Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at |http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen.
GENERAL UBRARY
UNIVERSITY Of MICHIGAN.
THE
Hagerman Coliection
OP BOOK« RBLATIMtt TO
NISTORY AND POUTICAL SCIENCE
■OUttMT MTITN MONBY PLAOIO SV
JAMES J. HAGERMAN OF CLASS OF '61
IN
Profesfor Charles Kendall Adams
IN TMB WAR
1883.
00
\
}
G. F. S a r to r i u s cn^- '-' ./^^-<*-^,-''^ f>^"
Freyherrn von ff^aUershaufien
Urkundliche Geschichte
des Ursprunges
der deutschen. Hanse.
Herausgegeben
t*i
von
J. M. Lappenberg.
Erster Band»
Hamburg,
Tcrlegt TOD Friedrich Pertlief.
18 30.
H
^
V.
1.
<^
Den
frejen Städten
liübeck^ Bremen und Hamburg
weihen die Wiltwe und Kinder des Verfassers dieses letzte Werk seines Lebens ^
als ein Denkmahl unbegränzter Dankbarkeit und Verehrung.
Geschichte
des Ursprunges
der deatschen Hanse,
L
Vorwort
Dem Werke des verewigtDn Sartorius über die Geschichte des
hanseatischen Bundes ist seit seinem ersten Erscheinen im Jahre 1802
durch sehr allgemeine Anerkennung eine Stelle unter den ausge*
zeichnetsten Leistungen über deutsche Geschichte angewiesen wor»
den. Erfreulich ist es die Würdigung zu betrachten, welche dem-
selben durch die damaligen Zeitgenossen zu Theil wurde, nament-
lich durch Johannes von Müller^), denjenigen Geschichtsforscher,
welcher zur Beurtheilung desselben, durch die ausgebreitete Runde,
welche er vom Mittelalter besass, vorzüglich berufen war* Wirk-
lich darf auch noch heute Deutschland sich weniger Werke rüh-
men, in welchen treflBüche Gesinnung und ein in jenen Tagen gar
seltenes, eifriges Studium urkundlicher Quellen mit einer so glückli-
chen Anwendung der Einsicht gegenwärtiger Staats - und Lebens-
verhältnisse auf die Darstellung der Vergangenheit sich in ähnli-
cher Maasse vereinigt finden.
Die Lücken und Unvollkommenheiten seines Werkes waren je-
doch Niemanden weniger verborgen als dem Verfasser, welcher sich
damals vergeblich bemüht hatte, den Zutritt zu denjenigen Archiven
zu erhalten, welche die wichtigsten für seinen Gegenstand schienen
und der die Schwierigkeiten der Benutzung selbst mancher der ge-
druckten Quellen der Städtegeschichten vielfach erfahren hat. Als
aber nach aer völligen Umgestaltung des ehemaligen deutschen Rei-
ches der Zutritt zu vielen städtischen Archiven und die Benutzung
der in denselben enthaltenen reichen historischen Fundgruben von
den Behörden ohne Schwierigkeiten gestattet wurde, auch nach der
i) Seine Becension, zuerst abgedruckt in der Jenaer allg« Literatur - Zeitung t. J. 1804» fin*
det sich in seinen Werken Th, XL S« 1-25-
VIII
Befreyung des Vaterlandes mit der bessern Ver%valtung ein neubeleb-
tes Interesse an deutscher Gescihchtsforschung erwacht war : so säumte
Sartorius nicht seine besten Hräfte einer solchen neuen Bearbeitung
des sich angeeigneten Stoffes zuzuwenden, welche er das Werk sei-
nes Lebens mit gerechter Freude nennen dürfte. Die zahlreichen
Mittheilungen, welche die grösstentheils von ihm selbst durchsuchten
Archive, besonders von Lübeck und Colin, dann aber auch von
Hamburg, Bremen und anderen ehemaligen Hausestädten, ihm
darboten, so wie' andere, die durch be&eundete und für sein Thema
begeisterte Gelehrte, unter denen H. von Schröter zu Rostock
vor allen hier zu nennen ist, ihm überlassen Avurden, häuften sich
jedoch bald so sehr an, während dennoch so vieles andere fehlte
und genauster Nachforschung bedurfte, dass Sartorius schon vor ei-
nigen Jahren seinen Plan der Umarbeitung auf die Geschichte des
tJrspnuigs der Hanse , in derjenigen Periode , welche in dem ersten
Theile des altern Werkes dargestellt wird, also bis zum Jahre 1370,
beschränkte. Dieser Entschluss schien dem Interesse der Wissenschaft
um so entsprechender, da die mitzutheilenden zahlreichen Urkunden
üiid Acten, für deren diplomatische Zuverlässigkeit nicht ohne grossen
Zeitaufwand beym Abschreiben und Vergleichen Gewähr geleistet
werden kann,^ vielfacher Sprach- und Sach- Erläuterungen bedurften,
deren Auffindung bey der Grösse des Schauplatzes, auf welchem die
ersten einzelnen üeime der Hanse hervorsprossen und der Geringfü-
gigkeit dessen, was für allgemeine Handelsgeschichte bisher vorgear-
beitet ist, unermüdliche Anstrengungen uHd den* stets geschärften
Blick der umsichtigen Kritik bey Benutzung der vorhandenen Hülfs-
mittel in Ansprucn nimmt Auch sind die späteren Zeiten der
Hanse in seinem älteren Werke bereits so ausfuhrlich geschildert,
dass das Bedürfniss einer neuen Bearbeitung desselben vielleicht
imr von einigen hanseatischen Geschichtsfreunden für einzelne Ab-
theilungen desselben empfunden seyn mag ; dagegen für die er-
wählte Feriode die reiche Masse der zu liefernden bisher unbekann«
ten Urkunden für die Geschichte aller Länder des nördlichen
Europas neue Aufklärungen darbietet, w-ährend die Geschichte des
hansischen Bundes selbst ein in Klarheit und Fülle anschauliches Le-
ben gcAvinnt. Was Sartorius leistete, um hier allen Ansprüchen zu
genügen, welche die seit seinen früheren Bildungsjahren sehx umge-
staltete Wissenschaft fordert, davon können zahlreiche Gelehrte ein
ehrenwerthes Zeugniss ablegen, wie namentlich G. F. Benecke,
Den
fpeyen Städten
Lübeck^ Bremen und Hamburg
weihen die Wittwe und Kin<ler des Verfassers dieses letzte Werk seines Lebens^ seinem
Wunsche gemäss, als ein Denkmahl unbegränzter Dankbarkeit und Verehrung.
IX
Jacob Grimm, C. v. Schlözer, deren mitwirkende Bemühmigen
und Belehrungen öffentlich anzuerkennen, der Herausgeber als einen
heiligen Auftrag des Verfassers glaubt betrachten zu dürfen, so wie
andere , deren an den geeigneten Orten dankbar gedacht ist Beson*
ders wird den gelungenen Bestrebungen die Geschichte des ältesten
deutschen Handels nach Russland au^uklären, ehrende Anerkennung
nicht versagt werden dürfen.
Wenn Sartorius in der Sammlung und Bearbeitung der Urkun-
den bewährte, wie gewissenhaft er seinem Gegenstande und der "Wis-
senschaft jeden neuen Gewinn zuzuwenden strebte: so wird ihm um
so weniger verdacht werden , wenn er in der Darstellung sich an den
von ihm bey der ersten Bearbeitung dieses Stoffes dargelegten mid
als 55Aveckmäfsig erprobten Grundsatz hielt, lediglich die Geschichte
des Vereines darzustellen, nicht aber die derselben verwandte Ge-
schichte einzelner Städte und Reiche in jene zu verweben. Der Ge-
schichtsforscher wird sogar nicht nur für letztere, sondern auch für
jene manche in der kurzen Geschichtserzählung nicht benutzte Aus-
beute finden, so wie namentlich es ihm überlassen bleibt, die in
manchem Betracht anziehenden und unschwer verständlichen Recesse
der Hanse, glaubwürdiger und inhaltsreicher, als sogar eine gleich-
zeitige Chronik es zu seyn vermag, selbst ferner zu benutzen.
Ziweck und Behandlung det nachfolgenden Werkes waren nicht
allein genau bestimmt, sondern die Abhandlung schon entworfen, die
Urkundensammlung im Allgemeinen geordnet und von beiden ein
beträchtlicher TheD. bereits abgedruckt (jene bis zum Bogen O, diese
bis zum Bogen 23), als den hochgeachteten academischen Lehrer und
Geschichtsschreiber der Hanse ein unerwarteter Tod der schönsten
Wirksamkeit entriss und ihm den Genuss euies edlen Bestrebens, das
theure Werk seines Lebens vollendet zu sehen, raubte. Der nun-
mehrige Herausgeber des hinterlassenenManuscriptes, dem die letzte
Revision des Verfassers noch fehlte, liefs sich zur Ue bernahme dieses
allerdings schon an sich lästigen und durch die Entfernung vom
Druckorte sehr erschwerten Geschäftes bewegen, theils durch die
Betrachtung, dass die f^'iiere Bearbeitung der Urkunden am zweck-
massigsten dort besorgt ^vürde, wo viele Original - Urkunden und
glaubwürdige Abschriften, Avie in Hamburg und in dem benachbar-
ten Lübeck vorhanden sind, theils durch die sich ergebende Schwie-
rigkeit einen Gelelnrten zu finden , welcher mit cler vorliegenden
Masse von Einzelheiten und verschiedenartigen Beziehungen der
Geschichte der Hansestädte ohne zu grossen Verzug sich würde ver-
traut machen Avollen, während einem hansestädtischen Archivare diese
Anstrengung als verhältnissmässig gering erscheinen durfte. Vor
allem jedoch sprach bey ihm hier das Interesse, Avelches er seit frü- i
heil Jahren dem Gegenstande selbst, so wie seit mehreren der Arbeit
des emsigen Forschers, der viele durch ihn aufgesuchte und erläu-
terte Urkunden von ihm erhalten und über manche wesentliche An-
sicht 1) sich mit ihm verständigt hatte, zu widmen pflegte. Da Ab-
weichungen von dem Plane des Verfassers wenig Avünschenswerth und
zuweilen unthunlich waren, so hat der Herausgeber in dem erzählen-
den Theile wenig hinzugesetzt und nur geändert, wo jener, wenn
darauf aufmerksam geworden, es unstreitig selbst gethan haben würde:
mehr jedoch, wenn gleich mit derselben Rücksicnt, bey den Urkun-
den und Recessen, deren Bearbeitung Sartorius noch nicht abgeschlos-
sen hatte und welche noch viele Ergänzungen, Vergleichungen und
Erläuterungen erforderte. Diesen seinen Antheil an dem Werke je-
desmal näher zu bezeichnen schien dem Herausgeber bey seinem en-
gen Verhältnisse zu demselben unnöthig, so wie unmöglich; nur an
einigen sehr ^venigen Stellen, welche auf einer von Sartorius abwei-
chenden Ansicht beruhen, ist solches in den Anmerkungen angedeu-
tet. Im Allgemeinen \vird derjenige, dem daran liegen sollie, den
Antheil desselben an dem von Sartorius unvollendeten Theile des
Werkes aus demjenigen, was er in den Nachträgen zu den bey Ue-
bemahme desselben bereits gedruckten Bogen hinzugefügt hat, er-
messen können, so wie auch aus der Nothwendigkeit , welche sich
ergeben hat, das auf einen Band berechnete Werk nunmehr in
zwey^ Theilen erscheinen zu lassen. Bey dem Abdrucke der Urkun-
den ist die ^rösste Genauigkeit zum Gesetze gemacht; wo es möglich
War, sind die von Sartorius gesammelten Abschriften mit den Origi-
nalen neu vergUchen und sind diese buchstäblich abgedruckt; woher
häufig die grosse Ungleichheit der Schreibart und oft selbst der Wort-
bildung, welche in manchen Urkunden sich findet, hat wiedergege-
ben werden müssen ^); nur bey einigen ganz neuen, offenbar unge-
1) Namentlich die von Sartorius nunmehr durch manche neue Urkunden bestätigte Ansicht
da£s der Hansebund zunächst yon den Vereinen deutscher Kaufleute in der Fremde ausging
und dass die deutschen Sl/idte sich erst später zu dem gemeinschaftlichen Schutze dieser
Facloreyea vereinigten« In aller Kürze hatte ich gelegentlich diese Ansichten augedeutet in
den Berliner Jahrb. f. wissensch. Kritik.« i828- Fehr* S.291* u.flgd.
2) So finden sich in der Urkunde t. J. 1346. ü. B. S, 407. im Originale die Formen sal,
scal und schal ; venlniss und uengniss; dritticJi und dertich; in anderen uolumus und
- j
iiauen Abschriften, deren Originale nicht mehr verglichen werden
konnten, hat der Herausgeber sich zuweilen einige aus der Verglei-
•' ^ -hm bekannten gleichzeitigen O^ " ^ ""^ ^ ^ ^
itiffungen erlaubt Dagegen 1
jHinzutugung euier lur gen
entbehrliclien, doch hoffentlich nicht lästigen Interpunction, das Ver-
ständniss der Urkunden zu erleichtern.
Seine Bemühungen aus anderen Archiven , als dem hamburgischen
das Urkundenbuch mit Einschaltungen und Zusätzen zu bereichern,
sind, mit wenigen Ausnahmen, nicht sehr glücklich gewesen; unter
diesen Ausnahmen sind vorzügHch die durch die Güte des Herrn
Professor Michelsen zu Kiel, damahls zu Copenhagen, erhaltenen
Urkunden, auf \velche der Herausgeber durch Suhm's Geschichte von
Däniiiark aufmerksam geworden \tar, zu nennen. Es hat sich hiedurch
auf eine ausgezeichnete Weise bewährt, mit \velcheni Eifer Sartorius
die ihm zugängHchen Archive benutzt hat, wie denn namentlich zu
Lübeck, wo Herr Professor Grautoff für den Herausgeber mit ge-
übtem Auge und unermüdUcher BeharrUchkeit neue Vergleichungen
von Urkunden und fernere Nachforschungen anzustellen die mit in-
nigem Danke anzuerkennende Güte gehabt hat, nur wenig Erhebli-
ches aufzufinden gewesen ist. Die Sammlung der Urkunden für die
ältere Geschichte der Hanse möchte denn vielleicht, so weit \venig-
stens die Archive der grössern Städte des Vereines sie liefern können,
als geschlossen anzusehen seyn, wenn nicht zu hoffen stände, dass
die jetzt dargebotene der Anlass zu und der Leitfaden bey neuen
Nachforschungen werde , besonders in den Archiven mancher weniger
wichtigen MitgUeder des Bundes, so \vie derer, welche ausserhalb
Deutschlands lagen, von denen nebst anderen die Stadt Campen
eine sehr hervortretende Stelle in der älteren CJeschichte des Bundes
einnahuL
Die erste Entstehung desselben wird jedoch in städtischen Ur-
kunden nie vollständig nachzuweisen seyn, da sie auf allgemeinen
Verhältnissen jener Zeiten beruht, welche Sartorius nur sehr Kurz oder
gar nicht berührt hat* Es wird daher dem Herausgeber, verstattet seyn,
sie, mit einigen anderen verwandten, die in der Sartoriusschen Abhand-
lung gegebene Darstellung erläuternden oder ergänzenden Bemerkungen,
ifolumuSf cruis Cime; sogar die Eigennamen finden sich in derselben Urkunde Tersclüe*
den geschrieben, i^ia Rozstock und Roatol; Luhyhe und Lubeie u.a. Vgl* auch Auin.
z. Bd. U. S. 492*
b *
XII
welche in dem von. ihm revidirten Theile des Werkes und den Zu-
sätzen keine passende Stelle gefunden haben, in diesem Vorworte
kurz zu entwickeln.
Es ist vor allem der Mangel an Einheit der Nation gewesen,
welcher die Städte des nördlichen Deutschlands, me früher Italiens,
gross gemacht hat, und jene zu der Entstehung der Verfassungen und
V ereine führen musste , welche den kräftigen Sinn der Bürger ^ähr-
ten und den vollen Genuss des Er\vorbenen ihnen zu sichern ver-
mochten. Wenn es den Landbe^volinern auch zuträgUch blieb, den
Vereinigungspunkt, \velcher in den Landesherren gegeben war, zu
erhalten undf zu befestigen: so verstanden jene Städte denselben in
sich selbst zu finden und auszubilden, deren freye Verfassungen m den
kleinen Gebieten beschränkter Fürsten und Grafen schneller und
frischer aufblühen konnten, als es unter dem Scepter willkührlicher
und mit den Nachbarn in steten kostspieligen Fehden verAvickelter
Könige mögUch war. Unter ähnlichen Vortheilen der natürhchen
Lage, bey nicht geringerer SchifFfahrtskunde , in demselben frucht-
baren Zeitpunkte, wo alte liraft und Ausdauer mit neuen Bildungs-
stoffen sich vereinten, gelangten dennoch die Seestädte mancher an-
derer Reiche nicht zu ähnlichen Vortheilen, wie die deutschen,
oder Hessen sich die bereits errungenen >vieder entreissen. Die eng
vereinten deutschen Städte dagegen wussten nicht nur sich zu erhal-
ten und zu bereichern, sondern auch die Zinsen, welche das von
den Missionaren nach dem Norden gebrachte Pfund christlicher Lehre,
so wie die Besiegung der Wenden trugen, sich anzueignen, und diese
Gebenden mit den Schätzen und Waffen, welche jene selbst ihnen
gehefert hatten, zu beherrschen, während sie durch Befestigun]
christHcher Lehre und Sitte, so ^vie Verbreitung der Cultur um
regsamen Handelsverkehres als einer der mächtigsten Hebel der Bil-
dung und belebenden Industrie in der Weltgeschichte erscheinen.
Der Ursprung der Hanse ist in zwei verschiedenen, weiui gleich
nahe verwandten Thatsachen zu finden, den Vereinen deutscher
liaufleute im Auslande, und den einzelnen sich allmäUch ausdehnen-
den Bündnissen der Städte im nördlichen Deutschland. Letztere sind
mit so vieler Sorgfalt und einem so reichen Schatze von MateriaUen
in dem vorliegenden Werke untersucht, dass es zwecklos seyn würde,
hier noch weiter über das hohe Alter der Vereine der wendischen und
anderer durch die gemeinsame, von dem lübecker Vorbilde entlehnte
Rechtsverfassung verschwisterten Städte, so wie ähnliche Verbindun-
XII
gen zur Erhaltung des Landfriedens, die stets engere Anschliessung
verschiedener Städte an einander und deren verschiedenartige Zwecke
sich verbreiten zu wollen. Da auch diese sich auf schriftUche
Urkunden begründeten, so wird bey dem etwa noch Verniissten der
beste Weg der Forschung seyn, jenen femer nachzuspüren. Anders
verhält es sich mit den vereinen der Deutschen im Auslande , welche
nicht auf Bundbriefen beruhen, nicht durch geräuschvolle Thaten die
Aufmerksamkeit der Chronikenschreiber auf die Entstehung ihres
still thätigen und rasch bewegUchen Daseyns lenken konnten, son-
dern die lediglich durch tieferes Eingehen in die Verhältnisse und
Ansichten älterer Zeiten zu erläutern sind, und also ferneren Raum
für AvissenschaftUche Untersuchung übrig lassen.
Die Ansicht des früheren Mittelalters , dass ein Jeder, ohne Rück-
sicht auf Landesrecht, nach dem Rechte seiner Nation zu richten sey,
hat sich auch in den spätem Jahrhunderten desselben erhalten, Avenn
gleich, als nicht mehr Völkerstämme umherzogen, den Fremden in
jeglichem Lande bey ihrer geringen Anzahl die Ausübung ihrer Rechte
oft unmögUch werden musste, Avemi ihnen nicht wie der GeistUchkeit
durch besondere Vorrechte des Standes, oder den zum Land-, Deich-
und Bergbau herbeygezogenen Colonisten durch Privilegien, \vobey
auch der Juden zu gedenken ist, die Erhaltung ihrer erwählten oder
ererbten Rechte gesichert war. Bey der Seltenheit des Verkeh-
res hätte der ^vandemde Kaufmann auf die Erhaltung des ihm an-
:ebomen Rechtes wahrscheinUch ganz verzichten müssen, Avenn lucht
lern Grundsatze nationaler Rechte verwandt, in dem beruhig-
ten und im Frieden sich entfaltenden und gliedernden Europa der-
jenige der Autonomie sich geltend gemacht hätte, ein Grundsatz, ohne
welchen der Handel nirgend und zu keiner Zeit gedieh. Wenn da-
her sogar die zwischen den binnenländischen, einheimischen und
fremden Kaufleuten entstandenen Streitigkeiten nach kaufinännischen
Gewohnheitsrechten entschieden wurden ^) ; so musste dieses viel mehr
1) S. goldne Bulle für Bern t. J. 1218« "DisceptaCio Inf er burgenses et mercatores pro con-
suetudinario iure niercatorum et maxime Colonienstum diiudicetur," und die Statuten
belTetischer Städte in Dreyer's Beitrügen S. 50 u. 80« ** Queriraonia inier mercatores
nostros de rebus suis iuxta consuetudinea suaa iibere eain et secundum iura aua inter
ipsos concordent/' Freybrief Edward !• vou England v. J. 1303: Omnes BaJiui et ministri
leriarum — inercatoribus — celerem iasticiam faciant de die in diein, sine dilalione, secunduin
L/egem merccUoriam de uniuersis et singulis, que per eandein legein po(erunt terminari.
S. unten ü, V. 1303. 1. AehnlicheBeyspiele sind in den Trivilegien der Messen in Franlt-
retcb| 60 wie den I(alienischen Statuten zu finden.
XIV
beym Seehandel geschehen, durch welchen Kaufleute in grössere
Gesellschaften zu gemeinschaftlichem Schutze gegen Seeräuber, und
Unterstützung in Kämpfen gegen die Elemente, wie auch häufig
gegen die Eingebornen der besuchten Länder vereinigt wurden. Im
südlichen Europa stellt sich diese allgemeine Erscheinung bey der
Wohlhabenheit und Macht der dortigen Städte in Factoreyen dar,
welche jede einzehie bedeutende Handelsstadt in den Häfen des we-
niger gefährlichen Mittehneers besass ^), so wie auch hier Vereini-
;ungen zu Seefahrten ^) üblich waren, welche gemeinschaftliche
jwecke voraussetzten und zu autonomischen Bestimmungen führten«
Im Norden mussteu diese Verhältnisse sich anders gestalten. Die
langsamere Entwicklung der Bildung und des Verkehres, die Ver-
schiedenheit der Meere, der Einfluss des rauhen Klimas und langen
Winters, die Unbedeutsamkeit der Seestädte, welche kaum von
den häufigen üeberf allen der Normannen und der Wenden sich befreyet
fühlten, alle diese Ursachen erschwerten die Bestrebungen der Ein-
zelnen und machten ein engeres Anschliessen der Kaufleute, selbst
derjenigen aus verschiedenen Städten an einander zu Handelsreisen
erforderlich. Wir finden daher zu Venedig, wie zu Wisby und Now-
gorod Vereinigungen der gesammten deutschen Kaufleute, und wenn
zu London und in den flandrischen Städten, wo selbst die südeuro*
päischen Kaufleute nur in Nationen getrennt erscheinen, Cöln und
einige andere wohlhabende deutsche Städte im Namen aller Deutschen
auftreten, so kann eine bedeutende Abweichung von dem allgemeinen
Handelssystem hierin nicht erkannt werden. Die Nothwendigkeit
dieser Vereine erklärt sich nicht hinlänglich aus der Verschiedenheit
der Sprache, Münze und der Handelsgebräuche, ^velche in den
meisten germanischen Ländern des nördhchen Europas zur Zeit der
Entstehung der Hanse eine grosse Uebereinstimmung und allgemei-
nere Verbreitung besassen, als in späteren Jahrhunderten sich erhal-
ten hat. Dagegen war der Rechtsgang mit seinen selten wiederkeh-
renden ungebotenen Rechtstagen und dem schwerfälligen Beweisver-
fahren, nicht minder als die Verschiedenheit der Wehr- und Sühn-
gelber Fremden und dem Verkehre sein: abschreckend Ein Zusam^
1) So die Niederlagen der Amalfilaner zu Falermo, Messina nnd Syracas, der Genneser in
Messina, der Tisaner i379 in Tripolis, 1182 in Accon, bald darauf in Joppe und Tyrus^
der Yenelianer in Palermo u. andern Orten« S« Leo Gsch. d. iialien. Staaien U. 142» 179*
2) Tardessus Collection de lois mariümes I. 168- 219*
XV
menlreten der Laiidsleute musste auch um so eher statt finden, wo
die Kürze des Sommers, die Länge der Reise in kleinen SchüFsge-
fässen und die Unvollkommenheit der compass- und kenntnissloseii
Schifffahrt, die Langsamkeit des Ein - uiid Verkaufes , wozu Ort und
Gelegenheit erst aufzusuchen waren, so wie der Eintreibung der Schul-
den, wo alle diese Umstände den Fremden häufig eine Ueber^yinterung
nothwendig machten, und durch dieselben die Möglichkeit entste-
hender Streitigkeiten^ Todes - und Erbfälle sich vergrösserte und die
Errichtung gemeinschaftlicher Morgensprachen, Kassen, Begräbnisse,
Capellen eriorderlich wurde , so wie fiir die Waaren die Anschaffung
eigener Speicher im Haupthafen nebst Plätzen und Brücken zum
Anlanden in demselben, so wie Wohnungen für die Landsleute und
was sonst der auf seine «gnen Mittel zurückffe\viesene Handelsver-
kehr erheischte. Zugleich oedurften die zußülig Vereinten gemein*
samer Aelterleute, den heutigen Handelsconsuln entsprechend, welche
alle diese Anstalten leiteten und verwalteten, so wie die erworbenen
Privilegien genau kennen sollten, besonders zur Vertretung ihrer
Landsleute bey Entrichtung der Ein - und Ausfuhr - Zölle , deren
höchstverworrene Tarife häufig verändert wurden* Hier ist aber
besonders hervorzuheben, dass auch an den Orten, wo alle die ge-
dachten Bedingungen einer Factorey nicht vereinigt waren, dennoch
die Anstalt zum Rechtsprechen unter den Landsleuten sich findet*
In Bergen bemerken wur Aelterleute, während über andere gemein-
same Einrichtungen der Deutschen kein Beweis darUegt; in England
sollen die Deutschen das Jus Theutonicorum zu einer Zeit, wo nur
einzelne Städte Privilegien daselbst besassen, erhalten *); in Now-
gorod hatten sich die durch ihr Recht getrennten Grothen und
Deutschen erst später zu einer gemeinsamen Residenz vereinigen kön-
nen, während die durch das Interesse oft getrennten, aber rechts-
verwandten Niederländer mit den Deutschen lange vereinigt, erst
in späteren Zeiten sich von denselben abgesondert zu haben scheinen*
In \Visby finden wir in den ältesten Zeiten kein Vorherrschen ei-
ner einzelnen deutschen Stadt, und wenn in Schonen auch schon
früh Lübeck zu besonderem Ansehen gelangte, so deutet theils die
dort vorhandene alte Einhebung und der Rurchhof der Deutschen 2)
auf frühe Vereinigung derselben an diesen Rüsten, theils möchte das
1) S, ZusStzB S. 723.
2) S. ü. V. i280- 3.
XVI
Hervortreten des lübecker Vogtes unter den Bürgern der mit lübschem
Rechte begabten Städte, eben so wie die frühe Nahmhaftigkeit der
durch die weite Verbreitung ihrer Handels -Rechte sehr hervortreten-
den Cölner in London, gerade einen neuen Beweis dafür darbieten,
dass die gemeinsame Rechtspflege das ursprüngliche Motif der hansi-
schen Factoreyen enthält* Nur in den Niederlanden sind vielleicht
keine Vereinigungen der Deutschen in der ältesten Zeit nachzuweisen,
so sehr alt die Hansen einzelner Städte und die Zollbestimmungen
für die Deutschen auf Gothland daselbst sind, ein Umstand, welchen
durch die nähere Verwandtschaft der Anwohner der Küsten der
Nordsee unter einander zu erklären, unbedenklich scheint
Eine nähere Andeutung verdienen ferner in ihrem Verhältnisse
zum Hansebunde die Gilden der Kaufleute in ihren heimathlichen
Wohnsitzen. Es lag in der ganzen germanischen Verfassung, dass
gleich anderen zu gemeinsamen Interessen Verbundenen, auch die
Kaufleute sich in Gilden oder Hansen, welche Ausdrücke hier als
gleichbedeutend zu betrachten sind, sich bildeten, und zwar in den
altern Städten unter der an gewisse Leistungen geknüpften Genehmi-
gung der Landesherren ^). Am häufigsten finden wir diese in Eng-
land, wo jene altdeutsche Verfassung sich überhaupt am längsten in
ihren Grundzügen erhielt ^), dann auch in den Niederlanden* In
manchen Fällen ist es diese Kaufmannsgilde gewesen, welche das
älteste Markt- und Stadtrecht sich verschaff'te, und daher den Verein
der gleichberechtigten Bürger bildete, aus welchen der Rath aus-
schliesslich gewählt wurde, zu dessen Theilnahme die landesherrli-
chen Dienstleute, so wie ^ die Handwerker in solchen Städten erst
i) Hieber gehört auch die Urkunde des Bischofes Bernhard V. Ton Paderborn für die Bür-
ger der g]eichbenannlen S(adt v.J. 1327) "worin er unter andern alten Gerechtsamen der-
selben aufzählt: habont ius, quod hanse dicitur, de quo nobis soluuut annuam pensioncin.
S. Wigand Zeitschrift f. Gsch. u. Allerthumskunde Westphalens III. 219. Wenn gleich
der Aubdruck Hanse gewöhnlich nur von Innungen der Kaufleute gebraucht wird, so fin-
det er sich doch zuweilen auch auf diejenigen der Handwerker übertragen : wrie im Mühl-
hauser Statute See. XIIL
2) Ausser den unten S.73. und in Hüllmann's Slä'dtewesen 1.322* angeführten Kaufraanns-
gilden, sind noch nachzuweisen: gilda luercatoria zu Winton 1190) welche nach der
antiqua lex civitatis behandelt werden sol]; Kyiner I. 50; ferner zu Oxford, nach deren
Vorbilde Yarniouth im J. 1208 eine ähnliche erhielt^ s. das« iOO« Seneschalli gildae mer«
catorum zu Bristol werden im J. 1240 genannt; s. Barett history of Bristol. 516. ^ach
Madox history of the Exchequer cap. XI. p. 288 und Firma Burgi Cap. I. Secl. 9. sollen
1227 dergleichen zu Liverpool gewesen seyn. Anderson in der Gesch. d. Handels fuhrt
sie an zu Winchester 1189) Heiston in Cornwallis 1201 und Andover in Hampshire 1205*
XVII
durch spätere Umwälzungen gelangten. Es lassen hier sich die Belege
dieser Ansicht nur kurz andeuten, welche aus den altern Nahmen
von Hansa- und Gildehäusern statt der späteren Rathhäuser, der ge-
setzlichen Vereinigung des Raths-- und des Gildeschreibers in demsel-
ben Individuum und ähnlichen Verhältnissen zu entwickeln sind *).
Diese kaufmännische Aristocratie , welche sich vor den übrigen
Einwohnern geltend machte, zeigte sich vor allen in den Städten, welche
den ergiebigen Seehandel trieben^ und beschränkte sich zuweilen auf
diejenigen Kaufleute, welche den bedeutendsten Handelszweig sich an-
geeignet hatten , wie z. B* die Londoner Hahse der Bürger zu Dam-
me 2). Die ganze Stadtverfassung war durch die Sommerreisen der
Kaufleute modellirt: die grossen Versammlungen der Gemeinde, die
Verlesung der Burspraken, die Tage der Rathswahlen waren wegen
der Sommerreisen der Kaufleute auf die für die Schiflffahrt unbequemen
Zeiten verlegt; der Rath, wenn gleich meistens ausschliesslich aus
Kaufleuten zusammengesetzt, fasste keinen Beschluss in Handelsangele-
genheiten, wenn die Mehrzahl'der übrigen Kaufleute verreist war ^), Bey
der Ausdehnung der Städte und Vermehrung des Verkehres musste
jedoch die Gilde durch ihre Allgemeinheit bald an Bedeutung verlieren,
und ihre in der freyen Verfassung wichtigsten Rechte wurden dem
Rathe, zu v/elchem auch andern Bürgern der Zutritt eröffnet war,
übertragen. Häufig wurden daher die Gilden durch Gesetze unter-
drückt ^), doch haben sie sich, wenn gleich der Bedeutung mehr
als der Form nach umgestaltet , in den scandinavischen Reichen
bis zum heutigen Tage erhalten* In manchen der landesherrlichen
Gewalt strenger untergebenen Städten erblicken wir sie jedoch länger,
als in anderen; wo sich auch die, anfänglich von dem Landesherrn
ihnen gewöhnlich vorgesetzten Hansegrafen finden.
1) S. K. Kanuts Gildeßcr© Art. 43« in K. Anchers saml. Skrifler III. 232. Di« Campana
Convivii zxx Schleswig war was sonst die städtische Banuglocke heisst. Script, rer. Da-
nie. IL 611. Das St. Marien Gildehaus zu Bergen war die dortige Dingstätte. S. Bor-
gens Gamle Bylov ed. Fougner-Lundh. Das älteste Stadtei*bebuch Ton Hamburg gedenkt
gleichfalls bey d. J. 1248- 1258 eines Gildefaauses und domua conpivii, des nachberi-
gen Schafferhauses (s. Staphorst Hainb. Kirchen * Gesch. Th. 2* S. 103* 104 u. 6l4.) und
eröffnet uns dadurch einen lehrreichen Blick auf die älteste Verfassung der Stadt.
2) S. unten S. 73.
3) S. Dorlrechter Urkunde t. J. 1250-60 im Tfachtragc Bd. II. S. 7l6.
4) S. Kopenhagener Stadtrecht v. J. 1294. Art. 4. in Script. Rer. Dan. VII. 86. Bremer Urk.
▼• J. 1322* in C a s s e r s ungedr. Urk. S. 466*
C
XVIII
Der Nähme eines Grafen der Hanse, welcher sich zu Bremen,
Middelburg, Regensburg und Wien findet, während nirgend ein Gil-
degraf oder Graf der Kaufleute genannt wird, deutet in der städtischen
Verfassung auf ein hohes Alter und geschehene Uebertragung ehemah-
liger aus den Hofrechten entsprungener Verhältnisse auf die Bürger.
Der Hansegraf zu Regensburg war ein von denselben erwählter
Meister oder Oldermann, welcher deren Rechte und Gewohnheiten,
zu denen auch die Zölle gehörten, auf den Märkten im Auslande
vertrat, in der Stadt aber nur mit Beystimmung der Bürger Einrich-
tungen treffen durfte *). Die Nachrichten über die Middelburger Hanse
sagen deutlich , dass sie sich auf den ausländischein Handel und
die Schifffahrt von Osten und Westen her bezog. Diese Bezie-
hung auf den Grosshandel hatten auch die mercatores hansati zu
Paris 2), so wie zu York im J. 1200 die Gilda mercaria, Krämer-
;iide, von den Hansen der Bürger in den Ländern des Königes,
"Ingland und Normandie, unterschieden wurde.
Eine urkundliche Erwähnung der Hansegrafen zu Bremen vor
d. J. 1395 ist zwar bisher nicht aufgefunden, doch wird einer Hense
schon in den Statuten dieser Stadt v* J. 1303 gedacht 3). Dass aber
auch hier die Hanse sich ursprünglich auf den Handel mit den Frem-
den bezog, beweist die Urkunde des bremischen Erzbischofes Siegfried
v.J. 1181 *), welcher die Erhebung der gleichbenannten Abgabe , ^ so
weit sie ihm zukam (quae ad nos respectum habuit), erliess; ein anderer
Theil derselben fiel wahrscheinlich wie in Middelburg an die Mit-
glieder der Gilde. In demselben Sinne befreyete Graf Philipp die
Bürger von Damme in allen seinen Städten von der Abgabe, welche
seine Beamten (Boden, comites) Hanse nennen, und Kaiser Friedrich I.
die Lübecker von einer vom Zolle unterschiedenen Hanse in Sachsen,
l) Url. T. J« 1207- Hanisgraae de officio soo jura et consoetudlnes ipsorom in nundinis re-
^uirat^ et si infra ciuilatein is aliquid ordinäre disposuerit, id nonnisi secunduin civilia
iiistitota et ex consensu urbanorum fiat. Dieser uraf der Regensborger wird bereits ia
der Bestätigung aller Rechte derselben auf den Märkten zu Eiins erwänt. S. Urk. y. J.
1190 in Orig, Guelf. T. UL Fraefat. p. 30. Unter andern Regensburgischen Beaiulen
wird der Hansegraf auch erwähnt i23& n* 1258« S. Ried Cod. dipK episc. Ratisbon.
2) Urk. T. 1204. 8. unten S. 74. K- 3.
3} S. bey Oelrichs S.54. Wil he oc en copman wesen, so scal he rer scbellinge gheuen
Tor sine hense; ther scal sinte victor hebben den dritten deeh Sl. Victor wird als d^r
Nähme einer Badstube zu Bremen nachgewiesen, yermuthiich war jedoch demselben Hei-
ligen früher ein Altar Ton den vereinten Kaufleuteu geweiht,
4) ÜB. y. und Nachtrag zu derselben Bd. II. S. 712.
XIX
so wie die Fremden von einer Hanse zu Lübeck. Diese Abgabe scheint
nun aus dem Vorhergehenden dahin zu bestimmen zu seyn, dass sie
von dem einheimischen Bürger für die Zulassung der Gilde der aus-
wärts handelnden Kaufleute entrichtet wurde, von den Fremden aber,
welchen keine Vorzüge vor denen des Ortes gestattet werden sollten,
für die Erlaubniss dasplbst Handel zu treiben, wodurch sie in die
Gilde traten ^) oder deren Mitgliedern gleich berechtigt wurden, so
wie noch heute in einigen Staaten durch Erlegung einer Patentsteuer.
Daher findet sich denn auch diese Abgabe nicht nach dem Werthe
oder M aasse der Handelsgegenstände , sondern als persönliche Abgabe
in einer für jeden Berechtigten gleichen Summe bestimmt* Für die
Hanse der Cölner zu London wurden 2 Schillinge entrichtet, für die
der Lübecker 5 Seh. ; zu Bremen 4 Seh. , zu Middelburg 3 l/2 Seh,
(von welchen 42 Pf. die Hanse nur 2 Pf. erhielt), welcher Ertrag,
gleich dem anderer ursprünglich aus dem Hofrechte entlehnten Abga-
ben, dem Landesherrn und später theilweise oder ganz den damit be-
lehnten Gilden oder Städten zufiel. Die Befreyung von der Abgabe
genannt Hanse wird auch nur in den ältesten städtischen Privilegien
erwähnt, hernach aber, bey ihrer Geringfügigkeit, derselben nicht
mehr gedacht.
Es sey uns jetzt gestattet, auf die Nachrichten zurückzukommen,
welche über die Hansegrafen zu Bremen im J. 1395 uns aufbehalten
sind, welche die offenbar älteren Verhältnisse dieses Amtes entweder
i) Wie zu Paris in die Societas francisca. So worden auch im J« 1127* vom Grafen Wil-
helm Ton Flandern die Bürger zu St. Omer, welcbe nach dem deutschen Reiche handeln
wollten, Ton jeder Errichtung einer Hansa befreyet, d. h. zu St. Omer, nicht aber im
ganzen deutschen Reiche, in welchem der Graf keine Abgaben erlassen konnte* S. Ducange,
wo noch andere Nachweisungen aus flandrischen Urkunden v* J* 1164« 1201« u. a. über
Hansa, in der Bedeutung einer Abgabe von Handel sich finden« Dass für das auf römischen
Inschriften gelesene Wort ansarium, aurarium zu lesen sey, habe ich früher bemerkt*
S* Berlin. Jhrb. f. wissensch* Kritik. 1828* S. 291 u. 639« Zur yollsländigen Zusammen-
stellung der Bedeutungen des Wortes Hanse, gehört auch noch die so benannte Strafe
der Cölner Air fremde Kaufleute, welche das Verbot in ihre Stadt zu kommen übertra*
ten. Erzbischof Conrad -von Cöln sagt in einer Urk* a. 1359* Al^y 9* Quicunque aulem
talium mercatorum secus ^el in contrarium facere Tel fecisse ab aliquo cive coloniensi fuit
deprehensus, ab ipso cive impune et licite arrestari et puniri poterit more antiauo, secun-
dum qnod Yulgo ifansen Tocalur, quod taliter fieri consuevit, quod ciTis coloniensis mer*
catorem in tali excessu a se depreheusum calamo Tel junco vel aliquo simili ligamento
ligabit etc* Eine ganz ähnliche Beschreibung dieses Gebrauchs findet sich in der Urk. K.
Karl IV* bey Ducange h. y« Vielleicht ist der pravus abusus mit welchem die Cölner
und ihre Genossen die Lübecker in England belästigten, etwas Aehuliches (s.UV* 1226. 20$
und ist hier auch die Abstammung des Wortes hänseln zu Sachen*
c *
XX
angeben, oder abändern* Es werden in deni Denkelbuche dieser
Stadt 1) als deren Aemter, nachdem sie Mitglieder des Rathes bil-
deten, angegeben: 1. Die Annahme und Beeidigung der Bürger und
die Ver\vahrung des Bürgerbuches. Dieses Geschäft möchto als ein
ursprüngliches zu betrachten seyn, so fem die Bürgerschaft oder
Bürgergilde von der Gilde oder Hanse der Raufleute ausgegangen ist*
2. Sie sollen von dem Bürgergeide die Wege ausserhalb der Stadt
machen lassen und in der Stadt über die Strassen das Regier haben.
JDiese Function trifft mit der des Hansegrafen zu Regensburg überein,
welcher mit den Kaufleuten über den Zustand der Strassen zu Lande
und zu Wasser berathschlagte ^). 3. Es wurde denselben die Füh-
rung des Denkelbuches übertragen, welche früher den Kämmerern
oblag, für welche Arbeit ihnen das Hansegeld und dagegen den Bürger*
meistern von dem Bürgergeide 2 Mark jährUch als Ersatz für das
Hansegeld, welches diese von Alters her zu erhalten pflegten, gegeben
wurde. Diese ursprüngliche Verbindung, \venn nicnt Identität, der
Bürgermeister und der Hansegrafen scheint unsere Meinung über die
frühere grosse Bedeutung der letzteren in den kleinen Anrangen des
städtischen Hreises sehr zu bestätigen.
In den Städten, welche auf freyere Verfassung begründet waren,
wozu im Allgemeinen wohl die enghschen Städte zu rechnen sind,
finden sich keine der Hanse ^) oder Gilde vorgesetzte Grafen, son*
dern Oldermannen derselben, wie bey den Hamburgern und Lübeckern
in dem auch von Bremen angenonmaenen ältesten Schiffrechte, wo-
bey jedoch es zu bemerken ist, dass der Nähme ihrer Hansen nur
im Auslande, nie aber in städtischen Beziehungen nachge^viesen ist.
Die Vereine der nach gewissen Gegenden handelnden Raufleute bil-
deten hier ursprüngUch keinen Bestand theil der städtischen Verfas-
sung, AVie etwa die Gilden der Wechsler und Handwerker, und sie
^varen nur in so fern geschlossen, als der Bürger einer Stadt, welcher
nach London, Utrecht oder andern Orten, wo seine Mitbürger eine
i) S« über dasselbe Denelen über die Rolandsä'alen in Bremen. S. 28*
2) Ueber die letzteren s. besonders Urk« t. 1281* in Gemeiner's RegensborgiscLer Chronik
S. 4l4* und daselbst S. 556 und 562«
3) Es ist nicht zu übersehen, dass der Ausdruck Hansen in allen Zelten Air die Mitglieder
einer Hansa oder Hense, Hansebrüder oder Kaufleute von der Hanse nie vorkommt. Wenn
daher das deutsch -lateinische Zwitterwort Hanseaten verworfen wird, so lässt sich der
Ausdruck Hansen für die zur Hanse Berechtigten, die Hansischen, durch sein Alter gleichfalls
nicht füglich rechtfertigen«
XXI
Hanse errichtet hatten, dort gewisse Bedingungen zur Aufnahme
zu erfüllen hatte. Die Verfügungen dieser Hansen bedurften jedoch
bald einer Bestätigung des heimischen Gesammt Vereines, um die Be-
schlüsse der Morgensprache gegen die Widerspenstigen auszuführen,
so wie um eine z^veyte Instanz in dem städtischen Obergerichte oder
Rathe für jene begründen zu können. Die Hauptbestimmungen die-
ser Hansen waren, wie \vir aus den vorhandenen Nachrichten deuthch
schüessen können, die Erhaltung des National- oder neueren Stadt-
rechtes so \vie der autonomischen Verfügungen, femer die Haltung
der Morgensprache unter dem von den Hansebrüdern er^vähnten
Oldermanne und die Obacht für die gemeinschaftlichen Handels - Inter-
essen der Hansebrüder. An diese Knüpfte sich auch die Sorge für
geistliche Anforderungen, die Stiftung von Messen, Erhaltung eines
*riesters, eine Grabstätte für die im Auslande Verstorbenen, so
^vie femer die Ausführung geselliger Zwecke während des Aufenthaltes
im fremden Lande. Diese Privathansen haben sich noch lange nach
der Bildung der grossen Hanse erhalten, wie nahmentlich von Ham-
burg sich nachweisen lässt, welches vor 1270 Hansen zu Utrecht und
Ostkerken bey Sluys besass, und wo wir die Statuten der hambur-
gischen Haufleute zu Stavern v. J. 1380, derer zu Amsterdam v. J.
1384, so wie beider bereits v. J. 1365 kennen, so \vie derjenigen zu Sluys,
welche wir früher in Ostkerken fanden und welche hernach den all-
gemeinen Nahmen der Flanderfahrer erhielten, v. J. 1402, wo noch im
16ten Jahrhunderte eine hamburgische Capelle vorhanden war *).
Wenn gleich die Hansebrüder keinem ihrer Mitbürger den
Handel nach einem Orte verwehren konnten, da die Handelsprivile-
gien gewöhnUch vom Rathe und der ganzen bürgerUchen Gemeinde
erworben \vurden, so musste ihnen dennoch die Aufnahme in ihre
freye Genossenschaft im Einzelnen überlassen bleiben, um so mehr
da bey längerem Aufenthalte an den einzelnen Orten sich häufig die
Hansen ein Vermögen in Grundstücken erworben und andere Ein-
richtungen und Stiftungen errichtet hatten, zu deren Grenusse anderer
Theilnahme ohne Einschränkung zuzulassen sie nicht verpflichtet
werden konnten* Auch Fremde wxurden zu diesen Hansen theilweise
Belassen, wie Kaiser Friedrich IL 1226 von derjenigen der Cölner,
riüeler und deren Genossen in England die Zulassung der Lübecker
i) lieber diese hamburgisclie Hanse In Sluys s. Sartorius Gesch. d. Lans. Bondes Bd. II.
S. 562* Ueber Greifswalder Kaufinaons^esellschaflen s. UV. 1356«
XXII
verlangte; und wie die Aufnahme des. Hamburger Schiffrechtes bey
den Bremern unter fortbestehender Appellation von der Hanse in
Flandern nach Hamburg zu bewe'isen scneint
Je mehr die Hansen im Auslande einen ausschliessenden Cha-
rakter behaupteten, desto mehr mussten auch die Theihiehmer dersel-
ben sich in der Heimath aneinander schliessen, welche nicht minder
durch die Gefahren der See zu gemeinschaftlichen Fahrten vereinigt
wurden; doch waren hier in der Regel die Verbindungen viel loser^
und zum Theil junger, durch geistliche Brüderschaften, Armenkas-
sen, gesellige Vereine, gemeinschaftUches Botenwesen veranlasst; selten
durch Vereinigungen zu städtischen Pflichten, me die gemeinschaftliche
Theilnahme an der Vertheidigung der Stadt zu Wasser und zu Lande,
oder auch durch gemeinschaftliche Bevorrechtigung, Alle bisher auf-
gefundenen Nachrichten über dergleichen durch den Handel nach irgend
einem besondem fremden Lande vereinte Brüderschaften in den
deutschen Städten sind nicht älter als die letzte Hälfte des l4ten Jahr-
hunderts, und also um vieles jünger als die Nachrichten vom Handel
dieser Städte nach den ausländischen Coraptoiren. Es scheint daher
auch irrig, die ältesten Nachrichten über das Entstehen der kaufmän-
nischen Vereine in den einheimischen Archiven dieser Gesellschaften
guchen zu w^oUen, wenn dieselben gleich für die mittlere und spätere
Zeit reichhaltigere Nachrichten, über die Hanse darbieten können.
Diese Hansen der Einwohner einzelner deutscher Städte im Aus-
lande waren eine Abweichung von dem alten Rechte der Deutschen.
Die ausgeschlossenen Städte versuchten, wie wir es von Lübeck bey
der Cöhier Hanse in London so eben erwähnt haben, ihre Auf-
nähme durch kaiserUche Gebote oder andere Mittel zu erzwingen,
und da diese nicht gelangen, verschafften sie sich bey den fremden Lan-
desherren das Recht eigene Hansen zu errichten. JDieses Mittel führte
bald zu den gewünschten Vereinigungen, wie wir in England aus der
Urkunde v. J. 1282 deutlich erkennen. In Flandern und Holland
müssen andere in der Natur des dortigen Handels liegende Gründe
;ewirkt haben , um die Existenz einzelner ParticuUer - Hansen zu er-
lalten, weiui gleich die Unterordnung derselben unter den allge-
meinen Verein der deutschen Kaufleute zu Stande kam. In Wisby,
so wie Nowgorod ist nach allen vorhandenen Nachrichten die Ge-
meinschaft der deutschen liaufleute iiie durch Hansen einzelner Städte
gestört worden; in Norwegen und Schweden oder Dänmark eben
so wenig; nur in Schonen hat der Besitz einzelner Vitten für den
XXIII
Heringsfang einzelne Städte allinälig zur Erriemiung besonderer Vogte
und Errichtung abgesonderter Gesellschaften gefüLrt. Dass in jenen
Ländern die Deutschen in den ältesten Zeiten keine Zölle und Gil-
denabgaben zu entrichten hatten , ist aus der für die Russen, Gothen,
Normannen und andere westliche Völker zuweilen ausgesprochenen
;egenseitigen Vergünstigung wahrscheinlich, und erklärt zugleich, wie
\ey einer solchen Gleichstellung aller Deutschen keine Separat- Han-
sen bey jenen Völkern entstanden,
"Wenn das Zusammentreffen deutscher Haufleute im Auslande
zu Vereinigungen unter denselben führte , so mussten sie auch bald
zu der Wanrnehmung gelangen, dass einzelne unter iluien, deren
Stadt für manchen Handelsverkehr nicht geeignet lag , sich an
die Eiinvohner der vortheilhafter gelegenen Städte näher anzuschliessen
hatten. Wir müssen uns vergegenwärtigen, wie in dem damahligen
Handelsverkehre, der Haufmann aus dem Binnenlande mit seiner
Waare über Land und Sand zog, um selbst mit einem in einer fer-
nen Hafenstadt gemietheten Schiffe auf den entlegenen Markt zu
schiffen. Auffallende Denkmähler dieser Kindheit des Verkehres sind
die Privilegien gegen das Strandrecht, welche Landstädte, wie Soest, sich
erwarben, so wie das Erscheinen von Bürgern aus Münster, Dortmund
und andren biiuienländischen deutschen Städten in Gothland und Now-
gorod ; bey deren AnbHcke wir jetzt verwundert glauben möchten, dass
einst sogar der Dichter , welcher sicilische Schiffe in Prag landen liess,
auch nicht so sehr geirrt haben möchte. Es war daher ein grosser
Fortschritt des Handels, als die binnenländischen sich näher an die
der See und den grossem Strömen anwohnenden Kaufleute schlössen;
worauf hernach die desfallsiffen Verträge einzehier deutscher Städte
unter einander erfolgten, weiche nicht nur die Aufnahme und Be-
günstigung der Bürger der einen Stadt in der andern bezweckten,
sondern auch deren Vertretung und Gleichstellung mit den eigenen
Bürgern im Auslande. Waren gleich in den ältesten Zeiten die
Deutschen als Nation stets vereint aufgetreten, woher für die deut-
schen Kaufleute besonders in England und Flandern der Nähme der
Mercatores Imperii Romani sich erhielt, so mussten mit dem Empor*
kommen der Städte Trennungen und Bevorzugungen einzelner die-
ser Genossenschaften statt finden, wie oben erwähnt ist. Diese
Städte gelangten daher bald dazu, in ihrem Nahmen für ihre Bürger
oder einzelne derselben, diejenigen Rechte geltend zu machen, wel-
ciie der ganzen Nation zukamen. Das weite Band der grossen
XXIV
sich nunmehr vereinzelnden Gemeinschaft unter dem germanischen
Kxiegsbefehl war zerrissen, und die ersten Emporkömmlinge in der
neuen Handelswelt, welche die Nationen verband, Avaren es, Vielehe
auch die National • Einheit Avieder herstellen sollten. Daher denn die
vielen Verträge, welche im I3ten Jahrhundert geschlossen wurden
von einzehien Städten für ihre Bürger und ihre Gäste (hospites,
socii, omnes quos sibi adiunxerint, qui in eorum iure sunt), deren
\vir besonders von Hamburg, als der den Eibhandel vorzugsweise
beherrschenden Stadt viele besitzen i), weshalb auch noch in denselben
alle Eibfahrer (omnes ex Albea veliiicantes) 2) besonders einbegriffen
werden ; Avährend für die Theilnalime an dem Ostseehandel die Land-
städte weniger beschränkt \varen, und durch die grosse Freyheit des
Handelsverkehres in den nordischen Reichen die Vertretung einzel-
ner Städte seltener in Anspruch zu nehmen seyn konnte. Besonders
merkwürdig ist in dieser Beziehung der Vertrag der Hamburger mit
den Dithmarschen, v. X 1265., in welchem den Gästen binnen einer
gewissen Zeit anheimgestellt wird, die von jenen festgesetzten Be-
dingungen anzunehmen oder zu verwerfen 3). In einem ähnUchen Ver-
hältnisse zu dem Handel auf dem Rheinstrome stand bis zu der Ver-
sandung der Mündung desselben die Stadt Cöln.
Eine Folge dieser Verhältnisse war die Ertheilung der Rechte
der Hamburger, Lübecker, Cölner, in fremden Ländern an andere
Städte , da denselben die Rechte , welche sie sich als Gäste jener ohne-
hin zu verschaffen Avussten, zu versagen, unnütz gewesen seyn würde.
Mit der Entstehung und Ausbildung des Commissionshandels musste
freylich für die binnenländischen Städte der Werth des Bundes, be-
sonders der ursprünghche Zweck desselben verschwinden, welche
Umgestaltung des Handels jedoch nui^ sehr langsam vor sich ging*
Jene Verbrüderung der alten sächsischen und westphäUschen Binnen-
städte mit den Ostseestädten wurde nach der Schlatht von Demmin
im J. J164, wo die wendische Herrschaft durch Herzog Heinrich
den Löwen in jenen Gegenden vernichtet war, und eine neue christ-
liche Cultur an dem baltischen Ufer schnell emporblühen konnte, mög-
^i»« * «
1) In dem durch K. Friedrich 11. im J* 1189 der Sladt Hamburg ertheillen Privilegium werden
rücksichtlich des Slader Zolles unterschieden: das Bürgergut und die bona hospitum, wel*
che die Hamburger seewärts einführen.
2) Urk. 1266* ^on Zierikze und Vorne im Ifachtrage Bd. II. *S. 724*
3) S. Nachtrag 2. J. 1265 9 so wie die Verträge Hamburgs mit den Herzogen ron Sachsen-
Lauenbnrg, den Hadelern, Wurstfriesen u. a. t. J. 1236) 1241) 1299* etc.
XXV
lieh und für das Fortbestehn des alten Handelsverhältnisses nothwen-
dig ; wobey durch deren Entstehung auch die südelbischen und nieder-
ländischen Städte zu der Rolle «er Vorfechter des Reiches gegen
Slaven, Dänen und andere nordische Völker mit berufen ^vurden.
Auf die Verhältnisse der Gäste in einzelnen vorragenden Städten
des Bundes und die damit verknüpfte Erwerbung von Privilegien
im Auslande durch letztere für die von ihnen vertretenen Städte,
ist vielleicht auch die merk\vürdige Eintheilung der Hanse-
städte in drey Abtheilungen: das lübsche und ^vendische
Drittheil, das der Westfalen und Preussen, und das gothländische
begründet. Es ist erweislich, dass diese Eintheilung in den flan-
drischen Niederlagen schon früh bestanden hat, wo sie zuerst und
lange Zeit hindurch allein klar ausgesprochen sich findet. Bey dieser
Ansicht lässt sich voraussetzen, dass Hamburg, ^velches in den Nieder-
landen schon so sehr früh mit Lübeck vereint erscheint, zu dem
Lübschen Drittel stets gehört habe; doch kann dieses Verhältniss
urkundUch im J. 1356 nachgewiesen ^verden i). Das Alter dieser
Eintheilungen ist sehr dunkel. Eine von Sartorius wie es scheint
dafür angeführte und in das 13. Jahrhundert gesetzte Urkunde gehört
einer spätem Zeit an ^).
Sehr auffallend erscheint darin die Verbindung der westphäU-
schen mit den preussischen Raufleuten, ^velche nicht wie die anderen
Abtheilungen durch die Nachbarschaft ihrer Städte zu erklären ist.
Dennoch haben sie gemeinschaftlich in Flandern einige Privilegien
erworben, von denen jedoch das älteste mir bekannt gewordene erst
vom J. 1340 ist^). Doch scheint aus denselben hervorzugehen,
dass auch diese Verbindung nicht auf einer willkürlichen auf den han-
sischen Niederlagen gemacfiten Eintheilung, sondern auf altern Han-
dels - und Schutzverhältnissen beruhte und vielleicht durch die Ver-
bindung cölnischer Erzbischöfe mit dem deutschen Orden veranlasst
war. Die Erwähnung der Raufleute Westphalens in einer Urkunde
der deutschen Hanse in England v. J. 1303 auf eine solche dort be-
reits befestigte Eintheilung zu beziehen, möchte bey ermangelnder
fernerer Bestätigung noch voreilig scheinen. Eher möchte die Ver-
einigung der sächsischen Städte , welche wir unter den übrigen
1) Sartorias, welcher es für die vorliegende Periode bezweifelt (s. unten S. 85)? Iwmte die
Urkunde CLXXXIb nicht.
2) Dem Jahre 1377. S. Nachtrag zur Urkunde LXXIV. Bd. II. S. 734.
3) UV. 1340, 3. UV. CXLVIU. CLXI.
d
XXVI
Kaufleuten des römischen Reiches in J. 1309 in Flandern besonders
ausgezeichnet erblicken i), uns zu erkennen geben, wie die später als
ordiiungsmässig bekannten Verein« und Verbrüderungen der deut-
schen Kaufleute verschiedener Städte und Landesherren schon damals
auftraten. Nicht miwahrscheinlich ist es jedoch, dass die ganze Ein-
theilung von dem Vereine der deutschen Raufleute au£ Grothland
ausgegangen ist, in -welchem^ bey seiner Ausdehnung, eine Gliede-
rung nacTi Ländern schwerhch lange ausbleiben konnte. Es ist des-
falls nicht zu übersehen, w^enn in den Verhandlungen über die
Appellation von dem von Gothland ausgegangnen Hofe zu Nowgorod,
die Städte Sachsens und Slaviens, so \vie Westphalens und Preussens
neben einander gestellt werden, welche schwerlich für zufälUg zu
erklären sey n möchte und demnach nach der Erwerbung der Privilegien
der nach Gothland handelnden Raufleute des römischen Reichs 2) bereits
von diesen nach ihren flandrischen Niederlassungen gebracht seyn mag.
Aus diesen Vereinen deutscher Raufleüte m der Fremde, ^vie in
der Heimath entwickelte sich der hansische Städtebund, "welcher ein
so wirksames Beförderungsmittel und eine so mächtige Stütze für
die Ordnung, das Besitzthum und die Freyheit, zunächst dem nörd-
lichen Europa geworden ist. Er entstand, der Ausdehnung sowohl
des Z^veckes als der Theilnehmer nach, so allmälig, dass ein An-
fangspunct der Hanse gewiss nicht an2Higeben ist. Die Verbin»
düngen der Städte in der letzten Hälfte des l4ten Jahrhunderts stel-
len die Hanse freylich in ihrem ganzen Umfange und ihrer vollen
Ausbildung dar , doch beruhen sie grösstentheils , abgesehen von
den Vereinigungen der Kaufleute auf Gothland, zu London, Now-
;orod und in Flandern, welche ohne Genehmigung ihrer Stadtr
Behörde nicht bestanden, auf älteren Vereinigungen, deren Runde
durch wenige, sehr vereinzelt stehende Nachrichten auf uns gelangt
ist Ausser den von Sartorius bereits benutzten Urkmiden ist hier
noch auf das merkwürdige Schreiben des Erzbischofes von Bremen
an die Ditlmiarschen v. J. 1306 aufmerksam zu machen, welches die
Beschwerden des Rathes zu Hamburg und der Städte zwischen der
Weser und Polen an der Ostsee enthält und von ihrer gemeinschaft-
lichen Gesandtscliaft nach Rom und ihrer einflussreichen Vereinigung
spricht^). Es dürfte daher nicht auffallen, wenn wir einige Jahr-
1) ÜB. CXX und CXXI.
2) UV. 1252. 1. ÜB. XX. XXIX,
3) ÜB. CXV.
XXYII
zehiide früher genauere Nachrichten über allgemeine Städtebünde iin
nördlichen Deutschland in Beziehung auf die Sicherung ihres aus-
^värligen Handels entdeckten. Wie planmässig und eifrig einzelne
Städte diese Bündnisse mit anderen otädten anknüpften, erkennen
wir unter andern an dem Beispiele Braunschweigs, welches 1247 Bünd-
nisse mit Lübeck und Hamburg schloss i), in dem folgenden Jahi'e mit
Stade und 1256 mit Bremen, ^vorauf 1258 eine Erneuerung des
Bündnisses mit Hamburg erfolgte. Selbst die Streitigkeiten der Städte
unter einander deuten auf nahe Verhältnisse, welche unter densel-
ben statt fanden. So stehen auch vielleicht die beiden im J. 1258
von Cöln mit Hamburg und mit Bremen geschlossenen Vergleiche
in Beziehung zu einander. Die Bündnisse der Städte sind zmiächst
durch das Bestreben zur Erhaltung des Landfriedens, besonders
während des für Deutschlands Ruhe unheilbringenden Interregnums
V* J. 1250-1273, herbey geführt , und in Gemeinschaft mit Fürsten
und Herren, welche an den im Auslande entstandenen Vereinen der
Kiaufleute kernen Antheil hatten, wahrscheinlich sie nicht kannten, einge-
gangen. Ein solches Bündniss ^var dasjenige, welches zwischen den Edlen
und Städten an beiden Eibufern und in Westphalen, so wie Lübeck
und Bremen, kurz vor oder im J. 1256 geschlossen ist ^), also, was
zur richtigen Auffassung dieser Erscheinung nicht übersehen werden
darf, um dieselbe Zeit als derjenige Bund, welcher von den rheinischen
Städten ausgegangen war, im südlichen Deutschland sich bereits ver-
breitete ; während ähnliche Verträge zwischen Städten nnd Adli-
chen auch dort eingegangen wurden ^). Eine merkwürdige Urkun-
de *) über eine Aussöhnung des Bischofes Wedekind von Minden
mit dieser Stadt, welche neun Monate später als die eben angeführte
abgefasst ist, sagt, dass der Streit derselben geschlichtet sey durch
gewisse Geistliche, Ministerialen und die " Consules civitatum opidorum
Westphalie pacis federe unitorum'*; worunter das in andern Urkunden
der Stadt Mmden gedachte Landfriedensbündniss zu verstehen, wohl
niemand z^veifeln wird, so wie auch der Zwist des Bischofes mit der
Fehde des Grafen von Wölpe wahrscheinlich in naher Verbindung steht
1) Dass die Angabe bey Willebrandl (s. unten I. 70.) zu geringfügig behandelt worden ist,
■wie denn dessen Authenlicltät nicht so sehr -wie seine Folgerungen zu bezweifeln sind,
ergiebt sich a^s dem im Kach trage wegen dieses Bündnisses Ton mir Angeführten«
J) Pax iam iurala a vobis. U. B. XXV.
3) ju. B. 1259 2u Cöln S. Kindlinger Münster. Beiträge Tl. Url. 38.
4) Urk. 1256. Non. Decembr. abgedruckt in den Westphäl. Frorinzial - Blättern B. i. Heft 2.
Cod. dipl. no. 4«
d *
XXVIII
Bey diesen Verhältnissen der Städte zu den Fürsten und dem
Adel ist eine Nachricht um so auffallender, welche einem ums Jahr
1267 oder 1269 zwischen den Fürsten von Braunschweig , Markgra-
fen von Brandenburg und von Meissen, so wie den Grafen von
Holstein zu Quedlinburg gehaltenen Fürstentage den Zweck beylegt, die
Hansestädte zu demüthigen i). Die älteren Nachrichten 2) nennen freylich
nur die Städte allgemein oder erwähnen dieselben gar nicht und sprechen
nur von einem während des damahligen zerrissenen Zustandes Deutsch-
lands von den sächsischen Fürsten beschlossenen Vereine zur Erhaltung
des Friedens 3). Die letzte Angabe scheint auch deshalb die richtige
zu seyn, weil wir überhaupt von den Folgen eines solchen Vertrages
gegen die Hansestädte nichts, wohl aber von einigen dieser Fürsten
wissen, dass sie damahls mit Lübeck so wie Hamburg in dem besten Ver-
nehmen standen. Sollte jedoch damahls von.der Unterdrückung einzelner
Städte die Rede gewesen seyn, so ist eher an einzelne sächsische Städte
zu denken, aus deren früheren Chroniken diese Nachricht entlehnt scheint,
welche auch in andern Fällen den Namen der Hansestädte ein-
zelnen Vereinigungen dortiger Städte beygelegt haben, welche zu der
Hansa in keiner oder nur entfernten Beziehungen standen. So soll der
Graf Albrecht von Regenstein nach seiner Fehde mit der Stadt Qued-
linburg nach einem von den Hansestädten geführten Processe von den-
selben zum Tode verurtheilt und dieses Urtheil vom Kaiser bestätigt
seyn ^). Alle authentischen Nachrichten aber, welche wir über die Hanse
aus dieser. Zeit besitzen, lassen uns vermuthen, dass auch hier nur
von einer Verbindung mehrerer Quedlinburg benachbarter Städte
die Rede ist, etwa Halberstadt und Aschersleben, welche noch 1328
ein Bündniss unter sich erneuerten s).
Die wichtigste und älteste Nachricht über den städtischen Hanse-
bund würde, wenn gehörig beglaubigt, vielleicht diejenige seyn, welche
Willebrandt ^) giebt, dass bereits im X 1260 ein Hanse tag zu Lübeck
gehalten sey. Da die Untersuchung über so manche früher ganz
und gar verworfene Nachrichten dieses Schriftstellers, wenn auch nicht
1) S. Suhm X. 646. und Frilsch Gesch. v. Quedlinburg I. 149-
2) Fraginentum Cliron. ßardew. geschrieben nach 1488. bey Leibnitz. S. BrunsTic. III. 218.
Körner bey Eccard II« bezieht sich auf ein nicht naher bekanntes Chronicum Saxonicuin.
3) S. Spangenl)erg Sachs. Chronik b. J. 1270. Die Lübsche Chronik Deünars schweigt
Ton diesen Fürstenfagen ; so'wie auch Bangert, der aus Urkunden schöpfte, in den Orig. Lubec.
4) S. Winningstädt in Abels Chroniken. S. 501* Spangenberg Sachs. Chronik. S. 479*
5) Frilsch a. a. 0. 164.
6) Hans. Begebenh. I. S. 7.
wM
zu ihrer Rechtfertigung 5 doch zu Entdeckung der Berichtigungen geführt
hat, durch welche geläutert sie werthvoll erscheinen i), so möchte
auch diese nicht ohne alle Berücksichtigung zu verwerfen seyn* Jene
Notiz wird dadurch erheblicher, dass der gelehrte Syndicus Dreyer in
seinem handschriftlichen Index chronologicus subsidiorum diplomatico-
rum einen Recessus Hansae, puncto novae stapulae Londinensis et
Brugensis de 1260 Octobn anführt, der jedoch sich allen neueren Nach-
forschungen entzogen hat. Dass Gegenstände dieser Art von den Hanse-
städten um diese Zeit, oder wenn wir einen der so gewöhnlichen
Schreibfehler in Trennung oder Zusammenziehung der Zahlen des
Jahres und des Tages annehmen wollen, einige Jahre später, verhan-
delt seyn mögen, wird niemand bezweifeln. 1280 und 1282 fanden
ähnliche Verhandlungen wegen beider gedachten Stapelplätze statt.
Wenn wir jedoch den ferneren Inhalt des zu Lübeck abgefassten
Recesses, wie Willebrandt ihn angiebt, betrachten, dass er nämlich
die in Norwegen und Moskau zu suchenden Handelsfreyheiten , so
wie die Beschützung der Landstrassen und Ausrottung der Raubne-
ster zwischen Lübeck, Hamburg und Braunschweig betroffen habe,
so wie auch damahls (in demselben Recesse?) beliebt sey, dass eine
Stadt der andern Certification vollkommenen Glauben beymessen solle,
so kann die Kritik nur mistrauisch werden. Dass schon 1282 die
Städte vereinigt in Norwegen unterhandelten, ergiebt sich freylich
aus urkundlichen Nachrichten^), so wie die Zerstörung der Raub-
schlösser in diese oder eine frühere ^eit gehören kann ; die Erwähnung
Moskaus aber, wenn wir unter derselben nicht eine moderne Bezeich-
nung für das längst verschollene Nowgorod annehmen wollen, würde
uns zwingen, diesen Recesss um zwey oder drey Jahrhunderte jünger
£U halten, als angegeben ist. Die Bestimmungen über die Certificate
kommen in den späteren Recessen so häufig vor, dass sie zur Be-
richtigung des Datums des vorliegenden von gar keinem Wertjie sind ^).
Alle meine Nachforschungen nach diesem Recesse oder einem anderen
i) Ganz gerechtfertigt hat sich seine Angabe der Recesse Tom J. 1366 an; zu letztern gehört
die Kachriebt über die Ausstossung Bremens, welche jedoch 1358 statt 1308 geschah, die
Torgedachte Nachricht über Braunschweig b. J. 1247* u* a.
2) ÜB, XLV^^
3) Der Becess zu Lübeck r. J. 1640 Trinit. enthält Verhandlungen über die Verlegung des
Stapels in Brügge, so wie London, auch den Beschluss eine Gesandtschaft nach Moscau zu
schicken: ferner Verhandlungen, wegen der Isländer und Norderfahrer. S. Willebrandt
a. 0. U. 249. Doch passt hieher nicht der Monat October, und es fehlt ein Beschloss
wegen der Zerstörung der obengedachten Baubschlösser.
XXX
welcher von Dreyer und Willebrandt hier gemeint seyn konnte, sind
vergeblich gewesen, und bleibt dieser Gegenstand der Aufmerksam-
keit künftiger Forscher der hansischen Geschichte vorbehalten.
Zu den zu berichtigenden Angaben über ältere Geschichte der
Hansa, welche zugleich bestätigen, welcher Maasstab der Kritik an die
vorhandenen Ueberlieferungen oft noch zu legen ist, gehören hier noch
die über die von Werdenhagen aus des Syndicus Doman Auszuge
der hansischen Recesse angeführten Statute vom Jahre 13(2 bis 1347.
Diese Zahlen sind alle durch Schreibfehler verfälscht, wie von einem
derselben in Betreff der Wiedertäufer, sich augenscheinlich ergiebt*),
wo 1535 statt 1335 gemeint ist, und für diese, so wie die übrigen
Jahrszahlen sich aus einer . Abschrift des Domanschen Auszuges im
hamburgischen Archive, so wie geschehene Vergleichung der Recesse
selbst bestätigt. Die Statute v, 1312, 1317, 1327, 1341 über die Ent-
scheidung der Streitigkeiten zweier Hansestädte mit einander, sowie des
Rathes mit den Bürgern, sind, wie Doman Cap, VII. angiebt, v. J.
1412, 1417, 1427 und 1441. Der Beschluss, dass wer in einer Hanse^
Stadt Aufruhr stiftet, in der andern nicht zuzulassen sey, datirt
nicht von 1317 ^) , sondern v. 1417. S. ebendas. Eben so sind die Be-
schlüsse gegen die Städte, deren Bürger sich gegen den Rath empö-
ren, ein volles Jahrhundert später als die angegebenen Jahre 1317,
1318, 1327 u. 1347 zu setzen. S. Doman Cap.IL Die Beliebung, dass
wenn ein Deputirter den andern bey den Unterhandlungen beleidigt,
jener nicht sogleich seine Stelle verlieren, sondern eine Geldbusse
erlegen soll, ist nicht von 1318, sondern von 1380. S. ebendas* Der
Beschluss die Buntwirker betreffend, ist nicht v.J. 1318, sondern aus
dem Recess v. J. 1481 entlehnt.
Zu den wenig beachteten, jedoch sehr trüben Quellen der Ge-
schichte der ältesten Städtevereine im nördlichen Deutschland gehö-
ren auch noch die Rollen der Handwerker.
Aus späterer Zeit waren einige Gesammtbeschlüsse der Ostsee-
städte in Betreff der Handwerker schon bekannt 3); mehrere einer
frühern Zeit angehörig sind im Urkundenbuche abgedruckt, deren
Alter unbezweifelt ist. Die Rolle der Böttcher von 1321 ist im Re-
cesse V. J. 1367 bestätigt. Eine auffallende Nachricht , die sehr einer
Bestätigung bedarf, ist in den im J, 1710 obrigkeitlich confirmirten Ar-
tikeln der Schuster zu Hamburg enthalten, welche besagt, dass eine
i) S. Sartorius Gesch. d. hans. Bundes I. S. 127«
2) Auch Dreyer EinL in die Lübscbea Yerordnungen hat die falsche Jahrszabl.
3) S. Dreyer Einl. in d. lübsch. Verordnungen.
XXXI
*
Ordnung für diese Gewerbe von den Städten Lübeck, Hamburgs
Wismar, Stralsund, Rostock und Lüneburg im J. 1226, Montags nach
h. Drey faltigkeit, im sechsten Regierungs jähre Kaiser Friedrich II ab-
gefasst sey* Sie führen ferner Beschlüsse dieser Städte v. J. 1366 u. 1547
an, welche jedoch eben so wenig näher documentirt werden können.
Wenn nunmehr zu entscheiden wäre, bey welchen Städten der Ur-
sprung der Hanse zu suchen sey, so müssen wir hier wiederum eine
ältere Meinung, welche neuerlich zu sehr beseitigt wurde, in den
Schutz nehmen : dass nemlich dieser zunächst auf den uralten Ver-
hältnissen zwischen den Städten Hamburg und Lübeck
beruhe. Wenn gleich die Vereine verständiger, kräftiger und ge-
wandter Männer, der norddeutschen Kaufleute im Auslande durch
ihr Alter und durch ihre Wichtigkeit berechtigt sind, die Grundlage
der Hanse genannt zu werden, so wird man dennoch nicht bezwei-
feln können, dass dieselben theils sehr vorübergehende Erscheinun-
gen gebildet, theils sich bald untereinander zersplittert hätten, wenn die
Städte nicht durch andere Bedürfnisse, theils aus dem damahligen Zu-
stande Deutschlands, theils aus den unveränderlichen Verhältnissen ihrer
natürlichen Lage hervorgehend, aneinander geknüpft wären. Unter allen
Städten aber, welche die Hanse bildeten, sind keine, welche so früh, viel-
fach imd enge unter einander verknüpft waren, als Lübeck und Hamburg *);
keine andere Städte haben so früh gemeinschafdiche Handelsprivilegien
im Auslande sich erworben ^) oder verfolgten die gemeinschaftliche
Spur so nahe ^), keine Städte haben so frühe und so viele gemein-
schafdiche Einrichtungen getrofien, als diese über Münze, Schiffs-
recht, und andere staatsrechtliche, so wie Handels - Einrichtungen*
Dieses enge Verhältniss dieser beiden Städte ist aber für die Ent-
stehung der Hanse deshalb besonders wichtig geworden, weil
sie als die Vertreter ganz verschiedener Handelsinteressen des
Ostsee- und des Elb- Handels anzusehen sind, welche in richtiger
Erkenntniss des eigenen Vortheils zu wechselseitiger Unterstützung
sich vereinten. Mit Lübeck waren die übrigen Ostseestädte seit
ihrer ersten Anlage in so sehr gleichen Interessen und Ver-
hältnissen , dass sowohl jede dieser Städte einzeln nahmhaft.
1) UV. 1210. 1241. 1255, 3. ÜB.XXHP. XXVK XXVI.
2) ÜV. 1225, 2. ÜB. XVL XVIf . UV. 1250. 4- Nachtrag z. i. 1266. Bd. H. S. 724.
3) ÜV. 1261, 1. 1266, 2. 1267, 1.
xxxii
als auch ihre Gesammtheit unter dem Nahmen der wendischen
Städte bald anerkannt ward. Beym Elbhandel tritt dagegen der
Nähme des grössten Marktes und Hafens, von dem aus die Land-
und oberelbischen Städte, die oben gedachten Gäste und Genossen,
ihren Antheil an der SchiffTahrt in der Nordsee wahrnehmen, mehr
hervor. "Wir bemerken ferner, dass der Verträge Lübecks mit den
an der Elbe oder südlich von derselben gelegenen Städten, ausser
mit Hamburg nur sehr ^venige sind, während diese mit letzterer
Stadt zahlreiche und wichtige Verträge schlössen, ^vogegen uns kein
Bündniss einer der andern Ostseestädte mit Hamburg oder gar mit einer
der andern Elb - oder der Landstädte bekannt ist, Hamburg und
Lübeck waren also die Vermittler aller dieser verschiedenen Interessen:
und wir dürfen wohl behaupten, dass, wenn irgend ein zufälhges
Verhältniss, eine aristocratiscne Familien -Feindschaft, Zwist verschie-
dener Ijandesherren oder falsch verstandene Handelseifersucht diese
Städte hätte treiuien können, eine gemeine deutsche Hanse nicht
aufgeblüht -wäre, sondern die Geschichte nur von Vereinen ein-
zelner Städte, so wie ein Meer, oder ein Fluss sie dargeboten
hätte, berichten ^vürde. Die Erkenntniss dieses Hergangs der Ge-
schichte lehrt uns zugleich, dass auch hier nicht Willkür und Zufall
ein launenhaftes Spiel getrieben haben. Die wesentlichsten Verhält-
nisse, aus denen die Hanse hervorging, haben sich sogar noch bis
zum heutigen Tage erhalten. Die Städte, auf welchen die Hanse
zunächst begründet war, da auch Bremen zu dem Weserhandel in ähn-
lichen Verhältnissen stand und besteht, wie Hamburgs und Lübecks
Lage sie für die Elbe und die Ostsee ihnen darbieten, sind diejeni-
gen, welche vielfache Veränderungen der Staaten und des Handels
des nördlichen Europas überlebt haben, Haben gleich die ehemali-
gen hansischen Niederlagen an der Ostsee ihr Öaseyn längst ver-
loren , sind auch grosse neue Handelsstädte an deren . Küsten an-
•elegt, so lässt doch immer auf eine auffallende Weise sich er-
lennen,- wie noch stets deutsche Hände und deutsche Mittel den
Handel daselbst leiten. Am unerschütterhchsten verbleibt das Ver-
hältniss Hamburgs zu seinen alten Gästen und befreundeten Genos-
sen, dessen Aufhören ohne eine völlige Vernichtung oder wesent-
liche Umgestaltung des Eibstroms nicht denkbar ist, und -welches
demnach als auf der jetzigen Gestaltung unseres Planeten beruhend
angesehen werden darf.
mm
Inhalts - lieber sieht.
Vorwort.
Einleitung in die Geschichte des Ursprungs der deutschen Hanse. S. 1 — 4-
Erste Abtheilung.
Geschichte des Vereines der niederdeutschen Kaufleute und Städte, seit
dem i2ten Jahrhunderte, bis zum Jahr 1370- • • S. 4 — 97.
Erster Abschnitt.
Entstehung dt^r Verbindong unter den niederdeutschen Kaufleuten iju Auslände
im I2ten Jahrhundert und Ausbildung desselben während des 13leu. . S. 6*
Zweyter Abschnitt.
Erste Verbindungen einzelner, dann mehrerer niederdeutschen Städte während
des I3ten Jahrhunderts, zur Erhaltung ihrer Freyheit und ihres Rechts im
Innern, so wie gegen das Ausland und zur Beschirmung ihrer Büi*ger und
Kauffahrer. . • . . • • . • . • S. 19.
Dritter Abschnitt.
Erste glückliche Fehden Lübecks, der wendischen nnd anderer Seestädte während
des 13ten Jahrhunderts, welche ihr Ansehen Terbreiteten , und zur Befesti-
gung des Vereins mit tmd unter den andern Städten beytrugen. . • S. 31.
Vierter Abschnitt.
Grössere Ausbildung der Vereine der norddeutschen Kaufleute in der Fremde
und der Städte daheim, während der ersten grossem Hälfte des i4ten Jahr-
hunderts bis zu dem Ausbruche der grossen Fehde im sechsten Jahrzehend
dieses Jahrhunderts mit König Waldemar III* Yon Dänmark« . • S. 41*
Fünfter Abschnitt.
Fehden der verbundenen norddeutschen Städte mit den scandinavischen Mächten
zur Erweiterung ihres Einflusses, zur Begründung ihrer UandelsgeselJschaft
daselbst, und zur Anerkennung ihrer Verbindung unter dem Nahmen Kauf-
leute und Städte der deutschen Uanse. . • • . . S. 55«
Sechster Abschnitt.
Verfassung, Benennung und Zwecke des Vereins der niederdeutschen Kaufleute
und Slädle am Ende dieses Zeitraums. ..... S. 67*
/
/
XXXIV
Zweyte Abtheilung.
Geschichte des Handels der niederdeutschen Kauileute und Städte seit
dem zwölften Jahrhunderte bis zum Jahre 1370. • • S. 98 — 313.
Erster Abschnitt.
Einleitung in die Geschichte des Handels der Niederdeutschen wahrend dieser
Zeit; Verkehr mit Livland. ...•«.• S. 98.
Zweyter Abschnitt.
Verkehr der niederdeutschen Kaufleote und. Städte mit Russland. •' • S. 106.
Dritter Abschnitt.
Handel der deutschen Kaufleute und Städte mit Schweden. • . S. 157.
Vierter Abschnitt«
Verkehr der deutschen Kaufleute und Städte mit Dänmark und besonders mit
Schonen. ••••••...• S. 163.
Fünfter Abschnitt.
Handel der niederdeutschen Kaufleute und Städte mit Norwegen. • S. 192.
Sechster Abschnitt.
Handel der niederdeutschen Kaufieute und Städte mit den Niederlanden und
Frankreich. ...•.•••• S. 211.
Siebenter Abschnitt.
Handel der norddeutschen Kaufleute und Städte mit England und Schottland. S. 274*
}
EINLEITUNG IN DIE GESCHICHTE DES URSPRUNGES
DER DEUTSCHEN HANSK
lliin bestimmtes Anfangsjahr des Vereins der niederdeutschen Kanfleute und
Städte anzugeben, welcher späterhin die deutsche Hanse genannt ward, ist un-
thunlich, indem die zuerst hier oder da Zusammentretenden auf einen engen Kreis
sich beschränkten, den zunächst sie drängenden Bedürfnissen abzuhelfen bemüht
waren , eine Verbindung in grösserer Ausdehnung zuvörderst aber nicht beabsichtig-
ten, mehrere Vereine der Art endlich von geringerem Umfange, fast gleichzeitig,
durch gleiche Bedürfnisse veranlagst, entstanden. Alle diese ältesten besondem
Vereine sind kaum noch auszumitteln , obwohl die uns überlieferten auf früher
vorhandene hinweisen; auch ist nicht immer urkundlich darzuthun, wie diese un-
ter einander sich wiederum verbanden, andere sich ihnen angeschlossen haben.
Gewiss dachten die zuerst zusammentretenden niederdeutschen Kaufleutc in
der Fremde, die durch Sitte, Sprache und die Verfolgung gemeinschaftlicher Zwecke
einander verwandt waren, nicht an eine Handelsverbindung, welche den Verkehr
im Norden, auf der Ost- und Nordsee beherrschen soUtp; eben so wenig aber
haben die sich zuerst mit einander verbindenden Städte geahnet, dass daraus ein
Bund hervorgehen würde, welcher der Macht der Könige und Völker im Norden
die Spitze zu bieten vermöchte.
Das gemeinschaftlich gefühlte Bedürfniss bey den niederdeutschen Kaufleuten
in der Fremde, wie bey den Städten daheim, hat zunächst zu einzelnen Verbin-
dungen in engem Kreisen geführt; diese haben im Verlaufe der Zelt sich erweitert,
getrieben durch gleiche Bedürfnisse schlössen sich andere an, als die goldenen
Früchte der ersten kaufmännischen Vereine in dem Auslande sich zeigten, und
immer neue Städte im Nordosten entstanden, sie und die früher vorhandenen aber
A
2 EINLEITUNG.
mit grösseren Freyheiten begabt wurden. Nicht durch einen Zauberschlag, nicht
zufolge einer Idee, sondern aus dem lebhaft gefühlten gleichmässigcn Bedürfnisse,
ist in und mit der Zeit aus kaum bemerkten Anfangen eine Verbindung herv^orge-
gangen, welche den Handel und die städtischen Freyheiten im Norden Deutsch-
lands schirmte: ein Erfolg, der um so erfreulicher war, da, bey der gelähmten
kaiserlichen und Reichsgewalt , Niemand sonst sich zeigte , welcher diese Segnun-
gen dem fleissigen Bürger, dem fahrenden Manne, den freyen Gemeinen hätte ge-
währen können, da, ohne diese Vereine, vielmehr die Städte und ihre Bürger in
die Gewalt fremder Mächte gerathen scyn würden, oder, ihrer Freyheiten beraubt,
der Gewalt 'einheimischer Herren nicht würden haben entgehen können. Aus so
unvollkommenen Anfangen ging endlich eine Verbindung hervor, deren Wirkim-
gen nicht auf Deutschland beschränkt blieben , vielmehr erstreckten sie sich über
den gesammten Norden von Europa^ Der Bund hat eine weltgeschichtliche Be-
deutung gewonnen, dieser Verein von Städten und Kaufleutcn hat im Mittel-
alter so grosse Wirkungen hervorgebracht, dass er als eine der bedeutenderen
Stufen in der Gesittung unsers Welttheils betrachtet werden muss.
Wenn nun die glücklichen Nachkommen einen Rückblick auf den Ursprung
einer Verbindung thun wollten, der sie so Vieles verdankten, und welche sie in den
Besitz eines solchen Ansehens in ganz Europa gesetzt hatten; so wussten sie doch
nie mit Bestimmtheit zu sagen, welchen ihrer Altvordern sie eigentlich zu Dank
verpflichtet wären. Nicht nur die spätem Schriftsteller, sondern auch die Abge-
ordneten auf den Hansetagen, ja des Bundes Syndicl selbst, die im sechszehnten
und siebenzehnten Jahrhimderte angestellt und unter Anderm aucJi mit der Ge-
schichte des Vereins beauftragt wurden, wichen, was den Ursprung betrifft, um
Jahrhunderte von einander ab. In Wahrheit ist er auch um so vieles frühf^r oder
später zu setzen, je nachdem man ihn in den ersten zufälligen, durch das nächste
Bedürfniss gebotenen, und über einen engern Kreis sich erstreckenden Verbindun-
gen norddeutscher Kaufleute in dem Auslande, und einiger wenigen Städte dieses
nördlichen Theiles unseres Vaterlandes setzt; oder ihn erst in der Verbreitung die-
ser kaufmännischen Vereine über den gesammten Norden findet, die einen Mittel-
punct an den vereinten Städten gewannen; oder in der Verbindung dieser, der
Seestädte etwa, oder der angesehenem See- wie Landstädte erkennt, welche über
den gesammten Norden Deutschlands verbreitet, durch ihre Abgeordneten zusam-
mentreten, gemeinschaftliche Beschlüsse fassen und gemeinsame Zwecke verfolgen.
Hält man sich endlich bey Beantwortung dieser Frage an den Nahmen deutsche
EINLEITUNG. 3
Hanse, den die Kaufleute und Städte nachher so verherrlicht haben, und der eini-
gen wenigen der letztem bis auf uns , zur Erinnerung an eine grosse Vergangen-
heit, geblieben ist; so liegen auch in dieser Hinsicht Jahrhunderte dazwischen, be-
vor dieser Nähme, der zuerst nur dem Vereine deutscher, vornehmlich im Auslande
verweilender Kaufleute beygelegt wurde, auf den grossen Verein der niederdeut-
schen Städte und Kaufleute übertragen ward, bis er zuletzt dem Städte -Bund
allein verblieb, seitdem dessen Macht immer mehr sich ausgebildet hatte, alle be-
sonderen Vereine ihm mehr unterworfen wurden, Nähme und Sache von mehreren
fremden Mächten, zulezt von allen, ja von Kaiser und Reich selbst stillschweigend
d. h. ohne Bestätigungs- Urkunde, anerkannt wurde.
Die Geschichte der Vereine der niederdeutschen Kaufleute und Städte, bis zu
ihrer mehr gemeinschaftlichen Verbindung und deren Ausbildung, umfasst den
Zeitraum vom Anfange des zwölften bis zu der zweyten Hälfte des vierzehnten
Jahrhunderts etwa bis zu dem J. 1370? in welchem die mächtigsten Städte des
Vereins , die Seestädte, vor ganz Europa ihre Macht im Kampfe gegen König Wal-
dcmar von Dänmark zeigten, und einen ruhmvollen Frieden mit den WaflFen in
der Hand erzwangen: die Geschichte dieses Zeitraumes ist der Gegenstand des Fol-
genden , in welchem die Wahrheit der allgemeinen Darstellung des Entstehens und
der Bildung des Vereins im Einzelnen zu erhärten seyn wird.
A 2
ERSTE ABTHEILUNG.
Geschieht^ des Vereins der niederdeutschen Kaufleute imd Städte, seit dem arvs^ölften
Jahrhundert bis zu dem Jalire 1370-
ERSTER ABSCHNITT.
4
Entstehung der Verbindung unter den niederdeutschen Kaufleuten im Auslande un ZM ölften
Jahrhunderte, und Ausbildung derselben während des dreyzehnten.
Uass die niederdeutschen Kauffahrer im Auslande durch Sitte und Sprache ver-
eint, Fremden gegenüber, vollends in jenen Zeiten, sich enger mit einander ver-
banden, ^var so natürlich, dass Aehnllches von den Kauffahrern anderer Völker, und
zwar von den mehr und früher fortgesclirittencn Völkerschaften Italiens und eines
Theils der pyrenäischen Halbinsel schon zuvor geschah ; ohne dass jedoch bey ihnen
daraus ein so ausgebildeter und wirksamer Verein von Kaufleuten und Städten, wie
in Norddeutschland, erwachsen wäre. Das Bedürfniss entstand aus dem damahligen
Zustande Europas, aus der verbreiteten ungünstigen Ansicht der Rechte der Aus-
länder in fremden Landen, der Art wie dieser auswäillge Verkehr allein betrieben
werden musste, da man den Ausländem weder die eigenen Güter zum Verkaufe
anvertrauen , noch den Ankauf der fremden Waaren , deren man bedurfte , durch
sie besorgen lassen konnte : wurde doch selbst im Vaterlandc das Bedürfniss sol-
cher Verbindungen zum Schutze lebhaft genug geftihlt.
Nach den auf uns gekommenen zuverlässigen Nachrichten und Urkunden, sind
die ältesten Verbindungen der norddeutschen Kauffahrer im Auslande westlich in
England, östlich auf der Insel Gothland zu suchen.
Dafs die Sachsen und Friesen mit ihren in England angesiedelten Landsleii-
ten fortdauernd, von den frühesten Zeiten an, einen Verkehr unterhielten, lag in
VEIUBIN D. KAUFL. im 12. v. 13. JAHRH. 5
der Natur der Sache. Verbindungen zwischeq Karl dem Grossen und den angel-
sächsischen Königen sind nicht unbekannt. In den Gesetzen Königs Ethelred
(Qyg-,jOl6) werden den Kaufleuten des römischen Kaisers ansehnliche Freyheiten
in England bewilligt 1). Die Abgeordneten der Stadt Cöln rühmten sich ver-
schiedentlich auf den Hansetagen in einer spätem Zeit, als der Bund seinem
Verfalle bereits entgegenging, dass ihrer Stadt Kaufleute schon unter Wilhelm
dem Eroberer (1066-1087) bedeutender Freyheiten in England sich zu erfreuen
gehabt hätten 2)j die, welche sie von Heinrich H. (1154-1189) erhielten, sind in
einigen Urkunden bis auf uns gekommen. In einer derselben erwähnt der König
ihres Hauses in London, welches er in seinen besondem Schutz nimmt 3). Um
die Mitte des zwölfl:en Jahrhunderts sagen sich Kaiser Friedrich I. und K. Heinrich
II. von England wechselseitige Sicherheit des Verkehrs zwischen ihren beiden
Ländern und Völkern einander zu 4). In einem Freybriefe des Königs Richard
(1189- 1199) kommt das Haus der Cölner unter dem Nahmen ihrer Gildehalle in
London vor, welche er von einer davon zu entrichtenden Abgabe befreyt; diese
Begünstigung ist, nebst Hin*zufuguhg anderer Freyheiten, von den ersten Nachfolgern
des Königs ihnen bestätigt worden 5).
Doch nicht die Cölner allein, auch anderer deutschen Städte Kaufleute, haben,
wenn gleich nicht ganz so früh, von den Königen von England Freyheiten erhalten.
Heinrich IL befreyte die Lübecker im J. II76 vom Strandrechte an den Küsten
seines Reichs; er gewährt ihnen und allen Kaujfahrern aus andern deutschen
Städten^ welche England mit ihren Waaren besuchen, die Freyheiten und das
Herkommen, deren sie zu Zeiten seiner f^orfaJiren sich schon zu erfreuen gehabt
haben 6). Ein um diese Zeit lebender Schriftsteller erzählt, dass London von
1) lohaunU Bomtou chronicon in SS, X« hUt. Aiigl. ed. R. Twysden. Lond. 1652* f* p*808'- Leges Ethelredi
regia XXIII* „Et hoiniiiea Iiuperatoris (vielleiclit sind die Cölner gemeint), qtil veniebaut cum na^ibus
suis bouarum legum digni tenebuutur, aicut et noa emere in suaa navea etc. -~ The ieague between
Carolua Magnus and king Ofia aus Malmesbury de gestis regum Auglorum I. cap. 4. in Hakluyt's collect,
of voyages. Lond. 1600. VoL I. 125*
2} Nach den handschrlAlichen Recessen irerschicdeuer Hausetage aus dem sechszehuteu Jahrhunderte im
brauuschweigischen Archive.
3) Urkunden I. II. III«
4) Radivicus canonicus Frisingensis L 17* bey Hakluyt a. a. O. 128: Sit Igitur inter nos et populos uosiros
diiectionis et pacis unitas indivisa, commercia tuta. Bestätigt v. K. Heinrich H. im J. 1157>
5) Urk. VIIL Xni. LXXII. ürk. J. 1203. 6) ürk. 1 1176.
Q ERSTE ABTH. ERSTER ABSCHN.
vielen Fremden, besonders aber aus Deutschland, mit ihren Gütern besucht
würde i); und aus dem Freybriefe der Stadt Lübeck, welchen sie Ton Kaiser
Friedrich II. erhielt, erhellet deutlich, dass ausser den Cölnern auch die Kaufleute
der niederländischen Stadt Tiel, und andere hier zu London Yorzüge besassen,
wodurch die Kaufleute Lübecks gedrückt wurden, deren Genuss sie ihnen verwei-
gerten , von welchem Druck der Kaiser die Lübecker befreyt 2). Heinrich III.
nahm die Untertlianen des Herzogs Otto von Braunschweig im J. 1230 niit ihren
Gütern und Waaren, die sie nach England bringen, in seinen besondern Schutz;
er befreyte die Kaufleute von Gothland sieben Jahre nachher von den Abgaben
bey der Einfuhr aus ihrer Insel und der Ausfuhr aus England nach Gothland 3).
Er ertheilte den hamburgischen Kaufleüteh, im J. 1266, auf Bitte des Herzogs
Albrecht von Braunschweig, die Befugniss, ihre Hansa, oder ihren kaufmännischen
Verein , gegen Erlegung der üblichen Abgaben, in England zu haben ; er verstattet
Aehnliches im folgenden Jahre den Lübeckern auf desselben Herzogs Vorbitte,
also , dass sie in England gleich den Gölnem ihre Hansa haben sollten 4).
Aber nicht nur erhielten die Kaufleute einzelner norddeutschen Städte von
den 'Königen von England Freyheiten, das Recht ihre Handelsgesellschaften in
ihrem Reiche zu haben j sondern es wurden auch gemeinschaftlich im J. 1200
den deutschen Kaufleuten von Heinrich III., welche in London ein Haus, unter
der Benennung der deutschen Gildehalle besitzen, die Freyheiten zugesichert, wie
sie ihnen von seinen P^orfähren bereits ertheilt worden wären. Aehnliches w^ird
in andern folgenden Urkunden ihnen bestätigt ; diese vereinten deutschen Kaufleute
sind bemüht, den Raum ihrer Gildehalle um dieselbe Zeit bereits zu erweitem
und von den darauf haftenden Renten sich zu befreyen 5). Demnach ist die
Begründung der Niederlage der Deutschen, ihrer Gildehalle zu London im
dreyzehnten Jahrhunderte und früher unbezweifelt gewiss; ihr später daselbst so
berühmt gewordener Verein war im Grundriss bereits vorhanden. Das Ganze
i) "Willielmus Maliuesbureusis (f 1142 unter der Regierung des Königs Stephan) bey Hakluyt L c. 127
sagt: Londonia civitas uobilis, opinia civiuin divitiis coustipata, uegociatorum ex omni terra, et maxime
ex Germania \enieutium, commerciis.
2) Urk. J. 1226, (20
3) Urk- J. 1230, C20 1237.
4) Urk. J. 1266 (2.) , 1267 CD
5) Urk. J. 1260, (3.) Ürk. XXVIL
VEREIN. D. KAUFL. im 12. u. 13. JAHRH* 7
scheint vorzüglich von den deutschen Kaufieuten^ die dahin handelten, weniger
von den deutschen Stadtobrigkeiten ausgegangen zu seyn; auf jeden Fall sind es
nur einzelne Städte, die liir ihre Kaufleute einzelne Freiheiten erwarben; von
einem Vereine deutscher Städte, welcher dergleichen in gemeinsamem Nahmen
erworben hätte , ist in dieser Zeit noch gar nicht die Rede. Aber die norddeutschen
Kaufleute in England sind allmählich aus ihren einzeln Vereinen, die sich auf die.
Bürger und Kaufleute einzelner Städte bezogen, die auch ihre besondem Freyheiten
daneben beybehalten haben mögen, in einen gemeinschaftlichen zusammenge-
schmolzen , ohne jedoch ein bestimmtes Jahr desshalb angeben zu können. Dieser
Verein deutscher Kaufleute erwirbt Freyheiten, Rechte und Besitzungen in London,
er hat seinen Vorstand, oder Aldermannj dicss alles aber geschieht, wie es
scheint, durch ihre eigene Kraft, ohne Vermittlung der Städte, aus welchen sie
stammten; obwohl einzelne Städte, auch nachher noch, fiir ihre Bürger und
Kaufleute Freyheiten von den englischen Königen besonders erhielten, ältere sich
bestätigen Hessen. Im J. 1282 entscheidet die Exchequer einen Streit zwischen
der Stadt London und den Kaufleuten der deutschen Hansa daselbst, bey welcher
Gelegenheit ihr gemeinschaftlicher Verein als mehr ausgebildet erscheint, welcher
unabhängig von den deutschen Städten, mit der Stadt London abschliesst. Die
Ausbildung dieses gemeinschaftlichen Vereins der niederdeutschen Kaufleute scheint
lediglich ihr eigenes Werk zu seyn. Ohne Einwirkung, Vollmacht oder Vermit-
telung der Abgeordneten einzelner oder verbündeter deutschen Städte schliessen die
Kaufleute der deutschen Hansa zu London mit dieser Stadt und des Königs Beamten
ab , sie machen sich verbindlich zu gewissen Leistungen, ohne dass die Engländer,
wie es später der Fall war, nachdem ein Verein von Städten, eine deutsche Hansa
derselben sich mehr ausgebildet hatte, deren VoUmacliten , Einwilligung oder
Bestätigung gefordert halten l).
In den Niederlanden hat die Sache einen ähnlichen Gang genommen, obwohl,
er nicht so ganz mit befriedigenden gleich alten Urkunden zu belegen Ist, auch
der Einflufs der Städte auf die. sich daselbst bildenden Vereine der Kauffahrer
bestimmter hervortritt
Es ist höchst wahrscheinlich, dass die Kaufleute der niederdeutschen Städte
in den Niederlanden nicht später als in England einen Verkehr angeknüpft haben,
1) Die Belege finden sich einzeln weiter unten» bey EutwicXelung des deutsch -englischen Handels: Tergl.
besonders Uik. XLYI.
8 ERSTE ABTH. ERSTER ABSCHN.
da ein so bedeutender Theil des Landes deutsche Hoheit anerkannte, da Lage,
Nachbarschaft und Sprache Verbindungen der Art von selbst herbeyfuhrten. Ohne
Zweifel haben Cöln und andere rheinische und westphälische Städte, als Soest,
Dortmund u. a,, ferner die Städte an der Weser und Elbe, als Bremen,
Stade , ^ Hamburg u. f. so wie andere sächsische Städte , als Magdeburg und
Braunschweig , mehrere märkische , dann die an den Küsten der Ostsee belegenen,
zuvörderst Lübeck, nachher andere, weiter nach Osten hin, über Holland und
Seeland nach und mit Flandern und Brabant früh einen Verkehr betrieben: allein
die darauf sich beziehenden und auf uns gekommenen Urkunden reichen nicht
über das dreizehnte Jahrhundert zurück, auch erwälmen sie nur der Bewilligung
eines allgemeinen Schutzes, der Befreyung vom Strandrechte, oder sie bestimmen
die zu erhebenden Zölle von den Waaren der Kaufleute einzelner Städte in
Holland, dem Stifte Utrecht, in Grave, Dortrecht und Brabant; doch deuten sie
auch auf früher vorhandene von Einzelnen erworbene Freyheiten hin l).
"Was indess Flandern betrifft, und nahmentlich die Stadt Brügge, 'woselbst
sich der allgemeine europäische Markt in dieser Zeit zu bilden anfing; so können
wir keine frühere , von den norddeutschen Kaufleuten gemeinschaftlich daselbst
erworbene Freyheiten nachweisen, als die von dem J. 1252, obwohl früher ein
Verkehr zwischen beiden Theilen bestanden hat, und die desshalb zu entrich-
tenden Abgaben früher festgesetzt waren, wie aus diesen spätem Urkunden
theilweise selbst sich ergibt. In jenem Jahre ertheilte die Gräfin Margareth von
Flandern und ihr Sohn Guido, auf die Bitte aller Katißeute des römischen
Reichs^ die Gothland besuchen^ besonders auf die Bitte des Lübeckers Hermann,
genannt Hoyer und des Hamburgers Jordan, diesen Kaufleuten mehrere Freyheiten ;
mit ihrer Zustimmung wurden die Zölle festgesetzt, welche sie den Herren von
Flandern und deren Lehnleuten, Johann von Ghistelle, Herrn von Formezele,
und VV^ulfhard, Herrn von W'astina, entrichten sollten. In dieser letzten Urkunde
der Lehnträger werden jene Beide, Hermann und Jordan, besondere Abgesandte
(nuncü) aller Kaufleute des römischen Reichs genannt; und in einer, von eben
diesen Lehnleuten zehen Jahre nachher denselben Kaufleuten ertheilten Zollrolle
wird ausdrücklich ei'wähnt, dass die Abgaben nach der Weise festgesetzt worden,
wie es unter ihren Vorfahren in dieser Hinsicht zu Brügge Herkommens gewesen
sey; welches offenbar auf das höhere Alter dieses Verkehrs hinweiset 2).
1) Ulk. XVI. XVII. XVIII. XXX, XXXlrt. XXXIX. Dreyer jus uaufr, 238- ürk. J. 1252 (3.)
2) ürk. XX. XXI. XXVIII. XXIX. Urk. J. 1252- (2).
VEREIN D. KAUPL. im 12. u. 13. JAHRH. 9
Allein hier wurden nicht wie in England den daselbst verweäenden deut-
schen Kaufleuten, die in einen Verein sich zusammen gethan hatten, und ein
geineinschaflliches Haus in London hesassen^ Freyhelten ei-theilt; es sind vielmehr
zwey Abgeordnete aus zwey' angesehenen deutschen Seestädten, die für alle
Kaufleute des römischen Reichs, welche Gothland besuchen, diese Freyheiten
erwerben, welche auch im Allgemeinen von den deutschen Städten, gleichmässig
den Flämingern bey sich wiederum zugestanden wurden , wie wir denn von zwey
Städten, Bremen und Münster, die desshalb ausgefertigten Urkunden noch besitzen 1).
Gewiss haben bereits damahls die niederdeutschen Kaufleute zu Brügge in
einer Verbindung unter einander gestanden, eben sowohl wie in andern fremden
Ländern, da diess von den obwaltenden Verhältnissen geboten ward: nur können
wir es nicht mit Urkunden aus dieser Zeit,, so wie in England, belegen. Von der
andern Seite deutet Alles liier mehr auf eine gewisse schon allgemeiner bestehende
Verbindung unter den Städten hin, wenigstens auf eine allgemeine Gesellschaft
ihrer Kaufleute, welche ihrer Genossen in Flandern sich annehmen und sie vertreten ;
wenn anders nicht das Ganze von der Gesellschaft der deutschen Kaufleute auf
Gothland ausgegangen ist, zu welcher die Lübecker gewiss, die Hamburger
wahrscheinlich auch gehörten ; indess haben die beiden Abgeordneten doch zugleich
Vollmachten von verschiedenen Städten des römischen Reichs, nicht von den auf
Gothland vereinten Kaufleuten, wenigstens allein nicht, vorgezeigt
Um das Jahr 1280 verliessen die deutschen Kaufleute die Stadt Brügge,
unzufrieden mit den Bedrückungen von Seiten dieser Gemeine, sie verlegten ihren
Sitz nach Ardenburg, woselbst ihnen der Graf von Flandern den ungestörten
Gebrauch ihrer alten, in Brügge geübten Freyheiten bewilligte. Diess ist entweder
auf Antrag der vereinten deutschen Kaufleute zu Brügge, des gemeinen Kaufmanns
daselbst, wie man später gemeinhin zu sagen pflegte, oder auf Antrieb der grossen
Handelsgesellschaft auf Gothland, oder durch einen Beschluss, wenigstens mit
Zustimmung der zu diesem Zwecke vereinten Städte, geschehen. Wir haben noch
einige Urkunden von d. J. 1280 u. i281> in welchen die Städte Wisby (Deutsche
wie Gothländer), Stendal und Halle ihre Zustimmung, unter Vorbehalt ihrer ander-
weitigen Freyheiten des Handels, zu dieser Verlegung erklären 2).
Neben diesem allgemeinern Vereine der niederdeutschen Kauffahrer in den
Niederlanden, gemeinhin zu Brügge, haben die Kaufleute der einzelnen deutschen
1) ürk. XXIIL 2) Urk. XLü. XLm. ürk. J. 1280. (5).
B
» >
12 ERSTE ABTH. ERSTER ABSCHN.
Auf dieser Insel Gothland bat sich 3ehr früh ein Verein niederdeutscher
Kaufleute gebildet, der durch das zwölfte und bis gegen das Ende des dreyzehnten
Jahrhunderts vorherrschend in dem gesammten norddeutschen Verkehr, besonders
in der Ostsee, doch auch in der Westsee gewesen zu seyn scheint; bis die Stadt
Lübeck sich durch ihre glücklichen Fehden mit den benachbarten Mächten , durch
ihre Verbindung mit den nachbarlichen Schwesterstädten, durch die Thätigkeit ihrer
gewerbfleissigen Bürger und Kauffahrer, und durch den Verfall der Insel das
Uebergewicht erhielt.
Schon Herzog Heinrich der Löwe schlichtete im J. 1163 die bereits seit längerer
Zeit dauernden Streitigkeiten zwischen den Eingeborenen der Insel und den Deutschen,
vereinte sie friedlich wieder mit einander, und ertheilte den Gothländei-n in seinem
eigenen Lande Schutz, Frieden vmd die Rechte, gleich wie bereits Kaiser Lothar
(li 25 -11 37) sein Grossvater ihnen dieselben zugestanden hatte. Der Herzog
bewilligte ihnen die Zollfreyheit in allen seinen Städten, freyes Erbrecht den Erben
der in seinem Lande Verstorbenen, überall die Beftignisse, die seinen eigenen
Kaufleuten zustehen, unter der Bedingung, dass den Seinigen dieselben Rechte auf
der Insel bewilligt, und dass die Gothländer seinen Hafen Lübeck fleissig besuchen
würden. Von dieser Zeit an haben sich die Deutschen hier behauptet, sich stets
fester daselbst angesiedelt, und eine Handelsgesellschaft gebildet, die von dem
grössten Einflüsse auf den Handel ihrer Landsleute mit Fremden ward.
Die NachrIchteiÄ der Chronikenschreiber, welche von dem grossen Verkehr
auf Gothland in früherer Zeit reden, von dem Zusammenflusse fremder Kauffähiger
daselbst aus dem Morgen - und Abendlande , von dem eigenen Verkehr der
Eingebomen mit andern altem Städten, Schleswig, Sigtuna^ Julin ü. a., mit Russen,
mit Griechenland und Asien unmittelbarer oder mittelbarer Weise, lassen sich um
so weniger bezweifeln, da die glückliche Lage dieser Insel, sie zu einem wün-
schenswerthen Mittelpuncte bey der damahligen unvollkommnen Schifffahrt zwischen
den östlichen und westlichen Theilen, vollends seit dem Verfalle und Untergange
jener alten nordischen Handelstädte, erhob. Zugleich war die Insel als ein grosser
Freyhafen zu betrachten, denn die Eingeborenen hatten ihre alten Volksfreyheiten
behauptet, gegen Schweden zwar zur Erlegung einer jährlichen Geldsumme sich
anheischig gemacht, wesshalb sie als zu Schweden gehörig betrachtet wurden,
lediglich jedoch in der Absicht, um ihre Volksfreyheiten zu behaupten ihren Verkehr
unbeschränkt zu betreiben, frey vom königlichen Einflüsse und königlichen Beamten
sich selbst nach alter Weise zu regleren. Die Gothländer hatten ihren Kaufhof
VEREIN D. KAUFL. im 12. v. 13. JAHRH. 13
in Nowgorod, ihre Kirche daselbst, so wie die Russen umgekehrt auf der Insel;
sie besassen von der andern Seite Freyheilen in dem westlichen Europa, in den
Niederlanden, in England, in deutschen Ländern. Eine so vortreffliche Lage
und so gluckliche Verhältnisse sind von den Kauffahrern aus Norddeutschland
früh, wie wir gesehen, schon zu Kaiser Lothars Zeiten, benutzt worden. Hier
sich aufhaltend, haben sie eine Handelsgesellschaft gebildet, aus den Kauffahrem
einzelner Städte bestehend, die, unter dem allgemeinen Vereine, ihre besondem
Verbindungen hatten. Aus Urkunden ergibt sich Folgendes:
In Gesellschaft mit den Eingeborenen auf der Insel schlössen die daselbst sich
aufhaltenden deutschen Kaufleute mit Mistislaw Davidowitsch, Fürsten von Smolensk,
im J. 1229 einen Vertrag ab. Der Fürst hatte seine Abgeordneten nach Higa
gesandt, um die Streitigkeiten beyzulegen, die zwischen den Smolenskem von der
einen Seite, den Rigaem und den Kaufleuten aufGothland von der andern obwal-
teten. Die Sache gelang vollkommen, als sich des Fürsten Abgeordnete nach
Gothland begaben, zu wechselseitiger Zufriedenheit Am Schlüsse werden die,
welche dieses Vertrags Abfassung von Seiten der Kaufleute bewirkt haben genannt,
nähmlich: drey Bürger aus Gothland, einer aus Lübeck, einer aus Soest, zwey
aus Münster, zwey aus Groningen, zwey aus Dortmund, einer aus Bremen, drey
Bürger aus Riga und viele andere verständige Leute ; die Urkunde , heisst es femer,
ward ausgegeben in Gegenwart der russischen Gesandten und aller lateinischen
Kaufleute 1). Offenbar sind nur die Kaufleute der vorzüglich hier einen Handel
treibenden deutschen Städte genannt, die vielleicht als die Altermänner den
besondem Vereinen der Kaufleute aus den einzelnen Städten, oder die, wie man
nachher sagte, welche als Altermänner und als Kaufmannsrath der Gesellschaft
vorstanden« Nicht zu übersehen ist, dass unter denen, die nahmhafl gemacht
werden, mit Ausnahme Rigas, von den Städten der Ostsee Lübeck allein vorkömmt,
dagegen der grössere Theil der genannten Kaufleute aus Sachsen und W'estphalen
war, welche, bevor die meisten deutschen Städte an den Küsten der Ostsee aufkamen
und gediehen, früher zum Wohlstande und zur Freyheit gelangt, den Handel
hier in den entfernten Gegenden vornehmlich betrieben.
Diess scheint auch der Schluss der ältesten Skra des deutschen Hofs zu
Nowgorod, welche in diese Zeit fallt, zu bestätigen, in welcher geboten ward,
das jährlich dort überschiessende Geld nach Gothland zu bringen, um es in
1) ürk. J. 1229.
14 ERSTE ABTH. ERSTER ABSCHTi
der Marienkirche der Deutschen daselbst niederzulegen in St Peters Kasten, des
Schutzheiligen des deutschen Hofs zu Nowgorod, zu welchem vier Schlüssel
gehören , die von dem Olderman von Gothland ( d. i. den angesiedelten Deutschen
in Wishy, denn es ist lediglich von Deutschen die Rede,) dem Olderman von
Lübeck, von Soest und von Dortmund aui'bewahrt werden sollen. Es ist ein-
leuchtend, dass die Kaufleute der einzelnen Städte, ihren eigenen Vorstand, Richter
oder Olderman daselbst hatten i). Auch nahmen die Lübecker im J. 1263 die
Kaufleute von Soltwedel in diesen ihren Verein daselbst auf, verstatteten ihnen
gleich ihren Bürgern die gleichen Rechte, den Sitz auf ihrer Bank, da wahrscheinlich
die von Soltwedel nicht zahlreich genug zi^ Gothland waren, um ihren besondem
Verein zu bilden, ihre besondere Bank, ihren besondem Stuhl, ihren eigenen
Olderman , Advocatcn oder Richter sich daselbst zu halten 2).
Diese besondem Vereine der Kauffahrer aus einzelnen Städten sind denn
aber auch von Zeit zu Zeit zusammengetreten , und sie selbst oder ihre Vorsteher
oder Altermänner haben im Nahmen der gesammten deutschen Kaufleute auf Gothland
■
allgemeine Beschlüsse gefasst, deren einer v. d. J. 1287 ^ns aufbewahrt worden
ist, und der von dem grossen Ansehen und von der Macht dieses Vereins vollgültiges
Zeugniss gibt, von einer Macht, die unabhängig von den Städten, diese vielmehr
selbst seinen Vorschrülen unterwirft;. Es beschliessen nähmlich in dieser Urkunde
alle Kaufleute aus den verschiedenen Städten und Orten, welche Gothland besuchen,
des gemeinen Bestens wegen , wie folgt : Ist irgend ein Schaden durch Schiffbruch
oder Raub entstanden , so sollen alle näher benachbarte Städte auf diess Gerücht
in ihren Bürgerversammlungen ein Verbot erlassen, diese verunglückten oder
geraubten Güter zu kaufen oder zu verkaufen; dagegen sollen sie verbunden seyn
den Unglücklichen zur Rettung oder Wiedergewinnung ihrer Güter beyzustehen.
Wem bewiesen wird, dergleichen Gut an sich gebracht zu haben, der soll
dasselbe ohne alle Entschädigung dem Eigenthümer w ieder ausliefem und obenein
seiner Stadt als Busse zwanzig Mark Silbers entrichten. Sollte aber eine Stadt
selbst in solcher Angelegenheit sich säumig zeigen, so sollen die zu entrichtenden
zwanzig Mark nicht ihr, sondern der Gesellschaft der Kaufleute verfallen seyn.
Welche Stadt endlich diese Vorschriften nicht befolgen wollte, die soll aus der
Gemeinschaft der Kaufleute {ex societate seu consodalitate mercatorum) ausgestossen
seyn aller Orten und auf allen Strassen, bis sie den Vorschriften Genüge geleistet
O Urk. IX^ 2) ürk. J. 1263- (2>)
VEREIN D. KAUFL. im 12- u. 13. JAHRH. 15
haben wird. Der Stadt Reval, welche bisher diesem sich nicht hat fiigen wollen,
wird eine Frist bis auf nächstefn Johannis bewilligt; fiigt sie sich binnen der Zeit
nicht, so soll sie aus der Gemeinschaft der Kaufleute (a consorcio mercatoruni)
ausgestossen seyn. Wer aber einen falschen Reinigungseid, zur Ablehnung der
gegen ihn angebrachten Beschuldigung, leistet, der soll am Leben gestraft werden.
Zur Urkunde ist das Siegel aller in Gothland sich aufhaltenden deutschen Kaufleute
angehängt, und unterzeichnet: Gegeben zu Wisby i. J. 1287? auf Johannis i).
Diese Urkunde, welche von der Macht dieser Gesellschaft der deutschen
Kaufleute auf Gothland zeugt , welche , unabhängig von den Städten , Beschlüsse
fasst, die Städte selbst ihnen unterwirft, und, bey Strafe des Ausschlusses aus
der Gemeinschaft, ihnen Vorschriften ertheilt, lässt einen Blick in den ersten und
eigentlichen Ursprung des nachmahls so berühmten und ausgedehnten Vereins unter
allen niederdeutschen Städten und KauflTahrern thun, der zuerst mehr von diesen
Kaufleuten als von dem Vereine der Städte ausgegangen ist, obwohl in der Folge,
bey grösserer Ausbildung der städtischen Verbindung , die Gesellschaften deutscher
Kaufleute in der Fremde dieser mehr und mehr unterworfen wurden, und der
Verfall der Insel , der Verlust ihrer Freyheiteri und manche Unfälle, vqji denen sie
betroffen wurde, endlich aber das Emporkommen der grossen Macht Lübecks,
diese früher so bedeutende Gesellschaft der deutschen Kaufleute auf Gothland
verschwinden Hessen, ohne dass man eine Urkunde über deren wirkliche
Aufhebung oder deren Auflösung hätte : eine ganz veränderte Zeit hat sie geräuschlos
unterdrückt.
Erklärlich werden nun die Ausdrücke, die so häufig in den altem Urkunden
UMid Freybriefen vorkommen: Kaufleute, die Gothland besuchen, und ähnliche;
gewiss ist diese Gesellschaft damit gemeint, sie ist wahrscheinlich die älteste aller
der verschiedenen, unter deutschen Kaufleuten in der Fremde eingegangenen, sie
ist mehr als andere früh ausgebildet worden , und auf jeden Fall , wenn auch die
in England sich vielleicht gleich früh gebildet hat; so ist doch die auf Gothland
die mächtigste und einflussreichste von allen andern in dem zwölften und bis gegen
Ende des dreyzehnten Jahrhunderts gewesen. Das Gebot, dass eine Stadt, die
sich ihren Beschlüssen nicht unterwirft, aus der Genossenschaft der Kaufleute aller
Orten und auf allen Strassen zur Strafe ausgestossen werden soll, zeugt auch
davon, dass eine gewisse Verbindung unter diesen verschiedenen norddeutschen
1) ürk. LXVII.
^ß ERSTE ABTH. ERSTER ABSCHN.
kaufmännischen Gesellschaften schon damahls bestanden haben muss, die an dieser,
der deutschen Kaufleute auf Gothland, ihr Haupt hatte.
Am meisten beweiset aber das Wapen dieser Gesellschaft ihr Ansehn und
ihre frühe Ausbildung. Von wem sie es erhalten hat, ist ungewifis, ob sie es
selbst sich zugelegt, ebenfalls j welchen Werth man aber darauf in jener Zeit
legte, ist eben so bekannt, als dass der städtische Verein, selbst zur Zeit seiner
o-rössten Macht, dass die deutsche oder grosse deutsche Hanse nie ein eigenthümliches
Wapen geführt hat, sondern sich stets mit dem Siegel der Stadt behalf, wo die
vereinten Städte eben ihre Tagfahrt hielten, von wo aus sie ihre Ausfertigungen
erliessen. Die später vorkommenden Wapen der hansischen Niederlagen in der
Fremde mit dem doppelten Adler sind aus einer viel spätem Zeit, von den Kaisem
im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhunderte erhalten worden : die deutsche Hanse
in England hat noch kein gemeinschaftliches in dieser Zeit ; zur Beglaubigung wur-
den ihren Urkunden die Siegel der vorzüglichsten einzelnen Hensebrüder angehängt.
Das Wapen mit der ümschi-ift , " Siegel der deutschen Kaufleute auf Gothland
weilend" stellt einen grössern aufrecht stehenden Lilienbusch dar, das Wapen der
auf Wisby angesiedelten und eingebürgerten Deutschen , die mit den Eingeborenen
die Stadtgemeine bildeten, auch zu gleichen Theilen die Stadtobrigkeit ausmachten,
fiilirt dieselbe Lilie jedoch kleiner, und auch in anderen Beziehungen von ersterm
sehr abweichend. Diese eingebürgerten und angesiedelten Deutschen zu Wisby
oder auf Gothland, denn es gab auf der Insel nur diese einzige Stadt, sind nicht
mit der Gesellschaft der deutschen Kaufleute daselbst zu verwechseln, obwohl
beide Theile einander vvechselseitig unterstützen itiochten. Wahrscheinlich ist die
Gesellschaft früher hier entstanden, die Ansiedelung und Einbürgerung der Deutschen
später. Dagegen war die deutsche Gemeine auf Wisby ein sehr angesehenes Glied
der [Verbindung der deutschen Städte längere Zeit hindurch, während die Han-
delsgesellschaft, die früher um Vieles einflussreicher und bedeutender war, mehr
vor dem ausgebildeten Vereine der Städte in Schatten zurücktrat : allein es haben die
Abgeordneten der deutschen Gemeine auf Gothland oder zu Wisby ihren Einfluss
bis zum grössern Verfall der Insel auf den Tagfahrten der städtischen Abgeord-
neten bis in das fünfzehnte Jahrhundert, ja noch späterhin, behauptet. Es
scheint selbst, dass die Macht des deutschen kaufmännischen Vereins auf Gothland,
seit der grossem Ausbildung der städtischen Verbindung, auf die deutsche einge-
bürgerte Gemeine zu Wisby zunächst mehr übergegangen ist; die Gesellschaft
verschwindet, die Gemeine tritt einige Zeit hindurch mehr hervor. Der Nähme
VEREIN. D. lUüFJU m l^ u. 13. JAHREL 17
a]>er gemeine Kaufleute wad ähnliche {communis mercator^ communes^ universh
,onmes met/cakprei) hafceja wahrscheinlich hier ihren Ursprung gehaht und die
Macht und den grossen Einfluss der Gesellschaft überlebt ; denn aucJi da, als die
Macht der vereinten Städte immer mehr sich erhob, und alle Niederlagen der
Kaufleute In der Fremde ihr unterworfen waren ^ welches nicht leicht und nur
ganz allnsiählich gelange iMdie Bezeichnung gemeiner Kaufmann, etwa mit dem
Zusätze zu London, Brügge u. f.- sich aufhaltend, immer bey behalten worden 1).
Von der Insel Gothland aus ward auch ohne Zweifel der unmittelbare
Verkehr dieser Norddieiutsriäen auf Bussland eingeleitet, so wie von hier aufi
querst von ihnen, und yiahmentlidbi von Bremen die livländische Küste befahren
wurde. Wahrscheinlich ist der Hof der Deutschen zu Nowgorod unji diese Zeit,
in der zweyten Hälfte des zwölfl^n Jahrhunderts, gegründet worden. Wir finden
.die deutschen Kaufleute in dcsr ersten Hälft« des dreyzehnten Jahrhunderts daselbst,
und wie ^s heisst, nach alter Weise, yoUkommen eingerichtet mit ihren Alterleute^
und Weisesten an der Spitze; sie haben Freyheiten und Besitzthümer erworben,
sie halten ihre gemeinschaftlichen Versammlungen. Die fortdauernde Verbindung
und Abhängigkeit dieses deutschen Hpfs zu Nowgorod vo^i den Deutschen auf
Gothland ist auch gänzjich nicht zu verjceanen; die Anls^e ist lediglich das Werk
dieser Kauffahrer auf Gothland, nicht der Städte^ wiewohl, als die Verbindung
unter den Letztern mehi* sich ausbildete und schon in der zweyten Hälfte des dreyzehnr-
ten Jahrhunderts, ihr Einfluss auf den Hof der Deutschen zu Nowgorod immer be-
deutender ward, nahmentlich liübecks, welche Stadt, durch ihr bewundemswerth
schnelle« Eo^pQrblüheia :nebst den Deutschen auf Wisby die Herrschaft de^ Hofe
^pi*^^— ^— r«»*-
1} Biß Bezeichttung communis meroaior kpinvit in mehrereu jLJrkuiideii der Zeit ^»r b.B. Urk* LKX. LXXVI.
und LXXXI« unit^ersi meroatores in curia Nogardensi — et communes mercatorts «^ communes Theutonici ^>
U.S.W. Das Wapen sowohl der Gesellschaft der deutscheu KaufleutCf als auch das der deutscheu Geiueiue
zu'Wisby ist im Abdruck diesem Werke beygeftigt. Wenu es in der Emleitung oder in der -Vorrede zum
Wishyischeu Stadt -Hechte .(ß* Au^abe yon Joji. Hadorph« StocHh. 1688* uud Gi|ta Lagh herausg«-
geben Ton Schildnerj heisst: Magnus Tau Sweden> Tan Norweghene onde Tan Scone (I^rikson r. 1319-
1362) "-" g.A^ ^^^% ^^^ ^® hebben scoldeu Eu lughesegel Tan bey den Tunghen (der deutscheu uud goth-
ländischen Gemeine), so mag hier eine Bestätigung gemeint seyn, denn die Siegel, die ^ch im lübischen
ArchiTe finden, sind theilweise aus früherer Zeit, uud der Ausdruck en Jughesegel kann nioht wohl
bedeuten » dass von ein uu$l demselben Siegel die Rede sey. Das Siegel der gothländischen Gemeine ist
das Lamm mit der Siegesfahne, das der deutschen Gemeine die kleinere (.ilie. Das Siegel der Gesell-
schaft der deutschen Kaufleute auf Gothland ist Ton eiuem schwedischen Könige wohl gewiss nicht
ertheilt worden, schwerlich ' auch Ton einem Kaiser; die Gesellschaft hat es sich wahrscheinlich eigea-
mächtig beygelegt.
jg ERSTE ABTH. ERSTER ABSCHN.
ansprach, sie dann ausschllessend forderte und nachher mit den Deutschen ^uf
Wisby thellte, seitdem die grosse Handelsgesellschaft der Deutschen auf der InÄel
mehr an Ansehen abnahm.
Nirgends in diesem Nordosten ist die Benennung üblich, die im Westen von
den einzelnen Vereinen deutscher Kaufleute und einzelnen Städten in Flandern
und England vorkommt, oder mit welcher die sämmtlich vereinten deutschen
Kauffahrer in dem letztem Lande bezeichnet werden: von einer Hense oder einer
Hanse der deutschen Kaufleute in dieser Zeit ist hier nie. die Rede. Weder die
Gesellschaft der deutschen Kaufleute auf Gothland, noch der Verein auf dem Hofe
derselben in Nowgorod fuhren diese Bezeichnung; die Grossfursten und Fürsten
Russlands kennen in ihren Freybriefen, welche sie den Deutschen und Gothlän-
dem ertheilen, nie diesen Nahmen; sie werden nie Hansen genannt, noch weniger
ist in dieser Zeit von deutschen Hansestädten hier die Rede, obwohl der kaufmän-
nische Verein in früher Vollendung erscheint Eben so wenig kommt diese Benen-
nung der deutschen Kaufleute und ilirer Vereine in Dänmark Schonen, Schweden
und Norwegen in dieser Zeit vor.
In diesen scandina vischen Reichen finden wir so früh keine Gesellschaft
deutscher Kauffahrer mit solcher Macht und von solchem Ansehen, wie die auf
der Insel Gothland, ja nicht einmahl einen Verein, oder Vereine, die so selbstständig
sich ausbilden und einen so frühen Vereinigungspunct besitzen, als die, welche
in Russland oder England vorkommen. Zwar fmden wir die deutschen Kauffahrer
und selbst die der westlichst belegenen Land - und Seestädte in einem sehr frühen
und sehr lebhaften Verkehr mit diesen Reichen, mit Dänmark, besonders auf
Schonen, und mit Schweden: aber das Ganze, wo sich auch etwas der Art, ein
Verein unter diesen Kauffahrem verschiedener deutschen Städte bildete, scheint
vielmehr durch die Thätigkeit der einzelnen, besonders der nächst beiaachbarten
deutschen Städte früh bewirkt oder fortgeführt worden zu seyn; diese Städte
erwerben Freyheiten Itir ihrer Kauffahrer, nicht die letzteren selbst oder die Ge-
sellschaften derselben. Ueberall hat in Dänmark, Schonen und Schweden die
Sache eine ganz verschiedene Wendung genommen, man kannte und besass hier
andere Mittel, um zum Ziel, ja auf eine noch voUkommnere Weise zu gelangen.
Der Anfang später entstehender und sich bildender Vereine der Kauffahrer auf
Schonen zeugt deutlich von der Abhängigkeit derselben von den Städten; di«
Vereine erbitten sich von ihnen die Bestätigung der beliebten Ordnungen. Vielleicht
sind zu Anfang die Deutschen auf der nachmahls so berühmt gewordenen Niederlage
VEREIN D. KADFL. im 12. u. 13. JAHRH. 19
zu Bergen in Norwegen selbstständiger zuerst verfahren, unterstützt vielleicht von
der grossen Handelsgesellschaft auf Gothland; doch haben wir keine urkundlichen
Nachrichten darüber} auch hatten die Deutschen bey der Begründung derselben zu
Bergen und in andern norwegischen Städten langehin mit den Eingeborenen und
Ausländem zu kämpfen, und erst, nach mehreren blutigen Fehden von Seiten der
mehr oder weniger vereinten und benachbarten Seestädte mit den Königen des
L.andes, schien die Niederlage dauernd zu gelingen : wiewohl der Verkehr zwischen
INormaimen und Sachsen in sehr frühe Zeiten hinaufreicht
Die Verbindungen unter den deutschen Kauffahrern sind altem Ursprungs
und früher im Auslande bekannt, als der Verein der deutschen Städte, wiewohl
es diesem allmählich gelungen ist, nachdem er sich vollkommner ausbildete, und
die Städte an Macht und Freyheit bevrondernswerth schnell zunahmen, jene sich
zu unterwerfen; doch deuten die beybehaltenen Benennungen gemeiner Kaufmann,
Kaufleute der deutschen Hanse, ja der Nähme deutsche Hanse selbst, als Be-
zeichnung des spätem mächtigen Vereins der niederdeutschen Städte, auf diesen
Ursprung hin.
ZWEYTER ABSCHNITT.
Erste Verbindungen einzelner, dann mehrerer niederdeutschen Städte, während des dreyzehnten
Jahrhunderts, zur Erhaltung ihrer Freyheit und ihres Rechts im Innern, so wie gegen das
Ausland und zur Beschirmung ihrer Bürger und Kauffahrer»
iJiese städtischen Vereine Im nördlichen Deutschlande hahen nicht nur in einem
kleinen Umfange ihren Anfang gefunden, sondern sie reichen auch wenig üher
die Mitte des zwölften Jahrhunderts zurück, wenigstens in sofern die Sache mit
Urkunden, oder anderen beglaubigten Nachrichten zu belegen ist.
An sich konnte der Gedanke zu solchen Vereinen nicht fem liegen, indem
das gleichmässig gefühlte Bedürfniss die Städte dazu antrieb, sobald sie nur irgend
die dazu erforderliche Freyheit und Selbstständigkeit erlangt hatten. Alles schien
sie daraufhin zu weisen, um sich gegen mannigfaltige Widersacher zu verthei-
digen, woran es ihnen nie, auch in den nächsten Umgebungen nicht, fehlte.
Der Geist, der sich in ihrer Mitte bildete, war ganz von dem verschieden, welcher
C 2
20 ERSTE ABTH. ZWEYTER AfeSCHN,
den Adel und die Freyen des Landes beseelte; diese Verscthiedenheit trat immer
mehr hervor, je mehr die Städte in Freyheit und Wohlstand zunahmen. Dos
Zuströmen höriger Leute in diese freyen Gemeinden, die Bildung eines neuen
freyen dritten Standes hinter Mauern, Wall und Gräben, nachdem die gemeinen
und kleinen Freyen auf dem platten Lande meist ihre Freyheit verloren hatten, konnte
nicht gleichgültig von dem benachbarten Landadel betrachtet werden. Wahr-
scheinlich haben daher die Städte sich früher mit einander verbunden, so wie sie
zu grösserer Freyheit und Selbstständigkeit gelangten* Gewiss wohl zuerst, wa»
den Norden Deutschlands betrifft, am Niedertheine , in Sachsen und Westphalen,
späterhin in den östlichen Theilen, wo die Städte später angelegt wurden, auch
später zu Macht und Ansehen gelangten. WahrscJieinlich liegen noch in den
Archiven jener Länder Urkunden verborgen, die darüber Zeugniss geben können^
wiewohl sie nicht bekannt sind; die darüber vorhandenen weisen aber darauf hin^
was auch ohnedem sich als wahrscheinliche Vennuthung aufdringt.
Die ältesten aufgefundenen Urkunden, die von Vereinen dieser Art reden, be-
ziehen sich auf zwey östlich belegene, nachher in dem norddeutschen Städte- Verein
sehr berühmt gewordene Städte, Lübeck und Hamburg, welche durch ihre eigen-
thümlichen Verhältnisse zu Dänmark und Holstein, und wegen der daraus fiir sie
entstehenden gemeinschaftlichen Gefahren ganz besonders, so wie durch ihre Lage
an den zwey verschiedenen und benachbarten Meeren, dazu aufgefordert wurden.
Seit dem J. 1210 sind zwischen beiden Städten zu Gunsten ihrer Bürger
verschiedene Verträge abgeschlossen worden. In einem derselben, von dem Jahre
1241 > verbinden sie sich wechselseitig das Meer von da, wo die Trave in dasselbe
fallt, bis zur Mündung der Elbe und diesen Strom hinauf bis Hamburg auf
gemeine Kosten wechselseitig für ihre Bürger zu schirmen. Würde Einer aus
ihi*er Mitte ausserhalb der Mauern beider Städte ermordet oder misshandelt, so
wollten sie auf gleiche Weise zum Ersatz oder zur Wiedergewinnung des Geraubten
zusammenhalten, und dem Kläger zur Verfolgung seines Rechts behüMlich seyn.
Ohne Zweifel ist dieser Verein durch die Unruhen in Dänmark und den Zwist
zwischen dem Könige Erich und dessen Bruder Abel , — beide Städte waren nicht
ohne Antheil an diesem Zwiste — und durch die Fehden und Unsicherheit, die
daraus hervorgingen, zunächst veranlasst worden. Diese und ähnliche Ursachen
haben die Verbindung untei* beiden Städten erhalten ; so bestätigte die Stadt Lübeck
im J. 1259 einen Beschluss wegen Vertheilung der wechselseitig aufgewandten,
1
I
ERSTE VERBINDUNGEN DER STÄDTE rat 13. JAHRH. oi
oder aufzuwendenden Kosten, die zu stellende Mannschaft und Schiffe zur Abwehp
der Seeräuber und der Feinde beider Städte i).
In demselben Jahre 1241, in welchem der erste enge Verein zu wechsel-
seitigem Schutz zwischen Lübeck und Hamburg abgeschlossen ward, haben auch
die Städte Soest und Lübeck wechselsweise eine Erklärung ausgestellt, dass die
bisherigen Streitigkeiten zwischen ihren Bürgern beygelegt worden wären, durch
die Vermittelung guter und bescheidener Männer (vielleicht durch die Bürger und
den Rath anderer Städte, wie es unter den näher verwandten und mit einander
verbundenen üblich war), und dass die vormahlige und alte Freundschaft zwi-
schen beiden Theilen wieder hergestellt seyn solle 2),
Wir kennen andere in diese Zeit fallende Verbindungen unter einzelnen
Städten eingegangen, die zwar nicht so bestimmt gegen Feinde und Widersacher
lauten, die aber auf wechselseitigen Schutz des Handels vornehmlich, und auf
einige vor andern Fremden einander eingeräumte Vorzüge sich beziehen : dergleichen
sind zwischen Braunschweig und Stade in d. J. 1248 ^nd i249, zwischen Cöln
und Bremen im J. 1258> zwischen der letzten Stadt und Hamburg im J. 1259
und unter mehreren andern abgeschlossen worden ^).
Doch am merkwürdigsten ist der Verein v. d. J. 1253 > der zwischen vier der
ältesten westphälischen Städte, nähmlich zwischen Münster, Dortmund, Soest und
Lippe eingegangen ward, deren Kaufleuten wir, wenigstens was die ersten drey
beti'ifft, mit am frühesten, und zwar auf den entferntesten deutschen Handclsqiederla-
gen z. B. in Nowgorod und unter andern Gesellschaften deutscher KaufTahrer in fremden
Ländern begegnen* Jene vier Städte erklären zu einer immerwährenden Verbindung
{perpetua confoederatione) zusammengetreten zu seyn, also, dass sie allen Denen,
die Einen der Ihrigen fahen oder berauben. Alles versagen wollen, was zu deren
Bestem gereichen könnte, nahmentlich eine Anleihe bey ihnen zu machen. Diese
Verbindung soll gehen gegen die Burgvögte (castellani) der Herren, die sich
dergleichen zu Schulden kommen lassen, so wie gegen die Herren selbst, gegen
Ritter und Knapen und deren Helfershelfer. Auch soll der durch solche Räuber
Gekränkte in seiner Klage gegen den, durch richterlichen Spruch geächteten Beleidiger,
in den Städten zur Verfolgung seines Rechts so unterstützt werden, als wäre er
ein Angehöriger des Orts. Sollte aber ein Bürger dieser Städte in eine der ver-
bündeten kommen , und wegen augenscheinlicher Gefahr seiner Person oder seiner
■ s
O ürk. J. 1241. (2.) XXVI. 2) ürk. J. 1241. (13. 40 3) ürk. J. 1248- (5.) 1249, 1258- (1. 2 ) 1259. (l).
22 ^ ERSTE ABTH. ZWEYTER ABSCHN.
Sachen den Ort nicht verlassen können; so sollen ihn' die Bürger dieser Stadt
sicher bis dahin geleiten, wo ihn seine Mitbürger in Empfang nehmen können.
Wird ein Ritter den Verbündeten als ein treu- und ehrbrüchiger glaubhaft ange-
zeigt, so soll ihm kein Anlehn in den Städten verstattet werden, bevor er nicht
das, was er verbrochen, wiederum gut gemacht hat. Sollte aber einer der Verbün-
deten des andern Mitverbundenen geraubtes Gut in einer andern Stadt, oder wo es
sonst wäre, ausserhalb seiner Vaterstadt kaufen oder in sein Eigenthum verwandelt
haben , so soll er es nicht nur nach der letztem nicht bringen dürfen, noch daselbst
oder anderswo verkaufen, sondern er soll auch als gleich schuldig mit dem Dieb
oder Räuber geachtet werden. Wer dagegen handelt, soll , ausser einer Busse an
Geld und Wein,' seiner Stadt verantwortlich bleiben und aller Ehre beraubt seyn.
Die Schuld wird durch das Zeugniss zweyer guten Männer bewiesen; fehlt dieser
Beweis, so kann der Beschuldigte SH*h mit Hülfe sechs dazu tauglicher Personen
desshalb reinigen; wird aber eine der verbundenen Städte des Bruchs dieser
Uebereinkunft beschuldigt, so kann sie sich desshalb mit Hülfe von zwölf dazu
tauglichen Personen', reinigen, deren sechs aus dem Rathe, sechs aus den Einwohnern
der Stadt zu nehmen sind l).
Eine Verbindung unter den Städten von einer noch grossem Ausdehnung,
nicht nur unter den westphälischen Städten, sondern auch zwischen ihnen und
Bremen und denen von Hamburg, Lübeck und Stade, so wie zwischen den andern
an der Elbe und jenseits derselben belegenen Städten, wird als bereits vorhanden
in einem Schreiben von den In Minden sich aufhaltenden Ministerialen, dem
Rathe und der Gemeine der Stadt v. J. 1256 an die ebengenannten Städte und
die Edelleute daselbst, erwähnt, und auf diesen (früher) beschworenen Vertrag
oder Frieden {pacem) hin die zugesagte Hülfe begehrt. Die Ministerialen, Rath
und Gemeine der Stadt Minden klagen über die Bedrückungen des Grafen von
Willpa und seines Dapifers, Conrads von Rdvensberg, die sie beraubt, Einige
von ihnen ermordet hätten und Andere im Gefangniss hielten, sie fordern die Hülfe
wie die bereits beschworene Vereinbarung oder der Friede von ihnen, als ihren
Eidgenossen, es fordern. Sie erwähnen der Unterstützung, welche ihnen der
westphälische Adel und die westphälischen Städte zusenden würden, sie begehren
dieselbe von den an der Elbe belegenen, es sey vermittelst schwer oder anders
Bewaffneter zu Pferd, oder vermittelst Fussvolks, die zu denen von Bremen stossen
sollen , um gleich zu Anfang den Friedenstörern mit Glück zu widerstehen 2).
1) ürk. J. 1253 (2). . 2) ürk. XXV.
ERSTE VERBINDUNGEN DER STÄDTE im 13. JAHRH. 23
Es ist zu bedauern, dass man diesen früher eingegangenen Frieden oder dieM
Vereinigung zu Erhaltung des Friedens nicht näher kennt j denn ^vare diess der
Fall, so würde sich auch mit Sicherheit entscheiden lassen, ob derselbe mehr als
eine eigentliche städtische Verbindung, oder aber als ein Landfriede lur diese
Gegenden, der Adel und Städte umfasste, zu betrachten wäre. Auf jeden Fall
ist es die erste Verbindung, die sich auf einen so grossen Umfang unter den
norddeutschen Städten erstreckt, und gewiss wohl anzunehmen, dass das Ganze
von ihnen vorzüglich ausgegangen ist. Auch zu der Zeit, als der städtische Bund
völlig ausgebildet war, haben die Städte mit ihren Nachbarn, dem hohen
imd niedem Adel Verbindungen dieser Art häufig abgeschlossen, und sie waren
es immer, von denen die Sache am lebhaflesten betrieben ward, da ihr eigener
Vorthell sie dazu antrieb.
Von demselben Jahre (1256) ist eine andere Urkunde auf uns gekommen,
welche von der Verbindung einiger östlich belegenen Städte zeugt, und welche
beweiset, dass Streitigkeiten, die zwischen den Vereinten entstanden, von den
andern mit verbundenen Gemeinen geschlichtet wurden: eine Urkunde, die den
Keim der nachher so berühmt gewordenen Verbindung der wendischen Städte zu
enthalten scheint. Die Stadt Wismar erklärt, dass der bereits lange dauernde
Zwist zwischen Rostock und Lübeck, auf dem Rathhause der letztern Stadt, im
BeysejTi einiger Rathmänner der drey Städte ausgeglichen worden sey, wie es
denn ein gültiger Rechtssatz dieser Vereine ward, dass Streitigkeiten unter den
Genossen durch Vermittelung der andern in Güte oder Recht ausgeglichen wurden i).
Vom J. 1259 ^^^^ haben wir einen gemeinschaftlichen Beschluss dieser drey Städte,
vermöge dessen sie die Seeräuber zu VVasser und Land friedlos erklären, somit
offenbar in engerer Verbindung standen ^). Diese drey Städte haben den Kern
des Vereins der wendischen Städte ausgemacht, denen sich zunächst Stralsund und
Greifswald, nachher andere anschlössen, welche sämmtlich dmxh das gemeinsame
lübische Recht ohnehin einander näher verwandt w^aren.
Im J. 1281 entschieden die drey Städte Lübeck, Rostock und Wismar durch
einen schiedsrichterlichen Spruch die bereits längere Zeit dauernden Sfreltigkeiten
zwischen Stralsund imd Greifswald; das Recht dazu war schon durch das frühere
1) Urk. XXIV.
2) Nach Drey er, apparat. MS, arch, Luhic. woria der Tiihalt der Urkunde angeführt wird, indem er sich
auf Negendanck, diplcmatar» MS, M^gahp, beruft; die Urkunde iat mir toiut uicht näher bekannt
geworden«
y
24 ERSTE ABTH. ZWEYTER ABSCHN.
Beyspiel anerkannt. Die Sache wird verhandelt im Beyseyn der nalunentlldi auf-
gefiihrten Abgeordneten dieser fänf Städte , der Spruch lautete also :
Alle seit Anfang des Streites, von Seiten der Stralsunäer und Gi^eifswalder
zu vi^echselseltigem Nachtheile und gegen die gemeine Freyheit des Kaufmanns
vorgenommenen Handlungen sollen sogleich aufhören, und zwischen den Städten
dieselbe gleiche Freyheit der Kaufleute, wie sie früher bestand, hergestellt werden
und dauernd bleiben; eben so sollen die Forderungen, wegen des wechselseitig
einander zugefügten Schadens, die von beiden Seiten gemacht werden könnten,
gänzlich niedergeschlagen seyn, worin Beide willigen. "Wer dagegen handelt, soll
dem Fiscus der drey schiedsrichtenden Städte mit hundert Mark Goldes verfallen
seyn. Sollte aber ein Rathsh'err der einen oder andern Stadt, einseitig und ohne
"Wissen des übrigen Raths und der Gemeine seiner Stadt, etwas gegen diese
lieber einkunft unternehmen ;' so können letztere eidlich sich desshalb reinigen i).
Diese Beschlüsse und das dabey beobachtete Verfahren lauten so, wie in
ähnlichen Fällen von der Hanse auf ihren Versammlungen verfahren ward, als die
allgemeine Verbindung vollkommner ausgebildet war. Die Abgeordneten, welche
die Beschlüsse fassen, sind Rathsverwandte der Städte, welche sie abgesandt hatten ;
sie wurden besiegelt von den drey schledsrichtenden Städten daheim mit jeder
Stadt Siegel, daher es Inder lübischen Ausfertigung heisst: verhandelt zu Rostock,
gegeben zu Lübeck.
Diese fünf Städte halben im 3. j 293 durch ihre bevollmächtigten Abgeordneten
einen Verein auf drey Jahre unter einander abgescfhlossen, der wahrscheinlich
schon früher der That nach oder durch schriftliche Verträge, die aber nicht auf
uns gekommen sind, unter ihnen bestand; dieser ist nachher öfters z. B. im J.
1296 und so fort erneuert worden. Die Abgeordneten erklären darin, nach reif-
licher Ueberlegung, zum Besten des Friedens, zu Nutz und Frommen des gemeinen
Kaufmanns imd ^u wechselseitiger Hülfe In Verfolgung ihres Rechts, sowohl zu
Wasser als zu Land^ von Martini an, sich vereinigt zu haben. Um indess jede
Schwierigkeit oder Störung zu entfernen, da die Sache Mehrere betrifft, und deren
Leitung von dem Rathe Mehrerer abhängt; so soll kein Theil ohne Einwilligung
und Rath der Mitverbundenen eine Fehde anfangen, vielmehr jeder seine Be-
schwerden den übrigen Genossen mitthellen, welche zuvörderst durch Schriften
und Bothen versuchen sollen, in Güte die Abstellung derselben zu bewirken;
1) ürk. XLIV.
ERSTE VERBINDUNGEN DER STÄDTE im 13. JAHRÄ 25
bleibt aber dieser Versuch fruchtlos, so sollen die übrigen Städte ihr beystehen
in folgendem Verhältnisse. Lübeck stellt hundert, Wismar acht und dreyssig,
Rostock siebenzig, Greifswald acht und dreyssig und Stralsund fünfzig Reisige
{viros^ armis bene expeditos) um dem beschädigten Theile zum Ersatz seines
erlittenen Schadens zu verhelfen. Sollte eine grössere Hülfe erforderlich seyn, so
versprechen sie sich einander in gleichem Verhältnisse diese, bis zu Beendigung
der Sache, zu stellen. Wird eine Tagfahrt in Bezug auf diese Angelegenheiten
festgesetzt, und versäumt eine der verbundenen Städte ohne rechtfertigende Ursache
dieselbe, so verfällt sie zum Besten der andern Genossen in die Strafe von hun-
dert Mark slavischer Pfennige; spränge eine der Städte von der Verbindung ab
und leistete die versprochene Hülfe nicht, so soll sie den andern Städten^ die zu
diesem Zwecke gemachten Auslagen ersetzen, ausserdem aber in eine Strafe von
fünfzig Mark feinen Silbers verfallen seyn, und aus dem lübischen Rechte gestossen
werden, bis sie den Verbundenen Genugthuung verschafft haben wird. Sollte indess
eine Stadt einen eigenen erblichen Herrn haben, gegen welchen sie den andern
Städten nicht mit bewaffneter Hand öffentlich würde beystehen können, so soll
sie ihren Beytrag in Geld entrichten i).
Bemerkenswerth ist, dass diese fünf, durch lübisches Recht sich einander
näher verwandten und sich enger gegen ihre Widersacher verbindenden Städte
zwar die Ungehorsamen aus ihrer Mitte in so fern ausstossen können, dass sie
der Wohlthaten des lübischen Rechts nicht gemessen sollen ; aber aus der Gemein-
schaft der deutschen Kaufleute können sie dieselben nicht ausstossen, der Vortheile,
die daraus entstanden, sie nicht berauben. Diess aber vermochte, wie wir gese-
hen haben, die grosse Handelsgesell schafl der Deutschen auf Gothland schon früher
allerdings , und dieselbe Strafe ist von den Seestädten schon damahls und nachher
von der allgemeinen deutschen Hanse verhängt worden, indem die Widerspensti-
gen von beiden, so wohl aus der Verbindung der Städte ausgestossen , als auch
von dem Geiiusse der durch den gemeinen Kaufmann in der Fremde erworbenen,
oder sonst ihm zustehenden Freyheiten, Rechten und Niederlagen ausgeschlossen
wurden.
Auf diese engere Verbindung unter den fünf w endischen Städten beschränkten
sich diese jedoch nicht. Einzelne derselben traten in Verbindung mit anderen,
besonders Lübeck. Diese Stadt verband sich mit den Deutschen auf Wisby im
1) ürk. LXXVIII. LXXXIV.
D
26 ERSTE ABTH. ZW EYTER ABSCHN.
J. 1280 gc*gen Alle, Hohe und Niedrige, zum Schutz des Hafens der Trave, des
Sundes und der Strasse längs der Ostsee his Nowgorod, alle dazwischen Hegenden
Häfen und Rheden mitljegriffen, auf gemeinschaftliche Kosten und für die nächsten
zehn Jahre.; so wie beide Städte mit Riga, zwey Jahre nachher, auf acht Jahre
dieselbe Verbindung zu gleichem Zwecke eingingen ^).
Um diese Zeit kommt der Nähme slavische oder wendische Städte auch
zuerst vor, und er wird in der Folge stets häutiger gebraucht. In einer Urkunde
\on d. J. 1283 bestätigt der König Erich von Dänmark den Hamburgern gleich
den übrigen slavischen und Seestädten ihre alten Freyheiten in Schonen.
In einer auf acht Jahre eingegangenen Verbindung mehrerer Städte mit dem
Könige Erich von Dänmark vom J. j284j hey welcher Gelegenheit er ihnen ver-
schiedene Freyheiten ertheilte, kommt die Benennung slavische Städte wieder
vor, ohne dass jedoch diese einzeln aufgeführt würden. Wahrscheinlich sind jene
grössern schon länger enge verbundenen fünf Städte Lübeck, Wismar, Rostock,
Stralsund und Greifswald nicht allein unter dieser allgemeinern' Bezeichnung da-
mahls begriffen worden , sondern auch die ihnen verwandten minder bedeutenden,
kleinem pommerschen Städte, als Demmin, Stettin und Anclam, denen der König
schon das Jahr zuvor gemeinschaftlich mit jenen funfen ihre alten Freyheiten
in Schonen und Dänmark, gleich den Hamburgern, bestätigte; welche acht Städte
auch mit mehreren norddeutschen Fürsten zu wechselseitigem Schutze sich vereint
hatten, ohne dass sie mit dem Nahmen slavische oder wendische Städte bezeiclmet
worden wären. Im Verlauf der Zeit, als diese Benennung immer mehr üblich
ward, und der Verein z^v Ischen den fünf Städten sich stets enger schloss, sind sie,
nähmlich Lübeck, Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald unter dem ge-
rn einschafÜichcn Ausdruck wendische Städte vorzugsweise und allein in der Folge
begriffen worden; sie sind seit dem Ende des dreyzehnten und im folgenden
Jahrhunderte, ja in noch spätem Zeiten, die vorzüglichste und einflussreichste
Abtheilung in dem gesammtcn Vereine der norddeutschen Kaufleu :e und Städte
geblieben, welcher Abtheilung erst In späterer Zeit Hamburg und Lüneburg bey-
gezählt worden sind 2). Das Ansehen dieser fünf enger vereinten wendischen
i) Urk. XU. XLviir.
2) Ulk. T. J. 1283. LI. LV. LVI. LVn. u. s. w. Die drcy letztem Urkunden sind tou demselben Jalir
und Tag, es werden ausser jenen fiiiif Städten, als Bundesgenossen des Königs, noch die Städte Anclam,
Demmin und Stettin» ferner Hamburg und Kiel genannt, diese aber heissen nicht slavische oder wendische
Städte; in den beiden Urkunden LV. und LVI. kommt lediglich der allgemeine Ausdruck slawische Städte
iror , sie werden aber nicht einzeln und nahmentlich aufgeführt.
^
ERSTE VERBINDUNGEN DER STÄDTE im i3. J.4HRH. 27
Städte ergibt sich aus den folgenden Begebenheiten; sie sind am thätigsten in
dem Kampfe mit König Erich von Norwegen, in welchem sie gemeinschaftlich
mnit den Deutschen auf Wisby und der Stadt Riga verfahren, und einen günstigen
Frieden im J. 1285 erzwingen. An diese fünf Städte wandten sich auch die Städte
Stavern und Campen, als der König Erich von Norwegen ihnen besonders auf-
sässig war, wegen einiger in seinem Hafen Marstrand vom gemeinen Kauftnannc
ergriffenen und hingerichteten Seeräuber im J, 1293 J sie schlössen gemeinschaft-
Jiich mit dem Könige ab i).
Aber diese wendischen Städte haben auch schon in dieser Zeit einen Einfluss
Äiuf andere geübt, der auffallend genug ist.
Wir haben eine Urkunde v. d. J. 1300> welche den vorherrschenden Einfluss
der wendischen Städte in der Leitung der gemeinschaftlichen Handels - Angelegen-
heiten und Lübecks insbesondere beweiset, auch die Verbindung, in welcher sie
mit andern Landstädten standen. Lübeck ladet um Michaelis dieses Jahrs die
Stadt Osnabrück ein, durch Abgeordnete zu einer bey ihr zu haltenden Tag-
fahrt zu erscheinen, welche von den wendischen (slavischen) Städten auf einer
von ihnen jüngst zu Wismar gehabten Zusammenkunft beliebt worden sey, um
wegen der erlittenen Bedrückungen in Flandern, Dänmark und Norwegen das Er-
forderliche zu beschliessen , indem diese Angelegenheiten sowohl die westphäli-
schen Kaufleute als die der wendischen Städte angehe; Lübeck bittet von diesem
Allen die Städte Münster, Dortmund und Soest zugleich in Kenntniss zu setzen.
Diess sind die ersten deutlichen Spuren des nachmahls ausgebildeten engem Aus-
schusses der wendischen Städte, und des Vorsitzes und der Leitung der allgemeinen,
besonders der Handels - Angelegenheiten durch Lübeck. Die Sache bestand, ohne
irgend einen desslialb beliebten Vertrag zu kennen, ja nicht einmahl irgend, ein
1) Urk. LXI« LXXVI. LXXVIL u. f. auch mehrere gedruckte, s» das Yerzeichmss bey diesen Jahren. In dem
lübischen Archive Copiar. MS. privil. Germ. II. f. 87* findet sich eine Bestätigung der Freyheiteu auf den
Märkten zu Huitwanger in Seeland durch König Erich von Däumark v. J. 1283, Hir die Bürger der Städte
Lübeck, "Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin imde den anderen borgheren ^ vnde allen anderen
euer wentland belegen. Dasselbe kommt -vor in Albert« de Bardewic cod. pririL Lubecens, MS. f. 4I. in
demselben Archive, wo sich das gleiche Privilegium, gegeben an demselben OrtCi Saxekoping, nur mit dem
J*1378 findet. Die Urkunde habe ich in der Urschrift nicht aufgcfuuden, und verntulhe} dass in der Samm-
lung Albr. V. Bardewick die Jahrzahl falschlich angegeben, d. J. 1283 vielmehr das rechte sey, da der
Inhalt mit andern Urkunden aus demselben Jahre gut übereinstimmt. Dreyer rühmt an mehreren Orten
sehr diesen Bardewickscheii codex, ich habe ihn mit den Urschriften vergliclien, meist sehr mangelhaft ge-
funden. Offenbar ist in dieser Urkunde von den wendischen Städten in der weitem geographischen Be-
deutimg lediglich die Rede.
D 2
28 ERSTE ABTH. ZWEYTER ABSCHN.
ProtocoU aus dieser Zeit zu haben , welches wegen dieser Verhandlungen auf den
Tagfahrlen wäre geführt worden, und höchst wahrscheinlich ist, dass weder das
Eine noch das Andere rorhanden war, dass das wechselseitige gefühlte Bedürf-
niss die Sache gestaltete, und dass man weniger noch schrieb als handelte.
Um dieselbe Zelt und selbst noch einige Jahre zuvor kommt auch eine an-
dere Verbindung unter der Benennung Seestädte oder deutsche Seestädte vor,
worunter zunächst nichts weiter , als was der buchstäbliche Sinn des Worts gab,
verstanden werden mochte. So ertheilte König Magnus von Norwegen bereits im
J. 1278 den deutschen Kaufleuten, auf die Bitte der Vorsteher und Gemeinen
vieler deutschen Seestädte, die nachgesuchten Freyheiten, und von der Zeit an
kommt diese Bezeichnung immer häufiger vor. Dass darunter nicht nur jene
wendischen sondern auch die andern an den Küsten der Nord— und Ostsee He-
genden deutschen Städte begriffen wurden, ist wohl keinem Zweifel unterworfen.
Nahmentlich werden in den zunächst folgenden Urkunden ausser den sogenannt
wendischen, die Deutschen auf Wisby, die Städte Riga, Kiel, Eibingen, und an
der Nordsee: Hamburg, Bremen, Campen, Stavem und Groningen als darunter
begriffen aufgeführt. Diese Benennung schien auf alle, wenn sie nicht nahment-
lich aufgezählt wurden, bezogen werden zu können, wie sie an den Küsten bei-
der Meere von den russischen bis zu den flandrischen Grenzen hin lagen. Diese
Seestädte haben zu jeder Zeit des Vereins niederdeutscher Kaufleute und Städte,
besonders seit der zweyten Hälfte des dreyzehnten Jahrhunderts, den entschieden-
sten Einfluss auf denselben behauptet. Das Meer war eigentlich die Schaubühne
der Grösse des Vereins; über dasselbe hin konnte man, mit geringer Ausnahme,
zu den gemeinsamen Handelsniederlagcn in dem Auslande meist nur gelangen; auf
diesen Meeren mit ihren Schiffen wurden die Fehden mit den fremden Mächten
gefuhrt Mit der Ausdehnung der gemeinschaftlich zu verfolgenden Zwecke wuchs
auch der Seestädte Ansehen, und das der grossem Landstädte, selbst derer, welche
keinen erblichen Landesherrn anerkannten, und deren Zahl unter ihnen grösser
war, als bey den Seestädten, trat mehr zurück.
Dass nun bald mehrere bald wenigere Seestädte mit einander zu dieser oder
jener Fehde sich vereinten, ist aus vielen Urkunden deutlich genug; aber ähnliche
Urkunden eines engem Vereins dieser Seestädte, wie wir dergleichen in Bezug auf
die wendischen und nahmentlich auf die fünf grossem unter ihnen besitzen , sind
nicht aus dieser Zeit auf uns gekommen, wenigstens sind bis jet^t keine der Art
aufgefunden worden.
ERSTE VERBINDUNGEN DER STÄDTE im 13- JAHRH. 29
TSiS fuhren die Seestädte bald in grösserer, bald in geringerer Ausdehnung
gemeinschafdich Fehden mit Fremden, sie schliessen Verträge mit ihnen ab, er-
werben Freyheiten von ihnen, sie müssen zu solchem Zweck mit einander durch
Bothen oder Abgeordnete schriftlich oder mündlich auf Tagsatzungen verhandelt
haben oder zusammen gekommen seyn , obwohl von diesen auf ihren Tagfahrten
gefassten Beschlüssen wenig oder nichts uns überliefert worden ist, vielleicht aucb
desshalb, weil damahls schriftlich wenig aufgezeichnet ward.
Allein es erhellet doch aus einer auf uns gekommenen Urkunde, dass diese
Seestädte, wie sie sich nennen, zugleich in Verbindung mit mehreren Landstädten
waren, und dass sie durch ihr Ansehen in der Fremde wie in Deutschland eine^
Art Gewalt über diese übten, und eine, gegen ihren Rath aufgestandene Gemeinde
zum Gehorsam zurückführten, indem sie ihr die Vortheile des Verkehrs mit ihnen
abschnitten. So geschah es nach erfolgtem Aufstande der Bürgerschaft der Stadt
Braunschweig gegen ihren Rath um d. J. 1292) dass die Räthe oder Abgeordne-
ten der gemeinen Seestädte zu Lübeck versammelt, ein Schreiben an Hildesheim
erliessen, worin sie erklären, dass, nachdem sie, zufolge des an Lübeck, Ham-
burg und Lüneburg gegebenen Auftrags, erfahren hätten, wie die Braunschweiger,
weder der von den Beauftragten mit ihnen geschlossenen Uebereinkunft gemäss,
noch zufolge der mit ihrem Herzoge Albrecht genommenen Abrede sich fugen
wollten; sie, die Seestädte, beschlossen hätten, ihren Kaufleuten alle Gemein-
schaft mit den Braunschweigern in Flandern, Holland und Brabant zu untersagen.
In keiner Stadt , . in keinem Orte , wo Braunschweiger zugegen sind , oder sich
aufgehalten haben, und selbst einen Monath nach deren Abreise, sollen die Kauf-
leute der Seestädte Tücher kaufen , an Braunschweiger verkaufen oder gegen
andere tauschen. Die Seestädte erwarten, dass die Stadt Hildesheim genau die-
sen Beschlüssen nachkommen werde, sie zeigen ihr femer an, dass sie zu gleichem
Zweck an den Grafen von Flandern und dessen drey Städte geschrieben , und
dem gemeinen Kaufmanne daselbst, der in ihrem Rechte sey, und andern Städten,
die in ihrer Verbindung wären (ac aliis ciuitatibus in nostra conjederacione
comprehensis) diese Beschlüsse mitgctheilt hätten. Die Verbindung unter den
Städten war demnach gewiss vorhanden, obwohl deren Ausdehnung sich nicht
^ bestimmt daraus ergibt i).
1) ürk. LXXIV-
30 ERSTE ABTH. ZWEYTER ABSCHN.
Wenn nun die wendischen und die Seestädte die bedeutendsten Vereine in
dieser Zeit unter den norddeutschen Städten bildeten, wenn sie auf die übrigen
einen grössern oder geringern Einfluss schon ausübten; so gab es doch viele an-
dere, da durch die Nachbarschaft mehrere Städte zu näheren besonderen Vereinen
sich aufgefordert fanden. Diese Verbindungen haben zu jeder Zeit, selbst nachdem
der allgemeine Verein vollkommener ausgebildet war, fortbestanden. So kommen
verschiedentlich in den Urkunden der Zeit auch sächsische, westphälische, preussi-
sehe Städte vor, welche gewisse gemeinsame Beschlüsse fassten^ die sich auf ihre
besondem Kreise beschränkten, doch auch wieder auf das Allgemeine ihren
Einfluss hatten.
Bey Gelegenheit des Streits über die Vorherrschaft auf dem Hofe zu Now-
gorod zwischen Lübeck und Gothland oder Wisby werden die Beliebungen der
sächsischen, der westphälischeo, der wendischen und preussischen Städte envähnt,
und ähnliche Ausdrücke kommen auch für andere Gegenden des nördlichen Deutsch-
lands vor. Man sieht aber auch aus diesen Urkunden, wie unvollkommen alle
diese Verbindungen an sich und mit dem allgemeinen Vereine waren, wie einzelne
Städte aus den einzelnen Abtheilungen ihren eigenen Weg gingen, und wie Lü-
beck sowohl als Wisby durch Umlaufsschreiben an die einzelnen Städte sich
wenden mussten, um sie zu gewinnen, und w^e bey der einen diese, bey der
andern jene Gehör fand.
Alle diese einzelnen Vereine der benachbarten Städte, so wie der allgemeine
Verein wurden durch gemeinschaftliche, mehr oder weniger gleiche Bedürfnisse
zusammengehalten; aber viele hatten hinwieder ihre besondern Rücksichten^ also
dass allgemeine Verbindungen, schriftliche Bundesverfassungen noch nicht zu er-
warten standen. — Am meisten trafen sie in den Vortheilen zusammen, die für
den Handel im Auslande waren errungen worden ; die andern Rechte und Freyheiten
zu behaupten war mehr die Sache jeder einzelnen Stadt und ihrer nächst benachbar-
ten Schwestern. Aber selbst in Hinsicht auf jene gemeinschaftlich zu benutzenden
Freyheiten in der Fremde ging, mit geringer Ausnahme etwa der deutschen Nie-
derlage in Flandern, das Uebergewicht in die Hände der Kaufleute und des Raths
der See- vmd wendischen Städte über, wiewohl mehrere der altem Landstädte,
früher als die zum Theil später an den Küsten des östlichen Meers angelegten, in
die entferntesten Länder, selbst über die See hin, einen lebhaften Verkehr betrieben
halten. Die Vorherrschaft der Seestädte, der wendischen und besonders Lübecks
ward durch die glücklichen Fehden vermehrt, welche sie im Verlauf der Zeit
ERSTE VERBINDUNGEN DER STÄDTE im 13. JAHRH. 31
führten. Es mochte den ältesten und angesehensten Landstädten immer mehr
der Vortheil einleuchten an ihre mächtigen Schwestern längs der See sich an-
zuschliessen , wie denn diesen Letztem das Verdienst hieiht durch die be<\'iesene
Klugheit und die von ihnen entfaltete Macht zu dem Vereine aller niederdeutschen
Städte vorzüglich bey getragen zu haben. — Von diesen ihren Fehden wird nun
zu reden seyn.
DRITTER ABSCHNITT.
Erste glückliche Fehden Lübecks, der wendischen und anderen Seestädte, während des drei-
zehnten Jahrhunderts, welche ihr Ansehen verbreiteten, und zur Befestigung des Vereins init
und unter den andern Städten be} trugen.
Alle Städte, wo sie im Mittelalter sich zu grosserer Freyheit ausbildeten, sind sofort
in immerwährende Fehden mit den benachbarten Fürsten und Herren verwickelt
worden; sie mit Glück zu fuhren, ist einer der Hauptgründe der einzelnen Vereine
unter den sich zunächst benachbarten gewesen und geblieben. Der Geist, der auf
den Burgen herrschte, war von dem, der hinter Mauern, Wall und Gräben in den
Städten sich bildete, so verschieden, dass der Streit zwischen beiden Theilen nie
fehlen konnte. Wenn Friede zu. Wasser und Land der Städte sehnlichster Wunsch
war, in Fehden die Herren der Burgen sich gefielen, und eine höchste Gewalt zu
Erhaltung des Friedens unter Allen fehlte, so war der Kampf unvermeidlich. Jede
Gemeine hatte von einem unruhigen Nachbar zu leiden, jede wünschte diese Burg,
die ihr nahe lag, diesen Aufenthalt abgesagter Feinde vernichtet zu sehen. Die
Städte waren nimmer müde in diesem Kampfe, und die Herren nimmer müde,
neue Burgen zu erbauen. Vom zwölften bis tief in das sechszehnte Jahrhundert,
lange nach dem allgemeinen Landfrieden, dauerten diese Fehden.
Jede Stadt hatte dergleichen Abenteuer zu bestehen. Diese besondem Fehden
aber sind kein Gegenstand der Geschichte des norddeutschen allgemeinen Städte-
Vereins; nur dann, wenn sie zu gemeinen Angelegenheiten desselben erhoben
wurden, tritt eigentlich jener Fall ein. Früh wie spät blieb dieser Unterschied;
Fehden, welche diese oder jene Seestadt, z. B. Lübeck oder Hamburg, einzehi
oder gemeinsam gefuhrt haben, sind eben so wenig, als die, in welche sich klei-
nere oder grössere Landstädte des Vereins cinliessen, als gemeinschaftliche Fehden
32 ERSTE ABTH. DRITTER ABSCHN.
desselben zu betrachten ; doch sind Kämpfe der Art, von Einzelnen, besonders von
den Seestädten angefangen, mehr als bey denen, in welche sich die Landstädte
einllessfen, in solche ausgeartet, an welchen mehrere, wenn auch nicht alle Städte
Theil nahmen, und ihr glückliches Ende hat, wiewohl nur einzelne die Fehde
führten, auf die Befestigung der Handclsmacht und auf das Ansehen der norddeut-
schen Städte sehr bedeutend gewirkt, diese aber sind hier nicht zu übersehen.
Die Städte des Binnenlandes hatten, im Allgemeinen zu reden, weniger Auf-
forderung zu solchen Kämpfen, als die Seestädte, da diese nicht nur zu Land
von gleich unruhigen Nachbarn gedrängt wurden, und fiij' ihren Landhandel
gleiche Gefahren abzuwenden hatten; sondern auch durch das Meer in viele an-
dere Berührungen kamen, und in Streitigkeiten mit Entlegeneren verwickelt wur-
den, während die Landstädte mehr auf ihre Nachbarschaft mit ihren Fehden
beschränkt blieben. Auch war es leichter, zur See einer bedrängten und be-
freundeten Schwester Hülfe zuzusenden, als zu Land in entfernten Gegenden,
durch mancher Herren Gebiete von einander getrennt, diesen Zweck zu erreichen.
So war es zu erwarten, dass die deutschen Seestädte zuerst gemeinschaftlich
grössere Fehden zu bestehen haben würden, und so ist es auch genau, den
Zeugen gemäss eingetroffen. In der Ostsee aber mussten die ersten bedeutenden
Streitigkeiten entstehen, da so verschiedenartige Ansprüche in der Nähe sich hier
vielfach durcn kreuzten. Auch haben auf diesem Meere und an den nächstbelege-
nen norwegischen Küsten zuerst verschiedene deutsche Städte gemeinschaftlich
gegen die nordischen Könige gekämpft.
Es würde unbegreiflich seyn, v/ie diese wenigen Städte der Ostsee, die meist
viel später, als die altern westlich von der Elbe, angelegt wurden, in einem
Zeiträume, meist nur von einigen Menschenaltem, zu solcher Kraft hätten gedeihen
können, dass sie es mit den Königen des Nordens aufzunehmen, und mei$t
glücklich den Kampf zu bestehen vermochten, wenn es nicht gewiss wäre, dass
selbst eine unvollkommene Freyheit, ein unvollkommenes Recht, und eine noch
gar nicht eben weit getriebene Vervollkommnung des Gewerbfleisses , dennoch
jenen Städten vergleichungsweise eine Kraft und Stärke, und einen Reichthum
verliehen hätten, welche der innere Zustand jener nordischen Reiche nicht zuliess,
der den Königen gänzlich abging. Diese Länder hiessen zwar Königreiche, allein
es gab dort keine wirklichen Könige, sondern nur oberste Lehnsherren, welche die
Kräfte ihrer Lehnsleute zu einem gemeinen Zweck nie hinlänglich verbinden
konnten. Unglücklich schwankten diese Länder zwischen Wahl- und Erbreichen
ERSTE FEHDEN LÜBECKS U. EINIG. AND. SEESTÄDTE m 13. JAHRa 33
die Könige und ihre Kronen blieben abhängig von ihren geistlichen und weltlichen
Grossen, sie \varen mit ihnen in einem immerwährenden Kampfe. Jedes Jahr
wechselte den Besitzstand und die Kraft. Kein Theil der höchsten Gewalt war
ihnen gesichert. Jeder kühne Vasall fand leicht Anhänger; begierig nach
Neuerungen, , waren immerwährende Unruhen das unausbleibliche Loos dieser
Länder. Zwischen Tod, Gefangenschaft, Krieg und Behauptung des Thrones
schwankten die Unglücklichen immer, welche ein trauriges Geschick auf den
Thron erhoben hatte. Ohne stehende bewaffnete Macht, ohne einen geordneten
öffentlichen Haushalt, entschied eine unglückliche Schlacht oft über Krone,
Freyheit und Leben. Nicht genug aber, dass ein so rechtloser Zi^tand das
Innere dieser drey Königreiche verheerte, sie bekriegten sich auch stets noch
unter einander, wesshalb denn die Grenzen und Besitzungen dieser Länder in
einem immerwährenden Schwanken waren. Eben diess aber bot den Städten
Hülfe in ihren Kämpfen. Es fehlte ihnen nie an Verbindungen, die sie mit den
andern Königen eingingen; unter den unzufriedenen Grossen dieser Reiche fanden
sie leicht Verbündete , selbst unter den Fürsten des nördlichen Deutschlandes,
deren Unabhängigkeit durch die dänische Macht eine Zeitlang besonders gefährdet
wurde; denn auch die geringe Hülfe, welche die Städte zu Anfang, vor ihrem
grösseren Gedeihen, gewähren konnten, war immer Etwas werth ; sie ward allmählich
höher geschätzt, als diese Gemeinden an Macht und Wohlstand zunahmen, sie
ward zuletzt entscheidend. Nicht nur die Schiffe, welche die Städte ausrüsteten,
nicht nur die Reisigen und die Mannschaft, die sie aus ihren Städten absandten, die
sie in ihren Dienst genommen hatten; vielmehr noch waren es die Geldkräfte, über
welche sie verfugen konnten, die Darleihen, die sie ihren Freunden machten,
w eiche deren Zahl so vermehrte. Es ist zugleich zu bewundern, mit w elcher Klug-
heit schon anfangs die wenigen Städte, die zuerst gediehen, ihre Verbindungen aus-
zuwählen verstanden, und mit welcher Schlauheit sie in diesen nordischen Reichen
ihren Vorthell zu verfolgen wussten. Wenn nun auch einige glückliche und
tüchtige Könige, wie etwa Kanut oder VValdcmar IL von Dänmark, ihre Herr-
schaft ausdehnten, und die Deutschen an den Küstenländern der Ostsee ihre
Lehnshoheit anerkennen mussten; so lösete sich doch diess grosse Reich, nac|i
einer unglücklichen Schlacht, eben so leicht wieder auf. Jenes Zeitalter verstand
es nicht, die Besiegten, durch einen bessern Zustand, als der vorhergehende war,
an den Sieger zu knüpfen: und wie Viele haben diess in spätem Zelten verstan-
den? Kriegslustige Abenteuerer würfelten um den Besitz grosser Landstrecken,
E
34 ERSTE ABTH. DRirfER ABSCHN.
und das Volk kümmerle sich wenig um diess blutige Spiel, da Leiden und Dulden
doch immer sein Loos blieben. Nur in den Städten war ein anderer Geist rege
geworden, da die Genossen derselben nicht, wie rohe Krieger, ihr Leben auf
das Spiel setzen wollten, um in den Fehden und durch sie zu leben, da viel-
mehr aus häuslichem Flcisse und aus des Friedens Künsten des Lebens schönere
Freuden lur sie entsprangen. Städte dieser Art aber waren in den nordischen
Reichen wenig zahlreich, und an sich zu ohnmächtig, um dem Bestreben der
Grossen und Mächtigen des Landes eine andere Richtung zu geben.
Diesseits der Ostsee in deutschen Landen war es anders. Die freyen Ge-
meinden hoben sich allmählich aus dem wilden Getümmel hervor. Bey ihnen
war die Gewalt in die Hände einiger angesehenen Geschlechter und der vermö-
genderen Kaufleute übergegangen oder in denselben befestigt wordeu, ohne jedoch
den übrigen Bürgern den ihnen gebührenden Antheil, oft freylich einen sehr
geringen, zu rauben, ohne ihnen den Glauben zu nehmen, dass sie wirklich einen
solchen Antheil hätten, dass sie freye Leute wären, und dass, was geschehe,
mit ihrer Zustimmung und zu ihrem Besten geschehe. Meist frey in diesen frühen
Zeiten von dem alle besseren Massregeln verdrängenden leidenschaftlichen Geschrey
der rohen Menge, waren diese scheinbar schwachen Genossenschaften an Einheit
und Kraft jenen Reichen dennoch überlegen, die bey stolzerm Nahmen ein
zerrissenes Innere zeigten.
Geld und Wohlhabenlieit geben zu jeder Zeit Mittel zu Unabhängigkeit und
Macht denen, welche sie verständig zu gebrauchen wissen. Dienste, welche die
Städte kauften, Männer, welche sie lohnten, unter dem hohen wie unter dem
niedem Adel, gaben eine zuverlässigere Stütze, als der Lehus- Verband den
Königen darbot; denn den Lohn hatten die Lehnsträger vorweg empfangen, die
Dienste sollten nachfolgen; es war ein unvollkommenes Verhältniss, unvollkom-
mene Leistungen mussten entstehen. Die Städte hingegen sammelten innerhalb
ihrer Mauern, und jedes gesammelte Gut ward von neuem fruchtbar verwandt;
jene vergeudeten, diese hatten den Quell des Reichthums in sich.
Söldner hielten die Städte früh, des Landes Adel focht gerne in ihrem
Solde, des Raths Diener in der Stadt Wapen gekleidet, nebst den cdeln und
gemeinen Bürgern waren in den Waffen geübt, und eine rüstige, freywillig
vereinte Jugend, so wie das bedächtige Alter, waren bereit fär ihr Recht, fiir ihr
Eigenthum ihr Leben zu w^agen. In den Fehden mit den Grossen halfen die
(Städte bald Diesem bald Jenem, um den Einen durch den Andern zu schwächen.
ERSTE FEHDEN LÜBECKS U. EINIG. AND. SEESTÄDTE im 13. JAHRH. 35
Ihre Seeschiffe zum Handel und Kriege thelKveise gleich geschickt, da auf dem
unsichem Meere nur bewaffnete Fahrzeuge vor immerwährenden Angriffen sich
schützen konnten, gaben, ohne bedeutende Kosten, zugleich Mittel zur Verlhei-
digung: mit der Ausdehnung ihres Handels wuchs auch Ihre Kriegs -Seemacht,
denn meist dienten alle grössere Kauftahrer zu dem gedoppelten Zweck.
Die Normänner, welche früher In freundlichem Himmelsstrichen Ihren
Nahmen und Ihre Waffen furchtbar gemacht, und neue Reiche gegründet hatten,
konnten dennoch jetzt den Kampf mit diesen deutschen Gemeinen nicht aushalten,
die an Betriebsamkeit, an Relchthum Ihnen überlogen waren, an Liebe zu Ihrer
Genossenschaft den tapfem nordischen Männern gleich kamen.
Traf es sich aber, dass die Mannschaft der Städte zur See, oder zu Land
von einer grössern Macht überwältigt ward, dass die Jugend fiel, ihre Verbündeten
sie verllessen : so boten doch "Wall und Mauern den Ueberbli ebenen eine fast un-
bezwingllch sichere Frey statte dar. Zu jenen. In der Belagerungs- Kunst unerfahre-
nen Zielten, ohne die Alles niederstürzenden grösseren Feuerschlünde, verschwendete
an diesen Erd- und Steinmassen das muthlgste Heer oft Zelt und Kräfte vergebens.
Die Stadtbewohner, aufgefordert durch das Theuer&te, was sie besassen, fanden
keine Aufopferung zu gross, da sie für ihre Unabhängigkeit und Freyhelt, für
ihren Herd, für Ihre Kinder, im Schoosse der Ihrigen und unter ihren Augen,
fochten. Zugleich waren Innerhalb der Stadt Vorräthe die Belagerung einige
Zelt auszuhalten, bis etwa eine befreundete Schwester oder ein Verbündeter des
hohen oder niedem Adels, über seines Gleichen oder des fremden Königs und
dessen Anhänger zu grosses Glück elfersüchtig, oder schon längst mit ihnen in
Feindschaft, die Belagerten befreyte.
Die Geschichte einer Stadt in dieser Hinsicht Ist die Geschichte aller; doch
hat Lübeck, vor Ihren übrigen Schwestern an den Küsten der Ostsee, blutige Fehden
früher gefochten, und gegen Könige und Fürsten gekämpft, selbst bevor Irgend
eine nähere allgemeinere Verbindung unter den norddeutschen Städten bestand.
Denn diese Stadt, durch Ihre Lage, durch ihre Verfassung, die Einrichtung ihres
Gemeinwesens, durch ihre frühe Ilrklärung zu einer freyen Stadt des Reichs,
durch Handels- und Schifffalu-ts- Kenntnisse, die von andern zurückgekommenen
oder zerstörten, fremden oder vaterländischen Städten hierher verpflanzt waren,
begünstigt, gedieh früher und rascher als andere. Verbunden mit verschiedenen
deutschen Fürsten und Herren hat sie In mehreren Fehden gegen Waldemar U.
mit gefochten, und Ihre, eine Zeltlang eingebüsste Reichsfreyhelt zuletzt behauptet.
E 2
36
ERSTE ABTH. DRITTER ABSCHN.
In der Schlacht bey Bornhöved , welche der Dänen Herrschaft diesseits der Eider
und Ostsee brach, folgten die Lübecker, wohlgemuthe freye Männer, unter An-
fuhrung ihres Mitbürgers, Alexanders von Sollwedel, und nahmen Theil an dena
Ruhme dieses heissen Tages (22- Jul. 1227) , das nordöstliche Deutschland der dä-
nischen Herrschaft wieder entrissen zu haben.
In einer andern Fehde wagten die Lübecker, als der Verlust ihrer
Freyheit bereits entschieden zu seyn schien, stark durch ihren Muth, die erste
Schlacht zur See gegen die Dänen (1234) > und nach einem Kampfe , der vom.
Morgen bis zum Abend gefochten ward, trugen sie den Sieg davon, und führten
als Siegeszeichen, ein erbeutetes dänisches Schiff in ihren Hafen: also, dass zu-
nächst ihre Feinde allen Ansprüchen auf eine Stadt entsagten, die ihr Recht so
wacker zu vertheidigen wusste.
Zwar hoffte Waidemars Nachfolger, Erich Plogpenning (1249), das verlorene
Nordeibingen wieder zu erobern, auch Hess er zu diesem Zwecke die lübischen
Schiffe und Kaufleute in seinem Reiche verhaften: aber muthig liefen ihre hinter-
bllebenen Landsleute in See, nahmen und plünderten Kopenhagen, verbrannten
Stralsund, als dänische Anpflanzung, und kehrten abermahls siegreich, mit Beute
beladen, unter Alexander von Soltwedel in ihren Hafen zurück. Fünf Jahre
uachher (1254) fochten die Lübecker unglücklich bey Skanoer, doch landeten sie
auf den Inseln Moen und Falster, und gewannen dort Stegehuus, hier Nyekiöbing,
so wie für ihre Bundsgenossen, die Herzoge von Schleswig, bessere Bedingungen.
Diese und manche andere kecke Untemehmung'en einer einzelnen Stadt
mussten wohl ihren Nahmen berühmt und geehrt unter den Nachbarn machen.
Die Städte dieser Landschaften wünschten mit ihr in engere Verbindung zu treten,
um so mehr, da Stralsund es zwiefach empfunden hatte, wie sie deutschen Städten
mitspiele, die es mit ihren Feinden hielten, und die ihre Eifersucht geweckt
hatten. Es mochten gar bald die deutschen Städte an der Ostsee ihren gemein-
schaftlichen Vor theil, so wie ihre gemeinschaftlichen Feinde genauer kennen lernen,
die ihnen Lübeck deutlich genug gezeigt hatte. Ihr Verkehr, der in den nordischen
Reichen, oder durch dieselben hin und zwischen ihnen gefiihrt ward, blühte
immer mehr auf, indem daselbst die einheimischen Städte^ deren Freyheit, Handel
und Macht nicht in gleichem Maase gediehen. Die deutschen Gemeinen mussten
indess bald einsehen, wie sehr ihr Handel, dessen Verbreitung und Gedeihen,
von dem nur zu oft wiederkehrenden willkürlichen Zugreifen der nordischen
Könige abhängig seyenj die Freiheit, jene Reiche mit Sicherheit zu be-
. *
ERSTE FEHDEN LÜBECKS IT. EINIG. AND. SEESTÄDTE im 13. JAHRH. 37
suchen, ihren^ Handel daselbst frey zu betreiben, konnte nur durch die Stärke ihrer
eigenen und vereinten Seemacht erzwungen werden.
Bey dieser Lage der Dinge mussten die deutschen Städte der Gegend an
eine Verbindung imter einander denken, um gemeinschaftlich zu erhalten, was !sie
einzeln zu behaupten zu schwach waren ; denn nicht alle vermochten^ was Lübeck
bereits geleistet hatte, und auch diese ward stärker durch einen Bund mit Lands-
leuten und Freunden, welche gemeinschaftliche Zwecke verfolgten.
Zuerst unter den nordischen Mächten empfand, wie es scheint, König Erich
von Norwegen im J. 1284 die Wirkung eines solchen Vereins. Verschiedene
deutsche Städte der Nord- und Ostsee hatten bereits längst einige Handelsfrey heiten
in jenem Reiche, einzeln oder gemeinschaftlich, schriftlich oder durch Herkommen
erworben; da sie aber eben damahls des Königs Feinden, den Dänen, geneigt
waren, so fand Erich sich bewogen, ihre Schiffe theilweise anzuhalten , dieselben
zu verkaufen, und ihren Handel im Lande gänzlich zu vernichten. Mehrere dieser
deutschen Städte verbanden sich darauf zur Fehde gegen ihn, und Lübeck, als
die mächtigste Stadt, stand an der Spitze der übrigen. Sie nebst Wismar, Rostock,
Stralsund, Greifswald, Riga und den Deutschen auf Wisby sandten gemeinschaftlich
eine Flotte aus, beunruhigten die norwegischen Küsten, und erzwangen durch
ihr Verbot aus ihren Städten weder Korn noch Brot und Bier nach Norwegen
zu fuhren, dass König und Land sich ihrem Willen fiigen mussten. Erich liess
sich die Vermittelung des Königs Magnus von Schweden gefallen, er gab in dem
Frieden zu Calmar im J. 1285 die zu Bergen angehaltenen deutschen Schiffe
wieder frey, versprach als Entschädigung 6OOO Mark norwegischer Münze zu
, zahlen , verstattete neue , bestätigte den Städten ihre alten Handelsft'eyheiten , und
dehnte sie auch auf Campen, Stavern und Groningen aus, welche in einiger
Verbindung mit den früher genannten gestanden zu haben scheinen. Der König
erkannte sogar drey abgeordnete Städte als Schiedsrichter an , deren Ausspruch
er sich in allen seinen künftigen Streitigkeiten mit Dänmark zu unterwerfen gelobte.
Auch hatte er schon das Jahr zuvor die Zusicherung seines Schutzes gegen alle
ihre Widersacher in Norwegen , nicht nur den zuerst genannten Städten,
sondern auch den deutschen Kaufleuten überhaupt, und nahmentlich den Kaufleu-
ten und Bürgern von Hamburg, Bremen, Stettin, Demmin, Elbing und Reval
versprochen 1).
1) Ausser den bekannten gedruckten Nachrichten s. besonders XLVHb bis LXHb ürk. J. 1285- (!• 3« 4.) In
LIII erklärt zwar der köuig Erich im J. 1284) dass er den deutschen Kaufleuten ihre Freiheiten erhalten,
^
38
ERSTE ABTH. DRITTER ABSCHN.
Em so glücklich geendigter Slreit musste dem Verein der Städte neues An-
sehen \erschafFen, und den Wunsch erwecken in denselben aufgenommen zu
werden. Zwar hatte die Stadt Bremen es mit dem Könige von Norwegen in
jener Fehde gehalten ,' und zur Belohnung ward sie auch in den folgenden Jahren
von ihm im Zoll, im Handel, in der Häringsfischerey vor den andern begünstigt j
nun aber erzwangen jene sieben Städte Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund,
Greifswald, Riga und die deutsche Gemeine auf Wisby, nebst den Städten Cam-
pen, Stavern, Stettin und Anclam von dem Könige die Bestätigung der zu Calmar
erhaltenen Freyheiten und noch neue hinzu, am 29 Jun. 1294. Doch auch nach
diesem Vertrage hielt es der König mit Bremen gegen die übrigen deutschen
Städte, besonders der Ostsee, woraus wenigstens erhellet, dass selbst nicht alle
näher benachbarten Seestädte die Wichtigkeit eines engem Vereins unter einander
aufgefasst hatten; auch scheint Hamburg abgesondert von den übrigen mit dem
Könige verhandelt zu haben.
Es ist wohl nicht zu bezweifeln, wie spätere Nachrichten es wahrscheinlich
vermuthen lassen , dass das schnelle Emporstreben Lübecks nicht ohne einige
Eifersucht von den altern Schwestern betrachtet wurde; die Herrschaft auf der Elbe
und Weser schien bedeutendere Ansprüche als auf der kleinen und kurzen Trave
zu begründen; auch waren die beiden an diesen Strömen belegenen Hauptstädte
Hamburg und Bremen nicht, wie die östlichen, wo lübisches Recht galt, aus
diesem Grunde geneigt, einen vorherrschenden Einfluss Lübeck einzuräumen, sie
schienen auf eigenen Füssen fest zu stehen , und unabhängig von Anderen der
Ihrigen Wohl begründen zu können. Allein zuletzt musste es doch Bremen, so
wie allen andern benachbarten deutschen Seestädten einleuchten, selbst mit einiger
Aufopferung, mit der Unterdrückung ihres Selbstgefühls mehr und mehr an
diese deutschen Gemeinen der Ostsee, als an die Könige des Nordens sich zu
schliessen, und eine gleiche einer ungleichen Verbindung, einen schwesterlichen
Bund einer, wenn auch vorübergehend noch so vortheilhaften Abhängigkeit von
einem Könige vorzuziehen i).
und ihren Klagen abhelfen wolle, diese Zusicherung ist allen, uahmeutlich den Städten Lübeck, Ham-
bürg, Wismar, Rostock, Bremen, Stralsund, Greifswald, Stettin, Demrain, Anclam, Gothlaud (den
Deutschen auf Wisby) Rlbing, Riga und Reval ertheilt worden. Diess waren aber nur Worte und Auer-
bietungen« welche der König den ihm näher befreundeten Städten, sowohl als den sieben, die am meisten
gelitten hatten und über ihn vornehmlich klagten, ertheilte. Der Friede zu Calmar (ürk. 1285) gebt nur
auf die sieben Städte i mit beschränktem Eiuschluss Campens, Stavems und. Groningens.
O Vergl. besonders LXXVI, LXXVII, ürk.^J.1286. 1287 (3), 1288 (3), 1292 (1.3.4), 1293 (2), 1294(1.2.3)
1296 , 1209 C4) , 1300 (2).
ERSTE FEHDEN LÜBECKS U. EINIG. AND. SEESTÄDTE im 13. JAHRH. 39
Doch keine der nordischen Mächte war fiir die Städte der Ostsee und die
nächst henachbarten der Nordsee so gefährlich als Dänmark. Denn wenn gleich
durch die Schlacht bey Bornhöved Vieles zunächst verloren schien, so waren
doch mit ihr die Ansprüche nicht erloschen, und mehrere Mahle wurden in
der Folge von des Landes Königen die Versuche gewagt, dem leeren Titel
König der Wenden oder der Slaven zugleich die Macht und den Gehalt wieder
hinzuzufügen. Es ist auch lediglich diesen wendischen oder deutschen Seestädten,
so wie den Fürsten dieser Gegenden zu danken, dass diese Ansprüche späterliin
gänzlich und für immer aufgegeben werden mussten.
In jenen Zeiten, als Kaiser und Reich mehr im Westen und Süden und
durch Fehden im Innern beschäftigt waren, überliess man die entfernteren Grenz-
bewohner ihrem Schicksale j sie mochten, so gut sie konnten, sich selbst helfen.
Auch pflegte die deutsche Hanse späterhin, als man ihre Rechtmässigkeit in Anspinich
nahm, unter den dem Reiche geleisteten Diensten vornehmlich und mit Recht
hervorzuheben, dass sie ihm als Bollwerk gegen die nordischen Mächte gedient
habe. Dänmark blieb dem Reiche wie den Städten die ohne Vergleich gefährlichere
Macht, abgesehen von dessen ferneren weittragenden Ansprüchen, schon allein
seiner behaupteten Besitzungen wegen.
Verschiedene Landstriche diesseits der Ostsee in Liv- und Esthland, erkann-
ten auch nach der unglücklichen Schlacht bey Bornhöved stets die dänische Ober-
herrschaft an; dasselbe war der Fall mit der Insel Rügen und einem Theilc
Vorpommerns. Dänmark beherrschte ausserdem die Reite und den Sund durch
seine Besitzungen an beiden Ufern. Das Betreiben einer der wichtigsten Erwerbs-
arten der deutschen Städte hing von Dänmark ab, da an den schonischen Küsten
zu jener Zeit der ergiebigste Häringsfang betrieben ward, und diese in dänischer
Hand waren. Auf solche Weise hing der deutschen Ostseestädte Gedeihen, ihr
Erwerb und Verkehr, die Verbindung mit ihren Freunden der Westsee von
diesem Reiche vornehmlich ab. Dänmark aber war, wie man sagt, damahls viel
volkreicher als späterhin, indem die Pest und innere unaufhörliche Fehden noch
nicht die so nachtheiligen Wirkungen gehabt hatten: und wenn auch gewiss
manche Angaben übertrieben sind, so warr doch das Reich unbezvveifelt in jenen
Zeiten die angesehenste Land- und Seemacht des Nordens.
Sicher würden auch die Städte mit all ihrem Muthe, mit all ihrer List und
Klugheit, ungeachtet ihres thätigen Gefühls für Freyheit und Unabhängigkeit,
dennoch dieser Macht unterlegen seyn, und der gesammte Norden v\ ürde vielleicht
40 ERSTE ABTH. DRITTER ABSCHN,
gleiches Schicksal mit ihnen getheilt hahen, wenn nicht Unruhen auf Unruhen
im Innern des Landes gefolgt wären, wenn nicht die grossen Vasallen des Reichs
durch Aufstand und Fehden dasselbe zerrissen hätten. Glücklicher Weise war,
durch die dringende gemeinschaftliche Gefahr bewirkt, doch etwas mehr Eintrat'ht
unter den Deutschen diesseits der Ostsee. Im J. 1236 oder 1237 i) hatte der
Schwertorden in Li\land ^it dem deutschen sich vereinigt, und diese Verbindung,
welche beiden einen grossem Zuwachs an Kraft verlieh, war den norddeutschen
Städten gewiss höchst erwünscht, da der Orden Kaiser und Reich als Oberherm
anerkannte, und die dänischen Besifc^ungen in dem östlichen Theile der Südkiiste
des baltischen Meers späterhin durch ihn von dem Könige Waldemar von Dänmark
erworben Avurden. Die Anlage und das Aufblühen so vieler deutschen Gemeinden
in diesen Gegenden, deren Verbindung mit den andern westlich belegenen deutschen
Städten, der Verein der mehr oder weniger zwischen dem Orden und der Eid-
genossenschaft der Städte entstand, gewährte allen Deutschen grosse Vorthelle,
und half die gefurchtete där.ische Macht schwächen.
Unter Erich Plogpenning schien bereits jegliches Band, welches das schlecht
vereinte dänische Reich einigermassen zusammen halten sollte, zu reissen; in im-
merwährendem Kampfe mit seinen Grossen fiel der König, in einem Streite mit
den gegen ihn aufgestandenen Nordfriesen, in ihre Hand, und fand durch sie im
J. 1252 seinen Tod. Einen Theil von Esthland erwarb der deutsche Orden: die
Lübecker hatten nicht unglücklich gegen den König in dieser Fehde mitgefochlen.
Christoph I. erbte ein zerrüttetes Reich; in Fehde mit den Nachbarn und
seinen Grossen, vergriff er sich an dem Erzbischofe des Reichs und büsste das
Vergehen durch Meuchelmord: eine vergiftete Hostie überlieferte ihn nach einer
sechsjährigen, unruhigen Regierung dem Tode.
Erich Glipping (1258-86) fing seine Regierung damit an, dass die Grossen
ihn einige Zeit in Ketten gefangen hielten; davon befreyt, verstrich aber auch
diese Regierung in Angst und Noth, und die Verschworenen Hessen ihn endlich
eines elenden Todes, durch sechs und sechszig ihm beygebrachte Wunden sterben.
Lübeck hatte in diesen Unruhen des Reichs die Hand mit im Spiele, und
war nach Umsläden bemüht, so wie auch andere der nächst benachbarten Städte,
wie z. B. Stralsund u. a. die Verhältnisse' zu benutzen, 'um ältere Freyheiten
bestätigt zu erhalten, und neue zu erwerben. Doch scheint es nicht, dass die
1) Voigts Geach. Preusseus IL 341* ii«2*
ERSTE FEHDEN LÜBECKS U. EINIG. AND. SEESTÄDTE im 13. JAHRH. 44
deutschen Städte mehr oder weniger vereint an dem Untergange des Reichs
damahls gearbeitet hätten.
Aber Lübecks Nähme nnd Ansehen waren doch durch die Thaten , welche
die Stadt allein unternommen ^hatte , bey den Fürsten und den Königen sowohl,
als bey den ihr näher verwandten Schwestern immer mehr gestiegen, und ihr
EInfluss auf den Verein derselben war schon gegen das Ende des dreyzehnten
Jahrhunderts in allen Verhältnissen fühlbar geworden, der sich im Verlauf der
Zeit immer mehr entwickelte und Lübeck allmählich an die Spitze des gesamm-*
ten Vereins stellte.
VIERTER ABSCHNITT.
Grössere Ausbildung der Vereine der norddeutschen Kaufleute in der Fremde und der Städte
daheim, während der ersten grössern Hälfte des Tierzehnten Jahrhunderts bis zu dem Ausbruche
der grossen Fehde im sechsten Jahrzehend dieses Jahrhunderts, mit König Waldemar lU.
von Dämnark.
JLlie verschiedenen Verbindungen der niederdeutschen Kaufleute in der Fremde,
und mehrerer Städte in verschiedenen Abtheilungen und Kreisen dauerten fort,
auch zunächst unter den bisher üblichen Benennungen und in dem herkömmlichen
Umfange.
In Elngland nennen sich die vereinten deutschen Kaufleute auf ihrer Gilde-
halle zu London, und wo sie im Lande etwa besondere Niederlagen haben
mochten, wie von Alters her, Kaufleute der deutschen Hense und Hensebrüder
{hensebröder) in England; die Könige und die Stadt -Obrigkeit in London er-
wähnen ihrer auch unter diesem Ausdrucke: Kaufleute der deutschen Hanse, die
in London oder England sich aufhalten; doch bedienen sich die Erstem bey der
Bezeichnung derselben selbst noch gewöhnlich des Nahmens : Inhaber der deutschen
Gildehalle in London. Nie ist in den englischen Urkunden dieser Zeit von
einer deutschen Hanse oder Hense schlechtweg, oder von vereinten Städten der
deutschen Hanse die Rede. Die Könige und die Obrigkeit der Stadt London
imterhandeln nicht mit diesen, sie unterhandeln allein mit den Deutschen, welche
die Gildehalle in London inne haben, dieser oder der deutschen Hanse in
England ertheilen sie Freyheiten. Von einem Unterhandeln mit einem deutschen
Städte - Vereine ist nie die Rede^ haben die Könige über die Beleidigung
F
44
ERSTE ABTH. VIERTER ABSCHN,
Goslar, Magdeburg und dem Lande Sachsen, und den andern Kaufleuten des
römischen Reichs deutscher Zunge; und die Stadt Brügge ertheilt in demselben
Jahr eben denselben und den Kaufleuten, gemeiniglich {ghemeenlike) aus dem
römischen Reiche, Handelsfrey heilen : nie aber gebrauchen sie das Wort Kauf-
leute der deutschen Hanse, und noch viel weniger den Ausdruck Hanse - Städte.
Eben so bezeichnet sie oder auf ähnliche Weise im J. 1315 der Herzog von
Lothringen, Brabant und Limburg, der Graf Ludwig in d, J. 1338 und 1349.
Wilhelm Graf 'von Hennegau und Holland nimmt die gemeinen Kaufleute von
Preussen und Westphalen (l34l) , die unter sich enger verbunden waren , in
seinen Schutz, so auch Margaretha von Flandern, Kaiserin von Rom, fiinf Jahre
nachher 9 und die Poperinger kennen nur im J. 1347 den gemeinen Kaufmann
von Allemannien i).
Fei-ner der Verein der niederdeutschen Kaufleute In Brügge trat in
diesem Jahre auf Simon und Judä-Tag 1347 zu Brügge bey den Carmelitem
im Reventer zusammen, wo er später auch immer seine allgemeine Versammlung
hielt, und fasste höchst merkwürdige Beschlüsse; aber er nennt sich in den Be-
schlüssen, die er fasste, selbst gemeiner Kaufmann aus dem romischen Reiche
von Allemannien und nicht anders.
In der Urkunde wird gesagt: zur guten Ordnung für die Zukunft hätten sie,
die versammelten Kaufleute, die Gewohnheiten ihrer Verbindung in ein Buch zu-
sammenzutragen beschlossen , die schon fi*üher bestanden hätten 2) , und demnach
sey zuerst zu wissen: dass der gemeine Kaufmann (daselbst) in drey Drittel ge-
theilt sey, nähmlich: 1. In Lübeck, die wendischen Städte und die Sachsen und
die dazu gehören; 2- in, Westphalen und Preussen und die dazu gehören; und
endlich 3. in die von Gothland, Livland und Schweden (d. h. die eing.ebür-
gerten Deutschen in den schwedischen Städten) und die dazu gehören. Diese
Eintheilung bezieht sich offenbar nur auf die deutschen Kaufleute in Flandern,
sie ist jedoch hernach auch auf den gesammten Verein der Städte und Kauf-
leute, wie es scheint'^ mehr übergegangen , und ist wohl die altere Eintheilung ge-
blieben, bis erst etwa zwey Jahrhimderte nachher die Eintheilung in vier Quartiere
auflcam. Die Eintheilung in Drittel scheint schon in dieser fiiihem Zeit in. allge-
meiner Beziehung, obwohl selten, gebraucht worden zu seyn, aber sie hat auf
den Verein der Städte überhaupt noch geringen oder keinen, wenigstens nicht aas
Urkunden zu beweisenden Einfluss.
1) ürk. XCXVUb. CXVmc. CXLIV. CXLVII. CLX. CLXV. 1315. 1349.
2) ürk. LXXIV
^- -i __. *!-
AUSBILDUNG D. VEREINE D. KFL. U. STÄDTE im 14- JAHRH. bis 1360. 45
Aehnliches fand nun auch auf allen deutschen Niederlagen in der Fremde
im Norden und Nordosten statt; die Vorsteher des deutschen Hofs zu Nowgorod
nennen sich so wenig Hansen als die in Schoben oder Norwegen dieses Nahmens
sich bedienen. Die Bezeichnung Hanse der deutschen Kaufleute zu Nowgorod
kommt nur erst in einem Schreiben Rostocks an den Heermeister von Livland
Gozcevoin (1347-1360) vor, und zwar nur in dem Sinne worin diess Wort
viel früher söhon in England war gebraucht worden, von wo es zu den deutschen
Städten übergegangen war, die sich nun auch desselben bedienten zur Bezeichnung
anderer deutschen Vereine in der Fremde, obwohl sie daselbst ursprünglich nicht
üblich war. Auf eine ähnliche Weise wird auch um dieselbe Zeit von einem
Kronbedienten von Norwegen in einem Schreiben an Lübeck dieser Ausdruck
"Kaufleute euerer Hanse zu Bergen sich aufhaltend," gebraucht i).
Wir haben dagegen vielfiiltige Belege, wie in dieser Zeit die Vereine der
deutschen Kaufleute in dem Norden und Nordosten mehr als zuvor, nahmentlich
was den deutschen Hof zu Nowgorod betrifft, von den Städten abhängig werden.
Der Hof zu Nowgorod empfangt eine neue Ordnung von Lübeck, und er ward
immer mehr ihr und den Deutschen auf Wisby unterworfen; so wie die Nieder-
lagen in den scandinavischen Reichen abhängiger schon zuvor von den wendischen
und Seestädten waren, so blieben sie es auch in dieser Zeit. Von diesem Allen
im Einzelnen wird schicklicher bey der Geschichte des Handels weiter unten die
Rede seyn. Gewiss ist, dass die Selbstständigkeit dieser kaufmannischen Gesell-
schaden immer mehr verschwand^ so wie der Verein unter den Städten sich voll-
kommener ausbildete, und von diesem ist hier vornehmlich nur zu reden.
Ueber diesen Verein der Städte wissen wir aber aus dieser Zeit wenig mehr,
als was aus dem vorhergehenden Zeitabschnitt bereits bekannt war. Die Verbin-
dungen unter den wendischen und Seestädten — besonders zwischen den nach Osten
hin belegenen — dauerten fort, so wie deren Vorherrschaft in allen allgemeinen
Angelegenheiten der norddeutschen Städte, besonders in Handels -Rücksichten. Ne-
ben diesen bestanden gleichfalls fortwährend die besonderen Vereine der Städte in
einzelnen Kreisen des niedern Deutschlands, und diese sämmtlich waren in einer
gewissen allgemeinen Verbindung, an deren Spitze die See - und wendischen Städte
standen, ohne jedoch irgend eine Urkunde auch nur aus dieser Zelt zu besitzen,
welche darüber eine besimmte Auskunft gäbe, weil wahrscheinlich jetzt sowohl als
1) ürk, CLXI. ein.
46
ERSTE ABTH. VIERTER ABSCHN.
früher kein scbriftliclier Vertrag über eine solche allgemeine Verbindung aufgesetzt
worden ist, da das gemeitischaftlich gefühlte Bedürfniss die Städte besser, als der
todte Buchstabe zusammenhielt Gewiss aber ist ein solches Einverständniss in
den weit verbreiteten Kreisen der niederdeutschen Städte, sie sind gewiss von Zeit
zu Zeit durch Abgeordnete zusammengetreten ; aber wir haben nur erst ganz gegen
das Ende dieses Zeitabschnitts einige uns überlieferte vollständige ProtocoUe, die
auf den Tagfahrten der Abgeordneten einiger angesehenen See - oder wendischen
Städte aufgenommen worden sind. Die Sache selbst und der Umfang der allge-
meinern Verbrüderung ist indess so wenig jetzt als gegen Ende des vorigen Zeit-
abschnittes irgend einem Zweifel unterworfen; sie bestand schon längst.
In einem Einladungsschreiben Lübecks an Osnabrück ohne Jahrzahl, das
aber unbezweifelt in den Anfang des vierzehnten Jahrhunderts zu setzen ist, fordert
Erstere die Letztere auf, ihre Abgeordneten nach Lübeck gegen Pfingsten zu
senden, um über die von dem Kaufmanne zu Brügge vorgebrachten Beschwerden
das Nöthige zu beschliessen. Lübeck erklärt diese Einladung zu erlassen, weil es
ihr und den ihr benachbarten Städten rathsam geschienen habe und sie gleichsam
in der Mitte derselben überhaupt liege; sie erklärt ähnliche Einladungen nach
Westphalen, an die Städte in Sachsen, das Wendenland (slai^iam)^ die Mark, Polen,
Gothland, Riga und andere schickliche Orte {loca congrua) abzusenden, auf dass
sie durch Abgeordnete gleichfalls erscheinen möchten, nicht aber übel zu deuten,
wenn die erscheinenden Gesandten mit Ausschluss der nicht erschienenen, oder
ohne auf sie Rücksicht zu nehmen, Beschlüsse fassen würden: zuletzt fordert Lübeck
die Stadt Osnabrück auf, diess Alles den ihr benachbarten grossem und kleinem
Städten \Ciuitaiihu8 et opidis) mitzutheilen, deren Bürger einen Verkehr mit
Flandern betrieben.
Diess höchst merkwürdige Schreiben, obwohl wir von der darin ausgeschrie-
benen Tagfahrt keine nähere Kenntniss haben, gibt uns über Mehreres sehr
entschieden Aufschluss und dient Früherm zur Bestätigung. Lübeck erlässt das Aus-
schreiben einverstanden mit den benachbarten wendischen oder Seestädten, sie
ladet nach Lübeck ein und entschuldigt sich gleichsam damit, weil sie in der
Mitte der über einen so* grossen Umfang verbreiteten Städte liege. Dieser Umfang
ist sehr gross, alle norddeutschen Gemeinden sind eingeladen, die nach Flandern
Handel treiben , nicht nur die im eigentlichen Deutschlande , in dem eroberten und
vereinten Wendenlande belegenen, w^orunter vielleicht die Preussen, die nicht beson-
ders und nahmentlich aufgeführt werden, mit begriffen waren; sondern auch die
AUSBILDUNG D. VEREINE D. KFL. U. STÄDTE im 14. JAHRH. bis 1360. 47
deutschen Gemeinden In GolUand und Polen, obwohl diese Länder fremde Herr-
schaft anerkannten. Wir wissen aus spätem Nachrichten, dass die Stadt Cracau
d. h. gewiss die deutsche Gemeinde daselbst, als ein vollkommenes Glied der Hanse
betrachtet wurde, wie es von den Deutschen auf Wisby längst bekannt ist, und
in der Ordnung der Niederlage zu Brügge unter den Schweden, die in den
schwedischen Städten angesiedelten Deutschen, zu einer besondern Gemeine ver-
eint, verstanden wurden.
Man sieht aber zugleich aus jenem Schreiben Lübecks an Osnabrück, wie
man, da gewiss nur Wenige erschienen, dennoch wegen eines durch diese zu
fassenden gültigen. Alle verbindenden Beschlusses sich vorzusehen pflegte. Die
ganze Einrichtung, wie sie später sich entwickelte und festsetzte, bestand schon
wirklich, obwohl Manches noch schüchtern und höflich angedeutet ward, was
nachmahls als in unvordenklichem Herkommen gegründet, oder durch die Abfas-
sung förmlicher Beschlüsse feststand. Man sieht endlich aus jenem Schreiben, wie
die allgemein verbreitete Theilnahme aller Niederdeutschen an dem reichen Verkehr
mit Flandern dem Vereine der Kaufleute und Städte und dessen Ausbildvmg höchst
förderlich war 1).
Der Nähme Hansestädte kommt aber in dieser Urkunde nicht vor, er er-
scheint, so viel bewusst ist, zum ersten Mahle in einer Ordnung, welche der
Rath der Stadt Anclam im J. 1330 seinen Krämern daselbst ei-theilte, gleichwie,
so heisst es daselbst, dergleichen den Krämern zu Lübeck, Stralsund und in andern
Hansestädten, an der See belegen, von ihrem Rath ertheilt worden wären 2).
Diese Bezeichnung der Städte ist mit dem früher vorkommenden Worte Hanse
oder Hense, zur Bezeichnung des Vereins der Kaufleute einzelner Städte in Flan-
dern , oder der Gesellschaft der in England sich aufhaltenden deutschen Kaufleute
nicht zu verwechseln. Dieses Wort Hansestädte soll entweder die Städte be-
zeichnen, weil sie in einer Verbindung wie die Kaufleute mit einander stehen,
oder es soll anzeigen, dass es Städte seyen, deren Bürger Theil an den Handels-
gesellschaften oder Hansen haben, welche die Norddeutschen besonders im Auslande
eingegangen waren. Wahrscheinlich war auch diese Bezeichnung bey den Städten
der Ostsee schon <lamahls üblich, da der Rath einer nicht einmahl sehr
bedeutenden Stadt bey einer Verordnung fiir seine Bürger sich derselben als
bekannt, bedient.
i) Wigaud» Archiv Ar die Gcachichle VTeitphalcns LH. 4. S.21. 2) Urk. t. J. 1330.
4g ERSTE ABTH. VIERTER ABSCHN.
Aber dieser Ausdruck Hansestädte ist doch noch gar nicht weitverbreitet.
In den andern Urkunden kommt er erst einige Jahrzehnde spater vor. Zwar in
den Freybriefen und Urkunden, welche König Magnus von Norwegen, Schweden
und Schonen den Städten ausstellte, wähi-end der Jahre 1343, 1344 und 1357i
kommt das Wort deutsche Hanse und zwar zum ersten Mahle, als von den
scandinavischen Königen gebraucht, vor: allein von Hansestädten ist darin nicht
die Rede, sondern nach Aufluhrung einzelner östlich belogenen Seestädte, denen
die Freyheiten ertheilt werden, folgt der Zusatz, und allen Kaufleuten der
deutschen Hanse, oder es ist darin von den Seestädten, oder den Kaufleuten
der deutschen Hanse, die in Bergen sich aufhalten, die Rede, gleichwie früher
von Kaufleuten der deutschen Hanse, die in England oder zu London weilen, die
Rede war, keinesweges aber kommen darin Hanse - Städte , oder Städte der
deutschen oder grossen deutschen Hanse vor. Die Städte nennen sich selbst in
einem Beschwerdeschreiben an den König von Norwegen v. d. J. 1354j mercatores
de hansa theutonicorum ^ nicht Hansestädte l).
Merkwürdiger und entscheidender sind aber in dieser Beziehung die Ver-
handlungen auf einer Versammlung der Abgeordneten mehrerer Städte, die zu
Lübeck im J. 1358 (20 Jan.) zusammentraten. Wir Rathmänner, heisst es daselbst,
der Städte Lübeck, Goslar, Rostock, Stralsund, Wismar, Braunschweig, als
Glieder desselben Drittels (des sächsischen und wendischen nach der zu Brügge
üblich gewordenen Eintheilung) der Kaufleute des römischen Reichs von
Allemannien von der deutschen Hense, die zu* Brügge sich aufhalten, und von
wegen anderer Städte desselben Drittels, die uns ihre schrifUichen Vollmachten
geschickt haben, zugleich mit den Rathmännem der Städte Thom, Elbing, mit
Vollmacht der preussischen Städte, beschliessen wegen des Unrechts, welches dem
gemeinen Kaufmanne von Allemannien von der deutschen Hense in
Flandern geschehen ist, dass der Verkehr mit diesem Lande aufgehoben seyn soll
Es kommen jedoch in derselben Urkunde zuerst auch folgende Ausdrücke vor : Jede
Stadt soll ihren Bürgern gebieten , dass keiner derselben , keiner ihrer Kaufleute,
dass Niemand von der deutschen Hense weiter nach Flandern als bis zur
Maas fahren solle. Würde Jemand, der nicht in der deutschen Hense wäre, zu
Land oder zu Wasser in ^inen Hafen oder in eine Stadt kommen, die in der
deutschen Hense wäre, so soll er Gleiches geloben. Sollte auch Jemand
1) Urk. CLXXX uud audere bey deu angeführten Jahren«
AUSBILDUNG D. VEREINE D. KFL. U. STÄDTE im 14. JAHRH. bis 1360. 49
Von der deutschen Hense gegen diese gefasslen Beschlüsse handeln, und flüciitig,
in einer andern Stadt von der deutschen Hense aber ergrififen und
schuldig befunden werden; so soll er in der Stadt kein sicheres Geleit haben,
man soll vielmehr daselbst über ihn richtet; und sollte eine Stadt von der
deutschen Hense sich diesen Beschlüssen frevelhafter Weise nicht unterwer-
fen wollen, so soll sie auf ewige Zeiten aus der deutschen Hense gestossen
werden und des deutschen Rechts entbehren i).
Diese Urkunde lässt keinen Zweifel. Es ist hier nicht mehr allein von den
Kaufleuten, die in der deutschen Hense sind, sondern von deutschen Hensestädten
die Rede, die mit einander in einer Verbindung stehen, wie früher die deutschen
Kaufteute in der Fremde gestanden hatten, von denen die alte Bezeichnung
ihres Vereins und der Nähme Hense oder Hanse nun auch auf den Verein der
Städte übertragen ward. Von dem damahligen Umfange der Verbindung unter
den Städten erhellet jedoch aus den Urkunden nichts Befriedigendes; es ergibt
sich nur, dass einiger Städte Abgeordnete, nach der beym gemeinen Kauf-
nianne in Brügge üblichen Eintheilung, des ersten Drittels der wendischen und
sächsischen Städte nähmlich, und einiger preussischen , mit Vollmacht anderer
Städte ihres Drittels versehen, diese allgemein verbindlichen Beschlüsse für Alle,
die in der deutschen Hense sind, fassen, Strafen bestimmen und die Ausstossung
von Kaufleuten und Städten, welche diesen Beschlüssen widerstreben sollten, be-
lieben. Diess scheint nur dadurch erklärt werden zu können, dass man die Ein-
willigung der andern Städte, der westphälischen , Gothlands und der livländischen
Städte gewiss war, oder sie zu erhalten hoffte: oder dass die Beschlüsse zwar
allgemein ausgedrückt, doch nur eigentlich für die wendischen, sächsischen und
preussischen Städte eine verbindende Kraft hatten. Das Ganze zeugt von dem
grossen Ansehen und dem Einflüsse Lübecks und der wendischen Städte auf alle
Angelegenheiten des Vereins, worüber, indess auch in andern Fällen sich Unzu-
friedenheit bey den übrigen Städten gezeigt hat.
Eben daraus scheint sich aber auch zu ergeben, dass der allgemeine Verein
der Städte noch keinesweges fest gebildet war, auch heisst es am Schluss dieser
Urkunde: Sollte eine Ausgleichung zwischen dem (gemeinen) Kaufmanne und den
Flämlngern wegen des von ihnen erlittenen Unrechts Statt finden, so soll diese
keinen Fortgang haben, es willigten denn alle vorbenannte Städte ein, und die
1) CLXXXIIL
/
50 ERSTE ABTH. VIERTER ABSCHN.
andern Städte^ die dazu gewonnen werden {de se dar io hehben moghefi).
Alle Rathmänner der vorbenannten Städte, und alle die, welche in Briefen ihre
Einwilligung oder Vollmacht gesandt haben, wollen, dass diese Beschlüsse stets
und fest gehalten werden sollen.
Man sieht so ziemlich, wie solche mehr oder weniger allgemein verbindende
Beschlüsse auf den Versammlungen der Abgeordneten einiger und der angese-
hensten Städte damahls zu Stande kamen ^ später wurden dergleichen auf allge-
meinen Hansetagen gefasst; aber in den spätem wie in den frühern Zeiten sind
die Beschlüsse von den angesehensten und mächtigsten Städten stets ausgegan-
gen. Diese, wenn man so sagen darf, aristokratische Vorherrschaft hat immer
fort gewährt, und wenn einzelne der angesehensten andern mächtigen widerstreb-
ten, ganze Drittel, um nach der damahligen Eintheilung zu reden, ihre Zustim-
mung verweigerten, trotzig bey ihrem Willen beharrten, so fehlten die Mittel,
dem gefährlichen Zwiespalte zu begegnen : es ist diese vielen solcher Verbindungen
nur zu gemeine Krankheit, an welcher zuletzt auch dieser Verein, gleicli so
vielen andern, zu Grunde gegangen ist. Es erhellet aus den vorhandenen Urkunden,
dass selbst so nah benachbarte Seestädte, wie Bremen und Hamburg, den übri-
•
gen östlich belegenen Seestädten widerstrebten , » dass sie selbst in den Fehden
nicht immer gemeine Sache mit den übrigen machten, oft nur erst dann sich an-
schlössen, wenn die östlichen glücklich waren, um des daraus entstehenden Vor-
theiles theilhaftig zu werden. Die östlich belegenen Städte waren mehr denn die
westlichen, wegen der Herrschaft auf der Ostsee besorgt, Hamburg mehr wegen
der sichern Fahrt auf der Elbe, Bremen wegen der auf der Weser; Cöln war
am lebhaftesten, von Anfang an, wegen des Verkehrs mit dem Niederlande und
England bemüht, und wiewohl diese Stadt sehr früh auch an dem schonischen
Fischfange und an dem Verkehr mit Norwegen Theil genommen hatte, so schien
sie sich mit der Zeit doch mehr auf England und die Niederlande, den Süden
und Westen zu beschränken. Die holländischen, seeländischen , friesischen und
die benachbarten Städte folgten Cöln's Beyspiel, doch nahmen sie fortdauernd an
dem schonischen und norwegischen Handel grossen Theil, während die ange-
sehenem sächsischen und westphälischen Städte, die früher einen so grossen
Antheil an dem entferntesten Handel, östlich selbst mit Gothland, Russland,
sowohl wie mit Dänmark und Schweden, genommen hatten, diesen allmählich
mehr den nahe benachbarten der Ostsee überlicssen , und wie leicht be-
greiflich, sich gleichfalls mehr auf die Niederlande und England beschränkten*,
AUSBILDUT^G D. VEREINE D. KFL. U. STÄDTE im 14. JAHRH. bis 1360. 5^
während die wendischen Städte, Hamburg und Bremen, fort und fort nach allen
Richtungen hin sich thätig bewiesen, un(L eben dadurch auch vorherrschend
wurden.
Auf diese Weise entstanden oft yerschiedenartige Interessen, Eifersucht und
"Widerstreben, vollends bey den Fehden mit benachbarten Herren, welche Auf-
wand forderten, den nicht Alle gleichmässig zu machen beabsichtigten. Wider-
strebte eine bedeutende Stadt, so war die Vereinigung und Hülfe schwer; *sie
zu unterwerfen, gelang nur dann, wenn sie durch den Ausschluss aus der
Gemeinschaft zu sehr litt. Wir haben ein Beyspiel aus dieser Zeit von einer der
angesehensten Städte, die sich unterwerfen musste.
In einer Urkunde von demselben Jahre {^Steph. protomartyr. 26. Dec. 1358.)
erklären die Ratlimänner und Gemeinde der Stadt Bremen den Rathmännem der
Seestädte und auch anderer Städte und den gemeinen Kaufleuten
der deutschen Hanza {^de hanza Theutonicorum) des heiligen römischen
Reichs, zu gi'össtem Dank verpflichtet zu seyn, wegen ihrer Wiederaufnahme
in den Verein, und weil ihnen der Genuss der Freyheiten und Rechte wieder
verstattet worden, von welchem sie, seit einiger Zeit, ausgeschlossen gewesen
wären; sie erklären Jedermänniglich , und bekennen hiermit öffentlich, dass sie alle
Beschlüsse, die von ihren Abgeordneten und Rathmännem, Heinrich, genannt
Doneldey, und Bernhard Dettenhusen auf der jetzigen Tag fahrt zu Lübeck
mit den Rathmännem dieser Stadt und denen der anderen Städte, die daselbst
versammelt sind, Nahmens der Kaufleute der vorbesagten Hanza beliebt worden,
unverbrüchlich halten wollen, und zwar geloben sie;
1. Dass, wenn die Stadt Bremen von den untengenannten Städten, nähmlich
Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald zum Besten aller bemeldeten
Kaufleute zur Hülfe und Vertheidlgung des Sundes aufgefordert würde, sie ein
gutes Schiff mit fünfzig Bewaffneten und den nöthigen Krlegsgeräthschaften versehen
auf eigene Kosten und Gefahr senden, und wenn ihr und ihren Verbündeten
der Sieg verbleibe, sie mit ihnen die Beute, die sie von den Seeräubern machen
würden, nach Zahl der gestellten Mannschaft theilen wolle.
2. Wenn aber die Rathmänner von Hamburg Bremen zur Vertheidlgung der
Elbe auffordern, so gelobt die Stadt nach der Elbe auf eigene Kosten und Ge-
fahr ein Schiff mit hundert Bewaffnelen zu schicken. Mit Vertheilung des Ge-
winnstes oder der Beule soll es auf die vorbeschrl^bene Weise gehalten werden;
G 2
52 ERSTE ABTH. VIERTER ABSCHN.
sollte aber eine grössere Hülfe erforderlich seyn, so wird auch diese zu sen-
den geloht.
3. Bremen verspricht alle Verträge und Beschlüsse der Rathmänner der
vorhenannten Städte Nahmens aller vorbenannten K^ufleute zu
halten; sollte aber einer ihrer Bürger nach Orten seegeln oder sie besuchen,
welche durch die vorbenannten Rathmänner und Kaufleute verboten sind, so
soll er mit dem Verluste des Gutes und des Lebens {et corpore) bestraft werden,
also dass zwey Drittel der Güter den vorbenannten Kaufleuten, das dritte Drittel
der Stadt , wo er festgenommen worden , zufallen soll ; doch verbleiben
dessen übrige Güter, die er in Bremeb oder an andern geschützten Orten hat,
seinen Erben und Verwandten.
4. Die Stadt Bremen erklärt femer, dass den vorbenannten Kaufleuten aus
den durch sie, wähi*end der Zeit ihres Ausschlusses aus der Gemeinschaft, in
England, Norwegen und Flandern erworbenen Vorzügen und eingegangenen
Verträgen kein Schaden erwachsen solle.
5. Würden endlich der Rath oder die Gemeinde der Stadt Bremen oder
*
Einer aus ihrer Mitte, oder ein Anderer in ihrem Nahmen und mit ihrem Vor-
wissen gegen die vorgeschriebenen Beschlüsse handeln; so willigen Rath und Ge-
meinde der Stadt ein, dass sie und ihre Nachkommen von der Hense der vor-
bemeldeten Kaufleute und von ihren Freyheiten für immer ausgeschlossen und des
Rechts derselben verlustig seyn sollen.
Es ist einleuchtend, welchen Werth Bremen darauf setzte, Glied des Ver-
eins der Kaufleutc und Städte zu seyn; sie hatte schon lange mit den übrigen
nicht in bestem Verständnisse gelebt; die besonderen Begünstigungen, die sie in
Norwegen erhalten hatte, woselbst sie es mit dem Könige gegen die Städte hielt,
war nicht so leicht vergessen, und eine verbotene Fahrt eines ihrer Bürger, und
die Beschuldigung, dass ein Anderer aus ihrer Mitte, der jedoch kein Bremer
war, von einem Schloss die Fahrt auf der Elbe gestört habe, kam hinzu.
Wenn Bremen für ihre Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der See— und
andern Städte und des gemeinen Kaufmanns der deutschen Hanza
dankt, wenn sie erklärt, dem Aufgebote der alten fünf wendischen Städte, und
dem der Stadt Hamburg zur Vertheidigung des Sundes und der Elbe folgen zu
wollen, so wie den Beschlüssen der See- und anderen Städte sich zu unter-
werfen, wenn sie diess auf eiuer Versammlung der Abgeordneten mehrerer Städte
zu Lübeck erklärt: so scheint immer noch bey den Ausdrücken und an der Form
AUSBILDUNG D. VEREINE D. KFL. U. STÄDTE im 14. JAHRH. bis 1360. 53
Etwas zu fehlen; allein die Sache liegt doch bereits fast völlig ausgebildet vor
Augen 1).
Von dieser Zeit an kommen nun auch immer mehrere Urkunden und
sdbst aus deinselben Jahre vor, welche die grössere Ausbildung des städtischen
Vereins bewahrheiten, und bezeugen, dass die Macht von dem gemeinen Kauf-
manne immer mehr in die Hände der verbundenen Städte übergegangen war,
dass auch allgemeinere Versammlungen, unbeschadet der. besondem, dass Ver-
sammlungen der Abgeordneten der Hansestädte Statt fanden; wenigstens haben
vyir von dieser Zeit an mehrere unverwerfliche, diess beweisende Urkunden,
In einem Einladungs - Schreiben Lübecks an Rostock ( Epiphan. Domini
6. Jan.) V. X 1359 ^^ einer Tagfahrt bezieht sich Lübeck auf eine frühere Versammlung
städtischer Abgeordneten in ihrer Mitte, die im abgelaufenen Jahre, auf aller
Heiligen, am I.November d. J. 1358, gehalten worden. Es hatte, wie es scheint,
ihr Abgeordneter, der Augustiner Mönch Peter, jiicht die befriedigende Antwort
aus Flandern gebracht, die man erwartete; auch waren in der Zwischenzeit
andere Streitigkeiten zwischen den Deutschen und den Flämingem eingetreten.
Darauf waren, wie Lübeck in dem Schreiben ferner sagt, die Rathmänner der
Städte Hamburg, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Anclam und Demmin
mit Lübeck auf einer Versammlung zu Rostock auf Jüngst vergangenem Nicolai-
fest (6. Dec.) 1358 von Neuem zusammengetreten und hatten einstimmig beliebt,
dass Briefe an alle Städte, welche gemeinhin zur deutschen Hanse
gehören (^omnes communiter ad hansam teuthonicorum periinentes civifafes),
gleichwie sie im vorigen Sommer des abgelaufenen Jahrs in Lübeck versammelt
gewesen, wiederum, auf nächsten Johannis (24. Jun.) d. J. 1359y ebendaselbst zur
Berathung zu erscheinen hätten, um über die gegen die Fläminger zu ergreifenden
Maasregeln , die Vermeidung der Fahrt durch den Sund , und was rur Erhaltung
des Friedens zur See, Jegliche Seestadt an Hülfe zu stellen habe, zu berathen.
Zu diesen und andern zu fassenden Beschlüssen aber sollen die Abgeordneten
mit hinlänglicher Macht versehen werden. Lübeck richtet nicht nur diese
Bitte ins Besondere an Rostock , sondern sie ersucht auch dieselbe , eine
Abschrift dieses Schreibens im eigenen Nahmen und unter ihrem Siegel den
märkischen Städten, welche dieses Geschäft, mitangeht, zuzusenden, da sie
(Lübeck) bereits andere Briefe den sächsischen und wcstphälischen
1) CLXXXVU. b.
54 ERSTE ABTH. VIERTER ABSCHN.
Städten, ferner an Gothland und Cöln, so wie an die preussischen und
livländischen Städte durch ihren Bothen {cnrsorem) geschickt habe.
Diesem gemäss hat denn auch die Stadt Rostock eine gleichlautende Einla-
dung an die märkischen Städte Pritzwalk, Kyritz, Berlin und Cöln (an der Spree),
Ha\clbefg, Werben, Seehausen, Stendal, Gardelege, Soltwedel und Perleberg
erlassen i).
Diese Urkunden lassen gar keinen Zweifel über den -vollkommenem Verein
der Städte zur deutschen Hanse und zwar in einer solchen Ausdehnung, dass auch
die kleinern Städte zu diesen Hansetagen berufen wurden, wenn ihr Wohl bey
den yorzunehmenden Verhandlungen mit im Spiel war.
Die Verbindung unter den Städten in dieser Ausdehnung kommt hier zuerst
so bestimmt vor, auch der Nähme: Städte, die zur deutschen Hanse ge-
meinhin gerechnet werden; ihre ZusammenkünRe werden auch von andern
und nahmentlich denen der Seestädte unterschieden. Es ist indess auch in
dieser Zeit von einem schriftlich aufgesetzten Vereine nicht die Rede, weil sich
die Sache ganz von selbst gemacht hatte. Bey diesem allgemeinen Vereine be-
standen aber die besondem fort, und neue der Art wurden eingegangen.
So vereinigen sich in dieser Zeit, das Jahr ist nicht angemerkt, aber höchst
wahrscheinlich ist es vor dem Jahre 1360 geschehen, die Städte Lübeck, Ham-
burg, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Anclam und Demmin auf drey
Jahre mit einander, wie es früher und oft besonders von den erstem fiinf, mit
Ausnahme Hamburgs, geschehen war, gegen die Fürsten und Herren, die sie
belagern oder in ihren Rechten kränken würden. Es sollen nähmlich die nicht
angefallenen Städte durch Vermittelung ihrer Bothen und Briefe bey den Herren
sich der übrigen annehmen, und wenn diess unthunlich, den Herren aber gefiele
einen Tag zur Beylegung in Freundschaft oder Recht zu bestimmen, so sollen sie
auch dazu befugt seyn; gelingt aber auch dieses nicht, so sollen die verbunde-
nen Städte weder mit Lebensmitteln, Waffen, oder anderen Gütern, weder
heimlich noch öffentlich ihnen Hülfe gewähren, dagegen die Bürger der bedräng-
ten Stadt mit aller Sicherheit und Freyheit, wie zuvor, in die übrigen vereinten
Städte kommen dürfen;
Zugleich fassten diese Städte um dieselbe Zeit andere, oft' genug in etwas
anderer Form später vorkommende , und auf allgemeinen Versammlungen beliebte
1) CLXXXVIir. CLXXXIX.
AUSBILDUNG D. VEREINE D. KFL. U. STÄDTE im 14. JAHRH. bis 1360. 55
Beschlüsse: dass die mit dem Kreuz Bezeichneten, nicht in den Städten zu
dulden seyen, wenn sie nicht mit dem liibischen Rechte zufrieden seyn wollten;
femer, dass eine gleiche Grösse der (Härlngs) Tonnen unter ihnen gehalten wer-
den solle, so dass die Rathmänner von Wismar denen -von Lübeck und Ham-
burg das Maas der Länge und Breite ihrer Tonnen, so wie ferner denen von
Rostock, Stralsund und Greifswald mittheilen sollten. Dieselben Beschlüsse waren
jüngst zu Lübeck schon gefasst worden, hatten aber keine Wirkung gehabt,
indem die Stralsander , ' ohne' die Colberger, nicht hatten einwilligen wollen,
vielmehr ward die Sache auf eine zweyte Zusammenkunft verschoben.
Auch ward beschlossen. Keinem in einer der Städte Schutz und sicheres Gelelt
zu geben, der wegen unbezahlter Schulden eine andere Stadt verlassen würde;
keine Stadt soll eben so wenig ihre eigenen Bürger gegen die Schuldforderungen
der Bürger einer andern Stadt schützen; doch soll sich dieser letzte Punct nicht
auf Greifswaid, Anclam und Demmin, (man weiss nicht warum), erstrecken i).
Man sieht deutlich, dass bey den Verbindungen der einzelnen Ablheilungepi
der Städte ihre Willkür und Freyheit sehr vorherrschend blieb, dass der allge-
meine Verein die Freyheit jeder Stadt oder der näher vereinten Städte, schonen
musste; diess ist zu allen Zeiten des Bundes der Fall gewesen, und nur die
Vereine der Kaufleute in der Fremde sind von nun an , bey der Ausbildung des
allgemeinen Vereins, mehr in Abhängigkeit von demselben gekommen.
Es hat nur ganz allmählich und erst in spätem Zeiten die Gewalt der
Hansetage und deren Beschlüsse auf alle Städte mehr Kraft erhalten können; die
allgemeine Verbindung enger zu schliessen, ist durch das Glück, womit einige
Fehden mit den scandina vischen Mächten geführt wurden, vorbereitet worden.
Von diesen Fehden wird zuvor zu reden seyn.
FÜNFTER ABSCHNITT.
Fehden der verbundenen norddeutschen Städte mit den scandinavischen Mächten zur Erweiterung
ihres Einflusses, zur Begründung ihrer Haudelsberrschaft daselbst, und zur Anerkennung
ihrer Verbindung unter dem Nahmen Kaufleute und Städte der deutschen Hanse.
IJer unruhvolle Zustand in den scandinavischen Reichen dauerte fort, die Könige
Sassen unsicher auf ihren Thronen. Allein von Zeit zu Zeit bestieg doch ein
1) CXCI.
56 ERSTE ABTH. FÜNFTER ABSCHN.
Icräftlger und lüclitiger König denselben, und wenn das Glück ihm günstig war,
so trat auch die alte Gefahr für die Städte sogleich wieder ein.
Besonders war diess mit Dänmark, der gefahrvollsten Macht für die
Städte, der Fall, als König Erivh Menved (1286) den dänischen Thron bestieg.
Zwar erfreuete er sich auch keines ruhigem Besitzes, als seine Vorfahren; allein
er war von Zeit zu Zeit, zum Nachtheile der norddeutschen Landschaften, glück-
licher gegen seine innem und auswärtigen Feinde. Die Herren von Meklenburg
empfingen von ihm ihr Land als dänisches Lehn, Rostock musste deni Könige
huldigen; zur Bezähmung des Landes und der stolzen Bürger der Stadt legte er
im J. 1301 Danskeburg an der Mündung der Warno an. Selbst Lübeck, die
angesehenste Stadt des nördlichen Deutschlandes an der Ostsee, von Fehden
gedrängt, begab sich auf zehn Jahre im J. 1307 i^ d^s Königs Schutz; sie, die
noch kurz zuvor so glücklich gegen Dänmark gefochten, die so ruhmvoll und
allein der dänischen Seemacht widerstanden hatte, gelobte, nun während
dieser Zeit, jährlich siebenhundert und fünfzig Mark Silbers dem Könige zu
entrichten, und versprach, sich nicht dawider zu setzen, wenn das Reich ihm
die Oberherrschaft über sie abtreten würde; dagegen ihnen der König freyen
Handel selbst mit seinen Feinden zusagte, doch mit dem Vorbehalte, ihnen keine
Hülfe gegen ihn zuzuführen, und dass während jener zehn Jahre Dänen und
Lübecker als ein Volk betrachtet werden, d. h. ohne Zweifel gleicher Handels-
freyheiten theilhaftig seyn sollten«
Erichs Absichten wurden endlich deutlich genug , als er , auf den Fall des
Aussterbens der Fürsten von Rügen, deren Land nicht nur als Lehn, sondern
als Erbgut mit seiner Krone verbinden wollte, als er die Lehnshoheit über die
pommerschen Fürsten ansprach, und Beydes durch Verträge und Zwang erhielt.
Somit entwickelte sich eine höchst dringende Gefahr für die deutschen Seestädte
in Pommern und Meklenburg, über deren KecJcheit ohnehin so mancher der
wendisch -deutschen Fürsten klagte.
In dem zweyten Jahrzehnde des vierzehnten Jahrhunderts schienen der
König und seine debtsch — wendischen Lehnleute in Meklenburg, Pommern und
Rügen den Untergang der freyen städtischen Gemeinden dieser Gegenden, vor-
nehmlich Rostocks, Wismars, Greifswalds und Stralsunds beschlossen zu haben.
Wirklich fielen auch diese Städte, da sie allein in der Gefahr auf ihre eigene
Macht sich beschränkt sahen, in dicv Gewalt ihrer Feinde. Selbst von der früher
mit ihnen so eng verbundenen Stadt Lübeck ist, wie es scheint, keine IJülfc
FEHDEN D. VEREINTEN STÄDTE WÄHREND DES 14. JAHRH. bis 137a 57
erschienen. Die vier Städte unterlagen nach einem muthvollen aher ungleichen
Streite, und büssten durch Schätzung und Huldigungen ihren Widerstand und ihr
hoffärttges Betragen gegen ihre Herren.
Allein vielmehr, als diess, ward dennoch nicht ausgerichtet, obgleich der*
König, fast mit allen benachbarten Fürsten und Herren dieser Gegenden, sich
zur Vernichtung der städtischen Frey hei t in Verbindungen eingelassen hatte. Theils
leisteten seine Verbündeten unvollkommen das, was sie versprochen hatten, theils
ward der König von Verfolgung seines Zwecks durch Gährungen in Jütland ab-
gerufen. Der Sturm ging vorüber, die Huldigungen wurden in der Folge wenig
geachtet, und durch die zunehmende Wohlhabenheit die Geldbusse verschmerzt.
In der drohenden Gefahr liir die deutschen Städte dieser Gegenden hat
keine der andern östlichen, fem oder nah belegenen den Bedrängten, so viel
man weiss, öffentlich bey zustehen gewagt, welche geheime Wünsche sie auch hegen
mochlen. So unvollkommen war also gewiss und von so geringem Nutzen in
dieser Beziehung zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts die Verbindung unter
den niederdeutschen Slädten, in so fern eine solche damahls bestand. Gewiss
würden auch die Könige und Fürsten des Nordens diese freyen Gemeinden gar
bald wieder unterdrückt haben, wenn sie nur im Innern ihrer Länder die Ruhe
dauernd hätten erhalten, und unter einander zum gemeinsamen Zweck verbunden
bleiben können. Diess war nicht der Fall; neue Unruhen, neue Fehden führten
neue Bedürfhisse herbey, welche die Städte durch Darlehn befriedigten j der Geist
der Zeit, der ihre Freyheit hervorgerufen hatte, schützte sie auch.
Als Christoph II. im J. 4320 in Dänmark den Thron bestieg, fand er ein
durch lange Unruhen und Fehden erschöpftes Reich vor, viele Krongüter, woraus
des Königs Einkommen ganz vorzüglich entsprang, verpfändet, und einen Krieg im
Innern, welcher ihm die Krone zu entrelssen drohte. Er flüchtete, den Empörern
zu entgehen, im sechsten Jahre seiner Regierung aus seinem Reiche nach Rostock.
Ein Gegenkönig ohne Macht ward erwählt; die Grossen vertheiltcn die Provinzen
des Reichs unter sich, welches er um so eher zugab, da diess die Bedingung
seiner neuen Würde war, und diese leere Würde immerhin für einen Ehrgeizigen
einigen Reiz hatte.
Die Fehden theilten sich den dänischen Kronlehen diesseits der Ostsee mit;
in dem wilden Getümmel in Meklenburg, Pommern und Rügen fochten die
Städte Anklam, Demmin, Stralsund und Greifswald für den entsetzten rechtmässig
H
5g • ERSTE ABTH. FÜNFTER ABSCHN.
gen König, für Christophs Vasallen in Rügen, die unmündigen Prinzen des warlis-
lavlschen Stammes gegen den Eindringling.
Der vertriebene König bat bey den Städten Rostock und Lübeck um Hülfe;
denn so war das schnell wechselnde Schicksal, dass der Nachfolger dessen, der
die Städte mit dem Untergange bedrohte, ihre Unterstützung zur Behauptung
seiner Krone bedurfte. Die deutschen Städte dieser Gegenden empfingen fiir sich
und ihre Freunde im J. 1328 von ihm grosse Handelsfreyheiten in Dänmark, und
mehr durch ihre Bemühungen bey des vertriebenen Königs Anhängern, als durch
die Gewalt der Waffen, halfen sie ihm wieder zur unsichem Krone, aber nicht zur
verlorenen Macht. Sie hatten, was sie wünschten, Handelsfreyheiten erworben, die
dänischen Landestheile waren unter mehrere Herren vertheilt, und die Aussicht
4
zur gänzlichen Auflösung der grossen gefürchteten Macht ziemlich gewiss, als
endlich Christoph im J. 1333 starb.
Bey dieser Schwäche Dänmarks war durch die Vereinigung der beiden
Reiche Norwegen und Schweden, seit dem J. 1319, unter Magnus Smäk eine
gegründete Besorgniss bey den Städten entstanden , da der König gleich nach
seiner Thronbesteigung, vertrauend auf die durch die Vereinigung fiir ihn ent-
springende grössere Macht, Befehle zur Beschränkung ihres Verkehrs in Norwegen
erliess, und gleich nachher auch durch die Unruhen in Dänmark begünstigt
den Titel eines Königs oder Herrn von Schonen 'den übrigen beyfugte, und das
für die deutschen Kauffahrer so wichtige Land erst dem Nahmen nach vereinte,
dann pfandweise erhielt, bis er es zuletzt als Erbstück der schwedischen Krone
einverleibte und den Dänen abkaufte. Vergebens baten Lübeck, Rostock und
Stralsund im J. 1333 ihn um die Bestätigung ihrer alten Handelsfreyheiten in
Schweden wie in Norwegen: der König liess sie hart an, sie erreichten ihre
Wünsche nicht.
Doch der wechselseitige Hass und die eigenthümliche Volksverschiedcnheit
zwischen Schweden und Normannen half den deutschen Städten mehr als ihr
eigenes Widerstreben; jene waren hinlängliche Bürgen, dass beide Reiche nie zu
einem Ganzen vereint, dass ihre gemeinschaftliche Kraft nie beharrlich zu Unter-
drückung der deutschen Gemeinden würde verwandt werden können.
Bald zeigte sich auch der wechselseitige Hass in gefahrvollen Ausbrüchen.
Vergebens versuchte König Magnus das Ungewitter dadurch zu besprechen, dass
er in jedem seiner beiden Reiche einen seiner Söhne zum Mitregenten annahm,
um somit jedem Volke gleichsam einen eigenen Konig zu geben, bald aber wollten
FEHDEN D. VEREINTEN STÄDTE WÄHREND DES 14. JAHRH. bis 1370. 59
beide nur seine Söhne und nicht mehr ihn als König anerkennen , und fechtend
gjegen seine leibHchen Kinder^ so wie gegen die Grossen beider Reiche, ging die
Ho£Enung einer einheitsvollen Verbindung derselben gänzlich verloren. Zugleich
focht Magnus unglücklich gegen die Russen im Osten des schwedischen Reichs,
im Westen gegen die Dänen; ein päpstlicher Bann vollendete die Verwirrung,
und die fürchterliche Pest, der schwarze Tod genannt, verheerte endlich um die
Mitte des vierzehnten Jahrhunderts den Norden und vornehmlich Schweden und
Norwegen so , dass alle Hoffnung zum Bessern erstarb.
Als es so wild in diesen Ländern aussah, da änderte sich auch das Verhält-
niss derselben zu den deutschen Städten, die einige Zeit zweifelhaft bald den einen,
bald den andern der gegen einander streitenden Theile unterstützten. Magnus
verglich und verband sich mit ihnen, vorzüglich mit Lübeck, Hamburg, Rostock,
Wismar, Stralsund und Greifswald im J. 1343 «nd ertheilte ilmen und allen
Kaufleuten der Hanse der Deutschen die zuvor verweigerten Freyheiten, ja er
vermehrte sie ihnen, wie sie es nur irgend wünschen konnten 1).
Indess weder Ma£:nus noch das Reich Schweden konnten die verlorene Ruhe
wieder gewinnen. Der König trat, um wenigstens eines gefährlichen Feindes sich
zu entledigen, an Dänmark die von den Schweden so mühsam erworbenen Lan-
destheile Schonen, Hailand und Blekingen heimlich wieder ab, und fugte diesen
die alten Besitzthümer des schwedischen Reichs die Inseln Oeland und Gothland
hixxzu. Allein. ,diess ward die Losung zum Aufstande £ir alle seine missvergnügten
ünterthanen, und der Unwille gegen ihn stieg so hoch, dass ihn sein Sohn selbst,
König Hakon von Norwegen, im J. 1361 gefangen nahm, welcher nun auch von
den Schweden, < — da sein iBrudei: Erich, vormahliger Mitregent seines Vaters
in diesem Reiche, gestorben war — als König anerkannt wurde.
Unter diesen Unruhen in Schweden und Norwegen war in Dänmark allmäh-
lich eine bessere Ordnung entstanden. Nach Christophs H. Tod verfiel das Reich
in Anarchie, einige Jahre blieb es ohne König, die verschiedenen Landestheile
waren unter die Grossen vortheilt; die dänischen Lehnträger in Deutschland, wie
die Herzoge von Pommern entzogen sich der fremden Lehnshoheit und unter-
warfen sich wiederum Kaiser und Reich. Allein mit Waldemar IH. (Atterdag)
fing ein neues und besseres Leben wieder an. Seine Absicht ging zunächst dahin,
die abgerissenen Theile des Königreichs zu sammeln und ein neues Dänmark
O U. 1343 1 !•
H2
60 ERSTE ABTH. FÜNFTER ABSCHN.
Wieder zu bilden. Er trat die entferntem und vereinzelten Theile ab, um die
näher belegenen und zusammenhängenden gewisser zu behaupten, er \\^ss sich
auf Kauf und Tausch ein, um einen festen Stamm in der Mitte zu bilden^ von
wo aus alsdann die vermehrte Kraft nach Aussen wirken sollte.
So verkaufte er das entfernte Esthland nach langer Fehde dem deutschen
Orden im J. 1347, da er es doch gegen diesen und geg^n die Anfalle der Russen
nicht schützen konnte. Dagegen wandte er seine Bemühungen auf die Wieder-
erwerbung der alten der Krone entrissenen Theile, welche vordem den Kern des
dänischen Reichs ausgemacht hatten, und hier war er meist glücklich.
Die deutschen Städte, besorgt über Waidemars Fortschritte, schlössen sich von
nun an mehr an Schweden und Norwegen, und waren wahrscheinlich als geheime
Werkzeuge in verschiedenen Empörungen g^gen ihn nicht unthätig. In-
dessen war die Eintracht und der ernste Wille bey ihnen noch nicht zu finden,
welche sie einige Jahre nachher gegen den König zeigten, als sein grosses
Glück sie aufschreckte, das sie zu einer engern Verbindung fiihrte und einen
Kampf gegen ihn veranlasste, dessen Gleichen die deutschen Städte noch nie ge-
wagt halten.
Waldemar fing an mit Gewalt sich in den Besitz der Länder zu setzen,
welche ihm König Magnus heimlich abgetreten hatte. Die deutschen Fürsten im
Wendenlande, in Cassuben, Pommern und Rügen mussten wieder dänische
Lehnshoheit anerkennen, des Königs Macht und Ansehen wuchs, so wie die Be-
sorgniss der deutschen Städte, als er die Inseln Oeland und Gothland toit Gewalt
besetzte , und auf dieser letzten , die durch ihren Handel berühmte , mit den deut-
schen Gemeinden in so enger Verbindung stehende Stadt Wisby im J. 1361
einnahm.
Hier hatten die deutschen Seefahrer und Kaufleute ihre älteste und angese-
henste Handelsgesellschaft gehabt, die Deutschen waren hier so zahlreich, dass sie
schon seit langer Zeit einen ansehnlichen Theil der Stadt ausmachten, gleiches
Bürgerrecht mit den Eingeborenen besassen und gleichen Antheil an der Stadl-
regierang hatten. Diese Deutschen auf Wisby, wie sie genannt werden, bildeten,
vollends seit dem Verfallen der grossen deutschen Handelsgesellschaft daselbst,
eines der angesehensten Glieder in dem Vereine der norddeutschen Kaufleute und
Städte. Vor den Mauern der Stadt starben im Kampfe gegen Waldemar's Heer
achtzehnhundert Bürger, Deutsche und Gothländer; darauf fiel der Ort mit uner-
messlicher Beute in des Königs Hände, die Mauer der Stadt ward von den
FEHDEN D. VEREINTEN STÄDTE WÄHREND DES 14. JAHRH. bis 1370. gj
Erobern zum Thell geschleift, Gothland und Oeland mit der dänischen Krone ver-
bunden, und der Titel König der Gothen dem der Dänen und Wenden oder
Slaven beygefiigt.
Diess grosse Glück des gefiirchteten Nachbars weckte die deutschen Städte
aus ihrem Schlummer gewaltig auf. Sie waren an ihren ältesten Rechten ge-
kränkt, an ihrem EJgenthume hatten sie bey Wisbys Plünderung bedeutend
eingebüsst; das unverschuldete Leiden der unglücklichen Schwester forderte zur
Rache auf. Mit Waidemars Feinden, den Königen Magnus und Hakon von
Schweden und Norwegen, traten die Seestädte Lübeck, Wismar, Rostock, Stral-
sund, Greifswald, Anclam, Stettin und Colberg im J. 1301 in ein Bündniss, zu
dessen Förderung die preussischen Städte wenigstens allen Handel mit Dänmark
aufgaben und einen Pfundzoll bewilligten. Jenen Städten gesellten sich noch
in demselben Jahre Hamburg, Bremen und Kiel bey, und die Könige ertheilten
ihnen und Stade, ohne jedoch Kiel wieder nahmentlich zu erwähnen, und allen
und jeden Städten und Kaufleuten der deutschen Hanse unschätzbare Freyheiten
in ihren Reichen. Mit den Städten waren auch von den deutschen Fürsten der
Graf Heinrich von Holstein und der Herzog von Meklenburg verbunden, und so
zogen sie zur blutigen Fehde, von dem Grafen von Holstein und dem lübischen
Bürgermeister, Johann Wittenburg, gefuhrt.
Die Verbundenen entrissen dem Könige Waldemar die beiden Inseln Oeland
und GotUand wieder, verdrängten oder schlugen seine Flotte. Als aber die
städtische Macht auf den feindlichen Küsten landete, wurden ihre Schiffe über-
fallen, tmd wenig von den verbündeten Königen unterstützt, erreichten sie mühsam
und mit nahmhaftem Verluste die eigenen Häfen ; Wittenburg aber, den man mit
Recht oder Unrecht einer Versäumniss beschuldigte, fiel auf offenem Markte zu
Lübeck durch des Henkers Schwert, als Opfer der getäuschten Erwartungen.
Indessen hatten die Städte einige Zeit den Zoll zu Helsingoer inne und die Insel
Oeland oder die Feste Borgholm, welche letztere ihnen die Könige Magnus und
Hakon verpfändet, und grössere Handelsfreyheiten in Schweden und Norwegen
zugestanden hatten, auch ward alsbald ein Stillstand oder Friede mit Dänmark
(im J. 1362) abgeschlossen und in den J. 1363 und 1364 erneuert oder verlängert,
worin der König mit allen Herren und Städten, die in der deutschen Hanse sind,
welchem auch Stade nahmentlich bey trat, abgeschlossen zu haben, erklärte: Es
erthellte der König auf sechs Jahre vom J. 1365 an den Städten Lübeck, Rostock,
Stralsund, Bremen, Hamburg, Kiel, Wismar, Greifswald, Stettin, Neu-Stargard,
62 ERSTE ABTH. FÜNFTER ABSCHN.
Colberg und allen denen, die in ihrem Rechte sind, welches die deutsche Hanse
genannt wird, so wie allen Gästen in Schonen, die von der deutschen Hanse
sind, mehrere Freyheiten, woran sich andere noch, nahmentlich einige kleinere
livländische Städte, anschlössen. Diese Friedens- oder Stillstands - Verträge ge-
diehen um so mehr, da sie auf städtischer Seite eifrigst gesucht wurden, indem
ganz unerwartet die beiden mit den Städten verbundenen Könige der Verbin-
dung wenig geneigt blieben , seitdem König HaLon von Norwegen die dänische
Prinzessin Margaretha zur Gemahlin nahm. Die aus diesen veränderten Verhält-
nissen unter den nordischen Reichen hervorgehende Gefahr entging den Städten
nicht, ihre Bemühungen, die sie ins Geheim mit einigen verbundenen deutschen
Fürsten betrieben, brachten es dahin ^ dass die Schweden ihre bisherigen Könige
Magnus und Hakon, Vater und Sohn, der Krone verlustig erklärten, und sie
ihrem Freunde, dem Herzoge Albrecht von Meklenburg, im J. 1363 antrugen,
König Waldemar reisete indess in Europa umher, um mit andern Königen
und Fürsten sich zu verbinden. Er wirkte von Kaiser Karl IV. einen Befehl aus
^n die Stadt Lübeck, die dem Könige verpfändete und seit der Fehde ihm vorent-
haltene Reichssteuer a\iszuzahlen. Papst Urban V. aber sagte ihm des heiligen
Stuhls mächtigen Schutz zu. Es erfolgten die päpstlichen Befehle an die Bischöfe
von Camin, Lübeck und Linköping, alle Empörer gegen den König und alle ihre
mitverbundenen Fürsten und Städte in den Bann zu thun. Kein Stillstand oder
Frieden zwischen W^aldemar und den Städten konnte dauernd bleiben^ er hatte
sich auch in den Streit gemischt, der zwischen den abgesetzen Königen Magnus
und Hakon von Schweden und ihrem zum Besitze gelangten Freunde Albrecht
von Meklenburg ausbrach; dieser behielt zwar die Krone, doch sollte er Scho-
nen, die Inseln Gothland und Oeland an Waldemar abtreten.
Die Städte sahen wohl ein, dass von der Art der Beendigung dieser ver-
schiedenen Verwirrungen, ihr Ansehen, ihr Handel, ihre Freyheit abhingen; sie
verbanden sich daher im J. 1367 mit einander zu Cöln, um mit den Waffen ihre
Widersacher zu bekämpfen, in einer grössern Ausdehnung als es bisher geschehen
war. Alle östlich und wesdich an den deutschen Küsten belegenen Städte traten
bestimmter, als es je zuvor der Fall war, gegen die l^eiden Könige Waldemar
von Dänmarlj imd Hakon von Norwegen in eine Verbindung zusammen, die zu Cöln
im J. 1367 v^^ ^^^ daselbst versammelten Abgeordneten einiger Städte der Ost-
und Westsee, wie es scheint, Nahmens aller, wie sie an den Küsten von Livland
und Preussen bis zur Zuiderscc, Holland und Seeland lagen, abgeschlossen ward.
FEHDEN D. VEREINTEN STÄDTE WÄHREND DES 14. JAHRH. bis 1370. 63
Bewundcrnswerth ist es, dass diese vielen Städte, gewiss weniger durch die Ver-
bindung, als durch das ihnen allen gemeinschaftliche Gefühl erlittenen Unrechts
und gemeiner Gefahr, die beliebte Zahl an Mannschaft und Schififen redlich stellten,
und zur rechten Zeit vor und in dem Sund erscijienen: diese Eintracht ist nicht
unbelohnt geblieben.
Gegen Dänmark war der Kampf vornehmlich gemeint, gegen Norwegen nur,
um den König Hakon von der Verbindung mit Waldemar und der Bekämpfung
ihres Schützlings, des neuen Königs von Schweden, Albrechts von Meklenburg, abzu-
halten, von dem sie bereits, im Fall eines glücklichen Erfolgs sowohl was Schonen
als Dänmark betraf, die unschätzbarsten Handelsfreyhelten sich hatten zusichern
lassen. Die Herren von Meklenburg und Holstein, so wie der nordjütische Adel
waren auf Seiten der Städte mehr oder weniger besonders mit den wendischen
verbunden,
Bey der Annäherung des drohenden Sturms flüchtete König Waldemar nach
Deutschland, um mit seinem geretteten Geldvorrathe Mannschaft zu werben, und
um die Hülfe anderer deutschen Fürsten und des Kaisers Karls FV. anzusprechen.
Allein mehr konnte er nicht erhalten, als eine wirkungslose kaiserliche Acht gegen seine
Feinde und wider seine, gegen ihn aufgestandenen Unterthanen, w eiche der Kaiser,
als vermeinter Inhaber der höchsten Gewtlt in allen weltlichen Dingen, aussprach:
Mehr konnte Waldemar nicht erhalten, als einen Befehl an verschiedene deutsche
Fürsten, welche als kaiserliche Bevollmächtigte in dem Streite des Königs mit seinen
Nachbarn und Unterthanen eine Untersuchung einleiten und einen rechtlichen Aus-
spruch thun sollten. Aber diese Untersuchungen und dieser Spruch, wenn es je
anders dazu kam, konnten dem Könige nur wenig helfen, da diesen Bevollmächtigen
des höchsten Oberhaupts dennoch alle wirkliche Macht fehlte, ihrem dereinstigon
Spruche die Vollziehung zu verschafl'en, wie denn auch an des Kaisers Acht nach
Sitte der Zeit sich Niemand kehrte.
Während Waldemar bey Fremden vergebens um Hülfe sich bemühte, fühlten
seine hinterlassenen Räthe die Grösse der Gefahr. An ihrer Spitze stand Henning
von Podebusk, des Reichs Hauptmann, welcher den Sturm der von Seiten der
Städte auf das Reich geschah, einige Zeit vergebens zu beruhigen oder ihm zu
widerstehen suchte. Glücklicher Weise für Dänmark leisteten die Verbündele^ der
Städte nicht, was zur beabsichtigten Theilung und Auflösung des Reichs hätte
fuhren können. Der Mächtigste ihrer Mitverbundenen, Albrecht, ward vom Könige
von Norwegen feindlich angefallen, und hatte Mühe sich zu behaupten. Die Städte
64 ERSTE ABTH. FÜNFTER ABSCHN.
allein verfuhren um so rascher, mit einem bisher noch nie gesehenen Glück, mit
einer Eintracht unter so Vielen, welche sie selbst, so wie ihre Freunde und
Feinde, in Erstaunen setzen musste.
Da die Städte vergebens sich bemüht hatten, den König Hakon von Nor-
wegen von der Thellnabme an der Fehde gegen den König Albrecht abzuhalten,
da er seinem Vorsatze getreu ihren Freund feindlich überzog: so fielen sie nun
auf die norwegischen Küsten, .plünderten Kirchen und Klöster, verheerten mehrere
Städte mit Feuer und Schwert, fünfzehn Kirchspiele und legten zweyhundert
Dörfer in Asche. Diess gewaltige Beginnen zwang den König Hakon sogleich
zum Stillstande und zum Frieden, zur Entsagung seiner Ansprüche auf die
schwedische Krone, zur Anerkennung Albrechts von Mecklenburg als König von
Schweden, und zur Bestätigung aller von den Städten in Norwegen innehabenden
Freyheiten in d. J. 1369 und 1370-
Noch glücklicher waren die Städte gegen Dänmark. Ihre Flotte verheerte im
J. 1368 einen Theil der dänischen Küsten, vorzüglich Schonen, wo sie Albrechts
Unternehmungen unterstützten. Im folgenden Jahre eroberten sie Kopenhagen
und den Schlüssel des Sundes, Helsingoer, ferner Nykiobing, Falslcrbo, und Ell-
holm; sie verheerten und plünderten zu gleicher Zelt die seeländischen Küsten,
nebst den Inseln Amack und Hween, und was bedurften sie nun weiter? Es
war mehr, als wohin sie ihre kühnsten Hoffnungen mochten getragen haben; sie
waren Herren des Sundes, Herren der festen Plätze der schonischen Halbinsel
geworden, für ihr Gewerbe und Handel die wichtigsten Besitzungen des Nordens.
Sechszehnhundert rüstige Männer von Lübeck zeichneten sich bey dieser
Fehde vornehmlich aus. Der Stadt Rathsherren Everhard von More und Gott-
schalk von Attendorn, waren die Anführer der Flotte; Bruno von Warendorp,
ein lübischer Bürgermeister, ihr Hauptmann. Der letzte büsste im Kampf fiir
seine Vaterstadt sein Leben ein; die Asche des Hochverdienten sammelten seine
dankbaren Mitbürger im Chor von S. Marien zu Lübeck und über der Gruft
ward sein Bildniss, Schild und Helm zur Nachahmung liir spätere Geschlechter
aufgestellt.
Diess grosse Glück schien dem Reichshauptmanne und den Reichsräthen
Dänmarks, die in des Königs Abwesenheit die Regierung führten, so höchst ge-»
fahrlich, dass sie Unterhandlungen anfingen, die auch schon gegen das Ende d. J.
1369 und im J. 1370 zum Frieden führten. Vermöge dieses behielten die Städte
die festen Plätze in Schonen nebst den dazu gehörigen Landstrecken, und zwey
i
FEHDEN D. VEREINTEN STÄDTE WAHREND DES 14. JAHRH. bis 1370- 55
Drittel der daselbst fallenden königlichen Einkünfte auf fun&ehen Jahre zum
Schadenersatze. Zugleich versprechen die Reichsräthe^ dass, wenn der König,
wie zu erwarten stand , diese Bedingungen zu hart finden würde , ihm die Ruck*»
kehr in sein Reich so lange verweigert werden sollte, bis er diesen Fried ensschluss
angenommen und beslätigt haben werde. Er musste einwilligen, und bezeugte
seine Zustimmung In mehreren Urkunden, die zwischen ihm, seinem Reichsrathe
und den Städten ausgefertigt wurden.
Zufolge derselben versprach er, dass, Im Fall durch fremde Hand den Städten
die ihnen auf fünfzehn Jahre verpfändeten schonischen Schlösser entrissen werden
sollten, er mit seinen und des Reichs Waffen sie dem gemeinschalUichen Feinde
abnehmen und ihnen wieder überliefern wolle. Zum Unterpfande für diese neue
Zusage übergab er ihnen noch , ausser jenen Schlössern auf Schonen , das Schloss
Warberg in Halland, Er versprach ihnen femer, dass, \venn er die Krone
niederlegen und einen Andern zum Könige ernennen würde, um hiermit sich und
seinen Nachfolger von der gegebenen Zusage zu befreyen, seines Reichs Stande und
Räthe sich dagegen zu setzen befugt se3m sollten, keiner aber zur Krone Dänmarks
ohne Rath der Städte gelangen, keiner als rechtmässiger König anerkannt werdep
solle, bevor er nicht die ihnen bewilligten Rechte und Freyheiten, und die von
ihm, dem Könige Waldemar, mit ihnen eingegangenen Verträge bestätigt haben
würde i). Zu gleicher Zeit erhielten die Städte theils einzeln, thcils gemeinschaftlich
verschiedene Freyheitsbriefe für ihren Handel mit den dänischen Landschaften,
vermöge welcher nicht nur die alten Freyheiten bestätigt, sondern auch verschie-
dene neue hinzugefugt wurden.
So glücklich hatten die vereinten Städte Zeit und Umstände benutzt, so
zweckmässig hatten sie ihre Kräfte verwandt, und so glorreich endete diese erste
Fehde, welche sie, mehr denn je unter einander vereint, und in einer grössern
Ausdehnung als je zuvor gewagt hatten. Das Daseyn^ der Nähme und die Gül*
tigkeit dieses Vereins waren vor dem gesammten Europa durchgefochten worden,
die Völker Scandinaviens hatten seine Macht empfunden oder waren Zeugen seines
1) Lübeck gründete darauf uocb im tecbszehnten Jahrbuuderte (nach haudfchriHlichen Nachrichten^ uuge-
•cheut die Ausprüchei data ohne der Stadt Zustimmung kein König Ton Dänmark als rechtmässiger König
anzusehen sey. — Die Urkunden sind hier nicht einzeln angeftlhrt, der grösste Theil aller der unten ver-
zeichneten und zuerst abgedruckten aus diesem Jahrzehend gehört hierher und liefert die Belege. Die
Sache an sich i was diese Fehde betrifft t ist auch von den bekannten Schriftstellern ziemlich richtig yot-
getragen! und die Belege kleiner Abweichungen finden die Liebhaber in den Urkunden.
I
66 ERSTE ABTHL FÜNFTER ABSCHN.
Glücks gewesen. Auch in den entferntem Gegenden östlich und westlich hat sich
ohne Zweifel der Ruhm und das Ansehen dieser Yerhindung der niederdeutschen
Städte verbreitet, so wie über ganz Deutschland.
Zwar weder mit Russland, noch mit Flandern und England wufden ähnliche
Fehden gewagt; theils lagen diese Länder zu fem, thells waren sie in sich oder
durch ihre nächsten Verbindungen zu mächtig, als dass etwas dem Aehnliches
hätte daselbst gelingen können. Mit Ausnahme einzebier Gewaltthätigkelten , Ca-
pereien und Achnlichem, fand Nichts der Art Statt Mit diesen Völkern suchte
man durch die verstattete Erlaubniss oder das Verbot des Verkehrs bey Beschwer-
den, die man mit Recht oder Unrecht führte, sich zu helfen, und man half sich
wirklich, da man der deutschen Städte Zwischenhand nicht wohl entbehren
konnte, da man wechselseitig das Bedürfniss lebhaft fühlte durch den Verkehr
verbunden zu bleiben.
Eben so verhielt es sich auch , wie es scheint, mit Deutschland ; der Vereinten
Nähme war geehrt, theil weise gefürchtet, doch ist keine gemeinschafUiche Fehde
von ihnen in Deutschland gegen deutsche Fürsten gefochten worden. Einzelne
Freunde und Genossen des Vereins haben zwar gegen ihre Nachbaren manche
Fehden gefiihil: und sie glücklich bestanden; jede Stadt liefert Beyspiele der Art;
auch haben benachbarte und befreundete Schwestern den Bedrängten gewiss bey-
gestanden; dass aber der Verein als solcher sich eingemischt und diese Privat-
Fehden zu gemelnschafUIchen erhoben hätte, darüber fehlen alle Beweise. Ge\vlss
lautete der Verein unter den Städten dem Geiste nach, wenn auch nicht zufoJge
des Buchstabens, auf wechselseitigen Schutz gegen unruhige Nachbaren im deutschen
Reiche, und die Verbindungen der deutschen Städte in einzelnen Kreisen reden
davon auf das Bestimmteste, die Urkunden liefern Thatsachen dieser Art in Menge.
Gewiss mögen auch die dem Vereine sich Zurechnenden Städte, durch den Waf-
fenruhm und Glanz, den die Seestädte über sich verbreitet hatten, zum Theil
kecker und unternehmender um diese Zeit in den Streitigkeiten mit ihren Lan-
desherren, oder andern mächtigen Nachbaren auf Schlössern und Burgen geworden
seyn: doch fehleif alle Belege, woraus sich ergäbe, dass, mit Ausnahme der von
den Seestädten unternommenen Fehde gegen die nordischen Mächte, irgend eine
andere und besonders der Landstädte zu einer allgemeinen Angelegenheit bis zu
dieser Zelt wäre erhoben, und durch die Anwendung einer mehr gemeinsamen
bewaffneten Macht beendigt worden.
FEHDEN D. VEREINTEN STÄDTE WAHREND DES 14. JAHRH. bis 1370. 67
Die Seestädte waren und blieben der Theil des Vereins, der den Ruhm des-
selben über Europa verbreitete, und der auch stets überwiegend in der Verbin-
dung blieb, von deren inneren Einrichtung, wie sie am Schluss dieses Zeitraums
sich gebildet hatte , nun zu reden seyn wird»
SECHSTER ABSCHNITT. ^
Verfassung, Benennung und Zwecke des Vereins der niederdeutschen Kaufleute und Stii'dle am
Ende dieses Zeitraums*
Wir haben aus dem letzten zehn bis zwölf Jahren bis z. J. 1370 eine ununter-
brochene Reihe der Recesse oder ProtocoUe der auf den verschiedenen Tagfahrten
durch die daselbst erschienenen Abgeordneten gefassten Beschlüsse, und eine
grosse Zahl anderer Urkunden und Acten, grösser als aus der frühem Zeit Sie
dienen als Belege des früher Angeführten über die Entstehung und Bildung dieses
Vereins, der ohne schriftliche Abfassung über die Rechte und Pflichten der Ver-
einten diu'ch die Macht der Umstände sich gebildet hatte.
Abgesehen von den allgemeinen Verbindungen unter den norddeutschen
Kaufleuten auf ihren Niederlagen im Auslande, abgesehen Ton dem Vereme der
Städte in einzelnen kleinem Kreisen, über welche wir thellweise Urkunden be-
sitzen, über welche schriftlich Einiges aufgezeichnet und uns überliefert worden
ist, haben wir allein eine schriftlich verfasste sogenannte Conföderation aus dem
Schlüsse dieses Zeitraums, welche wenigstens alle Seestädte mit einander in einer
bisher unbekannten Ausdehnung schriftlich verband. Dieser Verein ist zu Cöln im
J. J 367 eingegangen und unter dem Nahmen cölnische Conföderation bekannt
geworden, sie wird oft in spätem Zeiten angeftihrt, die Rechte und Verbindlich-
keiten der Vereinten werden daraus abgeleitet, sie ward gleichsam als der Grund
und die Verfassungs- Urkunde des Vereins betrachtet. GlelchwolJ wie unvollkom-^
men ist sie, wie viele Fragen bleiben durch sie unbeantwortet! Offenbar war
diese Verbindung nur durch die Umstände, durch Bedrückungen und Besclirän-
kungen der städtischen Freyheiten von Seiten des Königs Waldemar von Dähmark
in seinem Reiche veranlasst worden, an deren Genuss viele Städte Theil nahmen.
Sic ist selbst nur unter einigen, wenn gleich den angesehensten Städten an der
See eigentlich abgeschlossen worden, und zwar nur auf einen vorübergehenden
Zweck und auf wenige Jahre; eine Bundes -Verfassung, wie wir sie uns denken
I2
63 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN.
Tvürden, muss man nicht darin suchen; nicht alle Genossen des Vereins werden
darin nahmeptlich aufgeführt, es werden allgemeine Zwecke, abgesehen von den
besondern, welche diese cölnische Conföderation veranlassten, nicht aufgestellt:
das Alles ruhte lediglich im Herkommen, in dem, was sich von selbst verstand,
und was sich von selbst gestaltet hatte. Nur erst aus dem folgenden Jahrhun-
derte haben wir wirkliche allgemeine, schriftlich verfasste Vereine oder Tohopesaten
der Slädte, die aber meist selbst mehr Entwürfe waren oder blieben, als allge-
mein zur Ausführung kamen, indem das unbezwingliche Gefühl der Einzelnen,
ihre eigene ungezügelte und unbeschränkte Freyheit zu behaupten, so gross war,
dass man es kaum über sich gewinnen konnte, derselben auf einige Zeit zu
entsagen. Wo aber finden sich eben bessere schrifÜiche Vereine in anderen Ver-
haltnissen aus jener Zeit? Gleichwohl ist mit Hülfe so unvollkommener Verfassung
oder bey gänzlichem Mangel derselben, durch den Geist, der das Ganze wenig-
stens von Zeit zu Zeit belebte, geleistet worden, was durch spätere, der Form
nach bessere Bundes vereine nie geleistet worden ist!
Diese berühmte Conföderation lautete in ihren wesentlichen Theilen also:
Die Abgeordneten der Städte Lübeck, Rostock, ^Stralsund, Wismar, Culm,
Thom, Elbing, Campen, Harderwyk, Elburg, Amsterdam und Briel erklären, dass
sie sich zur Fehde gegen die Konige von Dänmark und Norwegen vereinigen und
zwar wie folgt Die Städte von der wendischen Seite mit den livländischcn Städten
und denen, die ihnen Zubehören, stellen zehn grosse Schiffe, jedes mit hundert
gewapneten Männern, Einer Schute und Schnike versehen; die sechs preussischen
Städte stellen fünf dergleichen grosse Schiffe ; Campen Ein solches mit zwey Rhein-
schiffen und anderthalb hundert Gewapneten; Dordrecht, Amsterdam, Stavem,
Harderwyk, und alle Städte an der Südersee, mit ^^usnahme Campens , eine Cogge
mit hundert Gewapneten; die von Seeland aber zwey Coggen mit zweyhundert
Mann. Auf jedes Hundert schwer Bewaffneter sollen zugleich zwanzig Schützen
mit guten Waffen und Armbrüsten kommen. Die Städte machen sich verbindlich
mit ihren Kriegs- und Handels -Flotten, ihre KaufTahrer mögen nach dem Westen
oder Osten bestimmt seyn, indem Sunde zusammen zu kommen; die KaufTahrer sollen
wegen ihrer weiteren Fahrt von den Hauptleuten der Kriegsschiffe abhängen, bey
Strafe des Verfalls von Schiff und Gut an die Stadt, wo dieselben hingehören. Alle
KaufTahrer, die durch den Sund schiffen wollen, sollen sich gleichfalls mit Waffen
versehen. Sollte einer der SchifFleute aus Städten dieses Vereins zu iien Königen
übergehen, so soll er auf ewige Zeit in denselben keinen Schutz geniessen, und
VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. gg
sollte eine Stadt von der wendischen Seite, \on Preussen, Livland und überall
Ton der deutschen Hanze, von der Südersee, Holland und Seeland nicht diesen
Beschlüssen sich fugen, so soll sie von aller Gemeinschaft des Handels mit den
andern und von deren Häfen ausgeschlossen bleiben. Aller Handel mit den Län-
dern der beiden Könige, so wie die Zufuhr an Wa£Fen und Lebensmittel dahin
ist bey gleicher Strafe untersagt.
Zur Bestreitung der Kosten aber soll jeder Kaufmann von dem Werthe seines
Gutes zu einem Pfund Groten einen Groten, gleichmässig, nach den verschiedenen
Münzsorten berechnet, bey der Ausfahrt aus jegKchem Hafen entrichten, die
Schiffer die Hälfte der Abgabe von dem Werthe ihres Schifis, und die gleiche wie
die Kaufleute von ihren Gütern, die sie fuhren, und die nicht zu ihrer Nahrung
erforderlich sind, alles nach eidlicher Angabe. Jede Stadt des Vereins erhebt die
Abgabe und gibt darüber einen Schein, damit der, welcher sie entrichtet hat, sich^
über die Erlegung derselben rechtfertigen könne, wenn Schiff und Gut in einen
andern Hafen kommen. Wäre aber ein Schiff aus ein^m Hafen gesegelt, wo diess
Pfundgeld nicht erhoben wird, als aus England oder Flandern, so soll die Ab-
gabe bey der Ankunft in einer dieser Städte entrichtet werden, wenn der Schiffer
oder Kaufmann keinen Schein über deinen bereits erfolgte Zahlung vorzeigen kann.
Segelt ein Schiff von Osten nach Westen und zeigt der Schiffer oder Kaufmann
seinen Abgabenschein vor, so braucht er in Hamburg keine Abgabe zu entrichten ;
käme er aber von Westen und wollte er östlich fahren, und hätte er bis dahin
kein Pfundgeld erlegt, so ist er dazu in Hamburg verbunden, dann aber weiter
östlich frey unter Bey bringung der schrifÜichen Beweise, dass er daselbst oder an
dem Orte, von wo er zuerst aussegelte, die Abgabe entrichtet habe. Diese
Scheine sollen enthalten, wie viel, von welchem und von wie vielem Gute und zi*
welcher Zeit das Pfundgeld entrichtet worden sey. Das erhobene Geld aber soll
von jeder Stadt zum Besten der gemeinen Städte , welche Kriegsschiffe ausgerüstet
haben, aufbewahrt werden, und Geld und Scheine sollen von den Abgeordneten
\ der Städte auf ihrer bevorstehenden Tagfahrt auf Johannis zu Lübeck gebracht und
berechnet oder vertheilt werden, nach Mannzahl d. i. nach Maasgabe der gestellten
Mannschaft. Das Pfundgeld soll aber erhoben werden, während Eines Jahrs vom
nächsten Fastenabend an, und bey den Städten soll die Verlängerung stehen; doch
soll kein Schiff durch den Sund segeln, bevor nicht die Kriegsschiffe mit der ganzen
Flotte zu segeln bereit sind. Auf gleiche Weise sollen auch die Vortheile oder
Beute (i/romen)^ welche in den Reichen beider Könige etwa erworben würden, nach
70
ERSTE ABTa SECHSTER ABSCHN.
Mannzahl verthellt werden; Freyheiten und Rechte aber, die man daselbst erwürbe^
sollen von allen gleichmässig benatzt werden dürfen, dagegen trägt jeder Theil
seinen erlittenen Schaden, Kosten und Verlust
Die von Preussen , Campen, der Siidersee und Holland sollen keinen Kosten-
beytrag geben, noch an den Vortheilen Theil haben, die aus der Verbindung der
Städte von der wendischen Seite, mit dem Könige von Schw^eden, den Herzogen
von Meklenburg, dem Grafen Heinrich von Holstein und andern Heri:en entsprin-
gen möchten, Vortheile und Schaden, die daraus entstehen, gehen allein die Städte
von der wendischen Seite an, unbeschadet jedoch des (gemeinen) Kauf-
mannes Recht. Sollten aber die wendischen Städte es dahin bringen, dass diese
Fürsten und Herren den übrigen Städten beystehen wollten, so wollen diese auch von
nächsten Ostern an auf E i n Jahr sich mit den Herren verbinden, ohne einseitig Frie-
den zu machen. Das Letztere versprechen sich beide Abtheilungen der vereinten Städte,
sie versprechen einander zusammenzuhalten, bis in allen Dingen von beiden Königen
ihnen Recht widerfahren seyn wird. Sollte aber nach hergestelltem Frieden, einer
der Könige eine Stadt anfallen dieser Sache wegen; so wollen sie Alle einander
beystehen. Jede Stadt soll ihre besondere oder frühere Fehde {yoreveyde) mit
den Königen abthun, mit Rath der andern Städte und ohne deren Schaden;
wollte jedoch eine Stadt nicht dem Rathe der andern sich lugen, so stehe sie ihre
eigene Gefahr; wollen aber die Könige die Vermittelung der Städte nicht anneh-
men, so sollen alle Verbündete der Stadt beystehen, als wäre es ihre eigene Sache.
Diese Vereinigung soll drey Jahr lang nach dem mit den Königen geschlossenen
Frieden bestehen. Treue Haltung dieser Zusagen machen den Schluss; wer dage-
gen fehlt soll am Leben gestraft werden.
•■ Das ist die berühmte Verbindung, auf welche sich so oft in der Folge, als
auf die Grundlage des gesammten Vereins bezogen ward, was sie ojEFenbar nicht
war. Allein dadurch zeichnet sie sich allerdings aus, dass, abgesehen davon, dass
nur für diese Fehde und auf eine beschränkte Zeit dieselbe eingegangen ward , sie
doch über alle die Seestädte sich erstreckte, wie sie von der russischen Grenze bis
zur flanderschen hin lagen. Dass Landstädte an dieser Verbindung thätig Theil.
genommen haben sollten, erhellet freylich nicht daraus, vielmehr Yv^ss^ sich eher
das Gegentheil daraus abnehmen, da sie nahmentlich nirgends erwähnt werden.
Gewiss aber haben die wenigen hier zu Cöln durch Abgeordnete erschienenen
Städte Nahmens aller andern Seestädte wenigstens abgeschlossen. Auf der in der
Verbindung verabredeten Tagsatzung zu Lübeck auf Johannis im J. 1368, zur Aus-
VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 71
wechselung der Bestätigungs — Urkunden , erschienen ausser denen, die in Cöln
anwesend waren nur noch die Abgeordneten von, Stettin, Greifswald, Neu- Star-
gard, Colberg, Danzig, Riga, Reval, Dortrecht, Ziriksee ; dagegen fehlten die von Culm,
Harderwyk und Elburg; doch ist es ganz gewiss, dass alle die Seestädte vereint
waren , wie man sie bisher nie vereint gesehen hatte , und ohne Zweifel haben
die einen die anderen vertreten, w^ie auch aiü einigen Ausdrücken in der Urkunde
deutlich erhellet. In wie fern aber die Landstädte daran Theil genommen, ist
schwerer zu sagen. Dänische Schriflsteller und Chronikenschreiber fuhren eine
grossere Zahl Hansestädte an , wie sie in späterer Zeit vorkommen , die dem Kö^
nige von Dänmark selbst dem Nahmen nach unbekannt gewesen wären, welche
ihm ihre Absagungsbriefe zugesandt, und ihn vermocht hätten, in einer nicht
feinen Spottrede sich darüber zu äussern. Aus unb^zwelfelt echten Urkunden
erhellet i) , dass Cöin einige Tage nach Abschluss dieses Vereins ein Umlaufschrei-
ben an die Städte Braunschweig, Hildesheim, Magdeburg, Hameln, Hannover,
Lüneburg, Bremen, Stade, Hamburg, Kiel, Greifswald, Anclam, Stettin, Neu-
Stargard, Colberg, Riga, Dorpat, Reval und Pemau erliess, worin sie ihnen an-
zeigt, dass die oben angeführten Seestädte Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund,
Culm, Thorn, Elbing, Campen, Harderwyk mit Vollmacht mehrerer anderen Städte
der Südersee, Hollands und Seelands in ihrer Stadt versammelt gewesen wären,
und dass die Rathmänner von Lübeck, Wismar, Rostock und Stralsund beliebt
hätten, ihre Bothen, wegen gewisser Angelegenheiten, an sie abzusenden, denen
sie allen Glauben schenken sollten. Ohne Zweifel bezogen sich diese durch
Bothen ihnen mitzutheilenden Angelegenheiten auf diese cölnlsche Confoderalion,
und die Fehde gegen die beiden Könige; allein es findet sich in den bekannten
Urkunden keine, woraus erhellet, dass die Landstädte, in der Fehde thätig durch
Stellung einiger Mannschaft oder durch besondere Geldbeyträge den Seestädten
zu Hülfe gekommen wären. Selbst die Stadt Cöln, die doch nach damahliger
Weise, indem man mit Rhelnscblffen auch die See befuhr, als Seestadt betrachtet
werden konnte, in deren Mitte diese Verbindung geschlossen ward, scheint Nichts
der Art geleistet zu haben, sie kommt nicht unter den nahmentllch aufgeführten
und zu einer bestimmten Stellung von Schiffen oder Mannschaft angeschlagenen
Städten vor.
Allein einverstanden waren die Landstädte damit gewiss, und mittelbarer
Weise haben sie auch zu der Fehde beygetragen, indem das Pfundgeld, womit
1) ürk. ccxxx.
72 ERSTE ABTKL SECHSTER ABSCHN-
die Aasrüstang bestxiUen wurde, und welches bey der Ausfuhr aus den
Ton allen Gutem zu entrichten war, auch die Landstädte traf in so fem sie an
dieser Ausfuhr Theil nahmen. Auch kommen in den Freybriefen und Friedens-
schlüssen, die in Folge dieser Fehden erworben wurden, nahmentlich einige
Landstädte vor, so z. B. in dem Freybriefe des Schützlings der Seestädte, Königs
Albrecht von Schweden v. J. 1368? <|»sser den Seestädten der Ost- imd Westsee,
Cöln mit den westphälischen Städten, Dortmund, Soest, Münster, Osnabrück;
von den sächsischen, Braunschweig, Magdeburg, Hildesheim, Haimover und Lü-
neburg, ja die Freyheiten werden nicht nur diesen nahmentlich aufgeführten
See- und Landstädten ertheilt, sondern überall, wie der König sagt, allen Städten,
die in diesem Kriege verbunden, und die hinwieder mit den Städten vereint {ere
hulpere) und in der deutschen Hanse sind. In den Friedensschlüssen mit
König Waldemar von Dänmark v. d. J. 1370, wird zwar von den Landstädten
nahmentlich nur Cöln erwähnt; aber mit dem Zusätze, der Friede sey, mit allen den
einzeln aufgeführten Städten der Ost- und Westsee und Cöln, so wie mit allen*
andern Städten, Bürgern, Kaüfleuten und ihrem Gesinde, die in diesem Kriege
mit begriffen gewesen und die in ihrem Rechte sind, abgeschlossen. Auch ia
der cölnischen Confoderation selbst kommen ein Paar hingeworfene Worte vor,
die diess bestätigen, denn es heisst einmahl darin, dass auch alle Städte von der
deutschen Hanze gleich den zum Theil nahmentlich aufgeführten östlich und west-
lich belegenen Seestädten von allem Handel und von allen Häfen ausgeschlossen
seyn sollten, wenn sie es mit den beiden feindlichen Königen halten würden;
und die westlichen und preussischen Seestädte überlassen denen von der wendi-
schen Seite alle Vortheile, 'die aus ihrer besondern Verbindung mit andern Herren
hervorgehen würden, unbeschadet jedoch des Rechts des (gemeinen) Kaufmannes.
Wie wichtig nun die cölnische Confoderation zur Bekämpfung der feind-
lichen Könige auch war, und wie bestimmt die Verbindung zwischen den west-
lich und östlich belegenen deutschen Seestädten mehr denn je zuvor darin
ausgesprochen ward , so ist doch in Bezug auf die Verfassung des Vereins selbst
Ttlchts anders darin zu finden, als was früher schon, bestand, was im Herkom^
men sich bereits längst gebildet hatte. Vereine zur Bekämpfung scandinavlscher
Mächte, waren schon früher gewesen, zu diesem Zweck hatte man sich zur Stel-
lung von Mannschaft und Schiffen anheischig gemacht, nur nicht in solchem
Umfange, man hatte ein Pfundgeld schon früher beliebt zur Erhaltung der erwor-
benen Freyheiten in der Fremde. Diese Niederlagen und kaufmännischen Vereine
VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 73
Im Auslande verbanden auch die Landstädte mit den Seestädten, die Unlersa-
gung des Genusses der daselbst erhaltenen Freyhelten und der Gemeinschaft
des Handels mit den andern Städten, war auch schon früher als Sti^fe üblich;
auf Tagfahrten waren die Abgeordneten schon lange zuvor zusammengekom-
Aiin, um Beschlüsse zu fassen, und von Alters her waren die Seestädte vorherr-
schend In diesem Vereine, und unter Ihnen wiederum die von der wendischen
Seite. Alles diess hatte schon längst bestanden, es ward nur bey Bekämpfung
des gemeinschaftlichen grossen Feindes besonders angewandt, bestimmter in allge-
meiner Beziehung ausgesprochen und schriftlich verfasst.
Auf eine ähnliche Weise verhielt es sich mit dem Nahmen des Vereins. Das
Wort Hanse In der Bedeutung einer Handelsgesellschaft, einer Gilde oder Ge-
nossenschaft von Kaufleuten, kommt, wie es scheint, zuerst in England vor. Den
Kaufleuten mehrerer englischen Städte Ist von des Landes Königen schon seit
Anfang des zwölften Jahrhunderts, die Erlaubniss verstattet worden, in eine Ver-
bindung unter einander, in eine Hanse zusammenzutreten 1). Dasselbe, wie oben
bemerkt worden, ward von den Königen den In England sich aufhaltenden
deutschen Kaufleuten verstattet, und um die Mitte des dreyzehnten Jahrhunderts
bedienen sich die Räthe der Städte Hamburg und Lübeck des Ausdrucks Hense
und Hensebrüder, um die Gesellschaften ihrer in den Niederlanden verwellenden
Kaufleute und deren Genossen zu bezeichnen. Um dieselbe Zeit Ist Nähme und
Sache den Grafen von Flandern nicht unbekannt 2), Graf Florens von Holland
bestimmt und bestätigt die Freyhelten den Kaufleuten , die zu Middelburg Ihre
1) So ertheilt König Johann im J. 1200 am 25« März seiner Stadt York mehrere Freyheiteu: — et nomina-
tim gildam suain mercariam et Ilansas suas in j4nglia et Normannia et lastagia sua quieta^ sicut un-
quam melius et liherius hahuerunt tempore regis Ilenrici ^ aui patris nostrif also schon zu Heinrichs 1. Zeiti
d. i. Anfangs des z-wölfteu Jahrhunderts» er regierte in d. J. 1101-1135) war Sache und Nähme hier
bekannt; 's. Fr. Drake's Bboracumt or the tustory and antiqiäties oj the city of York p. 203* Derselbe
König Heinrich L bewilligte seiner Stadt Beirerley die gleichen, der Sudt York ertheilten Freyheiten gleich-
falls nebst einem HanshuSy quam eis do et concedo, ut ibi sua statuta pertractent } Hjmer^ foed, AngL ed*
nou, p. 10* 40* — König Johann bewilligte seiner Stadt Dunwich ap, rupem jiurmall 29* Jun* regn, nostri
primo (1199) * liansam et gildam inercatoriam sicut habere consueuerint ; u, Historical treatise of dties and
hurghs or bowroughs hy Rob, Brady 2<^ed. Lond. 1704, appeud. p. lO, König Heinrich HF. ertheilt (a. r. j.
secundoj 1217/18)» seiner Stadt Herford die Befugniss: ut habeant (cives Herfordiae) in perpetuum gildam
mercatoriam cum Hansa et aliis libertatibus et consuetudinibus ad ilUun pertinentibus, v, Madox history of
exchequer I. 412« dipL
2) Im hamburgischen Archive kommt in elnetn Copialhuche eine Urkunde des Grafen Thomas und seiner
. Gemahlin Johanna v. J. 1241 m. Ma). vor: ironach Niemand, der nicht sein Handwerk aufgegeben, und
die hansam Londoniensem erworben habe, zum Scubinus der Stadt Damm sollte erwählt werden«
K
74 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN.
Hanse haben i), er gedenkt eines Hansgrafen, als Yorstehers dieser Genossen-
schafl:, welcher in den niederdeutschen Urkunden gemeinhin Olderman genannt
wird, in den oberdeutschen aber auch als Hanisgraf oder Hansgraf sowohl in
Regensburg als in Wien vorkommt 2). Selbst in Frankreich war Nähme und
Sache nicht unbekannt 3) ; dagegen scheint das Wort im Nordosten, in den scandi-
na\ischen Reichen damahls ganz ungewöhnlich gewesen, und von den vereinten
1) Mieris groot Charterhoek I. 356- Urkunde de« Grafen Florens TOn Holland ▼. d. J. 1271. "Ab* J7o-
rentiuSi comes Hollandiae y concessimus haec instituta, quae suhscripta suntt confratemitati merctitorum Mid-
dclhurgensium. — J. 6. Quicunque duas uncias Hollandiae vel amplius valens de foro ad forum attuUrit
ex parte orientali der Maze , vel ex parte ocddentaU — — debet Hanse Denariumm {• 7» Quicunque pa-
terna successione Uher ^ confraternitatem istam acquirere poluerit in hoc oppidot quadraginta denarios usuaUs
et legalis monetae in Middelhurg dabit Comitiy Hanse duos denarios^ §, IQ. I^e omni autem emenda^ quae
in confraternitate accideritt et quae per formatores siue per comitem Hanse ad satisfactionem in dicta
confraternitate non potuerit coerceri , debet ad Praetorium de Middelburg rcquiri et dupliciter emendari»
2J Der römische König Philipp crüieilt im J. 1207. (Gemeiners Urspr. d. Stadt Regeusburg 70.) den Bür-
gern von Rcgeusburg die Befugniss ex arbitrio suo eligendi magistrum, qui vulgariter Hanisgrave di-
citur; und Kaiser Friedrich II. in einer Urkunde v. d. J. 1230 bey Hund (^Metropolis Salisburg* ed. 1719*
p. 160«) Mg^* ^^^^^ Balisponenses habe ant jus eligendi Hansgravium^ qui disponat et ordinet extra ciuita-
tem, et non infra^ ea tantum, quae respiciunt negotia nundinarum. Auch in "Wien war ein solcher
Hansgraf, obwohl das Jahr, in welchem diess Amt aufgekommen ist» nicht aus Rauch SS, rer. Austr.
nr. p. 69*70. mit Gewissheit erhellet; es heisst daselbst, unter der Ueberschrift: Complura Jura municipalia
urbis Vindobonensis nondum edita: de juratis Vindobonensibus mercaturae conciliatoribus, unter Anderm also:
Auch sol ain y glich vnderkeuffel den hannsgrafen weisen in allen rechten ^ die er wais, — Auch soll
ain yeglich vnderkeuffel wo der Inn wirf, das ain gast wider der stat oder des hannsgraf recht durch das
lant fert oder wolt farn oder chaufmanschacz treiben , das sol er an den hannsgraffen pringen , Als er der
vmb gesworn hat. Auch was die vnderkeuffel vnd der hannsgraf mit einander redent vnd meldent, das
sol furpas nicht gemeldet werden , Tf^er das vber fuer , der sol furbas Aus dem hannsgrafambt sein vnd
sol man in pessern an leib vnd an gut, -^ Es sol auch jeglicher vnderkeuffel dem hannsgrafen gehorsam
sein für in ze körnen , wann er In besent , Vnd sol all mitic/ien für den hannsgraffen chomen t Als das von
alter herkamen ist, Vnd ob er des nicht thuet, So sol er dem hannsgraffen zwelif pfennig ze wanndel geben,
3) König Johann von Frankreich bestätigt im J. 1350 apud Cantüupum mens. Novembr. denKaufleuteu, Scböflfeu
und burgensibus hansatis so wie allen Einwohnern von Paris die ihnen ex magna antiquitaie zustehenden
Freiheiten) irermöge welcher kein foraneus (der nicht ein Pariser Bürger ist} Güter oder Geld nach Paris
zu Wasser (per riparias) bringen dürfe, wenn er nicht mit einem burgensi hansato der Stadt in Verbin-
dung getreten ist, und die societatem franciscam gewonnen hat. Burgensis hansatus, h€ihens societatem
hujusmodi y debet habere medietatem commodi seu lucri mercature dicti foranei sibi sie associatif v» Ordon-
nances des rois de France IV, 9« Andere, meist frühere Freybriefe der Könige Ton Frankreich (Ordonn,
IF. 432-330 erwähnen dieser Freyheiten b. d. J. 1170» 1315» 1345, 1351, aber der Ausdruck hurgenses
hansati kommt darin nicht vor; aliein König Philipp August bedient sich desselben im J. 1204» er ge-
denkt der mercatorum hansatorum zu Paris ausdrücklich; TergL Histoire de la ville de Paris par Felibien
et Lobineau T. I. in der dissertation sur Vhistoire de Vhdtel de ville de Paris p. xcirixi , welche Abhandlung
überall wegen der Hanse der Pariser Kaudeute auf der Seine sehr belehrend ist.
VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 75
deutschen Städten und ihren Kaufleuten erst im vierzehnten Jahrhunderte den
Königen daselbst gleichsam aufgedrungen worden zu »eyn.
Die grosse Handelsgesellschaft der deutschen Kaufleute auf Wisby in Golh-
land, welche, bevor sich Lübeck so gliickllch und kühn erhob, und bevor der
Verein der niederdeutschen Städte sich mehr ausgebildet hatte, vorherrschend im
nordöstlichen Handel war, und den Kauflahrem wie den Städten in Bezug auf
den Verkehr noch gegen Ende des dreyzehnten Jahrhunderts Befehle ertheilte,
nennt sich nie deutsche Hanse oder Hanse der deutschen Kaufleute, sondern
schlechtweg Gesellschaft aller Kaufleute, der deutschen oder aller Kaufleute auf
Gothland, oder aber gemeiner Kaufmann. Eben so kennt die Niederlage der Deut-
schen zu Nowgorod in dieser altern Zeit diese Benennung nichts sie nennt sich
stets nur deutscher Hof, es ist bey ihr lediglich von deutschen Kaufleuten, von
Solchen, die dem deutschen Rechte zugehören, die Rede.
Dagegen kommt das Wort Hanse in altem deutschen und flandrischen Ur-
kunden in einer andern Bedeutung, nähmlich der einer Abgabe vom Htindel vor.
So wird das Wort vom Erzbischofe Siegfried von Bremen im J. 1181 und vom
Kaiser Friedrich I. in J. 1188 > so wie vom Grafen Philipp von Flandern um die-
selbe Zeit gebraucht 1). Doch verliert sich diese Bedeutung des Worts in den
bekannten Urkunden nachher, so dass es in diesem Sinne kaum noch späterhin
genommen wird 2),
Die älteste Bedeutung des Worts scheint die einer Gesellschaft, einer Menge
von Menschen, die vereint oder verbunden sind, anzuzeigen; in einem ähnlichen
Sinne bedient sich desselben bereits Ullilas 3). In der Voraussetzung, dass davon
1^ Urk. V, 118B« auch iu der Bestätiguug der kaiserlicheu Urkunde durch K. Waldemar t. Dämnark t. J.
1202 uud TOn Kaiser Fried, II. v. J. 1226« In dem augefUhrteu hamburgischeu Copierbuche kommt eiue
Stelle iu dem Freybriefe des Grafen Philipp von Flandern für seine Stadt Damme vor : Fortmeer is myn
unlUy dat sie te diere costume, die onse boden hanse heeten^ in negheene stede onderhorich zyn» Das Jahr
wird daselbst so angegeben MC ende IUI« Aber damahls regierte Graf Robert, Philipp aber t. J. Ii69 «u
1 1191* Wahrscheinlich ist die Urkunde aus dem Latein übersetst.
2) Im J. 1430 belehnt Herrn« -von Uslar noch de koplude meistere, de nu sind und noch to körnende sindf to
truwer hand der koplude to Gottingen ^ de hanse in der suluen stad to Gottingen ^ y*yd alle deme rechte
alse de sulue hanse an mek von mynen elderen gekomen is eweliken to besittende und to Itehbende (Archiv der
Stadt Göttingeu). Es scheint, dass hier nicht wohl etwas anderes als eiue Abgabe unter dem Worte
verstanden werden könne, die zum Schutz der guttiugischen Kaufmanns -Gilde tiU die von Uslar zuvor
war entrichtet worden«
3) Ulfilas Marci 15 , 16* ^ uud Joh. 18 » 3« 12* rirtr^ « manipulus , Lucae 6 » 12* «a?^« multitudc , cohors , aus
dem vierten Jahrhundert: und im Hochdeutschen bey dem unbekannten Uebersetzer Tatians 200> 1* ed.
Palthen j p« 197* für cohors , aus dem neunten Jahrhundert.
K 2
jQ ERSTE ABTR SECHSTER ABSCHN-
zunächst die Bezeichnung einer Menge oder Gesellschaft von Kaufleuten ausge-
gangen sey, würde sich auch die wahrscheinlich spätere Bedeutung erkläiTn lassen,
nähniHch die einer AhgaLe von einer solchen Handelsgesellschaft, oder von
Kaufleuten zu ihrem Schutz, dergleichen Be} spiele auch bey andern Worten im
Mittelalter vorkommen, indem cheminus {chernin) nicht nur Weg sondern auch
Wcggeld und ptfart nicht nur Ausfuhr, sondern zugleich Abgabe von der Aus-
fuhr bedeutet.
Das AVort zur Bezeichnung einzelner Vereine deutscher Kaufleute in der
Fremde besonders in England ist denn allmählich auch zur Bezeichnung des
allgemeinen Vereins aller norddeutschen Kaufleute in der Fremde wie in Deutsch-
land gebraucht worden, bis zuletzt der Nähme deutsche Hanse oder Hansestädte,
zur Bezeichnung des Vereins der norddeutschen Kaufleute und Städte üblich
wird, seltener in der ersten, häufiger in der zweyten Hälfte des vierzehnten Jahr-
hunderts gebraucht, ohne jedoch die altern Benennungen ganz zu verdrängen.
Noch am Ende dieses Zeitraums bis z. d. J. 1370 ist diese Bezeichnung deutsche
Hanse schlechtweg oder deutsche Hansestädte nichts weniger als ausschliessend
im Gebrauche, weder auf allen norddeutschen Niederlagen in der Fremde, noch
beym Abschluss der Verträge der Städte mit fremden Mächten; allein diese Be-
zeichnung des allgemeinern Vereins der Kaufleute und Städte verbreitet sich
seitdem mehr und mehr, bis sie einige Jahrzehnde nachher und vollends seit dem
Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts fast ausschliessend gebraucht wird i).
Bey dem Gebrauche dieses Worts in dem ausgedehntem Sinne ist mit einer
gewissen Schüchternheit, wie es scheint, zu Werke gegangen worden, so wie
mit dem Eingestehen der Sache selbst; die Gründe, die dazu aufforderten, lassen
sich auch leicht auflinden. Eigentlich waren nach den ältesten Reichsgesetzen zu
Karls des Grossen Zeiten, Vereine und eidliche Gelöbnisse auf dieselben unter-
sagt, und nur zu frommen Zwecken, femer wegen Feuersgefahren und Schiff-
bruch in beschränktem Maase erlaubt. Die letztere Begünstigung sich zusammen-
zuthün, um die Nachtheile beym Schiffbruche abzuwenden, mochte leicht auch
auf andere Seegefahren, etwa gegen Seeräuber, zum Schutz in fremden Ländern
ausgedehnt, es mochten Vereine der Kaufleute zu diesen und ähnlichen Zwecken
1) Die Belege fiudeu sich in den Urkunden. Um lästige AYiederliohlungen zu vermeiden , sind die Worte
derselben , die sich hierauf beziehen , hier übergangen worden , um so mehr da in dem Urkundeubuche
aus den bereits gedruckten die Stelleu abgedruckt worden sind , welche die verschiedenen Bezeichnun-
gen enthalten*
VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 77
in fremden Ländern für unschuldiger als im Innern Deulschlandes gehalten werden.
Das Bedürfniss solcher Verbindungen, im Innern wie im Auslande, ward indcss,
bey dem immer grössern Verfalle des königlichen und kaiserlichen Ansehens, stets
dringender, da man ohne ihre Hülfe sich nicht geschützt fand, da ohne sie kein
ausgedehnter Verkehr durch die Kaufleute betrieben werden konnte. Sahen aber
der König und die Fürsten sich genöthigt, stillschweigend geschehen zu lassen,
was nicht wohl zu ändern stand : so war doch immer der Buchstabe des Gesetzes
dagegen, welcher geschont werden musste 1). Wenn man indess nachsichtiger die
Vereine der Kaufleute mit der Zeit zu beurtheilen geneigt war, so blieb doch
zwischen ihnen und denen der Städte noch ein grosser Unterschied ; diese mochten
den Grossen bey Weitem gefährlicher erscheinen. Die Macht der verbundenen
Städte zeigte sich in immer grösserem Umfange ; sie beschränkten sich nicht darauf,
die In ihren nächsten Umgebungen sie drückenden Bedrängnisse abzuwenden, ihre
Gewalt erstreckte sich über das gcsammte niedere Deutschland, sie beherrschten
den Handel desselben im Innern wie den mit dem Auslande, sie schrieben den
scandinavischen Königen Gesetze vor, und durch kühne Unternehmungen, durch
Fehden, durch ihre Geldkräfte und ihre Verschlagenheit verfijgten sie über die
Kronen dieser Reiche, und erzwangen im Innern Deutschlands, wenigstens in
ihren nähern Kreisto, den Frieden durch dieselben Mittel.
Wie bedenklich diese Vereine aber den Grossen erscheinen mochten, so
gingen sie gleichwohl aus der Innern Auflösung der kaiserlichen ]Macht hervor.
Musste der hohe wie der niedere Adel bey diesen Zuständen sich zur Erhaltung
des Friedens in Deutscliland vereinen, durfte er es endlich nicht verschmähen.
1) Moser (patriou Phantasien , dritte Ausgabe. Th. 1. XLIIL S. 2620 hat diess bereits bemerkt, indem er
aus Karls des Grossen Capitularien die Stelle v* J. T/9 anfälirt: De sacramentis pro Gildonia inyicem con-
jurantibus y ut nemo fucere praesuniatt Alio vero modo de eleemosynis aut de incendio auf de naufregiisy
quamvis contrenientiam faciarUt Jtemo in hoc Jurare praesumaf, Moser (lihrt eben daselbst die Entscheidung
der auf dem Reichstage zu Worms im J. 1231 aufgeworfenen Frage : ob eine Stadt oder Gemeinheit mit
andern Verbindungen oder GesellschaAeu eingehefliUrfe > aut welche vom König Heinrich mit I\ath der
ReichsfUrsteu dahin entschieden ward, dass ihnen dergleichen nicht erlaubt sey. Vergl. Neue und voll-
ständige Sammlung der Reichsabschiede. Frankf* am M* 1747 f* Th. 1« S» 13. Auch hiess es in den
letzten, vor Aufhebung des Reichs verfassteu VVahl-Capitulationen : Ihre kaiserliche Majestät wollen die
commercia des Reichs zu- Wasser und zu Lande nach Möglichkeit befördern, — dagegen aber die grossen
Gesellschaften, Kaufgewerbsleute und andete» so bisher mit ihrem Gelde regiert, gar abthuu (Moser
a. a. O. S.2630* ^^^^ sieht wenigstens daraus, wie die Fürsten noch in der Erinnerung oder aus lieber-
lieferung die mächügen Vereine fürchteten, obwohl sie in dieser letzten Zeit von der Höhe ihrer Macht
schon längst herabgestürzt waren*
73 ERSTE ABTK SECHSTER ABSCHN.
(He reichen Städte selbst in seine Vereine mit aufzunehmen, well man besonders
ihrer Geldhülfe nicht entbehren konnte: so war es auch, nachdem man eben so
weit gekommen war, nicht wohl thunlich, den Städten die Erlaubniss zu versagen,
Verbindungen lediglich unter einander einzugehen zur Erhaltung des Landfriedens,
wie sie die Sache höchst unschuldig zu bezeichnen wussten. Zwar nahmen diese
städtischen Vereine bald eine Richtung, die der Grossen Eifersucht erregte, denn
Geist und Zweck derselben zeigten sich doch bald nur zu verschieden von denen,
welche die Herren unter einander eingegangen waren: als aber die Elfersucht
unter ihnen erwachte, da hatten die Städte und Ihre Vereine bereits so an Kraft
gewonnen, dass man sich Ihnen nicht geradezu widersetzen konnte, vielmehr es
gerathen fand. Freunde und Verbündete unter Ihnen zu suchen. Die Grossen des
niedern Deutschlands, besonders des östlichen Theils, hatten In Ihren Nöthen bey
den Städten Unterstützung erhalten, Darlehen von Ihnen bekommen, um Andern,
mit denen sie In Fehden verwickelt waren, zu widerstehen. Besonders hatten die
Fürsten In den deutschslavischen Ländern Ihrer Hülfe nur zu oft bedurft, um der
Herrschaft der Fremden, nahmentlich der Dänen, sich zu entziehen. Zwar liebten
die Grossen die Städte nicht, sie waren Ihnen nicht hold; aber sie konnten sie
auch nicht missen, und wenn Andere aus der Grossen Mitte die Macht ja den
Uebermuth dieser nicht Ebenbürtigen oft unsanft genug fühlten, so war es doch
bald unmöglich geworden, sie wieder in die frühere Unbedeutenheit hinabzustossen.
So breiteten sich denn die unter den nächstbenachbarten Städten zuerst
entstandenen Vereine in immer grösserm Umfange aus , bis gleichsam alle nieder-
deutschen Städte mittelbar oder unmittelbar darin begrififen waren.
Die Sache machte sich ohne Geräusch gleichsam von selbst, und so war es
am Besten, denn man musste doch manche Rücksichten wegen des Buchstabens der
Gesetze, wegen des Herkommens nehmen. Die Sache bestand schon längst, ohne
jedoch einen schriftlichen Verein desshalb aufweisen zu können; nur einzelne näher
benachbarte, besonders die westphälischen und wendischen Städte, hatten dergleichen
in engeren Kreisen, welches minder bed<fl|Llich war, aufzuzeigen. Selbst die cöl-
nische Conföderation, der grösste allgemeine Verein am Ende dieses Zeltraums, war
kein allgemeiner dauernder Verein aller dieser Städte. Da aber die Sache doch In
Wahrheit bestand, so suchte man auch nach einem Nahmen oder einer Bezeich-
nung derselben, und wählte einen unschuldigen und unverständlichen, der Vielen
früh wie spät unerklärlich blieb, und der fiir die mehr Unterrichteten nichts eben
Unerlaubtes anzeigte. Hansen oder Vereine von Kaufleuten hatten schon längst
VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 79
in Deutschland wie ausserhalb Deutschland bestanden; von einzelnen Hansen der
deutschen Kaufleute besonders in der Fremde ging man dann zu einer Hanse der
deutschen Kaufleute und von dieser Bezeichnung zur deutschen Hanse, welche
Kaufleute und Städte umfasstc, zuletzt zu dem Nahmen Hansestädte und grosse
deutsche Hanse über. Diese letzte Bezeichnung grosse deutsche Hanse kommt in-
dess in diesem Zeiträume bis gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts noch
nicht vor. Ja man hat selbst aus diesem ganzen Zeiträume kein Beyspiel der
Aufnahme irgend einer Stadt in den grossen Verein, obwohl Beyspiele des Aus-
stossens aus demselben und nachher der Wiederaufnahme von ein Paar sehr an-
gesehenen Städten, von Braunschweig und Bremen, uns überliefert worden sind.
Diess aber war nichts weiter, als was die grosse alte Handelsgesellschafl. der Deut-
schen auf Gothland ojich bereits gethan halte, sie schloss widerspenstige Genossen
von ihrer Gemeinschaft aus, was keiner Gesellschaft versagt seyn konnte. Man
muss daher die erste Bildung des nachmahls so mächtigen Vereins sich also
vorstellen.
Von den Gesellschaften der deutschen Kaufleute In der Fremde ist das Ganze
ausgegangen; an ihnen Theil zu nehmen, stand allen niederdeutschen Kauffahrern
frey. Als Herzog Heinrich von Sachsen in d. J. 1163 den Frieden zwischen
Gothländern und Deutschen herstellte, machte er keinen Unterschied; alle Nord-
deutsche oder Sachsen konnten sich des Friedens und der Vortheile eines freyen
Verkehrs auf der viel besuchten Insel erfreuen , und dasselbe war auf dem deut-
schen Hofe zu Nowgorod laut der ältesten Skra der Fall : wer zu deutschem Rechte
sich hält, ist beftigt an den erworbenen Freyheiten Theil zu nehmen. Wenn
aber die Stadt Cöln, die zuerst eine Handelsansicdlung in England sich erworben
zu haben scheint, nebst den Kaufleuten von Tiel und deren Genossen andere
Deutsche und nahmentlich die Lübecker von der Theilnahme an den daselbst er-
worbenen Freyheiten ausschliessen wollten, so untersagte diess Kaiser Friedrich H ;
Alle sollten an der Gemeinschaft Theil nehmen, obwohl Einzelne besonderer
Freyheiten sich erfreuen mochten und stets erfreut haben.
Ei'St nachher, als nächst diesen kaufmännischen Vereinen die Verbindung
unter den deutschen Städten sich mehr ausbildete und enger schloss, als die Herr-
schaft über jene Handelsniederlagen in der Fremde mehr an diese vereinten Städte
überging, ist man strenger wegen der Zulassung, zum Genuss jener Freyheiten
geworden, strenger in Bezug auf die Aufnahme in den städtischen Verein. Im
Verlauf der Zeit gelangten die angesehenem, mächtigem, besonders an der See
30 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN.
belegenen und einander nah benachbarten Städte, die durch Abgeordnete häufiger
auf Tagfahrten zusammen traten , zu einer Art Vorherrschaft , sie schlössen den
Kreis enger, %'vie sie denn auch zur Erhaltung und Erweiterung der Handelsfrey-
heiten grössere Opfer gebracht hatten. Nachdem sich Alles fester in Verlauf der
Zeit gestaltete , — doch liegt diess noch über diesen Zeitraum hinaus — da ent-
standen erst förmliche Aufnahmen in den Handels- und städtischen Verein, wäh-
rend früher Alle, besonders an den Handelsfreyheiten Theil nehmen konnten, auch
die Kaufleute der unbedeutendsten Städte und Ortschaften, welche auch späterhin,
als der Kreis schon enger geschlossen war, ihre Befugniss dazu durch das Her-
kommen und alte Gewohnheit bewiesen.
In dem städtischen Vereine gelangten aber die Seestädte aus bekannten Ur-
sachen bald zu einer gewissen Vorherrschaft, und unter ihnen besonders die
grössern am Ausfluss der Elbe und Weser belegenen, so wie die östlichen, vor-
nehmlich die grossen fünf wendischen Städte mit Zuziehung einiger andern in
diesem Kreise, während Cöln am einflussreichsten auf die mehr westlich belege-
nen Seestädte blieb.
Alle Urkunden bezeugen, dass unter den Seestädten die fünf wendischen
Städte durch ihre kühnen, rastlosen Unternehmungen, der That nach zur Vor-
herrschaft gelangten. Ihre Abgeordneten treten am häufigsten auf Tagfahrten zu-
sammen, sie schienen selbst den Neid anderer angesehenen, westlich belegenen
Städte zu wecken, wie denn Hamburg und Bremen, selbst in der letzten grossen
Fehde gegen den König Waldemar, nur dann bey traten, als man ihnen mit der
Ausschliessung drohte, und sie bemerkten, dass die Sache auch ohne ihren Bey-
tritt einen glücklichen Fortgang und Ende haben würde.
Nur immer sind weniger Städte Abgeordnete auf den Tagfahrten erschienen,
von welchen wir, was den letzten Jahrzehend dieses Zeitraums betrifft, die
vollständigen ProtocoUe besitzen. Haben doch selbst vier dieser wendischen Stä<lte,
Lübeck, Wismar, Rostock und Stralsund im J. 1362 durch ihre Abgeordnete in
Rostock im Nahmen der deutschen Hanza und besonders der Seestädte auf Mar-
tini mehrere Beschlüsse gefasst, ohne dass eines besondem bestimmten Auftrags aller
übrigen Städte Erwähnung geschähe l).
Die Vorherrschaft der wendischen Städtö ergab sich von selbst, sie ward
nur mit der Zeit weiter ausgebildet. Durch ihr gemeinschaftliches lübisches Recht
1^ 8. den Recess gegen Eiide des Uikuudenbuchs.
VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 81
waren sie enger als andere mit einander verbunden, an ihrer Spitze stand Lübeck,
durch der Stadt Reichsfreyheit vor andern Seestädten ausgezeichnet, durch ihrer
Bürger Muth, Handelsthätigkeit , Gewerbfleiss und Reich thum über alle erhaben,
und durch ihres Raths Klugheit und Entschlossenheit vor andern hervorragend.
Der Vorzug der wendischen Städte hatte sich von selbst im Verlauf der Zeit
geltend gemacht , man bemerkte nur eine Entwickelung ^dfts längst Vorhandenen,
es war eigentlich nichts Neues.
Bey der Wahrheit dieser Darstellung, welche Niemand in Zweifel ziehen
kann, ist doch die Beantwortung mehrerer Fragen, die dem Beobachter sich
aufdrängen, schwierig genug. Welche Städte bildeten etwa am Ende dieses Zeit-
raums den Verein, welche wurden denn den wirklichen Hansestädten beygezählt?
Diese Frage kann verschiedentlich beantwortet werden, nach dem Sinne, in
welchem man sie thut.
Ist der Siim der Frage, wer konnte an den allgemeinen, im Auslande theils
durch Herkommen theils durch Freybriefe erhaltenen Handelsvortheilen Theil
haben, so muss man die Ausdehnung des Vereins sehr gross annehmen, alle
niederdeutsche KanfTahrer schienen dazu berechtigt, wenigstens in dieser frühern
Zeit. Suchten Engländer, Fläminger und Walen, mittelbarer oder unmittel*-
barer Weise daran Theil zu nehmen, wie aus mehreren Beschränkungen erhellet,
welche diese Fremdlinge ausschlössen, so konnte von Beschränkungen der Nieder-
deutschen auf einiger Städte Kaufleute nicht wohl die Rede seyn ; erst gegen Ende
dieses Zeitabschnittes ward beliebt, dass nur ein ansässiger Bürger einer Hanse-
stadt Vorsteher und Theilhaber einer Niederlage in der Fremde seyn dürfe.
Nimmt man aber die Frage in dem Sinne, welche Städte waren um diese
Zeit im städtischen Verein, die wirklich durch Abgeordnete auf Tagfahrten
erschienen, so ist deren Zahl, zufolge der aus dem letzten Jahrzehend von 1359*70
vollständig erhaltenen ProtocoUe, sehr klein. Die Abgeordneten einiger Seestädte,
und zwar vor der cölnischen Conföderation, meist nur einiger der östlich belegenen,
wie man gemeinhin sagte, von der wendischen Seite, kommen fast allein vor.
Aber diese wenigen durch Abgeordnete erscheinenden Städte machten nicht allein
die Genossenschaft aus, vielmehr war sie weit ausgedehnter. Wahrscheinlich ist
auch das Recht, auf solchen Tagfahrten durch Abgeordnete z« erscheinen, zu Anfang
eben so für die niederdeutschen Städte unbeschränkt gewesen, als der Genuss der
in der Fremde erworbenen allgemeinen Handelsfreyheiten , obwohl Wenige davon
einen Gebrauch mögen gemacht haben, da die Absendung eigener Abgeordneten
L
Q2 ERSTE ABTR SECHSTER ABSCHN.
kostbar war, und die einen solchen Tag ausschreibenden See- oder wendischen
Städte vermöge ihrer besonderen Verhältnisse und Fehden weit häufiger durch
Abgeordnete zusammen zu treten sich veranlasst fanden. Betrafen aber die Be-
rathungen allgemeinere Gegenstände, die Freyheiten auf den Niederlagen in der
Fremde, woran zugleich Land - und kleine Städte Theil nahmen, so erscheinen auch
diese auf den Tagfahrten^ oder sie wurden wenigstens daselbst zu erscheinen auf-
gefordert, wie die bereits angeführten Fälle in früherer und in späterer Zelt
beweisen. Osnabrück und einige nahmentlich aufgeführte andere grössere west-
phälische Städte wurden von Lübeck mit Rath der benachbarten Städte aufgefordert,
nicht nur selbst zu erscheinen, sondern auch beauftragt, allen Städten und Flecken
der Gegend die Bedrückungen des gemeinen Kaufmanns in Flandern u. a. O. mit-
zuthellen, die an dem Handel in Flandern Theil nahmen, um über diese Bedräng-
nisse zu bejntthen; und zu gleichem Zwecke sind zu einer andern Zeit, nahmentlich
eilf minder bedeutende märkische Städte, eingeladen worden. Ob sie wirklich dieser
Einladung gefolgt sind, ist eine andere Frage; wahrscheinlich nicht, gewiss nicht
alle, schon der Kosten wegen und weil sie sehr wohl wissen mochten, dass ihre
Stimmen bey Versammlung der mächtigen See- und wendischen Städte nicht viel
gelten würden. Es ist Aehnliches hier geschehen, was in Bezug auf das Recht
der Absendung zum englischen Parlamente bey den englischen Städten und Flecken
stattfand. Viele derselben hatten vormahls das Recht, Abgeordnete abzuschicken,
die es, um die Kosten zu ersparen, eingehen liessen, und deren Nachkommen es
gern um den höchsten Preis wieder hätten erwerben mögen. Aber so schnöde
vorübergehen, wie es späterhin geschah, konnte man die kleinem Städte doch
noch nicht, nach den damahligen Begriffen, wenn Etwas beschlossen werden
sollte, was sie mit anging; man musste sie einladen, erschienen sie denn nicht,
so mussten sie sich die Beschlüsse der Andern eben gefallen lassen, wiewohl die
Angesehenem und Mächtigern, wenn sie nicht erschienen, sich so leicht nicht fugten.
Wegen dieser verschiedenen Verhältnisse, die man zu schonen hatte, kommen
denn immer mehrere Ausdrücke selbst in den Verträgen, die mit fremden Mächten
abgeschlossen wurden, vor, die daraijif hindeuten. So heisst es in den Waffenstillstän-
den und Friedensschlüssen mit Waldemar v- d. J. 1363 und 1364, er schliesse nicht
nur mit den nahmentKch aufgeführten Städten, die ^'gentlich die WaflFen gegen
ihn geführt hatten, ab, sondern auch mit allen Herrettr und Städten, die in der
deutschen Hanse sind, oder die in ihrem Rechte sind, welches die deutsche Hanse
genannt wird. So erthcilt König Albrecht von Schweden im J. 1368 liicht nur
VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 33
den pahmentlich aufgeführten sechs preussischen Städten, sondern auch allen denen,
welche unter dem Hochmeister von Preussen sesshafl sind, und nach Erwähnung
der vier grossen livländischen Städte allen denen, welche unter dem Meister von
Livland sitzen, ^le gewünschten Freyheiten. In den Friedensschlüssen aher vom
J. 1370 mit Hakon von Norwegen und Waldemar von Dänmark kommen noch
bestimmter ähnliche Ausdrücke, nicht nur in Bezug auf die preussischen und
livländischen Städte , sondern auch auf alle anderen vor , indem nähmlich die vor-
züglicheren und grösseren, die in einem Kreise belegen waren, nahmentlich auf-
geführt werden, dann aber hinzugesetzt wird : und alle andere , ihnen benachbarte,
die in ihrem Sprengel belegen sind. Auf solche Weise war der weiteste Spiel-
raum offen, keine Stadt konnte klagen, die nach altem Herkommen auf die
Theilnahme an der allgemeinen Freyheit Anspruch machte ; der Verein behielt sich
vor, gar vielje zuzulassen, an welche die Könige gar nicht gedacht hatten, darüber
ward denn von ihnen späterhin sehr geklagt, und eben der König Hakon von
Norwegen klagte gleich nach dem hergestellten Frieden im J. 1370 zu Bawahus auf
das Bitterste darüber, dass immer mehr Kaufleute und Städte Theil an den bewil-
ligten Freyheiten nähmen, als welchen er solche ertheilt habe. Warum aber hatte
er die allgemeinen Ausdrücke sich gefallen lassen 1)? Doch nicht nur in den Verträ-
gen mit fremden Mächten, sondern selbst in den Urkunden, die sich lediglich auf
die Ordnung der Handelsniederlagen beziehen, wie z. B. in der Eintheilung auf
der Niederlage in Flandern^ kommt, nach nahmentlicher Aufführung einer oder
der andern Stadt, stets der Ausdruck vor: und die dazu gehören. Mag man die
allgemeinen Bezeichnungen, deren man in den Verträgen mit Fremden sich bediente,
und die eine so grosse Ausdehnung erlaubten, einer diplomatischen Verschlagen-
heit beymessen, die den Städten gar nicht unbekannt war*: so kann man die
Beybehaltung derselben in den städtischen Beschlüssen nur aus andern Ursachen
erklären.
Wie vorherrschend auch die mächtigen See- und wendischen Städte waren,
ausschliessend durften sie doch nicht verfahren, und es gereicht ihnen zu nicht
geringem Ruhme, dass sie die minder bedeutenden Städte, und die weniger ver-
mögenden Kaufleute nicht ausschliessen wollten, wiewohl sie sich selbst noch
einige weiter greifende Freyheiten zu verschaffen wussten; erst später ist der Kreis,
nach den veränderten Verhältnissen in Europa und in Deutschland enger ge-
schlossen worden.
1) S. den letzteu Hecess vom J. 1370*
L 2
84 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN. -
In diesem weitem Sinne die Frage genommen, müssen in dieser frühem
Zeit alle niederdeutschen Städte mid Kaufleute, als zu dem Vereine gehörend, be-
trachtet werden. Alle diese Kaufleute und Bürger der Gemeinden mochten, wenn
sie Lust und Kraft dazu hatten, an den allgemeinen in der Fremde erworbenen
Freyheiten Thcll nehmen, mittelbarer oder unmittelbarer Weise. Kommt doch
selbst in spätem Zeiten vor, dass man ganzen deutschen, sächsischen und friesi-
schen Völkerschaften, wie den Dithmarschen , ohne eigentliche Hansestädte in
ihrer Mitte zu haben, dieses Recht nicht absprechen konnte, da sie unvordenkliche
Gewohnheit dafür anführten. Dagegen geschieht der Oberdeutschen, auch selbst
in diesem ersten Zeiträume, nie als Theilnehmer an diesem Verkehr Erwähnung,
späterbin wurden sie völlig den andern nicht deutschen Völkern gleichgestellt;
kein Niederdeutscher oder Hanse soll ihnen als Vermittler bey ihrem Verkehr,
nach heutigem Ausdruck als Commissionair oder Spediteur , so wenig als Englän-
dern , Flämingem , Lombarden oder Walen dienen : nie kommt der Nähme einer
oberdeutschen Stadt, der Kaufleute aus derselben auf den Niederlagen oder sonst vor.
In dieser weitem Ausdehnung war es der sächsische und friesische Stamm,
es waren die Niederdeutschen, welche den Verein bildeten, sowohl die Städte und
Flecken und deren Kauffahrer im eigentlichen Sachsen und Westphalen, 'in Thürin-
gen, im westlich belegenen Holland, Seeland und Friesland, und in dem östlich
von der Elbe sich ausdehnenden Wendenlande, femer in Preussen und Livland.
Ja alle deutsche Gemeinden, die von diesen ausgegangen waren, obwohl einer
fremden Oberherrschaft unterworfen, aber eine einiger Maasen freye deutsche
Gemeine bildenden Städte, wie die, welche schwedische Oberherrschaft aner-
kannten, als 'die Deutschen in Wisby und in andern schwedischen Städten,
Stockholm und Calmar, ja die in Polen und der Nachbarschaft belegenen, wie
denn die Deutschen in Cracau und Andere späterhin durch Abgeordnete auf den
hansischen Tagsatzungen erschienen sind, und dem Vereine auch schon damahls
verwandt waren i).
Will man indess nur diejenigen Städte als den Verein ausmachend betrachten,
w^elche auf die Tagfahrten dieser Zeit ihre Abgeordneten sandten, oder die, welche
in den Verträgen mit fremden Mächten oder auf den Niederlagen im Auslande
nahmentllch aufgeführt werden, oder an welche die Seestädte als an ihre näheren
1) lieber die schwedisch deutschen Gemeinen s. z. B. den Recest der Tagfahrt t« d. J« 1363 auf
Agatha zu Rostock«
VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 85
Verwandten schreiben , so ist deren Zahl freylich geringer, obwohl verbreitet über
alle die Kreise der angeführten Landschaften. Doch haben wir kein amtliches Vep-
zeichniss aus dieser Zeit, welches diese angeseheneren Städte aufzählte ; wir können
sie nur, nach dem einzelnen Vorkommen derselben in den Urkunden, ungefähr
angeben, obwohl diese Angabe gewiss unvollständig ist, da selbst viele kleine
Städte, wie wir bestimmt wissen, auf den Tagsatzungen zu erscheinen, damahls
eingeladen worden sind, welche späterhin nach vollkommener Ausbildung des
Vereins und in den amtlichen spätem Verzeichnissen nie vorkommen.
Legt man die im J. 1347 auf der Niederlage in Flandern schrifUich verfasste
und früher gewiss schon vorhandene Eintheilung der Kreise der vereinten Städte
zum Grunde, welche die allgemeinere gewesen zu seyn scheint, so lassen sich
nach dem Vorkommen in den Urkunden als nahmhafle Genossen der verschiedenen
Drittel etwa folgende angeben.
Als zu dem wendischen Drittel gehörend, kommen unbezweifell die Städte Lü-
beck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, dann Stettin , Neustargard, Colberg,
Anklam, Demmin Tor. Wahrscheinlich gehörten ausser den kleinern märkischen
Städten, deren bereits oben Erwähnung geschehen ist, Pritzwalk, Kyritze, Berlin und
Cöln an der Spree, Havelberg, Werben, Seehausen, Stendal, Gardelegen, Soltwedel,
noch die Städte Potzwalk, Brandenburg, Frankfurt a. d. O. , Ghobin, Tangermünde,
und zuletzt auch Breslau hierher, welche in dem Schreiben der Seestädte an die-
selben vom J. 1368 vorkommen, um sie zu bitten, während der dänischen Fehde
die Gesinnung der ihnen benachbarten Herren zu beobachten. Wahrscheinlich sind
auch die in Polen belegenen deutschen Gemeinden hierher gezählt worden, wenn
sie nicht etwa dem gothländischen und livländischen Drittel beygefugt worden
sind. Hamburg ist später unbezweifelt nebst Lüneburg den wendischen Städten
beygezählt worden, ob aber bereits in dieser Zeit, ist sehr ungewiss. Nie kommt
Hamburg in den Urkunden unter den nahmentlich aufgeführten wendischen Städten
vor, und wenn es im Allgemeinen geschieht, so wird die Stadt dem wendischen Drittel
in so fem beygezählt, als es hinwieder in die beiden Unterabtheilungen, das eigent-
lich wendische und das sächsische Drittel zerfiel. Lüneburg ist durch einen Notar
in der letzten Zeit auf einer Tagfahrt Einmahl erschienen. Diö Stadt hat im J.
1363 den vereinten Städten auf einer Tagfahrt zweyhundert Mark feines Silbers
gezahlt, ob als Beytrag zu der dänischen Fehde, das ist eben so ungewiss, als
dass sie damahls den wendischen Städten beygezählt worden, wie gewiss diess
auch in späterer Zeit der Fall war. Bremen ist zu keiner Zeit ru den wendischen
86
ERSTE ABTH- SECHSTER ABSCHN.
Städten gerechnet worden, noch in den spätesten Zeiten spottete die Stadt über
deren ^vormahlige Vorherrschaft. Hamburg auf der Elbe, Bremen auf der Weser
\ orherrschend , scheinen in der frühesten Zeit gleichsam eine fiii' sich bestehende
Abiheilung gebildet zu haben, wozu auch Stade, Buxtehude, weniger Kiel etwa
zu rechnen seyn mochten; Bremen ward wahrscheinlich den sächsischen Städten,
so auch vielleicht Hamburg in früher Zeit beygezählt. Zu den eigentlich sächsi-«
sehen nahmhaften Städten gehörten von den Landstädten, Goslar, Magdeburg,
Braunschwcig , alte angesehene freye Städte; dann Hannover, Göttingen, Ha-
meln, Halle, Hildesheim, ferner Erfurt, Nordhausen, Halberstadt, Eimbeck, denen
die Seestädte bey ihrer Fehde mit Dänmark als an ihre Freunde schrieben,
gleichwie sie den märkischen Städten geschrieben hatten«
Zu dem zweyten, dem westphälisch - preussischen I^rittel gehörten: die alte
Stadt Cöln an ihrer Spitze und mit grossem Einflüsse auf alle Uebrigen, dann
Soest, Dortmund und Münster, durch Alterthum und Macht früh ausgezeichnet;
ferner Osnabrück, Lippe, Minden, Paderborn, Lemgo, Hervorden, Höxter, ferner
alle niederländische Städte, welche deutsche Hoheit anerkannten, als Campen,
Slavem, Groningen, Harderwyk; dann viele Städte, welche seit der cölnischen
Conföderation auf Tagfahrten erschienen, oder in den Verträgen mit den scandi-«
navischen Mächten nahmentlich erwähnt werden, als Amsterdam, Briel, Ziriksee,
Enkhuisen, Dortrecht, Utrecht, Zwoll, Hasselt, Deventer, Zütphen, Elburg, Hin-
delop, Middelburg, Arnemuiden, Wieringen und gewiss noch andere. In Preussen
waren hierher zu rechnen Culm, Thorn, Danzig, Elbing, Königsberg, Brauns-
berg , nebst den kleinem umher belegenen»
Zu dem dritten Drittel gehörten an dessen Spitze mit dem grössten Einflüsse
die Deutschen auf Wisby oder Gothland , und von den livländischen Städten,
Riga, Reval, Dorpat und Pernau, nebst den dabey belegenen kleinem.
Es erhellet deutlich aus den früher angeführten Einladungen Lübecks an
Osnabrück und die andern we^tphälischen Städte, so wie an die märkischen durch
Rostock, dass viele andere kleinere das Recht hatten, auf den Tagfahrten zu er-
scheinen. Später ist die Trennung der vollkommenen , wirklich mit dem Recht auf
Tagfahrlen zu erscheinen versehenen Städte, bestimmter ausgesprochen worden und
deren Zahl hat sich nach Umständen vermehrt und vermindert. Viele kleine Städte
haben sich allmählich an die benachbarten grösseren angeschlossen, ihnen einen
Beytrag zum Besuchen der Tagfahrt gegeben, so wie zu andern Kosten und Aus-
lagen, und auch diess Yerhältniss war gewiss bereits Schon in dieser Zeit, wenn
VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. $7
aacfa, wie Alles, noch nicht völlig ausgebildet, vorhanden. Dagegen sind andere
aus mittelbaren zu unmittelbaren Hansestädten, wie man später sagen kann,
emporgestiegen.
Bey Gelegenheit der Fehde mit Dänmark heisst es auf der Tagfahrt zu Rostock
im J. 1365 auf Michaelis, dass man mit aller Strenge gegen mehrere kleine Städte
in Pommern und Meklenburg verfahren wolle, die das Verbot, mit den Dänen zu
handeln und auf Schonen zu fahren, nicht beobachtet hätten; sie sollen nicht
mit dem gemeinen Recht auf Schonen vertheidigt werden, sie sollen ausgeschlossen
seyn, sie seyen nicht Hansestädte: also sie waren doch, ohne eigentliche Hanse-
städte zu seyn, mit dem gemeinen Rechte zuvor vertheidigt worden. "Wir wissen
femer, dass die grossem und mächtigem Städte, die auf Schonen ihre Fischerlagcr
hatten, das Recht besassen, andere Deutsche auf denselben zuzulassen und mit
ihrem Piechte zu vertheidigen. Jene kleinen Städte waren aber in sofern nicht
Hansestädte, weil sie nicht die Befugniss hatten, die Tagfahrten zu besenden,
weder unmittelbar noch mittelbar, obschon sie am Verkehr Theil nahmen. Diese
nahmentlich aufgeführten kleinen nicht hansischen Städte waren Ribbenitze,
Wolgast, Cammin, Wollin, Greifenberg, Treptow, Rügenwalde, Stolpe, Greves-
mühlen, von welchen in spätem Zeiten gleichwohl einige, als Rügen walde und
Stolpe unter den wirklich stimmfähigen Hansestädten in den amtlichen Verzeichnissen
aus spätem Jahrhunderten vorkommen. So mannigfaltig ist der Wechsel in dem
Rang der Städte, wie ihr Aufblühen und Versinken es auch war!
Haupt des Ganzen war allmählich Lübeck durch die Gewalt der Umstände
geworden, ohne desshalb ein schriftliches Uebereinkommen aufweisen zu können.
Die der Stadt östlich zunächst benachbarten vier Städte Wismar, Rostock, Stralsund
und Greifswald und besonders die erstem drey bildeten mit Lübeck gleichsam
den engem Ausschuss , welchem erst nachher , wie es scheint , Hamburg und Lü-
neburg beygefiigt worden sind. Wie gross indess auch Lübecks Verdienste seyn
mochten, so verhinderte doch die Eifersucht anderer grossen Städte, wie etwa
Cölns, Hamburgs, Bremens imd Gothlands oder Wisbys, diess gerade zu an- und
auszusprechen. Aber in diesen wendischen Städten sind fast alle Tagfahrten dieser
Zeit gehalten worden, sie laden dazu ein, sie haben alle grossen Unternehmungen
eingeleitet, auch ganz vornehmlich den Verein zwischen ihnen und den östlichen
in Preussen und Livland, so wie mit den westlichen niederländischen Seestädten
in der dänischen Fehde betrieben. Cöln war eine ältere und früher freye Stadt
als Lübeck, sie bestritt selbst noch im sechszehnten Jahrhunderte die Directorial-
88 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN.
Gewalt Lübecks, wie man später sagte, obwohl ohne "Wirkung, da die Sache
der That nach schon ein Paar Jahrhunderte bestanden hatte und fortdauernd
bestand, ohne darüber, wenigstens aus unserm Zeiträume, ein schriftliches üeber-
einkommen aufweisen zu können. Die übrigen grossen nicht wendischen Städte
mussten immer geschont werden, je unyoUkommner der Bund war. Auch das
Berufungsrecht zu einer Tagsatzung war fiir Lübeck noch nicht förmlich anerkannt,
die Stadt bediente sich aber desselben, wie sie sagt, bald in Auftrag der See-*
Städte oder nach Berathung mit den ihr nahe belegenen. Oft musste mit den
andern Dritteln oder Sechsteln besonders verhandelt werden, um sie zu dieser
oder jener gemeinschaftlichen Unternehmung zu bringen. Durch Beharrlichkeit
und durch ihr keckes Vortreten, selbst beym Widerspruche Anderer, setzte die
Stadt Lübeck die Sache meist durch, die sie rasch mit den benachbarten Schwe*
Stern begonnen hatte.
Allerdings war die höchste Bundesgewalt, wenn man unserer Ausdrücke sich
bedienen darf, in den Beschlüssen, die auf den Tagfahrten gefasst wurden, zu
suchen. Allein wie viele Tagfahrten auch, besonders in den letzten zehn bis
zwölf Jahren dieses Zeitraums, gehalten wurden, so sind auf allen nur die Al>-
geordneten sehr weniger Städte erschienen, meist von den östlichen, und seit der
cölnischen Conföderation auch einige von den westlichen Seestädten und zwar
meist nur ip. Bezug auf die Fehde gegen Dänmark und Norwegen. Andere allge-
mein hier gefasste Beschlüsse kommen sehr selten vor, und bey den wenigen
widerstrebten immer Einige, so dass man kaum sagen konnte in wiefern das Eine
oder das Andere, was beliebt schien, wirklich zur Ausftihrung kommen werden
widerstrebten doch selbst in Bezug auf die Fehde mit Dänmark mehrere der
angesehenem Städte, wie wir gesehen haben, die zum Beytritte zuletzt gleich-
sam gezwungen wurden.
Man hatte aber verschiedene Mittel, sich den Tagfahrten wie den daselbst
gefassten Beschlüssen zu entziehen, wenn der eigene Yortheil dazu antrieb. Die
Einladung zu einem Hansetage befolgte man nicht, und wiewohl es schon sehr früh
ausgemacht schien, dass die Abwesenden die Beschlüsse der Anwesenden sich zur
Nachfolge müssten gefallen lassen , so sind doch nur gar zu viele Beyspiele vorhan-
den, dass diess nicht der Fall war, und wie wollte man helfen, wenn ganze
Drittel oder die angesehensten Städte widerstrebten? Ein Vorwand, wenn man
nicht erscheinen wollte, war leicht geftmden in der Unsicherheit der Strassen, in
den Fehden mit dem benachbarten Adel; statt Rathmänner abzusenden, die
VERFASSITNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 89
eigentlich nur stimmen durften, sandte man dann etwa einen Notar, einen Schreiber
des Raths, um doch unterrichtet zu seyn, wie die Sachen getrieben würden* So
konnte man immer sagen, man sey nicht befragt worden, man habe nicht dazu
gestimmt, wenn man den Beschlüssen nicht Folge leistete.
Ein anderes Mittel, wenn eine Stadt wirklich durch ihre Raths*- Mitglieder
erschien, dem Beschlüsse der Mehrheit aber sich nicht liigen wollte, war, die
Sache ad referendum zu nehmen, die Abgeordneten des Raths zogen sie dann an
ihren vollen Rath daheim zurück. Dieses gewöhnliche Mittel, das in Deutschland
so beliebt geworden ist, und oft zu allgemeinem Verderben gereicht hat, ward nur
zu häufig gebraucht, so dass man sich in Wahrheit wundem muss, wenn man
die ProtocoUe der Tagsatzungen lieset, dass doch noch so Manches, eigentlich aber
nur durch das Vor- und Zugreifen einiger der mächtigem Städte, gelungen ist.
Zwar hat Lübeck schon früh in den Einladungsschreiben die Drohung einge^
rückt, dass die nicht Erscheinenden den Beschluss der Erschienenen sich müssten
gefallen lassen, dasselbe ward bestimmt auf den Tagsatzungen in der letzten
Fehde in die ProtocoUe gerückt; allein gegen die kleinem Städte war diess eher,
als gegeb die grossem und mächtigem wirklich zu behaupten, wie denn eben
diese ProtocoUe nur zu sehr diess Gebrechen bezeugen. WoUte man doch in
einer viel spätem Zeit, als Alles vollkommener ausgebildet war, die Stimmenmehr-
heit nur in Bezug auf die Niederlagen im Auslande gelten lassen, nicht in Bezug
auf die übrigen Verhältnisse.
Gewöhnlich ward auf einer solchen Zusammenkunft der Tag festgesetzt, wann
man wieder zusammen kommen wollte, welches aber freylich von dem guten
Willen der Einzelnen abhing. Gewöhnlich wurden von den gegenwärtigen
Abgeordneten Andere, besonders Lübeck^ aufgefordert, die Einladungen zu er-
lassen, die Berathimgsgegenstände mitzutheilen ; sie wurden zugleich beauftragt die
Briefe Nahmens der Hanse, der Seestädte oder der wendischen Städte an die Ge-
nossen oder an Fremde aufzusetzen und zu erlassen.
Was die Zwecke des Vereins betrifft, so sind auch diese nirgends deutlich
in dieser Zeit ausgesprochen oder schriftlich aufgezeichnet worden, sie können nur
aus den Thaten und Beschl üssqp aufgestellt werden. Gewiss war zunächst , was
jiuch den lockern Verein zusammenhielt, die Erhaltung und Erweiterung der in
der Fremde erworbenen Freyheiten auf den begünstigten Niederlagen daselbst
hierher zu rechnen. An der in Flandern nahmen Alle den lebhaftesten Antheil
aus allen den verschiedenen Kreisen, Land- wie Seestädte, so auch an der in
M
90 . ERSTß ABTH. SECHSTER ABSCHN.
England. An den erworbenen Freyheiten in Norwegen, auf den schonischen
Märkten, und in Russland haben die westlich liegenden Städte früher mehr als
später, wie es scheint, selbst mehrere auch kleine Landstädte Theil genommen;
fiir die westlich liegenden Seestädte waren sie theilweise von grosser Bedeutung,
obwohl allmählich die wendischen Städte daselbst und in Schweden durch die
Lage begünstigt, ein immer grösseres Uebergewicht in Schonen, Schweden und
Russland erlangen mochten, Aehnliches trat seit dem Gedeihen der livländischen
Städte in Bezug auf den Handel mit Russland und durch Ihr Besuchen des
Markts in Flandern ein, der eigene Handel der westlichen Städte nach der entfernten
russischen Niederlage mag zuletzt mehr abgenommen haben. Aber Aller Vor-
theil heischte es doch, diese Freyheiten sich zu erhalten, um sie mittelbarer oder
unmittelbarer Weise zu benutzen, obwohl einzelne Abtheilungen oder einzelne
Städte davon grössere Vortheile als andre hatten, auch im Besitz besonderer
Freyheiten waren.
Ein zweyter Zweck des Vereins war offenbar die Erhaltung der freyen
Fahrt zu Land wie zur See. In Bezug auf die erste ist kein Beyspiel aus diesem
Zeiträume bekannt, dass der allgemeinere Verein, wie gewiss es auch aller Ein-
zelnen höchster Wunsch war, zu der Erhaltung des Landfriedens unmittelbar in
grossem Kreisen gewirkt hätte; den einzelnen Vereinen in den besondem Sprengein
blieb die Sache überlassen, und durch die bekannten Mittel gelairg es, die Störung
des Friedens mehr zu bekämpfen, theils durch Vermittelung, — aucli in der . cölni-
schen Conföderation kommt diess deutlich \or — , theils durch wechselseitige Stellung
von Mannschaft von Seiten der Nachbarn, tliells dadurch, dass keine Stadt den Feind
einer andern auf Irgend eine Weise unterstützen durfte, was von selbst auch in
der Regel nie geschah. Thätige Waffenhülfe aber in grosser Entfernung zu Lande
der bedrängten Schwester zuzusenden, schien nicht wohl thunllch, dagegen zur
See die Sache sich anders verhielt, indem man sich leichter einander beyspringen,
Schiffe zusammenstossen lassen, Fehden zur See, sowohl um den Frieden auf
derselben zu erhalten, als auch um die erworbenen Freyheiten in der Fremde zu
behaupten, fuhren konnte: diess fand selbst in grösserem Umfange vor der cölni-
schen Conföderation Statt, indem mehrere westli||ie Seestädte wie Campen, Gro-
ningen und Stavern mit den östlichen zu solchem Zwecke vereint schon in früher
Zeit die Bekämpfung der gemeinschaftlichen Feinde wagten. lieber Seeräuber wird
oft und viel geklagt und Friedensschiffe wurden gegen sie in die See gesandt.
Allein diese waren selten eigentliche Seeräuber; den Nahmen theilten sich beide
VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 137o. 91
kämpfende Theile wechselseitig zu, da Repressalien gewöhnlich waren, und bey
eingetretenen Bedrückungen mit gleichen geantwortet wurde. Auf diese Art von
wechselseitiger Seeräuberey blieben alle Feindseligkeiten zwischen den deutschen
Städten, den Engländern und Schotten beschränkt, so auch in Bezug auf die Nieder-
lande, und, wiewohl noch in beschränkterem Maase, auf Russland: aber um ihr Recht
und ihre Freyheiten in den scandinavischen Reichen zu behaupten, dazu führte
man wirklich Krieg. Es blieb diess indess zuerst ganz vorzüglich die Sache der
östlichen Seestädte, auch sind sie in diesem Kampfe nicht ermüdet, bis sie die Ober-
herrschaft durch die Verbindung mit den westlichen völlig zu Stande gebracht hatten.
Ein dritter Zweck war offenbar, zu bewirken, dass Zwiste, die zwischen
den einzelnen Städten und den Grossen im In- und Auslande entstanden, durch
ihre Vermittelung beygelegt werden sollten, so wie die Vereinten, wenn Fremde
über Missethaten ihrer Bürger klagten, die Behauptung aufstellten, dass die Stadt-
obrigkeiten über diese Vergehen zu urtheilen hätten. Noch bestimmter ward be-
hauptet, dass alle Streitigkeiten unter den einzelnen Städten selbst entstanden, oder
unter den einzelnen Städten und dem Vereine auch von den Vereinten selbst ge-
schlichtet würden, entweder durch Vermittelung oder durch schiedsrichterlichen
Spruch; am wenigsten wollte man die Einmischung fremder fürstlichen Gerichte
in diesem letzten Falle zugeben. Alle besonderen Vereine einzelner Kreise deuten
darauf hin, und auch fiir den allgemeinen Verein ist es keinem Zweifel unterwor-
fen, dass dieselbe Regel galt: die allgemeine Verbindung oder die der mächtigsten
Seestädte entschied oder ernannte Schiedsrichter zu diesem Zweck. In dem lange
dauernden Streite im dritten Jahrzehend des vierzehnten Jahrhunderts, in welchem
die Stadt Stavern mit den beiden Städten Lübeck und Hamburg verwickelt war,
fand eine Ausnahme Statt; zwar die bereits eingeleitete Entscheidung durch
fürstliche Gerichte ward abgewandt, aber es wurden sechs Städte, darunter drey
flandrische, die nicht im niederdeutschen Vereine waren, und dann die näher
verwandten Dortrecht, Middelburg und Ziriksee ernannt, die auch den Streit
entschieden haben; wahrscheinlich war aber die Wahl dieser fremden Städte von
dem einen Theile getroffen, weil Stavern ihre Angelegenheit den östlichen Städten
aliein nicht anvertrauen wollte, indem sie dieselben für zu parteyisch für Harti—
bürg und Lübeck hielt.
Der vierte Zweck war die Aufrechthaltung der Ruhe im Innern der Städte
selbst, nahmentlich die Verhütung jeder eigenmächtigen Veränderung des städti-
schen Regimentes, besonders durch den Aufstand der Bürgerschaft gegen den
M 2
92 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN.
Rath , wie wir denn schon sehr früh ein glänzendes Beyspiel davon an der Stadt
Braunschweig haben.
Die Mittel aber, um diese Zwecke zu erreichen, sind zum Theil erwähnt
und waren sehr einfach. Ausser der Vermittelung durch Verwandte und ausser
dem Kriege selbst zu Erreichung der beiden ersten Zwecke, diente ihnen die
Verbindung mit andern Fürsten und Herren. Die Städte haben in der Anzahl
dieser von Anfang an grosse Klugheit bewiesen : endlich aber kauften sie auch ge-
radezu diese oder jene Freyheiten von den Königen und Fürsten. So heisst es
ganz deutlich in den Vorberathungen der fünf wendischen Städte^ im J. I360j dass
sie dem Könige Waldemar von Dänmark tausend Mark lübisch lur die Bewilligung
der von ihnen begehrten Freyheiten geben, wenn er aber mit dem Preise nicht
zufrieden sey, noch zweyhundert zulegen wollten i). XJeberall entstand das grosse
Uebergewicht der Städte aus ihrem Geldreichthume, wegen der grossen und drin-
genden Bedürfnisse bey den Fürsten und Herren. Gab man nicht Geld geradezu,
um sich die gesuchten Freyheiten zu erkaufen, so bewilligten die Städte den Herren,
ihren Freunden, Darlehen, welche die Stadt oder einzelne Bürger aus ihrer Mitte
ihnen vorschössen, und die Noth war so gross, der Glaube so gering, das Zinsen-
oder Darlehengeschäfl; so wenig verbreitet, dass man nur auf einige wem'ge Jahre
diese Vorschüsse bewilligte, unter den härtesten und für die Könige und Fürsten
höchst erniedrigenden Bedingungen, wie die des Einlägers, wenn sie die Wieder-
zahlungsfrist nicht einhalten würden; zugleich erklärten alsdann die Schuldner sich
bereit, die gewünschten Freyheiten zu bewilligen. Es ist wirklich kaum begreiflich,
wenn man die vielen dargeliehenen Summen bedenkt, welche Eine Stadt, z. B.
Lübeck, in deren Archiv eine grosse Menge der Empfangsscheine aufbewahrt sind,
vorgeschossen hat, wie sie solche zu diesen und ähnlichen Zwecken vorschiessen
konnte, so dass es nie daran mangelte. Diese Macht des Geldes, welches sie besassen,
war auch das Haupthülfsmittel Im Falle eines Kriegs selbst gegen die Könige^ so
wie gegen Fürsten, Herren und Ritter. Was ihre eigenen schwer und leicht be-
waffneten Bürger, was ihre eigene Schiffsmannschaft und ihre Schiffe leisteten, wie
hoch man es auch anschlagen mag, war nicht ausreichend; die in ihren Sold
genommenen Ritter und Hauptleute, oder die Subsidien, um einen neuen Ausdruck
zu brauchen? welche sie andern Fürsten und selbst Königen gaben, haben ihnen
das Uebergewicht im Kampfe gegen Andere vornehmlich verliehen : und daran fehlte
1) ürk. CGI.
VERFASSUNG , BENENN- D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 93
es nlemalils. Die Mittel sind von den einzelnen Städten, von den einzelnen
Kreisen aller Orten eben so w^ohl, als im Allgemeinen und Nahmens des ganzen
Vereins, dieses jedoch nur in den letzten Jahrzehnden dieses Zeitraums, angewen-
det worden.
Zu den Rüstungen in den Fehden gegen Waldemar von Dänmark ist zu
solchen Kriegszwecken zuerst ein allgemeines Pfundgeld beliebt worden, es war
diess die erste grosse, von allen vereinten Seestädten gemeinschaftlich geführte
Fehde ; indess ist ein solches Pfundgeld auch zu denselben und ähnlichen Zwecken,
zur Erhaltung der gemeinschaftlichen Handelsniederlagen früher und später, aber
in beschränkterem Kreise erhoben worden, nahmentlich auch um die Kosten der
Gesandtschaften nach diesen Niederlagen, oder andere daselbst entstandene Aus-
gaben damit zu bestreiten, denn hier bestand ein gemeinsames Interesse, auch
bevor der städtische Verein enger geschlossen war.
VVie zweckmässig nun auch ein solches, bey der Ausfuhr zu entrichtendes
Pfuhdgeld seyn mochte, wenn man auf die gegebenen Verhältnisse Rucksicht nahm,
so waren doch damit grosse Gebrechen verbunden, wie die ProtocoUe der in der
Zeit dieser letzten grossen Fehde gehaltenen Tagsatzungen zeigen. Schon die Ein-
willigung zu einem solchen war schwer zu erhalten. In der ersten Fehde gegen
Waldemar scheinen nur die wendischen Städte mit den nächst benachbarten west-
lichen und östlichen, femer die preussischen ein solches bewilligt zu haben; in der
zweyten Fehde jedoch haben alle Seestädte von der russischen bis zur flandri-
schen Grenze hin sich einem solchen unterworfen. IS[achmahls aber entstanden
über die Berechnung, so wie über die Verwendung die grössten Streitigkeiten,
die nie endigten. Jede Stadt erhob die Abgabe bey sich auf gemeinschaftliche
Rechnung, zugleich sollte Jede ihre Ausrüstungskosten von der durch sie erhobenen
Summe abziehen,- in welcher Hinsicht jeder zu stellende Mann zu einem ge-
wissen Preise angeschlagen war; der Uebcrschuss aber, den sie erhoben hatte,
sollte dann an Andere überwiesen werden, die zu wenig erhoben hätten, um ihre
Auslagen damit zu decken. Endlich aber sollten auch aus dem Ertrage dieses
Pfundgeldes andere Ausgaben , als die Kosten der Gesandtschaften , die Ersetzung
des von Einzelnen ausserordentlich und unverschuldet erlittenen Schadens in
der Fehde daraus bestritten werden, so wie die Unterhaltung, die Versorgung und
Vertheidigung der in der Zeit erworbenen oder den Städten verpfändeten Schlösser
u. f. An diesen Ausgleichungen und Ueberweisungen , Rechnungen und Gegen-
rechnungen scheiterte nur zu oft die Eintracht unter den Städten und konnte man
94 ERSTE ABTH. SECHSTER ABSCHN.
kaum über den endlicliea Abschluss sich vereinigen. Auch war die eine Stadt
strenger als die andere bey der Erhebung, aus eignem besondem Vortheil dazu
angetrieben; einzelne Bürger oder Kauffahrer suchten dagegen die Abgabe zu um-
gehen , und bey aller Aufsicht fand auch diess Statt , wie man es denn verstand,
das Gewissen wegen falscher Angaben und Eide zu* beschwichtigen. Gebrechen
der Art, die immer wiederkehrten, waren mit andern verbunden, die durch eine
festere, einheits vollere Gewalt und Verwaltung allein hätten gehoben werden
können: daran aber fehlte es eben, und die hervorragenden bedeutendem Städte
und nahmentlich Lübeck mit ihren nächsten östlichen Nachbarn mussten denn
meist aushelfen.
Ausser den Fehden, von welchem Mittel, um ihre Zwecke zu erreichen, doch
nur ein beschränkter Gebrauch, etwa gegen die scandinavischen Mächte, gemacht
werden konnte, kannten die Städte noch ein anderes von grösserer Ausdehnung
und Wirksamkeit, welches von den verbundenen Kaufleuten und Städten, sowohl
gegen Fremde, als gegen die Genossen des Vereins selbst angewandt wurde,
welches das Ziel damahls nie verfehlte; diess w^ar die Ausschliessung von der Han-
delsgemeinschall mit ihnen, die Verlegung ihrer Niederlagen in der Fremde an
einen andern Ort, in ein anderes Land, das Versagen der Zulassung in die
städtischen Häfen, und das Verbot die fremden Länder zu besuchen, über welche
sie zu klagen hatten.
Gegen mehrere Fremde war diess das einzige Mittel, welches angewandt
werden konnte; denn die Gewalt der Waffen, die offene Fehde, war nur gegen
die scandinavischen Mächte anzuwenden, wo die Nachbarschaft, die Verbindung
der Städte mit andern deutschen Fürsten, die Verbindung mit der einen der
scandinavischen Mächte gegen die andere ,^ mit den missvergnüglen Grossen im
Innern der zu bekämpfenden Reiche und die versagte Zufuhr von Lebensmit-
teln ihnen ein so grosses Uebergewicht gaben, und den angefangenen Fehden ein
glückliches Ende verheissen konnten. Allein gegen die übrigen Mächte, über
welche sie zu klagen hatten, waren eigene Fehden nicht zu fuhren, ihre Entfer-
nung war zu gross, ihre Macht zu bedeutend oder schon zu sehr ausgebildet
Alles blieb hier auf Repressalien, auf einzelnes Zugreifen beschränkt, etwa auf
Kaperei. Diese Hülfe der Kaperschiffe war ihnen wohl bekannt, indem sie auch
in ihren Fehden gegen die scandinavischen Mächte davon Gebrauch machten.
Einzelnen ward es erlaubt auf eigene Gefahr gegen den Feind auszusegeln, jedoch
unter zu leistender Bürgschaft in der Stadt, von wo sie ausfuhren, den Freunden
VERFASSUNG , BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZEITR. J. 1370. 95
Nichts zu leide zu thun. Aber mit Hülfe dieser Kaper stand allein nie eine gün-
stige Entscheidung herbey zu fuhren. Das einzige wirksame Mittel blieb, wegen
der Verhältnisse zu Russland, Flandern und England nur das Verlassen dieser
Länder oder Orte, wo sie bisher ihre Niederlagen gehalten, gewisser Freyheiten
sich erfreut hatten, die Untersagung des Verkehrs mit Denen, über welche sie
klagten. Dieses Mittel haben sie sehr häufig in diesem Zeiträume angewandt und
immer mit Glück. Selten vergingen einige Jahre oder Jahrzchnde, dass sie nicht
über Beeinträchtigung ihrer Freyheiten in den fremden Ländern geklagt hätten,
und zu dem Aeüssersten gedrungen worden wären; in wie fem sie selbst daran
Schuld waren, oder aber die Ausländer, mag oft schwer zu entscheiden seyn.
Die Fremden sahen sie und ihr Gedeihen nicht alle gleich gern, besonders nicht
die Kaufleute und Städte in den fremden Ländern, aber sie die Deutschen mögen
sich auch eben so oft ein Zugreifen, ein Ueberschreiten und eigenmächtiges Er-
weitern ihres erworbenen Herkommens erlaubt haben, wie wir es bestimmt von
mehreren Niederlagen wissen.
Am häufigsten kommen diese Streitigkeiten in Bezug auf Flandern und nah-
mentlich in Bezug. auf die Stadt Brügge,- so wie in Hinsicht auf Russland vor;
weniger, doch fehlt es auch nicht an Beyspielen, in ihrem Verkehre mit England,
dagegen hören die Klagen über die Schotten fast nie auf, welche die Deutschen
als die kühnsten Seeräuber da^tellten.
Hatten sie über Brügge zu klagen , und half man ihren Klagen nicht ab , so
verliessen sie mit ihrer Niederlage den Ort, und die Grafen von Flandern be-
willigten ihnen liann in andern Theilen ihrer Grafschaft gemeinhin dieselben
Freyheiten wieder; hatten sie aber über beide zu klagen, so verlegten sie ihre
Niederlage oder ihren Stapel in andere Theile des Niederlandes, nach Holland
etwa oder Brabant, und der Verlust, der aus ihrer Abwesenheit für Flandern er-
wuchs, der gestörte Absatz ihrer Tücher, der durch die Untersagung von allem Ver-
kehr mit den Flämingem entstand, nöthigte sie bald nachzugeben, und die Deut-
schen kehrten auch gern wieder zurück, wenn man nur ihren Beschwerden abhalf;
denn nirgends im Westen fanden sie einen ähnlichen Markt wie hier. Auf dieselbe
Weise verfuhren sie in Bezug auf Russland. Selten dass einige Jahrzehnde hin-
durch dieser Verkehr ungestört blieb, die Deutschen verliessen alsdann Nowgo-
rod , und die Entbehrung , die beide Theile gleich schmerzlich empfanden,
führte bald wieder zu einer Ausgleichung hin, die eben so schnell wieder ge-
brochen ward.
% ERSTE ABTH, SECHSTER ABSCHN.
Das Mittel war untrüglich so lange die deutschen Kaufleute solche ausgedehnte
Märkte beherrschten, und den übrigen Völkern einen Absatz ihrer Güter ver-
schafften, den sie auf keine "Weise sonst in dieser Maase erbalten konnten. Noch
wirksamer aber war es in Bezug auf die Genossen des Vereins selbst, w* eiche
sich entweder den gemeinen Beschlüssen nicht unterwerfen wollten, oder die in ihrem
Inneren Unruhen sich hingaben, gegen ihren Rath aufstanden. Gegen einzelne
Ungehorsame, auch gegen Städte wurden Geldstrafen verhängt, als das gelindere
Zwangsmittel, fruchteten diese aber Nichts, oder war die Sache so bedeutend,
dass sie mit Geld nicht zu büssen stand, so war der Ausschluss aus der Ge-
meinschaft das Letzte, was man ergreifen konnte. Das Beyspiel einiger der
angesehensten Städte, Braunschweigs und Bremens, beweiset, wie gründlich
diess Mittel half. Nicht nur wurden solche ausgestossene Städte des Genusses
aller Freyheiten, die im Auslande erworben worden waren, beraubt; sondern
deren Kaufleute wurden auch in keiner Stadt des Vereins zugelassen , als Geächtete
durfte Niemand mit ihnen verkehren: diese Entbehrungen mussten die Wider-
spenstigen zur Unterwerfung bringen, lange konnte keine Stadt diese ertragen,
auch der Einzelne nicht wohl, der dem ^Beschlüsse nicht Folge geleistet hatte.
Auf diese Weise hat der Verein bey der unvollkommensten Verfassung immer
mehr an Ansehen und Macht gewonnen; es haben Herkommen, Gewohnheit, ge-
meinschaftlicher Vortheil und gemeinschafUiche GeMir den Mangel an einer bessern
Form, an geschriebenen Rechten und Verfassungen glücklich ersetzt. Denn im
Verlauf von anderthalb Jahrhunderten war der Wohlstand der deutschen Kauf-
leute und Städte bedeutend gestiegen und ihr Verein, Nahmen und Sache
besonders im Norden anerkannt, geachtet oder gefürchtet
Andere allgemeine, auf die Rechte der einzelnen Genossen und deren Verhältnis?
zu dem Vereine sich beziehende Vorschriften, in so fern sie nicht den Handel
und die SchijEffahrt betrafen, deren später Erwähnung geschehen wird, sind wenige
aus dieser Zeit vorhanden, ja zu jeder Zeit sind sie selten geblieben. Die ver-
schiedenen Verhältnisse der einzelnen Städte zu ihren Herren, ihre grössere oder
geringere Freyheit, die verschiedenen Rechte, auf welche sie gegründet, mit denen
sie bewidmet worden waren, machten solche allgemeine Vorschriften fast un-
thunlich, selbst unter solchen Städten, die sich durch gleiches Recht mehr
verwandt waren , wie z. B. die , welche lübisches Recht hatten.
Zwar kommen einige wenige Beschlüsse der Art vor, Beliebungen einzelner
oder mehrerer Städte, Satzungen, die auf Tagfahrten als allgemein verbindend
VERFASSUNG, BENENN. D. VEREINS GEGEN ENDE D. ZETTR. X 1370. 97
beliebt wurden; aber es waren auf diesen Tagsatzungen meist nur Abgeordnete
von sehr wenigen Städten anwesend, und Selbst bey diesen, ja bey den näher
Verwandten, wenn dergleichen zur Sprache kam, fand man unerwarteten Wider-^
stand, oder aber die Abgeordneten nahmen die Sache ad referendum.
Am meisten scheinen noch etwa folgende Beschlüsse am allgemeinsten
verbreitet, angenommen und befolgt worden zu seyn, worauf auch auf den Tag-
satzungen angetragen worden ^t, und die von den Anwesenden mehr oder weniger
angenommen wurden , die auch den einzelnen Verbindtingen einiger Städte unter
einander zum Grunde lagen. Dass nähmlich ein Verstossener aus der einen
Stadt in einer andern keinen Schutz finden, dass man Keinem, der, um seinen
Gläubigem sich zu entziehen, in eine andere Stadt flüchte, daselbst Schutz gewäh-
ren, dass, wer einer Stadt Bürgerschaft aufgegeben habe, um sich den gemeinen
Vorschriften besonders des Handels wegen zu entziehen, nirgends in den vereinten
Städten wieder als Bürger aufgenommen werden solle; dass man in Gefangen*
Schaft Gerathene nicht sogleich wieder auslösen, oder einem Andern abkaufen
wolle, dass man keinem Feinde einer Stadt ein Anlehn in einer andern zu machen
verstatten, ihm Hülfe an Lebensmitteln oder Geld gewähren, dass man keinem
zur See oder zu Land geraubten Gute oder Dem, der es gekauft habe, irgend Schutz
ertheilen wolle, dass die geistlichen Gerichte in den Städten, nahmentlich in Bezug
auf die Kreuz - Signaten , zu beschränken wären.
Diese und einige ander« ähnliche Vorschriften sind etwa Alles, was man der
Art hierher zählen kann, die Gründe sind bekannt, warum nicht Mehreres ge>-
schehen konnte und warum selbst Mehrere diesem ihre Zustimmung versagten.
In Bezug auf den Handel, und nahmentlich in der Fremde, hat jedoch Mehreres
schon stattfinden können; diesem wollen wir uns nun zuwenden.
N
98 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
ZWEYTE ABTHEILUNG.
Geschichte des Handels der niederdeutschen Kaufleute und Städte seit dem
zwölften Jahrhunderte bis zum Jahre 1370«
ERSTER ABSCHNITT.
Einleitung in die Geschichte des Handels der Niederdeutschen während dieser Zeit;
Verkehr mit Livland«
J^ange bevor man an einen Städte - Verein im niedern Deutschland dachte, ja
bevor Städte mit grossen Freyheiten begabt in diesen Gegenden vorkamen, war,
je nachdem es die Kräfte zuliessen, ein gewisser Verkehr im Innern und selbst
mit einigen Theilen des Auslandes vorhanden. Mehrere dieser altem Städte waren
von den Königen oder den Landesherren mit Markt- und andern Zoll -Freyheiten
und Begünstigungen begnadigt worden, auch hatten einige selbst im Auslande durch
Herkommen, auch wohl durch besondere Gnadenbriefe von den fremden Herren
im Auslande sich einigen Schutz, einige Begünstigung für ihren Handel zu ver-
schaffen gewusst. Es hatten die deutschen Könige, als noch etwas mehr Einheit
in Deutschland war, in ihren Verträgen mit fremden Mächten, obwohl selten,
des dem deutschen Handel zu verstattenden Schutzes gedacht. Allein die deut-
schen Könige, wiewohl als römische Kaiser dem Nahmen nach die weltlichen
Oberhäupter der Christenheit, sahen sich durch die innem Unruhen des Reichs
bald ausser Stand dem deutschen Kaufmanne im Innem wie im Auslande den er-
forderlichen Schutz zu gewähren. So wurden die Kaufleute genöthigt, so wie die
Städte, aus welchen sie kamen, sich selbst zu helfen, und diese Hülfe konnten sie
nur in den Vereinen finden, die sie unter sich selbst eingingen, diese aber konnten,
wenn sie sonst nicht in ihrer Thätigkeit beschränkt wurden, um so freyer ver-
fahren, da die höchste Reichsgewalt ihnen wenige wirkliche Schranken in Bezug
auf den Handel setzte. Innerhalb wie ausserhalb Deutschlands ging die Politik
der Höchsten oder der Landesherren in Bezug auf den Handel nur auf ZollgeföUe,
Abgaben, Anleihen und Geldunterstützungen, deren sie stets bedurften und die allein
von den Kaufleuten und Städten zu erhalten standen: alle übrigen Handelseinrich-
ERSTER ABSCHN, EINLEITUNG. VERKEHR MIT UVLAND. 99
langen schienen sie wenig zu kümmern. So geschah es denn in den Ländern, wo
,der Einfluss der einheimischen Kauflente und Städte minder gross war, wo die
städtischen Freyheiten nicht so wie in Deutschland gediehen , dass die Königettnd
Fürsten das Interesse ihrer Länder an die Gesellschaften fremder Kaufleote, an
die Bürger fremder mächtig gewordeneu Städte verkauften, weil die Noth sie ehen
drängte. Gegen ein Geschenk, zur rechten Zeit angebracht, gegen eine Unter-
stützung mit Mannschaft, Schiffen oder Geld in gefahrvoller Fehde, gegen Darlehn
oft unter harten fast schmählichen Bedingungen, der Verpfandung der Kronen
und Reichskleinodien, empfingen sie von den Bedrängten Befreyungen im Handel,
Zollbegünstigungen auf ewige Zeiten bewilligt. Dagegen duldeten die Städte , in
den Ländern, in welchen sie kühn und frey sich erhoben, die Einmischung ihrer
wirklichen oder \ermeinten Herren im Handelsverkehr besonders mit Fremden gar
nicht, auch war Solches wenig zu befurchten, wenn nicht etwa die Herren wegen
einer Fehde den Verkehr untersagten«
Auf diese Weise kann man dreist behaupten, dass aller Orten, wo städti-
sche Freyheit gedieh, der Handel im Mittelalter freyer war, als in einer spätem
Zeit, in welcher die £iim[iischung der Fürsten, der Könige und ihrer Käthe zur
Leitung und Lenkung des Verkehrs, des Kunstfleisses, der Gewerbsamkeit, diesem
oder jenem Systeme zufolge, nur zu oft eintrat
Gewiss war es auch diese den aufblühenden Städten zugestandene Willkür
bey ihrem Handel, welche so manche andere Hindemisse, die ihn damahls
drückten, wieder aufwog. Frey lieh musste der fahrende Mann unter verschie-
denen Nahmen Abgaben von seinem Handel den bedürftigen Herren entrichten;
aber diese waren nicht so gross, dass sie Handelsverboten gleich gewirkt hätten.
Seltener wurden diese Abgaben nach dem grossem oder geringem Werthe der
Waaren in Hunderttheilen , meist vielmehr nach den Gelassen, worin sie verfuhrt
wurden, oder nach den Quantitäten entrichtet, so dass die Erhebimg erleichtert
ward, und sehr selten, etwa nur in Kriegszeiten, unterlag die eine oder die andere
Waate einem gänzlichen Verbote.
Die Herren der Länder befolgten noch keine Handels -Politik, die auf ver-
meinten Handelsbilanzen gegründet war. Die Kaufleute dehnten ihren Handel so
weit und dahin aus, wo sie Vortheile für sich fanden, ohne dass ihre Herren
berechneten, ob das Land nach ihrer Meinung dabey verlöre oder gewönne, ob
die Bilanz für oder wider dasselbe sey. Wo die Kaufleute einen ihrem Vortheile
entsprechenden Markt fanden, den besuchten sie, da bewarben sie sich um Frey-
N 2
100 "^ ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
heilen fiir ihren Verkehr, und befanden sich wohl dabey» Die mit den Latmen
und Systemen der Minister wechseLiden Gebote und Verbote kannte man nidit,
ma^ hatte sie nicht zu furchten.
Dagegen hatten die Kaufleute jener Zeit mit yielen Hindernissen zu kämpfen,
die nun gehohen sind. Sie entbehrten die Hülfen ^ welche zur Erleichterung d^r
Zahlung nachher aufgekommen sind, der VVechsel, der Banken, der Rechnungen
und Gegenrechnungen zur Ausgleichung wechselseitiger Schulden und Forderungen,
weil eben das Zutrauen, der Credit, wenigstens grossen Theils, fehlte, der das
geringe haare Handelscapital theilweise hätte ersetzen können; die Menge und Un-
Vollkommenheit der Zahlmittel, der Münzen, des Geldes, in so fem es von den
Landesherren ausging, der Mangel an sicheren und schnellen Verbindungsmitteln,
an Posten, an Kunststrassen zu Wasser wie zu Land, an der sinnvollem Benutzung
der Naturkräfte zur Erleichterung der Verbindungen j der Mangel an Mitteln daheim
aus entfernten Gegenden Nachrichten über Bedürfhiss und Absatz durch Zeitungen
und Courszettel schnell zu erhalten; der Mangel an Anstalten, um durch Ver-
sicherungen einzelne von dem Unglück Betroffene von dem Untergange zu retten:
der Mangel dieser und so mancher anderen Hülfsmittel, welche den Verkehr imter
den Völkern erleichtert haben, musste ihre Geschäfte nothw endig mehr oder we-
niffer beschränken.
Indess viele dieser Hülfsmittel, die sich erst im Verlauf der Jahrhunderte
dargeboten haben, konnten kein Gegenstand ihrer Bestrebungen seyn, da ihnen
selbst jegliche Vorstellung davon meist abging. Dagegen fühlten sie andere Ge-
brechen nur zu lebhaft, die ans den damahligen öffentlichen Verhältnissen hervor^
gingen: so wie sie denn unablässig bemüht waren, diese hinwegzuräumen.
Zunächst gehörte hierher die Unsicherheit der Strassen zu Wasser wie zu
Land. Die steten Fehden, so wie die Beraubungen des fahrenden Mannes durch
die Bewohner der Burgen und Festen, durch kühne Seeräuber auf den Meeren
störten nicht nur den Handel , sondern verhinderten auch theilweise das Gedeihen
der Länder. Die willkürliche Erhöhung der Zölle, die Anlage neuer, die Schwie-
rigkeit, Recht gegen Die zu erhalten, welche ihr Schwert geschickt zu gebrauchen
wussten, tmd diesem lediglich vertrauten, und besonders die bey dem Verkehr
mit dem Auslande so verbreitete Ansicht, den Fremden als schutzlos zu be-
trachten, wenn er nicht in des Landes Frieden aufgenommen war: diese und
ähnliche Hindernisse wurden täglich gefühlt 3 sie zu bekämpfen forderte zu rast-
losem Bestreben auf
ERSTER ABSCHN. EINLEITUNG. VERKEHR MIT LIVLAND. loi
Die niederdeutschen Kaufleute und Ihre städtischen Obrigkeiten suchten diesen
Uebehi durch der Päpste Breven und Bullen, durch der Kaiser Vorschreiben, durch
ihre und der fremden Mächte Gebote, durch das Aufbieten des geistlichen und
■weltlichen Arms zu begegnen, gegen Strand- und Grundruhrrecht sich zu schützen,
den Schiffbrüchigen oder ihren Erben ihr gerettetes Gut zu sichern, und das Verfallen
desselben . an den Grundherrn abzuwenden , welches beym Umsturz eines Wagens
seinen Boden berührt hatte. Sie bemühten sich, den Strassenzwang zu mildern,
auf die Verbesserung der Wege zu dringen, ZoUfreyheiten oder Mässigung der
vorhandenen Zölle zu erhalten, deren Erhöhung abzuwenden ; sie verfolgten die edlen
Räuber mit den Waffen in der Hand und behaupteten ihr Recht dazu durch den
mit den Grossen abgeschlossenen Landfrieden; der fahrende Mann zog selbst be-
waffnet zu Lande, zur See vereinte man sich zu Admiralschaften, die Schiffsmann-
schaft war mit Waffen versehen und zum Kampf auf Tod und Leben gedungen.
Eine bessere Rechtspflege suchten die Städte nicht nur innerhalb ihrer Mauern
zu begründen, und ihre eigenthümllche Lage begünstigte sie darin, sondern sie
waren auch bemüht, ausserhalb derselben, ja in fremden nicht deutschen Landen
solche den Ihrigen zu verschaffen.
Die grässliche Ausdehnung des späterhin unter dem Nahmen von RepressaUen
bekannten Verfahrens waren die Städte eifrigst bemüht zu mildem , indem sie
sich die Zusicherung erwirkten, dass nur der wirkliche Schuldner oder dessen
frey williger Bürge für seine Schuld, der Verbrecher für seine Vergehungen, nicht
aber dessen unschuldige Mitbürger haften sollten. Sie waren nicht weniger eifrigst
bemüht, bey anhängigen Rechtsstreiten dem Beklagten gegen hinlängliche Bürgschaft
die persönliche Freyheit zu erhalten, einen schnellen Rechtsgang für die schleunige
Bezahlung ihrer aus dem Handel entstandenen Forderungen sich zu verschaffen,
und durch Richter, die aus ihrer Mitte gewählt und von ihnen angestellt waren,
ihren, in fremden Ländern verweilenden Landsleuten nach ihren vaterländischen
Gewohnheiten in den unter ihnen entstandenen Streitigkeiten Recht sprechen
zu lassen } das hinterlassene Gut des in der Fremde verstorbenen Landsmannes
seinen rechtmässigen Erben zu sichern, das Geraubte, obwohl an Andere ver-
äussert, dem wirklichen Eigenthümer wieder zuzuwenden, dem Rechte des Vorkaufs
des Landesherrn vorzubauen, und dem Zwange der in seinem Nahmen Handelnden
zu begegnen, welche zu willküi*lichen Preisen den Kaufleuten die Güter abnahmen ;
sie waren bemüht, die Ihrigen von der Verbindlichkeit zu befreyen, im Fall einer
Fehde mit Schiffen und Mannschaft dem fremden Landesherm beyzustehen, sie
102 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
bestrebten sieb , den Ibrigen den freyen Handel und die freye Fahrt auf zwey mit
einander im Kriege begriffene Länder zu sichern, so wie noch manche andere
Freyhelten der Art mehr zu erwerben.
Durch diess Alles bewirkten diese Kaufleute und ihre städtischen Obrigkeiten
das Aufkommen von Gewohnheiten, die einem freyen und gesicherten Verkehre
unter den Völkern angemessen waren, die den Fremdlingen im fremden Lande mehr
Schutz und Sicherheit gewährten, wesshalb sie gerechten Anspruch auf das dank-
bare Andenken der Nachkommen haben; denn nur allmählich ist der bessere
Zustand Europas durch solche und ähnliche Bestrebungen herbey gefuhrt, und
ein besserer Verein unter dessen verschiedenen Völkerschaften rege geworden, die
zu unverbrüchlichen Gewohnheiten wurden, welche unsem Welttheil von andern
unterscheiden.
Ein ganz eigenthümliches Hinderniss aber für jeden auswärtigen Verkehr,
welches auch am schwersten zu besiegen seyn mochte, lag damahls in dem nur
zu gegründeten Misstrauen, welches man zu Fremden, die unter einem auslän-
dischen Rechte standen, haben musste. Hierdurch ward es unthunlich, wie es
jetzt üblich ist, den Fremden die heimischen Güter zum Verkauf anzuvertrauen,
und mit dem Einkaufe der bey ihnen fälligen zu beauftragen, da sie im Einver-
ständuiss mit ihren Landsleuten und Richtern jeden Auftrag der Art lediglich zu
ihrem Vortheile benutzt haben würden. Dieser Mangel musste nothw endig sogleich
gefühlt werden, als sich der Verkehr im Auslande aus seiner ersten Unvollkom-
menheit heraus zu heben anfing: denn dass die fremden Kaufleute mit ihren
Gütern stets selbst auf den Märkten des Auslandes erscheinen mussten, um den
Verkauf und Einkauf zu betreiben, schien den Verkehr gar zu sehr zu beschränken.
Um diesem Uebel zu entgehen, suchten die Niederdeutschen dauernde, durch
Freyheiten begünstigte Niederlassungen im Auslande zu begründen. Diess Mittel
schien dem Zweck vollkommen zu entsprechen. Landsleute, im fremden Lande
sich auf einige Zeit auflialtend, oder länger daselbst verweilend, blieben den
vaterländischen Rechten unterworfen, sie konnten die Bedürfnisse der Fremden
besser auskundschaften, Zelt und Art eines vortheilhaften Einkaufs ausmitteln und
den Mangel eines Commissions - Handels , wie man späterhin sich ausdrückte,
theilweise ersetzen.
Auf ähnliche Weise und aus denselben Gründen betreiben alle Europäer
noch jetzt ihre Handelsgeschäfte mit andern Völkern, die auf einer ähnlichen Stufe
der Bildung stehen, während unter den gebildetem Völkern Europas die mühsam
ERSTER ABSCHN. EINLEITUNG. VERKEHR MIT LIVLAND. io3
und mit grossen Kosten erworbenen Niederlagen eingegangen sind, als das wech-
selseitige Vertrauen und gleiche Sicherheit zwischen den Kaufleuten der verschiedenen
Völker sich vollkommener ausgebildet hatte.
Bey der Begründung dieser Niederlagen stand indess den niederdeutschen
Städten und Kaufleuten der Hass und die Eifersucht der Eingeborenen entgegen.
Aber sie ermüdeten nicht, Andere waren ihnen mit dem Beyspiele vorausgegangen ;
sie erwarben im Verlauf der Zeit lur ihre Niederlassungen mehrere Vorrechte und
so erwuchsen die späterhin so berühmten und theilweise gefurchteten sogenannten
hansischen Comtoire, deren Anfang klein und gering war und die damahls unter
dem Nahmen des gemeinen Kaufmanns in England, Flandern u. f. bekannt waren.
Erst späterhin gediehen diese Niederlagen zu grossen Stapel- und Handelszwangs-
plätzen, über deren Rechte, die sie von feilen Herren erkauft hatten, die Einge-
borenen späterhin um so mehr jn die bittersten Klagen ausbrachen, als eine andere
Zeit andere Bedürfnisse und eine, von der alten Weise gänzlich verschiedene Art,
den Handel unter den Völkern zu betreiben, eingeführt hatte.
Für den deutschen Handel im Innern bedurfte es dieser Niederlagen nicht,
auch sind dergleichen nie errichtet worden. Von Kaiser und Reich hat der
Verein in Deutschland keine allgemeine Handelsfreyheiten in dieser Zeit erlangt,
ja selbst späterhin war Alles, was in dieser Beziehung geschah, Kaiser Sigismunds
wirkungsloser Schutzbrief für die Kaufleute der deutschen Hanse v. J. 1415 gegen
das Strandrecht. Die deutschen Könige haben es nie verstanden, die emporkom-
mende städtische Freyheit und Macht zur Behauptung ihres eigenen Ansehens
und zur Befestigung ihrer Herrschaft gegen die Grossen dauernd zu benutzen, wie
es in andern Ländern zum Theil geschah.
Diesem Mangel allgemeiner, in Deutschland den Städten von Kaiser und
Reich bewilligten Freyhelten ward durch das Bestreben Einzelner, auch einiger
wenigen näher einander Benachbarten dadurch abgeholfen, dass sie von den Kaisem,
oder von ihren Landesherren oder den ihnen näher belegenen Fürsten, ZoUfrey-
helten, Stapelgerechtigkeiten, Mess - und Marktfreyheiten, Befreyungen vom
Strandrechte , die Befugniss Räuber auch auf fremdem Gebiete zu verfolgen , eine
bessere Rechtspflege zur Eintreibung ihrer ausstehenden Forderungen sich ver-
schafften. Diese Erwerbungen durch Einzelne sind wirklich zahllos. Was aber
Einzelne oder einige Wenige gemeinschaftlich auf diese Weise erwarben, das
kam mittelbarer Weise mehr oder weniger Allen zu Gute.
104 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Aach Hessen sie es Irierbey nicht bewenden. Die deutschen Seestädte
warben von mehreren Fürsten, meist an den Küsten der Ostsee, einzeln oder
tmter einer gemeinschaftlichen Benennung gewisse Zusicherungen zum Schutz
für Ihre Schifffahrt und ihren Handel, von den Herren von Holstein, Meklenbui^,
Pommern und Rügen, von mehreren unruhigen und freyen friesischen und
sächsischen Völkerschaften, den Dithmarschen und andern mehr westlich bel^enen,
besonders durch die Bestrebungen Bremens und Hamburgs. Der Schutz der allen
Christeft, der allen Kaufleuten, welche die Ostsee befahren, welche Gothland
besuchen , auf den Meeren , den Strömen , längs der Küsten für ihre Schifffahrt
ertheilt wurde, kam ihnen Allen zu Gut ; schon theilwelse diese Ausdrücke , mehr
noch wenn in den Urkunden des gemeinen Kaufmanns Erwähnung geschah,
scheinen sich auf den Verein dieser Kauffahrer, wie er sich besonders auf Goth-
land früh gebildet hatte, vornehmlich zu beziehen.
Am zahlreichsten und ausgedehntesten und allgemeiner noch lauten Indess
die Zusicherungen, welche die Kaufleute und Städte in den neuen deutschen An-
pflanzungen in Preussen, besonders aber in Livland erhielten, indem der Orden
so wie die Bischöfe des Landes die Verdienste der niederdeutschen Städte zur
Begründung und Behauptung ihrer Erwerbungen dankbar und urkundlich aner-^
kannten. So ertheilte der Erzbischof Albrecht von Livland bereits in d. J. 1253,
gestützt auf päpstliche Bullen und die Constitution des Cardinais Guido, allen
Kaufleuten Schutz gegen Strandrecht und die Beraubung der Schiffbrüchigen,
besonders denen, die zwischen Lübeck und Gothland und der Düna, diesen
Strom hinauf und überall nach Liv - und Esthland fahren, bey Strafe des Kirchen-
bannes, welcher auch gegen die Hehler und Erwerber der so geraubten Güter
verhängt wird , bis sie deren doppelten Werth den Eigenthümern wieder erstattet
haben; das Interdict soll das ganze Kirchspiel treffen, wo das Verbrechen began-
gen worden. Wer von den Vorbenannten ohne Bereuung seiner Missethaten und
ohne Ersetzung alles Geraubten stirbt, der soll des kirchlichen Begräbnisses ent-
behren, sein Leichnam in das Meer geworfen werden. Den christlichen See-
fahrern wird von Ebendemselben im J. 1256 zugesichert, dass die Strandbe-
wohner den Schiffbrüchigen alle Hülfe, die sie sich selbst nur wünschen könnten,
gewähren sollen; und da diese Gegenden vorzüglich durch den Beystand der
Kaufleute zum Christenthume bekehrt worden, und diese eine Belohnung dess-
halb zu erwarten haben, so sollen sie wie bisher von allen Abgaben und Zöllen
befreyt seyn.
ERSTER ABSCHN. EINLEITUNG. VERKEHR MIT LIVLAND. 105
Heinrich, Bischof von Curland, fugte im J. 1254 der allgemeinen Befreynng
vom Strandrechte noch hinzu, dass das , an der Küste seines Sprengeis gestrandete
Gut, wenn die Schiffsmannschaft untergegangen sey, Jahr und Tag im Lande dem
wirklichen Erhen aufbewahrt werden solle.
Der Erzbischof Johann von Liv- und Esthland, Preussen und der Kirche
zu Riga bestätigte in d. J. 1275 (von seinem Nachfolger Johann III. im J. 1295
erneuert) allen Kaufleuten, weil durch ihre Muhe, ihr Blut und die von ihnen auf-
gewandten Kosten die neue Kirche vornehmlich gediehen sey, alle von ihnen bereits
in seinem Sprengel erhaltenen Freyheiten, wenn sie im Meere, in der Düna oder in
des Landes Flüssen Schiffbruch leiden ; er ertheilt ihnen die Befugniss, an den Ufern
Holz zu filllen , zur Feuerung und zur Ausbesserung ihrer Schiffe , in allen Hafen
und an dem dazu geeignetem Strande ihre Waaren aufzustapeln, für ihre Zug-
thiere und Pferde der Gemeinweiden sich zu bedienen, und die ihnen geraubten
oder durch Zufall von ihnen verlorenen Güter da, wo sie dieselben finden,
wieder als ihr Eigenthum zurückzunehmen, ohne dass des Landes Richter für
sidi Etwas davon, weil es geraubt war,' abzuziehn berechtigt seyn sollen.
Derselbe, in Verbindung mit Hermann, Bischof vonOesel und Ernst dem Meister
in Livland, bestätigte im J. 1277 allen Gönnern der neuen Anpflanzung und nahmentlich
den Kaufleuten aus allen Orten, welche die Ostsee und Livland besuchen und mit
diesem Lande in Freundschaft sind, diese Freyheiten, unter einiger Beschränkung,
mit Hinzufugung einiger näheren Bestimmungen und nebst einigen Erweiterungen. Den
zum Verkaufe hingeführten Pferden soll die Benutzung der Gemeinweiden zustehen,
unter der Bedingung, den Saatfeldern und Wiesen der Einzelnen nicht zu schaden ;
das von ihnen zu fallende Holz soll nicht zum Bau neuer Schiffe, ohne besondere
Erlaubniss, ihnen fr ey stehen. Bricht Streit unter ihnen selbst am Strande des Mee-
res, oder am Ufer der Flüsse aus, .so sollen die aus ihrer Mitte von ihnen gewählten
Richternach den jetzigen Rechtsgewohnheiten der Kaufleute in Gothland ihn
entscheiden ; sollten sie aber sich gegen Eingeborne vergehen, so soll ihr Olderman
nach des Landes Recht über sie sprechen; wenn endlich Eingeborene, des Erz-
bischofs und anderer Herren Leute sich gegen sie vergehen sollten , so haben des
Landes Richter nach Landes Recht das Urthell zu fallen. Stirbt ein Kaufmann
im Lande in Folge eines an ihm begangenen Strassenraubcs , so bleiben dessen
Güter ohne Abzug seinen nächsten Erben. Wird einer auf andre Weise erschla-
gen, der Mörder aber verhaftet, so soll »die Gerechtigkeit nicht verweigert werden.
W^äre der Mörder entflohen und anderswo vor Gericht gestellt, so soll er in
O
jQß ZWEYTE ABTHEIL. GESCH, DES HANDELS.
eine Geldbusse von zehn Mark Silbers verfallen seyn, wovon der Richter jedoch
Nichts erhalten soll. Hat der Bestohlene den Dieb ergri£Fen, nimmt er sein Gut
wieder an sich, so fallt zwar der Dieb, sonst aber Nichts dem Richter anheim;
der Eigenthumer kann seine Güter, die der Dieb oder Räuber in Wäldern oder
Höhlen verborgen hat, wenn er sie auffindet, frey und sicher v^eder zu sich
, nehmen, ohne desshalb eines Vergehens beschuldigt zu werden.
Die Bischöfe von, Oesel Heinrich und Hermann, haben in d. J. 1256 u. 1262j
der Bischof Friedrich von Dorpat im X 1274, gleiche Befreyungen, wenn auch
nicht in gleicher Ausdehnung, den Kaufleuten zugestanden« Diese gemeinschafUich
erworbenen oder Allen ertheilten Freyheiten haben einzelne deutsche Städte , vor
allen Andern besonders Lübeck, die am thätigsten in diesen Gegenden war,
sich bestätigen lassen ^^ wahrscheinlich haben aber auch andere Städte noch be-
sondere Begünstigungen sich im Lande zu verschaffen gewusst.
So hat Lübeck bereits im X 1231 von der Stadt Riga innerhalb ihrer
Ringmauern einen Hof zum eigenthümlichen Besitze eingeräumt erhalten; auch
verstattete Heinrich von Wida, Meister des deutschen Ordens in Preussen, den
Lübeckern im J. 1242 eine freye Stadt in Samland, nach der zu Riga üblichen
"Weise zu einem Hafen für Seeschiffe anzulegen, welches jedoch keine Folge
weiter gehabt zu haben scheint, und nur beurkundet, wie die Stadt nach allen
Seiten hin ihre Aufmerksamkeit richtete } auch ward sie zur Vermittlerin der Strei-
tigkeiten zwischen der Stadt Riga und dem Orden um d* J« 1301 angesprochen
und zum Beystande mit Rath und That aufgefordert«
So erhielt Lübeck, um eines der wesentlichsten Freybriefe zu gedenken, von
Gottfried, dem Meister, den Comthuren und Brüdern des Ordens in Livland im
J- 1299 ausser den Freyheiten, die der Erzbischof Johann allen Kaufleuten ertheilte,
und welche in dieser Urkunde für Lübeck wiederhohlt werden, mit dem Unter-
schiede, dass der Streit unter den Lübeckern im Laride von ihren eigenen Richtern
nach lübischem Rechte entschieden werden sollte, noch folgende: Ein Bergelohn
wird denen, die zur Bergung des gestrandeten Gutes bchülflich sind, bewilligt.
Wenn zwischen dem Orden und dessen Verbündeten von der einen Seite, und
den Russen oder Helden und ihren Helfern von der andern, Fehde ist, so soll
den Lübeckern dennoch der Handel durch Livland mit dessen Feinden auf ihre
jGefahr frey stehen, und alle Güter, die sie nach Livland und den dem Orden
unterworfenen Gegenden in ihrem Nahmen, nicht im Nahmen der Feinde bringen,
sollen sie frey verkaufen oder wieder ausfuhren dürfen. Venedig hat auf gleiche
ERSTER ABSCHN- EINLEITUNG. VERKEHR MIT LIVLAND. i07
Weise um dieselbe Zeit und früher die Freyheit des Handels mit den Ungläubigen
sich ausbedungen. Den Lübeckern steht die Freyheit der Strassen zu "Wasser
und Land in des Ordens Gebiet zu. Sollte aber ein Streit zwischen beiden Theilen
entstehen, so sollen sie die Güter, welche sie vor dessen Ausbruch im Lande
hatten, oder die sie, unbekannt mit dem Streite, in gutem Glauben dahin gebracht
hatten, frey wieder zu Wasser oder Land ausfuhren dürfen. Ihre Factore sollen
mit ihrem eigenen Gut uftd ihrer Person für ihre Vergehen haften, nicht aber mit
den Gütern anderer Lübecker, von welchen sie beauftragt worden sind; eben so
wenig könnei^ diese Güter von den Dienern der Kaufleute verspielt werden. Zwi-
schen Livland und Preussen ist den Lübeckern erlaubt zu Land, auf ihre Gefahr,
mit ihren Gütern zu ziehen. Zuletzt werden ihnen mit Hinzufiigung des Lobs
und Danks für ihre unerschütterliche Liebe zu dem Orden bey dessen Anfang
sowohl, als in neuerer Zeit, alle früher erworbenen Freyheiten bestätigt, und auf
immer ihnen verstattet, Getreide und alle Arten Güter gleich den Ordensbrüdern
in allen Städten und Flecken, in allen, dem Orden unterworfenen oder noch zu
unterwerfenden Ortschaften zu kaufen und auszuführen; es steht ihnen frey, der
Eingebomen gegen Lohn, wie sie desshalb mit ihnen einig werden, sich zur Ver-
führung ihrer Güter ^auf Wagen oder Schiffen zu bedienen , auch ausserhalb der
öffentlichen Strassen und Wege, in Feld und Wald zu gehen und zu reiten,
ohne desshalb straffällig zu ^eyn^
Diess waren allerdings Begünstigimgen , vollends wenn man die besonders
erwägt, welche Lübeck für ^ich erhielt, dergleichen die niederdeutschen Städte
in keinem untör deutscher Hoheit stehenden Lande sich in dieser Ausdehnung zu
erfreuen hatten. Gewiss haben auch diese Begünstigungen die so schnell zuneh-
mende Wohlhabenheit der westlicher belegenen deutschen Städte und vor-
nehmlich Lübecks befördert, ohne Livland nachtheilig zu seyn, welches gleich-
falls, ungeachtet der fast ununterbrochenen Fehden mit den Russen und Heiden,
rasch aufblühte*
Diese Landschaft war Aber den Deutschen nicht allein der daselbst einzu-
kaufenden einl^eimischen Güter, und der von ihnen daselbst abzusetzenden so viel
werth, sondern zugleich des Verkehrs wegen, der hier mit den Russen und andern
benachbarten Völkern betrieben ward, vielleicht noch wichtiger, vollends seitdem
die Schweden den Ausfluss der Newa beherrschten, und die Russen durch die
unglückliche mongolische Herrschalt mehr und mehr der eigenen Schifffahrt nach
Gothland und der Trave entfremdet wurden. Daher die Städte auch, und be-
O 2
108 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
sonders wiederum Lübeck, bey den Herren von Dänmark, so lange sie Esthland
besassen, nahmentlich bey den beiden Königen Erich Glipping und Menved, so
wie bey dessen Mutter sich bemühten, um gegen Seeraub und Strandrecht an
den Küsten geschützt zu seyn, und eine freye Fahrt durch Esthland und "Wirland
nach der Narwa und Nowgorod sich zu . verschaffen, welches ihnen auch
bewilligt wurde, und nachdem diese Gegenden unter des Ordens Herrschaft
kamen, so schienen ihre alten Freyheiten in Livland auch hier gelten zu müssen.
Wenden wir uns nun dem so wichtigen Verkehr mit Russland zu.
ZWEYTER ABSCHNITT.
Verkehr der deutschen Kaufieute und Städte mit Russland«
Unhezweifelt ist der erste unmittelhare Verkehr der Niederdeutschen mit den
Russen in Russland von der Gesellschaft deutscher Kaufleute auf der Insel Goth-
land, wahrscheinlich unter Anleitung der Gothen selbst, versucht und gewagt
worden. Wir wissen, dass Sachsen schon zu Kaiser Lothars und zu Heinrichs
des Löwen Zeiten Gothland besuchten, und dass hier eine bedeutende deutsche
Handelsgesellschaft sich bildete. Die Kaufleute der früher aufgekommenen deut-
schen Städte Sachsens und Westphalens sind früher hier erschienen, als man von
deutschen Städten im Wendenlande, und weiter östlich, etwa mit Ausnahme
Lübecks, noch wenig wusste, wenigstens befanden sich diese deutschen Städte
noch in dem ersten unvollkommenen Anfange.
Die Sachsen mögen indess mittelbarer Weise durch die wendischen, scan-
dinavischen und anderer Völker Kaufleute und Städte Güter aus Russland in noch
weit früherer Zeit bereits bezogen, und die ihrigen auf demselben Wege von
Deutschland aus dorthin geschafft haben: allein etwas anderes ist es, wenn von
dem unmittelbaren Verkehre der Deutschen mit und in Russland die Rede ist
Jene den Deutschen und Russen näher benachbarten Völkerschaften, die Slaven
oder Wenden und die Scandinaven, haben ohne Zweifel früher als die Sachsen in
unmittelbarem Verkehr mit den Russen in Russland gestanden.
Nach dem Verfall Sigtunas, Schleswigs, Julius und anderer älteren nördlich
belegenen Handelsstädte, welche den Sachsen als Zwischenhand früher gedient
haben mögen, kam die Insel Gothland mehr empor, die, ihrer günstigen Lage
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. ^09
wegen, bald der Mitlelpunct des nordöstlichen und nordwestlichen Handels wurde.
Die Deutschen auf dieser Insel fanden daselbst Russen gleichfalls Tor, die mit
ihren Gütern dieselbe besuchten, und früh daselbst eine griechische Kirche hatten,
was von der Lebhaftigkeit des wechselseitigen Verkehrs zeugt Die Gothen hatten
dagegen auch ihre Niederlagen und Kirchen in Russland früh gehabt Wahr-
scheinlich haben die Deutschen zuerst unter dem Schutz der befreundeten Ein-
wohner der Insel den Versuch eines unmittelbaren Verkehrs mit und in Russland
gewagt, während sie zuvor sich auf den mittelbaren Verkehr mit ihnen auf Goth-
land beschränkten. Mehr mit den Vortheilen bekannt, welche der unmittelbar
in Russland zu betreibende Verkehr ihnen gewährte, mögen sie dann bemüht
gewesen seyn, dem Beyspiele der Gothen folgend, eigene Handelsnied erlagen und
Kirchen in Russland sich zu verschaffen, imd in diesem Bemühen mögen sie
durch den früh gebildeten und mächtigen Verein ihrer Kauffahrer auf Gothland,
so wie durch das Aufblühen der deutschen Slädte begünstigt worden seyn: auch
ist es ihnen vollkommen gelungen. Beide, Gothen und Deutsche, hatten fortan ihre
besondern Kirchen und Niederlagen in Russland, und so wie Jene zuerst vorherr-
schend seyn mochten, so sind sie doch bald nachher von den Deutschen überflügelt
worden, beide Thelle blieben fortan in Russland von einander abgesondert; jeder
Theil hatte seinen besondem Hof, seine eigene Kirche zu Nowgorod, doch waren
sie gegen einander nicht feindselig gesinnt Gegen Elnde des dreyzehnten Jahr-,
hunderts hören die gemeinschadlichen Unterhandlungen der Gothen und Deutschen
mit den Russen auf, und schon einige Jahrzehnde früher, treten die Deutschen
als die bedeutendem in diesem Verkehr auf Russland und in den Unterhand-
lungen mit den Russen hervor. Die Letztem scheinen vorzüglich auf der Insel
ihren Verkehr mit den westlich belegenen Völkern gefährt zu haben, wie der
Vertrag v. J. 1229 beweiset, der mit den Kaufleuten daselbst, den Rigaern
und den Anhängern der römischen Kirche (Lateinern) zwischen ihnen und dem
Fürsten von Smolensk abgeschlossen ward. Indess behielten sich die Russen
das Recht bevor, von der Insel frey nach der Trave fahren zu dürfen: aber eben
dieser Vertrag zeigt auch, wie ganz eigentlich die Insel der Hauptsitz des Verkehrs
zwischen den verschiedenen Völkern, zwischen ihnen und den Russen geworden
war. Daraus aber, dass schon in der zweyten Halde des zwölften Jahrhunderts,
wie urkundlich bewiesen ist, Russen bereits des Handels wegen Lübeck besuchen,
ist noch nicht sogleich abzunehmen, dass nun auch Lübecker oder andere Deutsche
zu gleicher Zeit Russland bereits unmittelbar besucht hätten; es erhellet wenigstens
/
HO ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
daraus nicht mit Gewissheit, ohne es eben geradezu abläugnen zu wqllen i). Das5
aber zu Ende des zwölften und Anfangs dos dreyzchnten Jahrhunderts über
Livland ein Verkehr mit den benachbarten Russen über die Düna und zu Lande
bestanden habe^ versteht sich^ von selbst und ist mit Urkunden zu beweisen.
Eben so wenig Ist zu bezweifeln, dass um dieselbe Zeit der "Weg zu Wasser über
die Newa, und dass vielleicht noch ein anderer Weg, nach kurzer Landfahrt,
über den Woxa nach Nowgorod bestand 2).
Wiewohl man nicht bestimmte Jahre anzugeben im Stande ist, wann diese
verschiedenen Veränderungen in den Handelswegen und In der Art, wie der Ver-
kehr betrieben ward, sich zugetragen haben, so wird sich doch der Gang, wie er
angegeben worden, im Allgemeinen selbst durch unverwerfliche Urkunden bestätigen
lassen; und wäre diess nicht der Fall, so würde die natürliche Lage Russlands,
der Insel Gothland und der deutschen Städte, die Vorstellung unterstützen.
Zu allen Zeiten schlägt man im Handel mit fernen Rändern den Weg zuerst
em, der am Schnellesten und sichersten zum nächsten Ziele, zum Absätze der
eigenen, zum Eintausche der fremden geschätzten Güter fuhrt. Dazu bot in
diesem Falle die Insel Gothland zuerst die beste Gelegenheit dar. Dann schreitet
man weiter, sucht den Verkäufer oder Erzieler im eigenen Lande auf und tritt
mit ihm zugleich als Abnehmer der eigenen Güter in unmittelbare Verbindung.
Keine der ältesten Urkunden, die der deutschen Niederlage in Nowgorod
gedenken, reicht über das dreyzehnte Jahrhundert hinaus. Wenn darin von alter
Sitte oder einem altem Herkommen die Rede ist, /so mag man immer annehmen,
dass im zwölften Jahrhunderte dieser unmittelbare Verkehr der Deutschen mit
den Russen In Russland seinen Anfang genommen habe, doch gewiss nur erst in
der zweyten Hälfte desselben, als die Bremer, denen Andere folgten, angefangen
hatten, die Düna zu befahren. Dass die Bremer von Gothland aus um d. J. il57
oder 1158 die Mündungen der Düna aber zuerst besuchten, ist eben so gewiss,
als von einer sogenannten Entdeckung dieser Küsten lediglich in Bezug auf Deutsche
die Rede seyn konnte, indem sie den meisten übrigen Anwohnern der Ostsee als
z. B. den Scandlnaven und den wendischen oder slavischen Völkerschaften schon
1) Iii dem bekauuteu Freybriefe de« Kaisers Friedrich L v» d* J. 1188 ftr Lübeck, befreyt er uuter Andern
auch die Ruteni vom Zolle.
2) Von diesem Wege über den Woxa spricht Kall in einer Anmerkung zu Suhm \l\L 580, obwohl ich
in deutscheu Urkunden dessen Erwähnung nie gefuudeu habe ; •vielleicht ist es der älteste gewesen , den
Deutsche in Gemeinschaft mit den Gotheu einschlugen.
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. m
langst bekannt waren. Eben diese Darstellung aber, als wäre die Mündang der
Düna damahls Ton den Bremern entdeckt worden, beweiset, dass die Deukscben
zuvor diese Küste nicht befahren haben. > Die Insel Gothland scheint das öst-
lichste Land gewesen zu seyn, welches sie bis dahin besuchten, wo sie alle
Gelegenheit fanden, mit den weiter östlich belegenen Völkern zu verkehren, deren
Güter einzutauschen und deutsche dagegen zu geben« Allein es scheint auch
zugleich zir erhellen, dass sie den bey Weitem entferntem Weg zur See nach
Russland noch weniger kannten. Das eben hat die Insel zum wechselseitigen
Marktplatze der östlichsten und der westlich belegenen Völker an der Ost- und
Kordsee erhoben, dass ihre Lage iiir beide Theile einen Mittelpunct bildete, der auf
diesem unsichem östlichen Meere, bey der unvollkommenen Schifffahrt jener Zeiten
Beiden leicht zu erreichen möglich war i). Hätten wir genaue und beglaubigte
l) Die Tortreffliche Ausgabe der ältesten einheimiscliea , Ton einem zar Zeit der sogenannten Entdeckung
und ersten Ansiedelung der Deutschen in Livland lebenden Geistlichen verfassten Jahrbdcher durch G r u b e r ,
enthält die lauterste und älteste Quelle fUr diese folgenreiche Begebenheit (Origines Livoniae s» chro^
nicon Liyonicum vetus ed* Joan. Dan» Gruben Fraucof« et LipS' 1740» ^0* Woim der Tortreffliche Heraus-
geher p. 2* n. c* dafürhält, dass von der Entdeci^ung oder ersten Beschiffuug der Düna -Mündung durch
Sachsen oder Deutsche nur allein die Rede hier seyn könne, da man aus Adam von Bremen wisse,
dass Sachsen zuvor das preussische Samland, Esthlaud, |a Ostergard - Russland mit Schiffen besucht hätten,
so scheint mir» nach einer genauen Envägmtg der erwähnten Stellen bey Adam Ton Bremeui sicli dies»
keineswegs daraus zu ergeben. Adam ron Bremen in den von G ruber augeführten beiden Stellen
htst, eccl, IL cap. 13» dn Undenbrog 3S^ ren German^ ed, Fabricii p. 19, und de dtu Daniae p. 59* (cap. 227«
p«770 beschreibt die Lage dieser wendischen und andern Küstenländer der Ostsee, wie er durch Hören-
sagen — denn er selbst ist nie in diesen Gegenden gewesen — sie Temommen hatte. In der ersten
Stelle sagt er, man komme zu Schiff you Demmin nach dem prenssischen Samlande; von Hamburg und
der Elbe gelange man zu Land in acht Tagen nach Julin, Ton Schleswig imd Aldenburg aber zur See
eben dahin/ und von da in drey und Ylerzig Tagen nach Ostrogard Russlands. Das ist eine allgemeine
Beschreibung der Lage und Entfernung der angeführten Gegenden, wie er sie von Hörensagen hatte,
nicht Ein "Wort aber sagt er davon » dass die Sachsen diesen ganzen Weg gemacht hätten, im Gegentheile
die Slaven oder Wenden sind hier offenbar gemeinty die von Julin selbst bis Russland schiffen ; von Ham-
burg kann man zu Land nach Julin, von Schleswig und Aldenburg zu Wasser eben dahin gelangen ; dass
die Sachsen dies« gethan haben # ist keinem Zweifel unterworfen« Die Wenden mögen dann von Julin
weiter nach Russland gefahren seyn; Adam gibt uns die Entfernung, die Länge der Reise an, hätten die
Sachsen die unmittelbare Fahrt nach Russland gekannt, so brauchten sie nicht nach Juliu zu gehen« Die
zweyte Stelle aus Adam ist unbedeutender für ims , es Ist darin nur von dem prenssischen Samlande die
Rede, und gleichfalls wieder zufolge einer allgemeinen Beschreibung« findet mau ähnliche Nachrichten
bey spätem Schriftstellern, z« B« bey Helmoldr so sind sie aus A^am entlehnt, und fordern keine
weitere Prüfung« Ein neuer scharfsinniger Schriftsteller hat Adam von Bremen einer genauen Prü-
fung unterworfen^ und über Julin, Jumiu, Wineta die besten neuern Untersuchungen angestellt: C. F* von
Rumohr, Sammlunjf für Kunst und Historie B«l« Hamb. 1816« B« Heft 1. erste Abhandlung: Ueber das
Verhaltniss der seit lange gewöhnlichen Vorstellungen von einer prachtvollen Wineta zu unserer positiven
1 12 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Ueberlieferungen und Urkunden über den frühesten Zustand des Verkehrs der
Deutschen auf der Insel Gothland, so würde sich die Wahrheit dieser Vorstellung
gewiss auf das Bündigste darthun lassen: auf jeden Fall ist mit diesem Verkehr
zu. beginnen, wenn von dem ältesten Handel der Deutschen mit den Russen in
Russland die Rede seyn soll i).
Die Torzüglichsten auf uns gekommenen Urkunden, welche auf den unmit-
telbaren Verkehr der Deutschen mit den Russen in Russland sich beziehen, sind
entweder Verträge, welche die Deutschen mit den russischen Fürsten und Obrig-
keiten oder deren Nachbarn abschlössen, um besonders eine freye, geschützte
Fahrt zu Wasser und zu Lande nach Russland zu erhalten: oder es sind Ver--
Ordnungen des Deutschen Hofs zu Nowgorod, oder der Städte zur Handhabung
der Ordnung daselbst,
1.
Verträge zwischeu DeaUoheu uud Russen und den Nachbarn der Letxtemi um eine freye und geschützte
Fahrt auf Russlaud zu behaupten*
Der älteste bis jetzt aufgefundene und auf uns gekommene Vertrag ist v. d.
J. 1229 > der zwischen dem Fürsten Mistislaw Dawidowitsch von Smolensk auf
Keuntuiss der Cultur und Kunst der deutschen Ostseesla^en } besonders S. 42« 116 u« ff. Diese Unter-
suchungen dürfen nicht übersehen werden; er beweist vornehmlich, dass Adam von Bremen, der nie
in das SJaveuland gekommen war, seine Nachrichten aus frühem sächsischen, vornehmlich aber aus däui-
schen mündlichen Ueberlieferungen genommen habe, er findet auch in der von ihm gewählten Bezeichouug
Kusslauds durch Ostrogard Rusziae den theilweiseu scandinavischeu Urtpruug seiner Nachrichten über das
Slaveuland* Dass aber die Scandinaven und Wenden früher mit Russlaud in unmittelbarer Verbind uug
gestanden , dass sie es zu Land uud zu Wasser in den frühern Zeiten , und früher als die Deutschen oder
Sachsen , besucht haben , das freylich ist gar keinem Zweifel unterworfen.
1) Es wäre zu wünschen, dass, so weit es noch möglich ist, die Geschichte dieser Insel critiscfa untersucht
und so geprüft würde, wie das Land recht derselben durch meinen gelehrten Freund Karl Schildner,
Guta-Lagh. Greifswald 1818« 4. erläutert worden ist« Das spätere Sudtrecht von Wisby hat Job.
Hadorph unter dem Titel: Wisby Sudz Lag pä Gottland (schwed. und sächsisch) herausgegeben.
Stockh* 1688 f« Beide enthalten auch einige ältere geschichtliche Nachrichten. Unter den geschichtlichen
Schriften Gothland betreffend, welche "Warmholz in seiner hibliotheca Suio-Goth. auTuhrt, bleibt H. N.
Strelows Chronica Guthilandorum. Kiöbiughaffu. 1633* 4* immer die bedeutendere, aber wie uuvoUkom-
meii und schlecht ist sie! Die gröbsten Fehler gegen die Chronologie, Behauptungen, die durch auf
uns gekommene Urkunden sogleich widerlegt werden können, kommen darin genug vor. Eine critische
Ausgabe dieses höchst mittelf&äs^igen Buchs würde Etwas leisten. Vielleicht sind noch in Dänmark,
Schweden und Preussen Urkunden zu finden, die vormahls in \Yi8by waren, und die durch die Schick-
sale der Insel zerstreut wurden» Die Armales IFUfycenses gewähren sehr wenig; und gleichwohl wäre
eine genauere Erforschung der Geschichte dieser Insel für den Handel des ganzen Nordens in dieser Zeit
so sehr wichtig !
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 113
einer Seile, und von der andern zwischen den Rigaern und den Kaufleulen auf
Gothland, ^velche die Ostsee befahren, zur Beilegung der obwaltenden Streitig-
keiten, abgeschlossen ward. Die Rigaer wie die Kaufleute auf Gothland werden,
als zur lateinischen Zunge oder zu dem lateinischen Volke gehörig, Lateiner ge-
nannt, die römischen Katholiken im Gegensatze der griechischen Kirche.
Der Vertrag ist auf Gothland abgeschlossen worden und beruht fast durchaus
auf Gleichheit; was den Lateinern in Russland von dem Fürsten von Smolensk
zugestanden wird, das bewilligen sie hinwieder den Russen in Gothland und Riga.
Todschlag und Verwundung, die Narben nachlässt, Verlust eines Glieds,
oder Schläge, Ehebruch und Nothzucht, das Binden oder gefangen Halten eines
Unschuldigen werden mit mehr oder wenigerem Gelde gelöset, je nachdem die
That an einem Frcyen oder Unfreyen, Priester oder Abgesandten geschehen ist.
Ein befrcyter Gerichtsstand wird wechselseitig den Kaufleuten im anderen
Lande zugestanden, und das Vei'fahren also festgesetzt: Der eines Vergehens
Beschuldigte soll, wenn er Bürgen stellt, nicht in das Geföngniss gesetzt werden.
Klagen vor Gericht werden durch zwey Zeugen, deren Einer von dem einen, der
Andere von dem andern Volke ist, die in gutem Rufe stehen, begründet Keiner
darf den Andern, ohne dessen Einwilligung, zum Beweise durch das glühende
Elsen nöthigen, oder ihn zum Zweykampfe herausfordern; wenn Landsleute in
dem andern fremden Lande sich unter einander schlagen, so hat der Landesherr
sich nicht darein zu mischen. Der Lateiner soll vor keines andern Fürsten Gericht,
als allein vor dem des Fürsten von Smolensk von einem Russen belangt werden,
so wie umgekehrt die Russen vor kein anderes, als allein vor das Gericht in
Riga oder Gothland zu laden sind, es wäre denn, dass der Beklagte in Anderes
willigte; Keiner darf gegen den andern Gast einen Gerichtsboten (um ihn zugrei-
fen oder wegzuführen) Yu Hülfe nehmen, ohne zuvor eine Anzeige dem Olderman
seiner Nation gemacht zu haben, und in dem Falle, dass der Beschuldigte den
Befehlen des Letztern nicht folgen würde. Ein einmahl gefälltes Urtheil bleibt
in Kraft; wenn es in dem einen Lande gesprochen worden, so soll die Sache
nicht in dem andern von Neuem vorgenommen werden.
Wegen des Handels und dessen Freyheit und Schutz ward gleichmässig von
beiden Thellen in beiden Ländern Folgendes einander wechselseitig zugesagt:
hat der fremde Kaufmann einem Einheimischen Waaren auf Credit gegeben und
ist dieser zugleich seinen Landsleuten auch verschuldet, so geht den Letztem
der Fremde bey der Bezahlung vor; derselbe Vorzug bleibt ihm, wenn der Lan-
P
114 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
desherr des Schuldners Eigenthum einzieht; auch bleihen die Erben des Schuldners
gleich ihm selbst, dem Fremden wegen der Schuld verpflichtet. Bey einer
Schuldforderung hat der Gläubiger sich an den Schultheissen zu wenden und
einen Gerichtsboten zu begehren; hilft dieser ihm nicht binnen acht Tagen, so
soll er (der Schulthelss) ihm selbst Burgen stellen , und wollte man zu Smolensk,
Riga oder Gothland diess nicht bewilligen , so sind diese Orte selbst zur Zählung
verpflichtet. Die Fuhrleute, welche die Güter des einen Thells nach dem andern
über das Zwischenland (zwischen der Dnna und dem Dnepei') fuhren, haften dem I
Kaufmann. Beiden Theilen steht der freye Verkauf an andere zu, so wie die
Befugniss von da nach dritten Ländern zn fahren, nahmentlich den Lateinern von
Smolensk nach andern Orten, den Russen von Gothland nach der Trave (Lübeck);
fiir eine einmahl gekaufte Waare ist der Preis zu zahlen, sie kann dem Käufer
nicht wieder zurückgegeben werden; der Aufkauf der Güter in dem fremden
Lande steht beiden Theilen gleich frey. Der Fremde ist nicht ohne seinen
Willen unter des andern Landes Kriegsvolk zu dienen verbunden; dem Bestoh-
lenen bleibt der auf der That ergriffene Dieb zur eigenen Willkür überlassen;
wechselseitige Zollfrey heit wird beliebt; kommen zur weltern Fahrt auf dem
Zwischenlande Kaufleute beider Thelle zu gleicher Zeit an, so entscheidet das
Loos darüber, wer zuerst welter geführt werden soll, andere daselbst lie-
gende Fremde stehen Beiden nach. Scheitert den Kaufleuten des einen
oder andern Thells ein Schiff oder eine Barke, so können sie in dem Gebiete
derer, welche diese Freyheit erthellen, frey auf dem Wasser oder dem Lande
ausladen, untergegangene Güter aber aus dem Wasser durch die eigenen Leute,
oder durch Hülfe Anderer, die »Ich eben da vorfinden, wenn man ihrer Hülfe
bedarf, an das Ufer bringen gegen einen Lohn, über welchen der Kaufmann
mit ihnen vor Zeugen übereingekommen ist, und zwar \^as die Lateiner beti'ifft,
sowohl in den Gebieten von Smolensk, als auch zu Polotzk und Wltepsk.
Ausser diesen wechselseitig lur beide Thelle gleichmässig geltenden Rechten
und Verbindlichkeiten, wurde für die Lateiner noch besonders von dem Gegentheile
folgendes festgesetzt: Nach erfolgter Anzeige der Ankunft des Lateiners mit
Waaren bey dem Schultheissen, ist dieser verbunden, Wagen abzusenden ohne
den Fremden aufzuhalten, bey Tragung des Schadens, der daraus für ihn entste-
hen könnte, und die Waaren weiter zu fuhren; kommen dann die lateinischen
Gäste zur Stadt (Smolensk), so sind sie verbunden, der Fürstin die bestimmte
Abgabe, ein Stück Tuch oder Leinen, dem Schultheissen aber des Zwischenlandet
ZWBYTER ABSCIIN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 115
cm Paar Fauslhandsehuhe zu geben, damit die Waaren ohne Aufenthalt über-
gefahren werden. Der Lateiner ist verpflichtet, für zwey Last Wachs verkaufter
Waaren dem Wieger einen spaolenskischen Marder, für eine gekaufte Grivna Goldes
eine smolenskische Nogatc zu zahlen; .verkauft der Lateiner selbst, so zahlt er
Nichts. Kauft er silberne Gelasse, so erhält der Wieger eine smolenskische
Nogate ; verkauft er sie, so gibt er Niclits. Kauft er eine Grivna Silbers, so erhält
der Wieger zwey Eichhörnchen, gibt er aber Silber zum Ausbrennen, so ist ein
smolenskischer Marder zu entrichten. Sind die Waagen, auf welchen die Waaren
gewogen werden, beschädigt oder unrichtig, so soll man sie auf den Platz,
welcher hcy der Kirche der Mutter Gottes auf dem Berge und der lateinischen
Kirche liegt, bringen, und sie (mit dem dort befindlichen Eichgewicht) vergleichen.
Der Bischof von Riga, der Meister der Gotlesritter und alle Landesherren geben
den Dwina -Fluss frey von oben bis zum Meer, sowohl ta Wasser als am Ufer
allen Lateinern pnd allen Russep. Wer ein wirklicher Kaufmann ist, darf ihn
frey hinauf und hinab fahren.
Die Urkunde ward im J. 1229 ^^ Gothland in Gegenwart der russischen
Gesandten und aller lateinischen Kaufleute ausgegeben, besiegelt mit dem Siegel
der gesammten Kaufmannschaft, verfasst von den verstandigen Kaufleuten Regibode,
Djütjart und Adam, Bürger von Gothland, Mombem Friedrich Dumbr aus Lübeck,
Henrich Got Il'diger ^us Soest (Sosat, Shat), Conrad Schehel und Johann Kint
aus Münster, Bemar und Wolker aus Groningen, Ermbrecht und Albrecht aus
Dortmund, Heinrich Zishik aus Bremen, Albrecht Sluk, Bernhard Walter bnd
Albrecht Fogod, rigaischen Biirgem und vielen andern verständigen und guten
Leuten.
Diese merkwürdige Urkunde zeigi das Uebergewicht der grossen deutschen
Handelsgesellschaft auf Gothland, die ihr gemeinschaftÜches Siegel hat i). Die
1) Hierbey ist die Uebersetzuug zum Grunde gelegt» vrie sie Ewers gegeben, uud nach dem durch den
Grafen Romanzof genau besorgten Abdruck verbessert hat« Karamsin gibt einen Abdruck nach
einer in der Bibliothek des Grafen Mussin Puschkin befindlichen Handschrift, und nach dieser» eine
Darstellung der Sache, die jedoch wieder von beiden Urkunden abweicht« [Kar am s. russ. Geschichte
nach der zweiten Original - Ausgabe übersetzt (v. Fr. v. Hauen Schild). Riga 1823. B. 3. S. 175-178
n* 304 ' 309]- Ich bedauere des Russischen nicht mächtig zu seyn , um unterscheiden zu können , in
wie fem die bedeutenden Verschiedenheiten in diesen beiden Abdrücken mehr oder weniger von deu
Uebersetzuugeu herrühren, ich mufs daher eine genauere Vergleichung denen überlassen, welche der
russischen Sprache mächtig sind. Aber es bleiben auch, ganz abgesehen von dem Im Text von
Karamsin gegebenen Auszuge, zwischen der Uebersetzung der in der Mussin Puschkiuschen
Bibliothek aufgefundenen Abschrift, uud der Uebersetzung des nach dem Originale zu Riga besorgten
P 2
1(6 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
genannten Kaufleule halte Ich für die Vorsteher der unteren einzelnen Vereine und
Landsmannschaften der grossen Gesellschaft. Mit Ausnahme Lübecks, Gothlands
und Rigas sind alle übrige nahmentlich genannte deutsche Kaufleute aus Sachsen
und Westphalen und von den Küsten der Nordste. Ob unter den Bürgern von
Gothland hier die daselbst eingebürgerten Deutschen, welche bereits seit d. J.
J225 zu WIsby Ihre eigene, durch sie erbaute und vom Landesblschofe gev^^elhte
Kirche hatten, oder ob die wirklichen Eingeborenen zu verstehen seyen, ist
zweifelhaft, der eine Thell so wohl als der andere wird wohl also bezeichnet;
wären die Nahmen genauer geschrieben, die offenbar In dieser russisch ausgefer-
tigten Urkunde entstellt sind, so würde sich daraus die Frage eher entscheiden
lassen, Regibort und Djütjart klingen nicht völlig deutsch; doch helssen in
einer spätem russisch -deutschen Urkunde die EIngebornen Gothen.
Uebrigens kann es nicht auffallen, dass die Rigaer, die Gothländer oder der
gemeine Kaufmann auf Gothland bemüht sind, die Fahrt die Düna hinauf nach
Abdrucks durch den Grafen Romanzof sehr vresentliche Verschiedenherteu > die gar nicht ton den
Uebersetzeru herrühren können, über deren Werth ich nicht zu entscheiden wage. Die Abschrift, welche
Karamsin hat abdrucken lassen, erweitert die durch den Gr. Romanzof besorgte, in Einigem gewährt
sie aber auch zuweilen einen ganz andern Sinn, und yerwirrt ihn wieder in andern Stellen, auch weicht
die Folge der Sätze ab. Die wesentlichsten Abweichungen, die zur Erläuterung dienen können, sind etwa
folgende: für Lateinersteht immer Deutsche. Es ist deutlicher darin ausgedrückt, dass die Fremden iu
beiden Ländern den befreyteu Gerichtsstand yor 'dem Fürsten haben sollen, wenn sie nicht freywilJig
ihm entsagen. Der $• 22* bey Karamsin fehlt gänzlich in der Rigaer Urkunde; er lautet also:
"Wenn ein Russe "Waare Ton Deutschen in Riga, am Gothischeu Ufer oder in irgend einer deutscheu
Stadt zu fordern hat, so soll der Kläger zu dem Schuldigen gehen, und nach den Gesetzen mit ihm
Terfahreu , die in derselben Stadt bestehen , doch soll er jenem keine Gewalt anthun , und der Deutsche
soll nach demselben Grundsatze iu Russland handeln. •— Dem "Wieger ist ein smolenskischer Marder zu
zahlen, beym "Wiegen von 2 Kap oder 24 Pud "Wachs, in der andern Urkunde für zwey Last; war diess
das gleiche Gewicht? Der Jf 28- bey Karamsin lautet so: "Wenn das Eichpfund (es wog 12 Pud oder
480 Pfund) unrichtig wird i so liegt ein Kap in der Muttergotteskirche am Berge, und ein anderes in der
deutscheu Muttergotteskirche : mit diesem yergleiche man und berichtige das Pud. Dasselbe Recht haben
die Russen in Riga und am Gothischeu Ufer. — $. 34« Das Pud (Gewicht) haben die Deutschen den
VTelotshanen gegeben , nach welchem sie die Waaren aller Fremden überführen , und wenn es verdirbt,
so liegt ein gleiches in der Deutschen Kirche , und es soll dann nach diesem ein neues geschmiedet wer-
den. Auch heisst es endlich $.33; die Russen zahlen keine Gerichtsgebühren > weder in Riga noch am
gothischeu Ufer, so auch zahlen die Deutschen keine Gerichtsgebühren in Smolensk, weder dem Fürsten
noch der Thiunen, es wäre denn gute Leute riethen Etwas zu geben; mehr als diess soll aber nicht
genommen werden» weder in Riga noch am gothischeu Ufer. Dasselbe Recht hat der deutsche Gast zu
Smolensk* — Der "Vertrag wird in d, J. 1228 gesetzt, so auch in der Uebersetzung der vom Grafen
herausgegebeneu Urkunde durch Ewers, aber iu der romauzofscheu Sammlung steht d. J. 1229* >•
Urk. b« d. J.
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 117
Polotzk, Witepsk und, nach kurzer Land fahrt, his nach Smolensk zu treiben und
zu schützen, seitdem die Deutschen In Livland festen Fuss gefasst hatten. Die
Insel Golhland ist offenbar der Mittelpunct des ganzen Verkehrs. So thätig aber
sind die Deutschen allein, oder diese und die Gothen, je nachdem man das Wort
Gothland versteht, in Smolensk gewesen, dass sie bereits so früh daselbst eine
eigene lateinische Kirche besassen*, wie denn die deutschen Kaufleute seit der- An-
siedelung ihrer Landsleute in Livland emsig bemüht gewesen sind, nach allen
Richtungen hin ihren unmittelbaren Verkehr auszudehnen«
Wenden wir uns nach einer andern Seite , nach Nowgorod , wo die Deut-
schen wahrscheinlich bereits früher eine dauernde Niederlage begründet hatten,
obwohl der älteste auf uns gekommene Vertrag erst v. d. J. 1269 ist, in welchem
indess eines nicht näher bezeichneten alteren Erwähnung geschieht. Der Gross-
furst Jaroslaw Jarosla witsch 1) , im Einverständniss mit den Now gorodem und
den Abgeordneten von Lübeck und der Gothen, sagt den letzten Beiden und allen
Lateinern den alten Schutz auf der Newa zu und zwar von Kettlingen (der
Insel auf welcher Cronstadt jetzt Hegt) bis Nowgorod und von da zurück; der
Fürst und die Nowgoroder haften den Sommergästen für allen Schaden, der
ihnen begegnen könnte. Die Wintergäste sollen gleichfalls unter des Königs und
der Nowgoroder Schutz, laut des alten Friedens ungehindert in das Land kom-
men dürfen, sie sollen nowgorodische Boten und Kaufleute zu sich nehmen,
die sie begleiten ; versäumen sie diess, so bürgt ihnen der Fürst und die Nowgoro-
der nicht für den Schaden, der sie trifft; wollen die Nowgoroder die begehrten
Boten ihnen aber nicht bewilligen und nicht für sie fahren (ihnen ihre Schiffe
leihen), so sollen sie dennoch nach dem alten Frieden der ungehinderten Fahrt
bis Kettlingen sich zu erfreuen haben. Fahren aber Deutsche oder Gothen des
Verkehrs wegen nach den Carelen, so stehen ihnen die Nowgoroder nicht für
den Schaden, welchen sie leiden können. Sollten die Nowgoroder nicht (unent-
geldlich) aus eigenem Willen mit ihren grossem Schiffen die Deutschen und Go-
then geleiten wollen, so sollen sie ihnen für jede Fahrt eine halbe Mark
Silbers geben. Bedarf der Fremde (Gast), wenn er In die Newa kommt,
Holzes oder eines Mastes, so ist es ihm erlaubt an beiden Selten des Wassers
dieselben zu fällen. Kommen Deutsche oder Gothländer in die Wolchow, vor
1) Ulk. XXXII. Der von Dreyer p. 177. zuerst bekannt gemachten Urknnden gescliielit au« den bey
XI^ angei&hrten Gründen hier keine Erwähuungf
i j 8 ZWEYTE wlBTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
die Wasserfalle, so sollen die zur Ueberfahrt bchülflichen sogenannten Vorsehkerle
daselbst sie ohne Verzug fördern, gegen den alten üblichen Lohn; kommt der
Gast den Strom hinauf nach dem Ort Gästefeld, so ist, was vor Alters üblich
war, von ihnen zu entrichten. Die Llchterfahrer^ die nach der Newa und zu-
rück gemiethet sind, sollen fünf Mark Kunen oder einen Schinken erhalten, sind
sie nur von Nowgorod bis Ladoga gemiethet, dpey solche Mark oder einen hal^
ben Schinken. Zerbricht ein LichterschifiF, das Gut einnehmen sollte oder ein-
genommen hat, auf der Fahrt, so ist der Gast nur verbunden die Schiffshauer z\jk
zahlen. Würden die Lichterfahrer in Streit mit den Gästen auf der Fahrt stromauf
oder ab, gerathen, und vergleichen $ie ^Ich wieder auf der Jleise, so hat es da-
bey sein Bewenden} vergleichen 3ie sich aber nicht, so ßoUen ßie zur P.echtsver-
handlung vor dem Herzoge und den Nowgorodern im St, Johannishof erscheinen.
Die Fuhrleute zu Nowgorod erhalten für die Ladung eines jeden Lichterschlffes
vom Strande nach dem deutschen Hof fünfzehn, nach dem gothländlschen zehn
Kunen, und bey der Ausfuhr bis zu einer halben Mark Kunen. Auch im Fall
eines Kriegs der Nowgoroder mit ihren Nachbarn sollen die Gäste die gleiche
Sicherheit der Fahrt zu Wasser \ind Laud geniessep, so weit der Nowg^oroder
Herrschaft: reicht. Was über die Newa ankommt, kehrt über dieselbe auch zu-
rück, eben so, wer ?^u Laude ankommt, kehrt wieder ^u Laude zurück luit
voller Sicherheit.
Was das Recht und die Rechtspflege betrifft, so soll jeglicher Streit zwi-
schen den Gästen und den Nowgorodern auf dem St. Johannishofe vor dem Burg-
grafen, dem Herzoge und den (fremden) Kaufleuten geschlichtet werden. Schulden
halber soll weder der Nowgoroder in Gothland noch der Deutsche oder Gothe
in Nowgorod ins Gefangniss gesetzt, noch gemeine Gerichtsdiener gegen sie ge-
sandt werden, um die Schuldner beym Kleide fest zu nehmen, diese3 (wenn der
Schuldner nicht zahlt oder keinen Bürgen stellt) i3t allein dem Boten des Herzogs
erlaubt Die Sommerfahrer haften den Russen für die von den ^Winterfahrern
begangenen Vergehen nicht, eben so wenig die Letztern für die der Erstem.
Klagen über Beide werden von dem Gerichte auf St Johannishof entschieden;
wo der Streit entsteht, da soll er auch geschlichtet werden, dennoch steht Jedem
die freye Abfahrt zu. Wird ein Dieb zwischen Kettlingen und (Alt) Ladoga er-
griffen, so wii'd er an den letzten Ort gefuhrt und daselbst seinUrtheil gesprochen;
wird ein solcher zwischen Ladoga und Nowgorod ergriffen, so empfangt er sein
Urtheil zu Nowgorod. Die Uebereinstimmung zweyer Zeugen, deren Einer ein
ZVVEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 119
Russe, der Andere ein Ausländer ist, entscheidet, sind sie nicht einig, so giebt
das Loos zwischen Beider Meinung den Ausschlag. Das Erschlagen eines Boten,
eines Oldermans oder Priesters, eines Kaufmanns, Verwundung mit scharfen Waf-
fen oder Schläge, in welchem von beiden Ländern es geschehe, von dem einen
oder andern Volke, wird mit mehr oder weniger Geld gebüsst.
Zur Sicherheit des deutschen und gothischen Hofs zu Nowgorod wird zuge-
sagt, dass welcher (Russe) daselbst Einen mit scharfen Waffen verwundet, der soll
ergi'Iffen vor dem (russischen) Gerichte nach seinem Verbrechen gerichtet wer-
den. Dasselbe soll geschehen, wenn die Thüren oder Zäune derselben niederge-
hauen würden. Auch wird der Besitz der Wiesen den Deutschen wie den Gothen
zugesichert, wie sie dieselben als ihnen behörig angeben werden.
Wegen des Handels ward festgesetzt, dass eine als Pfand angenommene
Sache, nach geschehener Kündigung oder Anzeige im ersten Jahre, erst nach
Verlauf des dritten Jahrs verfallen seyn solle. Welcher Russe mit einem Deut-
schen oder Gothen in Handelsverbindung steht und deren Gut verthut, der soll
die Gäsle zuerst, dann seine übrigen Gläubiger befriedigen. Hat eine Frau für
ihren Mann sich verbürgt und bleibt die Schuld unberichtigt , so fallen Beide dem
Gläubiger als eigen zuj hat sie sich nicht verbürgt, so bleibt sie frey von jqdem
Ansprüche.
Wage und Gewicht, womit Silber und andere Dinge auf Wagschalen ge-
wogen werden, sollen gleich und recht gehalten werden j das Cap soll acht liv-^
ländische (Schiff) Pfund enthalten«
Diess ist Alles, was von den echten ältesten Verträgen zwischen Deutschen
und Gothen von der einen Seite und den Nowgorodern von der andern auf uns
gekommen ist; Deutsche und Gothen erhalten gleiche Freyheiten, beide haben ihre
geschützten Höfe nach alter Weise in Nowgorod; die ihnen zugestandenen oder
bestätigten Rechte, sind eigentlich nichts weiter als Bewilligungen des Schutzes
und Sicherung einer freyen Fahrt im nowgorodischen Gebiete, ein befreyter Ge-
richtsstand, Schutz der persönlichen Freyhelt und des freyen Verkehrs, ohne
dass besondere Abgaben oder Zölle, mit Ausnahme der alten zu Gästefeld zu
entrichtenden Gefalle, (wahrscheinlich eine Schiffsabgabe) von ihnen gefordert wer-
den. Auch war diess das Wesentlichste. Die Nowgoroder warfen ihrem Fürsten
vor, durch Misshandlungen die fremden Kaufleute aus dem Lande vertrieben zu
haben, sie nöthigten ihn zu dem eben erwähnten Verti-age. Noch in sehr viel spä-
120 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
terer Zeit wird behauptet, die eigentliclien Freyheiten, deren man in Russland
Sich zu erfreuen gehabt habe, hätten in der ZoUfreyheit bestanden.
Andere Verträge von diesem Umfange zwischen den Russen von der einen
und den Deutschen und Gothen oder einen derselben von der andern Seite sind
aus dieser Zelt (bis z. J. 1370), nicht auf uns gekommen. Indess sind mehrere
Urkunden in dieser Zelt ausgefertigt, einige davon uns auch überliefert worden,
welche den alten Schutz bestätigten. An Ursachen fehlte es nie, solche Vergleiche
oder Kreuzküssungen vorzunehmen, da nur zu oft die entstandenen Zwiste zwischen
beiden Thellen endlich wieder beyzulegen waren. Selten verliefen einige Jahre,
dass nicht Einzelne von der einen oder andern Seite wären erschlagen, gefangen,
ihrer Güter beraubt worden; der eine Thell mass dem andern die Schuld bey,
und den gemlshandelten Landsleuten suchte man dadurch Genuglhuung zu ver-
schaffen, dass man an den unschuldigen Fremdlingen das VN'^iedervergeltungsrecht
übte; so verfuhr denn auch hinwieder der andere Thell, und nachdem die Fol-
gen eines solchen Verfahrens für Beide endlich unerträglich geworden waren,
beide aber die Wiederherstellung des unterbrochenen Verkehrs doch glelchmässig
wünschten, so fand man sich zu einem Vergleiche geneigt, der leichter dann zu
Stande kam, als gehalten ward, denn stets führten neue Streitigkelten neue Stö-
rungen des Verkehrs herbey, welchen wieder neue Kreuzküssungen folgten. Diese
aber so viel wir wissen und so viele auf uns gekommen sind, bestätigten nur den
alten Frieden und enthielten keine neue Freyhelten.
So wurden In den letzten Jahrzehnden des dreyzehnten Jahrhunderts den
Deutschen zwischen Nowgorod und Plescow und in Polotzk viele Güter gerauht,
w^eil einige Russen von deutscher Seite waren gemordet worden. Eine Gesandt-
schaft von Selten der deutschen Städte nach Nowgorod, wahrscheinlich kurz
nach dem J. 1291 richtete Nichts aus, sie bekamen den Grossfürsten nicht zu
sehen, doch schienen die Bürger Nowgorods mehr, als der Fürst gegen sie er-
bittert. Der Grossfürst schob zuletzt alle Schuld auf die Nowgoroder, und Hess
den deutschen Abgeordneten sein Leid bezeugen, dass sie ohne genügende Ant-
wort abreisen müssten, denn die Now goroder w oUten das den Deutschen Geraubte
behalten, das sie unter sich und ihren Pöbel verthellt hätten. Wenn um d. J.
j298 die Abgeordneten der Nowgoroder und Plescower vor dem Bischöfe von
Dörpt und den Ordensbrüdern, vor welchen die Deutschen ihre Klagen wegen
erlittener Beraubungen vorbrachten, den Ersatz der genommenen Güter zusagten,
und das Kreuz geküsst wurde, so war diess Alles doch nicht v9n Bestand. Der
ZWEYTER ABSCIIN. VERKEHR MIT RUSSLAND. ;|21
Grossfurst Andrei Alexandrowilsch (1294 •- 1304) antwortete den Lübeckern, die
sich an ihn wegen der Aufrcchthaltung des allen Friedens und Rechts gewandt
hatten, ganz günstig, und bewilh'gte Ihr Gesuch; er schien sich ihrer bedienen
zu wollen, um zu bewirken, dass die Schweden das neue von ihnen erbaute Schlos«
(wahrscheinlich Landskrona) w ledcr niederrelssen sollten, da er \on da aus Beiden
die Fahrt auf der Newa wehren konnte; er lud sie ein, wenn der König diess
nicht wolle, so möchten sie ihm Ihre Bothen senden, um die seinigen dagegen
hinüber zu schicken, und, wie es scheint , das Weitere zu berathschlagen. Gleich
darauf oder um diese Zelt wurden mehrere Deutsche Ihrer Güter beraubt, meh-
rere zwischen Nowgorod und Plescow theils zu Wasser, theils zu Lande er-
schlagen. Darauf erschienen Abgeordnete der .Städte Lübeck, Gothland (WIsby),
und Riga, zu Nowgorod im Winter d. J, 130? ^^er 130i , welche den erlittenen
Schaden auf mehr denn 2000 Mark Silbers berechneten, welter aber Nichts er-
langen konnten als einen Schutzbrief, welchen der Gressfurst Andrei nebst dem
Possadnik SImeon und dem Tysatzkoi Matthäus den Bothen der Kaufleute von der
lateinischen Zunge, den Abgeordnelen von Lübeck, Gothland und Riga, ausfer-
tigen liesSf worin er den Ihrigen Schutz und sicheres Gelelt auf der Fahrt
zu Wasser und zu Lande zwar zusagte, ohne dass jedoch die Beraubungen aufhör-
ten, die auch nach der Abreise der Gesandten bis zum Jahr 1311 fortdauerten i).
Endlich haben wii' die Urkunde eines Vertrags zwischen beiden Thellen ganz
überliefert erhalten, welcher In d. J. 1338 zwischen den Nowgoroder Abgeordneten
und denen von Lübeck und Gothland vor dem Bischöfe von Dorpat und den Sei-
nen abgeschlossen ward. Was die einzelnen Beraubten und Erschlagenen betrifft,
so soll Ihnen oder den Ihrigen die Klage und Rechtsverfolgung derselben vor den
Gerichten frey stehen, beider Thelle Obrigkeiten sollen Ihnen behülflich seyn, die
Thäter zu strafen , und dass die genommenen Güter den Beraubten wieder erstattet
werden; aber die Kaufleute oder Gäste von beiden Selten sollen deshalb nicht
weller in ihrem Verkehr gehindert werden, weder fiir das Vergangene noch we-
gen künftiger ähnlicher Fälle, vielmehr sollen sie sicher reisen können, ohne
Verhinderung und ohne dass sie gepfändet werden.
Auch soll. Im Fall die Nowgoroder mit dem Könige von Schweden, oder den
Mannen des Königs von Dänmark (in Esthland), oder mit den deutschen Ordens-
rittern , oder mit dem Stifte Dorpat , oder dem Bischöfe in Krieg gerlethen , gleich
1) ÜB, ÜV. LXXI. XCUc, ürk. J, 130? oder 1305-
J22 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
freye Fahrt zu Wasser und Land den deutschen Kaufleuten zustehen, und nach
den alten Kreuzküssungen , den alten Briefen und dtm alten Frieden soR jeder
Streit, da, >vo er entsteht, auch entschieden werden: worauf das Kreuz geküsst ward.
Diese letzte Bedingung kommt auch in dem Jaroslawschen Freybriefe Tor,
welcher hier wohl vorzüglich gemeint ist i).
DIess ist Alles, was von spätena Bestätigungen der alten Freyhelten aus dieser
Zeit auf uns gekommen ist
Dass man zugleich von Seiten der Deutschen bemüht war zu Lande über Esth-
land und Wirland bis zur Narowa und von da auf Nowgorod durch Verträge mit
Dänmark, so lange es die Herrschaft daselbst hatte, die Fahrt sich frey zu erhalten,
und gegen Strandrecht und Aehnllches vcm dänischer Seite sich zu schützen, ist
bereits erwähnt worden. Von Selten der Bischöfe und Ordens -Meister, als
Herren des übrigen Livlandes, waren nur Begünstigungen zu erwarten, doch
stcirten ihre Kriege mit den Russen auch öfters diesen Verkehr, und, wie aus einigen
Schreiben v. d. J. 1268 und 1278 erhellet, erbaten sie sich und erhielten auch
wohl von Lübeck die Zusicherung in solchem Falle allem Verkehr mit den Russen
zu entsagen ; doch sprachen die Herren des Landes dieses keineswegs als ein Recht
an, vielmehr erkannten sie es sehr dankbar, wenn die Städte und die Kaufleute
darein willigten ; welches späterhin auch immer seltener geworden zu seyn scheint,
wie sich denn die deutschen Städte und Kaufleute selbst von den russischen Behör-
den diese freye Fahrt auch in Kriegszelten mit den Nachbaren hatten zusagen
lassen 2),
, • Waren sie aber bemüht sich eine geschützte Fahrt zu Lande über Livland
nach Russland zu erhalten, so waren sie es nicht minder zur See. Der Verbin-
dung der deutschen Gemeinde zu Wisby mit Lübeck v. d. J. 1280 und Beider
mit Riga V. d. J. 1282 zum Schutz der Fahrt auf der Ostsee bis Nowgorod ist
gleichfalls schon früher Erwähnung geschehen 3).
Aber die Fortschritte der Schweden in Finland und Carelien, die Anlage
Wiburgs durch den König Birger, seine Feindschaft gegen die Russen führten
neue Besorgnisse wegen der freyen Fahrt über die Newa nach Nowgorod herbey.
Lübeck und die Seestädte, welche die Ostsee befahren, erhielten von dem
Könige Birger von Schweden, durch ihre Abgeordneten an denselben, Johann
de Doaco oder Doway von Lübeck und Martin Puka von Wisby, auf Vorbitte
i) Urk. CXLir. 2) ürk- XXXL XXXVIlf. 3) Urk. XLI. XLYIH.
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. ^23
des römischen Königs, im J. 1295> <lass sie vom März bis Johannis und nachher
noch ein Jahr lang frey nach Nowgorod fahren dürften, obwohl seine Feinde,
die Russen dadurch gCÄtäikt würden, jedoch unter der Bedingung "Waffen, Eisen^
Stahl und Anderes {expensas) nur zum eigenen Bedürfnisse mit sich zu führen,
und Nichts der Art den Russen heimlich oder offenbar zukommen zu lassen.
Nur drey Russen aber, die mit Ihren Lichterschiffen der deutschen Kaufleule
Güter von ihren grössern Schiffen nach Nowgorod führen, verstattet er auf jedem
Lichterschiffe Schutz, unter der Bedingung, dass ein Deutscher bey den Dreyen
auf demselben seyn müsse; auch erthellt er diesen Russen keinen Schutz, wenn
er sein Heer im Allgemeinen aufbieten werde, doch sollen die städtischen Kaufleute
auch in diesem Falle seines Schutzes sich zu erfreuen haben, wenn sie ihre offenen
Schreiben bis Johannis, ihrem Versprechen gemäss, werden eingesandt haben. Das-
selbe ist im J. 1303 von Ebendemselben zu Gunsten der Lübecker, ohne jedoch
der russischen Lichterschiffe zu gedenken, wiederhohlt worden. Erich, Herzog
von Schweden, versprach um dieselbe Zelt sich der Lübecker anzunehmen, wogen
der ihnen auf der Newa weggenommenen Güter, die unter seinem sichern Geleite
gewesen wären; er und sein Bruder "VValdemar, Herzog von Schweden, sicherten
im J. ±312 auf Bitte der Lübecker Ihnen und allen Kaufleuten, woher sie sind, die
freye Fahrt auf der Newa ohne die Beschränkungen, welche ihr Bruder Birger damit
verknüpft hatte, zu, so wie sie ihnen Schutz gegen das StranJrecht auf der Newa und
in allen Thellen des Reichs zusagten. Es war aber um so mehr Alles von die-
sen Herren zu erwarten, da sie mit ihrem Bruder in gefahrvollem Kampfe vetschle-
dentllch Geldsummen (1312. 1313) von Lübeckern vorgeschossen erhalten hatten,
welche sie In kurzer Frist, bey Strafe des EInlagers, wozu sie sich in Stockholm
zu stellen versprachen, zurück zu zahlen angelobten. Diese Fahrt, wenn sie nicht
durch Fehden zwischen Schweden und Russen vorübergehend gestört war, haben
sie auch stets sich erhallen. König Magnus von Schweden bestätigte sie und
besonders den Lübeckern, so wie allen Kaufleuten, woher sie sind, Im J. 1344 i). Bey
allen diesen Störungen sind die Deutschen immer gleich eifrig bemüht geblieben,
diesen Zweig Ihres Verkehrs sich zu erhalten, sie sind nie ermüdet, und erkannten
auch in spätem Jahrhunderlen es an, dass hier der Brunnquell ihrer übrigen Nie-
derlagen und ihrer dauernden Handelsherrschaft gewesen sey. Dieses, aber war
um so mehr der Fall, als die Russen, durch die unglückliche mongolische Herr-
1) ÜB. XCIV. UV. 1296. 1312. 4344.
Q 2
124 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
ßchafl geschwächt an den Meeresküsten Manches verloren, und durch das furchter-
liclie Joch und die mnem Fehden geschwächt, dem eigenen Handel zur See mehr
entfremdet wurden. Dagegen hoben sich die deutschen Kaufleute und Städte
unter dem Schutze, ihrer Freyheit immer mehr, die deutsche Anpflanzung in
Liyland blühte immer schöner auf, und die scandinavischen Mächte, durch innere
Unruhen und Kämpfe unter einander geschwächt, kamen immer mehr und mehr
in die Abhängigkeit von diesen deutschen Städten; ihre Handelsfreyheitcn auch im
Westen von Europa unterstützten sie in dem Uebergewichte ihres Handels in der
Ostsee, welche sie immer mehr beherrschten; und so gelang es ihnen, die westli-
chen Völker mehr davon auszuschliessen und den Zwischenhandel zwischen dem
Osten und Westen mehr in ihre Hände zu bannen.
2.
Erste Bildung und En^veiterung des deutschen Hofs zu Nowgorod.
Nächst diesen Freyheiten, welche sich die deutschen Kaufleute in Russland
wegen ihres Handels dahin erwarben, fordert nun die erste Bildung und die Er-
weiterung ihres Hofes zu Nowgorod unsere Aufmerksamkeit.
Die älteste auf uns gekommene Ordnung ihres Hofs daselbst ist zwar, so wie
die zunächst folgende, ohne Jahrzahl, aber gewiss doch früher als der erste uns
bekapntc Freybrief, den sie vom Fürsten Jaroslaw erhalten hatten: und wahr-
scheinlich im Gefolge anderer frühern Verträge, deren in der Jaroslawschen
Urkunde auch Erwähnung geschieht.
Weiter rückwärts kann die Aufzeichnung der ältesten Hofordnung jedoch nicht
gesetzt werden als um d. J. 1225, sie ist wahrscheinlich in den darauf folgenden
Jahren oder Jahrzehnden aufgeschrieben worden, wiewohl der Hof selbst weit
älter ist, weshalb es gleich zu^ Anfang darin heisst: die Ordnung enthalte die
Rechtsgewohnheiten, wie sie von Anfang an auf dem Hofe der Deutschen zu
Nowgorod, nach Beliebung der Weisesten aus allen deutschen Städten, zur Nach-
achtung für Alle, welche ihn zu Wasser und zu Lande zu besuchen pflegen,
wären festgesetzt worden. Auf diese alte Sitte wird sich ausserdem zwey Mahl
in der Skra berufen. Der Hof selbst hat also früher bestanden, als diese Ordnung
ist aufgezeichnet worden, doch ist dessen Anfang schwerlich weiter zurückzusetzen,
als gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts j sie ist im Wesentlichen folgenden
Inhalts.
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 125
Die zu Wasser Ankommenden (von Golhland aus über die Newa) haben
Vorrechte vor Denen, die zu Lande auf den Hof zu Nowgorod kommen ; von Jenen
ist wahrscheinlich die Erwerbung und Erbauung desselben ausgegangen , und
unter Ihnen 'sind Die, welche den Winter über daselbst zubringen, die Wlnterfah-
rer, indem das Cllma die Zu- und Abreise nicht nach Belleben verstattete, vor denen,
die zur Sommerzeit kommen und wieder abfahren können, den Sommerfahrem,
die Bevorzugten,
Diese Wasserfahrer fiir die Sorpmer- und Winterzelt scheinen, wie es auch
sonst der damahligen Verhältnisse wegen Sitte war, mehr gemeinschaftlich, wie man
späterhin sagte, in sogenannten Admiralschaften gefahren zu seynj sie wählten,
wenn sie In die Newa kamen, sich ihre Aelterleute für den Hof sowohl als für
St Peter, aus welchen Städten sie auch seyn mochten. Der Olderman des Hofs
war, wie vollends aus spätem Nachrichten erhellet, der oberste Richter und höchste
Vorsteher des Ganzen, der die Ordnung erhielt und Alle auch bey den Russen
vertrat. Der Olderman von S. Peter, dem Schutzpatrone des Hofs und der Kirche,
war mit der Haushaltung beauftragt, er nahm die Abgaben und Strafgefälle
ein, welche vom Olderman des Hofs erkannt worden, er besorgte die gemeinsamen
Ausgaben, die Gasse, die Oekonomic, und bewahrte die Schriften des Hofs auf, so
wie die Kleinodien, welche derselbe besass. Des Hofs Olderman wählte sich
sofort vier Mann zu Gehülfen, die ihm am tauglichsten dazu schienen; Keiner
durfte bey Strafe die auf Ihn gefallene Wahl ablehnen ; Niemand durfte bey
Strafe es ausschlagen bey Verhandlungen mit den Russen, vom Oldermanne dazu
aufgefordert, ihn zu begleiten.
Dem Oldermanne der zu Wasser ankommenden Sommer - und Winterfahrer
steht es frey für sich und seine Genossenschaft ein Haus in dem Hofe, in welchem
mehrere Häuser und Wohnungen vorhanden waren, nach Gutdünken zu wählen,
er kann, wenn es Noth thut (wenn es an Raum fehlt), in seine Wohnung so Viele
aufnehmen als er will. In der grossen Stube, die den Winterfahrern gehöret,
kann ihr Olderman mit seiner Gesellschaft seinen Sitz nach WlUkühr wählen; Ist
es erforderlich (fehlt es an Raum), so sollen die Wasserfahrer den Landfahrem
Platz einräumen, wenn sie es anders vermögen. Mit Ausnahme jener grossen
Stube sind alle Allen gemein j die sogenannte Kinderstube dient den Lehrlingen
als Essstube, wenn anders nicht die Menge der Anwesenden Ihnen den Gebrauch
versagt.
126 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Findet der Olderman der Wasserfahrer , wenn er in den Hof kommt, einen
Olderman von Landfahrern vor, so soll dieser mit seiner Oldermanschaft ihm
weichen, und nach aller Sitte ihnen das Haus räumen, um welches sie geloset
haben, die Landfahrer ziehen in das andere j ist es aber nölhlg (fehlt es an Raum),
so sollen die Wasserfahrer die Landfahrer selbdritte aufnehmen.
Niemand soll neben den Sommer- öder Winterfahrern, die zu Wasser an-
kommen, einen Priester nach Nowgorod fuhren, auf des Hofs oder St Peters
gemeine Kosten ; wer es thut, der trägt selbst die Ausgabe. Jenem aber soll jeder
andere Priester, den er vorfindet, wie es auch wegen des Oldermannes der Fall
war, weichen, und an ihn sollen sich Alle halten, die auf dem Hofe sind. Nur
der Priester der Winterfahrer erhält auf dem Hofe von St. Peters Gut zu seiner
Beköstigung fünfzig Mark Kunen ; auf der Reise müssen die Winterfahrer ihn seihst
beköstigen, die Sommerfahrer müssen ihn sowohl auf der Reise als in dem Hofe
unterhalten; Beiden steht jedoch frey ihm anderweitige Gefälligkeit zu bezeigen.
Hat ein Meister einen Knapen zur Wasserfahrt nach Nowgorod angenommen,
so darf er ihn nicht entlassen, bevor er ihn nicht wieder dahin gebracht hat,
woselbst er ihn angenommen hatte, wenn er anders nicht aus rechtlichen Gründen
ihn zu entlassen befugt ist; eine Krankheit jedoch ist kein solcher Grund. H^^Q^^n
ist der Knape' seinem Herrn zu Nutzen und in Nöthen beizustehen verbunden, er
kann, ohne freycs Uebereinkommen zwischen beiden Theilen, dem Dienste sich
nicht entziehen. Sollte ein Knape auf der Reise oder in dem Hofe gegen seinen
Herrn oder einen Meister sich auflehnen, woraus Schaden und Unordnung entste-
hen könnte, und würde ihm bewiesen, dass er Urheber davon sey, so soll er zehn
Mark Silbers büssen, und seine Helfershelfer zwey Mark, Ueberwiesen wird er
durch die Aussage zweyer Meister oder zweyer Knapen, und an Schiflsbord durch
den Schiffer; befreyen kann er sich durch den Eid von zwölf Männern, und seine
Gefährten durch den von Dreyen.
Vor das Gericht des Oldermans des Hofs gehören alle bedeutende Angelegen-
heiten, Ihre eigenen Vorsteher hatten die andern Genossen oder Gesellschaften,
selbst die Jungen; so heisst es von diesen: gerathen sie während der Essenszeit
in Streit unter einander, schimpfen sie sich, so mögen sie unter einander vor ihrem
Vorstande, Oldermanne die Sache beylogen. Schlagen oder verwunden sie sich
aber unter einander, so gehört die Saclic vor des Hofes Olderman; dieser urtheilt
auch, wenn zwischen zwey Meistern, oder zwischen Meistern und Knapen ein
Streit entsteht. Gerathen Wasser- oder Landfahrer auf der Reise in Streit, und
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RÜSSLAND. 127
vereinigen sie' sich unterwegs, so hat es dabey sein Bewenden; kommt der Streit
unerledigt bis in den Hof, so muss er vor den Olderman gebracht werden. Dieser
allein entscheidet über die Zulassung eines Landfahrers auf dem Hofe, der nicht
heimhch, ohne ihm die Anzeige deshalb gemacht zu haben, eingeführt werden
darf.
"Wird eine allgemeine Versammlung der Anwesenden, Meister und Knapen
vom Oldermanne des Hofs und seinen Rathmannen angesagt, so ist Jeder zu
erscheinen bey grosserer oder geringerer Busse verbunden, er soll noch höher
gestraft werden, fünf Pfund Honigs erlegen, wenn es sich ergäbe, dass er vorsätzlich
es verschmähe der Ladung zu folgen.
Hof und Kirche gegen Diebstahl und Ueberfall, besonders auch von Seiten
der Russen zu bewahren, war ein eifriges Bemühen. Hofsvarte waren angestellt;
ein solcher soll den Hof beachten , bis drey Meister zu Bett sind , besonders auf
die Hunde sehen, die man zur Bewahrung des Hofes hielt. Der Hofwart haftet für
den Schaden, den sie anfangen, so lange als er sie bewahren soll. Löset sie ein
Anderer von der Ketle und entsteht daraus Schaden, so haftet derjenige dafxir,
der^sie gelöset hat. Durchstossen sie selbst die Ketten, so haftet deshalb der
Hofwart nicht. Wer das Amt eines Hofwarls versäumt, es sey bey Nacht oder
Tag, der büsst mit einer Mark Kunen. In der Kirche sollen Wächter des Nachts
seyn, wer den Dienst versäumt, der fällt in die noch höhere Strafe von einer
Mark Silbers, auch haftet der Meister selbst, wenn von seinetwegen die Hof-
und Nachtwache, oder der Aufenthalt in der Kirehe (Kirchenschlafen) des Nachts
unterblieben ist. Landfahrer- wie Wasserfahrer sind zu Gleichem verbunden.
Keiner soll in der Kirche mit einem Russen, er sey aus dem nowgorodschen
Gebiete oder nicht, einen Handel abschliessen , bey Strafe einer Mark Silbers.
Zu Erhaltung der Gebäude, zu Bestreitung der allgemein öffentlichen Ausgaben
zaiilen die Winterfahrer, welche zu Schiffe in die Newa kommen, einen Verdlngh
von hundert Mark ihres Guts St. Petern als Schoss , und eben so viel der Meister
lur Hausmiethe.
Wer als Sommerfahrer in die Newa kommt zahlt dasselbe, nur fiir Haus-
miethe zahlt der Meister weniger, nämlich eine Mark Kunen. Bleibt der Sommer-?
fahrer zur Winterzeit liegen, so hat er den Schoss der Winterfalu-er zugleich zu
entrichten, er habe verkauft oder nicht; Gleiches gilt, fiir den Winterfahrer, der
auf Sommerfahrt liegen bleibt, auch soll er des Königs Schoss entrichten. "Was
es eigentlich mit diesem für eine Bewandtniss gehabt habe, ist nicht gewiss.
i28 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Vielleicht ist es damit wie mit dem Zins in deutsclien Städten besehaffen
gewesen, der ursprünglich dem Landesfiirsten zu entrichten war, dann aber von
» der Gemeine erworben, nur als eine in die Gemeinde - Gasse fliessende stete Ab-
gabe blieb. Wenigstens wird die Befriedigung mancher gemeinen Bedürfnisse des
Hofes aus dieser Quelle bestritten.
Die Landfahrer zahlen die Hälfte des Schosses und eine Mark Kunen als
Hausmiethe, so wohl Winter- als Sommerfahrer, dann von jedem Pferde einen
Balg, so oft sie fahren, ankommen oder abfahren. Königs Schoss zahlen diese nur
ein Mahl im Sommer oder im Winter. Welcher Deutsche aus dem Lande
kommt (dem nowgorodscheri Gebiete), der sich zu deutschem Rechte hält, er
fahre durch oder kehre wieder, ist den halben Schoss St. Petem zu geben ver-
bunden, er bleibt aber gleichfalls frey von des Königs Schoss.
W^er sich der gemeinen Geräthschaften des Hofs bedient, zahlt ein Geringes dafiir ;
so wer St. Peters Holz gebraucht um damit zu brauen oder zu backen oder wer mit
St. Peters Kessel Wachs schmilzt. Dagegen bleiben die Kosten dem zur Lasf,
der vor seiner Abreise nicht seine Rechnung mit den Andern abgeschlossen hat,
mit welchen er in Geschäften stand, und dem man zu seiner Verfolgung Ge-
richtsbothen nachschicken muss. Was von des Hofs Einkommen jährlich übrig
bleibt, das soll nach alter Sitte und dem Beschlüsse der gemeinen Deutschen aus
allen Städten (auf Gothland) nirgends anders hin als nach Gothland geführt
werden, woselbst es in St. Peters Kasten in der St Marien Kirche gelegt werden
soll, wozu vier Schlüssel gehören, welche von vier Städten aufbewahrt werden
sollen, und zwar der eine durch den Olderman von Gothland, der andere durch
den Yon Lübeck, der dritte durch den von Soest und der vierte durch den von
Dortmund. Ohne Zweifel sind dies die Aelterleute der Kaufleute der vorzüglichsten
Städte die damahls in Gothland sich aufliielten und welche zusammen den gemei-
nen Kaufmann daselbst bildeten, indem die Kaufleute aus den einzelnen Städten
jede ihren Vorsteher halten. Der Olderman der Kaufleute von Gothland ist hier
offenbar der von den Deutschen zu Wisby.
In dieser ältesten Hofordnung lautet Alles viel einfacher als späterhin; die
Gesellschaft der nach Nowgorod handelnden Deutschen hat zur Handhabung ihrer
Ordnung diese Beliebungen von Alters her beobachtet und aufzeichnen lassen.
Die Wasserfahrer haben den Vorzug, sie sind wohl zuerst hierhergekommen, und
haben die Niederlage gestiftet, wahrscheinlich ist das Ganze, wie deutliche Spuren
zu erkennen geben, von der grossen deutschen Handelsgesellschaft in Gothland
ZWEYTER ABSGHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. i29
ausgegangen. Aber sie , diese hierher fahrenden Kaufleute verfahren ganz selbst-
ständig, keine Stadt hat ihnen Ihre Einrichtung vorgeschrieben, sie wählen sich
aus Ihrer Mitte Ihren Vorstand, und zwar den, welcher am geschicktesten dazu
ist, ohne auf die Abkunft aus irgend einer Stadt beschränkt zu seyn. Die Skra ist
sehr kurz, Ordnung zu handhaben, Hof und Kirche zu schützen, die Anstalt
durch geringe Beyträge zu erhalten, das Ist die Hauptsache. Der Ueberschuss des
Einkommens des Hofs soll jährlich zufolge alter Sitte in die Marien Kirche der
Deutschen zu Wisby niedergelegt werden i).
Diese ganz einfache Ordnung hat jedoch im Verlauf der Zeit manche Ver-
änderung erlitten, so wie die Stadt Lübeck vor allen andern Städten an Macht
und Ansehen sich mehr emporhob, so war sie auch bemüht, einen grössern EInfluss
auf diesen Hof, wie auf alle Niederlagen sich zu verschaffen, und Vorschriften ihm
zu ertheilen, ja sie war bemüht, den EInfluss, welchen die deutschen Kaufleute
auf der Insel Golhland und die Deutschen auf Wisby auf diesen Hof der That
nach, gleichsam ausschllcssend besessen hatten, an sich zu reissen. Eine Reihe
von Urkunden aus dem Ende des dreyzehnten Jahrhunderts liefert darüber un-
bezweifelte Belege. Die Stadt Lübeck ward in dem Unternehmen durch mehrere
ihr östlich benachbarte wetidlsche Städte besonders unterstützt, vorzüglich von
Rostock und Wismar, die dasselbe lüblsche Recht angenommen hatten, und die
es nicht ungern sehen mochten , dass von dem Hofe zu Nowgorod allein die Be-
rufung nach Lübeck gelten sollte, was bey ihnen in Bezug auf alle Rechtsstreite
ohnehin der Fall war, um damit die Herrschaft über die Niederlage der
Freundin zu verschaffen.
Alles schien auch nach W'^unsch zu gehen; wir haben Urkunden, die be-
zeugen, das die sächsischen, die wendischen, die preussischen und westphällschen
Städte beliebt hätten, dass allein von dem Hofe zu Nowgorod nach Lübeck eine
Berufung stattfinden sollte, aber auch eben' diese Urkunden, deren Echtheit
durch Geistliche bezeugt ward, drücken allgemein aus, was doch nur theilweise
1) Wäre der Ausdruck nach alter Sitte den Ueberschuss nach Gothlati^ zu bringen und in St. Peters
Kasten in der Marienkirche daselbst nieder zu legen, auf Beides zu beziehen» so könnte diese alte Sitte
nicht über das J. 1225 hinausreichen, indem die Kirche erst in dieser Zeit vollendet und irom Bischöfe Ton
Linköping eingeweiht worden ist. Ich halle indess dafür, dass diese alte Sitte, von welcher hier die Rede
in, auf die Verführung des Ueberschusses nach der Insel sich eigentlich beziehe, obwohl die Kiederle-
guug desselben in St. Peters Kasten erst v, J. 1225 au hat stallfinden können.
R
130 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
der Fall war. Aus allen diesen Thcilen haben mehrere und sehr angesehene
Städte dem "Wunsche und der Aufforderung Lübecks sich nicht gefiigt. Zu den
Lübeck beytretenden gehörten: Cöln, Dortmund, Paderborn, Minden, Lemgo,
Lippe, Herford, Höxter, Magdeburg, Halle, Braunschweig, Goslar, Hildesheim,
Hannover, Lüneburg, Rostock, Stralsund, Wismar, Greifswald, Kiel, Stade,
Riga, Danzjg und Eibingen : aber von allen übrigen hat man keine dieser Neuerung
beystimmende Erklärung und in dem Verzeichnisse der dem Wunsche Lübecks
beytretenden Städte kommen keine andere als die genannten vor. Gleichwie Lübeck
die Städte für sich gewinnen wollte, so verfuhr auch Wisby. Dieser Stadt Um—
laufschreiben ist uns erhalten worden, worin sie warnt, alte Freyheit, Unabhän-
gigkeit und Recht nicht zu verscherzen; diess ist bey mehreren und selbst sehr
angesehenen Seestädten nicht ohne Wirkung geblieben, zumahl da auch Eifersucht
über Lübecks Anmassungen und Vorherrschaft hinzukommen mochte. Hamburg,
Münster, Soest und Osnabrück w^aren schriftlich von Lübecks Freunden, Rostock
und Wismar, aufgefordert worden, sie sind aber laut jenes Verzeichnisses nicit
gefolgt, auch fehlten mehrere andere angesehene Seestädte als Bremen, Rcval,
Dorpat; Pernau, Königsberg, Thom, Culm, Braunsberg, mehrere der kleinem
wendischen Seestädte, als Anclam, Demmin, Stettin, Neustargard und viele der
Landstädte, die doch so gut als andere von Lübeck mochten aufgefordert worden
seyn. Die letzte Stadt hat die Ausschliessung der Deutschen auf Gothland oder zu
Wisby von der Hen-schaft über den Hof doch nicht ganz durchsetzen können, wohl
aber ist ihr gelungen, dieselbe mit ihnen zu theilen, und wenn die Nähe der Insel
dieser immer einen gewissen, ihr nicht zu raubenden Vorzug erhielt; so hat die
Stadt Lübeck doch durch ihr beyspiellos reges Emporkommen, späterhin vollends
beym Verfall der Insel, immer mehr an Einfluss hier gewonnen, obwohl doch den
grössten Theil des vierzehnten Jahrhunderts hindurch, wie durch viele Urkunden zu
belegen ist, Lübeck es nicht wagte eigenmächtig in den Angelegenheiten des Hofs
zu verfahren. Weit über das vierzehnte Jahrhundert hinaus, im fünfzehnten
nähmlich, ist diese getheilte Herrschaft geblieben, bis nachher auch die Livländer
einen Antheil daran genommen, und noch späterhin die vollendetere Verbindung
der grossen deutschen Hanse auf den Tagsatzungen die Aufsicht über alle
Niederlagen mehr in ihre Gewalt bekam i).
1) Urk. J. 129|, LXXXI-LXXXn^, XC. Tu dfieser letzten XJrkuiiJe, rfie oTiue JaTirzalil ist, Jas Vidimus ist t.
^* 1298 1 erklart die Stadt Ri^'a der Stadt Luheck, dass Lübecks Nähme in der (nowgorodischeu) Skra
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. ^31
Aber zuerst, als die Stadt Lübeck eine ausschliessende Macht begründen
wollte, %vas ihr nicht ganz gelungen ist, erliess sie wahrscheinlich um dieselbe
ohue ihr Wissen ausgelöscht wordeu sey, sie entschuldigt sich desshalb. Ist diess etwa auf Veranlassung
Wlsbys oder der Gesellschaft der Deutscheu auf Gothland geschehen? Ist diese Urkunde früher zu setzen»
so möchte diese That als die erste äussere Veranlassung des iStreits betrachtet werden können. Die fol-
genden Bogen werden deutlich zeigen , so wie die Recesse am Sohluss , dass die Herrschaft zwischen
beiden Städten gethßilt blieb. Aber es mag hier schon im Voraus ein Auszug aus einer spätem Skra
ohne Jahrzahl, aber gewiss aus dem fünfzehnten Jahrhunderte stehen, die unter der Aufschrift Statuta No^
rogardica s, a, im Archive der Stadt Cöln aufbewahrt wird, und die es bestätigt, dass die Theilung der
Oberherrschaft unter beiden Städten auch in dieser spätem Zeit noch bestand* Es heisst daselbst, in dem
überschriebeneu Artikel ;
Vari Ordelen.
It is to wef endet dat men alle Rechte y de in desseme hohe staen^ no dessen hohe richten schalL JVere
dat ouer also » dat en ny Recht ppstunde , dat in dessen hohe nicht geschreuen en were , dat scholden die
Olderman vnnd Jf^isesten dar vntweren , hy willen vnde hy vulhorde beider Partlieien , of sie Jammer mögen :
weret ouer alsoy dat dat recht off ordel jenich Man bescheiden wolde^ de schall leggen vnder Sunte Petere dre
mark sulueres ; so schall die Olderman mid sine Wisesten dat Recht, bi wetende vnde vulhorde der Partheien
an beiden siden beschriuen an den Raet vnd Statt tho Lubeke vnde an den Raet vnde an de Statt tho Got-
lande ; de scholen dar tho then de Jene , de dar schuldig sin ouer to wesende , de schalen dat vntweren mit
Rechte, Vnde wo lange dit Recht an Richters dwanck steity so bliuet en jewelick Man vnuersumet inn alle
sine Rechte ; vnd u/o sie den des Richters ouer een drcgen , dat scholen sie beschriuen jnn den Hoff tho No-
gardeny dat schall men den vort vor ein Recht in dit bocke schriuen, Jf^ert dan de Man^ die dat ordel
beschulden heuet , nedderi/elich des Rechten , so heuet he Sunte Petere verboret de dre mark sulueres*
JVert he ock an sinet sahen Recht , so schal men eme wedder geuen sine drey mark*
Van Sunte Peters Gelde,
So wat gelde dat Sunte Peter ouerlopet bouen die Cost de jnen inne haue verdoen moet y dat schall men
voren eines Jares tho Gottlandt , dat ander Jar tho Lubeke , vnd so wat mallich vntfeit , dat schal men
beschriuen y vnnde malik in siner Statt vnde doen dar Rekenschap äff.
Wenn es aber in einem Schi'eiben I^übecks an Riga ohne Jahr zahl (Clf.)» das vielleicht in den Anfang
des Tierzehnten Jahrhunderts oder nach der Mitte desselben zu setzen ist, heisst, dass Riga den Schlüssel
zum Kasten nach Nowgorod schicken soll, mn daraus die Bedürfnisse des Ilofs zu bestreiten, so mag diess,
indem der Ueberschuss in Nowgorod geblieben war} als eine Ausnahme von der Regel betrachtet werden
köuneui der durch die Unsicherheit zu "Nyasser bey eben herrschenden Fehden veranlasst worden war , und
vielleicht war es auch desshalb geschehen» dass der Schlüssel, den Lübeck haben sollte, dort in Riga
niedergelegt war» indem diese Stadt näher dem Hofe lag» und zu >y asser oder Land dahin gesandt
werden konnte. Ist die Urkunde aber um d. J* 1361* zu setzen, so ergibt es sich sogleich, dass wenig-
stens der Geldüberschuss des Hofs damahls nicht nach YTisby gesandt werden konnte, indem Stadt und
Insel durch Eroberung unter dänische Herrschaft gekommen waren. «-Aus einem andern Schreiben des
Hofs an Lübeck (CV.) ohne Jahrzahl » wahrscheinlich aus der sweyten Hälfte des vierzehnten Jahrhun-
derts, erhellet der Wunsch der Rigaer, dass auch aus ihrer Mitte Aelterleute des Hofs' u. St« Peters
möchten gewählt werden. Doch diese Aelterleute erklären, Niemand könne sich erinnern, dass diess )e der
Fall gewesen sey. Aber die Livläuder sind um so weniger in ihren Ansprüchen ermüdet» als sie mit
ihrem Gedeihen einen so grossen Antheil an dem russischen Handel nahmen» und in ihrem Lande ein so
R 2
132 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Zeit gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts eine Hofordnung oder Skra, in
welche zwar die Verordnungen der alten wörtlich aufgenommpiji wurden , bis auf
den Schluss, in welchem Ton dem Niederlegen des überschlessenden Geldes auf
dem Hofe m der Marienkirche zu Wisby die Rede war, wie denn jeder Schein
von Theilnahme Gothlands oder Wisbys an dem Einflüsse darin sorgfältig bis
auf den Nahmen vermieden, dagegen die Oberherrschaft Lübecks über den Hof
mit dürren Worten darin ausgedrückt wird: sie, die Stadt Lübeck wilL wenn
über das Recht auf dem Hofe , über die da zu befolgenden Einrichtungen Zweifel
entstehen, gnädiglich entscheiden und mit ihrer Weisheit den Zweifelnden aus-
helfen. Diese zweyte eigenmächtig von Lübeck gegebene Hofordnung ist, ver-
glichen mit den ältesten etwa drey Mahl so w^eitläuftig. Der bey Weitem grösste
Theil derselben aber besteht in lübischem Rechne, wie es sich damahls ausge-
bildet hatte; wo aber lübisches Recht galt, von da erfolgte die Berufung nach
Lübeck von selbst, und somit war auch der Stadt Einfluss auf den Hof festgestellt
Hienach aber strebte Lübeck unablässig, auch zu Bergen in Norwegen sollte
Niemand zum Olderman oder in dessen Rath gewählt w^erden, der nicht aus
einer Stadt wäre, wo lübisches Recht galt.
Die Sätze, welche lübisches Recht enthalten, sind hier nicht nöthig besonders
angeführt zu werden. Ein anderer, jedoch der bey Weitem geringste Theil
dieser Skra, fordert aber eine Erwähnung, dem w^ahrscheinlich, wie auch von eini-
gen dieser Sätze bestimmt nachzuweisen steht, die Beliebungen zum Grunde lagen,
wie dieselben auf dem Hofe selbst vom gemeinen Kaufmann im Verlaufe der Zeit
seit dem Verzeichnen der ältesten Skra waren beschlossen worden. Auch sind
einige Sätze des lübischen Rechts zu erwähnen, die einige Aendrung bey der An-
ordnung erlitten, nicht zu gedenken, dass die Geldbussen meist der Grösse nach
verschieden sind, und dass hier für die Stadt Lübeck, den Vogt, den Rath stets
St. Peter, die Alter- tmd Rathmänner gesetzt werden. So heisst es dann: Kein
deutscher Kaufmann soll Gut von einem Russen borgen (auf Credit nehmen),
bey Strafe von zehn von hundert des Werthes dieses Gutsj und bey fünfzig
Mark, wenn er sein Gut in Gesellschafl; (Compagnie) mit einem Russen hat, oder
lebhafter Verkehr mit den Rnsseu war. Auch wird sich aus den Acten und Hecessen des letzten Jahr-
zeheuds dieses Zeitraums ergeben , dass \ou Zeit zu Zeit Etwas ihnen nachgegeben ward ; aber die auge-
führte Stelle aus der Skra, die in das fünfzehnte Jahrhundert zu setzen ist, sagt es gleichwohl aus, dass
die ijte zwischen lAibeck und Gothland getheüte Oberherrschaft bis dahin sich erhalten hat.
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 133
dessen Güter weiter fuhrt, (Ihm als Comnilssionair oder Spediteur dient); das
Letztere gilt auch in , Hinsicht auf die Walen, die Fläminger und wegen des Eng-
lischen Gutes,
Hat sich eine Gilde (Gesellschaft etwa von Winter- und Sommerfahrern)
gehlldet, und wird von ihr Meth gebraut, so soll der, welcher so lange in dem
Hofe ist, dass Wasser, Honig und Hopfen zusammen gemischt werden, auch
zu den Auslagen beytragen, bevor er den Hof verlässt. Die Geldbussen, welche
die Wedde erkennt, die sich bis auf zehn Mark Silbers und darüber belaufen,
fallen dem Kläger zu, der aber davon zwey Mark St. Peter und eine halbe Mark
dem Olderman, und die andere halbe Mark dessen Rathmännern zu geben hat;
wäre kein Kläger da, so bekommt die ganze Summe St. Peter, welcher eine
Mark Silbers dem Olderman und den Rathmännern abzugeben hat. Von Geld-
bussen zu drey Mark Silbers und darunter fallt die Hälfte dem Kläger, zwey
Theile der andern Hälfte aber fallen St. Peter, und der dritte Thcil dieser halb
dem Olderman, halb den Rathmännern zu; ist kein Kläger vorhanden, so fallen
zwey Theile der Busse St. Peter und das letzte Drittel halb dem Olderman und
halb den Rathmännern anhelm.
Steht ein Beklagter vor Gericht, und ginge er hochmüthig hinweg, obwohl
der Olderman ihm geboten hätte, dem Andern zu Recht zu stehen, der soll in
anderthalb Mark Silbers verfallen seyn, wovon die Hälfte der Kläger, zwey Drittel
der andern Hälfte aber St. Peter, und das dritte halb dem Olderman und halb
den Rathmännern verfallen seyn soll. Wer straffällig wird oder den andern
schlüge an der Gremeten, an einem unter öffentlichem Schutze stehenden Orte,
auf dem Kirchhofe oder in der Kirche, oder in der grossen Stube, wo man zu
essen pflegt, der soll ausser der gesetzlichen Busse drey Mark Silbers wegen des
gebrochenen Marktfrledens zahlen, welche halb dem Kläger zufallen, die andere
Hälfte soll zu zwey Dritteln St. Peter haben, und ein Drittel halb dem Oldermanne
und halb den Rathmännern zufallen.
Rühmt sich Jemand einen Gewährsmann stellen zu können , so soll er den
bey seinem Nahmen nennen , und ihn binnen vierzehn Nächten zur Stelle schaffen,
wenn er im Lande ist, ist er ausser demselben, binnen sechs Wochen, und ist
er über See, binnen Jahr und Tag. Binnen Landes bedeutet innerhalb der
Herrschaft der Nowgoroder, ausserhalb Landes von der Grenze an bis Riga und
über ganz Esthland , und über See sind die Lande diesseit (d. i. von da westlich
nach Deutschland) belegen.
134 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Hai Einer des Andern Gut unter sich, es sey well er mit ihm In Handelsge-
sellschaft ist, oder als dessen Beauftragter nun weiter verfahrt zu senden, so kann
er dasselbe nicht veräussern, verspielen oder durch Verbrechen verwirken.
Wer mit grössern Schiffen nach der Newa segelt und Waaren angenommen
tat, der aber nicht abfahren kann, vielleicht weil die Befrachter noch nicht fertig
geworden sind; oder die Ladung noch nicht voll Ist, so soll er zur Fahrt an-
nehmen , wessen Gut er will , sowohl nach als von Nowgorod.
Die Ackerleute und Rathmänner sollen alles in den Hof gebrachte Gut
besehen und prüfen , bevor man es zum Verkauf ausbiete , bey einer Busse von
zehn Mark Silbers.
Zu den Vorschriften, zu welchen der Grund bereits im lüblschen Piccht liegt,
die aber doch einige nicht unbedeutende Veränderungen erlitten haben, sind etwa
folgende zu rechnen. Verwundet Einer den Andern mit scharfen Waffen und behält
dieser das Leben, so soll Ersterm die Hand abgehauen werden, es sey denn dass
«r sich sonst mit Einstimmung der Kläger, des Oldermans und der Rathmänner
auf andere Y^^eise abgefunden hätte; wäre der Thäter vom Hofe entkommen, so soll
sein auf dem Hofe befindliches Gut zu zwey Thellen seinen rechten Erben zufallen,
das übrige soll der Kläger haben, welcher, wenn so viel vorhanden ist, zwey Mark
Silbers St Peter und eine Mark dem Olderman und den Rathmännern abzugeben hat
Wird Einer von dem Andern vor Gericht geladen, so soll er die beiden
ersten Mahle, wenn er nicht erscheint, eine Geldstrafe entrichten, folgt er der
dritten Ladung nicht, so sollen der Olderman und die Rathmänner vor seine
Wohnung gehen, wo er seine Waaren hat {hlet\ und da das Gericht halten j was
dem Kläger alsdann rechtlich zuerkannt wird, das soll man ihm aus demselben
überantworten. Der, dessen Pferd los auf dem Hofe umherläuft und einen An-
dern beschädigt, kann es aufgeben und er haftet nicht welter, das Pferd Ist dann
St. Peter und dem Kläger verfallen, betrachtet er aber ferner das Pferd als sein
eigen, so muss er büs.sen.
Sind Einem die Kleider zerrissen worden, ist Einer blau oder blutig geschla-
gen oder geschimpft worden, so gilt desshalb jedes Mannes Zeugniss, der unbe-
scholtenen Ruf hat, er sey Herr oder Knecht
Entsteht auf dem Hofe Zwist zwischen zwey guten Leuten, und kommen
zwey Meistermänner dazu, die mögen bcy zehn Mark Silbers Frieden bieten, und
lassen sie nicht davon, so soll die Strafe wie sonst zwischen St Peter, dem Older-
man und den Rathmännern gethellt werden.
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 135
Jährlich soll diese Verordnung einmahl den Sommer- und Winterfahrern
vorgelesen werden, von Anfang bis zu Ende.
Wahrscheinlich ist es, dass nicht nur diese Vorschriften, sondern auch die
welche das lüblsche Recht sonst enthielt, allmählig hier angenommen und befolgt
worden sind, sie widersprachen dem bisher Uebllchen wohl eben nicht, nur die
Mannigfaltigkeit der Geschäfte, die hier gemacht wurden , die verwickelten Fälle,
die entstanden,' forderten eine bestimmte Weisung, und da fortan die Berufung
von den Sprüchen nach Lübeck, wie nach Gothland oder WIsby ging, so war
dieser Auszug nicht wohl zu entbehren.
Indess geschieht in der folgenden dritten Skra dieser lübischen Vorschrift
keine bestimmte Erwähnung. Diese besteht grösstenthells aus Beschlüssen, die
von dem Olderman, seinen Rathgebem und der allgemeinen Versammlung der
Kaufleule zu Nowgorod allmählig beliebt worden sind v. d. J. 1315 an bis einige
Jahre über die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts hinaus, worin Altes und
Neues gemischt ist, wie Jenes allmählig eine Veränderung forderte.
Diese Sammlung Ist von den um d. J. 1370 nach Dorpat Abgeordneten,
Johann Scepenstede von Lübeck und Daniel van der Heyde von Gothland (WIsby)
gesammelt und verbessert worden. Wegen des Krieges, der schon zwey Jahre
zwischen LIvland und den Russen dauerte, war der Hof zu Nowgorod verlassen,
die Kirche zugeschlossen worden, der Kaufmann w^ar der Unsicherheit wegen
von da abgezogen, er hatte St. Peters Geschmeide, die Messgewänder, die
Bücher, Briefe und alte Skraen mitgenommen, welche den beiden Abgeordneten
von J-iiibeck und Gothland zu Dorpat, als nun den höchsten Obern der Nieder-
lage übergeben wurden. Die beiden Abgeordneten fanden aber, dass etliche
Blätter in diesen Skraen ausgeschnitten, andere überschrieben worden waren,
andere, von Unwissenden herrührend, enthielten Sachen, die nicht hinein gehörten,
thellwelse wiederum überschrieben. Dieser betrübte Zustand der Verordnungen,
die Allen zur Richtschnur dienen sollten, veranlasste jene beiden städtischen Abge-
ordneten, diess Buch der alten Skra zu emeucm und zu gebieten ^ dass man nur
das, was wirklich und gesetzlich beliebt werden und bleibend bestehen solle,
in diese Skra eintrage; sollte sich aber Jemand unterstehen in der Folge, ein Blatt
auszuschneiden oder einige Stellen zu überschreiben, so soll er mit seinem Leben
oder Gute, nach dem Urtheile des Kaufmanns, dafür haften. Es scheint, dass
diese beiden Abgeordneten den Hof im folgenden Jahre 1371 nach der ver-
besserten Sammlung der Verordnungen in Nowgorod herstellten , und ohne Zweifel
J3Ö Z^VEYTE ABTHEIL. ' GESCH. DES HANDELS.
ist es eben diese verbesserte Sammlung, welcbe mit den Beschlüssen — nach der
Zeitfolge — V. J. 1315 anhebt und sofort bis z. J. 1355 geht, die auf uns
gekommen ist.
Von d. J. 1338 haben wir endlich noch gewisse Vorschriften für den Hof>
welche wahrscheinlich von den Abgeordn6ten der beiden Städte von Lübeck
Marquard von Cosfelde, und von Annemer von Essen aus Gothland beliebt
worden sind, welche nach Dorpat waren gesandt worden, um mit den dahin
abgeordneten Russen die entstandenen Streitigkeiten beyzulegen , welche dann bey
dieser Gelegenheit mehrere dem Hofe zur Richtschnur dienende Vorschriften er-
Hessen. Durch diese beiden, die Sammlung jener alten BcIIebungen des Hofs, so
wie durch diese Vorschrift^ ist In der alten Einrichtung zwar nichts Wesentliches
geändert worden, allein das Alte wird erläutert, nach Umständen verbessert, und
nur das ist ganz neu, dass, wenn nach alter Freyhelt der Gesellschaft es zustand
sich ihre eignen Verordnungen zu geben, ein Recht, was sie auch fortdauernd
behielt, dennoch eine andere Gesetzgebung aufgekommen war, nähmllch die,
welche von Lübeck und Gothland ausging , deren Abgeordnete eigenmächtig
Vorschriften erthellten, und dass das Ganze, selbst die Bestätigung der von der
Gesellschaft gefassten Beschlüsse, ja die Ernennung ihrer Vorsteher von h(tiden
Städten abhängig gemacht waren.
Zur genauen Einsicht in den Zustand des Hofs und seines Handels ist ein Auszug
der wesentlichsten Puncte aus der erneuerten Skra und aus den Vorschriften der
beiden lüblschen und gothländischen Abgeordneten v. J. 1338 nach der Zeitfolge
hier mitzuthellen unerlässlich , um sich, so weit es noch möglich ist, ein ti'eues
Bild des ganzen Zustandes zu entwerfen.
Gutes und verfälschtes W^achs in Russland zu erhalten war eine der Haupt-
bemühungen der Vorsteher des Hofs, da über dessen Verfälschung so viel Streit
beym weltern Absatz auf den Märkten im westlichen Europa entstand. So verboten
die Vorsteher und der gemeine Kaufmann des Hofs zu Nowgorod in verschiedenen
Jahren 1315 > 1332 u. 1333 bey schwerer Geldstrafe den Aufkauf des verfälschten
Wachses. Sie erklären, dass es ihnen schwer geworden sey, und einen grossen
Aufwand in Auslagen und Geschenken beym Fürsten von Nowgorod und den
Seinigen gekostet habe, um es dahin zu bringen, dass das eingebrannte falsche
Zeichen des Wachses, als wäre es gutes, von russischer Seite abgeschafft worden
sey. Die Strafe ward im J. 1332 auf Befehl von Seiten der Städte erneuert,
das verfälschte Wachs soll verbrannt werden, wer es heimlich ausfahrt, soll
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 137
50 Mark Silber erlegen, fast die höchste Geldstrafe die man zu erkennen pflegte,
und von dem fernem Besuchen des Hofes ausgeschlossen seyn. Kauft Jemand
aber solch betrügliches Wachs auswärts des Sprengeis von St. Peters Recht und
brächte er es nach Nowgorod; so soll er dasselbe nicht in St. Peters Kirche
bringen düi*fen, er habe denn die Geldstrafe entrichtet, und die Erlaubniss des
Oldermans des Hofs und der gemeinen Deutschen dazu erhalten ; dieselbe
Strafe soll statt finden bey kleinen wie bey grossen Quantitäten. Im J. 1333
ward beliebt, dass das durch die Beschauer (Wachsfinder) fiir gut erkannte
Wachs allein von St. Peters Aelterleuten mit St, Peters Siegel gezeichnet, und
durch sonst Niemanden besiegelt werden solle; dergleichen Wachsfinder aber sollen
Sommer und Winter das ganze Jahr hindurch auf dem Hofe gehalten werden.
Mochten die Klagen über das verfälschte Wachs die sie bey dessen Absatz
im Westen vernahmen, zu so ernsten Maasregeln antreiben, so forderten die
Klagen der Russen über verfälschte Tücher, welche die Deutschen aus dem
Westennach dem Osten führten, gleiche Verfügungen. Im J. 1327 ward zu Nowgo-
rod vom Kaufmanne beliebt, dass Tücher, die ausserhalb eines Orts, wo keine
(köre) örtliche Aufsicht und obrigkeitliche Vorschrift über dessen Bereitung ist,
verfertigt werden, nicht nach Nowgorod geführt werden sollten; dixmudische,
ypemsche und langemarksche darf Jeder einfuhren , nicht aber die, welche ihnen
nachgemacht, auf ähnliche "Weise geschoren und gefaltet sind, bey Verlust der
Tücher und zehn Mark Silber fiir St Peter; dasselbe gilt wegen der (Cappelaken)
Tücher %* Geistliche und Mönche, die nicht zu Aachen und Cöln gemacht
worden, dasselbe sollte auch von den Umschlagtüchern gelten, die um einen
Packen Tücher gelegt wurden, welche von dem Gehalte der übrigen darin ent-
haltenen zeugen sollten, welche ebenfalls nachgemacht wurden. Eben dessbalb
sollen Wanclfinder wie Wachsfmder das ganze Jahr durch angestellt seyn.
Im J. 1318 ward untersagt in Nowgorod Gut zu kaufen oder auf Credit zu
nehmen, unter der Bedingung den Kaufschilling an andern Orten z. B. zu Dorpat zu
bezahlen; wo das Gut gekauft wird, da soll es auch bezahlt werden. Im J. 1333
aber ward beliebt, dass die Deutschen weder Kupfer, Zinn und Bley noch anderes
Gut, welches sie an die Russen absetzen, denselben auf des Königes (des Now-
gorodischen Fürsten) Wage zuwicgen sollten , bey Strafe von 1 Mk. Silbers.
Durch diese Beschlüsse ist in der alten Einrichtung des Hofes Nichts geändert
worden. Diese Beliebungen bezogen sich lediglich auf den Handel, um den Klagen
über verfälschtes Gut bey den Russen sowohl als bey den westlichen Völkern
S
138 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
nahmcntlich auf dem grossen flandrischen Markte vorzubauen , und die Streitig-
keiten in dem Verkehr zwischen Deutschen und Russen zu vermeiden : sie sind an
sich deutlich und bedürfen keiner Erläuterung i).
Die Vorschriften der beiden Abgeordneten von Lübeck und Gothland von J
d. J. 1338 bilden einen Nachtrag zu der altern Hofordnung.
Der Aufsatz hebt also an: Also soll stehen der Hof zu Nowgorod; doch
ist auch dadurch wenig in der alten Ordnung des Hofs geändert worden, Einiges
ward jedoch naher bestimmt und weiter ausgeführt Die meisten Vorschriften
bezichen sich auf den Handel zu Nowgorod mit den Russen und auf dem Hofe.
Das alte Gebot, dass jeder seinen Knapcn, den er mitgebracht, auch wieder
hinwegfiihren müsse, ward bey einer Busse von fünf Mark Silbers erneuert, und
der Knape, der ohne seines Herrn V\^illen. bleibt, dergleichen Busse unterworfen,
auch soll er von Stund an den Hof verlassen. Als Meister wird der angesehen,
der auf eigene Kost in den Hof kommt , bis er ihn verlässt. Niemand soll fort-
dauernd des Handels w egen auf dem Hofe bleiben ; nach dem Verkaufe seines
mitgebrachten Guts soll er abreisen, wobey die Wandelung (der Tausch) auf dem
Hofe nicht beschränkt wird. Will Einer schnell verkaufen, so kann das Gut von
jedem sich daselbst aufhaltenden Herrn oder Knapen gekauft werden. Beym letzten
Kauf soll Jeder mit seinem mitgebrachten Gute Alles berichtigen und dann abreisen,
Winterfahrer bis zum letzten Wege und zum ersten offenen Wasser, Sommerfahrer
bis zum letzten Wasser und . zum ersten Wege. Ausstehen kann Jeder mit seinen
Waaren, so lange als er Käufer findet, auch steht es dem abreisenden l^ister frey
seinen Knapen bey seinem Gute zu lassen, bis es verkauft ist, dann muss aber auch
dieser abreisen, bey einer Busse von fiinf Mark Silbers. Der Kleinhandel s^en
den Russen zu verbleiben, Packleinwand soll von den Deutschen nur zuxgajnzen
Packen oder Stücken verkauft werden, auch ward es untersagt, in dem Hofe Zeug
zu Hosen, Mänteln oder sonst einzeln abzuschneiden, um es sofort zu verkaufen.
Auf dem Hofe sollen keine Mäkler geduldet werden ; bey verändertem Handel ward
im folgenden Jahrhundert aber die Vorschrift nicht beachtet, wir haben aus
dieser spätem Zeit eine in Nowgorod gegebene Mäklerordnung. Erneuert ward
das Verbot mit den Russen auf Credit zu handeln, mit ihnen, den Walen, Fla-
mingem und Engländern eine Handels- oder Schifffahrtsgemeinschaft zu haben.
1) Diese Skra, welche die Beschlüsse v. 1315 und spätem Jahren enthält, endigt hier nicht, es ist aber
der Zeitfolge wegen, um nicht frühere Beschlüsse mit spätem zu vermengen, die Urkunde ▼. J. 1338
hier dazwischen geschoben worden, wie jene ununterbrochen lautet. S. Urk. CXXV.
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND.
139
/•C
Auch soll Niemand weder zur Winter- noch Sommerfahrt mehr Güter, als zu
einem Werthe von 1000 Mark in den Hof fuhren, der Ueberschuss ist an St.
Peter verfallen.
Wegen der Einrichtung des Hofs sind damahls auch einige neue oder ältere
erweiterte Vorschriften erlassen worden.
Die alten Vorzüge wurden den Sommer- und Winterfahrern (die zu Wasser
ankommen) erhalten, sie behielten die Freyheit ihre Waarenhäuser {hleten) und
ihren Stand oder Sitz sich zu wählen, auch ihre Bothen oder Diener haben das
gleiche Vorrecht in der Küche zu stehen und zu kochen , wo sie wollen. Die
Trinkstube, wo die Herren ihre Speise und ihr Getränk haben, soll nicht zur
Wohnung oder Schlafstellen {hameren) dienen, sondern von jedem Hindemiss
Irey seyn, auch die Knapen kein Getränk oder sonst Etwas darin haben, wodurch
die Herren beschwert würden. Hat die Gesellschaft sich zu Tisch gesetzt und
teht sie auf um schlafen zu gehen, so soll Niemand sich wieder zum Trinken
iedersetzen, er sey Herr oder Knecht bey einer Busse von Einer Mark Silbers.
ic, welche auf das Feuer zu sehen haben, sollen zugleich darauf sehen, dass
iemand zum Trinken sich, wieder niedersetze, den Fehlenden sollen sie
zeigen, versäumen sie diess, so fallen sie in gleiche Strafe. Irregefahrene, die
Sommer - oder Winterfahrer in den Hof kommen, sollen das Recht der Land-
rer haben, so wohl was die Häuser oder Wohnungen, als was den Schoss
trifft. Die Landfahrer, die aus Russland kommen^ werden den Landfahrern,
aus Deutschland kommen, wegen des Schosses gleich gestellt, vom Königs-
oss bleiben sie frey. Jeder soll auf dem Hofe seinen Handel, es sey mit dem
irsten oder Andern so fuhren, dass der Hof und St. Peter nicht darunter leide.
'elchem Russen das Besuchen des Hofs untersagt wird, der ihn ein Jahr lang
icht hat besuchen dürfen, der kann nur von dem gemeinen Kaufmanne auf
•§iothland die Erlaubniss wieder dazu erlangen. Dieser gemeine Kaufmann be-
.^tand also noch damahls in alter Kraft und in altem Ansehen.
^ Wegen des Priesters waren mehrere Veränderungen emgetreten. Die Winter-
fefahrer, wenn sie ihn begünstigen wollen, können ihm vier Mark Silbers aus
lg ihrem Königsschosse geben, dasselbe steht auch den Sommerfahrern frey: wer
mehr geben will, der zahlt es aus seinem Beutel. Trifft es sich, dass zwischen
V,
der Winter- und Sommerfahrt oder zwischen dieser und jener ein Priester vor-
,- banden wäre, so mag man ihm die Woche einen halben Vierding aus dem Königs-
schoss nebst der Beköstigung geben , doch nie mehr; weniger ihm zu bewilligen
S 2
h
140 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
ist erlaubt. Wem der Priester einen Brief in Handelsangelegenheiten schreibt , der
gebe ihm drey Mark Marderköpfe.
Die besiegelten Skraen (keine mit Siegeln versehene ist auf uns gekommen)
soll man nie aus St. Peters Kirche tragen, das Abschreiben derselben russisch
oder deutsch ist erlaubt. Das Merkwürdigste dieser Vorschrift ist, dass sie gegen
die älteste Sitte lediglich von den Abgeordneten der beiden Städte ausging, nicht
von den Kaufleuten, und dass Jene eine Geldbusse von fiinf Mark Silbers darauf
setzen, wenn man hiermit nicht zufrieden heimlich oder öffentlich Etwas auf-
schriebe; doch kann Der, welcher dessen beschuldigt wird, durch Eid, selb
Dritte, sich rechtfertigen i).
Die Beschlüsse des Oldermans, seiner Rathgeber und des gemeinen Kauf-
manns drey Jahre nachher, von 1341, bezogen sich auf die Vermeidung des
Betrugs beym Wiegen des Wachses von Seiten der Russen; es war nach
vieler Bemühung erhalten worden, dass es auf die in Deutschland übliche
Weise, ohne Betrug gewogen werden solle und Jeder war bey Strafe verbindlich
gemacht, darauf zu halten. Im Jahr 1342 ward ein Vertrag zwischen den
Obern Nowgorods von der einen Seite und den Vorstehern des deutschen Hofs
daselbst so wie den Abgeordneten der Städte Gothlands, Lübecks, Rigas, Münsters
und Dortmunds von der andern Seite abgeschlossen, vermöge dessen kein ge-
schmiertes, auf verschiedene Weise verfälschtes Wachs durch die Deutschen den
Nowgorodei-n vor Petri und Pauli weiter abgekauft werden solle, so wenig als
die Nowgoroder dergleichen von ihren Nachbarn kaufen und nach Nowgorod
bringen sollen; es ward beliebt, dem Wieger des Wachses ferner kein Geschenk
zu geben.
In demselben Jahre ward beschlossen, dass Niemand Tuch oder abgeschnit-
tene Stücke (Proben) desselben oder anderes Gut einem Russen (vom Hofe aus)
mitgeben solle, um es zu Haus zu besehen, indem daraus so viel Nachtheil
erwachsen sey.
In demselben Jahre wurden viele Bestimmungen zur Verhütung der mannig-
fachen Betrügcreyen beym Fell- und Pelzhandel beliebt, der so sehr weit ging.
Sceuenissen und Troyenissen sollen in der Regel nur tausendweise oder zu halben
und Vierieltausenden, doch die letztern auch zwischen anderm Pelzwerke und
einzeln gekauft werden dürfen. Dieses soll nicht nur zu Nowgorod, sondern aller
1) ürk. CXXXXIil.
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 141
Orten, wo von Russen dergleichen gekauft werden, gellen, sowohl zu Riga, Dor-
pat, Reval, Plescow und PIoscow als überall wo deutsches Recht gilt, folglich
müssen die Deutschen damahls bereits Nebenniederlagcn an den beiden letzten
Orten gehabt haben.
Wegen des Priesters aber ward beliebt, dass man ihm nicht weniger als
ein halbes Stück (Silbers?), sowohl bey seiner Hinreise als bey seiner Abreise
geben solle. Am merkwürdigsten sind jedoch die Beschlüsse der Vorsteher und
des gemeinen Kaufmanns auf dem Hofe zu Nowgorod v. d. J. 1346j welche theils
das alte Herkommen bestätigten, theils dem im Verlauf der Zeit entstandenen
Bedürfnisse gemäss, dasselbe änderten. Manche der bereits längst eingetre-
tenen Veränderungen wurden wahrscheinlich nun erst schriftlich aufgezeichnet.
Die Wahl des Oldermans des Hofes war nun ganz gegen das alte und
älteste Herkommen, seit dem immer grösser werdenden Einfluss der städtischen
Obrigkeit auf den Niederlagen, verändert. In der ältesten Zeit ward er so wie St.
Peters Olderman von den zu Wasser nach Russland Fahrenden selbst auf der
Reise gewählt, jetzt, und ohne Zweifel schon früher war das Wahlrecht an die
Abgeordneten aus den Städten in den Hof übergegangen. Bey einer Geldbusse von
10 Mark Silbers war geboten, dass Alle sich den Beschlüssen der Abgeordneten aus
den Städten, so wie denen der Wachs- und Tuchfinder zu unterwerfen hätten.
Die Strafe im Fall des Ablehnens der Wahl, war erhöht worden. St Peters
Aelterleute sollen den sich Weigernden in Geldstrafe nehmen , bey der dritten
Weigerung der Annahme ist die Strafe 50 Mark Silbers und der Verlust des
Rechts des Hofes. Die Wahl soll für das eine Mahl auf Lübecker, für das andere
auf die Deutschen auf Gothland (Wisby) beschränkt seyn. Nimmt des Hofs
Olderman seinen Sitz, so sollen St. Peters Aelterleute (es waren jetzt zwey) ihm
die Schlüssel übergeben, alle Aemter hören auf, bis des Hofs Olderman sie
bestätigt oder Andere damit beauftragt hat. Des Hofs Olderman hat auch das
Recht über Hals und Hand zu richten; diess, so schwer und selten in andern
Ländern durch die Deutschen für die Vorsteher ihrer Niederlage zu erhalten,
fand bey den Russen nicht die mindeste Schwierigkeit; doch begleitet er nicht die
VerurtheilteQ zur Richtstätte, sondern ernennt zwey Stellvertreter dazu.
Verlässt ein Oldemian St. Peters den Hof, während noch ein Olderman des
Hofs vorhanden ist, so ist es desshalb nicht erforderlich, dass Abgeordnete aus
den Städten, wegen Jenes Wahl dahin reisen; sondern des Hofs Olderman wählt
Einen an dessen Stelle. Wäre aber kein Olderman des Hofs vorhanden, so sollen
142 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Abgeordnete aus den Städten St. Peters Aelterleate wählen unter den Lübeckern
und Gothländern; sollten aber dergleichen eben nicht anwesend seyn, so soll
man so lange bis aus Lübeck und Gothland Einige ankommen, Tüchtige dazu
wählen. Auf gleiche Weise sollen auch die Beysitzer oder Weisesten gewählt
werden. Auch ernennen Lübeck und Gotliland den Priester ein Jahr um das
andere. Es ist deutlich, wie die alte Freyheit der Gesellschaft an diese beiden
Städte übergegangen war, es ist aber auch nicht weniger klar, dass die einseiti-
gen Ansprüche Lübecks auf alleinige Herrschaft im Verlauf hatten aufgegeben
werden müssen, beide führten sie, doch steht Lübecks Nähme stets voran, was aus
seiner Maclht und seinem Ansehen in allen andern Beziehungen leicht erklärlich ist.
Wird Einer zu St Peters Olderman gewählt und verllesse er desshalb den
Hof, ohne eine andere gültige Ursache anführen zu können , der verfallt in zehn
Mark, und der Erwählte soll das Amt verwalten so lange er in dem Hofe ist
Wer von den Aelterleuten am geschicktesten ist, das Wort zu fuhren, der soll
dazu verbunden seyn, und wäre ein Anderer dazu geschickler, um den Kaufmann
zu vertheidigen , so können ihn die Aelterleute von St. Peter dazu auffordern, zum
dritten Mahle, wenn er sich weigert, bey 50 Marl: Silbers und bey Verlust des Ge-
nusses des Rechts des Hofes. Träfe es sich, dass beide gewählte Aelterleute St Peters
ausserhalb des Hofes ihren Stand hätten; so soll der zuletzt Gewählte in den Hof
ziehen, jedoch von Hausmiethe frey seyn. Die mit einander in Zwist Begriffenen
sollen nicht von Nowgorod ziehen, sie hätten sich denn mit einander verglichen,
in sofern des Hofes Olderman oder St Peters Aelterleute bey des Hofes Recht
ihnen Solches entböte; der, welcher bey dem Streit zugegen gewesen und es den
Aelterleuten nicht anzeigte, erlegt eine Geldbusse von 10 Mark Silbers. Bey der
höchsten Strafe nächst der Lebensstrafe, nämlich von 50 Mark Silbers und dem
Verlust des Rechts des Hofes, \yar es untersagt, Briefe (etwa von russischer Obrig-
keit), zu eigenem Vortheile sich zu verschaffen, woraus dem Kaufmanne zu Now-
gorod Schaden entstände.
Wegen der Einrichtung des Hofs selbst, der Sicherheit desselben, der Ver-
führung der Güter von da, des Kaufs und Verkaufs auf demselben kommen
mehrere Bestimmungen vor, manche Neuerungen, die früher nicht waren, andere,
die uns eine nähere Einsicht verschaffen.
Wer zuerst mit dem Lichterschiffe an den Strand der Wolchow zu Nowgo-
rod kommt, hat das Recht zu wählen, ob er in dem Hofe ausstehen will oder
nicht. Früher scheinen Alle auf den Hof beschränkt zu seyn, die Menge der Zu-
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 143
strömenden mag auch das Andere nothwendig gemacht haben, gleichwohl waren
gewiss manche Vortheile der Sicherheit des Markts, des geringern Zeitverlusts
und andere mit def Wohnung auf dem Hole verbunden. Man soll ferner kein
Lichterschiff bemannen, bevor es nicht an den Strand gekommen ist, und nach der
Reihe wie die Lichterschiffe ankommen, sollen sie aufschiffen {ypscepen)\ ihnen
soll man dalTir nicht mehr als 15 Kunen geben. Eben den Vorzug haben die,
welche zuerst mit Schlitten ankommen, nähmlich zu wählen, ob sie im Hofe
ausstehen wollen oder nicht. Auf den drey (grossem) Kleten (Waarenhäusern)
sollen 24, auf des .Dolmetschers Haus sollen sechs Meistermänner ausstehen und
nicht mehr, es wäre denn, dass St. Peters Aelterleute ihnen mehrere verstatteten.
Die, welche Tücher auf den Kleten haben, sollen auf den Rapaten (?), die, welche
Geld haben, darunter schlafen. Kein Meistermann darf mehr als zwey Knechte
bcy sich schlafen haben, hat er mehr, so sorge er fiir ihr anderweitiges Unter-
kommen. Auf diesen Kleten soll Niemand mehr als einen (Piler) Haufen Pack-
Tuchs haben und ein Schock Rauhwaare, um diese den Käufern zu zeigen; die
Hauptniederlage blieb der Sicherheit wegen in der Kirche. Auf der Wachtstube
(Gridnisse) soll man nicht mehr als eine Rolle von einerley Leinwand haben, die
des Abends wieder in die Kirche zu -bringen ist, es sey denn man habe von
den Aelterleuten zu Mehreren die Erlaubniss erhalten; auch soll man Rauhwaare
daselbst nicht länger als eine Nacht lassen; Rauhwaare darf innerhalb des Hofs
allein auf der Gridnisse geklopft werden. Das Wachen (oder wie es genaant
ward, das Schlafen) in der Kirche geht die Reihe um, und zwar also, dass es npn
dem obersten Klete anhebe und in jedem von unten nach oben auf die Rapaten
gdhe u. s. w. sowohl innerhalb als ausserhalb des Hofs. Der Eine soll dem An-
dern bey der Essenszeit ansagen, wenn die Reihe an ihn kommt. Wer die in
der Kirche des Nachts Wachenden dahin führt, der bleibe davor stehen, bis si«
zugeschlossen ist, auch lasse er ohne Erlaubniss der Aelterleute Niemanden hinein t),
so wenig als sich sonst Jemand darin darf einschliessen lassen.
Auf der Wacht- und in der Krankenstube, soll man nicht länger stehen, oder
dieselbe belästigen als drey Tage. Da der ganze Hof in mehrere Haushaltungen
getheilt war, so ward zur Ordnung in demselben auf jeder heizbaren Stube (wahr-
1) Docli ist es Ton Zeit zu Zeit versucht worden. Ein sich eindrängender Lombarde , dem es durch die
Unterstützung des Meisters in Livland Gozcewinus von Hereke (1347-1361) wie es scheint gelungen
war , ward ausgestosseu , ürk. CLXI.
»
^
144 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
sclieinlich In einem jeden Hause vier solcher gemeinscliaftlieher Haushaltungen) ein
Vogt von den Inhabern derselben gewählt, dieser wählt sich dann einen Meister
und einen Knapen zu Gehülfen, welche ferner Feuer- Licht- Trinkstuben und
Stuben - Aufseher wählten; der Vogt hielt Sonnabends sein Gericht, er strafte bis
zu fünfzehn Kunen ; wer Ihn und die andern Angestellten verachtet, büsst eine Mark.
Tische, Bohlen, Säulen und Ständer soll man nicht muthwilllg verletzen, be-
schreiben, durchstechen, oder hinein brennen u. f. Zwey Knechte sollen einheizen,
und einen Kessel Wassers bey sich haben, schliefen sie ein oder gingen sie davon,
bevor das Feuer ausgebrannt ist, so unterliegen sie wie die Bäcker in ^gleichem
Falle einer Strafe. Bricht Feuer aus, so dass man die Flamme sieht, es sey in
dem Hofe oder ausserhalb desselben, so ist die Busse zehn Mark. Zerbricht
Jemand ein Gefass in des Hofs Brauhaus, so hat er es zu ersetzen; hat Jemand
sich des Brauhauses bedient, so muss er es und dessen Gefasse wieder rein liefern.
Jeder soll sein Bier des andern Tages nachdem es gespundet ist ausstellen
{vlien) oder aus dem Brauhause wegfuhren. Niemand soll einen Russen in die
Trinkstube oder das Trinkhaus {jpotklet) gehen lassen.
Wer backen oder brauen will, oder im Ofen heizt, der haue sein Holz
bey Tage, auf dass er nicht Anderen durch Hauen oder Sägen beschwerlich falle.
Niemand soll über die Planken des Hofs steigen oder darüber noch auf die
Kirche werfen, noch sein Thier dort umher laufen lassen: den Schaden, den
es anrichten würde, muss dessen Eigenthümer ersetzen. Bey einer Mark ist unter-
s^^ einen von St. Peters Hunden zu schlagen o<ler zu werfen, also dass er zu
bellen anfinge. Wird der Hof zu geklopft (nach gegebenem Zeichen geschlossen),
so trenne sich Jeder von den Russen , behielte Jemand Einen bey sich , wenn
man die Hunde los lässt, so verfallt er in eine kleine Geldstrafe, und litte jener
Schaden durch die Hunde, so badet er dem Russen dafür.
Hohes Spiel aller Art, wobey man über einen halben Vierding verlieren kann,
ist untersagt bey Strafe von zehn Mark Silbers, wer aber in einem russischen
Hofe spielt, wo keine Deutsche sind, der büsst das Fünffache und verliert des
Hofes Recht.
Ersticht einer den Andern, so hat er das Leben verwirkt, und verwundet
er ihn mit Vorsatz, so verliert der Thäter die Hand; wer sein Messer gegen den
Andern zieht oder ihn blau oder blutig schlägt, büsst zehn, fünf Mark aber, wenn
er in Hast einen Andern an die Wangen schlüge, und Eine, wenn er ohne Grund
Schimpfworte gegen den Andern ausstösst. Der Dieb, er habe viel oder wenig
^ ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 145
gestohlen, kommt an den Galgen, er wird öfFendich In einer gemeinen Versamm-
lung gerichtet 1). Wer des Diebstahls oder eines andern den gemeinen Kaufmann
angehenden Verbrechens oder Vergehens beschuldigt wird, soll Nowgorod nicht
verlassen, bevor er nicht nach des Hofes Recht sich gerechtfertigt hat
Wegen des Handels sind mehrere der .alten Vorschriften erneuert, zum Theil
gescljärft, andere hinzugefügt worden.
In Bezug auf den Kleinhandel, wahrscheinlich um den Russen ihn nicht
ganz zu henehmen, ward hestimmt, dass die Jungen nur bis zu einem Paar
Handschuhen, zu einem Pfunde blaues und gesponnenes Garn, Linnen und grobes
Tuch zu einer halben Repe, Schwefel zu kleinen russischen Pfunden, deutsche (?)
Nadeln nur tausend-, lübische hundertvveise , Paternoster, rothgegerbtes Leder
und Pergament gleichfalls nicht in grössern Quantitäten verkaufen sollten: imd
diess wie es schien, war nur den Jungen erlaubt.
Wachs, Pelzwerk 'und Tuch machten noch immer die grösste Mühe, um den
bey dem Handel mit denselben vorfallenden Betrügereyen vorzubauen.
Ueberahtw ortet der Eine dem Andern Tuch, so soll kein Dritter es auf oder
zu sich nehmen, um es zu besehen. Unbesehenes (ungeprüftes) Tuch soll nicht
in die Kirche gebracht werden.
Wer über ein Vierteltausend des kleinen Pelzwerks kauft, der soll es zuvor
in seiner Wohnung besehen, es ist untersagt, diess auf des Priesters Zimmer zu
thun, woselbst nur Silber gewogen werden soll, denen die es dahin bringen, um
es brennen, einschmelzen oder prüfen zu lassen. Falsches Pelzwerk, wie die
Städte geboten, soll Niemand kaufen, weder zu Nowgorod, noch zu Plescow oder
Plotzkow oder in Livland, noch da, wohin sonst die Russen zu fahren pflegen.
Zu diesen verbotenen Pelzwerken gehören nicht nur die einer andern Art nach-
gemacht sind, sondern aucb ausgezogenes Haarwerk, welches von den Russen
gemacht aus anderem Pelzwerk gezogen ist, genähte und mit eingebundene unter
andere gute Arten untergeschobene doyenisse. Im Herbst gefangenes Pelzwerk,
das nicht verfälscht ist, mag man kaufen nach seinem Werthe. Auch sollen St.
Peters Aelterleute den Einzelnen einen Eid abnehmen, dass sie die Vorschrift
gehalten, und die Aelterleute, welche diess versäumen, sollen in Strafe fallen.
1} Mehrere dieser Sätze sind lübischen Rechts , sie kommen auch in der einseitig von Lübeck gegebenen
oben angeführten Skra vor. Es scheint sich iudess daraus zu ergeben, dass eben diese lübische Skra
nicht luibedingt hier galt, indem hier später diese Beschlüsse in der geraeinen Versammlung beliebt
wurden, wiewohl sich Tiel lübisches Recht aus bekannten Gründen von selbst hier einführte»
T
146 ZWEYTE ABTHEIL. GESCa DES HANDELS.
sollte jedoch Jemand heimlich oder durch List mit solchem Pelzwerk entkommen,
so soll er innerhalb wie ausserhalb der nowgorodschen Herrschaft zufolge dieses
Rechts in Anspruch genommen werden können.
Gekauftes Wachs soll in die Kirche gebracht werden, lediglich die dazu
bestellten Wachsfinder sollen es prüfen, wer ungeprüftes Wachs in die Kirche
bringt, büsst 10 Mark, eben so der, welcher dergleichen ausführt, zugleich ist nliess
verfallen.
Jeder verschliesse sein Klet oben wie unten; wessen Stand, Laden oder
Bude {Loes) offen gefunden wird, der haltet für Alles, was aus dem Klete ist
gestohlen worden.
Niemand gehe allem mit seinem Bruder, oder mit Dem, mit welchem er In
Handelsgesellschaft steht, oder mit seinem Knechte (Diener) auf einen Kauf aus,
wahrscheinlich, damit wenn daraus Streit entsteht, es ihm nicht an gültigen Zeugen
fehle. Die aber, welche ihn begleiten, dürfen den Gegenstand, um welchen ge-
handelt ward, worüber aber der Kauf nicht zu Stande kam, nicht selbst vor
Ablauf von drey Tagen an sich bringen, es wäre denn, sie hätten die Einwilligung
des Ersten erhalten.
Wer Gut von den Russen erhält, der lasse sich seine Zahl vollzählen und
bezahle den Russen nicht eher ganz ab, bis er die von ihm ausbedungene Waare
vollständig erhalten hat, auch haftet der Russe für die verkaufte Waare, bis sie
in den Hof gekommen ist , dagegen haften die Deutschen den Russen wegen der
von ihnen erkauften Güter nicht über die Schwelle des Hofes hinaus; Deutsche
sollen weder Silber noch anderes Gut in die Wohnungen der Russen bringen oder
ihnen daselbst abliefern.
Niemand soll verbotene Wege {wahevari) mit seinem Gute durch Preussen,
Kurland oder Schweden einschlagen, auf Oesel oder Kurland fahren, sondern
allein von Riga, Reval und Pcmau aussegeln.
Wer über zwanzig Jahre alt ist, soll zum Erlernen der russischen Sprache
weder in der Stadt Nowgorod noch in ihrem Gebiete zugelassen werden.
Alle übrige Satzungen wiederhohlen ältere Vorschriften und schärfen
sie. So ward bey der höchsten Geldstrafe und dem Verlust des Rechts des Hofs
nicht nur die Handels -- Gesellschaft mit Fremden untersagt, sondern noch be-
sonders hinzugefügt, keinen solchen, nahmentlich keinen Lombarden nach
Russland zu fuhren. Um diese Zeit nähmlich hatte sich ein Solcher durch
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSL.\ND. 147
den Meister in LIvland Gozcewin von Hereke sogar in den deutschen Hof zu
drängen versucht 1).
Ehen so ward das Statut wiederhohlt, dass Niemand üher einen Gütervverth
von tausend Mark eigen oder in Gesellschaft mit Andern, oder zufolge Auftrags,
hey Strafe des Verfalls an St. Peter und dem Verluste des Hofrechts haben solle,
bis er durch St. Peters Gnade dasselbe wieder gewinnt. Eben so soll Niemand
über Jahr und Tag auf dem Hofe liegen bleiben, keiner sich neues Gut zusenden
lassen, bevor nicht das zuerst gebrachte verkauft, und dessen Werth oder das
dafiir Eingetauschte ausser Landes gesandt worden. Der zu erlegende Schoss
blieb wie vor Alters unverändert von 100 Mark einen Verding, eine Viertel Markj
von 50 Mark wird ein halber Verding, von einem noch geringem Waarenwerihc
von der Mai*k eine Kune entrichtet Fiir das Ausstehen im deutschen Hofe auf
kürzere oder längere Zeit zahlt Jeder gleichfalls einen Verding; steht er auf dem
Gothen Hofe aus sechs Wochen, so zahlt er einen Soltingh (Schilling), wenn län-
ger gleichfalls einen Verding.
Im J. 1354 sind in Bezug auf den Hof folgende alte Vorschriften von dem
Olderman des Hofes, seinen Weisesten und dem gemeinen Kaufman zu Nowgorod
erneuert worden, wie es daselbst heisst, klein wie gross, wie das Recht der Kir-
che, des Hofes und St. Peters von Alters her bestanden hat.
Bey 10 Mark Silber sollen nicht zwey Brüder, oder die Geld in Gemein-
schaft haben, in der Kirche zusammen schlafen, oder daselbst Wache halten, und
eben so wenig soll ein Meistermann zwey Knechte in der Kirche schlafen lassen.
Entschlafen die, welche in der Kirche wachen sollen, und lassen sie ein Licht
brennen, also dass man es sähe, die verfallen in gleiche Strafe; lassen sie ein
Fenster offen, so ist jedes Fenster mit einer Mark zu büssen, und dieselbe Strafe
zu zahlen, wenn es versäumt wird den Baum vor die Thüre zu legen.
Wer vor der Kirche steht und Wache hält, der bewahre sie also, dass er
nicht in Strafe falle; käme ein Russe auf den ersten Stein (Tritt), so ist eine
Mark zu erlegen, käme er in die Kirche selbst, so ist die Busse 10 Mark. In die
gleiche Strafe von 10 Mark verfällt Der, welcher die Kirche zuschliessen soll
und ein Schloss offen lässt, eben so wer die Schlüssel aus dem Hof trüge, büsst
10 Mark, und wer sie so öffentlich tröge, dass ein Russe sie sähe, ist in eine Mark
1) Urk. CLXK
T 2-
148 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
verfallen; die Schlüssel soll man dem Oldermanne überantworten, oder seinem
Knechte, und wenn kein Olderman im Hofe wäre, dem Priester.
Wer Gut in ;die Kirche bringt und die Thüre damit berührte, es auf das
Eisen legte, (vor der Thür, oder am Eingänge), wer in der Kirche mit Licht ohne
Leuchte ginge, und sein in die Kirche gebrachtes Gut nicht aufräumt und an
seine Stelle bringt; wer die Linie (den Strick) entschlüpfen lässt, womit die Güter
etwa aufgewunden oder gezogen werden, so dass die Sache fiele, oder die Packen
heftig niederschlügen, also da^s man es hörte, wer femer Gut auf die Treppen
legte, oder auf des Morneweges Kammern oder auf das neue Werk, der verfallt in
die Strafe von einer Mark.
In gleiche Busse verfällt, wer Garn oder Leinwand dahin legt oder eine Linie
aufspannt, wo die Packen* oder andere Sachen zu stehen pflegen, oder Stroh
liegen liesse, nachdem er Garn oder Leinwand da gehabt (gebleicht) hätte, oder
etwas des Nachts offen stehen liesse', oder mehr denn eine Linie aufspannte, das
gekaufte Wachs nicht an die Mauer stellte ; die da stehenden verschlossenen Kisten
und Tonnen hat er wegzuräumen ; spräche endlich Jemand gegeli diese Vorschriften
oder widersetzte sich denselben, der fallt in gleiche Strafe.
Femer ist bey gleicher Busse geboten, Kupfer und Bley zu zeichnen und bey
der Mauer aufzustellen, die (bereuene) Tonnen, Leinwand und was sonst den
Raum beengt, soll man unter den Schwibbogen bringen, und die Säcke mit
Werg (Hede), die auf den Tonnen liegen, soll der wieder darauf legen, welcher
sie abgenommen hat.
In gleiche Busse fiillt, wer sich ungebührlich während der Messe beträgt,
seine Tonnen mit Gut nicht Sonnabends an die Mauer aufräumt oder ausserhalb
des Schwibbogens bringt, sie und seine Kisten nicht an demselben Tage zeichnet,
wer Silber wiegt, und die Schaale nicht wieder aufhängt und die dazu gebrauch-
ten Geräthschaften hinwegbringt.
Der Altar ist zu ehren, die Kannen und andere Sachen räume man davon,
giesst einer aber etwas auf den Altar, so verfallt er in Geldbusse, eben so, wenn
er Talg {licht) oder Wachs nimmt und St. Peters Tonnen damit begiesst, oder
Wage und Gewicht ausserhalb der Kirche lässt, wenn sie zugeschlossen ist, ohne
Erlaubniss dazu zu haben, oder andere Geräthschaften, die dabey gebraucht
werden. Letzteres bey Strafe eines Verdings. Wer ein Geräth St. Peters, welches
in die Kirche gehört, verschlechterte, der büsst eine Mark.
ZWEYTER ABSCHN, VERKEHR MIT RUSSLAND. 149
Verkündigt der Priester, dass man in der Kirche stehen bleiben soll,' so
verfallt der Meislermann, der hinweggeht, in die Busse von einer Mark, die Knechte
in die eines Verdings, mit Ausnahme der Köche und der geringen Leute (Koth-
feger). Verschläft Einer die gemeine Versammlung, wenn sie angesagt ist, der
biisst eine Mark.
Wer St. Peters Altermänner oder die Weisesten, wenn kein Oldcrman des
Hofes vorhanden ist, verachtete und ihnen nicht folgte, der. büsst zehn Mark.
Geschähe es, dass der Kaufmann den Hof verliesse {ttt vore)^ so mögen
6 Meistermänner und 9 Knechte die Kirche noch offen halten, doch soll man
keinen Knecht zum Meistermann machen, in der Absicht die Kirche offen zu
halten, bey 10 Mark; verlässt der Kaufmann den Hof, so soll man die Schlüssel
versiegeln, und den einen dem Bischöfe von Nowgorod, und den andern dem
Abte von St. Juriane übergeben.
Die übrigen Artikel, welche in den kurz vorhergehenden und zunächst fol-
genden Jahren beliebt wurden, betreffen wenige einzelne Punkte.
Im J. 1343 ward erneuert, dass man dem Priester ein halb Stück Silbers
zur Reise nach und aus Russland zahlen solle, und im J. 1348} dass ihm die
Wahl frey stehe, sich zu Nowgorod die Hausgenossenschafl; zu wählen, welche
ihm beliebt, die ihn aufs Beste aufnehmen soll, welcher St Peter wöchentlich
einen Verding für den Unterhalt des Priesters gibt.
In demselben Jahre 1348 ward verboten, Tücher, die nicht mit dem bleyernen
Siegel versehen sind, nach Russland ferner zu führen bey Verlust derselben und
10 nowgorodschen Marken Busse; im X 1354 j da^ mehrere Tucharten in Flan-
dern weder gekauft noch den Russen zugeführt werden sollen, nähmlich die,
welche auf der Tuchhalle in Brügge auch nicht verkauft werden dürfen, insbe-
sondere oberleygesche , deventersche , gemengte, die auf die Art der von Comlnes
oder Verviers nachgemacht werden, überall alle die man mit Vorsatz machen
lässt zum Nachtheil der gewöhnlich den Russen zugeführten Tücher, indem daraus
die grossen Beschwerden von Seiten der Russen entstehen 1).
i) Hierher gehört auch ein Schreiben der Vorsteher des Hofs au Dorpat ohne Jahrzahl, wahrscheinlich aus
der zweyten Hälfte des vierzehuteu Jahrhunderts, vrorin sie erklären, dass sie Tiele zu Poperingeu ge-
machte Tücher nach Art 'der von Valenciennes zum Verkauf ausgestellt gefunden hätten, darüber klagten
die Russen als über betrügliche W^aren, sie wollen sich der Inhaber nicht annehmen. Jeder trage den
Schaden der ihm daraus entstehe, wenn dem gemeinen Kaufmanue daraus Nachtheil erwachse, so
will er sich an die halten, welche sie eingeführt, für die Zukunft sollen 9ie gar nicht weiter den
Russen zugeführt werden. Utk. CVI.
150 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Im J. 1355 ward beliebt, dass man keine gescbniltene Tucher zum Verkauf
ferner von Brügge kaufen und den Russen zuführen solle, mit Ausnahme der
englischen Tücher , indem so viele Beschwerden und Verdriesslichkeiten von den
Russen wegen der gräulichen Kürze und Verschiedenheit der Farbe in einem Stück
Tuchs entstanden wären. Die eingeführten Scharlachtücher aber, sie mögen mit
den nöthigen Leisten (Sülbende) versehen seyn, oder nicht, sollen ihre volle gute
Farbe haben.
Im J. 1351 ward beschlossen, dass man Wein oder andere Getränke nur zu
vollen Tonnen verkaufen solle bey Strafe von 50 Mark und des Hofes Recht, weil
der kleinere Verkauf den Russen verbleiben sollte, vielleicht auch weil Verfälschung
und Betrug beym Absatz in kleinen Quantitäten mehr zu besorgen war. Bier-
verkäufer sollen nicht auf der Gothen Hof ausstehen , so lange der Deutsche Hof
aufrecht steht, weil auch über Jene so viele Beschwerden von Seiten der Russen
erfolgt waren, indem wahrscheinlich dort die nöthige Aufsicht nicht statt-
finden konnte.
Endlich ward vom gemeinen Kaufmanne im J. 1355 noch beliebt, dass dem,
welcher als Olderman von St. Peter gewählt werde, vor Ueberantworlung der
Schlüssel das Buch (d. i. diese Sammlung von Vorschriften, und wahrscheinlich
auch die altem wie sie in den frühern Skraen vorkommen) vorgelesen werden
solle, damit er wisse, womach er sich zu achten habe« Auch sollen St. Peters
Aelterleute alle Privilegien und Schreiben, die dem Kaufmann zugesandt werden,
bestens aufbewahren. Würdgti dergleichen Schriften verwahrloset und ohne Ein-
willigung des gemeinen Kaufmannes aus dem Hofe hinweggefuhrt, so soll der
Straffällige das Recht des Hofs verlieren und 50 Mark Silber zahlen.
Es fehlt uns nach diesem Allen nicht an einer grossen Reihe von Urkunden
und Actenstücken , welche über die früheste Begründung und die allmählige
Erweiterung dieses deutschen Hofs Auskunft geben, die Nachrichten sind meist
vollständiger aus dieser frühen Zeit, als die, welche uns von andern Ländern,
wo Deutsche ihre Niederlagen hatten, überliefert worden sind. Die Art des Ver-
hältnisses derselben zu den Nowgorodschen Fürsten und Obrigkeiten lässt sich
auch daraus ziemlich genau erkennen, die Art wie der Handel zwischen beiden
Theilen geführt ward und auf welche \^'else die Deutschen ihn vermittelnd zwi-
schen Russland und dem westlichen Europa führten. Bey all diesem Reichthume
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR Mrr RÜSSLAND. 151
Ton Nachrichten fehlt jedoch Vieles, um daraus ein völlig genaues und treues
Bild sich entwerfen zu können. Ohne einen Riss, der uns fehlt, kann man sich
von ihrem Hofe zu Nowgorod doch keine klare Vorstellung machen. Wir ver-
nehmen viel von verschiedenen Kleten, oder Häusern, Buden, Ständen in dem
Hofe, von ihrer Kirche, die nicht nur zum Gottesdienste sondern vornehmlich zur
gesicherten Haupt -Waaren- Niederlage dient, so wie der Priester nicht nur als solcher
sondern auch als Secretair ihnen diente. Auf dem Hofe lebten die Deutschen in
verschiedenen Hausgenossonschaften, die ihre selbst gewählten Vögte hatten und
eine gemeinschaftliche Haushaltung führten. Der :Hof umfasstc wohl zuerst alle
in Nowgorod anwesende Deutsche, den grössern Theil späterhin, da aus Mangel
an Raum, ein Theil auch ausser dem Hofe gewohnt hat, der indess den höchsten
Vorstehern oder Aelterleuten des Hofs und St. Peters gleich allen Uebrigen unter-
worfen blieb. Der Hof war der Mitlelpunct des Verkehrs zwischen Deutschen
und Russen, er war nicht immer gleichmässig besucht, und abgesehen von Fehden
mit den Russen, die ihn ganz zu verlassen nöthigten, war er nicht immer in
gleicher Thätigkeit. Immer ging es ab und zu, Winters und Sommers von der
Landseite und von der See her. Ihre eigene Obrigkeit hatte über die Landsleute
unbeschränkte Gewalt, auch über deren Leben und Tod. Dagegen behaupteten die
Nowgoroder ihr Recht aufs Strengste, Streitigkeiten zwischen den Ihrigen und den
Gästen auf ihrem Johannis Hofe zu entscheiden, jedoch mit Zuziehung einiger fq^-
den Kaufleute. Am schwierigsten blieb es, gegen die Russen und deren Angriffe sich
zu fichützen. Wenn der Hof mit Zaun und Planken umgeben war, so konnte doch
in Wahrheit, wenn es zu grossen Gewaltaasbrüchen kam, diess keinen dauernden
Schutz gewähren, in solchen Fällen waren sie stets verloren, sie verliessen alsdann
den Hof. Die Bewachung desselben so wie der Kirche, die losgelassenen Hunde
des Nachts konnten wohl gegen Anfalle Einzelner schätzen, gegen eine aufgebrachte
grosse Stadt aber nicht. Daher die grosse Menge von Vorschriften, die alle dahin
gehen, jeden Streit mit den Russen zu vermeiden beym Kauf wie beym Verkauf,
weil nicht zu berechnen stand , bey einer so reizbaren Republik , die so häufig
auch mit ihren Fürsten kämpfte, in wie fern solche einzelne Zwiste zu einer
gemeinschaftlichen Angelegenheit gemacht werden und einen Aufstand gegen die
Deutschen erregen könnte, dem sie gar nicht zu widerstehen vermochten. Solch
eine breite Grundlage ihrer Macht, wie sie sich zu Bergen in Norwegen oder,
wie sie sich in einigen schwedischen Städten durch Einbürgeining ihrer Lands-
leute verschafft hatten, fehlte ihnen hier gänzlich.
152 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Das wechselseitige Bedürfniss knäpflte indess beide Thelle bey noch so fielen
Unterbrechungen stets wieder an einander, und die Schwächung der Russen durch
innere Zwietracht und das Joch der Mongolen , das Wachsen der Macht Schwe-
dens in Finland und der Nachbarschaft, die vollkommnere Ausbildung der Macht
des Ordens in Livland gaben, um in neuen Ausdrücken zu reden, den Activ-
Handel und die Activ- Schifffahrt mehr in die Hände der Deutschen, um so
mehr, da sie zugleich in so vielen andern westlichen Ländern Freyheiten sich
erworben und Niederlagen begründet hatten.
Die Handelswelse, welche die Deutschen hier befolgten, war ähnlich der
die daraahls überall bey ihnen üblich war. Jeder zu dem Verein der Kaufleute
und Städte Gehörige handelte auf eigenen Gewinnst und Verlust, er kam hier-
her oder sandte seinen Diener und verkaufte was er mitbrachte und kaufte oder
tauschte Anderes dagegen ein. Damit die Reichern die Aermern nicht ganz ver-
drängen möchten, ward sogar eine Werthsumme bestimmt von 1000 Mark, über
welche hinaus jeder Einzelne hier nicht Geschäfte machen durfte, es war auch
nicht erlaubt, hier Jahr und Tag zu liegen, man musste abziehen, wenn man Ver-
kauf und Einkauf besorgt hatte; Schauämter sollten gegen den Betrug schützen
doch haben sle^ wie aus den häufigen Wiederhohlungen sich ergibt, schwerlich
vil^genützt. Dass die Hauptniederlage zu Nowgorod zugleich Nebenniederlagen,
Nebenhöfe in andern Theilen Russlands in der Zeit hatte, ist zwar gewiss, wie zu
Altladoga, wo sie auch eine Kirche und W^iesen hatten, ferner zu Plescow, Plos-
cow, aber von diesen letztern haben wir keine näheren Nachrichten aus dieser
frühern Zeit, als dass daselbst eine Einrichtung war, vermöge welcher daselbst
den Deutschen deutsches Recht gehandhabt werden konnte. Von Livland aus ward
Plescow häufig besucht, in Smolensk war schon früh eine lateinische Kirche; dass
diese Ansiedelungen aber dem Hofe zu Nowgorod untergeordnet gewiesen, ist zwar
als gewiss anzunehmen, wiewohl in den verschiedenen Skraen kein Wort darüber
vorkommt. Auf den Hof zu Nowgorod blieben die Geschäfte jedoch nicht be-
schränkt, Russen kamen früh nach Gothland, später und fortdauernd nach Livland,
wo sie auch mit den Deutschen, die dahin gekommen waren und mit den liv-
ländischen Städten unmittelbar verkehrten, ebenso sind auch Deutsche offenbar
ins Innere von Russland gefahren, und haben Geschäfte daselbst gemacht Nur
war hier, wie aller Oilen, wo deutsche Niederlagen waren, der Verkehr auf
gewisse Wege beschränkt, nähmlich über und von den Hauptstädten Livlands
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 153
aus zu Wasser oder zu Land, oder unmittelbar über die Newa, nicht aber über
Schweden, Kurland, Preussen u. f. zu Landet).
Fremde von dem höchst geschätzten Verkehr, nahmentlich Engländer, Flä-
minger, Walen und Lombarden, so viel es an ihnen war, auszuschllesscn , blieb
ihr unablässiges Bemühen; jede Handels- und SchlffsgemeinschaO; mit ihnen war
den Deutschen untersagt. Der Dänen und Normannen geschieht keine Erwähnung ;
die Schweden haben vielleicht, so wie die Eingeborenen der Insel Gothland, sich
des Gothen-Hofs zu Nowgorod mit bedient. Wahrscheinlich ist es den Deut-
schen auch mehr und mehr gelungen, durch ihre Handelsbegünstigungen und ge-
schützten Niederlagen in den andern westlichen Ländern, durch die fortdauernden
Kriege zwischen den Schw^eden und Russen, die der That nach begründete, aus-
schliessende Handelsherrschafl sich hier zu verschaffen.
Der grösste Vorzug dieses Verkehrs in Russland lag, wie auch viel spätere
Nachrichten aussagen, in der Abgabenfreyheit, deren sich die Deutschen hier er-
freuten. Ob von dem Königsschoss den Fürsten und der Stadt Nowgorod Etwas
zugeflossen sey, ist ungewiss. Kaum dass auf der Fahrt über die Newa einer
alten zu Gästefeld auf dem Wolchow zu entrichtenden höchst unbedeutenden Ab-
gabe vom Schiffe Erwähnung geschieht, und einer Abgabe eines Stücks Tuchs
oder Linnens und eines Paars Fausthandschuhe, wovon das erstere auf der Fahrt
nach Smolensk der Fürstin daselbst, die anderri dem Schultheissen zu entrichten
waren. Alles Uebrige was abzugeben war, bestand nur in einem Lohn fiir
geleistete Dienste der Einheimischen bey der weitem Verfuhrung der Güter, und
auch dieser war höchst gering.
. Wie vortheilhaft diess damahls für die Deutschen seyn musste, so sehr
nachtheilig bleibt es für unsere Wissbegierde. Zollrollen aus dieser Zeil, wie
wir dergleichen aus andern Ländern haben, obwohl freylich. in so unvollkom-
menem Zustande, dass sie sich mit unsern heut zu Tage üblichen nicht
vergleichen lassen , fehlen für den Verkehr mit Russland durchaus. Man kann
daher nur die in den Urkunden gelegentlich vorkommenden Güter anführen,
und ein Verzeichniss auf diese Weise entworfen kann nicht anders als höchst
unvollkommen seyn.
1) Vielleicht haben die Preiisspu ihte besondere Einrichtung hier gehabt, einer preuasischeu Gasse geschieht
in Russischen Nachrichten in Nowgorod öfters Erwähnung ; sie ist auch niedergebrannt und geplündert
worden: aus den mir zugänglichen Nachrichten habe ich nichts näheres darüber aufgefunden.
ü
154 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Die Deutschen bezogen von hier verschiedenes Pelz-, Fell- und Leder werk,
Haarwerk, Wachs, Fettwaaren, Talg, und diess scheinen die Hauptgegenstände
ihrer Ausfuhr, nach englischem Ausdruck die Stapelvvaaren gewesen zu seyn;
auch Gold und Silber scheinen die Deutschen theiKveise hier gekauft zu haben,
vielleicht auch Honig. Gewiss war diess nicht Alles, aber die Nachrichten
sind dürftig; es scheint, dass man, wenn auch selten, Getreide von da bezogen
hat. Von orientalischen Gütern, die von Rassland aus in dieser Zeit wären von
den Deutschen ausgeführt worden, ist nicht die mindeste Spur, da die Lombarden
durch das ganze westliche Europa einzeln verbreitet und auch in den Niederlanden
und England seit dem vierzehnten Jahrhundert angesiedelt waren, das BedüiTniss
demnach wohlfeiler befriedigten, und in Brügge auf. dem Hauptmarkte des west-
lichen Europas ein üeberfluss an diesen Gütern war. Gewiss sind, wenn einige
orientalische Güter über Russland bezogen wurden, diese unbedeutend gewesen;
nie wird irgend eins derselben in den vielen auf uns gekommenen Nachrichten
erwähnt, womit jedoch weder ein solcher Waarenzug in einer frühern Zeit be-
stritten, noch geläugnet werden soll dass die Russen selbst mehrere dieser Güter
aus Asien und von Constantinopel aus fortwährend bezogen hätten.
Die Einfuhr der Deutschen nach Russland ist gleichfalls, und aus denselben
Gründen, nicht vollständig anzugeben. Malz, Mehl, Getreide, geräuchertes Fleisch,
Häringe, ganz vornehmlich Tücher aus andern westlichen Ländern, besonders aus
den Niederlanden und England, und die grobem Arten aus Deutschland, Leinwand,
Garn auch gefärbtes , Silber und Silbergeld , Kupfer , Zinn , Bley und wahrschein-
lich mehrere Metallwaaren, Wein und Bier, vielleicht auch Honig oder geläuterter
Seim, rothgegerbtes Leder, Buntwerk, obwohl die rohen Stoffe theilweise von
Russland selbst genommen waren, mehrere kleine oder Krämerwaaren, als Schw^e-
fel, Nadeln, Paternoster, Pergament und Handschuhe: diess sind alle Waaren^
deren in den «auf uns gekommenen Nachrichten Erwähnung geschieht.
Ueber die Bemühungen der deutschen Kaufleute und Städte mit den Nachbarn
der Russen slavischen oder halb slavischen Stammes auch einen Verkehr zu unter-
halten, haben wir aus diesem Zeiträume wenig Nachricht. Der Herzog Wladislaw
von Cujavien, Lancycien und Syradien erthellte den Lübeckern im J. 1295 Schutz
in seinem Lande i)j und drey Jahre darauf erklärt er ihnen in einem andern
Freybriefe, in welchem er sich zugleich Herr von Polen nennt, dass Lübecks
O Urk. LXXXV.
ZWEYTER ABSCHN. VERKEHR MIT RUSSLAND. 155
Feinde auch die seinigen sejn sollten; er ertheilt ihnen ausser dem allgemeinen
Schutz die Befreyung von Strand-* und Grundruhrrecht, wenn zu Lande von
ihnen verführte Güter durch das Einstürzen einer Brücke in das Wasser fallen
sollten ; er gesteht ihnen die Zollfreyheit in Danzig und in allen seinen Landern
zu; ferner die Befugniss in Danzig sich ein Haus {pallacium) zn hauen, zur Nie-
derlage für ihre Güter und um daselbst ihre eigenen Rechtssachen auch die
peinlichen, von welcher Grösse sie seyn mögen, zu beurtheilen und zu schlichten,
welchem Hause er zugleich das Recht einer Freystätte zutheilt, also dass kein
noch so grosser Verbrecher, der dahin geflüchtet, herausgezogen werden dürfe,
Indess ist ungewiss, in wiefern diese sehr grossen Freyheitcn dauernd bestanden
und von andern deutschen Kaufleuten haben benutzt werden dürfen, da der Schluss
die Sache ungewiss machte welcher so lautet: dagegen erwartet er, Wladislaus,
dass ihm Lübeck gegen Alle, die^in Pommern einfallen, beystehen werde. Der
Freystätte wenigstens haben die Lübecker im J. 1336 entsagt.
In Lithauen, dem gewaltsamsten und rohesten dieser nordöstlichen Län-
der, wo auch das Christenthum keinen festen Fuss fassen konnte, waren die
deutschen Kaufleute und Städte bemüht für ihren Verkehr Freyheiten oder doch
Schutz zu erlangen: aber diess auch nur vorübergehend zu erhalten, war sehr
schwer der kriegerischen Rohheit dieser heidnischen Fürsten und dieses heidnischen
Volkes wegen. Nicht einmahl die selbst erbetenen Abgeordneten von Riga
blieben unverletzt; nachdem der Herzog glücklich im Felde gegen seine
Feinde gewesen war, ]\es8 er den Abgeordneten verhaften, der im Gefangniss
starb; eben so wenig kümmerte er sich um seine eigenen Unterthanen, die zur
Wiedervergeltung zu Riga fest genommen waren; er spottete ihrer und derer,
die sie in Haft hielten, mit Schimpfreden; die freye sichere Fahrt die Düna hinauf
stand nicht zu erhalten 1). Erst unter dem lltthauischen Fürsten Gedimin schienen
sich bessere Aussichten zu eröffnen; wir haben drey Schreiben von ihm, welche
die wünschenswerthesten Zusagen enthielten. Das eine ist an die Prediger - Mönche
besonders an die der Provinz Sachsen (Wilna am Frohnleichnahmstag im
J« 1323) gerichtet, worin er erklärt, dass er sich an den Papst Johann gewandt
habe, und dessen Gesandte erwarte, um zum Christenthum überzutreten, dass er
Bischöfe und Priester, dass er Ritter und Knappen aufnehmen und reichlich be-
lohnen, dass er den Kaufleuten und Handwerkern nebst den Ihrigen zoUfreyea
O ürk* Lxvnr.
U 2
156 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Ein- und Abzug verstatten wolle. Ein anderes Schreiben von Ebendemselben
an demselben Tage ausgefertigt, und an den Advocaten, den Rath und die Bürger
der Städte Lübeck, Rostock, Stralsund, Greifswald, Steltin, und die Kauf- und
Gewerbsleute von Gotbland gerichtet, enthält die Erklärung, dass, wiewohl sie
seit langer Zeit sein Land ohne geschüUt zu seyn zu besuchen gewagt hätten, um
nach Nowgorod und Plescow zu ziehen, wobey sie -aber vielen Schaden erlitten,
auch den Boten und Schreiben seiner Vorfahren nicht einmahl geantwortet und
dankbar sich dagegen bezeigt hätten; so wolle er ihnen doch, übertretend zum
Ghristenthume, mehrere Gnade erzeigen; er ersucht sie daher, eine feyerliche
Gesandtsdhaft an ihn zu senden. Er verstattet ihnen sofort, sein Land Zoll«- und
Abgabenfrey zu besuchen, ladet alle Kaufleute, Ritter und Vasallen, denen er.
Jedem nach seiner Würde, Einkommen anweisen werde, nach seinem Lande ein,
und sagt allen Gewerbsleuten und den Ihrigen freyen Ein- und Abzug zu; den
in sein Land ziehenden und sich da niederlassenden Ackerleuten verspricht er
zehnjährige Abgaben- und Dienstfreyheit u. f. In einem dritten Schreiben von
Ebendemselben ebendaselbst an gleichem Tage ausgefertigt, an die Minoriten in
der ganzen Welt zerstreut, besonders aber den Minister Saxonie und alle Bru-
der, sagt er im Ganzen dasselbe zu, und verspricht den Deutschen die freye Fahrt
über oder durch das Land des Herzogs von Masovien.
Bey Vorlesung dieser Urkunden auf dem Rathhause zu Lübeck, erklärten
die daselbst anwesenden und dazu berufenen Ordensritter, wenn das Vorgetragene
in der Wahrheit gegründet sey, gern mitzuwirken, und Ihre Abgeordneten mit den
andern nach Litthaucn zu senden. Sollte aber der Uebertritt zum christlichen
Glauben nicht erfolgen, dagegen, wie sie aus einigen Anzeigen besorgen müssten,
die Litthauer die christlichen Länder, Personen und Güter wieder anfallen;
so wollten sie auch nicht an dieses ihr hier gegebenes Versprechen gebunden seyn,
da Dem, der sein Wort nicht hält, es auch nicht gehalten werden könne. Wirk-
lich ist auch eine Gesandtschaft Nahmens der Herren des Landes von Liv- Esth-
und Kurland an ihn in demselben Jahre abgesandt worden, welche durch einen
Erlass aus Wilna am Sonntage nach Michaelis erklärten, mit Gedimln dahin ab-
geschlossen zu haben, dass alle Christen frey zu Wasser nnd Land, sein Gebiet
und die ihm unterworfenen russischen Landschalten sollten . besuchen dürfen; sie
sollen unter seinem Schutz und Recht stehen; geraubtes Gut soll ausgeliefert wer-
den; der Friede oder Waffenstillstand soll zwey Monathe zuvor aufgekündigt
werden Icönnen. Diese Erklärung scheint zufolge einer mündlich genommenen
.»
DRITTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHWEDEN. 157
Abrede mit Gedimin erfolgt zu seyn, von einer schriftlich ausgefertigten Urkunde
Ton Seiten Gediralns ist nicht die Rede.
Die erste Besorgniss der Ritter ist auch nur zu gegründet gewesen; der
Uebertritt zum Christenthum war eigentlich eine List , wie denn Gedimin
ein äusserst verschlagener Mann war, dem alle Mittel gleichgültig schienen, wenn
sie nur dem Zweck entsprachen, sein Reich zu vergrössern und seine Herrschaft
zu verbreiten. Die kriegerische Gewalt und Fehden haben fortgedauert oder sind
gleich nachher erneuert worden, und ein sicherer Verkehr oder Durchzug, obwohl
von Zeit zu Zeit gewagt, ist hier nicht auf die Dauer damahls zu behaupten
gewesen 1).
DRITTER ABSCHNITT.
Handel der deutschen Kaufleute und Städte mit Schweden.
\_/hne Zweifel hat die Nachbarschaft die deutschen Kaufleute früh zur An-
knüpfung eines Verkehrs mit Schweden vermocht. Es mögen die an der Nordsee
belegenen Deutschen vornelimlich mit Sigtuna verkehrt haben, doch erst von ihrem
Verkehr auf Gothland haben wir urkundliche Nachrichten, und hier mögen sie
mit den eigentlichen Schweden vornehmlich ihren Handel betrieben haben. Wie aber
die deutschen Städte an der Ostsee mehr aufkamen, hat der Verkehr zwischen
diesen Deutschen und Schweden immer mehr zugenommen.
Die erste urkundliche Nachricht, die wir besitzen, fallt in die Regierung
des Herzogs RIrger um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, in welcher er den
Lübeckern sehr ansehnliche Freyheiten ertheilt. Die eine ist ohne Jahrzabl, wahr-
scheinlich die älteste (kurz vor d. J. 1251 ) 2), woraus ein früher geschützter freyer
Verkauf zwischen beiden Theilen erhellet. Der Herzog sagt darin, dass er einen
Abgeordneten nach Lübeck gesandt habe, um die Unzufriedenheit zu unterdrücken,
welche durch einige Friedensstörer zur See veranlasst worden sey, dass er um einep
Abgeordneten Lübecks gebeten, und dass er nach dessen Ankunft über den alten
Frieden und Verein sich besprochen habe, welchen König Kanut von Schweden
(seit H6|), Herzog Heinrich (der Löwe) von Sachsen, und der Herzog Byrger Erosa
vor Alters zwischen den Deutschen und Schweden abgeschlossen hätten, worauf
er im EInverständniss mit dem Erzbischof von Upsala und Andern ihnen, den
1) Urk. CXXXa. b.r. J. 1323- 2) S. Zusätze zum Urkunden - Buch. S. 52«
I.rjs ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Lübeckern, die alten Freyheilen bestätige, näbmiich: dass sie Zoll- und Abgaben-
frey mit ibren Waaren nach Schweden kommen, und wenn einige von ihnen
daselbst verweilen und wohnen wollten, diese der vaterländischen Gesetze
theilhaftig seyn und nach ihnen regiert werden, im Uebrigen aber Sueni ge-
nannt werden sollen; gleiche Freybelten sollen den Schweden in Lübeck zustehen.
Schnelle Rechtshülfe nach dem vaterländischem Recht wird den Lübeckern zu-
gesagt 9 und umgekehrt vom Herzoge erwartet dass die Schweden in Lübeck sich
derselben zu erfreuen haben würden. Die alte Befreyung von der Reinigung
durch das glühende Eisen und die Verfügung in Bezug auf ausser der Ehe
geschwängerte Wittwen werden erneuert. Störer des Friedens zur See und
Seeräuber sollen, wenn es Lübecker sind, nicht innerhalb der Stadt, w^enn
Schweden, nicht im Königreiche geduldet werden.
Diese Frey hei ten hat König Birger von Schweden im J. 1292 den Lübeckern
bestätigt, so auch König Magnus in d. J. 1336 und 1344, beschränkend jedoch
die allgemeine Handelsfreyheit der Lübecker dahin, dass sie dem allgemeinen
Verbote, wenn es, aus welchen Gründen es auch sey, erlassen w^ürde, Fleisch,
Getreide oder andere Güter aus dem Lande zu fuhren, unterworfen seyn sollten,
dagegen erweiterte er ihnen den Schutz gegen das Strandrecht, und gab ihnen
die Versicherung der Erhaltung des geborgenen schiffbrüchigen Gutes.
In einem andern Freybriefe für Lübeck von demselben Herzoge um dieselbe
Zeit (I25l) wird bey der Bestätigung der alten unter seinen Vorfahren schon
bestandenen wechselseitigen ZoUfreyheiten von ihm noch hinzugefugt, dass der
Schiffer wohin er komme dem Ortsrichter auf guten Glauben anzuzeigen habe,
welche von seiner Mannschaft Lübecker wären, mit Absonderung der Uebrigen.
Ausser der Befreyung vom Strandrechte sicherte der Herzog auch den Erben der im
Lande verstorbenen Lübecker auf Jahr und Tag die Erbschaflt zu. Dieser Freybrief
ward ihnen von König Waldemar im J. 1277 bestätigt Herzog Birger ertheilte
im J. 1261 den Hamburgern dieselben Freyheiten mit dem Zusätze, dass nur der
Verbrecher, nicht dessen Handelsgenosse für sein Vergehen haften solle; ihnen
bestätigte König VV"aldemar * dieselben im J. i275> und eben dieser letzte König
hat den Rigaem im J. 1271 das Recht ertbeilt, frey nach Schweden zu kommen,
daselbst zu verweilen und von da hinweg zu gehen, so lange seinen Unter thanen
dasselbe in Riga zugestanden würde 2).
1) UV. yoT 1261. 1292. i336. 1344. Wardb. sahb. trluU.
2) UV, 1251. 1261. 1265. 1271. 1275. 1276.
DRITTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHWEDEN. 159
Im J. 1312 aber erlheilten die Herzoge Erich und Waldemar von Schweden den
Lübeckern und allen andern^Kaufleutcn woher sie auch seyn niöchten, die
Erlaubniss nach allen Theilen des Reichs zu kommen, daselbst zu weilen und von
da hinweg zu gehen, die Befreiung vom Strandrecht, die Bcfugniss das schiffbrüchige
Gut zu bergen, welches dem Eigenthümer oder dessen Erben bleibt, endlich die
Bestätigung aller von ihnen früher im Reich durch Herkommen erworbenen Frey-
heiten 1). In dem folgeMien Jahre ertheilte auch Herzog Erich den Bürgern von
Campen freyen Handel in allen seinen Ländern, so wie 1314 noch besondere Pri-
vilegien auf zehn Jahre, besonders in Beziehung auf den an seinen Küsten getrie-
benen Häringsfang 2). König Magnus bestätigte den Rigaern 1275 ihre frühem
Privilegien und ertheilte ihnen in einer andern Urkunde dieselbe Handels- und
Zollfreyheit in seinem Reiche ^ welche die von Gothland und von Lübeck bereits
besassen 3).
König Magnus bestätigte in d. J. 1343 den Seestädten, nähmlich Lübeck,
Hamburg, Rostock, Wismar und Stralsund im Allgemeinen alle ihnen
zustehenden älteren Freyheilen, die ihnen von seinen Ahnen und den Königen von
Schweden und Schonen ertheilt worden. Im folgenden Jahr 1344 bestätigte er
den Lübeckern nochmahls ihre Frey heiten mit Hinzufugung, dass im Fall einer
zwischen beiden Theilen entstehenden Feindschaft, ein Jahr zuvor ihnen eine An-
zeige gemacht werden solle, bevor ihnen ein Schade zugefugt würde. In demsel-
ben Jahre in einer andern Urkunde sicherte er zugleich den Lübecker Bürgern
alle ihre beweglichen und unbeweglichen Güter und Einkünft.e zu, die sie von
Allers her am Kupferberg in Schweden haben 4).
Er und sein Sohn Hakon ertheilen im J. I36l den Städten Lübeck, Ham-
burg, Stade, Bremen, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Demmin, An-
clam, Stettin und Colberg, ja allen und jeden Städten und Kaufleuten der
deutschen Hanse, nicht nur die Bestätigung ihrer alten Freyheiten, sondern sie
erklären, sie auch zu vermehren, wegen der Wohlthaten, die sie und ihre Vor-
fahren von den Städten genossen hätten, sie ertheilen ihnen die Freyheit nach und
durch ihre Reiche Schweden und Norwegen zu ziehen, daselbst zu vei weilen.
1} UV. 1312« Andere von ihnen und den Konigen von Schweden, die sich auf die freye Fahrt ttber di«
Newa beziehen, «iud bey dem Handel mit Ruasland angeführt worden.
2) ÜV. 1313 (3). 1314.
3) S. ÜV. 1271 (3)f und Zusätze 1276.
4) UV. CLlb CLV. CLVL UV, 1344.
IgO ZWEYTE ABTHEIL. GESai DES HANDELS.
ihren Handel daselbst frey, gegen den alten üblichen Zoll, zu betreiben; sie ver-
sprechen die Räuber ihrer Güter, es sey zu Wasser oder Land geschehen, bis zu
deren Wiedererstattung zu verfolgen ; sie werden befreyt in beiden Reichen (Schweden
und Norwegen) von dem Abzugsrechte oder dem Verfallen der Güter der von ihnen
im Lande Verstorbenen, deren Erben das durch Erbschaft ihnen zugefallene Gut
frey abzuführen das Recht haben. Sie werden vom Strandrechte befreyt, das
seetriftige Gut aber soll, wenn die Mannschaft unterg^angen , an öffentlichen
Orten aufbewahrt werden, um es den Erben oder Andern darauf mit gültigen
Ansprüchen versehenen, die binnen Jahr und Tag sich melden, auszuliefern. Sie
erhalten die Freyheit ihre Güter und Waaren zu Lande aus der Ostsee nach der
Westsee zu schaffen, und von da, wohin es ihnen gefallt, weiter zu segeln; sie
erhalten das Recht, aller Orten in ihren Reichen umher zu ziehen und ihre aus-
stehenden Schulden einzutreiben, zollfrey in Schweden wie in Norwegen Salz an
Fremde und Eingeborene schiffpfundweise zu verkaufen, und gegen Erlegung des
üblichen Zolls die Waaren, welche sie eingeführt und die unverkauft geblieben,
wieder auszuführen. Leichtfertige, meineidige und verdächtige Leute dürfen nicht
gegen sie zeugen, und alle früher den Lübeckern oder ^er Hanse erthellte Freyhelten
werden ihnen bestätigt i). Der Nachfolger in Schweden, König Albrecht, hat
dasselbe ihnen ohne Zweifel zugesichert 2).
Wie bedeutend nun diese Freyheiten auch waren, so sind sie doch grösssten-
theils nur eben die, welche die deutschen Städte auch in andern nordischen Rei-
chen sich zu verschaffen wussten, und die Urkunden geben wenig befriedigende
Auskunft über die Art, wie sie ihren Handel mit den Schweden führten, und welche
Gegenstände denselben ausmachten.
Von einer deutschen Niederlage, einem deutschen Hofe, wie in Nowgorod,
ist hier in Schweden weder zu dieser noch zu irgend einer der folgenden Zeiten
die Rede. Aber in den besonderen Freyheiten, die Lübeck zugestanden werden,
1} Der übrige Punct geht Schonen tiud Norwegen ins Besondere an» das Augeführte aber auch Schweden;
UV* 1361. ein allgemeiner Schutzbrief für die Stralsunder, welche Lebensmittel in alle seine Reiche
fuhren v, J. 1358. ÜB. CLXXX[V,
2) Dreyer S. 136* sagt bestimmt: König Albrecht habe im J. 1368 den Städten Lübeck, Hamburg, Rostock,
Wismar , Lüneburg , Thorn, Elbiug* Danzig und der gesammten Hanse Dasselbe bestätigt, welche Urkunde
ich nicht aufgefunden habe (Vergh Gesch. d. Hans. Bund. J. 207-209); eine Urkunde von diesem Könige
und von demselben Jahre bezieht sich lediglich auf Schonen* Es ist aber wohl keinem Zweifel unterwor-
fen , dass es geschehen sey , denn Albrecht musste Alles bestätigen , was die Städte begehrten ; ihnen ver-
dankte er den Thron«
DRITTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHWEDEN. fßi
finden ^\lr die Spur einer anderen Art den Handel mit den Eingeborenen mil
Vorlheil zu betreiben. Es heisst darin: wollen sie im Lande bleiben, daselbst
wohnen, «o sollen sie dem Rechte des Landes unterworfen seyn, und Sweni ge-
nannt werden; dasselbe soll für die Schweden in Lübeck gelten. Sie konnten
also dort im Lande häuslich sich niederlassen. Wir finden , dass sie bewegliches
und unbewegliches Gut in den schwedischen Kupferwerken besassen, die sie
ohne Zweifel vornehmlich mit ihrem Capital betrieben. Wahrscheinlich haben
andere deutsche Städte von jener Begünstigung auch Gebrauch gemacht, und
die Deutschen haben ihren Vorlheil wohl verstanden in den schwedischen Städten
als Bürger sich niederzulassen; es war ihneq nicht verwehrt, und dadurch war
. noch mehr als durch einen solchen deutschen Hof gewonnen.
Was eigentlich der Ausdruck Sueni bedeuten solle, mit welchem Nahmen
diese in Schweden sich niederlassenden Deutschen benannt werden sollen, ist schwer
zu sagen; nicht Suei, Swei, Sueci heisst es in den Urkunden, wie sonst Schweden
in denselben benannt werden; vielleicht soll das Wort so viel als Knappe
bedeuten. Die Swenar machen jetzt die untere Stufe des Adels in Schweden aus,
und wenn das Wort etwa das bezeichnete, was wir Knappen {cirmigerij famul'i)
^im Mittelalter nannten, so mag es hier andeuten, dass sie als freye Leute, Ge-
ehrte, auch das Recht hatten Waffen zu tragen.
Wie dem auch sey, die Sache an sich, dass Deutsche sich in den Schwedischen
Städten angesiedelt, und daselbst Bürgerrechte, ja das Recht erworben haben,
dass in den Handelsstädten des Reichs der Rath zur Hälfte mit Deutschen besetzt
seyn musste, ist keinem Zweifel unterworfen, und von hier aus konnten sie dann
ihren Einfluss üben, ihre Handelsvortheile verfolgen; sie bedurften keines Hofes; sie
hatten angesiedelte und eingebürgerte Landsleute, die durch das ganze Reich ver-
breitet waren i). Dass nun aber den Schweden in Lübeck oder in irgend einer andern
1) Iq wie fern bereits in diesem ersten Zeiträume die Deutschen ron diesem Ansiedelungsrechte \n Schwe-
den und in den schwedischen Haudelsstädten Gebrauch gemacht haben i in wie vielen Städten sie diess
Recht benuut , kann mit Urkunden nicht belegt werden ; von Wisby allein , in so fern mau es zu den
schwedischen Städten rechnet, ist es thunlich, und allgemein bekannt. Wahrscheinlich ist es schon da-
roahls in andern Städten auch geschehen. In einer Urkunde des Bischofs Elgers rom J. 1310 wird der
Deutschen gedacht, die auc^ eigenthumliche Hofe in der Stadt Lund besitzen; aber Lund kann man
eigentlich nicht in diesem Zeitraum als schwedische Stadt betrachten i auch geht nicht daraus hervor,
dass sie die gleichen Bürgerrechte , noch weniger dass sie Antheil an dem Rath der Stadt mit den Einge-
borenen gehabt hätten *). Dalin in der Gesch. Schwedens t deuuche Uebers. II« 602« fuhrt ein Mandatum
*) ÜB. CXXIIb,
162 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
deutschen Stadt Gleiches wie in den an Lübeck ertheilten Freybriefen zugestan-
den worden wäre, davon ist keine Spur; es ist vielmehr in diesem Falle wie in
vielen andern geschehen, dass es lediglich eine Redensart war, um gleichsam die
Eingeborenen zu beruhigen. Wie lange ist später der Streit zwischen England
und den Hansen gefuhrt worden, da ähnliche begünstigende Ausdrücke für die
Engländer in den deutschen Städten in den Verträgen vorbehalten waren, eine
englische Niederlassung aber in ihnen nur beym Verfall des städtischen Bundes
durchgesetzt werden konnte.
Was Lübeck zuerst verstattet ward, das ist zufolge allgemeiner Ausdrücke in
den allgemeinern Freybriefen von den vereinten und benachbarten deutschen Städten
ohne Zweifel hernach auch benutzt worden, und die Herrschaft im Handel durch
das reichere Capital, die grössere Freyheit \ind die überwiegende Handels- und
Kunstfertigkeit der Deutschen befestigt worden.
Mit welchen Gegenständen der Handel zwischen beiden Thellen in diesem
Zeiträume vornehmlich betrieben worden, ist im Ganzen leicht zu vermuthen, im
Einzelnen aber nicht eben mit Urkunden zu belegen. Dass die Lübecker die Kupfer-
werke dort betrieben und das Kupfer ausführten, ist erwiesen, so auch die Aus-
fuhr von Eisen, den Erzeugnissen der Waldungen und was damit zusammenhing,
von Pelzwerken, Fischwaaren, den Erzeugnissen der Viehzucht, Fleisch, selbst,
wahrscheinlich jedoch nur aus den südlichen Provinzen, Getreide; wogegen
die Städte die in Flandern, den Niederlanden und England eingelauschten Güter,
feine wollene Tücher, Seidenwaaren und Sammt, Gewürze und Weine einführten,
diese letzten auch aus Deutschland vom Rhein, dann die Erzeugnisse deutschen
Landbaues, ihres eignen städtischen Kunstfleisses, Bier und andere Getränke, Me-
tallwaaren und wahrscheinlich auch solche Fischarten, die sie in Norwegen oder
sinatus regru Suec, Stockh. domin. i. post fest. Brigif, 1471 au, woria es heisst: Im J. 1470 kam die
Bürgerschaft Stockholms und mehrere andere Städte, nebst dem Volke aus allen Landschaften des Reichs
-vor uns, und klagte, dass zu grossem Schimpf und Nachtheile des gemeinen Mannes iu Schweden» alle
Handelsstädte im Reich schuldig seyu sollten , den Magistrat zur Hälfte mit deutschen Riirgerraeistern und
Rathsherren zu besetzen, woraus denn seit langer Zeit Unwillen, Zwietracht und Verderben entstanden
sey* — In keiner deutschen Stadt möchte den Schweden etwas dem Aehnliches zugestanden seyn. Nur
bey der ältesten Eintheilung in den deutscheu Städten in Flandern kommt ein Drittel vor, das aus
Gothlandern , Livländeru und Schweden besteht, Diess kann eben sowohl andeuten , dass Schweden
zu dem Genuss der dortigen Freyheiten zugelassen wurden , als dass die Deutschen eingebürgert
in den schwedischen Städten darunter verstanden werden; dies letztere ist das allein Wahrscheinlichr«
8. unten b. Handel mit und iu den Niederlanden«
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 1^3
Schonen sich verschafften, vielleicht auch manche auf dem deutschen Hofe in Now-
gorod eingetauschte Güter. Doch ist diess Alles nur Vermuthung, und wenn auch
noch so wahrscheinliche, doch nicht mit Urkunden zu belegen.
Dieser Handel der deutschen Städte mit Schweden hat nicht den Glanz,
welchen andere Zweige ihres Verkehrs hatten, aber er ist gewiss, besonders für
die näher benachbarten, von grosser Bedeutung gewesen, und hat zum Gedeihen
ihres eigenen Wohlstandes und ihres Zwischenhandels nicht wenig beygetragen.
VIERTER ABSCHNITT.
Verkehr der deulschen Kaofleole und Städte mit Dänmark und |)esonder8 mit Schonen.
^^m^mmm*
D
'ass die Nachbarschaft auch hier die deutschen Kaufleute und Städte früh zu
wechselseitigen Handelsverbindungen gefuhrt habe, ist unbezweifelt. Vor allem
Andern aber war es der Fischfang auf Schonen, der diese Verbindungen veranlasste
und befestigte. Der Häring verliess zwar nicht ganz die pommersche Küste, aber
er ward gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts dort weder so gut, noch so
zahlreich als an der schonischen Küste gefunden , an dem- Theile der Halbinsel,
woselbst er jetzt nur höchst sparsam erscheint. Sehr häufig ist Schonen in
dieser Beziehung von den Fischern und Kaufleuten mehrerer Völker, nicht allein
von den Deutschen, besucht worden.
Schon im J. 1201 liess Kanut VL, unzufrieden mit Lübeck, alle ihren Bür-
gern zubehörigen Schiffe und deren Mannschaft anhalten, welche dieser Fischerey
wegen nach Schonen gekommen waren 1). König Waldemar H. (1202 - 1241)
aber, eine Zeitlang Herr der Stadt und der benachbarten östlich liegenden Länder
Kordalbinglens , ertheilte ihr, seiner Stadt, nicht nur die Bestätigung ihrer alten,
von Herzog Heinrich dem Löwen und dem Kaiser Friederich ertheilten Freyheiten,
sondern er erliess ihr auch in den Jahren 1202 und 1220 seine Ansprüche auf
das Strandrecht in seinem Reiche, und erklärte, dass er auf Bitte der Prediger-
Mönche und aus Liebe zu allen Kaufleuten ein Zeichen (einen Feuerthurm) zu
Falsterbo auf Schonen habe errichten lassen. Ja in einer andern Urkunde, gleich-
falls ohne Jahrzahl, die wahrscheinlich in den Anfang seiner Regierung tu setzen
1) Helmold chronic, Slauar, IL 12, 10- et Arnold Luhec^ Uli 5» 1« VI, 13. — Ueber den YerSnderteu
Zu^ der Häringe a. Möhsen Gesclu der Wias. in der Mark Brandeub. S. 203-5. Gesch. der G. B.
Th. I, S. 210.
X 2
164 ZWEYTE ABTHEIL, GESCH. DES HANDELS.
ist, ertheilte er den Lübeckern bereits alle die Freyheiten auf Schonen, welche den
Grund zu ihrem und ihrer Freunde ausgedehnten Fischfange daselbst legten, und
eine lange Reihe von Jahren die wesentlichsten Ursachen des Wohlstandes und
des Umfanges ihrer Seemacht enthielten.
Diese merkwürdigen Freyheiten waren folgende: Auf den Märkten zu Skanoer
und Falsterbo erhielten die Lübecker das Recht, grössere sowohl als kleinere Waa-
ren zu verkaufen, und alles, was daselbst käuflich war, zu kaufen j sich einen Vogt
beliebig zu bestellen, der die unter ihnen und ihren Angehörigen entstandenen Zwiste
schlichte, mit Ausnahme des Todschlages und der Schläge, die Blau und Blut nach
sich ziehen, welche zur Entscheidung des Gerichts des Königes verbleiben. Gegen
Erlegung des üblichen (Justum) Zolls an des Königes Beamte, können sie wollene
und leinene Tücher ellenweise, so wie andere Güter nach grossem und kleinem
Gewichte verkaufen. Ihre Güter sind in Bezug auf den Zoll nicht dem Könige
verfallen, so lange noch nicht der erste, ihre Güter nach dem Ufer fuhrende
Wagen in das Wasser gekommen ist, da sie noch immer den Zoll entrichten
können.
Beschuldigen des Königes Beamte einen ihrer Bürger eines Vergehens, so
kann er sich eidlich davon , mit Hülfe seiner Landsleute, reinigen.
Des im Lande Verstorbenen Güter nehmen dessen nächste Erben, w^enn sie
zugegen sind , zu sich ; im entgegengesetzten Falle sind der königliche Vogt und
andere gute Leute verbunden, sie den nächsten Erben aufzubewahren, ohne dass
der Vogt irgend einen rechtlichen Anspruch daran machen dürfte.
Hat einer bey der Häringsfischerey in Schonen seine eigene Bude, Schiff,
Fischbehälter, Zelt oder Schoppen (Wohnung), so ist ihm erlaubt, seine Güter
Zollfrey, während der Märkte, in das Innere des Landes zu fuhren.
Gewaltsame Hinwegführung ist nur im Fall der Nothzucht, die Hände
dem Beschuldigten auf den Rücken zu binden, im Fall eines Diebstahls erlaubt;
das Legen in Fesseln, bey verschlossenen Thüren, ohne dass ein angemessenes
Verbrechen begangen scy , ist verboten.
Jedes Schiff, welches am Ufer ankommt, kannfrey ausgeladen werden. Was
Einer daselbst gekaufl hat, das kann er frey abfuhren. Vom Sonntag vor Michaelis
an soH beym Zoll die neue Münze, und nicht früher, gebraucht werden ^)*
1) Diese Bestimmung ist aus der Sitte des Mittelalters zu erklüren, den Vortheil des Müuzens, den Schlag-
schatz möglichst zu yergrössern » ^resshalb alle Münzen zu gewissen Zeiten i im 14ten Jahrhunderte in
Däumark jährlich, eingezogen, und neue, im Gehalte häufig schlechtere» von demselben Nennvierthe
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. i65
Niemand darf auf der lübischen Vilte (Fischerlager) liegen, als der, welchem
der lübische Vogt oder die Iiibischen Bürger die Erlaubniss dazu ertheilt haben.
Einen Schank {tahernct) auf der Vitte zu hallen , ist nicht erlaubt, doch steht
es frey, flaschenweise Bier zu verkaufen.
Haben die Lübecker einen Dieb ergriffen, so können sie ihn auch gebunden
(zugleich mit der gestohlenen Sache) dem königlichen Vogt vorfuhren.
Kauft Jemand am hellen Tage ein Thier (Pferd oder Rindvieh), welches viel-
leicht gestohlen war, so bleibt der Käufer, der nicht darum wusste, frey von Be-
schuldigung, wenn der Bestohlene dazu kommt und es wieder fordert.
Die Buden gehen an die Erben über, vorausgesetzt, dass der König wegen
der jährlich zu zahlenden Grundrente befriedigt worden ist i).
Einige Zeit nachher befreyte derselbe König die Bremer vom Strandrechte
in seinem Reiche. In dem Vertrage, den er mit dem Grafen Heinrich von
Schwerin einging (1225)) ertheilte er nicht nur den Hamburgern und Lübeckern,
sondern auch allen Kaufleuten dieser Gegend und allen andern Kaufleuten des
römischen Reichs die Freyheit, Dänmark zu besuchen, und aller der Rechte und
Freyheiten sich zu erfreuen, welche sie vor seiner Gefangenschaft inne gehabt
hätten. Drey Jahre nachher befreyt er insbesondere vom Zoll und Strandrechte
Braunschweigs Bürger in seinem Reiche, und nimmt sie in seinen besondern
Schutz. Im J. 1231 oder 1232 aber hat Erich, König von Dänmark, Mitregent
seines Vaters Waldemar, in seinem Reiche den Bürgern von Cöln und ihren
Gütern den allgemeinen Schutz zugesagt; dasselbe hat er im J. 1232 den Bürgern
von Soest, nach dem Beysplele seines Vaters, bewilligt, so wie auch das Erbrecht
ihrer In Dänmark verstorbenen Mitbürger und überall alle Befugnisse, welche von
seinem Vater und seinen Vorfahren in Dänmark den Cölnern zugestanden worden
sind, woraus sich also eine noch frühere Handelsverbindung zwischen Cöln und
Dänmark ergibt, eine frühere als wir von irgend einer andern deutschen Stadt
urkundlich nachweisen können.
ausgegeben wurden. Die neue Müuie wurde dann an einem betUmmten Tage Terkiindet, und unter
Streuger YerfQguug in Umlauf gesetzt* In Schonen wurde diese jährliche Mtinzemeuerung lange bey-
behalten (s. Huitfeldt S. 544«}9 sehr zum Drucke des Handels. Eine Verordnung des Königs Erich
MenTed Tom J. 1304 (abgedr. in An eher Rechts - Gesch. II. 5S4« ▼gl« Suhm XL 458*) ^irft hierauf
das beste Licht, durch die Worte: ^^ De monetis est etatuium, quod innopatio monete prius quam in
proximo generali placito cuiusUbet terrae (d. h« jeder Landschaft Seeland^ Jäiland^ Schonen u. a.) ante
feeium 5, Michaelis nuüatenus pubüceiur^ sicuti Tnoneiarius capitis sui ammiseionem voluerit eidtare*
i) ÜB. Vüb UV. 1203. 2) ÜB. Xl|b UV. 1213. 1226- 1228- 1232.
^ßg ZWEYTE ABTHEIL. GESCa DES HANDELS.
Im Jahr 1241 ertheilte der Herzog Abel von Jiitland den Hamburgern und
allen Gästen (ankommenden Fremden, worunter gewiss die Deutseben vornehmlicb
verstanden wurden) in seinem Lande die Zollfreyheit, gleichwie seine Verwandten,
Bruder Adolph, Landgraf von Holstein, und der Junker Johann zuvor sie ihnen
bewilligt hätten. Als er König von Dänmark geworden, sicherte er im J. i25ü
den Lübeckern und Hamburgern die Freyheit vom Strandrechte zu, und ertheilte
den Erstem noch besonders die Handelsfreyhelt durch sein ganzes Reich.
Im folgenden Jahre sagte er den Rostockem Gleiches zu, so wie die Befugniss auf
den von Ihnen besuchten schonischen Märkten, die unter den Ihrigen enstehenden
Streitigkeiten, mit Ausnahme der Fälle, wo Blut vergossen worden, durch ihre
eigenen Richter wie die Lübecker zu richten i). Er ertheilte denen von Wismar
dieselben Rechte, welche er und sein Vater den Lübeckern in Skanoer und an-
dern Theilen 'seines Reichs zugestanden hatte, die ihnen auch vom Könige Eiich
(1267) bestätigt wurden 2).
Auf diese Weise haben bereits mehrere einzelne deutsche Städte für ihre
Kaufleute wesentliche Freyheiten in Dänmark überhaupt, besonders zum Härings-
fange auf Schonen während der dortigen Märkte, früh erhalten ; zahlreiche Städte
an der Nord - und Ostsee belegen bis nach Cöln ja bis nach Friesland hin , wenn
wir gleich nur einen Theil der Freybriefe kennen, haben gewiss Gleiches er-
strebt und erhalten, ohne dass jedoch die Urkunden alle auf uns gekommen
wären. Diese erworbenen Freyheiten, die ein bestimmtes gemeinschaftliches Ziel
betreffen, reichen bis zu Anfang des dreyzehnten Jahrhunderts zurück, ja sie müssen
theil weise noch welter zurückgegangen seyn. Einzeln haben sich auch die Städte
für die Ihrigen diese Freyheiten besonders bestätigen lassen ; einige haben grössere
und ausgedehntere besessen, andere wenigere, oder von geringerem Umfange. Ob
die im J. 1225 allen Kaufleuten des römischen Reichs ertheilte Freyheit, Dänmark
zu besuchen, sich auch auf die beym Häringfange auf Schonen zu geniessenden Vor-
rechte bezogen habe, mag ungewiss seyn; gewiss aber ist es, dass König Abel
mehreren (Deutschen) Kaufleuten gemeinschaftlich, nähmlich den Finlandsfaren^
wahrscheinlich den deutschen Seefahrern aus dem Wendenlande (nicht lediglich
den später in engerem Sinne so genannten Kaufleuten der Wendischen Städte),
Freyheiten zu diesem Zweck bewilligte, und zwar, wie es heisst, mit ihrer Zustim-
1) Ueber die Jurisdlcton der Hausestädte auf deu dämschen Fischmärkten s. eine Abh* t, P. K. Au eher
SamUde juridiske Skrifter I. 804« Beylage II. zum Cap. XXIV. seiner Rechts -Geschichte.
2) ÜB. XIV. UV. 1250. 1251.
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 167
mung. Der König bestimmt die von ihnen in Skanoer zu erlegenden Zölle.
Jedes grössere Schiff (Cogge), welches westlich Ton Skanoer fährt, zahlt 32 gute
Schillinge, die, welche gegen ihren Willen östlich getrieben werden, müssen, wenn
der König es fordert, eidlich erhärten, dass es gegen ihren Willen geschehen sey,
dann haben sie zwey Schilling schonisch von der Last zu zahlen. Wer dagegen
fehlt, dessen gesammtes Gut ist dem Könige verfallen, und kehrt der Uebertreter
nicht nach dem Königreiche zurück, so sind dessen Mitbürger oder Landsleute
verbunden, ihn und dessen Eigenthum des Königes Boten zu überliefern;
verweigern sie diess, so haben sie sich die Folgen bey zumessen. Wer von ihnen
nach Norwegen fahren will, ist, mit Ausnahme des Härlngs, für Tuch, Linnen,
Salz und eigene Lebensmittel die er führt zoUfrey; des Königes Kammermeister,
oder ein anderer seiner Beamten hat jedoch die Befugniss ihre Schiffe und deren
Gehalt zu durchsuchen; schiffbrüchiges Gut zu retten, steht ihnen frey. Auch
ward ihnen um dieselben Zeiten verstattet, Abends ihre Güter zu verfuhren,
von der Zeit wo die Vesper •- Glocke läutet bis zum Untergange der Sonne i).
Die entgegen stehenden Befreyungen von Durchsuchung der Schiffe und der
Haft der Landsleute sind hier erst später allgemeiner erworben worden. Auch
ist CS auffallend, dass nicht die grosse Gesellschaft; der Kaufleute auf Goth-
land, die damahls in so grossem Ansehen bereits bestand, sondern dass die
VInlandsfahrer , deren Verbindung man nicht näher kennt, diese Freyheiten
erhalten 2).
Von König Christoph L (1252-1259) haben wir nur eine, innerhalb vier
Wochen nach seines Vaters Tode bereits ausgestellte, in allgemeinen Ausdrücken
abgefasste Bestätigung der Lübeck im Reiche zustehenden Freyheiten. Aber von
Erich Glipping (1259-1286) haben wir eine ganze Reihe von Freybriefen, die
er Lübeck und andern Städten einzeln, nachher auch gemeinschafllich, ertheilt,
worin er die alten von seinen Vorältern (progenitores) ertheillen Freyheiten
ihnen bestätigt, besonders gegen das Strandrecht v. d. J. 1259 j 1267 u. 1277? >vie
auch seine Mutter und Vormünderin Margaretha schon dasselbe den Lübeckern
im J. 1264 zugestanden hatte 3). Auch hat der König ihnen im J. 1268 ihre Frey-
heiten in Bezug auf die schonischen Märkte bestätigt, nahmentlich auf Falsterbo.
i; Letztere Urkunde wird angeführt bey Suhm X. 195«
2) UV. 1251« Suhm X. 194 -j 95« Den Nahmen Yiuland iu d^m Sinne, glaubt er auch schon unter Cauut
VI. 1188. zu finden V. 1. VUI. 166. u. a.
3) UV. Arndt livl. Chron. IL 62. UV. 1259. 1264. 1267« 1268. 1277.
168
ZWEYTE ABTÖEIL. GESCH. DES HANDELS.
Ferner liat der Herzog Waldemar von Jiitland den Bremern, die nach Schleswig
oder irgend einem Theüe seines Herzogthums, auch Nahmens der Eyderstädter und
der Friesen, kommen, Schutz fiir Ihre Personen und Waaren zugesichert, die
Freyheit zu kommen, zu bleiben oder abzureisen, zugesagt; und den Lübeckern
auf ihren Reisen nach Flandern und andern Ländern sicheres Geleit, vollen Ersatz
des Geraubten , und Befreyung vom Strandrechte verhelssen i).
Von dem Könige Erich war es in den Bedrängnissen, w^orin er sich befand,
den Geldbedürfnissen, die er hatte, um so leichter dieses Alles zu erlangen. Er
hatte von einigen lüblschen Bürgern 2000 Mark Lüb. fein Silber im J. 1272 vor-
geschossen erhalten, und versprochen, bey der in der verflossenen Frist nicht er-
folgten Zurückzahlung dreysslg seiner Ritter zum EInlager in Rostock oder, w^enn
sie dahin kein sicheres Geleit erhalten könnten, an einem andern Orte im Däni-
schen zu stellen i). Er erthellte im J.' 1276 den Stralsundern die Befugniss, durch
ihren eigenen Vogt auf den schonischen Märkten sich in ihren Rechtsstreitigkelten
Recht sprechen zu lassen, in so fern sie nicht vor den königlichen Amtmann
gehören, gleichwie es den Lübeckern und Rostockern verstattet worden. Er be-
stätigt ihnen das Jahr darauf das ihnen von seinem Grossvater bereits erthellte
Recht ihr schiffbrüchiges Gut zu retten, und dass seine Beamten Ihnen keine
Güter gegen einen bestimmten Preis wegnehmen, sondern nach freyer Ueherein-
kunfl die Preise dafür zahlen sollen 3). So bestätigte er 1280 den Lübeckern,
die sich mit ihm verbunden hatten, ihre alten Freyheiten in Dänmark und Schonen,
sicherte ihnen zu, dass sie eben desshalb nicht mit ausserge wohnlichen Zöllen
beschwert, und vor Gericht, wenn sie die Sache läugnen, nicht durch übelberüch-
tigte Personen überfuhrt werden sollten; er gelobt ihnen allgemeinen Schutz und
Beystand zu, und verspricht, bey Beleidigungen von ihrer Seite, nicht sofort gegen
sie die Fehde anzufangen , sondern diess Mittel nach vorgegangener Ermahnung
und ein halbes Jahr nachher zu ergreifen 4).
Den Hamburgern bestätigte er eben so ihre alten Freyheiten wegen des
Strandrechts, und überlässt ihnen Land auf Schonen, um daselbst ihre Buden zu
haben, und auf den schonischen Märkten daselbst zu wohnen, und der Freyheilen
theilhaftlg zu seyn, deren die übrigen slavischen und Seestädte daselbst sich zu er-
freuen haben 5).
1) ÜV. 1284. 1287. 2) ÜR. XXXV.
4) LH. 5) ÜV. 1282. 1283- (2).
3) ÜB. XXXVIIb XXXVHc.
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN.
169
Am merkwürdigslen ist iadess ein Freybrief, den er den Greifswaldera im
J. 1280 zu Falsterbode auf Schonen ertheilte : er tritt ihnen nicht nur ein Stück Lan-
des ab, um daselbst ihre Vitte zu haben, belegen zwischen der alten Einhegung
{indago) des Kirchhofs der Deutschen, dem Meeresufer und der Fiite der Stralsunderj
und gibt ihnen die Befugniss einen Vogt sich zu wählen, der über seine Mitbürger
und über die unter seinem Gerichtszwange Stehenden richte; sondern er gesteht
ihnen das Recht zu, auch in hohen wie in geringern Fällen, selbst bey Verbrechen,
die das Leben angehen. Recht zu sprechen. Was die folgenden Puncte betrifft,
dass Niemand ohne ihre Erlaubniss auf ihrer VItte sich aufhalten dürfe, die aber,
welchen die Greifswalder oder deren Vogt die Erlaubniss dazu ertheilen, des kö-
niglichen Schutzes geniessen sollen, so haben andere Städte dasselbe erhalten; eine
solche Ausdehnung der Gerichtsbarkeit ihres Vogts aber hat keine, wenigstens in
dieser und der nächst folgenden Zeit, aufzuweisen. Wahrscheinlich haben eigen-
thümliche und uns unbekannte Verhältnisse zwischen beiden Theilen diese Begün-
stigung veranlasst, und ist sie nur vorübergehend gewesen i).
Nicht aber auf Einzelne blieb seine Gnade beschränkt; er ertheilte allen
Gästen, die nach Ripen kommen, seinen Schutz, und bestimmte den von ihnen zu
erlegenden Zoll wahrscheinlich niedriger als früher 2). Lübeck, Wismar, Rostock,
Stralsund, Greifswald, Stettin, und alle im Wendenlande belegenen Städte, zum
ersten Male in Dänmark in dieser Gemeinschaft genannt, erhielten von ihm
im J. 1278 sicheres Geleit und Zollfreyheit auf dem neu errichteten Markte
zu Huitvanger in Seeland 3),
Er ertheilte 1283 den Bürgern der Städte Lübeck, Wismar, Rostock, Bem-
min, Stralsund, Greifswald, Stettin und Anclam einen allgemeinen Schutz, wenn
sie die schonischen Märkte oder andere Theile seines Reichs besuchen, das Recht
daselbst zu bleiben und ihre Handelsgeschäfte zu fuhren nach alter Gewohnheit;
er sichert in demselben Jahre in einer andern Urkunde den Kaufleuten Deutsch-^
landsy welche die Märkte zu Skanoer besuchen wollen, dasselbe zu, da sie wegen
des Besuchens derselben besorgt gewesen 4).
Im folgenden Jahre aber (1284) versprach er, den slavischen Städten ^ mit
welchen er sich auf acht Jahr enger verbunden hatte , den freyen Handel in sei-
nem Reiche, gegen Erlegung der herkömmlichen Zölle und Abgaben zu verstatten;
1) ÜV. 1280. (3> 2) UV. 1283. (!)• 3) Urk. XXXIIlb rergl. mit den Nachträgen,
4) ÜB. LI.
170 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
ferner, dass die von ihnen eingeführten Gül^r, die er (der König) bedürfe, nicht
mit Gewalt ihnen weggenommen werden sollten; er erlaubt ihnen die freye Aus-
fuhr der im Lande erkauften Güter, wenn nicht augenscheinliche Noth ein Ver-
bot fordere, in welchem Falk auf Michaelis jedes Mahl ihnen die Anzeige gemacht
werden soll l). Eben diesen slamscJien Städten versprach er in demselben Jahre,
dass seine Unterthanen den Norwegern, den Feinden der Städte, keine Güter
zufuhren sollten; er verbietet auch den Norwegern den Zutritt zu seinem Reiche
des Handels wegen, wenn sie nicht in einer bestimmten Frist, binnen welcher
ihnen der Zutritt noch verstattet seyn soll , mit den* Städten sich versöhnen , den
Frieden herstellen, und für den erlittenen Verlust Genugthuung leisten.
Er verband sich mit mehreren Fürsten und den obengenannten Städten,
denen auch Hamburg und Kiel sich zugesellten, welche dann wahrscheinlich auch
an den erwähnten Freyheiten Theil erhielten, in demselben Jahre gegen Norwegen 2).
Der Nachfolger des Königs, Erich Menwed, bestätigte im J. J287> schon aus
Dankbarkelt, den Lübeckern die alten Freyheiten , da sie den Mördern seines Vaters
den Zutritt in ihre Stadt verweigert hatten. In demselben Jahre hat ihnen Herzog
Waldemar von Jütland dasselbe in seinem Herzogthum zugesichert. Im J. 1288
bestätigte er ihnen das Recht, aus seinem Reiche nach Flandern und an andere
Orte hin zu fahren 3). Im J. J294 verstattete er, auf Bitte der Bürger von Lübeck
und Gottland, allen Kaufleuten der Seestädte^ welche die Ostsee befahren^ freyen
Handel in allen Theilen seines Reichs, es $ey zu Wasser oder zu Land; er be-
stätigte ihnen ihre alten Freyheiten in dem folgenden Jahre, so wie der Stadt
Bremen, den Städten Wismar und Stralsund; der Stadt Campen verstattete
er 1298 das Recht ihr schiffbrüchiges Gut an seines Landes Küsten zu retten, und
der Stadt Deventer in demselben Jahre (1298) die Handelsfreyheit auf den schoni-
schen Märkten 4).
Doch das gute Verhältniss wurde durch die Erwerbung der Oberherrschaft über
die Stadt Rostock im J. 1290, durch die Einnahme derselben im J. 1301, und die
Anlage der dänischen Burg bey Warnemünde, so wie durch die Ausdehnung
seiner Herrschaft in Mecklenburg und Pommern und über die Städte Wismar, Stral-
sund und Greifswald gestört Selbst Lübeck musste sich im J. 1307 zu einem
jährl. Tribut an den König v. 750 Mark auf zehn Jahr verstehen, und erhielt dage-«
1) ÜB. LIV. LV. LVI. 2) ÜB. LVir. LVIII. 3) ÜB. LXIV* UV. 1287. 1288. (1.)
4) ÜB. LXXVIIb c UV. 1393. 1298. Dreyer p.69. Su hm XI. 277.
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. m
gen die allen Freyheiten zugesichert, so wie früher durch die Bischöfe von Lund und
Ripen die Befreyung vom Strandrechl bestätigt wurde. Es klagte die Stadt Zütphen
dem Könige im J. 1302 > dass die Kaufleute der slavischen Städte und die gemeinen
Kaufleute der Gralschaft Geldern und des Bisthums Utrecht unerträgliche Beschwer-
den in seinem Reiche zu dulden hätten, so dass die gemeinen Kaufleute alle ihre
Rechte und Freyheiten in Skanoer und Falsterbode und andern Häfen seines Reichs
etpbüssten, und ihrer eigenen Gerichtsbarkeit, die sie unter seinen Vorfahren gehabt,
beraubt waren, dass seine Vögte und Richter, {aduocati et Justiciarii) ihnen
nähmen, was sie Hir gut fanden, auch das gestrandete Gut als ihnen von Rechts-
wegen verfallen ansprächen; sie bitten daher um Abstellung: aber der König war
im Glück, und der Druck mag nicht gehoben worden seyn i).
Die Rostocker, die ihm eine bedeutende Summe Geldes vorgeschossen hatten,
scheinen zuerst wieder bewirkt zu haben, dass der König im J. 1305 allen Kauj^
leuten der Seestädte^ welche die Ostsee befahren und die dänischen Besitzungen
besuchen, besonders denen, die nach Liv- und Ehstland und bis nach Nowgo-
rod fahren, Schulz zusicherte, und vom Strandrechte sie befreyte 2), Zugleich
haben sich die Lübecker den Häringsfang über die schonische Küste hinauf zu
Calmar, Möre und aufOeland von dem Vogt zu Calmar Nahmens seines Herrn, des
Herzoges von Schweden, im J. 1312 zusichern lassen, um einigermassen bej den
während seiner Fehde mit Rostock, Stralsund, Greifs wald und Wismar besorgten
oder eingetretenen Störungen auf Schonen gedeckt zu seyn, wiewohl der Häringsfang
daselbst weder so ergiebig noch der Fisch so gut als auf der Halbinsel seyn mochte 3).
Den Hamburgern ertheilte er aus ähnlichem Grunde einen Schutzbrief für
seine Staaten, unter der Bedingung, dass sie seinen Gegnern in Deutschland nicht
anhangen würden. Der Stadt Greifswald kostete es, im J.. 13139 3000 Mark,
des Königs Gnade sich zu erkaufen; Stralsund zahlte damahls gleichfalls, um
die Bestätigung aller Freyheiten und den Frieden zu erhalten; und die Rostocker
empfingen in demselben Jahre die Zusicherung ihrer alten Handels - Freyheiten, und
im J. 1315 besonders auf Schonen, indem er ihnen erlaubte, wieder ihren eigenen
Vogt auf Falsterbo zu halten. Den Lübeckern wurde das Jahr darauf dasselbe be-
willigt, und das Recht ertheilt, die untere Gerichtsbarkeit für die Ihrigen daselbst zu
üben. Auch verstattet er ihnen, als eine besondre Gnade, dass sie am Ufer, wo-
i; ÜB, CX. CXVIIe-f. ÜV. 13(y7. 1298. 1299. 2) ÜB. 1302. 1305. 3)ÜB. CXXIV. 4) üB..CXXlVb.
Y 2
172 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
selbst sie mit ihren Schiffen und Waaren ankommen , ^ selbst an einem Festlage,
dieselben auszuladen und ans Land zu bringen , befugt seyn sollten l).
Die Städte Campen, Harderwyk und Zülphen, wie er denn die niederländi-
schen Städte besonders gegen die andern zu begnnsligen schien, erhielten von
ihm ihre ausgemessenen Fischerlager oder Vitten auf den schonischen Märkten zu
ewigen Zeiten , und die Befugniss zwar nicht durch eigene Vögte aber doch nach
den Marktrechten gerichtet zu werden ; den ihnen verstatteten Reinigungseid können
sie deutsch oder in einer andern ihnen geläufigen Sprache leisten, auch werden
andere Begünstigungen bey der Eidesleistung ihnen zugestanden. Die Zölle wurden
festgesetzt, und scheinen bey der Einfuhr bedeutend zu seyn; bey der Ausfuhr
nach Dänmark oder Deutschland sollen sie den andern KauQeuten gleich gestellt
werden, doch scheinen Tücher, die sie von Schonen nach Dänmark führten, sehr |
gering belegt, und nur einer kleinen Schiffs -Abgabe unterworfen gewesen zu seyn;
endlich werden sie vom Strandrechte befrcyt 2).
Den Stralsundern verstattete im J. 1316 Herzog Christoph von Halland und I
Samshoe die Märkte auf Skanoer und Falsterbo zu besuchen, durch ihren eigenen
Vogt in der Zeit von Jacobi bis Martini sich in ihren Rechtsstreiten unter einan-
der das Recht bis auf die grossen Vergehen sprechen zu lassen; Niemand darf
ohne ihre Erlaubniss auf ihren Vitten bauen ; zu ihrem eigenen Gebrauche können
sie Wein und Bier schenken, wollene Tücher und Linnen im Grossen oder ellen-
weise verkaufen, zu wiegende Güter nach dem grossen oder kleinen dänischen
Gewichte, und ihre Güter überall, nach Entrichtung des Zolls an des Königs
Vogt, frey verkaufen ; von jeder Last Häringe sind bey der Ausfuhr zwey Schilling
Pfennige schonischer Münze, oder drey alte zu entrichten; Güter, die sie im
Lande gebrauchen, können sie gleich den Eingeborenen frey benutzen, ihr schiffbrüchi-
ges Gut retten, Brennholz in den Wäldern fallen ; der im Lande Verstorbenen Nach-
lassenschaft bleibt, nach Erlegung der Abgabe Arfkop, den Erben. Dagegen ver-
sprechen die Stralsunder, des Königs und seiner Unterthanen Vortheil zu fördern
und Letztere alle Rechte geniessen zu lassen, welche ihren eigenen Bürgern zu-
stehen. Auch söhnte sich König Erich mit Stralsund völlig aus, und schon 1307
nnd 1309 hatten Herzog Waldemar von Jütland und sein Sohn Erich von Jütland
den Stralsundcm den f reyen Handel in ihrem Lande zugestanden, und mit mehreren
Freyhelten sie und wahrscheinlich auch die andern Schwesterstädte begnadigt 3).
1) ÜV. 1305. 1313. ÜB. CXXIVb c. 1315. ÜB, CXXVI^ 2) UV. 1307. 3. und 4. 1316.
3) ÜB. CXVIIb CXVIH*.
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 173
Von dem nachfolgenden Könige, Christoph II. , und dessen Gegenkonige Wal-
demar sind einzelnen und mehreren dieser Städte die alten Freyheiten in Dänmark
überhaupt und in Schonen insbesondere bestätigt \vorden. So hat Waldemar den
Städten Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Anclam und Demmin
gemeinschafllich , so wie allen Kaufleuten, die es mit ihm hielten {et unwersis
mercaioribus nostris amicis), im J. 1326 alle Freyheiten und Rechte in Schonen
und allen Theilen des Reichs, die sie yon Alters her gehabt, theils einzeln theils
mehr oder weniger gemeinschaftlich bestätigt, und ihnen zugesichert, dass sie nur
den alt gewohnten Zoll zu entrichten haben sollten. Wir haben von diesem
J. 1326 eine Reihe von Urkunden, worin Waldemar besonders den Städten Lübeck
und Stralsund ihre alten Freyheiten bestätigt i); gewiss haben andere ihnen benach-
barte ähnliche erhalten. Es erhellet daraus, dass die Städte im J. 1326 Waldemarn,
welchen Graf Gerhart von Holstein als Gegenkönig aufgestellt hatte, am meisten ver-
trauten und ihn unterstützten; jene Begünstigungen sind aber nicht als dauernd zu
betrachten, da Christoph endli^.h sich behauptete. Doch ist in anderer Beziehung der
von Waldemar in demselben J. den Harderwykern und denen von Zütphen ertheilte
Freybrief merkwürdig, weil er den Beweis des Antheils der niederländischen Städte
an dem schonischen Häringsfange und den dortigen Märkten gewährt, und gewiss
haben andere dieser niederländisch deutschen Städte, nahmentlich Campen, ähnliche
innegehabt, Freyheiten, die denen, welche die näher benachbarten der Ost- und
Nordsee erhalten hatten, zwar ähnlich, doch auch in anderer Beziehung verschieden
waren. So erhielten die Harderwyker und Zütphencr von ihm in demselben
J. (1326) die Bestätigung ihrer alten Freyheiten, vermöge welcher sie ihre einge-
führten Güter, Tüchey, Linnen, Wachs oder Buntwerk, oder welcher Art sie
seyen, aller Orten im Ueich frey ausladen, und dieselben durch Schiffer und Fuhr-
leute, zufolge freyer Uebereinkunft, nach ihren Buden oder Gasthäusern (gemietheten
Wohnungen) fuhren lassen können j fiir den dabey entstehenden Schaden haften
die Schiffer oder Fuhrleute. Auf ihren Buden oder Vitten können sie alle zu
wiegende Güter nach Colnischem Gewicht und Wage kaufen und verkaufen, ihre
eingeführten Weine frey verzapfen und verkaufen. Häringe soll man nicht über
einen halben Wagen voll am Ufer aufkaufen, und auf dem Meer Keiner dem An-
dern diese Fische abkaufen. Ihr Vogt schlichtet die unter ihnen vorgefallenen
Streitigkeiten zu Skanoer, bis auf Wunden mit scharfen Waffen, und Vergehen,
1) ÜB. CXXXK CXXXV»». UV. 1326. Dreycr S.48.
174 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
die an Hals und Hand reichen, welche den königlichen Vöglen verbleihen, die
unentgeldlich ihnen dienen sollen bey ihren Schuldforderungen an die Dänen.
Würden (was Gott abwende) in dem Jahre zu Skanoer keine Häringe gefangen, so
können sie ihre eingeführten Güter ohne weitern Zoll gegen eine (geringe) Schifls-
abgäbe wieder ausfuhren^ sie behalten das Recht ihr schiffbrüchiges Gut zu retten.
Ihr im Lande bey ihrer Abreise niedergelegtes Holz, oder ihre Wagen, verbleiben
ihnen, und können sie dieselben bey ihrer Rückkehr, ohne weitern Zoll, gegen
die geringe Schiffsabgabe ausfahren. Stirbt Einer von Ihnen im Lande, und sind
dessen Verwandte oder Erben nicht gegenwärtig, so soll Jenes Verlassenschaft bey
sichern Leuten an dem Orte, wo er starb, auf Jahr und Tag niedergelegt und
die leicht verderblichen Güter gegen dauerhafte umgesetzt werden. Der Erbe
oder dessen Vormund, der binnen dieser Zeit mit den nöthigen Zeugnissen versehen
ankommt, erhält dieselben unverkürzt ; nach Ablauf jener Frist aber fallen sie nach
dem Landrechte dem Könige zu. Auf ihren Vitten und Buden darf Nichts ohne
ihren Willen vorgenommen werden. Des Königs Steuererheber {exactore8\ welche
{Syläkrangäre) genannt werden, dürfen aus dem Grunde weil es ein Festtag ist den
Pferden der Fuhrleute, die ihre Güter fuhren, die Decken oder Sättel (ephippiä)
nicht wegnehmen; Keinem darf sein Gut wegen der Verbrechen eines Andern ge-
nommen werden. Der Pferdezoll bleibt wie voi: Alters, das Pferd welches einer
zum eigenen Gebrauch hält , und mit dem er zurück kehren will , zahlt nur die
kleinen Sehiffsabgaben, keinen andern Zoll. Sie haben die Freyheit auf dem
Meere Ballast einzunehmen; der Zoll von den Coggen (grösseren Schiffen) bleibt
wie vor Alters i).
König Christoph blieb indess zuletzt Herr des Landes, obwohl unter fort-
dauernden grossen inneren Unruhen, und sein Bedürfniss zwang ihn mit den Städten
in gutem Vernehmen zu bleiben, besonders mit den mächtigem näher benach-
barten, der eigenen Erhaltung wegen. Schon bevor Waldemar als Gegenkönig
gegen ihn aufgestellt ward, hat er einzelnen Städten nahmentlich Stralsund in d.
J. 1319 und 1320, als Herzog und als König von Dänmark, und ebenso gewiss
auch andern benachbarten Städten ihre Freyheiten aut Schonen bestätigt. So be-
willigte er den Stralsundern, dass ihr Vogt auf den schonischen Märkten zu Skanoer
und Falsterbode jedes Jahr von Jacobi bis Martini über die Ihrigen unter der be-
kannten Beschränkung Recht sprechen^ dass ohne ihre Einwilligung Niemand auf
1) ÜV. 1326.
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 175
ihren Vitien bauen solle, ertheille ihnen das Recht durch das ganze Reich ihr
schiffbrüchiges Gut zu bergen, und Bauholz in den königlichen Wäldern zu fallen,
so wie auch freyes Erbrecht gegen- Erlegung des sogenannten Arfkop, und die
Befreyung von allen neuen Zöllen seit K. Waldemar II. Zeit 1).
Eben so empfingen die Rostock er im J. 1328 von ihm die Bestätigung
ihrer allen Freyheiten in Schonen und in Dänmark, die Manches enthalten, was
ihnen vor andern Schweslerslädten bewilligt ward 2). Aber die Lage des Königs
war doch noch so unsicher, dass Rostock sich in demselben J. die Sicherheit der
Fahrt auf Schonen von dem Gegenkönige Waldemar zusagen Hess 3) , und
dass die Stadt in dem folgenden J. 1329 vom Grafen Johann von Holstein sich
zusichern liessj dass sein Bruder, K. Christoph, ihr ihre alten Freyheiten, die sie so
eben (1328) zugesagt erhalten hatte, bestätigen solle, und dass die Fahrt nach
allen dänischen Besitzungen ihren Bürgern, im Fall einer Fehde des Königs mit An-
dern , frey bleiben solle 4).
Es empfingen die Lübecker von flim im J. 1328 <JIe Bestätigung und Erwei-
terung ihrer allen Freyheiten in Schonen 5) , selbst das Recht für ihie Vögte daselbst
in Sachen die Hals und Hand angehen zu richten , wie ihnen dieselben vom Könige
Magnus von Schweden fiir Schonen und Halland im J. 1336 erneuert wurden,
da diese vortrefiTlichen und für die Städte unschätzbaren Theile des Reichs schon
zu Christoph I. (-|- 1332) Lebzeiten und während des achtjährigen Zvvischenreichs
in Dänmark an ihn übergegangen waren. Gleicherweise bestätigte er in demselben
Jahre der Stadt Campen, ob er gleich bey seiner Krönung alle in seinem Reiche
ertheilten Privilegien widerrufen habe, ihr altes Recht, in Skanoer zu IVIarktzeit
einen Platz zwischen dem Schlosse und Huwel, wie er mit Pfählen bezeichnet war,
zu bewohnen. Auch bestätigte und erweiterte ihnen Waldemar III. von Dänmark
ihre alten Freyheiten in Schonen, und dehnte sie in Etwas aus nach seiner
Thronbesteigung im J. 1340, so wie er auch andern Städten z. B. den Anklammern
die Erhaltung ihrer alten Freyheiten beym Häringsfange in Schonen schon früher
zusicherte: allein dieses Königs Zusicherungen waren doch damahls von keinem
Werthe, denn er war nicht im Besitze des Landes; sie konnten nur von seinem
guten Willen und von den Hoffnungen zeugen die er hegte und die er mit Hülfe der
Städte zu erreichen dachte; sie konnten den Städten eine gute Aussicht eröffnen,
wenn es ihm gelingep sollte, den Thron wieder zu besteigen. Er trat endlich
1) UV. CXXVIId. e. 2) UV. 1328. 3) Ib. 4) UV. i329. 5) ÜV. 1328. 1338. 1340.
J76 Z^EYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
selbst, um in der verzweiflungsvollen Lage Einiges zu reiten, Schonen nebst Hai-
land und Blekingen an König Magnus ab.
Dieser erklärte 1338 <iie Gäste, die nach Malmo {Malmöghen) aus der Fremde
mit ihren Waaren kommen und daselbst oder zwischen Lund und Malmö oder
in andern schonischen Städten auf Wagen ihre Waaren lühren, frey von dem Zoll,
den Andere zu entrichten haben, da sie, nach Ausspruch des Erzbischofs von
Lund, und anderer glaubwürdiger Männer, von Alters dazu nicht verbunden ge-
wesen. Es ist keinem Zweifel unterworfen , welche Gäste hier gemeint sind , und
welchen Vortheil die Deutschen dadurch erhielten, dass Andere dem Zoll unter-
worfen blieben. Den Stralsundern bestätigte er das Jahr darauf (1339) > nachdem
sie wegen ihrer Vergehungen auf den Märkten zu Falsterbode ihm Genugthuung
geleistet hatten, ihre alten Frey heilen im Lande; er sichert ihnen zu, dass wer
von ihnen in irgend einem Theile seiner Reiche ein Verbrechen begehe, nach dem
Orts- oder Landrecht zwar bestraft werden solle, dass aber lediglich der Verbrecher,
nicht dessen Landsleute, büssen solle i). Er ertheilte der Stadt Campen die Bestä-
tigung ihrer alten Freyheiten, die sie schon zu K. Waidemars Zeit besessen hatte,
und die mit denen von diesem Könige den Städten Harderwyk und Zütphen er-
theilten (s. oben) mit geringer Abweichung wörtlich übereinstimmen 2). Dagegen
erhielt Campen vom König Waldemar im folgenden Jahre noch eine Bestätigung
aller früheren Privilegien, so wie die Ausdehnung der in Schonen besessenen
Jurisdiction zu Copenhägen , Dragoer (auf der Insel Amak) und Badesholt 3),
Eine ähnliche Bestätigung, so wie eigene Jurisdiction in allen Sachen, welche
nicht Hand und Hals angehen, zu Skanoer und Dragoer erhielten von ihm
um dieselbe Zelt die Stralsunder 4).' Nach Beylegung der Fehde , die zwi-
schen ihm und einigen Städten und Herren gefuhrt worden, bestätigte er im
J. 1343 in seinem Frieden mit den Seestädten, nahmentlich Lübeck, Hamburg,
Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald ihre alten Freyheiten in Schweden
und Schonen, und versprach ihnen die AbschafiFung aller dagegen aufgekommenen
Neuerungen 5). Er ertheilte dieselbe Zusicherung einzelnen z. B. 1343 ^^^ An-
clamern, 1344 den Lübeckern in grosser Bedrängniss wegen seiner Feinde, denen
1) ÜB. CXLVIb. 2) ÜB. CXLV.
'6) Dieser Ort ist uubekaniit; vielleicht ist unter diesem Namen der Hafen und das Schlots ReTeshol verbor-
gen , wo die hansische Flotte 1428 um Ostern einen Sieg über die Dänen erfocht. S. Cerner.
4) CXLVU» und CXLVIIc. 5) ÜB. CLI*. b. CLVL ÜV. 1343-
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 177
auch Lübeck sich beygesellt hatte, nnd im folgenden Jahre erneuerte oder Ter-
längerte er den Stillstand mit ihnen.
Im J. 1352 gewährte Magnus den Lübeckern ausser allen ihnen früher
schon von ihm und seinen Vorfahren, besonders von Waldemar II. von Dan- ,
mark, ertheilten und wörtlich hier eingerückten Freyheiten in Schonen und Halland
noch folgende : dass alle die Ihrigen, die zuerst nach Skanoer oder Falsterbo kom-
men, bevor sie in ihre Herberge {hospicium) eingekehrt sind, weder ihrer Waf-
fen noch anderer Güter beraubt oder diese ihnen verkümmert werden sollen j sie
können ihre ihnen eigenthümlich zustehenden Wagen haben, und Frachtfohren
damit betreiben, wie sie wollen; eine Last Tücher, die von zwey Pferden ge-
führt werden kann, zahlt Nichts; von der Last derselben, die von vier Pferden
gezogen wird, erhält des Königs Beamter eine halbe Mark schonischer Pfennige,
wogegen dieser für jede Gefahr, die den Tüchern begegnen könnte, haftet; Prah-
men dürfen sie sich halten, und von jeder nicht mehr als zwey Oer derselben
Münze nach altem Herkommen entrichten; ihreVitte, mit Einschluss der Gemarkung
Kylrevelt und Reperburg, soll von dem Kreuz bey der dänischen Kirche anfangen
und bis zu dem Kreuze zwischen Falsterbo und Skanoer, so wie auf der
andern Seite mit Kreuzen umgeben bis zum Kirchhof der Deutschen sich erstrecken;
das Land, innerhalb dieser und anderer bestimmten Grenzen, wie sie jezt bestehen,
in der Länge und Breite mit allen Strassen und Wegen, die darauf stossen {aggre*
dientibus) oder hindurch gehen , sollen sie frey zu ihrem Nutzen verwenden
dürfen, und ungestört ewiglich besitzen; dort können sie ihre Buden aufbauen, und
niemand soll sie oder andere, die mit ihnen auf ihrer Vitte sich aufhalten, irgend
beschweren. Die Strasse oder der Weg zwischen dem Kibischen und dem stettini-
schen Felde soll den Lübeckern zustehen , und so soll es auch mit der andern
Strasse seyn, die von der Wohnung des lübischen Vogts nach den Wohnungen der
Wandschneider geht, da der Weg, der vor den Minoriten vorüber läufl, wegen des
Kothes daselbst, zuweilen unfahrbar ist; so dass also das Wasser, welches von
der dänischen Kirche nach den Buden, die Gumbuden genannt werden, fliesst, das
lübische und dänische Recht trennt. Die königlichen Beamten und ihre Diener
dürfen weder mit bewaffneter Hand noch ohne Waffen auf dieser Vitte irgend
einige Gewalt üben; die Lübecker sind indess verbunden, bey Strafe von Zehn
Mark schonischer Pfennige, der königlichen Münze beym Einkauf sich zu bedienen ;
doch steht es ihren Kaufleuten frey den Preis dessen, was sie gegen des Königs
Münze verkaufen, in Gold und Silber oder in andern Gütern oder in andern als
Z
178 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
des Königs Münzen^ wie beide Theile desshalb übereingekommen, fest zu setzen,
sie zu nehmen und zu geben, vorausgesetzt, dass sie nicht ausserhalb des dazu
bestimmten Orts ellenweise Tuch verkaufen. Ueber blau und Blut und was
darunter lallt zu richten, ist dem lübischen Vogt in Bezug auf Alle , die auf ihrer
Yitte sich aufhalten, zuständig; was nach lübischem Rechte aber an Hals und Hand
geht, bleibt zur Entscheidung des Königs. Doch sollen die königlichen Vögte
keinen der Lübecker, oder der mit ihnen auf ihrer Vitte ist, auf das Schloss
Falsterbo oder Skanoer vor Gericht fordern (dänisch callen)y sondern Jedem, der
gegen Einen, der auf ihrer Vitte liegt , oder wo er sich sonst innerhalb der Jahr-
märkte auch aufhalte, eine Klage erhebt, soll der lübische Vogt, in den ange-
führten Fällen nach lübischem Rechte Recht sprechen; sie bleiben von dem, was
nach dänischem Rechte Mut (Verpflichtung vor dänischem Gerichte sich zu stellen)
heisst, frey. Auch soll auf ihrer Vitte Niemand wohnen als ihr eigener Vogt, sie selbst
und diejenigen, denen sie die Erlaubniss dazu ertheilt haben* Auf derselben
sollen sie vier gemeinschaftliche Schenkhäuser {tabernaa) haben, und in Flaschen
oder massweis^e Bier verkaufen dürfen. Ist auf den Jahrmärkten das Gesetz über-
treten worden, so soll nur der Uebertreter, nicht der Unschuldige desshalb ge-
straft werden , eben so wenig soll die Stadt für die Vergehungen ihrer Bürger oder
die Herren iür die ihrer Diener haften; (alle altern Freyheiten auch ausser den
Märkten im ganzen Lande werden bestätigt i).
Auch die Stadt Rostock, und wahrscheinlich noch andere Städte, erhielt einen
gleich unschätzbaren Freybrief in demselben Jahre 1352? der meist wörtlich dieselben
Freyheilen , welche die Lübecker früher und eben auch in diesem Jahre erhalten
hatten, den Ihrigen bewilligt Die wesentlichsten Verschiedenheiteh sind: dass die
Rostocker von ihren eigenen Prahmen nach alter Weise zwey iüfari schonischer Pfen-
nige zu entrichten haben. Der Umfang der rostockischen Vitte, die den Rostockern
zum freyen Gebrauche gleich den Lübeckern bewilligt wird, war in folgendem
Umfange bestimmt. Von der deutschen Kirche und dem Todtenhofe der Rostocker
an, am Ende der sogenannten Travenstrasse auf der einen Seite um den Graben,
zwischen ihrer Vitte und denen, die den Bürgern von Campen und Bremen ange-
hören bis zur wismarischen Vitte; von der andern Seite zwischen der rostockischen
und wismarischen Vitte, wo die Grenzkreuze stehen, und von da östlich und nörd-
lich längs des Flusses Ettebeke bis zum rostockischen Kirchhofe und dem Ende
1) ÜB. CLXXVf.
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 179
der Travenstrasse zurücklaafend, nebst allen Wegen und Strassen innerhalb dieser
Grenzen, also dass die Ettebeke das lübische und dänische Recht scheidet i).
Bier in Flaschen und Krügen zu verkaufen wird ihnen bewilligt. Der Punct,
dass der Unschuldige nicht für den Schuldigen, die Stadt nicht wegen der Vergehen
Eines aus ihrer Mitte hallen solle, ist übergangen; dagegen werden bey der allge«*
meinen Bestätigung aller den Rostockern im Reiche zustehenden Freyheiten nah-
mentlich die vom K. Christoph erworbenen erwähnt ^).
Was hätte aber der unglückliche König den Städten auch verweigern können,
da er wegen des Besitzes von Schonen so unsicher war, und Lübeck und die andern
wendischen oder Seestädte den Ausschlag in den Streitigkeiten geben konnten, in
welchen er nicht nur mit König Waldemar III. von Dänmark, der stets nach der
Wiedervereinigung dieses Landes strebte, sondern auch mit seinen Unter-
thanen in Schweden und Norwegen, und sogar mit seinen eigenen Söhnen
lebte: in der Noth hatte er auch an Lübeck seine Krone versetzt Ueber seinen
Günstling Bengt Algotson, welchen er 1353 zum Herzoge von Halland und Stadt-
halter von Schonen gemacht hatte, beschwerten sich die deutschen Kaufleute und
Bürger bey ihm, dass er sie mit ungewohnten Zöllen drücke, und ihre Bitte wurde
wohl, wenn der König es irgend vermochte, sofort gewährt, weil er Alles gewäh-
ren musste, was sie begehrten, und er gewähren konnte; hat er doch den Mord
seines Vogts in Munkaholm, Alexander Johannis von Tyrdhing, und die Verbrennung
der Leiche desselben, ihnen verzeihen müssen, welche Gräuelthat durch Einige, die auf
der lübischen Vitte, während der Märkte zu Skanoer wohnten, begangen worden,
war 3). Aber es waren in allen seinen Reichen solche Unruhen ausgebrochen, dass
er bey seinem besten Willen den Städten ihre alten Freyheiten kaum zu schützen
1) Es fehlt au ähnlichen genauen Bestimmuugeni nvie oben fttr Lübeck und Rostock» über die Lage der ande-
ren Vitteu, so wie an einer Angabe über den Umfang dieser Plätze, um die Lage derselben auf der klei-
ne Erdzunge, auf welcher Skanoer und Falsterbo liegen, genau bezeichnen zu können. Die Bürger von
Campen hatten ihr Feld neben dem nördlich gelegenen Schloss Skanoer nach Huwel hin (1307* 3 und 4*
1336. 3« 1368« 50» Südlich tou demselben, nördlich iron der Vitte der "Wismarer, lag die oben näher
beschriebene der Roetocker» Die Lübecker Vitte grenzte an eine Seite des deutschen Kirchhofes; au
eine andere die der Greifswalder i welche am Meeresufer lag und au die Stralsunder grenzte« Die Har-
derwyker sollten ihren Markt zu Falsterbo auf der Stralsuuder Vitte halten, doch besassen sie und die
Zutpheuer eigne, Termuthlich kleinere Vitten (1316« 5« 1326* 3*)« Au die Stralsuuder grenzten auch die
Anclamer, welche sich an die h. Christen -Kirche erstreckten (1338« 4« 1343* 3.)* ^^^ Hamburger erhiel-
ten 1283* 2« ein Feld; Stavern und Hindelagen 1326. 4; Briel 1368« 3*
2) UV. 1352. 3) ÜB. CLXXVIL CLXXX.
Z 2
180 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
vermochte, wie aus ihren wiederhohllen Klagen und den ohnmächtigen Zusicherungen
von seiner Seite erhellet, da ihm seine eigenen Söhne Norwegen und Schonen
mit den benachbarten Gegenden entrissen; nach seines altern Sohns Tod gelangle
er zwar wieder dem Nahmen nach zum Besitze Schönens, und sein jüngerer Sohn,
der sich eigenmächtig zum Könige von Norwegen erklärte, war dem unglücklichen
Vater zum Mitkönige im J. 136I beygegeben 1).
Um diese Zeit, bey den innern Kriegen und Unruhen im Lande, scheinen
die vornehmsten Städte und besonders Lübeck eine Zeitlang gehofiFt zu haben,
durch eine Annäherung oder Verbindung mit König Waldemar IIL von Länmark
die Erhaltung ihrer Freyheiten zu behaupten, dessen geheimes Streben schon lange
dahin giog, Schönens und der benachbarten Provinzen sich zu bemächtigen und sie
wieder, als alte Erbtheile Dänmarks, mit seinem Reiche zu vereinigen. Zu diesem
Zweck war ein gutes Einverständniss mit den Städten erforderlich. Er hatte von
Lübeck in den J. 1354 und 1355 verschiedentlich Geldsummen erhalten. Er
ertheilte im J. 1360) als er in Schonen eingefallen war, den Lübeckern und den
gemeinen Kaufleuten und Städten überhaupt, seinen allgemeinen Schutz, in sofern sie
seine Reiche besuchen wollen, seitdem er durch Gottes Hülfe Schonen wieder er-
worben habe 2). Die Städte hatten an ihn eine Gesandtschad von Lübeck, Rostock,
Stralsund, Greifswald und Wismar in demselben J. 1360 abgefertigt, deren Ver-
handlungen uns aufbewahrt worden, woraus es deutlich erhellet, wie der
König die Städte g^mz vom K. Magnus ab und auf seine Seite ziehen wollte,
worauf sie aber nicht eingingen, unter sich jedoch beschlossen , dem Könige tau-
send Mark lübische Pfennige, wegen der auszustellenden Freybriefe zu geben,
und wenn er damit nicht sich begnügen wolle, noch zweyhundert zuzulegen 'S).
Der Entwurf eines solchen Frey briefes von demselben J. 1360 ist auf uns gekommen,
worin er den Bürgern der genannten Städte die Freyheit in sein Reich zu kommen,
daselbst zu verweilen und zu verkehren zugesteht, sie vom Strandrechte, vom Recht
des Arfk^p und die Erben von dem Abzugsrechte der im Lande Verstorbenen be-
freyt; und ebenfalls der Entwurf einer allgemeinen Bestätigung der lübischen Frey-
heiten im Lande nach beygelegten zwischen beiden Theilen obwaltenden Zwisten 4):
es ist aber ungewiss, dass sie wirklich ausgefertigt worden. Noch im J. 136I
beliebten die Städte Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Stettin auf
4) ÜB. CLXxxnr. clxxvil clxxx. 2) üb. cc. 3) üb. cgi. 4; üb. den.
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. ißi
Pfingsten zu Rostock von Neuem, dem Könige Waldemar vier tausend Mark lübi-
scher Pfennige, für die dem gemeinen Kaufmanne zu erwerbenden oder zu be-
stätigenden Freyheiten in Dänmark und Schonen zu geben l). Da er aber den
Krieg gegen Magnus fortsetzte, 1361 auch die Insel Gottland, so wie nach grossem
Blutbade Wisby wegnahm und plünderte, so vereinten sich die Seestädte hier-
durch empört , dahin , dass aller Verkehr mit Dänmark und Schonen abgebrochen^
und BewafiFnete und Lebensmittel dem Könige Magnus, nicht aber dem Könige
"Waldemar zugeführt werden dürften, mit welchem Magnus und seinem Sohne
und Mitkönige Uakon sie sich gegen Waldemar verbanden 2).
Magnus und Hakon ertheilten nun im J. 1361 die grössten Freyheiten den
nahmentllch aufgeführten Städten und allen Städten und Kaufleuten der deutschen
Hanse in ihren Reichen, auch in Schonen, welches aber nicht länger ihnen, sondern
dem Könige Waldemar gehörte; doch enthält dieser Frey brief nichts, was nicht
von den vorigen Herren von Schonen schon wäre zugestanden worden.
Aber Waldemar HI. selbst ertlicilte den nahmentlich aufgeführten Städten
Lübeck, Rostock, Stralsund, Bremen, Hamburg, Kiel, Wismar, Greifswald,
Anclam, Stettin, Neu-Stargard und Colberg, und ihren Verwandten der deutschen
Hanse, nach hergestelltem Frieden im J. 1365 die Befreyung vom Strandrecht in
seinem ganzen Reiche, und in Schonen insbesondre die alten Freyheiten, doch mit
einigen nähern Bestimmungen und Beschränkungen; diese bestehen in Folgendem:
Die Gerichtsbarkeit auf ihren Vitten während der Jahrmärkte zu Skanoer und
Falsterbo unter der bekannten Ausnahme der Verbrechen, die Hals und Hand
angehen, und was neu' hinzugefugt ist, über Sachen, die auf vierzig Mark
und darüber sich belaufen , auch bleiben für die königlichen Gerichte Beinbruch
{benbroie) und vollkommene Wunden. Ihre Gerichtsbarkeit soll sich in der be-
schnebenen Masse nicht nur über die Landsleute, die auf ihren Vitten, sondern
auch ausser derselben, es sey mit Recht oder Unrecht, liegen, während der
Jahrmärkte erstrecken. Das Gut auf umgestürzten Wagen ist nicht verfallen, eben
so wenn ein Wagen irre fahrt und an unrechte Stätte kommt ; doch muss der
Schade, der dadurch entsteht, ersetzt werden. Von den Gütern auf Prahmen und
Lichterschiffen, die zu Grunde gehen, soll dasselbe gelten: sie sind nicht verfallen.
Nicht verkaufte Güter kann Jeder gegen Abgabe Dessen , was sich gebührt,
wieder au^hren. Das Uebergehen der Güter von Schiff zu Schiff, um sie nach
1) ÜB. CCIX. 2) ÜB. CCX. . . . CCXIV.
IS2 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Deutschland zu schiffen , zahlt keinen Zoll. Jeder kann mit seinen Waffen vom
Strande zu seiner Herberge gehen, wenn er zum ersten Mahle ankommt, eben so
Ton da zu Schiff, wenn er abreisen will, ohne Strafe, vorausgesetzt, dass er damit
keinen Schaden zufiigt. Von jeder Prahme sind zwey, von einem Lichterschiff
Eine Mark schonisch zu entrichten. Auf ihren Vitten dürfen sie Leinwand und
Tiicher bey ganzen Stücken (fielen lakenen) und in kleineren Theilen (stuven)
verkaufen, auch nach repen^ ]edoch, nicht ellenweise 5 ganze Tücher dürfen sie nicht
zerschneiden (hele lalene moghen se nicht io sniden).
Jeder zahlt von seiner eigenen Bude und Erde und deren freyem Gebrauch
was bishei? davon gegeben ward, und wozu man von Rechtswegen verbunden
ist: und das hier Enthaltene soll den früher erhaltenen Freyheiten keinen
Abbruch thun.
In demselben Jahre und an demselben Tage gab der König mit den Reichs-
räthen den Städten Lübeck, Rostock, Stralsund^ Bremen, Hamburg, Kiel,
Wismar, Greifswald, Anclam, Stettin, Neu-Stargard und Colberg auf sechs Jahr
folgende ausgedehntere Freyheiten, die jedoch theilweise die Lübecker schon besessen
hatten, die auch hier noch vor den andern Hansestädten begünstigt werden. Sie
dürfen auf den Jahrmärkten zu Skanoer und Falsterbo Wantbuden haben,
worin sie Leinwand und Tuch schneiden und verkaufen dürfen, ellenweise, nach
Stuven oder im Ganzen , wie sie wollen , gegen eine Abgabe von drey Schilling
Groten von jeder Bude; es ist ihnen ferner vergönnt, Gäste auf ihre Vitien
aufzunehmen, vorausgesetzt, dass sie von der Hanse sind, die gleiches Recht ge-
niessen sollen, als die Bürger der Stadt, der die Vitte gehört ; sie dürfen auf jeder
Vitte drey freye Krüge (Schenkstuben) haben; sie können ihre eigenen Fischer-
schuyten und Wagen haben, um sich derselben wie bisher zu bedienen, von jeder
Schuyte haben sie vier halbe löthige Mark, von jedem Wagen 15 alte Grote
lübischer oder englischer Pfennige, so lange sie sich daselbst aufhalten, zu entrich-
ten 1). Der Bischof von Lund befreyte die genannten Städte, und die in der deut-
schen Hanse sind, 1366 auf des Königs Bilte vom Strandrechtel Herzog Heinrich
von Schleswig befreyte die Städte Lübeck, Rostock, Stralsund, Bremen, Hamburg,
Kiel, Wismar, Greifswald, Anclam, Stettin, Neu-Stargard und Colberg und alle
die mit ihnen in der deutschen Hanse sind, vom Strandrechte, und gestattet ihnen
das schifibrüchige Gut zu bergen und den Erben der Gestorbenen aufzgijbewahreii.
1) ÜB. CCXXIV 1365 und UV. eod.
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 133
Aber der Friede mit König Waldemar war von kurzer Dauer. Herzog
Albrecht von Mecklenburg sollte alle die nordischen Reiche haben, auch hat er
den Städten von der Hanse, als vermeintlicher Herr von Schonen, welches Land
er aber nicht erwarb, Freyheiten in demselben zugestanden, wie sie dieselben
wünschten. Allein Albrecht kam nicht zum Besitz des Landes, wesshalb nur die
von den dänischen Reichsräthen, Nahmens des K. Waldemar III., nach hergestell-
tem Frieden im J. 1369 und 1370 ihnen ertheilten und vom Könige i371 bestä-
tigten Freyheiten zu bemerken sind, Sie wurden folgenden Städten tmd deren
Bürgern und Kaufleuten zugestanden, nähmlich: den Städten Lübeck, Rostock,
Stralsund, Wismar, Greifswald, Stettin, Kolberg, Neu - Stargard, Cöln, Hamburg,
Bremen, in Preussen Culm, Thom, Elbing, Danzig, Königsberg, Braunsberg und
allen preussischen Städten; in Livland Riga, Dorpat, Reval, Pernau und allen
livländischen Städten; ferner denen an der Südersee belegenen, Campen, Devcnter,
Utrecht , Zwoll , Haspelt , Groningen , Zyrichsee , Briel , Middelburg , Armuiden,
Harderwiek, Zütphen, Elburg, Stavern, Dortrecht, Amsterdam und allen den
Städten, Bürgern, Kaufleuten und ihrem Gesinde, die in dem Kriege begriffen
gewesen und in Recht dazu gekommen sind (wozu gleichsam alle gerechnet wer-
den konnten, welche die Städte zu dem Genuss zulassen wollten). Diese Freyheiten,
enthielten, nicht nur alles was früher war erworben worden, sondern wurden auch
noch sehr bedeutend ausgedehnt 1). Gegen den gewohnten Zoll steht ihnen
ireyer Handel in allen Theilen Dänmarks und Schönens zu, Befreyung vom
Strandrecht, die Befugniss schiffbrüchiges Gut zu bergen, oder bergen zu lassen
und den Erben aufzubewahren ; ihre Vögte auf ihren Yitten zu haben zu Skanoer
und Falsterbode und wo sie sonst Yitten in Dänmark haben, um über die Ihri-
gen , sie mögen liegen wo es sey , die untere Gerichtsbarkeit zu üben , Hals und
Hand und vollkommene Wunden mit scharfen Waffen ausgenommen, es wäre
denn, dass eine Stadt durch [des Königes Briefe zu Mehrerem berechtigt wäre;
von den Inhabern der Vitte ist es abhängig, wer mit ihnen daselbst liegen soll,
von denen, die vor Alters mit ihnen da gelegen haben; sie sind nicht \or die
dänischen Gerichte zu laden, hat man etwas gegen sie zu klagen, so soll man
die Sache vor den deutschen Vogt bringen, nach ihrer Stadt Recht, so auch
wegen abgelegten Zeugnisses ; auf ihren Vitten können sie sechs Krüge Abgaben-
frey halten, auf welchen Vitten man will, um da Bier, Meth und Wein zu
1]) Man hat ein Privilegium AlbrechU t. h 1368 Hir Schonen und Dänmark das er nie erhalten, geringer
als Waldemars ▼. 1370» aber zum betsem TerttSndniflt xu vergleichen.
J34 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
verzapfen; hat man ihre Vitten verbaut, so sollen nach Ausweis ihrer alten
Briefe oder ihrer ältesten Bürger, die in das Land kommen, dieselben Gebäude
abgebrochen werden, auch sollen die Vitten ihre alten Grenzen behalten; Tuch
und Leinwand, in ganzen Laken, oder bey Repen oder bey Stuven mögen sie
daselbst verkaufen; in ihren Wantbuden können sie Tuch und Leinwand eilen—
weise verkaufen; sie haben von der Bude einen Schilling Grote zu zahlen; alle
ihre Amtleute (Handwerker), die auf den Vitten nicht liegen, Knochenhauer, Krämer,
Pelzer und andere Amtleute sollen des Schutzes und ihres Amtrechtes geniessen,
indem sie von jeder Bude einen Schilling Grote abgeben; sie können zu Schonen
ihre eigenen Schuyten und Fischer haben und deren sich zum Fischfange bedienen,
wenn sie von jeder Schuyte einen Schilling Grote abgeben ; ihre eigenen Wagen und
Fuhrwerke können sie gleich frey gebrauchen , und haben von jedem acht Grote
zu entrichten; stürzte ein Wagen um und litt der Kaufmann an seinen Gütern
Schaden, so mag man Wagen und Pferde bey denr Gute behalten, bis der Schade
ihm ersetzt ist; von einem Wagen von vier Pferden gezogen mit Tuch und Wein
beladen, ist eine halbe schonische Mark denen zu geben, welche die Aufsicht ha-
ben, sie haften dem Kaufmann für den Schaden; Wagen mit zwey Pferden ge-
fuhrt geben nichts, man kann die Fuhr wem man will anvertrauen; die Kaufleute
können bey Tage frey ihr Gut aus und einschififen, und ihre Waffen fuhren,
w^enn sie vom Schiff nach ihrer Herberge oder von da zu Schiff gehen, tragen
sie ausser der Zeit die Waffen, so ist die Busse eine schonische Mark; von Bord
zu Bord die Güter zu schiffen ist im ganzen Reiche ihnen erlaubt; sie können
ihre eigenen Prahmen und Lichterschuyten haben und ein und ausschiffen, sie ge-
ben von der Prahme Eine, von der Lichterschuyte eine halbe schonische Mark;
Keiner haftet für die Vergehen eines Andern, kein Knecht kann seines Herrn Gut
verwirken; fuhrt der Kaufmann Gut von Skanoer nach Falsterbode oder umge-
kehrt, so zahlt er nichts, fuhrt er es, anders wohin in das Land, so ist vom Wa-
gen ein, Artich Pfennig zu zahlen; der königliche Vogt soll gegen den üblichen
Preis nach freyem Uebereinkommen , ihnen abkaufen^ des Königis neue Münze
soll nicht eher als acht Tage vor Michaelis ausgegeben werden; jeder Kaufmann
soll beym Kauf des Königs Münze sich bedienen, bey einer Busse von fünf scho-
nischen Marken; der Bauermarkt soll zu Falsterbo wie vordem auf der Vitte der
Stralsunder seyn ; als Zoll sind von der Last Häringe innerhalb Landes zwanzig
schonische Pfennige zu entrichten, der Häring, der um das Land durch den Sund
geschifft wird, ist zoUfrey; das Schiff, in welches man den Häring schifft, gibt
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEx\. ^^35
elf Schilling Grote, weniger vier Groten , entweder in Groten oder in englischen
oder lübischen gäng und geben Pfennigen; eine Last Salzes aus dem Lande
zwanzig schonIsche Pfennige; ein Deker Ochsen- oder . Kuhhäute 10 schonische
Pfennige; ein Pfund Speck zwanzig; eine Tonne Butter gleichfalls 20 schonische
Pfennige, so auch Honig und alle fette Waaren 20 schonische Pfennige; eine
Tonne Kuhfleisch fünf; ein Pferd dessen Preis über zwanzig Mark ist, zwey Oere,
darunter 2 Artich ; ein Packen Tuch Ton zwanzig Laken und darüber zwey Oere,
ein Packen darunter eine; von Matten, Betten, Kleidern und Kisten ist kein Zoll zu
zahlen. — Alle deutsche Kaufleute die zu Skanoer und Falsterbode eigenen
Grundbesitz (erden) haben, d. h. ausserhalb der Vitten auf dänischem Grunde,
dürfen sich desselben frey bedienen ; stirbt ein Deutscher in dem Reiche oder Lande,
so soll der deutsche Vogt, oder der Angesehenste unter ihnen des Verstorbenen Ver-
lassenschafl; dem rechten Erhen übergeben, und wäre der nicht gegenwärtig, so
können sie das Gut nach dem Lande fahren wo es den Berechtigten zu übergeben
i§t. Dieser Freybrief soll den andern Briefen keinen Abbruch thun , welche einige
der Städte von den Königen haben mögen, sondern in Kraft bleiben, so wie
diese, zu ewigen Zeiten. Beym Zoll kann man einen lübischen Pfennig für zwey
schonische geben.
Diess sinfl.denn die Freyheiten, die, man kann es wohl sagen, allen Hansen,
und norddeutschen Städten in Dänmark und Schonen, zuerst in einer allgemeinen
Urkunde so zugestanden wurden, wobey denn freylich einzelne noch mehr begün-
stigte Städte ihre grösseren Freyheiten behielten. Da ihnen aber in dem Frieden
zugleich Schonen oder die vier Hauptschlösser mit ihren Umgebungen daselbst auf
fünfzehn Jahre abgetreten wurden, so haben sie gewiss nicht nur die ihnen zuge-
standenen Freyheiten behauptet, sondern auch ohne Zweifel fester fiir alle Zukunft
zu begründen sich bestrebf.
Es wird nun erforderlich seyn, von dem Handel mit Dänmark wie er über-
haupt geführt ward, so wie von den Gegenständen desselben, von der Einrichtung
der Gesellschaften der deutschen Kaufleute im Lande besonders in Schonen zu
reden, und von der Bedeutung dieses Verkehrs, rücksichtllch ihrer anderweitigen
Handelsverbindungen mit andern Völkern.
Die mannigfaltigen allgemeinen Freyheiten durch das ganze Reich wegen der
Bergung des schiffbrüchigen Guts und des freyen Handels, des Verweilens, Kom-
mens und Abfahrens haben die Deutschen auch in andern Ländern besessen und
wahrscheinlich auch mit andern in das Land kommenden fremden Kaufleuten
Aa
186 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
getheilt. In wie fern sie im Zoll hier vor Andern begünstigt waren, lässt sich
mit Gewissheit nicht ausmitteln, da man <lie von andern Völkern hier erhaltenen
Freyhelten nicht näher kennt, wiewohl es wahrscheinlich, dass sie begünstigt vor
Andern waren, vollends nachdem zugleich die Macht und das Ansehen der
deutschen Städte , ihre Verbindung unter einander und mit den deutschen Fürsten
einen solchen Einfluss auf die dänischen Angelegenheiten erhalten hatte. Ohne-
hin war die Nähe besonders der benachbarten Städte der Ost- und Nordsee von
grossem Vorlhell für sie, verglichen mit andern weiter liegenden Völkern.
Es Ist zwar nichts der Art bekannt , dass in Dänmark , wie in "Schweden,
Deutsche zum vollen Mitbürgerrecht In -den Städten gelangt wären , dass die
Stadtobrigkeit der dänischen Städte wie dort, zur Hälfte aus Deutschen hätte be-
setzt werden müssen : allein , sie hatten das Recht , auch ganz von Schonen abge-
sehen, im Lande zu verweilen, und mehrere von ihnen haben sich daselbst
niedergelassen , angekauft und ohne aufzuhören Deutsche zu seyn , doch ähnliche
Zwecke erreicht. Am wichtigsten waren jedoch sonder Zweifel ihre Verhältnisse
mit Schonen, ihre Fischerlager, ihre Gesellschaft, ihr Fischfang und ihr Handel
daselbst auf den Märkten.
Auch hier haben sie kein ausschliessendes Recht gehabt, es ist die Halbinsel
auch .des Fischfangs wegen von andern Völkern besucht worden , der den Einge-
borenen gleichfalls frey stand, aber gewiss ist kein anderes Volk so begünstigt ge-
wesen; sie sind gar nicht abhängig von den Eingeborenen, sie stehen unter ihrem
eigenen Rechte, sie haben ihre eigenen Niederlassungen, ihren eigenen Grund
und Boden, und betreiben den Fischfang mit ihren eigenen Schiffen, x
Auf Skanoer und Falsterbo haben sie die ältesten Niederlagen gehabt, auch
fortdauernd behalten. Zur Zeit des Häringsfangs ward diese Gegend auf das zahl-
reichste, sowohl von Fischern als Kaufleuten besucht, woran sich lebhaft besuchte
Märkte knüpften; ein Vereinigungspunct nicht nur für Dänen und Deutsche, son-
dern auch für andere Völker war entstanden. Wenn nach dem Fischfange
und den Märkten ein grosser Thell der Gäste die Halbinsel verlless, so mussten
doch Andere bleiben, um das erworbene Eigenthum an Grund und Boden, auch
an beweglichem Gute zu wahren. Wir wissen gewiss, dass Deutsche auch in
andern Städten der Halbinsel z. B. in Lund, eigene Höfe und Häuser besassen,
dass Andere sich daselbst ganze Höfe und Häuser gcmiethet hatten, und dass noch
YIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 137
Andere, al« Reisende ab - und zugingen i). Sie haben hier auf der Halbinsel ihre
Handwerker (Amlleule), als Knochenhauer, Krämer, Pelzer und andere gehabt,
die ihr Amtrechl hatten, und die nicht auf ihren Vitten lagen, sondern ausserhalb
derselben, aber \on ihren deutschen Vögten gleichfalls mit deutschem Rechte ge-
schützt waren.
Ihre Vögte auf den einzelnen Vitten in Skanoer und Falsterbo waren fi-eyllch
nur zunächst zum Rechtsprechen von den einzelnen Städten für ihre daselbst sich
aufhaltenden Landsleute und die, welchen sie daselbst zu ^vohnen erlaubt
hatten 2), angestellt, und zur Handhabung und Vertheidigung der erworbenen
Rechte der Stadt, von welcher sie ernannt waren und der sie angehörten, gegen
die dänischen königlichen Vögte: allein diese für einzelne Städte und deren An-
gehörige bestellten Richter, traten auch zusammen und sprachen in Angelegenheiten,
die das Allgemeine angingen; sie versammelten sich von Zeit zu Zeit, wie etwa
die justices oj peace bey ihren quarter sessions in England noch thun. Es
scheint dass etwas Aehnliches gleichfalls unter den deutschen Kaufleuten und bey
ihrer grossen Handelsgesellschaft auf Gothland bestand, wie denn daselbst die
Vögte einzelner Städte für ihre daselbst sich aufhaltenden Kaufleute vorkom-
men , dann aber auch gemeinschaftliche Beschlüsse im Nahmen Aller dieser Kauf-
leute gefasst werden, auch hinwieder verschieden von den Beliebungen der auf
Wisby angesiedelten und eingebürgerten Deutschen , welches Letzlere jedoch in
Schonen und Dänmark in dem Masse nicht statt gefunden hat, da die Deutschen
zu dem Ansehen in den schonischen und dänischen Städten nicht gelangt sind,
dass sie wirkliche Glieder des Stadtraths und in derselben Stadt eine vereint
deutsch '-dänische Stadtgemeinde und Obrigkeit gebildet hätten; daher vertreten auch
die Vögte auf den Vitten , diejenigen welche ausserhalb derselben liegen. Auch
ist der Unterschied zwischen der Leitung dieser deutschen Gesellschaften von de-
nen in andern Ländern zu bemerken. In Nowgorod haben die einzelnen Städte
so wenig für die Ihrigen Vögte, als iq Brügge, den übrigen 'Niederlanden, oder in
1) CXXII^ und Urk. 1370 in TTaldemars Piivil. helsst es : die ausserhalb der Vitten eigen Erde oder Höfe
besitzen, sollen derselben sich frey bedienen.
2) Es wurde, wie es scheint meistens nach lübischem Rechte, welches in den Ostsee «Städten allgemein
terbreitet war, gesprochen ; ein Codex desselben ist für den Vogt der Lübecker zu Schonen geschrieben,
welcher auch besondere Achtung genoss* Er erhielt nach dem alten Memorialbuche vom J* 1318 sq. (augef.
bey Dreyer de jure naufraßii S.65* und bey AYillebraudt hans. Begebenheiten S. 34*X 8 Schillinge für
einen Frohnen i 31 M. Pfenn. für seine Arbeit und Kleidung , ein halbes Dutzend caligae (ad marginem
Hosen) und zur Bewirthuug der Landesherrn eine Tonne AYein. L.
Aa 2
jgg ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
England , sondern es stehen ein Olderman oder einige Oldermänner an der Spitze
des Ganzen, deren Wahl zwar verschiedentlich bestimmt ist, deren Beschlüsse
aber stets das Ganze betreffen. Der Grund dieser Verschiedenheit in der Ver-
fassung der Gesellschaften in Schonen scheint in der grösseren Nähe der wichtig-
sten theilnehmenden Städte, so wie in der geringeren Gemeinschaftlichkeit des
Betriebes bey den Fischereyen und auf den dortigen Jahrmärkten zu liegen.
Das Zusammentreten der Vögte für die allgemeinern Fälle, wo die Sache
nicht eine einzelne Stadt anging, kann mit Urkunden belegt werden. So kommen
gemeine Vögte zu Skanoer und Falsterbode vor, die über den Heringsfang Be-
schlüsse fassen und diese jeder seinem Stadt -Rathe vorzulegen belieben, um sie
von diesen Stadträthen bestätigt zu erhalten i). Eben so kommen vier Vögte zu
Falsterbode vor, die offenbar zusammengetreten und doch gewiss nicht aus
einer Stadt waren , und fällen ein Urtheil in Sachen eines Kaufmanns Hein-
rich Blake gegen den Schiffer Heibprd Hamer und Heinrich von Bremen wegen
Frachtlohns, in welchem die Vögte über die Ungültigkeit des vermeinten Zeugen-
beweises sprechen und das nicht auf einer oder der andern Vitte, sondern auf
dem gemeinschaftlichen Kirchhofe zu Falsterbode 2).
Wenn nun diese ihre Ansiedelungen zu Skanoer und Falsterbode die ältesten
waren und auch den ganzen Zeitraum hindurch die vorzüglichsten blieben, so
haben sie doch auch andere sonst auf der Halbinsel gehabt, wie ihnen denn auch
in den Freybriefen das Recht ^zu war bewilligt worden.
Wir haben über die Bildung einer solchen Gesellscliafl zu Malmoe eine Ur-
kunde, welche auch Lübeck bestätigt hat, und welche etwas abweichend von dem
ist, woraus und wie sich die Sache in Skanoer und Falsterbode gebildet hatte.
Es erklären die Deutschen welche Malmoe auf Schonen besuchen, dass sie
im Jahre 1329 ^^™ Besten der Reichen wie der Armen eine Gesellschaft geschlos-
sen hatten, die ihnen Lübeck auch was sie angeht und für ihre Bürger bestätigt,
welche Genehmigung von andern Städten ebenfalls einzuhohlen, und wahr-
scheinlich erhalten war. Lübeck war schon in dem Verein die bedeutendste Stadt,
und bey einem Zwist der unter den Gliedern dieser Gesellschaft ausbrach, wen-
deten sie sich an dieselbe. Die Einrichtung desselben war folgende 3) :
Jeden neuen Ankömmling, Gast (Landsmann) der Niemanden in Malmoe hat,
der ihn vertritt, sollen die Genossen der Gesellschaft, wenn er stirbt, mit eben
1) ürk. er. 2) CXXXIlb. 3) CXXXIII» et b.
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 189
der Feyerlichkeit zur Erde bestatten, als Jedes andere Mitglied derselben; eben
so den Diener eines Genossen , mit Leichentuch {bysso) und Lichtem , wie ;seinen
Herrn. Sollte aber ein Kaufmann daselbst ankommen, welcher den Eintritt in die
Gesellschaft verschmähte, der soll dieser Ehre entbehren. Jeder der eintreten will,
soll sich Yorsehen, dass er keinen Streit mit einem Genossen habe , damit daraus
keine Gefahr fiir die Gesellschaft entstehe ; darüber sollen die Vorsteher der Gesell-
schaft insbesondere wachen, dass eines solchen Nähme im Buche gestrichen werde,
bis der Zwist beygelegl sey. Jeder neu aufgenommene Knappe oder Diener hat
zwey Oere schonischer Pfennige zu erlegen.
Träte Einer mit Waffen in die Sitzung der Genossen, so soll er einen Artich
schonischer Pfennige bezahlen, und wiedersetzt er sich dem , eine halbe Mark der-
selben. Hätte ein Genosse einen fremden Gast eingeladen, der mit Waffen ein-
träte, so soll der welcher ihn geladen hat die gleiche Busse entrichten; und
stritte der Gast mit einem der Gesellschaft, so soll der, welcher ihn geladen, die
Busse entrichten, welche ihm die Gesellschaft auflegen wird. Tränke einer dem
andern ohne Erlaubniss der Trinkherrn {pincernarum) einen vollen Becher zu, ist
die Busse ein Artich derselben Münze.
Widersetzt sich einer den Vorstehern {provisoribus\ so urtheilt darüber die
Gesellschaft. •
Yerheirathet sich einer derselben in Dänmark und lässt sich daselbst nieder , so
ist sein Nähme aus dem Buche zu streichen.
Entsteht ein Zwist unter den Mitgliedern, so ist es die Sache der Vorsteher
sie sofort zu vertragen ; geschieht es nicht , und entsteht daraus weiteres Unglück,
so urtheilt die Gesellschaft darüber mit Rath und Hülfe der Städte.
Ist ein Ehrloser in das Buch eingeschrieben worden und wird diess nach-
mals bekannt, so ist dessen Nähme in dem Buche zu tilgen.
Diese Vorschriften sind in so weit ähnlich denen, die auf andern deutschen Nie-
derlagen in dieser Periode galten, als man gegen die Fremden zusammenhalten, sich
schlitzen, seine Ehre behaupten, und jeden Innern Zwiespalt vermeiden musste,
auch den ausstiess, der eine Fremde helrathete, sich unter Fremden niederliess und damit
unter das fremde Recht kam. Allein diese Gesellschaft hat zwar Vorsteher, nicht
aber Vögte, Richter wie in Skanoer und Falslerbode, und sie ist wahrscheinlich
diesen oder unmittelbar den Städten, besonders Lübeck unterworfen gewesen. Auch
Waldemar HL spricht in seinem Freybriefe nur im Einzelnen Ton Skanoer und
Falsterbode. Späterhin hat sich die Anlage zu Malmoe mehr ai»*;gebildet
190 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Welche Gegenstände den Handel zwischen beiden Theilen ausgemacht haben,
das lässt sich mehr yermuthen als urkundlich nachweisen, besonders desswegen,
weil in den wenigen Stellen die in den erhaltenen Freybriefen, die Zölle betreffend
vorkommen, diese entweder nach Wagen oder Schiffen bestimmt werden, und
wenn einzelne benannte Güter mit besondem Abgaben belegt werden, fremde Güter
die eingeführt, mit denen die aus dem Lande geführt werden durch einander ge-
worfen sind, und daher bey einigen wenigstens es zweifelhaft bleiben kann, ob
man sie den einen oder andern bey zuzählen habe, wie z. B. dem Salze, obwohl es
wahrscheinlich ist, dass es yornehmlich yon Deutschen eingeführt worden sey l).
Gewiss ist es, dass die Deutschen wollene Tücher 2), Leinwand, Wachs,
Honig, Pelzwerk, Matten, Betten und Kleider hergeführt haben ; diess ist urkundlich
zu beweisen: aber daraufwaren sie gewiss nicht beschränkt, denn von Kisten sollte
gar kein Zoll entrichtet werden, und diese enthielten wahrscheinlich die Kramerwaaren
verschiedener Art, wie denn ihre begünstigten Handelsverbindungen mit Russland,
den Niederlanden und England und der daran sich knüpfende grosse Zwischen-
handel sie mehr dazu in Stand setzte, die Dänen damit besser und wohlfeiler zu
versorgen, als sie selbst es vermochten. Auch die Erzeugnisse ihres eigenen
städtischen Kunstfleisses mögen Mehreres dazu beygetragen haben^ da sie in dieser
Hinsicht damahls den Dänen wohl überlegen waren.
Ihre Ausfuhr bestand urkundlich in Pferden, Rindvieh, eingesalzenem Fleische,
Butter und andern Fettwaaren und gewiss in noch andern Erzeugnissen des Bo-
dens, gewiss weniger des Kunstfleisses und noch weniger, weil auch in der Beziehung
die Deutschen den Dänen weit überlegen waren, in Sachen die jene von andern Völ-
kern eingetauscht hatten; die Deutschen waren die grossen Zwischenhändler der
Zeit und haben gewiss I^iemanden durch Abnahme solcher Güter darin bestärken
wollen, vielmehr waren sie stets aufs eifrigste bemüht, durch ihren Handel zur
ersten Hand hinaufzusteigen , und den Zwischenhandel , so weit als thunlich für
andere Völker zu betreiben 3).
1) Es hcisst eine Last. Salzes yom Lande in Waldemars m. Frey Brief v. J. 1370»
2) König Erich Meuveds Zollrolle vom J. 1304 beuenul sclion Tücher von Gent , Tpern, Poperiugeu, Ni-
▼elles» Antwerpen, Tournay, Ardeuburg, Brügge u. a. S. Suhm XI. 457.
3)Dumbar in seinem kerkelyk end wereltlyk Deventer führt S.487* aus Henr. Burman, rer. Tran-
sisalen» lib. 3* an, dass Deventer nach Norwegen, Dänmark und Schweden, die den Rhein herabkom«
menden Güter, welche Venetlaner, Genueser und andere Völker aus Aegypien, Indien, Arabien u, a*
Ländern brächten und den Rhein herabgekommen wären, geführt hätte. Urkundlich ist das nicht be-
wiesen, luid gewiss sind diese orientalischen Waaren, wenn überall, doch sicher selten den Rhein herab-
VIERTER ABSCHN. VERKEHR MIT SCHONEN. 191
Eben zu diesetn Zweck war ihnen nun die Ausfuhr des Härings aus dem Lande
der wichtigste Artikel, da diese zollfrey war wenn der Häring durch den Sund
geschickt ward und die Schiffe nur eine kleine Abgabe zahlten, wie schätzenswerth
ihnen auch andere im Dänischen fallige Güter sonst seyn mochten. Nicht nur zum
eigenen Verbrauche, sondern nach ihren auswärtigen Niederlagen hin führten sie
den Fisch, und er hat gewiss, eben sowohl als in den vereinigten Niederlanden, itx
einer spätem Zeit an andern Küsten gefangen, ihrer Seemacht und ihrem Handel
mit Fremden vorzüglich zur Unterstützung gedient Eben desswegen war es aber
auch von gleich grosser Wichtigkeit für sie, da«s sie mit guter Waare die Frem-
den versahen; nahmentlicb schienen sie besonders auf das Einsalzen das zu Scho-*
nen betrieben ward zu sehen, so wie auf die Vermeidung betrüglich gefertigter Hä-
ringstonncn, die zu geringe Quantitäten enthielten: aber diese Vorschriflen und die
Klagen über den Betrug haben nie abgenommen, so wenig als die in andern
Handelszweigen über verfälschte Tücher u. s. w* Es lag in der ganzen Art wie
der Handel geführt ward, so wie an dem nie ganz zu zügelnden obwohl
unverständigen Bestreben der Einzelnen, durch Betrug sich schnell zu berei-
chern, keinesweges aber an dem ernsten Willpn der städtischen Obrigkeiten oder
den Vorstehern der Kaufmannsgesellschaflen. Die Lübecker schrieben in der Absicht
im J. 1337 an die näher vereinten Städte Wismar, Rostock, Stralsund und Greifs-
wald, woselbst so wie in Schonen, die Tonnen verfertigt wurden; sie stellten
die Gefahren die aus der Verschiedenheit der Tonnen fiir viele Kaufleute entstän-
den dar, und hatten auch einige ihrer Böttiger mitgeschickt, um darüber das Nöthige
zu berathen : aber die Beschwerden haben nie ganz aufgehört und die beliebten
Vorschriften desshälb nie ganz den Zweck erreicht.
gekommen; sie waren auf dem allgemeinen Markte su Brügge zu finden» und nicht nur von Deveuter
sondern von allen Völkern die dahin kamen. Dass die norddeutschen Kaufleute diese Güter von da
auch nach diesen nördlichen Gegenden geführt haben, ist sehr wahrscheinlich, nur nicht mit Urkunden
zu belegeift — In einer Urkunde (CXCII) vom J. 1359 beschwert sich ein Bürger iron Malmoe Nahmeus
Matthäus Murer gegen den Rath zu Lübeck, dass er einem lübischen Bürger beym Einfall Waidemars III«
in Schonen einen Pack Waaren aufzuheben anvertraut habe , den ihm dieser veruntreut , darin seyen
mehrere von ihm angegebene Sachen gewesen, aber wie scitwierig auch im Einzelneu diese Waaren zu
erklären üeyn mögen i so kann mau ^och iiir unsem Zweck hier nichts daraus abnehmen, da man nicht
sagen kann, woher Murer dieselben hatte*
192 ZWEYTE ABTHEIL. GESCtt DES HANDELS.
FÜNFTER ABSCHNITT.
Handel der niederdeutschen Kaufleute und Städte mit Norwegen.
N,
ocli wichtiger war der Verkehr mit Norwegen fiir die Deutschen wegen
der eigenthümllchen Erzeugnisse des Landes,'der Waldungen, vornehmlich aber des
reichen Fischfangs an dessen Küsten, auch den entferntem Besitzungen, Islands
und der Faröer Inseln, Grönlands, der schottischen, bald mehr bald weniger von
Norwegen abhängend, mit welchen sie damahls seltener oder gar nicht un-
mittelbar, sondern über Norwegen mittelbarer Weise einen Verkehr betrieben
oder zu deren Erzeugnissen gelangten.
Wie wichtig dieser Verkehr für die Deutschen war, so alt war er auch.
Schon im eilften Jahrhundert kommen zur Zeit Oluf Haraldson des heiligen Sach-
sen daselbst nebst vielen andern Kaufleuten nahmentlich Dänen zu Tunsberg
vor 1). Städte, wo Handel war, sind früh hier gegründet, und von den Völ-
kern aus der Ost- und Nordsee besucht worden. Auf die älteste Stadt Tuns-
berg, folgte Stavanger, dann das im J. 997 gegründete Trondheim, im J. IO6O
Opslo, und gegen 1076 Bergen.
Allein wie alt und wichtig dieser Verkehr auch war, so scheinen die Deut-
sche dennoch anfangs hier mit mehr Schwierigkeiten als in Russland und in
Schonen zu kämpfen gehabt zu haben, bevor sie einen dauernden, geschütz-
ten, durch Freyheiten begünstigten Handel, oder ihre Handelsherrschadt im
Lande begründen konnten. Es war an den norwegischen Küsten ein grösseres
Zusammenströmen anderer östlicher und westlicher Völker, als in der Ostsee. Eng-
länder und Schotten, durch Nachbarschaft und andere Ursachen angetrieben, sind
hier früh und häufig erschienen ; früher als die Deutschen haben sie daselbst Han-
delsfreyheiten besessen und Wohnungen, ja ganze Strassen in den Städten innege-
habt 2).
l)Siiorre Sturlesou konunge Saga 59* 75«
2) Holbergs Betchr. tou Bergen I. 6. 127. 164. 165. 170* Von dem Verkehre der E(ig1äuder zeugt
urkundlich der vom König Heinrich llf« dem Könige Haquin you Norwegen im J« 1217* angebotene Ver-
trag (R y m e r 1. 149*)> wornach den beiderseitigen Unterthanen freyer Handel in beiden Ländern gestattet
seyu sollte* Mit den Holländern aber soll im J. 1237» weil sie ihre Schiffe an einem den SchüTern der
Einwohner unbequemen Orte auf der Brücke der Sudt anbanden, es zu Schlägereyen gekommen <«yu,
welche erst der König beschwichtigte. Torfaeus IV. 26* Ueber den Verkehr der Deutschen zu IBergen
FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 193
Die Deutschen hatten die Eifersucht dieser Nebenbuhler und den Widerwil-
len der. Eingeborenen, besonders der Stadt Bergen, deren Bürger mehr oder
weniger ausschliessenden Handel zwischen Ihren Landsleuten und den Fremden
leiten und in ihrer Hand behalten wollten, zu bekämpfen.
Urkundlich lässt sich der Verkehr zwischen Norwegen und den deutschen
Städten erst um die Mitte des dreyzehnten Jahrhunderts nachweisen. So 'haben die
Lübecker im J. 1250, vom Könige Hakon (1218-1262) der früher höchst unzu-
frieden mit ihren sogenannten Seeräubereyen gewesen seyn soll, was wohl nichts
weittic als eine Fehde zur See zwischen beiden Theilen bedeutet i), die allgemeine
Freyheit erhalten, Norwegen zu besuchen, daselbst ihren Hander zu treiben, und
mit ihren Schiffen ungehindert an den Küsten zu landen, unter der Bedingung, dass
den Unterthanen des Königs gleiche Freyheit zu Lübeck zugestanden würde; die
Hamburger aber erhielten im J. 1264 vom Könige Magnus dem Gesetz verbesserer
(1262-1280) das Recht ihrer alten Freyheiten {gratia et socieias) sich zu bedienen^
wie sie von des Königs Vater ihnen zugestanden worden waren 2).
Unter diesem Könige Magnus ist auch auf Ansuchen mehrerer See-
städte und besonders auf die Bitte zweyer Abgeordneten der Stadt Lübeck,
Heinrichs Steneken und Alexanders von Soltwedel, den Kaufleuten deutscher Zunge^
Gästen und Ankömmlingen im Lande in d. J. 1278 die Befngniss zugestanden
worden, ihr schiffbrüchiges Gut selbst, oder mit Hülfe der Eingeborenen zufolge
eines bestimmten Berglohns zu retten, und untersagt, dass Niemand es ansprechen
solle, bevor die Eigenthümer dasselbe nicht aufgegeben hätten; sie werden gegen
das Zeugniss berüchtigter Personen gesichert und, wenn sie Bürgschaft stellen,
iflt aber die Nachricht nicht zu tibersehen, daas ums J. 1166 Küuig Suerrers dentelbeu, weil sie zum Verderbe
des Landes Fische» Fettwaaren und Wein iu grossen Schiffen zuführten, den Zutritt Terweigeru wollte«
S.Suerrers Sage 104. Torf a eus IV, 1, 3. L*
1) Diese Nachrichten erzählen iron dä'uischeo, -wendischen und deutscheu Schüfen, welche zur Zelt der
Fehde Dänmarks mit Lübeck irom K5nige von Norwegen wegen einiger seinen Unterthanen im Grünsund
geraubten Schilfe genommen, doch auf Verwendung des zu Bergen verweilenden päbstlichen Legaten, Wilhelm,
Cardinal von Sabiua, den Kaufleuten zurückgegeben wurden* S. Clausens Snorra S. 735* Torfaeu s IV. 35*
Unerwähnt darf hier die Nachricht nicht bleiben, dass König üakon im J. 1247 deutsche Handwerker,
welche von der Mehrzahl derselben , den Nahmen der deutschen Schuster Jahrhunderte hindurch geführt
«
haben, nach Norwegen rief und ihnen diejenigen Gegenden der Stadt Bergen einräumte, welche früher
Engländer und Schotten ausschliesslich besetzt hatten. Die Gegenwart dieser deutscheu Colonisteu kana
auf die frühern Verhältnisse des deutscheu Handels nach diesem Lande tlicht ohne Einfluss gewesen seyn»
wenn derselben auch in den älteren hansischen Urkunden nicht gedacht wird ; doch in späteren Zeiteii ist
das wahre Verhältniss der Handels - mit den Handwerker - Colonien zu Bergen bekannt. L«
2) UV. 1250. 1264.
Bb
n
194 ZWEYTE ABTHEIL. GESCtt DES HANDELS.
von persönlicher Haft bey Schuldsachen oder kleinen Vergehungen, die nicht an
Hals und Hand gehen, befreyt; auch ward den Lübeckern insbesondere eine schnelle
Rechtspflege zugesagt i). Der Handel der Deutschen blieb aber selbst nach diesem
Freybriefe noch sehr beschränkt und wenig begünstigt. Es stand ihnen frey, im
Reiche auf ein halbes oder ganzes Jahr sich einzumiethen, in diesem Falle scheinen
sie aber auch den gleichen Lasten der Eingeborenen unterworfen zu seyn, denn nur
die, welche sich auf eine kurze Zeit im Lande aufhielten, werden von dem Dienste
der Nachtwache befreyt. Der König beschränkte den freyen Kauf kleiner Waaren
auf die offenen Strassen, die Brücken und Plätze bey Kirchen und Kapellen, so wie
den Kauf der Felle , des Leders und der Butter auf kleine Quantitäten und auf
eine bestimmte Zeit des Jahrs. Er entsagte dem Rechte ihre Schiffe an-
zuhalten und. Dienste auf seinen Schiffen von ihnen zu begehren, in dringender
Gefahr will er sie darum freundlich ersuchen; er beschränkt sein Vorkaufsrecht
auf drey Tage, von der Zeit an zu rechnen, dass sie seinen Beamten ihre An-
kunft würden gemeldet haben , binnen welcher Zeit die Beamten ihnen zu erklären
haben, welche Güter und zu welchen Preisen sie dieselben fiir den König behal-
ten wollen; nachher soll ihnen der freye Verkauf zustehen, es wäre denn, dass ein
allgemeines Verbot das Verfuhren der Güter von einem Orte zum andera , oder
deren Ausfuhr untersagte. Den Bremern ist dasselbe im folgenden Jahre insbeson-
dere zugestanden worden 2),
Dieses Einverständniss zwischen beiden Theilen, obwohl von Herzog Hakon
von Norwegen im J. 1282 bekräftigt, welcher den Städten Lübeck, Rostock,
1) Diese haiisischeu Privilegien werden erst ganz deutlich, wenn man das Stadtrecht von Bergen t. J.
1S76 berUclisichtigt. Nach diesem haben die Fremden die Verpflichtung Stadtwachen zn thuu, Heerbanns-
geld zu erlegen, zu helfen, wenn Schifl'e an das Land zu ziehen waren. Wer ein Haut in der Stadt be-
lass oder auf ein ganzes Jahr miethetCi galt fiir einheimisch. S. Fouguer Lundht Ausgabe des Sudt-
rechts irou Bergen. Kbhvu. 1829« 4?»
2) UV. 1278. 3 ; 1279, 1. Die Nachricht über ein Ton Herzog Erich den Stralsunderu und Rostockern gegen das
Strandrecht ertheiltes Privilegium, dessen Siegel bey Westphalen Man. ined. T. IV. 1257. Tab.13.
n. 7# gestochen ist, bedarf näherer Bestätigung. Ueber den Ausdruck liheri a tractione narium s. Drey er
92* Es scheint darunter nicht nur die Beschlagnahme der Schiffe i sondern auch der Zwungsdieust auf
des Königs Schiffen verstanden zu werden. (Die sonst vorkommenden Umschreibungen dieser
Ausdrücke, wie 1296: lahores faciendi circa extractionem alicuius navis^ quod volgo Schipdracht nuncupa^
iur , scheinen doch nur auf das Fortschaffen ton Schiffen durch persönliche Anstrengungen , d. •• Treylea
bezogen werden zti können und sind durch die Eigenthümlichkeiten des Hafen zu Bergen zu erläutern.
S. auch Huldorson lex* island: Skipdrattr, subductio navis, L.)
FÜNFTER ABSCJiN. HAND. D. NIEDERD KAUFL U. STÄDTE M. NORW. 195
Stralsund und Hamburg und andern Seestädten ihre alten von seinem Vater und
Grossvater ertheillen Freyhciten bekräftigte, hat nicht lange bestanden. Die Städte
traten in Verbindung mit König Erich von Dänmark, wegen des ihnen von neuem
vom Könige Erich Magnussen von Norwegen (1280-1299) zugefugten Schadens;
worauf der König von Dänmark den Handel der Normänner In seinem Lande
auf Bitte der slavischen Städte beschränkte. Als nun König Erich Magnussen
Ihnen mehrere SchlfiFe wegnehmen Viess^ so brach eine neue Fehde aus (i284) ^)«
Wiewohl nun der König in rfetnselben Jahre den Städten Lübeck, Hamburg,
Wismar, Rostock, Bremen, Stralsund, Greifswald, Stettir^-, Demmin, Anclam,
Gothland (d. h. Deutschen auf Wisby), Elbing, Riga und Reval erklärte, den erlitte-
nen Schaden^ zu Vermeidung grössern Uebels, Allen, welche denselben vor ihm
oder seinen Richtern glaubhaft nachweisen würden, zu ersetzen und ihnen zu
ihrem Rechte zu verhelfen, unter der Voraussetzung, dass Gleiches den Seinigen
von den Städten bewilligt werde j und er ferner den deutschen Kaufleuten alle von
seinem Vater und seinen Vorältern erhaltenen Freyhelten bestätigte: so waren doch
die sieben slavischen Städte Lübeck, Rostock, Wismar, Stralsund, Greifswald, Riga
und die Deutschen auf Wisby damit nicht befriedigt. Sie erzwangen vielmehr nach
einer gegen das Reich unternommenen und glücklich beendigten Fehde in dem
Vertrage zu Calmar mit König Erich v. J. 1285 nicht nur einen binnen Jahresfrist zu
zahlenden Schadensersatz von 6C00 Mark nordischen Silbers, die Herausgabe der In
Beschlag genommenen Personen und Sachen, und die Bestätigung ihrer alten
Freyhelten, sondern auch das unschätzbare Recht in Norwegen mit den dahin
kommenden Fremden, und allen nordischen Landleuten, ohne die Z^\Ischenhand
der Bürger der Städte Norwegens unmittelbar zu verkehren, zu jeder Tagszeit
gleich den Ortseinwohnern, wenn anders nicht ein allgemeines Verbot diess Allen
und Jeden untersagte: Gleiches soll den Normännern in den deutschen Städten zu-
stehen. Der Handel mit Oehl oder Thran {Jlalins oder Ilalius genannt) steht Ihnen
frey. Sie erhielten femer das Recht an der Brücke zu Bergen mit ihren Schiffen
1) Nach der Chronologia ah a. 266 «d 1430 im J« 1283, nach der von 815-1412. im J.1284, Graf Alf der
Kleiue von Tonsberg fUgte den Deutschen Seestädten in diesem Kriege vielen Schaden zu, worüber wie
noch alte däuische Lieder berichten, manches Rosenlied Rostocks bleich geworden ist. (Kiämpe
Viserue III. 14 und 15. Udvalgde danske Viser. If. n. 90 und 91). Vorziiglich wurde er ihnen durch
•eine Angriffe auf Skanoer gefährlich. S. Script, Rer, Dan, II. 265. V# 5J1- Als er jedoch
nach dem zu Calmar geschlossenen Frieden noch imJ. 1290 seine Freibeutereyen fortsetzte, wurde er
von dem dänischen TruchseM David Thorstesson gefangen und bey Helsingborg gerädert. S. ChronoU
de 815 - 1412» bey Fant. Script. Rer. Suec. pag. 4t. L.
Bb 2
196 ZWEYTE ABTHEIL. GESCR DES HANDELS.
anzulegen, unter der Bedingung vor der AusscbifFung dem Aratmanne des Königs eine
Anzeige zu machen und um dessen Einwilligung anzuhalten. Beyder Theile Kauf-
leute sollen im Fall, dass Schlägereyen oder würkllche Beleidigungen zwischen
ihnen yorfielen, gleich den Einheimischen auf Vorschreiben des Königs oder der
Städte, jedoch mit Maass, gestraft werden. An aufrührischen Haufen sollen sie, bey
de^ darauf gesetzten Strafe nicht Theil nehmen. In den Rechtsstreiten der Deutschen
mit den Normännern bleiben sie dem königlichen Amtmanne unterworfen und
werden gleich den Eingeborenen nach des Reichs- oder Orts -Gewohnheiten gerichtet.
Im Fall, dass die Städte vom Könige von Dänmark um Hülfe angesprochen
.würden, so sollen sie demselben nicht beystehen, wenn der König von Norwegen
sich dem Rechtsspruche zweyer oder dreyer Personen unterwerfen will; sprächen
diese gegen den König von Norwegen, so steht es den Städten frey den Dänen
Hülfe zu leisten. Datiert der Krieg zwischen Dänmark und Norwegen fort, so haben
die Kaufleute das Recht binnen eines Monats nach erfolgter Absagung frey ab-
zuziehen, oder von beiden Theilen ungestört da zu bleiben, wo sie* sind.
König und Städte wollen sich ferner nicht befehden und ihren gegenseitigen Fein-
den nicht beystehen.
Alles diess soll auch fiir die Städte Campen , Stavern und Groningen gel-
ten, wenn sie ihren erlittenen Schaden bis Johannis eingeben, und ein Abschluss
getrofiFen wird; im entgegengesetzten Falle sollea sie ihre Güter In den Schiffen
der oben genannten Städte nicht verschiffen und nicht umgekehrt , auf dass kein
Schade und Weiterung weiter entstehe i).
Ohne Zweifel war der den städtischen Kaufleuten zugestandene freye Ein-
kauf nicht nur von den Bürgern der norwegischen Städte und Flecken , sondern
auch von den Landleuten und den Fremden, ohne die Zwischenhand der nor-
wegischen Städte -Bewohner zu bedürfen, der wichtigste Theil, und für sie
unendlich viel bedeutender, als die den Normännern zugestandene gleiche Frey-
heit in den deutschen Städten. Auch haben sich die Städte eine besondere Er-
klärung desshalb von dem Könige Magnus, als Schiedsrichter, ausfertigen lassen,
worin er erklärte, dass der Sinn ganz allgemein zu nehmen sey, nur dass die Nor-
männer nicht von den Wagen , welche die Güter nach den deutschen Städten
bringen, und die Deutschen nicht von den Schiffen in Norwegen unmittelbar
kaufen dürflen 2). v
1) ÜB. Liri. Lvnb. LIX. LX. LXI«, LXIL UV. 12S4. 1285.
2) ÜB. LXIi^ ^
••
HAND.
Doch auch damit ist nicht aller Zwist beygelegt ^vo^den. Die Städte liessen
sich diese Freyheiten yon dem Könige Magnus von Schweden, dem Könige Erich
von Norwegen , seinem Bruder , dem Herzog tiakon , in den nächst folgenden
Jahren einzeln oder gemeinschaAlich bestätigen, theilweise auch, wie es fiir die
fiinf Städte Lübeck, Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald geschah , erwei-
tem. Herzog Hakon versprach im J. 1288 jenen sieben Städten, Lübeck, Rostock,
Wismar, Stralsund, Greifswald, Riga und Wisby, sie wegen der noch rückständigen
Gelder-, wesshalb sie einen Aufschub bewilligt hatten, bis zu deren gänzlicher
Abzahlung , von jeder Abgabe beym Häringsfange fiir den Winter zu befreyen,
und also fort bis zu ihrer gänzlichen Befriedigung, doch sollen ihre Schiffe schrift-
liche Beweise mit bringen, um dar^uthun, dass sie den begünstigten Städten ange-
hören , damit nicht andere sich dieses Vortheils erfreuen.
Eben dieser Herzog so wie dessen Bruder König Erich verstalteten den
Lübeckern, den Stralsundem und wahrscheinlich auch den übrigen enger Verein-
ten im J. 1292 freye und sichere Fahrt durch die Schlösser Hunals in Halland
und Hielm; sie geboten den Vögten, die Schuldner der Lübecker in ihren Gegen-
den zur Zahlung anzuhalten, und diesen keine Güt^r ,zu festgesetzten Preisen,
sondern nach freyem Uebereinkommen über dieselben abzunehmen , und Im Fall
man sich nicht darüber vereinigen könnte, sie frey abziehen zu lassen. Auch hat
Herzog Hakon den Greifswaldern ihre herkömmlichen Freyheiten insbesondere
zugesichert 1).
Ungeachtet dieser wohlwollenden Gesinnung entstand sofort neuer Zwist.
Einige sogenannte Seeräuber, wahrscheinlich Norweger, waren an der Küste bey
Mastrand von dem gemeinen Kaufmann ergriffen und hingerichtet worden^ worüber
der König besonders gegen die Städte Campen und Stavern erbittert war, denen
er die That beyzumessen schien. Aber die fünf Städte Lübeck, Wismar, Rostock,
Stralsund und Greifswald verbanden sich mit jenen beiden, und versprachen ein-
ander, gemeinschaftliche Sache in dieser Angelegenheit zu machen, während die
Stadt Bremen auf des Königs Seite stand. König Erich schloss darauf 1294
mit den Städten Lübeck, Riga, den Deutschen auf Wisby, den Städten Campen,
Stavern, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin und Anclam dahin ab,
dass alle Streitigkeiten zwischen beiden Theilen, nähmlich zwischen dem Könige
und Bremen von der einen, und den genannten Städten von der ändern Seite in
ÜV. 1286. 1287. 1288. 1292» 2.
i98 ZWEYTE ABTHEIL. GESCR DES HANDELS.
der nächstfolgenden Zelt bis Johannis ausgeglichen und der Friede hergestellt werden
sollte; zugleich bestätigte er ihnen nicht nur alle ihre ältern^Freyheiten und auch den
Inhalt des calmarsch^n Vergleichs, sondern er erweiterte sie ihnen auch noch also:
Es sieht ihnen frey, in allen Städten und Märkten an den Brücken anzulegen, ohne
der Erlaubniss des königlichen Amtmanns dazu benöthigt zu seyn, doch sind sie
verbunden, an demselben oder einem der folgenden Tage eine Anzeige von den her-
gebrachten Gütern zu machen, und um die Erlaubniss, die ihnen nicht verweigert
werden soll, sie von den Schiffen an das Land in ihre Niederlagen zu fahren,
anzuhalten; dann soll der Amtmann binnen drey Tagen ihnen anzeigen, welche
Güter er für den König bedürfe, und nach billigem Preisse {justo pretio)
kaufen und zur rechten Zeit bezahlen; lässt der Amtmann jene Tage ver-
streichen, so steht es den deutschen Kaufleuten frey, die Waaren, an wen sie
wollen , zu verkaufen. Kommen sie in die Bannmeile {TakmarJc) der Städte oder
Märkte, so sind sie verbunden, ihre verkäuflichen Sachen daselbst zu verkaufen,
im Uebrigen steht es ihnen frey, sie innerhalb oder ausserhalb des Reichs wohin
sie wollen, zu führen, jedoch nicht nordwärts von Bergen, als wozu jedes Mahi
eine besondere Erlaubniss erforderlich ist. Jedes Schiff mit Getraide beladen,
gibt ein .Schiffpfund {talentum) Aqs bessten Getraides, nach Auswahl der könig-
lichen Bevollmächtigten, als Zoll; vom Dienst auf des Königs Schiffen werden
sie befreyt. Stirbt Einer aus ihrer Mitte innerhalb des Reichs, so bleibt dessen
Gut den Erben, in sofern sie, oder ihre Bevollmächtigten mit der Stadt Briefe
sich binnen anderthalb Jahren als solche bewahrheiten. Von der Verbindlichkeit
die Waffen zu ergreifen und zum Tode verdammte Verbrecher nach der Richtstätte
zu begleiten, so wie von der Abgabe fiir die Heeresfolge beym Aufgebote,
werden sie freygesprochen, in so fern sie vor Weihnachten an den Küsten des
Reichs mit ihren Schiffen zur Abreise fertig liegen, keinen Handel weiter treiben,
und durch Sturm oder Unwetter an der Abfahrt verhindert werden. Es steht
ihnen frey, ihre Waaren in den Häusern der Städte und Märkte niederzulegen ;
vorausgesetzt dass sie dieselben nur an den Orten, welche dazu ausdrücklich be-
stimmt sind, veräussern. Ihre eigenen Handelsschiffe können sie an Andere, nach
erlaubten Orten hin verroiethen, nicht aber gezwungen werden der Schiffe Anderer
sich zu bedienen. Wird Einer von ihnen einer Schuld oder eines andern Verge-
hens wiegen angesprochen, worauf Geldstrafe steht, so kann er des Rechts sich
bedienen Bürgen zu stellen, einen Hausgenossen oder eigenen Diener {domesticum)^
und zwey Landsleute, die eigene Schiffe an der Brücke haben, welche zur Abreise
FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M.NORW. 199
nicht bereit sind, und deren Wcrth hinlängliche Gewähr leistet. Von Nacht-
wachen sind sie frey ; ihre Kisten sollen nicht erbrochen werden dürfen , es sey
denn gegrixndeter Verdacht von Betrug oder Diebstahl vorhanden. Die grosse Wage
{Pundare) soll an einem öfiFentllchen Orte, der Jedem zugänglich ist, aufgestellt
und bewacht, und sollen zufolge der Gesetze die Gewichte nach alter Gewohnheit
dabey gebraucht werden. SchifiFbriichlges Gut zu bergen ist, wie früher so ferner,
erlaubt. Der Schiffer welcher ein Verbrechen begangen, haftet allein, nicht andere
Unschuldige für ihn; es wäre denn, dass sie nach vaterländischem Rechte oder
zjafolge der Gewohnheiten, jies Orts zu strafen wären, well sie den Verbrecher
dem Gerichte entzogen, oder mit Gewalt vertheidigt hätten; eben so soll keine
Stadt für die Verbrechen ihrer Bürger haften, es wäre denn, dass ihre Obrigkeit
das Recht verweigert hätte, wozu sie aufgefordert worden wäre. Jeder, dem
nichts rechtskräftig bewiesen werden kann, hat sich durch Eid zu reinigen, den
er mit andern seines Gleichen, gegen welche die Klage nicht erhoben worden, und
die , nach dem Urthell des Richters von der Sache Kenntnlss haben , zu schwören
hat : kann er den Eid nicht leisten, so trifft ihn die gesetzliche Strafe. In peinlichen
wie in bürgerlichen Sachen soll der Kläger nur tüchtige unbescholtene Zeugen
aufstellen. Hat endlich ein Normann von einem Deutschen Waaren gekauft und das
Handgeld {Festepenig) nicht an dem Tage, wo er den Kauf abschloss, darauf
gegeben, so kann der Verkäufer die Sache an jeden dritten wieder verkaufen,
mit Ausnahme jedoch der Güter, die zum Gebrauche des Königs gekauft sind i).
Diese Freyhelten sollen so lange bestehen, als die Städte alle den Normannen
zugestandenen Freyhelten und die Verträge zwischen ihnen und dem Könige halten
und den von ihren Bürgern dem Könige oder dessen Unterthanen und Freunden
zugefügten Schaden , nach geschehener Aufforderung vergüten 2),
Wie schätzenswerth diese Freyhelten nun auch hier in dieser Zeit bey der be-
kannten Gesinnung seyn mochten, so enthielt doch der Schluss Stoff genug zum
Vorwande, um sie sofort wieder aufzuheben, und dieses ist 'in VVahrheit kurz
nachher geschehen.
ri
iD Umgekehrt gilt die$t auch, nach dem Auszüge aua einer Urkunde t. J. 1294 ▼on den Deutschen;
der Normanu , von welchem «ie kaufen und welchem sie das Pfand darauf gegehen , die >Taare aber
nicht abfuhren, kann sie verkaufen, an wen er will: Willebraudt III* 11*
2) ÜB. LXXVI. LXXVII. LXXVIIb. LXXIX. UV. 1292, 1293, 1294, für Hamburg, 1296, für Bremen
1299.
200 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Dreyzehn Jahre nach dem Calmarischen Vergleich war die darin verspro-
chene Geldsumme noch nicht berichtigt l). Der stete Wechsel von Freund -und
Feindschaft unter den nordischen Mächten, der Wechsel der Machthaber und
ihrer Verbindungen mit den deutschen Seestädten veranlasste eben so oft auch
Veränderungen in den ihnen zugestandenen JFreyheiten. Zwar ertheilte ihnen der
König Hacon Magnussen (v. 1299-1319)> im J. 1300 die Bestätigung jenes Ver-
gleichs, er versprach zwey Jahr nachher den Städten Lübeck, Wismar, Stralsund
und Greifswald die Abstellung der] von ihnen wider seine Beamten ' angebrachten
Beschwerden, wenn sie ihn näher desshalb würden unterrichtet haben, eigentlich aber
gleng seine Absicht dahin den deutschen Orden durch sie zu bewegen, den Fürsten
Wizlaw von Rügen nicht ferner in seinem Rechte zu bedrängen; und im Weigerungs-
fall die Städte zu veranlassen, die Güter des Ordens auf ihren Schiffen nicht femer zu
verfuhren.* Aber im J. 1303 gebot er, dass die Fremden, worunter die Deutschen
gewiss vorzugsweise gemeint waren, ihre Waaren, welche sie in die Bannmeile einer
Stadt gebracht hätten, bey Strafe des Verfalls derselben und einer Busse von drey
Mark daselbst verkaufen, nicht aber wieder von da ausführen sollten;^ welcher
Fremde nach Weihnachten in Bergen blieb , der sollte der Abgabe zum Aufgebote
oder zur Heeresfolge unterworfen seyn; wer Häring ohne den Zoll zu erlegen aus-
geführt , verfällt in Geldstrafe und verliert die Ladung. Niemand soll ohne Er-
laubniss des königlichen Amtmanns Güter aus dem Lande fuhren dürfen; dage-
gen der Stadt Bergen mehrere Freyheiten ertheilt wurden, nahmentlich der aus-
schliesseüde Handel nach den östlichen und nördlichen Theilen Norwegens. Er
befreyte indess die lübischen Getraidesschiffe ausserordentlicher Weise im^ J. 1306
auf fünf Jahre) von der Abgabe eines Schiffspfundes Getraide von jeglichem Schiffe,
und bestätigte ihnen den Calmarischen Vergleich , was er schon das Jahr zuvor
der Stadt Campen zugesagt- hatte , bekräftigte auch den Stralsundern ihre alten
Freyheiten im Reiche im J. 1308* Iwi J^ 1312 sandte er seinen Bevollmächtigten,
Thorias Ungghe genannt, nach Stralsund, der mit den Abgeordneten der Städte
Lübeck , Rostock , Wismar , Greifswald und Stralsund , Nahmeus des Königs,
dahin abschloss, dass die Normänner frey mit ihren Schiffen die Städte des
Verkehrs wogen zu besuchen befugt seyn, so wie dasselbe umgekehrt den Kauf—
leuten der Städte in Norwegen nach alten Freyheiten derselben zustehe, ohne je-
doch des Calmarischen Vergleichs, der vollkommen dasselbe enthielt, nahmentlich
1) UB. LXXXIX und Nachträge z. J. 1298.
FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 201
zu erwähnen, welches zu beweisen scheint, dass über die Ausführung dieses wich-
tigen Punctes neue Zweifel oder Streitigkeiten erhoben waren. Bey Beschwerden,
die über die Verletzung dieser Freyheiten entstehen, soll zuvor deren Begründung
erwiesen werden, bevor Etwas weiter verfugt wird; es soll auf vorgebrachte
leichte oder ungegründete Klagen der Einzelnen nicht eingegangen werden, bevor
nicht Abgeordnete des klagenden Theils mit den nöthigen Briefschaden ver-
sehen an den andern Theil zur gründlichen Erforschung der Wahrheit abge-
sandt worden i).
Aber in zwey andern von dem Könige Hakon Magnussen im J. 1316 er-
lassenen Befehlen spricht er von Räubern und Mördern, welche ohne königliche
Erlaubniss im Lande sich aufhalten, oder, nachdem sie solche erhalten, dieselbe
schändlichst missbrauchen, welches er bey schwerer Strafe untersagte und ver-
ordnete, dass, da den Normännern die Einfuhr aus Deutschland in das Reich
nur für höchst entbehrliche Dinge als Bier, Krämerwaaren (merces nuncli/iariae)
und Gewürze verstattet werde, auch die Deutschen nur diese Sachen brächten,
dagegen die den Norwegern und Deutschen unentbehrlichen Güter, als Fische;
Butter und andere Fcttwaaren ausführten, so solle, wie schon im vorigen Jahre
er verboten habe, deren Ausfuhr fortan untersagt seyn, wenn man nicht dage-
gen Mehl, Malz und andere schwere Waaren einführe. Zwar versprach
er den Deutschen, dass seine Beamte den billigen oder gesetzlich vorgeschrie-
benen Preis {justum pretium) halten sollten, allein er entriss ihnen auch die Be-
günstigung im Zoll, vermöge welcher sie nur zur Abgabe eines SchifFspfundes
Getraide von jedem Schiffe verbunden w aren , und setzte sie mit allen Uebrigen
auf folgenden gleichen Zoll nähmlich: Ein Artig von jeder Mark des Wer-
tbes folgender Güter, von Butter, Fischbrühe [gaurum), Talg von den bessern
Tlieilen der Steinbutte (oder eines andern grössern Seefisches), vom Fleisch
jeglicher Art, von den fetten Wallfischen, Barsch, allerhand Esswaaren, den
Ziegen- oder Bockfellen; fünf Schilling von dem Werthe einer Mark für Nüsse
und Wieselfelle; zwey Artig von jedem Decker der Kuh- und Marderfelle; das
Decker Schaaffelle und das Fass Pech fünf Schillinge; einen halben Artig vom
Wcrth einer Mark vpm Decker junger Ziegenfelle, von einer Tonne Theers
1) Diese Maasregelu mögeu grotteniheiU auf dem Bestreben der Norweger beruhet babeu ibreu eigenen
Handel auszudehnen, welches sich auch durch das in diesem Jahre 1316 Febr. 16 dem Erzbischof von
Drontheim vom Könige \ou England ertheilte Haudelsprivilegium bewährt. S. Kymer II. 285* Vgl.
ÜB. CIV. CX. CXVr. CXVIlb. CXXIIlb. ÜV. 1300, (2). 1304. (3). 1305- (2% (3). 1306, 1312, (2).
Cc
202 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
und von anderem Thierfelte, von Seehunden, Bären, Wölfen, Füchsen, Fischottern,
ßiebern, Luchsen, Dachsen, Lämmern, und anderen Thieren, groben Tuchs,
wollenen Garnes, Schwefels, Harzes und Moschus. Bey Erhebung dieses Zolls
sollte mit aller Strenge verfahren werden, die Angaben waren eidlich zu erhärten,
dessen Umgehung wurde theils mit Geldbussen, theils mit dem Verfall des Schiffs
belegt, auch in dem Fall, wenn jemand etwas aus den Schiffen verkauft hatte.
Nur zur Zelt des Häringsfanges sollte allen Fremden eine allgemeine ZoUbefrcyung
zustehen, in keinem Falle aber ihneii vergönnt seyn, im Reiche zu überwintern,
diess ward mit hohen Strafen belegt fiir die Fremden sowohl, als die einheimi-
schen Hauseigenthümer , welche sie beherbergen würden i).
Noch härter lauteten die Beschlüsse des Magistrats der Stadt Bergen, welche
König Hakon im J. 1317 bestätigte. Zehn Männer wurden ausschliessend zum
Kauf der Güter von Fremden angestellt--, sie bestimmten die Preise derselben, sie
sollten zuerst den Bedarf des Königs, dann den der hohen Geistlichkeit, zuletzt
den der Bürger besorgen, damit alle Eingeborenen die Waaren zu gleichen Prei-
sen , wie sie eingekauft worden , erhalten könnten. Alle Fremden wurden ver-
bindlich gemacht, binnen acht Tagen, von der Zeit an, wo sie die Erlaubniss
erhalten ihre Waaren auszuschiffen, sie in die Seebuden {tabernis maritimis zu
Bergen?) zwischen dem 0rastein und dem königlichen (Hofe oder) Garten zu brin-
gen , nähmlich Grütze, (Graupen, Malz, Polenta)^ Mehl, Korn, (siligo, Roggen)
Semmelmehl {simulaginem) ^ vom bessten und dem geringeren Waitzen, Gerste,
Bohnen, Erbsen, Schweinefleisch, Häringe und andere dergleichen schwere Güter,
jedoch dürfen sie dieselben nicht in die Stadt bringen, bevor nicht jene Buden
angefüllt sind, mit Ausnahme des Weines, des deutschen Biers, des Melhs, des
Honigs, Thrancs, Talges, der Fische, und des diesen zugehörigen so genannten
gauri und der Butter; die übrigen können in die Stadtgebäude und die von
ihnen gemietheten Keller, nirgends aber sonst hin gebracht werden. Die,
welche massw^eise verkauft werden, wie Tücher, Wachs, Krämerwaaren,
Weihrauch oder Räucherkraut und ähnliche, ferner die Gewürze sollen in die
an der Strasse befindlichen Lager gebracht, sonst aber nirgends verkauft wer-
den, bey Strafe einer Mark fiir den Kaufmann und einer halben für den Eigen-
1) ÜV. 1316. Torf ae US ist nicht geuau, die Ziegenfelle sind in derselben Urkunde verschiedenarllg
besteuert; wahrscheinlich liegt ein Schreibfehler zum Grunde* Mau hat einen andern Abdruck bey
Paus. Was zuletzt musci bedeute, ist ungewiss; Moschus oder Moose entweder als Ausfuhr vom niitl-
lern Sibirien , oder als Einfuhr aus dem südlichen Asien.
FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 203
thüraer dt^s Hauses. Alle fremde Kaufleutc sind verbunden ihre Güter binnen
vierzehn Tagen von der Zeit an , in welcher sie dieselben eingeführt und ausge-
schifft haben, und zwar im Grossen zu verkaufen} Tuch und Leinewand können
sie hundertweise {centenaiitn hundert Ellen), englische Scharlachtücher in klei-
nern Quantitäten [fasciatim), Wein und Honig in vollen Fässern und Kasten,
Bier, Grütze oder Malz, Korn, Gerste, Semmelmehl, Sack- oder Schiffspfund-
weise oder in ganzen Fässern, Speck Schiffspfundweise und zwar nur den
Bürgern der Stadt, nicht andern Fremden verkaufen, jedoch mit Ausnahme
dessen, was der tägliche Gebrauch für ihren Tisch fordert. Während der Jahr-
märkte muss die Verschiffung {napigatio) binnen drey Wochen abgemacht seyn.
Kein Fremder darf länger als sechs Wochen auf die Landung und den Verkauf
der eigenen und die Einschiffung der eingekauften Güter zur Abfahrt zubringen;
was binnen dieser Zeit weder verkauft noch eingekauft worden, muss unverkauft
und uneingekauft bleiben vom Kreuzfeste im Herbste bis zum Kreuzfeste im Früh-
jahr; von letzlerem bis zu ersterem soll den Fremden, unter den angeführten
Beschränkungen der Handel mit den Eingeborenen und Fremden offen stehen,
doch nicht in kleinen Partien, wenn sie anders nicht beweisen, dass sie nicht
mehr von der Sache eingeführt hatten, in welchem Falle sie frey von der Strafe
bleiben. Die Norweger sind bey Strafe an die zuvor beschriebene Art des Handels
gebunden. Niemand soll sich unterfangen zwischen Käufer und Verkäufer sieb
einzudrängen und ein höheres Gebot zu thun , weder des Königs Bevollmächtigter
zum Nachtheile der Bürger noch diese zu jenes Schaden. Wer mehr bietet, als
verabredet war , oder zu höhern , als den vom königlichen Beamten , im Ein-
verständnisse mit den Bürgern, festgesetzten Preisen kauft, fallt in die Busse von
Einer Mark und der Vertrag ist ungültig. Kein Hausbesitzer darf einem fremden
Kaufmanne sein Haus länger als auf vierzehn Tage vermiethen, bey Strafe von
acht Mark und Vertreibung des Fremdlings aus dem Hause, im Wiederhohlungs-
falle für den Eigenthümer bey Strafe von Verlust des Hauses, für den Fremden
bey Strafe der Erlegung des Werths des Hauses.
Im Uebrigen soll der Ueber treter, von welcher Seite er sey, Eine Mark Strafe
geben oder mehr, jenachdem der König und der Rath nach Erwägung der Um-
stände verlugen werden. Endlich haben die Bürger von Bergen beschlossen, dass
man kein Fass oder Tonne deutsches Bier höher als mit Einer Mark bezahlen
soll , bey einer Strafe von fünf Mark , und dem Verluste des Biers i).
i) UV. 1316, C7> 1317, (2).
Cc 2
204 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Durch diese Vorschriften wurden den Deutschen alle ihre so mühsam er-
worbenen Freyheiten sämmtlich entrissen; ihr Handel war nun sehr beschränkt
und blieb es hier auch im Allgemeinen mehrere Jahrzehnde hindurch.
Nur einzelnen Städten scheint es gelungen zu seyn, sich einiger Maassen ge{|^n
diese Beschränkungen zu schützen. So versprach der König, im J.|l318> die Stadt
Hamburg wieder zu Gnaden aufzunehmen, und zum Handel zuzulassen, wenn sie
Genugthuung für den den Normännern zugefügten Schaden leiste, und durch zwey
Rathraänner und zehn Bürger der Stadt sich eidlich wegen der ihnen zur Last
fallenden Beschuldigungen reinige. Im J. 1321 ward von Magnus Smäk den
Bremern der freye Besuch seiner Reiche zugesichert und ein Versprechen der
Bey legung der alten Zwietracht gegeben. • Aber von den alten Frey heilen in "Nor-
wegen war nicht mehr die Rede; der König klagte (1327) über die Insolenz
einiger Bürger, worunter wahrscheinlich die Lübecker verstanden wurden, die,
wie es scheint, vergebens in dieser Zeit um die Bestätigung ihrer alten Freyheiten
r
anhielten. Gleich vergeblich baten sie mit den Städten Rostock, Stralsund und
Greifswaid bey dem Könige im J. 1333 um die Bestätigung ihrer vormahls
gehabten Freyheiten, sie wurde ihnen mit Härte verweigert, und nicht eher bis
der König ihre Hülfe und ihr Wohlwollen in Anspruch zu nehmen veranlasst
wurde, gelangten sie wieder zum Genuss ihrer alten Freyheiten i).
•
Erst dann als der König, durch innere Unruhen und von Dänmark gedrängt,
der Hülfe der benachbarten deutschen Städte bedurfte , suchte er mit ihnen sich
wiederum zu versöhnen und Viess sie wieder zum Genuss ihrer alten Freyheiten
zu. Nach hergestelltem Frieden zwischen den Seestädten Lübeck, Hamburg,
Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald mit dem Könige Magnus v. 22 J«l.
1343 bestätigte er ihnen, ihren Einwohnern und allen Kaufleuten der deut-
schen Hanse die Freyheiten, Rechte und Gewohnheiten, die sie vordem von
König Erich und dessen Vorfahren erhalten hatten, dass sie nur zu dem alten
Zoll, ein Schiffpfund des bessten Getraides von jedem Schiffe, bey dem Ankaufe
verbunden seyn sollen, mit Ausnahme jedoch des bessten Wailzens, nordisch Flur
genannt 2). Schon i340 hatte jedoch die Stadt Rostock von ihm die Zusicherung
der Zollfreyheit (wahrscheinlich der im J. 1343 näher bestimmten) für ihren Handel
1) UV. 13187 1321, (?)• 1327, CO- Willebr. htns. Begehenh. 31. Torfacus a. a. O.
2) ÜB. GL. CLI«. UV. 1343, (2).
FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 205
auf Norwegen auf zwey Jahre, von Martini 1340 an zu rechnen, zugesichert
erhalten i).
Der König Magnus vereinigte sich mit jenen Städten, Hamburg ausgenommen,
im nächst folgenden Jahre ^egen die Seeräuber (d. i. seine Feinde); jeder Theil soll
sechs Schiffe {libornos) ausrüsten, zur bestimmten Zeit in See senden, unterhalten
und nach Umständen in gleichen Verhältnissen vermehren. Den Lübeckern wer-
den insbesondere alle ihre im Reiche innehabenden alten Freyheiten, und Schutz
und Hülfe gegen Alle, welche sie daran kränken würden, bestätigt, und der König
verspricht, im Fall eines zwischen beiden Theilen ausbrechenden Zwistes, ihnen
Ein Jahr zuvor eine Anzeige zu machen, bevor er zu Thatlichkeiten und Ein-
griffen in ihr Eigenthum schreiten werde 2).
Die Freyheiten, welche der König den Kaufleuten der Deutschen zugestanden
hatte, wurden, wie gewöhnlich, auch einzelnen Städten, wie Lübeck und Bremen
in den zunächst folgenden Jahren insbesondere zugesichert Aber bey den grossen
Unruhen im Lande , in des Königs Geschlechte selbst, bey seiner Hinneigung zu
Dänmark, an welchem Allen die Städte geheim oder offen Theil nahmen, brachen
bald neue Zwiste zwischen beiden aus, die dann durch Stillstände auf einige Zeit
beygelegt wurden, während welchen der König den Lübeckern jedoch den freyen
Verkehr mit seinem Reiche verstattele und ihnen günstige Zusicherungen er-
thcilte 3). Aber so unsicher waren alle Zusicherungen, dass schon im J. j354
mehrere Kaufleute der deutschen Hanse sich [beschwerten, dass zufolge der Befehle
des Königes seine Beamten ihnen geboten hätten binnen drey Tagen Norwegen zu
verlassen, und da diess so schnell zu leisten unmöglich gewesen, ihre Güter mit
Beschlag wären belegt worden; dass sie nur im Grossen sollten verkaufen dürfen,
nicht mit andern Fremden im Lande verkehren 4).
Ln J. 1357 ertheilte König Magnus den Kaufleuten der deutschen Hanse,
die in Bergen sich aufhalten, ausser der Bestätigung aller ihrer alten Frey-
heiten, das Recht ihre Lebensmittel auch ausserhalb der Gemarkung der
Stadt, jedoch ohne damit weiter einen Handel zu treiben, einzukaufen, da sie inner-
halb der Gemarkung •— so gross war der Hass der Bürger von Bergen — diese
Bedürfnisse gegen ihr Geld nicht hätten befriedigen können. Er versprach ihnen
15 ÜV. 1340, C5>
2:) ÜB. cLiv. CLV. cLvr.
3^ UV. 1348. ÜB. CLXXIV.
4) ÜB. CLXXXU.
r
206 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
ausserdem, dass ihre Schuldner» wes Standes sie seyen , innerhalb eines Monaths
nach abgelaufener Zahlungsfrist, durch seine Richter bey Strafe und nach allge-
meinen Gesetzen angehalten \ferden sollten 1).
Immer aber ward das Bedürfniss grösser, welches den König Magnus von
Schwedne und seinen Sohn Hakon von Norwegen zur eigenen Erhaltung an die
deutschen Städte knüpfte; sie ertheilten daher in d. J. 1361 in ihren Reichen
Schweden, Norwegen und Schonen den Städten Lübeck, Hamburgs Stade, Bre-
men, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Demmin, Anclam, Stettin und
Colbcrg und allen Städten und Kaufleuten der deutschen Hanse theils
die in früheren Zeiten besessenen Handelsfreyheiten für diese verschiedenen Reiche
im Allgemeinen, theils fügten sie noch andere hinzu. So empfingen sie insbeson-
dere auch für Norwegen das Recht, nach allen Orten desselben zu Wasser und
Lande zu kommen, nach ihrem Gutdünken Handel und Wandel daselbst zu treiben
und zu verweilen. Das ihnen geraubte Gut will der König, als wäre es sein eigenes,
aufsuchen und die Räuber, als hätten sie ihn beraubt, bestrafen lassen. Er be-
stätigt die allen Freyheiten in Bezug auf das Strandrecht, Befreyung von der Ab-
gabe bey Todesfällen, Bestätigung des alten geringen Zolls von einem Schiffpfund
Getraide für jedes Schiff u. f. Die Normanner werden verbindlich gemacht, die
Zahlung für die von den Deutschen baar erkauften Waaren binnen drey Tagen
zu leisten. Sie haben das Recht ihre Güter frey aus der Ost- nach der Nordsee
durch Schweden und Norwegen zu führen, in allen Theilen des Reichs umherzu-
ziehen und ihre Schulden einzutreiben, Salz Schiffpfundsweise an Einheimische
und Fremde zollfrey zu verkaufen, und gegen Erlegung des übrigen Zolls die
von ihnen eingeführten Waaren, die sie im Lande nicht haben absetzen können,
wieder auszuführen 2).
DIess waren nun allerdings grosse Handelsfreyheiten, vollends fiir jene Zeiten,
wodurch der Grund zur Handelsherrschaft der Deutschen und Hansen in. diesem
Lande gelegt war, welche sie auch hartnäckig anderthalb Jahrhunderte hindurch hier
behauptet haben. Ohne Zweifel waren sie in ihrem Handel mehr als andere Völker
begünstigt } frey von den Abgaben , welche die Eingeborenen zu tragen hatten.
1) UV. 1357. Von demselben Könige Magnus findet sich auch ein sicheret Geleit für die Abgeordneten
der Stadt Stralsund vom J. 1345, und vom J. 1358 eine Zusicherung, die er ihren Bürgern und Kaufleuten
criheilt, sicher mit Lebensmitteln alle seine Reiche zu besuchen, wobey vieUeicht Norwegen heson-
dera gemeint seyn könnte. CLVIIL CLXXXIV.
2) UV. 1361.
FÜNFTER ABSCHN: HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 207
5tark und gefiirchtet durch ihre Nähe und ihre Macht, Tcrmöge ihres grösseren
Handels- Capitals, ihre grösseren Handelskenntnisse , ihre Verhindung mit an-
dern Ländern, ihre begünstigten Niederlagen daselbst allen andern Fremden
und den Eingeborenen überlegen, war Norwegen gleichsam in ihre Hand gegeben.
Schon allein die beiden Puncte, die sich auf die Freyheit des Handels mit Frem-
den und Eingeborenen im Lande, bey geringen Zöllen, oder bey gänzlicher Be-
freyung davon, bezogen, das Recht im Lande nach Gutdünken zu verweilen,
gewährten ihnen die entschiedensten Vorzüge. Es Hess sich voraussehen, dass
sie eigenmächtig sich in der Folge verschaffen würden, was zur vollen Begrün-
dung ihrer Handelsherrschaft ihnen etwa noch abging; auch ist diess genau in
der Folge eingetreten.
Indessen blieben diese Freyheiten nicht [ungekränkt, denn des Landes Könige
hatten, durch die Nothwendigkeit gezwungen, sich fügen müssen, die Eingebore-
nen trugen mit Widerwillen das Handelsjoch der Fremdlinge. In den zunächst
folgenden Jahren , bey den bekannten veränderten Verhältnissen unter den nordi-
schen Mächten, wurde König Hakon von Norwegen aus einem Freunde der Hansen
der Feind derselben. Er entriss ihnen alle die zugestandenen Freyheiten wieder,
doch die Seestädte verbreiteten Tod und Verwüstung (1368) in grossen Strecken
der norwegischen Küsten, und sie erzwangen sich sogleich in einem darauf
erfolgten Stillstande oder Frieden auf fiinf Jahre von Johannis 1370 an zu rechnen
alle ihre Freyheiten, deren sie auf kurze Zeit beraubt worden waren, wieder. Die-
ser Frieden oder Stillstand ward mit den Käthen, Bürgern, Kaufleuten, Unter-
thanen und den Bundsgenossen oder Gehülfen {adjuiores) folgender Städte ab-
geschlossen, nähmlich Lübecks, Hamburgs, Bremens, Rostocks, Wismars, Stral-
sunds, Stettins, Colbergs, Neustargards und anderer ihnen nahbelegener Städte;
femer mit denen der preussischen Städte, Culms, Thorns, Elbingens, Danzigs,
Königsbergs und Braunsbergs und anderer ihnen nahbelegener; ferner mit denen
der livländischen Städte, Rigas, Dorpats, Revals, Pernaus und anderer benach-
barter; ferner mit denen der süderseeischen Städte, Campens und anderer im
Bisthume Utrecht belegener; mit denen der seeländlschen Städte, von Ziriksee,
Briel 5 Middelburg und Armuiden , mit denen der holländischen Städte Dortrechts,
Amsterdams, Enkhuysens und Wieringens und anderer in den Grafschaften Hol-
land und Seeland belegener; denen der geldrischen Städte, als Harderwyks,
Zutphens, Elburgs, Deventers, endlich denen der Städte Stavcrn und Hindelop
und Allen, die in dem Rechte und der Verbindung der genannten Städte begriffen
208 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
ihre Verbündeten, oder Helfer sind. Sie erhielten Ton Neuem die bekannten
Freyheiten, freyen Zutritt zu allen Theilen des Reichs, das Recht daselbst zu
verweilen und abzuziehen , alle die Freyheiten , wie sie König Magnus ihnen zuge-
standen. Wegen Rostocks und Wismars, deren Herren mit König Erich in Fehde
waren, ward festgesetzt, dass sie, theilnehmend an dem Frieden, diese fiinf Jahre
hindurch von aller Theilnahme an dem dem König zuzufügenden Schaden sich
entfernt halten, und ihren Landesherren weder mit Schiffen noch Mannschaft gegen
den Kötiig und die Seinigen beystehen sollten. Sollten jedoch die Herzoge in den
Häfen dieser bei/len Städte Schiffe und Mannschaft gegen ihr baares Geld miethen^
oder Lebensmittel daselbst kaufen, so soll dadurch der Friede nicht als von
diesen gebrochen betrachtet werden. Den beiden Städten steht es frey, wenn der
König in Meklenburg einfiele, innerhalb ihrer Städte, Häfen und Gebiete ihren
Landesherren beyzustehen; wollen sie aber ausserhalb des Herzpgthums dem Her-
zoge beystehen , so sind sie verbunden dem Könige ein Vierteljahr zuvor solches
anzuzeigen. Wollen sie diesem Frieden oder Stillstände beytreten, so haben sie
ihre offenen Briefe gleich den übrigen Städten dem Könige einzusenden l).
Was die deutschen Kaufleute und Städte sich erbaten und als Gnade empfin-
gen , was man ihnen zugestanden hatte , um sie für diesen oder jenen Zweck zu
gewinnen, das forderten sie nun, gestützt auf Ihre Macht und ihr verheerendes
Schwert, als ein Recht. Auch fügte der König einige Jahre nachher (1376) in
dem förmlichen für immer, nicht auf die fünf Jahre geschlossenen Frieden, den be-
kannten Freyheiten un,d deren Bestätigung fiir die zuvor genannten Städte, und
alle zur deutschen Hanse Gehörigen , dem römischen Reiche Unterworfenen noch
hinzu, dass er weder 'von Eingeborenen noch Fremden eine Geldbusse erheben
wolle, bevor nicht von des Straffälligen Gut alle regelmässige Ansprüche der Gläu-
biger wären bezahlt worden. Er verstattete den hansischen Schiffen die Ehren-
auszeichnung mit fliegendem Wimpel am höchsten Masle (Top-Castel) in alle
Häfen des Reichs einzulaufen, und ihn nur dann erst abzunehmen, wenn sie zur
Ausladung anlegen würden.
Durch eine kluge Benutzung der Verhältnisse unter den nordischen Mächten,
durch grosse Thätigkeil, sparsame und verständige Verwendung der Geldmitlel,
die mehr in den Händen der Städte, als in denen der Könige und ihrer Völker
i) Die Urkuude ohne Jahrzahl b. Torfaeus IV« 402« gehört wahrtcheiuUch in die Jahre vor 1368-
ÜB. uud UV. 1368. 1370.
.♦'.
FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 209
sich befanden, war es ihnen gelungen sich eine Laufbahn zu eröffnen, welche sie mit
Glück anderthalb Jahrhunderte hindurch verfolgt haben. Im Nordosten \var der
Grund ihrer Macht , ihres Ansehns, ihres grossen Zwischenhandels und daher die
Hauptquelle ihres Reichthums ; behaupteten sie die Freyhelten, welche sie hier sich
erworben, erkauft, oder erkämpft hatten, so mussten ihr Reichthum und ihr Einfluss
stets zunehmen. Kein Nebenbuhler schien ihnen mit Erfolge lange widerstehen
zu können. Stets bemüht den unmittelbaren Handel der westlichen und öst-
lichen Völker mehr in ihre Zwischenhand zu leiten, ward dieses Streben ihnen
durch die Freyheiten erleichtert, die sie besonders im Nordosten vor ande^
ren Völkern sich verschafft hatten. In den zuletzt erworbenen Freyheiten,
die sie von den nordischen Königen erhielten, ward auch nicht, wie früher, von
diesen die gleiche Freyheit fiir ihre Unterthanen in den Städten vorbehalten. Ohne
den Buchstaben der spätem englischen Schifffahrtsgesetze zu kennen, ahneten die
Hansen doch sehr wohl ihren Geist. Der Handel mit anderen Völkerschaften war,
so viel thunllch , nicht nur an die hansischen Schiffe gebunden , sondern der Ver-
kehr zwischen dem Nordosten und Nordwesten ward immer mehr und mehr in
ihre Hände gebracht.
Ob die Hansen bereits damahls sich eine Niederlassung in Bergen gebildet
hatten , die nachmahls so herrschend und so bedeutend für die norddeutschen
Kaufleute und Städte ward, darüber findet sich in den vielen auf uns gekomme-
nen Urkunden aus dieser Zeit keine nähere Auskunft. Dass indess die besonders in
den letzten Jahrzehnden erlangten Freyheiten sich vorzüglich auf Bergen bezogen,
ist freylich keinem Zweifel unterworfen. Sicher ist es, dass sie den Grund zur
Anlage einer solchen Ansiedelung enthielten, und dass der Anfang in dieser Zeit
gemacht wurde, wiewohl wir darüber keine gleichzeitigen urkundlichen Nachrichten
besitzen und offenbar die Ausbildung einer späteren Zeit vorbehalten blieb.
Die Mitwerbung anderer Völker in Norwegen, die häufigen Unterbrechungen
der zugestandenen Freyheiten, die beharrliche Verweigerung eines längern Aufent-
haltes im Lande, die vielen politischen Zwiste und daraus hervorgehenden Fehden,
haben es verhindert, dass sie hier so früh wie in Russland, Schonen, zu Brügge
und London Niederlassungen bildeten , auch Nichts dem Aehnliches v^ie in
Schweden, wo so viele Deutsche früh Bürgerrechte in den Städten gewannen i).
1^ Gewias i3t es sehr aufTalleud, dass dasjenige hansische Comptoir, welches lange Zeit das wichtigste
blieb — auf dem Festlaude Schweden ist nie eins errichtet — erst so spät begründet scheint. Ueber die
I^iederlassuug } welche nach dem Zeuguiss des Ed. Eduardsen, welcher noch alte Lieder und Erzählungen
Dd
210 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Was die Waaren betraf, welche zwischen den Normannen und Deutschen
umgesetzt wurden, so sind die Gründe, weswegen diess hier, so wenig wie In
anderen Fällen, mit wunschenswerther Genauigkeit angegeben werden kann, die-
selben, welche auch bcy dem Verkehre anderer Völker vorkommen. Die Ausfuhr
bestand vornehmlich In Fellen von Hausthleren, von Böcken , Ziegen , Lämmern,
Schaafen, Pelzwerk von wilden Thieren, Bären, Wölfen, Füchsen, Luchsen
Dachsen und Wieseln, ferner von Fischottern, Bibern und Seehunden, Fischen
darüber kauute , die Deutseben zu Notau im Karmesuud besasseu , jund vrelcbe dieselben wegen der See-
räuber tiefer ins Laud nach Bergen verlegten (s. v. H o 1 b e r g Beschreibung der St. Bergen H. lOO»
fehlt es an allen näheren Nachrichten; falls die Sage hier nicht das \ou den Norwegern fiir Fremde
erbaute Haus im Karmesuud, über dessen Zerstörung sich König Haquin 1370 zu Bahus beschwerte, mit den
Factoreyen verwechselt. Die Natur der Fischereien und des Handels, welcher wenige kostbare Verkaufs-
Artikel hinbrachte, die leichtere Fahrt nach Bergen für die westlich belegenen Städte, die grosse AehuUch-
keit der dortigen Sprache, bieten keine genügende Aufklärung dieser Erscheinung dar, welche sich auch
dadurch bewährt, dass in den deuuchen Städten die Gesellschaften der Bergenfahrer nicht sehr allgemein
oder früh -^ jedoch in Greifswalde schon 1356 gestiftet — sich zeigen. Dagegen finden wir schon früh
Nachrichten über die Winterlage der Deutschen Schiffer in Norwegen (s. Hamb. und Lübecker Schiprecht
von 1270 und 12990» »o wie andere Nachrichten über die Deutschen in Bergen, welche einen fortgesetzten
Aufenthalt derselben dort voraussetzen bssen. Es sind uahmlich von dem Jahr 1296 urkundliche Nach-
richten über den von den deutschen Kaufieuten zu Bergen an die dortige älteste Kirche, die Christkirche
zu zahlenden Zehnten bekannt (s. Thorkelin Dipl. Arn. Magn. H, 173. 1309- Suhm XI. 629* 6dO*}i
den sie nach des Bischofs Behauptung seit Bischof Peters Zeit ums J* 1260 bezahlt hatten » während
Deutsche, seit 20 Jahren daselbst wohnhaft, behaupteten ihn nicht entrichtet zu haben. 1310 wurden
sie, wie schon 1307 die deutschen Handwerker, welche sich zur St. Michaelis Kirche hielten, wie von
Holberg a. a* O. I, 80* erwähnt i daselbst aus demselben Grunde sogar wegen Ihrer "Widersetzlichkeit
zu zahlen , iu den Bann gethan und erst im folgenden Jahre von demselben erlöset« S. Suhm XI*
655 und 677* Doch kann das Vorhandenseyn einer den Städten gemeinsamen Besitzung, oder
einer gemeiuschaniichen Residenz nicht in der vorlies^enden Periode urkundlich dargethan werden;
mit Ausnahme der in den letzten Jahrzehendeu in den hansischen Recessen vorkommenden Nachrichten
über Aldermannen zu Bergen. Der Recess vom J. 1358« Fab. et Sebast* [scheint von Aelterleuten in
NorAvegen zu sprechen; 1360 legten die Kaufleute zu Bergen den Ankömmlingen neue Abgaben auf, was
eine bestehende Vereinigung der dortigen deutscheu Kaufieute voraussetzt. 1363 Juu. 23. wurde
vielleicht zu Lübeck über die Erwählung eines Oldermannes zu Bergen berathschlagt ; doch ersieht man
nicht, ob dieses die erste Erwähluug eines solchen war, oder ob über die Art der Wahl verhandelt
wurde« Das von Sartorius noch nicht benutzte Manuscrlpt des Recesses von 1364 May 27* erwähnt eines
unzweifelhaften Briefes der Oldermannen zu Bergen. 1366 Juny 24« wurden zu Lübeck und 1369 Oct.2i«
zu Stralsund, Vorschriften an die Aelterleute und den gemeinen Kaufmann der deutschen Hause zu Bergen
erlassen (s. U. B. S. 585* und 666* Vgl. S. 598), so wie ein um diese Zeit au dieselben erlassenes Schreiben
in Nr. CCXXVIa abgedruckt ist« Von den Statuten der Hanse zu Bergen s. U. B. 1370* Anderwärts wer-
den andere Niederlassungen zu Tuusberg und Aslo angeführt« S. Recesse 1367* 8« und 1368* 1* Nro.
CCXXIIL Kaufleute von der deutschen Hansa, welche in Aslo in ihren Rechten gekränkt waren, be-
schwerten sich 1354 bey dem Könige von Norwegen. S. Nr. CLXXXI«. L«
FÜNFTER ABSCHN. HAND. D. MEDERD. KAUFL. U. STÄDTE M. NORW. 211
verscliledener Art, Häringcn , in grosser Menge, wenn auch nicht von der Güte,
wie in Schonen, Stockfischen, Seebutten, andern Plattfischen, Wallfischen; Butter,
Talg und andern Fettwaaren, Pech (Schwefel), Harz und Theer, und gewiss
mehreren Holzarten zum Schiffbau und anderem Nutzholz.
Die Einfuhr bestand yornehmlich in Mehl, Getraide aller A*rt, Rocken,
Waitzen, Bohnen, Erbsen, Grütze, Bier, Wein, Meth, Honig,. Salz, Linnen,
Tuch, Gewürzen und andern Krämerwaaren, vielleicht auch Moschus, so wie
anderen orientalischen Gütern von Brügge aus, englischen Scharlachtüchern, und
wohl noch mehreren anderen Erzeugnissen des Kunstfleisses der deutschen Städte, wie
Mctallwaaren u. f. so wie denen anderer westlicher Länder; zuweilen mögen auch
einige Güter, die selbst und in grosser Fülle hier gewöhnlich vorhanden, wie diess
unter Umständen auch sonst wohl geschieht, daselbst eingeführt worden seyn, wie
Häringe, vielleicht einer bessern Art, oder besser bereitet aus Schonen; selbst
Butter scheint einmahl vorzukommen, wiewohl diese Waare ganz gewiss und
mit am häufigsten aus Norwegen von den Deutschen ausgeführt ward.
Waren die Hansen aber nun in den Besitz der nordöstlichen Güter durch
die erworbenen Begünstigungen gelangt, so bedurften sie ähnlicher im Westen
um einen begünstigten Absatz daselbst und einen begünstigten Einkauf der da zu
erhaltenden Güter zu erwerben.
Die Freyheiten, welche sie sich im Westen für ihren Handel, besonders in
den Niederlanden und England zu verschaffen wussten, werden nunmehr zur
vollständigen Einsicht in den gesammten hansischen Verkehr mitzutheilen seyn.
SECHSTER ABSCHNITT.
Geschichte des Handels der niederdeutschen Kaufleute mit den Niederlanden und Frankreich.
Von allen an der Nordsee belegenen Ländern war in jenen Zeiten keines
durch Handel, Kunstfleiss und Wohlhabenheit so ausgezeichnet, als die Nieder-
lande. In den nördlichen Theilen derselben, wo deutsche Sitte herrschend, und
das Band , welches sie mit dem deutschen Reiche verknüpfte , mehr als in den
wallonischen geachtet war, zählten alle angeseheneren Städte, mehr oder weniger,
sich zu der sich bildenden Verbindung der norddeutschen Kaufleute und Gemein-
den. Viele derselben wurden volle Mitglieder dieses Vereins; andere nahmen an
den auswärtigen Handelsniederlassungen desselben nur Antheil. Mehrere hatten in
Dd 2
212 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES H.\NDELS.
der Fehde gegen Waldemar IH. von Dänmark mit gefochlen, und gegen das Ende
dieses Zeitraums, wie es scheint, sich enger mit der Hanse verbriiderl i).
Allein diese nordöstlichen Thelle des Niederlandes standen, während dieses
Zeitraums , ^en wallonischen oder südwestlichen , in Bezug auf Wohlhabenheit,
4[ioch weit nach. Jenseits der Maas und der Scheide, wo wallonische Sprache
und fränkische Sitte mehr als deutsche herrschte, wo die deutsche Lchnshoheit zum
Theil bestritten oder gänzlich nicht mehr anerkannt, und der Reichsverband wenig
geachtet ward, hier, und zwar vornehmlich in Flandern und Brabant, war der
vorzüglichste Sitz des Handels und des Reichthums. Die Deutschen fanden hier
einen Markt, der an Mannigfaltigkeit der Waaren, an Fülle des Capitals, an
Schnelle des Umsatzes, alle andere von ihnen besuchte Länder bey weitem über-
traf. Hier fanden sie Städte und Länder, die von einem grossen Theil der euro-
päischen Völker besucht wurden, welche diese Gegenden als einen passenden
Zwischenmarkt ansahen, um ihre wechselseitigen Bedürfnisse daselbst gegen ein-
ander auszutauschen. Für [die unvollkommene Schifffahrt jener Zeiten nähmllch
war es meist eine zu schwere Aufgabe, in einem Sommer vom Südwesten
1) Aus dem Urkuuden - Buche erhellet, wie In den Urkunden nach und nach stets mehrere niederländi-
sche Städte als Genosseu der Verbindung erwähnt werden« In dem folgenden Zeiträume kommen
noch einige andere vor. Es verhält sich aber mit diesen niederläudischen Städten, welche, als in der
Hanse befindlich i uahmentlich aufgeführt werden > wie es sich mit den übrigen ^ in anderen Theilen
Deutschlands belegenen , verhielt ; es waren nähmlich nicht nur diese genannten , sondern auch mehrere
andere um sie her belegene Städte mit der Hanse verbunden; diese schlössen sich au jene grösseren
und bedeutenderen an, und wurden so mittelbare Glieder der Hanse. — So heisst es in mehreren Ur-
kunden der Zeit z.B. "Item, die Städte der Süder-See, als Campen und andere im Stifte Utrecht
belegen; auch die Städte von Seeland, als Zirickzee, Briel, Middelburg , Armuiden, und die Städte
von Holland, als Dortrecht, Amsterdam, Enkhuizen , 'Wieriugen und andere in den Grafschaften
Holland und Seeland belegen, so wie die Städte von Geldern, als IJarderwyk, Züiphen, Elburg,
Deventer» auch die Städte Stavern und Hindelopen, und alle und jede die in ihrem Hechte und
in ihrer Verbindung begriffen sind"; andere ähnliche Ausdrücke s. im ÜB.— Wenn
Schlichtenhorst in seinen Geldrischen geschiedenissen hlad 144. sagt, dass er, aus den ihm mitge-
theilten Nachrichten und Urkunden des Magistrats der Stadt Wageningen und Doesburg, wisse, dass
diese Städte, so wie auch Hattem in Geldern, in der Hanse gewesen seyen, so leidet diess gar keinen
Zweifel; es sind nicht nur diese, sondern auch noch viele andere Städte der Niederlande darin gewesen,
welche in den gewübnlichen Verzeichnissen gar nicht vorkommen. Es lässt sich zwar nicht sagen, wann
sie aHe bey getreten und ausgetreten sind; vtihrscheinlich ist es aber, dass sie am Ende des vierzehnten
und in den ersten Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts dem Buude vornehmlich sich bey gesellten , vor
dem Zwiste zwischen den holländischen oder südseeischen Städten und denen der Ostsee , etwa kurz vor
und kurz nach der glücklichen Fehde mit Waldemar HF. von Däiimark, wo der Buud die grösste Aus-
dehnung nach dieser Seite hin hatte. Von Herzogenbusch s. U. ß. S. 668-
SECHSTER ABSCHN. GESCH. D. HAND. D. NIEDERD. KAÜFL. u.s.w. 213
bis in den tiefen Nordosten, oder von hier dorthin zu fahren, und dennoch vor
dem Eintreten der Herbststurme und des Eises den Rückweg mit Glück zu machen.
Das Ueberwintern aber in fernen, fremden Ländern war mit vielen Schwierigkei-
ten verbunden, es ward nicht immer gestattet, und mochte auch die Gewinnste
in vielen Fällen,.. wenn man nicht besonders begünstigt war, verschlingen. Die
Niederlande hoben diese Hindernisse } denn die Freyheit eines wechselseitigen Ver-
kehrs, welche auch fremden Völkern unter einander ungestört daselbst verstattet
ward, lockte die von einander weit entlegenen auf diesen allgemeinen Markt-
platz, wo man so vieler Freyheiten genoss, so manchen Vorlheil fand.
Die Deutschen fuhren um diese Zeit nur selten nach Frankreich und Spanien,
nie, so viel man weiss, zu Handelszwecken durch die Meerenge von Gibraltar in das
Miltelmeer; dagegen kamen aber die Franzosen, Spanier und Italiäner auch so gut
als nie, und die Engländer, die Fläminger, und die Walen damahls selten, nach den
westlichen Küsten der Ostsee, am wenigsten in den tiefern Nordosten. Allein in
Flandern und in Brabant lernten sich alle diese Völker kennen, hier betrieben sie
wechselseitig ihre freyen Har^delsgeschäfte, sie tauschten ihre einheimischen, so wie
ihre durch anderweitigen Handel erworbenen und auf diesen Markt gebrachten Güter
gegen einander aus. Bey dieser Lage der Dinge war es ein, von den Hansen früh
gefühltes, Bedürfniss, in diesen so sehr besuchten Ländern sich Handcisfreyheiten
zu erwerben; um so mehr, da keine flandrische oder brabantische Stadt i) Mit-
glied des deutschen Städte -Vereins war, in welcher sie, als bey Freunden, auf
einen geschützten und begünstigten Aufenthalt hätten rechnen können. Nun aber
1) Es ist mir von keiner Stadt Flanderns und Brabants geiviss » dass sie in dem Bunde gewesen sey , als
allein von Sluys, welches nach dem Recess vom J. 1441 von demselben wieder ausgeschlossen wurde.
Es ist auch begreiflich, warum diese Stadt in den Bund aufgenommen war, weil nähmlich, über den
Hafen dieser Stadt, tZwin, der Hanse -Handel nach Brügge ging, Da nun Sluys oft in Fehde mit
Brügge war, welche letztere Stadt sich eine Oberherrschaft über die erstere zuweilen aumassen wollte»
indem von der Freyheit des Hafens t Zwin der Handel von Brügge abhing ; so mag Sluys, in einer dieser
Fehden, sich auch an die Hanse» zu ihrem eigenen Schutze, geschlossen haben. Es ist aber unbekannt,
wann diess geschehen ist. Von Depulirten dieser Stadt zu den Hansischen Tagsatzungen kommt nie etwas
vor. AVenn einige Abdrücke des Vertrages des Königes Hako von Norwegen mit den Hansestädten vom
J* 1376 unter den letztem die Stadt Breda aufführen» so muss dieser Name durch Breie, Briel berichtigt
werden» wie auch aus einer gleichzeitigen Ausfertigung jener Urkunde im hamburgischen Archive sich
deutlich ergiebt. Auf jeden Fall aber sind die grossen flandrischen und brabantischen Städte nicht in dem
Bunde gewesen. Sprache» Sitte und Handelszwecke waren sich entgegen, so wie streng verboten wari
keinem Flaminger » Brabanter u. s. w. AntheÜ au den erworbenen Freyheiten zuzugestehen , oder eine
Handels - oder SchifTfahrts - Gemeinschaft mit ihnen einzugehen.
214 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
wurden von Ttaliäncrn oder Lombarden Orientalische Gewürze und andere gesuchte
Waaren, Seide und seidene Zeuge, Sammt, goldene und silberne Stoffe und Ge-
fasse u. s. \v. , auf den Markt d^ese^ Länder geführt. Andere westliche Völker
brachten andere Erzeugnisse ihres Bodens und ihres Fleisses dahin ; die Eingebo-
renen aber dieser Landschafllen selbst lieferten andere , und die Deutschen fanden
bey diesen Allen einen steten Absatz für ihre nordischen Güter, und die gesuch-
testen Gegenstände des Eintausches vor.
Allein hier trafen die Deutschen auch eine ganz andere Handelswelt, als in
den von ihnen besuchten nordischen Reichen an; hier blühten bereits stolze, reiche
und grosse Städte, welche mit seltenen Freyheiten versehen, an Bildung, an Capi-
tal , an richtiger Einsicht in die wohlthätigen Folgen eines freyen Handels , nicht
nur den nordischen Reichen, sondern auch den Deutschen selbst sehr überlegen
waren. Hier fanden sie zwar den Neid nicht vor, der in allen nordischen Reichen,
so wie in England und in Deutschland selbst ganz allgemein verbreitet war, womit
man den Handel zwischen Gast und Gast betrachtete und beschränkte; allein sie fan-
den hier auch eine Mitwerbung, eine geschicktere und freyere Verwendung des Capitals
und der Arbeit, wie sie damahls in dem nördlichen Europa nirgends, auch nicht
bey den Deutschen selbst, gefunden ward. "Wie sehr sie nun auch diesen Markt
schätzen mochten, so mussten sie dennoch hier zur Verfolgung ihres Vortheib
ganz andere Mittel ergreifen, als sie gegen die Völker der nordöstlichen Reiche
anwendeten.
Brügge war in den gesammten Niederlanden die Hauptniederlage fär alle diese
verschiedenen europäischen Völker; diese Stadt, ihr gemeinschaAlicher grosser
Marktplatz. Brügge selbst, nicht am Meere belegen, hatte Verträge mit Sluys,
über dessen Hafen t Zwin die Waaren nach jener Stadt kamen. Die Kreuzzüge
hatten, so wie durch ganz Europa, so auch in Flandern, in einem ganz vorzüg-
lichen Grade die ersten grossen entfernteren Handels - Verbindungen geweckt. Als
Balduin von Flandern Herr von Constantinopel geworden war, gedieh der Verkehr
zwischen den Niederlanden, dem Oriente und Italien immer mehr und mehr.
Bereits im dreyzehnten Jahrhunderte fuhren die Fläminger fleissig nach diesen
Gegenden durch den Canal und die Strasse von Gibraltar. Venetianer, Genuesen
und Pisaner, besuchten mit ihren Waaren und Gütern die flandrischen und
niederländischen Küsten. Durch diese Verbindung lernte man hier die feineren
Kunstarbeiten in Wolle, Seide, Silber und Gold kennen, man ahmte sie nach,
SECHSTER ABSCHN. GESCH. D. HAND. D. NIEDERD. KAUFL. u. s. w. 215
und machte diie Verarbeilong dieser rohen Stoffe hier einheimisch. Von Englaml
aus erhielten die Fläminger, und nachmahls auch andere Niederländer, die eng-
lische Wolle, deren Verarbeitung in alle Arten ^on Gewebe das Hauptgewerbc der
Niederländer ward. In Brügge waren in diesem Zeiträume bereits acht und sech-
zig verschiedene Gilden. Alle Städte des Niederlandes wurden vielfach erweitert,
da sie unfähig waren, die zunehmende Volksmenge zu fassen. Bey den häufigsten
Auswanderungen schien doch keine Gegend so bevölkert. Von ihren Herzogen,
Grafen und Herren hatten sich die niederländischen Städte grosse Freyheiten er-
worben, und jene sahen bald ein, wie wichtig für ihre Zolleinkünfte das Auf-
blühen des Handels war. In keiner Gegend diesseits des Canals finden sich so
frühe, so viele und so ernstliche Massregeln der Grafen und Herren des Landes,
lediglich aus eigenem Antriebe freywillig ergriffen, gegen Strandrecht und gegen
Seeräuberey. So hatte Graf Balduin von Flandern bereits in dem Anfange des
dreyzehnten Jahrhunderts den Herrn von Ghistele mit dem Zolle von Brügge be-
lehnt, um dagegen die Seeküste von Calais bis Sluys von Seeräubern rein zu er-
halten. Die Wohlhabenheit dieser Länder setzte einst eine Königin von Frankreich
so in Erstaunen, dass, als sie zu Brügge das üppige Leben, die Kleidung und den
Staat der Frauen der dortigen Kaufleute sah, sie versicherte, dass alle Pracht der
Königinnen und Fürstinnen von Europa dadurch weit überti4llFen werde.
Kenntnisse des Handels waren hier verbreitet, wie die Deutschen sie noch
gar nicht kannten. Es ist nicht zu übersehen, dass schon im J. 1310 zu Brügge
eine vollkommene Versicherungs - Anstalt eingerichtet war, welche für den Handel
so wichtige Einrichtung von den Deutschen erst spät nachgeahmt worden ist. So
kannten die Fläminger und Brabanter bereits damahls, wo nicht die volle spä-<
tere Ausbildung, doch den Anfang des Wechselgeschäfts i).
1) Eiue zum Theil Yortreffliche Abhandlung über den Handel, den Knnstfleist und die 'Wohlhabenheit
der Niederlande im dreyzehnten und Yierzehiiteu Jahrhunderte i aus welcher gröstten Theils die obige
Darstellung, ao yiel ea cu uuserm Zwecke diente, geschöpft ist, findet sich in den: Memoires sur les
questions proposies par Vacademie Imperiale et Boyale des sciences et helles lettres de Bruxelles^ qui ont
remportS les prix en 1777* it> Bruxelles 1778« in 4* Die daselbst gekrönte Preisschrift hat folgenden Titel:
Historischef tyd en oordeelkundige aanteekening met algemeene aanmerkingen op de zehe^ dienende tot antwoord
op de praege : ** hoedaenig was den Staat pan de handtverhen • en van den koophandel in de Nederlanden , ten
tyde van de deriiende en veertiende eeuiv?" die den Prys hehaalt heeft van de Keyzerlyke en Könige
lyke Academie van Brüssel in het Jaar ÜTTJ door de Heer JV. P. Ferhoeven* Man vergU damit eine
andere gelehrte Abhandlung, die in mancher Hinsicht noch mit mehr Urtheil geschrieben ist» obschou
die daselbst gegebene Vorstellung von dem hansischen Verkehr in den Niederlanden zum Theil auf Irr-
thum beruht, ** Versuch einer Handelsgeschichte der Länder» welche an der Scheide liegen, besonders aber
216 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Wie der wachsende Reichthum eines Landes für alle die, welche mit ihm
in Verkehr treten, vorlheilhaft ist, wenn er frey hieibt, so war auch der Nieder-
lande Anwachs den Deutschen zuträglich ; sie fanden hier bey den Eingebore-
nen und bey den, diesen Markt besuchenden, Fremden einen grössern Absatz,
als sie bey einem armen Volke je erwarten konnten. In Brabant und Flandern
sah man die Ankunft und die Niederlassungen der Fremden gern ; allein ohne ih-
nen solche Vorrechte zuzugestehen, wie die Deutschen durch die Gewalt ihrer Waf-
fen, durch die bestochenen oder gewonnenen Herren des Nordens, sich in Dänmark,
Norwegen und Schweden verschafft hatten, welche die fast ausschliessende Herr-
schall des Verkehrs in ihre Hände gab.
ITebrigens ging es mit dem Verkehr der niederdeutschen Kaufleute und
Städte nach den Niederlanden wie aller Orten, wohin sie reichten. Zuerst waren
es Einzelne, die sich hier Freyheiten erwarben und eine Niederlassung begründe-
ten ; dann gesellten sich mehrere hinzu, und es wurden gemeinschaftlich Freyheiten
erworben.
Diese ersten Freyheiten, welche von den Kaufleuten einzelner deutscher Städte
Hamburg, Lübeck, Soest, Dortmund und anderer von den Herren dieser Gegenden
erlangt wurden, enji|allen kaum etwas Anderes als allgemeinen Schutz gegen Er-
legung eines Zolls, jBelieyung vom Strandrechte und die Befugniss ihr schiffbrü-
chiges Gut zu retten.
So nahm Graf Wilhelm von Holland in d. J. 1243 die Kaufleute der Städte
Lübeck und Hamburg, die durch sein Land ziehen, für ihre Person und Gfüter
in seinen Schutz unter der Bedingung, dass sie seinem Zöllner zu Gherulit eine
Mark von hundert Marken des ersten Einkaufspreises, den sie eidlich anzugeben
haben, entrichten, und von jedem Pack {sarcina unius iiri) flandrischer Tücher,
die sie durch sein Land zurück fuhren, zwey Schillinge seinem Zöllner erlegen.
Der Graf behält sich vor, diesen Schutz ihnen aufzukündigen, doch soll ihnen noch
ein Jahr nach der Aufkündigung die Freyheit zustehen, in das Land zu kommen,
daselbst zu verweilen, oder durch dasselbe zu ziehen. Derselbe hat als römischer
König im J. 1248 diese den Lübeckern zugestandenen Freyheiten auf die Dort-
munder ausgedehnt, einige Jahre nachher auf Bremen und Stade, und auf die Un-
terthanen der Markgrafen Johann und Otto von Brandenburg im J. 1252} Soest ist*
You Flauderu uud Brabaut,'' ia dem Haudbuche für Kaufleute für das Jahr 1785* 1786*
ZweyterTheil. S. 251 - 575* Leipz. bey Cruaiu». 1786.
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 217
um die Zeit wahrscheinlich vom Sirandrechte befreyt worden, wie denn Wilhelm
schon im J. 1245 den Lübeckern dasselbe zugesagt hatte i).
Der Bischof von Utrecht nahm im J. 1244 die Kaufleute von Lübeck und
Hamburg in seinen Schutz und sicherte ihnen die Erhaltung ihres Rechtes zu, das
sie also schon früher erworben hatten, nähmlich: dass, wenn sie von jenseits
des Meers in sein, des Bischofs, Land kommen, der gleiche Zoll, den Andere
entrichten, von jedem Schiflie mit den darin befindlichen Gütern von
ihnen abgegeben werden soll, und wenn sie vom Zwin {Ceno) nach Flandern,
oder wohin sie sonst wollen, mit ihren Schiffen und Gütern fahren, sie acht
utrechter Pfennige entrichten sollen. Von jedem Fass Asche oder Pech, das mit
dem Krahn über den Damm gebracht wird {ultra aggerem transfertur\ ist derselbe
Zoll, das Krahngeld eingeschlossen, zu entrichten; was jedoch von ihren Gütern
zwey Männer auf ihren Schultern oder mit ihren Händen oder mit einer Trag-
bahre {gerula) fortschaffen können, davon ist nichts abzugeben. Kehren sie
aber mit Schiff und Gut nach dem Rheine zurück, so sind die acht utrechtcr
Pfennige als Zoll zu entrichten, und von jedem Pack Tücher als Zoll und Lohn
der Hinüberschaffung über den Damm vier derselben Pfennige; kehren sie mit
dem Schiff mit "Wein beladen zurück , so sollen sie der gleichen Abgabe und dem
gleichen Lohn von jedem Fasse Weins bey dem HinüberschafFen über den Wall
oder Damm gleich den Utrechtern unterworfen seyn. Uebrigens steht ihnen mit
allen Aqdern das Recht der freyen Fahrt gegen Erlegung des Zolles zu, den Andere
innerhalb Müden und hinter Vecht {intus Müden secus Vechi) entrichten 2).
liorentius, Graf von Holland, hat die von seinem Vater und andern seiner
Vorfahren den Lübeckern im Allgemeinen ertheilten Freyheiten bey der Durchfuhr
in d. J. 1249, 1269 und 1270 bestätigt; woraus von Neuem erhellet, dass sie
schon vor Wilhelm ähnliche allgemeine Freyheiten und den Schutz in dem Lande
besessen haben 3), wie auch ähnliche Ausdrücke in einer von ihm den Hambur-
gern ertheilten Bestätigung der mit den Lübeckern gemeinschalUich besessenen
Vorrechte sich finden 4).
Am merkwürdigsten aber sind andere Urkunden und Freybriefe, welche
nicht auf eine oder die andere norddeutsche Stadt lauten, sondern die auf
1) ÜB. XYL UV. 1245. 1248. 1252^. 1252c. d. Dreyer yVi« /?«&/. 238 ff.
2) ÜB. XVII.
3) ÜB. XVIII. XXXni. XXXIV. -
4) S. Nachtrag zum J. 1266.
Ee
218 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
einen gemeinscbafÜIchen Verein dieser deutschen Städte oder Kaufleute hinweisen
und zu deren Besten und zwar eben für dasjenige Land galten, was für ihren
Verkehr am wichtigsten war, nähmlich liir Flandern. Diese Freybriefe und Ur-
kunden sind V. d. J. 1252«
In der einen versprach die Gräfin Margarethe von Flandern und Hennegau
und ihr Sohn Graf Guido, auf Bitte aller Kaufleute des römischen Reichs,
welche Gothland besuchen, und auf Antrag der Abgeordneten Hermann
Hoyers von Lübeck und Jordans von Hamburg denselben, dass keiner dieser Kauf-
leute in Flandern zum gerichtlichen Zweykampfe gefordert werden, keiner die Güter
eines Andern solle verwirken können, dass der Verbrecher allein nach dem Landrechle
durch des Landes Gerichte zur Genugthuung und Strafe angehalten werden solle j
dass kein Kaufmann für eines Andern vor den Schöffen in Flandern eingegangene
oder vor ihnen anerkannte Schuld festgenommen werden, sondern allein der würk-
liche Schuldner oder dessen Bürge dafür haften solle. Hätten Diese vor Abtra-
gung der Schuld sich entfernt, um nicht zurückzukehren und würde nicht das
Erforderliche zu deren Tilgung gesandt, also dass die Gläubiger die Schuldner und
Bürgen in ihren Wohnorten zu verfolgen hätten, so sollen die Schöffen und
Geschworenen des Orts den Gläubigern behülflich seyn zu Erwerbung der Güter
des Schuldners, der Bürgen oder deren Erben, wenn so viele zur Befriedi-
gung hinreichende Güter derselben daselbst vorhanden sind; sollten aber diese
nicht zureichend seyn , so soll gegen sie , nach den Gesetzen und Gewohnheiten
dieser Orte verfahren werden. Kein Gesetz und Dienstzwang {chora et hannus\
dem Rechte zuwider, soll zu ihrem Nachtheil erlassen werden; im Fall eines dar-
über entstandenen Streites entscheidet das Urtheil der Schöffen. Wegen der Be-
schuldigung eines jeden Streites oder Zwistes vor Gericht kann der Kaufmann
des Vergehens oder Verbrechens wegen nicht anders überfuhrt werden, als ledig-
lich durch das Zeugniss {yeritas) der Schöffen, oder den von den Schöffen aner-
kannten Beweis, worauf der Ueberfuhrte nach dem Schöffen -und Landes -Recht
büssen soll. Der Beklagte, wenn er hinlängliche Bürgen stellt, oder so viel Ver-
mögen, nach Aussage zweyer unverdächtigen Nachbaren, daselbst besitzt als die
Busse beträgt, kann nicht in Banden gelegt werden, es wäre denn, dass er eines
Verbrechens, das an den Hals oder ein Glied ginge {de capite vel de membro) be-
" schuldigt wäre. Auch sollen die Rechtsverhandlungen, die den Kaufmann angehen^
innerhalb drey oder doch binnen acht Tagen entschieden werden , es wäre denn,
dass die Schöffen eidlich bekräftigten, dass die Sache binnen dieser Frist nicht
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL, U. FRANKR. 219
hätte entschieden werden können, in welchem Falle sie denn so schnell als mög-
lich es thun sollen. Kann aber der Kaufmann das Ende der Verhandlungen
nicht abwarten; so kann dessen Bürge oder jeder Andere für ihn antworten i).
Keiner dieser Kaufleutc soll beym Schiffbruch an den flandrischen Küsten
die geretteten Güter einbüssen, und weder sie noch ihre befrachteten Schiffe
sollen gewaltsam angehalten werden dürfen, wenn nicht schon zuvor gerichtlich
über sie entschieden ist, oder ein neues Ereigniss sich zugetragen hat, oder eine
Ursache zum Grunde liegt, wesshalb sie nach den Gewohnheiten des Landes fest-
gehalten werden dürften. Wäre aber ein Kaufmann Schulden wegön belangt,
und noch nicht überführt, so kann er sich durch seinen Eid vor Gericht von der
Schuld befreyen; will er den Eid nicht leisten, so muss er zahlen und büssen
nach des Orls Gewohnheiten. Würde Jemand durch Zufall vermittelst des Schiffs-
Geschützes verletzt oder getödtet, oder fiele er aus dem Schiffe, so kann ihm
Jeder ohne eines Vergehens sich schuldig zu machen, beystehcn, und weder
Schiff noch Gut der Kanfleute noch Einer derselben darf bey dieser Gelegenheit
verhaftet oder verhindert werden. In allen hier nicht erwähnten Puncten gelten
des Landes Gewohnheiten und Gesetze s).
Diese Freyheiten, wie schätzenswerth sie seyn mochten, waren doch nicht
denen zu vergleichen, welche die deutschen Kaufleute in andern, nahmentlich in
mehreren der nordischen Reiche allmählich sich verschafften; es mochten diesel-
ben wenig mehr enthalten, als was die Grafen allen andern Handelsvölkern, die
Brügge besuchten, zugestanden hatten ; auch sind in der folgenden Zeit diese zwar
erneuert und in einzelnen Theilen genauer bestimmt, auch theilweise erweitert
worden: aber mit den auf eine ausschliessende Handclsherrschaft hingehenden in
andern Ländern sind sie nicht zu vergleichen, und sind diese angeflihrten stets
die Grundlage geblieben. Auch haben die Städte völlig gleichlautende zu Gunsten
der Fläminger bey sich der Gräfin für ihre Unterthauen ausstellen müssen; wir
1) Diese Stelle yoa " Kein bis anUvortea*' steht nicht in der bey Drey er abgedruckten Urkunde 8.233-234;
ich habe sie aus der von der Stadt Breineu der Grafin tou Plaudern ausgestellten Gegeuurkunde Tom
J* 1255. entlehnt, die mutath mutandis dasselbe den Flämingern wörtlich zusagt, was die Gräfin den
Städten zugesagt hattet Drey er bemerkt, dass die Urkunde tou der Gräfin« die er abdrucken lassen,
an der Stelle durch die Zeit so verdorben sey, dass er sie nicht habe lesen können. Es ist keinem Zwei-
fel unterworfen, dass sie mit aller Sicherheit aus der bremischen Urkunde ergänzt werden könne, die
übrigens hinwieder ganz gleichlautend mit der ist, welche das Jahr zuvor die Stadt Münster für die
Flämiuger ausgefertigt h^tte«
2} Der Schluss von ^* 'Würde Jemand^' an ist gleichfalls ans derselben Quelle wie in der vorhergehenden
Anmerkung bemerkt worden, nachgetragen, da er bey Drey er fehlt. ÜB. XXIIL und Nachtrag zu der-
selben. UV. 1252. 1«
Ee 2
220 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
haben noch zwey Urkunden der Art von der Stadt Münster im J. 1254 und von
Bremen im J. 1255 und wahrscheinlich sind sie gleichmässig von andern ausge-
stellt worden i).
Wichtiger, bedeutender und vortheilhafter mag die Rolle gewesen seyn,
welche die Gräfin und ihr Sohn an demselben Tage und in demselben Jahre
denselben Kaufleuten mit Einwilligung Hermanns genannt Hoyers, und Jordans,
Abgesandten der Kaufleute des römischen Reichs, die mit Vollmachten durch offene
Briefe einiger Städte dieses Reichs versehen waren, und die gemeinschaftlich ein-
stimmten, wegen der zu Damm von ihnen zu erlegenden Zölle ertheillen3
allein diese Begünstigung lautete, nicht allein auf sie, sie galt auch für andere
Fremde. Um mit Gewissheit urtheilen zu können, in wie fern darin eine Begün-
stigung für sie gegen das, was früher von ihnen zu entrichten war, lag, müsste
man, was nicht der Fall ist, die Zollabgaben genau kennen, welche zuvor von
ihnen hier entrichtet wurden. Es ist zwar höchst wahrscheinlich , dass sie durch
diese Zollrolle begünstigt werden sollten, dass sie weniger als zuvor zu entrichten
hatten , da offenbar die Festsetzung des Zolls mit ihrer Zustimmung und mit
Berathung zwischen beiden Theilen vorgenommen war. An sich ist die Urkunde
sehr wichtig wegen der grossen Menge der Waaren, welche darin vorkommen,
die grösser ist, als die in irgend einer andern Urkunde und in irgend einem andern
Lande dieser Zeit sich findet, welches den grossen Umfang des Verkehrs aaf
diesem freyen , europäischen Markte beweiset: aber sie ist so eingerichtet, dass
man doch mit Gewissheit nicht einmahl daraus angeben kann, welche Waaren
denn eigentlich von den Deutschen Städten hierher, von da aus oder durch Flandern
geführt worden sind, wiewohl man bey vielen mit grosser Wahrscheinlichkeit es
vermuthen mag. Es ist jedoch um so schwieriger , da , obwohl die Zollrolle vor-
zugsweise für die Kaufleute des römischen Reichs gegeben worden seyn mag^
dennoch es auch bestimmt darin heisst, dass dieselbe auch für einige Fremde
gelte , wie denn auch nahmentlich darin der Zoll von Pferden und Ochsen,
welche Friesen und Dänen einführen, festgesetzt wird; auch griechisches Grün,
spanisches Eisen und spanische Pflaumen werden darin im Zoll angeschlagen , und
wenn man sagen wollte, dass diese letzten Gegenstände auch von Deutschen aus
Spanien eingeführt worden seyn könnten, so ist nicht weniger gewiss, dass von
diesen und andern fremden Völkern damahls das Land doch eben so gut als
1) ÜB. XXIII.
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 22 1
von den Deutschen besucht ward; wenn endlich bey einigen Gütern deutsche
Benennungen vorkommen, so ist bey andern wie z, B. bey Sporta, für Korb, der
italiänische oder spanische Ursprung nicht zu verkennen. Ueherall ist aus dieser
Urkunde in Bezug auf den Umfang des Verkehrs der deutschen Städte um so
weniger mit Sicherheit s^u schliessen, da Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr darin
durcheinander geworfen sind, wie es bey dem verstatteten frey'en Handel im Lande
zwischen den verschiedenen Völkern, mehr denn in irgend einem andern Theilc
der damahligen Handelswelt, nicht wohl anders seyn konnte; dieselbe Sache wird
daselbst eingeführt, aus und durchgefiihrt, eben weil dem Gaste mit dem Gaste,
was in allen andern Ländern so erschwert war, der Handel frey stand i).
Nähere Aufschlüsse ertheilt eine dritte Urkunde von demselben Jahre und in
demselben Monathe ausgefertigt von den Rittern Johann von Ghistella, Herrn von
Formazele und W^ulfard, Herrn von Wastin, worin sie allen Kaufleuten des rö-
mischen Reichs und den Bürgern Lübecks, auf Ersuchen der oben genannten
Hermanns genannt Hoyer und Jordans, der besondern Bothen der gesammten
Kaufleute dieses Reichs, die Gnade erweisen, dass bey allen von ihnen
daselbst verkauften Gütern vor dem den Rittern zu Brügge zustehenden Zolle, die
bisher zu entrichtenden sechs Pfennige von der Mark, dahin ermässigt wurden,
dass der Käufer nur drey Pfennige von der Mark entrichten sollte. Die vier
Pfennige von einem Dpitzend Halbstiefeln werden auf drey, von einem kleinen
Korb Feigen und Rosinen von zwey auf einen Pfennig herabgesetzt und von allem
was sie an Speise, Getränk, Lebensmitteln, Kleidungsstücken und andern Bedürf-
nissen kaufen, werden sie von allen Abgaben frey gesprochen, mit Ausnahme von
vier Pfennigen vom Fasse Wein. Wer heimlich den Zoll umgehet, der soll ein
Jahr hindurch den ganzen Zoll d. i. sechs Pfennige von der Mark entrichten 2).
Aber zehn Jahre nachher scheint man bereits anders sich verglichen zu ha-
ben, der alte Zoll scheint wieder in Kraft getreten, vielleicht später wieder geändert
oder gemindert worden zu seyn. Aus einer Urkunde von dem J. 1262» worin die
Zölle oder Abgaben angeftihrt werden, welche von des römischen Reichs Kauf-
leuten den Rittern Johann von Ghistella und Wulfhard von Weslin zu Bragge
1) S. diese Urkunde erläutert im ÜB. XX. Die Erklärungen ««ancher dunklen "Worte sind dort, wohin die
Sache gehört, Tersncht i;rorden, sie können in Bezug auf Sprach- und Waarenkunde nicht als unnfitz
angesehen werden, wiewohl der eigentliche Umfang des Handels der deutschen Städte > deren Ein- und
Ausfuhr aus Flandern, sich daraus keineswegs mit Sicherheit ergibt.
2) ÜB. XXL
222 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
III entrlchlen waren, geht diess deutlich hervor, zugleich aher auch, dass sie Ihren
Vorfahren vor Alters dieselhen entrichtet hätten und ferner zu entrichten einwil-
ligen. Diese Urkunde Ist von der Gräfin Margaretha und ihrem Sohne bestätigt
worden, und sie bezieht sich nicht nur auf die in Brügge zu erlegenden Abgaben,
sondern auch auf die, welche auf dem Markte zu Thorout abzugeben sind,
ferner auf die Gebühren für die Mäkler, obwohl die Abfassung wie bey den frü-
hern Zollrolleu von d^ Art ist, dass sich gleichfalls daraus mit Sicherheit über
die Ein -und Ausfuhr der Güter T^Ichts abnehmen lässt i).
Ist nun dieses Zurückkehren zu dem alten höheren Zolle die Ursache gewe-
sen, welches jedoch kaum wahrscheinlich Ist, da es ausdrücklich helsst, die
deutschen Kaufleute hätten darin gewilligt, oder was sonst für eine Ursache ein-
getreten seyn mag, es entstanden kurz darauf Klagen von Seiten der deutschen
Städte, dass sie unerträglicher Weise in der Stadt Brügge gedrückt würden, und
diese waren so bedeutend, dass sie endlich ihren Stapel von Brügge nach Arden-
burg verlegten, wie wir denn mehrere Urkunden einzelner Städte z. B. von d. J.
1280 ^on Stendal, und von den Gothen und Deutschen auf WIsby, vom J. 1281
aber von Halle haben, welche dieser Massregel bey treten, sich jedoch das Besu-
chen anderer Orte und Häfen frey vorbehalten 2). Man sieht zugleich, dass die
Unzufriedenheit gegen die Stadtobrigkeit von Brügge, oder die mit den Abgaben
daselbst belehnten Ritter ging, da der Graf von Flandern ihnen in Ardenburg
die gleichen Freyheiten verstattete.
Von dem Zwiste der Deutschen mit Brügge suchten andere Städte und
Herren in den Niederlanden Vorthelle zu ziehen und den Stapel der Deutschen in
ihre Gegenden zu bringen, wie denn grosse Vortheile im Gewerbe und Verdienst
mit ihrer Ansiedelung oder Niederlage verbunden waren. Wenigstens bietet die
Stadt Dortrecht schon im J. 1266 den Hamburgern alle Freyheiten in ihrer. Stadt
an, wenn sie dieselben besuchen wollen; die Stadt Zyrikse gewährt ihnen und
allen, die von der Elbe her zu ihr schiffen, frey es Gelelt und jede Begünstigung;
Albert, Herr von Voorne und Castellan von Seeland vevlieh denselben Bürgern und
allen ,• welche von der Elbe her zu seinem Gebiete kamen, seinen Schutz, und
überlless ihnen die Schlichtung der zwischen ihnen sich ereignenden Händel, mit Aus-'
nähme der auf seinem Lande vorgefallenen an Hals und Hand gehenden Verbrechen
1) ÜB. XX\ III. XXIX,
2) ÜV. 1280. 6* Uß. XLIL XUIL
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 223
/
I
und verzichtet sogar auf die Entscheidung der zwischen den Hamburgern und
Flämingern sich ereignenden Streitigkeiten i). Der Graf Florentius von Holland
gestand den Hamburgern in seiner Stadt Dortrecht und in seinem Lande im J.
1266 und 1277 zu diesem Zweck die erforderlichen Freyheiten zu ; ähnliche
Freyheiten erhielt später unter derselben Voraussetzung auch Groningen 2). Der
Ritter ^uoch erbot sich gegen die Lübecker (1278) in seiner Stadt Grave,
wenn sie durch dieselbe hin ihren Verkehr mit Brabant fuhren wollten, zu Schutz
^d Förderung. Auch haben andere deutsch - niederländische Städte, als Deven-
ter, Zwoll, Campen und Wilsen, von dem Grafen Florentius von Holland in
den J. 1276 wnd 1278 sieh mehrere Freyheiten in der Stadt Dortrecht erworben,
um dahin ihren bisher in Brügge betriebenen Verkehr zu verlegen 3). Aber Arden-
burg, so nahe bey Brügge und Zwin belegen, erhielt vor allen andern wohl den
Vorzug, doch scheint es nicht, dass die deutschen Kaufleute lange daselbst ihren
Stapel gehalten haben.
Schon vom J. 1282 haben wir eine neue Ordnung wegen der Wage zu
Brügge von dem Grafen Guido von Flandern, dem Herrn Johann von Ghistelle
und der Stadt- Obrigkeit daselbst, wodurch die Beschwerden, die auch später
von Zeit zu Zeit wiedergekehrt sind, in Bezug auf die Vervortheilung beym
Wiegen für die Deutschen abgestellt wurden. Demnach scheinen sie bald zurück-
gekehrt zu seyn, beide Theile konnten sich einander, des eigenen Vortheils wegen,
nicht lange entbehren; wahrscheinlich sind die Uebervorthcilungen beym Wie-
gen der Waaren, wonach sich der Zoll richtete, die Hauptursache der Verlegung
ihres Stapels gewesen. Nun ward ihnen zugestanden, dass der Zöllner zu Brügge
nicht mehr mit dem Punder (der grossen Schnellwage) sondern allein mit zwey
Wagschaalen wiegen soll; dass jeder Bürger der Stadt Wagen dieser Art und
Gewichte bis zu sechszig Pfunden haben dürfe; dass Niemand verbunden sey ver-
kaufte Güter an demselben Tage abzugeben (vielleicht wegen Uebereilung beym
Wiegen). Doch über sechszig Pfunde können nicht von diesen besondern Wagen
gewogen und danach abgegeben werden, bey Strafe von sechzig Schillingen und
dem Verluste des Gewichts oder der Wage; die Busse soll zur Hälfte dem Lan-
1) S. Nachträge zum J. 1266«
2) Nachtrag zum J. 129e«
3) Uß. XXX. XXXIX. UV. 1276. 2. 1277- 5. 1278. 1.
224 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
.deslicrrn, ein Viertel der Stadt Brügge und das andere dem Zöllner zufallen.
Dagegen ist der Zöllner von Brügge schuldig auf der Jobannis -- Brücke und auf
dem Markte zu Brügge hinlängliche Wagschaalen und Gewichte nebst einem
beeidigten Wieger in jedem Orte zu halten, und ausserdem vier andere beeidigte
Wieger, die in der Stadt umhergehen und, wo es nöthig ist, wiegen sollen, die
mit dem zu gehen haben , der sie dazu zuerst auffordert. Der Zöllner ist ver-
pflichtet, Wagschaalen und Gewichte in hinlänglicher Menge zu halten, um Jeden,
wo es Noth ist, zu befriedigen, er ist verbunden seine Hände von den Schaa^
wegzuhalten. Auch steht es den Käufern und Verkäufern frey, bescbeiden ihre
Einwendungen zu machen, wenn sie dafür halten, dass nicht recht gewogen sey.
Der Zöllner erhält nach altem Herkommen das Wägegeld wie er es von dem
Ponder erhielt, ohne weitere Geschenke. Jeder Verkäufer ist verbunden, das Gut
iil die Wagschaalen zu liefern , der Käufer es herauszunehmen ; wo aber die
herumgehenden Wieger zu wiegen haben, ausser jenen zwey Stätden, da ist der
Zöllner schuldig ihnen das Gewicht zu schaffen , dessen sie bedürfen. Sollten
Verbesserungen in diesen Sachen in der Folge nöthig werden, so ist dem Herrn
des Zolls davon Anzeige zu machen, der verbunden ist die Verbesseiomgen vor-
zunehmen, unterlässt er es aber, so wird der Landesherr durch die Schöffen der
Stadt es besorgen. Alle Kaufleute von Osten haben zum Bessten aller
Kaufleute ihre Zustimmung gegeben 1).
Etwas später in demselben Jahre ward eine Ordnung über die Wage zu
Brügge von dem Grafen von Flandern in Uebereinstimmung mit dem Herrn von
Ghistella, den Schöffen von Brügge, mit den Abgeordneten der Kaufleute des
römischen Reichs, Johann von Doway und Lantbert Witte , und durch Nicolaus
genannt Garcie de Burs und Peter von Antomaen von Montpellier* von Seiten
der spanischen und ihnen angehörigen Kaufleute , dem Lantbert Zöllner und Nico-
laus Waller, Bürgern von Brügge, in Auftrag der flandrischen Kaufleute beliebt und
bekannt gemacht, dass den Klagen der Kaufleute, dass die Wieger gegen den Inhalt
der erhaltenen Freybriefe ihnen unrecht wögen, soll also abgeholfen werden: man
soll gleich wiegen, mit Abschaffung der Vermehrung mittelst des sogenannten co/i-
irepoids\ die Wagschaalen sollen einen Fuss von der Erde hängen, die Wieger
nach dem gemeinhin sogenannten dofgewichte wiegen, und die Hände von den
Wagschaalen zurückziehen. Hat der Wieger das Gewicht in die Wagschaale
i) ÜB. xxxxv.
SECHSTER ABSCHN. IL\ND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL, U. FRANKR. 225
gesetzt, so soll er den Wagbalken gegen das Zünglein drücken und mit demselben^
berühren {debet ipse percutere et iangere trabem contra iinguam), bevor er urtheilt
und wenn er sein ürtheil gefallt hat, so soll er es dem Käufer, wie dem Verkäufer
frey stellen, das Gewicht zu berechnen, bevor es abgenommen wird; haben diese
Nichts einzuwenden, so steht es dem Wieger frey das Gewicht aus den Schaalen
zu nehmen; auch sollen sie wenn die zu wiegenden Güter getheilt werden können,
davon eine Hälfle auf der einen, die andere auf der andern Schaale wiegen^
nicht aber dabey eines Gewichts von Bley oder eines solchen, das sein gesetzlichem
Zeichen nicht hat, sich bedienen; die Stricke der Schaalen sollen gleich lang seyn,
und die Zunge soll in dem Häuschen stehen , wohin sie gehört {et debet fieri
lingua usque ad nodum domuscule swe loci in quo stat dicia lingua); der Wage*^
balken (irabs) soll in solcher Höhe hangen, dass ein Mann von mittlerer Grösse
die Zunge der Wage mit dem Daumen berühren könnte; endlich soll der Wieger
auf seine Kosten das Gewicht ein- und absetzen l)»
Wenn nun die deutschen Kaufleute nach diesen Begünstigungen wieder nach
Brügge zurückgekehrt sind, so sind sie doch in dem ersten Jahrzehend des folgen-
den Jahrhunderts wieder von da nach Ardenburg mit ihrem Stapel gezogen. Diess
ist in oder vor dem J. J309 geschehen, wie es urkundlich zu belegen ist, ohne
dass wir eigentlich die Ursache wissen, die aber immer nach der Städte Angaben
ia der Kränkung ihrer erworbenen Rechte und Freyheiten durch die Bürger, Ein-
wohner oder Obrigkeiten der Stadt Brügge lag, da sie weniger von den Landes-
herren bedrängt worden zu seyn scheinen, die ihnen auch bereitwillig ihre erworbe-
nen Freyheiten bestätigten oder erweiterten. In dem J. 1298 ^^^ ^^^ Graf Guido
von Flandern den Lübeckern einen Freybrief ausgefertigt, worin jedoch ihnen nichts
besonders zugestanden ward, was nicht in den bereits erhaltenen oder gleich fol-
genden Freybriefen bewilligt worden war, wie man sich einzeln denn noch be-
sonders ausfertigen Hess, was den Deutschen überhaupt zugestanden worden war.
Er nahm sie und ihre Güter in seinem Lande in seinen Schutz, dass sie nicht
für die Schuld anderer Deutschen, sondern nur für ihre eigenen oder wofür sie
Bürgen sind, haften sollen, und dass, wenn sie nicht ein Verbrechen begehen, das an
Hand und Hals geht, im Fall sie Bürgen stellen oder sonst Caution leisten, sie nicht
ins Gefängniss gesetzt werden sollen. Bey dem Vergehen eines ihrer Diener oder
Factom, sollen die Güter der Herren nicht in Beschlag genommen werden, wenn
i) ÜB. XXXXVIL _
226 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
9s nachgewiesen wird, dass sie ihnen gehören. In Fehden zwischen dem König
Ton Almannien, oder den Herren von Lübeck und dem Grafen, sollen die Güler
der Lübecker unverhaftet bleiben ; ebenfalls wenn zwischen dem Könige oder einem
Fürsten und Herrn Deutschlands und zwischen der Stadt Lübeck ein Streit ent-
stände: sollten sie in diesen Fällen aus dem Lande gewiesen werden, so steht
ihnen auf ein Jahr (diess ist die bedeutendste Freyheit, ein kürzerer Zeitraum
kommt in den andern Freybriefen vor) von der Zeit an der Abzug frey. Er ver-
stattet Ihnen die gleichen Freyheiten, die er oder seine Vorfahren den Hamburgern
im Swen oder sonst im Lande bewilligt haben. Alles diess jedoch unter Vor-
aussetzung der herkömmlichen Abgaben, unter welcherley Nahmen sie üblich sind !)•
Bald darauf hat Graf Robert von Flandern im J. 1307 für sich und seine
Nachkommen, aus freyem Willen, zum Besten Flanderns und nach Weise seiner
Vorfahren, alle Kaufleute des römischen Reichs mit Ihren Begleitern (familia cte-
cenii) in seinen Landen in Schutz genommen, woher sie auch Immer zu Wasser
und zu Land dahin kommen mögen; er verstattet ihnen das Recht, daselbst, so
lange sie wollen, sich aufzuhalten, unter sich und mit jedem Andern frey ihre Handels-
geschäfte zu betreiben, zu kaufen und zu verkaufen, vermittelst Silbers oder Münze,
oder durch Tausch, wie es ihnen zusagt^ jedoch wird der Geldwechsel und jedes
zinsliche Gelddarlehn (conuentio usuraria) ihnen verboten; es steht Ihnen die
freye Ausfuhr aller Güter wohin sie wollen zu, gegen Erlegung des herkömm-
lichen Zolls; auch verspricht ihnen der' Graf keine neuen Zölle und Abgaben auf-
zulegen, oder zu verstatten, dass sie aufgelegt würden, ohne Ihre Einwilligung.
Im Fall des Ausbruchs eines Kriegs zwischen Ihm und dem römischen Kaiser
oder einem Fürsten des Reichs, soll der Schutz noch vierzig Tage fortdauern und
Ihnen zuvor eine öffentliche Warnung mitgetheilt werden, bevor etwas gegen ihre
Personen oder Güter unternommen werde, so wie er ihnen beym Abzug aus
dem Lande wohin sie wollen, es sey zu Wasser oder Land, Schutz verleiht; soll-
ten sie aber durch Mangel an Schiffen, Unwetter oder andere gültige Ursachen
an dem Abzüge verhindert seyn, so sollen sie einer neuen Frist unter gleichem
Schutz sich zu erfreuen haben.
Es wird ihnen verstattet in dem Hafen oder Orte der Besitzungen des Gra-
fen, den sie wählen, um daselbst sich aufzuhalten , frey einen Verein zu bilden und
1) ÜV. 1298. 3.
SECHSTER ABSCHN. HAND, D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 227
öffentliche Zusammenkunft daselbst zu halten in einem Hause, Hofe oder einer
Strasse um die Zwiste und Vergehen, die unter ihnen vorgefallen sind, auszu-
gleichen, ihre getroffenen Einrichtungen aufrecht zu halten, und die Uehertreter
zu strafen, ohne dass des Grafen Amtleute sie daran hindern dürfen, mit Aus-
nahme jedoch der Vergehen, welche Strafen nach sich ziehen, die das
Leben , die Ablösung eines Glieds oder schwere körperliche Verletzung zur Folge
haben; sollte aber einer von ihnen der gemeinsam unter einander beliebten Ord-
nung mit Hochmuth sich widersetzen und nicht unterwerfen wollen, so soll ein
Solcher durch des Grafen Beamten oder andere seiner Diener zur Genugthuung
angehalten werden. Es werden dann die früher (1252) von der Gräfin Margaretha
gegebenen Zusicherungen erneuert, dass keiner zum gerichtlichen Zweykampfe
gezwungen, keiner des Andern Gut erwerben, keiner für des Andern Schuld haften
solle, sondern allein der wirkliche Schuldner oder dessen Bürge; dass keiner we-
gen einer Klage, die nicht an Hals oder Hand geht, bey Stellung von hinläng-
lichen Bürgen oder wenn er eigenes genügendes Vermögen an dem Orte besitzt,
in das Geiangniss oder in Ketten gelegt werden solle, wäre er aber eines so
schweren Verbrechens angeklagt und würde er durch das Schöffengericht verurtheilt,
so sollen seine Güter weder theilwcise noch ganz verfallen seyn, es wäre denn,
dass des Orts Gewohnheiten, wo das Verbrechen begangen worden, Anderes im
Allgemeinen festgesetzt hätten. Flüchtet ein solcher Vei^brecher, so soll es mit
seinen Gütern nach des Orts Gewohnheiten und Recht gehalten werden.
Dann folgt, wie auch von der Gräfin Margaretha versprochen war, dass die
Rechtsstreite möglicher Weise binnen drey oder acht Tagen beendigt werden
sollen, mit den andern dort nur in etwas veränderter Ordnung vorkommenden
Artikeln über den Schiffbruch, die Beschlagnahme der Schiffe, die unverschuldete
Verletzung durch Schiffs -Geschütz, die Befreyung durch Eid von der Schuld. Der
Graf verspricht zugleich, dass wenn seine Richter und Schöffen dagegen fehlen
sollten, er darum gehörig angegangen, seine hülfreiche Hand den Kaufleuten
reichen wolle; in allem hier nicht Erwähnten gelten des Landes Rechte und
Gewohnheiten. Die Ausfertigung ist auf die Bitte des Johanns de nova curia
von Dortmund und Arnolds Walmod von Lübeck geschehen i).
In dieser Urkunde wird der Stadt Bjrügge nicht gedacht, sie bezieht sich
auf Flandern überhaupt und ist wahrscheinlich erbeten und erhalten worden, als
1) CXVIlc.
Ff 2
228 ZWEYTE ABTHEIL GESCH. DES HANDELS.
man damit umgmg, den Stapel von Brügge, wegen mancher Bedrückungen von
der Obrigkeit daselbst, anderswohin zu verlegen, denn auch der Stadt Ardenburg,
wohin die deutschen Kaufleute ihre Niederlage abermahls verlegten, wird nicht
erwähnt. Lange Zeit hat aber die Abwesenheit nicht gedauert; es ist aus den
folgenden Urkunden einleuchtend, dass sowohl die Stadt Brügge die Rückkehr
der Kaufleute des römischen Reichs wünschte und bereit war ihnen neue Frey-
faeiten zu verstatten, oder die Beschwerden, die sie zu dem Entschluss gebracht
halten, hinwegzuräumen, als auch dass von der andern Seite manche unter den deut-
schen Kaufleuten, besonders wie es scheint die der sächsischen Städte, keineswegs
ihren Yortheil bey dieser Verlegung fanden, da die übrigen Vereine fremder
Kaufleute in Brügge geblieben waren und der lebhafte Verkehr mit ihnen von
Ardenburg aus nicht Statt finden konnte. Die ostländischen Städte, worunter
hier die östlicher belegenen besonders die Seestädte wohl zu verstehen sind,
waren zwar weniger fügsam, und schienen durch ihre fortdauernde Entfernung
die Stadt Brügge mehr zum Nachgeben zwingen oder grössere neue Freyheiten
ertrotzen zu wollen, aber die Stadt gab was man wünschen konnte. Die sächsi*
sehen Städte erhielten schriftlich von ihr die Zusicherung, sie waren zurück-
gekehrt, und übernahmen die Vermittelung auch bey den ostländischen Städten,
denen sie die erhaltenen schriftlichen Zusagen mittheilten; auch wurde die volle
Bestätigung von der Landesherrschaft erworben, und die Sachsen hatten sicJi
vorbehalten, frey wieder von Brügge abziehen zu können, wenn die Einwilligung
der östlichen deutschen Städte nicht erfolge, um ein einseitiges Verfahren von ihrer
Seite zu meiden; jedoch die östlichen Städte kehrten auch wieder nach Brügge
zurück. Alle konnten des grossen europäischen Markts nicht lange entbehren, da
die Stadt Brügge alles Wünschenswerthe zugestand, aus welchen Bewilligungen
zugleich abzunehmen ist, welche eigentlich die Klagen waren, die sie abermahls
zu dem Schritt gebracht hatten nach Ardenburg zu ziehen. Diess Alles erhellet
aus einer Reibe von Urkunden , die sämmtlich in das Jahr 1309 fallen.
Die von der Stadt Brügge den deutschen Kaufleulen zugestandenen Freyhei-
ten, um sie sämmtlich wieder zu bewegen ihren Stapel daselbst zu halten, lau-
ten im Wesentlichen also:
Die Stadt Brügge verstattel allen Kaufleuten des römischen Reichs , aus was
Landen und Städten sie seyn mögen, die nach Brügge kommen, um daselbst
ihren Stapel zu halten mit Wolle, Wachs, Kupfer und Korn und allen andern
Gütern , woher sie dieselben auch zu Wasser oder Lande bringen mögen , so
SECHSTER ABSCHN, HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 229
lange der Stapel von ihnen daselbst gehalten wird» fiir ihre und ihrer Diener
Person die Freyheit nach ihrem Gutdünken daselbst zu verweilen oder von da
wegzuziehen und mit ihren Gütern, woher sie dieselben auch nach Brügge und in
die Freyheit der Stadt geführt haben mögen völlig freyen Kauf und Verkauf, mit
wem sie wollen, zu betreiben, oder sie zu "Wasser oder Land wieder auszu--
führen; auch können sie andere kleine Dinge von geringer Bedeutung wie z. B.
Pferde kaufen und wieder verkaufen. Würde Einer von ihnen verklagt (benies
maerd) wegen einiger gekaufter oder verkaufter Güter, so sollen ihn die Schöffen
vor sich laden und ihm anzeigen, dass und wessen er beschuldigt worden
sey, schweigt er oder gesteht er [dat hie des Uet), so verfallt er der Gnade
der Schöffen wegen der Busse j gesteht er nicht, und will sich durch eineu
Eid reinigen, so ist er frey von der Busse; thut er aber weder das Eine
noch das Andere, so sollen die Schöffen die Wahrheit darüber hören (den Beweis
fuhren lassen), und würde er schuldig befunden, so ist er straffällig. Die (oben
angeführte) Verordnung wegen der Wage , ihnen und den Spaniern gegeben , soll
strenge gehalten werden. Auch sollen sie Widergewichte (um die öffentlichen
Wieger zu controlliren) mit dem Zubehör haben, gleich dem grossen öffentlichen
Gewichte und dem Silbergewichte mit dem Zeichen der Stadt versehen. Bey
dem Eichen dieser Gewichte, die auf der Wage oder in der Brennkammer {bern
camere) stehen, soll man so verfahren, dass man das Gewicht wie es nöthig ist,
mehre oder mindere In Gegenwart der Schöffen und der vorbemeldeten Kaufleute ;
in deren Beyseyn sollen die Wieger den Eid leisten. Jedem das Seine zu
geben; thäten sie dagegen, so sollen auf Anzeige und Wahrmachnng der Klage
die Schöffen Solches bestrafen {yp den bari) nach dem Gesetz in* Gegenwart der
Kaufleüte, und einen Andern an des Mannes Stelle setzen; den Verkäufern steht
frey ihre Güter wiegen zu lassen, auf welcher Wage sie wollen; die Miethe der
von den Kaufleuten gemietheten Häuser und Keller in der Stadt , um darin zu
^^ohnen oder ihre Güter daselbst niederzulegen, soll man ihnen während der
Miethzeit, und auch nach deren Ablauf, wenn sie dieselben behalten wollen,
nicht vertheuern. Ferner so weit der Stadt Gewalt reicht, sollen die Kaufleu le
und ihre Diener wegen Gefecht und Streit gegen hinlängliche Bürgschaft nicht ins
Gefangniss gesetzt werden, es wäre denn, dass die Sache Hals und Hand anginge.
Auch soll keiner derselben wegen einer Schuldforderung, worüber keine kundbare
Urkunde {weitelijc cJiaerire) vorhanden ist, ins Gefangniss gesetzt werden, so
lange er durch sein in der Stadt vorhandenes Gut oder durch hinlängliche Bürgen
230 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Gewähr leistet^ dass er vor Gericht sich stellen werde. Kein Diener kann seines
Herrn Gut verspielen oder verwirken, keiner hafltet für die Schuld eines Andern,
Bürgen ausgenommen. Wenn Wolle, Pelzwerk und Kupfer und jeglich anderes
Gut zu Brügge einmahl verkauft, besehen und abgegeben worden ist, so soll
deshalb keine Klage angenommen werden; wäre es aber nicht zuvor in der
Stadt besehen worden, und entstände darüber Klage, so soll dieses bey den
Schöffen gebessert werden wie es sich gebührt nach der Meynung der Kaufleute
{bi den ver steine pan copmannen). Ihnen steht frey, sofern diess die Schöffen
und die Stadt angeht, öffentlich in derselben in Vereine zusammen zu treten, so
od sie wolled , um Verordnungen zu machen und sie aufrecht zu erhalten durch
Strafen gegen die Ihrigen , Hand und Hals ausgenommen. Der Stadt Mäkler
sollen vor den Schöffen in Gegenwart der Kaufleute darauf beeidigt werden, dass
sie gerecht gegen Käufer und Verkäufer seyn wollen, und die dagegen Fehlenden
sollen vor den Schöffen in Gegenwart der Kaufleute genugthun, bevor es ihnen
irgend wieder erlaubt seyn soll Mäklerlohn von dem Kaufmanne zu gewinnen.
Die Schöffen sollen femer Vorschriften über die Arbeiter (Taglöhner) erlassen,
deren sich die Kaufleute bedienen, so wie sie ihnen und der Stadt nützlich sind;
welcher von den Taglöhnern aber sich an dem Kaufmann verginge , der soll nie
wieder von ihnen etwas verdienen, bevor er ihnen nicht vor den Schöffen in
Gegenwart des Kaufmanns Genugthuung gegeben hätte. Güter, welche sie den
Schuitenfahrem oder den Fuhrleuten übergeben, vorgezählt oder nicht, sollen
von ihnen den Kaufleuten oder ihren Dienern unverbrüchlich überliefert werden;
brächen sie ihr Wort also, dass der Kaufmann dadurch Schaden nähme, den
sollen sie ersetzen, vor den Schöffen und nach dem Sinne der Kaufleute. Mäklerlohn
soll nur derjenige erhalten, welcher den Kauf oder Handel vermittelt, der Mäk-
ler und- Messlohn des Seehundsthrans und Korns ist nach der Verordnung zu
bezahlen. Auch soll man von dem Kaufmanne keine andere Zahlung (jyqyement)
fordern, als die, worüber man übereingekommen ist. Wenn man den Got-
tespfennig ohne die Waare gegeben hat, so bleibt der Handel fest. Die
Stadt soll einen zuverlässigen Wächter in das Wagehaus setzen, welcher der
Kaufleute Güter bewahren soll, und wenn durch seine Schuld ein Schaden ent-
stände, welcher Art er auch wäre, oder wenn er der Kaufleute Gut auslieferte,
ohne Befehl des Verkäufers, und diess den Schöffen wahrhaft angezeigt würde,
so .soll die Stadt den Schaden ersetzen. Den Kaufleuten und ihren Dienern
soll man wegen ihrer erweislichen Schuldforderungpn nach abgelaufener Frist
SECHSTER ABSCHN.HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 231 '
sofort za ihrem Recht verhelfen, wer es auch sey, binnen dreyen Tagen von dem
an, dass sie darum nachsuchen werden; sollte aber einer vor Gericht sein Recht
nicht selbst verfolgen wollen, so kann er einen Stellvertreter setzen. Alle Kaufleute
und ihre. Diener können Waffen tragen und gleich einem Bürger kaufen, auch Wem
nnd andere Lebensmittel in die Stadt bringen , unter Voraussetzung der städtischen
Abgabe, und diese Güter zu ihrem Besten wieder verkaufen. Sie können ihre
Grabstätte wählen, mit Vorbehalt der Pfarrgebühren des Orts, in dem sie sterben.
Auch mögen sie alle Lebensmittel und Getränke, die sie über das Meer
bringen, um sie mit ihren Tischgenossen zu verzehren, ohne Accise geniessen mit
Ausnahme des Weins und mit dem Vorbehalte sie nicht zu verkaufen. Kein Bürger
der Stadt soll in derselben Zöllner oder dessen Gehülfe seyn. Empfangt der
Schreiber oder Diener des Wirths (dessen, bey welchem der deutsche Kaufmann
wohnt) der Gäste Geld und trüge er diess weg, so haftet der Wirth deshalb;
legen sie Geld in den Wechsel von Brügge, oder sollten sie Geld empfangen
von einem Wechsler (q/ beheien waren van payemente vp eneghen wisselare) , und
geschähe ihnen dabey zu nahe, so haftet ihnen die Stadt Korn können sie
nach Brügge bringen und ihren Vortheil damit suchen, wie sie wollen. Nur
beym Wachs, aber bey keiner andern Waare, sollen Leute angestellt wer-
den , die dessen Güte prüfen {yinders). Würde ein Kaufmann oder dessen Diener
in der Stadt Brügge todt geschlagen, und keiner seiner Verwandten fände sich
daselbst, um deshalb zu klagen und das Recht zu verfolgen , so sind Burgermeister
und Rath statt der Verwandten dazu verbunden; wäre aber Einer der Ver-
wandten in dem Lande, der nicht vor Gericht auftreten wollte oder dürfte, aus
Besorgniss vor den Gegnern oder deren Angehörigen, so sollen ihm die Schöffen
mit dem Landesherrn dazu sicher Geleit geben. Würden sie durch die Zöllner
der Stadt übernommen, so sollen die Schöffen es sofort strafen. Wollte man sie
endlich zu ungewöhnlichen Lasten zwingen, zum Wachdienst oder Anderm, so
sollen die Schöffen sie dagegen schützen.
Diese Freyheiten sind wörtlich den Städten von Braunschweig, Goslar, Mag-
deburg und aller sächsischen Lande so wie dem gemeinen Kaufmanne des rö-
mischen Reichs von Schöffen und Rath der Stadt Brügge ertheilt worden, welche
Sachsen als Vermittler zwischen Brügge und den östlichen Städten dienen sollten.
Dieselben Freyheiten sind ihnen von dem Landesherrn, dem Grafen Robert von
Flandern, bestätigt worden, mit dem Zusätze, dass wenn die Stadt sie ihnen
nicht halle , sie frey und unbehindert in einen andern Theil seines Landes
232 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
'ziehen können, mit den Veränderungen in den Ausdrücken, deren er als Landes- '
faerr sich bedienen musste, auch behielt er sich sein landesherrliclies Recht bej
den Wechseln vor i).
Hierauf ward der Stapel von allen norddeutschen Kaufleuten wieder nach
Brügge verlegt, und neun Jahr darauf 1318 erlheilte die Stadt ihnen noch nähere
Bestimmungen über die Wieger. Die drey jetzt daselbst vorhandenen sollen vor
Bürgermeister und Rath in Gegenwart der Kaufleute des römischen Reichs ihren
Eid ablegen, gerecht gegen den Käufer und Verkäufer zu seyn, und sie und ihre
Nachfolger sollen drey Mahl im Jahr den Eid leisten und geloben , nie Geschenke
zu geben, um Wieger in der Stadt zu bleiben. Sollten dieselben nachher als
üebertreter befunden werden, so sollen die Schöffen dieselben in Gegenwart des
Kaufmanns laut dessen Freyhelten bestrafen. Fremdes Geld oder Münze, so wie
alles Silber gezeichnet und ungezeichnet, das sie bringen, soll man ihnen in der
Brennkammer wiegen und das können sie führen, wohin sie wollen, ausser dem
in Flandern verbreiteten nicht gezeichneten Silber, worüber der Verkäufer eidlich
vor den Wiegern in der Brennkammer seine Erklärung von sich zu geben hat Die
Wieger in der Brennkammer sind zu dem drey Mahl des Jahrs abzulegenden Eide
gleich den übrigen Wiegern verbunden 2).
Etwa ein halbes Jahrhundert hindurch haben des römischen Reichs Kaufleute
von der Zeit an ihren Stapel in Brügge gehalten und ihrer erworbenen Frey-
faeiten sich in vollem Maasse erfreut.
Der Graf Ludwig von Flandern hat ihnen wörtlich die im J. 1307 'vom
Grafen Robert ertheilten Freyheiten in den J. 1338 und 1349 erneuert, und in ^
denselben Jahren die Freyheiten, welche die Stadt Brügge den deutschen Kaufleu-
ten im J. 1309 bey ihrer Wiederkehr von Ardenburg zugestand und die der
Graf Robert in demselben Jahre in einer Verordnung in seinem Nahmen bekannt
machte und bekräftigte, gleichfalls wörtlich bestätigt 3). Diese blieben fortdauernd
die Grundlage des Ganzen, doch sind sie nach Umständen auch noch wohl erwei-
tert worden. Denn nur zu oft entstanden Klagen, dass' von den Einwohnern oder
der Obrigkeit der Stadt Brügge diese ihnen zugestandenen Freyheiten nicht, wie sie
verbunden seyen, gehalteii würden; Niemand aber war so geneigt, eigensinnig zu be-
haupten, was er mit Recht ansprechen durfte, als der fremde Kaufmann auch ver-
1) CXVlIle. cxix. cxx. CXXli
2) CXXVllc.
3) CXHV. CXLV. UV. 1349.
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 233
standen es diese deutschen Kaufleute sehr wohl, mit den Beschwerden, die sie dar-
über führten, zugleich neue Ansprüche, gleichsam als eine Entschädigung der
erlittenen Kränkung ihres Rechts, zu fordern. So erbaten sie und erhielten, da
sie fortdauernd im J. 1351 über Manches, auch über die Vervortheilungen bey
der öffentlichen Wage klagten, dass gleich den Spaniern und Engländern im J.
1352 von dem Ritter Johann von Ghistele für sich und seine Nachkommen zu
ewigen Zeiten auf Bitte der Stadt Brügge und der Kaufleute von Alemannien des
römischen Reichs ihnen und allen denen, die zu ihrem Rechte gehören, die Be-
fugniss ertheilt ward, sich ein Haus oder einen Keller in der Stadt Brügge zu
kaufen, um daselbst auf ihrer Wage nach ihren Privilegien die Güter, die sie in
der Stadt verkaufen, wiegen zu lassen, auch vermittelst dieser Wage die gekauften
Güter wiegen zu lassen, wenn der Verkäufer darein anders willigt und die Güter
dahin schafft. Der Ritter von Ghistele verspricht auf seine Kosten bey dieser ihrer
Wiage die nöthigen Wieger, Zöllner, Aus - und Einleger in die Wagschaalen,
diese selbst und die Gewichte anzuschaffen; der Wieger, ein Fläminger, soll
durch einen Eid vor den Schöffen von Brügge in Gegenwart der Kaufleute be-
kräftigen, treu sein Amt zu verwalten, redlich nach den ihnen zustehenden Frey-
heiten zu wiegen; auch ward ihnen versprochen, dass wenn gerechte Klagen
über die Verwaltung des Amts durch den Wieger entstehen sollten, einen andern
rechtlichen Mann ohne Zögern an seine Stelle zu setzen und eidlich zu verpflich-
ten. Es steht ihnen frey, so oft sie wollen, mit dem Wieger in dieses Wagehaus
zu gehen, um über die Mängel an dem Gewichte und den Wagschaalen nachzu-
sehen und diese durch die Schöffen, laut ihrer Frcyheiten, verbessern zu lassen l).
Diess war gewiss noch eine bedeutende Erweiterung ihrer Freyheiten; sie
hatten nun eine eigene Wage, und wenn gleich der Wieger nicht von ihnen
angestellt wurde, so war er doch ihrer steten Aufsicht unterworfen. Es ist
unglaublich, welche Betrügereyen bey dem Wiegen fast in allen Ländern damahls
iiblich gewesen seyn müssen, da die norddeutschen Kaufleule in allen Ländern
ganz vorzüglich bemüht gewesen sind, dagegen sich möglichst zu sichern. Indess
war ein Theil der Städte, es waren die von Gothland und Livland damit nicht
einverstanden, da sie besorgten, dass ihre alten Freyheiten dabey leiden könnten,
indem die Verantwortlichkeit, welche die Stadt übernommen hatte, wenn Fehler
oder Betrügereyen dabey Statt finden sollten, nun hinwegzufallen schien:
vielleicht scheuten sie auch die daraus hervorgebenden Kosten, vielleicht war auch
1) CLXXl. CLXXIL
y
234 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH, DES HANDELS.
etwas Elfersucht mit im Spiele, da die Sache durch die lübeckisch - wendischen,
sächsisch -westphälischen und preussiscben Städte vornehmlich durchgesetzt worden
zu seyu scheint. Indess hat die Sache Statt gefunden, und ist wahrscheinlich
damahls das Haus in Briigge erworben worden, welches nachher den Nahmen
des kleinen österschen Hauses erhalten hat i).
In dieser Zeit als die Niederlage der norddeutschen Kaufleute in Brügge so
gesichert und begünstigt war, hat sich auch ihr Verein daselbst vollkommen aus-
gebildet, oder wir haben vielmehr die erste vorgenommene Aufzeichnung der
Ordnung dieses Vereins, wie sie sich wahrscheinlich allmählich durch Herkommen
gebildet hatte und nun zuerst schriftlich verfasst -wurde.
Diese erste Ordnung ihres Vereins ist von dem J. 1347 ^) tind sie hebt mit dem
gemeinen Spruch an: da es nützlich, schriftlich aufzuzeichnen, was man im Ge-
dächtniss bewahren soll, so sind die gemeinen Kaufleute des römischen Reichs
von Alemannien im J. 1347 ^^ l'^g^ Simonis und Judä zusammengekommenem
Piefectorium bey den Carmelilern zu Brügge (dem Ort ihrer Versammlung, den sie
auch späterhin immer zu diesem Zweck beybehalten haben), und es beliebten ein-
stimmig Alle, die damahls zu Brügge anwesend waren, ein gemeinschafUiches Buch
zu halten, in welchem alle Ordnungen und Willküren, die sie unter einander be-
lieben würden, zugleich mit den Gewohnheiten und dem Herkommen aufgezeich-
net werden sollten, um sie genau zu beobachten.
So ward zuerst als feststehend bemerkt, dass die gemeinen Kaufleute in drey
Theile getheilt sind, das erste Drittel bestehend aus denen von Lübeck, den wen-
dischen und sächsischen Städten und die dazu gehören; das zweyte aus den
westphälischen und preussiscben; das dritte aus denen von Gothland, von Liv-
land und von Schweden (d. i. den Deutschen auf Gothland und in den schwedi-
schen Städten).
Jedes Jahr soll man acht Tage nach Pfingsten aus jedem Drittel zwey
Altermänner wählen; der Gewählte soll bey Strafe von einem Pfund Grölen in
die Büchse das Amt annehmen, und zugleich die Gefahr laufen, dass er bey
gleicher Strafe zum zweylen Mahle gewählt werde. Reiset Einer der sechse ab,
so sollen die übrigen fiinf einen andern aus demselben Drittel wählen bey gleicher
Strafe. Diese Sechs sind mächtig, den gemeinen deutschen Kaufmann zu einer
1) Diess erhellt aus einer Urkuude ohne Jahrzahl im rostocker Archivet die offenbar kurz nach dem J. 1352
zu setzen ist. Uß. CLXXVL
0) ÜB» CLXIV*
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL U. FRANKO. 235
Versammlung zu entbieten , bey Strafe von drey Groten an dem Orte und zu
der Zeit zu erscheinen, wo die Alterleute sind^ im Fall der Nicht - Erlegung der
Busse, soll er nach der ersten Aufforderung ^ie zu zahlen das Doppelte, und 12
Grote ungemahnt des dritten Tags, und widerstände er auch dann den Alterleuten,
die ihn entboten , so soll er zwey Schillinge Groten zahlen, oder in das Gefängniss
gehen. In schweren und grossen Angelegenheiten haben die AUerleute die Be-
fugniss, wenn sie wollen, bey einer so hohen Strafe, als sie für gut finden, zu
entbieten; erschien einer der Alterleute aber selbst nicht, so soll er in doppelte
Strafe verfallen seyn. Können sich die Alterleute nicht einstimmig vereinigen, so
entscheidet die Mehrheit der Stimmen; wie auch, wenn die Drittel sich nicht
vereinigen können, zwey Drittel entscheiden. Wenn eine die gemeinen Deut-
schen angehende Sache innerhalb oder ausserhalb der Thore (porten) zu verhan-^
dein ist, so soll der Verständigste und der es ^m Besten vermag von den sechs
Alterleuten das Wort fuhren, von dem die andern liinf erachten, dass er am besten
dazu geschickt sey und ihn damit beauftragen {dem it de vive wysen^ dat hi best
darto ghei^ellich si). Es wäre denn, dass die Sache mehr das eine als das andere
Drittel anginge, in welchem Falle die Alterleute dieses Drittels das Wort fuhren
sollen; wenn anders nicht diejenigen selbst zugegen wären, welche die Sache be-
sonders anginge, welche alsdann das Wort zu fuhren hätten ; wären sie aber dazu
nicht im Stande, so müssen sie einen Andern ersuchen, es statt ihrer zu thun.
Die sechs AUerleute sollen an demselben Tage (acht Tage nach Pfingsten)
aus jedem Drittel sechs Mann wählen, die bey einer Busse von fünf Schilling
Groten die Wahl annehmen müssen, und im Weigerungsfalle die Gefahr zu
laufen haben, bey gleicher Busse abermahls gewählt zu w^erden: diess sind denn
die achtzehn Mann , welche mit den Alterleuten , so oft diese es fordern , zusam-
mentreten sollen und die GescfaäHe ohne Versammlung der gemeinen Deutschen
abzuthun haben«
Wen die Alterleute wählen , um sie zu begleiten vor die Schöffen (das Ge-
richt der Stadt Brügge) oder anders wohin, wo ein Geschäft abzuthun, ist es
innerhalb der Thore, der soll ihnen bey einer Busse von zwey Schilling Groten
folgen, und ausserhalb, es sey zu Pferd oder zu Fuss, bey einer Busse von fünf
Schilling Groten.
Wenn die gemeinen Deutschen oder die achtzehn Männer bey den Carme-
litern sich versammeln, und die Alterleute in das Reventer gehn, so soll ihr Die-
ner in der Kirche (wo der gemeine deutsche Kaufmann ist) umhergehen und an-
Gg 2
236 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
sagen , dass die Alterleute darin sind und dass jene hinein kommen sollten , und
käme Einer zu spät, nachdem die Alterleute ihre Rede bereits angefangen hätten,
der zahlt drey Grote in die Buchse.
Stehen die Alterleute über dem Contore und halten ihre Rede, und begäbe
es sich, dass Einer in der Versammlung {dar binnen) sich auf die Bank setzte,
oder mit einem oder Mehreren zu schwatzen anfinge, und nicht auf das hörte,
was die Alterleute sagten: so soll jeder Einen Groten, so oft es geschieht, geben,
und die gleiche Busse entrichten, wenn einzelne Drittel unter sich berathen.
Wer ohne Erlaubniss der Alterleute die Thüre aufthut, ist in fünf, und wer ohne
deren Urlaub weggeht, in drey Grote verfallen.
Die Alterleute haben das Recht, Jeden bey seinem Eide aufzufordern, die
Wahrheit in allen Dingen, um welche er befragt wird und die in das deutsche
Recht gehören, zu sagen, bey einer Busse von Einem Pfund Groten.
Fängt ein Kaufmann einen Rechtsstreit {sähe) an, klein oder gross, innerhalb
oder ausserhalb Brügge,* so soll er ihn auf seine Kosten verfolgen, und vermag
er selbst nicht das Wort zu fuhren, so mag er einen Andern bitten es statt seiner
zu thun , und alle Deutsche sollen ihm in seiner Sache beystehen, so gut sie kön-
nen und vermögen.
Einige Zeit nachher i) ward zum Besten des gemeinen Kaufmanns von dem
römischen Reiche von Alemannien mit Zustimmung desselben zu Brügge ferner
beliebt: dass wenn Einer gegen einige Puncte sich verginge, die in den von den
Kaufleuten erhaltenen Freybriefen untersagt sind, so sollte er dieselbe Busse, die
er gegen den Landesherrn oder das Gericht {wet) zu zahlen hätte, gleichfalls
dem gemeinen deutschen Kaufmann entrichten. Niemand soll Gut verkaufen,
unter der Bedingung, dass es auf seine Gefahr oder Schaden {pp scade)
in der Stadt Brügge oder ausserhalb Brügge wieder verkauft wurde, und würde
er dessen überfuhrt durch zwey gute Kaufleute oder Mäkler, die dabey gewesen,
so soll er fünf Schillinge von jedem Pfund Grote zahlen , wie hoch auch die
Summe laute, und zu jeder Zeit können die Alterleute Jeden auffordern bey sei-
nem Eide, desshalb die Wahrheit zu sagen. Niemand soll ferner bey Strafe
von fünf Schillingen mehr an Mäklergebühren geben, als vor Alters her üblich
gewesen.
I) Die Jahrzahl fehlt, die Urkunde steht aber zwischen den Beschlüssen von 1347 und 1354 und ist, wie
sich aus einem Anhange ergiebt, vor 1350 abgefasst.
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL, U. FRANKR. 237
Keiner darf den Andern vor einem andern Gericht belangen, als vor dem
deutschen eigenen, es wäre denn, dass der Beklagte auf flüchtigem Fusse stände;
auch soll keiner des Andern Gut mit einem andern Rechte als mit dem unsrigen
in Beschlag nehmen lassen, mit Ausnahme des Falls, dass er besorgte, dass ihm
ein Anderer mit dem fremden Rechte zuvorkäme, oder dass er es thäte mit Er-
laubniss der Alterleute; Alles bey Strafe von einer Mark Goldes.
Sollte einer, der nicht unter das deutsche Recht gehört, einem Deutschen
Schaden zufügen {misdede) und wollte er ihm den Schaden nicht ersetzen, so soll
man es den Alterleuten anzeigen, welche den gemeinen Kaufleuten gebieten sollen,
dass derselbe nie wieder Geld von ihnen gewinne, bis er den Schaden ersetzt ha-
ben wird, bey Strafe eines Pfunds Groten für jeden Deutschen, der dagegen han-
deln würde.
Endlich ward im J. 3354 den 20. April mit Einwilligung und Vollmacht
des gemeinen Kaufmanns beliebt: dass Niemand, der als Diener oder Schreiber
bey einem Wirthe (bey welchem Deutsche zu Brügge wohnen) oder bey einem
Bürger in Dienst gestanden hat, in das deutsche Recht aufgenommen werde,
wenn er nicht dem Kaufmann von seinem Herrn, dem er bisher gedient, gute
Entlassungsscheine beybringt. Hätte aber einer nicht seinen rechten Zoll entrichtet
und würde er deshalb vom Zöllner stra£Eallig gefunden, so soll der StraffäUige
dieselbe Busse, die er dem Zöllner zu erlegen hatte, auch dem gemeinen Kauf-
manne und ausserdem noch zehn Schillinge Groten zahlen.
Wer aus Hoffahrt oder Zorn der Deutschen Recht ohne Urlaub des (gemei-
nt Kaufmanns verschmäht oder aufkündigt, der soll nicht wieder darin aufge-
nommen oder damit beschirmt werden, wenn man es ihm beweisen kann; stände
auch Einer mit dem Andern in Handelsverbindung, es sey durch Geldvorschuss
{wedderleghinghe j Gommandite) oder vermöge wirklicher Gesellschaft; an Kauf-
mannsgut, der soll binnen Jahr und Tag bey Einer Mark Goldes aus der Gesell-
schaft; mit ihm scheiden. Bey gleicher Strafe soll Niemand mit einem Fläminger
in solcher Gesellschaft; stehen.
Wer mit dem Urtheile, welches zwischen zwey streitenden Parteyen gefallt
wird, nicht zufrieden ist, vielmehr dagegen spräche, oder auf ein anderes Ge-
richt sich beriefe, und das Urlheil schelten würde, der soll Eine Mark Goldes in
die Büchse zahlen.
Wer vorsätzlich des Kaufmanns Recht aufkündigt und zu Sluys oder an
andern Orten seines Vortheils wegen in Flandern Bürger würde, in der Meinung,
238 ZWEYTE ABTHEIL. GESCHL DES HANDELS.
dass er dasselbe leicbt würde wieder gewinnen können, derselbe soll nie wieder
in des Kaufmanns Recbt aufgenommen werden.
Auch soll Niemand seine Wohnung (zur MIethe in Brügge) haben, als hej
Leuten, die man kennt.
Im J. 1356 war wegen Zwists zwischen den Altermänneru der gemeinen
deutschen Kaufleute, eine Gesandschaft abgeordneter Rathmänner aus den östli-
chen Städten, zwey aus jedem Drittel, nach Brügge gekommen i), nähmlich:
Heinnch Plescow von Lübeck, Johann von Kiel von Hamburg und Johann
Buxtehude von Stralsund, mit Vollmacht und Zustimmung des lUbschen Drittels;
Hildebrand Keyscr von Dortmund, Johann Schotte (oder Schotke) von Soest,
Johann von Soest von Thorn, Johann von Nowgorod {Nogarden) von Eibingen
mit Vollmacht und Zustimmung des westphälischen und preussischen Drittels,
Johann von Braunschweig, von Seiten Gothlands, und Hermann Bredenschede von
den llvländischen Städten. Diese sämmtlich mit den sechs Alterleuten und den
achtzehn Mannen beliebten einträchtiglich wie folgt:
Im Fall Etwas in Sachen des gemeinen Kaufmanns vor den Schöffen
zu verhandeln ist, so können die sechs Alterleute, nach der Verordnung mit sich
nehmen, wen sie wollen; wären aber die Alterleute nicht einig, wer das Wort
lühren soll, so ist der, welchen die andern vier oder fiinf wählen ohne Wider-
rede, bey Strafe von Einem Pfund Groten, dazu verbunden zum Besten der ge-
meinen Deutschen, und läuft er die Gefahr zum andern und dritten Mahle bey
derselben Busse dazu gewählt zu werden. Wären aber mehrere Geschäfte als
über drey, vier oder mehr Puncte vor den Schöffen zu verhandeln, so mögen sie
dieselben, wenn sie wollen, schriftlich verfasst den Schöffen von Brügge über-
geben.
Hätte Einer oder hätten mehrere Kaufleute wegen geringfügiger Sachen vor
Gericht, auf der Burg Vormittags oder Nachmittags, oder vor den Wiegern
oder Zöllnern oder in Bezug auf andere unbedeutendere Sachen Etwas zu verhand-
len , so sollen sie die Alterleute des Drittels , zu welchem sie gehören , bitten , sie
zu begleiten, um ihnen zu ihrem Rechte behülflich zu seyn.
Ferner ist folgender Eid für die Alterleufe, den sie, wenn man sie wählt,
abzulegen haben, beliebt worden: Wir schwören der Deutschen Recht mit auf-
recht zu halten und zu bewahren nach ihren Freybriefen und laut ihrer Ordnun-
1) UR. CLXXXib. und CLXIV. UI.
SECHSTER ABSCHN- HAND. D. NIEDERD. M. D, NIEDERL. U. FRANKR. 239
gen, in sofern wir es mit unsern fiinf Sinnen begreifen mögen oder können;
Jedem, er sey arm oder reich, zu seinem Rechte zu verhelfen, sonder Arglist,
so gewiss uns Gott helfe und alle Heiligen, so lange wir Allerleute sind.
Alle Brüche von oder unter lunf Schilling Groten , die bey den Deutschen
vorfallen, sollen den Alterleut^n, so lange sie das Amt bekleiden, zufallen; sie
können damit nach ihrer Willkür verfahren.
Jedes Drittel wählt die zu Alterleuten, die ihm am tauglichsten scheinen, sie
mögen zuvor schon Alterleute gewesen seyn, oder nicht, doch mit einer Zwi-
schenzeit von drey Jahren, nach deren Verlauf der Gewählte jedoch, bey Strafe
einer Mark Goldes, das Amt wieder anzunehmen hat, und bey gleicher Strafe,
wenn man ihn nach der ersten Ablehnung des Amtes zum zweyten und dritten
Mahle wählt.
Auch soll man jedes Jahr oder auch öfter auf Pfingsten den gemeinen Kauf-
leuten die Freyheitsbriefe, die ihnen von den Grafen von Flandern und der Stadt
Brügge besiegelt worden sind, vorlesen, gleichwie auch die Ordnungen des gemei-
nen Kaufmanns, auf dass Jeder sich darnach richte, sein Recht bewache und
sich vor Strafe hüte.
Wer hochmüthig einen Altermann schmähte mit Worten oder in den An-
gelegenheiten der Deutschen misshandelte, der soll ihm ein Pfund Groten für die
Schmach zahlen ,• und dasselbe in die Büchse zum Besten des gemeinen Kauf-
manns, und jedem andern Altermanne fiinf Schilling Groten i).
Auf diese Weise war demnach der Verein der gemeinen Kaufleute des römi-
schen Reichs von Alemannien, wie sie noch allein in Flandern genannt wurden
und sich selbst nannten, geordnet, zwar ähnlich ihren andern Handelsniederlas-
sungen in andern fremden Ländern, doch auch in anderer Beziehung nach den
ortlichen Yerhältnissen abweichend. Schon die grössere Zahl der Vorsteher zeugt
von der grössern Zahl der Besuchenden aus allen Theilen des nördlichen Deutsch-
lands, worauf auch die hier zuerst stattfindende Eintheilung in drey Drittel und
die denselben gleichmässig zustehende Befugniss aus ihrer Mitte die Olderlude zu
wählen, deutet.
1^ ÜB. CLXIV, \?otelb8t auch der AnwenduDg der Vorschrift auf einen Fall, Tydeman Bloemenrot betref-
fend, erwähnt ist, dass nähmlich mit dem, der aus dem deutscheu Rechte tritt, und Tor fremdem Ge-
richte Landsleule oder deren Verein zu Brügge yerklagt halte, alle Handelsgemeinschaft aufgehoben wer-
den soll, zufolge einer Nachricht in dem hamburgischen Archire.
240 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Vorsieher und Kaufleute haben sich der ihnen zugestandenen Freyheiten zum
immer mehr gedeihenden Verkehr und zum Wohl beider Theile bedient. Indess
\vard das gute Verhältniss zwischen der Stadt Brügge und den niederdeutschen
Städten und Kaufleuten dennoch gegen Ende dieses Zeitraums so gestört, dass
sie ihren Stapel wiederum von Brügge hinweg, und zwar dieses Mahl nach Dor-
drecht verlegten. Wer eigentlich die Ursache gewesen, wer die Beschwerden
veranlasst, das ist nach deutschen Nachrichten keinem Zweifel unterworfen, ob
indess nicht auch eine zu grosse Reizbarkeit von Seiten der deutschen Städte,
vielleicht die Hoffnung noch vortheilhaftere Bedingungen durch Verlegung des
Stapels zu ertrotzen, dazu mitgewirkt habe, und ob nicht der Sladt Brügge auch
ein Vorwurf gemacht wurde über Begebenheilen und Zufälligkeiten, welche sie
nicht verhüten konnte, mag dahin gestellt bleiben: auf jeden Fall waren die
deutschen vereinten Städte und Kaufleute, im Gefiihle ihrer Kraft und der Wichtig-
keit ihres Handels für Flandern, selbst nicht gemeint ein Recht, das sie ansprechen
konnten, aufzugeben oder es einschlafen zu lassen.
Die erste Veranlassung fallt in das J. 1351. In diesem Jahre schrieben die
Alterleute der Deutschen und alle Kaufleute des römischen Königs von Deutsch-
land zu Brügge an Bürgermeister und Rath zu Hamburg, dass in diesem Jahre
auf Himmelfahrt ein grosses Schiff von Greifswalde auf seiner Fahrt nach Flan-
dern von dem Hafen t'Zwin gekommen, in welchem ein Greifswalder Kaufmann
Gerhard Rokenoghe, sich befunden habe, dem einige von Fkndem kommende
englische Schiffe daselbst begegnet wären, welche jenes Schiff mit sich in das
Meer führten, und die darin befindh'chen Güter plünderten; nachdem sie es entlassen,
kamen einige Franzosen darauf zu , welche das deutsche Schiff nebst allen noch
darin befindlichen Gütern hinweg nahmen. Nachher begegnete jener Gerhard auf
den Strassen zu Sluys einem jener Engländer, William Curtoys von Bristol^ den er
gestützt auf das Stadtrecht angriff und von ihm behauptete, er sey einer von denen,
die ihn im Meere berauht hätten, wie er solches durch den Schiffer und andere
seiner Gefährten zu erhärten versprach. Darauf ging Gerhard nach Brügge und
brachte seine Beschwerden vor den gemeinen Kaufmann, und bat um dessen
Unterstützung. Dieser sandte seine Abgeordneten an den Grafen von Flandern
und die drey Städte des Landes Gent, Brügge und Ypem mit der Bitte, dem
Kläger sein Recht nach dem Seerechte und den Gewohnheiten Flanderns zu gewäh-
ren; diesem widerstrebten die Engländer in Flandern, zugleich mit Denen, die es
mit ihnen hielten. Da die Deutschen nun, wegen ihrer mächtigen Gegner, ihr
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 241
Reclit nicht erreichen konnten, so beschlossen sie Flandern zu meiden, und allen
Verkehr mit dem Lande abzubrechen, bis Gerhard Recht erhalten haben würde.
Darauf traten die Abgeordneten Flanderns zu Brügge zusammen, deren Beschluss
der Stadt Sluys mitgetheilt ward, welchem zufolge der Engländer zum Tode ver-
urtheilt und hingerichtet wurde.
Darüber aber erbosten die Engländer und beschwerten sich bey ihrem Kö-
nige und dessen Rath, vorgebend, dass die Deutschen, zufolge eines bisher in
Flandern unerhörten Rechts, den Tod ihres Landsmanhs bewirkt hätten, auch
behaupteten sie^ die deutschen Kaufleute hätten vor den Schöffen der. St^dt Brügge
geäussert, in England werde kein einziger glaubwürdiger Mann gefunden. Die
Unwahrheit dieser Angaben bezeugten gemeinschaftlich die Deutschen vor dem
Grafen von Flandern, den drey Städten und dem ganzen Lande; allein der König
voi^lltBngland belegte nichtsdestoweniger die Guter der Deutschen in seinem
Lande mit Beschlag; die Deutschen zu Brügge wandten sich nun an den Grafen
von Flandern, der auch seinen Rath an die Stadt Brügge sandte und ihr auf-
trug, ihnen Zeugniss von dem Ungrundc der englischen Beschwerden, so weit es
von ihr abhinge, zu geben. Allein Andere wirkten dagegen, die Deutschen
konnten das Zeugniss nicht erhalten, sie mussten nun selbst eigene Abgeordnete
an den König von England und dessen Rath absenden, um sich zu entschuldi-
gen und zu rechtfertigen i). Hierüber nun, so wie über die Eingriffe in ihre Frey-
heiten durch die Stadt Brügge klagten die deutschen Olderlude und Kaufleute gegen
Hamburg, wie sie nahmentlich bey der Wage zu Brügge vervortheilt würden,
weshalb sie um ein besonderes Wägehaus zu Brügge, gleichwie die Engländer
und Spanier dergleichen besässen, wo denselben ihr Gilt gewogen würde , verge-
bens gebeten hätten. (Die Deutschen erhielten, wie oben gemeldet, im nächsten
Jahre die Erfüllung ihrer Wünsche). Da nun noch andere Bedrängnisse hinzuka-
men, welche die Deutschen zu Brügge, Sluys und auf dem benachbarten Wasser
erlitten hatten, sie aber eine ungenügende Antwort auf die darüber geführten
Beschwerden erhielten, so beschlossen sie gemeinschafllich ihren Stapel nach Ar-
denburg wieder zu^ verlegen, wo sie ihre Wünsche erfüllt zu sehen hofften, und
wenn diess nicht der Fall seyn sollte, nach Antwerpen in Brabant zu ziehen, unter
dem Schutz ihrer daselbst innehabenden Freyheiten, deren Vermehrung sie mit
1) S« auch uuteu die Geschichte des Handels der Niederdeutschen mit England b. d» !•
Hh
242 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Sicherheit glaubten erlangen zu können ^ und dieses vom nächsten Tage Maria
Reinigung an. Sie bitten dann die Hamburger zu verkünden, dass der Verkehr
von ihrer Stadt aus nach Flandern einzig nach diesem Stapelort gerichtet werde,
und die so den Vorschriften des gemeinen Kaufmanns zuwider handeln, an deren
Gütern, wo sie gefunden werden, zu strafen, auch diese Bussen zum Besten
der gemeinen Kaufleute an den Stapelort zu übersenden. Sl6 machen noch be-
sonders die Hamburger darauf aufmerksam , dass wenn ihr Wunsch wegen Er-
haltung eines besondern Wägehauses unerfüllt bliebe, eine Zeit kommen werde,
wo man das Versäumte nie ersetzen könne und beweinen werde. Allen sogenann-
ten grössern öder Hauptstädten, die in unserm Rechte sind, sagen sie ferner, haben
wir, so wie den Meistern von Preussen und Livland dasselbe schriftlich milge-
theilt, und sie alle, so wie wir hiemit auch die Hamburger darum bitten, ersucht,
dieses den benachbarten Städten gleichfalls zukommen zu lassen. Beygelegt^nd
die zu Brügge übergebenen Beschwerden über die Kränkung ihrer Freyheitenj'^nd
die Bittschrift um das Wägehaus. Sie erbitten sich den Rath der Hamburger,
und ersuchen, wenn sie etwas Besseres wüssten, dieses möglichst schnell mit-
zutheilen, da der gemeine Kaufmann es gern befolgen werde, die von ihnen
beliebte Ordnung aber indessen mit Strenge aufrecht zu erhalten i).
Dieses Schreiben ist in vieler Beziehung sehr merkwürdig. Man sieht sehr
deutlich daraus, und noch mehr aus der desfalsigen Beschwerde der osterschen
Städte, die zum Gothländischen Drittel gehörten 2)^ wie unabhängig die Alterleute
und der gemeine Kaufmann auf den Stapelplätzen , wenigstens zu Brügge , ver-
fuhren; später bey grösserer Ausbildung des hansischen Vereins, war dieses weni-
ger der Fall; der erbetene Rath und die erbetenen besseren Vorschläge waren
wohl mehr ein freundliches Wort, da die Beschlüsse ohne vorläufige Zustimmung
gefasst worden waren. Es erhellet femer daraus, da eine wohlgeordnete Leitung
des gesammten Vereins der Kaufleute auch noch nicht vorhanden war, dass die
sogenannten grössern oder Hauptstädte die Sachen entschieden, und die Beschlüsse
den nächst belegenen kleinern mittheilten, wie das &uch sonst bekannt ist
Indessen erfolgte damahls die Verlegung des Stapels nach Antwerpen nicht,
indem im J. 1352 der gemeine Kaufmann erhielt, was er so sehnlich wünschte,
1) UB. CLXrX. mit den beygelegten zwey SchreiBen an den Rath zu Brügge in den zwey folgenden Ur-
kunden. Vgl. auch CLXXIl^.
2) CLXXVI.
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRÄNKR. 243
ein besonderes ihm eingeräumtes Wägehaus i). Allein alle Beschwerden waren
damit doch nicht hinweggeräumt und neue kamen hinzu«
Im Januar d. J. 1358 beschlossen die abgeordneten Rathmänner der Städte
Lübeck, Goslar, Hamburg, Rostock, Stralsund, Wismar und Braunschweig, als
aus ihrem (dem lübischen sächsischen) Drittel der Kaufleute des römischen Reichs
von Almannien , Ton der deutschen Hanse gewöhnlich zu Brügge liegend, für
sich und im Nahmen anderer zu demselben Drittel gehörig, mit deren schriftlicher
Vollmacht versehen, ferner mit den abgeordneten Ralhmännern der Städte Thorn
und Elbing im Nahmen ihrer und mit Vollmacht der anderen preussischen Städte
auf dem obersten Rathhause zu Lübeck, wegen der Beschwerden des gemeinen
Kaufmanns von Alemannien von der deutschen Hanse, und wegen des ihm in
Flandern zugefügten Unrechts, dass jede Stadt ihren Bürgern, Genossen und
Allen von der deutschen Hanse gebiete, nicht näher aus dem Hafen jeder Stadt
nach Flandern hin, als bis zur Maas zu segeln, und weder den Flämingern, noch
denen von Mccheln , noch den Brabantern noch irgend Jemanden daselbst ihre
Güter zu verkaufen, von denen sie wissen, dass sie den Flämingern, denen von
Mecheln oder von Brabant zukommen könnten. Auch soll aus keinem Hafen zu
Lande Gut nach Flandern, Mecheln oder Brabant gesandt werden. Wäre aber
ein Schiffer wegen Sturms, Windes- oder Wetters -Noth gezwungen in einen
Hafen östlich der Maas einzulaufen, so soll er daselbst dennoch sein Gut nicht
verkaufen noch ausschiffen , sondern er soU sich beeilen in die Maas oder östlich
derselben einzulaufen.
Welcher Kaufmann oder Schiffer von der deutschen Hanse mit seinem Gute
iji einen Hafen, in die Maas oder östlich derselben kommt, der soll einen offe-
nen Brief von der Stadt mitbringen, von welcher er ausgesegelt ist, worin be-
zeugt wird , dass ^er daselbst gewesen und sein Gut daselbst und nirgends sonst
verkauft habe ; eben so sollen die , welche nach England , Schottland oder Nor-
wegen mit ihrem Gute kommen, offene Briefe von den Alterleuten, die daselbst
sind, bringen, oder, wo keine sind, von der Stadt, wohin sie das Gut gefuhrt
haben, in welchen bezeugt wird, dass sie es daselbst und sonst nirgend verkauft
haben.
Wären auch einige Schiffe vor dieser Verordnung gemiethet und bereit
durch den^ Canal von Calais (de hovede) zu fahren und bereits bis England,
1) CLXXU.
Hh2
244 ZWEYTE ABTHEIL, GESCH. DES RANDELS.
Schottland oder Norwegen gelangt , so mögen sie auf der ersten Reise , zu wel-
cher sie gemielhet worden, ungestraft in t'Zwin segeln, nachher aber nicht nach
Flandern fahren.
Käme auch ein Schiffer, Schiff oder Kaufmann, der in die deutsche Hanse
nicht gehörte, in einen Hafen oder eine Stadt von der deutschen Hanse, um von
da Güter auszuführen,, so sollen sie genügende Bürgen stellen, welche dafür haf-
ten, dass dieselben nicht nach Flandern fahren wollen, und könnten sie solche
Bürgen nicht stellen, so soll man ihnen die Ausfuhr der Güter nicht verstatten,
als allein Bier, Brot und Lebensmittel zu ihrer eigenen Nothdurft.
Von nächsten Philippi und Jacobi (May i) an soll der Kaufmann der deut-
schen Hanse keinerley Tuch in Flandern, Mecheln oder Antwerpen kaufen, welches
daselbst oder anderswo gemacht wäre*
"Wollte man Jemanden beschuldigen, dass er Tücher dieser Frist zu liefern in
Flandern im Voraus gekauft habe, so kann er sich davon durch seinen Eid {mit sy-
neme rechte) befreyen, wenn man ihm die Schuld nicht vollkommen beweisen kann.
Käme auch einer, der nicht zur deutschen Hanse gehörte, zu Land oder zu
Wasser in eine Stadt oder einen Hafen der deutschen Hanse und brächte er flä-
mische, mechelnsche oder antwerpsche Tücher dahin : so soll er sie daselbst nicht
verkaufen. Niemand sie ihm abkaufen, sondern er soll sie wieder hinwegfiihren,
und die, welchen die Stadt oder der Hafen gehört, wohin er sie brachte, sollen
darüber halten.
Auch sollen alle Kaufleute von Almanien, die in der deutschen Hanse sind,
mit ihrem Gute zwischen hier und nächsten PKilippi und Jacobi Flandern räu-
men, und von dannen, so wie auch von Mecheln und Antwerpen ziehen, und so
lange von da wegbleiben als wir ihnen dasselbe einstimmig gebieten werden.
Auch soll Niemand die Vorschrift umgehend sein Gut seinem Wirthe oder einem
Andern in jenen Städten befehlen, um es daselbst zu lassen, es sey denn, das
er daselbst noch Geldforderungen ausstehen hätte, deren noch ferne Zahlungster-
mine nicht sicher gestellt sind i).
Wer von der deutschen Hanse gegen diesen Beschluss handelt und in eine
andere Hansestadt entweicht, daselbst ergriffen und schuldig befunden wird, der
soll in derselben kein sicher Geleit haben, sondern die Stadt soll über ihn rieh-
^1.^
1) ÜB. CLXXXIII.
/
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 245
len und das Gut, welches er dahin geführt hat, oder dessen Werth soll zum
Besten der Stadt, in welcher er Bürger war, verfallen seyn.
Sollte auch eine Stadt diesen Beschlüssen sich widersetzen, so soll die-
selbe ewiglich aus der deutschen Hanse gestossen seyn und der deutschen Vor-
rechte entbehren.
Sollte aber eine Berichtigung des dem Kaufmann von den Flämingern gesche-
henen Unrechts entstehen, so soll dieselbe kraftlos seyn und keinen Forlgang
haben, ausser mit Zustimmung aller vorbenannten Städte und der andern Städte,
die sie dazu haben können.
Wir Rathleute der Städte zuvor genannt^ mit Zustimmung oder Vollmacht
(i^ulbord) der andern Städte, die ihre schriftlichen Vollmachten dazu eingesandt ha-
ben (de ere breite darto ghesant hehhen)^ wollen, dass man ohne Arglist alle diese
vorgeschriebenen Puncte unverbrüchlich halte.
Diesen zwar nur von einigen Theilen beliebten Beschlüssen gemäss ist es
denn geschehen, dass der Stapel von Brügge nach Dortrecht im J. 1358 verlegt
wurde, woselbst die geraeinen Kaufleutc von Almannien der deutschen Ranze
zubehörend, am 9 May dieses Jahrs von Albrecht, Pfalzgrafen am Rhein, Herzo-
gen von Bayern und Stalthalter {reward^ Erhalter) der Grafschaften Hennegau,
Holland und Seeland und der Herrlichkeit Friesland, von wegen seines Bruders
Wilhelm, des Grafen von Hennegau, Holland, Seeland und Herrn von Friesland,
und von wegen der gemeinen Grafschaften, die dazu erforderlichen Freyheiten er-
hielten. Diese lauteten ähnlich denen, welche sie in Flandern besessen hatten,
nebst einer Zollrolle, die gewiss, wenn wir es gleich nicht genau nachweisen kön-
nen, die vornehmste Begünstigung enthalten mochte, aber in dieser stehen auch die
aus- ein- und durchgeführten Güter durcheinander, wie dieses fast bey allen
ähnlichen Urkunden der Fall ist.
Ueberall hat auch diese Verlegung des Stapels nach Dortrecht nicht lange
gedauert. Flandern konnte die Deutschen nicht entbehren, sie auch nicht Brügge,
weil dort der europäische Markt war; sie sind daher im J. 1360 wieder nach
Brügge zurückgekehrt, nachdem sie zufolge weitläuftiger Verhandlungen ihre alten
1} ÜB« CLXXXY« Die Zollrolle ist wichtig, wenn man sie mit der Tergleicht , welche LUbeck das Jahr
£utor erhallen hatte > besonders zur Erläuterung dunkler Waareu - Benennungen und Maasse , indem die
^\xi» lateinisch» die andre holländisch Terfasst ist. Im UR. sind die nothigen Bemerkungen deshalb bey-
geliigt, hier schien es 9Xkh den angeftihrten Gründen unnütz dabey zu verweilen.
246 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Freyheiten daselbst bestätigt und erweitert erhalten, auch Genugthuung fiir ihren
erlittenen Schaden zugesagt bekommen hatten.
Aus zahhelchen Urkunden von diesem Jahre (1360) erhellet diess Alles
sattsam. Glänzender ist nie ein Zwist zwischen den deutschen Städten und Kauf—
leuten von der einen Seite und Flandern und Brügge von der andern beygclegt
worden.
Es versprachen die drey Städte des Landes, Brügge, Gent und Ypern, den
Kaufleuten des römischen Reichs, wie sie noch immer in allen Verhandlungen
bis ans Ende derselben genannt werden, Ersatz wegen des Schadens, den sie vor
längerer Zeit von den Schotten erlitten, in so fern nach ihrer, der Deutschen,
Rückkehr nach Brügge, es sich ergebe, dass die Stadt oder einer der Ihrigen
davon (von dem durch die Schotten ihnen genommenen und etwa in Brügge abge-
setztem Gute) etwas erhalten haben möge; dass ferner das Uebereinkommen,
welches vordem zwischen dem Kaufmanne von Almannien und einigen Schotten
getroffen und mit dem Siegel der Stadt Brügge besiegelt worden, von ihrer
Rückkehr an in Kraft bleiben solle, bis zum gänzlichen Ersatz des Schadens
und ihrer Befriedigung i).
"Was der Deutschen anderweitige Beschwerden gegen einige einzelne Per-
sonen der Stadt Brügge oder deren Untersassen betrifft, so sollen die Kläger, in
so fern es eine Stadt angeht, an dem Orte, wohin die Beklagten gehören, ihr
Recht verfolgen, und vollständig, nach den Gewohnheilen des Orts, erhalten.
Gleiches soll den Flämingern zustehen, wenn sie über einzelne Kaufleute von
Almannien zu klagen haben , sie sollen sie an dem Orte , wohin sie gehören,
verfolgen und nach den Gewohnheiten des Ortes Recht nehmen.
Die drey Städte versprechen, dass sie wegen der Beschwerden der Deut-
schen, über Brügge, gemeinschaftlich die Ordnungen nach dem Begehren dersel-
ben vervollkommnen . und halten w^ollcn, und dass, wenn sie njit den ihnen be-
willigten Freyheiten zufrieden seyn sollten, j^wey tüchtige wethoiidera von Seiten
der Stadt Brügge zur Tagfahrt, welche die deutschen Kaufleute ausschreiben
werden, kommen sollen, zur Festsetzung alles Schadens und zur gemeinschaft*
l) Ueber diese frühem Streitigkeiten mit den Schotten sind keine Urkunden aufgefunden; sie konuneit
aber zu yerschiedenen Zeiten nur zu häufig Yor; häufig hatten die Schotten deutsche Schiffe genom-
men oder beraubt, und dass auf ähnliche Fälle diese Urkunde sich beziehe, leidet keiuen Zweifel* Die
Fläminger waren in so ferne schuldig» als sie den Deutschen die Sicherheit auf des Landes Strömen
und Kiisten versprochen hatten.
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 247
liehen Bestimmung der Zahlungsfristen, worauf die Hallung der Uebereinkunft
eidlich zu bekräftigen Ist l).
Also geschah es denn auch. Der Graf Ludwig von Flandern und die drey
Städte Gent, Brügge und Ypern fertigten an demselben Tage (d. 14ten, Jun. d. J.
1360) den deutschen Kaufleuten und Städten drey Freyheitsbriefe aus, die sich
auf ihre Freyheiten und die von ihnen zu zahlenden Maklergebühren bezogen ;
sie wurden ihnen noch in besondern Urkunden von dem Grafen und den Städten
auf ewige Zeiten bestätigt, und ihnen gegen jeden Eingriflf in dieselben, so lange,
als sie in Flandern verweilen würden, Schutz, wegen des daraus fiir sie ent-
springenden Schadens aber, Ersatz und Genugthuung zugesagt, so wie dass
keine den flandrischen Städten früher ertheilte Freyheiten diesen, den deutschen
Kaufleuten bewilligten, irgend Abbruch thun sollten, zugesichert 2).
Diese Urkunden wurden den deutschen Städten nach Lübeck durch Abge-
ordnete zugesandt und übergeben, und der Graf so wie seines Landes Städte
bezeugen in ihren Schreiben vom 29 Jun. und iten August ihre ausnehmende
Freude, dass, wie sie aus dem Berichte Ihrer Abgeordneten und ihrem, der deut-
schen Städte, werthen Schreiben (litteras vestraa gratiosas sagt auch der mächtige
Graf) ersähen, günstig und wohlwollend die angebotenen Freyheiten und Scha-
dens- Ersetzungen angenommen hätten. Da sie aber begehrten, dass die Puncte,
welche die Stadt Sluys beträfen 3) , nicht in den Urkunden vorkommen sollten,
so erklärte der Graf nicht nur dazu sich bereit, sondern auch dass die Ord-
nung, so wie sie dieselbe überschickt, mit seinen und der drey Städte Siegeln
versehen , ausgefertigt werden solle 4), Auch erklärten der Graf und seine Städte
ihnen in einer besonderen Urkunde v. 30ten Julius» dass sie die Befugniss haben
1) ÜB* CXCVI.
2) UV. 1360. 1, 2, 3. CXCLVni.
'S) Diese specißcatio ville de Sluys 9 Yfie et in der Urkunde heistt» kommt nachher in den Urkunden
nicht Tor« Nur in der einen heisst es» dass in Sluis Tier Mäkler für das Salz angestellt werden
sollten , dass ist gewiss nicht mit der specißcatio gemeint gewesen ; wahrscheinlich ist mit dieser epeci-
ficatio ein besonderes Uebereinkommen gemeint, was über die Eutschädiguug wegen erlittenen Schadens
durch die Stadt festgesetzt ward, das aber weiter nicht bekannt ist. Dergleichen Klagen sind mehrere uud
öfter über diese Stadt vorgekommen, in deren Nähe, auf dem für den Verkehr mit Flandern so wichti-
gen Strom, Ton Schotteui Englandern, Franzosen Gewaltthätigkeiten gegen deutsche Schiffe Torfieleu, wo-
bey die Deutschen aber behaupteten» dass die Obrigkeit daselbst nicht ihre Schuldigkeit gethan habe^
Dergleichen sind bereils erwähnt worden« Andere findet man i« B. ÜB. XCViU. S. auch unten Receis
, Tom J. 1363« S. 516. über die Katermannen Ton Sluyt.
4D ÜB. CXCIX. CCVI.
248 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
sollten, die, welche einen ihrer Kaufleate oder Diener tödten oder aach an ihren
Gliedern verletzten {pfte mincke dede van lede)j fest zu halten, bis das Gericht
dazu komme, und dass man richten solle Lehen um Lehen, Glied um Glied, und
dass auf gleiche Weise der Dieh, der den Kaufleuten ihr Gut stiehlt, bestraft
werden solle, zu ewigen Zeiten i).
Was aber die drey vorzüglichsten Privilegien betrifft, so finden sich darin
ausser den frühern von dem Grafen Robert und den flandrischen Städten ihnen
ertheillen Freyheiten, die wörtlich darin wiederhohlt werden, besonders folgende
Zusätze: In der ersten in lateinischer Sprache ausgefertigten Urkunde:
Sie können alle ihre Güter und Waaren, wie und so oft es ihnen vortheil-
haft scheint, vertauschen und alle, so wohl von ihnen eingeführte, als in Flan-
dern gekaufte, nach welchen Ländern sie wollen, zu Wasser oder Land frey
ausfuhren, gegen den alt üblichen Zoll. Im Fall eines Kriegs zwischen dem
Lande und dem römischen Kaiser oder einem Fürsten des Reichs steht ihnen nicht
nur die bekannte Frist zum freyen Abzüge zu, sondern wenn sie vorzitihen in
dem Lande zu bleiben, so sollen sie auch dazu die Befugniss haben und für
ihre Personen und Güter allen Schutz geniessen und ihrer Freyheiten sich erfreuen.
Im Fall eines Schiffbruchs können sie die gestrandeten Güter gegen Erstat-
tung eines billigen Berglohns retten und frey darüber verfügen. " Kommt ein
Schiff ohne Mast und Steuerruder in einen Hafen oder an die Küste des Landes,
oder sind einige Güter aus dem Schiff geworfen worden, so kann Jeder zu deren
Rettung unverwehrt Hülfe leisten, ohne dazu einer Erlaubniss zu bedürfen, und
sollen sie denen, welchen sie vor dem Schiffbruche gehörten, oder deren nächsten
Erben wiedergegeben werden; und wenn keiner derselben zugegen wäre, so sol-
len sie ihnen Jahr und Tag aufbewahret bleiben, im Fall sie während der Zeit
sich melden sollten.
Wenn es in den alten Freybriefen heisst^ dass kein Kaufmann oder Schiff,
welches befrachtet ist, wenn nicht gerichtlich früher verklagt, verhaftet werden
dürfe, als nur dann, wenn eine neue gesetzliche Ursache hinzugekommen wäre,
weshalb sie nach den Ortsgewohnheiten festgenommen werden können : so
heisst es in diesen, dass es auch in diesem Falle nicht geschehen solle, wenn
der Kaufmann hinlängliche Bürgen stelle , worauf er, wohin er wolle, abzusegein
befugt bleibt.
1) ÜB. ccni.
S ECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL, U. FRANKR. 249
Jeder hat das Recht, seine Weine, gegen Erlegung der alten Accise (ein
Pfund Groschen Ton jeder i^irga vini)^ frey vom Zapfen zu verkaufen, oder zum
Verkauf, wohin er will, zu führen, und zu demselben sich frey der Gehülfen
zu bedienen, die ihm I^iemand, so lange sie in seinem Dienste sind, nehmen
darf. Entsteht Beschwerde über Mängel des Weins, so ist er zu prüfen; nach«
her steht ihnen frey, denselben so theuer sie können auch gegen des Ortes Rechte
zu verkaufen. Für den Wein zum Auffüllen zahlen sie keine Accise. Ist der
Wein zum vierten Theil aus dem Fasse gelaufen, so kann es verstopft und wieder—
gefüllt werden in Beyseyn zweyer gültiger Zeugen, ohne dass die Gegenwart des
Accise - Bedienten dazu erforderlich wäre; auch soll weder der Amtmann noch
der Zöllner oder der Mäkler Wein vom Kaufmanne oder aus dem Schiffe erhal- ,
ten, sondern sie sollen mit dem ihnen gebührenden Lohn zufrieden seyn. Auch
steht es Jedem frey, durch seine Leute den Wein abziehen und die Weinfässer
wieder binden zu lassen. Ist durch die beym Krahn Angestellten beym Heraus-
heben des Weins aus den Schifilen, oder durch die, welche ihn zu Land weiter
führen oder ziehen , derselbe ausgeschüttet oder sonst vernachlässigt w orden , so
sind diese zu dessen YoUfullung verbunden»
Jedem Schiffsherrn oder Schiffer steht es frey, sein Schiff an das Land za
bringen und es auszubessern, so oft er will, und wenn er einige Geräthschailen
seines Schiffs verloren hat, sie aufzusuchen und wieder zu sich zu nehmen, auch
sein Schiff zum Winterlager aufzulegen. Jeder Schiffsherr oder Schiffer, der mit
seinem befrachteten oder unbefrachteten Schiffe aus dem Hafen fährt und den Zoll
entrichtet hat, durch Wind und Wetter aber genöthigt ist, wieder umzukehren, zahlt,
auch wenn er neue Güter einnimmt, von den früher verzollten keinen neuen Zoll.
Kommt ein Schiff, in welchem englische Tücher sind, in ^t Zwin oder in andere
Gegenden des Landes, so können sie aus einem Schiffe in das andere, und vor-»
behältlich des Herrn Zoll, aus dem Lande wohin man will zu Wasser oder
JLiand geführt werdqn. Mit Gctraide {^frumento) beladene Schiffe geben die drey
üblichen Maasse ab.
Die grauen Tücher (panni)^ die aus Osten eingeführt werden, kann man
aller Orten frey verkaufen, sie unterliegen keinem Hallegeld. Alle in Flandern
verfertigte Tücher sollen ihr gehöriges Maass in der Länge und Breite haben , ihre
gebührenden Falten oder Umschläge {plicaturä)^ also dass sie gleich breit und
gut sind, jedes in seiner Art^ zu Anfang, in der Mitte und am Ende; sie sollen
li
250 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS-
ganz, nicht in der Mitte zwischen beiden Enden eingeschnitten seyn, ihre Ecken
nicht breiter als vor Alters.
Hat ein Kaufmann seine Güter auf seinen Eid verzollt, so soll man diese
nicht von Neuem aufschlagen, besehen und durchforschen. Ist ein Kaufmann
oder dessen Diener wegen eines Verbrechens am Körper bestraft worden, so
sollen seine Güter unbeschwert bleiben (non debent vlterius judicari).
Ist einer zu Wasser oder Land beraubt worden, und kommt der Räuber
oder das geraubte Gut nach Flandern, so sollen die Güter dem Eigenthümer
frey wieder gegeben, und der Räuber nach dem Rechte bestraft werden. Sind
aber die geraubten Güter in eines fremden Herrn Gerichtsbarkeit, Stadt, Flecken
oder Ort gebracht worden, und der Beraubte oder dessen Stellvertreter daselbst
mit Hülfe des Rechts (jure) aufgefunden, ist ihnen aber das Recht verweigert worden :
so soll der Räuber, wenn er in Flandern aufgefunden wird, verhaftet werden,
bis Recht und Gerechtigkeit über ihn gehandhabt worden ist; wo aber innerhalb
Landes die geraubten Güter gefunden werden, da sollen sie dem beraubten Kauf-
manne zurückgegeben werden, wenn er nach gesetzlicher Untersuchung durch seine
Zeichen {Marie) oder auf andere Weise glaubhaft darthun* kann, dass sie ihm zu*
vor gehörten , wenn gleich dieselben auf dem gemeinen Markte gekauft: oder
veräussert worden wären.
Hat Jemand einen Kaufmann oder dessen Diener in Flandern ermordet
oder geplündert, so kann derselbe, auf frischer That ergriffen, unsträflich fest-
gehalten werden (von den Deutschen), bis der Richter, der über die That zu
sprechen hat, hinzukommt. Flüchtet endlich ein solcher Mörder oder Dieb
in ein anderes Land, wohin er die Güter schafft, und hat der Beleidigte oder
dessen Stellvertreter daselbst sein Recht verfolgt , ist ihmu dieses aber ver-
weigert worden: so kann der Verbrecher, wo er in Flandern betroffen wird, bis
zum Rechtsspruche festgehalten werden ; wo aber diese Güter in Flandern gefunden
werden, da sollen sie dem Beraubten ausgeliefert werden, insofern er durch seine
Zeichen oder sonst glaubhaft nachweist, dass sie ihm zur Zeit des Raubes eigen-
thümlich zugehörten, wiewohl sie auf dem gemeinen Markte gekauft oder ver-
äussert worden.
Bedürfen die deutschen Kaufleute des Vorschreibens oder der Hülfe des Gra-
fen oder der flandrischen Städte, in ihren gerechten und billigen Angelegenheiten,
so sollen sie ihnen nicht verweigert werden , vielmehr sollen sie auf deren Hülfe
und Beistand rechnen können.
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D, NIEDERL. U. FRANKR. 251
Wenn ein aus unebclicher Geburt entsprossener Kaufmann in Flandern stirbt,
so sollen dessen hinterlassene Güter weder dem Landesherrn noch irgend sonst
Jemandem, sondern lediglich seinen nächsten Blutsfreunden zufallen.
Endlich sollen sie gemeinschaftlich und einzeln dieser Freyheiten in allen
Theilen sich erfreuen, wie sie am vortheilhaftesten für sie ausgelegt werden kön-
nen, ohne dass deren freyer Gebrauch durch andere Freyheiten von dem jetzigen
oder den frühern Landesherren gemeinschaftlich oder im Einzelnen ihren Städten
oder Orten erlheilt, dieselben entkräften könnten. Dagegen sollen die den deut-
schen Kaufleuten zuvor ertheilten Freyheiten in voller Kraft bleiben, und die
einen den andern keinen Abbruch thun i).
In der andern in flämischer Sprache ausgefertigten Urkunde, ward ihnen,
ausser der Wiederhohlung des Aeltern, und dessen, was in den ebenangefahrten
Urkunden entbalten ist , folgendes von Neuem bewilligt i) :
Die Stadt Brügge verspricht auf der gemeinschaftlichen Wage, einen tüch-
tigen Wächter zu bestellen; sollte indess den Kaufleuten durch dessen Verse-
hen ein Nachtheil entstehen, wie wenn er ohne Einwilligung des Verkäufers
Gut auslieferte, diess aber den Schöffen angezeigt werden, so soll die Stadt ver^
bunden seyn den Schaden zu ersetzen. Mäkler sollen keinen Antheil an dem
Gute haben , dessen Kauf oder Verkauf sie durch ihren Dienst vermitteln. Auch
die Lebensmittel zum eigenen Verbrauche, mit Ausnahme derer, die sie zur See
oder zu Land einfahren, bleiben frey yon der Accise.
Empfängt der Schreiber oder Diener eines Wirths der (deutschen) Gäste
Geld oder Gut und entführen jene dasselbe, so soll der Wirth, litt aber
der Kaufmann durch seinen Wirth Schaden, so soll die Stadt, wo der Kaufmann
Hegt , dafür haflen 3). Nur fiir Wachs sollen öffentliche Wrakcr , Leute , die
4) UB. CXCXVIIb. 2) UV. 1360. 1, 2.
3) Die Haft der Wirthe kommt schou iu deu früher erwahuten Freiheiten Tor, die Haft der Stadt Tur
die Wirthe ist eiu wichtiger Zusatz« Iu einer Urkunde ohne Jahrzahl (ÜB. CCVHI.)« welche aber wahr-
tcheiulich in die Zeit kurz nach dem J. 1360 zu setzen ist» kommt noch etwas 'Wesentliches zur Erläu-
terung dieser Haft Ton Seiten der Wirthe , bey welchen die Deutschen wohnten , Tor« Die Urkunde
enthält einen Brief der Alterleute und des gemeinen Kaufmanns zu BrOgge in sächsischer Sprache i an
Lübeck (die Bezeichnung Heuse oder Hanse kommt nicht darin Tor, welches eben nebst Auderra auf
diese Zeit schliessen lässt) , in welchem sie deu Empfang des lübischen Schreibens an den Grafen und die
drey flandrischen Städte anzeigen» und wie sie es zwar durch einige ihrer Gesellen nach Gent, woselbst
der Graf) seine drey Städte und das ganze Land yersammelt gewesen, ihnen überschickt, aber keine Ant-
wort erhalten hätten» da die Städte und des Grafen Kanzler mit der Ueberhäufuiig der Geschäfte sich
entschuldigten, sobald als möglich aber sie zu geben versprochen hätten, welche sie, die Alterleute.
li 2
252 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
dessen Gute prüfen, wenn es nicht besiegelt ist, angestellt werden. Etwas anders,
doch mehr in den Worten als In der Sache lauten darin die Bestimmungen wegen
Mörder und Räuber, die von den alleren wenig unterschieden sind, dagegen
sind folgende neu und bedeutend. Zu Sluys sollen nicht weniger denn vier Mäkler
für das Salz seyn , und diese sollen in keiner Gesellschaft mit den Salzverkäufem
stehen, noch an dem Salze selbst Theil haben. Die fiinf Grote von dem Pfund
Grote, die man in Gent von verkauften Gütern ausser dem alten Zoll und den
Maklergebühren gibt, sollen abgeschafft seyn. Leinwand, die der Kaufmann nach
TIandern bringt und daselbst verkauft, sollen zehn Repe vom hundert und nicht
mehr abgeben , und die Repe der Leinwand sollen gleich seyn denen beyra
Tuch. Die, welche Häring in das Land bringen, mögen die Häringstonnen voll-
füllen, und, wie es ihnen zuträglich scheint, Lake darauf giessen. Bey den Schif-
fen, die Korn in das Land bringen, soll beym Messen desselben also verfahren
werden, dass man bey dem Schiffe, bey welchem zu messen angefangen worden
ist, auch fortfahre, bis das Korn gänzlich gemessen ist^ bevor man mit dem
Messen eines andern beginnt. Jedem Schiffer steht frey, sein Schiff zu laden oder
zu entladen, vor Aufgang oder nach Untergang der Sonne, wie es seinen Fracht-
leuten dienlich scheint. Man soll auch den alten Zoll nach der Verordnung ent-
richten und nicht mehr. In der dritten Urkunde werden die Mäklergebühren fest-
gesetzt, die in mehrem Puncten, wie es scheint, geringer angesetzt waren als in
früherer Zeit Es sind aber darin dieselben Mängel wie in den frühem^ Ein— und
Ausfuhr ist nicht genau darin geschieden i).
Auf dem Tage der gemeinen Städte und Kauflcute der Deut-
schen zu Lübeck auf Bartholomaei (1360)) schlössen dann auch der Abge-
sandte des Grafen und zwey Schöffen von jeder der drey flandrischen Städte
wegen alles noch vorhandenen Zwistes zwischen ihnen und den gemeinen
Städten des gemeinen Kaufmanns von der deutschen Hanse ab und
«obald »ie solche erhalten, sofort übersenden ivürden* Bey dieser Gelegenheit kommen Alterleute tmd
Kaufmann auch anhangsweise auf die 'Wirthe zu sprechen > sie beschweren sich , dass diese ihre Wirthe
nicht weiter für Die haften wollten» welchen sie, die Deutscheu, in ihren Wohnungen Guter irerkauH
hätten. Offenbar soll diess heisseu , dass die Hauseigenthümer ihnen, den deutschen Kaufleuten , welche
als Fremde der Käufer personliche Verhältnisse nicht so wie die Einheimischen kenneu konnten , für
die Zahlungsfähigkeit derselben halben mussten. Ganz mit Recht setzen die Alterleute hinzu, diess sej
eines ihrer grossteu Privilegien, sie bitten Lübeck, allen Fleiss anzuwenden, dass es ihnen erhalten würde«
1) CXCVII.
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 253
legten ihn bey, wie die darüber bekannt gemachte Urkunde beweiset i). Unter
allen flandrischen Urkunden, die sich auf die Städte beziehen^ ist diese die erste,
welche einer gemeinen deutschen Hanse von Städten und Kaufleuten erwähnt; die
Freyheltsbriefe selbst von dem Grafen und den Städten von eben diesem Jahre,
gedenken nur der Kaufleute des römischen Reichs von Alemannien; seihst in den
Vollmachten für ihre Gesandten drücken sich der Graf und die Städte so aus, dass
sie ihnen Vollmacht erthellen , an den Rath zu Lübeck und die anderen Kaufleute
der Städte und Flecken {viiteri) Alemanniens die Freyheitsbriefe zu übergeben,
und mit ihnen über den Schadensersatz abzuschliessen zu Lübeck oder anderswo
auf der allgemeinen Versammlung der Kaufleute Alemanniens {partium Almannie).
Es ist nicht anzunehmen, dass die gemeinen Städte diese Benennung begehrt
haben; alle frühem Freyheiten lauteten auf dem Hansetage, wo diese Erklä-
rung erlassen ward, auf die Kaufleute des römischen Reichs von Alemannien,
und es musste die Macht des Vereins schon um Vieles fester gegründet seyn, dass
man es'wagen konnte, diese Benennung mit der alten zu vertauschen. Die deutschen
Kaufleute zu Brügge nannten sich daselbst noch einige Jahre nachher des römi-
schen Reichs Kaufleute von Alemannien; man mochte wohl, bevor die Macht des
deutschen Vereins der Städte und Kaufleute "vollkommen ausgebildet war, er im
Vorlhelle sich befand und gebieten konnte, den alten Nahmen nicht ändern, wie-
wohl der neue schon in andern Ländern des Nordens, in England, selbst in
Holland früher im Gebrauche war, um vielleicht nicht in ungünstigen Verhält-
nissen den Genuss der zugestandenen Freyheilen bezweifelt zu sehen, welche des
römischen Reichs Kaufleaten von Alemannien, nicht den hansischen, zugetheilt
worden waren.
Laut dieses Vertrags nun wurde dem gemeinen Kaufmanne von der deutschen
Hanse wegen der Schiffe , die vor Antwerpen lagen 2), eine Entschädigung Nah^
mens des Grafen von fünfzehnhundert brüggischen Schilden binnen der Frist von
drey Jahren, auf Ostern zu Lübeck zahlbar, zugesagt, zugleich aber näher be-
stimmt, wie diese unter die einzelnen hansischen Kaufleute (die dadurch Scha-
den gelitten) vertheilt werden sollte. Ferner versprachen die Abgeordneten Nah-
1) CCVIL
2) lieber diese Schiffe, die tot Aatwerpen lageu, ist uichta Näheres bekannt, aber dass, es sey durch
Beraubung derselben oder durch Verletzung der Freyheiten der Deutschen Einzelne Schaden an diesen
Schiffen gelitten hatten, das erhellt aus den Eutschädigungs- Summen, die ihnen angewiesen werden.
254 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
mens der Stadt Brügge wegen des erlittenen Schadens an Korn , das die Stadt
vor drey Jahren gegen des Kaufmanns Willen hatte hinwegnehmen lassen, vier
und neunzig Pfund Grote und 17 Schill. Gr., unter die genannten Einzelnen nach
Maassgahe ihres Verlustes zu vertheilen , zahlbar zu Lübeck auf nächste Ostern zur
Hälfte, die andere auf Michaelis. Endlich ward gelobt, Nahmens der Stadt Brügge,
alles, was sie oder die Ihrigen von dem schottischen Gute empfangen hätten,
auf Martini den Bevollmächtigten der Stadt Lübeck auszuhändigen. Was aber
der Kaufmann noch sonst wegen des schottischen Guts nachher zu fordern hat, das
soll bleiben wie der schriftliche Vertrag, der desshalb zwischen dem Kaufmann mid
den Schotten aufgerichtet worden, und den die Stadt Brügge besiegelt hat, aus-
weiset, und diess soll Kraft haben in Bezug auf der Schotten Gut von Michaelis an,
bis der volle Ersatz des Schadens erfolgt ist.
Auch versprachen die Abgeordneten aus Flandern zu Lübeck mit und für
die von Brügge, dass den Kaufleuten von der deutschen Hanse der Schaden,
welchen sie von Laures van der Bursen erlitten, zwischen hier und St. Mar--
tini oder spätestens vierzehn Tage nachher, in gleichem Verhältniss ihres Verlustes
ersetzt werden solle, von dem Gute, welches er und die Andern nachgelassen
und welches in Flandern gefunden würde. Wäre es indess Noth, den Tag noch
um vier Wochen zu verlängern, so sollen die in das Land abzusendenden
Boten dazu Macht haben. Sie versprachen ferner mit und für die Stadt Ypem,
dass sie dafür sorgen wollen, dass dem Rathmann von Thorn, Johann Rode, an
demselben Tage die sechszig Pfund bezahlt würden, welche Wilhelm Wagener
ihm schuldig ist. Wegen der Beschwerden der Stadt Cöln und der westphäli-
sehen Städte, die sie gegen den Grafen von Flandern und die Stadt Brügge haben,
soll der Graf Einen aus seinem geschworenen Rathe und die von Brügge zwey
Schöffen nach Cöln senden, um die Sache durch Verein oder in Recht zwischen
jetzt und Martini zu endigen, gleich wie es geschehen wäre, wenn sie zu Lübeck
gewesen wären, wenn sie sich nicht zuvor deshalb verglichen. Hätte aber Einer
der deutschen Hanse hier zu Lübeck seine Beschwerden vorzubringen versäumt,
und hätte er noch dergleichen gegen den Grafen oder die Städte Gent, Brügge
und Ypem vorzubringen, oder gegen andere flandrische Städte, so sollen sie
dazu noch ferner von nächsten Michaelis an zwey Jahre lang dazu und zur
Verfolgung ihres 'Rechts befugt seyn, wie jetzt zu Lübeck hätte geschehen sollen.
Hätte aber Jemand über einzelne in Flandern ansässige Personen zu klagen, dem
sollen die Schöffen des Landes nach dem Landrechte zu seinem Rechte verhelfen.
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M, D. NIEDERE. U. FRANKR. 255
Sollte aber einer aus Flandern Jemanden von der deutschen Hanse rechtlich an-
sprechen wollen, so soll man ihm nach dem Stadt- Rechte des Beklagten zum
Recht verhelfen.
So glorreich waren alle Streitigkeiten nun beygelegt, den Deutschen waren
alle ihre Forderungen bewilligt worden, und man erkennt aus Allem, welchen
Werlh der Landes -Herr und die Städte desselben auf ihre Anwesenheit in Flan-
dern legten. Die Yortheile schon allein aus den Zöllen und andern Abgaben,
welche der Graf und die Städte davon erhielten, so wie der vermehrte Absatz
flandrischer Guter, mannigfaltiger Verdienst und Genuss von einem so bedeu-
tenden Handel waren handgreiflich, so dass die Fläminger zu allen Bewilligungen
bereif waren. * *
Diese erworbenen Freyheiten sind denn während der Bluthe des Handels
der Deutschen oder der Hansen auch stets die Grundlage ihres Stapels geblieben,
obwohl die Beschwerden und Streitigkeiten über deren Erhaltung nie aufgehört
haben ; es blieb auch später ein immerwährender Kampf; und wenn die Einwohner
der Stadt Brügge bald eifersüchtig waren, dann ihre Versprechungen nicht hielten,
dann mehr erpressen oder die Freyheiten beschränken wollten, die versprochenen
Zahlungen nicht leisteten^ so schwiegen die deutschen Alterleute und Vorsteher
der Niederlage so wenig als die deutschen Städte, die mit der regsten Eifersucht
über die Erhaltung der ihnen zugestandenen Freyheiten wachten, und sie eben
so zu erweitern suchten, wie der andere Theil sie zu beschränken bemüht war.
Sie Hessen nicht nach, und vnirden wohl überlästig, ermüdeten aber nie, und
waren immer ihrer Sache gewiss, so lange auf ihr Verweilen im Lande ein so
hoher Wcfrth gelegt ward, und ihre letzte Drohung immer die bleiben durile,
ausserhalb Landes oder ausserhalb Brügge ihren Stapel zu verlegen.
Wahrscheinlich sind schon kurz nach diesem Abschluss neue Beschwerden
entstanden, wie aus einer Urkunde zu erhellen scheint, welche zu Quesnoy (ATe^-
noii) im J. 1368 Albrecht, Herzog in Bayern, Pfalzgraf beym Rhein und Ruwart
von Hennegau , Holland , Seeland und Friesland ausfertigte , worin er erklärt , dass
er zum Vortheile der gemeinen Kaufleute von Almannien und von der deutschen
Anse und der Kaufleute seiner Lande eingewilligt habe, dass, wenn Jene ihren
Stapel und Kaufmannschaft zu Dortrecht halten wollten, wie sie zu Zeiten seines
Bruders einige Zeit gethan hätten, er sie aller der Rechte und Freyheiten theilhaf-
tig machen wolle, die sie daroahls von demselben erlangt hätten; er bevollmäch-
tigt die Dortrechter ' oder deren Boten deshalb mit dem Kaufmann Tage zu
\
256 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES H.iNDELS.
halten und Abrede zu nehmen, worauf er den (deutschen) Kaufleuten Handfesten
und Briefe ertheilen \volle, um sie sicher zu stellen l).
IndeSvS mag sich das Unwetter wieder verzogen haben, die Deutschen bhe*
ben mit ihrem Stapel mehrere Jahrzehnde in Brügge und erfreuten sich ihrer Frey-
heiten, waren sich und dem Lande von Nutzen. Denn man kann es nicht genug
sagen , hier haben sie keine verderbliche Monopole geübt ; was sie an Freyheiten
erwarben und erzwangen, war was billiger Weise zum Schutz eines freyen Ver-
kehrs gefordert werden konnte und also beiden Theilen gewiss gleich nützlich war.
Wenn nun die deutschen oder hansischen Kaufleute ihren vornehmsten Stapel
in Flandern und zwar vornehmlich in Brügge hielten , so haben sie sich doch auf
diese Stadt nicht allein beschränkt. AbgcsÄen davon, dass sie von Zeit zu. Zeit
unzufrieden mit dem Lande oder der Stadt Brügge den Stapel in andere Orte, als
nach Ardenburg in Flandern und nach Dortrecht ausserhalb des Landes verlegten:
so hatten sie stets und immer kleinere Hauptvereine zu Brügge, untergeordnete
Vereine in den Niederlanden, in mehrern Theilen Flanderns und in andern nie-*
derländischen Städten und Provinzen, sie besuchten andere Märkte, trieben den
Verkehr in andern Theilen; es verhielt sich hier ganz so, wie in andern Ländern
Europas, wo die Deutschen dergleichen Haupt- und Nebenniederlagen hatten.
Auch wurden bey dem Besuchen der grössern Jahrmärkte in den Niederlanden,
einige Alterleule oder Rathmänner der grössern Niederlage abgeordnet, um daselbst
die Ordnung zu handhaben und die erworbenen Freyheiten aufrecht zu erhalten,
indem die Kaufleute auch von Brügge aus diese Märkte besuchten, um daselbst
möglicher Weise die erste Hand beym Ankauf zu haben , und geradezu mit den
Abnehmern ihrer Güter zu verkehren. Aber von der Hauptniederlage aus wurden
die Ordnungen in Flandera und den benachbarten Landestheilen gehandhabt, und
besondere Verträge mit ihnen eingegangen.
So kommt eine Uebereinkunft von dem J. 1347 zwischen den Kaufleuten
von Alemannien und den Poperingern vor, worin besondere Bestimmungen über
die daselbst verfertigten und von den Deutschen weit und breit bis in den fernsten
Norden verführten Tücher festgesetzt wurden, worin die Poperinger versprachen,
die Tücher ohne alle Gebrechen zu liefern, dass kein Wardierer seine eigenen
Tücher beurtheilen solle, von welcher Farbe sie wären, die er etwa zu liefern ver-
bunden sey. Kein Wirth der deutschen Kaufleute, oder dessen Weib, oder sonst
1) ÜB* CCXXXIV.
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 257
Jemand in dessen Nahmen soll in der Gemeine {eure) von Poperingen Tücher kau-
fen um sie -wieder zu verkaufen, bey Strafe von 10 Pariser Schillingen und bey
der sechsfachen, wenn ein solcher Tücher für einen Kaufmann kaufte, ohne dass
er oder sein Diener zugegen wären j es wäre denn, dass der Einheimische bey
dem Ankaufe von zwanzig Tüchern oder darunter, durch einen schriftlichen Auf-
trag der Kaufleute mit ihrem Siegel versehen, sich deshalb zu rechtfertigen ver-
möchte. Auch soll kein Wirth eine Tuchbereitung {draperie) besprechen , oder
besprechen lassen, wenn der Kaufmann selbst zu Hause ist, von welcher Farbe das
Tuch auch sey, bey Strafe von 60 Pariser Schillingen. Niemand soll Tücher bey
Strafe von 10 Painser Schillingen verkaufen, bevor sie vom Rahmen abgenom-
men sind , es wäre denn , dass der Kaufmann eine besondere Farbe ihnen geben
wollte, die man gemeinhin zu Kauf nicht lande. Auch soll kein Pfahlbürger von
der Gemeine Tücher kaufen, oder kaufen lassen um sie wieder in derselben zu
verkaufen, als allein des Montags in jeder Woche mit seinem eigenen Vermögen,
ohne mit Andern innerhalb oder ausserhalb der Gemeine in Gesellschaft zu ste-
hen, bey Strafe 10 solcher Schillinge. Brächten oder sendeten die Kaufleute
ihren Wirthen Kisten mit Gütern zum aufbrechen daselbst zu, und entstände
daraus Schaden für sie, so wollen die Poperinger dafür haften i).
Gewiss haben sie ähnliche Verträge, viele und mannigfaltige mit andern
flandrischen Orten, nahmentlich denen, wo besonders die Tücher bereitet wurden,
abgeschlossen, die nicht auf uns gekommen sind. Nur die Uebereinkunfl mit dem
unbedeutenden Poperingen hat sich erhalten; es war aber für das Bestehen des
deutschen Handels im Norden und besonders in Nowgorod für die Vereinten von
der grössten Wichtigkeit, gute niederländische Tücher dahin zu liefern, die sie sehr
zahlreich daselbst einführten, und über deren Verfälschung oder Schlechtigkeit sie
mit den Eingeborenen nur zu häufig in Streit geriethen, ja alle ihre Freyheiten
einbüssten, und sogar von da vertrieben wurden. Mochte diess von der Triegerey
einzelner deutscher Kaufleute nun herkommen, oder von denen, welche die Güter
verfertigten, die Folge blieb dieselbe; der Verein hat sich stets auf das Eifrigste
bemüht, beiden Quellen des Betrugs vorzubeugen, ohne jedoch immer glücklich
zu seyn, denn die Klagen hörten nie auf.
Wenn Flandern und nahmentlich Brügge die wichtigste Gegend des Nieder-
landes für den norddeutschen Handel war, so gebührte Brabant die zweyte Stelle«
1) ÜB. CLXV.
Kk
258 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Die vereinten deutschen Kaufleute erhielten von des Landes Herzogen Freyheitcn
gleich denen in Flandern ; über Bergen op Zoom ging längs der Scheide ihr Han-
del vorzüglich nach Antwerpen und Mecheln, wo sie die Jahrmärkte vorzugsweise
besuchten, auch eine aus ihrer Mitte gewählte Obrigkeit hatten, die, wie aus
spätem Nachrichten erhellet, der Hauptniederlassung zu Brügge, so lange der gemeine
Kaufmann daselbst lag, untergeordnet war. Sie erstreckten ihren Handelsbetrieb
durch die ganze Provinz unter dem Schutze der von den Landesherren daselbst
erworbenen Freyheiten.
Colin hat bereits im J. 1251 Ton Heinrich HL, Herzoge Ton Lothringen und
Brabant, einen Freybrief erhalten, durch welchen den Kaufleuten dieser Stadt
freyer Verkehr in seinen Landen gegen Erlegung des herkömmlichen Zolles, Be-
freyung der Schuldner von persönlicher Haft, jedoch unter der Bedingung, sich
vor den Landesgerichten zu stellen, selbst im Falle eines Krieges des Herzo-
ges mit dem Erzbischofe von Colin, zugesichert wird. 1256 ertheilte derselbe Her-
zog den Kaufleuten von Hamburg freyes Geleit fiir sich und ihre Waaren in
seinem Gebiete, mit übernommener Verpflichtung, dasselbe nicht anders als unter
einer drey Wochen vorher erfolgten Aufkündigung aufzuheben. Im folgenden Jahre
wurden diese Schutzbriefe erneuert mit dem Zusätze, dass auch eine etwanige
Fehde zwischen dem Herzoge und den norddeutschen Landesherren der Sicherheit
des Verkehrs der Hamburger in seinem Gebiete nicht in den Weg treten solle: so
wie ihnen auch verstattet wurde, den bisher mit englischem oder Sterlings -Geldc
bezahlten Zoll hinflihro in ihrer eigenen Münze zu entrichten. Seine Wittwe, die
Herzogin Adelheyd, bestätigte den Hamburgern diesen Schulzbrief im J. 1266 ^).
Herzog Johann von Brabant ertheilte im J. 1297 zu Brüssel den Lübeckern
(deren früherer Verkehr mit Brabant jedoch schon aus einer bereits angeführten
Urkunde von J. 1278 hervorgeht) für ihre Person' und Güter ein allgemein siche-
res Geleit, also dass weder die Einen noch die Andern in Kriegszeiten oder der
Schulden Anderer wegen festgehalten werden sollten, es wäre denn wegen eige-
ner Schulden. Diess Alles jedoch nur auf Widerruf von Seiten des Herzogs,
welcher vierzig Tage zuvor ihnen angezeigt werden soll 2).
Derselbe einheilte im J. 1315 allen Kaufleuten des alemannischen oder deut-
schen Reichs und allen andern, aus welchem Reiche und Land sie seyn
i) UV. 1251. 7. 1256. 3. 1257. 2. «nd Nachträge zum J. 1266.
2) ÜB. LXXXVI.
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 259
mögen, allgemeinen Schutz und sicheres Geleit für sich, ihre Diener und Güter,
Freyheit, sein Gebiet zu Wasser und Lande zu besuchen, mit ihren Gütern, wo sie
auch gekauft, darin zu verkehren, und zu verweilen, wie es ihnen gut dünken
mag, bey Erlegung der folgenden Zölle, und Abschaffung aller übrigen, vorausge-
setzt, dass sie vorzüglich in Antwerpen verkehren. Bey Bergen op Zoom zahlt
jedes Schiff bey der Hin - oder Herfahrt vier schwarze tournesische Schillinge,
worauf das Schiff frey von da nach Antwerpen, oder von da nach Bergen zu-
rück fahren kann. Dann folgt die Zollrolle für einzeln nahmhaft gemachte Güter,
bey der aber die bey der von Flandern angeführten Gründe verhindern, die
Folgerungen daraus zu ziehen, welche wir darin suchen möchten.
Von den Gütern, die keinem besondern Zoll unterworfen sind, soll ähnlich
nach der Schätzung oder Ansatz der genannten und dem besondei^n Zolle unter-
worfenen Güter die Abgabe entriclitet werden. Ein Ballen Kaufmannsgüter, die
nach dem Gewichte verkauft werden, soll dreyhundert, die nicht nach dem Ge-
wichte verkauft werden, vierhundert, und der Zentner hundert Pfund enthalten.
Alle Kaufleute, die Waaren im Lande kaufen und ausser des Herzogs Land ftihren,
sollen von den genannten Abgaben frey seyn, wenn die Verkäufer, die sie ihnen
verkauft, dieselben bereits bezahlt haben^ oder wenn sie etwa durch ein ihnen er-
theiltes Recht davon befreyt sind.
Die Kaufleute können gemeinschaftlich mit des Herzogs Schöffen zu Antwer-
pen, so oft es ihnen nützlich scheint, das Gewicht (die Gewichtstücke) verbes-
sern , mehren oder mindern, nach ihrem Gutdünken und Vortheil ermässigen, also
dass der gemeinschaftliche Wagemeister von den Kaufleuten und den Schöffen
gewählt und angeordnet wird, vor welchen er den Eid zu schwören hat, treu
lind recht dem Käufer und Verkäufer zu wiegen : thut er es nicht, so soll er nach
der Ordnung und dem Gutlinden der Kaufleute und Schöffen bestraft und ein
Anderer an seine Stelle gesetzt werden. Derselbe soll für jeden Sack Wolle, den
er wiegt, vier schwarze tournesische Schillinge erhalten; für jeden Ballen anderer
Waaren, dreyhundert Pfund wiegend, nur nach dem Gewichte verkauft, zwey,
und so fort yerhältnissmässig vom Käufer; er empfangt nichts von dem, was
er nicht wiegt.
Die Kaufleute können zu billigen Preisen in der Stadt Antwerpen Häuser
mietben und innehaben nach der Ordnung der Schultheissen , der Schöffen des
Orts und der Kaufleute, also dass die Miethe des Hauses, welches sie einmahl
gemiethet haben, ihnen nachher nicht gesteigert werden darf. Man soll ihnen
Kk 2
*.
260 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
auch diejenigen Häuser zum billigen Preise vermiethen, die man sonst nicht zu
Termiethen gewohnt war. Yerlässt ein Kaufmann die Stadt^ so soll er nur nach
Verhältniss der Zeit, in welcher er darin wohnte, zahlen, es sey denn, dass er
mit dem ;Bürger auf ein ganzes Jahr, oder eine bestimmte Frist abgeschlossen
habe. Sollte aber eine sehr grosse Zahl Kaufleute mit ihren Gutern nach Ant-
werpen kommen und die Bürger w^ollten, durch welchen Greist auch getrieben,
ihre Häuser ihnen nicht vermiethen, so soll der Schullheiss sie in des Herzogs
Nahmen nöthigen, dieselben zu einem billigen Miethpreise ihnen zu überlassen.
Die Kaufleute oder ihre Diener sollen wegen eines Vergehens oder einer
Schuld nicht ins Gefangniss gesetzt werden , wenn sie fiir die Schuld hinlängliche
Bürgen oder mit ihren vorgefundenen Gütern die angemessene Sicherheit stellen,
und das Verbrechen nicht Hals oder Hand angeht.
Im Fall eines Streits zwischen den Kaufleuten und den Bürgern oder mit
wem es sonst sey, soll keine Genossenschaft oder Verein der Bürger gegen
die Kaufleute oder deren Diener zusammentreten, noch nach ihrer Willkühr ihnen
eine Strafe auflegen noch eine Beleidigung zufügen; sondern der Zwist soll durch
das Urtheil der Kaufleute und des Schultheissen und der Schöffen beigelegt und
die Busse nur nach ihrem Ermessen geleistet werden. Sollte aber einem der Kauf-
leute etwas zu Leide widerfahren, von einem der nicht von ihrer Gesellschaft oder
aus ihrem Lande ist, und würde darüber geklagt, so soll derselbe sogleich nach
dem Urtheile der Kaufleute, des Schultheissen und der Schöffen wegen des Un-
rechts bestraft und die Klage damit niedergeschlagen werden.
Sollten einige flämische Kaufleute, oder aus welchem Lande sie seyn mö-
gen, über einige andere (fremde) Kaufleute oder deren Diener, wegen verkauf-
ter oder vertauschter oder sonst veräusserter Wolle oder wegen anderer Güter zu
klagen haben; wäre aber die Wolle, oder wären diese Kaufmannsgüter, über
welche geklagt wird, zuvor gezeigt, besehen und aus dem Hause der Verkäufer
oder Wieger abgeliefert worden , ehe der Kauf oder Tausch geschlossen ward ;
so soll der Kläger deshalb nicht weiter gehört werden: wären aber die Waaren
zuvor nicht gezeigt und besehen worden, so soll die Klage angenommen und
durch den Spruch der Schöffen und Kaufleute erledigt werden.
Die in des Herzogs Landen oder anderswo gekauften Güter können die Kauf-
leote durch dasselbe fuhren oder fuhren lassen, ohne weitem Abgaben unter-
worfen zu seyn als denen , welche sie bey ihrer Ankunft zu Antwerpen zu ent-
SECHSTER ABSCHN.! HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR, 261
richten hatten; dasselbe soll gelten, wenn sie m einer andern dem Herzoge unter-
worfenen Herrschaft in Mecheln oder in einer entfernten Stadt Güter gekauft
haben; sie sollen gleichfalls wegen der daselbst von ihnen entrichteten Abgabe
Ton allen andern im Lande frey seyn.
Würden sie innerhalb des Landes Grenzen beraubt, so soll man ihnen diese
ihre Güter ausantworten, und ihnen den Schaden ersetzen.
Auch soll keiner dieser Kaufleute verhaftet werden, es sey wegen ein^r
Schuld oder einer andern Ursache halben, wenn der Kläger nicht darthut, dass
der Verhaftete der Hauptschuldner oder Bürge sey. Ist aber ein Unterthan des
Herzogs, der in dessen Lande sich aufhält, einem Kaufmanne etwas schuldig und
hat er oder dessen Diener Schuldbriefe darüber, oder besitzt er das Zeugniss der
Schöffen irgend einer der Städte des Landes oder anderer glaubhafter Personen,
oder ein Kerbholz (iallia 8. dicä)y womit er seine Forderung beweiset: so soll
sofort schleunig Recht und Gerechtigkeit geübt werden, nach den Gewohnheiten
der Stadt, wo er seine Forderung einklagt, oder seinen Schuldner findet. Da
aber die Kaufleute keinen sichern Yerhaftsort fiir ihre Schuldner haben, so ge^
steht ihnen der Herzog fiir sich und seine Nachkommen zu, dass seine Richter an
dem Orte, wo sie ihre Klage gegen ihre Schuldner fuhren, diese in Yerhaft halten
sollen, bis sie den Kaufleuten oder deren Dienern Genugthuung gethan und beide
Theile sich mit einander vereinigt haben. Flüchtet ein solcher Verhafteter, oder
würde er böslicher Weise entlassen; so haftet der Richter dem Kaufmann oder
dessen Diener für die Schuld.
Bräche ein Krieg zwischen dem Kaiser oder einem andern Fürsten irgend
eines Landes und dem Herzoge aus , so soll , nach erfolgter Anzeige , vierzig Tage
nachher der freye Abzug auf ihre Kosten den Kaufleuten frey stehen; nach her-
gestelltem Frieden aber ihnen frey bleiben, unter dem Genuss der vorbenannten
Freyheiten wieder in das Land zurückzukehren.
Sie, die alemannischen oder deutschen Kaufleute mit ihren Genossen, und
Andere die ihrer Gesellschaft beytreten wollen, können sich einen Capitain oder
Consul (sonst Oldermann) erwählen und Versammlungen nach ihrem Gutdünken
halten , ohne die hei*zoglichen Richter und Schöffen dazu aufzufordern , um zu
ordnen und zu strafen alle Vergehen , die ihnen wegen Verträge und Handel ver-
fallen, mit Ausnahme der Verbrechen, die an Hals und Hand gehen; alle andere
können sie vor der Versammlung der Kaufleute nach ihren alten Gewohnheiten
strafen.
262 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Sie können sich ihre besonderen Packer und Arbeiter halten, deren sie be-
dürfen, die eidlich bekräftigen sollen, ihnen treu zu dienen gegen den sonst ge-
wöhnlichen Lohn ohne allen weitem Streit ; vergeht sich aber einer derselben
gegen einen, der zu der Gesellschaft der Kaufleute gehört, und wird darüber von
der Versammlung derselben geklagt, so soll der Arbeitsmann, zufolge der bisher
unter den Kaufleuten üblichen Ordnung, gestrafl werden.
Die Kaufleute und ihre Diener können Waflfen kaufen , besitzen und tragen,
und jede Art Waffen fuhren , auch nach ihrem Gutfinden innerhalb des herzog-
lichen Gebietes sich bewaffnen; vergehen sie sich aber mit denselben, indem sie
solche aus der Scheide ziehen und Andere verwunden oder stechen, so soll zu-
folge der Ordnung oder des Spruchs des fürstlichen Richters, der Schöffen und
der Kaufleute, das Vergehen gestraft werden; sollte einer aber durch die Kaufleute
oder deren Diener, die Waffen führen, um das Leben kommen, oder verstüm-
melt werden, worauf die Strafe Leben um Leben Glied um Glied ist, so soll der
Thäter nach des Herzogs Spruch und Willen bestraft werden.
Allen deutschen Kaufleuten und allen andern, die auf einige Zeit nach Ant-
werpen kommen, gesteht der Herzog fiir sich und seine Nachkommen zu, Wein, Bier
und andere Getränke, welche sie vorziehen, in ihren Wohnungen fiir sich, ihre Ge-
nossen und Gesinde zu haben, ohne Accise davon zu entrichten, wenn sie die-
selben nicht an Fremde verkaufen. Sie sämtlich, woher sie auch sind, haben
die Befugniss, innerhalb der Stadt Antwerpen Bier und Lebensmittel zu verkaufen,
zu brauen und zu mahlen, bey Erlegung der schuldigen, billigen und üblichen
Accise.
Es steht ihnen ferner frey, Wechselgeschäfte zu treiben , mit wem sie wollen,
einander Zahlung zu leisten und zu empfangen, mit und ohne Briefe, wie es
ihnen gut dünkt.
Keiner ihrer Diener oder Knappen kann seines Herrn Güter im Brettspiel^
durch Gefecht, Vergehen oder auf andere Weise veräussern, oder vei^anlassen,
dass sie in Beschlag genommen werden, sondern er soll an seiner Person, wenn
das Vergehen von solcher Grösse ist, gestraft werden.
Knappen oder Boten mit der Kaufleute Geschäfte beauftragt^ oder, bey
ihnen verweilend (in Dienst stehend), welche über ihren Herrn klagen, sollen nur
dann mit der Klage gehört werden, wenn die Sache an vierzig kleine Pariser
Schillinge hinanreicht; haben sie aber in den ihnen aufgetragenen Geschäften
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 263
durch eigene Schuld gefehlt, beym Brieftragen oder auf andere Welse, und der
Kaufmann klagt vor des Herzogs Richtern, so soll dem Kaufmanne schnell zu
seinem Rechte geholfen und dem Worte desselben lediglich Glauben beygemessen
werden. Schlägt der Kaufmann seinen Handlungs - Diener, Knecht oder seine
Magd wegen eines Vergehens, ohne dass sichtliche Wunden bleiben, so soll der
herzogliche Richter sich nicht einmischen, noch dem Kaufmanne eine Busse auflegen.
Werden der Kaufleute Güter bey der Ankunft in Antwerpen , oder bey der
Rückkehr von da nach Holland, Seeland oder wohin es sey, angehalten, so ver-
spricht ihnen der Herzog fiir sich und seine Nachfolger, durch seine Schreiber
und Bolen Rath, Gunst und Beystand zu leisten, auf dass sie ihnen gänzlich
w^ieder erstattet würden. Diess Alles hat der Herzog eidlich mit Berührung der
Evangelien beschworen, bey Verpfändung aller seiner und seiner Nachkommen
Güter 1).
Diese zugestandenen Freyheiten, obwohl nicht ausschliessend den norddeut-
schen Kaufleuten ertheilt, doch gewiss zu ihren Gunsten eigentlich gegeben, über-
trefi'en an Bedeutung und Umfang alle andere, die sie irgendwo im Niederlande
erhalten haben, auch selbst die in Flandern oder Brügge erworbenen, in vieler
Beziehung. Die Kaufleute werden bey des Herzogs Richter und den Schöffen der
Stadt Antwerpen stets mit hinzugezogen, beym Wechsel behält sich der Landes-
herr keine Beschränkung vor; offenbar ist auch dem Neide der Bürger zu Ant-
werpen gegen die Fremdlinge auf eine Weise begegnet, wie es kaum irgend sonst
wo in dem Niederlande der Fall war. Was die Zölle oder Abgaben betrifft, so
würde man hier bey genauer Vergleichung und Prüfung zwischen ihnen und den
in Brügge zu entrichtenden wohl auf gleiche Folgerungen kommen, aber es ist
doch wohl sehr schwer, die genaue Berechnung zu machen, da auf der Fahrt da-
hin andere zu erlegen waren, und in Brügge Abgaben an den Grafen, seine Lehns-
leute und die Stadt zu entrichten waren, auch die Münzen verschieden sind, so
dass diese Untersuchung auf spätere Zeiten auszusetzen ist , und es vorläiifig
dahin gestellt bleiben muss, welches Resultat sich daraus ergeben werde.
Diesen Freybrief haben auch die Hansen in späterer Zeit sehr in Ehren ge-
halten, und nach zwey Jahrhunderten diente er zur Grundlage ihres nach Ant-
werpen verlegten Stapels. Bey solchem Zuvorkommen wäre es unbegreiflich,
warum die Deutschen nicht ihre Niederlage schon früher hierher verlegt hätten.
O UV. 1315.
'
264 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
wenn nicht alle Kaufleute des bekannten und gebildeten Europas m Brügge ihren
gemeinschaftlichen Marktplatz gehabt hätten, und die Lage Flanderns und
die der Stadt Brügge vor allen Andern diesen Markt begünstigt hätten.
Uebrigens waren diese zugestandenen Freyheiten nicht auf einige Zeit, son-
dern für immer ihnen gegeben , sie waren nicht an die Verlegung des Stapels von
3rügge nach Antwerpen geknüpft, wie diess bey mehrern in Holland, nahment-
licb zu Dortrecht erworbenen Freyheiten der Fall war. Es heisst nur, dass die
Kaufleute vornehmlich ihren Verkehr in Antwerpen haben sollen, aber der Ge-
brauch der Freyheiten war nicht davon abhängig gemacht, es ward nicht gefordert,
dass sie von Brügge dahin ihren Stapel verlegen sollten. Auch haben sie zu der
Zeit, als ihre Niederlage in Brügge war, die ihnen in Brabant zugestandenen Frey-
heiten unbezweifelt benutzt und behauptet; ihr Verkehr in Brabant war im Nie-
derlande der zweyte im Range nach dem in Brügge.
Allein auch in Holland und Seeland waren die Deutschen bemüht, ähnliche
Freyheiten sich zu verschaffen, da der Verkehr nach Flandern, Brabant und
anderen Theilen der Niederlande zum Theil über diese Provinzen ging. Schon sehr
früh haben wir von Freyheiten gehört, welche die Herren des Landes einzelnen
Städten zutheilten ; aber abgesehen von denen, welche Herzog Albrecht von Bayern
den Hansen 1358 bewilligle, um die Verlegung ihres Stapels nach Dortrecht zu
erhalten, und die wahrscheinlich vorübergehende Maassregeln waren, sind weder
so allgemeine noch so bedeutende in diesen Gegenden, wie es scheint^ erworben
worden.
Lübeck hat ausser den oben zuerst bemerkten Freybriefen andere von den
nachfolgenden Landesherren erhallen. Der vom Grafen Johann von Holland im
J. 1298 ist der bedeutendste und auch der Grund aller nachfolgenden geblieben,
welche sie von den Landesherren mehr oder weniger ausführlich in den J. 1316,
1317, 1327 > 1338 "nd 1349 bestätigt erhielten. Jener ältere Freybrief, welcher
mit dem den Hamburgern und andern Städten bereits im J. 1277 vom Grafen
riorentinus, so wie in demselben J. 1298 vom Grafen Johann den Gröningem
ertbeilten Privilegium fast wörtlich übereinstimmte, gewährte ihnen zufolge des
Wunsches der Blutsfreunde des Grafen, nähmlich der Herzoge von Braunschweig
und Lüneburg und der Herzogin von Sachsen auf fünfzehn Jahre folgende Frey-
heiten: Schutz den Schiffbrüchigen, die Zusicherung ihre gestrandeten Güter Jahr
und Tag aufzubewahren und sie den das Unglück Ueberlebenden oder deren
Erben gegen hinlänglichen Beweis auszuantworten ; nur erst nach Ablauf dieser
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKJl. 265
Frist können sie Toni Grafen oder von einem derjenigen,^ die damit von ihm belehnt
werden , nach Einhobhing seiner Erlaubniss , eingezogen werden. Ferner
ertheilt er ihnen, ausser dem allgemeinen Schutz, gegen Erlegung eines Schil-
lings Sterling von jeder Mark Ihrer ein - und ausgeführten Güter, die Befreyung
von allen fernem Abgaben, wenn sie die, welche sie eingeführt und die unver-
tauscht geblieben, wieder ausfuhren wollen, weshalb die Zöllner ihnen das ge-
wöhnliche Zeichen {jniersignum) zu geben haben. Auch wird ihnen die Befugniss
zugestanden, dass sie die Streitigkeiten, die unter ihnen oder ihren Dienern in
einem Schiffe entstanden sind, ohne dass Mord oder Verstümmlung daraus er-
folgt ist, unter sich beylegen und bestrafen können; hat aber die Mannschaft
von zwey oder mehreren Schiffen mit einander einen solchen Streit gehabt, so
soll des Grafen Richter mit Zuziehung der Kaufleute und Schößen {^per merca-
tores), die nicht an dem Streite Theil gehabt haben, denselben schlichten, und die
zu erlegenden Geldbussen dem Grafen nach Landes -Gewohnheiten zufallen. Soll-
ten sie aber auf dem Lande solchen Streit gefuhrt haben, so sollen sie nach den
Gesetzen des Landes gerichtet werden, doch sollen nur die, welche wirklich
schuldig befunden werden, an ihren Personen oder Sachen Strafe leiden. Der
Diener kann seines Herrn Gut nicht durch Streit verwirken, noch verspielen,
jeder haftet nur für seine eigene Schuld mit Person und Gut. Von jedem ihrer
Schiffe, welches zu des Grafen ZoUstätle kommt, sollen zwölf holländische
Pfenninge entrichtet werden, wogegen sie sicheres Geleit erhalten. Im Fall einer
Fehde ^wischen dem Grafen und dem römischen Könige, soll ihnen unbenom-
men seyn, mit ihren Waaren des Grafen Land zu besuchen, und das Gleiche soll
ihnen vergönnt seyn, wenn zwischen den lübischen Bürgern und dem Könige
Krieg entstände, und noch ein halbes Jahr nachdem der Graf aus Liebe
zum römischen Könige ihnen das sichere Gelelt aufgekündigt haben würde.
Kein Fürst oder Uerr soll ihre Personen und Güter im Lande in Beschlag
nehmen, mit Ausnahme jedoch des römischen Königs, seines Herrn, wie der Graf
sagt. Der Käufer soll den Verkäufer an dem Tage des Kaufs befriedigen und
ihm die Versicherung der Zahlung zustellen, geschieht es nicht, so kann der
Verkäufer beliebig über sein Gut nach Ablauf des Tags verfügen. Was sie an
Kleidern, Lebensmitteln und andern Geräthschaften zum eigenen Verbrauche
kaufen, ist zollfrey. Alle verkäufle wiegbare Sachen sind auf der Wage mit
zwey Wagschalen {staiera) zu wiegen. Keiner soll eines Vergehens wegen, das
nicht an Hals oder Hand geht, in Ketten oder in das Gefangniss gelegt werden,
LI
1
266 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
wenn er Burgen stellt, oder mit seinen gegenwärtigen Gütern hinlängliche
Sicherheit leistet. Unter Mark soll eine Mark Sterlinge von zwölf Schillingen, verstan-
den werden, von welcher die Kaufleute einen Pfenning Sterlinge zu entrichten haben l).
Diese den oben genannten und ohne Zweifel auch andern Städten ertheillen
Rechte sind freylich nicht denen zu vergleichen, die sie und die Verbündeten in
Flandern und Brabant erworben hatten, oder erwarben. Nur die zugestandene
Frist der Fortdauer des fieyen Verkehrs nach Aufkündigung der Freyheiten ist
länger, als in den Freybriefen anderer Fürsten.
Auch hat die Stadt Dortrecht im J. 1303 den Lübeckern nichts weiter als
den allgemeinen Schutz und die Handclsfreyheit , gegen eine Aulkündigung von
drey Monaten, zugestanden; andere Städte aber haben sich wohl, wie Hamburg,
ähnlicher Freyheiten 'hier zu erfreuen gehabt 2).
Kurz vor der Verlegung des Stapels von Brügge nach Dortrecht hat Lübeck
im J. 1357, gewiss in dieser Voraussicht, von Herzog Wilhelm von Baiern, Gra-
fen von Hennegau , Holland , Seeland und Herrn von Friesland die frühern Frey-
heiten besonders r. d. J. 1298 sich bestätigen lassen, auch einige Aenderungen
und Erweiterungen sich verschafft, die der bevorstehenden Verlegung des Stapels
nach Dortrecht angemessen waren. Ohne diese altern zu wiederhohlen, waren
die wesentlichsten neu hinzugekommenen oder die Veränderungen folgende: Die
Schiffbruch Leidenden sind gehalten, den Bergelohn nach der Bestimmung des
Amtmanns zu entrichten. Ihnen wird zu Wasser und Land, durch Holland,
Seeland und Friesland die freye Fahrt oder Durchfahrt bey des Grafen Zollstätte
gegen Erlegung der bestimmten Zölle, zugesichert, jedoch mit Ausnahme der
Schiffe, die über den Rhein und die Waal herabkoramen. Die Zollsätze beziehen
sich auf viel mehrere Waaren im Einzelnen als die früheren und mögen einige
Erleichterungen gewährt haben; aber sie sind, wie die meisten andern, hierund in
andern Ländern erworbenen, nicht mit Sicherheit zu gebrauchen, um über Ein-,
Aus - und Durchfuhr nähere Aufschlüsse zu geben , da diese offenbar durchein-
ander geworfen sind. Lübische Güter ^ auf nicht lübischen Schiffen geladen, kön-
nen durch Erlegung ihres Zolls von acht Schillingen (solidis) das Schiff von
anderem (höheren) Zoll befreyen, mit Ausschluss jeglichen Betrugs. Der Schiffer
soll auf Begehren der Zöllner eidlich aussagen , ob er lübische Güter führe oder
1) UV. 1298, 2. 1327, 5.
2) ÜB. CXII.
SECHSTER ABSCHN. HAND. Ö. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 267
niclit. Ist einmahl bey einer ZoIIsiatte die Abgabe entrichtet, so ist man bey
den andern Zollstatten des Landes frey ; eben so , wenn sie ihre eingeführten
Güter, ohne sie vertauscht za haben, wieder ausführen, sollen sie keinen andern
als den bey der Einfuhr erlegten Zoll entrichten. Die von ihnen eingeführten
Güter, welche sie im Lande nicht verkauft haben, entrichten keinen andern
als den in Flandern üblichen Zoll; fuhren sie dieselben ausser Landes,
so entrichten sie oben benannte Abgabe (bey der Einfuhr allein). Haben sie
Güter gekauft, verkauft oder vertauscht, so sollen sie deshalb keine besondere
Abgabe {cambiwn) entrichten. Weder der Landesherr noch irgend Jemand im
Lande hat die Befugniss, zufolge eines vom Käufer festgesetzten Preises, ihnen
Güter abzunehmen, sondern allein zu einem von ihnen frey eingewilligten. Sie,
wie alle andere Kaufleute, sollen des Landes Feinden keine Hülfe, keine Unter-
stützung gewähren ; thäten sie es dennoch , so wird ihnen keine Gewähr wegen
des daraus für sie entstehenden Schadens geleistet, ein Jahr nach dem Tage
der offenen Briefe des Herrn, welche die Anzeige der Fehde enthalten. Sie
haben sich übrigens dieser Freyheiten zu bedienen, bis sie ihnen aufgekündigt
werden, und selbst noch während der beiden der Aufkündigung folgenden
Jahre i).
Diese letzte Frist ist noch länger, als die in allen andern Freybriefen
vorkommende.
Die Freyheiten, welche Graf "Wilhelm von Hennegau, Holland, Seeland und
Herr von Friesland im J. 1341 den gemeinen Kaufleuten von Preussen und West-
phalen bewilligte, enthalten nur das allgemeine sichere Geleit, und dass sie zu
demjenigen Zoll verbünden seyen, wie sein offener Brief aussagt Diesen besitzen
wir in einer Ausfertigung , welche ihnen im vorhergehenden Jahre ertheilt war,
und welche denselben auch des Grafen Schwester Margaretha im J. 1346 bestätigt
hat 2). Und nur erst dann, als im J. 1358 die Deutschen ihren Stapel von Brügge
nach Dortrecht verlegten, sind sie dort und im Lande, wahrscheinlich aber
nur vorübergehend, der grösseren bereits erwähnten Freyheiten mit einem sehr er-
niedrigten Zolltarife zu Errichtung ihres Stapels daselbst mit dem übrigen Verein
theilhaflig geworden 3).
Mite
1) ÜB. CLXXXII.
2) UV. 1340 t 3* ÜB. CXLVIIL CLXf.
3) ÜB. CLXXXV.
LI 2
268 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Was aber die besondern untergeordneten Niederlagen und Handelsgesell-
schaften in den Niederlanden betrifft, welche sie gleichmässig hier wie in andern
Ländern gehabt haben, so kommt ausser dem was bereits i) aus dem hamburgiscben
und lubischen Seerechte erwähnt worden ist, noch folgendes Tor. In dem Jahre
1358 j als der gemeine Kaufmann zu Dortrecht lag, und Manegolt Sosendorp da-
selbst zum Olderman des lubischen Drittels war gewählt worden, war dieser aus
Freundschalt gegen die in Amsterdam liegende Gesellschaft bey den
übrigen Alterleuten bemüht, dass sie ihn bevollmächtigten nach Amsterdam zu
gehen, und daselbst zwey Oldermänner zu ernennen, zum Schulz und Nutzen
des Kaufmanns, und zufolge der Ordnung des Kaufmanns von Deutschland zu Brügge.
Die ersten Alterleute zu Amsterdam waren Gerbert Ghulsowe und Jan Pape*
Von dort scheint aber wieder eine andere Gesellschaft für Stavern ausgegangen
zu seyn. Als nähmlich im J. 1365 Bodo von Scezel und Jan Vornyden zu Alter-
Icuten in Amsterdam gewählt waren, kam Heyne Bekerholt , der Olderman zu
Stavern war, in Begleitung Gottfried Hoyers und bat um eine Abschrift der
Bücher ihre Privilegien, Rechte, Ordnungen und Gewohnheiten enthaltend, da
ihre Herren von Hamburg wünschten, dass sie in Stavern, gleich wie in Amster-
dam ihre Hanse haben sollten; welchem die Alterleute daselbst mit Rath ihrer
^itgenossen zum Besten der Alterleute und ihrer Gesellschaft zu Amsterdam
willfahrten. So wie diese Gesellschaften nun von und für die Hamburger gestif-
tet waren, so mögen noch andere ausser diesen für sie und für anderer deutscher
Städte Kaufleulc bestanden haben 2).
Auf gleiche Weise sind auch noch von andern Landesherren in den Nieder-
landen von den Deutschen Freyheiten erworben worden. Der Graf Guido von
Hennegau, Bischof von Utrecht, hat im J. 1301 die Lübecker eingeladen, sein Bis-
thum wieder zu besuchen, welches die Kaufleute des mannigfaltigen Verlustes
wegen, während des Kriegs und der Unruhen gemieden hatten. Er erklärt ihnen
i) S. oben S. 1(K
2} ÜB. CLXXXVII« tiud CCXX. Jene bamburgisclieii Hansea eu Stavern und zu Amiterdam bestanden
irorzUglich aus Brauern. Äua der Ordnung der erMgenannten vom J. ißSO ersieht man» dass aucti ihre
zu Wolderkum und ßodeltwert verweilenden Milbürger zu dieser Hanse und ihrem Rechte gehorten.
Die hamburgische Hanse zu Sluys, deren Statuten im J. 1402 ^on dem lUthe zu Hamburg genehmigt'
sind und deren Hansehans 1447 erwähnt wird, ist ohne Zweifel dieselbe» welche schon im J. 1270 in
dem nahe belegenen Oslkerken ihre Niederlage hatte (s. oben S. lOO* Auch findet sich eine hamhurgiscb«
Gesellschaft mit Aelterlcuten zu Dockum in diesem Jahrhundert ; eine andere etwas später zu Oeventer. L*
SECHSTER ABSCHN. HAND. P, NIEDERD. M. D- NIEDERL. U. FRANKR. 269
seinen festen Willen, die Ordnung wieder herzustellen, was ihm nach seiner
Versicherung theil weise auch bereits gelungen sey, er dehnt die Einladung zugleich
auf alle und jede Kaufleute aus, und verspricht ihnen sämmtlich sicheres
Geleit von der Stadt Müden an bis Utrecht i).
In diesen deutschen Theilen der Niederlande waren ohnehin mehrere Städte
in einer engern oder weitern Verbindung, mit den östlich wohnenden Deutschen,
besonders den Seestädten, die auch die Tagsatzungen derselben theilweise mit be-
suchten, und an den Freyheiten die sie in andern Ländern hatten^ oder den
Fehden, die sie gegen andere Länder führten, Theil nahmen.
Aber auch an Streitigkeiten hat es nicht gefehlt. Eine ernstliche Fehde fand
ums Jahr 1280 zwischen Hamburg, Rendsburg, (welches in spätem hanseatischen
Verhältnissen, vermuthlich wegen seiner Beziehungen zu den Landesherren nicht
vorkommt, doch gleich wie Kiel gelegentlich von Hamburg oder Lübeck vertre-
ten seyn mag), Stendal und vielleicht noch anderen kleinen Eibstädten einerseits
und der Stadt Harderwyk , welche vermuthlich mit Zütphen verbündet war,
statt. In dem Friedensvertrage wurde die gegenseitige Rückgabe der Gefangenen
bedungen und für die Schiffsherren die Verpflichtung festgesetzt, ihre sich etwa
vergehenden Landsleute nicht der Klage der Verletzten zu entziehen; Hamburg
wurde ausserdem von Harderwyk ein Schadensersatz von 255 Mrk. Sterling
zugesichert und der alte Vertrag zwischen beiden Städten bestätigt i).
Auch Stavern war schon, bevor die Gesellschaft der Hamburger sich da-
selbst bildete, in einen Streit mit Lübeck und Hamburg um das Jahr 1330 ver-
wickelt, der in eine Fehde ausartete, welche erst nach vielen Unterhandlungen in d^
J. 1335 beygelegt ward. Aus einer Reihe von Urkunden erhellet, dass Stavern
manchen Verlust vorgeblich von Lübeck erlitten hatte, und dass sie das Wieder-
Tergeltungsrecht gegen die Lübecker und Hamburger übte, von welchen letzteren sie
annahm, dass sie mit den Lübeckern einverstanden wären« Durch den Spruch des Gra-
fen Wilhelm von Holland und seiner Beauftragten, zuletzt durch die gewählten
Schiedsrichter, drey flandrische und drey holländische Städte, ward die Sache bey-
gelegt und Lübeck wie Hamburg reinigten sich durch einen Eid, dass die Be-
raubungen der Staverer nicht von ihnen ausgegangen und dass Hamburg nicht
gemeine Sache deshalb mit Lübeck gemacht habe 3).
1) ÜB. CVIII.
2) UV. 1280) 2 und NacTitrag sa dietem JaTir««
3) ÜB. CXXXIV, CXXXV, CXXXVI, CXXXVII, CXXXIX , CXL.
270 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Aus diesen Nachrichten ist deutlich, "wie mannigfaltig der niederdeutschen
Kaufleute Verbindungen mit den verschiedenen Theilen der Niederlande waren.
Nirgends fanden sie einen Markt der Art zum Absätze ihrer eigenen und in
fremden Ländern gekauften und hier eingeführten Güter, nirgends einen Markt
von gleichem Umfange zum Ankaufe der von ihnen nach Deutschland und weiter
nach den nordischen Reichen zu verfuhrenden im Lande verfertigten, kostbaren
Tücher und anderer Waaren , welche von den westlich belegenen Völkern hierher
gebracht wurden. War dieser Markt für sie unschätzbar , so war es nicht
weniger der Vortheil der Niederländer, dass die Deutschen zum Handel hier
erschienen , und aus dieser Ursache erlangten sie denn nach und nach auch
grössere Freyheiten zum Schutze, und zur Freyheit ihres Verkehrs daselbst, doch
nicht solche ausschliessliche Vorrechte, wie sie in einigen Theiien des Nordens
erhalten hatten, welche keinem der fremden Völker in den Niederlanden zuge-
standen wurden. Die Landesherren, die an Zöllen dabey gewannen, so wie die
Städte und das Land , die mannigfaltigen Verdienst für ihre Mitbürger dabey
fanden und des Absatzes ihrer Tücher gewiss waren, blieben gleichmässig dieser
freyen Mitbewerbung aller Völker auf ihren Märkten ergeben, ohne die Einen
vor den Andern so zu begünstigen, dass diese oder jene daselbst wären ver-
drängt worden. Offenbar haben die Deutschen später als andere Völker sich
einige Freyheiten erworben, wie z. B. Begünstigungen in Bezug auf eine eigene
Wage. Mittel der Art grössere sich zu erzwingen, wie sie von den Deutschen
im Norden angewandt wurden, fanden hier nicht Statt Durch ein geheimes
Spiel, durch Unterstützung auswärtiger oder einheimischer Widersacher, durch
Feuer und Schwert, durch Geldvorschüsse an die Landesherren, war hier Nichts
auszurichten; Alles, was an Mitteln ihnen blieb, um grössere Handelsfreyheiten
zu erhalten, bestand etwa in der Drohung, den Ort Brügge, zu verlassen und
ihn nicht weiter zu besuchen, aber wechselseitiges Bedürfniss verhinderte, dass
dless auf längere Zeit statt fand. Auch war nie die Rede von einem Verlassen
der Niederlande überhaupt , sondern nur von dem Verlegen der Niederlage von
einem Orte nach einem andern, oder von einer Landesherrschaft in eine andere.
Von keinem Lande haben wir so viele Zollrollen, von keinem so viele in
denselben angegebene Waaren; gleichwohl ist ihre Beschaffenheit von der Art,
dass wir fast weniger als in andern Ländern daraus mit Sicherheit abnehmen
können, welche von den vielen genannten Gütern eigentlich deutschen Ursprungs
waren und von den Deutschen aus ihrem Vaterlande, oder von fremden Ländern ein*
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. ü, FRANKR. 27t
geführt worden, oder welche sie von da ausführten^ und von welchen Völkern
sie jene daselbst eingekauft hatten.
Selbst wqyi es in ihren erhaltenen Freybriefen heisst, sie sollen ihren
Stapel zu Brügge halten mit Wolle, Wachs, Pelzwerk, Kupfer, Korn und allem
anderen Gut, und wenn man daraus mit Gewissheit abnehmen kann, dass diese
Waaren gewiss unter allen von ihnen eingeführten dann wohl den wichtigsten
Theil ihres Absatzes ausmachten , so würde diess nur bestätigen , dass der
Zwischenhandel ihr bedeutendster Handel war; denn mit Ausnahme des Getraides,
ist das Wachs aus Russland und den benachbarten Landschaften, das Pelzwerk
eben daher und aus Norwegen, das Kupfer wahrscheinlich aus Schweden, die
Wolle, wenn auch einige deutsche dabey war, gewiss vorzüglich aus England
von ihnen gebracht worden. Indess haben sie doch auch andere ihrer deutschen
Guter hier eingeführt , sowohl Erzeugnisse des Bodens , als ihres städtischen
Kunstfleisses. Es kommen dergleichen in den Zollrollen vor, wovon es mit
ziemlicher Wahrscheinlichkeit vermuthet werden kann, wie Weine, Schifif- und
Hausgeräthe, Metallwaaren u. a., so wie viele in der Fremde gekaufte oder er-
worbene Güter, Fisch — , Fettwaaren, Holz u. f., wie denn die Deutschen die
orientalischen Güter und die Südfrüchte hier von den dahin kommenden süd-
lichen Völkern kauften. Leider verhindert die cigenthümliche Einrichtung dieser
wenn auch noch so weitläuftigen Zollrollen eine sichere und genauere Angabe
und eine volle Befriedigung der Wissbegierde.
Ueber den Verkehr der Deutschen mit Frankreich in diesem Zeiträume
haben wir weniger Nachrichten, da er in dieser Zeit von keiner Erheblichkeit
gewesen ist. Aber Könige von Frankreich waren zugleich oberste Lehnsherren von
Flandern, und in dieser Beziehung war ihr Wohlwollen nicht unwichtig, so wie
auch wegen der Deutschen Handel mit England, mit welchemr die Könige von
Frankreich in fast immerwährender Fehde waren, wodurch die sichere Fahrt
auf dieses Land^ das ihnen für ihren Verkehr gleichwohl viel wichtiger war, als
Frankreich, gefährdet wurde. Diesen aber wollten die Könige durchaus nicht
begünstigen, nicht einmahl dulden, und diesen Hauptpunct haben die Deutschen
auch nicht erhallen können.
Schon das hamburgische und lübische älteste Seerecht kennen die Fahrt
auf den Hafen Rochelle,, wahrscheinlich aber damahls unter englischer Hoheit;
272 ZAVEYTE ABTHEIL. GESCH: DES HANDELS.
auch die Fahrt auf Caljaiis, das anter derselben Hoheit stand, kommt vor i). Die
Konige von England haben die Deutschen auf ihren Besitzungen in Frankreich
mehr begünstigt, als die Könige des letztern thaten. -
Wir haben wenige Begünstigungen und Freyheiten von Seiten der Könige
von Frankreich für die Deutschen, und sie sind von geringerm Belange, beziehen
sich auch zum Theil auf das französische Lehn , auf Flandern. Alle aus diesem
Zeiträume auf uns gekommene und bekannte sind folgende wenige, sämmtlich
von Philipp dem Schönen (1285 - 1314).
Im J, 1293 entschied er den Streit zwischen den Kaufleulen von Lübeck
und seinen Erhebern des Weggeldes zu Bapaume dahin , dass die Erstem , wenn
sie die Märkte von Champagne mit ihren in Deutschland gekauften oder ange-
schafften Gütern besuchten, diese Abgabe zu Bapaume nicht entrichten sollten,
vielmehr frey alle Orte besuchen dürfen, wenn sie nur da, wo sie einkehrten,
diese üblichen Wegegelder entrichten würden} fuhren sie aber Güter aus Flandern
nach jenen Märkten, oder wohin es sonst sey, so haben sie das Weggeld bey
Bapaume zu entrichten 2).
, Derselbe König erthcilte im folgenden Jahre den Bürgern und Einwohnern
von Lübeck, Gothland, Riga, Campen, Hamburg, Wisipar, Rostock , Stralsund
und Eibingen und einigen andern das deutsche Meer befahrenden Kaufleuten, bey
ihrer Fahrt auf Flandern oder von da zurück , es sey zu Wasser oder zu Land , in
allen Theilen seines Reichs freyen Handel gegen Erlegung der üblichen Abgaben.
Jedoch sollen sie nirgends nach Frankreich Wolle , Leder oder andere Waaren
aus England , Schottland oder Irland oder aus Landestheilen , die der Herrschaft
der Engländer unterworfen sind, einfuhren, noch selbst auf dem Meere verschifien,
bey Verfall des Guts und anderen Strafen nach des Königs Gutdünken. Eben so,
sollen sie keine Güter (aus Frankreich) nach England lühren und daselbst verkau-
fen, bey gleicher Strafe. Auch behält sich der König vor, ihre Schiffe, die er zum
Kriegfiihrcn bedürfe, ihnen abzumiethen oder abzukaufen, nach der Schätzung
von vier unbescholtenen Männern, zur Hälfle aus ihrer, zur andern aus des Kö-
nigs ünterthanen genommen 3).
Derselbe König bewilligte im J. 1297 allen Kaufleuten, die aus dem deut-
schen Reiche oder aus andern Gegenden kommen, Engländer jedoch ausgenom-
1) Auch iu dem you dem Herzoge Johanu irou Sachsen der Stadt Lüneburg im J. 1278 ertheilten Privilegio
wegen des Eatlioger ZoUef wird der YTeine Ton Röchelle gedacht.
2) ÜB. LXXV.
3) ÜB. LXXIX.
SECHSTER ABSCHN. HAND. D. NIEDERD. M. D. NIEDERL. U. FRANKR. 273
men, ihre Waaren nach Brügge und den Zween zu bringen und von da weg-
zuführen , daselbst zu verkehren , sicher und geschützt zu verweilen , unter
Entrichtung der üblichen Abgaben. Er verspricht zugleich vierzig Tage zuvor
ihnen anzuzeigen, wann er diese Freyheiten zurücknehmen, ihre Güter oder
Personen festhalten lassen wolle, um während dieser Frist mit ihren Gütern
frey abziehen zu können. Im folgenden Jahre 1298 ertheilte König Philipp den
Lübeckern einen Schutz - und Freybrief , durch welchen er ihnen dieselbe
Sicherheit wie seinen Unlerthanen- und Gleichstellung in den Abgaben mit den-
selben verlieh. Keiner derselben oder ihrer Angehörigen soll für eine fremde
Schuld verhaftet oder seine Waaren mit Beschlag belegt werden, mit Vorbehalt
der Rechte der Champagner Messen. Auch sollen unter demselben Vorbehalte
und ausser wenn die Strafe an Hals und Hand geht, keine Lübecker, welche
Bürgen stellen können, verhaftet und behindert werden. Im Falle eines Krieges
des französischen Königs oder auch der Lübecker selbst mit dem Könige von
Alemannien mögen sie ihren Handel ungestört fortsetzen. Von etwaigen neuen
Auflagen sind sie auf immer befreit und eine allgemeine Beschlagnahme auf die
Güter aller Kaufleute in seinem Reiche will der König, welchen letztern Punct
er jedoch nur für sich und bis auf ferneres Gutdünken verheisst, den Kaufleuten
von Lübeck sechs Monate vorher anzeigen lassen, damit sie mit ihrer Habe sein
Reich sicher verlassen und sich nach anderen Qegenden begeben können i).
Epdlich ertheilte eben dieser König den Cölnem im J. 1302 die Befugniss in
seinem Reiche erlaubten Handel zu betreiben, unter der Bedingung keine Güter,
bey Strafe des Verlustes derselben , seinen Feinden zuzuführen 2).
Diess sind alle Freyheiten, welche in diesem Zeiträume von Seiten der fran-
zösischen Könige den Deutschen zugestanden worden, oder die auf uns gekommen
sind. Sie sind, verglichen mit denjenigen, die von andern Fürsten erworben wur-
den, unbedeutend zu nennen 3).
Von der Lebhaftigkeit des Verkehrs mit dem eigentlichen Frankreich wissen
wir eben so wenig. Eine der wenigen Spuren des unmittelbaren Verkehres der
deutschen Handelsleute mit dem südlichen Frankreich, findet sich in den Acten
eines Processes des Rathes mit dem Domkapitel zu Hamburg vor der päbstlichen
1} S. Nachtrag zum J* 1298«
2) ÜB. LXXXVIK
3) ÜB. CXI.
Mm
274 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Curie zu Avignon , wo unter den übrigen Zeugen 1341 April 20 ein Laie Hein-
rich, genannt Warin, aus Lübeck, vernommen ward, welcher von Montpellier
kam mit seinen Waaren, welche er nach Hamburg und Lübeck bringen wollte,
Wein und Salz, auch wohl Lampreden scheinen von ihnen daher gebohlt worden
zu seyn, wie gelegentlich vorkommt; diess sind die einzigen Waaren, die erwähnt
werden. Der Verkehr mit Frankreich, in so fern es nicht unter englischer Herr-
schaft stand, scheint in diesem Zeiträume unbedeutend geblieben zu seyn; die
fortdauernden Fehden zwischen Frankreich und England, die sogenannten See-
räubereien 1) , die daraus auch für andere Völker entstanden , die grössere Zunei-
gung der norddeutschen Städte und Kaufleute zu England^ mit welchem ein leb-
hafter und begünstigter Verkehr bestand, die Nachbarschaft des grossen europäi-
schen Marktes zu Brügge und die geringen Fortschritte, welche Frankreich im
sorgfaltigen Apbau seines Bodens und seines Kunstfleisses gemacht hatte, mögen
diese Erscheinung erklären.
Dass übrigens dieser mit Frankreich angeknüpAe Handel unter der Leitung
oder dem Schutze der Niederlage zu Brügge stand, ist besonders zufolge späterer
Nachrichten gewiss, so wie der noch mehr westlich und südlich geführte mit
Spanien; doch haben wir von diesem nur Nachrichten aus einer spätem Zeit,
wiewohl er wahrscheinlich auch in dieser schon stattgefunden haben mag, vielleicht
besonders des Salzes wegen, obschon eine unmittelbare Fahrt dahin, wegen
der Handelsniederlage der Spanier in Brügge, weniger dringend seyn mochte.
SIEBENTER ABSCHNITT.
Geschichte des Verkehres der norddeutschen Kaufleute und Städte mit England und
Schottland«
jjass zwischen den Sachsen diesseits und jenseits des Meers In England
von den ältesten Zeiten an sich ein Verkehr erhalten habe, ist eben so wahr-
1) Einen Fall dieser Art erzahlt Corner unter Berufung auf die Cronica Francorum (bey Eccard Corp.
hi$t, med. aevi. T. II. coL 1047) wo französische Freybeuter im J. 1335 drei preussische Schiffe mit Tuch
und Specereyen befrachtet aus dem Hafen iron 'tZwin raubten und nach der Seine führten. König
Philipp Vf., an welchen die Lübecker und andere Hanseaten desfalis eine Botschaft abordneten, gab ihnen
jedoch die Beute so wie die Gefangenen zurück.
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 275
scheinlich, als es von glaubwürdigen Schriftstellern, wie oben bemerkt worden,
versichert wird. Allein die ältesten auf uns gekommenen Urkunden, die von der
Begründung eines gesicherten und begünstigten Verkehrs norddeutscher Kaufleute
m
in England reden , reichen nicht über die Mitte des zwölften Jahrhunderts hinaus,
nicht über die Regierung Heinrichs II. (1154-1189). ^^^ König verstattetc den
Cölnern , dass sie auf dem Markte (zu London) , wo der Wein von französischem
Gewächs verkauft wird, auch den ihrigen zu drey Pfenningen für ein bestimmtes
Maass sollten frey unter seinem Schutz verkaufen können i). In einer andern
Urkunde sagt er ihnen durch sein ganzes Reich Schutz zu , und befiehlt allen
seinen Richtern, Vicegrafen, Dienern und Getreuen, Franzosen wie Engländern, die
Bürger, Kaufleute und Insassen von Cöln in allen ihren Gütern und Besitzungen,
wohin sie in seine Lande kommen, gleich als wären es seine eigenen Güter zu be-
schirmen; denn sie sind, sagt er, homines et fideles mei ^), Er wiederhohlt das-
selbe in einer dritten Urkunde und befiehlt seinen englischen Beamten, indem er
den Cölnern schon ertheillen Schutz für ihre Besitzungen erläutern zu wollen scheint,
dass weder in Bezug auf das Haus der Cölner in London, noch in Bezug auf
ihre eigenen Sachen und Waaren und einige andere die sie angehen 3) , irgend
ein Leid ihnen zugefügt werden solle, wenn sie ihre rechten Zölle bezahlen,
und dass ihnen keine neue Zölle auferlegt werden dürfen.
Es ist deutlich, dass die Cölner also damahls schon Besitzungen im Lande,
dass sie ein Haus zu London inne hatten, und wahrscheinlich ist aus dem etwas
dunkeln Ausdrucke auch abzunehmen, dass andere deutsche Güter zugleich eines
gleichen Schutzes sich zu erfreuen haben sollen. Derselbe König erklärt in einem
Schreiben an die Lübecker im J. 1176, dass, wie er vernommen, ihrer Stadt
Kaufleute und die anderen Kaufleute der deutschen Städte (cwitates Alemannie) sein
Reich besuchen wollten, wenn sie friedlich und freundlich {cwiliier) zugelassen
würden, weshalb er Ihnen, den Lübeckern und den Kaufleuten anderer Städte
Deutschlands, seine Gnade und Gunst, so wie den Genuss aller ihrer Gewohn*
heiten und Freyheiten zusichert, welcher sie zu Zeiten seiner Vorfahren sich
1) ÜB. l.
2) ÜB. IL
3) ÜB. III. quod neque de domo sua London , neque de rebus neque de mercaturia suis auf aliquihus aliis ad
eos spectantibus injuriam aliquam vel contumeliam eis facialis ; nach diesem dunkeln Ausdruck erstreckt
«ich der Schutz doch wohl auch auf einige andere Güter , die ihnen nicht eigenlhiunlich , wohl aber ihren
LaudsleuteU) anderen Deutschen, zugehörten*
Mm 2
276 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
zu erfreuen gehabt , er befreyt sie vom Strandrechle an seinen Küsten , also dass
die Guter eines gescheiterten und angetriebenen Schiffes, wenn sich nur ein leben-
der Mensch noch darauf befindet , den Eigenthümem verbleiben und sie nicht aus
dem Grunde des sogenannten TFreccum verfallen seyn sollen. Also auch mehrere
deutsche Städte haben zu Heinrichs H. Zeit, ja unter dessen Vorfahren Rechte
und Gewohnheiten zu ihrem Vorthelle in England inne gehabt und besessen i).
König Richard (1189-1191) erklärt, die Cölner und ihre Güter von den
zwey Schillingen befreyt zu haben, welche sie von ihrer Gildehalle zu London zu
entrichten hatten , so wie von allen andern Zöllen und Abgaben {consuetudinihm
et demandis)^ die ihm von ihnen in London und in England zu entrichten
waren. Er gesteht ihnen die Freyheit zu , nach seinem Lande zu kommen , darin
zu reisen, alle Märkte zu besuchen, und daselbst, sowohl zu London als an an-
dern Orten zu kaufen und zu verkaufen 2). Denselben Schutz hat König Johann
ohne Land im J. 1203 ihnen zugestanden, da sie seinem Neffen, dem Könige Otto,
so treue Hülfe geleistet; er verstattet ihnen für ihre Güter die freye Ein,- Aus- und
Durchfuhr in seinem Reiche, vorbehaltlich jedoch der ihm zu entrichtenden Abga-
ben oder Zölle, die sie und ihre Vorfahren seinen Vorfahren bisher entrichtet hät-
ten 3). Er wiederholte zu ihren Gunsten im J. 1210 wörtlich die von König
Richard erlheilte Befreyung von den zwey Schillingen von ihrer Gildehalle so wie
von allen Abgaben, jedoch mit der Beschränkung, dass die Freyheiten der Stadt
London ungekränkt blieben. Die Cölner haben im J. 1220 vielleicht wegen
Wiederergreifung ihrer Gildehalle zu London 30 Mark entrichtet, vielleicht sich
damit von der jährlichen Rente losgekauft 4). Gleichlautend haben ihnen mit der-
selben Beschränkung, die in Richards Privilegium vorkommt, Heinrich IIL 1235
und Edward L 1290 dasselbe bestätigt. Jener hat ferner den Cölner Kaufleuten
den gleichen Schutz auf dem Markte Hoyland für ihre Waaren und Besitzthümer
zugesichert, und Eduard IIL im J. 1338 ihnen eine allgemeine Bestätigung aller
ihrer altem Freyheiten gegeben 5).
1^ UV* 1176 Ueber daa Alter dieser Urktiude Tergl* jedoch die ZutStze des Heraasgebers.
2) ÜB. VI.
a) ÜV. 1203.
4) CiV#« Coloniat reddunt compuium de XXX marcis , pro hahenda eaidna de GildhaUa sua in Londonia , in
thesauro liberaperunt et quieii eunt, Thom» Madox, hietory of the exchequer L 414* fioU /. Magnme rotU"
lue ann, regni 4 Henrici IIL
5) ÜB. VIII. XIII. LXXIll. ÜV. 1235. 1338, 6-
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NDEDERD. MIT ENGLAND. 277
Aber auch andere Deutsche erhielten von Heinrich III. ähnliche Freyhelten.
So gewährte er den Leuten des Herzoges Otto von Braunschweig im J. 1230
Schutz durch sein Land für ihre Waaren um damit zu handeln, gegen Erlegung
der gerechten und schuldigen Abgaben, er verstaltet ihnen die Freyheit, im
Lande zu bleiben, und es zu verlassen. Alles nach Beybringung eines herzog-
lichen Zeugnisses, dass die Vorzeiger desselben seine Leute wären i).
Eben dieser König versprach den Kaufleuten von Gothland und ihren Nach-
kommen |(1237) wahrscheinlich den Deutschen daselbst sowohl als den Eingebor-
nen), dass sie unter seinem Schutze mit ihren Gütern und Waaren nach England kom-
men, und die daselbst gekauften Güter nach ihrer Heimatli {partes suas) fuhren
können; dass sie durch ganz England von allem Zoll {consuetudine) ^ welchen die
Kaufleute zu entrichten haben , bey der Ein - und Ausfuhr frey seyn sollen 2).
Eben derselbe hat im J* 1257 auf sieben Jahre die Lübecker, auf Bitte
seines Bruders, des erwählten römischen Königs Richard, rücksichtlich des Handels
mit ihren Gütern, die sie nach England führen, in seinen Schutz genommen,
und ihnen zugesagt, dass ihre Güter nicht gegen ihren Willen zu seinen Bedürf-
nissen {od opus nostrum) weggenommen werden sollten , vielmehr ihnen der
freye Verkehr im Lande zustehen und bey ihrem Ankommen und Verweilen sowie
der Abreise kein Hinderniss in den Weg gelegt werden sollte. Dasselbe hat der König
den dänischen Kaufleuten und denen von Braunschweig zugesichert 3) , so wie
Aehnliches den Gröningern 4). Wahrscheinlich ist es den Lübeckern hier schwerer
als an andern Orten geworden, früh dauernde Freyheiten zu erhalten. Es erhel-
let aus dem den Lübeckern im J. 1226 von Kaiser Friedrich II. ertheilten Frey-
briefe, dass sie über Cölns und Tieis und deren Genossen Vorzüge in England
sich beschwerten, denn der Kaiser befreyt sie, wenn sie nach England fahren, von
jener bösen Unsitte und der Handelsbedrückung {ab illo pravo abusu et aciionis onere\
welche die von Göln und Tiel und deren Genossen gegen sie aufgebracht haben
sollen; diesen Missbrauch will er abgeschafft haben, sie sollen gleicher Rechte
und Verhältnisse sich erfreuen, deren die Cölner, die von Tiel und deren Genos-
sen theilhaftig sind. Deutlich ist , dass letztere die begünstigten in England waren,
wenn wir gleich die einzelnen Freyheiten derselben, welche später in den gc-
1) UV. 1230-
2) UV. 1237.
3) S. dagegen den Nachtrag snm UV« 12$7* 1%
4) S« Nachtrag zum J. 1258*
278 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
meinscbaftllchcn sich verloren , nicht näher bezeichnen können l). König Heinrich
ni. hat endlich für sich' und seine Nachkommen im J. 1266 1 auf Bitte des Herzo-
ges Albrecht von Braunschweig, dessen Kaufleuten von Hamburg die Befugniss
zugestanden, ihre Hanse durch das ganze Reich unter sich {per se ipsos)^ g^g^n
die ihm und seinen Nachkommen schuldigen und gewohnten Abgaben, zu haben 2);
so wie er da5 Jahr darauf auf desselben Vorbitte dessen Kaufleuten von Lübeck
einen umfassendem Freybrief erlheilte. Er verspricht, dass Niemand von ihnen an
Person oder Gütern Schulden halber verhaftet werden solle, als allein der wirk-
liche Schuldner und dessen Bürge, oder die, welche mit den Schuldnern in
Gemeinschaft des Handels gestanden und einen Einfluss auf sie hatten und so
viel im Vermögen besitzen, dass davon die Schulden ganz oder theilweise bezahlt
werden können, oder endlich nur dann, wenn die Obrigkeit von Lübeck des
Königs Unterthanen das Recht erweislich verweigert haben würde. Auch sollen
ihre in den Händen ihrer Diener befindlichen Güter oder die sie irgendwo
niedergelegt haben, wegen der von ihren Dienern begangenen Vergehungen Ihnen,
den Herren, nicht verloren gehen, wenn sie anders beweisen, dass die Güter
ihnen gehören. Es verspricht der König von ihren W^aaren keine mit Gewalt
zum eigenen Bedürfniss wegzunehmen, ohne ihnen oder ihren Dienern desshalb ,
billige Entschädigung zu geben: mit Ausnahme der von Alters her dem Könige
zusiehenden Rechte der Art. Auch sollen sie, in so fern es von ihm abhängt
(wahrscheinlich war auch der Stadt London Einwilligung erforderlich), ihre
Hanse haben gegen eine Abgabe an den König von liinf Schillingen, gleich wie
die Bürger und Kaufleutc von Cöln die ihrige haben und vordem gehabt und
die Abgabe entrichtet haben, doch so dass sie, die Lübecker, davon ihm und
seinen Nachfolgern die üblichen und schuldigen Abgaben zahlen 3).
Diesen Nachrichten zufolge scheinen die Cölner hier mit dem Beyspiele vor-
ausgegangen zu seyn, von ihnen sind die ältesten uns bekannten Freyheiten er-
worben worden; andere sind aus den deutschen Niederlanden, Westphalea und
Sachsen gefolgt; welche deutschen Kaufleute ihre besondern Hansen oder Ge-
sellschaften in England hatten, und nicht immer günstig von den Cölnern und
den ihnen näher Verwandten angesehen wurden , bis denn allmählich sie mehr zu-
sammenschmolzen und in Eine Gesellschaft sich vereinten.
1) ÜV. 1226, 3.
2) UV. 1266, 2.
3) ÜV. 1267 > 1.
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 279
Höclist wahrscheinlich ist dieser Gang, ohschon nicht urkundlich zu be-
weisen. Auf jeden Fall haben wir schon , bevor noch die Hamburger und
Lübecker die Befugniss erhielten, ihre besondern Hansen zu haben, von dem-
selben Könige aus dem J. 1260 einen Freybrief (von Eduard I. 1280 und von
andern Königen nachher bestätigt), worin er den deutschen Kaufleuten {^mercatori-
bus Alemannie)^ auf Bitte seines Bruders, des römischen Königs Richard, welche
das Haus in London inne haben, welches gemeinhin die Guildhalle der Deut-
schen genannt wird i), ihnen allen und jedem einzelnen verspricht, sie in den
Freyheiten und dem Herkommen zu schützen, deren sie zu seiner und seiner
Vorfahren {progeniiores) Zeiten sich zu erfreuen gehabt haben 2).
Hier zuerst kommen die Gildehalle der Deutschen und Freyheiten vor,
welche sie schon zu seiner Vorfahren Zeit besassen. Ob diess Letzte sich zugleich
auf die deutsche Gildehalle beziehe, oder nur das damit gemeint sey, dass sie
Freyheiten unter seinen Vorfahren besessen haben, mag ungewiss bleiben. Auch
in andern Ländern haben sich Einzelne, selbst bey Erwerbung gemeinschafÜicher
Freyheiten, ihre besondern bestätigen lassen; allmählich aber verschwindet auch
dieses hier, und die später folgenden Freyheiten werden gemeinschaftlich für und
durch diejenigen, welche die Gildehalle in London inne haben, erworben.
In einer andern Urkunde, die in dieselbe Zeit fallt (1260-66), erlässt ein
Engländer Wilhelm, Sohn Wilhelm Reyners, dem Aldermann der nach England
kommenden deutschen Kaufleute, Nahmens Arnulph, Sohn Thedmars, und diesen
Kaufleuten selbst die ihm jährlich zu entrichtende Abgabe von zwey Schillingen
von einem Stück Landes, welches östlich an ihre Gildehalle zu London im
Kirchspiele aller Helligen stösst, welche sie durch die Gnade des Königs und
seiner Vorfahren besitzen, gegen Erlegung zweyer Mark Schillinge 3). Die gemein-
schaftliche Niederlage der deutschen Kaufleute war demnach schon zu Hein-
1) Dieser Ausdruck, domus^ quae Gildhalla Teutonicorum vulgariler nuncupaiurt das Haus, welches in der
Volkssprache die Giidhalle der Deutscheu genannt wird; hat sich fortWähieud in den späteren Urkunden
erhalten» und nie fiudet sich neben Gildhalla statt Teutonici etwa jUemamti, Germanif mercatores imperii
Romani^ so wie dagegen in England nie Yon einer hansa Teutonicorum t sonder*i stets der hansa ^lemannie
gesprochen wird, wohl aber auch vou jus, pixisj commune promissum Teutonicorum. Es darf in dieser Benen-
nung keine Hindeutung auf einen besondern Theil des daraahligen Deutschlands gesucht werden» wenn
gleich die englische Sprache diesen Namen S^iäter auf die Holländer, Duich^ beschränkt hat, tand die
deutsche Giidhalle den in die Hause Alemanniens nicht aufgenommenen Deutschen keineswegs offen
stand« L.
2) UV. J2C0» 3. 1280, 6.
3) UR. XXVII.
280 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
richs III. Zeit, ja unter seinen Vorfahren vorhanden, sie hatten ihren Vorstand,
Aldermann, und die nachher so berühmte Niederlage stand in ihren Grundzügen
bereits da i).
Ob indess damahls schon alle norddeutsche Kaufleute, die nach England
kamen oder daselbst sich aulhielten, dem allgemeinem Vereine sich bereits an-
geschlossen hatten, mag ungewiss bleiben, wenigstens hat die Stadt Bremen, als
einer ihrer Angehörigen mit der Obrigkeit der Stadt London um das J. 1262
in einen Streit gerathen war, denselben allein durch Vorschreiben des Herzogs
Albrecht von Braunschweig, und indem sie sich selbst unmittelbar und schrift-
lich an den König Eduard im J. 1276 wandte, beyzulegen gesucht. Der Verein
der deutschen Kaufleute auf ihrer Gildehalle daselbst hat die Stadt Bremen und
ihre Angehörigen so wenig als damahls der Verein der deutschen Städte dieselben,
wie späterhin gleichwohl immer geschah, vertreten, welches zu beweisen scheint,
dass die Bremer entweder nicht zu diesen Vereinen gehörten, oder dass diese
noch nicht die später erfolgte Ausbildung erhalten hatten 2).
1) Es scheint nicht zu bezweifehi, dass die Kiteste Gildhalle der Deutschen zu London t auf demselben, ie-
doch allmälich bald durch Ankäufe er>yeiterteu i bald durch Abtretungen beschräukten Platze gegründet
vrtLTf auf welchem der hanseatische Stahlhof zu London, am nördlichen Ufer der Themse und der Süd-
seite von Upper Thames Street zwischen Allhallowslane im "Westen und Cosiiulane im Osteu , unfern Dow-
gelte, noch jetzt liegt« Zu der Augabe, dass sie im Kirchspiele alier Heiligen lag, kommt im J. 1408
diejenige hinzu, dass jenes Kirchspiel das grössere dieses Namens sey und die GUdlialle im fFard of
Douegate liege, worin auch die Strasse H^endgoselane (jetzt noch Windgoose AlUy im Stahlhofe)» schon im
J*1383 nachzuweisen ist, und in welcher die Hansen Grundstücke erworben hatten, welche au den ITa^iiJvif
pocatum EsterUngeshalU , auch aula, vocata le EsterlyngeshaUe , stiessen. Diese Gegend ist ein Theil der
ältesten Stadt London ; so wie Dowgate eines der vier ältesten Thore , das südliche , war (s, Bntick hU^
tory of London. IV« 140) und durch die NShe des Marktes bey Billyngsgate y auf welche die oben S. 5.
angeführten Gesetze König Ethelreds ausdrücklich hinweisen» dem Verkehr nicht minder als der Schiff-
fahrt durch die dortigen Landungsplätze vortheilhaft. Es fehlt an einem urkundlichen Beweise dafür» dass
das alte Haus der Cülner (1220) dasselbe sey, welches 1260 und später die Gildhalle der Deutschen oder
Esterlingen genannt wird , doch möchte ich die Identität nicht bezweifeln , da sich ein besonderes Haus
der CÖlner später nirgends erwähnt findet, V«Gernings undocumentirte Nachricht in seiner Hheinreise,
dass die CÖluer ihr eigenes Haus in London bis zum Jahre 1768 besessen und erst damals verkauft haben,
beruht um so wahrscheinlicher auf einem Irrthum, da auch die Rathsprotocolle der Stadt Cöln hierüber
nichts erwähnen. Vielleicht wird dieser durch den Umstand erklärt, dass ein Haus mit einem Garten im
Stahlhofe noch zu Ende des I7ten Jahrhunderts den Namen des rheinischen "Weinhauses führte, was
zugleich auf den Handel und die Verhältnisse der Cölner hindeutet« L.
2) UV. 1276, 1.
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 281
Einer in diese Zeit fallenden Urkunde ist hier noch zu gedenken , welche
uns zwar aufbehalten, doch leider verstümmelt und sehr undeutlich abgefasst ist.
Ludwig Hutzenvkt schreibt nähmlich dem Rathe zu Hamburg, dass Heyfto von
Stade und zwey andere seiner Bürger Hennekin Buch, ihren Oldermann, gleich-
falls einen hamburgischen Bürger, in einer nicht näher bezeichneten Gegend
Englands ausserhalb London, misshandelt hätten. Als der Oldermann selbst sich
bereit erklärt habe, nach London zu reiten, wo das höchste Recht in England
ist, sey auf den Wunsch seiner Gegner durch den Briefsteller und andere Deut-
sche, (welche bekannte hamburgische Geschlechtsnahmen tragen,) ein Termin mit
vorgängiger Einstellung aller fernem Schritte in diesem Streite festgesetzt worden,
unter der Bedingung, dass des beleidigten Oldermanns Verwandte zu Hamburg
in denselben willigten, bis zu deren in England angelangter Erklärung keine
Partey etwas vornehmen sollte. Wenn dann auch diese auf alle Selbsthülfe und
Rache verzichteten, so wollten die Parteyen auf Weihnacht 'zu Hamburg sich
stellen und der Entscheidung des dortigen Rathes sich unterwerfen. Die Befol-
gung dieses Vertrages wurde von jedem der Streitenden durch eine Bürgschafls-
Stellung für 20 Lst. gesichert. Dennoch verklagten Heyno und seine Genossen
den H. Buch innerhalb des Termines in England , wodurch dieselben , wie in
dem Briefe gesagt wird, das Recht der Deutschen in England über alles Maass
hinaus geschwächt haben l). Merkwürdig ist es , in dieser Verhandlung gar keine
Erwähnung der Gildhalle der Deutschen zu London und des dortigen gemein-
schafllichen Oldermanns zu finden, während über die Anbringung der Klage
an den Englischen Gerichtshof als eine Verletzung der Rechte, nicht nur der
Hamburger Hanse, sondern aller Deutschen in England geklagt wird. Der Brief
scheint also einer Zeit anzugehören, wo die Hamburger sich an die Gildhalle
der Deutschen noch nicht fest angeschlossen hatten. Vergebens suchen wir jedoch
nach dem Orte, wo die hamburger Hanse sich aufgehalten, welche nicht als mit
ihrem Oldermanne herumwandemd gedacht werden darf, wenn L. Hutzenvlet
zu ihr gehörte, da dieser einen festen Wohnsitz besass, wo er einen Gast be-
herbergte; wir ersehen jedoch nicht einniahl, ob dieser zu London wohnte.
Ein anderes Document von dem J. 1282 gibt über den damahligen Zustand
des Vereins der norddeutschen Kaufleute in England nähere Auskunft. Zwischen
den Kaufleuten der deutschen Hanse {mercaiares de Hansa j^lmanniey welcher Aus-
1) S. Nachtrag zu 1266» Bd. II. S. 722.
Nn
282 ZWEYTE ABTHEIL. GESCHL DES HANDELS-
druck hier zum ersten Mahle vorkommt und sechs Mahle in der Urkunde wieder-
liolt wird), die sich in der Stadt London aufhielten oder wohnten, und der Stadt-^
Obrigkeit von London wird ein entstandener Streit geschlichtet. Die Stadt be-
hau|)tete , dass jene das Bischofsthor, welches den Einfall drohte, auf ihre
Kosten in gutem Stande zu erhalten verbunden wären, unter welcher Ver-
pflichtung sie von alter Zeit her im Besitz gewisser Freyheiten gewesen. Der
König übertrug die Entscheidung des Streits der Exchequer, die zu Gunsten der
Stadt London sprach, und sie berechtigte, die Kaufleute der deutschen Hanse
dazu mit Gewalt zu zwingen : worauf diese und nahmentlich der vorbenannten
Hanse Aldcrmann, Gerhart Mcrbode, ferner Ludolph Cufifeld, Bürger von Cöln,
Lüder Dunevare, Job. von Erest und Gottschalk Hudendale, Bürger der Stadt
Dortmund, Bertram von Hamburg, Bürger daselbst, und Johann von Dole,
Bürger der Stadt Münster , damahls in London , für sich und alle -Kaufleute
und Genossen [socii) der vorbemeldeten Hanse so viele ihrer und wann sie dahin
kommen (^sociis qiiibuscumque et quandocumqiie conßuentibus) bewilligten und
versprachen, sofort 240 Mark Sterl. der Stadt zu zahlen, das Thor stets in
gutem Stande zu erhalten, und wenn es nöthig sey, ein Drittel der Bewachung
desselben zu übernehmen, während die beiden andern Drittel der Stadt London
zur Last blieben. Diesem Allen unterwarfen sie sich, sie willigten ein, durch
den Major und die Bürger der Stadt zur Erfüllung dieser Verpflichtungen ver-
mittelst Zwangs angehalten werden zu können, und erhielten dagegen ihre alten
Handelsfreyheiten, mit Hinzufügung einiger neuen, bestätigt, auch das Recht,
einen eigenen selbstgewählten Aldermann, wie vordem, zu haben, welcher jedoch
das Bürgerrecht zu London gevi'onnen haben (zVa tarnen, quod Aldermannus sit
de Ubertate chUaiis predicte)^ und dem Mayor und den Aldermännem der
Stadt vorgestellt und von ihnen beeidigt werden sollte, auf ihren Höfen (i/i suis^
curiis) Recht zu sprechen, wie es sich vorbehaltlich der Rechte und Gewohn-
heiten der Stadt London gebührt i).
Der damahls schon mehr ausgebildete Verein und die Niederlage der nieder-
deutschen Kaufleule zu London ergibt sich daraus deutlich genug, doch aus
ihrer Mitte dürfen sie sich ihren Aldermann noch nicht wählen, er muss wenig-
stens ein Bürger von London seyn. Die nahmentlich aufgeführten, zur deutschen
Hanse in London gehörigen Kaufleute sind o£Fenbar nur die, welche Nahmens
1) ÜB. XLVI.
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 283
aller Uebrlgen die Versprechung geben, diejenigen, welche man nachmahls den
Kaufmannsrath nannte, die Vorsieher, der Aldermann und die Aeltesten. Diese
aber sind, mit Ausnahme zweyer von Cöln und eines aus Hamburg, sämmtlich
aus Westphalen, welche Kaufleute aus den westphältschen Städten, denen auch
wohl Cöln beyzuzählen ist, am frühesten und als die angesehensten in den
meisten auswärtigen, selbst den östlichen Niederlagen in Gothland und Nowgorod
erscheinen.
Der Nähme Kaufleute der deutschen Hanse in London sich aufhaltend,
kommt in dieser Urkunde zuerst unter allen bekannten vor, früher als in irgend
einer andern von andern Völkern ausgestellten , ja früher als diese Benennung
von den Städten selbst zur Bezeichnung der Verbindung ihrer Kaufleute gebraucht
wurde. Es ist aber nicht darin von einer deutschen Hanse schlechtweg, oder
von deutschen Hansestädten, sondern in dieser so wie in den spätem Urkunden,
ist von den Kaufleuten der deutschen Hanse, die in London sich aufhalten, die
da ihr Gildehaus haben, lediglich die Rede. Es ist wahrscheinlich, dass von
hier aus, wo der Ausdruck Hanse zur Bezeichnung eines Vereins von Kaufleuten
oder einer Kaufmannsgilde schon viel früher unter den Einwohnern üblich war i),
der Nähme auf den Verein der deutschen Kaufleute übertragen ward , und dass
von hier aus die Benennung in einer allgemeinern Bedeutung genommen, allmäh-^
lieh nach Deutschland übertragen ward, zur Bezeichnung der Verbindung der
deutschen Kaufleute auch in andern Ländern, endlich des Vereins der nord-
deutschen Städte. Die Könige von England bedienen sich der Benennung in
ihren Freybriefen noch nicht, sie behalten den alten Nahmen bey ; deutsche
Kaufleute, die ihre Gildehalle in London haben; aber sie kennen doch die neue
Bezeichnung, die zuerst in den Urkunden der Stadt London vorkommt König
Eduard H. bedient sich des Ausdrucks in einem Vorschreiben fiir einige beraubte
Kaufleute der deutschen Hanse in England verweilend im J. 1315
so wie auch im J. 1320 bey der angeführten Entscheidung zu ihren Gunsten im
Canzley - Gericht 2). Auch ist es ausgemacht, dass diese Kaufleute der deut-
schen Hanse in England allein fiir sich und ihre Nachfolger Verbindlichkeiten
eingehen, ohne dass irgend einer Vollmacht der Städte, aus welchen sie dahin
gekommen waren, gedacht würde; die Stadt London aber findet sich dadurch
befriedigt, ohne wie in einer späteren Zeit immer geschah, eine Vollmacht oder
*»
1) In diesem Sinne ist das Wort schon vor dem Jahre 1200 in England bekannt a. oben S. 73*
2) UV. 1315. 2) ÜB, CLX^
Nn 2
284 ZWEYTE ABTHEIL- GESQH. DES HANDELS.
Bestätigung des Städte - Bundes der grossen deutschen Hanse zu begehren , die
gewiss damahls noch nicht so weit ausgebildet warj es wird lediglich mit diesen
•Kaufleuten der deutschen Hanse zu London der Vertrag abgeschlossen, wie sie
daselbst aus den einzelnen Vereinen oder Hansen einzelner norddeutschen Städte
genieinschaftllch zusammen getreten waren.
Wie vieler oder weniger norddeutschen Städte Kaufleute einzeln oder ge-
meinschaftlich, als Genossen der Gildehalle der Deutschen zu London von den
englischen Königen Freyheiten erhalten haben mochten, so ist dennoch gewiss,
dass sie einzeln oder gemeinschaftlich die Inhaber der deutschen Gildehalle zu London
waren und dass die Kaufleute der deutschen Hansa in England sich authaltend im
Verlaufe, dieses dreyzehnten Jahrhunderts einen freyen oder geschützten Handel,
einen freyen Ein- und Verkauf, eine freye Ab- und Zufuhr in England, bey
Erlegung der üblichen Costumen, erworben hatten. Hiermit aber war bereits
viel in jenen Zeiten gewonnen, bey der Gehässigkeit, womit Fremde in allen
Ländern behandelt wurden, und besonders bey der Art, wie vorzüglich die
englischen Städte die fremden Kaufleute ansahen und zu behandeln pflegten.
Es wussten die Deutschen gar bald, als sie sich dort niederliessen , die Lage
des Landes auszukundschaften, und es blieb ihnen gewiss nicht lange verborgen,
dass die Könige, die Lords und die Bewohner des flachen Landes ihre Beschützer
und Freunde waren, während die Städte und Flecken sie mit neidischen Augen
ansahen, und damahls, so wie in allen folgenden Zeiten, was sie nur irgend
vermochten , ihnen in den Weg legten.
Es war nähmllch des Königs Vortheil von dem der englischen Städte und
Kaufleute gänzlich getrennt, ja beide waren sich einander, eine lange Zeit hin-
durch, geradezu entgegen. Die Könige von England gewannen bey der flelssigen
Besuchung des Reichs durch die fremden Kaufleute gar sehr an den Zöllen,
welche nächst den Domainen ihr Haupteinkommen ausmachten. Diese aber
konnten nie von den Eingeborenen in dem Umfange erhalten werden, da sie
einen so ausgedehnten Handel selbst zu betreiben damahls noch ,ganz unfähig
waren, und da sie zugleich geringere Zollgebühren, als die Fremden, erlegten i).
i) Es ist wahr, dasa die Hansen in den folgenden Jahrhiiuderteo , indem sie ihre alten Freyheiten sich er-
hielten, weniger als andere Fremde, ja in einiger Hinsicht weniger als die Engländer selbst zahlten ; allein
noch 1347 baten die Gemeinen den König und die Lords» dass der König den neuen Zoll hinweg neh-
men möge , Termöge dessen die Engländer "von )edem englischen ausgeführten Tuche 14 Peuce , die Frem-
den 21 Pence zahlten , Ton federn wor$t€de cloth Engländer 1 , und Fremde 1 if^ Penny u. s« w« Tergl.
Anderson /. c. T,L p* 323« z* d. J. 1347.
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIE DERD. MIT ENGLAND. 285
Wie gross aber die Geldbedürfnisse der Könige hier waren, das erhellet deutlich
genug daraus, dass auch der König Eduard III. im J. 1344 einen Schein den
deutschen Kaufleuten Thomas und Wilhelm Melchbourn über ien Wiederempfang
der grossen Krone Englands ausstellt, die dem Schatzmeister des Königs zu
übergeben ist Ohne Zweifel war die Krone als Pfand gegen Vorschuss versetzt
gewesen, was auch in andern Ländern, z. B. in Dänmark stattfand i). Endlich
aber begünstigten die Könige von England die Fremden auch desswegen, weil sie
in Kriegszeiten, (und Krieg war fast immer), besonders in ihren Fehden mit
Frankreich, mit Flandern und mit Schottland, eine Unterstützung an Schiffen und
andern Bedürfnissen von diesen Fremdlingen erhalten konnten, welche sie früher
ihnen hinweg nahmen, später einen Ersatz dafür gaben, doch ein gewisses
Vorkaufsrecht sich vorbehielten, auch dem alten gewaltsamen Zugreifen nicht ganz
entsagten^ wesshalb die Fremden hier wie in andern Ländern sich durch ihre er-
worbenen Freyheiten dagegen zu schützen suchten.
So ist eine Sage bey deutschen und englischen Schriftstellern, dass Heinrich
III. von den deutschen seefahrenden Kaufleuten eine Unterstützung in seinen Feh-
den mit Frankreich erhalten habe, und dass er, durch diese Hülfe bewogen, ihnen
ihre Freyheiten bestätigt, und den ersten gemeinschaftlich lautenden Freybrief er-
theilt habe 2). Auch haben spätere Könige gleiche, oder ähnliche Dienstleistungen
empfangen, wie sie diess zum Theil selbst in den, den Hansen später ertheilten
Freybriefen dankbarlichst anerkennen. So hatte gewiss, aus diesen oder ähnlichen
Gründen, König Johann bereits allen fremden Kaufleuten verstattet, nach England
mit ihren Waaren zu kommen, und ihnen Schutz und sicheres Geleit zugesagt 3^.
Der Adel und die Bewohner des flachen Landes waren den Fremden gleich-
falls geneigt, da sie ihre rohen Stoffe, als Wolle, Leder und Zinn, an diese zu
1) ÜV. 1344.
2) VergL z. B« Anderson^ t hUtory of Commerce ad a. 1239» und die «päteren Angaben der Hante, irer-
möge deren sie hier, wie aUer anderen Orten, die ihnen sugettaudenen Freyheiten nicht alt Gnadenbriefe >
sondern alt iura qnaeeita fttr geleistete Dienste betrachteten« Eduard L sagt in seiner charta mercatoria
Ton 1303» dass er die Freyheiten den Fremden ertbeile, um sie sich au ferneren guten Diensten ge-
neigt zu machen. Eduard III* gedenkt der "von den deutschen Kaufleuten in seineu Kriegen ihm erwiese-
nen yrülfährigkeit und geleisteten Subsidien (s. UV. 1362. Febr. S*)* Doch findet sich in dem Ver-
seichnisse seiner Flotte Tor Calais (Hakluyt /« c, T,L p. HS- 120^} kein eigentlich norddeuUches
Schiff» es w&re denn, dass man eines "von Geldern dahin rechnen wollte.
S) S. H a k 1 u y t /• c 7. i. p* 129- ^ general eafe conduct graunied to all foreign merchante hy Kmg John in
the firet yeere of hU reign (1199)«
286 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
faöhern Preisen, als an die englischen Stadtbewohner, absetzten, welche einen be-
schränktem Markt hatten.
Aus einem ganz andern Gesichlspuncte aber sahen die englischen Städte and
Flecken diese fremden Kaufleute an. Jeder Fremde schien ihr Feind' und ihr
gefahrlicher Nebenbuhler zu seyn, welchem sie gern das Land verleiden wollten.
Die Sitte der Zeit unterstützte den Andere ausschliessendcn Zunftgeist dieser
englischen Gemeinden. Dieser stiess immer und immer wieder auf diese Fremd-
linge, welche, durch die Könige mehr und mehr begünstigt, jene rohen Stoffe
ausführten, deren ausschliessliche Verarbeitung sie ansprachen, und eben dess-
halb über das Erhöhen d,^c Preise, durch diese von Ausländern betriebene starke
Ausfuhr, gewaltig klagten ;. uoder er stiess auf des Landes Kaufleutc, welche, in so
fern diese Stoffe im Lande keine Anwendung finden konnten, sie selbst auszu-^
fuhren beabsichtigten. Es war damahls, so wie auch in den folgenden Zeiten, gar
nicht jene freyere Ansicht in England, welche in den Niederlanden, besonders
in Flandern und Brabant, in Hinsicht auf Fremde viel mehr vorherrschte. In
England kannten die Gemeinden nicht die Vortheile eines freyern Verkehrs mit
Fremden. In ihrem engherzigen Geiste, da ihr städtisches Gewerbe noch so un-
vollkommen war, wollten sie bald allein nur den Kleinhandel fuhren; bald sollte
kein Fremder mit einem andern Fremden handeln dürfen, sondern zu diesem Ge-
schäfte sich der Zwischenhand eines Eingeborenen allein bedienen , der dann nach
Belieben die Preise machen konnte; bald sollten die Fremden nur von den Bür-
gern der Städte und Flecken , nicht aber auf dem platten Lande , Wolle und Felle
einkaufen; bald sollten sie ihre Schiffe nicht verlassen dürfen, und nur auf Mes*
sen und Märkten einige grössere Freyheiten besitzen; bald sollten sie in den eng*
lischen Flecken oder Städten sich nur auf eine kurze Zeit, etwa höchstens vierzig
Tage lang, aufhalten dürfen, und sonst noch manchen andern Einschränkungen
unterworfen seyn i). Wirklich waren diese Gesinnungen mit geringer Ausnahme
durch ganz Europa vorherrschend. Auch klagten die englischen Kaufleute in der
frühem Zeit mit Recht, dass ihre Könige die Fremden, zum Theil auf ihre
Kosten begünstigten, da den Engländern, noch im vierzehnten Jahrhunderte, die
Ausfuhr der vorzüglichsten englischen Güter oft untersagt , und den Fremden allein
erlaubt wurde.
1) S. z. B« die Charter , welche der Graf Morton den Bürgern Ton BrUtol in Bezug auf fremde Kaufleute
im J. 1190 ertheilte, bey Anderion I« 160> s*d.J.ll65 u. Barrett^s fustory of Bristol S. 664* Meh-
rere hier im zweiten Baude abgedruckte Urkunden liefern Belege.
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 287
Somit konnte es dann nicht fehlen, dass die Fremden, und die Deutschen
besonders, häufig und ofl über die englischen Städte und Flecken zu klagen hat-
ten; diese aber hatten viele Mittel um die verstatteten Freyheiten der Könige kraftlos
zu machen. Sie legten eigenmächtig den Ausländern neue städtische Abgaben
auf, obschon ausdrucklich die Könige einen freyen Verkehr verstattet haben woll-
ten, wenn die Fremden einmahl die üblichen Costuraen ihnen bezahlt hätten;
bald wollte man sie in der Stadt oder in den Flecken nicht dulden; mit einem
Worte, die Streitigkeiten zwischen beiden Theilen hörten nie, von Anfange an
bis zu Ende des hanseatischen Handels, in England ganz auf. Die Könige waren
an Macht damahls zu schwach, um ihren Befehlen die Ausführung stets zu ver-
schaffen; die Engländer in Städten und Flecken, die Zollbediente, Bürger und
Kaufleute, waren nimmer müde, die Fremden zu plagen und sie zu misshandeln.
Nur der König und sein geheimer Rath hielten es gewöhnlich mit den Fremden,
oft aber mussten die Könige 'dem Schreyen der englischen Gemeinden nachgeben,
oft manche Gewaltthätigkeilen übersehen, und oft wurden sie überredet, dass
diese Fremdlinge zu ihrem, der Könige, eigenen Nachtheile zu Werke gingen i), und
zuweilen verdienten die Fremden besonders in der Folge diesen Vorwurf wirklich,
da sie auf ausschliessende Vorrechte bestanden und die Könige selbst bey den
Zollabgaben hintergingen.
Dennoch war der Umfang des eigenen Handels der Engländer mit dem
Auslande und ihre eigene Schifffahrt in diesem Zeiträume noch sehr beschränkt.
Sie konnten , wenn das Reich rascher gedeihen sollte , die Vermittlung der
Fremden nicht wohl entbehren, besonders nicht die der Niederländer, der Lom-
barden und Deutschen, welche vermöge ihres Capitals, des grössern Umfangs
ihres Handels, des Besuchens verschiedenartiger Marktplätze verschiedener Völker,
den Engländern überlegen waren.
Zwar fuhren die Lelztern im dreyzehnten Jahrhunderte fleissig nach Frank-
reich, allein dieser ihr Handel mit ihren nächsten Nachbarn des festen Landes
ward sehr oft durch die nie ganz aufhörenden Fehden zwischen beiden Ländern
unterbrochen. Sie fuhren gleichfalls nach den Niederlanden, vorzüglich nach
Flandern, nach Norwegen seit den ältesten Zeiten, doch selten nach den deut-
1) Beweise zu dem Alleu sind noch häußg geuug in der Folge Torgekomiiieii , als seihst ein freierer Geist
iu der Haudelswelt sich zu verbreiten aufiiig ; die Streitigkeiten der Hause vornehmlich mit der Stadt
London sind zuweilen beruhigt worden, haben aber nie ganz aufgehüit.
288 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
sehen Häfen der Nordsee. Allein mit eigenen Schiffen kamen sie noch nicht oder
gewiss nur höchst selten nach dem mittelländischen Meere, und wenn gleich
die Kreuzzüge zu der Fahrt dahin gereizt haben mochten, so hatte sich doch
kein fortdauernder unmittelbarer Handel für sie daran geknüpft. Lombarden und
Italiäner besuchten mit eigenen Schiffen England, und tauschten dort des Landes
Güter gegen ihre Waaren ein; sie besuchten zugleich mit den Engländern gemein-
schafUich den niöderlandischen Markt, wo ein Gleiches stattfinden konnte.
m
Die Engländer mit ihren Schiffen haben zwar in dieser Zeit die nordöstlichen
Häfen Deutschlands besucht, jedoch nur sparsam, wie es nach den auf uns
gekommenen Nachrichten wenigstens scheint; mehr erschienen sie gegen Ende
dieses Zeitraums, an den preussischen Küsten und in der Ostsee überhaupt.
Altein selbst bis in das sechszehnte Jahrhundert konnten sie zu keinem unmittel-
baren dauernden Verkehr mit den Russen in der Ostsee gelangen. Dass sie indess
auch diess bereits versucht haben, erhellet aus den altern Scraen des deutschen
Hofs zu Nowgorod , worin den Deutschen geboten wird , keine Güter der
Wallonen, Fläminger oder der Engländer dahin zu führen, nicht mit ihnen
in Handelsgesellschaft zu stehen, oder von ihnen Güter zur Verfuhrung dahin
anzunehmen. Weiter, als die deutsche Ordenshoheit ging, sind sie mit ihren
Schiffen wohl noch nicht gekommen; und eben deshalb war ihnen, selbst noch
um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts, die Entdeckung des entfernten und
minder bequemen Archangels und die ihnen dort verstattete Niederlassung so viel
werth. Der unmittelbare Verkehr der Engländer durch ihre eigene Schifffaln-t
auf Dänmark und Schweden war gewiss auch beschränkt, der Austausch engli-
scher Güter gegen dänische, schwedische, russische scheint um diese Zeit vor-
nehmlich durch die Zwischenhand der Deutschen betrieben worden zu seyn
oder aber in den Niederlanden, besonders in Flandern, wo Schweden, Dänen,
nebst Deutschen und Engländern gewöhnlich mit einander verkehrten.
«
Auch ist es begreiflich, warum diess Alles so der Fall seyn musste. Die
deutschen Kaufleute und Seestädte nähmlich hatten sich nach und nach in diesen
verschiedenen Reichen Handels- und Zollfreyheiten verschafft, welche Dänen
Schweden und Engländer sich einander wechselseitig in diesem Maasse nicht zu-
gestanden; zugleich aber übertrafen auch die deutschen Seefahrer an Betriebsam-
keit und VVohlhabenhelt, an Kenntnissen des Handels und an Verbindungen
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 289
in diesen yerschiedenen Ländern, nach und nach die Eingeborenen beider Thcile
gar sehr i).
Unter allen Völkern des Nordens aber, deren Verkehr die Deutschen in
ihre Hände zu bringen bemüht waren, oder den sie in der Folge beherrschten,
unter Russen, Dänen, Schweden, Normännern und Engländern, fing doch auch
kein Volk so früh an, thätig als Nebenbuhler aufzutreten, als eben die Engländer,
obschon im Anfange sehr wenig von ihres Landes Königen unterstützt.
Anfangs wurden Zinn, Wolle und Felle, damahls die vornehmsten Er-
zeugnisse des Landes , welche man Stapelwaaren in England nannte , weil
sie an bestimmten Orten des Reichs aufgehäuft, oder an bestimmten Orten
des Auslands zum Verkauf niedergelegt wurden , einzig von Fremden
ausgeführt und weiter vertrieben. Allein bereits seit dem vierzehnten Jahr-
hunderte mischten sich auch Engländer unter diese Stapelgesellschafl fremder
Kaufleute, und fingen gleichfalls an, diese Stoffe, selbst gegen den Willen der
Könige und der Lords ^ auszuführeh. Bey den Kriegen, die Eduard IH. mit
1) Daaa der englische Haudel im dreyzehiiteu und einem grossen Theile des vierzehnten Jahrhunderts hin-
durch noch so beschränkt war , davon kann man sich aus den Urkunden bey R y m e r foed. jingL T. /«
überzeugen; man vergl. Hakluyt collection of voyages ^ T, I, p. 128 i**« iu welchen Werken zwar meh-
rere desfallsige Documente und Verträge zwischen Norwegen (1217* 1269)» Flandern (1236* 1274)) den Nieder-
landen (1275«' 1280) überhaupt und England, andere aber mit den nordöstlichen Reichen aus diesem Zeit-
räume nicht vorkommen. In den Reimen daselbst, welche den englischen Handel mit Fremden im vier-
zehnten und Anfangs des funßcehnteu Jahrhunderts beschi'eiben (p. 187 f*)« werden weder Schweden,
DäneUf noch Russen genannt, wohl aber Oesterlinge und Deutsche. Auch in Eduards 1. Urkunde von 1303,
worin alle Völker erwähnt werden, die nach England des Handels wegen kommen, werden aus der Ost-
see die Deutschen allein erwähnt. Diess wird durch mehrere Nachrichten bey Anderson T, I* z. B.
ad <u 1310* 1325 bestätigt« In dem Verzeichnisse der fremden Kaufleute t die nach England kommen » in
Madok firma burgi chap, H. sect. 4, werden weder Schweden, Dänen, Polen, noch Russen erwähnt.
Wenn in einer Urkunde von 1310 bey Ry me r T. /. P. 2« pag* 110. Eduard II. von England an den
König Hakon von Norwegen schreibt: Ex graui querela fVillielmi de Tollere, burgenais et mercatoris villae
nosfrae de Grymeshy , accepimus quod , cum homines et seruientes $ui quandam nauem ipsius fVillielmi , bla-
dis et victualibus aliis , in partibus de Betlang onerassent , vaque in regnum nostrum jingliae ducendum etc.
so beweiset dicss zwar, dass damahls Engländer nach der Ostsee kamen und daselbst Getraide höhlten,
denn diess Estlang oder Estland i«t nichts anders als die Küste der Ostsee; allein diess ist auch nur das
eine Beyspiel aus so frühen Zeiten. — (Eine etwas neuere Spur dieses Verkehres findet sich in einem
Vorschreiben König Eduards HI. au den Grafen Gerhard von Holstein v.J. 1329- über die bey Copenhagen
geschehene Beraubung eines von Stralsund heimkehrenden Schiffes des Robert von Musgrave aus Isewcastle.
S. Rymer II. 761« Dass die Dänen in diesen Zeiten einen Handel direct nach England geführt hätten
(denn dass sie früher der Eroberungen wegen nach dieser Insel gefahren, ist allgemein bekannt}, muss
bezweifelt werden, wenn kein anderer Beleg dafür aufgeführt wird, als die Urkunde v. 1257. Vgl.
den Nachtrag Bd. II. S. 719- L*)
O o
290 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Frankreich fiihrle, entstand ihm das Bedürfniss, Geld zu haben , und viele
dieser rohen Sloffg wurden von Engländern auf des Königs Rechnung nach aus-
wärtigen Märkten, besonders nach Flandern, gebracht. Aber um die Mitte des
vierzehnten Jahrhunderts verbot er den Engländern wieder die Ausfuhr, und
verstattete sie lediglich den Fremden, well seine Zölle ihm einen grössern Ertrag
alsdann abwarfen; erst gegen das Ende seiner Regierung gestand er den Englän-
dern von der Stapelgesellschafl gleiche Freyheit der Ausfuhr jener Guter zu, wie
die Fremden sie besasscn i).
i) Vergl. Anderson /. c. T. I. ad a. 1248. P' 216. ihid. ad a. 1267« p. 231. 232- ad a. i3l9. p. 287«
288* uud die Statute Eduards IH. von 1353 und 1362 1 so wie die Magna charta Uberfatum^ wie sie um
diese Zeit lautete. — (S. hat den noch mehr verworrenen als unzuverlässigen Nachrichten Anderson's
zu viel Zutrauen geschenkt , was wegen des nahen Zusammeuhauges der englischen Stapeleinrichtungen
mit der Geschichte der Hansen in England hier kurz ausgeführt werdeu > muss. "Wir köuuen es dahinge-
stellt seyn lassen, ob die Magna Carla von J* 1215 im jirt.liS, lediglich von fremden oder einheimischen
Kaufleuten zu verstehen sey, da sie offenbar nicht vom Stapel und auch nicht von desfallsigen Gesellschaf-
ten spricht, und das Yorhaiideuseyn eines mehr selbstthätigen Haudels der Eugländer im 13ien Jahrhun-
dert, als von deren eignen Schriftstellern angenommmen wird, bereits oben von uns erwiesen ist* Die
Nachricht, dass die Gesellschaft der Kaufleute des Thomas von Decket im J. 1248 ein Privilegium vom
Herzoge Johaun von Brabant erhalten habe, muss irrig seyn, da damahls Herzog Heinrich HI. dort re-
gierte, dem Johann 1. 1260 (+1294) folgte. Maly nes (im Centre ofthe Circle of Commerce 1623) behaup-
tet , dass die Kaufleute des Stapels, älter als )ene» bereits 1267 ein Privilegium von K^nig Heinrich III.
von Eugland erhalten haben, ohne jedoch zu bezeichnen von welchem Stapel und ob in einer inländischen
oder ausländischen Stadt, die Rede sey. Wahrscheinlich ist es auf die Engländer zu beziehen, welche
nach einem Schreiben des Königes Philipp des Schönen an Eduard II. v. J. 1314 mit andern 'Wollhändlern
seit Jahren einen Hauptstapel zu Antwerpen gehalten hatten, von woher sie ihre Waaren auf die Märkte
von St. Omer und Lille brachten C^« Rymer II. 248* 25lO KLönig Ludwig von Frankreich richtete im
folgenden Jahre an den König von England das Gesuch , einen Stapel zwischen Calais und der Seine auf
französischem Gebiete anzulegen. Edward II. hatte nähmlich kurz vorher die Verordnungen über die Er-
richtung des Stapels der Kaufleute und AVaaren in englischen Städten erlassen, und zwar am 20 May
1313» wie sich aus einer vom 18 Juny 1320 (abgedr. bey Hakluy t L 143) dessfalls erneuerten Verfügung
desselben Königes ergiebt, und welche sein Sohn Edward IIL im J. 1327 bestätigte (Rymer IL 705.)
im folgenden Jahre aber wieder aufhob. S. Statutes at large ad a. 1328* 1^1® Anlegung dieser Stapelplätze
in England , wo die Kaufleute mit ihren Waareu vierzig Tage verweilen mussten , ehe sie dieselben welter
ins Inland oder ins Ausland verführten, darf nicht mit der Errichtung des Wollstapels im Auslande,
welche zunächst von den Kaufleuteu ausgehen musste, verwechselt werden, wenn sie gleich durch den
Umstand , dass der König selbst der erste "Wollhändler seines Reiches war , und durch die von ihm rück-
sichtlich der Zölle gelrolFenen Einrichtungen mit einander verknüpft sind. 1336 schrieb Edward III. dem
Herzoge von Brabant und 1337 den Städten Brüssel Löwen und Mecheln, dass er auf Bitte des Herzoges
die Anlegung eines Stapels in Brabant, wo der \\x Antwerpen also aufgehoben war, bewilligen wolle.
(Rymer II. 953* 9590 1341 errichtete er einen Stapel für "Wolle und andere IrVaaren in Flandern zu
Brügge und eine Gesellschaft von Engländern, mit allen Rechten, welche dergleichen Stapel zu geniessen
pflegten, uud welche, gleich wie wir von der zu Antwerpen im J. 1319 wissen, einen Major und Consta-
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 291
Eine andere inländische Kaufmannsgesellschaft fing uro diese Zeit in England
an i), die Gesellschaft von Thomas a Becket, welche nach einigen Jahrhunderten,
unter dem Nahmen der Adventurers oder wagenden Kaufleute, der hansischen
Handelsherrchaft den Untergang, mit Benutzung der veränderten Umstände, bereitete.
Allein diese Gesellschaft hatte damahls einen noch engern Wirkungskreis als die
erstere, da sie nur verarbeitete Stoffe, vornehmlich Tucher, ausführte, welche
zu jener Zeit noch keinen so sehr bedeutenden Gegenstand als in der Folge
ausmachten. Eduard III. begünstigte zuerst durch die Aufnahme vieler nieder-
ländischen feinen Tuchweber die Bereitung der feinen Tucher in England ganz
besonders y^ denn gröbere Arten Tuch meist zum inländischen Verbrauch hatten
die Engländer freylich seit den ältesten Zeiten bereitet 2). Allein des Königs
Verbot der Ausfuhr der rohen Wolle nach Flandern , und sein Befehl , dass
Engländer nur einheimisch bereitetes Tuch tragen sollten, wurden kaum ein Jahr
bularios hatte, Vielehe aie, nachdem der Kuiiig die Eriieunungen fUr das erste Mahl vollführt hatte, Reibst
erwählte* Rymer IL 1172* TergU Schreiben Edwards ill. au die flaudrischeu Städte t» J. 1348* Ryiuer
UL 153* Der Stapel aher, welcher fiir Ziun, Bley uud euglische Tücher zu Calais im J. 1348 errichtet
wurde » ist als eiu binueuläudischer Stapel su betrachten» Aus allen desfaHsigen Documeuteu geht aber
hervor , dass diese Stapelgesellschafteu in den Terschiedenen Städten des Auslandes aus Engländern bestan-
den und unter sich verschieden waren y die Stapelstädte in England indessen viel älter als das Jahr 1353
waren. Die Verfügung desselben Jahres aber, dass nur Fremde die Stapelwaaren ins Ausland fuhren soll-
ten , beruhte auf Ansichten und YerhältuiMen , welche von sehr l^urzer Dauer 1 hier nicht weiter erörtert
werden können. X.)
1) Die Zeit ihrer Entstehung ist ungewiss, Tergl. An derton T. J. a</ <7. 124B« P* 216« ad a. 1296* p* 253.
ad <7. 1358« p* 342*9 allein um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts führten sie bereits einige euglische
Tücher aus» — (Wir kennen diese Brüderschaft nur aus der neuern Angabe der Merchant Adventurers^
welche erst unter Heinrich VII vorkommen. Ueber den Irrthura in der Nachricht v^ J. 1248 ist in der
vorhergehenden Kote schon gesprochen ; das Privilegium v, J. 1296 ftir Antwerpen ist wahrscheinlich iden-
tisch mit den Rechten der bereits gedachten der englischen Kauüeute in dieser Stadt ; die Nachricht über
eiu jener Brüderschaft im J. 1358 ertheiltes Privilegium in Flandern hielt Anderson schon für irrig.
Es fehlt demnach an einer heglaubigten Nachweisun^ über das Vorhandenseyn einer solchen Brüderschaft
englischer Kauileute in dieser Periode. Wahrscheinlich war sie in diesem Jahrhunderte eine auf eine
Stadt, vielleicht London, beschränkte, zu gewissen religiösen ^wecken verbrüderte Abtheilung einer grössern
Kaufmannsgilde. Der Unistaud, dass sie einen Heiligen verehrten, welcher englischen Kaufleuten be-
sonders werth war — auch die hamburgischen Euglandsfahrer hatten ihm in ihrer Heimath im St. Johannis-
Kloster eine Capelle erbaut, * mag später benutzt seyn, um ausgedehntere Ansprüche zu hegrüuden« X.)
2) Es ist falsch wie mau die Sache gewöhnlich vorstellt, dass Eduard III. zuerst die Wollenweberey in England
eingeführt habe ; allein die Bereitung feiner Tücher zur auswärtigen Verführung versuchte man unter ihm
zuerst. Grobe Tuchweber - Gilden gab es HOO und 1135 bereits in England. Anders. /. p.l41. nach
Madox, firma Burgi chap. 10. sect, 20« Bunte Tücher wurden zu Heinrich II. Zeiten zu Nottingham
verfertigt. Rymer I. 41«
Oo 2
292 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
lang gehalten, da seine Zolleinnahme dadurch zu sehr litt, und die Kriege mit
Frankreich seine Bedürfnisse vermehrten. Es dauerte wirklich noch an zwey
Jahrhunderte, bevor jenes Ausfuhrverbot streng gehandhabt wurde.
Auch mochte es weiter den Deutschen nicht eben nachtheilig seyn, wenn
die Engländer ihre Wolle selbst zu feinen Tüchern verarbeiteten; die Mitwerbung
zwischen Engländern und Niederländern konnte ihnen vielmehr lieb seyn, sie
verloren nichts als etwa den Frachllohn fiir die von ihnen aus England nach den
Niederlanden geführte rohe Wolle, dagegen aber brachten sie in der Folge viele
ungefärbte und ungeschorene feine Tücher aus England nach Deutschland, und
gewannen daran das Scheer- und Färbereylohn. Die Deutschen waren überhaupt
nur begünstigte Zwischenhändler, und so lange Andere nicht selbst die Tücher
nach den nordischen Märkten brachten, so hatten sie immer was sie wünschten.
Nun fing zwar die englische Gesellschaft von Thomas a Becket an, englische
Tücher um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts aufzuführen; allein die Aus-
fuhr war bey der geringen Erzielung im Innern des Landes noch so unbedeu-
tend, dass sie gar keine gefahrliche Nebenbuhler waren; auch zogen die Deutschen
für den nordischen Handel die besseren flandrischen Tücher, wie es scheint,
noch immer vor i) , und erhielten sich die Vortheile des ausschliesslichen Fuhr-
und Zwischenhandels.
Aber alU diese, obschon unvollkommenen. Versuche zeigten doch auch
bereits eine grössere Thätigkeit unter den Engländern , als man in den übrigen
nordischen Reichen vorfand , und es ist um so rühmlicher fiir die englischen
Städtebewohner, Kaufleute und Tuchbereiter, die zuerst so wenig von den Köni-
gen unterstützt^ wurden , welche vielmehr das Land gleichsam an Fremde ver-
riethen, dass sie doch so beharrlich fortfuhren und zuletzt so glücklich endeten.
Eben diese Thätigkeit forderte alle Fremdlinge im Reiche auf, sich an die Könige
desto enger anzuschliessen , und lieber dem Könige einen höhern Zoll anzubieten,
um nur im Besitze des englischen Fuhr- und Zwischenhandels, und, w^as die
Niederländer betraf, im ausschliessenden Besitze der Verfertigung der feinen
Tücher zu bleiben. Alle Fremdlinge in England hatten hier ein gemeinschaft-
licheres Ziel, als irgend sonst wo, zu verfolgen; und so geschah es auch, dass
alle Fremde, — die Deutschen sind vor den Uebrigen zuerst genannt, — von
1) Ander so n /. c. T* L ad a. 1331* 1337« 1358* Verglichen mit den Streitigkeiten der Hanseaten ca
Nowgorod wegen der Breite und Güte der flandrischen Tücher s. oben beym russisch - deutschen
Handel.
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 293
Eduard I. 1303 einen Freybrief erhielten, der ihnen für jene Zeit unschätzbar
seyn musste i). In diesem verheisst der König allen fremden Kaufleuten, woher sie
auch immer nach England kommen und die daselbst verweilen, um sie sich und
seinem Reiche zu bereitwilligen Diensten ferner zu verbinden, auf ihr Gesuch,
fiir sich und seine Nachfolger, Schutz und sicher Geleit, wenn sie nach England,
oder sonst wo innerhalb seiner Herrschaft kommen, er befreyt alle ihre Waaren
von dem Mauer-, Brücken- und Pflastergeld. Sie dürfen frey den Grosshandel
in allen Theilen seines Reichs mit Eingeborenen und Ausländem betreiben, auch
Krämerwaaren und Gewürze in kleinen Quantitäten, gleichwie bisher von ihnen
geschehen, verkaufen. Ihnen ist erlaubt, ihre von ihnen eingeführten Waaren,
oder die, welche in des Königs Reich oder Herrschaft gekauft oder sonst von
ihnen erworben werden, innerhalb derselben oder aus dem Lande zu fuhren,
nur nicht nach den Ländern seiner kundbaren Feinde; stets jedoch unter der
Bedingung, dass sie die üblichen Ausfuhrzölle bezahlen, und keinen in das Land
ein Mahl eingeführten Wein ohne seine besondere Erlaubniss wieder ausfiiliren.
Sie erhalten das Recht, im Lande mit ihren Waaren sich aufzuhalten, so lange
sie es fiir gut finden, und sich einzumlethen zufolge des Uebereinkommens mit
den Hauselgenthümern. Zur Sicherheit aller und jeder in Handelssachen von ihnen
abgeschlossenen Verträge, soll, wenn ein Mahl darauf der Gottes -Pfenning ge-
geben und angenommen worden ist^ Niemand davon abspringen, jeder darüber
entstehende Streit aber nach dem Markt - oder dem Orts - Rechte entschieden
werden, wo der Vertrag geschlossen worden sey. Kein Gut soll den ge-
dachten Kaufleuten , unter dem Vorgeben einer Nothsache oder eines Zu-
falls, weder durch den König noch durch einen Andern genommen, mit Be-
schlag belegt, oder die Zahlung verschoben werden; sie sollen dagegen vielmehr
den vollen Werth - sogleich ausbezahlt erhalten , mit dem sie selbst zufrieden
seyn würden, und um welchen sie die Waaren an Andere frey würden verkauft
haben, oder es soll ihnen sonst ein Genüge geschehen, also dass sie dadurch
zufrieden gestellt werden mpchten. Der König sagt ihnen zu : dass weder durch
ihn, noch einen seiner Diener, ihren Gütern und Waaren ein bestimmter Preis,
1^ Nahmentlich werden die Kaufleate folgender aufgeftihrt, denen die Freyheiten ertheilt werden: aus
Deutachland, Frankreioh» Spanien, Portugal, Navarra, aus der Lombardei i Toscanai der ProTence; Cata-
lonien, dem dem Könige behörigen Aquitanien (ducaius na»iri jiquiianie)^ aus Toulouse» Gabors (Cathurcinii\
Flandern, Brabant und aus allen andern Landern und fremden Orten, unter welchem Nahmen sie auch
begrifTen werden.
294 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
wozu sie zu verkaufen wären, gesetzt Tverden solle. Um ihnen zu schneller
Rechtshülfe belörderlich zu seyn, soll jede durch sie anhängig gemachte Rechts-
sache durch die Beamten, Marktaufseher (minisiri feruirum) in allen Handels-
städten, Burgen und Flecken {villis) binnen Tages Frist ohne Aufschub nach
dem Kaufmannsrechte {lege mercatoria), in so fei^n es danach thunlich ist, be-
endigt werden j sollte aber durch dieser I*7achlässigkeit ihnen ^daraus Schaden er-
wachsen, selbst wenn sie in der Hauptsache ihren Schaden ersetzt erhielten, so
wird der König diese Nachlässigkeit bestrafen, und eine Geldbusse soll in diesem
Falle den Kaufleuten, zur Beschleunigung ihrer Rechtspflege, zufallen. In allen
solchen Rechtsstreiten aber,, worin sie verwickelt werden oder Andere verwickeln,
ohne Unterschied des Standes, ohne Unterschied, ob von einem Fremdlinge oder
Inländer (jpriuatus) die Rede sey, soll auf den Märkten, in den Städten oder
Burgen, wo eine hinlängliche Zahl der Kaufleute aus obenbenannten Ländern
vorhanden ist, um die Untersuchung zu machen^ Verbrechen, die das Leben
angehen, ausgenommen, die Jury (sit medieias inquisitionis ) haXh aus fremden
Kaufleuten, halb aus unbescholtenen Männern des Orts bestehen, wo die Sache
zu beurtheilen ist; wenn aber der Fremden nicht daselbst so viele anwesend
wären, um die Hälfte der Jury voll zu machen, so sollen andere dazu tüchtige
ihre Stelle vertreten und die übrigen aus tauglichen Personen des Orts, wa das
Urtheil zu fällen ist, angestellt werden.
In allen Handelsstädten, auf Märkten und überall in de^ Königs Gebiet ver-
spricht er, eine öfifentliche Wage an einem bestimmten Orte aufrichten zu lassen,
wo vor dem Wägen dem Käufer und Verkäufer die leeren Wageschalen und
dass beide Arme sich gleich sind zu zeigen ist; nur dann soll der Wäger
wiegen, und wenn er sie gleich gerichtet hat, die Hand davon abthun, so dass
die Zunge einsteht.
Auch soll durch das ganze Reich nur einerley Gewicht und Maass seyn^ welche
mit der königlichen Probe oder dem Stempel (Standard) versehen werden sollen*
Jedem stehet es aber frey, 25 Pfund und darunter mit eigener Wage zu wägen,
wenn es nicht gegen die Rechte des Herrn des Orts und die von dem Könige
oder seinen Vorfahren erthellten Freyheiten, oder die bisherigen Gewohnheiten
der OrtschaflLen und Märkte anläufl. Auch soll in London ein besonderer, treuer
und fähiger Mann den erwähnten Kaufleuten bestellt werden, vor welchem sie
ihre Rechtsstreite fuhren, um zu ihren Schüldforderungen schnell zu gelangen,
wenn die Vicegrafen und Mayors der Städte den fremden Kaufleulen nicht in
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 295
Tages Frist schnell zu ihrem Rechte verhelfen, um, vermöge einer von dieser
Urkunde unabhängigen Verordnung (commissio) ^ die den vorbemeldeten Kauf-
leuten erlheilt worden, ihnen Recht zu sprechen nach dem Kaufmannsrechle, in
Streitigkeiten zwischen Kaufleuten mit Kaufleuten. Endlich sollen ihnen alle
diese Freyheiten ungekränkt von allen Nachfolgern des Königs erhalten und durch
keine vom Könige oder dessen Nachfolgern zu ertheiiende anderweitige Freyheit
verloren werden. ^
Dagegen aber bewilligen die fremden Kaufleute für sich und ihre Lands-
leute einstimmig dem Könige fiir diese ihnen zugestandenen Freiheiten , und um so
mehr, da er sie von anderen Abgaben befreyt hat, folgendes. Von jedem Fasse
Wein, welches sie einführen oder einführen lassen, und wovon sie die Fracht
zahlen, entrichten sie fiir die Zukunft, unter dem Nahmen einer Costume, zwey
Schillmge (solidos) ausser dem alten in Pfenningen festgesetzten Zoll, binnen viei-zig
Tagen nach ihrer Löschung.
Von jedem Sack Wolle, welchen die Kaufleute, oder andere in ihrem
Nahmen kaufen und ausfuhren oder ausflihren lassen, vierzig Pfenninge Aufschlag,
ausser der alten Costume von einer halben Mark.
Von jeder Last (200) Felle oder Leder (coria) hey der Ausfuhr eine halbe
Mark ausser der alten Costume. Von dreyhundert SchaafTellen mit der Wolle
bey der Ausfuhr 40 Pfenninge über die alten Costume.
Von jedem Scharlachtuch oder mit Scharlachbeeren gefärbten Tuche zw^ey
Schillinge, achtzehn aber von demjenigen, wobey die Scharlachbeere nur theil-
weise angewandt ward, von jedem andern Tuch ohne solche Färbung zwölf.
Von jedem Zentner Wachs zwölf Pfenninge.
Da aber einige dieser Kaufleute auch mit andern Waaren handeln, die nach
dem Gewicht verkauft werden, welche, so wie andere feinere Güter, als tarsische
Tücher, Seide, Zindel und seidene Tücher (de serico, cindalisy sefa) nebst ver-
schiedenen andern Waaren, als Pferde und andere Thiere, Getraide und dgl. ,
nicht wohl zu einer festen Costume anzusetzen sind; so versprechen sie, von dem
Werthe eines Pfund Silbers drey Pfenninge als neuen Zoll nach der Einfuhr, der
Löschung und dem Verkaufe binnen zwanzig Tagen, und dasselbe bey der
Ausfuhr ausser der alten Costume zu entrichten. Der VVerth aber dieser so zu
verzollenden Waaren soll durch die Briefe ^irer Handelsfreunde oder ihrer
296 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Handelsherren, und in deren Ermanglung, durch den Eid des fremden Kaufmanns
pder seines Dieners bestimmt werden. Zugleich wird den Genossen der Gesell-
schaft der vorbemeldeten Kaufleute verstattet, sich einander wechselseitig englische
Wolle costumfrey zu verkaufen, und nur dafür zu sorgen, dass sie nicht in
solche Hände fallen, wodurch bey der Ausfuhr der König um die ihm gebühren-
den Gefalle betrogen werde. Haben sie ein Mahl im Reiche die Costume
erlegt, welches sie durch die erhaltene Qiittung {worranium) zu beweisen haben ^
so sollen sie weiter keiner Abgabe davon unterworfen seyn, die Waare bleibe
im Lande, oder werde wieder ausgeführt; mit Ausnahme jedoch der Weine,
welche nicht ohne königliche Erlaubniss ausgeführt werden dürfen. Ausser den
vorstehenden , soll aber keine Abgabe weiter für alle Zukunft von den Kaufleuten,
ihren Personen und Gütern erhoben werden.
Dieser Freybi-ief, wie schätzenswerth er auch für die Kaufleute war, be-
friedigt doch unsere Neugier nicht; denn, wenn gleich bey einigen Waaren ge-
sagt wird, dass sie ein- oder ausgeführt werden, meist bey solchen, von welchen
es sich schon von selbst verstand; so bleibt man doch darüber ganz im Zweifel,
von welchem dieser vielen Völker, die zu Anfang genannt wurden, diese Gegen-
stände aus- oder eingeführt worden sind.
Oflfenbar erhielten die Deutschen durch diesen Freybrief keine Vorrechte vor
den übrigen Fremden, denn allen, aus welchen Theilen der Welt sie auch seyn
mögen, werden dieselben Freyheiten zugestanden. Gewiss aber hat, wie aus
spätem Nachrichten erhellet, kein Volk dieses Recht eines freycn Verkehrs gegen
Erlegung eines, durch die Veränderung des Geldwerths und durch andere in der
Folge eingetretene tJmslände, geringen Zolls so sich zu erhalten gewusst, und
durch stete Erneuerungen der folgenden Könige so immer sich wieder erneuern
lassen, als die Deutschen. Erst durch dieses Benehmen ward dieser, allen Frem-
den gemeinschaftliche, Freybrief ein wahrhaft hansisches Privilegium. Da nähra-
lich Engländer und Fremde höheren Zöllen oder anderen Abgaben in der Folge
unterworfen wurden; so behaupteten sich die Hansen in dem Besitze dieses alten
Freybriefs, sie genossen bey veränderten Zeiten einen geringen Zoll, und dadurch
wahrhaft grosse Vorrechte vor Eingeborenen und Fremden. So geschah es , dass
sie sich in späteren Zeiten auf diesen gemeinschaftlich erhaltenen Freybrief, der
allen Fremden ursprünglich gegeben war, als auf den vorzüglichsten unter den
vielen andern, die sie im Verlauf der Zeit erhielten, immer bezogen. Sie ver-
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 297
standen es ohnehin, den darin bestimmten Zoll noch durch mannigfaltige Kunst-
griffe und Listen zu irerringern ; denn da manche dieser Zölle nach Fässern,
Säcken, Lasten und dergleichen bestimmt waren, so schoben sie unter gleichen
Benennungen stets grössere Quantitäten unter i). Was aber hier zuerst als eine
Erhöhung des alten Zolls erschien, wogegen man jedoch von manchen andern
vielleicht sehr lästigen kleinen Abgaben befreyt wurde,, ward nun vollends auf
die angegebene Weise im Verlauf der Zeit zu einer wahrhaft; grossen Begün-*
stigung.
Von keinem Reiche, mit dem die niederdeutschen Kaufleute in Verbindung
standen, hat man nun' eine so ununterbrochene Reihe von königlichen Freyheits-
briefen und Bestätigungen der altern, von diesen frühen Zeilen an, als von den
Königen von England, obschon in andern Ländern noch umfassendere Freyheilen
von ihnen erlangt oder ertrotzt worden sind. Eduards I. Sohn, Eduard IL be-
stätigte im J. 1311 den Kaufleuten, welche die Gildehälle der Deutschen in
London inne haben , alle ihre alten Freyheiten , die sie zu seines Vaters und
seiner Vorfahren Zeiten erhalten und besessen hatten. Wiewohl, fügt er hinzu,
keine Verbindlichkeit für ihn daraus entstehe , da in der väterlichen Urkunde
derselben Verpflichtung für die Nachfolger nicht gedacht werde, so wolle er
dennoch zufolge der getroffenen Uebereinkunft (der Zahlung nähmlich von hun-
dert Pfund) für sich und seine Nachkommen allen den Kaufleuten des deutschen
Reichs und ihren Nachkommen, welche das Haus in London, die Gildehalle der
Deutschen genannt, bewohnen, alle die Freyheiten, welche sie von ihm und
seinen Vorfahren erhalten, für immer bestätigen. Dasselbe geschah von ihm im
J. 1317, und er erweiterte sie auch noch dahlil, dass die deutschen Kaufleute, In-
haber der deutschen Gildehalle zu London, so wenig als deren Güter oder
Waaren innerhalb des Reichs und der Herrschaft des Königs wegen Schulden
verhaflet werden sollten, es betreffe denn das Eigenthum oder die Person des
Hauptschuldners, oder des für ihn haftenden frey willigen Bürgen, noch wegen
Vergehungen, wenn sie diese anders nicht selbst begangen haben. Er verspricht
ihnen für sich und seine Nachfolger, keine neue Costumen ausser den alten Abgaben
aufzulegen , wobey sie jedoch vom Mauer - , Brücken - und Pflastergeld frey
bleiben; doch sollen sie Niemanden mit ihren Freyheiten und Rechten vertreten,
1) Diese Behauptungen erhellen aus einem handschriftlichen Aufsätze des Syndtcus der Hanse, Dr. ^d er-
mann s, aus dem sechszehnten Jahrhunderte«
pp
298 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
welcher nicht Mitglied ihrer Genossenschaft auf dem delitschen Gildehause zu
London ist i).
Von Eduard III., ob er schon zuweilen, jedoch nur vorübergehend, den
Engländern, seinen Unterthanen, sich geneigter als den Fremden zeigte, und
diese wegen seiner Bedürfnisse in dem Kriege mit Frankreich oft neuem Zwange
und höheren Abgaben unterwarf, empfingen die Deutschen die Bestätigung der
Freyheiten, welche sie in frühern Zelten erworben hatten, sowohl als Besitzer
der Deutschen Gildehalle in London, als auch als Mitglieder der fremden Kaufleute
überhaupt 2). Das Eigenlhümliche und Neue darin, um Wiederhohlungen zu
vermeiden, bestand in Folgendem. Im J. 1328 bestätigte er die von Eduard I.
1303 allen fremden Kaufleuten erthellten Freyheilen und dehnte sie auf die von
Aragonien und Majorca aus. Im J. 1346 gab er den Deutschen auf der Gildehalle
zu London die Bestätigung der von seinem Vater und von ihm selbst 1327 ge-
währten Freyheiten, nur dass er sechs nahmentlich aufgeführten deutschen Kauf-
leuten, die das Haus der deutschen Kaufleute bewohnen und von deren Gilde
sind , nach dem desshalb abgelegten Zeugniss des Londoner Bürgers Johann Harn-
mond's, des Aldermannes der Deutschen, in des Königs Canzley, verstattete fiir sich
und seine Nachkommen , dass sie der daran geknüpften Freyheiten durch
das ganze Reich sich zu bedienen das Recht haben sollen; woraus zu er-
hellen scheint, dass damahls die Könige die Zulassung zum Genuss der Freyheiten,
die der deutschen Gildehalle ertheüt waren, den Einzelnen bewilligten. Der König
hat auch den deutschen Kaufleuten, welche die Gildehalle in London inne haben,
im J. 1348 die Freyheit, welche sie (gemeinschaftlich mit andern Kaufleuten) von
Eduard I. seinem Grossvater (1303) erhallen hatten, von Neuem bestätigt, dass sie
nähmlich bey der Aus- und Einfuhr nach der Schätzung von dem Werthe eines
Pfund Silbers nur drey Pfenninge über die alte Costume bezahlen sollten. Er
gebietet deshalb seinem Mundschenk Johann Wasenham und dem Erheber der
Costumen von den wollenen und den Worsted - Tüchern [lectorum de JForstede\
die in England verfertigt und von da ausgeführt werden, ferner dem Stellvertreter
Wasenhams im Hafen zu Boston, ihnen nichts weiter abzufordern, da sie von
allen andern Abgaben frey sind; er gebietet, das Mehr, welches man ihnen ab-
1} UV. 1311, 1317) 3* Ueber einen Vorfall Tom J. 1320> «• unten und die desfallsigen Verhandlongen in dem
Vidimus Tom J. 1346 im UR. CLX. — Es ist klar» data die Deutschen auf der Gildehalle noch andere
Fi^yheiten hatten» als die der Fremden fiberhaiipt*
2) ift. CLIX. CLXVI. UV. 1327 1 2- 1328, 3- 1354» L Nachträge zum J. 1329.
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 299
genommen, ihnen wieder zu erstatten. Welches Alles er ihnen im folgenden
Jahre nochmals besonders hat ausfertigen lassen.
Dieselbe Bestätigung der von seinem Grossvater und Vater ertheilten Frey-
heiten bewilligte der König ihnen im J. 1354) sowohl derer, welche ihnen gemein-
schaftlich mit andern • fremden Kaufleuten, als auch derer, welche ihnen als In-
habern der deutschen Gildehalle waren ertheilt worden. Am Schluss dieser
Urkunde heisst es, dass diese Bestätigung nur auf drey Jahre laute, und bey der
Bedingung, die auch in allen frühern Privilegien vorkommt, der Erlegung nahm-
lieh der üblichen Abgaben, Costumen, Zölle, wird noch der Ausdruck subsidia
beygefiigt
Wenn Eduard III. ihnen diese Urkunde nur auf drey Jahre bestätigte, gleich-
wohl darin ihnen die von seinen Vorfahren verstatteten Frey heilen erneuerte, die
ßir sie sowohl wie für seine Nachfolger für alle Zukunft gegeben waren: so lässt
sich dieser Widerspruch so erklären, dass man für die nach Ablauf der drey
Jahre etwa wieder zu erneuernden Frey hei ten immer wieder zu zahlen habe.
Eduard III. bedurfte Viel während seiner steten Kriege mit Frankreich, und
vielleicht war der neue Ausdruck subsidia eingeschoben worden, um ausser den
von den Kaufleuten zu bewilligenden Abgaben und Costumen sie auch den ausser-
ordentlichen zu unterwerfen, die von Zeit zu Zeit in des Königs Bedrängnissen
gefordert, auch wohl vom Parlament bewilligt wurden, welche Abgaben wahr-
scheinlich unter jenem Ausdrucke zu verstehen sind.
Auf jeden Fall ist es unbezweifelt , dass der Mayor Simon Mordon, der Re-
corder Wilhelm Halden und die Aldermänner der Stadt London im 49»«" Jahre
der Regierung Eduards III. von England (1369) ^^^ Kaufleuten der deutschen
Hanse, welche die Gildehalle der Deutschen in der Stadt besitzen, eine schriftliche
Urkunde ertheilten, worin sie erklärten, dass zu dem von ihnen gemachten und
zu machenden Aufwände in subsidium des Königs während des Kriegs mit I^rank-
reich, diese Deutschen ihnen zur Hülfe ICK) Mark Sterlinge übergeben und über-
lassen hätten, und zwar aus freyem Willen, ohne dazu genöthigt worden, noch
durch Recht oder Herkommen dazu verbunden zu seyn. Sie, die Stadtobern, ver-
sprachen daher ihnen für die Zukun(t in Allem gefallig, in ihren Bedürfnissen
hülfreich und Ibrderlich zu seyn , ferner, dass in der Folge diese freye Gabe nicht
als Recht und Herkommen in ähnlichen Nothfallen betrachtet, und daraus eine für
sie drückende Forderung abgeleitet werden solle 1).
1) ÜB. CCXLVI.
Pp 2
300 ZW EYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Im Xllgenieinen sind indcss die Könige immer, auch Eduard III., den fremden
Kaufleuten günstig gewesen und haben sie gegen die EingrifiFe und den Neid der
Slädte - und Flecken - Bewohner Englands und deren Monopole zu schützen ge-
sucht; schwerlich wegen einer höhern Ansicht des allgemeinen Vortheils eines
freyern Verkehrs, als vielmehr weil sie -von ihnen manche Geldhülfen, bey Ver-
leihung neuer oder der Bestätigung älterer Freyheit , und aus den Zöllen und Ab-
gaben erhielten, welche bey dem geringen Umfange des eigenen englischen Han-
dels in diesem Maasse nie zu hoffen standen.
Auch das Parlament war ihnen aus ähnlichen Gründen nicht abgeneigt.
So haben wir eine Acte desselben von äem J. 1335 zu Eduards HL Zeit,
worin der König in der Einleitung sich über den Schaden beschwert, der ihm
und seinen Unterthanen daraus erwachse, dass einige Einwohner (people) ^der
Städte, Burgen, Seehäfen und anderer Orte nicht dulden wollen, dass die frem^-
den Kaufleute Weine und andere Güter weder zu Wasser noch zu Land ein-
führen dürfen, obwohl sie den andern Unterthanen unentbehrlich oder nützlich
wären, wenn auch nicht den Orlsbürgern, welche dem Könige, so wie allen
Uebrigen diese Waaren theuerer verkauften, als sie von den Fremden zu haben
ständen: wesshalb der Beschluss vorschreibt, dass die Fremden und Eingebore-
nen (c/^w/js^«« im Gegensatz gegen die Einwohner der Städte, Burgen etc) frey
kaufen und verkaufen dürfen, Korn, Wein, Fleisch, Fische und andere Lebens-
mittel; ferner Wolle, Tuch und alle andere Waareh, woher sie kommen, so-
wohl in Städten {eitles)^ Burgen, Flecken (towns), Häfen, auf Messen und Märk-
ten {fairs and marhets^ Jahr- und gemeine Märkte), welche Freyheiten (Jranchises)
besitzen, so wie in allen andern Orten; wer dagegen handelt, verfallt In Strafe,
doch darf kein Fremder einige Weine aus dem Reiche führen, zufolge ihrei
carta mercaioria (d. i. des obigen Gesetzes vom J. 1303 von Eduard L). Was aber
die Freyheiten {franchises) oder die (Andere) ausschliessenden charters der Städte,
Flecken u. f. betrifft, so sollen sie keine Kraft: haben zum Nachthelle des Königs,
der Prälaten, Grafen, Barone und anderer Grossen des Reichs, noch zur Unter-
drückung der» cornmona i).
Dasselbe Gesetz ward im J. 1350 durch König und Parlament erneuert,
und weiter ausgedehnt, so dass Allen, Fremden wie Eingeborenen, der Gross-
und Kleinhandel aller Orten frey stehen soll, gegen Erlegung der üblichen Ab-
1) Andersou't HUtory of commerce T. I. ad a. 1335«
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 301
gaben und Zölle, mit Entkräftung aller dagegen lautenden Freyheiten, Begünsti-
gungen und Gewohnheiten, da sie nur zum gemeinen Nachtheile des Königes
und seines Volks gereichen i).
Aus einer Parlaments - Acte endlich vom 36^^®" Jahre Eduards III. (1362)
erhellet das fleissige Besuchen der englischen Stapelstädte durch Niederländer,
Deutsche und Lomharden; sie enthält die Erörterung und Ahhülfe mancher
Zweifel und Streitigkeiten, welche zwischen Käufern und Verkäufern in Bezug
auf die Wolle, ihre Gute, die Art sie zu packen u. f. in den Stapelstädten vor-
kommen. In jeder der letztern sollen zur Entscheidung dieser Streitigkeiten sechs
Richter gewählt werden, vier Fremde und, zwey Engländer, und zwar unter den
ersten zwey Deutsche und zwey Lomharden, welche also in der W^oUe oder
den Stapelwaaren wahrscheinlich die meisten Geschäfte machten. In allen Fällen,
wo die fremden Kaufleute zu klagen hahen, sollen sie zwey aus ihrer Mitte er-
nennen, die mit dem Mayor und den heyden Constahles dieser Stapelstädte das
Gericht halten, welche letztere jährlich von den Kaufleuten, sowohl fremden al«
einheimischen, zu wählen sind. Dieser Mayor des Stapels war indess von dem
Mayor des Orts, oder welchen Nahmen sonst der erste Stadtheamte führte, ver-
schieden; dieser blieh nur verbunden. Jenem in Nothfallen Beystand zu leisten,
so dass diese Stapel - Obrigkeit einen Verein in der Stadt bildete ^ der seine be-
sondern Rechte , sein besonderes Siegel hatte , besondere Gerichtssitzungen
hielt, Urtheile fällte, und Strafen nach der lex mercatoriay ganz unabhängig von
den reisenden Richtern oder denen des Orts, in allen Handelsangelegenheiten,
Streitigkeiten und Forderungen, die daraus entstandene erkannte j auch hatte er
für die StrafiDilligen in Handelssachen ein besonderes Gefangniss in jeder Stapel-
stadt Zugleich stand es den Fremden frey, vor jedem andern Gerichte, wenn
sie wollten, ihre Rechtsstreite zu fuhren. Derselbe König hatte schon im
J. 1353 j unzufrieden mit den Flämingern , den englischen Wollstapel , der
jzuvor in Brügge 2) war, von da hinweg in elf englische und vier irländische
Städte verlegt, und befohlen ^ dass alle auszuführenden Stapelgüter in eine dieser
Städte gebracht werden sollten, von wo sie, gegen Erlegung der Abgaben, von
Fremden allein ausgeführt werden sollten, also dass die Eingeborenen einen Eid
1) Anderson /• c. ad a. ±350,
2) Die dortige HandelsgeselUchaft wurde jedoch nicht «ufgehohen. S, den ErUiM Eduards UI. an denGuher-
nator mercaior^m worum apud Brufen de 1359 Oct ult. — 1961 Jan. H y m e r III. 453* 500* 555 etc*
^ .
302 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
ablegen musslen, keinen Stapel jenseits des Meeres zu halten, Calais jedoch stets
ausgenommen. Wiewohl dieses nur eine Torübergehende Maassregel war, und
das Verbot der Ausfuhr durch Engländer bald zurückgenommen ward, so blieben
doch die Fremden in diesen Stapelorten die Begünstigten, jda der König dabey
seinen Vortheil fand und seine Einkünfte zunahmen l).
Auch behaupteten unter solchen Umständen die Kaufleute der deutschen
Hanse, die ihre Gildehalle in London hatten, ihre Freyheitcn bey jeder Gelegen-
heit mit allem Eifer. So hielten sie mit grösster Strenge darauf, dass keiner
wegen eines Andern Schuld verhaftet würde; wir haben ein Paar sehr glänzende
Beyspiele, wie sie das so unselige und so sehr verbreitete, später sogenannte
Repressalien - Recht oder die Retorsionen von sich abzuwenden wussten.
Eduard HL hatte um das Jahr 1344 einen Abgeordneten, den Meister Johann
Piers, an den römischen Hof abgefertigt, der auf seinem Rückwege von einem
gewissen Edmund von Berkling von Cöln gefangen genommen wurde. Der König
hatte vergeblich durch einen andern Abgeordneten zu Cöln um Genugthuung an-
halten lassen, und beschloss nun, bis zum Belauf einer gewissen Summe, Güter
des Erzbischofes von Cöln, des Grafen von Loos und anderer Theilnehmer an
jenem Friedensbruche in Beschlag nehmen zu lassen. Güter, die denen von
Dinant^ Unterthanen des Bischofs von Lüttich, angehörten, wurden mit Beschlag
belegt. Sie wurden aber wieder frey gegeben, als die Dinanter bewiesen, dass
sie zu der deutschen Hanse in England und zu Denen gehörten, welchen das
Haus in London zustand, welches die deutsche Gildehalle genannt ward 2). Die-
selbe Aulhebung des angelegten Beschlages wurde noch zwey Jahre später in
der nähmlichen Angelegenheit für sämmtliche Mitglieder der deutschen Hanse von
dem Könige ausgesprochen, da sie ihr Vorrecht, liir Vergehungen dritter Personen
nicht mit Haft belegt zu werden, vor dem Könige erwiesen hatten. ^
Noch glänzender war ein anderer Fall gewesen. Der König Eduard HI. fer-.
tigte im 20^*®"* Jahre seiner Regierung in England (1346), ohne Zweifel auf
Veranlassung eines damahls sich ergebenden, bald näher zu erwähnenden Vor-
falles, eine Urkunde aus, welche ein Urtheil enthält, das schon zu seines Vaters
Zeiten (1320) ausgesprochen worden war, und im Wesentlichen Folgendes aussagt..
1) A n d e r 8 o u /. c, ad a. 1362.
2) ÜB. CLVH. Nachtrag z. J. 1346. S. 742.
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD, MIT ENGLAND. 303
Ein englischer Kaufmann, Nahmens Adam le Clerc yon Lynn, hatte eines
seiner Schiffe, le Plente genannt, in Poitou mit hundert Pfund Sterling Salz
von dortcn, Lampreden von Nantes und einigen andern Gütern, bis zum Werthe
von zwcyhundert Pfunden desselben Geldes, befrachtet, um damit nach St Johann
von Perth in Schottland zu fahren und daselbst seinen Vortheil zu suchen, indem
er die Güter den Truppen des Königs, die daselbst in der Festung lagen, zuzuführen
beabsichtigte. Ein gewisser Heinrich von Reckinghausen und einige andere
Uebellhäter von Greifswald, Stralsund und Lübeck, plünderten das Schiff auf der
Fahrt dahin an der Küste zwischen Yarmouth und Blakeney, tödteten mehrere
Leute in demselben, führten Schiff und Güter mit sich bis Aberdeen in Schottland,
und verkauften daselbst die Waaren, Kleider und Tücher der Ermordeten, das
Schiff aber führten sie zuletzt nach Stralsund und verweigerten die Zurückgabe
dessel^^i mit der noch übrigen Ladung. Nachdem der König sich mit Schreiben
an die drey Städte gewandt hatte, die ihnen durch den Bevollmächtigten des
Beraubten überreicht wurden, welcher vergeblich die genommenen Güter oder
deren Werth und Schadensersatz begehrte, so erliess der König den Befehl an
seine Beamten zu Boston und Ravennes (in Yorkshire), alle Güter der Kaufleute
jener drey Städte, welche innerhalb ihres Sprengeis gefunden würden, bis zum
Belaufe von hundert Pfund, und an andere, dass sie in ihrem Sprengel dieselben
bis zum Beiauf von zweyhundert Pfund mit Beschlag belegen sollten, doch mit
Ausnahme der Güter der Kaufleute der deutschen Hanse, die zu London sich
aufhalten; die Güter sollten zur erhaltenen Genugthuung des beraubten Eng-
länders aufbewahrt werden, bis der König dereinst anders gebiete. Als nun
darauf die Beamten von Boston verschiedenen lübischen Kaufleuten (daselbst)
Stockfische bis zum Belaufe von ItX) Pfund, und die Beamten von Ravennes
einem lübischen Schiffer dessen Schiff und verschiedenen lübischen Kaufleuten
Stockfische, Bockfelle, Leder und Oehl bis zum Belauf eines Werthes von
280 Pfund in Beschlag nahmen^ berichteten sie zugleich, die Gepfändeten hätten
nicht den Einwand gemacht, dass sie von der Hanse der Deutschen, die zu
London sich aufhielten, wären. Diese aber, deren Güter festgenommen worden,
wandten sich an des Königs Canzley- Gericht und behaupteten, allerdings von
dieser Hanse zu seyn, und beriefen sich auf die königliche Charter, die ihnen
neuerlichst noch sey bestätigt worden, vermöge welcher sie und ihre Güter,
innerhalb des Reichs und der Herrschaft des Königs nur allein wegen [einer
eigenen Schuld oder wofür sie sich verbürgt hätten, nicht aber für fremde Schul-
304 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
den, noch \vegen eines Vergehens, das sie nicht seihst begangen, verhaftet
werden dürften ; sie baten desshalb um ein ihren Freyheiten entsprechendes Urlheil.
Der Berauhte und sein Attorney wollten das Gegentheil beweisen. Darauf hatte
der König die Sache vor sich nach London gezogen, weil, sagte er, daselbst die
Kaufleute der Hanse vorzüglich verkehrten und die Kenntnisse über den Zustand
der Hanse von fremden und einheimischen Kaufleuten am leichtesten zu erhalten
wären. Die Sache ward vor dem Canzley- Gerichte des Königs im folgenden Jahre
verhandelt und dahin entschieden, dass die, deren Guter in Beschlag genommen
worden, allerdings zu der Hanse der deutschen Kaufleute gehörten, folglich deren
Freyheiten sich zu erfreuen halten, Adam le Giere aber von ihnen keine Ent-
schädigung zu fordern habe, dass er der Barmherzigkeit zu überlassen, die
Beschlagnahme der Güter zurückzunehmen und den Eigenthümern wieder zu
überliefern wären i).
Ein günstigeres ürtheil war nicht zu erwarten, und welchen Werth die
deutschen Hansen darauf legten, sieht man auch daraus, dass sie eine amtliche
Abschrift oder Bestätigung dieses Urtheils von Eduard HI. sich geben Hessen.
Man sieht zugleich aus dieser Urkunde, wie ausgedehnt der Handel der
Deutschen hier seyn musste, da die Lübecker allein an mehrem Orten so viele
Güter hatten; dass Stockfisch, Leder, Felle den grössern Theil dieser Güter aus-
machten, auch Oehl, welches sie vielleicht aus Frankreich (wenn unter oleum
Baumöhl, nicht Thran verstanden wird) einführten. Noch einige andere Gegen-
st^de werden, als von ihnen daselbst eingeführt, nachher gelegentlich und im
Einzelnen erwähnt, als Getraide, Wachs, Honig, Pelzwerk, Häringe und andere
Fischarten, Tücher, Mühlsteine, Asche. Unter der Ausfuhr wird gelegentlich Wolle,
Felle, Zinn und Bley genannt, allein noch Anderes mag dazu gekommen seyn,
z. B. selbst Getraide; aber wie gewiss es auch ist, dass der Deutschen Verkehr
zwischen Deutschland und England und dass der Zwischenhandel zwischen Eng-
land und andern Ländern durch Deutsche betrieben bedeutend genug war, so
lässt sich doch das Einzelne nicht vollkommen genau und urkundlich immer nach-
weisen.
Dagegen ist eine andere Urkunde uns aulbewahrt worden, woraus sich er-
gibt, dass auch die englischen Zinnbergwerke theil weise mit Hülfe deutschen Ca-
pitals betrieben wurden. Eduard HL bestätigte im 21'®" Jahr seiner Begierung in.
1) ÜB. CLX.
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 305
England (J347) einen Vertrag, den sein erstgeborner Sohn, der Prinz von Wales
mit Tidemann Lymbcrgh auf einige Zeit abgeseilt ossen hatte, vermöge dessen er
ihm die Zinnwerke von dem ganzen Herzogthume CornwaHis auf drey und ein
Viertel Jahr zur Benutzung unwiderruflich überlässt. Doch soll es dem Tidemann
frey stehen, wenn er früher abtreten will, auf Maria Himmelfahrt jedes Jahrs
aufzusagen, an dessen Schlüsse er entbunden seyn will. Ihm steht das Recht zu,
alles Zinn, welches in dem Herzogthume CornwaHis und der Grafschaft Devonshire
gewonnen und verkauft werden soll, zu kaufen, er nimmt in der Zeit die Ein-
künfte des Prinzen aus den Werken in CornwaHis und Devonshire ein, und legt
davon in der Exchequer zu Weslminster Rechnung ab, ohne zu mehr gehalten
zu seyn, und ohne dass man von ihm fordern dürfe, dass er bey grösserm Fleisse
mehr habe erhalten können. Für die Ueberlassung der Werke zahlt er dem Prinzen
vcm Johannis bis Michaelis 1000 Mark und für die drey folgenden Jahre jährlich,
in drey Fristen, auf Ostern, Johannis und Michaelis 3500 Mark zu gleichen
Theilen. Zweytausend im Voraus zahlt er für das erste Jahr u. f. i).
Man sieht wohl, dass die Geldnoth vornehmlich dazu vermocht hatte,
die Vorausbezahlung dringend war; und wiewohl einiges in der Urkunde dunkel
bleibt, so ist doch einleuchtend, welcher Vortheil daraus für die Deutschen, die
gleichsam in den Besitz dieser geschätzten Werke kamen, entstehen musste.
Die vortheilhaften Verhältnisse der Deutschen in England gehen auch aus
verschiedenen Erlassen des Königs Eduard IH. an seine Beamten zu London,
Boston und Lynn im März und April d. J. J35l hervor. Durch diese befreyte er
Sudermann, Job. Lange, Lubbert Losinge, Hermann Minter und andere Kaufleute
der alemannischen Hanse von der baaren Entrichtung der neuen Zölle auf Wolle
und Weine, sowie der Pfundzölle, unter Vorbehalt der alten Abgaben, und
liess darüber nur eine gehörig beglaubigte Rechnung auf die K. Canzley senden.
Wahrscheinlich hatten die Deutschen sich durch Vorschuss einer grössern Summe
oder Lieferung von Weinen mit dem Könige vorher abgefunden 2).
Doch drohte ein sich damahls zu Sluys in Flandern ereignender Vorfall
den Deutschen in England sehr gefährlich zu werden. Einige hansische Kaufleute
hallen dort die Hinrichtung eines englischen Kaufmannes Richard Curtoys von
Bristol veranlasst 3) und heftig auf die englische Nation geschmäht. Der Mayor
1) ÜB. CLXIIF.
2) S. Urkunden im Nachtrage b. J. 1351. Bd. 11. S. 744.
3) S. oben S. 240. «ud ÜB. CLXIX.
Qq
" ■«■■^^n
•
306 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
und die ConstaLler des englischen Stapels zu Brügge versäumten diese Gelegenheit
nicht, um ihre Handelsnehenbuhler bey dem Könige von England in das nach-
theiligste Licht zu stellen, und brachten es durch die in solchen Fallen gewöhn-
liche Verfälschung des wahren Thatbestandcs dahin, dass er sogleich die Guter
aller deutschen Kaufleute tn allen Gegenden seines Reiciies mit Beschlag belegen
liess, mit Ausnahme ^derjenigen des oben angeführten Tidemann von Lymberg
und des Oliver von Renlo i). Indessen gelang es den Deutschen in wenigen
Wochen sich hinlänglich vor dem Könige und seinem Rathe zu rechtfertigen und
die Rücknahme des erlassenen Befehles zu bewirken ^). Nur der früher so sehr
begünstigte Hildebrand Sudermann wurde von der Theilnahme an dem könig-
lichen Schutze ausgeschlossen , wovon wir die Gründe nicht ersehen können.
Jenen wurde auch freyes Geleit bis zu Weihnachten d. J. zugesichert, um nach
Flandern zu gehen, mit ihren dortigen Genossen sich zu bereden und mit den-
selben nach England zurückzukehren, um des Königs Gunst ganz wieder zu ge-
winnen. Dieser Schutz wurde bis Pfingsten und hernach bis St. Michaelis 1352
verlängert, nahmentlich um rheinische Weine nach England einzuführen 3). Es
scheint den Deutschen in England jedoch gelungen zu seyn, darzuthun, dass sie
in keiner directen Verbindung mit der Hanse in Flandern standen, wie der König-
in seinem desfalls an den Rath zu Hamburg erlassenen Schreiben zu erken-
nen giebt.
Was nun die Einrichtung der Niederlage der Deutschen und ihrer Ordnung
unter sich in England zu dieser Zeit betrifft^ so haben wir vom J. 1303 eine
Urkunde, die ausser dem früher Erwähnten und Bekannten, uns einige neuere
Aufschlüsse gewährt. Diese Urkunde besteht in einem Schreiben des Aldermanns
und der übrigen Brüder der Hansa Deutschlands in England an Rostock, worin
sich dieselben auf ein früheres an die Stadt und an alle weslphälische Städte ge-
richtetes beziehen. Den Wcstphalen erklären sie sich zu besonderm Dank ver-
pflichtet, wegen Erfüllung des von ihnen gegebenen Versprechens, den Hafen
Lynn in England nicht ferner zu besuchen. Sie klagen gegen Rostock, dass
von andern Städten dieses Versprechen nicht gehalten würde. Zwey grössere
Schiffe seyen jüngst von Stralsund, dann ein kleineres von Wismar nach Lynn,
i) S, Nachtrag b. J. 1351. Jiil.3a Bd. II. S. 746.
2) S. UV. 1351. Sept. 28 (2). Da» Schrelbea des Königes t. J.1352. May 7. in Nro.CLXXIl^. giebt }eiiem
Befehl das Datum vom September 6*
3) Nachträge z. J. 1352. Bd. H. S. 74a
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NffiDERD. MIT ENGLAND. 307
dem gegebenen ^ Versprechen zuwider, gesegelt, wodurch ihr, der Hansabriider,
Beschluss vernichlet würde.
Es hatten nähmlich der Herr und die Vorsteher zu Lynn begehrt, dass
der Aldermann und die Hansabrüder zu London vier der Angesehenem aus ihrer
Mitte nach jener Stadt schicken möchten, zur Entwickelung der Gründe, weshalb sie von
den Deutschen gemieden würde, von welchen sie dann begehrten, dass man ihnen
diejenigen anzeigen solle, welche gegen die Deutschen gefehlt hätten, auf dass
sie gestraft würden: da aber die vier Abgeordneten nicht hinlänglichen Bescheid
deshalb geben konnten, so ward man über eine neue Tagfahrt in vierzehn Tagen
zu Boston {Botensiene ^)) zu halten, einig, und die Hansabrüder lebten der Hoff-
nung, dass Alles aufs Beste endigen würde.
Die Genossen der Hansa klagen nun gegen Rostock, dass während dieser
Zeit abermahls zwey Schiffe von Lübeck und eines von Stralsund nach Lynn ge*
kommen seyen, wodurch bey den dortigen Bürgern die Meinung verbreitet wurde, das
Verbot sey kraftlos. Die Hansabrüder stiessen nun die Schiffer und Kaufleute ^ die
gegen den gemeinen Beschluss der Deutschen {commune promissum Teutonicorum)
gehandelt hatten, aas ihrem Rechte und ihren Freyheiten, mit Ausnahme des
Nicolaus Heringwyke und Johann von Aldervere, die auf dem einen lübischen
Schiffe angekommen waren, tmd vor dem Aldermann und den Hansabrüdern
zu Boston, auf die Frage, ob sie es vorzögen ausgestossen zu werden, oder
Strafe zu zahlen, das Letzte wählten und deshalb Bürgen stellten. Die Strafe,
beisst es femer in ihrem Schreiben, überliessen sie den Rostockern, bitten aber
die Uebertreter der Vorschrift so zu strafen, dass Andere ein Beyspiel daran
nähmen, und der Straf büchse der Deutschen ihr Recht erhalten werde. Sie
unterstützen ihre Bitte mit dem gleichen Gesuche des gemeinen Kaufmanns von
Westphalen, welcher ein solches Uebertreten des deutschen Uebereinkommens
nicht ungestraft gelassen haben würde. Zuletzt werden die Gründe angeführt,
welche sie bewogen hätten, den Verkehr mit der Stadt Lynn zu untersagen, die
in mancher Beziehung merkwürdig sind.
Zuerst nähmlich erwähnen sie: wenn wir, die Hansabrüder, nach Lynn mit
Fischen, Tüchern, Honig und andern Waaren kommen, so wird uns der Tausch
derselben gegen andere Waaren mit Fremden untersagt, wie man vormahls zu
1) Der Nähme Botenstene ist sonst nirgends aufzufinden» wenn nicht in einer Urkunde Eduards III., worin
iron dem Zolle zu BoteUtene die Rede ist. Rymer II. 105$« Der gewöhnliche I<{jihme für Boston» be-
sonders für dessen Hafen, war St. Botulphi,
Qq 2
308 ZWEYTE ABTHEIL. GESCa DES HANDELS.
thun pflegte; auch soll kein Kaufmann einem andern weniger als zehn Sliick
[frusta) Wachses, tausend Stück Pelzwerk (operis), zehn Tonnen Stockfisch {rum^
bonis), zehn Fässer Wachs oder Asche verkaufen; also dass einem Unvermögen-
den, der nur ein oder zwey Stück Wachs hat, die er einem Fremden überlässt,
durch die Beamten das Gut aus der Wagschale hin weggenommen und als ver-
fallen erklärt wird. Kommt ein Schiff von Norwegen mit Häring, und will ein
Fremder kaufen, so wollen die Bürger es nicht erlauben, sondern das Vorkaufs-
recht haben; desgleichen dürfen eingeführte Mühlsteine nicht aus der Stadt geführt,
sondern allein von vier Männern , die zu diesem Behufe angestellt sind , verkauft
werden. Haben die Deutschen Getraide gekauft, so wird es nicht erlaubt, das-
selbe in einem Hause bis zu dessen Einschiffung niederzulegen. Haben die Bürger
aber Fische oder andere Waaren von ihnen gekauft und in ihre Wohnungen
geführt, so sollen die Hansabrüder daselbst ihre Bezahlung hohlen, wovon sie
Manches behalten , aUo dass die volle Bezahlung nicht erfolgt Beym Kaufe geben
sie den Gottespfenning darauf und empfangen die Waaren, finden sie aber, dass
sie nicht dabey gewinnen können, so bringen sie die Sache zurück, woraus
grosser Nachtheil entsteht; dasselbe findet Statt, wenn sie der Kaufleute Guter
kaufen, die Zahlung aber über die bestimmte Frist hinaus verschieben. Eine
andere Klage betraf die Hinwegnahme deutscher Güter zu einem wiHkührlich von
ihnen gesetzten geringen Preis. So kamen ^ fahren sie in ihren Kbgen fort, im
vergangenen Jahre 22 grössere Schiffe mit Fischen auf Michaelis nach Lynn,
der König befahl zu seinem Gebrauche 40000 Fische ihm za verschaffen, worauf
die Bürger die Kaufleute vorforderten und ihnen den Auftrag mitthcilten. Die
Deutschen schlössen darauf ihre Häuser zu , die Bürger aber erbrachen mit Gewalt
die Thüren, und nahmen so viele Fische, als sie wollten , ohne deshalb eine
Gewähr zu leisten. Darauf ward über den Preis eine Untersuchung angestellt,
und die Fische, die sieben Schillinge werth waren, wurden für sechs behalten,
und bezahlte somit die Stadt nur vier Pfund Sterling für die Ladung zweyer
Schiffe. Die Fremden mussten auch Mauergeld und doppelte Costume zahlen;
und die Bürger Hessen ausrufen , kein Fremder dürfe Waffen tragen , sie selbst aber
fühl ten dergleichen und schlugen die Deutschen damit am hellen Tage. Dieses Schrei-
ben ist gegeben auf dem Markte zu Boston, in der gemeinen Versammlung (communi
colloquio) der Kaufleute, unterschrieben als Zeugen von Johann Crispin, damahli-
gem Aldermann und zwey Cölnem, zwey Dortmundern, zweyen aus Soest,
Einem aus Münster, dann dreyen aus Lübeck, Einem aus Devcnter, Einem von
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 309
Stralsund, Einem aus Rostock , im J. 1303 auf Maria Himmelfahrt und mit fünf--
zehn Siegeln versehen i).
Diese Urkunde ist in mehr denn einer Beziehung merkwürdig; .sie enthält
vor allen, die auf uns gekommen sind, die nähere Nachricht über die Einrich-
tung der Niederlage der Deutschen in England in diesem Zeiträume, so wije
Aufschlüsse über die Gegenstände des deutschen Handels und dessen Bedrückun-
gen, welche die Städte in England ganz gegen den Willen der Könige ausübten.
Am auffallendsten ist wohl, bey der Ausfuhr das Getraide aufgeführt zu fin-
den, da England damahls kein kornreiches Land war, auch die Deutschen solches
gewohnlich hier einführten. Allein es ist nicht nur wahrscheinlich, dass andere
Fremde dort Getraide, welches die Deutschen aufkauflen, eingeführt hatten, son-
dern es kommt auch in dem Handel mit andern Ländern beym Getraide vor,
dass man bey missrathenen Erndten in der Heimath Getraide aus Ländern nahm,
die man in gewöhnlichen Zeilen theilweise damit versorgte.
Doch am merkwürdigsten ist die Urkunde in Bezug auf die Bildung des
Vereins der Deutschen seihst in England und deren Verhältniss zu den deutschen
Städten, um so mehr, da wir nicht wie in Flandern, über die Einrichtung der
Niederlage und der Ordnung daselbst, und ihr Verhältniss zu den Städten, andere
Urkunden besitzen.
Wir wissen, dass zuerst einzelner deutschen Städte Kaufleute, dann mehrere
oder alle gemeinschaftlich die deutsche Gildehalle in London inne hatten, dass
ein Aldermann an ihrer Spitze stand, der ein Londoner Bürger seyn und von
der Obrigkeit anerkannt werden musste, auch von ihr in Eid und Pflicht ge-
nommen war; die Wahl desselben stand ihnen übrigens frey; vielleicht durften
sie einen Landsmann wählen, welcher das Bürgerrecht der Stadt Londou er-
worben hatte; der Nähme des hier vorkommenden Jacob Grispin lässt nicht mit
einiger Sicherheit schliessen, ob er ein Engländer von Geburt oder ein Deutscher
war. Wenn zu vermuthen ist, dass in dem Vereine der deutschen Kaufleute die
Zulassung zu dem Genüsse der Freyheiten, welche die Gesellschaft erworben hatte,
von ihr selbst und von dem Geburts- oder dem Wohnort des Ankommenden
abhängig war, wenn er aus einer Stadt oder Gegend stammte, die zu der Verbin-
dung, wie sie damahls seyn mochte, gehörte: so scheint doch laut einer frühern
Nachricht, dass die Könige, wenigstens damahls, yon Zeit zu Zeit die Aufnahme
und Zulassung der Einzelnen gut heissen mussten.
1) ÜB. CXCII.
310 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Die Gesellschaft nennt sich hier, mit geringer Abweichung^ von der Benen-
nung, womit sie auch die Könige in den ihr verstatteten Freyheiten bezeichneten:
Aldermaniv und Brüder der Hanse Deutschlands {Alemannie) in England weilend.
Diese fassten Beschlüsse, und wie es scheint ziemlich unabhängig von den
Slädten, mit welchen sie jedoch verbunden waren, und deren Mitwirkung sie
bedurften um mehrere von ihren Beliebungen in den Städten aufrecht zu er-
halten ; die spätere grössere Unterwerfung unter den städtischen Verein scheint
indessen damahls noch nicht, gewiss nicht in der Maasse, wie späterhin, vorhan-
den gewesen zu seyn.
Von dieser Gesellschaft ist das Verbot des Verkehrs mit der Stadt Lynn
offenbar ausgegangen , welches sie den Städten anzeigen ; sie begehren dessen
Aufrechthaltung in den Städten und berufen sich auf das promissum Teutonicorum,
commune promissum Teutonicorum ^ welches auf einen Beschluss vereinter Städte
bezogen werden kann, oder auch nur auf die in England die Gesellschaft bil-
denden Deutschen, welches Letztere das Wahrscheinlichere ist, da sie den west—
phälischen Städten danken, dass sie den Beschluss aufrecht gehalten, und über
Andere klagen, die es nicht gethan hätten. Wenn die Gesellschaft endlich sagt:
der gemeine Kaufmann von Westphalen bitte Rostock mit Ernst gegen die Straf-
fälligen zu Werk zu gehen; so kann man darunter einen Verein der Kaufieute
dieser Provinz überhaupt, oder die daher gebürtig und Genossen des Vereins
der deutschen Kaufleute in London waren, verstehen. Diese gemeinen westphäll-*-
sehen Kaufleute, denen auch die von Cöln beyzuzählen, welche an der Spitze
standen, sind am frühesten in den entfernten Gegenden nicht nur in England,
sondern auch in Russland, Dänmark und in Holland die thätigsten, vor der Zeit
des raschen Emporkommens der wendischen und der Seestädte, da unter den west-
phälischen Städten die ältesten freyen -Gemeinden Deutschlands waren ; auch haben
jene Kaufleute diese Urkunde nächst dem Aldermann zuerst und am zahlreich-
sten unterschrieben.
Der Sitz der Gesellschaft v^ar in London, von woher sie die Deutschen
im Lande vertraten, auch mögen sie untergeordnete Gesellschaften der Art nebst
Vorstehern schon damahls in andern Theilen Englands gehabt haben, wie sie
dergleichen in andern Ländern und auch hier späterhin ganz gewiss hatten. Aber
damahls war eine solche in Lynn gewiss nicht, denn sie, die Deutschen auf der
Gildehalle zu London, sandten dahin 4 Seniores und discretiores aus ihrer Mitte,
ein Ausdruck, der auch auf andern Niederlagen in den lateinischen Urkunden zur
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERP. MIT ENGLAND. 311
Bezeichnung des Kaafmannsraths, der dem Altermann oder den Alterleuten zur Seite
stand, vorkommt. Aber nach Boston hatte sich zum Markte der Altermann und der
Kaufmannsrath begeben, welches auch in den Niederlanden der Fall war, um auf
grössern Märkten des Landes oder der Nachbarschafl zugegen zu seyn, die Strei-
tigkeiten beyzulegen, die Kläger zu vernehmen, und die Landsleute gegen die
Eingeborenen in ihren Freyheiten zu schützen; sie hielten auch eine gemeine Ver-
sammlung, commune coUoquium^ und fassten, wie zu London, ihre Beschlüsse i).
Der Grundriss des Ganzen war bereits vorhanden^ obgleich er späterhin
voUkommner ausgebildet worden ist, wenigstens haben wir nur erst aus spätem
Zeiten davon Nachricht. Die Vnterwiirfigkeit dieser Vereine der deutschen Kauf-
leute in der Fremde ist erst dann strenge geworden, als der Verein unter den
Städten selbst sich enger geschlossen, und durch die vielfachen Hansetage eine festere
gesetzgebende Macht in Bezug auf die auswärtigen Niederlagen sich gebildet hatte.
Dass mit Schottland gleichfalls ein Verkehr von Seiten der Deutschen bestan-
den habe, ist freylich keinem Zweifel unterworfen. Es erhellet diess aus einigen
Nachrichten in bereits angeführten Urkunden, und wäre ohne sie leicht zu vcr-
inuthen. V\'ir haben auch aus einer frühern Zeit, bereits vom J. 1297? eine
Zusicherung der berühmten Anführer des schottischen Heers Andreas Murray und
fFilliam ff^allace und der Gemeine (communiias) des Reichs überhaupt für die
Städte Lübeck und Hamburg, mit der Erklärung, dass, da sie vernommen hätten,
dass beyde Städte den Schotten geneigt wären und ihnen forderlich gewesen,
sie ihren Kaufleuten bekannt machen lassen möchten, dass ihnen ein völlig freyer
Zutritt mit ihren Gütern in ganz Schottland zustehen solle, da das Land durch
Gottes Hülfe nun von der Gewalt der Engländer wieder befreyt sey 2).
1) S. Urk. ▼• J. 1303. CXIIL Diese Urkunde kanii gegen das Yorhandenteyn eiuer Niederlage zu Lynii oder
Boston nur bis zum Jahr 1303 «nicht iiir diese ganze Periode beweisen, während sie schon ein Zeugniss
für die Lebhaftigkeit des hansischen Verkehrs in dieser Gegeud, welche der Stockfisch -Fischerey wegen
schon früh besucht wurde» giebt» welche zur Einrichtung einer Nebenfactorey führen musste« Auch die
Arrettanlegungen im J. 1319 geschahen hier« S. Urk. CLX. Für Lynn, In der Grafschaft Norfolk gelegen
wird Jene noch mehr durch die Urkunde v. J« 1354* CLXXlIi>> welche Sartorius nicht kannte, bestätigt,
so wie in der eben gedachten Urk. t. J. 1303 bereiu erwähnt wird , dass die Deutschen Häuser zu Lynn
inne hatten, welche sie gegen die dortigen Bürger verschlossen« Der Vertrag zu Utrecht y. J. 1474« und
mehrere Urkunden y. J« 1475 bestäligen die älteren Rechte der deutschen Hause zu Loudon auf die Ge-
bäude zu Boston und Lynn. Der Stahlhof zu Lynn, am Fluss Lynn belegen» ist» was hier als ein wenig
bekannter Umstand bemerkt werden möge, von den Hansestädten erst im Jahre 1750 an den dortigen
Aldermann Edward Eterard ftr 800 Pf. St. verkauft worden. L.
2) ÜB« LXXXVIir. und Nachtrag Bd. \L 8. 736.
312 ZWEYTE ABTHEIL. GESCH. DES HANDELS.
Indessen mehr als dieses wissen wir kaum über den Verkebr mit diesem
Lande; dass er von bedeutendem Umfange gewesen, ist nicht wahrschein-
h'ch 1), schon dieses seltenen Erwähnens desselben wegen, und auch deshalb, weil
so häufig Streit zwischen Schottland und England war, mit dem letztern Lande
aber der vornehmste Handel von den Deutschen betrieben ward, und der Verkehr
zwischen ihnen und Schottland oft wenig sicher seyn mochte 2). Diess mag auch
die Ursache der häufigen Beraubungen gewesen seyn, die wechselseitig an ver-
schiedenen Küsten und Meeren statt fanden, wie gelegentlich erwähnt worden
ist, die zu so vielen neuen Störungen wiederholte Veranlassung gaben. Seeraub
nannte es der beraubte Thell immer, wenn der Andere mit einem Dritten in Krieg
dem Ersten die freye Fahrt auf seines Feindes Land nicht verstatten wollte; aber
im Grunde befolgten Alle mehr oder weniger dieselben Grundsätze, und der freye
Handel der Neutralen mit dem Feinde ward von Wenigen oder von Niemand
geachtet, welcher die Macht hatte, auch auf diese Weise seinem Feinde zu scha-
den 3). Eben so nannte man auch Soeraub, wenn nun der neutrale Theil, der
zu Schaden gekommen war, ein Wiedervergeltungsrecht an denen übte, die ihm
denselben zugefügt hatten. So beschuldigte man sich wechselseitig oft dieses Ver-
brechens, ohne dass es eigentlich vorhanden war; die Beraubung entstand nicht
so häufig aus freyem Enlschluss zu rauben , als vielmehr aus der verbreiteten An-
sicht, dem Feinde auch dadurch zu schaden, dass man den Handel, auch den
unschuldigen Handel der Neutralen, mit ihm vernichten wollte, und aus dem
eben so verbreiteten Wiedervergellungsrechte derer, die dadurch zu Schaden ge-
kommen waren. Wie häufig nun eben diess in Bezug auf die Schotten bey ihrem
1) Auf dem hausischeu Beschlüsse Tom J. 1358. Fab. et Sebast. (ÜB. CLXXXIII.), welcher Auestate über
deu gescheheneu Verkauf "vou Waareu iu Euglaud, Schottland und Norwegen verlangt» ausgestellt vou
den Aelterleuten , oder in Städten "wo keine Aelterleute sind, von der Stadibehörde, folgern zu wollen,
dass iu Schottland eine Niederlassung mit Aelterleuten vorhanden war, würde ohne fernere Belege £u
rasch gcschlossea seyn» Z.
2) Wenn in der Regel ein gutes Yerhältniss zwischen den Königen von England und den DeuUchen be-
stand , das Gegeulheil aber zwischen den Schotten und den Erstem : so war diess doch nicht immer der
Fall , wie zwey Schreiben des Königs Eduard II. von England v. d. J. 1309 an den Grafen !• von Namur
und Robert Gr. von Flandern beweisen i in welchen der König über einige Schiffer, Est er ling^s genunut
(aus dem östlich liegenden Deutschland), welche mit ihren Koggen jetzt im Swyu liegen, sich beschwert,
die ihm und den Seinigen zu "Wasser und Land» in Schottland und au andern Orten Schaden zugefögt
hätten« Der mündlich seinem Abgeordneten gegebene Auftrag mag dahin gegangen seyn, di« Schiffe die-
ser Oesterliuge festzuhalten, UV. 1309<
3) ÜV. 1295, 2.
SIEBENTER ABSCHN. HANDEL DER NIEDERD. MIT ENGLAND. 313
und der Deutschen Verhältniss zu , England eintreten musste, ergiebt sich von
selbst Daher die häufigen Klagen der Deutschen über die Schotten, als See-
räuber, und ähnliche Klagen von Seiten der Letztern über jene.
So viel man weiss, haben auch die Hansen zu keiner Zeit in Schottland eine^
wenn auch noch so kleine Niederlage gehabt, in der Art wie die grosse und be-
deutende, welche sie In England besassen: auch war auf dem allgemeinen Markte
Flandern der Verkehr zwischen Deutschen und Schotten leichter, sichere^ und
beyden Theilen bequemer.
Die Schotten waren indess sehr thätig zur See ; sie kommen in den scandinavi-
sehen Reichen, wie in den Niederlanden, auch in Deutschland vor, obwohl sie
hier nicht leicht gern gesehen und zugelassen wurden, aus den angeführten
Gründen und der sogenannten Seeräubereyen wegen. Im Uebrigen war ihr
Verkehr demjenigen ähnlich , den die Deutschen mit England betrieben. Wolle und
Felle, wurden von den Deutschen von Schottland ausgeführt, dagegen wurden
vornehmlich Getraide, und ohne Zweifel andere Erzeugnisse ihres Bodens und
Kunstfleisses so wie auch andere W^aaren, in der^n Besitz sie durch ihren Zwi-
schenhandel gekommen waren, von ihnen dahin geführt.
Auf eine ähnliche Weise bestand auch schon ein Handel mit Irland , welcher
jedoch, so lange das Land den Königen von England unterworfen war, Störungen
weniger ausgesetzt blieb. Die hamburger und lübecker Schiffsrechte des drey-
zehnten Jahrhunderts setzen eine Schifffahrt nach Irland, wo Wolle gebohlt wurde,
voraus, und Eduard I. im J. 1273 verhiess den fremden Kaufleuten daselbst
sicheres Geleit zu i). Doch wird noch am Schlüsse dieser Periode durch Eduard III.
bestätigt i)y dass nur wenige Fremde nach jenem Lande kamen und der Hanseaten
oder der deutschen Kaufleute geschieht in den uns bekannten derzeitigen irischen
Geschichtsquellen keine Erwähnung.
1) Rymer I. 505.
2) ürk. Y. J. 1356 bey Rymer IIL 344.: Mercatores aliegenat ad negotiandum in terra Hihemia communiter
non accedunf.
Rr