 3)ÜB. CXXIV. 4) üB..CXXlVb. 

Y 2 



172 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

selbst sie mit ihren Schiffen und Waaren ankommen , ^ selbst an einem Festlage, 
dieselben auszuladen und ans Land zu bringen , befugt seyn sollten l). 

Die Städte Campen, Harderwyk und Zülphen, wie er denn die niederländi- 
schen Städte besonders gegen die andern zu begnnsligen schien, erhielten von 
ihm ihre ausgemessenen Fischerlager oder Vitten auf den schonischen Märkten zu 
ewigen Zeiten , und die Befugniss zwar nicht durch eigene Vögte aber doch nach 
den Marktrechten gerichtet zu werden ; den ihnen verstatteten Reinigungseid können 
sie deutsch oder in einer andern ihnen geläufigen Sprache leisten, auch werden 
andere Begünstigungen bey der Eidesleistung ihnen zugestanden. Die Zölle wurden 
festgesetzt, und scheinen bey der Einfuhr bedeutend zu seyn; bey der Ausfuhr 
nach Dänmark oder Deutschland sollen sie den andern KauQeuten gleich gestellt 
werden, doch scheinen Tücher, die sie von Schonen nach Dänmark führten, sehr | 

gering belegt, und nur einer kleinen Schiffs -Abgabe unterworfen gewesen zu seyn; 
endlich werden sie vom Strandrechte befrcyt 2). 

Den Stralsundern verstattete im J. 1316 Herzog Christoph von Halland und I 

Samshoe die Märkte auf Skanoer und Falsterbo zu besuchen, durch ihren eigenen 
Vogt in der Zeit von Jacobi bis Martini sich in ihren Rechtsstreiten unter einan- 
der das Recht bis auf die grossen Vergehen sprechen zu lassen; Niemand darf 
ohne ihre Erlaubniss auf ihren Vitten bauen ; zu ihrem eigenen Gebrauche können 
sie Wein und Bier schenken, wollene Tücher und Linnen im Grossen oder ellen- 
weise verkaufen, zu wiegende Güter nach dem grossen oder kleinen dänischen 
Gewichte, und ihre Güter überall, nach Entrichtung des Zolls an des Königs 
Vogt, frey verkaufen ; von jeder Last Häringe sind bey der Ausfuhr zwey Schilling 
Pfennige schonischer Münze, oder drey alte zu entrichten; Güter, die sie im 
Lande gebrauchen, können sie gleich den Eingeborenen frey benutzen, ihr schiffbrüchi- 
ges Gut retten, Brennholz in den Wäldern fallen ; der im Lande Verstorbenen Nach- 
lassenschaft bleibt, nach Erlegung der Abgabe Arfkop, den Erben. Dagegen ver- 
sprechen die Stralsunder, des Königs und seiner Unterthanen Vortheil zu fördern 
und Letztere alle Rechte geniessen zu lassen, welche ihren eigenen Bürgern zu- 
stehen. Auch söhnte sich König Erich mit Stralsund völlig aus, und schon 1307 
nnd 1309 hatten Herzog Waldemar von Jütland und sein Sohn Erich von Jütland 
den Stralsundcm den f reyen Handel in ihrem Lande zugestanden, und mit mehreren 
Freyhelten sie und wahrscheinlich auch die andern Schwesterstädte begnadigt 3). 

1) ÜV. 1305. 1313. ÜB. CXXIVb c. 1315. ÜB, CXXVI^ 2) UV. 1307. 3. und 4. 1316. 

3) ÜB. CXVIIb CXVIH*. 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 173 

Von dem nachfolgenden Könige, Christoph II. , und dessen Gegenkonige Wal- 
demar sind einzelnen und mehreren dieser Städte die alten Freyheiten in Dänmark 
überhaupt und in Schonen insbesondere bestätigt \vorden. So hat Waldemar den 
Städten Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Anclam und Demmin 
gemeinschafllich , so wie allen Kaufleuten, die es mit ihm hielten {et unwersis 
mercaioribus nostris amicis), im J. 1326 alle Freyheiten und Rechte in Schonen 
und allen Theilen des Reichs, die sie yon Alters her gehabt, theils einzeln theils 
mehr oder weniger gemeinschaftlich bestätigt, und ihnen zugesichert, dass sie nur 
den alt gewohnten Zoll zu entrichten haben sollten. Wir haben von diesem 
J. 1326 eine Reihe von Urkunden, worin Waldemar besonders den Städten Lübeck 
und Stralsund ihre alten Freyheiten bestätigt i); gewiss haben andere ihnen benach- 
barte ähnliche erhalten. Es erhellet daraus, dass die Städte im J. 1326 Waldemarn, 
welchen Graf Gerhart von Holstein als Gegenkönig aufgestellt hatte, am meisten ver- 
trauten und ihn unterstützten; jene Begünstigungen sind aber nicht als dauernd zu 
betrachten, da Christoph endli^.h sich behauptete. Doch ist in anderer Beziehung der 
von Waldemar in demselben J. den Harderwykern und denen von Zütphen ertheilte 
Freybrief merkwürdig, weil er den Beweis des Antheils der niederländischen Städte 
an dem schonischen Häringsfange und den dortigen Märkten gewährt, und gewiss 
haben andere dieser niederländisch deutschen Städte, nahmentlich Campen, ähnliche 
innegehabt, Freyheiten, die denen, welche die näher benachbarten der Ost- und 
Nordsee erhalten hatten, zwar ähnlich, doch auch in anderer Beziehung verschieden 
waren. So erhielten die Harderwyker und Zütphencr von ihm in demselben 
J. (1326) die Bestätigung ihrer alten Freyheiten, vermöge welcher sie ihre einge- 
führten Güter, Tüchey, Linnen, Wachs oder Buntwerk, oder welcher Art sie 
seyen, aller Orten im Ueich frey ausladen, und dieselben durch Schiffer und Fuhr- 
leute, zufolge freyer Uebereinkunft, nach ihren Buden oder Gasthäusern (gemietheten 
Wohnungen) fuhren lassen können j fiir den dabey entstehenden Schaden haften 
die Schiffer oder Fuhrleute. Auf ihren Buden oder Vitten können sie alle zu 
wiegende Güter nach Colnischem Gewicht und Wage kaufen und verkaufen, ihre 
eingeführten Weine frey verzapfen und verkaufen. Häringe soll man nicht über 
einen halben Wagen voll am Ufer aufkaufen, und auf dem Meer Keiner dem An- 
dern diese Fische abkaufen. Ihr Vogt schlichtet die unter ihnen vorgefallenen 
Streitigkeiten zu Skanoer, bis auf Wunden mit scharfen Waffen, und Vergehen, 



1) ÜB. CXXXK CXXXV»». UV. 1326. Dreycr S.48. 



174 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

die an Hals und Hand reichen, welche den königlichen Vöglen verbleihen, die 
unentgeldlich ihnen dienen sollen bey ihren Schuldforderungen an die Dänen. 
Würden (was Gott abwende) in dem Jahre zu Skanoer keine Häringe gefangen, so 
können sie ihre eingeführten Güter ohne weitern Zoll gegen eine (geringe) Schifls- 
abgäbe wieder ausfuhren^ sie behalten das Recht ihr schiffbrüchiges Gut zu retten. 
Ihr im Lande bey ihrer Abreise niedergelegtes Holz, oder ihre Wagen, verbleiben 
ihnen, und können sie dieselben bey ihrer Rückkehr, ohne weitern Zoll, gegen 
die geringe Schiffsabgabe ausfahren. Stirbt Einer von Ihnen im Lande, und sind 
dessen Verwandte oder Erben nicht gegenwärtig, so soll Jenes Verlassenschaft bey 
sichern Leuten an dem Orte, wo er starb, auf Jahr und Tag niedergelegt und 
die leicht verderblichen Güter gegen dauerhafte umgesetzt werden. Der Erbe 
oder dessen Vormund, der binnen dieser Zeit mit den nöthigen Zeugnissen versehen 
ankommt, erhält dieselben unverkürzt ; nach Ablauf jener Frist aber fallen sie nach 
dem Landrechte dem Könige zu. Auf ihren Vitten und Buden darf Nichts ohne 
ihren Willen vorgenommen werden. Des Königs Steuererheber {exactore8\ welche 
{Syläkrangäre) genannt werden, dürfen aus dem Grunde weil es ein Festtag ist den 
Pferden der Fuhrleute, die ihre Güter fuhren, die Decken oder Sättel (ephippiä) 
nicht wegnehmen; Keinem darf sein Gut wegen der Verbrechen eines Andern ge- 
nommen werden. Der Pferdezoll bleibt wie voi: Alters, das Pferd welches einer 
zum eigenen Gebrauch hält , und mit dem er zurück kehren will , zahlt nur die 
kleinen Sehiffsabgaben, keinen andern Zoll. Sie haben die Freyheit auf dem 
Meere Ballast einzunehmen; der Zoll von den Coggen (grösseren Schiffen) bleibt 
wie vor Alters i). 

König Christoph blieb indess zuletzt Herr des Landes, obwohl unter fort- 
dauernden grossen inneren Unruhen, und sein Bedürfniss zwang ihn mit den Städten 
in gutem Vernehmen zu bleiben, besonders mit den mächtigem näher benach- 
barten, der eigenen Erhaltung wegen. Schon bevor Waldemar als Gegenkönig 
gegen ihn aufgestellt ward, hat er einzelnen Städten nahmentlich Stralsund in d. 
J. 1319 und 1320, als Herzog und als König von Dänmark, und ebenso gewiss 
auch andern benachbarten Städten ihre Freyheiten aut Schonen bestätigt. So be- 
willigte er den Stralsundern, dass ihr Vogt auf den schonischen Märkten zu Skanoer 
und Falsterbode jedes Jahr von Jacobi bis Martini über die Ihrigen unter der be- 
kannten Beschränkung Recht sprechen^ dass ohne ihre Einwilligung Niemand auf 



1) ÜV. 1326. 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 175 

ihren Vitien bauen solle, ertheille ihnen das Recht durch das ganze Reich ihr 
schiffbrüchiges Gut zu bergen, und Bauholz in den königlichen Wäldern zu fallen, 
so wie auch freyes Erbrecht gegen- Erlegung des sogenannten Arfkop, und die 
Befreyung von allen neuen Zöllen seit K. Waldemar II. Zeit 1). 

Eben so empfingen die Rostock er im J. 1328 von ihm die Bestätigung 
ihrer allen Freyheiten in Schonen und in Dänmark, die Manches enthalten, was 
ihnen vor andern Schweslerslädten bewilligt ward 2). Aber die Lage des Königs 
war doch noch so unsicher, dass Rostock sich in demselben J. die Sicherheit der 
Fahrt auf Schonen von dem Gegenkönige Waldemar zusagen Hess 3) , und 
dass die Stadt in dem folgenden J. 1329 vom Grafen Johann von Holstein sich 
zusichern liessj dass sein Bruder, K. Christoph, ihr ihre alten Freyheiten, die sie so 
eben (1328) zugesagt erhalten hatte, bestätigen solle, und dass die Fahrt nach 
allen dänischen Besitzungen ihren Bürgern, im Fall einer Fehde des Königs mit An- 
dern , frey bleiben solle 4). 

Es empfingen die Lübecker von flim im J. 1328 <JIe Bestätigung und Erwei- 
terung ihrer allen Freyheiten in Schonen 5) , selbst das Recht für ihie Vögte daselbst 
in Sachen die Hals und Hand angehen zu richten , wie ihnen dieselben vom Könige 
Magnus von Schweden fiir Schonen und Halland im J. 1336 erneuert wurden, 
da diese vortrefiTlichen und für die Städte unschätzbaren Theile des Reichs schon 
zu Christoph I. (-|- 1332) Lebzeiten und während des achtjährigen Zvvischenreichs 
in Dänmark an ihn übergegangen waren. Gleicherweise bestätigte er in demselben 
Jahre der Stadt Campen, ob er gleich bey seiner Krönung alle in seinem Reiche 
ertheilten Privilegien widerrufen habe, ihr altes Recht, in Skanoer zu IVIarktzeit 
einen Platz zwischen dem Schlosse und Huwel, wie er mit Pfählen bezeichnet war, 
zu bewohnen. Auch bestätigte und erweiterte ihnen Waldemar III. von Dänmark 
ihre alten Freyheiten in Schonen, und dehnte sie in Etwas aus nach seiner 
Thronbesteigung im J. 1340, so wie er auch andern Städten z. B. den Anklammern 
die Erhaltung ihrer alten Freyheiten beym Häringsfange in Schonen schon früher 
zusicherte: allein dieses Königs Zusicherungen waren doch damahls von keinem 
Werthe, denn er war nicht im Besitze des Landes; sie konnten nur von seinem 
guten Willen und von den Hoffnungen zeugen die er hegte und die er mit Hülfe der 
Städte zu erreichen dachte; sie konnten den Städten eine gute Aussicht eröffnen, 
wenn es ihm gelingep sollte, den Thron wieder zu besteigen. Er trat endlich 

1) UV. CXXVIId. e. 2) UV. 1328. 3) Ib. 4) UV. i329. 5) ÜV. 1328. 1338. 1340. 



J76 Z^EYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

selbst, um in der verzweiflungsvollen Lage Einiges zu reiten, Schonen nebst Hai- 
land und Blekingen an König Magnus ab. 

Dieser erklärte 1338 <iie Gäste, die nach Malmo {Malmöghen) aus der Fremde 
mit ihren Waaren kommen und daselbst oder zwischen Lund und Malmö oder 
in andern schonischen Städten auf Wagen ihre Waaren lühren, frey von dem Zoll, 
den Andere zu entrichten haben, da sie, nach Ausspruch des Erzbischofs von 
Lund, und anderer glaubwürdiger Männer, von Alters dazu nicht verbunden ge- 
wesen. Es ist keinem Zweifel unterworfen , welche Gäste hier gemeint sind , und 
welchen Vortheil die Deutschen dadurch erhielten, dass Andere dem Zoll unter- 
worfen blieben. Den Stralsundern bestätigte er das Jahr darauf (1339) > nachdem 
sie wegen ihrer Vergehungen auf den Märkten zu Falsterbode ihm Genugthuung 
geleistet hatten, ihre alten Frey heilen im Lande; er sichert ihnen zu, dass wer 
von ihnen in irgend einem Theile seiner Reiche ein Verbrechen begehe, nach dem 
Orts- oder Landrecht zwar bestraft werden solle, dass aber lediglich der Verbrecher, 
nicht dessen Landsleute, büssen solle i). Er ertheilte der Stadt Campen die Bestä- 
tigung ihrer alten Freyheiten, die sie schon zu K. Waidemars Zeit besessen hatte, 
und die mit denen von diesem Könige den Städten Harderwyk und Zütphen er- 
theilten (s. oben) mit geringer Abweichung wörtlich übereinstimmen 2). Dagegen 
erhielt Campen vom König Waldemar im folgenden Jahre noch eine Bestätigung 
aller früheren Privilegien, so wie die Ausdehnung der in Schonen besessenen 
Jurisdiction zu Copenhägen , Dragoer (auf der Insel Amak) und Badesholt 3), 
Eine ähnliche Bestätigung, so wie eigene Jurisdiction in allen Sachen, welche 
nicht Hand und Hals angehen, zu Skanoer und Dragoer erhielten von ihm 
um dieselbe Zelt die Stralsunder 4).' Nach Beylegung der Fehde , die zwi- 
schen ihm und einigen Städten und Herren gefuhrt worden, bestätigte er im 
J. 1343 in seinem Frieden mit den Seestädten, nahmentlich Lübeck, Hamburg, 
Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald ihre alten Freyheiten in Schweden 
und Schonen, und versprach ihnen die AbschafiFung aller dagegen aufgekommenen 
Neuerungen 5). Er ertheilte dieselbe Zusicherung einzelnen z. B. 1343 ^^^ An- 
clamern, 1344 den Lübeckern in grosser Bedrängniss wegen seiner Feinde, denen 



1) ÜB. CXLVIb. 2) ÜB. CXLV. 

'6) Dieser Ort ist uubekaniit; vielleicht ist unter diesem Namen der Hafen und das Schlots ReTeshol verbor- 
gen , wo die hansische Flotte 1428 um Ostern einen Sieg über die Dänen erfocht. S. Cerner. 

4) CXLVU» und CXLVIIc. 5) ÜB. CLI*. b. CLVL ÜV. 1343- 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 177 

auch Lübeck sich beygesellt hatte, nnd im folgenden Jahre erneuerte oder Ter- 
längerte er den Stillstand mit ihnen. 

Im J. 1352 gewährte Magnus den Lübeckern ausser allen ihnen früher 
schon von ihm und seinen Vorfahren, besonders von Waldemar II. von Dan- , 
mark, ertheilten und wörtlich hier eingerückten Freyheiten in Schonen und Halland 
noch folgende : dass alle die Ihrigen, die zuerst nach Skanoer oder Falsterbo kom- 
men, bevor sie in ihre Herberge {hospicium) eingekehrt sind, weder ihrer Waf- 
fen noch anderer Güter beraubt oder diese ihnen verkümmert werden sollen j sie 
können ihre ihnen eigenthümlich zustehenden Wagen haben, und Frachtfohren 
damit betreiben, wie sie wollen; eine Last Tücher, die von zwey Pferden ge- 
führt werden kann, zahlt Nichts; von der Last derselben, die von vier Pferden 
gezogen wird, erhält des Königs Beamter eine halbe Mark schonischer Pfennige, 
wogegen dieser für jede Gefahr, die den Tüchern begegnen könnte, haftet; Prah- 
men dürfen sie sich halten, und von jeder nicht mehr als zwey Oer derselben 
Münze nach altem Herkommen entrichten; ihreVitte, mit Einschluss der Gemarkung 
Kylrevelt und Reperburg, soll von dem Kreuz bey der dänischen Kirche anfangen 
und bis zu dem Kreuze zwischen Falsterbo und Skanoer, so wie auf der 
andern Seite mit Kreuzen umgeben bis zum Kirchhof der Deutschen sich erstrecken; 
das Land, innerhalb dieser und anderer bestimmten Grenzen, wie sie jezt bestehen, 
in der Länge und Breite mit allen Strassen und Wegen, die darauf stossen {aggre* 
dientibus) oder hindurch gehen , sollen sie frey zu ihrem Nutzen verwenden 
dürfen, und ungestört ewiglich besitzen; dort können sie ihre Buden aufbauen, und 
niemand soll sie oder andere, die mit ihnen auf ihrer Vitte sich aufhalten, irgend 
beschweren. Die Strasse oder der Weg zwischen dem Kibischen und dem stettini- 
schen Felde soll den Lübeckern zustehen , und so soll es auch mit der andern 
Strasse seyn, die von der Wohnung des lübischen Vogts nach den Wohnungen der 
Wandschneider geht, da der Weg, der vor den Minoriten vorüber läufl, wegen des 
Kothes daselbst, zuweilen unfahrbar ist; so dass also das Wasser, welches von 
der dänischen Kirche nach den Buden, die Gumbuden genannt werden, fliesst, das 
lübische und dänische Recht trennt. Die königlichen Beamten und ihre Diener 
dürfen weder mit bewaffneter Hand noch ohne Waffen auf dieser Vitte irgend 
einige Gewalt üben; die Lübecker sind indess verbunden, bey Strafe von Zehn 
Mark schonischer Pfennige, der königlichen Münze beym Einkauf sich zu bedienen ; 
doch steht es ihren Kaufleuten frey den Preis dessen, was sie gegen des Königs 
Münze verkaufen, in Gold und Silber oder in andern Gütern oder in andern als 

Z 



178 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

des Königs Münzen^ wie beide Theile desshalb übereingekommen, fest zu setzen, 
sie zu nehmen und zu geben, vorausgesetzt, dass sie nicht ausserhalb des dazu 
bestimmten Orts ellenweise Tuch verkaufen. Ueber blau und Blut und was 
darunter lallt zu richten, ist dem lübischen Vogt in Bezug auf Alle , die auf ihrer 
Yitte sich aufhalten, zuständig; was nach lübischem Rechte aber an Hals und Hand 
geht, bleibt zur Entscheidung des Königs. Doch sollen die königlichen Vögte 
keinen der Lübecker, oder der mit ihnen auf ihrer Vitte ist, auf das Schloss 
Falsterbo oder Skanoer vor Gericht fordern (dänisch callen)y sondern Jedem, der 
gegen Einen, der auf ihrer Vitte liegt , oder wo er sich sonst innerhalb der Jahr- 
märkte auch aufhalte, eine Klage erhebt, soll der lübische Vogt, in den ange- 
führten Fällen nach lübischem Rechte Recht sprechen; sie bleiben von dem, was 
nach dänischem Rechte Mut (Verpflichtung vor dänischem Gerichte sich zu stellen) 
heisst, frey. Auch soll auf ihrer Vitte Niemand wohnen als ihr eigener Vogt, sie selbst 
und diejenigen, denen sie die Erlaubniss dazu ertheilt haben* Auf derselben 
sollen sie vier gemeinschaftliche Schenkhäuser {tabernaa) haben, und in Flaschen 
oder massweis^e Bier verkaufen dürfen. Ist auf den Jahrmärkten das Gesetz über- 
treten worden, so soll nur der Uebertreter, nicht der Unschuldige desshalb ge- 
straft werden , eben so wenig soll die Stadt für die Vergehungen ihrer Bürger oder 
die Herren iür die ihrer Diener haften; (alle altern Freyheiten auch ausser den 
Märkten im ganzen Lande werden bestätigt i). 

Auch die Stadt Rostock, und wahrscheinlich noch andere Städte, erhielt einen 
gleich unschätzbaren Freybrief in demselben Jahre 1352? der meist wörtlich dieselben 
Freyheilen , welche die Lübecker früher und eben auch in diesem Jahre erhalten 
hatten, den Ihrigen bewilligt Die wesentlichsten Verschiedenheiteh sind: dass die 
Rostocker von ihren eigenen Prahmen nach alter Weise zwey iüfari schonischer Pfen- 
nige zu entrichten haben. Der Umfang der rostockischen Vitte, die den Rostockern 
zum freyen Gebrauche gleich den Lübeckern bewilligt wird, war in folgendem 
Umfange bestimmt. Von der deutschen Kirche und dem Todtenhofe der Rostocker 
an, am Ende der sogenannten Travenstrasse auf der einen Seite um den Graben, 
zwischen ihrer Vitte und denen, die den Bürgern von Campen und Bremen ange- 
hören bis zur wismarischen Vitte; von der andern Seite zwischen der rostockischen 
und wismarischen Vitte, wo die Grenzkreuze stehen, und von da östlich und nörd- 
lich längs des Flusses Ettebeke bis zum rostockischen Kirchhofe und dem Ende 



1) ÜB. CLXXVf. 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 179 

der Travenstrasse zurücklaafend, nebst allen Wegen und Strassen innerhalb dieser 
Grenzen, also dass die Ettebeke das lübische und dänische Recht scheidet i). 

Bier in Flaschen und Krügen zu verkaufen wird ihnen bewilligt. Der Punct, 
dass der Unschuldige nicht für den Schuldigen, die Stadt nicht wegen der Vergehen 
Eines aus ihrer Mitte hallen solle, ist übergangen; dagegen werden bey der allge«* 
meinen Bestätigung aller den Rostockern im Reiche zustehenden Freyheiten nah- 
mentlich die vom K. Christoph erworbenen erwähnt ^). 

Was hätte aber der unglückliche König den Städten auch verweigern können, 
da er wegen des Besitzes von Schonen so unsicher war, und Lübeck und die andern 
wendischen oder Seestädte den Ausschlag in den Streitigkeiten geben konnten, in 
welchen er nicht nur mit König Waldemar III. von Dänmark, der stets nach der 
Wiedervereinigung dieses Landes strebte, sondern auch mit seinen Unter- 
thanen in Schweden und Norwegen, und sogar mit seinen eigenen Söhnen 
lebte: in der Noth hatte er auch an Lübeck seine Krone versetzt Ueber seinen 
Günstling Bengt Algotson, welchen er 1353 zum Herzoge von Halland und Stadt- 
halter von Schonen gemacht hatte, beschwerten sich die deutschen Kaufleute und 
Bürger bey ihm, dass er sie mit ungewohnten Zöllen drücke, und ihre Bitte wurde 
wohl, wenn der König es irgend vermochte, sofort gewährt, weil er Alles gewäh- 
ren musste, was sie begehrten, und er gewähren konnte; hat er doch den Mord 
seines Vogts in Munkaholm, Alexander Johannis von Tyrdhing, und die Verbrennung 
der Leiche desselben, ihnen verzeihen müssen, welche Gräuelthat durch Einige, die auf 
der lübischen Vitte, während der Märkte zu Skanoer wohnten, begangen worden, 
war 3). Aber es waren in allen seinen Reichen solche Unruhen ausgebrochen, dass 
er bey seinem besten Willen den Städten ihre alten Freyheiten kaum zu schützen 



1) Es fehlt au ähnlichen genauen Bestimmuugeni nvie oben fttr Lübeck und Rostock» über die Lage der ande- 
ren Vitteu, so wie an einer Angabe über den Umfang dieser Plätze, um die Lage derselben auf der klei- 
ne Erdzunge, auf welcher Skanoer und Falsterbo liegen, genau bezeichnen zu können. Die Bürger von 
Campen hatten ihr Feld neben dem nördlich gelegenen Schloss Skanoer nach Huwel hin (1307* 3 und 4* 
1336. 3« 1368« 50» Südlich tou demselben, nördlich iron der Vitte der "Wismarer, lag die oben näher 
beschriebene der Roetocker» Die Lübecker Vitte grenzte an eine Seite des deutschen Kirchhofes; au 
eine andere die der Greifswalder i welche am Meeresufer lag und au die Stralsunder grenzte« Die Har- 
derwyker sollten ihren Markt zu Falsterbo auf der Stralsuuder Vitte halten, doch besassen sie und die 
Zutpheuer eigne, Termuthlich kleinere Vitten (1316« 5« 1326* 3*)« Au die Stralsuuder grenzten auch die 
Anclamer, welche sich an die h. Christen -Kirche erstreckten (1338« 4« 1343* 3.)* ^^^ Hamburger erhiel- 
ten 1283* 2« ein Feld; Stavern und Hindelagen 1326. 4; Briel 1368« 3* 

2) UV. 1352. 3) ÜB. CLXXVIL CLXXX. 

Z 2 



180 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

vermochte, wie aus ihren wiederhohllen Klagen und den ohnmächtigen Zusicherungen 
von seiner Seite erhellet, da ihm seine eigenen Söhne Norwegen und Schonen 
mit den benachbarten Gegenden entrissen; nach seines altern Sohns Tod gelangle 
er zwar wieder dem Nahmen nach zum Besitze Schönens, und sein jüngerer Sohn, 
der sich eigenmächtig zum Könige von Norwegen erklärte, war dem unglücklichen 
Vater zum Mitkönige im J. 136I beygegeben 1). 

Um diese Zeit, bey den innern Kriegen und Unruhen im Lande, scheinen 
die vornehmsten Städte und besonders Lübeck eine Zeitlang gehofiFt zu haben, 
durch eine Annäherung oder Verbindung mit König Waldemar IIL von Länmark 
die Erhaltung ihrer Freyheiten zu behaupten, dessen geheimes Streben schon lange 
dahin giog, Schönens und der benachbarten Provinzen sich zu bemächtigen und sie 
wieder, als alte Erbtheile Dänmarks, mit seinem Reiche zu vereinigen. Zu diesem 
Zweck war ein gutes Einverständniss mit den Städten erforderlich. Er hatte von 
Lübeck in den J. 1354 und 1355 verschiedentlich Geldsummen erhalten. Er 
ertheilte im J. 1360) als er in Schonen eingefallen war, den Lübeckern und den 
gemeinen Kaufleuten und Städten überhaupt, seinen allgemeinen Schutz, in sofern sie 
seine Reiche besuchen wollen, seitdem er durch Gottes Hülfe Schonen wieder er- 
worben habe 2). Die Städte hatten an ihn eine Gesandtschad von Lübeck, Rostock, 
Stralsund, Greifswald und Wismar in demselben J. 1360 abgefertigt, deren Ver- 
handlungen uns aufbewahrt worden, woraus es deutlich erhellet, wie der 
König die Städte g^mz vom K. Magnus ab und auf seine Seite ziehen wollte, 
worauf sie aber nicht eingingen, unter sich jedoch beschlossen , dem Könige tau- 
send Mark lübische Pfennige, wegen der auszustellenden Freybriefe zu geben, 
und wenn er damit nicht sich begnügen wolle, noch zweyhundert zuzulegen 'S). 
Der Entwurf eines solchen Frey briefes von demselben J. 1360 ist auf uns gekommen, 
worin er den Bürgern der genannten Städte die Freyheit in sein Reich zu kommen, 
daselbst zu verweilen und zu verkehren zugesteht, sie vom Strandrechte, vom Recht 
des Arfk^p und die Erben von dem Abzugsrechte der im Lande Verstorbenen be- 
freyt; und ebenfalls der Entwurf einer allgemeinen Bestätigung der lübischen Frey- 
heiten im Lande nach beygelegten zwischen beiden Theilen obwaltenden Zwisten 4): 
es ist aber ungewiss, dass sie wirklich ausgefertigt worden. Noch im J. 136I 
beliebten die Städte Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Stettin auf 



4) ÜB. CLXxxnr. clxxvil clxxx. 2) üb. cc. 3) üb. cgi. 4; üb. den. 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. ißi 

Pfingsten zu Rostock von Neuem, dem Könige Waldemar vier tausend Mark lübi- 
scher Pfennige, für die dem gemeinen Kaufmanne zu erwerbenden oder zu be- 
stätigenden Freyheiten in Dänmark und Schonen zu geben l). Da er aber den 
Krieg gegen Magnus fortsetzte, 1361 auch die Insel Gottland, so wie nach grossem 
Blutbade Wisby wegnahm und plünderte, so vereinten sich die Seestädte hier- 
durch empört , dahin , dass aller Verkehr mit Dänmark und Schonen abgebrochen^ 
und BewafiFnete und Lebensmittel dem Könige Magnus, nicht aber dem Könige 
"Waldemar zugeführt werden dürften, mit welchem Magnus und seinem Sohne 
und Mitkönige Uakon sie sich gegen Waldemar verbanden 2). 

Magnus und Hakon ertheilten nun im J. 1361 die grössten Freyheiten den 
nahmentllch aufgeführten Städten und allen Städten und Kaufleuten der deutschen 
Hanse in ihren Reichen, auch in Schonen, welches aber nicht länger ihnen, sondern 
dem Könige Waldemar gehörte; doch enthält dieser Frey brief nichts, was nicht 
von den vorigen Herren von Schonen schon wäre zugestanden worden. 

Aber Waldemar HI. selbst ertlicilte den nahmentlich aufgeführten Städten 
Lübeck, Rostock, Stralsund, Bremen, Hamburg, Kiel, Wismar, Greifswald, 
Anclam, Stettin, Neu-Stargard und Colberg, und ihren Verwandten der deutschen 
Hanse, nach hergestelltem Frieden im J. 1365 die Befreyung vom Strandrecht in 
seinem ganzen Reiche, und in Schonen insbesondre die alten Freyheiten, doch mit 
einigen nähern Bestimmungen und Beschränkungen; diese bestehen in Folgendem: 
Die Gerichtsbarkeit auf ihren Vitten während der Jahrmärkte zu Skanoer und 
Falsterbo unter der bekannten Ausnahme der Verbrechen, die Hals und Hand 
angehen, und was neu' hinzugefugt ist, über Sachen, die auf vierzig Mark 
und darüber sich belaufen , auch bleiben für die königlichen Gerichte Beinbruch 
{benbroie) und vollkommene Wunden. Ihre Gerichtsbarkeit soll sich in der be- 
schnebenen Masse nicht nur über die Landsleute, die auf ihren Vitten, sondern 
auch ausser derselben, es sey mit Recht oder Unrecht, liegen, während der 
Jahrmärkte erstrecken. Das Gut auf umgestürzten Wagen ist nicht verfallen, eben 
so wenn ein Wagen irre fahrt und an unrechte Stätte kommt ; doch muss der 
Schade, der dadurch entsteht, ersetzt werden. Von den Gütern auf Prahmen und 
Lichterschiffen, die zu Grunde gehen, soll dasselbe gelten: sie sind nicht verfallen. 
Nicht verkaufte Güter kann Jeder gegen Abgabe Dessen , was sich gebührt, 
wieder au^hren. Das Uebergehen der Güter von Schiff zu Schiff, um sie nach 

1) ÜB. CCIX. 2) ÜB. CCX. . . . CCXIV. 



IS2 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Deutschland zu schiffen , zahlt keinen Zoll. Jeder kann mit seinen Waffen vom 
Strande zu seiner Herberge gehen, wenn er zum ersten Mahle ankommt, eben so 
Ton da zu Schiff, wenn er abreisen will, ohne Strafe, vorausgesetzt, dass er damit 
keinen Schaden zufiigt. Von jeder Prahme sind zwey, von einem Lichterschiff 
Eine Mark schonisch zu entrichten. Auf ihren Vitten dürfen sie Leinwand und 
Tiicher bey ganzen Stücken (fielen lakenen) und in kleineren Theilen (stuven) 
verkaufen, auch nach repen^ ]edoch, nicht ellenweise 5 ganze Tücher dürfen sie nicht 
zerschneiden (hele lalene moghen se nicht io sniden). 

Jeder zahlt von seiner eigenen Bude und Erde und deren freyem Gebrauch 
was bishei? davon gegeben ward, und wozu man von Rechtswegen verbunden 
ist: und das hier Enthaltene soll den früher erhaltenen Freyheiten keinen 
Abbruch thun. 

In demselben Jahre und an demselben Tage gab der König mit den Reichs- 
räthen den Städten Lübeck, Rostock, Stralsund^ Bremen, Hamburg, Kiel, 
Wismar, Greifswald, Anclam, Stettin, Neu-Stargard und Colberg auf sechs Jahr 
folgende ausgedehntere Freyheiten, die jedoch theilweise die Lübecker schon besessen 
hatten, die auch hier noch vor den andern Hansestädten begünstigt werden. Sie 
dürfen auf den Jahrmärkten zu Skanoer und Falsterbo Wantbuden haben, 
worin sie Leinwand und Tuch schneiden und verkaufen dürfen, ellenweise, nach 
Stuven oder im Ganzen , wie sie wollen , gegen eine Abgabe von drey Schilling 
Groten von jeder Bude; es ist ihnen ferner vergönnt, Gäste auf ihre Vitien 
aufzunehmen, vorausgesetzt, dass sie von der Hanse sind, die gleiches Recht ge- 
niessen sollen, als die Bürger der Stadt, der die Vitte gehört ; sie dürfen auf jeder 
Vitte drey freye Krüge (Schenkstuben) haben; sie können ihre eigenen Fischer- 
schuyten und Wagen haben, um sich derselben wie bisher zu bedienen, von jeder 
Schuyte haben sie vier halbe löthige Mark, von jedem Wagen 15 alte Grote 
lübischer oder englischer Pfennige, so lange sie sich daselbst aufhalten, zu entrich- 
ten 1). Der Bischof von Lund befreyte die genannten Städte, und die in der deut- 
schen Hanse sind, 1366 auf des Königs Bilte vom Strandrechtel Herzog Heinrich 
von Schleswig befreyte die Städte Lübeck, Rostock, Stralsund, Bremen, Hamburg, 
Kiel, Wismar, Greifswald, Anclam, Stettin, Neu-Stargard und Colberg und alle 
die mit ihnen in der deutschen Hanse sind, vom Strandrechte, und gestattet ihnen 
das schifibrüchige Gut zu bergen und den Erben der Gestorbenen aufzgijbewahreii. 

1) ÜB. CCXXIV 1365 und UV. eod. 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 133 

Aber der Friede mit König Waldemar war von kurzer Dauer. Herzog 
Albrecht von Mecklenburg sollte alle die nordischen Reiche haben, auch hat er 
den Städten von der Hanse, als vermeintlicher Herr von Schonen, welches Land 
er aber nicht erwarb, Freyheiten in demselben zugestanden, wie sie dieselben 
wünschten. Allein Albrecht kam nicht zum Besitz des Landes, wesshalb nur die 
von den dänischen Reichsräthen, Nahmens des K. Waldemar III., nach hergestell- 
tem Frieden im J. 1369 und 1370 ihnen ertheilten und vom Könige i371 bestä- 
tigten Freyheiten zu bemerken sind, Sie wurden folgenden Städten tmd deren 
Bürgern und Kaufleuten zugestanden, nähmlich: den Städten Lübeck, Rostock, 
Stralsund, Wismar, Greifswald, Stettin, Kolberg, Neu - Stargard, Cöln, Hamburg, 
Bremen, in Preussen Culm, Thom, Elbing, Danzig, Königsberg, Braunsberg und 
allen preussischen Städten; in Livland Riga, Dorpat, Reval, Pernau und allen 
livländischen Städten; ferner denen an der Südersee belegenen, Campen, Devcnter, 
Utrecht , Zwoll , Haspelt , Groningen , Zyrichsee , Briel , Middelburg , Armuiden, 
Harderwiek, Zütphen, Elburg, Stavern, Dortrecht, Amsterdam und allen den 
Städten, Bürgern, Kaufleuten und ihrem Gesinde, die in dem Kriege begriffen 
gewesen und in Recht dazu gekommen sind (wozu gleichsam alle gerechnet wer- 
den konnten, welche die Städte zu dem Genuss zulassen wollten). Diese Freyheiten, 
enthielten, nicht nur alles was früher war erworben worden, sondern wurden auch 
noch sehr bedeutend ausgedehnt 1). Gegen den gewohnten Zoll steht ihnen 
ireyer Handel in allen Theilen Dänmarks und Schönens zu, Befreyung vom 
Strandrecht, die Befugniss schiffbrüchiges Gut zu bergen, oder bergen zu lassen 
und den Erben aufzubewahren ; ihre Vögte auf ihren Yitten zu haben zu Skanoer 
und Falsterbode und wo sie sonst Yitten in Dänmark haben, um über die Ihri- 
gen , sie mögen liegen wo es sey , die untere Gerichtsbarkeit zu üben , Hals und 
Hand und vollkommene Wunden mit scharfen Waffen ausgenommen, es wäre 
denn, dass eine Stadt durch [des Königes Briefe zu Mehrerem berechtigt wäre; 
von den Inhabern der Vitte ist es abhängig, wer mit ihnen daselbst liegen soll, 
von denen, die vor Alters mit ihnen da gelegen haben; sie sind nicht \or die 
dänischen Gerichte zu laden, hat man etwas gegen sie zu klagen, so soll man 
die Sache vor den deutschen Vogt bringen, nach ihrer Stadt Recht, so auch 
wegen abgelegten Zeugnisses ; auf ihren Vitten können sie sechs Krüge Abgaben- 
frey halten, auf welchen Vitten man will, um da Bier, Meth und Wein zu 



1]) Man hat ein Privilegium AlbrechU t. h 1368 Hir Schonen und Dänmark das er nie erhalten, geringer 
als Waldemars ▼. 1370» aber zum betsem TerttSndniflt xu vergleichen. 



J34 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

verzapfen; hat man ihre Vitten verbaut, so sollen nach Ausweis ihrer alten 
Briefe oder ihrer ältesten Bürger, die in das Land kommen, dieselben Gebäude 
abgebrochen werden, auch sollen die Vitten ihre alten Grenzen behalten; Tuch 
und Leinwand, in ganzen Laken, oder bey Repen oder bey Stuven mögen sie 
daselbst verkaufen; in ihren Wantbuden können sie Tuch und Leinwand eilen— 
weise verkaufen; sie haben von der Bude einen Schilling Grote zu zahlen; alle 
ihre Amtleute (Handwerker), die auf den Vitten nicht liegen, Knochenhauer, Krämer, 
Pelzer und andere Amtleute sollen des Schutzes und ihres Amtrechtes geniessen, 
indem sie von jeder Bude einen Schilling Grote abgeben; sie können zu Schonen 
ihre eigenen Schuyten und Fischer haben und deren sich zum Fischfange bedienen, 
wenn sie von jeder Schuyte einen Schilling Grote abgeben ; ihre eigenen Wagen und 
Fuhrwerke können sie gleich frey gebrauchen , und haben von jedem acht Grote 
zu entrichten; stürzte ein Wagen um und litt der Kaufmann an seinen Gütern 
Schaden, so mag man Wagen und Pferde bey denr Gute behalten, bis der Schade 
ihm ersetzt ist; von einem Wagen von vier Pferden gezogen mit Tuch und Wein 
beladen, ist eine halbe schonische Mark denen zu geben, welche die Aufsicht ha- 
ben, sie haften dem Kaufmann für den Schaden; Wagen mit zwey Pferden ge- 
fuhrt geben nichts, man kann die Fuhr wem man will anvertrauen; die Kaufleute 
können bey Tage frey ihr Gut aus und einschififen, und ihre Waffen fuhren, 
w^enn sie vom Schiff nach ihrer Herberge oder von da zu Schiff gehen, tragen 
sie ausser der Zeit die Waffen, so ist die Busse eine schonische Mark; von Bord 
zu Bord die Güter zu schiffen ist im ganzen Reiche ihnen erlaubt; sie können 
ihre eigenen Prahmen und Lichterschuyten haben und ein und ausschiffen, sie ge- 
ben von der Prahme Eine, von der Lichterschuyte eine halbe schonische Mark; 
Keiner haftet für die Vergehen eines Andern, kein Knecht kann seines Herrn Gut 
verwirken; fuhrt der Kaufmann Gut von Skanoer nach Falsterbode oder umge- 
kehrt, so zahlt er nichts, fuhrt er es, anders wohin in das Land, so ist vom Wa- 
gen ein, Artich Pfennig zu zahlen; der königliche Vogt soll gegen den üblichen 
Preis nach freyem Uebereinkommen , ihnen abkaufen^ des Königis neue Münze 
soll nicht eher als acht Tage vor Michaelis ausgegeben werden; jeder Kaufmann 
soll beym Kauf des Königs Münze sich bedienen, bey einer Busse von fünf scho- 
nischen Marken; der Bauermarkt soll zu Falsterbo wie vordem auf der Vitte der 
Stralsunder seyn ; als Zoll sind von der Last Häringe innerhalb Landes zwanzig 
schonische Pfennige zu entrichten, der Häring, der um das Land durch den Sund 
geschifft wird, ist zoUfrey; das Schiff, in welches man den Häring schifft, gibt 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEx\. ^^35 

elf Schilling Grote, weniger vier Groten , entweder in Groten oder in englischen 
oder lübischen gäng und geben Pfennigen; eine Last Salzes aus dem Lande 
zwanzig schonIsche Pfennige; ein Deker Ochsen- oder . Kuhhäute 10 schonische 
Pfennige; ein Pfund Speck zwanzig; eine Tonne Butter gleichfalls 20 schonische 
Pfennige, so auch Honig und alle fette Waaren 20 schonische Pfennige; eine 
Tonne Kuhfleisch fünf; ein Pferd dessen Preis über zwanzig Mark ist, zwey Oere, 
darunter 2 Artich ; ein Packen Tuch Ton zwanzig Laken und darüber zwey Oere, 
ein Packen darunter eine; von Matten, Betten, Kleidern und Kisten ist kein Zoll zu 
zahlen. — Alle deutsche Kaufleute die zu Skanoer und Falsterbode eigenen 
Grundbesitz (erden) haben, d. h. ausserhalb der Vitten auf dänischem Grunde, 
dürfen sich desselben frey bedienen ; stirbt ein Deutscher in dem Reiche oder Lande, 
so soll der deutsche Vogt, oder der Angesehenste unter ihnen des Verstorbenen Ver- 
lassenschafl; dem rechten Erhen übergeben, und wäre der nicht gegenwärtig, so 
können sie das Gut nach dem Lande fahren wo es den Berechtigten zu übergeben 
i§t. Dieser Freybrief soll den andern Briefen keinen Abbruch thun , welche einige 
der Städte von den Königen haben mögen, sondern in Kraft bleiben, so wie 
diese, zu ewigen Zeiten. Beym Zoll kann man einen lübischen Pfennig für zwey 
schonische geben. 

Diess sinfl.denn die Freyheiten, die, man kann es wohl sagen, allen Hansen, 
und norddeutschen Städten in Dänmark und Schonen, zuerst in einer allgemeinen 
Urkunde so zugestanden wurden, wobey denn freylich einzelne noch mehr begün- 
stigte Städte ihre grösseren Freyheiten behielten. Da ihnen aber in dem Frieden 
zugleich Schonen oder die vier Hauptschlösser mit ihren Umgebungen daselbst auf 
fünfzehn Jahre abgetreten wurden, so haben sie gewiss nicht nur die ihnen zuge- 
standenen Freyheiten behauptet, sondern auch ohne Zweifel fester fiir alle Zukunft 
zu begründen sich bestrebf. 

Es wird nun erforderlich seyn, von dem Handel mit Dänmark wie er über- 
haupt geführt ward, so wie von den Gegenständen desselben, von der Einrichtung 
der Gesellschaften der deutschen Kaufleute im Lande besonders in Schonen zu 
reden, und von der Bedeutung dieses Verkehrs, rücksichtllch ihrer anderweitigen 
Handelsverbindungen mit andern Völkern. 

Die mannigfaltigen allgemeinen Freyheiten durch das ganze Reich wegen der 
Bergung des schiffbrüchigen Guts und des freyen Handels, des Verweilens, Kom- 
mens und Abfahrens haben die Deutschen auch in andern Ländern besessen und 
wahrscheinlich auch mit andern in das Land kommenden fremden Kaufleuten 

Aa 



186 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

getheilt. In wie fern sie im Zoll hier vor Andern begünstigt waren, lässt sich 
mit Gewissheit nicht ausmitteln, da man <lie von andern Völkern hier erhaltenen 
Freyhelten nicht näher kennt, wiewohl es wahrscheinlich, dass sie begünstigt vor 
Andern waren, vollends nachdem zugleich die Macht und das Ansehen der 
deutschen Städte , ihre Verbindung unter einander und mit den deutschen Fürsten 
einen solchen Einfluss auf die dänischen Angelegenheiten erhalten hatte. Ohne- 
hin war die Nähe besonders der benachbarten Städte der Ost- und Nordsee von 
grossem Vorlhell für sie, verglichen mit andern weiter liegenden Völkern. 

Es Ist zwar nichts der Art bekannt , dass in Dänmark , wie in "Schweden, 
Deutsche zum vollen Mitbürgerrecht In -den Städten gelangt wären , dass die 
Stadtobrigkeit der dänischen Städte wie dort, zur Hälfte aus Deutschen hätte be- 
setzt werden müssen : allein , sie hatten das Recht , auch ganz von Schonen abge- 
sehen, im Lande zu verweilen, und mehrere von ihnen haben sich daselbst 
niedergelassen , angekauft und ohne aufzuhören Deutsche zu seyn , doch ähnliche 
Zwecke erreicht. Am wichtigsten waren jedoch sonder Zweifel ihre Verhältnisse 
mit Schonen, ihre Fischerlager, ihre Gesellschaft, ihr Fischfang und ihr Handel 
daselbst auf den Märkten. 

Auch hier haben sie kein ausschliessendes Recht gehabt, es ist die Halbinsel 
auch .des Fischfangs wegen von andern Völkern besucht worden , der den Einge- 
borenen gleichfalls frey stand, aber gewiss ist kein anderes Volk so begünstigt ge- 
wesen; sie sind gar nicht abhängig von den Eingeborenen, sie stehen unter ihrem 
eigenen Rechte, sie haben ihre eigenen Niederlassungen, ihren eigenen Grund 
und Boden, und betreiben den Fischfang mit ihren eigenen Schiffen, x 

Auf Skanoer und Falsterbo haben sie die ältesten Niederlagen gehabt, auch 
fortdauernd behalten. Zur Zeit des Häringsfangs ward diese Gegend auf das zahl- 
reichste, sowohl von Fischern als Kaufleuten besucht, woran sich lebhaft besuchte 
Märkte knüpften; ein Vereinigungspunct nicht nur für Dänen und Deutsche, son- 
dern auch für andere Völker war entstanden. Wenn nach dem Fischfange 
und den Märkten ein grosser Thell der Gäste die Halbinsel verlless, so mussten 
doch Andere bleiben, um das erworbene Eigenthum an Grund und Boden, auch 
an beweglichem Gute zu wahren. Wir wissen gewiss, dass Deutsche auch in 
andern Städten der Halbinsel z. B. in Lund, eigene Höfe und Häuser besassen, 
dass Andere sich daselbst ganze Höfe und Häuser gcmiethet hatten, und dass noch 



YIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 137 

Andere, al« Reisende ab - und zugingen i). Sie haben hier auf der Halbinsel ihre 
Handwerker (Amlleule), als Knochenhauer, Krämer, Pelzer und andere gehabt, 
die ihr Amtrechl hatten, und die nicht auf ihren Vitten lagen, sondern ausserhalb 
derselben, aber \on ihren deutschen Vögten gleichfalls mit deutschem Rechte ge- 
schützt waren. 

Ihre Vögte auf den einzelnen Vitten in Skanoer und Falsterbo waren fi-eyllch 
nur zunächst zum Rechtsprechen von den einzelnen Städten für ihre daselbst sich 
aufhaltenden Landsleute und die, welchen sie daselbst zu ^vohnen erlaubt 
hatten 2), angestellt, und zur Handhabung und Vertheidigung der erworbenen 
Rechte der Stadt, von welcher sie ernannt waren und der sie angehörten, gegen 
die dänischen königlichen Vögte: allein diese für einzelne Städte und deren An- 
gehörige bestellten Richter, traten auch zusammen und sprachen in Angelegenheiten, 
die das Allgemeine angingen; sie versammelten sich von Zeit zu Zeit, wie etwa 
die justices oj peace bey ihren quarter sessions in England noch thun. Es 
scheint dass etwas Aehnliches gleichfalls unter den deutschen Kaufleuten und bey 
ihrer grossen Handelsgesellschaft auf Gothland bestand, wie denn daselbst die 
Vögte einzelner Städte für ihre daselbst sich aufhaltenden Kaufleute vorkom- 
men , dann aber auch gemeinschaftliche Beschlüsse im Nahmen Aller dieser Kauf- 
leute gefasst werden, auch hinwieder verschieden von den Beliebungen der auf 
Wisby angesiedelten und eingebürgerten Deutschen , welches Letzlere jedoch in 
Schonen und Dänmark in dem Masse nicht statt gefunden hat, da die Deutschen 
zu dem Ansehen in den schonischen und dänischen Städten nicht gelangt sind, 
dass sie wirkliche Glieder des Stadtraths und in derselben Stadt eine vereint 
deutsch '-dänische Stadtgemeinde und Obrigkeit gebildet hätten; daher vertreten auch 
die Vögte auf den Vitten , diejenigen welche ausserhalb derselben liegen. Auch 
ist der Unterschied zwischen der Leitung dieser deutschen Gesellschaften von de- 
nen in andern Ländern zu bemerken. In Nowgorod haben die einzelnen Städte 
so wenig für die Ihrigen Vögte, als iq Brügge, den übrigen 'Niederlanden, oder in 



1) CXXII^ und Urk. 1370 in TTaldemars Piivil. helsst es : die ausserhalb der Vitten eigen Erde oder Höfe 
besitzen, sollen derselben sich frey bedienen. 

2) Es wurde, wie es scheint meistens nach lübischem Rechte, welches in den Ostsee «Städten allgemein 
terbreitet war, gesprochen ; ein Codex desselben ist für den Vogt der Lübecker zu Schonen geschrieben, 
welcher auch besondere Achtung genoss* Er erhielt nach dem alten Memorialbuche vom J* 1318 sq. (augef. 
bey Dreyer de jure naufraßii S.65* und bey AYillebraudt hans. Begebenheiten S. 34*X 8 Schillinge für 
einen Frohnen i 31 M. Pfenn. für seine Arbeit und Kleidung , ein halbes Dutzend caligae (ad marginem 
Hosen) und zur Bewirthuug der Landesherrn eine Tonne AYein. L. 

Aa 2 



jgg ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

England , sondern es stehen ein Olderman oder einige Oldermänner an der Spitze 
des Ganzen, deren Wahl zwar verschiedentlich bestimmt ist, deren Beschlüsse 
aber stets das Ganze betreffen. Der Grund dieser Verschiedenheit in der Ver- 
fassung der Gesellschaften in Schonen scheint in der grösseren Nähe der wichtig- 
sten theilnehmenden Städte, so wie in der geringeren Gemeinschaftlichkeit des 
Betriebes bey den Fischereyen und auf den dortigen Jahrmärkten zu liegen. 

Das Zusammentreten der Vögte für die allgemeinern Fälle, wo die Sache 
nicht eine einzelne Stadt anging, kann mit Urkunden belegt werden. So kommen 
gemeine Vögte zu Skanoer und Falsterbode vor, die über den Heringsfang Be- 
schlüsse fassen und diese jeder seinem Stadt -Rathe vorzulegen belieben, um sie 
von diesen Stadträthen bestätigt zu erhalten i). Eben so kommen vier Vögte zu 
Falsterbode vor, die offenbar zusammengetreten und doch gewiss nicht aus 
einer Stadt waren , und fällen ein Urtheil in Sachen eines Kaufmanns Hein- 
rich Blake gegen den Schiffer Heibprd Hamer und Heinrich von Bremen wegen 
Frachtlohns, in welchem die Vögte über die Ungültigkeit des vermeinten Zeugen- 
beweises sprechen und das nicht auf einer oder der andern Vitte, sondern auf 
dem gemeinschaftlichen Kirchhofe zu Falsterbode 2). 

Wenn nun diese ihre Ansiedelungen zu Skanoer und Falsterbode die ältesten 
waren und auch den ganzen Zeitraum hindurch die vorzüglichsten blieben, so 
haben sie doch auch andere sonst auf der Halbinsel gehabt, wie ihnen denn auch 
in den Freybriefen das Recht ^zu war bewilligt worden. 

Wir haben über die Bildung einer solchen Gesellscliafl zu Malmoe eine Ur- 
kunde, welche auch Lübeck bestätigt hat, und welche etwas abweichend von dem 
ist, woraus und wie sich die Sache in Skanoer und Falsterbode gebildet hatte. 

Es erklären die Deutschen welche Malmoe auf Schonen besuchen, dass sie 
im Jahre 1329 ^^™ Besten der Reichen wie der Armen eine Gesellschaft geschlos- 
sen hatten, die ihnen Lübeck auch was sie angeht und für ihre Bürger bestätigt, 
welche Genehmigung von andern Städten ebenfalls einzuhohlen, und wahr- 
scheinlich erhalten war. Lübeck war schon in dem Verein die bedeutendste Stadt, 
und bey einem Zwist der unter den Gliedern dieser Gesellschaft ausbrach, wen- 
deten sie sich an dieselbe. Die Einrichtung desselben war folgende 3) : 

Jeden neuen Ankömmling, Gast (Landsmann) der Niemanden in Malmoe hat, 
der ihn vertritt, sollen die Genossen der Gesellschaft, wenn er stirbt, mit eben 

1) ürk. er. 2) CXXXIlb. 3) CXXXIII» et b. 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 189 

der Feyerlichkeit zur Erde bestatten, als Jedes andere Mitglied derselben; eben 
so den Diener eines Genossen , mit Leichentuch {bysso) und Lichtem , wie ;seinen 
Herrn. Sollte aber ein Kaufmann daselbst ankommen, welcher den Eintritt in die 
Gesellschaft verschmähte, der soll dieser Ehre entbehren. Jeder der eintreten will, 
soll sich Yorsehen, dass er keinen Streit mit einem Genossen habe , damit daraus 
keine Gefahr fiir die Gesellschaft entstehe ; darüber sollen die Vorsteher der Gesell- 
schaft insbesondere wachen, dass eines solchen Nähme im Buche gestrichen werde, 
bis der Zwist beygelegl sey. Jeder neu aufgenommene Knappe oder Diener hat 
zwey Oere schonischer Pfennige zu erlegen. 

Träte Einer mit Waffen in die Sitzung der Genossen, so soll er einen Artich 
schonischer Pfennige bezahlen, und wiedersetzt er sich dem , eine halbe Mark der- 
selben. Hätte ein Genosse einen fremden Gast eingeladen, der mit Waffen ein- 
träte, so soll der welcher ihn geladen hat die gleiche Busse entrichten; und 
stritte der Gast mit einem der Gesellschaft, so soll der, welcher ihn geladen, die 
Busse entrichten, welche ihm die Gesellschaft auflegen wird. Tränke einer dem 
andern ohne Erlaubniss der Trinkherrn {pincernarum) einen vollen Becher zu, ist 
die Busse ein Artich derselben Münze. 

Widersetzt sich einer den Vorstehern {provisoribus\ so urtheilt darüber die 
Gesellschaft. • 

Yerheirathet sich einer derselben in Dänmark und lässt sich daselbst nieder , so 
ist sein Nähme aus dem Buche zu streichen. 

Entsteht ein Zwist unter den Mitgliedern, so ist es die Sache der Vorsteher 
sie sofort zu vertragen ; geschieht es nicht , und entsteht daraus weiteres Unglück, 
so urtheilt die Gesellschaft darüber mit Rath und Hülfe der Städte. 

Ist ein Ehrloser in das Buch eingeschrieben worden und wird diess nach- 
mals bekannt, so ist dessen Nähme in dem Buche zu tilgen. 

Diese Vorschriften sind in so weit ähnlich denen, die auf andern deutschen Nie- 
derlagen in dieser Periode galten, als man gegen die Fremden zusammenhalten, sich 
schlitzen, seine Ehre behaupten, und jeden Innern Zwiespalt vermeiden musste, 
auch den ausstiess, der eine Fremde helrathete, sich unter Fremden niederliess und damit 
unter das fremde Recht kam. Allein diese Gesellschaft hat zwar Vorsteher, nicht 
aber Vögte, Richter wie in Skanoer und Falslerbode, und sie ist wahrscheinlich 
diesen oder unmittelbar den Städten, besonders Lübeck unterworfen gewesen. Auch 
Waldemar HL spricht in seinem Freybriefe nur im Einzelnen Ton Skanoer und 
Falsterbode. Späterhin hat sich die Anlage zu Malmoe mehr ai»*;gebildet 



190 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Welche Gegenstände den Handel zwischen beiden Theilen ausgemacht haben, 
das lässt sich mehr yermuthen als urkundlich nachweisen, besonders desswegen, 
weil in den wenigen Stellen die in den erhaltenen Freybriefen, die Zölle betreffend 
vorkommen, diese entweder nach Wagen oder Schiffen bestimmt werden, und 
wenn einzelne benannte Güter mit besondem Abgaben belegt werden, fremde Güter 
die eingeführt, mit denen die aus dem Lande geführt werden durch einander ge- 
worfen sind, und daher bey einigen wenigstens es zweifelhaft bleiben kann, ob 
man sie den einen oder andern bey zuzählen habe, wie z. B. dem Salze, obwohl es 
wahrscheinlich ist, dass es yornehmlich yon Deutschen eingeführt worden sey l). 

Gewiss ist es, dass die Deutschen wollene Tücher 2), Leinwand, Wachs, 
Honig, Pelzwerk, Matten, Betten und Kleider hergeführt haben ; diess ist urkundlich 
zu beweisen: aber daraufwaren sie gewiss nicht beschränkt, denn von Kisten sollte 
gar kein Zoll entrichtet werden, und diese enthielten wahrscheinlich die Kramerwaaren 
verschiedener Art, wie denn ihre begünstigten Handelsverbindungen mit Russland, 
den Niederlanden und England und der daran sich knüpfende grosse Zwischen- 
handel sie mehr dazu in Stand setzte, die Dänen damit besser und wohlfeiler zu 
versorgen, als sie selbst es vermochten. Auch die Erzeugnisse ihres eigenen 
städtischen Kunstfleisses mögen Mehreres dazu beygetragen haben^ da sie in dieser 
Hinsicht damahls den Dänen wohl überlegen waren. 

Ihre Ausfuhr bestand urkundlich in Pferden, Rindvieh, eingesalzenem Fleische, 
Butter und andern Fettwaaren und gewiss in noch andern Erzeugnissen des Bo- 
dens, gewiss weniger des Kunstfleisses und noch weniger, weil auch in der Beziehung 
die Deutschen den Dänen weit überlegen waren, in Sachen die jene von andern Völ- 
kern eingetauscht hatten; die Deutschen waren die grossen Zwischenhändler der 
Zeit und haben gewiss I^iemanden durch Abnahme solcher Güter darin bestärken 
wollen, vielmehr waren sie stets aufs eifrigste bemüht, durch ihren Handel zur 
ersten Hand hinaufzusteigen , und den Zwischenhandel , so weit als thunlich für 
andere Völker zu betreiben 3). 



1) Es hcisst eine Last. Salzes yom Lande in Waldemars m. Frey Brief v. J. 1370» 

2) König Erich Meuveds Zollrolle vom J. 1304 beuenul sclion Tücher von Gent , Tpern, Poperiugeu, Ni- 
▼elles» Antwerpen, Tournay, Ardeuburg, Brügge u. a. S. Suhm XI. 457. 

3)Dumbar in seinem kerkelyk end wereltlyk Deventer führt S.487* aus Henr. Burman, rer. Tran- 
sisalen» lib. 3* an, dass Deventer nach Norwegen, Dänmark und Schweden, die den Rhein herabkom« 
menden Güter, welche Venetlaner, Genueser und andere Völker aus Aegypien, Indien, Arabien u, a* 
Ländern brächten und den Rhein herabgekommen wären, geführt hätte. Urkundlich ist das nicht be- 
wiesen, luid gewiss sind diese orientalischen Waaren, wenn überall, doch sicher selten den Rhein herab- 



VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 191 

Eben zu diesetn Zweck war ihnen nun die Ausfuhr des Härings aus dem Lande 
der wichtigste Artikel, da diese zollfrey war wenn der Häring durch den Sund 
geschickt ward und die Schiffe nur eine kleine Abgabe zahlten, wie schätzenswerth 
ihnen auch andere im Dänischen fallige Güter sonst seyn mochten. Nicht nur zum 
eigenen Verbrauche, sondern nach ihren auswärtigen Niederlagen hin führten sie 
den Fisch, und er hat gewiss, eben sowohl als in den vereinigten Niederlanden, itx 
einer spätem Zeit an andern Küsten gefangen, ihrer Seemacht und ihrem Handel 
mit Fremden vorzüglich zur Unterstützung gedient Eben desswegen war es aber 
auch von gleich grosser Wichtigkeit für sie, da«s sie mit guter Waare die Frem- 
den versahen; nahmentlicb schienen sie besonders auf das Einsalzen das zu Scho-* 
nen betrieben ward zu sehen, so wie auf die Vermeidung betrüglich gefertigter Hä- 
ringstonncn, die zu geringe Quantitäten enthielten: aber diese Vorschriflen und die 
Klagen über den Betrug haben nie abgenommen, so wenig als die in andern 
Handelszweigen über verfälschte Tücher u. s. w* Es lag in der ganzen Art wie 
der Handel geführt ward, so wie an dem nie ganz zu zügelnden obwohl 
unverständigen Bestreben der Einzelnen, durch Betrug sich schnell zu berei- 
chern, keinesweges aber an dem ernsten Willpn der städtischen Obrigkeiten oder 
den Vorstehern der Kaufmannsgesellschaflen. Die Lübecker schrieben in der Absicht 
im J. 1337 an die näher vereinten Städte Wismar, Rostock, Stralsund und Greifs- 
wald, woselbst so wie in Schonen, die Tonnen verfertigt wurden; sie stellten 
die Gefahren die aus der Verschiedenheit der Tonnen fiir viele Kaufleute entstän- 
den dar, und hatten auch einige ihrer Böttiger mitgeschickt, um darüber das Nöthige 
zu berathen : aber die Beschwerden haben nie ganz aufgehört und die beliebten 
Vorschriften desshälb nie ganz den Zweck erreicht. 



gekommen; sie waren auf dem allgemeinen Markte su Brügge zu finden» und nicht nur von Deveuter 
sondern von allen Völkern die dahin kamen. Dass die norddeutschen Kaufleute diese Güter von da 
auch nach diesen nördlichen Gegenden geführt haben, ist sehr wahrscheinlich, nur nicht mit Urkunden 
zu belegeift — In einer Urkunde (CXCII) vom J. 1359 beschwert sich ein Bürger iron Malmoe Nahmeus 
Matthäus Murer gegen den Rath zu Lübeck, dass er einem lübischen Bürger beym Einfall Waidemars III« 
in Schonen einen Pack Waaren aufzuheben anvertraut habe , den ihm dieser veruntreut , darin seyen 
mehrere von ihm angegebene Sachen gewesen, aber wie scitwierig auch im Einzelneu diese Waaren zu 
erklären üeyn mögen i so kann mau ^och iiir unsem Zweck hier nichts daraus abnehmen, da man nicht 
sagen kann, woher Murer dieselben hatte* 



192 ZWEYTE ABTHEIL. GESCtt DES HANDELS. 

FÜNFTER ABSCHNITT. 

Handel der niederdeutschen Kaufleute und Städte mit Norwegen. 



N, 



ocli wichtiger war der Verkehr mit Norwegen fiir die Deutschen wegen 
der eigenthümllchen Erzeugnisse des Landes,'der Waldungen, vornehmlich aber des 
reichen Fischfangs an dessen Küsten, auch den entferntem Besitzungen, Islands 
und der Faröer Inseln, Grönlands, der schottischen, bald mehr bald weniger von 
Norwegen abhängend, mit welchen sie damahls seltener oder gar nicht un- 
mittelbar, sondern über Norwegen mittelbarer Weise einen Verkehr betrieben 
oder zu deren Erzeugnissen gelangten. 

Wie wichtig dieser Verkehr für die Deutschen war, so alt war er auch. 
Schon im eilften Jahrhundert kommen zur Zeit Oluf Haraldson des heiligen Sach- 
sen daselbst nebst vielen andern Kaufleuten nahmentlich Dänen zu Tunsberg 
vor 1). Städte, wo Handel war, sind früh hier gegründet, und von den Völ- 
kern aus der Ost- und Nordsee besucht worden. Auf die älteste Stadt Tuns- 
berg, folgte Stavanger, dann das im J. 997 gegründete Trondheim, im J. IO6O 
Opslo, und gegen 1076 Bergen. 

Allein wie alt und wichtig dieser Verkehr auch war, so scheinen die Deut- 
sche dennoch anfangs hier mit mehr Schwierigkeiten als in Russland und in 
Schonen zu kämpfen gehabt zu haben, bevor sie einen dauernden, geschütz- 
ten, durch Freyheiten begünstigten Handel, oder ihre Handelsherrschadt im 
Lande begründen konnten. Es war an den norwegischen Küsten ein grösseres 
Zusammenströmen anderer östlicher und westlicher Völker, als in der Ostsee. Eng- 
länder und Schotten, durch Nachbarschaft und andere Ursachen angetrieben, sind 
hier früh und häufig erschienen ; früher als die Deutschen haben sie daselbst Han- 
delsfreyheiten besessen und Wohnungen, ja ganze Strassen in den Städten innege- 
habt 2). 



l)Siiorre Sturlesou konunge Saga 59* 75« 

2) Holbergs Betchr. tou Bergen I. 6. 127. 164. 165. 170* Von dem Verkehre der E(ig1äuder zeugt 
urkundlich der vom König Heinrich llf« dem Könige Haquin you Norwegen im J« 1217* angebotene Ver- 
trag (R y m e r 1. 149*)> wornach den beiderseitigen Unterthanen freyer Handel in beiden Ländern gestattet 
seyu sollte* Mit den Holländern aber soll im J. 1237» weil sie ihre Schiffe an einem den SchüTern der 
Einwohner unbequemen Orte auf der Brücke der Sudt anbanden, es zu Schlägereyen gekommen <«yu, 
welche erst der König beschwichtigte. Torfaeus IV. 26* Ueber den Verkehr der Deutschen zu IBergen 



FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 193 

Die Deutschen hatten die Eifersucht dieser Nebenbuhler und den Widerwil- 
len der. Eingeborenen, besonders der Stadt Bergen, deren Bürger mehr oder 
weniger ausschliessenden Handel zwischen Ihren Landsleuten und den Fremden 
leiten und in ihrer Hand behalten wollten, zu bekämpfen. 

Urkundlich lässt sich der Verkehr zwischen Norwegen und den deutschen 
Städten erst um die Mitte des dreyzehnten Jahrhunderts nachweisen. So 'haben die 
Lübecker im J. 1250, vom Könige Hakon (1218-1262) der früher höchst unzu- 
frieden mit ihren sogenannten Seeräubereyen gewesen seyn soll, was wohl nichts 
weittic als eine Fehde zur See zwischen beiden Theilen bedeutet i), die allgemeine 
Freyheit erhalten, Norwegen zu besuchen, daselbst ihren Hander zu treiben, und 
mit ihren Schiffen ungehindert an den Küsten zu landen, unter der Bedingung, dass 
den Unterthanen des Königs gleiche Freyheit zu Lübeck zugestanden würde; die 
Hamburger aber erhielten im J. 1264 vom Könige Magnus dem Gesetz verbesserer 
(1262-1280) das Recht ihrer alten Freyheiten {gratia et socieias) sich zu bedienen^ 
wie sie von des Königs Vater ihnen zugestanden worden waren 2). 

Unter diesem Könige Magnus ist auch auf Ansuchen mehrerer See- 
städte und besonders auf die Bitte zweyer Abgeordneten der Stadt Lübeck, 
Heinrichs Steneken und Alexanders von Soltwedel, den Kaufleuten deutscher Zunge^ 
Gästen und Ankömmlingen im Lande in d. J. 1278 die Befngniss zugestanden 
worden, ihr schiffbrüchiges Gut selbst, oder mit Hülfe der Eingeborenen zufolge 
eines bestimmten Berglohns zu retten, und untersagt, dass Niemand es ansprechen 
solle, bevor die Eigenthümer dasselbe nicht aufgegeben hätten; sie werden gegen 
das Zeugniss berüchtigter Personen gesichert und, wenn sie Bürgschaft stellen, 

iflt aber die Nachricht nicht zu tibersehen, daas ums J. 1166 Küuig Suerrers dentelbeu, weil sie zum Verderbe 
des Landes Fische» Fettwaaren und Wein iu grossen Schiffen zuführten, den Zutritt Terweigeru wollte« 

S.Suerrers Sage 104. Torf a eus IV, 1, 3. L* 

1) Diese Nachrichten erzählen iron dä'uischeo, -wendischen und deutscheu Schüfen, welche zur Zelt der 
Fehde Dänmarks mit Lübeck irom K5nige von Norwegen wegen einiger seinen Unterthanen im Grünsund 
geraubten Schilfe genommen, doch auf Verwendung des zu Bergen verweilenden päbstlichen Legaten, Wilhelm, 
Cardinal von Sabiua, den Kaufleuten zurückgegeben wurden* S. Clausens Snorra S. 735* Torfaeu s IV. 35* 

Unerwähnt darf hier die Nachricht nicht bleiben, dass König üakon im J. 1247 deutsche Handwerker, 
welche von der Mehrzahl derselben , den Nahmen der deutschen Schuster Jahrhunderte hindurch geführt 

« 

haben, nach Norwegen rief und ihnen diejenigen Gegenden der Stadt Bergen einräumte, welche früher 
Engländer und Schotten ausschliesslich besetzt hatten. Die Gegenwart dieser deutscheu Colonisteu kana 
auf die frühern Verhältnisse des deutscheu Handels nach diesem Lande tlicht ohne Einfluss gewesen seyn» 
wenn derselben auch in den älteren hansischen Urkunden nicht gedacht wird ; doch in späteren Zeiteii ist 
das wahre Verhältniss der Handels - mit den Handwerker - Colonien zu Bergen bekannt. L« 

2) UV. 1250. 1264. 

Bb 



n 



194 ZWEYTE ABTHEIL. GESCtt DES HANDELS. 

von persönlicher Haft bey Schuldsachen oder kleinen Vergehungen, die nicht an 
Hals und Hand gehen, befreyt; auch ward den Lübeckern insbesondere eine schnelle 
Rechtspflege zugesagt i). Der Handel der Deutschen blieb aber selbst nach diesem 
Freybriefe noch sehr beschränkt und wenig begünstigt. Es stand ihnen frey, im 
Reiche auf ein halbes oder ganzes Jahr sich einzumiethen, in diesem Falle scheinen 
sie aber auch den gleichen Lasten der Eingeborenen unterworfen zu seyn, denn nur 
die, welche sich auf eine kurze Zeit im Lande aufhielten, werden von dem Dienste 
der Nachtwache befreyt. Der König beschränkte den freyen Kauf kleiner Waaren 
auf die offenen Strassen, die Brücken und Plätze bey Kirchen und Kapellen, so wie 
den Kauf der Felle , des Leders und der Butter auf kleine Quantitäten und auf 
eine bestimmte Zeit des Jahrs. Er entsagte dem Rechte ihre Schiffe an- 
zuhalten und. Dienste auf seinen Schiffen von ihnen zu begehren, in dringender 
Gefahr will er sie darum freundlich ersuchen; er beschränkt sein Vorkaufsrecht 
auf drey Tage, von der Zeit an zu rechnen, dass sie seinen Beamten ihre An- 
kunft würden gemeldet haben , binnen welcher Zeit die Beamten ihnen zu erklären 
haben, welche Güter und zu welchen Preisen sie dieselben fiir den König behal- 
ten wollen; nachher soll ihnen der freye Verkauf zustehen, es wäre denn, dass ein 
allgemeines Verbot das Verfuhren der Güter von einem Orte zum andera , oder 
deren Ausfuhr untersagte. Den Bremern ist dasselbe im folgenden Jahre insbeson- 
dere zugestanden worden 2), 

Dieses Einverständniss zwischen beiden Theilen, obwohl von Herzog Hakon 
von Norwegen im J. 1282 bekräftigt, welcher den Städten Lübeck, Rostock, 



1) Diese haiisischeu Privilegien werden erst ganz deutlich, wenn man das Stadtrecht von Bergen t. J. 
1S76 berUclisichtigt. Nach diesem haben die Fremden die Verpflichtung Stadtwachen zn thuu, Heerbanns- 
geld zu erlegen, zu helfen, wenn Schifl'e an das Land zu ziehen waren. Wer ein Haut in der Stadt be- 
lass oder auf ein ganzes Jahr miethetCi galt fiir einheimisch. S. Fouguer Lundht Ausgabe des Sudt- 
rechts irou Bergen. Kbhvu. 1829« 4?» 

2) UV. 1278. 3 ; 1279, 1. Die Nachricht über ein Ton Herzog Erich den Stralsunderu und Rostockern gegen das 
Strandrecht ertheiltes Privilegium, dessen Siegel bey Westphalen Man. ined. T. IV. 1257. Tab.13. 
n. 7# gestochen ist, bedarf näherer Bestätigung. Ueber den Ausdruck liheri a tractione narium s. Drey er 
92* Es scheint darunter nicht nur die Beschlagnahme der Schiffe i sondern auch der Zwungsdieust auf 
des Königs Schiffen verstanden zu werden. (Die sonst vorkommenden Umschreibungen dieser 
Ausdrücke, wie 1296: lahores faciendi circa extractionem alicuius navis^ quod volgo Schipdracht nuncupa^ 
iur , scheinen doch nur auf das Fortschaffen ton Schiffen durch persönliche Anstrengungen , d. •• Treylea 
bezogen werden zti können und sind durch die Eigenthümlichkeiten des Hafen zu Bergen zu erläutern. 
S. auch Huldorson lex* island: Skipdrattr, subductio navis, L.) 



FÜNFTER ABSCJiN. HAND. D. NIEDERD KAUFL U. STÄDTE M. NORW. 195 

Stralsund und Hamburg und andern Seestädten ihre alten von seinem Vater und 
Grossvater ertheillen Freyhciten bekräftigte, hat nicht lange bestanden. Die Städte 
traten in Verbindung mit König Erich von Dänmark, wegen des ihnen von neuem 
vom Könige Erich Magnussen von Norwegen (1280-1299) zugefugten Schadens; 
worauf der König von Dänmark den Handel der Normänner In seinem Lande 
auf Bitte der slavischen Städte beschränkte. Als nun König Erich Magnussen 
Ihnen mehrere SchlfiFe wegnehmen Viess^ so brach eine neue Fehde aus (i284) ^)« 
Wiewohl nun der König in rfetnselben Jahre den Städten Lübeck, Hamburg, 
Wismar, Rostock, Bremen, Stralsund, Greifswald, Stettir^-, Demmin, Anclam, 
Gothland (d. h. Deutschen auf Wisby), Elbing, Riga und Reval erklärte, den erlitte- 
nen Schaden^ zu Vermeidung grössern Uebels, Allen, welche denselben vor ihm 
oder seinen Richtern glaubhaft nachweisen würden, zu ersetzen und ihnen zu 
ihrem Rechte zu verhelfen, unter der Voraussetzung, dass Gleiches den Seinigen 
von den Städten bewilligt werde j und er ferner den deutschen Kaufleuten alle von 
seinem Vater und seinen Vorältern erhaltenen Freyhelten bestätigte: so waren doch 
die sieben slavischen Städte Lübeck, Rostock, Wismar, Stralsund, Greifswald, Riga 
und die Deutschen auf Wisby damit nicht befriedigt. Sie erzwangen vielmehr nach 
einer gegen das Reich unternommenen und glücklich beendigten Fehde in dem 
Vertrage zu Calmar mit König Erich v. J. 1285 nicht nur einen binnen Jahresfrist zu 
zahlenden Schadensersatz von 6C00 Mark nordischen Silbers, die Herausgabe der In 
Beschlag genommenen Personen und Sachen, und die Bestätigung ihrer alten 
Freyhelten, sondern auch das unschätzbare Recht in Norwegen mit den dahin 
kommenden Fremden, und allen nordischen Landleuten, ohne die Z^\Ischenhand 
der Bürger der Städte Norwegens unmittelbar zu verkehren, zu jeder Tagszeit 
gleich den Ortseinwohnern, wenn anders nicht ein allgemeines Verbot diess Allen 
und Jeden untersagte: Gleiches soll den Normännern in den deutschen Städten zu- 
stehen. Der Handel mit Oehl oder Thran {Jlalins oder Ilalius genannt) steht Ihnen 
frey. Sie erhielten femer das Recht an der Brücke zu Bergen mit ihren Schiffen 



1) Nach der Chronologia ah a. 266 «d 1430 im J« 1283, nach der von 815-1412. im J.1284, Graf Alf der 
Kleiue von Tonsberg fUgte den Deutschen Seestädten in diesem Kriege vielen Schaden zu, worüber wie 
noch alte däuische Lieder berichten, manches Rosenlied Rostocks bleich geworden ist. (Kiämpe 
Viserue III. 14 und 15. Udvalgde danske Viser. If. n. 90 und 91). Vorziiglich wurde er ihnen durch 
•eine Angriffe auf Skanoer gefährlich. S. Script, Rer, Dan, II. 265. V# 5J1- Als er jedoch 
nach dem zu Calmar geschlossenen Frieden noch imJ. 1290 seine Freibeutereyen fortsetzte, wurde er 
von dem dänischen TruchseM David Thorstesson gefangen und bey Helsingborg gerädert. S. ChronoU 
de 815 - 1412» bey Fant. Script. Rer. Suec. pag. 4t. L. 

Bb 2 



196 ZWEYTE ABTHEIL. GESCR DES HANDELS. 

anzulegen, unter der Bedingung vor der AusscbifFung dem Aratmanne des Königs eine 
Anzeige zu machen und um dessen Einwilligung anzuhalten. Beyder Theile Kauf- 
leute sollen im Fall, dass Schlägereyen oder würkllche Beleidigungen zwischen 
ihnen yorfielen, gleich den Einheimischen auf Vorschreiben des Königs oder der 
Städte, jedoch mit Maass, gestraft werden. An aufrührischen Haufen sollen sie, bey 
de^ darauf gesetzten Strafe nicht Theil nehmen. In den Rechtsstreiten der Deutschen 
mit den Normännern bleiben sie dem königlichen Amtmanne unterworfen und 
werden gleich den Eingeborenen nach des Reichs- oder Orts -Gewohnheiten gerichtet. 

Im Fall, dass die Städte vom Könige von Dänmark um Hülfe angesprochen 
.würden, so sollen sie demselben nicht beystehen, wenn der König von Norwegen 
sich dem Rechtsspruche zweyer oder dreyer Personen unterwerfen will; sprächen 
diese gegen den König von Norwegen, so steht es den Städten frey den Dänen 
Hülfe zu leisten. Datiert der Krieg zwischen Dänmark und Norwegen fort, so haben 
die Kaufleute das Recht binnen eines Monats nach erfolgter Absagung frey ab- 
zuziehen, oder von beiden Theilen ungestört da zu bleiben, wo sie* sind. 
König und Städte wollen sich ferner nicht befehden und ihren gegenseitigen Fein- 
den nicht beystehen. 

Alles diess soll auch fiir die Städte Campen , Stavern und Groningen gel- 
ten, wenn sie ihren erlittenen Schaden bis Johannis eingeben, und ein Abschluss 
getrofiFen wird; im entgegengesetzten Falle sollea sie ihre Güter In den Schiffen 
der oben genannten Städte nicht verschiffen und nicht umgekehrt , auf dass kein 
Schade und Weiterung weiter entstehe i). 

Ohne Zweifel war der den städtischen Kaufleuten zugestandene freye Ein- 
kauf nicht nur von den Bürgern der norwegischen Städte und Flecken , sondern 
auch von den Landleuten und den Fremden, ohne die Zwischenhand der nor- 
wegischen Städte -Bewohner zu bedürfen, der wichtigste Theil, und für sie 
unendlich viel bedeutender, als die den Normännern zugestandene gleiche Frey- 
heit in den deutschen Städten. Auch haben sich die Städte eine besondere Er- 
klärung desshalb von dem Könige Magnus, als Schiedsrichter, ausfertigen lassen, 
worin er erklärte, dass der Sinn ganz allgemein zu nehmen sey, nur dass die Nor- 
männer nicht von den Wagen , welche die Güter nach den deutschen Städten 
bringen, und die Deutschen nicht von den Schiffen in Norwegen unmittelbar 
kaufen dürflen 2). v 

1) ÜB. Liri. Lvnb. LIX. LX. LXI«, LXIL UV. 12S4. 1285. 

2) ÜB. LXIi^ ^ 



•• 



HAND. 



Doch auch damit ist nicht aller Zwist beygelegt ^vo^den. Die Städte liessen 
sich diese Freyheiten yon dem Könige Magnus von Schweden, dem Könige Erich 
von Norwegen , seinem Bruder , dem Herzog tiakon , in den nächst folgenden 
Jahren einzeln oder gemeinschaAlich bestätigen, theilweise auch, wie es fiir die 
fiinf Städte Lübeck, Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald geschah , erwei- 
tem. Herzog Hakon versprach im J. 1288 jenen sieben Städten, Lübeck, Rostock, 
Wismar, Stralsund, Greifswald, Riga und Wisby, sie wegen der noch rückständigen 
Gelder-, wesshalb sie einen Aufschub bewilligt hatten, bis zu deren gänzlicher 
Abzahlung , von jeder Abgabe beym Häringsfange fiir den Winter zu befreyen, 
und also fort bis zu ihrer gänzlichen Befriedigung, doch sollen ihre Schiffe schrift- 
liche Beweise mit bringen, um dar^uthun, dass sie den begünstigten Städten ange- 
hören , damit nicht andere sich dieses Vortheils erfreuen. 

Eben dieser Herzog so wie dessen Bruder König Erich verstalteten den 
Lübeckern, den Stralsundem und wahrscheinlich auch den übrigen enger Verein- 
ten im J. 1292 freye und sichere Fahrt durch die Schlösser Hunals in Halland 
und Hielm; sie geboten den Vögten, die Schuldner der Lübecker in ihren Gegen- 
den zur Zahlung anzuhalten, und diesen keine Güt^r ,zu festgesetzten Preisen, 
sondern nach freyem Uebereinkommen über dieselben abzunehmen , und Im Fall 
man sich nicht darüber vereinigen könnte, sie frey abziehen zu lassen. Auch hat 
Herzog Hakon den Greifswaldern ihre herkömmlichen Freyheiten insbesondere 
zugesichert 1). 

Ungeachtet dieser wohlwollenden Gesinnung entstand sofort neuer Zwist. 
Einige sogenannte Seeräuber, wahrscheinlich Norweger, waren an der Küste bey 
Mastrand von dem gemeinen Kaufmann ergriffen und hingerichtet worden^ worüber 
der König besonders gegen die Städte Campen und Stavern erbittert war, denen 
er die That beyzumessen schien. Aber die fünf Städte Lübeck, Wismar, Rostock, 
Stralsund und Greifswald verbanden sich mit jenen beiden, und versprachen ein- 
ander, gemeinschaftliche Sache in dieser Angelegenheit zu machen, während die 
Stadt Bremen auf des Königs Seite stand. König Erich schloss darauf 1294 
mit den Städten Lübeck, Riga, den Deutschen auf Wisby, den Städten Campen, 
Stavern, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin und Anclam dahin ab, 
dass alle Streitigkeiten zwischen beiden Theilen, nähmlich zwischen dem Könige 
und Bremen von der einen, und den genannten Städten von der ändern Seite in 



ÜV. 1286. 1287. 1288. 1292» 2. 



i98 ZWEYTE ABTHEIL. GESCR DES HANDELS. 

der nächstfolgenden Zelt bis Johannis ausgeglichen und der Friede hergestellt werden 
sollte; zugleich bestätigte er ihnen nicht nur alle ihre ältern^Freyheiten und auch den 
Inhalt des calmarsch^n Vergleichs, sondern er erweiterte sie ihnen auch noch also: 
Es sieht ihnen frey, in allen Städten und Märkten an den Brücken anzulegen, ohne 
der Erlaubniss des königlichen Amtmanns dazu benöthigt zu seyn, doch sind sie 
verbunden, an demselben oder einem der folgenden Tage eine Anzeige von den her- 
gebrachten Gütern zu machen, und um die Erlaubniss, die ihnen nicht verweigert 
werden soll, sie von den Schiffen an das Land in ihre Niederlagen zu fahren, 
anzuhalten; dann soll der Amtmann binnen drey Tagen ihnen anzeigen, welche 
Güter er für den König bedürfe, und nach billigem Preisse {justo pretio) 
kaufen und zur rechten Zeit bezahlen; lässt der Amtmann jene Tage ver- 
streichen, so steht es den deutschen Kaufleuten frey, die Waaren, an wen sie 
wollen , zu verkaufen. Kommen sie in die Bannmeile {TakmarJc) der Städte oder 
Märkte, so sind sie verbunden, ihre verkäuflichen Sachen daselbst zu verkaufen, 
im Uebrigen steht es ihnen frey, sie innerhalb oder ausserhalb des Reichs wohin 
sie wollen, zu führen, jedoch nicht nordwärts von Bergen, als wozu jedes Mahi 
eine besondere Erlaubniss erforderlich ist. Jedes Schiff mit Getraide beladen, 
gibt ein .Schiffpfund {talentum) Aqs bessten Getraides, nach Auswahl der könig- 
lichen Bevollmächtigten, als Zoll; vom Dienst auf des Königs Schiffen werden 
sie befreyt. Stirbt Einer aus ihrer Mitte innerhalb des Reichs, so bleibt dessen 
Gut den Erben, in sofern sie, oder ihre Bevollmächtigten mit der Stadt Briefe 
sich binnen anderthalb Jahren als solche bewahrheiten. Von der Verbindlichkeit 
die Waffen zu ergreifen und zum Tode verdammte Verbrecher nach der Richtstätte 
zu begleiten, so wie von der Abgabe fiir die Heeresfolge beym Aufgebote, 
werden sie freygesprochen, in so fern sie vor Weihnachten an den Küsten des 
Reichs mit ihren Schiffen zur Abreise fertig liegen, keinen Handel weiter treiben, 
und durch Sturm oder Unwetter an der Abfahrt verhindert werden. Es steht 
ihnen frey, ihre Waaren in den Häusern der Städte und Märkte niederzulegen ; 
vorausgesetzt dass sie dieselben nur an den Orten, welche dazu ausdrücklich be- 
stimmt sind, veräussern. Ihre eigenen Handelsschiffe können sie an Andere, nach 
erlaubten Orten hin verroiethen, nicht aber gezwungen werden der Schiffe Anderer 
sich zu bedienen. Wird Einer von ihnen einer Schuld oder eines andern Verge- 
hens wiegen angesprochen, worauf Geldstrafe steht, so kann er des Rechts sich 
bedienen Bürgen zu stellen, einen Hausgenossen oder eigenen Diener {domesticum)^ 
und zwey Landsleute, die eigene Schiffe an der Brücke haben, welche zur Abreise 



FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M.NORW. 199 

nicht bereit sind, und deren Wcrth hinlängliche Gewähr leistet. Von Nacht- 
wachen sind sie frey ; ihre Kisten sollen nicht erbrochen werden dürfen , es sey 
denn gegrixndeter Verdacht von Betrug oder Diebstahl vorhanden. Die grosse Wage 
{Pundare) soll an einem öfiFentllchen Orte, der Jedem zugänglich ist, aufgestellt 
und bewacht, und sollen zufolge der Gesetze die Gewichte nach alter Gewohnheit 
dabey gebraucht werden. SchifiFbriichlges Gut zu bergen ist, wie früher so ferner, 
erlaubt. Der Schiffer welcher ein Verbrechen begangen, haftet allein, nicht andere 
Unschuldige für ihn; es wäre denn, dass sie nach vaterländischem Rechte oder 
zjafolge der Gewohnheiten, jies Orts zu strafen wären, well sie den Verbrecher 
dem Gerichte entzogen, oder mit Gewalt vertheidigt hätten; eben so soll keine 
Stadt für die Verbrechen ihrer Bürger haften, es wäre denn, dass ihre Obrigkeit 
das Recht verweigert hätte, wozu sie aufgefordert worden wäre. Jeder, dem 
nichts rechtskräftig bewiesen werden kann, hat sich durch Eid zu reinigen, den 
er mit andern seines Gleichen, gegen welche die Klage nicht erhoben worden, und 
die , nach dem Urthell des Richters von der Sache Kenntnlss haben , zu schwören 
hat : kann er den Eid nicht leisten, so trifft ihn die gesetzliche Strafe. In peinlichen 
wie in bürgerlichen Sachen soll der Kläger nur tüchtige unbescholtene Zeugen 
aufstellen. Hat endlich ein Normann von einem Deutschen Waaren gekauft und das 
Handgeld {Festepenig) nicht an dem Tage, wo er den Kauf abschloss, darauf 
gegeben, so kann der Verkäufer die Sache an jeden dritten wieder verkaufen, 
mit Ausnahme jedoch der Güter, die zum Gebrauche des Königs gekauft sind i). 

Diese Freyhelten sollen so lange bestehen, als die Städte alle den Normannen 
zugestandenen Freyhelten und die Verträge zwischen ihnen und dem Könige halten 
und den von ihren Bürgern dem Könige oder dessen Unterthanen und Freunden 
zugefügten Schaden , nach geschehener Aufforderung vergüten 2), 

Wie schätzenswerth diese Freyhelten nun auch hier in dieser Zeit bey der be- 
kannten Gesinnung seyn mochten, so enthielt doch der Schluss Stoff genug zum 
Vorwande, um sie sofort wieder aufzuheben, und dieses ist 'in VVahrheit kurz 
nachher geschehen. 



ri 



iD Umgekehrt gilt die$t auch, nach dem Auszüge aua einer Urkunde t. J. 1294 ▼on den Deutschen; 
der Normanu , von welchem «ie kaufen und welchem sie das Pfand darauf gegehen , die >Taare aber 
nicht abfuhren, kann sie verkaufen, an wen er will: Willebraudt III* 11* 

2) ÜB. LXXVI. LXXVII. LXXVIIb. LXXIX. UV. 1292, 1293, 1294, für Hamburg, 1296, für Bremen 
1299. 



200 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Dreyzehn Jahre nach dem Calmarischen Vergleich war die darin verspro- 
chene Geldsumme noch nicht berichtigt l). Der stete Wechsel von Freund -und 
Feindschaft unter den nordischen Mächten, der Wechsel der Machthaber und 
ihrer Verbindungen mit den deutschen Seestädten veranlasste eben so oft auch 
Veränderungen in den ihnen zugestandenen JFreyheiten. Zwar ertheilte ihnen der 
König Hacon Magnussen (v. 1299-1319)> im J. 1300 die Bestätigung jenes Ver- 
gleichs, er versprach zwey Jahr nachher den Städten Lübeck, Wismar, Stralsund 
und Greifswald die Abstellung der] von ihnen wider seine Beamten ' angebrachten 
Beschwerden, wenn sie ihn näher desshalb würden unterrichtet haben, eigentlich aber 
gleng seine Absicht dahin den deutschen Orden durch sie zu bewegen, den Fürsten 
Wizlaw von Rügen nicht ferner in seinem Rechte zu bedrängen; und im Weigerungs- 
fall die Städte zu veranlassen, die Güter des Ordens auf ihren Schiffen nicht femer zu 
verfuhren.* Aber im J. 1303 gebot er, dass die Fremden, worunter die Deutschen 
gewiss vorzugsweise gemeint waren, ihre Waaren, welche sie in die Bannmeile einer 
Stadt gebracht hätten, bey Strafe des Verfalls derselben und einer Busse von drey 
Mark daselbst verkaufen, nicht aber wieder von da ausführen sollten;^ welcher 
Fremde nach Weihnachten in Bergen blieb , der sollte der Abgabe zum Aufgebote 
oder zur Heeresfolge unterworfen seyn; wer Häring ohne den Zoll zu erlegen aus- 
geführt , verfällt in Geldstrafe und verliert die Ladung. Niemand soll ohne Er- 
laubniss des königlichen Amtmanns Güter aus dem Lande fuhren dürfen; dage- 
gen der Stadt Bergen mehrere Freyheiten ertheilt wurden, nahmentlich der aus- 
schliesseüde Handel nach den östlichen und nördlichen Theilen Norwegens. Er 
befreyte indess die lübischen Getraidesschiffe ausserordentlicher Weise im^ J. 1306 
auf fünf Jahre) von der Abgabe eines Schiffspfundes Getraide von jeglichem Schiffe, 
und bestätigte ihnen den Calmarischen Vergleich , was er schon das Jahr zuvor 
der Stadt Campen zugesagt- hatte , bekräftigte auch den Stralsundern ihre alten 
Freyheiten im Reiche im J. 1308* Iwi J^ 1312 sandte er seinen Bevollmächtigten, 
Thorias Ungghe genannt, nach Stralsund, der mit den Abgeordneten der Städte 
Lübeck , Rostock , Wismar , Greifswald und Stralsund , Nahmeus des Königs, 
dahin abschloss, dass die Normänner frey mit ihren Schiffen die Städte des 
Verkehrs wogen zu besuchen befugt seyn, so wie dasselbe umgekehrt den Kauf— 
leuten der Städte in Norwegen nach alten Freyheiten derselben zustehe, ohne je- 
doch des Calmarischen Vergleichs, der vollkommen dasselbe enthielt, nahmentlich 



1) UB. LXXXIX und Nachträge z. J. 1298. 



FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 201 

zu erwähnen, welches zu beweisen scheint, dass über die Ausführung dieses wich- 
tigen Punctes neue Zweifel oder Streitigkeiten erhoben waren. Bey Beschwerden, 
die über die Verletzung dieser Freyheiten entstehen, soll zuvor deren Begründung 
erwiesen werden, bevor Etwas weiter verfugt wird; es soll auf vorgebrachte 
leichte oder ungegründete Klagen der Einzelnen nicht eingegangen werden, bevor 
nicht Abgeordnete des klagenden Theils mit den nöthigen Briefschaden ver- 
sehen an den andern Theil zur gründlichen Erforschung der Wahrheit abge- 
sandt worden i). 

Aber in zwey andern von dem Könige Hakon Magnussen im J. 1316 er- 
lassenen Befehlen spricht er von Räubern und Mördern, welche ohne königliche 
Erlaubniss im Lande sich aufhalten, oder, nachdem sie solche erhalten, dieselbe 
schändlichst missbrauchen, welches er bey schwerer Strafe untersagte und ver- 
ordnete, dass, da den Normännern die Einfuhr aus Deutschland in das Reich 
nur für höchst entbehrliche Dinge als Bier, Krämerwaaren (merces nuncli/iariae) 
und Gewürze verstattet werde, auch die Deutschen nur diese Sachen brächten, 
dagegen die den Norwegern und Deutschen unentbehrlichen Güter, als Fische; 
Butter und andere Fcttwaaren ausführten, so solle, wie schon im vorigen Jahre 
er verboten habe, deren Ausfuhr fortan untersagt seyn, wenn man nicht dage- 
gen Mehl, Malz und andere schwere Waaren einführe. Zwar versprach 
er den Deutschen, dass seine Beamte den billigen oder gesetzlich vorgeschrie- 
benen Preis {justum pretium) halten sollten, allein er entriss ihnen auch die Be- 
günstigung im Zoll, vermöge welcher sie nur zur Abgabe eines SchifFspfundes 
Getraide von jedem Schiffe verbunden w aren , und setzte sie mit allen Uebrigen 
auf folgenden gleichen Zoll nähmlich: Ein Artig von jeder Mark des Wer- 
tbes folgender Güter, von Butter, Fischbrühe [gaurum), Talg von den bessern 
Tlieilen der Steinbutte (oder eines andern grössern Seefisches), vom Fleisch 
jeglicher Art, von den fetten Wallfischen, Barsch, allerhand Esswaaren, den 
Ziegen- oder Bockfellen; fünf Schilling von dem Werthe einer Mark für Nüsse 
und Wieselfelle; zwey Artig von jedem Decker der Kuh- und Marderfelle; das 
Decker Schaaffelle und das Fass Pech fünf Schillinge; einen halben Artig vom 
Wcrth einer Mark vpm Decker junger Ziegenfelle, von einer Tonne Theers 



1) Diese Maasregelu mögeu grotteniheiU auf dem Bestreben der Norweger beruhet babeu ibreu eigenen 
Handel auszudehnen, welches sich auch durch das in diesem Jahre 1316 Febr. 16 dem Erzbischof von 
Drontheim vom Könige \ou England ertheilte Haudelsprivilegium bewährt. S. Kymer II. 285* Vgl. 
ÜB. CIV. CX. CXVr. CXVIlb. CXXIIlb. ÜV. 1300, (2). 1304. (3). 1305- (2% (3). 1306, 1312, (2). 

Cc 



202 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

und von anderem Thierfelte, von Seehunden, Bären, Wölfen, Füchsen, Fischottern, 
ßiebern, Luchsen, Dachsen, Lämmern, und anderen Thieren, groben Tuchs, 
wollenen Garnes, Schwefels, Harzes und Moschus. Bey Erhebung dieses Zolls 
sollte mit aller Strenge verfahren werden, die Angaben waren eidlich zu erhärten, 
dessen Umgehung wurde theils mit Geldbussen, theils mit dem Verfall des Schiffs 
belegt, auch in dem Fall, wenn jemand etwas aus den Schiffen verkauft hatte. 
Nur zur Zelt des Häringsfanges sollte allen Fremden eine allgemeine ZoUbefrcyung 
zustehen, in keinem Falle aber ihneii vergönnt seyn, im Reiche zu überwintern, 
diess ward mit hohen Strafen belegt fiir die Fremden sowohl, als die einheimi- 
schen Hauseigenthümer , welche sie beherbergen würden i). 

Noch härter lauteten die Beschlüsse des Magistrats der Stadt Bergen, welche 
König Hakon im J. 1317 bestätigte. Zehn Männer wurden ausschliessend zum 
Kauf der Güter von Fremden angestellt--, sie bestimmten die Preise derselben, sie 
sollten zuerst den Bedarf des Königs, dann den der hohen Geistlichkeit, zuletzt 
den der Bürger besorgen, damit alle Eingeborenen die Waaren zu gleichen Prei- 
sen , wie sie eingekauft worden , erhalten könnten. Alle Fremden wurden ver- 
bindlich gemacht, binnen acht Tagen, von der Zeit an, wo sie die Erlaubniss 
erhalten ihre Waaren auszuschiffen, sie in die Seebuden {tabernis maritimis zu 
Bergen?) zwischen dem 0rastein und dem königlichen (Hofe oder) Garten zu brin- 
gen , nähmlich Grütze, (Graupen, Malz, Polenta)^ Mehl, Korn, (siligo, Roggen) 
Semmelmehl {simulaginem) ^ vom bessten und dem geringeren Waitzen, Gerste, 
Bohnen, Erbsen, Schweinefleisch, Häringe und andere dergleichen schwere Güter, 
jedoch dürfen sie dieselben nicht in die Stadt bringen, bevor nicht jene Buden 
angefüllt sind, mit Ausnahme des Weines, des deutschen Biers, des Melhs, des 
Honigs, Thrancs, Talges, der Fische, und des diesen zugehörigen so genannten 
gauri und der Butter; die übrigen können in die Stadtgebäude und die von 
ihnen gemietheten Keller, nirgends aber sonst hin gebracht werden. Die, 
welche massw^eise verkauft werden, wie Tücher, Wachs, Krämerwaaren, 
Weihrauch oder Räucherkraut und ähnliche, ferner die Gewürze sollen in die 
an der Strasse befindlichen Lager gebracht, sonst aber nirgends verkauft wer- 
den, bey Strafe einer Mark fiir den Kaufmann und einer halben für den Eigen- 

1) ÜV. 1316. Torf ae US ist nicht geuau, die Ziegenfelle sind in derselben Urkunde verschiedenarllg 
besteuert; wahrscheinlich liegt ein Schreibfehler zum Grunde* Mau hat einen andern Abdruck bey 
Paus. Was zuletzt musci bedeute, ist ungewiss; Moschus oder Moose entweder als Ausfuhr vom niitl- 
lern Sibirien , oder als Einfuhr aus dem südlichen Asien. 



FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 203 

thüraer dt^s Hauses. Alle fremde Kaufleutc sind verbunden ihre Güter binnen 
vierzehn Tagen von der Zeit an , in welcher sie dieselben eingeführt und ausge- 
schifft haben, und zwar im Grossen zu verkaufen} Tuch und Leinewand können 
sie hundertweise {centenaiitn hundert Ellen), englische Scharlachtücher in klei- 
nern Quantitäten [fasciatim), Wein und Honig in vollen Fässern und Kasten, 
Bier, Grütze oder Malz, Korn, Gerste, Semmelmehl, Sack- oder Schiffspfund- 
weise oder in ganzen Fässern, Speck Schiffspfundweise und zwar nur den 
Bürgern der Stadt, nicht andern Fremden verkaufen, jedoch mit Ausnahme 
dessen, was der tägliche Gebrauch für ihren Tisch fordert. Während der Jahr- 
märkte muss die Verschiffung {napigatio) binnen drey Wochen abgemacht seyn. 
Kein Fremder darf länger als sechs Wochen auf die Landung und den Verkauf 
der eigenen und die Einschiffung der eingekauften Güter zur Abfahrt zubringen; 
was binnen dieser Zeit weder verkauft noch eingekauft worden, muss unverkauft 
und uneingekauft bleiben vom Kreuzfeste im Herbste bis zum Kreuzfeste im Früh- 
jahr; von letzlerem bis zu ersterem soll den Fremden, unter den angeführten 
Beschränkungen der Handel mit den Eingeborenen und Fremden offen stehen, 
doch nicht in kleinen Partien, wenn sie anders nicht beweisen, dass sie nicht 
mehr von der Sache eingeführt hatten, in welchem Falle sie frey von der Strafe 
bleiben. Die Norweger sind bey Strafe an die zuvor beschriebene Art des Handels 
gebunden. Niemand soll sich unterfangen zwischen Käufer und Verkäufer sieb 
einzudrängen und ein höheres Gebot zu thun , weder des Königs Bevollmächtigter 
zum Nachtheile der Bürger noch diese zu jenes Schaden. Wer mehr bietet, als 
verabredet war , oder zu höhern , als den vom königlichen Beamten , im Ein- 
verständnisse mit den Bürgern, festgesetzten Preisen kauft, fallt in die Busse von 
Einer Mark und der Vertrag ist ungültig. Kein Hausbesitzer darf einem fremden 
Kaufmanne sein Haus länger als auf vierzehn Tage vermiethen, bey Strafe von 
acht Mark und Vertreibung des Fremdlings aus dem Hause, im Wiederhohlungs- 
falle für den Eigenthümer bey Strafe von Verlust des Hauses, für den Fremden 
bey Strafe der Erlegung des Werths des Hauses. 

Im Uebrigen soll der Ueber treter, von welcher Seite er sey, Eine Mark Strafe 
geben oder mehr, jenachdem der König und der Rath nach Erwägung der Um- 
stände verlugen werden. Endlich haben die Bürger von Bergen beschlossen, dass 
man kein Fass oder Tonne deutsches Bier höher als mit Einer Mark bezahlen 
soll , bey einer Strafe von fünf Mark , und dem Verluste des Biers i). 

i) UV. 1316, C7> 1317, (2). 

Cc 2 



204 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Durch diese Vorschriften wurden den Deutschen alle ihre so mühsam er- 
worbenen Freyheiten sämmtlich entrissen; ihr Handel war nun sehr beschränkt 
und blieb es hier auch im Allgemeinen mehrere Jahrzehnde hindurch. 

Nur einzelnen Städten scheint es gelungen zu seyn, sich einiger Maassen ge{|^n 
diese Beschränkungen zu schützen. So versprach der König, im J.|l318> die Stadt 
Hamburg wieder zu Gnaden aufzunehmen, und zum Handel zuzulassen, wenn sie 
Genugthuung für den den Normännern zugefügten Schaden leiste, und durch zwey 
Rathraänner und zehn Bürger der Stadt sich eidlich wegen der ihnen zur Last 
fallenden Beschuldigungen reinige. Im J. 1321 ward von Magnus Smäk den 
Bremern der freye Besuch seiner Reiche zugesichert und ein Versprechen der 
Bey legung der alten Zwietracht gegeben. • Aber von den alten Frey heilen in "Nor- 
wegen war nicht mehr die Rede; der König klagte (1327) über die Insolenz 
einiger Bürger, worunter wahrscheinlich die Lübecker verstanden wurden, die, 
wie es scheint, vergebens in dieser Zeit um die Bestätigung ihrer alten Freyheiten 

r 

anhielten. Gleich vergeblich baten sie mit den Städten Rostock, Stralsund und 
Greifswaid bey dem Könige im J. 1333 um die Bestätigung ihrer vormahls 
gehabten Freyheiten, sie wurde ihnen mit Härte verweigert, und nicht eher bis 
der König ihre Hülfe und ihr Wohlwollen in Anspruch zu nehmen veranlasst 
wurde, gelangten sie wieder zum Genuss ihrer alten Freyheiten i). 

• 

Erst dann als der König, durch innere Unruhen und von Dänmark gedrängt, 
der Hülfe der benachbarten deutschen Städte bedurfte , suchte er mit ihnen sich 
wiederum zu versöhnen und Viess sie wieder zum Genuss ihrer alten Freyheiten 
zu. Nach hergestelltem Frieden zwischen den Seestädten Lübeck, Hamburg, 
Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald mit dem Könige Magnus v. 22 J«l. 
1343 bestätigte er ihnen, ihren Einwohnern und allen Kaufleuten der deut- 
schen Hanse die Freyheiten, Rechte und Gewohnheiten, die sie vordem von 
König Erich und dessen Vorfahren erhalten hatten, dass sie nur zu dem alten 
Zoll, ein Schiffpfund des bessten Getraides von jedem Schiffe, bey dem Ankaufe 
verbunden seyn sollen, mit Ausnahme jedoch des bessten Wailzens, nordisch Flur 
genannt 2). Schon i340 hatte jedoch die Stadt Rostock von ihm die Zusicherung 
der Zollfreyheit (wahrscheinlich der im J. 1343 näher bestimmten) für ihren Handel 

1) UV. 13187 1321, (?)• 1327, CO- Willebr. htns. Begehenh. 31. Torfacus a. a. O. 

2) ÜB. GL. CLI«. UV. 1343, (2). 



FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 205 

auf Norwegen auf zwey Jahre, von Martini 1340 an zu rechnen, zugesichert 
erhalten i). 

Der König Magnus vereinigte sich mit jenen Städten, Hamburg ausgenommen, 
im nächst folgenden Jahre ^egen die Seeräuber (d. i. seine Feinde); jeder Theil soll 
sechs Schiffe {libornos) ausrüsten, zur bestimmten Zeit in See senden, unterhalten 
und nach Umständen in gleichen Verhältnissen vermehren. Den Lübeckern wer- 
den insbesondere alle ihre im Reiche innehabenden alten Freyheiten, und Schutz 
und Hülfe gegen Alle, welche sie daran kränken würden, bestätigt, und der König 
verspricht, im Fall eines zwischen beiden Theilen ausbrechenden Zwistes, ihnen 
Ein Jahr zuvor eine Anzeige zu machen, bevor er zu Thatlichkeiten und Ein- 
griffen in ihr Eigenthum schreiten werde 2). 

Die Freyheiten, welche der König den Kaufleuten der Deutschen zugestanden 
hatte, wurden, wie gewöhnlich, auch einzelnen Städten, wie Lübeck und Bremen 
in den zunächst folgenden Jahren insbesondere zugesichert Aber bey den grossen 
Unruhen im Lande , in des Königs Geschlechte selbst, bey seiner Hinneigung zu 
Dänmark, an welchem Allen die Städte geheim oder offen Theil nahmen, brachen 
bald neue Zwiste zwischen beiden aus, die dann durch Stillstände auf einige Zeit 
beygelegt wurden, während welchen der König den Lübeckern jedoch den freyen 
Verkehr mit seinem Reiche verstattele und ihnen günstige Zusicherungen er- 
thcilte 3). Aber so unsicher waren alle Zusicherungen, dass schon im J. j354 
mehrere Kaufleute der deutschen Hanse sich [beschwerten, dass zufolge der Befehle 
des Königes seine Beamten ihnen geboten hätten binnen drey Tagen Norwegen zu 
verlassen, und da diess so schnell zu leisten unmöglich gewesen, ihre Güter mit 
Beschlag wären belegt worden; dass sie nur im Grossen sollten verkaufen dürfen, 
nicht mit andern Fremden im Lande verkehren 4). 

Ln J. 1357 ertheilte König Magnus den Kaufleuten der deutschen Hanse, 
die in Bergen sich aufhalten, ausser der Bestätigung aller ihrer alten Frey- 
heiten, das Recht ihre Lebensmittel auch ausserhalb der Gemarkung der 
Stadt, jedoch ohne damit weiter einen Handel zu treiben, einzukaufen, da sie inner- 
halb der Gemarkung •— so gross war der Hass der Bürger von Bergen — diese 
Bedürfnisse gegen ihr Geld nicht hätten befriedigen können. Er versprach ihnen 



15 ÜV. 1340, C5> 

2:) ÜB. cLiv. CLV. cLvr. 

3^ UV. 1348. ÜB. CLXXIV. 
4) ÜB. CLXXXU. 



r 



206 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

ausserdem, dass ihre Schuldner» wes Standes sie seyen , innerhalb eines Monaths 
nach abgelaufener Zahlungsfrist, durch seine Richter bey Strafe und nach allge- 
meinen Gesetzen angehalten \ferden sollten 1). 

Immer aber ward das Bedürfniss grösser, welches den König Magnus von 
Schwedne und seinen Sohn Hakon von Norwegen zur eigenen Erhaltung an die 
deutschen Städte knüpfte; sie ertheilten daher in d. J. 1361 in ihren Reichen 
Schweden, Norwegen und Schonen den Städten Lübeck, Hamburgs Stade, Bre- 
men, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Demmin, Anclam, Stettin und 
Colbcrg und allen Städten und Kaufleuten der deutschen Hanse theils 
die in früheren Zeiten besessenen Handelsfreyheiten für diese verschiedenen Reiche 
im Allgemeinen, theils fügten sie noch andere hinzu. So empfingen sie insbeson- 
dere auch für Norwegen das Recht, nach allen Orten desselben zu Wasser und 
Lande zu kommen, nach ihrem Gutdünken Handel und Wandel daselbst zu treiben 
und zu verweilen. Das ihnen geraubte Gut will der König, als wäre es sein eigenes, 
aufsuchen und die Räuber, als hätten sie ihn beraubt, bestrafen lassen. Er be- 
stätigt die allen Freyheiten in Bezug auf das Strandrecht, Befreyung von der Ab- 
gabe bey Todesfällen, Bestätigung des alten geringen Zolls von einem Schiffpfund 
Getraide für jedes Schiff u. f. Die Normanner werden verbindlich gemacht, die 
Zahlung für die von den Deutschen baar erkauften Waaren binnen drey Tagen 
zu leisten. Sie haben das Recht ihre Güter frey aus der Ost- nach der Nordsee 
durch Schweden und Norwegen zu führen, in allen Theilen des Reichs umherzu- 
ziehen und ihre Schulden einzutreiben, Salz Schiffpfundsweise an Einheimische 
und Fremde zollfrey zu verkaufen, und gegen Erlegung des übrigen Zolls die 
von ihnen eingeführten Waaren, die sie im Lande nicht haben absetzen können, 
wieder auszuführen 2). 

DIess waren nun allerdings grosse Handelsfreyheiten, vollends fiir jene Zeiten, 
wodurch der Grund zur Handelsherrschaft der Deutschen und Hansen in. diesem 
Lande gelegt war, welche sie auch hartnäckig anderthalb Jahrhunderte hindurch hier 
behauptet haben. Ohne Zweifel waren sie in ihrem Handel mehr als andere Völker 
begünstigt } frey von den Abgaben , welche die Eingeborenen zu tragen hatten. 



1) UV. 1357. Von demselben Könige Magnus findet sich auch ein sicheret Geleit für die Abgeordneten 
der Stadt Stralsund vom J. 1345, und vom J. 1358 eine Zusicherung, die er ihren Bürgern und Kaufleuten 
criheilt, sicher mit Lebensmitteln alle seine Reiche zu besuchen, wobey vieUeicht Norwegen heson- 
dera gemeint seyn könnte. CLVIIL CLXXXIV. 

2) UV. 1361. 



FÜNFTER ABSCHN: HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 207 

5tark und gefiirchtet durch ihre Nähe und ihre Macht, Tcrmöge ihres grösseren 
Handels- Capitals, ihre grösseren Handelskenntnisse , ihre Verhindung mit an- 
dern Ländern, ihre begünstigten Niederlagen daselbst allen andern Fremden 
und den Eingeborenen überlegen, war Norwegen gleichsam in ihre Hand gegeben. 
Schon allein die beiden Puncte, die sich auf die Freyheit des Handels mit Frem- 
den und Eingeborenen im Lande, bey geringen Zöllen, oder bey gänzlicher Be- 
freyung davon, bezogen, das Recht im Lande nach Gutdünken zu verweilen, 
gewährten ihnen die entschiedensten Vorzüge. Es Hess sich voraussehen, dass 
sie eigenmächtig sich in der Folge verschaffen würden, was zur vollen Begrün- 
dung ihrer Handelsherrschaft ihnen etwa noch abging; auch ist diess genau in 
der Folge eingetreten. 

Indessen blieben diese Freyheiten nicht [ungekränkt, denn des Landes Könige 
hatten, durch die Nothwendigkeit gezwungen, sich fügen müssen, die Eingebore- 
nen trugen mit Widerwillen das Handelsjoch der Fremdlinge. In den zunächst 
folgenden Jahren , bey den bekannten veränderten Verhältnissen unter den nordi- 
schen Mächten, wurde König Hakon von Norwegen aus einem Freunde der Hansen 
der Feind derselben. Er entriss ihnen alle die zugestandenen Freyheiten wieder, 
doch die Seestädte verbreiteten Tod und Verwüstung (1368) in grossen Strecken 
der norwegischen Küsten, und sie erzwangen sich sogleich in einem darauf 
erfolgten Stillstande oder Frieden auf fiinf Jahre von Johannis 1370 an zu rechnen 
alle ihre Freyheiten, deren sie auf kurze Zeit beraubt worden waren, wieder. Die- 
ser Frieden oder Stillstand ward mit den Käthen, Bürgern, Kaufleuten, Unter- 
thanen und den Bundsgenossen oder Gehülfen {adjuiores) folgender Städte ab- 
geschlossen, nähmlich Lübecks, Hamburgs, Bremens, Rostocks, Wismars, Stral- 
sunds, Stettins, Colbergs, Neustargards und anderer ihnen nahbelegener Städte; 
femer mit denen der preussischen Städte, Culms, Thorns, Elbingens, Danzigs, 
Königsbergs und Braunsbergs und anderer ihnen nahbelegener; ferner mit denen 
der livländischen Städte, Rigas, Dorpats, Revals, Pernaus und anderer benach- 
barter; ferner mit denen der süderseeischen Städte, Campens und anderer im 
Bisthume Utrecht belegener; mit denen der seeländlschen Städte, von Ziriksee, 
Briel 5 Middelburg und Armuiden , mit denen der holländischen Städte Dortrechts, 
Amsterdams, Enkhuysens und Wieringens und anderer in den Grafschaften Hol- 
land und Seeland belegener; denen der geldrischen Städte, als Harderwyks, 
Zutphens, Elburgs, Deventers, endlich denen der Städte Stavcrn und Hindelop 
und Allen, die in dem Rechte und der Verbindung der genannten Städte begriffen 



208 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

ihre Verbündeten, oder Helfer sind. Sie erhielten Ton Neuem die bekannten 
Freyheiten, freyen Zutritt zu allen Theilen des Reichs, das Recht daselbst zu 
verweilen und abzuziehen , alle die Freyheiten , wie sie König Magnus ihnen zuge- 
standen. Wegen Rostocks und Wismars, deren Herren mit König Erich in Fehde 
waren, ward festgesetzt, dass sie, theilnehmend an dem Frieden, diese fiinf Jahre 
hindurch von aller Theilnahme an dem dem König zuzufügenden Schaden sich 
entfernt halten, und ihren Landesherren weder mit Schiffen noch Mannschaft gegen 
den Kötiig und die Seinigen beystehen sollten. Sollten jedoch die Herzoge in den 
Häfen dieser bei/len Städte Schiffe und Mannschaft gegen ihr baares Geld miethen^ 
oder Lebensmittel daselbst kaufen, so soll dadurch der Friede nicht als von 
diesen gebrochen betrachtet werden. Den beiden Städten steht es frey, wenn der 
König in Meklenburg einfiele, innerhalb ihrer Städte, Häfen und Gebiete ihren 
Landesherren beyzustehen; wollen sie aber ausserhalb des Herzpgthums dem Her- 
zoge beystehen , so sind sie verbunden dem Könige ein Vierteljahr zuvor solches 
anzuzeigen. Wollen sie diesem Frieden oder Stillstände beytreten, so haben sie 
ihre offenen Briefe gleich den übrigen Städten dem Könige einzusenden l). 

Was die deutschen Kaufleute und Städte sich erbaten und als Gnade empfin- 
gen , was man ihnen zugestanden hatte , um sie für diesen oder jenen Zweck zu 
gewinnen, das forderten sie nun, gestützt auf Ihre Macht und ihr verheerendes 
Schwert, als ein Recht. Auch fügte der König einige Jahre nachher (1376) in 
dem förmlichen für immer, nicht auf die fünf Jahre geschlossenen Frieden, den be- 
kannten Freyheiten un,d deren Bestätigung fiir die zuvor genannten Städte, und 
alle zur deutschen Hanse Gehörigen , dem römischen Reiche Unterworfenen noch 
hinzu, dass er weder 'von Eingeborenen noch Fremden eine Geldbusse erheben 
wolle, bevor nicht von des Straffälligen Gut alle regelmässige Ansprüche der Gläu- 
biger wären bezahlt worden. Er verstattete den hansischen Schiffen die Ehren- 
auszeichnung mit fliegendem Wimpel am höchsten Masle (Top-Castel) in alle 
Häfen des Reichs einzulaufen, und ihn nur dann erst abzunehmen, wenn sie zur 
Ausladung anlegen würden. 

Durch eine kluge Benutzung der Verhältnisse unter den nordischen Mächten, 
durch grosse Thätigkeil, sparsame und verständige Verwendung der Geldmitlel, 
die mehr in den Händen der Städte, als in denen der Könige und ihrer Völker 



i) Die Urkuude ohne Jahrzahl b. Torfaeus IV« 402« gehört wahrtcheiuUch in die Jahre vor 1368- 
ÜB. uud UV. 1368. 1370. 



.♦'. 



FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 209 

sich befanden, war es ihnen gelungen sich eine Laufbahn zu eröffnen, welche sie mit 
Glück anderthalb Jahrhunderte hindurch verfolgt haben. Im Nordosten \var der 
Grund ihrer Macht , ihres Ansehns, ihres grossen Zwischenhandels und daher die 
Hauptquelle ihres Reichthums ; behaupteten sie die Freyhelten, welche sie hier sich 
erworben, erkauft, oder erkämpft hatten, so mussten ihr Reichthum und ihr Einfluss 
stets zunehmen. Kein Nebenbuhler schien ihnen mit Erfolge lange widerstehen 
zu können. Stets bemüht den unmittelbaren Handel der westlichen und öst- 
lichen Völker mehr in ihre Zwischenhand zu leiten, ward dieses Streben ihnen 
durch die Freyheiten erleichtert, die sie besonders im Nordosten vor ande^ 
ren Völkern sich verschafft hatten. In den zuletzt erworbenen Freyheiten, 
die sie von den nordischen Königen erhielten, ward auch nicht, wie früher, von 
diesen die gleiche Freyheit fiir ihre Unterthanen in den Städten vorbehalten. Ohne 
den Buchstaben der spätem englischen Schifffahrtsgesetze zu kennen, ahneten die 
Hansen doch sehr wohl ihren Geist. Der Handel mit anderen Völkerschaften war, 
so viel thunllch , nicht nur an die hansischen Schiffe gebunden , sondern der Ver- 
kehr zwischen dem Nordosten und Nordwesten ward immer mehr und mehr in 
ihre Hände gebracht. 

Ob die Hansen bereits damahls sich eine Niederlassung in Bergen gebildet 
hatten , die nachmahls so herrschend und so bedeutend für die norddeutschen 
Kaufleute und Städte ward, darüber findet sich in den vielen auf uns gekomme- 
nen Urkunden aus dieser Zeit keine nähere Auskunft. Dass indess die besonders in 
den letzten Jahrzehnden erlangten Freyheiten sich vorzüglich auf Bergen bezogen, 
ist freylich keinem Zweifel unterworfen. Sicher ist es, dass sie den Grund zur 
Anlage einer solchen Ansiedelung enthielten, und dass der Anfang in dieser Zeit 
gemacht wurde, wiewohl wir darüber keine gleichzeitigen urkundlichen Nachrichten 
besitzen und offenbar die Ausbildung einer späteren Zeit vorbehalten blieb. 
Die Mitwerbung anderer Völker in Norwegen, die häufigen Unterbrechungen 
der zugestandenen Freyheiten, die beharrliche Verweigerung eines längern Aufent- 
haltes im Lande, die vielen politischen Zwiste und daraus hervorgehenden Fehden, 
haben es verhindert, dass sie hier so früh wie in Russland, Schonen, zu Brügge 
und London Niederlassungen bildeten , auch Nichts dem Aehnliches v^ie in 
Schweden, wo so viele Deutsche früh Bürgerrechte in den Städten gewannen i). 



1^ Gewias i3t es sehr aufTalleud, dass dasjenige hansische Comptoir, welches lange Zeit das wichtigste 
blieb — auf dem Festlaude Schweden ist nie eins errichtet — erst so spät begründet scheint. Ueber die 
I^iederlassuug } welche nach dem Zeuguiss des Ed. Eduardsen, welcher noch alte Lieder und Erzählungen 

Dd 



210 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Was die Waaren betraf, welche zwischen den Normannen und Deutschen 
umgesetzt wurden, so sind die Gründe, weswegen diess hier, so wenig wie In 
anderen Fällen, mit wunschenswerther Genauigkeit angegeben werden kann, die- 
selben, welche auch bcy dem Verkehre anderer Völker vorkommen. Die Ausfuhr 
bestand vornehmlich In Fellen von Hausthleren, von Böcken , Ziegen , Lämmern, 
Schaafen, Pelzwerk von wilden Thieren, Bären, Wölfen, Füchsen, Luchsen 
Dachsen und Wieseln, ferner von Fischottern, Bibern und Seehunden, Fischen 



darüber kauute , die Deutseben zu Notau im Karmesuud besasseu , jund vrelcbe dieselben wegen der See- 
räuber tiefer ins Laud nach Bergen verlegten (s. v. H o 1 b e r g Beschreibung der St. Bergen H. lOO» 
fehlt es an allen näheren Nachrichten; falls die Sage hier nicht das \ou den Norwegern fiir Fremde 
erbaute Haus im Karmesuud, über dessen Zerstörung sich König Haquin 1370 zu Bahus beschwerte, mit den 
Factoreyen verwechselt. Die Natur der Fischereien und des Handels, welcher wenige kostbare Verkaufs- 
Artikel hinbrachte, die leichtere Fahrt nach Bergen für die westlich belegenen Städte, die grosse AehuUch- 
keit der dortigen Sprache, bieten keine genügende Aufklärung dieser Erscheinung dar, welche sich auch 
dadurch bewährt, dass in den deuuchen Städten die Gesellschaften der Bergenfahrer nicht sehr allgemein 
oder früh -^ jedoch in Greifswalde schon 1356 gestiftet — sich zeigen. Dagegen finden wir schon früh 
Nachrichten über die Winterlage der Deutschen Schiffer in Norwegen (s. Hamb. und Lübecker Schiprecht 
von 1270 und 12990» »o wie andere Nachrichten über die Deutschen in Bergen, welche einen fortgesetzten 
Aufenthalt derselben dort voraussetzen bssen. Es sind uahmlich von dem Jahr 1296 urkundliche Nach- 
richten über den von den deutschen Kaufieuten zu Bergen an die dortige älteste Kirche, die Christkirche 
zu zahlenden Zehnten bekannt (s. Thorkelin Dipl. Arn. Magn. H, 173. 1309- Suhm XI. 629* 6dO*}i 
den sie nach des Bischofs Behauptung seit Bischof Peters Zeit ums J* 1260 bezahlt hatten » während 
Deutsche, seit 20 Jahren daselbst wohnhaft, behaupteten ihn nicht entrichtet zu haben. 1310 wurden 
sie, wie schon 1307 die deutschen Handwerker, welche sich zur St. Michaelis Kirche hielten, wie von 
Holberg a. a* O. I, 80* erwähnt i daselbst aus demselben Grunde sogar wegen Ihrer "Widersetzlichkeit 
zu zahlen , iu den Bann gethan und erst im folgenden Jahre von demselben erlöset« S. Suhm XI* 
655 und 677* Doch kann das Vorhandenseyn einer den Städten gemeinsamen Besitzung, oder 
einer gemeiuschaniichen Residenz nicht in der vorlies^enden Periode urkundlich dargethan werden; 
mit Ausnahme der in den letzten Jahrzehendeu in den hansischen Recessen vorkommenden Nachrichten 
über Aldermannen zu Bergen. Der Recess vom J. 1358« Fab. et Sebast* [scheint von Aelterleuten in 
NorAvegen zu sprechen; 1360 legten die Kaufleute zu Bergen den Ankömmlingen neue Abgaben auf, was 
eine bestehende Vereinigung der dortigen deutscheu Kaufieute voraussetzt. 1363 Juu. 23. wurde 
vielleicht zu Lübeck über die Erwählung eines Oldermannes zu Bergen berathschlagt ; doch ersieht man 
nicht, ob dieses die erste Erwähluug eines solchen war, oder ob über die Art der Wahl verhandelt 
wurde« Das von Sartorius noch nicht benutzte Manuscrlpt des Recesses von 1364 May 27* erwähnt eines 
unzweifelhaften Briefes der Oldermannen zu Bergen. 1366 Juny 24« wurden zu Lübeck und 1369 Oct.2i« 
zu Stralsund, Vorschriften an die Aelterleute und den gemeinen Kaufmann der deutschen Hause zu Bergen 
erlassen (s. U. B. S. 585* und 666* Vgl. S. 598), so wie ein um diese Zeit au dieselben erlassenes Schreiben 
in Nr. CCXXVIa abgedruckt ist« Von den Statuten der Hanse zu Bergen s. U. B. 1370* Anderwärts wer- 
den andere Niederlassungen zu Tuusberg und Aslo angeführt« S. Recesse 1367* 8« und 1368* 1* Nro. 
CCXXIIL Kaufleute von der deutschen Hansa, welche in Aslo in ihren Rechten gekränkt waren, be- 
schwerten sich 1354 bey dem Könige von Norwegen. S. Nr. CLXXXI«. L« 



FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. MEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 211 

verscliledener Art, Häringcn , in grosser Menge, wenn auch nicht von der Güte, 
wie in Schonen, Stockfischen, Seebutten, andern Plattfischen, Wallfischen; Butter, 
Talg und andern Fettwaaren, Pech (Schwefel), Harz und Theer, und gewiss 
mehreren Holzarten zum Schiffbau und anderem Nutzholz. 

Die Einfuhr bestand yornehmlich in Mehl, Getraide aller A*rt, Rocken, 
Waitzen, Bohnen, Erbsen, Grütze, Bier, Wein, Meth, Honig,. Salz, Linnen, 
Tuch, Gewürzen und andern Krämerwaaren, vielleicht auch Moschus, so wie 
anderen orientalischen Gütern von Brügge aus, englischen Scharlachtüchern, und 
wohl noch mehreren anderen Erzeugnissen des Kunstfleisses der deutschen Städte, wie 
Mctallwaaren u. f. so wie denen anderer westlicher Länder; zuweilen mögen auch 
einige Güter, die selbst und in grosser Fülle hier gewöhnlich vorhanden, wie diess 
unter Umständen auch sonst wohl geschieht, daselbst eingeführt worden seyn, wie 
Häringe, vielleicht einer bessern Art, oder besser bereitet aus Schonen; selbst 
Butter scheint einmahl vorzukommen, wiewohl diese Waare ganz gewiss und 
mit am häufigsten aus Norwegen von den Deutschen ausgeführt ward. 

Waren die Hansen aber nun in den Besitz der nordöstlichen Güter durch 
die erworbenen Begünstigungen gelangt, so bedurften sie ähnlicher im Westen 
um einen begünstigten Absatz daselbst und einen begünstigten Einkauf der da zu 
erhaltenden Güter zu erwerben. 

Die Freyheiten, welche sie sich im Westen für ihren Handel, besonders in 
den Niederlanden und England zu verschaffen wussten, werden nunmehr zur 
vollständigen Einsicht in den gesammten hansischen Verkehr mitzutheilen seyn. 



SECHSTER ABSCHNITT. 

Geschichte des Handels der niederdeutschen Kaufleute mit den Niederlanden und Frankreich. 



Von allen an der Nordsee belegenen Ländern war in jenen Zeiten keines 
durch Handel, Kunstfleiss und Wohlhabenheit so ausgezeichnet, als die Nieder- 
lande. In den nördlichen Theilen derselben, wo deutsche Sitte herrschend, und 
das Band , welches sie mit dem deutschen Reiche verknüpfte , mehr als in den 
wallonischen geachtet war, zählten alle angeseheneren Städte, mehr oder weniger, 
sich zu der sich bildenden Verbindung der norddeutschen Kaufleute und Gemein- 
den. Viele derselben wurden volle Mitglieder dieses Vereins; andere nahmen an 
den auswärtigen Handelsniederlassungen desselben nur Antheil. Mehrere hatten in 

Dd 2 



212 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES H.\NDELS. 

der Fehde gegen Waldemar IH. von Dänmark mit gefochlen, und gegen das Ende 
dieses Zeitraums, wie es scheint, sich enger mit der Hanse verbriiderl i). 

Allein diese nordöstlichen Thelle des Niederlandes standen, während dieses 
Zeitraums , ^en wallonischen oder südwestlichen , in Bezug auf Wohlhabenheit, 
4[ioch weit nach. Jenseits der Maas und der Scheide, wo wallonische Sprache 
und fränkische Sitte mehr als deutsche herrschte, wo die deutsche Lchnshoheit zum 
Theil bestritten oder gänzlich nicht mehr anerkannt, und der Reichsverband wenig 
geachtet ward, hier, und zwar vornehmlich in Flandern und Brabant, war der 
vorzüglichste Sitz des Handels und des Reichthums. Die Deutschen fanden hier 
einen Markt, der an Mannigfaltigkeit der Waaren, an Fülle des Capitals, an 
Schnelle des Umsatzes, alle andere von ihnen besuchte Länder bey weitem über- 
traf. Hier fanden sie Städte und Länder, die von einem grossen Theil der euro- 
päischen Völker besucht wurden, welche diese Gegenden als einen passenden 
Zwischenmarkt ansahen, um ihre wechselseitigen Bedürfnisse daselbst gegen ein- 
ander auszutauschen. Für [die unvollkommene Schifffahrt jener Zeiten nähmllch 
war es meist eine zu schwere Aufgabe, in einem Sommer vom Südwesten 



1) Aus dem Urkuuden - Buche erhellet, wie In den Urkunden nach und nach stets mehrere niederländi- 
sche Städte als Genosseu der Verbindung erwähnt werden« In dem folgenden Zeiträume kommen 
noch einige andere vor. Es verhält sich aber mit diesen niederläudischen Städten, welche, als in der 
Hanse befindlich i uahmentlich aufgeführt werden > wie es sich mit den übrigen ^ in anderen Theilen 
Deutschlands belegenen , verhielt ; es waren nähmlich nicht nur diese genannten , sondern auch mehrere 
andere um sie her belegene Städte mit der Hanse verbunden; diese schlössen sich au jene grösseren 
und bedeutenderen an, und wurden so mittelbare Glieder der Hanse. — So heisst es in mehreren Ur- 
kunden der Zeit z.B. "Item, die Städte der Süder-See, als Campen und andere im Stifte Utrecht 
belegen; auch die Städte von Seeland, als Zirickzee, Briel, Middelburg , Armuiden, und die Städte 
von Holland, als Dortrecht, Amsterdam, Enkhuizen , 'Wieriugen und andere in den Grafschaften 
Holland und Seeland belegen, so wie die Städte von Geldern, als IJarderwyk, Züiphen, Elburg, 
Deventer» auch die Städte Stavern und Hindelopen, und alle und jede die in ihrem Hechte und 
in ihrer Verbindung begriffen sind"; andere ähnliche Ausdrücke s. im ÜB.— Wenn 
Schlichtenhorst in seinen Geldrischen geschiedenissen hlad 144. sagt, dass er, aus den ihm mitge- 
theilten Nachrichten und Urkunden des Magistrats der Stadt Wageningen und Doesburg, wisse, dass 
diese Städte, so wie auch Hattem in Geldern, in der Hanse gewesen seyen, so leidet diess gar keinen 
Zweifel; es sind nicht nur diese, sondern auch noch viele andere Städte der Niederlande darin gewesen, 
welche in den gewübnlichen Verzeichnissen gar nicht vorkommen. Es lässt sich zwar nicht sagen, wann 
sie aHe bey getreten und ausgetreten sind; vtihrscheinlich ist es aber, dass sie am Ende des vierzehnten 
und in den ersten Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts dem Buude vornehmlich sich bey gesellten , vor 
dem Zwiste zwischen den holländischen oder südseeischen Städten und denen der Ostsee , etwa kurz vor 
und kurz nach der glücklichen Fehde mit Waldemar HF. von Däiimark, wo der Buud die grösste Aus- 
dehnung nach dieser Seite hin hatte. Von Herzogenbusch s. U. ß. S. 668- 



SECHSTER ABSCHN. GESCH. D. HAND. D. NIEDERD. KAÜFL. u.s.w. 213 

bis in den tiefen Nordosten, oder von hier dorthin zu fahren, und dennoch vor 
dem Eintreten der Herbststurme und des Eises den Rückweg mit Glück zu machen. 
Das Ueberwintern aber in fernen, fremden Ländern war mit vielen Schwierigkei- 
ten verbunden, es ward nicht immer gestattet, und mochte auch die Gewinnste 
in vielen Fällen,.. wenn man nicht besonders begünstigt war, verschlingen. Die 
Niederlande hoben diese Hindernisse } denn die Freyheit eines wechselseitigen Ver- 
kehrs, welche auch fremden Völkern unter einander ungestört daselbst verstattet 
ward, lockte die von einander weit entlegenen auf diesen allgemeinen Markt- 
platz, wo man so vieler Freyheiten genoss, so manchen Vorlheil fand. 

Die Deutschen fuhren um diese Zeit nur selten nach Frankreich und Spanien, 
nie, so viel man weiss, zu Handelszwecken durch die Meerenge von Gibraltar in das 
Miltelmeer; dagegen kamen aber die Franzosen, Spanier und Italiäner auch so gut 
als nie, und die Engländer, die Fläminger, und die Walen damahls selten, nach den 
westlichen Küsten der Ostsee, am wenigsten in den tiefern Nordosten. Allein in 
Flandern und in Brabant lernten sich alle diese Völker kennen, hier betrieben sie 
wechselseitig ihre freyen Har^delsgeschäfte, sie tauschten ihre einheimischen, so wie 
ihre durch anderweitigen Handel erworbenen und auf diesen Markt gebrachten Güter 
gegen einander aus. Bey dieser Lage der Dinge war es ein, von den Hansen früh 
gefühltes, Bedürfniss, in diesen so sehr besuchten Ländern sich Handcisfreyheiten 
zu erwerben; um so mehr, da keine flandrische oder brabantische Stadt i) Mit- 
glied des deutschen Städte -Vereins war, in welcher sie, als bey Freunden, auf 
einen geschützten und begünstigten Aufenthalt hätten rechnen können. Nun aber 



1) Es ist mir von keiner Stadt Flanderns und Brabants geiviss » dass sie in dem Bunde gewesen sey , als 
allein von Sluys, welches nach dem Recess vom J. 1441 von demselben wieder ausgeschlossen wurde. 
Es ist auch begreiflich, warum diese Stadt in den Bund aufgenommen war, weil nähmlich, über den 
Hafen dieser Stadt, tZwin, der Hanse -Handel nach Brügge ging, Da nun Sluys oft in Fehde mit 
Brügge war, welche letztere Stadt sich eine Oberherrschaft über die erstere zuweilen aumassen wollte» 
indem von der Freyheit des Hafens t Zwin der Handel von Brügge abhing ; so mag Sluys, in einer dieser 
Fehden, sich auch an die Hanse» zu ihrem eigenen Schutze, geschlossen haben. Es ist aber unbekannt, 
wann diess geschehen ist. Von Depulirten dieser Stadt zu den Hansischen Tagsatzungen kommt nie etwas 
vor. AVenn einige Abdrücke des Vertrages des Königes Hako von Norwegen mit den Hansestädten vom 
J* 1376 unter den letztem die Stadt Breda aufführen» so muss dieser Name durch Breie, Briel berichtigt 
werden» wie auch aus einer gleichzeitigen Ausfertigung jener Urkunde im hamburgischen Archive sich 
deutlich ergiebt. Auf jeden Fall aber sind die grossen flandrischen und brabantischen Städte nicht in dem 
Bunde gewesen. Sprache» Sitte und Handelszwecke waren sich entgegen, so wie streng verboten wari 
keinem Flaminger » Brabanter u. s. w. AntheÜ au den erworbenen Freyheiten zuzugestehen , oder eine 
Handels - oder SchifTfahrts - Gemeinschaft mit ihnen einzugehen. 



214 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

wurden von Ttaliäncrn oder Lombarden Orientalische Gewürze und andere gesuchte 
Waaren, Seide und seidene Zeuge, Sammt, goldene und silberne Stoffe und Ge- 
fasse u. s. \v. , auf den Markt d^ese^ Länder geführt. Andere westliche Völker 
brachten andere Erzeugnisse ihres Bodens und ihres Fleisses dahin ; die Eingebo- 
renen aber dieser Landschafllen selbst lieferten andere , und die Deutschen fanden 
bey diesen Allen einen steten Absatz für ihre nordischen Güter, und die gesuch- 
testen Gegenstände des Eintausches vor. 

Allein hier trafen die Deutschen auch eine ganz andere Handelswelt, als in 
den von ihnen besuchten nordischen Reichen an; hier blühten bereits stolze, reiche 
und grosse Städte, welche mit seltenen Freyheiten versehen, an Bildung, an Capi- 
tal , an richtiger Einsicht in die wohlthätigen Folgen eines freyen Handels , nicht 
nur den nordischen Reichen, sondern auch den Deutschen selbst sehr überlegen 
waren. Hier fanden sie zwar den Neid nicht vor, der in allen nordischen Reichen, 
so wie in England und in Deutschland selbst ganz allgemein verbreitet war, womit 
man den Handel zwischen Gast und Gast betrachtete und beschränkte; allein sie fan- 
den hier auch eine Mitwerbung, eine geschicktere und freyere Verwendung des Capitals 
und der Arbeit, wie sie damahls in dem nördlichen Europa nirgends, auch nicht 
bey den Deutschen selbst, gefunden ward. "Wie sehr sie nun auch diesen Markt 
schätzen mochten, so mussten sie dennoch hier zur Verfolgung ihres Vortheib 
ganz andere Mittel ergreifen, als sie gegen die Völker der nordöstlichen Reiche 
anwendeten. 

Brügge war in den gesammten Niederlanden die Hauptniederlage fär alle diese 
verschiedenen europäischen Völker; diese Stadt, ihr gemeinschaAlicher grosser 
Marktplatz. Brügge selbst, nicht am Meere belegen, hatte Verträge mit Sluys, 
über dessen Hafen t Zwin die Waaren nach jener Stadt kamen. Die Kreuzzüge 
hatten, so wie durch ganz Europa, so auch in Flandern, in einem ganz vorzüg- 
lichen Grade die ersten grossen entfernteren Handels - Verbindungen geweckt. Als 
Balduin von Flandern Herr von Constantinopel geworden war, gedieh der Verkehr 
zwischen den Niederlanden, dem Oriente und Italien immer mehr und mehr. 
Bereits im dreyzehnten Jahrhunderte fuhren die Fläminger fleissig nach diesen 
Gegenden durch den Canal und die Strasse von Gibraltar. Venetianer, Genuesen 
und Pisaner, besuchten mit ihren Waaren und Gütern die flandrischen und 
niederländischen Küsten. Durch diese Verbindung lernte man hier die feineren 
Kunstarbeiten in Wolle, Seide, Silber und Gold kennen, man ahmte sie nach, 



SECHSTER ABSCHN. GESCH. D. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. u. s. w. 215 

und machte diie Verarbeilong dieser rohen Stoffe hier einheimisch. Von Englaml 
aus erhielten die Fläminger, und nachmahls auch andere Niederländer, die eng- 
lische Wolle, deren Verarbeitung in alle Arten ^on Gewebe das Hauptgewerbc der 
Niederländer ward. In Brügge waren in diesem Zeiträume bereits acht und sech- 
zig verschiedene Gilden. Alle Städte des Niederlandes wurden vielfach erweitert, 
da sie unfähig waren, die zunehmende Volksmenge zu fassen. Bey den häufigsten 
Auswanderungen schien doch keine Gegend so bevölkert. Von ihren Herzogen, 
Grafen und Herren hatten sich die niederländischen Städte grosse Freyheiten er- 
worben, und jene sahen bald ein, wie wichtig für ihre Zolleinkünfte das Auf- 
blühen des Handels war. In keiner Gegend diesseits des Canals finden sich so 
frühe, so viele und so ernstliche Massregeln der Grafen und Herren des Landes, 
lediglich aus eigenem Antriebe freywillig ergriffen, gegen Strandrecht und gegen 
Seeräuberey. So hatte Graf Balduin von Flandern bereits in dem Anfange des 
dreyzehnten Jahrhunderts den Herrn von Ghistele mit dem Zolle von Brügge be- 
lehnt, um dagegen die Seeküste von Calais bis Sluys von Seeräubern rein zu er- 
halten. Die Wohlhabenheit dieser Länder setzte einst eine Königin von Frankreich 
so in Erstaunen, dass, als sie zu Brügge das üppige Leben, die Kleidung und den 
Staat der Frauen der dortigen Kaufleute sah, sie versicherte, dass alle Pracht der 
Königinnen und Fürstinnen von Europa dadurch weit überti4llFen werde. 

Kenntnisse des Handels waren hier verbreitet, wie die Deutschen sie noch 
gar nicht kannten. Es ist nicht zu übersehen, dass schon im J. 1310 zu Brügge 
eine vollkommene Versicherungs - Anstalt eingerichtet war, welche für den Handel 
so wichtige Einrichtung von den Deutschen erst spät nachgeahmt worden ist. So 
kannten die Fläminger und Brabanter bereits damahls, wo nicht die volle spä-< 
tere Ausbildung, doch den Anfang des Wechselgeschäfts i). 



1) Eiue zum Theil Yortreffliche Abhandlung über den Handel, den Knnstfleist und die 'Wohlhabenheit 
der Niederlande im dreyzehnten und Yierzehiiteu Jahrhunderte i aus welcher gröstten Theils die obige 
Darstellung, ao yiel ea cu uuserm Zwecke diente, geschöpft ist, findet sich in den: Memoires sur les 
questions proposies par Vacademie Imperiale et Boyale des sciences et helles lettres de Bruxelles^ qui ont 
remportS les prix en 1777* it> Bruxelles 1778« in 4* Die daselbst gekrönte Preisschrift hat folgenden Titel: 
Historischef tyd en oordeelkundige aanteekening met algemeene aanmerkingen op de zehe^ dienende tot antwoord 
op de praege : ** hoedaenig was den Staat pan de handtverhen • en van den koophandel in de Nederlanden , ten 
tyde van de deriiende en veertiende eeuiv?" die den Prys hehaalt heeft van de Keyzerlyke en Könige 
lyke Academie van Brüssel in het Jaar ÜTTJ door de Heer JV. P. Ferhoeven* Man vergU damit eine 
andere gelehrte Abhandlung, die in mancher Hinsicht noch mit mehr Urtheil geschrieben ist» obschou 
die daselbst gegebene Vorstellung von dem hansischen Verkehr in den Niederlanden zum Theil auf Irr- 
thum beruht, ** Versuch einer Handelsgeschichte der Länder» welche an der Scheide liegen, besonders aber 



216 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Wie der wachsende Reichthum eines Landes für alle die, welche mit ihm 
in Verkehr treten, vorlheilhaft ist, wenn er frey hieibt, so war auch der Nieder- 
lande Anwachs den Deutschen zuträglich ; sie fanden hier bey den Eingebore- 
nen und bey den, diesen Markt besuchenden, Fremden einen grössern Absatz, 
als sie bey einem armen Volke je erwarten konnten. In Brabant und Flandern 
sah man die Ankunft und die Niederlassungen der Fremden gern ; allein ohne ih- 
nen solche Vorrechte zuzugestehen, wie die Deutschen durch die Gewalt ihrer Waf- 
fen, durch die bestochenen oder gewonnenen Herren des Nordens, sich in Dänmark, 
Norwegen und Schweden verschafft hatten, welche die fast ausschliessende Herr- 
schall des Verkehrs in ihre Hände gab. 

ITebrigens ging es mit dem Verkehr der niederdeutschen Kaufleute und 
Städte nach den Niederlanden wie aller Orten, wohin sie reichten. Zuerst waren 
es Einzelne, die sich hier Freyheiten erwarben und eine Niederlassung begründe- 
ten ; dann gesellten sich mehrere hinzu, und es wurden gemeinschaftlich Freyheiten 
erworben. 

Diese ersten Freyheiten, welche von den Kaufleuten einzelner deutscher Städte 
Hamburg, Lübeck, Soest, Dortmund und anderer von den Herren dieser Gegenden 
erlangt wurden, enji|allen kaum etwas Anderes als allgemeinen Schutz gegen Er- 
legung eines Zolls, jBelieyung vom Strandrechte und die Befugniss ihr schiffbrü- 
chiges Gut zu retten. 

So nahm Graf Wilhelm von Holland in d. J. 1243 die Kaufleute der Städte 
Lübeck und Hamburg, die durch sein Land ziehen, für ihre Person und Gfüter 
in seinen Schutz unter der Bedingung, dass sie seinem Zöllner zu Gherulit eine 
Mark von hundert Marken des ersten Einkaufspreises, den sie eidlich anzugeben 
haben, entrichten, und von jedem Pack {sarcina unius iiri) flandrischer Tücher, 
die sie durch sein Land zurück fuhren, zwey Schillinge seinem Zöllner erlegen. 
Der Graf behält sich vor, diesen Schutz ihnen aufzukündigen, doch soll ihnen noch 
ein Jahr nach der Aufkündigung die Freyheit zustehen, in das Land zu kommen, 
daselbst zu verweilen, oder durch dasselbe zu ziehen. Derselbe hat als römischer 
König im J. 1248 diese den Lübeckern zugestandenen Freyheiten auf die Dort- 
munder ausgedehnt, einige Jahre nachher auf Bremen und Stade, und auf die Un- 
terthanen der Markgrafen Johann und Otto von Brandenburg im J. 1252} Soest ist* 



You Flauderu uud Brabaut,'' ia dem Haudbuche für Kaufleute für das Jahr 1785* 1786* 
ZweyterTheil. S. 251 - 575* Leipz. bey Cruaiu». 1786. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 217 

um die Zeit wahrscheinlich vom Sirandrechte befreyt worden, wie denn Wilhelm 
schon im J. 1245 den Lübeckern dasselbe zugesagt hatte i). 

Der Bischof von Utrecht nahm im J. 1244 die Kaufleute von Lübeck und 
Hamburg in seinen Schutz und sicherte ihnen die Erhaltung ihres Rechtes zu, das 
sie also schon früher erworben hatten, nähmlich: dass, wenn sie von jenseits 
des Meers in sein, des Bischofs, Land kommen, der gleiche Zoll, den Andere 
entrichten, von jedem Schiflie mit den darin befindlichen Gütern von 
ihnen abgegeben werden soll, und wenn sie vom Zwin {Ceno) nach Flandern, 
oder wohin sie sonst wollen, mit ihren Schiffen und Gütern fahren, sie acht 
utrechter Pfennige entrichten sollen. Von jedem Fass Asche oder Pech, das mit 
dem Krahn über den Damm gebracht wird {ultra aggerem transfertur\ ist derselbe 
Zoll, das Krahngeld eingeschlossen, zu entrichten; was jedoch von ihren Gütern 
zwey Männer auf ihren Schultern oder mit ihren Händen oder mit einer Trag- 
bahre {gerula) fortschaffen können, davon ist nichts abzugeben. Kehren sie 
aber mit Schiff und Gut nach dem Rheine zurück, so sind die acht utrechtcr 
Pfennige als Zoll zu entrichten, und von jedem Pack Tücher als Zoll und Lohn 
der Hinüberschaffung über den Damm vier derselben Pfennige; kehren sie mit 
dem Schiff mit "Wein beladen zurück , so sollen sie der gleichen Abgabe und dem 
gleichen Lohn von jedem Fasse Weins bey dem HinüberschafFen über den Wall 
oder Damm gleich den Utrechtern unterworfen seyn. Uebrigens steht ihnen mit 
allen Aqdern das Recht der freyen Fahrt gegen Erlegung des Zolles zu, den Andere 
innerhalb Müden und hinter Vecht {intus Müden secus Vechi) entrichten 2). 

liorentius, Graf von Holland, hat die von seinem Vater und andern seiner 
Vorfahren den Lübeckern im Allgemeinen ertheilten Freyheiten bey der Durchfuhr 
in d. J. 1249, 1269 und 1270 bestätigt; woraus von Neuem erhellet, dass sie 
schon vor Wilhelm ähnliche allgemeine Freyheiten und den Schutz in dem Lande 
besessen haben 3), wie auch ähnliche Ausdrücke in einer von ihm den Hambur- 
gern ertheilten Bestätigung der mit den Lübeckern gemeinschalUich besessenen 
Vorrechte sich finden 4). 

Am merkwürdigsten aber sind andere Urkunden und Freybriefe, welche 
nicht auf eine oder die andere norddeutsche Stadt lauten, sondern die auf 

1) ÜB. XYL UV. 1245. 1248. 1252^. 1252c. d. Dreyer yVi« /?«&/. 238 ff. 

2) ÜB. XVII. 

3) ÜB. XVIII. XXXni. XXXIV. - 

4) S. Nachtrag zum J. 1266. 

Ee 



218 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

einen gemeinscbafÜIchen Verein dieser deutschen Städte oder Kaufleute hinweisen 
und zu deren Besten und zwar eben für dasjenige Land galten, was für ihren 
Verkehr am wichtigsten war, nähmlich liir Flandern. Diese Freybriefe und Ur- 
kunden sind V. d. J. 1252« 

In der einen versprach die Gräfin Margarethe von Flandern und Hennegau 
und ihr Sohn Graf Guido, auf Bitte aller Kaufleute des römischen Reichs, 
welche Gothland besuchen, und auf Antrag der Abgeordneten Hermann 
Hoyers von Lübeck und Jordans von Hamburg denselben, dass keiner dieser Kauf- 
leute in Flandern zum gerichtlichen Zweykampfe gefordert werden, keiner die Güter 
eines Andern solle verwirken können, dass der Verbrecher allein nach dem Landrechle 
durch des Landes Gerichte zur Genugthuung und Strafe angehalten werden solle j 
dass kein Kaufmann für eines Andern vor den Schöffen in Flandern eingegangene 
oder vor ihnen anerkannte Schuld festgenommen werden, sondern allein der würk- 
liche Schuldner oder dessen Bürge dafür haften solle. Hätten Diese vor Abtra- 
gung der Schuld sich entfernt, um nicht zurückzukehren und würde nicht das 
Erforderliche zu deren Tilgung gesandt, also dass die Gläubiger die Schuldner und 
Bürgen in ihren Wohnorten zu verfolgen hätten, so sollen die Schöffen und 
Geschworenen des Orts den Gläubigern behülflich seyn zu Erwerbung der Güter 
des Schuldners, der Bürgen oder deren Erben, wenn so viele zur Befriedi- 
gung hinreichende Güter derselben daselbst vorhanden sind; sollten aber diese 
nicht zureichend seyn , so soll gegen sie , nach den Gesetzen und Gewohnheiten 
dieser Orte verfahren werden. Kein Gesetz und Dienstzwang {chora et hannus\ 
dem Rechte zuwider, soll zu ihrem Nachtheil erlassen werden; im Fall eines dar- 
über entstandenen Streites entscheidet das Urtheil der Schöffen. Wegen der Be- 
schuldigung eines jeden Streites oder Zwistes vor Gericht kann der Kaufmann 
des Vergehens oder Verbrechens wegen nicht anders überfuhrt werden, als ledig- 
lich durch das Zeugniss {yeritas) der Schöffen, oder den von den Schöffen aner- 
kannten Beweis, worauf der Ueberfuhrte nach dem Schöffen -und Landes -Recht 
büssen soll. Der Beklagte, wenn er hinlängliche Bürgen stellt, oder so viel Ver- 
mögen, nach Aussage zweyer unverdächtigen Nachbaren, daselbst besitzt als die 
Busse beträgt, kann nicht in Banden gelegt werden, es wäre denn, dass er eines 
Verbrechens, das an den Hals oder ein Glied ginge {de capite vel de membro) be- 
" schuldigt wäre. Auch sollen die Rechtsverhandlungen, die den Kaufmann angehen^ 
innerhalb drey oder doch binnen acht Tagen entschieden werden , es wäre denn, 
dass die Schöffen eidlich bekräftigten, dass die Sache binnen dieser Frist nicht 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL, U. FRANKR. 219 

hätte entschieden werden können, in welchem Falle sie denn so schnell als mög- 
lich es thun sollen. Kann aber der Kaufmann das Ende der Verhandlungen 
nicht abwarten; so kann dessen Bürge oder jeder Andere für ihn antworten i). 

Keiner dieser Kaufleutc soll beym Schiffbruch an den flandrischen Küsten 
die geretteten Güter einbüssen, und weder sie noch ihre befrachteten Schiffe 
sollen gewaltsam angehalten werden dürfen, wenn nicht schon zuvor gerichtlich 
über sie entschieden ist, oder ein neues Ereigniss sich zugetragen hat, oder eine 
Ursache zum Grunde liegt, wesshalb sie nach den Gewohnheiten des Landes fest- 
gehalten werden dürften. Wäre aber ein Kaufmann Schulden wegön belangt, 
und noch nicht überführt, so kann er sich durch seinen Eid vor Gericht von der 
Schuld befreyen; will er den Eid nicht leisten, so muss er zahlen und büssen 
nach des Orls Gewohnheiten. Würde Jemand durch Zufall vermittelst des Schiffs- 
Geschützes verletzt oder getödtet, oder fiele er aus dem Schiffe, so kann ihm 
Jeder ohne eines Vergehens sich schuldig zu machen, beystehcn, und weder 
Schiff noch Gut der Kanfleute noch Einer derselben darf bey dieser Gelegenheit 
verhaftet oder verhindert werden. In allen hier nicht erwähnten Puncten gelten 
des Landes Gewohnheiten und Gesetze s). 

Diese Freyheiten, wie schätzenswerth sie seyn mochten, waren doch nicht 
denen zu vergleichen, welche die deutschen Kaufleute in andern, nahmentlich in 
mehreren der nordischen Reiche allmählich sich verschafften; es mochten diesel- 
ben wenig mehr enthalten, als was die Grafen allen andern Handelsvölkern, die 
Brügge besuchten, zugestanden hatten ; auch sind in der folgenden Zeit diese zwar 
erneuert und in einzelnen Theilen genauer bestimmt, auch theilweise erweitert 
worden: aber mit den auf eine ausschliessende Handclsherrschaft hingehenden in 
andern Ländern sind sie nicht zu vergleichen, und sind diese angeflihrten stets 
die Grundlage geblieben. Auch haben die Städte völlig gleichlautende zu Gunsten 
der Fläminger bey sich der Gräfin für ihre Unterthauen ausstellen müssen; wir 

1) Diese Stelle yoa " Kein bis anUvortea*' steht nicht in der bey Drey er abgedruckten Urkunde 8.233-234; 
ich habe sie aus der von der Stadt Breineu der Grafin tou Plaudern ausgestellten Gegeuurkunde Tom 
J* 1255. entlehnt, die mutath mutandis dasselbe den Flämingern wörtlich zusagt, was die Gräfin den 
Städten zugesagt hattet Drey er bemerkt, dass die Urkunde tou der Gräfin« die er abdrucken lassen, 
an der Stelle durch die Zeit so verdorben sey, dass er sie nicht habe lesen können. Es ist keinem Zwei- 
fel unterworfen, dass sie mit aller Sicherheit aus der bremischen Urkunde ergänzt werden könne, die 
übrigens hinwieder ganz gleichlautend mit der ist, welche das Jahr zuvor die Stadt Münster für die 
Flämiuger ausgefertigt h^tte« 

2} Der Schluss von ^* 'Würde Jemand^' an ist gleichfalls ans derselben Quelle wie in der vorhergehenden 
Anmerkung bemerkt worden, nachgetragen, da er bey Drey er fehlt. ÜB. XXIIL und Nachtrag zu der- 
selben. UV. 1252. 1« 

Ee 2 



220 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

haben noch zwey Urkunden der Art von der Stadt Münster im J. 1254 und von 
Bremen im J. 1255 und wahrscheinlich sind sie gleichmässig von andern ausge- 
stellt worden i). 

Wichtiger, bedeutender und vortheilhafter mag die Rolle gewesen seyn, 
welche die Gräfin und ihr Sohn an demselben Tage und in demselben Jahre 
denselben Kaufleuten mit Einwilligung Hermanns genannt Hoyers, und Jordans, 
Abgesandten der Kaufleute des römischen Reichs, die mit Vollmachten durch offene 
Briefe einiger Städte dieses Reichs versehen waren, und die gemeinschaftlich ein- 
stimmten, wegen der zu Damm von ihnen zu erlegenden Zölle ertheillen3 
allein diese Begünstigung lautete, nicht allein auf sie, sie galt auch für andere 
Fremde. Um mit Gewissheit urtheilen zu können, in wie fern darin eine Begün- 
stigung für sie gegen das, was früher von ihnen zu entrichten war, lag, müsste 
man, was nicht der Fall ist, die Zollabgaben genau kennen, welche zuvor von 
ihnen hier entrichtet wurden. Es ist zwar höchst wahrscheinlich , dass sie durch 
diese Zollrolle begünstigt werden sollten, dass sie weniger als zuvor zu entrichten 
hatten , da offenbar die Festsetzung des Zolls mit ihrer Zustimmung und mit 
Berathung zwischen beiden Theilen vorgenommen war. An sich ist die Urkunde 
sehr wichtig wegen der grossen Menge der Waaren, welche darin vorkommen, 
die grösser ist, als die in irgend einer andern Urkunde und in irgend einem andern 
Lande dieser Zeit sich findet, welches den grossen Umfang des Verkehrs aaf 
diesem freyen , europäischen Markte beweiset: aber sie ist so eingerichtet, dass 
man doch mit Gewissheit nicht einmahl daraus angeben kann, welche Waaren 
denn eigentlich von den Deutschen Städten hierher, von da aus oder durch Flandern 
geführt worden sind, wiewohl man bey vielen mit grosser Wahrscheinlichkeit es 
vermuthen mag. Es ist jedoch um so schwieriger , da , obwohl die Zollrolle vor- 
zugsweise für die Kaufleute des römischen Reichs gegeben worden seyn mag^ 
dennoch es auch bestimmt darin heisst, dass dieselbe auch für einige Fremde 
gelte , wie denn auch nahmentlich darin der Zoll von Pferden und Ochsen, 
welche Friesen und Dänen einführen, festgesetzt wird; auch griechisches Grün, 
spanisches Eisen und spanische Pflaumen werden darin im Zoll angeschlagen , und 
wenn man sagen wollte, dass diese letzten Gegenstände auch von Deutschen aus 
Spanien eingeführt worden seyn könnten, so ist nicht weniger gewiss, dass von 
diesen und andern fremden Völkern damahls das Land doch eben so gut als 



1) ÜB. XXIII. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 22 1 

von den Deutschen besucht ward; wenn endlich bey einigen Gütern deutsche 
Benennungen vorkommen, so ist bey andern wie z, B. bey Sporta, für Korb, der 
italiänische oder spanische Ursprung nicht zu verkennen. Ueherall ist aus dieser 
Urkunde in Bezug auf den Umfang des Verkehrs der deutschen Städte um so 
weniger mit Sicherheit s^u schliessen, da Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr darin 
durcheinander geworfen sind, wie es bey dem verstatteten frey'en Handel im Lande 
zwischen den verschiedenen Völkern, mehr denn in irgend einem andern Theilc 
der damahligen Handelswelt, nicht wohl anders seyn konnte; dieselbe Sache wird 
daselbst eingeführt, aus und durchgefiihrt, eben weil dem Gaste mit dem Gaste, 
was in allen andern Ländern so erschwert war, der Handel frey stand i). 

Nähere Aufschlüsse ertheilt eine dritte Urkunde von demselben Jahre und in 
demselben Monathe ausgefertigt von den Rittern Johann von Ghistella, Herrn von 
Formazele und W^ulfard, Herrn von Wastin, worin sie allen Kaufleuten des rö- 
mischen Reichs und den Bürgern Lübecks, auf Ersuchen der oben genannten 
Hermanns genannt Hoyer und Jordans, der besondern Bothen der gesammten 
Kaufleute dieses Reichs, die Gnade erweisen, dass bey allen von ihnen 
daselbst verkauften Gütern vor dem den Rittern zu Brügge zustehenden Zolle, die 
bisher zu entrichtenden sechs Pfennige von der Mark, dahin ermässigt wurden, 
dass der Käufer nur drey Pfennige von der Mark entrichten sollte. Die vier 
Pfennige von einem Dpitzend Halbstiefeln werden auf drey, von einem kleinen 
Korb Feigen und Rosinen von zwey auf einen Pfennig herabgesetzt und von allem 
was sie an Speise, Getränk, Lebensmitteln, Kleidungsstücken und andern Bedürf- 
nissen kaufen, werden sie von allen Abgaben frey gesprochen, mit Ausnahme von 
vier Pfennigen vom Fasse Wein. Wer heimlich den Zoll umgehet, der soll ein 
Jahr hindurch den ganzen Zoll d. i. sechs Pfennige von der Mark entrichten 2). 

Aber zehn Jahre nachher scheint man bereits anders sich verglichen zu ha- 
ben, der alte Zoll scheint wieder in Kraft getreten, vielleicht später wieder geändert 
oder gemindert worden zu seyn. Aus einer Urkunde von dem J. 1262» worin die 
Zölle oder Abgaben angeftihrt werden, welche von des römischen Reichs Kauf- 
leuten den Rittern Johann von Ghistella und Wulfhard von Weslin zu Bragge 



1) S. diese Urkunde erläutert im ÜB. XX. Die Erklärungen ««ancher dunklen "Worte sind dort, wohin die 
Sache gehört, Tersncht i;rorden, sie können in Bezug auf Sprach- und Waarenkunde nicht als unnfitz 
angesehen werden, wiewohl der eigentliche Umfang des Handels der deutschen Städte > deren Ein- und 
Ausfuhr aus Flandern, sich daraus keineswegs mit Sicherheit ergibt. 

2) ÜB. XXL 



222 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

III entrlchlen waren, geht diess deutlich hervor, zugleich aher auch, dass sie Ihren 
Vorfahren vor Alters dieselhen entrichtet hätten und ferner zu entrichten einwil- 
ligen. Diese Urkunde Ist von der Gräfin Margaretha und ihrem Sohne bestätigt 
worden, und sie bezieht sich nicht nur auf die in Brügge zu erlegenden Abgaben, 
sondern auch auf die, welche auf dem Markte zu Thorout abzugeben sind, 
ferner auf die Gebühren für die Mäkler, obwohl die Abfassung wie bey den frü- 
hern Zollrolleu von d^ Art ist, dass sich gleichfalls daraus mit Sicherheit über 
die Ein -und Ausfuhr der Güter T^Ichts abnehmen lässt i). 

Ist nun dieses Zurückkehren zu dem alten höheren Zolle die Ursache gewe- 
sen, welches jedoch kaum wahrscheinlich Ist, da es ausdrücklich helsst, die 
deutschen Kaufleute hätten darin gewilligt, oder was sonst für eine Ursache ein- 
getreten seyn mag, es entstanden kurz darauf Klagen von Seiten der deutschen 
Städte, dass sie unerträglicher Weise in der Stadt Brügge gedrückt würden, und 
diese waren so bedeutend, dass sie endlich ihren Stapel von Brügge nach Arden- 
burg verlegten, wie wir denn mehrere Urkunden einzelner Städte z. B. von d. J. 
1280 ^on Stendal, und von den Gothen und Deutschen auf WIsby, vom J. 1281 
aber von Halle haben, welche dieser Massregel bey treten, sich jedoch das Besu- 
chen anderer Orte und Häfen frey vorbehalten 2). Man sieht zugleich, dass die 
Unzufriedenheit gegen die Stadtobrigkeit von Brügge, oder die mit den Abgaben 
daselbst belehnten Ritter ging, da der Graf von Flandern ihnen in Ardenburg 
die gleichen Freyheiten verstattete. 

Von dem Zwiste der Deutschen mit Brügge suchten andere Städte und 
Herren in den Niederlanden Vorthelle zu ziehen und den Stapel der Deutschen in 
ihre Gegenden zu bringen, wie denn grosse Vortheile im Gewerbe und Verdienst 
mit ihrer Ansiedelung oder Niederlage verbunden waren. Wenigstens bietet die 
Stadt Dortrecht schon im J. 1266 den Hamburgern alle Freyheiten in ihrer. Stadt 
an, wenn sie dieselben besuchen wollen; die Stadt Zyrikse gewährt ihnen und 
allen, die von der Elbe her zu ihr schiffen, frey es Gelelt und jede Begünstigung; 
Albert, Herr von Voorne und Castellan von Seeland vevlieh denselben Bürgern und 
allen ,• welche von der Elbe her zu seinem Gebiete kamen, seinen Schutz, und 
überlless ihnen die Schlichtung der zwischen ihnen sich ereignenden Händel, mit Aus-' 
nähme der auf seinem Lande vorgefallenen an Hals und Hand gehenden Verbrechen 



1) ÜB. XX\ III. XXIX, 

2) ÜV. 1280. 6* Uß. XLIL XUIL 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 223 

/ 

I 

und verzichtet sogar auf die Entscheidung der zwischen den Hamburgern und 
Flämingern sich ereignenden Streitigkeiten i). Der Graf Florentius von Holland 
gestand den Hamburgern in seiner Stadt Dortrecht und in seinem Lande im J. 
1266 und 1277 zu diesem Zweck die erforderlichen Freyheiten zu ; ähnliche 
Freyheiten erhielt später unter derselben Voraussetzung auch Groningen 2). Der 
Ritter ^uoch erbot sich gegen die Lübecker (1278) in seiner Stadt Grave, 
wenn sie durch dieselbe hin ihren Verkehr mit Brabant fuhren wollten, zu Schutz 
^d Förderung. Auch haben andere deutsch - niederländische Städte, als Deven- 
ter, Zwoll, Campen und Wilsen, von dem Grafen Florentius von Holland in 
den J. 1276 wnd 1278 sieh mehrere Freyheiten in der Stadt Dortrecht erworben, 
um dahin ihren bisher in Brügge betriebenen Verkehr zu verlegen 3). Aber Arden- 
burg, so nahe bey Brügge und Zwin belegen, erhielt vor allen andern wohl den 
Vorzug, doch scheint es nicht, dass die deutschen Kaufleute lange daselbst ihren 
Stapel gehalten haben. 

Schon vom J. 1282 haben wir eine neue Ordnung wegen der Wage zu 
Brügge von dem Grafen Guido von Flandern, dem Herrn Johann von Ghistelle 
und der Stadt- Obrigkeit daselbst, wodurch die Beschwerden, die auch später 
von Zeit zu Zeit wiedergekehrt sind, in Bezug auf die Vervortheilung beym 
Wiegen für die Deutschen abgestellt wurden. Demnach scheinen sie bald zurück- 
gekehrt zu seyn, beide Theile konnten sich einander, des eigenen Vortheils wegen, 
nicht lange entbehren; wahrscheinlich sind die Uebervorthcilungen beym Wie- 
gen der Waaren, wonach sich der Zoll richtete, die Hauptursache der Verlegung 
ihres Stapels gewesen. Nun ward ihnen zugestanden, dass der Zöllner zu Brügge 
nicht mehr mit dem Punder (der grossen Schnellwage) sondern allein mit zwey 
Wagschaalen wiegen soll; dass jeder Bürger der Stadt Wagen dieser Art und 
Gewichte bis zu sechszig Pfunden haben dürfe; dass Niemand verbunden sey ver- 
kaufte Güter an demselben Tage abzugeben (vielleicht wegen Uebereilung beym 
Wiegen). Doch über sechszig Pfunde können nicht von diesen besondern Wagen 
gewogen und danach abgegeben werden, bey Strafe von sechzig Schillingen und 
dem Verluste des Gewichts oder der Wage; die Busse soll zur Hälfte dem Lan- 



1) S. Nachträge zum J. 1266« 

2) Nachtrag zum J. 129e« 

3) Uß. XXX. XXXIX. UV. 1276. 2. 1277- 5. 1278. 1. 



224 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

.deslicrrn, ein Viertel der Stadt Brügge und das andere dem Zöllner zufallen. 
Dagegen ist der Zöllner von Brügge schuldig auf der Jobannis -- Brücke und auf 
dem Markte zu Brügge hinlängliche Wagschaalen und Gewichte nebst einem 
beeidigten Wieger in jedem Orte zu halten, und ausserdem vier andere beeidigte 
Wieger, die in der Stadt umhergehen und, wo es nöthig ist, wiegen sollen, die 
mit dem zu gehen haben , der sie dazu zuerst auffordert. Der Zöllner ist ver- 
pflichtet, Wagschaalen und Gewichte in hinlänglicher Menge zu halten, um Jeden, 
wo es Noth ist, zu befriedigen, er ist verbunden seine Hände von den Schaa^ 
wegzuhalten. Auch steht es den Käufern und Verkäufern frey, bescbeiden ihre 
Einwendungen zu machen, wenn sie dafür halten, dass nicht recht gewogen sey. 
Der Zöllner erhält nach altem Herkommen das Wägegeld wie er es von dem 
Ponder erhielt, ohne weitere Geschenke. Jeder Verkäufer ist verbunden, das Gut 
iil die Wagschaalen zu liefern , der Käufer es herauszunehmen ; wo aber die 
herumgehenden Wieger zu wiegen haben, ausser jenen zwey Stätden, da ist der 
Zöllner schuldig ihnen das Gewicht zu schaffen , dessen sie bedürfen. Sollten 
Verbesserungen in diesen Sachen in der Folge nöthig werden, so ist dem Herrn 
des Zolls davon Anzeige zu machen, der verbunden ist die Verbesseiomgen vor- 
zunehmen, unterlässt er es aber, so wird der Landesherr durch die Schöffen der 
Stadt es besorgen. Alle Kaufleute von Osten haben zum Bessten aller 
Kaufleute ihre Zustimmung gegeben 1). 

Etwas später in demselben Jahre ward eine Ordnung über die Wage zu 
Brügge von dem Grafen von Flandern in Uebereinstimmung mit dem Herrn von 
Ghistella, den Schöffen von Brügge, mit den Abgeordneten der Kaufleute des 
römischen Reichs, Johann von Doway und Lantbert Witte , und durch Nicolaus 
genannt Garcie de Burs und Peter von Antomaen von Montpellier* von Seiten 
der spanischen und ihnen angehörigen Kaufleute , dem Lantbert Zöllner und Nico- 
laus Waller, Bürgern von Brügge, in Auftrag der flandrischen Kaufleute beliebt und 
bekannt gemacht, dass den Klagen der Kaufleute, dass die Wieger gegen den Inhalt 
der erhaltenen Freybriefe ihnen unrecht wögen, soll also abgeholfen werden: man 
soll gleich wiegen, mit Abschaffung der Vermehrung mittelst des sogenannten co/i- 
irepoids\ die Wagschaalen sollen einen Fuss von der Erde hängen, die Wieger 
nach dem gemeinhin sogenannten dofgewichte wiegen, und die Hände von den 
Wagschaalen zurückziehen. Hat der Wieger das Gewicht in die Wagschaale 



i) ÜB. xxxxv. 



SECHSTER ABSCHN. IL\ND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL, U. FRANKR. 225 

gesetzt, so soll er den Wagbalken gegen das Zünglein drücken und mit demselben^ 
berühren {debet ipse percutere et iangere trabem contra iinguam), bevor er urtheilt 
und wenn er sein ürtheil gefallt hat, so soll er es dem Käufer, wie dem Verkäufer 
frey stellen, das Gewicht zu berechnen, bevor es abgenommen wird; haben diese 
Nichts einzuwenden, so steht es dem Wieger frey das Gewicht aus den Schaalen 
zu nehmen; auch sollen sie wenn die zu wiegenden Güter getheilt werden können, 
davon eine Hälfle auf der einen, die andere auf der andern Schaale wiegen^ 
nicht aber dabey eines Gewichts von Bley oder eines solchen, das sein gesetzlichem 
Zeichen nicht hat, sich bedienen; die Stricke der Schaalen sollen gleich lang seyn, 
und die Zunge soll in dem Häuschen stehen , wohin sie gehört {et debet fieri 
lingua usque ad nodum domuscule swe loci in quo stat dicia lingua); der Wage*^ 
balken (irabs) soll in solcher Höhe hangen, dass ein Mann von mittlerer Grösse 
die Zunge der Wage mit dem Daumen berühren könnte; endlich soll der Wieger 
auf seine Kosten das Gewicht ein- und absetzen l)» 

Wenn nun die deutschen Kaufleute nach diesen Begünstigungen wieder nach 
Brügge zurückgekehrt sind, so sind sie doch in dem ersten Jahrzehend des folgen- 
den Jahrhunderts wieder von da nach Ardenburg mit ihrem Stapel gezogen. Diess 
ist in oder vor dem J. J309 geschehen, wie es urkundlich zu belegen ist, ohne 
dass wir eigentlich die Ursache wissen, die aber immer nach der Städte Angaben 
ia der Kränkung ihrer erworbenen Rechte und Freyheiten durch die Bürger, Ein- 
wohner oder Obrigkeiten der Stadt Brügge lag, da sie weniger von den Landes- 
herren bedrängt worden zu seyn scheinen, die ihnen auch bereitwillig ihre erworbe- 
nen Freyheiten bestätigten oder erweiterten. In dem J. 1298 ^^^ ^^^ Graf Guido 
von Flandern den Lübeckern einen Freybrief ausgefertigt, worin jedoch ihnen nichts 
besonders zugestanden ward, was nicht in den bereits erhaltenen oder gleich fol- 
genden Freybriefen bewilligt worden war, wie man sich einzeln denn noch be- 
sonders ausfertigen Hess, was den Deutschen überhaupt zugestanden worden war. 
Er nahm sie und ihre Güter in seinem Lande in seinen Schutz, dass sie nicht 
für die Schuld anderer Deutschen, sondern nur für ihre eigenen oder wofür sie 
Bürgen sind, haften sollen, und dass, wenn sie nicht ein Verbrechen begehen, das an 
Hand und Hals geht, im Fall sie Bürgen stellen oder sonst Caution leisten, sie nicht 
ins Gefängniss gesetzt werden sollen. Bey dem Vergehen eines ihrer Diener oder 
Factom, sollen die Güter der Herren nicht in Beschlag genommen werden, wenn 



i) ÜB. XXXXVIL _ 



226 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

9s nachgewiesen wird, dass sie ihnen gehören. In Fehden zwischen dem König 
Ton Almannien, oder den Herren von Lübeck und dem Grafen, sollen die Güler 
der Lübecker unverhaftet bleiben ; ebenfalls wenn zwischen dem Könige oder einem 
Fürsten und Herrn Deutschlands und zwischen der Stadt Lübeck ein Streit ent- 
stände: sollten sie in diesen Fällen aus dem Lande gewiesen werden, so steht 
ihnen auf ein Jahr (diess ist die bedeutendste Freyheit, ein kürzerer Zeitraum 
kommt in den andern Freybriefen vor) von der Zeit an der Abzug frey. Er ver- 
stattet Ihnen die gleichen Freyheiten, die er oder seine Vorfahren den Hamburgern 
im Swen oder sonst im Lande bewilligt haben. Alles diess jedoch unter Vor- 
aussetzung der herkömmlichen Abgaben, unter welcherley Nahmen sie üblich sind !)• 

Bald darauf hat Graf Robert von Flandern im J. 1307 für sich und seine 
Nachkommen, aus freyem Willen, zum Besten Flanderns und nach Weise seiner 
Vorfahren, alle Kaufleute des römischen Reichs mit Ihren Begleitern (familia cte- 
cenii) in seinen Landen in Schutz genommen, woher sie auch Immer zu Wasser 
und zu Land dahin kommen mögen; er verstattet ihnen das Recht, daselbst, so 
lange sie wollen, sich aufzuhalten, unter sich und mit jedem Andern frey ihre Handels- 
geschäfte zu betreiben, zu kaufen und zu verkaufen, vermittelst Silbers oder Münze, 
oder durch Tausch, wie es ihnen zusagt^ jedoch wird der Geldwechsel und jedes 
zinsliche Gelddarlehn (conuentio usuraria) ihnen verboten; es steht Ihnen die 
freye Ausfuhr aller Güter wohin sie wollen zu, gegen Erlegung des herkömm- 
lichen Zolls; auch verspricht ihnen der' Graf keine neuen Zölle und Abgaben auf- 
zulegen, oder zu verstatten, dass sie aufgelegt würden, ohne Ihre Einwilligung. 
Im Fall des Ausbruchs eines Kriegs zwischen Ihm und dem römischen Kaiser 
oder einem Fürsten des Reichs, soll der Schutz noch vierzig Tage fortdauern und 
Ihnen zuvor eine öffentliche Warnung mitgetheilt werden, bevor etwas gegen ihre 
Personen oder Güter unternommen werde, so wie er ihnen beym Abzug aus 
dem Lande wohin sie wollen, es sey zu Wasser oder Land, Schutz verleiht; soll- 
ten sie aber durch Mangel an Schiffen, Unwetter oder andere gültige Ursachen 
an dem Abzüge verhindert seyn, so sollen sie einer neuen Frist unter gleichem 
Schutz sich zu erfreuen haben. 

Es wird ihnen verstattet in dem Hafen oder Orte der Besitzungen des Gra- 
fen, den sie wählen, um daselbst sich aufzuhalten , frey einen Verein zu bilden und 

1) ÜV. 1298. 3. 






SECHSTER ABSCHN. HAND, D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 227 

öffentliche Zusammenkunft daselbst zu halten in einem Hause, Hofe oder einer 
Strasse um die Zwiste und Vergehen, die unter ihnen vorgefallen sind, auszu- 
gleichen, ihre getroffenen Einrichtungen aufrecht zu halten, und die Uehertreter 
zu strafen, ohne dass des Grafen Amtleute sie daran hindern dürfen, mit Aus- 
nahme jedoch der Vergehen, welche Strafen nach sich ziehen, die das 
Leben , die Ablösung eines Glieds oder schwere körperliche Verletzung zur Folge 
haben; sollte aber einer von ihnen der gemeinsam unter einander beliebten Ord- 
nung mit Hochmuth sich widersetzen und nicht unterwerfen wollen, so soll ein 
Solcher durch des Grafen Beamten oder andere seiner Diener zur Genugthuung 
angehalten werden. Es werden dann die früher (1252) von der Gräfin Margaretha 
gegebenen Zusicherungen erneuert, dass keiner zum gerichtlichen Zweykampfe 
gezwungen, keiner des Andern Gut erwerben, keiner für des Andern Schuld haften 
solle, sondern allein der wirkliche Schuldner oder dessen Bürge; dass keiner we- 
gen einer Klage, die nicht an Hals oder Hand geht, bey Stellung von hinläng- 
lichen Bürgen oder wenn er eigenes genügendes Vermögen an dem Orte besitzt, 
in das Geiangniss oder in Ketten gelegt werden solle, wäre er aber eines so 
schweren Verbrechens angeklagt und würde er durch das Schöffengericht verurtheilt, 
so sollen seine Güter weder theilwcise noch ganz verfallen seyn, es wäre denn, 
dass des Orts Gewohnheiten, wo das Verbrechen begangen worden, Anderes im 
Allgemeinen festgesetzt hätten. Flüchtet ein solcher Vei^brecher, so soll es mit 
seinen Gütern nach des Orts Gewohnheiten und Recht gehalten werden. 

Dann folgt, wie auch von der Gräfin Margaretha versprochen war, dass die 
Rechtsstreite möglicher Weise binnen drey oder acht Tagen beendigt werden 
sollen, mit den andern dort nur in etwas veränderter Ordnung vorkommenden 
Artikeln über den Schiffbruch, die Beschlagnahme der Schiffe, die unverschuldete 
Verletzung durch Schiffs -Geschütz, die Befreyung durch Eid von der Schuld. Der 
Graf verspricht zugleich, dass wenn seine Richter und Schöffen dagegen fehlen 
sollten, er darum gehörig angegangen, seine hülfreiche Hand den Kaufleuten 
reichen wolle; in allem hier nicht Erwähnten gelten des Landes Rechte und 
Gewohnheiten. Die Ausfertigung ist auf die Bitte des Johanns de nova curia 
von Dortmund und Arnolds Walmod von Lübeck geschehen i). 

In dieser Urkunde wird der Stadt Bjrügge nicht gedacht, sie bezieht sich 
auf Flandern überhaupt und ist wahrscheinlich erbeten und erhalten worden, als 

1) CXVIlc. 

Ff 2 



228 ZWEYTE ABTHEIL GESCH. DES HANDELS. 

man damit umgmg, den Stapel von Brügge, wegen mancher Bedrückungen von 
der Obrigkeit daselbst, anderswohin zu verlegen, denn auch der Stadt Ardenburg, 
wohin die deutschen Kaufleute ihre Niederlage abermahls verlegten, wird nicht 
erwähnt. Lange Zeit hat aber die Abwesenheit nicht gedauert; es ist aus den 
folgenden Urkunden einleuchtend, dass sowohl die Stadt Brügge die Rückkehr 
der Kaufleute des römischen Reichs wünschte und bereit war ihnen neue Frey- 
faeiten zu verstatten, oder die Beschwerden, die sie zu dem Entschluss gebracht 
halten, hinwegzuräumen, als auch dass von der andern Seite manche unter den deut- 
schen Kaufleuten, besonders wie es scheint die der sächsischen Städte, keineswegs 
ihren Yortheil bey dieser Verlegung fanden, da die übrigen Vereine fremder 
Kaufleute in Brügge geblieben waren und der lebhafte Verkehr mit ihnen von 
Ardenburg aus nicht Statt finden konnte. Die ostländischen Städte, worunter 
hier die östlicher belegenen besonders die Seestädte wohl zu verstehen sind, 
waren zwar weniger fügsam, und schienen durch ihre fortdauernde Entfernung 
die Stadt Brügge mehr zum Nachgeben zwingen oder grössere neue Freyheiten 
ertrotzen zu wollen, aber die Stadt gab was man wünschen konnte. Die sächsi* 
sehen Städte erhielten schriftlich von ihr die Zusicherung, sie waren zurück- 
gekehrt, und übernahmen die Vermittelung auch bey den ostländischen Städten, 
denen sie die erhaltenen schriftlichen Zusagen mittheilten; auch wurde die volle 
Bestätigung von der Landesherrschaft erworben, und die Sachsen hatten sicJi 
vorbehalten, frey wieder von Brügge abziehen zu können, wenn die Einwilligung 
der östlichen deutschen Städte nicht erfolge, um ein einseitiges Verfahren von ihrer 
Seite zu meiden; jedoch die östlichen Städte kehrten auch wieder nach Brügge 
zurück. Alle konnten des grossen europäischen Markts nicht lange entbehren, da 
die Stadt Brügge alles Wünschenswerthe zugestand, aus welchen Bewilligungen 
zugleich abzunehmen ist, welche eigentlich die Klagen waren, die sie abermahls 
zu dem Schritt gebracht hatten nach Ardenburg zu ziehen. Diess Alles erhellet 
aus einer Reibe von Urkunden , die sämmtlich in das Jahr 1309 fallen. 

Die von der Stadt Brügge den deutschen Kaufleulen zugestandenen Freyhei- 
ten, um sie sämmtlich wieder zu bewegen ihren Stapel daselbst zu halten, lau- 
ten im Wesentlichen also: 

Die Stadt Brügge verstattel allen Kaufleuten des römischen Reichs , aus was 
Landen und Städten sie seyn mögen, die nach Brügge kommen, um daselbst 
ihren Stapel zu halten mit Wolle, Wachs, Kupfer und Korn und allen andern 
Gütern , woher sie dieselben auch zu Wasser oder Lande bringen mögen , so 



SECHSTER ABSCHN, HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 229 

lange der Stapel von ihnen daselbst gehalten wird» fiir ihre und ihrer Diener 
Person die Freyheit nach ihrem Gutdünken daselbst zu verweilen oder von da 
wegzuziehen und mit ihren Gütern, woher sie dieselben auch nach Brügge und in 
die Freyheit der Stadt geführt haben mögen völlig freyen Kauf und Verkauf, mit 
wem sie wollen, zu betreiben, oder sie zu "Wasser oder Land wieder auszu-- 
führen; auch können sie andere kleine Dinge von geringer Bedeutung wie z. B. 
Pferde kaufen und wieder verkaufen. Würde Einer von ihnen verklagt (benies 
maerd) wegen einiger gekaufter oder verkaufter Güter, so sollen ihn die Schöffen 
vor sich laden und ihm anzeigen, dass und wessen er beschuldigt worden 
sey, schweigt er oder gesteht er [dat hie des Uet), so verfallt er der Gnade 
der Schöffen wegen der Busse j gesteht er nicht, und will sich durch eineu 
Eid reinigen, so ist er frey von der Busse; thut er aber weder das Eine 
noch das Andere, so sollen die Schöffen die Wahrheit darüber hören (den Beweis 
fuhren lassen), und würde er schuldig befunden, so ist er straffällig. Die (oben 
angeführte) Verordnung wegen der Wage , ihnen und den Spaniern gegeben , soll 
strenge gehalten werden. Auch sollen sie Widergewichte (um die öffentlichen 
Wieger zu controlliren) mit dem Zubehör haben, gleich dem grossen öffentlichen 
Gewichte und dem Silbergewichte mit dem Zeichen der Stadt versehen. Bey 
dem Eichen dieser Gewichte, die auf der Wage oder in der Brennkammer {bern 
camere) stehen, soll man so verfahren, dass man das Gewicht wie es nöthig ist, 
mehre oder mindere In Gegenwart der Schöffen und der vorbemeldeten Kaufleute ; 
in deren Beyseyn sollen die Wieger den Eid leisten. Jedem das Seine zu 
geben; thäten sie dagegen, so sollen auf Anzeige und Wahrmachnng der Klage 
die Schöffen Solches bestrafen {yp den bari) nach dem Gesetz in* Gegenwart der 
Kaufleüte, und einen Andern an des Mannes Stelle setzen; den Verkäufern steht 
frey ihre Güter wiegen zu lassen, auf welcher Wage sie wollen; die Miethe der 
von den Kaufleuten gemietheten Häuser und Keller in der Stadt , um darin zu 
^^ohnen oder ihre Güter daselbst niederzulegen, soll man ihnen während der 
Miethzeit, und auch nach deren Ablauf, wenn sie dieselben behalten wollen, 
nicht vertheuern. Ferner so weit der Stadt Gewalt reicht, sollen die Kaufleu le 
und ihre Diener wegen Gefecht und Streit gegen hinlängliche Bürgschaft nicht ins 
Gefangniss gesetzt werden, es wäre denn, dass die Sache Hals und Hand anginge. 
Auch soll keiner derselben wegen einer Schuldforderung, worüber keine kundbare 
Urkunde {weitelijc cJiaerire) vorhanden ist, ins Gefangniss gesetzt werden, so 
lange er durch sein in der Stadt vorhandenes Gut oder durch hinlängliche Bürgen 



230 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Gewähr leistet^ dass er vor Gericht sich stellen werde. Kein Diener kann seines 
Herrn Gut verspielen oder verwirken, keiner hafltet für die Schuld eines Andern, 
Bürgen ausgenommen. Wenn Wolle, Pelzwerk und Kupfer und jeglich anderes 
Gut zu Brügge einmahl verkauft, besehen und abgegeben worden ist, so soll 
deshalb keine Klage angenommen werden; wäre es aber nicht zuvor in der 
Stadt besehen worden, und entstände darüber Klage, so soll dieses bey den 
Schöffen gebessert werden wie es sich gebührt nach der Meynung der Kaufleute 
{bi den ver steine pan copmannen). Ihnen steht frey, sofern diess die Schöffen 
und die Stadt angeht, öffentlich in derselben in Vereine zusammen zu treten, so 
od sie wolled , um Verordnungen zu machen und sie aufrecht zu erhalten durch 
Strafen gegen die Ihrigen , Hand und Hals ausgenommen. Der Stadt Mäkler 
sollen vor den Schöffen in Gegenwart der Kaufleute darauf beeidigt werden, dass 
sie gerecht gegen Käufer und Verkäufer seyn wollen, und die dagegen Fehlenden 
sollen vor den Schöffen in Gegenwart der Kaufleute genugthun, bevor es ihnen 
irgend wieder erlaubt seyn soll Mäklerlohn von dem Kaufmanne zu gewinnen. 
Die Schöffen sollen femer Vorschriften über die Arbeiter (Taglöhner) erlassen, 
deren sich die Kaufleute bedienen, so wie sie ihnen und der Stadt nützlich sind; 
welcher von den Taglöhnern aber sich an dem Kaufmann verginge , der soll nie 
wieder von ihnen etwas verdienen, bevor er ihnen nicht vor den Schöffen in 
Gegenwart des Kaufmanns Genugthuung gegeben hätte. Güter, welche sie den 
Schuitenfahrem oder den Fuhrleuten übergeben, vorgezählt oder nicht, sollen 
von ihnen den Kaufleuten oder ihren Dienern unverbrüchlich überliefert werden; 
brächen sie ihr Wort also, dass der Kaufmann dadurch Schaden nähme, den 
sollen sie ersetzen, vor den Schöffen und nach dem Sinne der Kaufleute. Mäklerlohn 
soll nur derjenige erhalten, welcher den Kauf oder Handel vermittelt, der Mäk- 
ler und- Messlohn des Seehundsthrans und Korns ist nach der Verordnung zu 
bezahlen. Auch soll man von dem Kaufmanne keine andere Zahlung (jyqyement) 
fordern, als die, worüber man übereingekommen ist. Wenn man den Got- 
tespfennig ohne die Waare gegeben hat, so bleibt der Handel fest. Die 
Stadt soll einen zuverlässigen Wächter in das Wagehaus setzen, welcher der 
Kaufleute Güter bewahren soll, und wenn durch seine Schuld ein Schaden ent- 
stände, welcher Art er auch wäre, oder wenn er der Kaufleute Gut auslieferte, 
ohne Befehl des Verkäufers, und diess den Schöffen wahrhaft angezeigt würde, 
so .soll die Stadt den Schaden ersetzen. Den Kaufleuten und ihren Dienern 
soll man wegen ihrer erweislichen Schuldforderungpn nach abgelaufener Frist 



SECHSTER ABSCHN.HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 231 ' 

sofort za ihrem Recht verhelfen, wer es auch sey, binnen dreyen Tagen von dem 
an, dass sie darum nachsuchen werden; sollte aber einer vor Gericht sein Recht 
nicht selbst verfolgen wollen, so kann er einen Stellvertreter setzen. Alle Kaufleute 
und ihre. Diener können Waffen tragen und gleich einem Bürger kaufen, auch Wem 
nnd andere Lebensmittel in die Stadt bringen , unter Voraussetzung der städtischen 
Abgabe, und diese Güter zu ihrem Besten wieder verkaufen. Sie können ihre 
Grabstätte wählen, mit Vorbehalt der Pfarrgebühren des Orts, in dem sie sterben. 
Auch mögen sie alle Lebensmittel und Getränke, die sie über das Meer 
bringen, um sie mit ihren Tischgenossen zu verzehren, ohne Accise geniessen mit 
Ausnahme des Weins und mit dem Vorbehalte sie nicht zu verkaufen. Kein Bürger 
der Stadt soll in derselben Zöllner oder dessen Gehülfe seyn. Empfangt der 
Schreiber oder Diener des Wirths (dessen, bey welchem der deutsche Kaufmann 
wohnt) der Gäste Geld und trüge er diess weg, so haftet der Wirth deshalb; 
legen sie Geld in den Wechsel von Brügge, oder sollten sie Geld empfangen 
von einem Wechsler (q/ beheien waren van payemente vp eneghen wisselare) , und 
geschähe ihnen dabey zu nahe, so haftet ihnen die Stadt Korn können sie 
nach Brügge bringen und ihren Vortheil damit suchen, wie sie wollen. Nur 
beym Wachs, aber bey keiner andern Waare, sollen Leute angestellt wer- 
den , die dessen Güte prüfen {yinders). Würde ein Kaufmann oder dessen Diener 
in der Stadt Brügge todt geschlagen, und keiner seiner Verwandten fände sich 
daselbst, um deshalb zu klagen und das Recht zu verfolgen , so sind Burgermeister 
und Rath statt der Verwandten dazu verbunden; wäre aber Einer der Ver- 
wandten in dem Lande, der nicht vor Gericht auftreten wollte oder dürfte, aus 
Besorgniss vor den Gegnern oder deren Angehörigen, so sollen ihm die Schöffen 
mit dem Landesherrn dazu sicher Geleit geben. Würden sie durch die Zöllner 
der Stadt übernommen, so sollen die Schöffen es sofort strafen. Wollte man sie 
endlich zu ungewöhnlichen Lasten zwingen, zum Wachdienst oder Anderm, so 
sollen die Schöffen sie dagegen schützen. 

Diese Freyheiten sind wörtlich den Städten von Braunschweig, Goslar, Mag- 
deburg und aller sächsischen Lande so wie dem gemeinen Kaufmanne des rö- 
mischen Reichs von Schöffen und Rath der Stadt Brügge ertheilt worden, welche 
Sachsen als Vermittler zwischen Brügge und den östlichen Städten dienen sollten. 
Dieselben Freyheiten sind ihnen von dem Landesherrn, dem Grafen Robert von 
Flandern, bestätigt worden, mit dem Zusätze, dass wenn die Stadt sie ihnen 
nicht halle , sie frey und unbehindert in einen andern Theil seines Landes 



232 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

'ziehen können, mit den Veränderungen in den Ausdrücken, deren er als Landes- ' 

faerr sich bedienen musste, auch behielt er sich sein landesherrliclies Recht bej 
den Wechseln vor i). 

Hierauf ward der Stapel von allen norddeutschen Kaufleuten wieder nach 
Brügge verlegt, und neun Jahr darauf 1318 erlheilte die Stadt ihnen noch nähere 
Bestimmungen über die Wieger. Die drey jetzt daselbst vorhandenen sollen vor 
Bürgermeister und Rath in Gegenwart der Kaufleute des römischen Reichs ihren 
Eid ablegen, gerecht gegen den Käufer und Verkäufer zu seyn, und sie und ihre 
Nachfolger sollen drey Mahl im Jahr den Eid leisten und geloben , nie Geschenke 
zu geben, um Wieger in der Stadt zu bleiben. Sollten dieselben nachher als 
üebertreter befunden werden, so sollen die Schöffen dieselben in Gegenwart des 
Kaufmanns laut dessen Freyhelten bestrafen. Fremdes Geld oder Münze, so wie 
alles Silber gezeichnet und ungezeichnet, das sie bringen, soll man ihnen in der 
Brennkammer wiegen und das können sie führen, wohin sie wollen, ausser dem 
in Flandern verbreiteten nicht gezeichneten Silber, worüber der Verkäufer eidlich 
vor den Wiegern in der Brennkammer seine Erklärung von sich zu geben hat Die 
Wieger in der Brennkammer sind zu dem drey Mahl des Jahrs abzulegenden Eide 
gleich den übrigen Wiegern verbunden 2). 

Etwa ein halbes Jahrhundert hindurch haben des römischen Reichs Kaufleute 
von der Zeit an ihren Stapel in Brügge gehalten und ihrer erworbenen Frey- 
faeiten sich in vollem Maasse erfreut. 

Der Graf Ludwig von Flandern hat ihnen wörtlich die im J. 1307 'vom 
Grafen Robert ertheilten Freyheiten in den J. 1338 und 1349 erneuert, und in ^ 

denselben Jahren die Freyheiten, welche die Stadt Brügge den deutschen Kaufleu- 
ten im J. 1309 bey ihrer Wiederkehr von Ardenburg zugestand und die der 
Graf Robert in demselben Jahre in einer Verordnung in seinem Nahmen bekannt 
machte und bekräftigte, gleichfalls wörtlich bestätigt 3). Diese blieben fortdauernd 
die Grundlage des Ganzen, doch sind sie nach Umständen auch noch wohl erwei- 
tert worden. Denn nur zu oft entstanden Klagen, dass' von den Einwohnern oder 
der Obrigkeit der Stadt Brügge diese ihnen zugestandenen Freyheiten nicht, wie sie 
verbunden seyen, gehalteii würden; Niemand aber war so geneigt, eigensinnig zu be- 
haupten, was er mit Recht ansprechen durfte, als der fremde Kaufmann auch ver- 



1) CXVlIle. cxix. cxx. CXXli 

2) CXXVllc. 

3) CXHV. CXLV. UV. 1349. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 233 

standen es diese deutschen Kaufleute sehr wohl, mit den Beschwerden, die sie dar- 
über führten, zugleich neue Ansprüche, gleichsam als eine Entschädigung der 
erlittenen Kränkung ihres Rechts, zu fordern. So erbaten sie und erhielten, da 
sie fortdauernd im J. 1351 über Manches, auch über die Vervortheilungen bey 
der öffentlichen Wage klagten, dass gleich den Spaniern und Engländern im J. 
1352 von dem Ritter Johann von Ghistele für sich und seine Nachkommen zu 
ewigen Zeiten auf Bitte der Stadt Brügge und der Kaufleute von Alemannien des 
römischen Reichs ihnen und allen denen, die zu ihrem Rechte gehören, die Be- 
fugniss ertheilt ward, sich ein Haus oder einen Keller in der Stadt Brügge zu 
kaufen, um daselbst auf ihrer Wage nach ihren Privilegien die Güter, die sie in 
der Stadt verkaufen, wiegen zu lassen, auch vermittelst dieser Wage die gekauften 
Güter wiegen zu lassen, wenn der Verkäufer darein anders willigt und die Güter 
dahin schafft. Der Ritter von Ghistele verspricht auf seine Kosten bey dieser ihrer 
Wiage die nöthigen Wieger, Zöllner, Aus - und Einleger in die Wagschaalen, 
diese selbst und die Gewichte anzuschaffen; der Wieger, ein Fläminger, soll 
durch einen Eid vor den Schöffen von Brügge in Gegenwart der Kaufleute be- 
kräftigen, treu sein Amt zu verwalten, redlich nach den ihnen zustehenden Frey- 
heiten zu wiegen; auch ward ihnen versprochen, dass wenn gerechte Klagen 
über die Verwaltung des Amts durch den Wieger entstehen sollten, einen andern 
rechtlichen Mann ohne Zögern an seine Stelle zu setzen und eidlich zu verpflich- 
ten. Es steht ihnen frey, so oft sie wollen, mit dem Wieger in dieses Wagehaus 
zu gehen, um über die Mängel an dem Gewichte und den Wagschaalen nachzu- 
sehen und diese durch die Schöffen, laut ihrer Frcyheiten, verbessern zu lassen l). 
Diess war gewiss noch eine bedeutende Erweiterung ihrer Freyheiten; sie 
hatten nun eine eigene Wage, und wenn gleich der Wieger nicht von ihnen 
angestellt wurde, so war er doch ihrer steten Aufsicht unterworfen. Es ist 
unglaublich, welche Betrügereyen bey dem Wiegen fast in allen Ländern damahls 
iiblich gewesen seyn müssen, da die norddeutschen Kaufleule in allen Ländern 
ganz vorzüglich bemüht gewesen sind, dagegen sich möglichst zu sichern. Indess 
war ein Theil der Städte, es waren die von Gothland und Livland damit nicht 
einverstanden, da sie besorgten, dass ihre alten Freyheiten dabey leiden könnten, 
indem die Verantwortlichkeit, welche die Stadt übernommen hatte, wenn Fehler 
oder Betrügereyen dabey Statt finden sollten, nun hinwegzufallen schien: 
vielleicht scheuten sie auch die daraus hervorgebenden Kosten, vielleicht war auch 

1) CLXXl. CLXXIL 



y 



234 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH, DES HANDELS. 

etwas Elfersucht mit im Spiele, da die Sache durch die lübeckisch - wendischen, 
sächsisch -westphälischen und preussiscben Städte vornehmlich durchgesetzt worden 
zu seyu scheint. Indess hat die Sache Statt gefunden, und ist wahrscheinlich 
damahls das Haus in Briigge erworben worden, welches nachher den Nahmen 
des kleinen österschen Hauses erhalten hat i). 

In dieser Zeit als die Niederlage der norddeutschen Kaufleute in Brügge so 
gesichert und begünstigt war, hat sich auch ihr Verein daselbst vollkommen aus- 
gebildet, oder wir haben vielmehr die erste vorgenommene Aufzeichnung der 
Ordnung dieses Vereins, wie sie sich wahrscheinlich allmählich durch Herkommen 
gebildet hatte und nun zuerst schriftlich verfasst -wurde. 

Diese erste Ordnung ihres Vereins ist von dem J. 1347 ^) tind sie hebt mit dem 
gemeinen Spruch an: da es nützlich, schriftlich aufzuzeichnen, was man im Ge- 
dächtniss bewahren soll, so sind die gemeinen Kaufleute des römischen Reichs 
von Alemannien im J. 1347 ^^ l'^g^ Simonis und Judä zusammengekommenem 
Piefectorium bey den Carmelilern zu Brügge (dem Ort ihrer Versammlung, den sie 
auch späterhin immer zu diesem Zweck beybehalten haben), und es beliebten ein- 
stimmig Alle, die damahls zu Brügge anwesend waren, ein gemeinschafUiches Buch 
zu halten, in welchem alle Ordnungen und Willküren, die sie unter einander be- 
lieben würden, zugleich mit den Gewohnheiten und dem Herkommen aufgezeich- 
net werden sollten, um sie genau zu beobachten. 

So ward zuerst als feststehend bemerkt, dass die gemeinen Kaufleute in drey 
Theile getheilt sind, das erste Drittel bestehend aus denen von Lübeck, den wen- 
dischen und sächsischen Städten und die dazu gehören; das zweyte aus den 
westphälischen und preussiscben; das dritte aus denen von Gothland, von Liv- 
land und von Schweden (d. i. den Deutschen auf Gothland und in den schwedi- 
schen Städten). 

Jedes Jahr soll man acht Tage nach Pfingsten aus jedem Drittel zwey 
Altermänner wählen; der Gewählte soll bey Strafe von einem Pfund Grölen in 
die Büchse das Amt annehmen, und zugleich die Gefahr laufen, dass er bey 
gleicher Strafe zum zweylen Mahle gewählt werde. Reiset Einer der sechse ab, 
so sollen die übrigen fiinf einen andern aus demselben Drittel wählen bey gleicher 
Strafe. Diese Sechs sind mächtig, den gemeinen deutschen Kaufmann zu einer 



1) Diess erhellt aus einer Urkuude ohne Jahrzahl im rostocker Archivet die offenbar kurz nach dem J. 1352 

zu setzen ist. Uß. CLXXVL 
0) ÜB» CLXIV* 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL U. FRANKO. 235 

Versammlung zu entbieten , bey Strafe von drey Groten an dem Orte und zu 
der Zeit zu erscheinen, wo die Alterleute sind^ im Fall der Nicht - Erlegung der 
Busse, soll er nach der ersten Aufforderung ^ie zu zahlen das Doppelte, und 12 
Grote ungemahnt des dritten Tags, und widerstände er auch dann den Alterleuten, 
die ihn entboten , so soll er zwey Schillinge Groten zahlen, oder in das Gefängniss 
gehen. In schweren und grossen Angelegenheiten haben die AUerleute die Be- 
fugniss, wenn sie wollen, bey einer so hohen Strafe, als sie für gut finden, zu 
entbieten; erschien einer der Alterleute aber selbst nicht, so soll er in doppelte 
Strafe verfallen seyn. Können sich die Alterleute nicht einstimmig vereinigen, so 
entscheidet die Mehrheit der Stimmen; wie auch, wenn die Drittel sich nicht 
vereinigen können, zwey Drittel entscheiden. Wenn eine die gemeinen Deut- 
schen angehende Sache innerhalb oder ausserhalb der Thore (porten) zu verhan-^ 
dein ist, so soll der Verständigste und der es ^m Besten vermag von den sechs 
Alterleuten das Wort fuhren, von dem die andern liinf erachten, dass er am besten 
dazu geschickt sey und ihn damit beauftragen {dem it de vive wysen^ dat hi best 
darto ghei^ellich si). Es wäre denn, dass die Sache mehr das eine als das andere 
Drittel anginge, in welchem Falle die Alterleute dieses Drittels das Wort fuhren 
sollen; wenn anders nicht diejenigen selbst zugegen wären, welche die Sache be- 
sonders anginge, welche alsdann das Wort zu fuhren hätten ; wären sie aber dazu 
nicht im Stande, so müssen sie einen Andern ersuchen, es statt ihrer zu thun. 

Die sechs AUerleute sollen an demselben Tage (acht Tage nach Pfingsten) 
aus jedem Drittel sechs Mann wählen, die bey einer Busse von fünf Schilling 
Groten die Wahl annehmen müssen, und im Weigerungsfalle die Gefahr zu 
laufen haben, bey gleicher Busse abermahls gewählt zu w^erden: diess sind denn 
die achtzehn Mann , welche mit den Alterleuten , so oft diese es fordern , zusam- 
mentreten sollen und die GescfaäHe ohne Versammlung der gemeinen Deutschen 
abzuthun haben« 

Wen die Alterleute wählen , um sie zu begleiten vor die Schöffen (das Ge- 
richt der Stadt Brügge) oder anders wohin, wo ein Geschäft abzuthun, ist es 
innerhalb der Thore, der soll ihnen bey einer Busse von zwey Schilling Groten 
folgen, und ausserhalb, es sey zu Pferd oder zu Fuss, bey einer Busse von fünf 
Schilling Groten. 

Wenn die gemeinen Deutschen oder die achtzehn Männer bey den Carme- 
litern sich versammeln, und die Alterleute in das Reventer gehn, so soll ihr Die- 
ner in der Kirche (wo der gemeine deutsche Kaufmann ist) umhergehen und an- 

Gg 2 



236 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

sagen , dass die Alterleute darin sind und dass jene hinein kommen sollten , und 
käme Einer zu spät, nachdem die Alterleute ihre Rede bereits angefangen hätten, 
der zahlt drey Grote in die Buchse. 

Stehen die Alterleute über dem Contore und halten ihre Rede, und begäbe 
es sich, dass Einer in der Versammlung {dar binnen) sich auf die Bank setzte, 
oder mit einem oder Mehreren zu schwatzen anfinge, und nicht auf das hörte, 
was die Alterleute sagten: so soll jeder Einen Groten, so oft es geschieht, geben, 
und die gleiche Busse entrichten, wenn einzelne Drittel unter sich berathen. 
Wer ohne Erlaubniss der Alterleute die Thüre aufthut, ist in fünf, und wer ohne 
deren Urlaub weggeht, in drey Grote verfallen. 

Die Alterleute haben das Recht, Jeden bey seinem Eide aufzufordern, die 
Wahrheit in allen Dingen, um welche er befragt wird und die in das deutsche 
Recht gehören, zu sagen, bey einer Busse von Einem Pfund Groten. 

Fängt ein Kaufmann einen Rechtsstreit {sähe) an, klein oder gross, innerhalb 
oder ausserhalb Brügge,* so soll er ihn auf seine Kosten verfolgen, und vermag 
er selbst nicht das Wort zu fuhren, so mag er einen Andern bitten es statt seiner 
zu thun , und alle Deutsche sollen ihm in seiner Sache beystehen, so gut sie kön- 
nen und vermögen. 

Einige Zeit nachher i) ward zum Besten des gemeinen Kaufmanns von dem 
römischen Reiche von Alemannien mit Zustimmung desselben zu Brügge ferner 
beliebt: dass wenn Einer gegen einige Puncte sich verginge, die in den von den 
Kaufleuten erhaltenen Freybriefen untersagt sind, so sollte er dieselbe Busse, die 
er gegen den Landesherrn oder das Gericht {wet) zu zahlen hätte, gleichfalls 
dem gemeinen deutschen Kaufmann entrichten. Niemand soll Gut verkaufen, 
unter der Bedingung, dass es auf seine Gefahr oder Schaden {pp scade) 
in der Stadt Brügge oder ausserhalb Brügge wieder verkauft wurde, und würde 
er dessen überfuhrt durch zwey gute Kaufleute oder Mäkler, die dabey gewesen, 
so soll er fünf Schillinge von jedem Pfund Grote zahlen , wie hoch auch die 
Summe laute, und zu jeder Zeit können die Alterleute Jeden auffordern bey sei- 
nem Eide, desshalb die Wahrheit zu sagen. Niemand soll ferner bey Strafe 
von fünf Schillingen mehr an Mäklergebühren geben, als vor Alters her üblich 
gewesen. 



I) Die Jahrzahl fehlt, die Urkunde steht aber zwischen den Beschlüssen von 1347 und 1354 und ist, wie 
sich aus einem Anhange ergiebt, vor 1350 abgefasst. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL, U. FRANKR. 237 

Keiner darf den Andern vor einem andern Gericht belangen, als vor dem 
deutschen eigenen, es wäre denn, dass der Beklagte auf flüchtigem Fusse stände; 
auch soll keiner des Andern Gut mit einem andern Rechte als mit dem unsrigen 
in Beschlag nehmen lassen, mit Ausnahme des Falls, dass er besorgte, dass ihm 
ein Anderer mit dem fremden Rechte zuvorkäme, oder dass er es thäte mit Er- 
laubniss der Alterleute; Alles bey Strafe von einer Mark Goldes. 

Sollte einer, der nicht unter das deutsche Recht gehört, einem Deutschen 
Schaden zufügen {misdede) und wollte er ihm den Schaden nicht ersetzen, so soll 
man es den Alterleuten anzeigen, welche den gemeinen Kaufleuten gebieten sollen, 
dass derselbe nie wieder Geld von ihnen gewinne, bis er den Schaden ersetzt ha- 
ben wird, bey Strafe eines Pfunds Groten für jeden Deutschen, der dagegen han- 
deln würde. 

Endlich ward im J. 3354 den 20. April mit Einwilligung und Vollmacht 
des gemeinen Kaufmanns beliebt: dass Niemand, der als Diener oder Schreiber 
bey einem Wirthe (bey welchem Deutsche zu Brügge wohnen) oder bey einem 
Bürger in Dienst gestanden hat, in das deutsche Recht aufgenommen werde, 
wenn er nicht dem Kaufmann von seinem Herrn, dem er bisher gedient, gute 
Entlassungsscheine beybringt. Hätte aber einer nicht seinen rechten Zoll entrichtet 
und würde er deshalb vom Zöllner stra£Eallig gefunden, so soll der StraffäUige 
dieselbe Busse, die er dem Zöllner zu erlegen hatte, auch dem gemeinen Kauf- 
manne und ausserdem noch zehn Schillinge Groten zahlen. 

Wer aus Hoffahrt oder Zorn der Deutschen Recht ohne Urlaub des (gemei- 
nt Kaufmanns verschmäht oder aufkündigt, der soll nicht wieder darin aufge- 
nommen oder damit beschirmt werden, wenn man es ihm beweisen kann; stände 
auch Einer mit dem Andern in Handelsverbindung, es sey durch Geldvorschuss 
{wedderleghinghe j Gommandite) oder vermöge wirklicher Gesellschaft; an Kauf- 
mannsgut, der soll binnen Jahr und Tag bey Einer Mark Goldes aus der Gesell- 
schaft; mit ihm scheiden. Bey gleicher Strafe soll Niemand mit einem Fläminger 
in solcher Gesellschaft; stehen. 

Wer mit dem Urtheile, welches zwischen zwey streitenden Parteyen gefallt 
wird, nicht zufrieden ist, vielmehr dagegen spräche, oder auf ein anderes Ge- 
richt sich beriefe, und das Urlheil schelten würde, der soll Eine Mark Goldes in 
die Büchse zahlen. 

Wer vorsätzlich des Kaufmanns Recht aufkündigt und zu Sluys oder an 
andern Orten seines Vortheils wegen in Flandern Bürger würde, in der Meinung, 



238 ZWEYTE ABTHEIL. GESCHL DES HANDELS. 

dass er dasselbe leicbt würde wieder gewinnen können, derselbe soll nie wieder 
in des Kaufmanns Recbt aufgenommen werden. 

Auch soll Niemand seine Wohnung (zur MIethe in Brügge) haben, als hej 
Leuten, die man kennt. 

Im J. 1356 war wegen Zwists zwischen den Altermänneru der gemeinen 
deutschen Kaufleute, eine Gesandschaft abgeordneter Rathmänner aus den östli- 
chen Städten, zwey aus jedem Drittel, nach Brügge gekommen i), nähmlich: 
Heinnch Plescow von Lübeck, Johann von Kiel von Hamburg und Johann 
Buxtehude von Stralsund, mit Vollmacht und Zustimmung des lUbschen Drittels; 
Hildebrand Keyscr von Dortmund, Johann Schotte (oder Schotke) von Soest, 
Johann von Soest von Thorn, Johann von Nowgorod {Nogarden) von Eibingen 
mit Vollmacht und Zustimmung des westphälischen und preussischen Drittels, 
Johann von Braunschweig, von Seiten Gothlands, und Hermann Bredenschede von 
den llvländischen Städten. Diese sämmtlich mit den sechs Alterleuten und den 
achtzehn Mannen beliebten einträchtiglich wie folgt: 

Im Fall Etwas in Sachen des gemeinen Kaufmanns vor den Schöffen 
zu verhandeln ist, so können die sechs Alterleute, nach der Verordnung mit sich 
nehmen, wen sie wollen; wären aber die Alterleute nicht einig, wer das Wort 
lühren soll, so ist der, welchen die andern vier oder fiinf wählen ohne Wider- 
rede, bey Strafe von Einem Pfund Groten, dazu verbunden zum Besten der ge- 
meinen Deutschen, und läuft er die Gefahr zum andern und dritten Mahle bey 
derselben Busse dazu gewählt zu werden. Wären aber mehrere Geschäfte als 
über drey, vier oder mehr Puncte vor den Schöffen zu verhandeln, so mögen sie 
dieselben, wenn sie wollen, schriftlich verfasst den Schöffen von Brügge über- 
geben. 

Hätte Einer oder hätten mehrere Kaufleute wegen geringfügiger Sachen vor 
Gericht, auf der Burg Vormittags oder Nachmittags, oder vor den Wiegern 
oder Zöllnern oder in Bezug auf andere unbedeutendere Sachen Etwas zu verhand- 
len , so sollen sie die Alterleute des Drittels , zu welchem sie gehören , bitten , sie 
zu begleiten, um ihnen zu ihrem Rechte behülflich zu seyn. 

Ferner ist folgender Eid für die Alterleufe, den sie, wenn man sie wählt, 
abzulegen haben, beliebt worden: Wir schwören der Deutschen Recht mit auf- 
recht zu halten und zu bewahren nach ihren Freybriefen und laut ihrer Ordnun- 



1) UR. CLXXXib. und CLXIV. UI. 



SECHSTER ABSCHN- HAND. D. NIEDERD. M. D, NIEDERL. U. FRANKR. 239 

gen, in sofern wir es mit unsern fiinf Sinnen begreifen mögen oder können; 
Jedem, er sey arm oder reich, zu seinem Rechte zu verhelfen, sonder Arglist, 
so gewiss uns Gott helfe und alle Heiligen, so lange wir Allerleute sind. 

Alle Brüche von oder unter lunf Schilling Groten , die bey den Deutschen 
vorfallen, sollen den Alterleut^n, so lange sie das Amt bekleiden, zufallen; sie 
können damit nach ihrer Willkür verfahren. 

Jedes Drittel wählt die zu Alterleuten, die ihm am tauglichsten scheinen, sie 
mögen zuvor schon Alterleute gewesen seyn, oder nicht, doch mit einer Zwi- 
schenzeit von drey Jahren, nach deren Verlauf der Gewählte jedoch, bey Strafe 
einer Mark Goldes, das Amt wieder anzunehmen hat, und bey gleicher Strafe, 
wenn man ihn nach der ersten Ablehnung des Amtes zum zweyten und dritten 
Mahle wählt. 

Auch soll man jedes Jahr oder auch öfter auf Pfingsten den gemeinen Kauf- 
leuten die Freyheitsbriefe, die ihnen von den Grafen von Flandern und der Stadt 
Brügge besiegelt worden sind, vorlesen, gleichwie auch die Ordnungen des gemei- 
nen Kaufmanns, auf dass Jeder sich darnach richte, sein Recht bewache und 
sich vor Strafe hüte. 

Wer hochmüthig einen Altermann schmähte mit Worten oder in den An- 
gelegenheiten der Deutschen misshandelte, der soll ihm ein Pfund Groten für die 
Schmach zahlen ,• und dasselbe in die Büchse zum Besten des gemeinen Kauf- 
manns, und jedem andern Altermanne fiinf Schilling Groten i). 

Auf diese Weise war demnach der Verein der gemeinen Kaufleute des römi- 
schen Reichs von Alemannien, wie sie noch allein in Flandern genannt wurden 
und sich selbst nannten, geordnet, zwar ähnlich ihren andern Handelsniederlas- 
sungen in andern fremden Ländern, doch auch in anderer Beziehung nach den 
ortlichen Yerhältnissen abweichend. Schon die grössere Zahl der Vorsteher zeugt 
von der grössern Zahl der Besuchenden aus allen Theilen des nördlichen Deutsch- 
lands, worauf auch die hier zuerst stattfindende Eintheilung in drey Drittel und 
die denselben gleichmässig zustehende Befugniss aus ihrer Mitte die Olderlude zu 
wählen, deutet. 



1^ ÜB. CLXIV, \?otelb8t auch der AnwenduDg der Vorschrift auf einen Fall, Tydeman Bloemenrot betref- 
fend, erwähnt ist, dass nähmlich mit dem, der aus dem deutscheu Rechte tritt, und Tor fremdem Ge- 
richte Landsleule oder deren Verein zu Brügge yerklagt halte, alle Handelsgemeinschaft aufgehoben wer- 
den soll, zufolge einer Nachricht in dem hamburgischen Archire. 



240 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Vorsieher und Kaufleute haben sich der ihnen zugestandenen Freyheiten zum 
immer mehr gedeihenden Verkehr und zum Wohl beider Theile bedient. Indess 
\vard das gute Verhältniss zwischen der Stadt Brügge und den niederdeutschen 
Städten und Kaufleuten dennoch gegen Ende dieses Zeitraums so gestört, dass 
sie ihren Stapel wiederum von Brügge hinweg, und zwar dieses Mahl nach Dor- 
drecht verlegten. Wer eigentlich die Ursache gewesen, wer die Beschwerden 
veranlasst, das ist nach deutschen Nachrichten keinem Zweifel unterworfen, ob 
indess nicht auch eine zu grosse Reizbarkeit von Seiten der deutschen Städte, 
vielleicht die Hoffnung noch vortheilhaftere Bedingungen durch Verlegung des 
Stapels zu ertrotzen, dazu mitgewirkt habe, und ob nicht der Sladt Brügge auch 
ein Vorwurf gemacht wurde über Begebenheilen und Zufälligkeiten, welche sie 
nicht verhüten konnte, mag dahin gestellt bleiben: auf jeden Fall waren die 
deutschen vereinten Städte und Kaufleute, im Gefiihle ihrer Kraft und der Wichtig- 
keit ihres Handels für Flandern, selbst nicht gemeint ein Recht, das sie ansprechen 
konnten, aufzugeben oder es einschlafen zu lassen. 

Die erste Veranlassung fallt in das J. 1351. In diesem Jahre schrieben die 
Alterleute der Deutschen und alle Kaufleute des römischen Königs von Deutsch- 
land zu Brügge an Bürgermeister und Rath zu Hamburg, dass in diesem Jahre 
auf Himmelfahrt ein grosses Schiff von Greifswalde auf seiner Fahrt nach Flan- 
dern von dem Hafen t'Zwin gekommen, in welchem ein Greifswalder Kaufmann 
Gerhard Rokenoghe, sich befunden habe, dem einige von Fkndem kommende 
englische Schiffe daselbst begegnet wären, welche jenes Schiff mit sich in das 
Meer führten, und die darin befindh'chen Güter plünderten; nachdem sie es entlassen, 
kamen einige Franzosen darauf zu , welche das deutsche Schiff nebst allen noch 
darin befindlichen Gütern hinweg nahmen. Nachher begegnete jener Gerhard auf 
den Strassen zu Sluys einem jener Engländer, William Curtoys von Bristol^ den er 
gestützt auf das Stadtrecht angriff und von ihm behauptete, er sey einer von denen, 
die ihn im Meere berauht hätten, wie er solches durch den Schiffer und andere 
seiner Gefährten zu erhärten versprach. Darauf ging Gerhard nach Brügge und 
brachte seine Beschwerden vor den gemeinen Kaufmann, und bat um dessen 
Unterstützung. Dieser sandte seine Abgeordneten an den Grafen von Flandern 
und die drey Städte des Landes Gent, Brügge und Ypem mit der Bitte, dem 
Kläger sein Recht nach dem Seerechte und den Gewohnheiten Flanderns zu gewäh- 
ren; diesem widerstrebten die Engländer in Flandern, zugleich mit Denen, die es 
mit ihnen hielten. Da die Deutschen nun, wegen ihrer mächtigen Gegner, ihr 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 241 

Reclit nicht erreichen konnten, so beschlossen sie Flandern zu meiden, und allen 
Verkehr mit dem Lande abzubrechen, bis Gerhard Recht erhalten haben würde. 
Darauf traten die Abgeordneten Flanderns zu Brügge zusammen, deren Beschluss 
der Stadt Sluys mitgetheilt ward, welchem zufolge der Engländer zum Tode ver- 
urtheilt und hingerichtet wurde. 

Darüber aber erbosten die Engländer und beschwerten sich bey ihrem Kö- 
nige und dessen Rath, vorgebend, dass die Deutschen, zufolge eines bisher in 
Flandern unerhörten Rechts, den Tod ihres Landsmanhs bewirkt hätten, auch 
behaupteten sie^ die deutschen Kaufleute hätten vor den Schöffen der. St^dt Brügge 
geäussert, in England werde kein einziger glaubwürdiger Mann gefunden. Die 
Unwahrheit dieser Angaben bezeugten gemeinschaftlich die Deutschen vor dem 
Grafen von Flandern, den drey Städten und dem ganzen Lande; allein der König 
voi^lltBngland belegte nichtsdestoweniger die Guter der Deutschen in seinem 
Lande mit Beschlag; die Deutschen zu Brügge wandten sich nun an den Grafen 
von Flandern, der auch seinen Rath an die Stadt Brügge sandte und ihr auf- 
trug, ihnen Zeugniss von dem Ungrundc der englischen Beschwerden, so weit es 
von ihr abhinge, zu geben. Allein Andere wirkten dagegen, die Deutschen 
konnten das Zeugniss nicht erhalten, sie mussten nun selbst eigene Abgeordnete 
an den König von England und dessen Rath absenden, um sich zu entschuldi- 
gen und zu rechtfertigen i). Hierüber nun, so wie über die Eingriffe in ihre Frey- 
heiten durch die Stadt Brügge klagten die deutschen Olderlude und Kaufleute gegen 
Hamburg, wie sie nahmentlich bey der Wage zu Brügge vervortheilt würden, 
weshalb sie um ein besonderes Wägehaus zu Brügge, gleichwie die Engländer 
und Spanier dergleichen besässen, wo denselben ihr Gilt gewogen würde , verge- 
bens gebeten hätten. (Die Deutschen erhielten, wie oben gemeldet, im nächsten 
Jahre die Erfüllung ihrer Wünsche). Da nun noch andere Bedrängnisse hinzuka- 
men, welche die Deutschen zu Brügge, Sluys und auf dem benachbarten Wasser 
erlitten hatten, sie aber eine ungenügende Antwort auf die darüber geführten 
Beschwerden erhielten, so beschlossen sie gemeinschafllich ihren Stapel nach Ar- 
denburg wieder zu^ verlegen, wo sie ihre Wünsche erfüllt zu sehen hofften, und 
wenn diess nicht der Fall seyn sollte, nach Antwerpen in Brabant zu ziehen, unter 
dem Schutz ihrer daselbst innehabenden Freyheiten, deren Vermehrung sie mit 



1) S« auch uuteu die Geschichte des Handels der Niederdeutschen mit England b. d» !• 

Hh 



242 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Sicherheit glaubten erlangen zu können ^ und dieses vom nächsten Tage Maria 
Reinigung an. Sie bitten dann die Hamburger zu verkünden, dass der Verkehr 
von ihrer Stadt aus nach Flandern einzig nach diesem Stapelort gerichtet werde, 
und die so den Vorschriften des gemeinen Kaufmanns zuwider handeln, an deren 
Gütern, wo sie gefunden werden, zu strafen, auch diese Bussen zum Besten 
der gemeinen Kaufleute an den Stapelort zu übersenden. Sl6 machen noch be- 
sonders die Hamburger darauf aufmerksam , dass wenn ihr Wunsch wegen Er- 
haltung eines besondern Wägehauses unerfüllt bliebe, eine Zeit kommen werde, 
wo man das Versäumte nie ersetzen könne und beweinen werde. Allen sogenann- 
ten grössern öder Hauptstädten, die in unserm Rechte sind, sagen sie ferner, haben 
wir, so wie den Meistern von Preussen und Livland dasselbe schriftlich milge- 
theilt, und sie alle, so wie wir hiemit auch die Hamburger darum bitten, ersucht, 
dieses den benachbarten Städten gleichfalls zukommen zu lassen. Beygelegt^nd 
die zu Brügge übergebenen Beschwerden über die Kränkung ihrer Freyheitenj'^nd 
die Bittschrift um das Wägehaus. Sie erbitten sich den Rath der Hamburger, 
und ersuchen, wenn sie etwas Besseres wüssten, dieses möglichst schnell mit- 
zutheilen, da der gemeine Kaufmann es gern befolgen werde, die von ihnen 
beliebte Ordnung aber indessen mit Strenge aufrecht zu erhalten i). 

Dieses Schreiben ist in vieler Beziehung sehr merkwürdig. Man sieht sehr 
deutlich daraus, und noch mehr aus der desfalsigen Beschwerde der osterschen 
Städte, die zum Gothländischen Drittel gehörten 2)^ wie unabhängig die Alterleute 
und der gemeine Kaufmann auf den Stapelplätzen , wenigstens zu Brügge , ver- 
fuhren; später bey grösserer Ausbildung des hansischen Vereins, war dieses weni- 
ger der Fall; der erbetene Rath und die erbetenen besseren Vorschläge waren 
wohl mehr ein freundliches Wort, da die Beschlüsse ohne vorläufige Zustimmung 
gefasst worden waren. Es erhellet femer daraus, da eine wohlgeordnete Leitung 
des gesammten Vereins der Kaufleute auch noch nicht vorhanden war, dass die 
sogenannten grössern oder Hauptstädte die Sachen entschieden, und die Beschlüsse 
den nächst belegenen kleinern mittheilten, wie das &uch sonst bekannt ist 

Indessen erfolgte damahls die Verlegung des Stapels nach Antwerpen nicht, 
indem im J. 1352 der gemeine Kaufmann erhielt, was er so sehnlich wünschte, 

1) UB. CLXrX. mit den beygelegten zwey SchreiBen an den Rath zu Brügge in den zwey folgenden Ur- 
kunden. Vgl. auch CLXXIl^. 

2) CLXXVI. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRÄNKR. 243 

ein besonderes ihm eingeräumtes Wägehaus i). Allein alle Beschwerden waren 
damit doch nicht hinweggeräumt und neue kamen hinzu« 

Im Januar d. J. 1358 beschlossen die abgeordneten Rathmänner der Städte 
Lübeck, Goslar, Hamburg, Rostock, Stralsund, Wismar und Braunschweig, als 
aus ihrem (dem lübischen sächsischen) Drittel der Kaufleute des römischen Reichs 
von Almannien , Ton der deutschen Hanse gewöhnlich zu Brügge liegend, für 
sich und im Nahmen anderer zu demselben Drittel gehörig, mit deren schriftlicher 
Vollmacht versehen, ferner mit den abgeordneten Ralhmännern der Städte Thorn 
und Elbing im Nahmen ihrer und mit Vollmacht der anderen preussischen Städte 
auf dem obersten Rathhause zu Lübeck, wegen der Beschwerden des gemeinen 
Kaufmanns von Alemannien von der deutschen Hanse, und wegen des ihm in 
Flandern zugefügten Unrechts, dass jede Stadt ihren Bürgern, Genossen und 
Allen von der deutschen Hanse gebiete, nicht näher aus dem Hafen jeder Stadt 
nach Flandern hin, als bis zur Maas zu segeln, und weder den Flämingern, noch 
denen von Mccheln , noch den Brabantern noch irgend Jemanden daselbst ihre 
Güter zu verkaufen, von denen sie wissen, dass sie den Flämingern, denen von 
Mecheln oder von Brabant zukommen könnten. Auch soll aus keinem Hafen zu 
Lande Gut nach Flandern, Mecheln oder Brabant gesandt werden. Wäre aber 
ein Schiffer wegen Sturms, Windes- oder Wetters -Noth gezwungen in einen 
Hafen östlich der Maas einzulaufen, so soll er daselbst dennoch sein Gut nicht 
verkaufen noch ausschiffen , sondern er soU sich beeilen in die Maas oder östlich 
derselben einzulaufen. 

Welcher Kaufmann oder Schiffer von der deutschen Hanse mit seinem Gute 
iji einen Hafen, in die Maas oder östlich derselben kommt, der soll einen offe- 
nen Brief von der Stadt mitbringen, von welcher er ausgesegelt ist, worin be- 
zeugt wird , dass ^er daselbst gewesen und sein Gut daselbst und nirgends sonst 
verkauft habe ; eben so sollen die , welche nach England , Schottland oder Nor- 
wegen mit ihrem Gute kommen, offene Briefe von den Alterleuten, die daselbst 
sind, bringen, oder, wo keine sind, von der Stadt, wohin sie das Gut gefuhrt 
haben, in welchen bezeugt wird, dass sie es daselbst und sonst nirgend verkauft 
haben. 

Wären auch einige Schiffe vor dieser Verordnung gemiethet und bereit 
durch den^ Canal von Calais (de hovede) zu fahren und bereits bis England, 

1) CLXXU. 

Hh2 



244 ZWEYTE ABTHEIL, GESCH. DES RANDELS. 

Schottland oder Norwegen gelangt , so mögen sie auf der ersten Reise , zu wel- 
cher sie gemielhet worden, ungestraft in t'Zwin segeln, nachher aber nicht nach 
Flandern fahren. 

Käme auch ein Schiffer, Schiff oder Kaufmann, der in die deutsche Hanse 
nicht gehörte, in einen Hafen oder eine Stadt von der deutschen Hanse, um von 
da Güter auszuführen,, so sollen sie genügende Bürgen stellen, welche dafür haf- 
ten, dass dieselben nicht nach Flandern fahren wollen, und könnten sie solche 
Bürgen nicht stellen, so soll man ihnen die Ausfuhr der Güter nicht verstatten, 
als allein Bier, Brot und Lebensmittel zu ihrer eigenen Nothdurft. 

Von nächsten Philippi und Jacobi (May i) an soll der Kaufmann der deut- 
schen Hanse keinerley Tuch in Flandern, Mecheln oder Antwerpen kaufen, welches 
daselbst oder anderswo gemacht wäre* 

"Wollte man Jemanden beschuldigen, dass er Tücher dieser Frist zu liefern in 
Flandern im Voraus gekauft habe, so kann er sich davon durch seinen Eid {mit sy- 
neme rechte) befreyen, wenn man ihm die Schuld nicht vollkommen beweisen kann. 

Käme auch einer, der nicht zur deutschen Hanse gehörte, zu Land oder zu 
Wasser in eine Stadt oder einen Hafen der deutschen Hanse und brächte er flä- 
mische, mechelnsche oder antwerpsche Tücher dahin : so soll er sie daselbst nicht 
verkaufen. Niemand sie ihm abkaufen, sondern er soll sie wieder hinwegfiihren, 
und die, welchen die Stadt oder der Hafen gehört, wohin er sie brachte, sollen 
darüber halten. 

Auch sollen alle Kaufleute von Almanien, die in der deutschen Hanse sind, 
mit ihrem Gute zwischen hier und nächsten PKilippi und Jacobi Flandern räu- 
men, und von dannen, so wie auch von Mecheln und Antwerpen ziehen, und so 
lange von da wegbleiben als wir ihnen dasselbe einstimmig gebieten werden. 
Auch soll Niemand die Vorschrift umgehend sein Gut seinem Wirthe oder einem 
Andern in jenen Städten befehlen, um es daselbst zu lassen, es sey denn, das 
er daselbst noch Geldforderungen ausstehen hätte, deren noch ferne Zahlungster- 
mine nicht sicher gestellt sind i). 

Wer von der deutschen Hanse gegen diesen Beschluss handelt und in eine 
andere Hansestadt entweicht, daselbst ergriffen und schuldig befunden wird, der 
soll in derselben kein sicher Geleit haben, sondern die Stadt soll über ihn rieh- 



^1.^ 



1) ÜB. CLXXXIII. 



/ 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 245 

len und das Gut, welches er dahin geführt hat, oder dessen Werth soll zum 
Besten der Stadt, in welcher er Bürger war, verfallen seyn. 

Sollte auch eine Stadt diesen Beschlüssen sich widersetzen, so soll die- 
selbe ewiglich aus der deutschen Hanse gestossen seyn und der deutschen Vor- 
rechte entbehren. 

Sollte aber eine Berichtigung des dem Kaufmann von den Flämingern gesche- 
henen Unrechts entstehen, so soll dieselbe kraftlos seyn und keinen Forlgang 
haben, ausser mit Zustimmung aller vorbenannten Städte und der andern Städte, 
die sie dazu haben können. 

Wir Rathleute der Städte zuvor genannt^ mit Zustimmung oder Vollmacht 
(i^ulbord) der andern Städte, die ihre schriftlichen Vollmachten dazu eingesandt ha- 
ben (de ere breite darto ghesant hehhen)^ wollen, dass man ohne Arglist alle diese 
vorgeschriebenen Puncte unverbrüchlich halte. 

Diesen zwar nur von einigen Theilen beliebten Beschlüssen gemäss ist es 
denn geschehen, dass der Stapel von Brügge nach Dortrecht im J. 1358 verlegt 
wurde, woselbst die geraeinen Kaufleutc von Almannien der deutschen Ranze 
zubehörend, am 9 May dieses Jahrs von Albrecht, Pfalzgrafen am Rhein, Herzo- 
gen von Bayern und Stalthalter {reward^ Erhalter) der Grafschaften Hennegau, 
Holland und Seeland und der Herrlichkeit Friesland, von wegen seines Bruders 
Wilhelm, des Grafen von Hennegau, Holland, Seeland und Herrn von Friesland, 
und von wegen der gemeinen Grafschaften, die dazu erforderlichen Freyheiten er- 
hielten. Diese lauteten ähnlich denen, welche sie in Flandern besessen hatten, 
nebst einer Zollrolle, die gewiss, wenn wir es gleich nicht genau nachweisen kön- 
nen, die vornehmste Begünstigung enthalten mochte, aber in dieser stehen auch die 
aus- ein- und durchgeführten Güter durcheinander, wie dieses fast bey allen 
ähnlichen Urkunden der Fall ist. 

Ueberall hat auch diese Verlegung des Stapels nach Dortrecht nicht lange 
gedauert. Flandern konnte die Deutschen nicht entbehren, sie auch nicht Brügge, 
weil dort der europäische Markt war; sie sind daher im J. 1360 wieder nach 
Brügge zurückgekehrt, nachdem sie zufolge weitläuftiger Verhandlungen ihre alten 



1} ÜB« CLXXXY« Die Zollrolle ist wichtig, wenn man sie mit der Tergleicht , welche LUbeck das Jahr 
£utor erhallen hatte > besonders zur Erläuterung dunkler Waareu - Benennungen und Maasse , indem die 
^\xi» lateinisch» die andre holländisch Terfasst ist. Im UR. sind die nothigen Bemerkungen deshalb bey- 
geliigt, hier schien es 9Xkh den angeftihrten Gründen unnütz dabey zu verweilen. 



246 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Freyheiten daselbst bestätigt und erweitert erhalten, auch Genugthuung fiir ihren 
erlittenen Schaden zugesagt bekommen hatten. 

Aus zahhelchen Urkunden von diesem Jahre (1360) erhellet diess Alles 
sattsam. Glänzender ist nie ein Zwist zwischen den deutschen Städten und Kauf— 
leuten von der einen Seite und Flandern und Brügge von der andern beygclegt 
worden. 

Es versprachen die drey Städte des Landes, Brügge, Gent und Ypern, den 
Kaufleuten des römischen Reichs, wie sie noch immer in allen Verhandlungen 
bis ans Ende derselben genannt werden, Ersatz wegen des Schadens, den sie vor 
längerer Zeit von den Schotten erlitten, in so fern nach ihrer, der Deutschen, 
Rückkehr nach Brügge, es sich ergebe, dass die Stadt oder einer der Ihrigen 
davon (von dem durch die Schotten ihnen genommenen und etwa in Brügge abge- 
setztem Gute) etwas erhalten haben möge; dass ferner das Uebereinkommen, 
welches vordem zwischen dem Kaufmanne von Almannien und einigen Schotten 
getroffen und mit dem Siegel der Stadt Brügge besiegelt worden, von ihrer 
Rückkehr an in Kraft bleiben solle, bis zum gänzlichen Ersatz des Schadens 
und ihrer Befriedigung i). 

"Was der Deutschen anderweitige Beschwerden gegen einige einzelne Per- 
sonen der Stadt Brügge oder deren Untersassen betrifft, so sollen die Kläger, in 
so fern es eine Stadt angeht, an dem Orte, wohin die Beklagten gehören, ihr 
Recht verfolgen, und vollständig, nach den Gewohnheilen des Orts, erhalten. 
Gleiches soll den Flämingern zustehen, wenn sie über einzelne Kaufleute von 
Almannien zu klagen haben , sie sollen sie an dem Orte , wohin sie gehören, 
verfolgen und nach den Gewohnheiten des Ortes Recht nehmen. 

Die drey Städte versprechen, dass sie wegen der Beschwerden der Deut- 
schen, über Brügge, gemeinschaftlich die Ordnungen nach dem Begehren dersel- 
ben vervollkommnen . und halten w^ollcn, und dass, wenn sie njit den ihnen be- 
willigten Freyheiten zufrieden seyn sollten, j^wey tüchtige wethoiidera von Seiten 
der Stadt Brügge zur Tagfahrt, welche die deutschen Kaufleute ausschreiben 
werden, kommen sollen, zur Festsetzung alles Schadens und zur gemeinschaft* 



l) Ueber diese frühem Streitigkeiten mit den Schotten sind keine Urkunden aufgefunden; sie konuneit 
aber zu yerschiedenen Zeiten nur zu häufig Yor; häufig hatten die Schotten deutsche Schiffe genom- 
men oder beraubt, und dass auf ähnliche Fälle diese Urkunde sich beziehe, leidet keiuen Zweifel* Die 
Fläminger waren in so ferne schuldig» als sie den Deutschen die Sicherheit auf des Landes Strömen 
und Kiisten versprochen hatten. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 247 

liehen Bestimmung der Zahlungsfristen, worauf die Hallung der Uebereinkunft 
eidlich zu bekräftigen Ist l). 

Also geschah es denn auch. Der Graf Ludwig von Flandern und die drey 
Städte Gent, Brügge und Ypern fertigten an demselben Tage (d. 14ten, Jun. d. J. 
1360) den deutschen Kaufleuten und Städten drey Freyheitsbriefe aus, die sich 
auf ihre Freyheiten und die von ihnen zu zahlenden Maklergebühren bezogen ; 
sie wurden ihnen noch in besondern Urkunden von dem Grafen und den Städten 
auf ewige Zeiten bestätigt, und ihnen gegen jeden Eingriflf in dieselben, so lange, 
als sie in Flandern verweilen würden, Schutz, wegen des daraus fiir sie ent- 
springenden Schadens aber, Ersatz und Genugthuung zugesagt, so wie dass 
keine den flandrischen Städten früher ertheilte Freyheiten diesen, den deutschen 
Kaufleuten bewilligten, irgend Abbruch thun sollten, zugesichert 2). 

Diese Urkunden wurden den deutschen Städten nach Lübeck durch Abge- 
ordnete zugesandt und übergeben, und der Graf so wie seines Landes Städte 
bezeugen in ihren Schreiben vom 29 Jun. und iten August ihre ausnehmende 
Freude, dass, wie sie aus dem Berichte Ihrer Abgeordneten und ihrem, der deut- 
schen Städte, werthen Schreiben (litteras vestraa gratiosas sagt auch der mächtige 
Graf) ersähen, günstig und wohlwollend die angebotenen Freyheiten und Scha- 
dens- Ersetzungen angenommen hätten. Da sie aber begehrten, dass die Puncte, 
welche die Stadt Sluys beträfen 3) , nicht in den Urkunden vorkommen sollten, 
so erklärte der Graf nicht nur dazu sich bereit, sondern auch dass die Ord- 
nung, so wie sie dieselbe überschickt, mit seinen und der drey Städte Siegeln 
versehen , ausgefertigt werden solle 4), Auch erklärten der Graf und seine Städte 
ihnen in einer besonderen Urkunde v. 30ten Julius» dass sie die Befugniss haben 



1) ÜB* CXCVI. 

2) UV. 1360. 1, 2, 3. CXCLVni. 

'S) Diese specißcatio ville de Sluys 9 Yfie et in der Urkunde heistt» kommt nachher in den Urkunden 
nicht Tor« Nur in der einen heisst es» dass in Sluis Tier Mäkler für das Salz angestellt werden 
sollten , dass ist gewiss nicht mit der specißcatio gemeint gewesen ; wahrscheinlich ist mit dieser epeci- 
ficatio ein besonderes Uebereinkommen gemeint, was über die Eutschädiguug wegen erlittenen Schadens 
durch die Stadt festgesetzt ward, das aber weiter nicht bekannt ist. Dergleichen Klagen sind mehrere uud 
öfter über diese Stadt vorgekommen, in deren Nähe, auf dem für den Verkehr mit Flandern so wichti- 
gen Strom, Ton Schotteui Englandern, Franzosen Gewaltthätigkeiten gegen deutsche Schiffe Torfieleu, wo- 
bey die Deutschen aber behaupteten» dass die Obrigkeit daselbst nicht ihre Schuldigkeit gethan habe^ 
Dergleichen sind bereils erwähnt worden« Andere findet man i« B. ÜB. XCViU. S. auch unten Receis 
, Tom J. 1363« S. 516. über die Katermannen Ton Sluyt. 

4D ÜB. CXCIX. CCVI. 



248 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

sollten, die, welche einen ihrer Kaufleate oder Diener tödten oder aach an ihren 
Gliedern verletzten {pfte mincke dede van lede)j fest zu halten, bis das Gericht 
dazu komme, und dass man richten solle Lehen um Lehen, Glied um Glied, und 
dass auf gleiche Weise der Dieh, der den Kaufleuten ihr Gut stiehlt, bestraft 
werden solle, zu ewigen Zeiten i). 

Was aber die drey vorzüglichsten Privilegien betrifft, so finden sich darin 
ausser den frühern von dem Grafen Robert und den flandrischen Städten ihnen 
ertheillen Freyheiten, die wörtlich darin wiederhohlt werden, besonders folgende 
Zusätze: In der ersten in lateinischer Sprache ausgefertigten Urkunde: 

Sie können alle ihre Güter und Waaren, wie und so oft es ihnen vortheil- 
haft scheint, vertauschen und alle, so wohl von ihnen eingeführte, als in Flan- 
dern gekaufte, nach welchen Ländern sie wollen, zu Wasser oder Land frey 
ausfuhren, gegen den alt üblichen Zoll. Im Fall eines Kriegs zwischen dem 
Lande und dem römischen Kaiser oder einem Fürsten des Reichs steht ihnen nicht 
nur die bekannte Frist zum freyen Abzüge zu, sondern wenn sie vorzitihen in 
dem Lande zu bleiben, so sollen sie auch dazu die Befugniss haben und für 
ihre Personen und Güter allen Schutz geniessen und ihrer Freyheiten sich erfreuen. 
Im Fall eines Schiffbruchs können sie die gestrandeten Güter gegen Erstat- 
tung eines billigen Berglohns retten und frey darüber verfügen. " Kommt ein 
Schiff ohne Mast und Steuerruder in einen Hafen oder an die Küste des Landes, 
oder sind einige Güter aus dem Schiff geworfen worden, so kann Jeder zu deren 
Rettung unverwehrt Hülfe leisten, ohne dazu einer Erlaubniss zu bedürfen, und 
sollen sie denen, welchen sie vor dem Schiffbruche gehörten, oder deren nächsten 
Erben wiedergegeben werden; und wenn keiner derselben zugegen wäre, so sol- 
len sie ihnen Jahr und Tag aufbewahret bleiben, im Fall sie während der Zeit 
sich melden sollten. 

Wenn es in den alten Freybriefen heisst^ dass kein Kaufmann oder Schiff, 
welches befrachtet ist, wenn nicht gerichtlich früher verklagt, verhaftet werden 
dürfe, als nur dann, wenn eine neue gesetzliche Ursache hinzugekommen wäre, 
weshalb sie nach den Ortsgewohnheiten festgenommen werden können : so 
heisst es in diesen, dass es auch in diesem Falle nicht geschehen solle, wenn 
der Kaufmann hinlängliche Bürgen stelle , worauf er, wohin er wolle, abzusegein 
befugt bleibt. 



1) ÜB. ccni. 



S ECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL, U. FRANKR. 249 

Jeder hat das Recht, seine Weine, gegen Erlegung der alten Accise (ein 
Pfund Groschen Ton jeder i^irga vini)^ frey vom Zapfen zu verkaufen, oder zum 
Verkauf, wohin er will, zu führen, und zu demselben sich frey der Gehülfen 
zu bedienen, die ihm I^iemand, so lange sie in seinem Dienste sind, nehmen 
darf. Entsteht Beschwerde über Mängel des Weins, so ist er zu prüfen; nach« 
her steht ihnen frey, denselben so theuer sie können auch gegen des Ortes Rechte 
zu verkaufen. Für den Wein zum Auffüllen zahlen sie keine Accise. Ist der 
Wein zum vierten Theil aus dem Fasse gelaufen, so kann es verstopft und wieder— 
gefüllt werden in Beyseyn zweyer gültiger Zeugen, ohne dass die Gegenwart des 
Accise - Bedienten dazu erforderlich wäre; auch soll weder der Amtmann noch 
der Zöllner oder der Mäkler Wein vom Kaufmanne oder aus dem Schiffe erhal- , 
ten, sondern sie sollen mit dem ihnen gebührenden Lohn zufrieden seyn. Auch 
steht es Jedem frey, durch seine Leute den Wein abziehen und die Weinfässer 
wieder binden zu lassen. Ist durch die beym Krahn Angestellten beym Heraus- 
heben des Weins aus den Schifilen, oder durch die, welche ihn zu Land weiter 
führen oder ziehen , derselbe ausgeschüttet oder sonst vernachlässigt w orden , so 
sind diese zu dessen YoUfullung verbunden» 

Jedem Schiffsherrn oder Schiffer steht es frey, sein Schiff an das Land za 
bringen und es auszubessern, so oft er will, und wenn er einige Geräthschailen 
seines Schiffs verloren hat, sie aufzusuchen und wieder zu sich zu nehmen, auch 
sein Schiff zum Winterlager aufzulegen. Jeder Schiffsherr oder Schiffer, der mit 
seinem befrachteten oder unbefrachteten Schiffe aus dem Hafen fährt und den Zoll 
entrichtet hat, durch Wind und Wetter aber genöthigt ist, wieder umzukehren, zahlt, 
auch wenn er neue Güter einnimmt, von den früher verzollten keinen neuen Zoll. 
Kommt ein Schiff, in welchem englische Tücher sind, in ^t Zwin oder in andere 
Gegenden des Landes, so können sie aus einem Schiffe in das andere, und vor-» 
behältlich des Herrn Zoll, aus dem Lande wohin man will zu Wasser oder 
JLiand geführt werdqn. Mit Gctraide {^frumento) beladene Schiffe geben die drey 
üblichen Maasse ab. 

Die grauen Tücher (panni)^ die aus Osten eingeführt werden, kann man 
aller Orten frey verkaufen, sie unterliegen keinem Hallegeld. Alle in Flandern 
verfertigte Tücher sollen ihr gehöriges Maass in der Länge und Breite haben , ihre 
gebührenden Falten oder Umschläge {plicaturä)^ also dass sie gleich breit und 
gut sind, jedes in seiner Art^ zu Anfang, in der Mitte und am Ende; sie sollen 

li 



250 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS- 

ganz, nicht in der Mitte zwischen beiden Enden eingeschnitten seyn, ihre Ecken 
nicht breiter als vor Alters. 

Hat ein Kaufmann seine Güter auf seinen Eid verzollt, so soll man diese 
nicht von Neuem aufschlagen, besehen und durchforschen. Ist ein Kaufmann 
oder dessen Diener wegen eines Verbrechens am Körper bestraft worden, so 
sollen seine Güter unbeschwert bleiben (non debent vlterius judicari). 

Ist einer zu Wasser oder Land beraubt worden, und kommt der Räuber 
oder das geraubte Gut nach Flandern, so sollen die Güter dem Eigenthümer 
frey wieder gegeben, und der Räuber nach dem Rechte bestraft werden. Sind 
aber die geraubten Güter in eines fremden Herrn Gerichtsbarkeit, Stadt, Flecken 
oder Ort gebracht worden, und der Beraubte oder dessen Stellvertreter daselbst 
mit Hülfe des Rechts (jure) aufgefunden, ist ihnen aber das Recht verweigert worden : 
so soll der Räuber, wenn er in Flandern aufgefunden wird, verhaftet werden, 
bis Recht und Gerechtigkeit über ihn gehandhabt worden ist; wo aber innerhalb 
Landes die geraubten Güter gefunden werden, da sollen sie dem beraubten Kauf- 
manne zurückgegeben werden, wenn er nach gesetzlicher Untersuchung durch seine 
Zeichen {Marie) oder auf andere Weise glaubhaft darthun* kann, dass sie ihm zu* 
vor gehörten , wenn gleich dieselben auf dem gemeinen Markte gekauft: oder 
veräussert worden wären. 

Hat Jemand einen Kaufmann oder dessen Diener in Flandern ermordet 
oder geplündert, so kann derselbe, auf frischer That ergriffen, unsträflich fest- 
gehalten werden (von den Deutschen), bis der Richter, der über die That zu 
sprechen hat, hinzukommt. Flüchtet endlich ein solcher Mörder oder Dieb 
in ein anderes Land, wohin er die Güter schafft, und hat der Beleidigte oder 
dessen Stellvertreter daselbst sein Recht verfolgt , ist ihmu dieses aber ver- 
weigert worden: so kann der Verbrecher, wo er in Flandern betroffen wird, bis 
zum Rechtsspruche festgehalten werden ; wo aber diese Güter in Flandern gefunden 
werden, da sollen sie dem Beraubten ausgeliefert werden, insofern er durch seine 
Zeichen oder sonst glaubhaft nachweist, dass sie ihm zur Zeit des Raubes eigen- 
thümlich zugehörten, wiewohl sie auf dem gemeinen Markte gekauft oder ver- 
äussert worden. 

Bedürfen die deutschen Kaufleute des Vorschreibens oder der Hülfe des Gra- 
fen oder der flandrischen Städte, in ihren gerechten und billigen Angelegenheiten, 
so sollen sie ihnen nicht verweigert werden , vielmehr sollen sie auf deren Hülfe 
und Beistand rechnen können. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D, NIEDERL. U. FRANKR. 251 

Wenn ein aus unebclicher Geburt entsprossener Kaufmann in Flandern stirbt, 
so sollen dessen hinterlassene Güter weder dem Landesherrn noch irgend sonst 
Jemandem, sondern lediglich seinen nächsten Blutsfreunden zufallen. 

Endlich sollen sie gemeinschaftlich und einzeln dieser Freyheiten in allen 
Theilen sich erfreuen, wie sie am vortheilhaftesten für sie ausgelegt werden kön- 
nen, ohne dass deren freyer Gebrauch durch andere Freyheiten von dem jetzigen 
oder den frühern Landesherren gemeinschaftlich oder im Einzelnen ihren Städten 
oder Orten erlheilt, dieselben entkräften könnten. Dagegen sollen die den deut- 
schen Kaufleuten zuvor ertheilten Freyheiten in voller Kraft bleiben, und die 
einen den andern keinen Abbruch thun i). 

In der andern in flämischer Sprache ausgefertigten Urkunde, ward ihnen, 
ausser der Wiederhohlung des Aeltern, und dessen, was in den ebenangefahrten 
Urkunden entbalten ist , folgendes von Neuem bewilligt i) : 

Die Stadt Brügge verspricht auf der gemeinschaftlichen Wage, einen tüch- 
tigen Wächter zu bestellen; sollte indess den Kaufleuten durch dessen Verse- 
hen ein Nachtheil entstehen, wie wenn er ohne Einwilligung des Verkäufers 
Gut auslieferte, diess aber den Schöffen angezeigt werden, so soll die Stadt ver^ 
bunden seyn den Schaden zu ersetzen. Mäkler sollen keinen Antheil an dem 
Gute haben , dessen Kauf oder Verkauf sie durch ihren Dienst vermitteln. Auch 
die Lebensmittel zum eigenen Verbrauche, mit Ausnahme derer, die sie zur See 
oder zu Land einfahren, bleiben frey yon der Accise. 

Empfängt der Schreiber oder Diener eines Wirths der (deutschen) Gäste 
Geld oder Gut und entführen jene dasselbe, so soll der Wirth, litt aber 
der Kaufmann durch seinen Wirth Schaden, so soll die Stadt, wo der Kaufmann 
Hegt , dafür haflen 3). Nur fiir Wachs sollen öffentliche Wrakcr , Leute , die 



4) UB. CXCXVIIb. 2) UV. 1360. 1, 2. 

3) Die Haft der Wirthe kommt schou iu deu früher erwahuten Freiheiten Tor, die Haft der Stadt Tur 
die Wirthe ist eiu wichtiger Zusatz« Iu einer Urkunde ohne Jahrzahl (ÜB. CCVHI.)« welche aber wahr- 
tcheiulich in die Zeit kurz nach dem J. 1360 zu setzen ist» kommt noch etwas 'Wesentliches zur Erläu- 
terung dieser Haft Ton Seiten der Wirthe , bey welchen die Deutschen wohnten , Tor« Die Urkunde 
enthält einen Brief der Alterleute und des gemeinen Kaufmanns zu BrOgge in sächsischer Sprache i an 
Lübeck (die Bezeichnung Heuse oder Hanse kommt nicht darin Tor, welches eben nebst Auderra auf 
diese Zeit schliessen lässt) , in welchem sie deu Empfang des lübischen Schreibens an den Grafen und die 
drey flandrischen Städte anzeigen» und wie sie es zwar durch einige ihrer Gesellen nach Gent, woselbst 
der Graf) seine drey Städte und das ganze Land yersammelt gewesen, ihnen überschickt, aber keine Ant- 
wort erhalten hätten» da die Städte und des Grafen Kanzler mit der Ueberhäufuiig der Geschäfte sich 
entschuldigten, sobald als möglich aber sie zu geben versprochen hätten, welche sie, die Alterleute. 

li 2 



252 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

dessen Gute prüfen, wenn es nicht besiegelt ist, angestellt werden. Etwas anders, 
doch mehr in den Worten als In der Sache lauten darin die Bestimmungen wegen 
Mörder und Räuber, die von den alleren wenig unterschieden sind, dagegen 
sind folgende neu und bedeutend. Zu Sluys sollen nicht weniger denn vier Mäkler 
für das Salz seyn , und diese sollen in keiner Gesellschaft mit den Salzverkäufem 
stehen, noch an dem Salze selbst Theil haben. Die fiinf Grote von dem Pfund 
Grote, die man in Gent von verkauften Gütern ausser dem alten Zoll und den 
Maklergebühren gibt, sollen abgeschafft seyn. Leinwand, die der Kaufmann nach 
TIandern bringt und daselbst verkauft, sollen zehn Repe vom hundert und nicht 
mehr abgeben , und die Repe der Leinwand sollen gleich seyn denen beyra 
Tuch. Die, welche Häring in das Land bringen, mögen die Häringstonnen voll- 
füllen, und, wie es ihnen zuträglich scheint, Lake darauf giessen. Bey den Schif- 
fen, die Korn in das Land bringen, soll beym Messen desselben also verfahren 
werden, dass man bey dem Schiffe, bey welchem zu messen angefangen worden 
ist, auch fortfahre, bis das Korn gänzlich gemessen ist^ bevor man mit dem 
Messen eines andern beginnt. Jedem Schiffer steht frey, sein Schiff zu laden oder 
zu entladen, vor Aufgang oder nach Untergang der Sonne, wie es seinen Fracht- 
leuten dienlich scheint. Man soll auch den alten Zoll nach der Verordnung ent- 
richten und nicht mehr. In der dritten Urkunde werden die Mäklergebühren fest- 
gesetzt, die in mehrem Puncten, wie es scheint, geringer angesetzt waren als in 
früherer Zeit Es sind aber darin dieselben Mängel wie in den frühem^ Ein— und 
Ausfuhr ist nicht genau darin geschieden i). 

Auf dem Tage der gemeinen Städte und Kauflcute der Deut- 
schen zu Lübeck auf Bartholomaei (1360)) schlössen dann auch der Abge- 
sandte des Grafen und zwey Schöffen von jeder der drey flandrischen Städte 
wegen alles noch vorhandenen Zwistes zwischen ihnen und den gemeinen 
Städten des gemeinen Kaufmanns von der deutschen Hanse ab und 



«obald »ie solche erhalten, sofort übersenden ivürden* Bey dieser Gelegenheit kommen Alterleute tmd 
Kaufmann auch anhangsweise auf die 'Wirthe zu sprechen > sie beschweren sich , dass diese ihre Wirthe 
nicht weiter für Die haften wollten» welchen sie, die Deutscheu, in ihren Wohnungen Guter irerkauH 
hätten. Offenbar soll diess heisseu , dass die Hauseigenthümer ihnen, den deutschen Kaufleuten , welche 
als Fremde der Käufer personliche Verhältnisse nicht so wie die Einheimischen kenneu konnten , für 
die Zahlungsfähigkeit derselben halben mussten. Ganz mit Recht setzen die Alterleute hinzu, diess sej 
eines ihrer grossteu Privilegien, sie bitten Lübeck, allen Fleiss anzuwenden, dass es ihnen erhalten würde« 

1) CXCVII. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 253 

legten ihn bey, wie die darüber bekannt gemachte Urkunde beweiset i). Unter 
allen flandrischen Urkunden, die sich auf die Städte beziehen^ ist diese die erste, 
welche einer gemeinen deutschen Hanse von Städten und Kaufleuten erwähnt; die 
Freyheltsbriefe selbst von dem Grafen und den Städten von eben diesem Jahre, 
gedenken nur der Kaufleute des römischen Reichs von Alemannien; seihst in den 
Vollmachten für ihre Gesandten drücken sich der Graf und die Städte so aus, dass 
sie ihnen Vollmacht erthellen , an den Rath zu Lübeck und die anderen Kaufleute 
der Städte und Flecken {viiteri) Alemanniens die Freyheitsbriefe zu übergeben, 
und mit ihnen über den Schadensersatz abzuschliessen zu Lübeck oder anderswo 
auf der allgemeinen Versammlung der Kaufleute Alemanniens {partium Almannie). 
Es ist nicht anzunehmen, dass die gemeinen Städte diese Benennung begehrt 
haben; alle frühem Freyheiten lauteten auf dem Hansetage, wo diese Erklä- 
rung erlassen ward, auf die Kaufleute des römischen Reichs von Alemannien, 
und es musste die Macht des Vereins schon um Vieles fester gegründet seyn, dass 
man es'wagen konnte, diese Benennung mit der alten zu vertauschen. Die deutschen 
Kaufleute zu Brügge nannten sich daselbst noch einige Jahre nachher des römi- 
schen Reichs Kaufleute von Alemannien; man mochte wohl, bevor die Macht des 
deutschen Vereins der Städte und Kaufleute "vollkommen ausgebildet war, er im 
Vorlhelle sich befand und gebieten konnte, den alten Nahmen nicht ändern, wie- 
wohl der neue schon in andern Ländern des Nordens, in England, selbst in 
Holland früher im Gebrauche war, um vielleicht nicht in ungünstigen Verhält- 
nissen den Genuss der zugestandenen Freyheilen bezweifelt zu sehen, welche des 
römischen Reichs Kaufleaten von Alemannien, nicht den hansischen, zugetheilt 
worden waren. 

Laut dieses Vertrags nun wurde dem gemeinen Kaufmanne von der deutschen 
Hanse wegen der Schiffe , die vor Antwerpen lagen 2), eine Entschädigung Nah^ 
mens des Grafen von fünfzehnhundert brüggischen Schilden binnen der Frist von 
drey Jahren, auf Ostern zu Lübeck zahlbar, zugesagt, zugleich aber näher be- 
stimmt, wie diese unter die einzelnen hansischen Kaufleute (die dadurch Scha- 
den gelitten) vertheilt werden sollte. Ferner versprachen die Abgeordneten Nah- 

1) CCVIL 

2) lieber diese Schiffe, die tot Aatwerpen lageu, ist uichta Näheres bekannt, aber dass, es sey durch 
Beraubung derselben oder durch Verletzung der Freyheiten der Deutschen Einzelne Schaden an diesen 
Schiffen gelitten hatten, das erhellt aus den Eutschädigungs- Summen, die ihnen angewiesen werden. 



254 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

mens der Stadt Brügge wegen des erlittenen Schadens an Korn , das die Stadt 
vor drey Jahren gegen des Kaufmanns Willen hatte hinwegnehmen lassen, vier 
und neunzig Pfund Grote und 17 Schill. Gr., unter die genannten Einzelnen nach 
Maassgahe ihres Verlustes zu vertheilen , zahlbar zu Lübeck auf nächste Ostern zur 
Hälfte, die andere auf Michaelis. Endlich ward gelobt, Nahmens der Stadt Brügge, 
alles, was sie oder die Ihrigen von dem schottischen Gute empfangen hätten, 
auf Martini den Bevollmächtigten der Stadt Lübeck auszuhändigen. Was aber 
der Kaufmann noch sonst wegen des schottischen Guts nachher zu fordern hat, das 
soll bleiben wie der schriftliche Vertrag, der desshalb zwischen dem Kaufmann mid 
den Schotten aufgerichtet worden, und den die Stadt Brügge besiegelt hat, aus- 
weiset, und diess soll Kraft haben in Bezug auf der Schotten Gut von Michaelis an, 
bis der volle Ersatz des Schadens erfolgt ist. 

Auch versprachen die Abgeordneten aus Flandern zu Lübeck mit und für 
die von Brügge, dass den Kaufleuten von der deutschen Hanse der Schaden, 
welchen sie von Laures van der Bursen erlitten, zwischen hier und St. Mar-- 
tini oder spätestens vierzehn Tage nachher, in gleichem Verhältniss ihres Verlustes 
ersetzt werden solle, von dem Gute, welches er und die Andern nachgelassen 
und welches in Flandern gefunden würde. Wäre es indess Noth, den Tag noch 
um vier Wochen zu verlängern, so sollen die in das Land abzusendenden 
Boten dazu Macht haben. Sie versprachen ferner mit und für die Stadt Ypem, 
dass sie dafür sorgen wollen, dass dem Rathmann von Thorn, Johann Rode, an 
demselben Tage die sechszig Pfund bezahlt würden, welche Wilhelm Wagener 
ihm schuldig ist. Wegen der Beschwerden der Stadt Cöln und der westphäli- 
sehen Städte, die sie gegen den Grafen von Flandern und die Stadt Brügge haben, 
soll der Graf Einen aus seinem geschworenen Rathe und die von Brügge zwey 
Schöffen nach Cöln senden, um die Sache durch Verein oder in Recht zwischen 
jetzt und Martini zu endigen, gleich wie es geschehen wäre, wenn sie zu Lübeck 
gewesen wären, wenn sie sich nicht zuvor deshalb verglichen. Hätte aber Einer 
der deutschen Hanse hier zu Lübeck seine Beschwerden vorzubringen versäumt, 
und hätte er noch dergleichen gegen den Grafen oder die Städte Gent, Brügge 
und Ypem vorzubringen, oder gegen andere flandrische Städte, so sollen sie 
dazu noch ferner von nächsten Michaelis an zwey Jahre lang dazu und zur 
Verfolgung ihres 'Rechts befugt seyn, wie jetzt zu Lübeck hätte geschehen sollen. 
Hätte aber Jemand über einzelne in Flandern ansässige Personen zu klagen, dem 
sollen die Schöffen des Landes nach dem Landrechte zu seinem Rechte verhelfen. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M, D. NIEDERE. U. FRANKR. 255 

Sollte aber einer aus Flandern Jemanden von der deutschen Hanse rechtlich an- 
sprechen wollen, so soll man ihm nach dem Stadt- Rechte des Beklagten zum 
Recht verhelfen. 

So glorreich waren alle Streitigkeiten nun beygelegt, den Deutschen waren 
alle ihre Forderungen bewilligt worden, und man erkennt aus Allem, welchen 
Werlh der Landes -Herr und die Städte desselben auf ihre Anwesenheit in Flan- 
dern legten. Die Yortheile schon allein aus den Zöllen und andern Abgaben, 
welche der Graf und die Städte davon erhielten, so wie der vermehrte Absatz 
flandrischer Guter, mannigfaltiger Verdienst und Genuss von einem so bedeu- 
tenden Handel waren handgreiflich, so dass die Fläminger zu allen Bewilligungen 
bereif waren. * * 

Diese erworbenen Freyheiten sind denn während der Bluthe des Handels 
der Deutschen oder der Hansen auch stets die Grundlage ihres Stapels geblieben, 
obwohl die Beschwerden und Streitigkeiten über deren Erhaltung nie aufgehört 
haben ; es blieb auch später ein immerwährender Kampf; und wenn die Einwohner 
der Stadt Brügge bald eifersüchtig waren, dann ihre Versprechungen nicht hielten, 
dann mehr erpressen oder die Freyheiten beschränken wollten, die versprochenen 
Zahlungen nicht leisteten^ so schwiegen die deutschen Alterleute und Vorsteher 
der Niederlage so wenig als die deutschen Städte, die mit der regsten Eifersucht 
über die Erhaltung der ihnen zugestandenen Freyheiten wachten, und sie eben 
so zu erweitern suchten, wie der andere Theil sie zu beschränken bemüht war. 
Sie Hessen nicht nach, und vnirden wohl überlästig, ermüdeten aber nie, und 
waren immer ihrer Sache gewiss, so lange auf ihr Verweilen im Lande ein so 
hoher Wcfrth gelegt ward, und ihre letzte Drohung immer die bleiben durile, 
ausserhalb Landes oder ausserhalb Brügge ihren Stapel zu verlegen. 

Wahrscheinlich sind schon kurz nach diesem Abschluss neue Beschwerden 
entstanden, wie aus einer Urkunde zu erhellen scheint, welche zu Quesnoy (ATe^- 
noii) im J. 1368 Albrecht, Herzog in Bayern, Pfalzgraf beym Rhein und Ruwart 
von Hennegau , Holland , Seeland und Friesland ausfertigte , worin er erklärt , dass 
er zum Vortheile der gemeinen Kaufleute von Almannien und von der deutschen 
Anse und der Kaufleute seiner Lande eingewilligt habe, dass, wenn Jene ihren 
Stapel und Kaufmannschaft zu Dortrecht halten wollten, wie sie zu Zeiten seines 
Bruders einige Zeit gethan hätten, er sie aller der Rechte und Freyheiten theilhaf- 
tig machen wolle, die sie daroahls von demselben erlangt hätten; er bevollmäch- 
tigt die Dortrechter ' oder deren Boten deshalb mit dem Kaufmann Tage zu 



\ 



256 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES H.iNDELS. 

halten und Abrede zu nehmen, worauf er den (deutschen) Kaufleuten Handfesten 
und Briefe ertheilen \volle, um sie sicher zu stellen l). 

IndeSvS mag sich das Unwetter wieder verzogen haben, die Deutschen bhe* 
ben mit ihrem Stapel mehrere Jahrzehnde in Brügge und erfreuten sich ihrer Frey- 
heiten, waren sich und dem Lande von Nutzen. Denn man kann es nicht genug 
sagen , hier haben sie keine verderbliche Monopole geübt ; was sie an Freyheiten 
erwarben und erzwangen, war was billiger Weise zum Schutz eines freyen Ver- 
kehrs gefordert werden konnte und also beiden Theilen gewiss gleich nützlich war. 

Wenn nun die deutschen oder hansischen Kaufleute ihren vornehmsten Stapel 
in Flandern und zwar vornehmlich in Brügge hielten , so haben sie sich doch auf 
diese Stadt nicht allein beschränkt. AbgcsÄen davon, dass sie von Zeit zu. Zeit 
unzufrieden mit dem Lande oder der Stadt Brügge den Stapel in andere Orte, als 
nach Ardenburg in Flandern und nach Dortrecht ausserhalb des Landes verlegten: 
so hatten sie stets und immer kleinere Hauptvereine zu Brügge, untergeordnete 
Vereine in den Niederlanden, in mehrern Theilen Flanderns und in andern nie-* 
derländischen Städten und Provinzen, sie besuchten andere Märkte, trieben den 
Verkehr in andern Theilen; es verhielt sich hier ganz so, wie in andern Ländern 
Europas, wo die Deutschen dergleichen Haupt- und Nebenniederlagen hatten. 
Auch wurden bey dem Besuchen der grössern Jahrmärkte in den Niederlanden, 
einige Alterleule oder Rathmänner der grössern Niederlage abgeordnet, um daselbst 
die Ordnung zu handhaben und die erworbenen Freyheiten aufrecht zu erhalten, 
indem die Kaufleute auch von Brügge aus diese Märkte besuchten, um daselbst 
möglicher Weise die erste Hand beym Ankauf zu haben , und geradezu mit den 
Abnehmern ihrer Güter zu verkehren. Aber von der Hauptniederlage aus wurden 
die Ordnungen in Flandera und den benachbarten Landestheilen gehandhabt, und 
besondere Verträge mit ihnen eingegangen. 

So kommt eine Uebereinkunft von dem J. 1347 zwischen den Kaufleuten 
von Alemannien und den Poperingern vor, worin besondere Bestimmungen über 
die daselbst verfertigten und von den Deutschen weit und breit bis in den fernsten 
Norden verführten Tücher festgesetzt wurden, worin die Poperinger versprachen, 
die Tücher ohne alle Gebrechen zu liefern, dass kein Wardierer seine eigenen 
Tücher beurtheilen solle, von welcher Farbe sie wären, die er etwa zu liefern ver- 
bunden sey. Kein Wirth der deutschen Kaufleute, oder dessen Weib, oder sonst 



1) ÜB* CCXXXIV. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 257 

Jemand in dessen Nahmen soll in der Gemeine {eure) von Poperingen Tücher kau- 
fen um sie -wieder zu verkaufen, bey Strafe von 10 Pariser Schillingen und bey 
der sechsfachen, wenn ein solcher Tücher für einen Kaufmann kaufte, ohne dass 
er oder sein Diener zugegen wären j es wäre denn, dass der Einheimische bey 
dem Ankaufe von zwanzig Tüchern oder darunter, durch einen schriftlichen Auf- 
trag der Kaufleute mit ihrem Siegel versehen, sich deshalb zu rechtfertigen ver- 
möchte. Auch soll kein Wirth eine Tuchbereitung {draperie) besprechen , oder 
besprechen lassen, wenn der Kaufmann selbst zu Hause ist, von welcher Farbe das 
Tuch auch sey, bey Strafe von 60 Pariser Schillingen. Niemand soll Tücher bey 
Strafe von 10 Painser Schillingen verkaufen, bevor sie vom Rahmen abgenom- 
men sind , es wäre denn , dass der Kaufmann eine besondere Farbe ihnen geben 
wollte, die man gemeinhin zu Kauf nicht lande. Auch soll kein Pfahlbürger von 
der Gemeine Tücher kaufen, oder kaufen lassen um sie wieder in derselben zu 
verkaufen, als allein des Montags in jeder Woche mit seinem eigenen Vermögen, 
ohne mit Andern innerhalb oder ausserhalb der Gemeine in Gesellschaft zu ste- 
hen, bey Strafe 10 solcher Schillinge. Brächten oder sendeten die Kaufleute 
ihren Wirthen Kisten mit Gütern zum aufbrechen daselbst zu, und entstände 
daraus Schaden für sie, so wollen die Poperinger dafür haften i). 

Gewiss haben sie ähnliche Verträge, viele und mannigfaltige mit andern 
flandrischen Orten, nahmentlich denen, wo besonders die Tücher bereitet wurden, 
abgeschlossen, die nicht auf uns gekommen sind. Nur die Uebereinkunfl mit dem 
unbedeutenden Poperingen hat sich erhalten; es war aber für das Bestehen des 
deutschen Handels im Norden und besonders in Nowgorod für die Vereinten von 
der grössten Wichtigkeit, gute niederländische Tücher dahin zu liefern, die sie sehr 
zahlreich daselbst einführten, und über deren Verfälschung oder Schlechtigkeit sie 
mit den Eingeborenen nur zu häufig in Streit geriethen, ja alle ihre Freyheiten 
einbüssten, und sogar von da vertrieben wurden. Mochte diess von der Triegerey 
einzelner deutscher Kaufleute nun herkommen, oder von denen, welche die Güter 
verfertigten, die Folge blieb dieselbe; der Verein hat sich stets auf das Eifrigste 
bemüht, beiden Quellen des Betrugs vorzubeugen, ohne jedoch immer glücklich 
zu seyn, denn die Klagen hörten nie auf. 

Wenn Flandern und nahmentlich Brügge die wichtigste Gegend des Nieder- 
landes für den norddeutschen Handel war, so gebührte Brabant die zweyte Stelle« 



1) ÜB. CLXV. 

Kk 



258 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Die vereinten deutschen Kaufleute erhielten von des Landes Herzogen Freyheitcn 
gleich denen in Flandern ; über Bergen op Zoom ging längs der Scheide ihr Han- 
del vorzüglich nach Antwerpen und Mecheln, wo sie die Jahrmärkte vorzugsweise 
besuchten, auch eine aus ihrer Mitte gewählte Obrigkeit hatten, die, wie aus 
spätem Nachrichten erhellet, der Hauptniederlassung zu Brügge, so lange der gemeine 
Kaufmann daselbst lag, untergeordnet war. Sie erstreckten ihren Handelsbetrieb 
durch die ganze Provinz unter dem Schutze der von den Landesherren daselbst 
erworbenen Freyheiten. 

Colin hat bereits im J. 1251 Ton Heinrich HL, Herzoge Ton Lothringen und 
Brabant, einen Freybrief erhalten, durch welchen den Kaufleuten dieser Stadt 
freyer Verkehr in seinen Landen gegen Erlegung des herkömmlichen Zolles, Be- 
freyung der Schuldner von persönlicher Haft, jedoch unter der Bedingung, sich 
vor den Landesgerichten zu stellen, selbst im Falle eines Krieges des Herzo- 
ges mit dem Erzbischofe von Colin, zugesichert wird. 1256 ertheilte derselbe Her- 
zog den Kaufleuten von Hamburg freyes Geleit fiir sich und ihre Waaren in 
seinem Gebiete, mit übernommener Verpflichtung, dasselbe nicht anders als unter 
einer drey Wochen vorher erfolgten Aufkündigung aufzuheben. Im folgenden Jahre 
wurden diese Schutzbriefe erneuert mit dem Zusätze, dass auch eine etwanige 
Fehde zwischen dem Herzoge und den norddeutschen Landesherren der Sicherheit 
des Verkehrs der Hamburger in seinem Gebiete nicht in den Weg treten solle: so 
wie ihnen auch verstattet wurde, den bisher mit englischem oder Sterlings -Geldc 
bezahlten Zoll hinflihro in ihrer eigenen Münze zu entrichten. Seine Wittwe, die 
Herzogin Adelheyd, bestätigte den Hamburgern diesen Schulzbrief im J. 1266 ^). 

Herzog Johann von Brabant ertheilte im J. 1297 zu Brüssel den Lübeckern 
(deren früherer Verkehr mit Brabant jedoch schon aus einer bereits angeführten 
Urkunde von J. 1278 hervorgeht) für ihre Person' und Güter ein allgemein siche- 
res Geleit, also dass weder die Einen noch die Andern in Kriegszeiten oder der 
Schulden Anderer wegen festgehalten werden sollten, es wäre denn wegen eige- 
ner Schulden. Diess Alles jedoch nur auf Widerruf von Seiten des Herzogs, 
welcher vierzig Tage zuvor ihnen angezeigt werden soll 2). 

Derselbe einheilte im J. 1315 allen Kaufleuten des alemannischen oder deut- 
schen Reichs und allen andern, aus welchem Reiche und Land sie seyn 



i) UV. 1251. 7. 1256. 3. 1257. 2. «nd Nachträge zum J. 1266. 
2) ÜB. LXXXVI. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 259 

mögen, allgemeinen Schutz und sicheres Geleit für sich, ihre Diener und Güter, 
Freyheit, sein Gebiet zu Wasser und Lande zu besuchen, mit ihren Gütern, wo sie 
auch gekauft, darin zu verkehren, und zu verweilen, wie es ihnen gut dünken 
mag, bey Erlegung der folgenden Zölle, und Abschaffung aller übrigen, vorausge- 
setzt, dass sie vorzüglich in Antwerpen verkehren. Bey Bergen op Zoom zahlt 
jedes Schiff bey der Hin - oder Herfahrt vier schwarze tournesische Schillinge, 
worauf das Schiff frey von da nach Antwerpen, oder von da nach Bergen zu- 
rück fahren kann. Dann folgt die Zollrolle für einzeln nahmhaft gemachte Güter, 
bey der aber die bey der von Flandern angeführten Gründe verhindern, die 
Folgerungen daraus zu ziehen, welche wir darin suchen möchten. 

Von den Gütern, die keinem besondern Zoll unterworfen sind, soll ähnlich 
nach der Schätzung oder Ansatz der genannten und dem besondei^n Zolle unter- 
worfenen Güter die Abgabe entriclitet werden. Ein Ballen Kaufmannsgüter, die 
nach dem Gewichte verkauft werden, soll dreyhundert, die nicht nach dem Ge- 
wichte verkauft werden, vierhundert, und der Zentner hundert Pfund enthalten. 
Alle Kaufleute, die Waaren im Lande kaufen und ausser des Herzogs Land ftihren, 
sollen von den genannten Abgaben frey seyn, wenn die Verkäufer, die sie ihnen 
verkauft, dieselben bereits bezahlt haben^ oder wenn sie etwa durch ein ihnen er- 
theiltes Recht davon befreyt sind. 

Die Kaufleute können gemeinschaftlich mit des Herzogs Schöffen zu Antwer- 
pen, so oft es ihnen nützlich scheint, das Gewicht (die Gewichtstücke) verbes- 
sern , mehren oder mindern, nach ihrem Gutdünken und Vortheil ermässigen, also 
dass der gemeinschaftliche Wagemeister von den Kaufleuten und den Schöffen 
gewählt und angeordnet wird, vor welchen er den Eid zu schwören hat, treu 
lind recht dem Käufer und Verkäufer zu wiegen : thut er es nicht, so soll er nach 
der Ordnung und dem Gutlinden der Kaufleute und Schöffen bestraft und ein 
Anderer an seine Stelle gesetzt werden. Derselbe soll für jeden Sack Wolle, den 
er wiegt, vier schwarze tournesische Schillinge erhalten; für jeden Ballen anderer 
Waaren, dreyhundert Pfund wiegend, nur nach dem Gewichte verkauft, zwey, 
und so fort yerhältnissmässig vom Käufer; er empfangt nichts von dem, was 
er nicht wiegt. 

Die Kaufleute können zu billigen Preisen in der Stadt Antwerpen Häuser 
mietben und innehaben nach der Ordnung der Schultheissen , der Schöffen des 
Orts und der Kaufleute, also dass die Miethe des Hauses, welches sie einmahl 
gemiethet haben, ihnen nachher nicht gesteigert werden darf. Man soll ihnen 

Kk 2 



*. 



260 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

auch diejenigen Häuser zum billigen Preise vermiethen, die man sonst nicht zu 
Termiethen gewohnt war. Yerlässt ein Kaufmann die Stadt^ so soll er nur nach 
Verhältniss der Zeit, in welcher er darin wohnte, zahlen, es sey denn, dass er 
mit dem ;Bürger auf ein ganzes Jahr, oder eine bestimmte Frist abgeschlossen 
habe. Sollte aber eine sehr grosse Zahl Kaufleute mit ihren Gutern nach Ant- 
werpen kommen und die Bürger w^ollten, durch welchen Greist auch getrieben, 
ihre Häuser ihnen nicht vermiethen, so soll der Schullheiss sie in des Herzogs 
Nahmen nöthigen, dieselben zu einem billigen Miethpreise ihnen zu überlassen. 

Die Kaufleute oder ihre Diener sollen wegen eines Vergehens oder einer 
Schuld nicht ins Gefangniss gesetzt werden , wenn sie fiir die Schuld hinlängliche 
Bürgen oder mit ihren vorgefundenen Gütern die angemessene Sicherheit stellen, 
und das Verbrechen nicht Hals oder Hand angeht. 

Im Fall eines Streits zwischen den Kaufleuten und den Bürgern oder mit 
wem es sonst sey, soll keine Genossenschaft oder Verein der Bürger gegen 
die Kaufleute oder deren Diener zusammentreten, noch nach ihrer Willkühr ihnen 
eine Strafe auflegen noch eine Beleidigung zufügen; sondern der Zwist soll durch 
das Urtheil der Kaufleute und des Schultheissen und der Schöffen beigelegt und 
die Busse nur nach ihrem Ermessen geleistet werden. Sollte aber einem der Kauf- 
leute etwas zu Leide widerfahren, von einem der nicht von ihrer Gesellschaft oder 
aus ihrem Lande ist, und würde darüber geklagt, so soll derselbe sogleich nach 
dem Urtheile der Kaufleute, des Schultheissen und der Schöffen wegen des Un- 
rechts bestraft und die Klage damit niedergeschlagen werden. 

Sollten einige flämische Kaufleute, oder aus welchem Lande sie seyn mö- 
gen, über einige andere (fremde) Kaufleute oder deren Diener, wegen verkauf- 
ter oder vertauschter oder sonst veräusserter Wolle oder wegen anderer Güter zu 
klagen haben; wäre aber die Wolle, oder wären diese Kaufmannsgüter, über 
welche geklagt wird, zuvor gezeigt, besehen und aus dem Hause der Verkäufer 
oder Wieger abgeliefert worden , ehe der Kauf oder Tausch geschlossen ward ; 
so soll der Kläger deshalb nicht weiter gehört werden: wären aber die Waaren 
zuvor nicht gezeigt und besehen worden, so soll die Klage angenommen und 
durch den Spruch der Schöffen und Kaufleute erledigt werden. 

Die in des Herzogs Landen oder anderswo gekauften Güter können die Kauf- 
leote durch dasselbe fuhren oder fuhren lassen, ohne weitem Abgaben unter- 
worfen zu seyn als denen , welche sie bey ihrer Ankunft zu Antwerpen zu ent- 



SECHSTER ABSCHN.! HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR, 261 

richten hatten; dasselbe soll gelten, wenn sie m einer andern dem Herzoge unter- 
worfenen Herrschaft in Mecheln oder in einer entfernten Stadt Güter gekauft 
haben; sie sollen gleichfalls wegen der daselbst von ihnen entrichteten Abgabe 
Ton allen andern im Lande frey seyn. 

Würden sie innerhalb des Landes Grenzen beraubt, so soll man ihnen diese 
ihre Güter ausantworten, und ihnen den Schaden ersetzen. 

Auch soll keiner dieser Kaufleute verhaftet werden, es sey wegen ein^r 
Schuld oder einer andern Ursache halben, wenn der Kläger nicht darthut, dass 
der Verhaftete der Hauptschuldner oder Bürge sey. Ist aber ein Unterthan des 
Herzogs, der in dessen Lande sich aufhält, einem Kaufmanne etwas schuldig und 
hat er oder dessen Diener Schuldbriefe darüber, oder besitzt er das Zeugniss der 
Schöffen irgend einer der Städte des Landes oder anderer glaubhafter Personen, 
oder ein Kerbholz (iallia 8. dicä)y womit er seine Forderung beweiset: so soll 
sofort schleunig Recht und Gerechtigkeit geübt werden, nach den Gewohnheiten 
der Stadt, wo er seine Forderung einklagt, oder seinen Schuldner findet. Da 
aber die Kaufleute keinen sichern Yerhaftsort fiir ihre Schuldner haben, so ge^ 
steht ihnen der Herzog fiir sich und seine Nachkommen zu, dass seine Richter an 
dem Orte, wo sie ihre Klage gegen ihre Schuldner fuhren, diese in Yerhaft halten 
sollen, bis sie den Kaufleuten oder deren Dienern Genugthuung gethan und beide 
Theile sich mit einander vereinigt haben. Flüchtet ein solcher Verhafteter, oder 
würde er böslicher Weise entlassen; so haftet der Richter dem Kaufmann oder 
dessen Diener für die Schuld. 

Bräche ein Krieg zwischen dem Kaiser oder einem andern Fürsten irgend 
eines Landes und dem Herzoge aus , so soll , nach erfolgter Anzeige , vierzig Tage 
nachher der freye Abzug auf ihre Kosten den Kaufleuten frey stehen; nach her- 
gestelltem Frieden aber ihnen frey bleiben, unter dem Genuss der vorbenannten 
Freyheiten wieder in das Land zurückzukehren. 

Sie, die alemannischen oder deutschen Kaufleute mit ihren Genossen, und 
Andere die ihrer Gesellschaft beytreten wollen, können sich einen Capitain oder 
Consul (sonst Oldermann) erwählen und Versammlungen nach ihrem Gutdünken 
halten , ohne die hei*zoglichen Richter und Schöffen dazu aufzufordern , um zu 
ordnen und zu strafen alle Vergehen , die ihnen wegen Verträge und Handel ver- 
fallen, mit Ausnahme der Verbrechen, die an Hals und Hand gehen; alle andere 
können sie vor der Versammlung der Kaufleute nach ihren alten Gewohnheiten 
strafen. 



262 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Sie können sich ihre besonderen Packer und Arbeiter halten, deren sie be- 
dürfen, die eidlich bekräftigen sollen, ihnen treu zu dienen gegen den sonst ge- 
wöhnlichen Lohn ohne allen weitem Streit ; vergeht sich aber einer derselben 
gegen einen, der zu der Gesellschaft der Kaufleute gehört, und wird darüber von 
der Versammlung derselben geklagt, so soll der Arbeitsmann, zufolge der bisher 
unter den Kaufleuten üblichen Ordnung, gestrafl werden. 

Die Kaufleute und ihre Diener können Waflfen kaufen , besitzen und tragen, 
und jede Art Waffen fuhren , auch nach ihrem Gutfinden innerhalb des herzog- 
lichen Gebietes sich bewaffnen; vergehen sie sich aber mit denselben, indem sie 
solche aus der Scheide ziehen und Andere verwunden oder stechen, so soll zu- 
folge der Ordnung oder des Spruchs des fürstlichen Richters, der Schöffen und 
der Kaufleute, das Vergehen gestraft werden; sollte einer aber durch die Kaufleute 
oder deren Diener, die Waffen führen, um das Leben kommen, oder verstüm- 
melt werden, worauf die Strafe Leben um Leben Glied um Glied ist, so soll der 
Thäter nach des Herzogs Spruch und Willen bestraft werden. 

Allen deutschen Kaufleuten und allen andern, die auf einige Zeit nach Ant- 
werpen kommen, gesteht der Herzog fiir sich und seine Nachkommen zu, Wein, Bier 
und andere Getränke, welche sie vorziehen, in ihren Wohnungen fiir sich, ihre Ge- 
nossen und Gesinde zu haben, ohne Accise davon zu entrichten, wenn sie die- 
selben nicht an Fremde verkaufen. Sie sämtlich, woher sie auch sind, haben 
die Befugniss, innerhalb der Stadt Antwerpen Bier und Lebensmittel zu verkaufen, 
zu brauen und zu mahlen, bey Erlegung der schuldigen, billigen und üblichen 
Accise. 

Es steht ihnen ferner frey, Wechselgeschäfte zu treiben , mit wem sie wollen, 
einander Zahlung zu leisten und zu empfangen, mit und ohne Briefe, wie es 
ihnen gut dünkt. 

Keiner ihrer Diener oder Knappen kann seines Herrn Güter im Brettspiel^ 
durch Gefecht, Vergehen oder auf andere Weise veräussern, oder vei^anlassen, 
dass sie in Beschlag genommen werden, sondern er soll an seiner Person, wenn 
das Vergehen von solcher Grösse ist, gestraft werden. 

Knappen oder Boten mit der Kaufleute Geschäfte beauftragt^ oder, bey 
ihnen verweilend (in Dienst stehend), welche über ihren Herrn klagen, sollen nur 
dann mit der Klage gehört werden, wenn die Sache an vierzig kleine Pariser 
Schillinge hinanreicht; haben sie aber in den ihnen aufgetragenen Geschäften 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 263 

durch eigene Schuld gefehlt, beym Brieftragen oder auf andere Welse, und der 
Kaufmann klagt vor des Herzogs Richtern, so soll dem Kaufmanne schnell zu 
seinem Rechte geholfen und dem Worte desselben lediglich Glauben beygemessen 
werden. Schlägt der Kaufmann seinen Handlungs - Diener, Knecht oder seine 
Magd wegen eines Vergehens, ohne dass sichtliche Wunden bleiben, so soll der 
herzogliche Richter sich nicht einmischen, noch dem Kaufmanne eine Busse auflegen. 

Werden der Kaufleute Güter bey der Ankunft in Antwerpen , oder bey der 
Rückkehr von da nach Holland, Seeland oder wohin es sey, angehalten, so ver- 
spricht ihnen der Herzog fiir sich und seine Nachfolger, durch seine Schreiber 
und Bolen Rath, Gunst und Beystand zu leisten, auf dass sie ihnen gänzlich 
w^ieder erstattet würden. Diess Alles hat der Herzog eidlich mit Berührung der 
Evangelien beschworen, bey Verpfändung aller seiner und seiner Nachkommen 
Güter 1). 

Diese zugestandenen Freyheiten, obwohl nicht ausschliessend den norddeut- 
schen Kaufleuten ertheilt, doch gewiss zu ihren Gunsten eigentlich gegeben, über- 
trefi'en an Bedeutung und Umfang alle andere, die sie irgendwo im Niederlande 
erhalten haben, auch selbst die in Flandern oder Brügge erworbenen, in vieler 
Beziehung. Die Kaufleute werden bey des Herzogs Richter und den Schöffen der 
Stadt Antwerpen stets mit hinzugezogen, beym Wechsel behält sich der Landes- 
herr keine Beschränkung vor; offenbar ist auch dem Neide der Bürger zu Ant- 
werpen gegen die Fremdlinge auf eine Weise begegnet, wie es kaum irgend sonst 
wo in dem Niederlande der Fall war. Was die Zölle oder Abgaben betrifft, so 
würde man hier bey genauer Vergleichung und Prüfung zwischen ihnen und den 
in Brügge zu entrichtenden wohl auf gleiche Folgerungen kommen, aber es ist 
doch wohl sehr schwer, die genaue Berechnung zu machen, da auf der Fahrt da- 
hin andere zu erlegen waren, und in Brügge Abgaben an den Grafen, seine Lehns- 
leute und die Stadt zu entrichten waren, auch die Münzen verschieden sind, so 
dass diese Untersuchung auf spätere Zeiten auszusetzen ist , und es vorläiifig 
dahin gestellt bleiben muss, welches Resultat sich daraus ergeben werde. 

Diesen Freybrief haben auch die Hansen in späterer Zeit sehr in Ehren ge- 
halten, und nach zwey Jahrhunderten diente er zur Grundlage ihres nach Ant- 
werpen verlegten Stapels. Bey solchem Zuvorkommen wäre es unbegreiflich, 
warum die Deutschen nicht ihre Niederlage schon früher hierher verlegt hätten. 



O UV. 1315. 



' 



264 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

wenn nicht alle Kaufleute des bekannten und gebildeten Europas m Brügge ihren 
gemeinschaftlichen Marktplatz gehabt hätten, und die Lage Flanderns und 
die der Stadt Brügge vor allen Andern diesen Markt begünstigt hätten. 

Uebrigens waren diese zugestandenen Freyheiten nicht auf einige Zeit, son- 
dern für immer ihnen gegeben , sie waren nicht an die Verlegung des Stapels von 
3rügge nach Antwerpen geknüpft, wie diess bey mehrern in Holland, nahment- 
licb zu Dortrecht erworbenen Freyheiten der Fall war. Es heisst nur, dass die 
Kaufleute vornehmlich ihren Verkehr in Antwerpen haben sollen, aber der Ge- 
brauch der Freyheiten war nicht davon abhängig gemacht, es ward nicht gefordert, 
dass sie von Brügge dahin ihren Stapel verlegen sollten. Auch haben sie zu der 
Zeit, als ihre Niederlage in Brügge war, die ihnen in Brabant zugestandenen Frey- 
heiten unbezweifelt benutzt und behauptet; ihr Verkehr in Brabant war im Nie- 
derlande der zweyte im Range nach dem in Brügge. 

Allein auch in Holland und Seeland waren die Deutschen bemüht, ähnliche 
Freyheiten sich zu verschaffen, da der Verkehr nach Flandern, Brabant und 
anderen Theilen der Niederlande zum Theil über diese Provinzen ging. Schon sehr 
früh haben wir von Freyheiten gehört, welche die Herren des Landes einzelnen 
Städten zutheilten ; aber abgesehen von denen, welche Herzog Albrecht von Bayern 
den Hansen 1358 bewilligle, um die Verlegung ihres Stapels nach Dortrecht zu 
erhalten, und die wahrscheinlich vorübergehende Maassregeln waren, sind weder 
so allgemeine noch so bedeutende in diesen Gegenden, wie es scheint^ erworben 
worden. 

Lübeck hat ausser den oben zuerst bemerkten Freybriefen andere von den 
nachfolgenden Landesherren erhallen. Der vom Grafen Johann von Holland im 
J. 1298 ist der bedeutendste und auch der Grund aller nachfolgenden geblieben, 
welche sie von den Landesherren mehr oder weniger ausführlich in den J. 1316, 
1317, 1327 > 1338 "nd 1349 bestätigt erhielten. Jener ältere Freybrief, welcher 
mit dem den Hamburgern und andern Städten bereits im J. 1277 vom Grafen 
riorentinus, so wie in demselben J. 1298 vom Grafen Johann den Gröningem 
ertbeilten Privilegium fast wörtlich übereinstimmte, gewährte ihnen zufolge des 
Wunsches der Blutsfreunde des Grafen, nähmlich der Herzoge von Braunschweig 
und Lüneburg und der Herzogin von Sachsen auf fünfzehn Jahre folgende Frey- 
heiten: Schutz den Schiffbrüchigen, die Zusicherung ihre gestrandeten Güter Jahr 
und Tag aufzubewahren und sie den das Unglück Ueberlebenden oder deren 
Erben gegen hinlänglichen Beweis auszuantworten ; nur erst nach Ablauf dieser 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKJl. 265 

Frist können sie Toni Grafen oder von einem derjenigen,^ die damit von ihm belehnt 
werden , nach Einhobhing seiner Erlaubniss , eingezogen werden. Ferner 
ertheilt er ihnen, ausser dem allgemeinen Schutz, gegen Erlegung eines Schil- 
lings Sterling von jeder Mark Ihrer ein - und ausgeführten Güter, die Befreyung 
von allen fernem Abgaben, wenn sie die, welche sie eingeführt und die unver- 
tauscht geblieben, wieder ausfuhren wollen, weshalb die Zöllner ihnen das ge- 
wöhnliche Zeichen {jniersignum) zu geben haben. Auch wird ihnen die Befugniss 
zugestanden, dass sie die Streitigkeiten, die unter ihnen oder ihren Dienern in 
einem Schiffe entstanden sind, ohne dass Mord oder Verstümmlung daraus er- 
folgt ist, unter sich beylegen und bestrafen können; hat aber die Mannschaft 
von zwey oder mehreren Schiffen mit einander einen solchen Streit gehabt, so 
soll des Grafen Richter mit Zuziehung der Kaufleute und Schößen {^per merca- 
tores), die nicht an dem Streite Theil gehabt haben, denselben schlichten, und die 
zu erlegenden Geldbussen dem Grafen nach Landes -Gewohnheiten zufallen. Soll- 
ten sie aber auf dem Lande solchen Streit gefuhrt haben, so sollen sie nach den 
Gesetzen des Landes gerichtet werden, doch sollen nur die, welche wirklich 
schuldig befunden werden, an ihren Personen oder Sachen Strafe leiden. Der 
Diener kann seines Herrn Gut nicht durch Streit verwirken, noch verspielen, 
jeder haftet nur für seine eigene Schuld mit Person und Gut. Von jedem ihrer 
Schiffe, welches zu des Grafen ZoUstätle kommt, sollen zwölf holländische 
Pfenninge entrichtet werden, wogegen sie sicheres Geleit erhalten. Im Fall einer 
Fehde ^wischen dem Grafen und dem römischen Könige, soll ihnen unbenom- 
men seyn, mit ihren Waaren des Grafen Land zu besuchen, und das Gleiche soll 
ihnen vergönnt seyn, wenn zwischen den lübischen Bürgern und dem Könige 
Krieg entstände, und noch ein halbes Jahr nachdem der Graf aus Liebe 
zum römischen Könige ihnen das sichere Gelelt aufgekündigt haben würde. 
Kein Fürst oder Uerr soll ihre Personen und Güter im Lande in Beschlag 
nehmen, mit Ausnahme jedoch des römischen Königs, seines Herrn, wie der Graf 
sagt. Der Käufer soll den Verkäufer an dem Tage des Kaufs befriedigen und 
ihm die Versicherung der Zahlung zustellen, geschieht es nicht, so kann der 
Verkäufer beliebig über sein Gut nach Ablauf des Tags verfügen. Was sie an 
Kleidern, Lebensmitteln und andern Geräthschaften zum eigenen Verbrauche 
kaufen, ist zollfrey. Alle verkäufle wiegbare Sachen sind auf der Wage mit 
zwey Wagschalen {staiera) zu wiegen. Keiner soll eines Vergehens wegen, das 
nicht an Hals oder Hand geht, in Ketten oder in das Gefangniss gelegt werden, 

LI 



1 



266 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

wenn er Burgen stellt, oder mit seinen gegenwärtigen Gütern hinlängliche 
Sicherheit leistet. Unter Mark soll eine Mark Sterlinge von zwölf Schillingen, verstan- 
den werden, von welcher die Kaufleute einen Pfenning Sterlinge zu entrichten haben l). 

Diese den oben genannten und ohne Zweifel auch andern Städten ertheillen 
Rechte sind freylich nicht denen zu vergleichen, die sie und die Verbündeten in 
Flandern und Brabant erworben hatten, oder erwarben. Nur die zugestandene 
Frist der Fortdauer des fieyen Verkehrs nach Aufkündigung der Freyheiten ist 
länger, als in den Freybriefen anderer Fürsten. 

Auch hat die Stadt Dortrecht im J. 1303 den Lübeckern nichts weiter als 
den allgemeinen Schutz und die Handclsfreyheit , gegen eine Aulkündigung von 
drey Monaten, zugestanden; andere Städte aber haben sich wohl, wie Hamburg, 
ähnlicher Freyheiten 'hier zu erfreuen gehabt 2). 

Kurz vor der Verlegung des Stapels von Brügge nach Dortrecht hat Lübeck 
im J. 1357, gewiss in dieser Voraussicht, von Herzog Wilhelm von Baiern, Gra- 
fen von Hennegau , Holland , Seeland und Herrn von Friesland die frühern Frey- 
heiten besonders r. d. J. 1298 sich bestätigen lassen, auch einige Aenderungen 
und Erweiterungen sich verschafft, die der bevorstehenden Verlegung des Stapels 
nach Dortrecht angemessen waren. Ohne diese altern zu wiederhohlen, waren 
die wesentlichsten neu hinzugekommenen oder die Veränderungen folgende: Die 
Schiffbruch Leidenden sind gehalten, den Bergelohn nach der Bestimmung des 
Amtmanns zu entrichten. Ihnen wird zu Wasser und Land, durch Holland, 
Seeland und Friesland die freye Fahrt oder Durchfahrt bey des Grafen Zollstätte 
gegen Erlegung der bestimmten Zölle, zugesichert, jedoch mit Ausnahme der 
Schiffe, die über den Rhein und die Waal herabkoramen. Die Zollsätze beziehen 
sich auf viel mehrere Waaren im Einzelnen als die früheren und mögen einige 
Erleichterungen gewährt haben; aber sie sind, wie die meisten andern, hierund in 
andern Ländern erworbenen, nicht mit Sicherheit zu gebrauchen, um über Ein-, 
Aus - und Durchfuhr nähere Aufschlüsse zu geben , da diese offenbar durchein- 
ander geworfen sind. Lübische Güter ^ auf nicht lübischen Schiffen geladen, kön- 
nen durch Erlegung ihres Zolls von acht Schillingen (solidis) das Schiff von 
anderem (höheren) Zoll befreyen, mit Ausschluss jeglichen Betrugs. Der Schiffer 
soll auf Begehren der Zöllner eidlich aussagen , ob er lübische Güter führe oder 

1) UV. 1298, 2. 1327, 5. 

2) ÜB. CXII. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. Ö. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 267 

niclit. Ist einmahl bey einer ZoIIsiatte die Abgabe entrichtet, so ist man bey 
den andern Zollstatten des Landes frey ; eben so , wenn sie ihre eingeführten 
Güter, ohne sie vertauscht za haben, wieder ausführen, sollen sie keinen andern 
als den bey der Einfuhr erlegten Zoll entrichten. Die von ihnen eingeführten 
Güter, welche sie im Lande nicht verkauft haben, entrichten keinen andern 
als den in Flandern üblichen Zoll; fuhren sie dieselben ausser Landes, 
so entrichten sie oben benannte Abgabe (bey der Einfuhr allein). Haben sie 
Güter gekauft, verkauft oder vertauscht, so sollen sie deshalb keine besondere 
Abgabe {cambiwn) entrichten. Weder der Landesherr noch irgend Jemand im 
Lande hat die Befugniss, zufolge eines vom Käufer festgesetzten Preises, ihnen 
Güter abzunehmen, sondern allein zu einem von ihnen frey eingewilligten. Sie, 
wie alle andere Kaufleute, sollen des Landes Feinden keine Hülfe, keine Unter- 
stützung gewähren ; thäten sie es dennoch , so wird ihnen keine Gewähr wegen 
des daraus für sie entstehenden Schadens geleistet, ein Jahr nach dem Tage 
der offenen Briefe des Herrn, welche die Anzeige der Fehde enthalten. Sie 
haben sich übrigens dieser Freyheiten zu bedienen, bis sie ihnen aufgekündigt 
werden, und selbst noch während der beiden der Aufkündigung folgenden 
Jahre i). 

Diese letzte Frist ist noch länger, als die in allen andern Freybriefen 
vorkommende. 

Die Freyheiten, welche Graf "Wilhelm von Hennegau, Holland, Seeland und 
Herr von Friesland im J. 1341 den gemeinen Kaufleuten von Preussen und West- 
phalen bewilligte, enthalten nur das allgemeine sichere Geleit, und dass sie zu 
demjenigen Zoll verbünden seyen, wie sein offener Brief aussagt Diesen besitzen 
wir in einer Ausfertigung , welche ihnen im vorhergehenden Jahre ertheilt war, 
und welche denselben auch des Grafen Schwester Margaretha im J. 1346 bestätigt 
hat 2). Und nur erst dann, als im J. 1358 die Deutschen ihren Stapel von Brügge 
nach Dortrecht verlegten, sind sie dort und im Lande, wahrscheinlich aber 
nur vorübergehend, der grösseren bereits erwähnten Freyheiten mit einem sehr er- 
niedrigten Zolltarife zu Errichtung ihres Stapels daselbst mit dem übrigen Verein 
theilhaflig geworden 3). 



Mite 



1) ÜB. CLXXXII. 

2) UV. 1340 t 3* ÜB. CXLVIIL CLXf. 

3) ÜB. CLXXXV. 

LI 2 



268 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Was aber die besondern untergeordneten Niederlagen und Handelsgesell- 
schaften in den Niederlanden betrifft, welche sie gleichmässig hier wie in andern 
Ländern gehabt haben, so kommt ausser dem was bereits i) aus dem hamburgiscben 
und lubischen Seerechte erwähnt worden ist, noch folgendes Tor. In dem Jahre 
1358 j als der gemeine Kaufmann zu Dortrecht lag, und Manegolt Sosendorp da- 
selbst zum Olderman des lubischen Drittels war gewählt worden, war dieser aus 
Freundschalt gegen die in Amsterdam liegende Gesellschaft bey den 
übrigen Alterleuten bemüht, dass sie ihn bevollmächtigten nach Amsterdam zu 
gehen, und daselbst zwey Oldermänner zu ernennen, zum Schulz und Nutzen 
des Kaufmanns, und zufolge der Ordnung des Kaufmanns von Deutschland zu Brügge. 
Die ersten Alterleute zu Amsterdam waren Gerbert Ghulsowe und Jan Pape* 
Von dort scheint aber wieder eine andere Gesellschaft für Stavern ausgegangen 
zu seyn. Als nähmlich im J. 1365 Bodo von Scezel und Jan Vornyden zu Alter- 
Icuten in Amsterdam gewählt waren, kam Heyne Bekerholt , der Olderman zu 
Stavern war, in Begleitung Gottfried Hoyers und bat um eine Abschrift der 
Bücher ihre Privilegien, Rechte, Ordnungen und Gewohnheiten enthaltend, da 
ihre Herren von Hamburg wünschten, dass sie in Stavern, gleich wie in Amster- 
dam ihre Hanse haben sollten; welchem die Alterleute daselbst mit Rath ihrer 
^itgenossen zum Besten der Alterleute und ihrer Gesellschaft zu Amsterdam 
willfahrten. So wie diese Gesellschaften nun von und für die Hamburger gestif- 
tet waren, so mögen noch andere ausser diesen für sie und für anderer deutscher 
Städte Kaufleulc bestanden haben 2). 

Auf gleiche Weise sind auch noch von andern Landesherren in den Nieder- 
landen von den Deutschen Freyheiten erworben worden. Der Graf Guido von 
Hennegau, Bischof von Utrecht, hat im J. 1301 die Lübecker eingeladen, sein Bis- 
thum wieder zu besuchen, welches die Kaufleute des mannigfaltigen Verlustes 
wegen, während des Kriegs und der Unruhen gemieden hatten. Er erklärt ihnen 



i) S. oben S. 1(K 

2} ÜB. CLXXXVII« tiud CCXX. Jene bamburgisclieii Hansea eu Stavern und zu Amiterdam bestanden 
irorzUglich aus Brauern. Äua der Ordnung der erMgenannten vom J. ißSO ersieht man» dass aucti ihre 
zu Wolderkum und ßodeltwert verweilenden Milbürger zu dieser Hanse und ihrem Rechte gehorten. 
Die hamburgische Hanse zu Sluys, deren Statuten im J. 1402 ^on dem lUthe zu Hamburg genehmigt' 
sind und deren Hansehans 1447 erwähnt wird, ist ohne Zweifel dieselbe» welche schon im J. 1270 in 
dem nahe belegenen Oslkerken ihre Niederlage hatte (s. oben S. lOO* Auch findet sich eine hamhurgiscb« 
Gesellschaft mit Aelterlcuten zu Dockum in diesem Jahrhundert ; eine andere etwas später zu Oeventer. L* 



SECHSTER ABSCHN. HAND. P, NIEDERD. M. D- NIEDERL. U. FRANKR. 269 

seinen festen Willen, die Ordnung wieder herzustellen, was ihm nach seiner 
Versicherung theil weise auch bereits gelungen sey, er dehnt die Einladung zugleich 
auf alle und jede Kaufleute aus, und verspricht ihnen sämmtlich sicheres 
Geleit von der Stadt Müden an bis Utrecht i). 

In diesen deutschen Theilen der Niederlande waren ohnehin mehrere Städte 
in einer engern oder weitern Verbindung, mit den östlich wohnenden Deutschen, 
besonders den Seestädten, die auch die Tagsatzungen derselben theilweise mit be- 
suchten, und an den Freyheiten die sie in andern Ländern hatten^ oder den 
Fehden, die sie gegen andere Länder führten, Theil nahmen. 

Aber auch an Streitigkeiten hat es nicht gefehlt. Eine ernstliche Fehde fand 
ums Jahr 1280 zwischen Hamburg, Rendsburg, (welches in spätem hanseatischen 
Verhältnissen, vermuthlich wegen seiner Beziehungen zu den Landesherren nicht 
vorkommt, doch gleich wie Kiel gelegentlich von Hamburg oder Lübeck vertre- 
ten seyn mag), Stendal und vielleicht noch anderen kleinen Eibstädten einerseits 
und der Stadt Harderwyk , welche vermuthlich mit Zütphen verbündet war, 
statt. In dem Friedensvertrage wurde die gegenseitige Rückgabe der Gefangenen 
bedungen und für die Schiffsherren die Verpflichtung festgesetzt, ihre sich etwa 
vergehenden Landsleute nicht der Klage der Verletzten zu entziehen; Hamburg 
wurde ausserdem von Harderwyk ein Schadensersatz von 255 Mrk. Sterling 
zugesichert und der alte Vertrag zwischen beiden Städten bestätigt i). 

Auch Stavern war schon, bevor die Gesellschaft der Hamburger sich da- 
selbst bildete, in einen Streit mit Lübeck und Hamburg um das Jahr 1330 ver- 
wickelt, der in eine Fehde ausartete, welche erst nach vielen Unterhandlungen in d^ 
J. 1335 beygelegt ward. Aus einer Reihe von Urkunden erhellet, dass Stavern 
manchen Verlust vorgeblich von Lübeck erlitten hatte, und dass sie das Wieder- 
Tergeltungsrecht gegen die Lübecker und Hamburger übte, von welchen letzteren sie 
annahm, dass sie mit den Lübeckern einverstanden wären« Durch den Spruch des Gra- 
fen Wilhelm von Holland und seiner Beauftragten, zuletzt durch die gewählten 
Schiedsrichter, drey flandrische und drey holländische Städte, ward die Sache bey- 
gelegt und Lübeck wie Hamburg reinigten sich durch einen Eid, dass die Be- 
raubungen der Staverer nicht von ihnen ausgegangen und dass Hamburg nicht 
gemeine Sache deshalb mit Lübeck gemacht habe 3). 



1) ÜB. CVIII. 

2) UV. 1280) 2 und NacTitrag sa dietem JaTir«« 

3) ÜB. CXXXIV, CXXXV, CXXXVI, CXXXVII, CXXXIX , CXL. 



270 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Aus diesen Nachrichten ist deutlich, "wie mannigfaltig der niederdeutschen 
Kaufleute Verbindungen mit den verschiedenen Theilen der Niederlande waren. 
Nirgends fanden sie einen Markt der Art zum Absätze ihrer eigenen und in 
fremden Ländern gekauften und hier eingeführten Güter, nirgends einen Markt 
von gleichem Umfange zum Ankaufe der von ihnen nach Deutschland und weiter 
nach den nordischen Reichen zu verfuhrenden im Lande verfertigten, kostbaren 
Tücher und anderer Waaren , welche von den westlich belegenen Völkern hierher 
gebracht wurden. War dieser Markt für sie unschätzbar , so war es nicht 
weniger der Vortheil der Niederländer, dass die Deutschen zum Handel hier 
erschienen , und aus dieser Ursache erlangten sie denn nach und nach auch 
grössere Freyheiten zum Schutze, und zur Freyheit ihres Verkehrs daselbst, doch 
nicht solche ausschliessliche Vorrechte, wie sie in einigen Theiien des Nordens 
erhalten hatten, welche keinem der fremden Völker in den Niederlanden zuge- 
standen wurden. Die Landesherren, die an Zöllen dabey gewannen, so wie die 
Städte und das Land , die mannigfaltigen Verdienst für ihre Mitbürger dabey 
fanden und des Absatzes ihrer Tücher gewiss waren, blieben gleichmässig dieser 
freyen Mitbewerbung aller Völker auf ihren Märkten ergeben, ohne die Einen 
vor den Andern so zu begünstigen, dass diese oder jene daselbst wären ver- 
drängt worden. Offenbar haben die Deutschen später als andere Völker sich 
einige Freyheiten erworben, wie z. B. Begünstigungen in Bezug auf eine eigene 
Wage. Mittel der Art grössere sich zu erzwingen, wie sie von den Deutschen 
im Norden angewandt wurden, fanden hier nicht Statt Durch ein geheimes 
Spiel, durch Unterstützung auswärtiger oder einheimischer Widersacher, durch 
Feuer und Schwert, durch Geldvorschüsse an die Landesherren, war hier Nichts 
auszurichten; Alles, was an Mitteln ihnen blieb, um grössere Handelsfreyheiten 
zu erhalten, bestand etwa in der Drohung, den Ort Brügge, zu verlassen und 
ihn nicht weiter zu besuchen, aber wechselseitiges Bedürfniss verhinderte, dass 
dless auf längere Zeit statt fand. Auch war nie die Rede von einem Verlassen 
der Niederlande überhaupt , sondern nur von dem Verlegen der Niederlage von 
einem Orte nach einem andern, oder von einer Landesherrschaft in eine andere. 

Von keinem Lande haben wir so viele Zollrollen, von keinem so viele in 
denselben angegebene Waaren; gleichwohl ist ihre Beschaffenheit von der Art, 
dass wir fast weniger als in andern Ländern daraus mit Sicherheit abnehmen 
können, welche von den vielen genannten Gütern eigentlich deutschen Ursprungs 
waren und von den Deutschen aus ihrem Vaterlande, oder von fremden Ländern ein* 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. ü, FRANKR. 27t 

geführt worden, oder welche sie von da ausführten^ und von welchen Völkern 
sie jene daselbst eingekauft hatten. 

Selbst wqyi es in ihren erhaltenen Freybriefen heisst, sie sollen ihren 
Stapel zu Brügge halten mit Wolle, Wachs, Pelzwerk, Kupfer, Korn und allem 
anderen Gut, und wenn man daraus mit Gewissheit abnehmen kann, dass diese 
Waaren gewiss unter allen von ihnen eingeführten dann wohl den wichtigsten 
Theil ihres Absatzes ausmachten , so würde diess nur bestätigen , dass der 
Zwischenhandel ihr bedeutendster Handel war; denn mit Ausnahme des Getraides, 
ist das Wachs aus Russland und den benachbarten Landschaften, das Pelzwerk 
eben daher und aus Norwegen, das Kupfer wahrscheinlich aus Schweden, die 
Wolle, wenn auch einige deutsche dabey war, gewiss vorzüglich aus England 
von ihnen gebracht worden. Indess haben sie doch auch andere ihrer deutschen 
Guter hier eingeführt , sowohl Erzeugnisse des Bodens , als ihres städtischen 
Kunstfleisses. Es kommen dergleichen in den Zollrollen vor, wovon es mit 
ziemlicher Wahrscheinlichkeit vermuthet werden kann, wie Weine, Schifif- und 
Hausgeräthe, Metallwaaren u. a., so wie viele in der Fremde gekaufte oder er- 
worbene Güter, Fisch — , Fettwaaren, Holz u. f., wie denn die Deutschen die 
orientalischen Güter und die Südfrüchte hier von den dahin kommenden süd- 
lichen Völkern kauften. Leider verhindert die cigenthümliche Einrichtung dieser 
wenn auch noch so weitläuftigen Zollrollen eine sichere und genauere Angabe 
und eine volle Befriedigung der Wissbegierde. 



Ueber den Verkehr der Deutschen mit Frankreich in diesem Zeiträume 
haben wir weniger Nachrichten, da er in dieser Zeit von keiner Erheblichkeit 
gewesen ist. Aber Könige von Frankreich waren zugleich oberste Lehnsherren von 
Flandern, und in dieser Beziehung war ihr Wohlwollen nicht unwichtig, so wie 
auch wegen der Deutschen Handel mit England, mit welchemr die Könige von 
Frankreich in fast immerwährender Fehde waren, wodurch die sichere Fahrt 
auf dieses Land^ das ihnen für ihren Verkehr gleichwohl viel wichtiger war, als 
Frankreich, gefährdet wurde. Diesen aber wollten die Könige durchaus nicht 
begünstigen, nicht einmahl dulden, und diesen Hauptpunct haben die Deutschen 
auch nicht erhallen können. 

Schon das hamburgische und lübische älteste Seerecht kennen die Fahrt 
auf den Hafen Rochelle,, wahrscheinlich aber damahls unter englischer Hoheit; 



272 ZAVEYTE ABTHEIL. GESCH: DES HANDELS. 

auch die Fahrt auf Caljaiis, das anter derselben Hoheit stand, kommt vor i). Die 
Konige von England haben die Deutschen auf ihren Besitzungen in Frankreich 
mehr begünstigt, als die Könige des letztern thaten. - 

Wir haben wenige Begünstigungen und Freyheiten von Seiten der Könige 
von Frankreich für die Deutschen, und sie sind von geringerm Belange, beziehen 
sich auch zum Theil auf das französische Lehn , auf Flandern. Alle aus diesem 
Zeiträume auf uns gekommene und bekannte sind folgende wenige, sämmtlich 
von Philipp dem Schönen (1285 - 1314). 

Im J, 1293 entschied er den Streit zwischen den Kaufleulen von Lübeck 
und seinen Erhebern des Weggeldes zu Bapaume dahin , dass die Erstem , wenn 
sie die Märkte von Champagne mit ihren in Deutschland gekauften oder ange- 
schafften Gütern besuchten, diese Abgabe zu Bapaume nicht entrichten sollten, 
vielmehr frey alle Orte besuchen dürfen, wenn sie nur da, wo sie einkehrten, 
diese üblichen Wegegelder entrichten würden} fuhren sie aber Güter aus Flandern 
nach jenen Märkten, oder wohin es sonst sey, so haben sie das Weggeld bey 
Bapaume zu entrichten 2). 

, Derselbe König erthcilte im folgenden Jahre den Bürgern und Einwohnern 
von Lübeck, Gothland, Riga, Campen, Hamburg, Wisipar, Rostock , Stralsund 
und Eibingen und einigen andern das deutsche Meer befahrenden Kaufleuten, bey 
ihrer Fahrt auf Flandern oder von da zurück , es sey zu Wasser oder zu Land , in 
allen Theilen seines Reichs freyen Handel gegen Erlegung der üblichen Abgaben. 
Jedoch sollen sie nirgends nach Frankreich Wolle , Leder oder andere Waaren 
aus England , Schottland oder Irland oder aus Landestheilen , die der Herrschaft 
der Engländer unterworfen sind, einfuhren, noch selbst auf dem Meere verschifien, 
bey Verfall des Guts und anderen Strafen nach des Königs Gutdünken. Eben so, 
sollen sie keine Güter (aus Frankreich) nach England lühren und daselbst verkau- 
fen, bey gleicher Strafe. Auch behält sich der König vor, ihre Schiffe, die er zum 
Kriegfiihrcn bedürfe, ihnen abzumiethen oder abzukaufen, nach der Schätzung 
von vier unbescholtenen Männern, zur Hälfle aus ihrer, zur andern aus des Kö- 
nigs ünterthanen genommen 3). 

Derselbe König bewilligte im J. 1297 allen Kaufleuten, die aus dem deut- 
schen Reiche oder aus andern Gegenden kommen, Engländer jedoch ausgenom- 

1) Auch iu dem you dem Herzoge Johanu irou Sachsen der Stadt Lüneburg im J. 1278 ertheilten Privilegio 
wegen des Eatlioger ZoUef wird der YTeine Ton Röchelle gedacht. 

2) ÜB. LXXV. 

3) ÜB. LXXIX. 



SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 273 

men, ihre Waaren nach Brügge und den Zween zu bringen und von da weg- 
zuführen , daselbst zu verkehren , sicher und geschützt zu verweilen , unter 
Entrichtung der üblichen Abgaben. Er verspricht zugleich vierzig Tage zuvor 
ihnen anzuzeigen, wann er diese Freyheiten zurücknehmen, ihre Güter oder 
Personen festhalten lassen wolle, um während dieser Frist mit ihren Gütern 
frey abziehen zu können. Im folgenden Jahre 1298 ertheilte König Philipp den 
Lübeckern einen Schutz - und Freybrief , durch welchen er ihnen dieselbe 
Sicherheit wie seinen Unlerthanen- und Gleichstellung in den Abgaben mit den- 
selben verlieh. Keiner derselben oder ihrer Angehörigen soll für eine fremde 
Schuld verhaftet oder seine Waaren mit Beschlag belegt werden, mit Vorbehalt 
der Rechte der Champagner Messen. Auch sollen unter demselben Vorbehalte 
und ausser wenn die Strafe an Hals und Hand geht, keine Lübecker, welche 
Bürgen stellen können, verhaftet und behindert werden. Im Falle eines Krieges 
des französischen Königs oder auch der Lübecker selbst mit dem Könige von 
Alemannien mögen sie ihren Handel ungestört fortsetzen. Von etwaigen neuen 
Auflagen sind sie auf immer befreit und eine allgemeine Beschlagnahme auf die 
Güter aller Kaufleute in seinem Reiche will der König, welchen letztern Punct 
er jedoch nur für sich und bis auf ferneres Gutdünken verheisst, den Kaufleuten 
von Lübeck sechs Monate vorher anzeigen lassen, damit sie mit ihrer Habe sein 
Reich sicher verlassen und sich nach anderen Qegenden begeben können i). 
Epdlich ertheilte eben dieser König den Cölnem im J. 1302 die Befugniss in 
seinem Reiche erlaubten Handel zu betreiben, unter der Bedingung keine Güter, 
bey Strafe des Verlustes derselben , seinen Feinden zuzuführen 2). 

Diess sind alle Freyheiten, welche in diesem Zeiträume von Seiten der fran- 
zösischen Könige den Deutschen zugestanden worden, oder die auf uns gekommen 
sind. Sie sind, verglichen mit denjenigen, die von andern Fürsten erworben wur- 
den, unbedeutend zu nennen 3). 

Von der Lebhaftigkeit des Verkehrs mit dem eigentlichen Frankreich wissen 
wir eben so wenig. Eine der wenigen Spuren des unmittelbaren Verkehres der 
deutschen Handelsleute mit dem südlichen Frankreich, findet sich in den Acten 
eines Processes des Rathes mit dem Domkapitel zu Hamburg vor der päbstlichen 



1} S. Nachtrag zum J* 1298« 

2) ÜB. LXXXVIK 

3) ÜB. CXI. 

Mm 



274 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Curie zu Avignon , wo unter den übrigen Zeugen 1341 April 20 ein Laie Hein- 
rich, genannt Warin, aus Lübeck, vernommen ward, welcher von Montpellier 
kam mit seinen Waaren, welche er nach Hamburg und Lübeck bringen wollte, 
Wein und Salz, auch wohl Lampreden scheinen von ihnen daher gebohlt worden 
zu seyn, wie gelegentlich vorkommt; diess sind die einzigen Waaren, die erwähnt 
werden. Der Verkehr mit Frankreich, in so fern es nicht unter englischer Herr- 
schaft stand, scheint in diesem Zeiträume unbedeutend geblieben zu seyn; die 
fortdauernden Fehden zwischen Frankreich und England, die sogenannten See- 
räubereien 1) , die daraus auch für andere Völker entstanden , die grössere Zunei- 
gung der norddeutschen Städte und Kaufleute zu England^ mit welchem ein leb- 
hafter und begünstigter Verkehr bestand, die Nachbarschaft des grossen europäi- 
schen Marktes zu Brügge und die geringen Fortschritte, welche Frankreich im 
sorgfaltigen Apbau seines Bodens und seines Kunstfleisses gemacht hatte, mögen 
diese Erscheinung erklären. 

Dass übrigens dieser mit Frankreich angeknüpAe Handel unter der Leitung 
oder dem Schutze der Niederlage zu Brügge stand, ist besonders zufolge späterer 
Nachrichten gewiss, so wie der noch mehr westlich und südlich geführte mit 
Spanien; doch haben wir von diesem nur Nachrichten aus einer spätem Zeit, 
wiewohl er wahrscheinlich auch in dieser schon stattgefunden haben mag, vielleicht 
besonders des Salzes wegen, obschon eine unmittelbare Fahrt dahin, wegen 
der Handelsniederlage der Spanier in Brügge, weniger dringend seyn mochte. 



SIEBENTER ABSCHNITT. 

Geschichte des Verkehres der norddeutschen Kaufleute und Städte mit England und 

Schottland« 



jjass zwischen den Sachsen diesseits und jenseits des Meers In England 
von den ältesten Zeiten an sich ein Verkehr erhalten habe, ist eben so wahr- 

1) Einen Fall dieser Art erzahlt Corner unter Berufung auf die Cronica Francorum (bey Eccard Corp. 
hi$t, med. aevi. T. II. coL 1047) wo französische Freybeuter im J. 1335 drei preussische Schiffe mit Tuch 
und Specereyen befrachtet aus dem Hafen iron 'tZwin raubten und nach der Seine führten. König 
Philipp Vf., an welchen die Lübecker und andere Hanseaten desfalis eine Botschaft abordneten, gab ihnen 
jedoch die Beute so wie die Gefangenen zurück. 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 275 

scheinlich, als es von glaubwürdigen Schriftstellern, wie oben bemerkt worden, 
versichert wird. Allein die ältesten auf uns gekommenen Urkunden, die von der 
Begründung eines gesicherten und begünstigten Verkehrs norddeutscher Kaufleute 

m 

in England reden , reichen nicht über die Mitte des zwölften Jahrhunderts hinaus, 
nicht über die Regierung Heinrichs II. (1154-1189). ^^^ König verstattetc den 
Cölnern , dass sie auf dem Markte (zu London) , wo der Wein von französischem 
Gewächs verkauft wird, auch den ihrigen zu drey Pfenningen für ein bestimmtes 
Maass sollten frey unter seinem Schutz verkaufen können i). In einer andern 
Urkunde sagt er ihnen durch sein ganzes Reich Schutz zu , und befiehlt allen 
seinen Richtern, Vicegrafen, Dienern und Getreuen, Franzosen wie Engländern, die 
Bürger, Kaufleute und Insassen von Cöln in allen ihren Gütern und Besitzungen, 
wohin sie in seine Lande kommen, gleich als wären es seine eigenen Güter zu be- 
schirmen; denn sie sind, sagt er, homines et fideles mei ^), Er wiederhohlt das- 
selbe in einer dritten Urkunde und befiehlt seinen englischen Beamten, indem er 
den Cölnern schon ertheillen Schutz für ihre Besitzungen erläutern zu wollen scheint, 
dass weder in Bezug auf das Haus der Cölner in London, noch in Bezug auf 
ihre eigenen Sachen und Waaren und einige andere die sie angehen 3) , irgend 
ein Leid ihnen zugefügt werden solle, wenn sie ihre rechten Zölle bezahlen, 
und dass ihnen keine neue Zölle auferlegt werden dürfen. 

Es ist deutlich, dass die Cölner also damahls schon Besitzungen im Lande, 
dass sie ein Haus zu London inne hatten, und wahrscheinlich ist aus dem etwas 
dunkeln Ausdrucke auch abzunehmen, dass andere deutsche Güter zugleich eines 
gleichen Schutzes sich zu erfreuen haben sollen. Derselbe König erklärt in einem 
Schreiben an die Lübecker im J. 1176, dass, wie er vernommen, ihrer Stadt 
Kaufleute und die anderen Kaufleute der deutschen Städte (cwitates Alemannie) sein 
Reich besuchen wollten, wenn sie friedlich und freundlich {cwiliier) zugelassen 
würden, weshalb er Ihnen, den Lübeckern und den Kaufleuten anderer Städte 
Deutschlands, seine Gnade und Gunst, so wie den Genuss aller ihrer Gewohn* 
heiten und Freyheiten zusichert, welcher sie zu Zeiten seiner Vorfahren sich 



1) ÜB. l. 

2) ÜB. IL 

3) ÜB. III. quod neque de domo sua London , neque de rebus neque de mercaturia suis auf aliquihus aliis ad 
eos spectantibus injuriam aliquam vel contumeliam eis facialis ; nach diesem dunkeln Ausdruck erstreckt 
«ich der Schutz doch wohl auch auf einige andere Güter , die ihnen nicht eigenlhiunlich , wohl aber ihren 
LaudsleuteU) anderen Deutschen, zugehörten* 

Mm 2 



276 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

zu erfreuen gehabt , er befreyt sie vom Strandrechle an seinen Küsten , also dass 
die Guter eines gescheiterten und angetriebenen Schiffes, wenn sich nur ein leben- 
der Mensch noch darauf befindet , den Eigenthümem verbleiben und sie nicht aus 
dem Grunde des sogenannten TFreccum verfallen seyn sollen. Also auch mehrere 
deutsche Städte haben zu Heinrichs H. Zeit, ja unter dessen Vorfahren Rechte 
und Gewohnheiten zu ihrem Vorthelle in England inne gehabt und besessen i). 

König Richard (1189-1191) erklärt, die Cölner und ihre Güter von den 
zwey Schillingen befreyt zu haben, welche sie von ihrer Gildehalle zu London zu 
entrichten hatten , so wie von allen andern Zöllen und Abgaben {consuetudinihm 
et demandis)^ die ihm von ihnen in London und in England zu entrichten 
waren. Er gesteht ihnen die Freyheit zu , nach seinem Lande zu kommen , darin 
zu reisen, alle Märkte zu besuchen, und daselbst, sowohl zu London als an an- 
dern Orten zu kaufen und zu verkaufen 2). Denselben Schutz hat König Johann 
ohne Land im J. 1203 ihnen zugestanden, da sie seinem Neffen, dem Könige Otto, 
so treue Hülfe geleistet; er verstattet ihnen für ihre Güter die freye Ein,- Aus- und 
Durchfuhr in seinem Reiche, vorbehaltlich jedoch der ihm zu entrichtenden Abga- 
ben oder Zölle, die sie und ihre Vorfahren seinen Vorfahren bisher entrichtet hät- 
ten 3). Er wiederholte zu ihren Gunsten im J. 1210 wörtlich die von König 
Richard erlheilte Befreyung von den zwey Schillingen von ihrer Gildehalle so wie 
von allen Abgaben, jedoch mit der Beschränkung, dass die Freyheiten der Stadt 
London ungekränkt blieben. Die Cölner haben im J. 1220 vielleicht wegen 
Wiederergreifung ihrer Gildehalle zu London 30 Mark entrichtet, vielleicht sich 
damit von der jährlichen Rente losgekauft 4). Gleichlautend haben ihnen mit der- 
selben Beschränkung, die in Richards Privilegium vorkommt, Heinrich IIL 1235 
und Edward L 1290 dasselbe bestätigt. Jener hat ferner den Cölner Kaufleuten 
den gleichen Schutz auf dem Markte Hoyland für ihre Waaren und Besitzthümer 
zugesichert, und Eduard IIL im J. 1338 ihnen eine allgemeine Bestätigung aller 
ihrer altem Freyheiten gegeben 5). 



1^ UV* 1176 Ueber daa Alter dieser Urktiude Tergl* jedoch die ZutStze des Heraasgebers. 
2) ÜB. VI. 
a) ÜV. 1203. 

4) CiV#« Coloniat reddunt compuium de XXX marcis , pro hahenda eaidna de GildhaUa sua in Londonia , in 
thesauro liberaperunt et quieii eunt, Thom» Madox, hietory of the exchequer L 414* fioU /. Magnme rotU" 
lue ann, regni 4 Henrici IIL 

5) ÜB. VIII. XIII. LXXIll. ÜV. 1235. 1338, 6- 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NDEDERD. MIT ENGLAND. 277 

Aber auch andere Deutsche erhielten von Heinrich III. ähnliche Freyhelten. 
So gewährte er den Leuten des Herzoges Otto von Braunschweig im J. 1230 
Schutz durch sein Land für ihre Waaren um damit zu handeln, gegen Erlegung 
der gerechten und schuldigen Abgaben, er verstaltet ihnen die Freyheit, im 
Lande zu bleiben, und es zu verlassen. Alles nach Beybringung eines herzog- 
lichen Zeugnisses, dass die Vorzeiger desselben seine Leute wären i). 

Eben dieser König versprach den Kaufleuten von Gothland und ihren Nach- 
kommen |(1237) wahrscheinlich den Deutschen daselbst sowohl als den Eingebor- 
nen), dass sie unter seinem Schutze mit ihren Gütern und Waaren nach England kom- 
men, und die daselbst gekauften Güter nach ihrer Heimatli {partes suas) fuhren 
können; dass sie durch ganz England von allem Zoll {consuetudine) ^ welchen die 
Kaufleute zu entrichten haben , bey der Ein - und Ausfuhr frey seyn sollen 2). 

Eben derselbe hat im J* 1257 auf sieben Jahre die Lübecker, auf Bitte 
seines Bruders, des erwählten römischen Königs Richard, rücksichtlich des Handels 
mit ihren Gütern, die sie nach England führen, in seinen Schutz genommen, 
und ihnen zugesagt, dass ihre Güter nicht gegen ihren Willen zu seinen Bedürf- 
nissen {od opus nostrum) weggenommen werden sollten , vielmehr ihnen der 
freye Verkehr im Lande zustehen und bey ihrem Ankommen und Verweilen sowie 
der Abreise kein Hinderniss in den Weg gelegt werden sollte. Dasselbe hat der König 
den dänischen Kaufleuten und denen von Braunschweig zugesichert 3) , so wie 
Aehnliches den Gröningern 4). Wahrscheinlich ist es den Lübeckern hier schwerer 
als an andern Orten geworden, früh dauernde Freyheiten zu erhalten. Es erhel- 
let aus dem den Lübeckern im J. 1226 von Kaiser Friedrich II. ertheilten Frey- 
briefe, dass sie über Cölns und Tieis und deren Genossen Vorzüge in England 
sich beschwerten, denn der Kaiser befreyt sie, wenn sie nach England fahren, von 
jener bösen Unsitte und der Handelsbedrückung {ab illo pravo abusu et aciionis onere\ 
welche die von Göln und Tiel und deren Genossen gegen sie aufgebracht haben 
sollen; diesen Missbrauch will er abgeschafft haben, sie sollen gleicher Rechte 
und Verhältnisse sich erfreuen, deren die Cölner, die von Tiel und deren Genos- 
sen theilhaftig sind. Deutlich ist , dass letztere die begünstigten in England waren, 
wenn wir gleich die einzelnen Freyheiten derselben, welche später in den gc- 



1) UV. 1230- 

2) UV. 1237. 

3) S. dagegen den Nachtrag snm UV« 12$7* 1% 

4) S« Nachtrag zum J. 1258* 



278 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

meinscbaftllchcn sich verloren , nicht näher bezeichnen können l). König Heinrich 
ni. hat endlich für sich' und seine Nachkommen im J. 1266 1 auf Bitte des Herzo- 
ges Albrecht von Braunschweig, dessen Kaufleuten von Hamburg die Befugniss 
zugestanden, ihre Hanse durch das ganze Reich unter sich {per se ipsos)^ g^g^n 
die ihm und seinen Nachkommen schuldigen und gewohnten Abgaben, zu haben 2); 
so wie er da5 Jahr darauf auf desselben Vorbitte dessen Kaufleuten von Lübeck 
einen umfassendem Freybrief erlheilte. Er verspricht, dass Niemand von ihnen an 
Person oder Gütern Schulden halber verhaftet werden solle, als allein der wirk- 
liche Schuldner und dessen Bürge, oder die, welche mit den Schuldnern in 
Gemeinschaft des Handels gestanden und einen Einfluss auf sie hatten und so 
viel im Vermögen besitzen, dass davon die Schulden ganz oder theilweise bezahlt 
werden können, oder endlich nur dann, wenn die Obrigkeit von Lübeck des 
Königs Unterthanen das Recht erweislich verweigert haben würde. Auch sollen 
ihre in den Händen ihrer Diener befindlichen Güter oder die sie irgendwo 
niedergelegt haben, wegen der von ihren Dienern begangenen Vergehungen Ihnen, 
den Herren, nicht verloren gehen, wenn sie anders beweisen, dass die Güter 
ihnen gehören. Es verspricht der König von ihren W^aaren keine mit Gewalt 
zum eigenen Bedürfniss wegzunehmen, ohne ihnen oder ihren Dienern desshalb , 
billige Entschädigung zu geben: mit Ausnahme der von Alters her dem Könige 
zusiehenden Rechte der Art. Auch sollen sie, in so fern es von ihm abhängt 
(wahrscheinlich war auch der Stadt London Einwilligung erforderlich), ihre 
Hanse haben gegen eine Abgabe an den König von liinf Schillingen, gleich wie 
die Bürger und Kaufleutc von Cöln die ihrige haben und vordem gehabt und 
die Abgabe entrichtet haben, doch so dass sie, die Lübecker, davon ihm und 
seinen Nachfolgern die üblichen und schuldigen Abgaben zahlen 3). 

Diesen Nachrichten zufolge scheinen die Cölner hier mit dem Beyspiele vor- 
ausgegangen zu seyn, von ihnen sind die ältesten uns bekannten Freyheiten er- 
worben worden; andere sind aus den deutschen Niederlanden, Westphalea und 
Sachsen gefolgt; welche deutschen Kaufleute ihre besondern Hansen oder Ge- 
sellschaften in England hatten, und nicht immer günstig von den Cölnern und 
den ihnen näher Verwandten angesehen wurden , bis denn allmählich sie mehr zu- 
sammenschmolzen und in Eine Gesellschaft sich vereinten. 



1) ÜV. 1226, 3. 

2) UV. 1266, 2. 

3) ÜV. 1267 > 1. 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 279 

Höclist wahrscheinlich ist dieser Gang, ohschon nicht urkundlich zu be- 
weisen. Auf jeden Fall haben wir schon , bevor noch die Hamburger und 
Lübecker die Befugniss erhielten, ihre besondern Hansen zu haben, von dem- 
selben Könige aus dem J. 1260 einen Freybrief (von Eduard I. 1280 und von 
andern Königen nachher bestätigt), worin er den deutschen Kaufleuten {^mercatori- 
bus Alemannie)^ auf Bitte seines Bruders, des römischen Königs Richard, welche 
das Haus in London inne haben, welches gemeinhin die Guildhalle der Deut- 
schen genannt wird i), ihnen allen und jedem einzelnen verspricht, sie in den 
Freyheiten und dem Herkommen zu schützen, deren sie zu seiner und seiner 
Vorfahren {progeniiores) Zeiten sich zu erfreuen gehabt haben 2). 

Hier zuerst kommen die Gildehalle der Deutschen und Freyheiten vor, 
welche sie schon zu seiner Vorfahren Zeit besassen. Ob diess Letzte sich zugleich 
auf die deutsche Gildehalle beziehe, oder nur das damit gemeint sey, dass sie 
Freyheiten unter seinen Vorfahren besessen haben, mag ungewiss bleiben. Auch 
in andern Ländern haben sich Einzelne, selbst bey Erwerbung gemeinschafÜicher 
Freyheiten, ihre besondern bestätigen lassen; allmählich aber verschwindet auch 
dieses hier, und die später folgenden Freyheiten werden gemeinschaftlich für und 
durch diejenigen, welche die Gildehalle in London inne haben, erworben. 

In einer andern Urkunde, die in dieselbe Zeit fallt (1260-66), erlässt ein 
Engländer Wilhelm, Sohn Wilhelm Reyners, dem Aldermann der nach England 
kommenden deutschen Kaufleute, Nahmens Arnulph, Sohn Thedmars, und diesen 
Kaufleuten selbst die ihm jährlich zu entrichtende Abgabe von zwey Schillingen 
von einem Stück Landes, welches östlich an ihre Gildehalle zu London im 
Kirchspiele aller Helligen stösst, welche sie durch die Gnade des Königs und 
seiner Vorfahren besitzen, gegen Erlegung zweyer Mark Schillinge 3). Die gemein- 
schaftliche Niederlage der deutschen Kaufleute war demnach schon zu Hein- 

1) Dieser Ausdruck, domus^ quae Gildhalla Teutonicorum vulgariler nuncupaiurt das Haus, welches in der 
Volkssprache die Giidhalle der Deutscheu genannt wird; hat sich fortWähieud in den späteren Urkunden 
erhalten» und nie fiudet sich neben Gildhalla statt Teutonici etwa jUemamti, Germanif mercatores imperii 
Romani^ so wie dagegen in England nie Yon einer hansa Teutonicorum t sonder*i stets der hansa ^lemannie 
gesprochen wird, wohl aber auch vou jus, pixisj commune promissum Teutonicorum. Es darf in dieser Benen- 
nung keine Hindeutung auf einen besondern Theil des daraahligen Deutschlands gesucht werden» wenn 
gleich die englische Sprache diesen Namen S^iäter auf die Holländer, Duich^ beschränkt hat, tand die 
deutsche Giidhalle den in die Hause Alemanniens nicht aufgenommenen Deutschen keineswegs offen 
stand« L. 

2) UV. J2C0» 3. 1280, 6. 

3) UR. XXVII. 



280 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

richs III. Zeit, ja unter seinen Vorfahren vorhanden, sie hatten ihren Vorstand, 
Aldermann, und die nachher so berühmte Niederlage stand in ihren Grundzügen 
bereits da i). 

Ob indess damahls schon alle norddeutsche Kaufleute, die nach England 
kamen oder daselbst sich aulhielten, dem allgemeinem Vereine sich bereits an- 
geschlossen hatten, mag ungewiss bleiben, wenigstens hat die Stadt Bremen, als 
einer ihrer Angehörigen mit der Obrigkeit der Stadt London um das J. 1262 
in einen Streit gerathen war, denselben allein durch Vorschreiben des Herzogs 
Albrecht von Braunschweig, und indem sie sich selbst unmittelbar und schrift- 
lich an den König Eduard im J. 1276 wandte, beyzulegen gesucht. Der Verein 
der deutschen Kaufleute auf ihrer Gildehalle daselbst hat die Stadt Bremen und 
ihre Angehörigen so wenig als damahls der Verein der deutschen Städte dieselben, 
wie späterhin gleichwohl immer geschah, vertreten, welches zu beweisen scheint, 
dass die Bremer entweder nicht zu diesen Vereinen gehörten, oder dass diese 
noch nicht die später erfolgte Ausbildung erhalten hatten 2). 



1) Es scheint nicht zu bezweifehi, dass die Kiteste Gildhalle der Deutschen zu London t auf demselben, ie- 
doch allmälich bald durch Ankäufe er>yeiterteu i bald durch Abtretungen beschräukten Platze gegründet 
vrtLTf auf welchem der hanseatische Stahlhof zu London, am nördlichen Ufer der Themse und der Süd- 
seite von Upper Thames Street zwischen Allhallowslane im "Westen und Cosiiulane im Osteu , unfern Dow- 
gelte, noch jetzt liegt« Zu der Augabe, dass sie im Kirchspiele alier Heiligen lag, kommt im J. 1408 
diejenige hinzu, dass jenes Kirchspiel das grössere dieses Namens sey und die GUdlialle im fFard of 
Douegate liege, worin auch die Strasse H^endgoselane (jetzt noch Windgoose AlUy im Stahlhofe)» schon im 
J*1383 nachzuweisen ist, und in welcher die Hansen Grundstücke erworben hatten, welche au den ITa^iiJvif 
pocatum EsterUngeshalU , auch aula, vocata le EsterlyngeshaUe , stiessen. Diese Gegend ist ein Theil der 
ältesten Stadt London ; so wie Dowgate eines der vier ältesten Thore , das südliche , war (s, Bntick hU^ 
tory of London. IV« 140) und durch die NShe des Marktes bey Billyngsgate y auf welche die oben S. 5. 
angeführten Gesetze König Ethelreds ausdrücklich hinweisen» dem Verkehr nicht minder als der Schiff- 
fahrt durch die dortigen Landungsplätze vortheilhaft. Es fehlt an einem urkundlichen Beweise dafür» dass 
das alte Haus der Cülner (1220) dasselbe sey, welches 1260 und später die Gildhalle der Deutschen oder 
Esterlingen genannt wird , doch möchte ich die Identität nicht bezweifeln , da sich ein besonderes Haus 
der CÖlner später nirgends erwähnt findet, V«Gernings undocumentirte Nachricht in seiner Hheinreise, 
dass die CÖluer ihr eigenes Haus in London bis zum Jahre 1768 besessen und erst damals verkauft haben, 
beruht um so wahrscheinlicher auf einem Irrthum, da auch die Rathsprotocolle der Stadt Cöln hierüber 
nichts erwähnen. Vielleicht wird dieser durch den Umstand erklärt, dass ein Haus mit einem Garten im 
Stahlhofe noch zu Ende des I7ten Jahrhunderts den Namen des rheinischen "Weinhauses führte, was 
zugleich auf den Handel und die Verhältnisse der Cölner hindeutet« L. 

2) UV. 1276, 1. 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 281 

Einer in diese Zeit fallenden Urkunde ist hier noch zu gedenken , welche 
uns zwar aufbehalten, doch leider verstümmelt und sehr undeutlich abgefasst ist. 
Ludwig Hutzenvkt schreibt nähmlich dem Rathe zu Hamburg, dass Heyfto von 
Stade und zwey andere seiner Bürger Hennekin Buch, ihren Oldermann, gleich- 
falls einen hamburgischen Bürger, in einer nicht näher bezeichneten Gegend 
Englands ausserhalb London, misshandelt hätten. Als der Oldermann selbst sich 
bereit erklärt habe, nach London zu reiten, wo das höchste Recht in England 
ist, sey auf den Wunsch seiner Gegner durch den Briefsteller und andere Deut- 
sche, (welche bekannte hamburgische Geschlechtsnahmen tragen,) ein Termin mit 
vorgängiger Einstellung aller fernem Schritte in diesem Streite festgesetzt worden, 
unter der Bedingung, dass des beleidigten Oldermanns Verwandte zu Hamburg 
in denselben willigten, bis zu deren in England angelangter Erklärung keine 
Partey etwas vornehmen sollte. Wenn dann auch diese auf alle Selbsthülfe und 
Rache verzichteten, so wollten die Parteyen auf Weihnacht 'zu Hamburg sich 
stellen und der Entscheidung des dortigen Rathes sich unterwerfen. Die Befol- 
gung dieses Vertrages wurde von jedem der Streitenden durch eine Bürgschafls- 
Stellung für 20 Lst. gesichert. Dennoch verklagten Heyno und seine Genossen 
den H. Buch innerhalb des Termines in England , wodurch dieselben , wie in 
dem Briefe gesagt wird, das Recht der Deutschen in England über alles Maass 
hinaus geschwächt haben l). Merkwürdig ist es , in dieser Verhandlung gar keine 
Erwähnung der Gildhalle der Deutschen zu London und des dortigen gemein- 
schafllichen Oldermanns zu finden, während über die Anbringung der Klage 
an den Englischen Gerichtshof als eine Verletzung der Rechte, nicht nur der 
Hamburger Hanse, sondern aller Deutschen in England geklagt wird. Der Brief 
scheint also einer Zeit anzugehören, wo die Hamburger sich an die Gildhalle 
der Deutschen noch nicht fest angeschlossen hatten. Vergebens suchen wir jedoch 
nach dem Orte, wo die hamburger Hanse sich aufgehalten, welche nicht als mit 
ihrem Oldermanne herumwandemd gedacht werden darf, wenn L. Hutzenvlet 
zu ihr gehörte, da dieser einen festen Wohnsitz besass, wo er einen Gast be- 
herbergte; wir ersehen jedoch nicht einniahl, ob dieser zu London wohnte. 

Ein anderes Document von dem J. 1282 gibt über den damahligen Zustand 
des Vereins der norddeutschen Kaufleute in England nähere Auskunft. Zwischen 
den Kaufleuten der deutschen Hanse {mercaiares de Hansa j^lmanniey welcher Aus- 



1) S. Nachtrag zu 1266» Bd. II. S. 722. 

Nn 



282 ZWEYTE ABTHEIL. GESCHL DES HANDELS- 

druck hier zum ersten Mahle vorkommt und sechs Mahle in der Urkunde wieder- 
liolt wird), die sich in der Stadt London aufhielten oder wohnten, und der Stadt-^ 
Obrigkeit von London wird ein entstandener Streit geschlichtet. Die Stadt be- 
hau|)tete , dass jene das Bischofsthor, welches den Einfall drohte, auf ihre 
Kosten in gutem Stande zu erhalten verbunden wären, unter welcher Ver- 
pflichtung sie von alter Zeit her im Besitz gewisser Freyheiten gewesen. Der 
König übertrug die Entscheidung des Streits der Exchequer, die zu Gunsten der 
Stadt London sprach, und sie berechtigte, die Kaufleute der deutschen Hanse 
dazu mit Gewalt zu zwingen : worauf diese und nahmentlich der vorbenannten 
Hanse Aldcrmann, Gerhart Mcrbode, ferner Ludolph Cufifeld, Bürger von Cöln, 
Lüder Dunevare, Job. von Erest und Gottschalk Hudendale, Bürger der Stadt 
Dortmund, Bertram von Hamburg, Bürger daselbst, und Johann von Dole, 
Bürger der Stadt Münster , damahls in London , für sich und alle -Kaufleute 
und Genossen [socii) der vorbemeldeten Hanse so viele ihrer und wann sie dahin 
kommen (^sociis qiiibuscumque et quandocumqiie conßuentibus) bewilligten und 
versprachen, sofort 240 Mark Sterl. der Stadt zu zahlen, das Thor stets in 
gutem Stande zu erhalten, und wenn es nöthig sey, ein Drittel der Bewachung 
desselben zu übernehmen, während die beiden andern Drittel der Stadt London 
zur Last blieben. Diesem Allen unterwarfen sie sich, sie willigten ein, durch 
den Major und die Bürger der Stadt zur Erfüllung dieser Verpflichtungen ver- 
mittelst Zwangs angehalten werden zu können, und erhielten dagegen ihre alten 
Handelsfreyheiten, mit Hinzufügung einiger neuen, bestätigt, auch das Recht, 
einen eigenen selbstgewählten Aldermann, wie vordem, zu haben, welcher jedoch 
das Bürgerrecht zu London gevi'onnen haben (zVa tarnen, quod Aldermannus sit 
de Ubertate chUaiis predicte)^ und dem Mayor und den Aldermännem der 
Stadt vorgestellt und von ihnen beeidigt werden sollte, auf ihren Höfen (i/i suis^ 
curiis) Recht zu sprechen, wie es sich vorbehaltlich der Rechte und Gewohn- 
heiten der Stadt London gebührt i). 

Der damahls schon mehr ausgebildete Verein und die Niederlage der nieder- 
deutschen Kaufleule zu London ergibt sich daraus deutlich genug, doch aus 
ihrer Mitte dürfen sie sich ihren Aldermann noch nicht wählen, er muss wenig- 
stens ein Bürger von London seyn. Die nahmentlich aufgeführten, zur deutschen 
Hanse in London gehörigen Kaufleute sind o£Fenbar nur die, welche Nahmens 



1) ÜB. XLVI. 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 283 

aller Uebrlgen die Versprechung geben, diejenigen, welche man nachmahls den 

Kaufmannsrath nannte, die Vorsieher, der Aldermann und die Aeltesten. Diese 

aber sind, mit Ausnahme zweyer von Cöln und eines aus Hamburg, sämmtlich 

aus Westphalen, welche Kaufleute aus den westphältschen Städten, denen auch 

wohl Cöln beyzuzählen ist, am frühesten und als die angesehensten in den 

meisten auswärtigen, selbst den östlichen Niederlagen in Gothland und Nowgorod 

erscheinen. 

Der Nähme Kaufleute der deutschen Hanse in London sich aufhaltend, 

kommt in dieser Urkunde zuerst unter allen bekannten vor, früher als in irgend 
einer andern von andern Völkern ausgestellten , ja früher als diese Benennung 
von den Städten selbst zur Bezeichnung der Verbindung ihrer Kaufleute gebraucht 
wurde. Es ist aber nicht darin von einer deutschen Hanse schlechtweg, oder 
von deutschen Hansestädten, sondern in dieser so wie in den spätem Urkunden, 
ist von den Kaufleuten der deutschen Hanse, die in London sich aufhalten, die 
da ihr Gildehaus haben, lediglich die Rede. Es ist wahrscheinlich, dass von 
hier aus, wo der Ausdruck Hanse zur Bezeichnung eines Vereins von Kaufleuten 
oder einer Kaufmannsgilde schon viel früher unter den Einwohnern üblich war i), 
der Nähme auf den Verein der deutschen Kaufleute übertragen ward , und dass 
von hier aus die Benennung in einer allgemeinern Bedeutung genommen, allmäh-^ 
lieh nach Deutschland übertragen ward, zur Bezeichnung der Verbindung der 
deutschen Kaufleute auch in andern Ländern, endlich des Vereins der nord- 
deutschen Städte. Die Könige von England bedienen sich der Benennung in 
ihren Freybriefen noch nicht, sie behalten den alten Nahmen bey ; deutsche 
Kaufleute, die ihre Gildehalle in London haben; aber sie kennen doch die neue 
Bezeichnung, die zuerst in den Urkunden der Stadt London vorkommt König 
Eduard H. bedient sich des Ausdrucks in einem Vorschreiben fiir einige beraubte 
Kaufleute der deutschen Hanse in England verweilend im J. 1315 
so wie auch im J. 1320 bey der angeführten Entscheidung zu ihren Gunsten im 
Canzley - Gericht 2). Auch ist es ausgemacht, dass diese Kaufleute der deut- 
schen Hanse in England allein fiir sich und ihre Nachfolger Verbindlichkeiten 
eingehen, ohne dass irgend einer Vollmacht der Städte, aus welchen sie dahin 
gekommen waren, gedacht würde; die Stadt London aber findet sich dadurch 
befriedigt, ohne wie in einer späteren Zeit immer geschah, eine Vollmacht oder 



*» 



1) In diesem Sinne ist das Wort schon vor dem Jahre 1200 in England bekannt a. oben S. 73* 

2) UV. 1315. 2) ÜB, CLX^ 

Nn 2 



284 ZWEYTE ABTHEIL- GESQH. DES HANDELS. 

Bestätigung des Städte - Bundes der grossen deutschen Hanse zu begehren , die 
gewiss damahls noch nicht so weit ausgebildet warj es wird lediglich mit diesen 
•Kaufleuten der deutschen Hanse zu London der Vertrag abgeschlossen, wie sie 
daselbst aus den einzelnen Vereinen oder Hansen einzelner norddeutschen Städte 
genieinschaftllch zusammen getreten waren. 

Wie vieler oder weniger norddeutschen Städte Kaufleute einzeln oder ge- 
meinschaftlich, als Genossen der Gildehalle der Deutschen zu London von den 
englischen Königen Freyheiten erhalten haben mochten, so ist dennoch gewiss, 
dass sie einzeln oder gemeinschaftlich die Inhaber der deutschen Gildehalle zu London 
waren und dass die Kaufleute der deutschen Hansa in England sich authaltend im 
Verlaufe, dieses dreyzehnten Jahrhunderts einen freyen oder geschützten Handel, 
einen freyen Ein- und Verkauf, eine freye Ab- und Zufuhr in England, bey 
Erlegung der üblichen Costumen, erworben hatten. Hiermit aber war bereits 
viel in jenen Zeiten gewonnen, bey der Gehässigkeit, womit Fremde in allen 
Ländern behandelt wurden, und besonders bey der Art, wie vorzüglich die 
englischen Städte die fremden Kaufleute ansahen und zu behandeln pflegten. 

Es wussten die Deutschen gar bald, als sie sich dort niederliessen , die Lage 
des Landes auszukundschaften, und es blieb ihnen gewiss nicht lange verborgen, 
dass die Könige, die Lords und die Bewohner des flachen Landes ihre Beschützer 
und Freunde waren, während die Städte und Flecken sie mit neidischen Augen 
ansahen, und damahls, so wie in allen folgenden Zeiten, was sie nur irgend 
vermochten , ihnen in den Weg legten. 

Es war nähmllch des Königs Vortheil von dem der englischen Städte und 
Kaufleute gänzlich getrennt, ja beide waren sich einander, eine lange Zeit hin- 
durch, geradezu entgegen. Die Könige von England gewannen bey der flelssigen 
Besuchung des Reichs durch die fremden Kaufleute gar sehr an den Zöllen, 
welche nächst den Domainen ihr Haupteinkommen ausmachten. Diese aber 
konnten nie von den Eingeborenen in dem Umfange erhalten werden, da sie 
einen so ausgedehnten Handel selbst zu betreiben damahls noch ,ganz unfähig 
waren, und da sie zugleich geringere Zollgebühren, als die Fremden, erlegten i). 

i) Es ist wahr, dasa die Hansen in den folgenden Jahrhiiuderteo , indem sie ihre alten Freyheiten sich er- 
hielten, weniger als andere Fremde, ja in einiger Hinsicht weniger als die Engländer selbst zahlten ; allein 
noch 1347 baten die Gemeinen den König und die Lords» dass der König den neuen Zoll hinweg neh- 
men möge , Termöge dessen die Engländer "von )edem englischen ausgeführten Tuche 14 Peuce , die Frem- 
den 21 Pence zahlten , Ton federn wor$t€de cloth Engländer 1 , und Fremde 1 if^ Penny u. s« w« Tergl. 
Anderson /. c. T,L p* 323« z* d. J. 1347. 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIE DERD. MIT ENGLAND. 285 

Wie gross aber die Geldbedürfnisse der Könige hier waren, das erhellet deutlich 
genug daraus, dass auch der König Eduard III. im J. 1344 einen Schein den 
deutschen Kaufleuten Thomas und Wilhelm Melchbourn über ien Wiederempfang 
der grossen Krone Englands ausstellt, die dem Schatzmeister des Königs zu 
übergeben ist Ohne Zweifel war die Krone als Pfand gegen Vorschuss versetzt 
gewesen, was auch in andern Ländern, z. B. in Dänmark stattfand i). Endlich 
aber begünstigten die Könige von England die Fremden auch desswegen, weil sie 
in Kriegszeiten, (und Krieg war fast immer), besonders in ihren Fehden mit 
Frankreich, mit Flandern und mit Schottland, eine Unterstützung an Schiffen und 
andern Bedürfnissen von diesen Fremdlingen erhalten konnten, welche sie früher 
ihnen hinweg nahmen, später einen Ersatz dafür gaben, doch ein gewisses 
Vorkaufsrecht sich vorbehielten, auch dem alten gewaltsamen Zugreifen nicht ganz 
entsagten^ wesshalb die Fremden hier wie in andern Ländern sich durch ihre er- 
worbenen Freyheiten dagegen zu schützen suchten. 

So ist eine Sage bey deutschen und englischen Schriftstellern, dass Heinrich 
III. von den deutschen seefahrenden Kaufleuten eine Unterstützung in seinen Feh- 
den mit Frankreich erhalten habe, und dass er, durch diese Hülfe bewogen, ihnen 
ihre Freyheiten bestätigt, und den ersten gemeinschaftlich lautenden Freybrief er- 
theilt habe 2). Auch haben spätere Könige gleiche, oder ähnliche Dienstleistungen 
empfangen, wie sie diess zum Theil selbst in den, den Hansen später ertheilten 
Freybriefen dankbarlichst anerkennen. So hatte gewiss, aus diesen oder ähnlichen 
Gründen, König Johann bereits allen fremden Kaufleuten verstattet, nach England 
mit ihren Waaren zu kommen, und ihnen Schutz und sicheres Geleit zugesagt 3^. 

Der Adel und die Bewohner des flachen Landes waren den Fremden gleich- 
falls geneigt, da sie ihre rohen Stoffe, als Wolle, Leder und Zinn, an diese zu 



1) ÜV. 1344. 

2) VergL z. B« Anderson^ t hUtory of Commerce ad a. 1239» und die «päteren Angaben der Hante, irer- 
möge deren sie hier, wie aUer anderen Orten, die ihnen sugettaudenen Freyheiten nicht alt Gnadenbriefe > 
sondern alt iura qnaeeita fttr geleistete Dienste betrachteten« Eduard L sagt in seiner charta mercatoria 
Ton 1303» dass er die Freyheiten den Fremden ertbeile, um sie sich au ferneren guten Diensten ge- 
neigt zu machen. Eduard III* gedenkt der "von den deutschen Kaufleuten in seineu Kriegen ihm erwiese- 
nen yrülfährigkeit und geleisteten Subsidien (s. UV. 1362. Febr. S*)* Doch findet sich in dem Ver- 
seichnisse seiner Flotte Tor Calais (Hakluyt /« c, T,L p. HS- 120^} kein eigentlich norddeuUches 
Schiff» es w&re denn, dass man eines "von Geldern dahin rechnen wollte. 

S) S. H a k 1 u y t /• c 7. i. p* 129- ^ general eafe conduct graunied to all foreign merchante hy Kmg John in 
the firet yeere of hU reign (1199)« 



286 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

faöhern Preisen, als an die englischen Stadtbewohner, absetzten, welche einen be- 
schränktem Markt hatten. 

Aus einem ganz andern Gesichlspuncte aber sahen die englischen Städte and 
Flecken diese fremden Kaufleute an. Jeder Fremde schien ihr Feind' und ihr 
gefahrlicher Nebenbuhler zu seyn, welchem sie gern das Land verleiden wollten. 
Die Sitte der Zeit unterstützte den Andere ausschliessendcn Zunftgeist dieser 
englischen Gemeinden. Dieser stiess immer und immer wieder auf diese Fremd- 
linge, welche, durch die Könige mehr und mehr begünstigt, jene rohen Stoffe 
ausführten, deren ausschliessliche Verarbeitung sie ansprachen, und eben dess- 
halb über das Erhöhen d,^c Preise, durch diese von Ausländern betriebene starke 
Ausfuhr, gewaltig klagten ;. uoder er stiess auf des Landes Kaufleutc, welche, in so 
fern diese Stoffe im Lande keine Anwendung finden konnten, sie selbst auszu-^ 
fuhren beabsichtigten. Es war damahls, so wie auch in den folgenden Zeiten, gar 
nicht jene freyere Ansicht in England, welche in den Niederlanden, besonders 
in Flandern und Brabant, in Hinsicht auf Fremde viel mehr vorherrschte. In 
England kannten die Gemeinden nicht die Vortheile eines freyern Verkehrs mit 
Fremden. In ihrem engherzigen Geiste, da ihr städtisches Gewerbe noch so un- 
vollkommen war, wollten sie bald allein nur den Kleinhandel fuhren; bald sollte 
kein Fremder mit einem andern Fremden handeln dürfen, sondern zu diesem Ge- 
schäfte sich der Zwischenhand eines Eingeborenen allein bedienen , der dann nach 
Belieben die Preise machen konnte; bald sollten die Fremden nur von den Bür- 
gern der Städte und Flecken , nicht aber auf dem platten Lande , Wolle und Felle 
einkaufen; bald sollten sie ihre Schiffe nicht verlassen dürfen, und nur auf Mes* 
sen und Märkten einige grössere Freyheiten besitzen; bald sollten sie in den eng* 
lischen Flecken oder Städten sich nur auf eine kurze Zeit, etwa höchstens vierzig 
Tage lang, aufhalten dürfen, und sonst noch manchen andern Einschränkungen 
unterworfen seyn i). Wirklich waren diese Gesinnungen mit geringer Ausnahme 
durch ganz Europa vorherrschend. Auch klagten die englischen Kaufleute in der 
frühem Zeit mit Recht, dass ihre Könige die Fremden, zum Theil auf ihre 
Kosten begünstigten, da den Engländern, noch im vierzehnten Jahrhunderte, die 
Ausfuhr der vorzüglichsten englischen Güter oft untersagt , und den Fremden allein 
erlaubt wurde. 



1) S. z. B« die Charter , welche der Graf Morton den Bürgern Ton BrUtol in Bezug auf fremde Kaufleute 
im J. 1190 ertheilte, bey Anderion I« 160> s*d.J.ll65 u. Barrett^s fustory of Bristol S. 664* Meh- 
rere hier im zweiten Baude abgedruckte Urkunden liefern Belege. 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 287 

Somit konnte es dann nicht fehlen, dass die Fremden, und die Deutschen 
besonders, häufig und ofl über die englischen Städte und Flecken zu klagen hat- 
ten; diese aber hatten viele Mittel um die verstatteten Freyheiten der Könige kraftlos 
zu machen. Sie legten eigenmächtig den Ausländern neue städtische Abgaben 
auf, obschon ausdrucklich die Könige einen freyen Verkehr verstattet haben woll- 
ten, wenn die Fremden einmahl die üblichen Costuraen ihnen bezahlt hätten; 
bald wollte man sie in der Stadt oder in den Flecken nicht dulden; mit einem 
Worte, die Streitigkeiten zwischen beiden Theilen hörten nie, von Anfange an 
bis zu Ende des hanseatischen Handels, in England ganz auf. Die Könige waren 
an Macht damahls zu schwach, um ihren Befehlen die Ausführung stets zu ver- 
schaffen; die Engländer in Städten und Flecken, die Zollbediente, Bürger und 
Kaufleute, waren nimmer müde, die Fremden zu plagen und sie zu misshandeln. 
Nur der König und sein geheimer Rath hielten es gewöhnlich mit den Fremden, 
oft aber mussten die Könige 'dem Schreyen der englischen Gemeinden nachgeben, 
oft manche Gewaltthätigkeilen übersehen, und oft wurden sie überredet, dass 
diese Fremdlinge zu ihrem, der Könige, eigenen Nachtheile zu Werke gingen i), und 
zuweilen verdienten die Fremden besonders in der Folge diesen Vorwurf wirklich, 
da sie auf ausschliessende Vorrechte bestanden und die Könige selbst bey den 
Zollabgaben hintergingen. 

Dennoch war der Umfang des eigenen Handels der Engländer mit dem 
Auslande und ihre eigene Schifffahrt in diesem Zeiträume noch sehr beschränkt. 
Sie konnten , wenn das Reich rascher gedeihen sollte , die Vermittlung der 
Fremden nicht wohl entbehren, besonders nicht die der Niederländer, der Lom- 
barden und Deutschen, welche vermöge ihres Capitals, des grössern Umfangs 
ihres Handels, des Besuchens verschiedenartiger Marktplätze verschiedener Völker, 
den Engländern überlegen waren. 

Zwar fuhren die Lelztern im dreyzehnten Jahrhunderte fleissig nach Frank- 
reich, allein dieser ihr Handel mit ihren nächsten Nachbarn des festen Landes 
ward sehr oft durch die nie ganz aufhörenden Fehden zwischen beiden Ländern 
unterbrochen. Sie fuhren gleichfalls nach den Niederlanden, vorzüglich nach 
Flandern, nach Norwegen seit den ältesten Zeiten, doch selten nach den deut- 



1) Beweise zu dem Alleu sind noch häußg geuug in der Folge Torgekomiiieii , als seihst ein freierer Geist 
iu der Haudelswelt sich zu verbreiten aufiiig ; die Streitigkeiten der Hause vornehmlich mit der Stadt 
London sind zuweilen beruhigt worden, haben aber nie ganz aufgehüit. 



288 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

sehen Häfen der Nordsee. Allein mit eigenen Schiffen kamen sie noch nicht oder 
gewiss nur höchst selten nach dem mittelländischen Meere, und wenn gleich 
die Kreuzzüge zu der Fahrt dahin gereizt haben mochten, so hatte sich doch 
kein fortdauernder unmittelbarer Handel für sie daran geknüpft. Lombarden und 
Italiäner besuchten mit eigenen Schiffen England, und tauschten dort des Landes 
Güter gegen ihre Waaren ein; sie besuchten zugleich mit den Engländern gemein- 
schafUich den niöderlandischen Markt, wo ein Gleiches stattfinden konnte. 

m 

Die Engländer mit ihren Schiffen haben zwar in dieser Zeit die nordöstlichen 
Häfen Deutschlands besucht, jedoch nur sparsam, wie es nach den auf uns 
gekommenen Nachrichten wenigstens scheint; mehr erschienen sie gegen Ende 
dieses Zeitraums, an den preussischen Küsten und in der Ostsee überhaupt. 
Altein selbst bis in das sechszehnte Jahrhundert konnten sie zu keinem unmittel- 
baren dauernden Verkehr mit den Russen in der Ostsee gelangen. Dass sie indess 
auch diess bereits versucht haben, erhellet aus den altern Scraen des deutschen 
Hofs zu Nowgorod , worin den Deutschen geboten wird , keine Güter der 
Wallonen, Fläminger oder der Engländer dahin zu führen, nicht mit ihnen 
in Handelsgesellschaft zu stehen, oder von ihnen Güter zur Verfuhrung dahin 
anzunehmen. Weiter, als die deutsche Ordenshoheit ging, sind sie mit ihren 
Schiffen wohl noch nicht gekommen; und eben deshalb war ihnen, selbst noch 
um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts, die Entdeckung des entfernten und 
minder bequemen Archangels und die ihnen dort verstattete Niederlassung so viel 
werth. Der unmittelbare Verkehr der Engländer durch ihre eigene Schifffaln-t 
auf Dänmark und Schweden war gewiss auch beschränkt, der Austausch engli- 
scher Güter gegen dänische, schwedische, russische scheint um diese Zeit vor- 
nehmlich durch die Zwischenhand der Deutschen betrieben worden zu seyn 
oder aber in den Niederlanden, besonders in Flandern, wo Schweden, Dänen, 
nebst Deutschen und Engländern gewöhnlich mit einander verkehrten. 

« 

Auch ist es begreiflich, warum diess Alles so der Fall seyn musste. Die 
deutschen Kaufleute und Seestädte nähmlich hatten sich nach und nach in diesen 
verschiedenen Reichen Handels- und Zollfreyheiten verschafft, welche Dänen 
Schweden und Engländer sich einander wechselseitig in diesem Maasse nicht zu- 
gestanden; zugleich aber übertrafen auch die deutschen Seefahrer an Betriebsam- 
keit und VVohlhabenhelt, an Kenntnissen des Handels und an Verbindungen 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 289 

in diesen yerschiedenen Ländern, nach und nach die Eingeborenen beider Thcile 

gar sehr i). 

Unter allen Völkern des Nordens aber, deren Verkehr die Deutschen in 
ihre Hände zu bringen bemüht waren, oder den sie in der Folge beherrschten, 
unter Russen, Dänen, Schweden, Normännern und Engländern, fing doch auch 
kein Volk so früh an, thätig als Nebenbuhler aufzutreten, als eben die Engländer, 
obschon im Anfange sehr wenig von ihres Landes Königen unterstützt. 

Anfangs wurden Zinn, Wolle und Felle, damahls die vornehmsten Er- 
zeugnisse des Landes , welche man Stapelwaaren in England nannte , weil 
sie an bestimmten Orten des Reichs aufgehäuft, oder an bestimmten Orten 
des Auslands zum Verkauf niedergelegt wurden , einzig von Fremden 
ausgeführt und weiter vertrieben. Allein bereits seit dem vierzehnten Jahr- 
hunderte mischten sich auch Engländer unter diese Stapelgesellschafl fremder 
Kaufleute, und fingen gleichfalls an, diese Stoffe, selbst gegen den Willen der 
Könige und der Lords ^ auszuführeh. Bey den Kriegen, die Eduard IH. mit 



1) Daaa der englische Haudel im dreyzehiiteu und einem grossen Theile des vierzehnten Jahrhunderts hin- 
durch noch so beschränkt war , davon kann man sich aus den Urkunden bey R y m e r foed. jingL T. /« 
überzeugen; man vergl. Hakluyt collection of voyages ^ T, I, p. 128 i**« iu welchen Werken zwar meh- 
rere desfallsige Documente und Verträge zwischen Norwegen (1217* 1269)» Flandern (1236* 1274)) den Nieder- 
landen (1275«' 1280) überhaupt und England, andere aber mit den nordöstlichen Reichen aus diesem Zeit- 
räume nicht vorkommen. In den Reimen daselbst, welche den englischen Handel mit Fremden im vier- 
zehnten und Anfangs des funßcehnteu Jahrhunderts beschi'eiben (p. 187 f*)« werden weder Schweden, 
DäneUf noch Russen genannt, wohl aber Oesterlinge und Deutsche. Auch in Eduards 1. Urkunde von 1303, 
worin alle Völker erwähnt werden, die nach England des Handels wegen kommen, werden aus der Ost- 
see die Deutschen allein erwähnt. Diess wird durch mehrere Nachrichten bey Anderson T, I* z. B. 
ad <u 1310* 1325 bestätigt« In dem Verzeichnisse der fremden Kaufleute t die nach England kommen » in 
Madok firma burgi chap, H. sect. 4, werden weder Schweden, Dänen, Polen, noch Russen erwähnt. 
Wenn in einer Urkunde von 1310 bey Ry me r T. /. P. 2« pag* 110. Eduard II. von England an den 
König Hakon von Norwegen schreibt: Ex graui querela fVillielmi de Tollere, burgenais et mercatoris villae 
nosfrae de Grymeshy , accepimus quod , cum homines et seruientes $ui quandam nauem ipsius fVillielmi , bla- 
dis et victualibus aliis , in partibus de Betlang onerassent , vaque in regnum nostrum jingliae ducendum etc. 
so beweiset dicss zwar, dass damahls Engländer nach der Ostsee kamen und daselbst Getraide höhlten, 
denn diess Estlang oder Estland i«t nichts anders als die Küste der Ostsee; allein diess ist auch nur das 
eine Beyspiel aus so frühen Zeiten. — (Eine etwas neuere Spur dieses Verkehres findet sich in einem 
Vorschreiben König Eduards HI. au den Grafen Gerhard von Holstein v.J. 1329- über die bey Copenhagen 
geschehene Beraubung eines von Stralsund heimkehrenden Schiffes des Robert von Musgrave aus Isewcastle. 
S. Rymer II. 761« Dass die Dänen in diesen Zeiten einen Handel direct nach England geführt hätten 
(denn dass sie früher der Eroberungen wegen nach dieser Insel gefahren, ist allgemein bekannt}, muss 
bezweifelt werden, wenn kein anderer Beleg dafür aufgeführt wird, als die Urkunde v. 1257. Vgl. 
den Nachtrag Bd. II. S. 719- L*) 

O o 



290 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Frankreich fiihrle, entstand ihm das Bedürfniss, Geld zu haben , und viele 
dieser rohen Sloffg wurden von Engländern auf des Königs Rechnung nach aus- 
wärtigen Märkten, besonders nach Flandern, gebracht. Aber um die Mitte des 
vierzehnten Jahrhunderts verbot er den Engländern wieder die Ausfuhr, und 
verstattete sie lediglich den Fremden, well seine Zölle ihm einen grössern Ertrag 
alsdann abwarfen; erst gegen das Ende seiner Regierung gestand er den Englän- 
dern von der Stapelgesellschafl gleiche Freyheit der Ausfuhr jener Guter zu, wie 
die Fremden sie besasscn i). 



i) Vergl. Anderson /. c. T. I. ad a. 1248. P' 216. ihid. ad a. 1267« p. 231. 232- ad a. i3l9. p. 287« 
288* uud die Statute Eduards IH. von 1353 und 1362 1 so wie die Magna charta Uberfatum^ wie sie um 
diese Zeit lautete. — (S. hat den noch mehr verworrenen als unzuverlässigen Nachrichten Anderson's 
zu viel Zutrauen geschenkt , was wegen des nahen Zusammeuhauges der englischen Stapeleinrichtungen 
mit der Geschichte der Hansen in England hier kurz ausgeführt werdeu > muss. "Wir köuuen es dahinge- 
stellt seyn lassen, ob die Magna Carla von J* 1215 im jirt.liS, lediglich von fremden oder einheimischen 
Kaufleuten zu verstehen sey, da sie offenbar nicht vom Stapel und auch nicht von desfallsigen Gesellschaf- 
ten spricht, und das Yorhaiideuseyn eines mehr selbstthätigen Haudels der Eugländer im 13ien Jahrhun- 
dert, als von deren eignen Schriftstellern angenommmen wird, bereits oben von uns erwiesen ist* Die 
Nachricht, dass die Gesellschaft der Kaufleute des Thomas von Decket im J. 1248 ein Privilegium vom 
Herzoge Johaun von Brabant erhalten habe, muss irrig seyn, da damahls Herzog Heinrich HI. dort re- 
gierte, dem Johann 1. 1260 (+1294) folgte. Maly nes (im Centre ofthe Circle of Commerce 1623) behaup- 
tet , dass die Kaufleute des Stapels, älter als )ene» bereits 1267 ein Privilegium von K^nig Heinrich III. 
von Eugland erhalten haben, ohne jedoch zu bezeichnen von welchem Stapel und ob in einer inländischen 
oder ausländischen Stadt, die Rede sey. Wahrscheinlich ist es auf die Engländer zu beziehen, welche 
nach einem Schreiben des Königes Philipp des Schönen an Eduard II. v. J. 1314 mit andern 'Wollhändlern 
seit Jahren einen Hauptstapel zu Antwerpen gehalten hatten, von woher sie ihre Waaren auf die Märkte 
von St. Omer und Lille brachten C^« Rymer II. 248* 25lO KLönig Ludwig von Frankreich richtete im 
folgenden Jahre an den König von England das Gesuch , einen Stapel zwischen Calais und der Seine auf 
französischem Gebiete anzulegen. Edward II. hatte nähmlich kurz vorher die Verordnungen über die Er- 
richtung des Stapels der Kaufleute und AVaaren in englischen Städten erlassen, und zwar am 20 May 
1313» wie sich aus einer vom 18 Juny 1320 (abgedr. bey Hakluy t L 143) dessfalls erneuerten Verfügung 
desselben Königes ergiebt, und welche sein Sohn Edward IIL im J. 1327 bestätigte (Rymer IL 705.) 
im folgenden Jahre aber wieder aufhob. S. Statutes at large ad a. 1328* 1^1® Anlegung dieser Stapelplätze 
in England , wo die Kaufleute mit ihren Waareu vierzig Tage verweilen mussten , ehe sie dieselben welter 
ins Inland oder ins Ausland verführten, darf nicht mit der Errichtung des Wollstapels im Auslande, 
welche zunächst von den Kaufleuteu ausgehen musste, verwechselt werden, wenn sie gleich durch den 
Umstand , dass der König selbst der erste "Wollhändler seines Reiches war , und durch die von ihm rück- 
sichtlich der Zölle gelrolFenen Einrichtungen mit einander verknüpft sind. 1336 schrieb Edward III. dem 
Herzoge von Brabant und 1337 den Städten Brüssel Löwen und Mecheln, dass er auf Bitte des Herzoges 
die Anlegung eines Stapels in Brabant, wo der \\x Antwerpen also aufgehoben war, bewilligen wolle. 
(Rymer II. 953* 9590 1341 errichtete er einen Stapel für "Wolle und andere IrVaaren in Flandern zu 
Brügge und eine Gesellschaft von Engländern, mit allen Rechten, welche dergleichen Stapel zu geniessen 
pflegten, uud welche, gleich wie wir von der zu Antwerpen im J. 1319 wissen, einen Major und Consta- 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 291 

Eine andere inländische Kaufmannsgesellschaft fing uro diese Zeit in England 
an i), die Gesellschaft von Thomas a Becket, welche nach einigen Jahrhunderten, 
unter dem Nahmen der Adventurers oder wagenden Kaufleute, der hansischen 
Handelsherrchaft den Untergang, mit Benutzung der veränderten Umstände, bereitete. 
Allein diese Gesellschaft hatte damahls einen noch engern Wirkungskreis als die 
erstere, da sie nur verarbeitete Stoffe, vornehmlich Tucher, ausführte, welche 
zu jener Zeit noch keinen so sehr bedeutenden Gegenstand als in der Folge 
ausmachten. Eduard III. begünstigte zuerst durch die Aufnahme vieler nieder- 
ländischen feinen Tuchweber die Bereitung der feinen Tucher in England ganz 
besonders y^ denn gröbere Arten Tuch meist zum inländischen Verbrauch hatten 
die Engländer freylich seit den ältesten Zeiten bereitet 2). Allein des Königs 
Verbot der Ausfuhr der rohen Wolle nach Flandern , und sein Befehl , dass 
Engländer nur einheimisch bereitetes Tuch tragen sollten, wurden kaum ein Jahr 



bularios hatte, Vielehe aie, nachdem der Kuiiig die Eriieunungen fUr das erste Mahl vollführt hatte, Reibst 
erwählte* Rymer IL 1172* TergU Schreiben Edwards ill. au die flaudrischeu Städte t» J. 1348* Ryiuer 
UL 153* Der Stapel aher, welcher fiir Ziun, Bley uud euglische Tücher zu Calais im J. 1348 errichtet 
wurde » ist als eiu binueuläudischer Stapel su betrachten» Aus allen desfaHsigen Documeuteu geht aber 
hervor , dass diese Stapelgesellschafteu in den Terschiedenen Städten des Auslandes aus Engländern bestan- 
den und unter sich verschieden waren y die Stapelstädte in England indessen viel älter als das Jahr 1353 
waren. Die Verfügung desselben Jahres aber, dass nur Fremde die Stapelwaaren ins Ausland fuhren soll- 
ten , beruhte auf Ansichten und YerhältuiMen , welche von sehr l^urzer Dauer 1 hier nicht weiter erörtert 
werden können. X.) 

1) Die Zeit ihrer Entstehung ist ungewiss, Tergl. An derton T. J. a</ <7. 124B« P* 216« ad a. 1296* p* 253. 
ad <7. 1358« p* 342*9 allein um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts führten sie bereits einige euglische 
Tücher aus» — (Wir kennen diese Brüderschaft nur aus der neuern Angabe der Merchant Adventurers^ 
welche erst unter Heinrich VII vorkommen. Ueber den Irrthura in der Nachricht v^ J. 1248 ist in der 
vorhergehenden Kote schon gesprochen ; das Privilegium v, J. 1296 ftir Antwerpen ist wahrscheinlich iden- 
tisch mit den Rechten der bereits gedachten der englischen Kauüeute in dieser Stadt ; die Nachricht über 
eiu jener Brüderschaft im J. 1358 ertheiltes Privilegium in Flandern hielt Anderson schon für irrig. 
Es fehlt demnach an einer heglaubigten Nachweisun^ über das Vorhandenseyn einer solchen Brüderschaft 
englischer Kauileute in dieser Periode. Wahrscheinlich war sie in diesem Jahrhunderte eine auf eine 
Stadt, vielleicht London, beschränkte, zu gewissen religiösen ^wecken verbrüderte Abtheilung einer grössern 
Kaufmannsgilde. Der Unistaud, dass sie einen Heiligen verehrten, welcher englischen Kaufleuten be- 
sonders werth war — auch die hamburgischen Euglandsfahrer hatten ihm in ihrer Heimath im St. Johannis- 
Kloster eine Capelle erbaut, * mag später benutzt seyn, um ausgedehntere Ansprüche zu hegrüuden« X.) 

2) Es ist falsch wie mau die Sache gewöhnlich vorstellt, dass Eduard III. zuerst die Wollenweberey in England 
eingeführt habe ; allein die Bereitung feiner Tücher zur auswärtigen Verführung versuchte man unter ihm 
zuerst. Grobe Tuchweber - Gilden gab es HOO und 1135 bereits in England. Anders. /. p.l41. nach 
Madox, firma Burgi chap. 10. sect, 20« Bunte Tücher wurden zu Heinrich II. Zeiten zu Nottingham 
verfertigt. Rymer I. 41« 

Oo 2 



292 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

lang gehalten, da seine Zolleinnahme dadurch zu sehr litt, und die Kriege mit 
Frankreich seine Bedürfnisse vermehrten. Es dauerte wirklich noch an zwey 
Jahrhunderte, bevor jenes Ausfuhrverbot streng gehandhabt wurde. 

Auch mochte es weiter den Deutschen nicht eben nachtheilig seyn, wenn 
die Engländer ihre Wolle selbst zu feinen Tüchern verarbeiteten; die Mitwerbung 
zwischen Engländern und Niederländern konnte ihnen vielmehr lieb seyn, sie 
verloren nichts als etwa den Frachllohn fiir die von ihnen aus England nach den 
Niederlanden geführte rohe Wolle, dagegen aber brachten sie in der Folge viele 
ungefärbte und ungeschorene feine Tücher aus England nach Deutschland, und 
gewannen daran das Scheer- und Färbereylohn. Die Deutschen waren überhaupt 
nur begünstigte Zwischenhändler, und so lange Andere nicht selbst die Tücher 
nach den nordischen Märkten brachten, so hatten sie immer was sie wünschten. 
Nun fing zwar die englische Gesellschaft von Thomas a Becket an, englische 
Tücher um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts aufzuführen; allein die Aus- 
fuhr war bey der geringen Erzielung im Innern des Landes noch so unbedeu- 
tend, dass sie gar keine gefahrliche Nebenbuhler waren; auch zogen die Deutschen 
für den nordischen Handel die besseren flandrischen Tücher, wie es scheint, 
noch immer vor i) , und erhielten sich die Vortheile des ausschliesslichen Fuhr- 
und Zwischenhandels. 

Aber alU diese, obschon unvollkommenen. Versuche zeigten doch auch 
bereits eine grössere Thätigkeit unter den Engländern , als man in den übrigen 
nordischen Reichen vorfand , und es ist um so rühmlicher fiir die englischen 
Städtebewohner, Kaufleute und Tuchbereiter, die zuerst so wenig von den Köni- 
gen unterstützt^ wurden , welche vielmehr das Land gleichsam an Fremde ver- 
riethen, dass sie doch so beharrlich fortfuhren und zuletzt so glücklich endeten. 
Eben diese Thätigkeit forderte alle Fremdlinge im Reiche auf, sich an die Könige 
desto enger anzuschliessen , und lieber dem Könige einen höhern Zoll anzubieten, 
um nur im Besitze des englischen Fuhr- und Zwischenhandels, und, w^as die 
Niederländer betraf, im ausschliessenden Besitze der Verfertigung der feinen 
Tücher zu bleiben. Alle Fremdlinge in England hatten hier ein gemeinschaft- 
licheres Ziel, als irgend sonst wo, zu verfolgen; und so geschah es auch, dass 
alle Fremde, — die Deutschen sind vor den Uebrigen zuerst genannt, — von 



1) Ander so n /. c. T* L ad a. 1331* 1337« 1358* Verglichen mit den Streitigkeiten der Hanseaten ca 
Nowgorod wegen der Breite und Güte der flandrischen Tücher s. oben beym russisch - deutschen 
Handel. 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 293 

Eduard I. 1303 einen Freybrief erhielten, der ihnen für jene Zeit unschätzbar 
seyn musste i). In diesem verheisst der König allen fremden Kaufleuten, woher sie 
auch immer nach England kommen und die daselbst verweilen, um sie sich und 
seinem Reiche zu bereitwilligen Diensten ferner zu verbinden, auf ihr Gesuch, 
fiir sich und seine Nachfolger, Schutz und sicher Geleit, wenn sie nach England, 
oder sonst wo innerhalb seiner Herrschaft kommen, er befreyt alle ihre Waaren 
von dem Mauer-, Brücken- und Pflastergeld. Sie dürfen frey den Grosshandel 
in allen Theilen seines Reichs mit Eingeborenen und Ausländem betreiben, auch 
Krämerwaaren und Gewürze in kleinen Quantitäten, gleichwie bisher von ihnen 
geschehen, verkaufen. Ihnen ist erlaubt, ihre von ihnen eingeführten Waaren, 
oder die, welche in des Königs Reich oder Herrschaft gekauft oder sonst von 
ihnen erworben werden, innerhalb derselben oder aus dem Lande zu fuhren, 
nur nicht nach den Ländern seiner kundbaren Feinde; stets jedoch unter der 
Bedingung, dass sie die üblichen Ausfuhrzölle bezahlen, und keinen in das Land 
ein Mahl eingeführten Wein ohne seine besondere Erlaubniss wieder ausfiiliren. 
Sie erhalten das Recht, im Lande mit ihren Waaren sich aufzuhalten, so lange 
sie es fiir gut finden, und sich einzumlethen zufolge des Uebereinkommens mit 
den Hauselgenthümern. Zur Sicherheit aller und jeder in Handelssachen von ihnen 
abgeschlossenen Verträge, soll, wenn ein Mahl darauf der Gottes -Pfenning ge- 
geben und angenommen worden ist^ Niemand davon abspringen, jeder darüber 
entstehende Streit aber nach dem Markt - oder dem Orts - Rechte entschieden 
werden, wo der Vertrag geschlossen worden sey. Kein Gut soll den ge- 
dachten Kaufleuten , unter dem Vorgeben einer Nothsache oder eines Zu- 
falls, weder durch den König noch durch einen Andern genommen, mit Be- 
schlag belegt, oder die Zahlung verschoben werden; sie sollen dagegen vielmehr 
den vollen Werth - sogleich ausbezahlt erhalten , mit dem sie selbst zufrieden 
seyn würden, und um welchen sie die Waaren an Andere frey würden verkauft 
haben, oder es soll ihnen sonst ein Genüge geschehen, also dass sie dadurch 
zufrieden gestellt werden mpchten. Der König sagt ihnen zu : dass weder durch 
ihn, noch einen seiner Diener, ihren Gütern und Waaren ein bestimmter Preis, 



1^ Nahmentlich werden die Kaufleate folgender aufgeftihrt, denen die Freyheiten ertheilt werden: aus 
Deutachland, Frankreioh» Spanien, Portugal, Navarra, aus der Lombardei i Toscanai der ProTence; Cata- 
lonien, dem dem Könige behörigen Aquitanien (ducaius na»iri jiquiianie)^ aus Toulouse» Gabors (Cathurcinii\ 
Flandern, Brabant und aus allen andern Landern und fremden Orten, unter welchem Nahmen sie auch 
begrifTen werden. 



294 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

wozu sie zu verkaufen wären, gesetzt Tverden solle. Um ihnen zu schneller 
Rechtshülfe belörderlich zu seyn, soll jede durch sie anhängig gemachte Rechts- 
sache durch die Beamten, Marktaufseher (minisiri feruirum) in allen Handels- 
städten, Burgen und Flecken {villis) binnen Tages Frist ohne Aufschub nach 
dem Kaufmannsrechte {lege mercatoria), in so fei^n es danach thunlich ist, be- 
endigt werden j sollte aber durch dieser I*7achlässigkeit ihnen ^daraus Schaden er- 
wachsen, selbst wenn sie in der Hauptsache ihren Schaden ersetzt erhielten, so 
wird der König diese Nachlässigkeit bestrafen, und eine Geldbusse soll in diesem 
Falle den Kaufleuten, zur Beschleunigung ihrer Rechtspflege, zufallen. In allen 
solchen Rechtsstreiten aber,, worin sie verwickelt werden oder Andere verwickeln, 
ohne Unterschied des Standes, ohne Unterschied, ob von einem Fremdlinge oder 
Inländer (jpriuatus) die Rede sey, soll auf den Märkten, in den Städten oder 
Burgen, wo eine hinlängliche Zahl der Kaufleute aus obenbenannten Ländern 
vorhanden ist, um die Untersuchung zu machen^ Verbrechen, die das Leben 
angehen, ausgenommen, die Jury (sit medieias inquisitionis ) haXh aus fremden 
Kaufleuten, halb aus unbescholtenen Männern des Orts bestehen, wo die Sache 
zu beurtheilen ist; wenn aber der Fremden nicht daselbst so viele anwesend 
wären, um die Hälfte der Jury voll zu machen, so sollen andere dazu tüchtige 
ihre Stelle vertreten und die übrigen aus tauglichen Personen des Orts, wa das 
Urtheil zu fällen ist, angestellt werden. 

In allen Handelsstädten, auf Märkten und überall in de^ Königs Gebiet ver- 
spricht er, eine öfifentliche Wage an einem bestimmten Orte aufrichten zu lassen, 
wo vor dem Wägen dem Käufer und Verkäufer die leeren Wageschalen und 
dass beide Arme sich gleich sind zu zeigen ist; nur dann soll der Wäger 
wiegen, und wenn er sie gleich gerichtet hat, die Hand davon abthun, so dass 
die Zunge einsteht. 

Auch soll durch das ganze Reich nur einerley Gewicht und Maass seyn^ welche 
mit der königlichen Probe oder dem Stempel (Standard) versehen werden sollen* 
Jedem stehet es aber frey, 25 Pfund und darunter mit eigener Wage zu wägen, 
wenn es nicht gegen die Rechte des Herrn des Orts und die von dem Könige 
oder seinen Vorfahren erthellten Freyheiten, oder die bisherigen Gewohnheiten 
der OrtschaflLen und Märkte anläufl. Auch soll in London ein besonderer, treuer 
und fähiger Mann den erwähnten Kaufleuten bestellt werden, vor welchem sie 
ihre Rechtsstreite fuhren, um zu ihren Schüldforderungen schnell zu gelangen, 
wenn die Vicegrafen und Mayors der Städte den fremden Kaufleulen nicht in 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 295 

Tages Frist schnell zu ihrem Rechte verhelfen, um, vermöge einer von dieser 
Urkunde unabhängigen Verordnung (commissio) ^ die den vorbemeldeten Kauf- 
leuten erlheilt worden, ihnen Recht zu sprechen nach dem Kaufmannsrechle, in 
Streitigkeiten zwischen Kaufleuten mit Kaufleuten. Endlich sollen ihnen alle 
diese Freyheiten ungekränkt von allen Nachfolgern des Königs erhalten und durch 
keine vom Könige oder dessen Nachfolgern zu ertheiiende anderweitige Freyheit 
verloren werden. ^ 

Dagegen aber bewilligen die fremden Kaufleute für sich und ihre Lands- 
leute einstimmig dem Könige fiir diese ihnen zugestandenen Freiheiten , und um so 
mehr, da er sie von anderen Abgaben befreyt hat, folgendes. Von jedem Fasse 
Wein, welches sie einführen oder einführen lassen, und wovon sie die Fracht 
zahlen, entrichten sie fiir die Zukunft, unter dem Nahmen einer Costume, zwey 
Schillmge (solidos) ausser dem alten in Pfenningen festgesetzten Zoll, binnen viei-zig 
Tagen nach ihrer Löschung. 

Von jedem Sack Wolle, welchen die Kaufleute, oder andere in ihrem 
Nahmen kaufen und ausfuhren oder ausflihren lassen, vierzig Pfenninge Aufschlag, 
ausser der alten Costume von einer halben Mark. 

Von jeder Last (200) Felle oder Leder (coria) hey der Ausfuhr eine halbe 
Mark ausser der alten Costume. Von dreyhundert SchaafTellen mit der Wolle 
bey der Ausfuhr 40 Pfenninge über die alten Costume. 

Von jedem Scharlachtuch oder mit Scharlachbeeren gefärbten Tuche zw^ey 
Schillinge, achtzehn aber von demjenigen, wobey die Scharlachbeere nur theil- 
weise angewandt ward, von jedem andern Tuch ohne solche Färbung zwölf. 

Von jedem Zentner Wachs zwölf Pfenninge. 

Da aber einige dieser Kaufleute auch mit andern Waaren handeln, die nach 
dem Gewicht verkauft werden, welche, so wie andere feinere Güter, als tarsische 
Tücher, Seide, Zindel und seidene Tücher (de serico, cindalisy sefa) nebst ver- 
schiedenen andern Waaren, als Pferde und andere Thiere, Getraide und dgl. , 
nicht wohl zu einer festen Costume anzusetzen sind; so versprechen sie, von dem 
Werthe eines Pfund Silbers drey Pfenninge als neuen Zoll nach der Einfuhr, der 
Löschung und dem Verkaufe binnen zwanzig Tagen, und dasselbe bey der 
Ausfuhr ausser der alten Costume zu entrichten. Der VVerth aber dieser so zu 
verzollenden Waaren soll durch die Briefe ^irer Handelsfreunde oder ihrer 



296 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Handelsherren, und in deren Ermanglung, durch den Eid des fremden Kaufmanns 
pder seines Dieners bestimmt werden. Zugleich wird den Genossen der Gesell- 
schaft der vorbemeldeten Kaufleute verstattet, sich einander wechselseitig englische 
Wolle costumfrey zu verkaufen, und nur dafür zu sorgen, dass sie nicht in 
solche Hände fallen, wodurch bey der Ausfuhr der König um die ihm gebühren- 
den Gefalle betrogen werde. Haben sie ein Mahl im Reiche die Costume 
erlegt, welches sie durch die erhaltene Qiittung {worranium) zu beweisen haben ^ 
so sollen sie weiter keiner Abgabe davon unterworfen seyn, die Waare bleibe 
im Lande, oder werde wieder ausgeführt; mit Ausnahme jedoch der Weine, 
welche nicht ohne königliche Erlaubniss ausgeführt werden dürfen. Ausser den 
vorstehenden , soll aber keine Abgabe weiter für alle Zukunft von den Kaufleuten, 
ihren Personen und Gütern erhoben werden. 

Dieser Freybi-ief, wie schätzenswerth er auch für die Kaufleute war, be- 
friedigt doch unsere Neugier nicht; denn, wenn gleich bey einigen Waaren ge- 
sagt wird, dass sie ein- oder ausgeführt werden, meist bey solchen, von welchen 
es sich schon von selbst verstand; so bleibt man doch darüber ganz im Zweifel, 
von welchem dieser vielen Völker, die zu Anfang genannt wurden, diese Gegen- 
stände aus- oder eingeführt worden sind. 

Oflfenbar erhielten die Deutschen durch diesen Freybrief keine Vorrechte vor 
den übrigen Fremden, denn allen, aus welchen Theilen der Welt sie auch seyn 
mögen, werden dieselben Freyheiten zugestanden. Gewiss aber hat, wie aus 
spätem Nachrichten erhellet, kein Volk dieses Recht eines freycn Verkehrs gegen 
Erlegung eines, durch die Veränderung des Geldwerths und durch andere in der 
Folge eingetretene tJmslände, geringen Zolls so sich zu erhalten gewusst, und 
durch stete Erneuerungen der folgenden Könige so immer sich wieder erneuern 
lassen, als die Deutschen. Erst durch dieses Benehmen ward dieser, allen Frem- 
den gemeinschaftliche, Freybrief ein wahrhaft hansisches Privilegium. Da nähra- 
lich Engländer und Fremde höheren Zöllen oder anderen Abgaben in der Folge 
unterworfen wurden; so behaupteten sich die Hansen in dem Besitze dieses alten 
Freybriefs, sie genossen bey veränderten Zeiten einen geringen Zoll, und dadurch 
wahrhaft grosse Vorrechte vor Eingeborenen und Fremden. So geschah es , dass 
sie sich in späteren Zeiten auf diesen gemeinschaftlich erhaltenen Freybrief, der 
allen Fremden ursprünglich gegeben war, als auf den vorzüglichsten unter den 
vielen andern, die sie im Verlauf der Zeit erhielten, immer bezogen. Sie ver- 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 297 

standen es ohnehin, den darin bestimmten Zoll noch durch mannigfaltige Kunst- 
griffe und Listen zu irerringern ; denn da manche dieser Zölle nach Fässern, 
Säcken, Lasten und dergleichen bestimmt waren, so schoben sie unter gleichen 
Benennungen stets grössere Quantitäten unter i). Was aber hier zuerst als eine 
Erhöhung des alten Zolls erschien, wogegen man jedoch von manchen andern 
vielleicht sehr lästigen kleinen Abgaben befreyt wurde,, ward nun vollends auf 
die angegebene Weise im Verlauf der Zeit zu einer wahrhaft; grossen Begün-* 
stigung. 

Von keinem Reiche, mit dem die niederdeutschen Kaufleute in Verbindung 
standen, hat man nun' eine so ununterbrochene Reihe von königlichen Freyheits- 
briefen und Bestätigungen der altern, von diesen frühen Zeilen an, als von den 
Königen von England, obschon in andern Ländern noch umfassendere Freyheilen 
von ihnen erlangt oder ertrotzt worden sind. Eduards I. Sohn, Eduard IL be- 
stätigte im J. 1311 den Kaufleuten, welche die Gildehälle der Deutschen in 
London inne haben , alle ihre alten Freyheiten , die sie zu seines Vaters und 
seiner Vorfahren Zeiten erhalten und besessen hatten. Wiewohl, fügt er hinzu, 
keine Verbindlichkeit für ihn daraus entstehe , da in der väterlichen Urkunde 
derselben Verpflichtung für die Nachfolger nicht gedacht werde, so wolle er 
dennoch zufolge der getroffenen Uebereinkunft (der Zahlung nähmlich von hun- 
dert Pfund) für sich und seine Nachkommen allen den Kaufleuten des deutschen 
Reichs und ihren Nachkommen, welche das Haus in London, die Gildehalle der 
Deutschen genannt, bewohnen, alle die Freyheiten, welche sie von ihm und 
seinen Vorfahren erhalten, für immer bestätigen. Dasselbe geschah von ihm im 
J. 1317, und er erweiterte sie auch noch dahlil, dass die deutschen Kaufleute, In- 
haber der deutschen Gildehalle zu London, so wenig als deren Güter oder 
Waaren innerhalb des Reichs und der Herrschaft des Königs wegen Schulden 
verhaflet werden sollten, es betreffe denn das Eigenthum oder die Person des 
Hauptschuldners, oder des für ihn haftenden frey willigen Bürgen, noch wegen 
Vergehungen, wenn sie diese anders nicht selbst begangen haben. Er verspricht 
ihnen für sich und seine Nachfolger, keine neue Costumen ausser den alten Abgaben 
aufzulegen , wobey sie jedoch vom Mauer - , Brücken - und Pflastergeld frey 
bleiben; doch sollen sie Niemanden mit ihren Freyheiten und Rechten vertreten, 



1) Diese Behauptungen erhellen aus einem handschriftlichen Aufsätze des Syndtcus der Hanse, Dr. ^d er- 
mann s, aus dem sechszehnten Jahrhunderte« 

pp 



298 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

welcher nicht Mitglied ihrer Genossenschaft auf dem delitschen Gildehause zu 
London ist i). 

Von Eduard III., ob er schon zuweilen, jedoch nur vorübergehend, den 
Engländern, seinen Unterthanen, sich geneigter als den Fremden zeigte, und 
diese wegen seiner Bedürfnisse in dem Kriege mit Frankreich oft neuem Zwange 
und höheren Abgaben unterwarf, empfingen die Deutschen die Bestätigung der 
Freyheiten, welche sie in frühern Zelten erworben hatten, sowohl als Besitzer 
der Deutschen Gildehalle in London, als auch als Mitglieder der fremden Kaufleute 
überhaupt 2). Das Eigenlhümliche und Neue darin, um Wiederhohlungen zu 
vermeiden, bestand in Folgendem. Im J. 1328 bestätigte er die von Eduard I. 
1303 allen fremden Kaufleuten erthellten Freyheilen und dehnte sie auf die von 
Aragonien und Majorca aus. Im J. 1346 gab er den Deutschen auf der Gildehalle 
zu London die Bestätigung der von seinem Vater und von ihm selbst 1327 ge- 
währten Freyheiten, nur dass er sechs nahmentlich aufgeführten deutschen Kauf- 
leuten, die das Haus der deutschen Kaufleute bewohnen und von deren Gilde 
sind , nach dem desshalb abgelegten Zeugniss des Londoner Bürgers Johann Harn- 
mond's, des Aldermannes der Deutschen, in des Königs Canzley, verstattete fiir sich 
und seine Nachkommen , dass sie der daran geknüpften Freyheiten durch 
das ganze Reich sich zu bedienen das Recht haben sollen; woraus zu er- 
hellen scheint, dass damahls die Könige die Zulassung zum Genuss der Freyheiten, 
die der deutschen Gildehalle ertheüt waren, den Einzelnen bewilligten. Der König 
hat auch den deutschen Kaufleuten, welche die Gildehalle in London inne haben, 
im J. 1348 die Freyheit, welche sie (gemeinschaftlich mit andern Kaufleuten) von 
Eduard I. seinem Grossvater (1303) erhallen hatten, von Neuem bestätigt, dass sie 
nähmlich bey der Aus- und Einfuhr nach der Schätzung von dem Werthe eines 
Pfund Silbers nur drey Pfenninge über die alte Costume bezahlen sollten. Er 
gebietet deshalb seinem Mundschenk Johann Wasenham und dem Erheber der 
Costumen von den wollenen und den Worsted - Tüchern [lectorum de JForstede\ 
die in England verfertigt und von da ausgeführt werden, ferner dem Stellvertreter 
Wasenhams im Hafen zu Boston, ihnen nichts weiter abzufordern, da sie von 
allen andern Abgaben frey sind; er gebietet, das Mehr, welches man ihnen ab- 



1} UV. 1311, 1317) 3* Ueber einen Vorfall Tom J. 1320> «• unten und die desfallsigen Verhandlongen in dem 
Vidimus Tom J. 1346 im UR. CLX. — Es ist klar» data die Deutschen auf der Gildehalle noch andere 
Fi^yheiten hatten» als die der Fremden fiberhaiipt* 

2) ift. CLIX. CLXVI. UV. 1327 1 2- 1328, 3- 1354» L Nachträge zum J. 1329. 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 299 

genommen, ihnen wieder zu erstatten. Welches Alles er ihnen im folgenden 
Jahre nochmals besonders hat ausfertigen lassen. 

Dieselbe Bestätigung der von seinem Grossvater und Vater ertheilten Frey- 
heiten bewilligte der König ihnen im J. 1354) sowohl derer, welche ihnen gemein- 
schaftlich mit andern • fremden Kaufleuten, als auch derer, welche ihnen als In- 
habern der deutschen Gildehalle waren ertheilt worden. Am Schluss dieser 
Urkunde heisst es, dass diese Bestätigung nur auf drey Jahre laute, und bey der 
Bedingung, die auch in allen frühern Privilegien vorkommt, der Erlegung nahm- 
lieh der üblichen Abgaben, Costumen, Zölle, wird noch der Ausdruck subsidia 
beygefiigt 

Wenn Eduard III. ihnen diese Urkunde nur auf drey Jahre bestätigte, gleich- 
wohl darin ihnen die von seinen Vorfahren verstatteten Frey heilen erneuerte, die 
ßir sie sowohl wie für seine Nachfolger für alle Zukunft gegeben waren: so lässt 
sich dieser Widerspruch so erklären, dass man für die nach Ablauf der drey 
Jahre etwa wieder zu erneuernden Frey hei ten immer wieder zu zahlen habe. 

Eduard III. bedurfte Viel während seiner steten Kriege mit Frankreich, und 
vielleicht war der neue Ausdruck subsidia eingeschoben worden, um ausser den 
von den Kaufleuten zu bewilligenden Abgaben und Costumen sie auch den ausser- 
ordentlichen zu unterwerfen, die von Zeit zu Zeit in des Königs Bedrängnissen 
gefordert, auch wohl vom Parlament bewilligt wurden, welche Abgaben wahr- 
scheinlich unter jenem Ausdrucke zu verstehen sind. 

Auf jeden Fall ist es unbezweifelt , dass der Mayor Simon Mordon, der Re- 
corder Wilhelm Halden und die Aldermänner der Stadt London im 49»«" Jahre 
der Regierung Eduards III. von England (1369) ^^^ Kaufleuten der deutschen 
Hanse, welche die Gildehalle der Deutschen in der Stadt besitzen, eine schriftliche 
Urkunde ertheilten, worin sie erklärten, dass zu dem von ihnen gemachten und 
zu machenden Aufwände in subsidium des Königs während des Kriegs mit I^rank- 
reich, diese Deutschen ihnen zur Hülfe ICK) Mark Sterlinge übergeben und über- 
lassen hätten, und zwar aus freyem Willen, ohne dazu genöthigt worden, noch 
durch Recht oder Herkommen dazu verbunden zu seyn. Sie, die Stadtobern, ver- 
sprachen daher ihnen für die Zukun(t in Allem gefallig, in ihren Bedürfnissen 
hülfreich und Ibrderlich zu seyn , ferner, dass in der Folge diese freye Gabe nicht 
als Recht und Herkommen in ähnlichen Nothfallen betrachtet, und daraus eine für 
sie drückende Forderung abgeleitet werden solle 1). 

1) ÜB. CCXLVI. 

Pp 2 



300 ZW EYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Im Xllgenieinen sind indcss die Könige immer, auch Eduard III., den fremden 
Kaufleuten günstig gewesen und haben sie gegen die EingrifiFe und den Neid der 
Slädte - und Flecken - Bewohner Englands und deren Monopole zu schützen ge- 
sucht; schwerlich wegen einer höhern Ansicht des allgemeinen Vortheils eines 
freyern Verkehrs, als vielmehr weil sie -von ihnen manche Geldhülfen, bey Ver- 
leihung neuer oder der Bestätigung älterer Freyheit , und aus den Zöllen und Ab- 
gaben erhielten, welche bey dem geringen Umfange des eigenen englischen Han- 
dels in diesem Maasse nie zu hoffen standen. 

Auch das Parlament war ihnen aus ähnlichen Gründen nicht abgeneigt. 
So haben wir eine Acte desselben von äem J. 1335 zu Eduards HL Zeit, 
worin der König in der Einleitung sich über den Schaden beschwert, der ihm 
und seinen Unterthanen daraus erwachse, dass einige Einwohner (people) ^der 
Städte, Burgen, Seehäfen und anderer Orte nicht dulden wollen, dass die frem^- 
den Kaufleute Weine und andere Güter weder zu Wasser noch zu Land ein- 
führen dürfen, obwohl sie den andern Unterthanen unentbehrlich oder nützlich 
wären, wenn auch nicht den Orlsbürgern, welche dem Könige, so wie allen 
Uebrigen diese Waaren theuerer verkauften, als sie von den Fremden zu haben 
ständen: wesshalb der Beschluss vorschreibt, dass die Fremden und Eingebore- 
nen (c/^w/js^«« im Gegensatz gegen die Einwohner der Städte, Burgen etc) frey 
kaufen und verkaufen dürfen, Korn, Wein, Fleisch, Fische und andere Lebens- 
mittel; ferner Wolle, Tuch und alle andere Waareh, woher sie kommen, so- 
wohl in Städten {eitles)^ Burgen, Flecken (towns), Häfen, auf Messen und Märk- 
ten {fairs and marhets^ Jahr- und gemeine Märkte), welche Freyheiten (Jranchises) 
besitzen, so wie in allen andern Orten; wer dagegen handelt, verfallt In Strafe, 
doch darf kein Fremder einige Weine aus dem Reiche führen, zufolge ihrei 
carta mercaioria (d. i. des obigen Gesetzes vom J. 1303 von Eduard L). Was aber 
die Freyheiten {franchises) oder die (Andere) ausschliessenden charters der Städte, 
Flecken u. f. betrifft, so sollen sie keine Kraft: haben zum Nachthelle des Königs, 
der Prälaten, Grafen, Barone und anderer Grossen des Reichs, noch zur Unter- 
drückung der» cornmona i). 

Dasselbe Gesetz ward im J. 1350 durch König und Parlament erneuert, 
und weiter ausgedehnt, so dass Allen, Fremden wie Eingeborenen, der Gross- 
und Kleinhandel aller Orten frey stehen soll, gegen Erlegung der üblichen Ab- 

1) Andersou't HUtory of commerce T. I. ad a. 1335« 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 301 

gaben und Zölle, mit Entkräftung aller dagegen lautenden Freyheiten, Begünsti- 
gungen und Gewohnheiten, da sie nur zum gemeinen Nachtheile des Königes 
und seines Volks gereichen i). 

Aus einer Parlaments - Acte endlich vom 36^^®" Jahre Eduards III. (1362) 
erhellet das fleissige Besuchen der englischen Stapelstädte durch Niederländer, 
Deutsche und Lomharden; sie enthält die Erörterung und Ahhülfe mancher 
Zweifel und Streitigkeiten, welche zwischen Käufern und Verkäufern in Bezug 
auf die Wolle, ihre Gute, die Art sie zu packen u. f. in den Stapelstädten vor- 
kommen. In jeder der letztern sollen zur Entscheidung dieser Streitigkeiten sechs 
Richter gewählt werden, vier Fremde und, zwey Engländer, und zwar unter den 
ersten zwey Deutsche und zwey Lomharden, welche also in der W^oUe oder 
den Stapelwaaren wahrscheinlich die meisten Geschäfte machten. In allen Fällen, 
wo die fremden Kaufleute zu klagen hahen, sollen sie zwey aus ihrer Mitte er- 
nennen, die mit dem Mayor und den heyden Constahles dieser Stapelstädte das 
Gericht halten, welche letztere jährlich von den Kaufleuten, sowohl fremden al« 
einheimischen, zu wählen sind. Dieser Mayor des Stapels war indess von dem 
Mayor des Orts, oder welchen Nahmen sonst der erste Stadtheamte führte, ver- 
schieden; dieser blieh nur verbunden. Jenem in Nothfallen Beystand zu leisten, 
so dass diese Stapel - Obrigkeit einen Verein in der Stadt bildete ^ der seine be- 
sondern Rechte , sein besonderes Siegel hatte , besondere Gerichtssitzungen 
hielt, Urtheile fällte, und Strafen nach der lex mercatoriay ganz unabhängig von 
den reisenden Richtern oder denen des Orts, in allen Handelsangelegenheiten, 
Streitigkeiten und Forderungen, die daraus entstandene erkannte j auch hatte er 
für die StrafiDilligen in Handelssachen ein besonderes Gefangniss in jeder Stapel- 
stadt Zugleich stand es den Fremden frey, vor jedem andern Gerichte, wenn 
sie wollten, ihre Rechtsstreite zu fuhren. Derselbe König hatte schon im 
J. 1353 j unzufrieden mit den Flämingern , den englischen Wollstapel , der 
jzuvor in Brügge 2) war, von da hinweg in elf englische und vier irländische 
Städte verlegt, und befohlen ^ dass alle auszuführenden Stapelgüter in eine dieser 
Städte gebracht werden sollten, von wo sie, gegen Erlegung der Abgaben, von 
Fremden allein ausgeführt werden sollten, also dass die Eingeborenen einen Eid 



1) Anderson /• c. ad a. ±350, 

2) Die dortige HandelsgeselUchaft wurde jedoch nicht «ufgehohen. S, den ErUiM Eduards UI. an denGuher- 
nator mercaior^m worum apud Brufen de 1359 Oct ult. — 1961 Jan. H y m e r III. 453* 500* 555 etc* 



^ . 



302 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

ablegen musslen, keinen Stapel jenseits des Meeres zu halten, Calais jedoch stets 
ausgenommen. Wiewohl dieses nur eine Torübergehende Maassregel war, und 
das Verbot der Ausfuhr durch Engländer bald zurückgenommen ward, so blieben 
doch die Fremden in diesen Stapelorten die Begünstigten, jda der König dabey 
seinen Vortheil fand und seine Einkünfte zunahmen l). 

Auch behaupteten unter solchen Umständen die Kaufleute der deutschen 
Hanse, die ihre Gildehalle in London hatten, ihre Freyheitcn bey jeder Gelegen- 
heit mit allem Eifer. So hielten sie mit grösster Strenge darauf, dass keiner 
wegen eines Andern Schuld verhaftet würde; wir haben ein Paar sehr glänzende 
Beyspiele, wie sie das so unselige und so sehr verbreitete, später sogenannte 
Repressalien - Recht oder die Retorsionen von sich abzuwenden wussten. 

Eduard HL hatte um das Jahr 1344 einen Abgeordneten, den Meister Johann 
Piers, an den römischen Hof abgefertigt, der auf seinem Rückwege von einem 
gewissen Edmund von Berkling von Cöln gefangen genommen wurde. Der König 
hatte vergeblich durch einen andern Abgeordneten zu Cöln um Genugthuung an- 
halten lassen, und beschloss nun, bis zum Belauf einer gewissen Summe, Güter 
des Erzbischofes von Cöln, des Grafen von Loos und anderer Theilnehmer an 
jenem Friedensbruche in Beschlag nehmen zu lassen. Güter, die denen von 
Dinant^ Unterthanen des Bischofs von Lüttich, angehörten, wurden mit Beschlag 
belegt. Sie wurden aber wieder frey gegeben, als die Dinanter bewiesen, dass 
sie zu der deutschen Hanse in England und zu Denen gehörten, welchen das 
Haus in London zustand, welches die deutsche Gildehalle genannt ward 2). Die- 
selbe Aulhebung des angelegten Beschlages wurde noch zwey Jahre später in 
der nähmlichen Angelegenheit für sämmtliche Mitglieder der deutschen Hanse von 
dem Könige ausgesprochen, da sie ihr Vorrecht, liir Vergehungen dritter Personen 
nicht mit Haft belegt zu werden, vor dem Könige erwiesen hatten. ^ 

Noch glänzender war ein anderer Fall gewesen. Der König Eduard HI. fer-. 
tigte im 20^*®"* Jahre seiner Regierung in England (1346), ohne Zweifel auf 
Veranlassung eines damahls sich ergebenden, bald näher zu erwähnenden Vor- 
falles, eine Urkunde aus, welche ein Urtheil enthält, das schon zu seines Vaters 
Zeiten (1320) ausgesprochen worden war, und im Wesentlichen Folgendes aussagt.. 



1) A n d e r 8 o u /. c, ad a. 1362. 

2) ÜB. CLVH. Nachtrag z. J. 1346. S. 742. 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD, MIT ENGLAND. 303 

Ein englischer Kaufmann, Nahmens Adam le Clerc yon Lynn, hatte eines 
seiner Schiffe, le Plente genannt, in Poitou mit hundert Pfund Sterling Salz 
von dortcn, Lampreden von Nantes und einigen andern Gütern, bis zum Werthe 
von zwcyhundert Pfunden desselben Geldes, befrachtet, um damit nach St Johann 
von Perth in Schottland zu fahren und daselbst seinen Vortheil zu suchen, indem 
er die Güter den Truppen des Königs, die daselbst in der Festung lagen, zuzuführen 
beabsichtigte. Ein gewisser Heinrich von Reckinghausen und einige andere 
Uebellhäter von Greifswald, Stralsund und Lübeck, plünderten das Schiff auf der 
Fahrt dahin an der Küste zwischen Yarmouth und Blakeney, tödteten mehrere 
Leute in demselben, führten Schiff und Güter mit sich bis Aberdeen in Schottland, 
und verkauften daselbst die Waaren, Kleider und Tücher der Ermordeten, das 
Schiff aber führten sie zuletzt nach Stralsund und verweigerten die Zurückgabe 
dessel^^i mit der noch übrigen Ladung. Nachdem der König sich mit Schreiben 
an die drey Städte gewandt hatte, die ihnen durch den Bevollmächtigten des 
Beraubten überreicht wurden, welcher vergeblich die genommenen Güter oder 
deren Werth und Schadensersatz begehrte, so erliess der König den Befehl an 
seine Beamten zu Boston und Ravennes (in Yorkshire), alle Güter der Kaufleute 
jener drey Städte, welche innerhalb ihres Sprengeis gefunden würden, bis zum 
Belaufe von hundert Pfund, und an andere, dass sie in ihrem Sprengel dieselben 
bis zum Beiauf von zweyhundert Pfund mit Beschlag belegen sollten, doch mit 
Ausnahme der Güter der Kaufleute der deutschen Hanse, die zu London sich 
aufhalten; die Güter sollten zur erhaltenen Genugthuung des beraubten Eng- 
länders aufbewahrt werden, bis der König dereinst anders gebiete. Als nun 
darauf die Beamten von Boston verschiedenen lübischen Kaufleuten (daselbst) 
Stockfische bis zum Belaufe von ItX) Pfund, und die Beamten von Ravennes 
einem lübischen Schiffer dessen Schiff und verschiedenen lübischen Kaufleuten 
Stockfische, Bockfelle, Leder und Oehl bis zum Belauf eines Werthes von 
280 Pfund in Beschlag nahmen^ berichteten sie zugleich, die Gepfändeten hätten 
nicht den Einwand gemacht, dass sie von der Hanse der Deutschen, die zu 
London sich aufhielten, wären. Diese aber, deren Güter festgenommen worden, 
wandten sich an des Königs Canzley- Gericht und behaupteten, allerdings von 
dieser Hanse zu seyn, und beriefen sich auf die königliche Charter, die ihnen 
neuerlichst noch sey bestätigt worden, vermöge welcher sie und ihre Güter, 
innerhalb des Reichs und der Herrschaft des Königs nur allein wegen [einer 
eigenen Schuld oder wofür sie sich verbürgt hätten, nicht aber für fremde Schul- 




304 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

den, noch \vegen eines Vergehens, das sie nicht seihst begangen, verhaftet 
werden dürften ; sie baten desshalb um ein ihren Freyheiten entsprechendes Urlheil. 
Der Berauhte und sein Attorney wollten das Gegentheil beweisen. Darauf hatte 
der König die Sache vor sich nach London gezogen, weil, sagte er, daselbst die 
Kaufleute der Hanse vorzüglich verkehrten und die Kenntnisse über den Zustand 
der Hanse von fremden und einheimischen Kaufleuten am leichtesten zu erhalten 
wären. Die Sache ward vor dem Canzley- Gerichte des Königs im folgenden Jahre 
verhandelt und dahin entschieden, dass die, deren Guter in Beschlag genommen 
worden, allerdings zu der Hanse der deutschen Kaufleute gehörten, folglich deren 
Freyheiten sich zu erfreuen halten, Adam le Giere aber von ihnen keine Ent- 
schädigung zu fordern habe, dass er der Barmherzigkeit zu überlassen, die 
Beschlagnahme der Güter zurückzunehmen und den Eigenthümern wieder zu 
überliefern wären i). 

Ein günstigeres ürtheil war nicht zu erwarten, und welchen Werth die 
deutschen Hansen darauf legten, sieht man auch daraus, dass sie eine amtliche 
Abschrift oder Bestätigung dieses Urtheils von Eduard HI. sich geben Hessen. 

Man sieht zugleich aus dieser Urkunde, wie ausgedehnt der Handel der 
Deutschen hier seyn musste, da die Lübecker allein an mehrem Orten so viele 
Güter hatten; dass Stockfisch, Leder, Felle den grössern Theil dieser Güter aus- 
machten, auch Oehl, welches sie vielleicht aus Frankreich (wenn unter oleum 
Baumöhl, nicht Thran verstanden wird) einführten. Noch einige andere Gegen- 
st^de werden, als von ihnen daselbst eingeführt, nachher gelegentlich und im 
Einzelnen erwähnt, als Getraide, Wachs, Honig, Pelzwerk, Häringe und andere 
Fischarten, Tücher, Mühlsteine, Asche. Unter der Ausfuhr wird gelegentlich Wolle, 
Felle, Zinn und Bley genannt, allein noch Anderes mag dazu gekommen seyn, 
z. B. selbst Getraide; aber wie gewiss es auch ist, dass der Deutschen Verkehr 
zwischen Deutschland und England und dass der Zwischenhandel zwischen Eng- 
land und andern Ländern durch Deutsche betrieben bedeutend genug war, so 
lässt sich doch das Einzelne nicht vollkommen genau und urkundlich immer nach- 
weisen. 

Dagegen ist eine andere Urkunde uns aulbewahrt worden, woraus sich er- 
gibt, dass auch die englischen Zinnbergwerke theil weise mit Hülfe deutschen Ca- 
pitals betrieben wurden. Eduard HL bestätigte im 21'®" Jahr seiner Begierung in. 



1) ÜB. CLX. 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 305 

England (J347) einen Vertrag, den sein erstgeborner Sohn, der Prinz von Wales 
mit Tidemann Lymbcrgh auf einige Zeit abgeseilt ossen hatte, vermöge dessen er 
ihm die Zinnwerke von dem ganzen Herzogthume CornwaHis auf drey und ein 
Viertel Jahr zur Benutzung unwiderruflich überlässt. Doch soll es dem Tidemann 
frey stehen, wenn er früher abtreten will, auf Maria Himmelfahrt jedes Jahrs 
aufzusagen, an dessen Schlüsse er entbunden seyn will. Ihm steht das Recht zu, 
alles Zinn, welches in dem Herzogthume CornwaHis und der Grafschaft Devonshire 
gewonnen und verkauft werden soll, zu kaufen, er nimmt in der Zeit die Ein- 
künfte des Prinzen aus den Werken in CornwaHis und Devonshire ein, und legt 
davon in der Exchequer zu Weslminster Rechnung ab, ohne zu mehr gehalten 
zu seyn, und ohne dass man von ihm fordern dürfe, dass er bey grösserm Fleisse 
mehr habe erhalten können. Für die Ueberlassung der Werke zahlt er dem Prinzen 
vcm Johannis bis Michaelis 1000 Mark und für die drey folgenden Jahre jährlich, 
in drey Fristen, auf Ostern, Johannis und Michaelis 3500 Mark zu gleichen 
Theilen. Zweytausend im Voraus zahlt er für das erste Jahr u. f. i). 

Man sieht wohl, dass die Geldnoth vornehmlich dazu vermocht hatte, 
die Vorausbezahlung dringend war; und wiewohl einiges in der Urkunde dunkel 
bleibt, so ist doch einleuchtend, welcher Vortheil daraus für die Deutschen, die 
gleichsam in den Besitz dieser geschätzten Werke kamen, entstehen musste. 

Die vortheilhaften Verhältnisse der Deutschen in England gehen auch aus 
verschiedenen Erlassen des Königs Eduard IH. an seine Beamten zu London, 
Boston und Lynn im März und April d. J. J35l hervor. Durch diese befreyte er 
Sudermann, Job. Lange, Lubbert Losinge, Hermann Minter und andere Kaufleute 
der alemannischen Hanse von der baaren Entrichtung der neuen Zölle auf Wolle 
und Weine, sowie der Pfundzölle, unter Vorbehalt der alten Abgaben, und 
liess darüber nur eine gehörig beglaubigte Rechnung auf die K. Canzley senden. 
Wahrscheinlich hatten die Deutschen sich durch Vorschuss einer grössern Summe 
oder Lieferung von Weinen mit dem Könige vorher abgefunden 2). 

Doch drohte ein sich damahls zu Sluys in Flandern ereignender Vorfall 
den Deutschen in England sehr gefährlich zu werden. Einige hansische Kaufleute 
hallen dort die Hinrichtung eines englischen Kaufmannes Richard Curtoys von 
Bristol veranlasst 3) und heftig auf die englische Nation geschmäht. Der Mayor 



1) ÜB. CLXIIF. 

2) S. Urkunden im Nachtrage b. J. 1351. Bd. 11. S. 744. 

3) S. oben S. 240. «ud ÜB. CLXIX. 

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306 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

und die ConstaLler des englischen Stapels zu Brügge versäumten diese Gelegenheit 
nicht, um ihre Handelsnehenbuhler bey dem Könige von England in das nach- 
theiligste Licht zu stellen, und brachten es durch die in solchen Fallen gewöhn- 
liche Verfälschung des wahren Thatbestandcs dahin, dass er sogleich die Guter 
aller deutschen Kaufleute tn allen Gegenden seines Reiciies mit Beschlag belegen 
liess, mit Ausnahme ^derjenigen des oben angeführten Tidemann von Lymberg 
und des Oliver von Renlo i). Indessen gelang es den Deutschen in wenigen 
Wochen sich hinlänglich vor dem Könige und seinem Rathe zu rechtfertigen und 
die Rücknahme des erlassenen Befehles zu bewirken ^). Nur der früher so sehr 
begünstigte Hildebrand Sudermann wurde von der Theilnahme an dem könig- 
lichen Schutze ausgeschlossen , wovon wir die Gründe nicht ersehen können. 
Jenen wurde auch freyes Geleit bis zu Weihnachten d. J. zugesichert, um nach 
Flandern zu gehen, mit ihren dortigen Genossen sich zu bereden und mit den- 
selben nach England zurückzukehren, um des Königs Gunst ganz wieder zu ge- 
winnen. Dieser Schutz wurde bis Pfingsten und hernach bis St. Michaelis 1352 
verlängert, nahmentlich um rheinische Weine nach England einzuführen 3). Es 
scheint den Deutschen in England jedoch gelungen zu seyn, darzuthun, dass sie 
in keiner directen Verbindung mit der Hanse in Flandern standen, wie der König- 
in seinem desfalls an den Rath zu Hamburg erlassenen Schreiben zu erken- 
nen giebt. 

Was nun die Einrichtung der Niederlage der Deutschen und ihrer Ordnung 
unter sich in England zu dieser Zeit betrifft^ so haben wir vom J. 1303 eine 
Urkunde, die ausser dem früher Erwähnten und Bekannten, uns einige neuere 
Aufschlüsse gewährt. Diese Urkunde besteht in einem Schreiben des Aldermanns 
und der übrigen Brüder der Hansa Deutschlands in England an Rostock, worin 
sich dieselben auf ein früheres an die Stadt und an alle weslphälische Städte ge- 
richtetes beziehen. Den Wcstphalen erklären sie sich zu besonderm Dank ver- 
pflichtet, wegen Erfüllung des von ihnen gegebenen Versprechens, den Hafen 
Lynn in England nicht ferner zu besuchen. Sie klagen gegen Rostock, dass 
von andern Städten dieses Versprechen nicht gehalten würde. Zwey grössere 
Schiffe seyen jüngst von Stralsund, dann ein kleineres von Wismar nach Lynn, 



i) S, Nachtrag b. J. 1351. Jiil.3a Bd. II. S. 746. 

2) S. UV. 1351. Sept. 28 (2). Da» Schrelbea des Königes t. J.1352. May 7. in Nro.CLXXIl^. giebt }eiiem 
Befehl das Datum vom September 6* 

3) Nachträge z. J. 1352. Bd. H. S. 74a 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NffiDERD. MIT ENGLAND. 307 

dem gegebenen ^ Versprechen zuwider, gesegelt, wodurch ihr, der Hansabriider, 
Beschluss vernichlet würde. 

Es hatten nähmlich der Herr und die Vorsteher zu Lynn begehrt, dass 
der Aldermann und die Hansabrüder zu London vier der Angesehenem aus ihrer 
Mitte nach jener Stadt schicken möchten, zur Entwickelung der Gründe, weshalb sie von 
den Deutschen gemieden würde, von welchen sie dann begehrten, dass man ihnen 
diejenigen anzeigen solle, welche gegen die Deutschen gefehlt hätten, auf dass 
sie gestraft würden: da aber die vier Abgeordneten nicht hinlänglichen Bescheid 
deshalb geben konnten, so ward man über eine neue Tagfahrt in vierzehn Tagen 
zu Boston {Botensiene ^)) zu halten, einig, und die Hansabrüder lebten der Hoff- 
nung, dass Alles aufs Beste endigen würde. 

Die Genossen der Hansa klagen nun gegen Rostock, dass während dieser 
Zeit abermahls zwey Schiffe von Lübeck und eines von Stralsund nach Lynn ge* 
kommen seyen, wodurch bey den dortigen Bürgern die Meinung verbreitet wurde, das 
Verbot sey kraftlos. Die Hansabrüder stiessen nun die Schiffer und Kaufleute ^ die 
gegen den gemeinen Beschluss der Deutschen {commune promissum Teutonicorum) 
gehandelt hatten, aas ihrem Rechte und ihren Freyheiten, mit Ausnahme des 
Nicolaus Heringwyke und Johann von Aldervere, die auf dem einen lübischen 
Schiffe angekommen waren, tmd vor dem Aldermann und den Hansabrüdern 
zu Boston, auf die Frage, ob sie es vorzögen ausgestossen zu werden, oder 
Strafe zu zahlen, das Letzte wählten und deshalb Bürgen stellten. Die Strafe, 
beisst es femer in ihrem Schreiben, überliessen sie den Rostockern, bitten aber 
die Uebertreter der Vorschrift so zu strafen, dass Andere ein Beyspiel daran 
nähmen, und der Straf büchse der Deutschen ihr Recht erhalten werde. Sie 
unterstützen ihre Bitte mit dem gleichen Gesuche des gemeinen Kaufmanns von 
Westphalen, welcher ein solches Uebertreten des deutschen Uebereinkommens 
nicht ungestraft gelassen haben würde. Zuletzt werden die Gründe angeführt, 
welche sie bewogen hätten, den Verkehr mit der Stadt Lynn zu untersagen, die 
in mancher Beziehung merkwürdig sind. 

Zuerst nähmlich erwähnen sie: wenn wir, die Hansabrüder, nach Lynn mit 
Fischen, Tüchern, Honig und andern Waaren kommen, so wird uns der Tausch 
derselben gegen andere Waaren mit Fremden untersagt, wie man vormahls zu 



1) Der Nähme Botenstene ist sonst nirgends aufzufinden» wenn nicht in einer Urkunde Eduards III., worin 
iron dem Zolle zu BoteUtene die Rede ist. Rymer II. 105$« Der gewöhnliche I<{jihme für Boston» be- 
sonders für dessen Hafen, war St. Botulphi, 

Qq 2 



308 ZWEYTE ABTHEIL. GESCa DES HANDELS. 

thun pflegte; auch soll kein Kaufmann einem andern weniger als zehn Sliick 
[frusta) Wachses, tausend Stück Pelzwerk (operis), zehn Tonnen Stockfisch {rum^ 
bonis), zehn Fässer Wachs oder Asche verkaufen; also dass einem Unvermögen- 
den, der nur ein oder zwey Stück Wachs hat, die er einem Fremden überlässt, 
durch die Beamten das Gut aus der Wagschale hin weggenommen und als ver- 
fallen erklärt wird. Kommt ein Schiff von Norwegen mit Häring, und will ein 
Fremder kaufen, so wollen die Bürger es nicht erlauben, sondern das Vorkaufs- 
recht haben; desgleichen dürfen eingeführte Mühlsteine nicht aus der Stadt geführt, 
sondern allein von vier Männern , die zu diesem Behufe angestellt sind , verkauft 
werden. Haben die Deutschen Getraide gekauft, so wird es nicht erlaubt, das- 
selbe in einem Hause bis zu dessen Einschiffung niederzulegen. Haben die Bürger 
aber Fische oder andere Waaren von ihnen gekauft und in ihre Wohnungen 
geführt, so sollen die Hansabrüder daselbst ihre Bezahlung hohlen, wovon sie 
Manches behalten , aUo dass die volle Bezahlung nicht erfolgt Beym Kaufe geben 
sie den Gottespfenning darauf und empfangen die Waaren, finden sie aber, dass 
sie nicht dabey gewinnen können, so bringen sie die Sache zurück, woraus 
grosser Nachtheil entsteht; dasselbe findet Statt, wenn sie der Kaufleute Guter 
kaufen, die Zahlung aber über die bestimmte Frist hinaus verschieben. Eine 
andere Klage betraf die Hinwegnahme deutscher Güter zu einem wiHkührlich von 
ihnen gesetzten geringen Preis. So kamen ^ fahren sie in ihren Kbgen fort, im 
vergangenen Jahre 22 grössere Schiffe mit Fischen auf Michaelis nach Lynn, 
der König befahl zu seinem Gebrauche 40000 Fische ihm za verschaffen, worauf 
die Bürger die Kaufleute vorforderten und ihnen den Auftrag mitthcilten. Die 
Deutschen schlössen darauf ihre Häuser zu , die Bürger aber erbrachen mit Gewalt 
die Thüren, und nahmen so viele Fische, als sie wollten , ohne deshalb eine 
Gewähr zu leisten. Darauf ward über den Preis eine Untersuchung angestellt, 
und die Fische, die sieben Schillinge werth waren, wurden für sechs behalten, 
und bezahlte somit die Stadt nur vier Pfund Sterling für die Ladung zweyer 
Schiffe. Die Fremden mussten auch Mauergeld und doppelte Costume zahlen; 
und die Bürger Hessen ausrufen , kein Fremder dürfe Waffen tragen , sie selbst aber 
fühl ten dergleichen und schlugen die Deutschen damit am hellen Tage. Dieses Schrei- 
ben ist gegeben auf dem Markte zu Boston, in der gemeinen Versammlung (communi 
colloquio) der Kaufleute, unterschrieben als Zeugen von Johann Crispin, damahli- 
gem Aldermann und zwey Cölnem, zwey Dortmundern, zweyen aus Soest, 
Einem aus Münster, dann dreyen aus Lübeck, Einem aus Devcnter, Einem von 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 309 

Stralsund, Einem aus Rostock , im J. 1303 auf Maria Himmelfahrt und mit fünf-- 
zehn Siegeln versehen i). 

Diese Urkunde ist in mehr denn einer Beziehung merkwürdig; .sie enthält 
vor allen, die auf uns gekommen sind, die nähere Nachricht über die Einrich- 
tung der Niederlage der Deutschen in England in diesem Zeiträume, so wije 
Aufschlüsse über die Gegenstände des deutschen Handels und dessen Bedrückun- 
gen, welche die Städte in England ganz gegen den Willen der Könige ausübten. 

Am auffallendsten ist wohl, bey der Ausfuhr das Getraide aufgeführt zu fin- 
den, da England damahls kein kornreiches Land war, auch die Deutschen solches 
gewohnlich hier einführten. Allein es ist nicht nur wahrscheinlich, dass andere 
Fremde dort Getraide, welches die Deutschen aufkauflen, eingeführt hatten, son- 
dern es kommt auch in dem Handel mit andern Ländern beym Getraide vor, 
dass man bey missrathenen Erndten in der Heimath Getraide aus Ländern nahm, 
die man in gewöhnlichen Zeilen theilweise damit versorgte. 

Doch am merkwürdigsten ist die Urkunde in Bezug auf die Bildung des 
Vereins der Deutschen seihst in England und deren Verhältniss zu den deutschen 
Städten, um so mehr, da wir nicht wie in Flandern, über die Einrichtung der 
Niederlage und der Ordnung daselbst, und ihr Verhältniss zu den Städten, andere 
Urkunden besitzen. 

Wir wissen, dass zuerst einzelner deutschen Städte Kaufleute, dann mehrere 
oder alle gemeinschaftlich die deutsche Gildehalle in London inne hatten, dass 
ein Aldermann an ihrer Spitze stand, der ein Londoner Bürger seyn und von 
der Obrigkeit anerkannt werden musste, auch von ihr in Eid und Pflicht ge- 
nommen war; die Wahl desselben stand ihnen übrigens frey; vielleicht durften 
sie einen Landsmann wählen, welcher das Bürgerrecht der Stadt Londou er- 
worben hatte; der Nähme des hier vorkommenden Jacob Grispin lässt nicht mit 
einiger Sicherheit schliessen, ob er ein Engländer von Geburt oder ein Deutscher 
war. Wenn zu vermuthen ist, dass in dem Vereine der deutschen Kaufleute die 
Zulassung zu dem Genüsse der Freyheiten, welche die Gesellschaft erworben hatte, 
von ihr selbst und von dem Geburts- oder dem Wohnort des Ankommenden 
abhängig war, wenn er aus einer Stadt oder Gegend stammte, die zu der Verbin- 
dung, wie sie damahls seyn mochte, gehörte: so scheint doch laut einer frühern 
Nachricht, dass die Könige, wenigstens damahls, yon Zeit zu Zeit die Aufnahme 
und Zulassung der Einzelnen gut heissen mussten. 

1) ÜB. CXCII. 



310 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Die Gesellschaft nennt sich hier, mit geringer Abweichung^ von der Benen- 
nung, womit sie auch die Könige in den ihr verstatteten Freyheiten bezeichneten: 
Aldermaniv und Brüder der Hanse Deutschlands {Alemannie) in England weilend. 
Diese fassten Beschlüsse, und wie es scheint ziemlich unabhängig von den 
Slädten, mit welchen sie jedoch verbunden waren, und deren Mitwirkung sie 
bedurften um mehrere von ihren Beliebungen in den Städten aufrecht zu er- 
halten ; die spätere grössere Unterwerfung unter den städtischen Verein scheint 
indessen damahls noch nicht, gewiss nicht in der Maasse, wie späterhin, vorhan- 
den gewesen zu seyn. 

Von dieser Gesellschaft ist das Verbot des Verkehrs mit der Stadt Lynn 
offenbar ausgegangen , welches sie den Städten anzeigen ; sie begehren dessen 
Aufrechthaltung in den Städten und berufen sich auf das promissum Teutonicorum, 
commune promissum Teutonicorum ^ welches auf einen Beschluss vereinter Städte 
bezogen werden kann, oder auch nur auf die in England die Gesellschaft bil- 
denden Deutschen, welches Letztere das Wahrscheinlichere ist, da sie den west— 
phälischen Städten danken, dass sie den Beschluss aufrecht gehalten, und über 
Andere klagen, die es nicht gethan hätten. Wenn die Gesellschaft endlich sagt: 
der gemeine Kaufmann von Westphalen bitte Rostock mit Ernst gegen die Straf- 
fälligen zu Werk zu gehen; so kann man darunter einen Verein der Kaufieute 
dieser Provinz überhaupt, oder die daher gebürtig und Genossen des Vereins 
der deutschen Kaufleute in London waren, verstehen. Diese gemeinen westphäll-*- 
sehen Kaufleute, denen auch die von Cöln beyzuzählen, welche an der Spitze 
standen, sind am frühesten in den entfernten Gegenden nicht nur in England, 
sondern auch in Russland, Dänmark und in Holland die thätigsten, vor der Zeit 
des raschen Emporkommens der wendischen und der Seestädte, da unter den west- 
phälischen Städten die ältesten freyen -Gemeinden Deutschlands waren ; auch haben 
jene Kaufleute diese Urkunde nächst dem Aldermann zuerst und am zahlreich- 
sten unterschrieben. 

Der Sitz der Gesellschaft v^ar in London, von woher sie die Deutschen 
im Lande vertraten, auch mögen sie untergeordnete Gesellschaften der Art nebst 
Vorstehern schon damahls in andern Theilen Englands gehabt haben, wie sie 
dergleichen in andern Ländern und auch hier späterhin ganz gewiss hatten. Aber 
damahls war eine solche in Lynn gewiss nicht, denn sie, die Deutschen auf der 
Gildehalle zu London, sandten dahin 4 Seniores und discretiores aus ihrer Mitte, 
ein Ausdruck, der auch auf andern Niederlagen in den lateinischen Urkunden zur 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERP. MIT ENGLAND. 311 

Bezeichnung des Kaafmannsraths, der dem Altermann oder den Alterleuten zur Seite 
stand, vorkommt. Aber nach Boston hatte sich zum Markte der Altermann und der 
Kaufmannsrath begeben, welches auch in den Niederlanden der Fall war, um auf 
grössern Märkten des Landes oder der Nachbarschafl zugegen zu seyn, die Strei- 
tigkeiten beyzulegen, die Kläger zu vernehmen, und die Landsleute gegen die 
Eingeborenen in ihren Freyheiten zu schützen; sie hielten auch eine gemeine Ver- 
sammlung, commune coUoquium^ und fassten, wie zu London, ihre Beschlüsse i). 
Der Grundriss des Ganzen war bereits vorhanden^ obgleich er späterhin 
voUkommner ausgebildet worden ist, wenigstens haben wir nur erst aus spätem 
Zeiten davon Nachricht. Die Vnterwiirfigkeit dieser Vereine der deutschen Kauf- 
leute in der Fremde ist erst dann strenge geworden, als der Verein unter den 
Städten selbst sich enger geschlossen, und durch die vielfachen Hansetage eine festere 
gesetzgebende Macht in Bezug auf die auswärtigen Niederlagen sich gebildet hatte. 

Dass mit Schottland gleichfalls ein Verkehr von Seiten der Deutschen bestan- 
den habe, ist freylich keinem Zweifel unterworfen. Es erhellet diess aus einigen 
Nachrichten in bereits angeführten Urkunden, und wäre ohne sie leicht zu vcr- 
inuthen. V\'ir haben auch aus einer frühern Zeit, bereits vom J. 1297? eine 
Zusicherung der berühmten Anführer des schottischen Heers Andreas Murray und 
fFilliam ff^allace und der Gemeine (communiias) des Reichs überhaupt für die 
Städte Lübeck und Hamburg, mit der Erklärung, dass, da sie vernommen hätten, 
dass beyde Städte den Schotten geneigt wären und ihnen forderlich gewesen, 
sie ihren Kaufleuten bekannt machen lassen möchten, dass ihnen ein völlig freyer 
Zutritt mit ihren Gütern in ganz Schottland zustehen solle, da das Land durch 
Gottes Hülfe nun von der Gewalt der Engländer wieder befreyt sey 2). 

1) S. Urk. ▼• J. 1303. CXIIL Diese Urkunde kanii gegen das Yorhandenteyn eiuer Niederlage zu Lynii oder 
Boston nur bis zum Jahr 1303 «nicht iiir diese ganze Periode beweisen, während sie schon ein Zeugniss 
für die Lebhaftigkeit des hansischen Verkehrs in dieser Gegeud, welche der Stockfisch -Fischerey wegen 
schon früh besucht wurde» giebt» welche zur Einrichtung einer Nebenfactorey führen musste« Auch die 
Arrettanlegungen im J. 1319 geschahen hier« S. Urk. CLX. Für Lynn, In der Grafschaft Norfolk gelegen 
wird Jene noch mehr durch die Urkunde v. J« 1354* CLXXlIi>> welche Sartorius nicht kannte, bestätigt, 
so wie in der eben gedachten Urk. t. J. 1303 bereiu erwähnt wird , dass die Deutschen Häuser zu Lynn 
inne hatten, welche sie gegen die dortigen Bürger verschlossen« Der Vertrag zu Utrecht y. J. 1474« und 
mehrere Urkunden y. J« 1475 bestäligen die älteren Rechte der deutschen Hause zu Loudon auf die Ge- 
bäude zu Boston und Lynn. Der Stahlhof zu Lynn, am Fluss Lynn belegen» ist» was hier als ein wenig 
bekannter Umstand bemerkt werden möge, von den Hansestädten erst im Jahre 1750 an den dortigen 
Aldermann Edward Eterard ftr 800 Pf. St. verkauft worden. L. 

2) ÜB« LXXXVIir. und Nachtrag Bd. \L 8. 736. 



312 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS. 

Indessen mehr als dieses wissen wir kaum über den Verkebr mit diesem 
Lande; dass er von bedeutendem Umfange gewesen, ist nicht wahrschein- 
h'ch 1), schon dieses seltenen Erwähnens desselben wegen, und auch deshalb, weil 
so häufig Streit zwischen Schottland und England war, mit dem letztern Lande 
aber der vornehmste Handel von den Deutschen betrieben ward, und der Verkehr 
zwischen ihnen und Schottland oft wenig sicher seyn mochte 2). Diess mag auch 
die Ursache der häufigen Beraubungen gewesen seyn, die wechselseitig an ver- 
schiedenen Küsten und Meeren statt fanden, wie gelegentlich erwähnt worden 
ist, die zu so vielen neuen Störungen wiederholte Veranlassung gaben. Seeraub 
nannte es der beraubte Thell immer, wenn der Andere mit einem Dritten in Krieg 
dem Ersten die freye Fahrt auf seines Feindes Land nicht verstatten wollte; aber 
im Grunde befolgten Alle mehr oder weniger dieselben Grundsätze, und der freye 
Handel der Neutralen mit dem Feinde ward von Wenigen oder von Niemand 
geachtet, welcher die Macht hatte, auch auf diese Weise seinem Feinde zu scha- 
den 3). Eben so nannte man auch Soeraub, wenn nun der neutrale Theil, der 
zu Schaden gekommen war, ein Wiedervergeltungsrecht an denen übte, die ihm 
denselben zugefügt hatten. So beschuldigte man sich wechselseitig oft dieses Ver- 
brechens, ohne dass es eigentlich vorhanden war; die Beraubung entstand nicht 
so häufig aus freyem Enlschluss zu rauben , als vielmehr aus der verbreiteten An- 
sicht, dem Feinde auch dadurch zu schaden, dass man den Handel, auch den 
unschuldigen Handel der Neutralen, mit ihm vernichten wollte, und aus dem 
eben so verbreiteten Wiedervergellungsrechte derer, die dadurch zu Schaden ge- 
kommen waren. Wie häufig nun eben diess in Bezug auf die Schotten bey ihrem 



1) Auf dem hausischeu Beschlüsse Tom J. 1358. Fab. et Sebast. (ÜB. CLXXXIII.), welcher Auestate über 
deu gescheheneu Verkauf "vou Waareu iu Euglaud, Schottland und Norwegen verlangt» ausgestellt vou 
den Aelterleuten , oder in Städten "wo keine Aelterleute sind, von der Stadibehörde, folgern zu wollen, 
dass iu Schottland eine Niederlassung mit Aelterleuten vorhanden war, würde ohne fernere Belege £u 
rasch gcschlossea seyn» Z. 

2) Wenn in der Regel ein gutes Yerhältniss zwischen den Königen von England und den DeuUchen be- 
stand , das Gegeulheil aber zwischen den Schotten und den Erstem : so war diess doch nicht immer der 
Fall , wie zwey Schreiben des Königs Eduard II. von England v. d. J. 1309 an den Grafen !• von Namur 
und Robert Gr. von Flandern beweisen i in welchen der König über einige Schiffer, Est er ling^s genunut 
(aus dem östlich liegenden Deutschland), welche mit ihren Koggen jetzt im Swyu liegen, sich beschwert, 
die ihm und den Seinigen zu "Wasser und Land» in Schottland und au andern Orten Schaden zugefögt 
hätten« Der mündlich seinem Abgeordneten gegebene Auftrag mag dahin gegangen seyn, di« Schiffe die- 
ser Oesterliuge festzuhalten, UV. 1309< 

3) ÜV. 1295, 2. 



SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 313 

und der Deutschen Verhältniss zu , England eintreten musste, ergiebt sich von 
selbst Daher die häufigen Klagen der Deutschen über die Schotten, als See- 
räuber, und ähnliche Klagen von Seiten der Letztern über jene. 

So viel man weiss, haben auch die Hansen zu keiner Zeit in Schottland eine^ 
wenn auch noch so kleine Niederlage gehabt, in der Art wie die grosse und be- 
deutende, welche sie In England besassen: auch war auf dem allgemeinen Markte 
Flandern der Verkehr zwischen Deutschen und Schotten leichter, sichere^ und 
beyden Theilen bequemer. 

Die Schotten waren indess sehr thätig zur See ; sie kommen in den scandinavi- 
sehen Reichen, wie in den Niederlanden, auch in Deutschland vor, obwohl sie 
hier nicht leicht gern gesehen und zugelassen wurden, aus den angeführten 
Gründen und der sogenannten Seeräubereyen wegen. Im Uebrigen war ihr 
Verkehr demjenigen ähnlich , den die Deutschen mit England betrieben. Wolle und 
Felle, wurden von den Deutschen von Schottland ausgeführt, dagegen wurden 
vornehmlich Getraide, und ohne Zweifel andere Erzeugnisse ihres Bodens und 
Kunstfleisses so wie auch andere W^aaren, in der^n Besitz sie durch ihren Zwi- 
schenhandel gekommen waren, von ihnen dahin geführt. 



Auf eine ähnliche Weise bestand auch schon ein Handel mit Irland , welcher 
jedoch, so lange das Land den Königen von England unterworfen war, Störungen 
weniger ausgesetzt blieb. Die hamburger und lübecker Schiffsrechte des drey- 
zehnten Jahrhunderts setzen eine Schifffahrt nach Irland, wo Wolle gebohlt wurde, 
voraus, und Eduard I. im J. 1273 verhiess den fremden Kaufleuten daselbst 
sicheres Geleit zu i). Doch wird noch am Schlüsse dieser Periode durch Eduard III. 
bestätigt i)y dass nur wenige Fremde nach jenem Lande kamen und der Hanseaten 
oder der deutschen Kaufleute geschieht in den uns bekannten derzeitigen irischen 
Geschichtsquellen keine Erwähnung. 



1) Rymer I. 505. 

2) ürk. Y. J. 1356 bey Rymer IIL 344.: Mercatores aliegenat ad negotiandum in terra Hihemia communiter 



non accedunf. 



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