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Full text of "Gottfried Kellers Leben: Seine Briefe und Tagebücher"

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iottfricb Mm Mm. 

Sßon 
etftK Sank: 1S19-18S0. 




gnrlitt. 



1894. 



1\^ 



- 2y^ö'<^^ 



i 






1894 



w^. 



■U 






Sui^kiiKtmi nen ®ufia«i Staate lOtto Srantte) in Snlin N. 



®ottfricb ÄcÜcr fanb einmal, c8 ^abc ftc^ in bic 
Scbcn^bcfc^rctbungcn unfcrcr 3!)ic^tcr im allgemeinen ein 
ju ent^ujiaftifd^cr Son, bcr bie ©olibitöt ber IDatftetlung 
beeinträd^tigc, cingefd^lic^cn. (Sin 9D?ann^ bem fo toic i^ni 
bie SBa^r^cit über aUeS ging, verlangt juriäc^ft ein tt)a^rci5, 
ein c^tUc^eS unb fc^lid^tc^ Suc^. SWögtid^crtocifc fogar 
ein !ü^tercS ate ba^ öorliegcnbc. 

SBer mill fid^ tjcrmcffen, einen 5D?enf(^cn fo ju fd^il* 
bcrn, tt)ie er in allen ©tücfcn ttjar? Unb nun ooHenbg 
einen ©ottfrieb Seilet? ^ij ttjerbe mic6 gern bamit be=» 
fc^cibcn, ttjenn eä mir — um mit i^m felbft ju reben — 
nur gelungen ift, „baS Söilb eineg Canb^mann^ fo ju 
malen, toic er uictieicöt nid^t ju aßen ©tunben getoefen, 
tt)ie er aber in feinen bcften meinem ^erjen erfi^icn". 
Qmmcr^in fielen in biefem SBud^e feine glunfercien. 

^c^ tjcrgafe auc^ baö fd^önc S^iebu^rfd^c SBort nii^t: 
„e§ fei nid^t gut, bafe bie SJÖctt jeben bi^ in^ 5""^^^ 
fcnne; e§ gebe Äteibcr ber ©cele, bie man ebenfo tt)enig 
abjie^cn foHte, toie bie bei5 SörperS". 9In Setter^ eigenen 
S3cfcnntniffen frci(id) burfte nid^tS unterbrüdft nierben. 
SSer Ijötte fic^ an bem fd^nieigfamen 5D?anne biefer mtt= 



rv S[Jonȟrt. 



teilfamcn Offenheit, mit bcr er bei feiner bemütigcn 
©etbftfc^au ju SBerfe ge^t, üerfe^en? (Später ijat er nie= 
manben me^r in feiner ®ee(e tefen (offen: um fo banf- 
Barer finb mir für baS, tt)a^ er un^ ^ier ^interlie^ 

(£nblt(^ ging tc^ nirgenbS barouf qu8, perföntic^e (Sr= 
lebniffe beS 35i(^tcr« in feine SBerfe übersutrogen ; ttjenn 
biefer erftc Sonb eine Slrt ÄommentQr jum „(Srünen 
^einric^'' genjorben ift, fo ergab fic^ berfclbe auf bic un* 
gefud^tefte SBeife. 3Bo in biefer ^infic^t befonberS auffällige 
3!)inge ju Sage famen, toxt in ber frfi^cften laugen bge^ 
fd^td^te, fc^eutc ic^ felbft eine getoiffe Umftänblid^teit nic^t. 

^n unfern J^agen ift nun auf ber anberen ©eitc 

eine gemiffe Stühle gegen SBüc^er über 3)id^ter eingetreten, 

auf berjenigen be^ ^ublifum^ unb ber XageSfritiE. ^oetcn« 

nad^täffe werben bereits mi^trauifc^, ja unmittig aufge* 

nommen. SBeil in biefen 35ingen bei Älaffifem unb 

SRit^tflafftfcrn ju üiel gefd^a^, fd^reien je^t manche bei 

jeber Sloc^IafepubUfation o^ne SBa^I au8 ßeibeSEräften 

über Slleyanbriner* unb S3%antincrtum ober flüchten fid^ 

l^inter bie Seftimmung beS fterbenben !Di(^terS in ©ott* 

frieb Äeaer« „^oetentob" : 

,,®crft jenen 2öuft üerblidjner (Schrift inS fjeuer! 
S)er Staub ber ©erfftatt mag ju ©runbe ge^n!" 

X)a aber iSeUer bieS f eiber nid^t getl^on, mären tvxx 
anbcre unbantbare 2^^oren, wenn mir bie t)on i^m auf= 
gefpeid^erten unb forgfam gehüteten ©d^ä^e nid^t an^3 
SageSlic^t jögen. 35enn noc^ ftnb bie Slunten, bic in 
biefem ©arten gcmac^fcn, „^od) begehrt". 



S5on»ort. 



gür ba^ 9D?uftcr einer 3!)tci^ter6iü9rQpl)te i)\elt er ba^ 
einfache S3u^, tüelc^e^ einft bie SBitme U^fotibS i^reni 
9)?Qnnc gcftiftet ^atte. (SttüoS Sl^nUc^eS fotite ^ier geboten 
iDcrbcn. ®ottfrieb ^cHer ntu^ fctbft rebcn. SRur Juo 
Jcine ©riefe ober fonftige Slufjcicftnungen öor^anben finb, 
tt)ie in gewiffen 3(bf^nitten ber Qugenbjeit, nimmt bcr 
^ioQxapii baS SBort. Safe boS ©ange ben einen fdjlic^ten 
S3anb überfteigen tt)irb, ifat feine guten ©rünbe. U^tanb 
inar ein forger S3rieffte[(er, t)on bem bie eigene f^rau 6e= 
^Quptete: jebeS 3!)ing ^abe gnici ©eiten, bie SBriefe i^reS 
2Wanne8 jcbdc^ nur eine. (Sottfrieb Heller bagegen ifl 
ein 93rieffd^reiber erften SJangeS, toa^ man qu^ ben gonj 
unnergleic^Iid^en ©türfen ber fünfjiger ^Q^re im jiDeiten 
JBaube erfe^en toixb. ®o jögernb er [prad^; tt)enn er, 
früher mcnigften^, bet)or bie ©tootäfc^reiberei feine Q^\t 
in Slnfpruc^ na^m, bie geber anfe^te, geriet er in bo^ 
!urjtt)eiligfte munterfte 5ßlaubern hinein ober in tiefe ernft^ 
Ijafte Betrachtungen. ÜDen gonjen ©ottfrieb Seßer mirb 
man erft au^ feinen ^Briefen fennen lernen, unb öon biefen 
gilt ber ^ebbelfc^e 2lu^fpru(^: „Sttemanb fi^reibt, ber nid^t 
feine ©elbftbiograp^ie fc^riebe, unb bann am beften, roenn 
er am menigften barum meife". 

@in gute^ ©c^icffal ()at über biefen in aller SBett 
jerftreuten papieren geniac^t. ßur 3^^^ ^abe id^ über 
600 SBriefe beifammen, uon benen felbftüerftönbtic^ nur 
eine Slu^ma^l jimi ©rutf gelangen mirb. @ine Steige 
mic^tiger ©riefe fte^t nod^ au§. 

Sei 9Seröffenttidl)ung ber getroffenen 9luglefe galt 



VI 5^on»ort. 



als ®runbfa§, qQcS, njQS S3ittcrni§ erregen tonnte ober 
glcic^giltigc 3!)tnge betrifft, iDcgjulQffen. SBenn mic^ einer 
fragt, iDcr mir boS ditäft gebe, mic^ cor biefe ©c^riftftücfc 
t^injupflanjen unb ben Ceuten äujurufen: „^alt! SRur fo 
uiet, q18 i(b ertaube!", fo ontttjorte id) i^m einfach : ber 
Saft, bie ^letöt. SBenn'g Blofe auf mein (Sefü^l Qngc- 
tommen njöre. t^aüz ic^ fogar ben größten Seit ber 
SWünc^ener S3riefe auf ftc^ Berufen taffen, njeil t^r 3"^alt 
öietfod^ peinigenb toirft unb man in i^nen boc^ ju oft 
ben ©d^ulbenboten öinter bcm armen (Sottfrieb Setter t)er* 
taufen fte^t. 25er S^arafter be^ Suc^eS jeboc^ bebingt 
eS, baj3 nid^t nur ba^ ©c^öne unb S3efci^tt)id^tigcnbc auö 
biefem Ceben ^erau^ge^oben niirb. 

2Wan geftatte mir noc^ eine perföntic^e Semerfung. 
Sltö mid^ ber SeftamentSüottftrerfer ®ottfrieb ÄetterS, 
mein tjere^rter grcunb unb ^otlege ^rofcffor Dr. 21. 
©c^neiber, um bie ©ic^tung beS titterarifdien 9tac^taffe^ 
unb um bie SBermertung beöfetben anging, ^abe xdj midi 
fcftmerer, atö man einem ebition^tufügen Citterotur^iftorifer 
gfauben njirb, entfc^toffen, ben Beneiben^ioert fc^öncn 2tuf= 
trag ju übernehmen. Gin ©hatten ftcUte ftc^ jinifc^en 
ben 95erjiorbencn unb mid). ^n übter ©tunbe niaren 
tvxx, ttjenige ^a^re oor feinem Sobe, au^etnanber ge* 
gangen. SBe^müt^ig jä^ttc ic^ bie tangen ^al]xz guter 
greunbfd^aft nia^renb feiner beften ßeit, ba id^ )o manc^e^ 
au^ feinem 3Wunbe ^örte, nia^ ber Öebengbefc^reibung ju 
gute tommen tonnte. 35amat8 backte ber freubigc SBett- 
beja^er noc^ beffer üou ben 9D?cnfc^en. ©päter murbc er 



Vorwort. 



VII 



nüßtrauifd^, namentlich gegen Cttteroturleute. 5Rirf)t gvunb= 
Io§. ®r iDittcrte o^ne Unterfd^ieb Sotengröbcr in i^ncn, 
bic bereite Slnftoltcn ju einer mc^r ober toenigcr feier- 
lichen SBeftattung träfen. SK^ er einft auc^ gegen nüd) 
einen SluöfoH nadj btefer ©eite mad^te, trennten fic^ unfere 
SBege, o^ne baJ3 wir nnfreunbli^ neben einonber f)ergingen. 
^d) empfonb ben SBerluft ftet^ qIS einen unerfe^lidjen. 

SBä^renb ic^ noc^ fc^manfte, fiel mein SBIicf auf einen 
alten »rief ©ottfrieb teuere öom 28. Januar 1877. (Sr 
bat mic^ barin, id) möchte nac^ feinem S^obe feinen ^adj^ 
la^, „ein paar taufenb ©riefe unb ^apierfe^^en" ettt)a^ 
an bie ^anb nef)men. ^eute löfe icft ba^ bamal^ jnräcf* 
gehaltene, jebod^ im ftitlen mir felbft gegebene SBort ein. 

3üric^*gluntern, im Oftober 1893. 



^fafob Saec^tolb. 



I 



1^ |tt0ettbf«it4 

(1819—1839.) 

3m Sommer bcö Sa^reö 1817 liefe pd) in ber ©tabt 
Sürid^ ein jungeö ß^epaar nieber, ber ®red)öler ^anö 
aHubolf Heller auö ©lattfelben mit feiner il^m fürglid^ 
angetrauten 6l^efrau ßlifabet^. 

©eboren 1791 afö ©ol^n eine« Äüferö, Ijatte er nad^ 
btm frühen Sobe feineö SßaterS ba& ^eimatborf öerlaffen, 
war bei einem ©red)§Ier in bie Seigre gegangen unb 1812, 
furg Dor ber Qtxt beS beutfd^en Sefreiungöf rlegeö , auf bie 
SBanberfd^aft gejogen. Seina^e öier Saläre lang ftanb ber 
junge ©d^weiger bei bem ©red)ölermeifter Soljann ®üno ju 
SEBten in »rbeit unb lam bis »reSlau. 3m Wai 1816 be= 
gab er ftd) auf bie ^eimreife über Sing, ^Paffau, SRegenS« 
bürg, 9lümberg, mo er einen SKonat lang blieb. 2)ann 
leierte er über 3lug8burg unb Sinbau nad^ ©lattfelben, einem 
ßürid^er ®orfe unmeit beS SRlieinS, gurüd. 

Sfiubolf ÄeHer war ein ungemöl^nlic^ gefd)idfter Wann 
feines ^anbwerleS. 33on feiner Äunftfcrtigfeit geugen nod) 
Dorljanbene Strbeiten: fein fog. SKeifterftüd, ein ©d^ad^fpiel, 
ein gierlid^eS 9iabeIbüd^Sd^en, bie als Sluffa^flguren über 
bie ©todful^r ber Familie gebred^felten lenntlid^en Süften 
©oetl^eS, @d)iIlerS unb jenes im 5Roöember 1818 geftorbenen 
SanbDogtS ©alomon Sanbolt, beffen ©eftalt ber 6ol^n fpäter 
fo fein l^crauSgearbeitet l^at. 

(Bottfrieb StOia. 1 



(Slteml^aud. 



®aS Srfd^cincn bc§ l^alb SBcrfc^oUcncn in bcr ^cimat 
erregte bort nid^t geringe^ Sluffel^en, jumal baS gan^e 
SBefen beS füntunbjwanjigidlirigen ?Wanne§ etwas fremb« 
artig ©d^wungüoUeö l^atte. @r trug einen grünen %xad 
unb feine SBäfc^e unb fprad^ immer fc^riftbeutfc^. Srrifc^weg 
»arb er um bie faft breifeigjäl^rige 6 lif ab et 1^ ©d^euc^jer, 
bie Stod^ter beS in ©lattfelben angef eff enen , urfprflngUc^ 
einem befannten ©tabtäürid^ergefdbled^t angel^örigen Soi^ann 
^einrid^ ©d^eud^ger (1751—1817). ©aS ift ber 6l)irurg 
auö (Sottfrieb ÄeHerS „So^anniönad^t". 6r l^atte unter 
griebrid^ bcm ©rofeen al§ f5elbfd[)erer gebient, würbe fpäter 
5ßraftbent beS Qun\tQm6itt^ ©tabel, getürd[)teter SBerl^fir:: 
rid^ter, ÜJlitglieb be§ SegirfSgerid^tö Sülad^, unb war 
feit 1786 mit einer temperamentvollen 5Reuenburgerin, 
(Saton 9taegiS, üerl^eiratet. Sluö biejer ©l^e gingen gwci 
Äinber l^eröor: ^einrid^, 1856 alö üielbefd^äftigter Slrjt in 
©lattfelben geftorben, ber Dl)eim ©ottfrieb ÄeHerS, unb 
©lifabetl^; geboren am 7. ©egember 1787, bie 9J?utter be§ 
©id^terö. 

Slm 3. 9Kai 1817 würbe im Äirc^Iein ju ©lattfelben 
^od^jeit gel^alten. ©ann ftebelte baö neue ^aar nad^ ber 
Äantonöliauptftabt über unb nal^m eine Heine SBol^nung in 
bem bi^t am Äronentl^ore gelegenen „©olbenen SBinfel" 
am 9ieumarft, wo einft Sol^anneö ^ablaub ein ^auS bc» 
feffen l^at. Salb barauf mietete jtd^ ©red^öler ÄeHcr in 
bem l^unbert ©d^ritte entfernten „©reifen" am SRinbermarft 
ein, bis er ju Dftem 1821 baö injwijc^en erworbene be= 
nad^barte §auö jur „©id^el" begog. SlUe biefe Käufer 
ftel^en l^eute nod^, äufeerlid^ wenigftenö, jtemlid^ unt»eränbert 
ba, wie benn ba§ ganje Quartier mit feinen turml^ol^en, oft 



3)cr Satcr. 



fünfftöctigcn ©cbäubcn biö auf bicfcn Sag bcn altertümlichen 
(S^arafter bel^alten l^at. 9?ur ber SBolfbad), ber ben 9leu« 
marft t»om SRtnbermarfte trennt, ift je^t üermauert unb feit^* 
bcm baS alte Äronentl)or mit feinem malerifdjen Surm 
niebergeriffen ift, l^aben Suft unb gid^t freieren ßwtntt in 
bie ©äffe befommen. 

Sllte Sriefe unb Slnbenfen, welche ber ©ol^n unter 
feinen Acta sanctorum treulid^ aufbewal^rte, gewäl^ren unö 
©inblicf in baö fd^öne, jarte Sßerl^ältniö ber wacfern ©re^5ler§= 
leute, beren Silbniffe aud^ fiberliefert pnb. ®er junge, fd^lanfe 
SJleifter mit feinen braunen 8lugen unb paaren unb ber 
energifd^en ÄeKer-Slafe fielet faft Domel^m au§; wenig ge^ 
raten erf^eint baö fel^r mittelmäßige 5ßorträt feiner Keinen 
äierlid)en grau mit ben fdjwargen SRingeOödfdien. Sie l^at 
i^rem @ol)ne bie burd^auö ber SBirflid^feit entfpred^enbe ©d^jl« 
berung jeineö SBaterö im „@rünen ^einrid^" f^)äter l^od^ an^^ 
gered^net. „9Jlit befonberem aBoJ^lgefaHen — fd^reibt jie ifjm 
1854 nad^ Serlin — laö id) bie ßrinnerungen unb bie ®e» 
benfjeid)en beineö teuren, unt)ergefelid)en 5Baterö." ®a§ Silb 
muß mit einigen @trid)en auSgeföl^rt werben. 

SRubolf ÄeHer war ein ernfter, aufeerorbentlid) ftreb- 

famer, bitbungSbebürftiger Sllann. 9Zid)t blofe jtc^, feinen 

ganzen ©tanb fud)te er jtttlid) unb geiftig ju üerebeln unb 

gefeHjd^aftlic^ ju lieben. 2llS gemeinnu^iger Sflrger war er 

überall bei ber ^anb. ©ein Slicf ging weit über ben engen 

©efid^tölreiö beö bamaligen ^anbwerferö l^inauö. 3« ^iner 

Seit, ba ber gemeineibgenöfftjd)e ©inn überall an ber Äan« 

tonalfout»eränetät feine ©d^ranfe fanb, war SBater ÄeHer ein 

Vertreter ber nationalen @inl)eitöibee. ^m Safjre 1822 

würbe bei Slnlafe eine^ S^nfriegeS mit granfreid^ Don 

1* 



3)cr Spater. 



einigen Äantonen bev ©d^weij bie ©infül^rung einer ^anbelS* 
fperre geplant, bie bann jn bent fog. SRetorfbnöfonforbat 
ffll^rte. 3n ßfc^offeS „Sd^meiäerboten" entfpann pdö feit 
ber 5Rummer Dom 3. Dftober jene^ Sal^reS ein lebl^after 
Streit für ober gegen biefe ?WaferegeI. ®abei ergab pc^ 
»ieber einmal, bafe bie ^Meinungen ber eingelnen fc^weiäerifd^en 
Drte felbftfüd^tig auSeinanber gingen. ®a beabfid^tigte aud^ 
SRubolf ÄeHer baS 2Bort gu nel|men. ©er Entwurf feinet 
Sriefeö an ben „©^weigerboten" in biefer Slngelegenl^eit ift 
nod^ ba, fd^eint jebod^ nid^t abgefanbt worben ju fein, weil 
injmifd^en anbere ©timmen in gleid^em ©inne fic^ l^ören 
liefen. „@S fc^merjt mand^en rebUd^en ©d^weijer — ruft 
er auö — bafe unter all ben gu Sag geförberten Slnftc^ten 
für unb wiber fo wenige pnb, benen man eö ni^t anfä^e, 
bafe anbere als rein eibgenöffifd)e Snt^r^ff^" i^^^ S^bem 
leiteten. D beS tiefgewurgelten Übelö! ©oll ber Söncfter 
ewig als S\xnä)tx unb ber SBerner als Semer reben? $at bie 
©efd^ic^te nod^ nid^t genug gewarnt? ^aben nid^t f^on 5Beife 
genug gerufen : f eib einS, bann nur burc^ ©inl^eit f önnt S^r 
beftel^en! ?Wit bem ?Wunb wirb gwar biefe l^eilige SBal^rs 
l^eit anerf annt, aber burc^ bie $anblungen il)r wiberfproc^en ; 
bann bei allen großen unb wid^tigen 9SaterlanbeS=Slngelegens 
l^eiten fann man ftd^ nid^t fügen, ^ier jtel^t einer feinen 
Danton, bort einer feine ©tabt, ein britter feine Älaffe, ober 
ein üierter fein ©ewerbe burd^ biefeS ober jenes benac^« 
teiligt. SBieber anbere pnb reblid^ genug, baS allgemeine 
5Bol)l ins Sluge gu f äffen u. f. f.'' Überliefert ift femer ber 
Anfang einer SRebe, weld)e SRubolf ÄeHer in einer ber im 
„@rünen §einri^" gefd)ilberten gemeinnü^igen ©efeUfc^aften 
um bie nämlid^e Qdt für bie ©ad^e ber ©ried^en l^ielt unb 



3)cr Satcr. 



gur tücrft^ätigcn SEcilnal^mc aufforberte, „auf bafe baö SBort 
bc§ türlif(l)cn ^ccrffllircrd Sügcn geftraft werbe: bic Hellenen 
würben el^er ßrbarmen beim türfifd^en ©ultan alö bei ber 
Gl^riftenl^ett pnben". @erne beteiligte er pd^ an tlieatralifd^en 
Slup^rungen. 3« feiner Meinen Sibliotl^ef befanben ftc^ 
nac^ bem amtlid^en Snüentar u. a. ©ci^iHer« fämtUd^e SBerfe, 
Sfci^offe^ „©tunben ber Slnbacfet" unb baS Äont)erfatton§= 
lejfifon. ©d^iHer wirb im gwfl^nbroman auSbrücflic^ afö 
Sieblingöfd^riftfteHer üon ^einrid^g 33ater erwälint SBor 
allem lag i^m bie fittlid^c unb wal^rl^aft religiöfe ßrgie^ung 
ber Sugenb am ^ergen. @r gel^orte gu ben SBorfteljent ber 
Slrmenfd^ule gum „Srunnenturm". 

S3or nunmefir breifeig S^^r^n ergä^lte ein ungenannter 
Seigrer in ber „9?euen 2üxä)tx ßcitung" (Dom 23. Slpril 
1863) folgenbe pbfd)e ßrinnernng au§ ber ©d^ulgeit. @S 
war ein ©jramentag gu Anfang ber gwangiger Saläre. ®a§ 
9?amen* fowie ba§ SBaferbüd^lein unb baö SEeftament waren 
mit ber üblid^en ©eläufigfeit l^erunter gefd^nabelt. ®amit 
war bie ^üfung abgetl^an. ®er ^err Pfarrer, ber ^err 
3nfpeftor unb bie Ferren SBorftel^er l^atten, wie nid^t minber 
üblid^, i^re Suf^t^i^^n^^Jt ^it ben Seiftungen ber @ct)üler 
unb beö Sel^rer^ auögefprod^en. @iner ber anwefenben ®äfte 
würbe öom ©eiftlid^en ^benf aHö um feine 9KeinungSäufeerung 
gebeten, „ßwwt ©pre^en eingelaben — begann biefer — 
fei er fo frei, feine Slnftd^t über baö abgelialtene ©jramen 
unumwunben l^erauögufagen. Seiber fönne er nid^t, wie bie 
übrigen Ferren, feine 3"f"ei>enl^eit über baö SBemommene 
auSbrücfen. 3ebe§ Äinb l^abe t»on bem ©d^öpfer eine 
©umme pon Einlagen unb Gräften empfangen, bie bem 
^Jlenfc^enbilbner nid)t gleidjgültig fein follten. Slofe eine 



3)cr Später. 



bcrfclbcn Ijcrauöl^ebcn unb bic anbem ücmad^Iäffigcn, toirfc 
auf bic wal^rc SBilbung nic^t nur cinjeitig, fonbcnt jcrftörcnb. 
®tnc glcid^mäfeigc ©rwcrbung unb ©ntfaltung aller mcnjd^s 
lid^cn gäl^igfcitcn l^alte er für bic Aufgabe cincS richtigen 
6rjicf)cr§. ®ic l^od^ftc unb fd^onftc Anlage iebod^ fei bic 
fittlidö^rcligiöfc, welche bcnn aud^ am forgfältigftcn gepflegt 
fein woHe. 6r mfiffc aber aufrid^tig bebaueni, bafe gerabe 
in biefer ©d^ule baö [ReligionSfad) gu einer blofeen @e= 
bäd^tniöfrämerei, gu einem gippenwerfe ^erabgewürbigt werbe, 
tt)obei ®eift unb ©emfit leer auSgel^en." Sn a^nlid)er 
SBeife ging ber SRebner auf SBort, ^ai)\, Sorm, ©efang über 
unb fd^lofe gu nid)t geringer Seftürgung be§ ^errn Pfarrers 
unb ber Ferren SBorfte^er etwa mit ben SBorten: ^Äurg, 
id) l^abe gefeiten, waö id^ nid^t fel)en, unb mufete nic^t feigen, 
U)aö id^ fe^en wollte: eine aHfeitige, naturgemäße, fort« 
fd^reitenbe Sntwidfelung beS finblid^en ©eifteö unb ©emüteö. 
Reifen ©ie, ^err Pfarrer, ^err Snfpeltor, an 3^rem Orte unb 
in S^rer Stellung baju, bafe bie 3ugenb wal^r^aft d^riftlid^:= 
religiös ergogen werbe unb ftd) in ben übrigen Äenntniffen 
unb gäl^igfeiten immer mel^r bereid)ere. 9?ur barauS wirb 
griebe, ©Ifidf unb SBol^Iftanb im ^au(e, in ber ©emeinbe unb 
im gangen Staate erblül^en! ^ä) bin übergeugt, wenn id)'5 
aud) nid)t mel)r erlebe, biefe 3^it wifb unb muß fommen." 
„TOeine§ SBiffenö — fo fd)liefet bie Sinfenbung — l^at ber 
gute 9Jlann biefe ß^Jt "i^t mel)r erlebt; aber feine SBorte, 
gleid)fam in ber SBüfte gefproc^en, ftnb auf§ fc^önfte in 
©rfflUung gegangen, ©d^retber biefe§, bem fte je^t nod^ in 
ben Dliren flingen, glaubt eine angenel)me ^pid)t gu er^^ 
füllen, wenn er b^ö ©efprod^ene ber ^kc^welt in Erinnerung 
bringt. 5Dkn wirb inbeS fragen: wer war benn biefer 



3)er Satcr. 



9Äann? Sluttüort: eö war bcr SBatcr bcö „®rüncn ^cinrid^" 
unb — aud^ fcincS SBcrfaffcrS. @l)rc [einem Slnbenfen!" 

"Slodi ein 3öl)r öor feinem Sobe trat SRubolf ÄeHer im 
@i^Il^öIjU an einem feierlid)en @onntagabenb mit jtt)ei gleic^^^ 
gcjtnnten greunben ju ber Stiftung einer gel^eimen, toofjU 
tl^ätigen Srüberfc^aft jufammen. Sie mit il|m Serbünbeten 
waren Sllänner, n)eld)e bie fünf jiger 3^f|re fd^on überfd)ritten 
l^atten. Sei bem einen, bem Slrmenfd^uHel^rer ^anS ÄaSpar 
SDleifterl^anö , erl^ielt ©ottfrieb ÄeHer nad^matö ben erften 
llnterrid)t: ber anbere, weld^er bie SBunbe^fa^ungen entwarf, 
war ber ©eibenweber unb 5RubeImacfter ÄaSpar Unl^olj. 
3)ie ^Bereinigung bejwecfte gegenfeitige Unterftü^ung auf 
Seben unb Sob: „fflitwen unb SBaifen ber Sriiberfd^aft 
l^aben bei berfelben einen ßwPuc^tSort; bei Slbfterben eines 
©atten ober Sßatcrö üerppid^tet ftd^ biefelbe, bie SBeforgung 
ber ^interlaffenen ju übernel^men unb biefen mit SRat unb 
Sl^at, fo Diel in ifjren Äräften liegt, beijuftel^en!" ©ie 
greunbe gelobten ftd^ ferner, einanber freubig in üor* 
fommenben gällen ©eoatterfd^aft ju leiften unb baö üblid^e 
@efd)enf in @elb für ben Siauping anjulegen, eublid), ein« 
anber unter „bem Iieblid)en Sitel ®u" ju nennen. 9lur 
wol^Igepi-üfte 9Känner foHten 3wtritt l^aben. 

©ottfrieb ÄeKer erjäf|Ite mir einft, bafe nad^ einer 
fd^weren ©d^äbigung ©lattfelbenö burd^ ein $od^gewitter 
(im Sommer 1820) fein Sßater ein ©ebid)t oerfertigt, ba^- 
felbe am näd)ften fog. Serd^tolbStage (2. gcinuar) auf ben 
ßürid^er Sunftl^äufern vorgetragen unb ein jiemlid)e§ ©elb 
für bie 9?otleibenben eingenommen l^abe. 3d) war nid^t 
wenig erfreut, bie wot)lgebiIbeten, nunme^ im Slnl^ang mit^ 
geteilten SSerfe im 9?ad)la6 in mel^reren auf göfd^papier ge= 



8 ©cburt ©ottfricb ÄcttcrS 19. Suli 1819. 

bnidften ©femplaren auf jupnbcn. ÜJlctrifc^c Hantierung war 
bamals nod) nic^t jebcrmannö @ad&c. 9itmmt man l^inju, 
bafe aud^ bic SJlutter in il^rcr Sugenb unb fpätcr noc^ eine 
leibenfd^aftlid^e Siebl^aberin ber 5ßoefie war — baS im neuen 
„(Srünen ^einrid^" enüäl^nte, üon il^r alö 3Jläbd^en jufammen 
gefd^riebene Sieberbud^ ejriftiert aud^ nod^ — , fo jcigt pc^ 
augenfc^einlid^, bafe ber ©ol^n baö ©id^ten nid^t eben ge* 
ftol^Ien l^at. ®ie fünftlerifd^e Slnlage ift entfd^ieben üäter= 
Ud^eS ßrbteil. SRubolf ÄeHer brad^te e§, nad^ bem Don 
il^m entworfenen Titelblatt feinet ©tammbud^eö ju urteilen, 
ju einer gewiffen Übung im 2tx(t)ntn unb Sufd^en. 1823 
würbe er üon ber ®red^5lerinnung gum Dbmann gewäl)It. 
©ein ©ewerf banft i^m nüpd^e 9ieuerungen, bie freiließ 
nid^t feiten Slnftofe bei ben hinter il^rer ßcit äurfldfgebliebenen 
SerufSgenoffen erregten, ©ein fct)mudfer ®red^§Ierlaben wie§ 
einen anfel^nlic^en SBorrat üon Sabatepfeifen unb SBeid^feU 
rol^ren, UImer= unb 3Jleerfd[)aumfö^)fen, ©pinnräbem, ©trumpf* 
fugein, ®ofen, 5ßuloerl^örnern, Slabelbüd^fen , fjalgbeinen, 
^erlmutterfnöpfen, ©amenbrettfteinen, ©pajierftßdfen, Safe* 
l^al^nen u. f. w. auf. 

3n feiner Familie ging eS red^t ftiapp l^er unb gu unb 
bie fparfame ^rau l^ielt ben befd^eibenen Sßerbienft be§ 
gemeinnü^igen 5Keifter§ ängftlid^ ju SRate, jumal reicher 
^nberfegen nid^t ausblieb unb über bem ^aufe bereits eine 
bunUe SBolfe ftanb: bei bem trepd^en jungen ©atten traten 
bie erften Slnjeid^en einer SluSjel^rung l^erüor. 

8lm 19. 3"Ii 1819, an einem SDlontag, würbe il^m im 
Haufe gum „©olbenen Söinfel" fein gweiteS Äinb, ®ott* 
frieb Äeller, geboren. 

©er glüdflid^e SufaH, ber für bie erl^altung beö bio= 



3)cr 5Patc. 9 

grat)f|ifd^en SJlatcrialS bicömal gcrabegu proDibcnticH gcjorgt 
l^at, wiH cö, bafe wir l^cutc bcn fd^öncn SBricf nod^ beft^cn, 
mit weld^cm bcr SBatcr bcö Äinbcö jtd^ an bcn angcjcl^cncn 
Sürid^cr Sunfcr ©ottfrieb üon TOcife wanbtc unb il)n um 
5ßatcnftell(c bei feinem crften ©ol^ne bat. Sunfer SJleife (ge^* 
ftorben aU Dbergeri(i)t«präfibent in S"ricl) 1851) l^atte t»or 
Salären auf bem Samilienft^e, ©dilofe Steufen, eine sarte 
9ieigung ffir feine 9lac^barin, Sungfer Slife ©ci^eu(I)jer, bie 
ie^ige ©red^öleröfrau, gefaxt, \a beabfidbtigt, fte al§ ©attin 
l^eimjufü^ren. ©elbft feinem feit 1810 bort »ol^nenben 
Setter Sanboogt ©alomon Sanbolt war fte anS immergrüne 
^erj gema^fen. „Sllte Siebe roftet nid^t", l^eifet eS auf einem 
if|r gemibmeten, am ßlifentage 1812 ,,gu einer Keinen 6r=^ 
innerung an bie SEage trauter Steunbfd^aft'' öon ©ottfrieb 
SKeife gefd^riebenen @tammbu(l)blatte. Sine jarte ^in:* 
beutung l^ierauf ift au§ bem folgenben Sdjreiben SRubolf 
ÄeHerg Dom 21. Suli 1819 üeme^mlid^: 

if^oc^gead^tetfter 3««^^^ Dberamt§fd)reiber! Seiten 
?JJlontag Slbenb erfreute mid^ meine liebe ©attin aufeer* 
orbentlid) mit einem gefunben Änaben. ©erne möd^te id^ 
i^r aud^ eine ungemö^nlid^e greube mad^en. @d)on feit 
SRontag bcnfe id^ immer, mit maö id) bann aud) i^r eine 
ungen)öf|nlid)e ^reube mad^en fönne; allein mit bem, maS 
id^ mein l^eifee, fann id) baS nic^t ergtoedfen. 3n biefem 
gaU l^aben wir nur ein 3"tr^ffc- Sind) burd^ blofee ©e= 
fäDigfeiten fann id^ ni^tö finben, inbem wir gewol)nt finb, 
in gewol)nIid)en Säuen baö 9QRöglid)e einanber ju leiften. 

„9]un erinnerte id^ mid^, bafe fte einmol auf meine 
Sragc, warum fte mid^ nie bei meinem Saufnamen nenne, 
antwortete: SRubolf fei nid)t fd)ön. SBann id) ©ottfrieb 



10 Der ^att. 

l^cifecn würbe, ujoHte fte mid^ immer nadi bem Flamen 
nennen. Safe nun ber 9?amc ©ottfricb angenehmer lautet, 
pnbe id^ felbft. aUein aud^ auS anbern ad^tungSwerten 
©rünben weife iä), bafe il)r biefer 5Rame beffer gefällt. SBann 
ic^ ben Änaben fo taufen laffe, bin ic^ übergeugt, bafe baS 
il^r fd^on nid^t geringe Sreube mad^te. 8lber unenblic^ mel^r 
würbe bie Sreube erl^ölit, wann baS Änäblein biefen 9]amen 
burd^ ben Umftanb, bafe Sie, l)oc^geel^rter Sunfer Oberamt5== 
fd^reiber, ^atenfteüe bei tl)m vertreten würben, erl^ielte. 

„®arf id) Sie, l^od^geac^tetfter Sunfer Dberamt^^ 
f^reiber, beSnalien bitten, gu ben frül^eren Dielen eblen 
5reunbfd^aft§beweifen gegen meine liebe ©attin nod) biefen 
jujufe^en, bafe ©ie gütigft ^atenfteHe übetnel)men wollten, 
©ie werben baburd) mid) nid)t allein nur in ben ©tanb 
fe^en, bie gewunfd^te gteube meiner lieben ©attin ju oer* 
fc^affen: auc^ id^ felbft würbe mir®lüdf wünfd)en, fo einen 
eblen ^aten meinem Äinb gefimben ju l^aben. — — 

„SJleiner lieben ®attin fage id^ öon meiner fül^nen Sitte 
nid^ts, biö id^ weife, ob @ie mir gütigft entfprec^en. Sie würbe 
eigentlid)e Slngft auöftel^en, bi§ fie ben ©ntfd^eib wiffen würbe." 

®aö ift Don einer $erjen§gartl^eit, wie fte ber feinftge= 
arteten 5ktur eignet. 3[d)t Jage fpäter (28. Suli) melbete 
er bem Sunfcr, ber fogleid) mit einem fd)önen ©efd^enfe ju» 
gefagt l^atte, bafe Swngfer Äleopf)ea Simmann an biefem Slbenb 
in ber $rebigerfird)e ber Jaufe be§ Äinbe§ aU $atin bei^ 
wofjnen werbe, wogu aud) ber gunfer $ate gejiemenb gelaben 
fei. ®ie Jungfrau Äleopl)ea war bie 2od)ter beö iRad^barS, 
alt grei^auptmann ^anS ^atoh Simmann, ©olbarbeiter im 
„^almbaum'' am 9tinbermarft. ®ie Familie gel^örte ju ben 
©ommergäften be§ ©c^eud)jerfd)cn ^aufeS in ©lattfelben. 



Sob bc8 SJatcrö 12. Sluguft 1824. 11 

©a§ junge 6^eglücf war öon furjcr ©aucr. 93icr öon 
fcd^S Äinbem trugen ben Äeim be§ frül^efteu Siobeö in jtd). 
Swei Wobeien ftarben im jarten Sllter beinal^e in ber näni* 
lidien SBod^e beS g)ki 1822. gnbe Suli 1824 folgte i^ncn 
baS oier^e Söc^terd)en naci) unb wenige 5Bod)en fpäter, 
am 12. Sluguft, würbe ber breiunbbreifeigiäl^rige ?JJleifter 
SJhibolf mitten in feinen Entwürfen abgerufen unb liefe bie 
„golbene 2eben§fd)nur" in ben ^änben feinet fünfjäl^rigen 
©öl^nd^enö ©ottfrieb unb ber xweijäl^rigen SReguIa jurücf. 
©ie untroftlid)e SBitwe trug noä) ein Äinb unter bem ^erjen, 
weld)e§ im Dftober auf bie 5BeIt fam, jeboc^ blofe ein 3at)r 
alt würbe. 

3n ber ©eele be§ ©ol^neö lebte unoerlöfd^U^ eine l^eHe 
6rinnerung an ben Sßater fort: lebenslang erinnerte pc^ 
©ottfrieb ÄeHer, wie il^n berfelbe einft burd) ein blü^enbeS 
Äartoffelfelb trug. 

6ö fei auöbrücf(id) bemerlt, bafe biefer unb anbere 
Süge nid)t etwa au§ bem „©rflnen ^einrid^", wo fte alter» 
bingö aud^ fteljcn, gu poetifd)er 2lu§fd)mürfung l^erübergel^olt 
worben jtnb. ©ic 6rfd)einung beö 93aterö im oollen SBaffen« 
fd)mucfe beö grünen @d)arffd)U^en ift ^einrid^ ebenfalls ge- 
blieben. Unter ber l^interlaffenen ^abe beS ©red^Slerö Äelter 
wirb im 3nt»entar eine ©d)arffd)ü^enuniform aufgeführt, 
©er ©id^ter i^at übrigen^ mel^r al§ einmal, im 5!öiber= 
fprud^ freilid) gu einer ©teile beS autobiograpl^ifd)en SRomanS, 
gefagt, er wäre t»orau§ftd^tlid) frü^ mit bem garten Äopfe 
be§ SBaterS in Äonpitt geraten, benn ber „§err Dbmann" 
l^abe feinen ©pafe öerftanben unb in feinem 3äfliorn wiber^ 
fpenftige fiel^rbuben oft jämmerlid) geprügelt. 

©aS waifenamtlid^e 3nö^«tar t»om 12. Sluguft ergeigt 



12 8agc bcr ^interlaffcncn. 

ein Slftiüöermögcn oon 9503 ©ulbcn (baS ^au§ mit in* 
begriffen), bagegen 9973 ©ulben ^afftDen. Slfö Seiftanb bcr 
SBitwe unb ber 5Baifen trat nun, iencm eblen (Selübbc bcr 
gel^eimen Srüberfd&aft getreu, ber Slrmenlefirer ^anö Äafpar 
SJleifterl^anS in bie Südfe; fpäter »urbe ber Dl^eim ©d^eud&jer 
Sßormunb ber Äinber. ©en ^interlaffenen blieb qI§ fa[t einjigeS 
aSermögen baö $au§ jur „©idjel". 6ö gewäl^rte il^nen bei 
umftd^tigfter ©parfamfeit ein befd^eibeneS Sluöfommen unb 
»urbe il^nen im Saufe ber S^^l^^e ein »al^rer Segen, wie 
ba§ Ölfruglein ber Sßitroe unb nod^ nad^ breifeig Salären, 
al§ bie Slot beS ©ol^neS aufö ^öd^fte geftiegen »ar, brad^te 
ber @rlös auS bem alten ©ebäube bie einjige SRettung au§ 
bem ^Berliner SBirrfal. @S war üon oben bis unten Der« 
mietet. @in Sßeinjd^enf, ein ©d^ufter unb ein 33üd^fen= 
mac^er bewol^nten 1824 mit tf|ren gamilien bie üerfd^iebe« 
nen ©todfmerle. Sn bemjenigen, baö ber ßigentümerin blieb, 
mufete wäl^renb ber näd^ften S^l^re jjeber irgenbwie entbel^r» 
lid)e SRaum nu^bar gemad^t werben. SBar fc^on bei £eb= 
geiten be§ 93ater§ bie ©efeHenfammer t»on brei ober öier 
®el)ilfen unb Sel^rjungen beüölfert, fo gab bie 9Jlutter nac^ 
wie oor Sii^mer an Arbeiter ab, meldte äWfll^i^ bei il^r 
afeen. ©inige $olenpüd^tlinge, u. a. einft ein Dr. Soga^fi, 
waren i^re 9Jlietöleute. 9?od^ 1834 l^atten ein 3'«^"^^^=* 
mannS* unb gwei ©dbloffergefeHen l^ier Quartier. Sie öer« 
urfac^ten an Sonntagnäd^ten ber %xau ©lifabetl^ oft tüc^« 
tigen Slrger. gür ©ottfrieb bagegen bot pc^ l)inlänglic^c 
®elegenl)eit, bie Iöftlid)en ©el^eimniffe feiner „geredeten Äamm= 
mad^er" gu ergrünben. ©en fleinen $of mit bem ©pring« 
brünnlein unb ben 93ogelbeerbäumd)en, bie 2lu§fid)t auf ba^ 
weitläufige ©ad^ ber ^rebigerfirdbe mit bem nabelfpi^en 



ÜRuttcr unb @(^njcftcr. 13 



3;ürmd)cn fcnnt man. auö bem „©rüncn ^cinric^". Sic 
®recl^Slcrn)crIftättc würbe öon bcr TOutter für bie näc^fte 
Seit beibeljalten. ßin fd^werer Srrtum foHte il^r nid^t er= 
fpart bleiben. Sie reid^te 1826 t^rem erften ©efeHen bie 
$anb. ®ie unglücflic^e @l^e mufete nac^ wenigen Salären 
gerid^tlid^ gefd^ieben werben. 

®ie ?Wutter war eine üerftänbige braue %xa\x. 9iad^ 
außen etwaö öngftlic^ unb öerfd^üc^tert. ®em ©ol^ne ge« 
wäfirte fte in liebeüoHer 5Rad^giebigIeit ein größeres 3Jla^ 
Don S^eil^eit, als il)m in früher Sugenb guträglid^ war. 
®abei l^ielt fte il^n weniger gur Arbeit ate gur ©parfamfeit 
an. ©a§ war in il^ren Slugen bie l^öd^fte Sugenb für Seute 
oon it)rer Sage, ^x ©ottfrieb l^at jtd) wenig üon berfelben 
angeeignet. 9Jlit bem Selbe l^auiSl^älterifd^ umjugel^en, war 
feine ©ad^e nid^t. SBer bei Inappen Sllitteln nie baju 
!ommt, fid) regelmäßig einzuteilen, fonbem beftänbig genötigt 
ift, Don ber ^anb in ben ?Wunb unb gwar meift auf SBorg 
l^in gu leben, wirb bie Äunft beö ^auS^altenS niemals 
red^t erlernen, ©ie @ntbef|rung, welche ftdb bie 3JJutter 
immerbar aupegte, ift bem ©ol)ne in fd^wierigften Umftän- 
ben wol^l gefommen. @ie war eine geiftig aufgewecfte 
grau, eine gang t»orgüglid)e SrieffteHerin , bie oft große 
^üKunterfeit beS ©emüteS, baneben aud) eine gewiffe fd)wei» 
gerifdö berbe 9iücffid)tgloftgfeit unb Offenl^eit geigt. 

©ie @d)wefter SRegula blieb lebenslang ein befd)eibene§ 
2Befen, baS man jtc^, bis auf bie legten Sctl^re, gang gut 
aus ber Umgebung beS SruberS wegbenfen fann. 3Beil fte 
iuft ©ottfrieb ÄeHerS ©d^wefter ift, muß man nid)t me^r 
aus il^r mad)en, als an i^r war. 3" il)rer guflcnb munter 
unb lebensluftig, in it)rem Slußern unjd)ön, plump, mit 



14 2)ic ©d^wcfter. 



ftaricm Untcrficfcr, »urbe pc nad^ unb nad) — gegen il^ren 
SBillen — ältlid^e Sungfrau unb bcl^ielt [eitl^er ctoaö 
TOifeoergnügte^ unb 9Jlürrif^e§. Später öemad^lafpgtc pc 
pd) ftarl unb l^at ben SBniber burd^ il^r SluSfcl^en manc^« 
mal in SBcrlegenl^eit geje^t. Sie war nid)t baju ju bewegen, 
für bie niebrigere Slrbeit eine 5Kagb inS ^auS gu tl^un. 
SBä^renb feiner langen Slbwefenl^eit in ®eutfd)Ianb Derbiente 
Pe pd^ afö ©d^neiberin i^r ©rot, ging inö Äunbenl^auS 
ober arbeitete bafjeim, aber ol^ne jebe 9Jlitl^lIfe. ÄlS ber 
Seruf il^rer ©efunbl^eit nad^teilig gu werben brol^te, ücrfal^ 
pe bis jur ^eimfel^r @ottfrieb§ auö Serlin bie Stelle 
einer SBerläuferin in einem Sd^innlaben. SBäl^renb biefer 
Seit l^at pe pd^ burd) unt»erbroffene3 2lu§l^alten um bie 
3f)rigen treulich oerbient gemad^t. .gci pe l^at biefen il)re 
3ugenb unb i^r gebenSglüdf geopfert. ^Kel^rere annel^mbare 
^artieen mufete pe auf SBunfd^ ber 9Kutter auöfd^Iagen. 
©al^er wol)I ber raul^e ßug i« ifl^-em SBefen. Subem litt 
fte lange an einem ^ergfe^ler. Sluö ber bid^terifd)en Sl^ätig* 
feit beS SBruberö ma^te pe pd) nid^t aUguoiel. ©agegcn 
imponierte i^r ber ©taatöfd^reiber. SSon feiner täglichen 
Slrbeit nafjm pe wenig SJotij. ©eine Sucher ppegte pe 
erft gu lefen, wenn pe bauer^aft gebunben waren. Sie 
la§ lieber einen fpannenben SRoman. 9?ad^ bem Sobe 
ber 3Jlutter fül^rte pe il^m bie einfädle ©irtfd^aft, freiließ 
ol^ne baö 33erftänbni§, fein Seben freunblid) gu fd^mfidfen. 
ßwifd^en beiben beftanb ein ewigeö ©ebrumm. Unb boc^ 
war pe i^m eine brat»e @d)wefter, bie fdjliefelid^ nur nod) 
für il^n lebte. Qäije an Äörper unb ®eift, felbft burd)au§ 
bebfirfni§Io§, l^ielt pe ben ©ottfrieb fel^r fnapp. 5Benn er 
mittags fein unanfeljnlid^eö ©tücflein SRinbpeifd) mit etwa§ 



©d^urbanfletn. 15 



©emüfc auf bcm jinncrnen SEeHer t»or fici^ liegen l^atte, äußerte 
er etwa gegen einen äufäÜig anwefenben Sefannten, er werbe 
bafür am Slbenb im SBirtö^auö jel^n gränflein üertl^un, 
bann l^abe fte ben 5ßrofit. 6rfi baö Sllter mit feinen @e* 
bred^en brad)te bie ©efd^wifter na^er unb nad^ i^rem Stöbe 
^at er jte tief betrauert. 

3n feinem Sluffa^e „Slutobiograpl^ifd^e^" befennt &oiU 
trieb ÄeHer, bafe bie ©arfteHung ber eigentlid^en Äinbl^eit 
beS „®rfinen ^einrid)", „fogar baS Slnefbotifd^e barin fo 
gut tt)ie tüal^r fei, l^ier unb ba blofe, in einem legten 2ln« 
fluge oon 5Rad)al^mungötrieb, Don ber fonfefftoneHen $erbig* 
feit SRouffeauö angel^aud^t" . Um f o raf ct)er f önnen wir über 
biefcn S^itcibfd^nitt l^inweggel^en. @S genügt, an ben pnnigen 
Änaben ju erinnern, ber in bem bel^aglid^en ©efumme feiner 
©äffe bie erfte Äinbl^eit üerbämmert, bie erfte finblici^e 
Si^eologie getrieben, bie erften jungen Seiben beö SebenS 
erfal^ren l^at. SRan barf nid)t — wie eö gefd)el^en ift — 
Don einer freublofen Sugenb fprec^en, bie ber ©id^ter nac^= 
träglid^ ju einem l^errlid^en SBunbergarten umgef^affen ptte, 
um ftd) wenigftenS poetifd) für bie Unbill ber 3EßirfIid)feit 
gu entfd^äbigen. @ö waren gewife red^t enge 5BerpItniffe. 
aber wie wenig brandet bie Sugenb, um glücflid^ gu fein, 
ober |id) glüdElid^ gu träumen! 

9?ad^ bem SBiUen feineö oerftorbenen SSaterö fam ©ott* 
frieb mit fed^S S^l^i^^n in jene Slrmenfd^ule gum „Srunnen* 
türm" unter bie Äinber ber ©eringen gu p^en. ©iefelbe 
war 1786 oon einigen wacfem 3Kännern mit bem gemein= 
nü^igen Qxoedt geftiftet worben, bafe in i^r ber großen Sin- 
gal^l bürftiger Äinber unentgeltlid^er Unterrid)t erteilt werbe. 
Sie 6Iementar:= unb bie mit \f)x üerbunbene SRepetierfd^uIe 



16 3)a0 ÜRcierletn. 2)a8 SWcrctlcin. 

jä^lte 1830 flcflcn 200 Äinbcr. $icr ereignete jtd) gleich 
am erften @(i)ultage bie fomitragifc^e ©efd^id^te mit bem 
^umpemicfel, bie im „©rflnen ^einrid^" erjäp ift. ^ier 
fafe auf ber gleid^en Sanf fein frül^efter SBiberfad^er, baS 
?W eierlein, ©ottfrieb ÄeHer ging fpäter feiten an ber alten 
SRitterwo^nung ber ?Waneffe in ber SJlünftergaffe öorbei, 
ol^ne nad^ bem l^ol^en ©ad^e l^inaufgujeigen, öon bem biefer 
fein Sugenbfeinb beim SBegräumen be§ ©d^neeö (im „®rünen 
^einrid^" beim ^erabnel^men einer alten SBinbfal^ne) l^er* 
untergeftürjt ift. 6ö ift mir gut in ©rinnerung, wie, aW 
wir einft in einer Dftemad^t bort oorbeif amen , eben eift 
Heiner SubenauPauf ftattfanb unb einer üon ben ^irpfen 
bem anbern bie Slnfdbulbigung: „©u l^aft ja feine ©c^riften" 
inö ©eftd^t warf. „®a§ ift baö gjteierlein", rief ©ottfrieb 
ÄeHer auS unb fe^te, in bie ©d^offelgaffe gum „©ambrinuö" 
einbiegenb, l^ingu: „2Benn ic^ bem Äerl in ber Swigleit be= 
gegne, fage id^ gu i^m: „bifd^t au bo, bu (5l|aib?" 

3u feinen liebften Sug^nbgefpielen gel^ orten bie wacfem 
@öl|ne beö ©d)uftermeifter§ SRorborf, ber erft fd^ief gegenüber 
in bem ^auö gum „SRitter ©anft ®eorg", bann jenfcits ber 
®affe in ber „@elben ®ilge" wol^nte. Slamentlic^ war 
Leiter an Äonrab SRorborf, ben nad^maligen befanntcn 
Älaoierbauer, anl)änglid^. ©er Sruber be^felben, „(Sl^äppi" 
(ifafpar), ber ^aftetenbedf, würbe fein gefd^icfter ®el^ilfe im 
%a6)t ber Sl)eaterbeforationömalerei. Sluf bem ©ad^boben 
be§ SRorborffd)en §aufeö, ber ben anbern oft alö lummcU 
pla^ biente, ^ing ein Silb auö bem ftebengel^nten S^^^^unbert. 
©aöfelbe mad^te auf ben jungen ®ottfrieb einen unüergefe^ 
lid^en ©inbrud, ber gunäc^ft einem leidet erflärbaren ®raucn 
entfprang. ©aS forgfam geläutete ®emälbe ift bem Äeller= 



grau SWargretl^. 17 



9flad(Ia6c gcftiftet worbcn. 6S fteHt ein fleincö SOföbd^cn bar. 
Sluf bcm ebenmäßig gcftaltctcn Äörpcr ft^t ein unförmUdicr 
blonbcr, mit einer fdjwarjen 9Jlü^c bebedfter Äopf. SBcit 
geöffnete ftarre Singen nnb ein fdimerjli^er Quq nm ba^ 
rote ^Jlünbd^en. Um ben $alö trägt ba^ Äinb eine 
grofee Dielgefältelte 5Rül(lfteinfraufe. ©ein Äleibd^en be* 
fielet in einem roten SRocf nnb einer weifeen ©pi^enfctjürjc. 
3n ber redeten §anb l^ält e^ einen grinfenben Sotenfctjäbel, 
in ber linfen eine rote 5ielfe. ®aS Sllter i[t angegeben: 
aetatis 3Vs mit ber gal^rjal^l 1623. 3laä) bem SBappen 
gel(örte ba^ Äinb ber befannten 3ixnd)tx gamilie SBerbmüHer 
an. @§ ift fein Sw'cifcl- wir l^aben l^ier baö SJieretlein 
aus bem „®rünen ^einrid)" öor unS. 

©ne greunbfdjaft merftoürbiger Slrt fd^lofe ©ottfrieb 
ÄeHer, alö 1828 ein feltfame« ©l^epaar in ba8 mütterlid)e 
§auS einjog: eine fflettmad^erin mit il^rem eisgrauen 9Känm 
(^en. 6r {(iefe gofob $o^ au^ Äüfenad) (geb. 1757), 
[eines Qeiäjm^ geilträger b. 1^. Sröbler, jte Slnna SWe^er 
öon Ufter (geb. 1772). Sie l^atten ftd) 1793 gel^eiratet. 
Um eö gleid^ ju fagen: eö pnb gfau SJlargretl) unb 
SJater 3^foblein auö bem „®rünen ^einrid)". Serge üon 
ffletten waren in i^ren SRäumcn aufgefd^iditet, baneben allerlei 
Jröbelfram. gtau $o^, eine ungewö^nlid) bicfe 5ßerfon in 
weisen $embärmeln unb weiter ©pi^enl^aube, üerwaltete ^ier 
ba§ ^Regiment unb l^anb^abte bcftänbig il)re Äreibe, mittels 
beren jte burd^ römifd)e auf ben Sifd) gefd)riebene ßiff^nt 
il^r SRed^nungSwefen mit einer unüergleid^lid^en Äunft fül^rte. 
Sie befafe eine grofee Sammlung $eiben= unb ©ö^enbüd^er, 
b. ]^. alter fabell)after 3fieifebefd)reibungen, apofr^pl^er 6öan« 
gclien unb $ropl)ejeiungcn , furiofer (5l)ronifen unb Dol!ö== 

@ottfneb Aefler. ^ 



18 ^avL aRargret^. 



tümlid) t^cofopl^ifdier ©dirittcn. Sl^rc Stube war bcr ©am* 
ntclplafe einer fleinen SBJelt. Slm Slbenb fanbcn p^ i^re 
engeren ®ä[te ein unb crl^ielten allerlei m^ftifc^en @puf 
gum bejien: ber Schreiner @d)aufelberger, ein neuer ^auö« 
genoffc; ber @d)u[ter SBepfcr, juweilcn auc^ einige guben, 
bie beiben ©uggen^eime unb ber grofee SBeiler, weld^e wäl^« 
renb ber 9Jleffe bei SBitwe ÄeHer wohnten. UnDermerft 
würbe l^ier and) ber junge ©ottfrieb als erflärter fiiebling 
ber fjrau $ofe l^eimifd^. ©a laufd^te er Bei ben nächtlichen 
Sufammenffinften il^ren gel^eimniSöoHen ©rgä^lungen auö 
bem SReic^e ber 8l{(nungen, SrSume unb ©eifter, l^ßrte öon 
fd^recfl^aften 6r[^einungcn am $immel unb unter ber ßrbe, 
unb fc^auertc Dor Suft, wenn bie SRebe auf ^eyen, ©el^ängte, 
3Känner ol^ne Äopf, bie ber %xa\x in iljrcr Sugenb manc^* 
mal begegnet waren, auf ©d)arfrid)ter unb Seufelöbanner 
fam. 6in barodfe^ 5ßl^antafteleben begann ben Änaben in 
gefä]^rlid)er SBeife gu bebrängen. SRac^t« fpäl(te grau ^o^ 
bei offenem genfter ftetS nad) ©efpenftem au§ unb geiftete 
im §aufc ^erum. SSater 3afoblein war ba^ unnü^e fpafe« 
l^afte 9Jlännd^en, ba^ [xdj mel^r mit SSorbringen läd|erlid(en 
©pulwefeni^ befaßte. Sonft beforgte er, bie ©c^ürge umgetl^an 
unb eine altmobige ^ßelgmü^e aufgeftfilpt, bie Äüd^e, ober 
ftric^ ©albe für fein franfeö Sein, ©eitbem er eine leb« 
geitige Seilung beö anfeljnlic^en, öon ber g^rau erworbenen 
aSermogenS »erlangt Ijatte, ]^errfd)te gwifc^en ben ©l^egatten 
jene töblidie Erbitterung, bie im SRomane mit grauenvoller 
aSBai^rl^eit gefc^ilbert ift. ßineö wartete auf ben Job be« 
anbern, unb in bunflen ^erbftnäd^ten l)örte man über bie 
fdimale @affe bie furchtbaren a3erwünfd)ungen, mit benen 
pe fid) beftritten. ®er eine Snq, wie bann ber 9Kann am 



Sfrau SWargrct^. 19 



9Jlorgen, tüäl^renb bie fonft gutmütige grau öom Qanl er* 
fd(öpft weinte, pd) irgenb eine fleine Secfcrei buf unb be* 
ftänbig baö SUteröjal^r ber ©attin öor jtc^ l^inmunnelte, biefer 
3ug ift ebenfalls bem Seben entnommen. Sin ber ei^elid^en 
Sel^be beteiligte pd) aud^ bie beibfeitige erbbcreditigte ©ipp* 
fc^aft. 

grau §ofe ift 1840, mä{|renb ©ottfrieb ÄeHer in 
3JJfinc^en »eilte, gejiorben unb jwar unter benfelben Um» 
ftdnben, bie man auS bem „®rünen ^einrid)" fennt. 3^r 
SJlann, injwifdien üöHig erblinbet, ging mit jiemlid) leeren 
^dnben au§. 3n ben ©riefen an bie ^JJlutter erfunbigtc 
pd) ©ottfrieb beftänbig nac^ feiner el^emaligen greunbin. @o 
fd)rieb er am 27. Suni: „©agc ber grau §o^ öiel taufenb 
SJliUionen ©rüfec, unb id) l^ättc ba^ §äuölein mit bem toten 
Säuern nod^ nie gefunben." ®ie folgenben SJoti^en pnb 
ben Slntmorten ber SWutter entnommen: 

25. 3Kai 1840. „grau §o^ ift immer nod) franf unb 

mufe pd^ im Sette aufhalten, aber bod) fein Sterben öor« 

l^anben. @ie l^at nun rid)tig i^rem Setter unb SBogt (^Ke^er 

in Ufter) ein Jteftament fc^reiben laflen. ©urd^ einen Slböofat, 

ganj gefe^lid) mit brei QtuQtw. 9lotar 6fd)er mar aud^ 

babei. aifo alle«, maS pe bep^t an ®elb unb 2Bar', foH 

nad^ i^rem Sobc einzig ber allein befommen. ^laij einigen 

Sagen aber mürbe baö ©ing in Ufter unb ®utenfd)meil oer* 

breitet; nun pnb bie übrigen SSermanbten alle wütenb unb 

tobenb ; aUeö f d^tmpft unb läftert bie alte Sa«. 2luc^ anbere 

£euf, meldjc miffen, bafe pe jmei @d)weftern l^at, meldte in 

8lrmut unb eine öon ber ©emeinbe unterpü^t mirb, fagen, 

es fei l^öd)ft unbillig unb ungerecht. . . . Sluf jeben gaQ gibf « 

^rojefe. ©ie moHen ba« Sepament ungültig mad^en. ^it 

2* 



20 grau SWargrct^. 



mir rcbt grau ^o^ fein SBort öon bicfcr @ef ^id)te ; ftc bcn!t 
Dermutlic^, id) würbe il^r nidjt 33eifall geben. ®a l^at pe 
ganj red)t. hingegen l^eud^elt jtc alle Jage öon bir: „^ä), 
ber gute 33ube! SBenn'S i{)m nur gut gel^t! @r ntufe gciDtfe 
aud^ nod) ettoaS Don mir l^aben!" 3a, bei geben gibt jtc 
nid)tS mel^r unb nad^ bem Sobe mirb ber fd)on jufammen 
räumen!" 

5. 3uli 1840. „%xa\x §ofe mirb balb fterben. Sic ^at 
ba^ 33ett nie mel^r öerlaffen. ^dj öerjögerte bcöwegen ©einen 
Srief einige Sage, um i^ren Sob ©ir jugleid^ angujcigen, 
weld)en man mit ieber @tunbe erwartet. 3{)re Äörper- unb 
@ei[teöfräfte ftnb gänjlid) bal^in; fprid)t fein 2Bort me^ruer» 
nel^mbar. 3d^ fagte i^r ©eine ©rüfee. Sie moHte gern 
weinen unb fonnte nid^t. ©inige SSSlal, al§ pe nod) gut 
reben fonnte, fagte jte Don ®ir: „©u guter S3ub, ©u pe]^[t 
mid) nid^t me^r! ®u mufet auc^ nod) etwas l^aben!" aber 
mit bem war'S getlian. 3c^t i[t il^r bie gange SEßelt gleid^ 
Diel. 3d^ befomme nun auf Äird)wei^ ein leereS ®emad^. ©er 
alte ^0^ wirb ju grau Äramer jiel^en" — 3uli 1840: „grau 
$0^ ift eben geftorben unb ben 9. Suli beerbigt worben. ©a& 
®u pe nie öergeflen wirft, ift billig unb red^t, weil pe ©ir 
mand)en ©djilling unb SBörfel gegeben, weld)e ©id^ gwar 
bamals ni^t Diel nü^ten; je^t fönnteft ©u el)er eine folc^e 
®uttl)äterin braud)en ! @S war merfwürbig, wie nad) iljrem 
abfterben oiele SBeiber famen, bie Don \l)x Derfprodjenen Sin« 
benfen gu begleiten. 3"^^ ffleifpiel grau ©ecfelmeifter im 
§eSlibad^ fagte, pe l^abe ii^x bie golbene Ul)r, i^ren Sonnen« 
fd)inn unb einen SRodf Derfprod^en. SBunberli in SSinj fagte, 
bie Ul^r l^abe pe feinem Äinbe als ©otten (^atenfinb) Der= 
fprod^en. aber aUeS war nid^ts. ©er SBogt fd^lägt feine 



grau 3J?ar9rct^. 21 



§anb Über aßeS. . . ©o öicl ic^ l^örc, will er bcm §o^ 
200 ®ulbcn gütlid) geben, weil er aU ÜJtann ba^ Jeftament 
ungültig mad)en fönnte, unb bann bcn übrigen ßrben aud) 
etroaö, bamit pe feinen $ro3efe anfangen." 

enbe auguft 1840. ,,5Bor 14 Sagen ift ber alte ^ofe 
auägejogen ju %xa\x Äramer*). @r war fel^r traurig, ba^ 
er in feinem f)of)m Sllter unb blinb biefeS ^auS, weld^eS 
er jwölf Saläre lang bewol^nte, nod) Derlaffen mufete. @3 
war wirflid^ ein rü^renber Slbfd^ieb, wie er mit feinem großen 
Sili^iut in ber §anb mid^ um 33ergei^ung bat unb banftc 
für aHc ®üte unb ®lüdf unb Segen für ©id^ unb SRegeli 
wünfc^te u. f. w. ©ie Sangweil wirb wol^l feinen f(I)wad)en 
Sebenöfaben balb bred)en." — Dftern 1841: „©er alte ^ofe 
ift gefunb; nur l^at er fel^r lange SEßeile in feinem blinben 
Buftanbe; er flagt unb räfoniert täglid) über feine fei. Srau, 
ba^ pe il^n in Sirmut üerfe^t \)dbt." 

3n fold^ eigentümlid^er Umgebung entwicfelte fid) in 
bem Äinbe — ei^ jtnb bie erften SSorgeic^en beö werbenben 
©id)terS — ber $ang, auö lauter ^l)antafie ju lügen, b. 1^. 
of)nc böfe Slbjtd^t mel^r ober minber l^armlofe Slbenteuer unb 
©efc^id^ten ju erpnben, bie bann oft ju fleinen Serwicfe» 
lungen füf)rten. ©benfo bilbete pd) bei biefer ftarl in pc^ ge* 
feierten 9latur, bie feine f)artc 33erüf)rung oon aufeen bulbete, 
ber Srieb jur ©nfamfeit, gur ©inpfcigfeit auS, fpäter, afö 
pd^ ber gewaltfam auS ber Sal^n geworfene ©d^üler jur Un- 
tl^dtigfeit oerurteilt falö, bie Steigung ju einem mürrifd^en 
©d)moHen wie ^anfrag unb gu trübfeligem ©rillenfang. 



') ^nopfmad^erS am Slllnbermarft, früf)cr öon ber gamille ^oi^ 
an JHnbe3ftatt angenommen. 



22 3J?ün(l^. 

©Ute Äamcrabfd)aft uerbanb ©ottfricb ÄcHer lebenslang 
mit bem Äupferbrudfet @buarb 9Rünc^, ber einiße S^l^rc 
in Bflrid^ arbeitete, bei ber 9Rutter an ber Äoft war, 
unb ben jungen ©ottfricb bann unb wann auö ber ©latt* 
f eiber ©ommerfrifc^c abl^olte. @r ging 1835 nad) ©arm* 
ftabt, mo il^n ifeHer oon ^eibelberg au8 befud)te; bann, 
im ^liial^rc 1854, toanbertc er, unjufrieben mit ben ©ingen 
ber alten aSelt, nad^ 5iew«2)orf aus unb iDurbe ©rüder bei 
ber amerifanif^cn 9iational*33an!notengefeIlfd)att. @r blieb 
mit ÄeHer bis gu beffen ftebjigftem ©eburtstag in brieflidiem 
aSerfel^r. U. a. fc^rieb er il)m im 3"^ 1885 auf eine ©en* 
bung: „©eine fflüc^er l^abe id) gelefen, alS: ,£eutc Don 
©elbm^la', yQvix\d)tx 5RoöelIen', ,@inngebid^tS ,©er grüne 
^einric^', aud) bie ©ebid)te fd^on einigemal. Dbgleid) ic^, 
meiner fc^wad^en Seurteitung nad^, Stil unb 3lrt auSge* 
geid^net fanb, fc^wimmt bod) ,©er grüne §einrid^' immer 
oben. ©aS 33ud) oerfe^t mid^ immer, wenn id) eS lefe, 
einunbfünfjig Saläre jurüdf. 6rft fommt bie @d)ulgefd^i(ftt\ 
bann ber berühmte 9Rarber, Onfel, Sante, gifette, ßaton; 
ju §aufe 5rau $ofe unb $err $o^, fogar grau gifabet^ 
bei ©einer Konfirmation jtnb mir fel^r gut im ©cbäd^tniS 
(gemeint ift bie 3Bitwe, bie bem feftlid^en 3Bei{(nad)tSeffen 
nac^ §einrid^S Äonprmation beiwol^nte unb nac^ Jifd^ ein 
Jängc^en aupl)rte; eS mar bie fog. „©rofee SiSbet]^", bie 
ab unb gu bei ber SJiutter arbeitete); fogar ben berüd(tigten 
,SBurmlinger' (©ef. SBerfe 2, 340) glaube id) gu erfennen". 
SJlünd^ fam als ftebengigjäl^riger munterer Knabe l^erfiber 
aus Siew^^^orf unb verlebte bei feinen fjreunben ©ottfrieb 
unb SRegula öergnüglid)e Sage auf bem „SBürgli". 

Snt ^aufe mol^ute ferner feit 1832 eine gamilie SÄarti 



gamiltc SWartt. 23 



auö SBagcnl^aufcn im Jl^urgau. 6r war Äüfer, [tammtc Don 
Dcrmßglic^cn @ltcrn, l^attc jcbod^ wiber beten SBiHen eine 
arme braue SJlagb gel^eiratet, bie bei f5reif)auptmann Slm« 
mann, bem SSater öon ©ottfriebö $atin, gebient l^atte. 3n 
ber ^eimat beö 9ÄanneS war eö ben Beuteten \o \ä)Uö)i er« 
gangen, bafe bie junge Srau bei ber flberbiefe ]^errfd)enben Seue* 
rang jtd) fogar einmal genötigt fal^, eine Äafee gu fod^en. 
@ie felirten burdö Vermittlung il)rer efjemaligen SBrotl^errin 
nad) 3flnc^ jurfidf unb fanben bei 9J?utter ÄeHer Unterlunft. 
®aS ^anbwerf beS ÜJtanneS brad)te l^äupgen ®urft mit ftd^. 
6r [tarb 1848 unb ©ottfrieb ÄeHer l^at bem guten Äonrab 
ÜKarti ba^ ßeid)engeleite gegeben. 6ine§ ber beiben SJläbd^en, 
Säbelt, war furg nad) feiner ©eburt ber grau Äeßer als 
^Pegefinb übergeben worben, inbeffen feine eigene SRutter einem 
färglid^en SBcrbienft nad)ging. Ueber jwanjig 3al)re lang 
blieb es bort. ®aS fleine SBäbeli SÄarti lebt l^eute nod). 
6S l^at feine gugcnbfreunbin, bie @d)wefter bcS S)id)terS, in 
i^rer legten Äranfl^eit öerpflegt, unb ift mit feinem ©tricfjeug 
n)od(enlang am Sterbelager ©ottfrieb ÄeHerS gefeffen, i^n 
burd^ feine finge treue Slrt erl^eitemb unb entfd)munbene 
3ugenbtage il^m öergegenwärtigenb. ®ie ganje gamilie er» 
fc^eint in einer fpäteren ©elbm^ler ®efc^id)te, im „5Berlorencn 
gadien". grau ^Jiarti ift bie Urfula unb Ȋbelt ba& 
8lgat]^d)en, bei meldjer grau Suftine unb gufwnbuS SJle^en« 
t^al il^re SBerfö^nung feiern. @ie gel)örten ju ber ©efte 
ber Sleutäufer unb maS in jener SioöeHc erjäf)lt ift, wie 
Urfula in fd)merer SebrängniS, Slgatf)ci^en auf bem Slrme, 
in ber SEßalbeSmilbniS (am SllbiS) in bie fflrübergemeinbe 
aufgenommen wirb, l^at pd) bud)ftäblid) fo gugetragen. 
©päter jogen jte nad) @t. 8lnna unb Ratten bort allerlei 



24 JEwr ©i^reinnr. 

uon einem töfen SBeibe ju erbulben, baS bie SSJo^itung mit 
i^nen teilte, es ift baS „Öliueib" im „Seriorenen Suchen," 
welches ber ©id)ter mit einer ein[t Dielgenannten $erfönlid)= 
feit fombinterte. 

3in« mütterlid^e .^tauS fam »eiler ein munterer burftiger 
©djreiner ju roofinen, namenS ©djaufelberger, in beflen 
SEJerIftätte mani^er Unfug Oeröbf würbe, ©nt ^auptbes 
luftiflung bilbete baS ©t^iefeeii mit SlaSrS^rcn auf na(^= 
barlidje Äa^en, im SBinfer baS ©infangen junger ©patien. 
Sie färbten biefe auf« bunteffe, leimten iljnen feltfame 
geberbüf^^Iein auf unb liefeen pe roieber unter bie onbem 
fteftüriten SJÖgel fliegen. SBenn er einen ©arg fertig 
^atte, l^olte ber ^eifter bie $ei!^pfanne mit ben äSorten: 
„®ie 2eid)e mirb rinnen moDen". Unb luenn ber junge 
ÄeKer in fpäteren ga^ren bismeiten unnmtig in ben blonfen 
^obelfpSnen tag unb [xif enblitft eine fefte anfleflung 
»ünfdjte, bann rit^tete ilin ber luftige @(^reiner§mann auf, 
lel^nte il^n an bie ^anb unb meinte, je^t l^obe er eine 3n< 
ftellung. ©(^Qufelberger, n)eld)er ben ^ernnmat^fenben Sfüng- 
ling in bie Dater1änbi|(f)e $oliti! einführte unb ben in bfr 
5rembe Sibmefenben jumeilen mit einer feiner rabifalen S^'* 
tungen Derforgte, gehörte ju ber ©efeUfd^aft ber „aufrechten" 
unb foUte im „SS^nlein" unter biefem feinem 9Zamen auf» 
treten. Ser ©idjter bat jebod^ Suerbad), in beffen aSolfS- 
fülenber jene ©rjä^lung erft^ien, nadjfräglii^, ben fd)nurrigen 
Schreiner in a3ürgi urnjutoufen. 

Sm übrigen fafeen lauter gute 9Iad)baren ora SRinber= 
marlte: im J&Qufe jur „beutf^en ©d^ule flm SBadj" ber Äe^rer 
abra^am SBirj, im „©ie^fafe" (je^t eine 2(pot^e!e) bie 
Jamilie ^egi, beren So^n, ber 9JiüIcr ^ot). ©alomon, 



ßanbfnabenmftitut. 25 



jebod^ crft in SWfind^cn, einer ber nä^ften g^reunbe ÄeHerö 
würbe, in ber „gelben ®ilge" ber ©d^wiegeröater öon 3Keifter 
SRorborf, ber $aftetenbäcfer ©d^weijer. S)er ntütterlid)en SBo!^» 
nung gegenüber im „3wbenl^ut" f)aufte ber fflädfer ©teinfelö, 
wo ba§ Äinb öftere banfbarlid) fein @tücf „SBä{)e"0 i« 
©mpfang nal)m, nebenan im „^almbaum" wol^nte bie 
3ungfer „®otte" Äleopliea. 

33on 1831—33 befud)te ©otlfrieb ÄeHer aU ber ©ol^n 
eines Slnfafeen baö fogenannte Sanbfnabeninftitut auf 
ber benachbarten ©tfi^i^offtatt. ®aS war eine 3lnftalt, 
welche 1791 öon einigen in unb um bie @tabt wohnen* 
ben Slnge^origen ber 2anbfd)aft auö eigenen 9}iitteln ge« 
grünbet worben war, feitbem il^ren Änaben — wie e§ in 
ber ©tiftungöurfunbe lieifet — ber Swtritt jur SRealfd^ule 
wegen $Ia^mangeI§ nid)t mel^r geftattet war unb Sßäter Don 
l^offnungßoollen ©öfjnen fid) „fummerl^aft unb ängftlid^" 
l^örcn liefen, „bafe fie nun beinal^e nid)t mel)r wiffen, wie 
fte i^ren Äinbem fernerl^in ben i^nen ju i{(rer fünftigen Se* 
ffimmung fo nötigen weitern Unterrid)t in @prad)en unb 
3Biffenfd)aften" angebeilien laffen fönnten. ©iefer erftredfte 
ftd) auf beutfd)e, frangöjtfd)e, auc^ italienifd^e (Sprad)e, 
SRed^nen, a3ud){(altung unb ^Religion mit täglid) öier ©tun* 
ben, jwei freie 5Rad)mittage ausgenommen, „©afür bejal^lt 
ein Änabe einen I)alben SZeutl^aler 9JlonatSlol^n , ebenfoöiel 
®utiaf)rs unb 9lamenStags®efd)enf, nid)t mef)r unb nid)t 
weniger.'' 

^1^ trat bie bcftimmte ©igenart in Äeßerö SEßefen l^eröor. 
®aS war fein Änabe wie anbere. 9lid^tS 5lfid)tige5 unb 



') «Raljmflaben. 



26 5)ad fpicicnbc ÄtnD. 



nichts @cmarf)tcS. SluS lauter @d)am ober griUcnl^aftem 
gigenpnn, jtrf) weid) gu jeigcn, bilbete jtd^ je^t fcfton ber 
3ug beS Strengen, gerben, SBerfd^Ioffenen , SBortf argen, 
Srofeigen auS, ber fpäter hx^ jur 3flüdfftcl^tSlofigfeit ging. 
3ugleid) überliefe fic^ ber Sungc bem ^ange, oor allem 
mit pc^ felbft inö SReine ju fommen. ©ie 5Ratur offen* 
barte il^m if)re ©el^eimniffe tiefer alö anberen. ©er gcfunbe 
SBeltfinn, bic 2uft, im DoHeu Seben mitgutf)un, ging bar= 
fiber nicf)t oerloren. 

6benfo frül^geitig äußerten ftd) finblid)e Steigungen gur 
Äunft. @ie erfd^ien bem f)alben Äinbe — mie er f eiber 
fagt — ate baS ©untere unb Suftigere. 3[ud) feiner 
äußeren @rfd)einung gab ber fleine SBurfc^e gern einen 
pl^antaftifd^cn 8lufpu^: auf bem fpi^en Äopfe fafe oerwegen 
ein SBarett; ba§ grüne SRödflein mit übergef erlogenem, unge- 
wöl^nlid) breiten ^embenfragen , ein buntes, um bm $ate 
gefc^lungcneS Zu6) Derlief)en il^m etwa« SluffaHenbeS, Sal^r- 
marftburfc^enliafteö. @r fing bamit an, ben SJlaler mit bem 
©d^aufpieler unb ©ic^ter gu oereinigen. 3Benige oertraute 
^reunbe Hefe er Slnteil an feinen fünften nel^men. SBaö 
an ?Rfimberger Äinberfarben aufgutreiben war, benufetc er 
gur ^lad^bilbung oon OTorgen* unb 8lbenbrot unb anbem 
„gefprenfelten" ^immelöerfd^einungen. @§ pnb nod) ein 
paar a3lättd)en auS einem Don it)m oerfertigten Silber* 
bud)e ba. 6in bcfonberS fomifd)eö bilbet ben ©c^nepfenfönig 
ab: eine auf langen, mit ^umpl^ofen befleibeten Seinen an 
einer Äeule bal^in ftelgenbe Schnepfe, ein Ärönlein auf bem 
Äopfe, 5Baterm6rber, einen gelben Sracf unb roten 3Rantd 
tragenb. Stuf ber SRürffeite ftel^en bie (felbftgcmad^ten?) 
Sßerfe: „2öa§ fcbimmert bort mit .^öHenglang? 5lBa§ blcnbet 



SDaÖ fpicicnbe Äinb. 27 



meine klugen? SEßaS rafct bort in wilbem Janj bcn 
gelben Sobcöreigen? ^ord^! toeld) ©etöfe l^örct man? ®er 
@d)nepfcnfoni9 noil^t l^cran." Slnbeve a3ilbd)en jelgcn bie 
9Rörber beö 9Rcinrab, öon SRaben öerfolgt, jwci Dor einer 
©artenlaube fpagierenbe tJräulein, auf bie ein ^errc^en gu« 
fc^reitet u. f. w. 

@in offenbar felbft jufammengefleifterteö grflneö 9?otij^ 
büd^Iein in gleichem fjutteral, überf (^rieben : „SReine Saunen" 
1833 entl^ält aKerlei fpafel^afteS Beug, SSerfe wie: „3n ber 
^6ilad)t bei aufterli^ ba gab eö faure SRübenfdini^'', polQ* 
glottifc^e Übungen, ober bie furje Sefd)reibung einer in bie 
Umgebung t»on Sönd^ unternommenen ©treiferei. 

©ie fd^öne ©tabt war bamal^ nod) mit SRlngmauem, 
©c^anjen unb Sürmen umgeben. 5Rod) ftanben bie male:* 
rifc^en S^ore unb fogen. 5ßorten. ©eit 1833 arbeitete 
man an il^rer Slbtragung. ©ie eigentlid)e ©tabt gäl)lte 
bamal§ nodö ni^t öiel über 10000 ©inwol^ner. ©eit 1835 
beful^r bag erfte ©ampfboot ben ©ee. Qti)n Saläre fpäter 
würbe ber Sau ber erften @ifenbal)n oon Sund) nac^ SBaben 
befd^Ioffen. 

SIeifeig trieb ftd^ baö junge 5BoIf auf ben weitläufigen 
Saftionen, gur ©ommerögeit am ©ee, an ber ©i{)I unb auf 
ber SEßoHiS^ofer 8llmenbe l^erum, wo einmal im ^ai^xt bie 
Ferren ifoüegianten il^r 5Rorferfd)ie6en feierten unb mit 
SBomben' unb langen Jonpfeifen l^antierten. Dber man 
wanberte auf ben ^faben beS §errn ^aqueö auö ben 
ffSfiric^er 5RoöeIlen" an ben grünen Slbliängen ber 9J?anegg 
unb beö ÜtlibergeS. 

©aS größte Sßergnfigen gewährte jebod) aßegeit baö 
il^eaterwefen in i?orm öon ^uppenfpielen, wobei fogleid^ 



28 Ätnbert^catcr. 



bcr Jricb jum eigenen $eröorbringen \oxoüif\ bcr Sejrte ate 
aud) ber ®eforationen erwachte. ®a if)n in ber ©c^ulc 
namentlid) al(e§ @prad)lid^:^Sittcrarifd)C angog, pflegte @ott* 
trieb Äeller aufeer^alb berfelben bic bort angefertigten fd)rift* 
Ii(^en Sluffä^e gu bramatiperen. 

„2Baö bie ©d^reiberei betrifft — fagt er in jener auto- 
biogrcipl^ifd)en Sfijje — , fo trat id), xoo fte nötig ober ic^ 
burd) irgenb einen Umftanb gereijt würbe, ol^ne Sefinnen 
jeben Slugenblidf ein, al§ ob ftd^ baö öon felbft Derftünbe, 
unb lieferte bei iebem Slnlafe ben öerlangten ©tiefel. 3[te 
id^ im breijel^nten Sal^r mit 9?ad)baröföl^nd)en bie üblichen 
$uppenfpiele betrieb unb bie ©tfidfe ju fel^len begannen, 
erfanb unb fc^rieb id) oI)ne 3lnfto6 fofort eine Slnjal^l Keiner 
©ramen, gu benen id^ gleid^ bie ©cenerien l^erftellte. ©a§ 
größte SSergnügen gewäfirte ber ©c^melgofen für einen ,%x\' 
bolin ober ber @ang nad^ bem ©ifenl^ammer'. hinter 
bem fd)tt)arjen Dfenlod^ glül^te ein roteS geuermeer, ^eruor- 
gebrad)t burd) bemalteö @tro{)pa^)ier unb ein ba^lnter ftel^en- 
beö fiic^td^en. ©ort tourbe ber fflöfewid^t unnad)ftd)tHd) l^in- 
eingefd)oben. ©iefer ßffeft gefiel mir fo gut, ba^ nod) ie^t 
ein 3!Kanuffript(^en ba ift, U)eld)e§ eine eigentlid^e Jeufefö^ unb 
^öHenfornöbie entl)ält, beren ©eforation ganj auö feurigen 
SBänben mit einem bunflen §ß{)leneingange be[tel)en foHte, be- 
f leibet mit Totengerippen ic. ®a3 Titelblatt lautet: ,Ä leine 
©ramen. I. ©er ^eyenbunb. Slebenfpiel fiir fleinc 
Sl^eater.' 

„©ie brol)enbe grud)tbarfeit l^ielt jeboc^ nid)t lange 
oor; benn in bemfelben SBüd^lein pnbe id) nur nod^ ben 
Anfang eineö @d)aufpiel§ ,gernanbo unb Sertl^a ober 
©efd^miftertreue', in tüeld)em ein @d)ilbfnappe ^ugo 



Äinbcrt^eater. 29 



glcid) ins QtuQ ge^t, inbcm er auftritt unb ju einem an*= 
bern fagt: ,5Run wiKfornmen alfo nod) einmal, alter 3Baffen« 
brubcr!' unb eine längere SRebe Derftänbig alfo enbet: ,Unb 
nun lafe unS fro{(lid) jufammen ben DoIlen a3ed)er leeren, 
tüte wir öor fed)§ Saf)ren eS tl^aten*)!' Unb fdjliefelirf) er* 
fd^eint nod^ ein $lan gu einer Sragöbie ,6lini5ene'. 
®er $Ian befielet aber nur auS einem ^erfonenüerjeidiniö, 
worunter ein ,D§mann, Oberhaupt ber ®eiftlid)feit, SJlufti' 
unb eine ,6linjene, feine einjige Soc^ter*. 

ff&troa ein ^ai)x fpäter würbe id^ burd^ ein bramatifc^eö 
^Jroieft ,§erjog Sernl^arb oon SEßeimar' in ernftere 
Slufregung gebrad^t. S^ war üon einer öorjüglid^ gefd)rie* 
bcnen Siooeße, bie in irgenb einem Sllmanad^ ftanb, fo er* 
fd(üttert worben, ba% id) bem gelben mit einem red^t fd^önen 
Strauerfpiele glaubte beifpringen ju muffen, unb bie Sin* 
fertigung eines auöfülirlic^en ©cenariumö nad) SSorbilb ber 
©c^iKerfd^en 9?ad)la6werfe oerurfad^te mir, wie id^ mid) 
beutlid) erinnere, eine tragifd) mitfü{(lenbe unb gel^obene 
Stimmung, fjreilid^ liefe id) jur Slbwed)felung mir bei!om= 
men, unter meinen öierjelinjäl^rigen ©d^ulgenoffen mit allerlei 
poffenl^aften [Reimereien aufzutreten, waö mir leiber SBeifaH 
unb Slufmunterung einiger böfer 9?ad)barn am ©d^wangenbe 
ber Älaffe eintrug." 

®ie Slup^rungen fanben entweber bei btn ?ßad)barSs 

finbern SRorborf ober in bem l)od^gelegenen @tübd)en beS 

©ircftorS ©ottfrieb Äeller felbft, unter gjfitwirfung ber SBriiber 

. SRorborf, ftatt. ^intergriinbe, Äuliffen, Siflu^^cn, alleS würbe 



») W\t bem nirf)t minber öerftänblgen Sufafee: „wobei nur fo oor- 
läufig 5U bemerfen ift, ba^ mein ^err ®raf einen rec^t guten Tlaxh 
ßräfler im steiler fü^rt." 



30 ^nbcrt^^catcr. 



fclber gemalt. 9iod) bcwal^rt bic ^cwiilic SRorborf einen 
ftattlid)en SSorrat biefer ©eforationcn auf, fo jum „SBill^elm 
Seil", „Sreifc^üfe^r ®raf oon glanbern", „SWorbnac^t 
Don 3öric^", in benen ber burd) jerriffeneS ©cwölfe ^er* 
Dorftcd^enbe 3Konb atö SranSparent ftct§ baS ^aupteffeft* 
[tüdt bilbet. ffleliebt waren bie ^ejrenfcenen auS „3Racbet§* 
nac^ Schiller, ßbenfo liegen bic in ber autobiograpl^ifd^en 
©figje eriDäi^nten ÄeHerfd^en Jejrte, aUe öon feiner ^anb 
gefd^rieben, Dor. 

©aS ältefte biefer finblirf)en ©tfidfc ift „©er ^ejcen» 
bunb". Urbino, ber ©ol)n beS ©rafen Dttofar Don ^ol^en* 
bürg, ift in bie ^änbe eines teuflifc^en Qavbtrtx^ geraten. 
6ben foK er Don ben ^eyen gur ^öHe gefd)Iep|)t werben, 
ba ftürjt fein SSater mit offenem @d)werte ^erbei unb er* 
legt biefelben. ©atanS SReid^ ift gerftört, worauf biefer gum 
©d^Iuffe Hagenb fwgt: ,,©ie $öll' ift verloren, ®a« Un« 
glüdt geboren; Snm SSerberben erloren @inb ic^ unb mein 
^^eid)^ 

Sin ©teile ber el^lid^en @iferfud)t tritt in bem ftar! 
nad) ©^illerö Sallabe jugerid^teten „^ribolin" bic Unter* 
fd)lagung grofeer Summen unb bie SSerratung beS ©rafcn an 
ben Äaifer. SRobert unb ein Äammerbiener übernel^mcn e« 
gleid^jeitig, gribolin beim ^erm unb ber §errin angufc^wärgen. 
3m öierten Slft erwarten bie ©c^miebe am ©d^meljofen i^r 
Dpfer, wobei pd^ folgenber ©ialog entfpinnt: „Grfteröe- 
feil: §eut befommen wir einen ©raten in unfern Ofen. 
Sweitcr: Slber wir wollen bem Äerl juerft noc^ bieiJleiber 
burd^fud)en — — - unb wenn er etwa gute unb fd)öne 
Äleiber an l^at, nel^men wir bie aud^; er fann im ^embe 
feinen ßingug in bie ^öUe l^alten! ßrfter: 3a, ja natfir* 



^nbert^eater. 31 



HO)! ^d) l^abc fo ein paar §ofcn nötig." 9?ad)bem bic 
TOorbfncc^tc SRobcrt in bcn Dfen gcftofeen, fommt gribolin 
unb jprid^t: „$abt 3^r gctl^an nad) bcö $errn 2Bortcn? 
Äncd^te: ©ort fel^t ^x'^. 6r bratet fd)on nac^ ber ÜJtobc. 
®er ®raf wirb feine ©iencr loben." SRobert fängt plöfe* 
lid) im Dfen mit äd^jenber Stimme ju reben an: „Sa, ffri« 
bolin — id) Dcriäumbete — bic^ — x6) — aä) — oergib 
mir — gribolin!" ®ie ifnec^te: ,,©er Äerl ift ja nod) 
lebenbig!" Slfö er geftorben, begeben pd^ jene jum 
©c^maufe, nad^bem ber eine erft SRobertS fc^önen roten 
SKantel unb beffcn ifaftor^ut angezogen ^at. ©ie §anb* 
lung »irb fd^Iiefelid) um ben Quq bereid)ert, bafe ^^^ibolinö 
oerfd)oIlener SSater, ber @raf öon galfenftein, entfteHt bnrc^ 
ba^ i^eifec Älima unb breijäl^rige ©flaoerei in 5ßaläftina, 
gu feiner ®attin imb bem @o{(ne l^eimfel^rt, worauf baS 
©tfid in $inblicf auf ben geretteten gribolin toirffam mit 
ben SBorten enbet: „^oäj lebe bie Unfd)ulb unb Sugenb! 
Sllle: Sie leben l^oc^!" 

^nlid^e broßige QüQt erfd^einen aud) in bem brei- 
aftigen ®rama „®er Sob Stlbred^tö beö römifd)en 
Äaifcr§." ©iefer erl^ält auf bem Stein ju 33aben bie 
5Rac^rid)t öon ber Empörung ber brci Sänber Uri/ ©d^m^j 
unb Untenoalben. Seuor er mit $eereSmad^t gegen fic 
aufbrid(t, ma^nt il)n Sol^ann öon ©d^maben an ba^ 
xtyn Dorentf)altene öäterlid^e @rbe. „Sllbredjt: 33erul)igc 
bid) ein wenig! 3d^ werbe bir 100 fd)öne 5ßferbd^en 
fd^enfen. TOit biefen fannft bu bid^ l^erumtummeln nad^ 
^erjenSluft unb beine greube ftißen. SBaS aber beine 
Sänber betrifft, fo pnb fie bei mir gut aufgeI)oben. 3öl)ann 
(ungebulbig): 33ei mir, als bem red^tmäfeigen ßigentümcr 



32 Äinbcrt^cater. 



am bcftcn. aibrcc^t: S3ft ! S3ft! Sc^ bin bcr Äaifcr/ 
©er Änabc bc« armen SGBcibc^, auf bcjfcn ^oljbünbel 
SHbrcd^t nad)l^cr fttrbt, öcrnimmt beim Slnblidf bcd glänjem 
bcn SroffcS, bafe ber im ^urpunnantcl berÄaifcr fei. „®er 
Änabe: Slc^ pfui! ©em bin ic^ fd^on nid^t mel^r l^olb, er 
l^at uns ja aQeS n)eggenommen, fogar meine fd^önen Silber^ 
büd)er unb l^at fte ben Äinbem feiner ©olbaten gegeben. 
6§ ift fd^abe für bie fd)öuen Äleiber, bie er ^at." Um jic^ 
bei aibred^t, nad)bem biefer in baö ©d^iff ber SBerfd^ioorenen 
geftiegen, unDerbäd^tig gu ma(^en, tritt ©fd^enba^ öertrau^ 
lid^ ju il^m mit ben SGBorten: „SBir l^aben l^eute fel^r fd^one^ 
SGBetter'', worauf ber Äaifer entgegnet: „6« ift »al^r, bie 
Sonne fd^eint fd^ön ju meinem SBorl^aben, bie brei Sänbd^en 
für il^ren greöel gu beftrafen". ^aä) ber ©rmorbung 
Sllbrec^t« ruft ber Änabe au«: „aSie bauert mid^ bodf) ber 
arme ^err ba! SBeib: ®a§ ift brat), mein Äinb. 9Jlan 
mufe feinem §einbe feinen ©roH na^tragen, am wenigpen, 
wenn er gefallen ift." $ring Seopolb unb bie 3Rutter 
treten auf unb fmfen an ber föniglid^en Seid^e nieber. ©ann 
mac^t ber jugenblid^e ©ramatifer ein fül^neö Slnlei^en bei 
@cf)iller: er läfet bie barml^ergigen Srüber lommen unb 
einen 9Jiönc^ feierlid) bie 33erfe fpred^en: „SRafd^ tritt ber 
Job ben ?iJ?enfct)en an." 33ei ber Krönung be§ 8uyem- 
bürgert erfd^eint unter ©onner unb Sli^ ber ©eift 3llbred^t« 
unb ruft, nad^ bem aSorbilbe oon $amlet§ SSater, breimal 
feinen ^interlaffenen gu: „9fiäd)et mid^!" ©attin unb 
3:od)ter fd)n)ören SRac^e, worauf ber neue $errfd)er begütigenb 
fprid^t: „©od) nun menben wir un«, eble gürften unb 
Siitter, Dom Ärönungöfaale gum Spei jef aale, um un§ beim 
frol^en SSSlaijk unb beim perlenben SR^einweine gu erfreuen, 



St^catcr in 3ürid^. 33 



unb aud) 3^r, öcrc^rtcftc grau ßlifabct^ unb S^r, ^ol^c 
Slgncö, fcib frcunbUd^ cingclabcn. SlUc: 6ö lebe ^cin« 

©ottfricb ÄcHcr l^iclt übrigens fpätcr nod^ Äönig aibrcd)t« 
Sob fflr einen großen, faft antilcn Stoff. ^nuQt frö^lid^e, 
unter einanber in greunbfd^aft öerbunbene SKänner ermorben 
il^ren Äaifer unb fofort tritt ba^ SBerl^ängniS ein unb leiner 
l^at ben anbem je wieber gefeiten. ®cn crftcn rid^ttgen 
S^catcrjettcl erblidtc Äellcr an ber „ ©d^micbftube " ange- 
fd)Iagen: „©ic ©d^ublarrenpromcnabc ober ba§ war id)"; 
bie SJupi^rung fanb burd^ eine SBanbertruppe in Dberftrafe 
ftatt. Äurj barauf genofe er baS ©lüdf, ben „Sreifd^ü^" 
öon ber neuen Sül^ne beS ©tabttl^eaterö l^erunter ju pren. 
SBenn er fpäter öon btefer 93or[teIlung fprad^, unterliefe er 
eö nid)t, eine ber Strien gu pngen, ben 3S8^i^ci^<>'^ ^^^ ^ic 
^ornbldfer in feiner flberwältigenb lomifc^en SBeife nad^ju^ 
a^men. 

Sin Anregung wal^rl^aft Ifinftlerifc^er 8frt gebrad) e« 
feiner 3u9^"b nid^t. Um biefelbe 3^it war in Qüxxä) bie 
erfte ftel^enbeSü^ne eingerid^tet worben^. 6ine ariftolra« 
tifd^e ©efeÜfd^aft üon Siebl^abern erwarb 1833 bie eJ^emalige 
SBarfüfeerfird^e ju biefem ßwedfe, trofe bent 3Bel^erufe, ben baS 
Dberl^aupt ber reformierten ©eiftlidöleit erl^ob. Slm 10. 9?o- 
oember 1834 würbe baS neue, wenige 6d^ritte oon ©ott^^ 
frieb ÄeHerö ©Itern^auö entfernte Sl^eater, weld^eS nun feit 
oier Salären in ©d)utt unb Slfd^e liegt, oon einer gefd^ulten 
Struppe bejogen unb mit 3JtojartS „ß^uberflöte" eröffnet. 



S^Ql. SRcinl^oIb 3fHic00, S3Iätter aur geicr bc« fünfaigiöl^rigcn 
SubiWuntS bcS Sürc^cr ©tabtt^caterS (Süric^ 1884). 

©ottftieb Stttier. 3 



34 ^eater in Sürtc^. 



®aö ©d^aufpicl bc« crftcn SGBintcrö brad)tc ©d)illcrd ©ramcn, 
©octl^cS „(SQmont\ gcjjtngö „emilia", Älcift« „Äätl^dicn 
üon ^cilbronn", 6albcron§ ^8cbcn ein itraum", fonft aber 
bic ©tüdfe ber fjrau öon SGBeifeent^urn , bicjenfgen üon 
5. SB. Siegler, Sabo, ^oltei, SRaupadö, Äo^ebuc, Slcfiro?, 
6arl u. f. tt). ©a§ ^auptcreignis biefer crften ©aifon mar 
bie®arftcnung be§ üaterlänbifd)en®rama§ „^anSSSalbmann" 
üon bcm öoriibcrgc^cnb in Qixxiä) wcilenben SRomanbid^ter 
Äarl ©pinbicr. ®aö SRcpertoirc be§ näc^ften gal^reS »ieS 
^ifönig Sear", „^amlet", ^SBaHenftein", „5auft^ ,,©onna 
®iana" u. f. tt). auf; ber SSBinter 1836 fal^ ©rillparjerS 
„©appl^ü", SBauemfcIbS „gKuftluö Don SlugSburg", fRau 
munb« „Sllpcnlöntg" u. f. xo. 33on 1837—43 übernahm bc^ 
lanntlid^ grau Dr. ©I^arlottc Sird^* Pfeiffer bic ©ireftton ber 
Sürid)er Sü^ne unb 1854 geigte fi^ fogar 9fiid&arb SCBagner 
auf eine S^t gelaunt, an bie ©pt^e berfelben gu treten, 
nad^bem unter feiner Seitung ber „^ollänber" unb ber 
„Sannl^äufer" aufgeführt worben waren. 

@ö bot pd^ tt)ol^l mitunter ©elegen^eit, ©arfteHer 
Don großem SRuf gu fe^en: im grül^Ung 1835 trat 
6felair in elf SRoHen in 3örid) auf; ba« Sal^r bamad^ er* 
regte ©e^belmann al« ©l^qlol, grang 9Roor, S^atl^an unb 
OTepl^ifto grofee Sewunberung ; 1836 erfd^ien ber genialifd^e 
aSil^elm Äunft gum erften 9)iale. ß^arlotte Sird) = Pfeiffer 
bebütirte im folgenben ^l^jal^r als „ßab^ 5!Jlacbetl^", „©ri* 
felbiS", „©appl)o" unb „Äat^arina IL"; i^r folgten 60m 
ftanje ®al^n unb bie auSgegeid)nete ©ängerin SBial. S)er 
6nt]^ujta§mu§ für bie le^tere fe^te aud^ ©ottfrieb ÄellerS 
geber in Setoegung. 3m ©ommer 1839 birigiertc Äon* 
rabin Äreu^er perfönlid^ baö „Slad^tlager", in tt)eldt)ent feine 



3nbuftrtef(^ulc. 35 



Sod^tcr atö „©abriclc" ba^ ^ublifum cntjfidftc, unb in bcn 
nämlid)cn Sagen, ba bic Berufung öon Dr. ©traufe gu 
einer blutigen Äataftropl^c in ßflnc^ ffl^rtc, trat l^icr feine 
nacf)maligc ©attin, SgneS ©d^ebeft, al« „gibelio" unb 
„Sulia" auf. 

©ne ergöpd^Ieit anberer art brachte bic cibgenöfpfd)e 
Sagfa^ung in Sflnd^, ju ber bie Slbgeorbneten ber Sian^ 
tone als Sunbeööerfammlung aUfommerlid) jufammentraten, 
namentlid^ ber feierlid)e S«8 jum ©rofemünfter am ©r» 
öffnungi^tage. ©urd^ bie aufgefteHten 3JtiIitarfpaIiere fd^ritten 
ber ©rofeweibel mit ber fc^tt)eijerifd)en Saline, bie Sag» 
fafeungSl^erren im fdiwarjen ^xad, ben ©egen an ber ©eite, 
öon ben Äantonöweibeln in ©lanbeöfarbe unb ©reimaftem 
begleitet. ®ie ©efanbten ber fremben 3Jtad^te ful^ren in 
SBagen nad^. ©nmal bei einer aufeerorbentlid^en SGBinter* 
tagfa^ung begab e« ftc^, ba^ bie jungen ^olitifer öom 
SRinbermarfte, ifeHer unb bie Srüber SRorborf unter i^nen, 
bie bafellanbfd^aftlic^en Sagf a^ungSl^erren , bie gerabe il^r 
SKifefaHen erregt l^atten, mit @d)neeballen bewarfen. 

Su Dftem 1833 würbe ©ottfrieb ÄeHer ber neu eröff» 

neten fantonalen Snbuftriefdöule übergeben, einer SilbungS» 

anftalt für fold^e Sönglinge, bie fic^ tei^nifd^en SBerufSarten, 

bem ©ewerbe* unb ^anbwerlerftanbe ju wibmen beabfid^tigten. 

®ie untere Abteilung mit brei Älaffen, in beren erfte ÄeHer 

eintrat, gäl^lte bei ber ©röffnung ber ©d^ule, bie im e^e« 

maligen 6l^orl)errengebdube jum ©rofemünfter untergebrad^t 

mar, 95 ©d^üler. Sllle^, Jon unb Umgebung, crfc^ien il^m 

l^ier neu unb ungemol^nt. @r fam fid^ im Slnfang unter 

ben ©öl^nen au8 bem felbftbewufeten SBürgerftanb ober gar 

unter ben feinen ^errenfinbem unftd^er oor. 2ln ber 3n- 

3* 



36 Snbuftriefd^ulc. 



buftricfc^ulc wirftc bamals als gcl^rcr bcr (Sl^cmic bcr be- 
rühmte Söwig (gcft. 1890 in Srei^Iau), bcr lange Äctter« 
(Bonner blieb; fobann gerbinanb ÄeHer, ber nid)t minber 
belannte Sünd^cr Antiquar unb ^fal^lbautenentbcdcr, wcld^er 
ben üon ©ottfrieb gwar nid)t befud^ten ©nglifc^untcrrit^t 
erteilte, ©er icfet nod^ lebcnbe Dr. SuliuS Sfröbel, furj 
guDor mit @ntpfel^lnngen Slle^anberS Don ^umbolbt nad^ 
Sürid^ gefommen, war Seigrer ber ©eograpl^ie unb ©ef^id^te. 
®a8 öon i^m biftierte ^eft öon ben Ägyptern bis auf 
Slleyanber bm ©rofeen ^at ©ottfrieb ÄeHer mit feinen übrigen 
©d^ull^eften ber Slufbewal^rung wert erad^tet. SIm meiften 
feffelten il^n bie 6prad)en. Äarl SBill^elm ^arbmeger (geft. 
1857) gab Unterrid^t im ©eutfd^en, liefe inbeS meiftenS 
©efd^äftSauffäfee anfertigen; ^erfule« ©aöerio (geft. 1849) 
leierte 3talienifd^, 3o^ann @ct)ult^e6, verbi divini minister 
(geft. 1871), öon beffen Unterrid^t fid^ ÄeHer befonberS an* 
gejogen füllte, ^rranjöfifd^. ®aö ^eft beö ©eoffroi Äeller 
enthält größtenteils Überfe^ungen ^ijtorifd^ « biogra^)]^tfd^en 
3nl^allS aus ^enelon, SBoltaire, ©egur, ®aru, ©uigot, 6iS* 
monbi unb SKignet. Sei ^erm ©d^ult^efe befei)äft{gte er 
jid^ eifrig bamit, btn ©on Qui;rote, ber fd^neU fein erflärteS 
SieblingSbud^ würbe, ftüdfweife auS bem Sranjöftfetjen beS 
glorian ins ©eutfd^e ju übertragen. S)ie Slrbeit, bie i^m 
wie bem Seigrer S^eube mad^te, würbe gewaltfam unter« 
brod^en. 3nt „©rünen ^einrid^" ftßfet man auf beinahe 
fämtlid^e bamaligen Seigrer beS ©id^terS. ©er ftiHe, eble 
TOann, ber ganj furje ßeit bis ju feiner ©rfranfung $flan* 
jenfunbe bojierte, ift ber 1833 üerftorbene Dr. SRubolf 
©c^ult^efe, unb ber geiftlid^e ^err, weld^er il^n erfefete 
unb bie @d)üler gleid) mit ßoologie, öielme^r mit einem 



3nbuftricf(^ulc. 37 



„^ccrc wilbcr Scfticn übcrpcl", bcr Sculpricftcr am ©rofe* 
münftcr: ^rorcftor S^l^ann Subwig SÄcgcr (gcft. 1852). 
S)ic ©teile beS ©cfanglel^rerS öerfal^ ber ©d^wabe 6öpen= 
müller. ©ottfrieb ÄeHer trat in baS Äabettenlorp« ber 
Schule ein unb jwar — alö Sambour. 6ine föplid^e $robc 
feiner SBirtuojttät auf ber umgel^angten itrommel l^at er cinft 
ju 3lnfang ber ad&tjiger Saläre an einer ©ed^feläutenfeier 
beim Slbenbtmnfe ber Äonftaffler jum beften gegeben. 6r 
fang bagu ba^ Sieb : „id^ weife nid^t, waö foH eö bebeuten" 
unb fd^Iug immer brö^nenbere SGBirbel, bis er plü^Iid^ fein 
Snprument argerlid^ ju Soben warf. 

S)ie Scugniffe am 6nbe beS erften ©d^uljal^rS lauten 
ganj gfinftig : nur erfte unb jtoeite 9?oten. SJUerbing« wirb 
il^m nebft anbern „angepnnet". pd& eineö befd^etbenern %om& 
gegen bie Seigrer gu be^eifeen. ©iefer le^te Plural ift wol^l 
auf bie 6injal^l ju rebugieren unb bürfte lebiglid^ ben ge«» 
nannten ^roreftor SÄe^er betreffen, ber ifeller befonberS auf^ 
fäfeig war. 6r ^atte i^n einft nad^ ber ^au^)lftabt gtalienS 
gefragt. ®n übermütiger 3Jtitfd^üler pfterte bem mit ber 
Antwort QoQtxnb^n: „Camera obscura" ein. ©ottfrieb 
platte gang l^armloS mit biefem 92amen l^erauS unb galt 
feitbem in ben Slugen jeneö Sel^rerö für einen Derftodten 
©ünber, mit bem ber lürjefte ^ßrogefe ju mad^en fei. 

©er Slnlafe foHte pdö balb pnben. Sftad^ ben ber 
folgenben ©arfteKung gu ©runbe liegenben Slften ber 8luf* 
fid^tSfommiffion ^errfd^ten feit Anfang beS Sal^reS 1834 
jwifc^en bem SRed^nungSlel^rer unb ben ©d^ülem ber jweiten 
Älaffe ber unteren 3nbuftriefd)ule (ÄeHer befanb jtd^ nod^ in 
ber erften Älaffe) arge SKifel^enigfeiten. ©er im „©rünen 
^cinrid^'' ol^ne Sö^^if^ fpred)enb äl^nlid) befd^riebene Seigrer 



38 Ungefd^idte ^rer, fd^Itmme ^d^üler. 

war Sol^ann ^einrld) ©glt üon Äüfenad^ (geft. 1849), suglcid^ 
jwcttcr ©cfrctär bcö ©rgic^ungi^ratc« , ein guter el^rlid^cr 
3Jtann, aber für bie ©d^ule ungefd^idt. ©ne ßufdirift, »eld^c 
üon jwolf 93ätem ber Se^örbe eingereid)t würbe, befc^wert 
pd^ über ©unlel^eit beö Don il^m gegebenen Unterri^fö, 
über ^arteilic^Ieit in ©rteilung unb 6rlaffung öon ©traf- 
noten, rollen 2on unb tptlid^e SÄifel^anblungen. Jluf fort^ 
gefegte Älagen beS Se^rerS fal^ pc^ anbrerfeitS ber Äonöent 
wfeber^olt genötigt, mit ©trafen gegen eingelne ©d^üler einju* 
fd^reiten, öermel^rte febodö nur ben @eift ber Unbänbigleit 
unb SGBiberfepd^feit. 81m 28. gebruar teilte 6gli ber Sluf« 
ftc^tjSlommijfton mit, bafe aud^ bie erfte Älaffe rebeHifc^ 
werbe unb er öollenbs in ber britten ben Unterrid^t ganj 
l^abe einfteHen muffen. Qn 6nbe 9Kai befd^lofe ber ©rjie^ung^ 
rat, an ben bie Slngelegenl^eit gelangte, eö fei wünfd^enSwert, 
^erm 6gli fo fd^neU alö möglich feiner gunftion als 2e^rcr 
gu entl^eben. S)rei öon fed^S ©tunben würben i^m fofort 
abgenommen, ©ie ©i^ung ber Slufjtc^töfommifjton üom 
30. Sunt — ^räjtbent berfelben war ber faiferl. rufftfd^c 
^ofrat^ 3. 6. ^omcr — würbe mit ber SIngeige eröffnet, 
bafe neuerbingS bcbeutenbe Unruhen in ben ©tunben b^ 
^errn 6gli oorgefommen feien, „^roreftor ^Ke^er berid^tet 
befonberS über ben SBorfaH ber ftümtifc^en Abholung ber 
SRed^nungSl^efte im ^auje jenes Sel^rerS. ^err TOe^er 
äufecrt bie Slnpd^t, eS möchte ber ©ottfrieb Äeller 8[n* 
ftifter biefer ©efc^id^te fein, ber o^nel^in auf feine 9Äitfd)üIer 
mäd^tigen ßinflufe äußere unb über pe ^eroorrage.'' Slufeer* 
bem feien 23 @ct)üler, 3 auö ber jweiten, 20 auS ber britten 
Älaffe, babei „impligicrt". ßs werben jwei Sriefe 6glid 
über biefeS fatale ©reignis oerlefen. 9ladö langer Se* 



Sftelegattün. 39 



Tatung erfolgt bcr Scfd^lufe, eine fd^lcunigc Untcrfud^ung 
über biefen SBorfaH, befonberd über bfe @d)ulbtg[ten, ju 
öeranftalten, ju welchem @nbe eine Äommifjton, beftel^cnb 
au§ bcn Ferren ^räftbenten ^ofrat $omer, ^rorcftor 
SJlc^er uitb 3o^ann ©c^ultl^cfe cmjäl^lt wirb. SBon bcr 
©iöpenfation bc8 ^erm @gH üon feinen ©tunben wirb 
9^otij genommen. 6i^ung Dom 9. 3uli 1834: „©er Serid)t 
ber öerorbneten Äommifpon gur Unterfud)ung ber ©c^ulbigen 
bei bem Unfug im ^aufe be« ^errn 6gli wirb öeriejen 
uub baraufl^in nad) geppogener ^Beratung auf ben motivierten 
Slntrag beö ^errn ^roreftor OTe^er, weld^er (!) alö ^Beilage 
gum ^rotololl aufbewal^rt werben foH (biefelbe ift l^eute 
öerf c^wunben) , befd^Ioffen: ©ottfrieb ÄeHer ift auö ber 
©c^ule gewiefen unb biefeS feiner SKutter öon ©eite ber 
Slufftd^tSfommijjton angugeigen." S^ünf anbere, mit 5?amen 
genannte ©d^üler werben öor bie Äommifpon geftellt unb 
erhalten einen ©trid): „unjtttUd^". ©iefer le^tere foH aud) 
ben übrigen Änabcn erteilt werben. 

©ottfrieb Äeller ergäl^lte fpäter oft unmutig, er fei bei 
jenem Keinen ©d^nlertumult eben im Segriff gewefen, l^eim« 
juge^en, ba l^ätten i^n bie Äameraben mit [xö) geriffen. 
®a es @d)üler ber britten Älaf[e waren, wäl^renb er in einer 
nieberem fafe, mufete er jtd) nid^t wenig gefd^meid^elt füllen. 
@r fd)lug S3ilbung eines georbneten SnQt^ unb Slbftngung 
eines SBaterlanbSliebeS öor, als man oor baS ^auS beS 
unbeliebten, oerabfc^iebeten Sel^rerS marfd)ierte. SllS angeb* 
Iid)er SRäbelSfül^rer ber lärmenben Unbotmäfeigfeit mufete er 
gang allein büfeen, wäl^renb man bie fd)ulbigeren Ferren* 
fö^nd^en fd^onte. ®aS bittere ©efül^I ber ungered)ten Siele* 
gation l^at er nie gang oerwunben. ®ie gewaltfame 3lb* 



40 [Relegation. 



Icnfung öon bcr Sa^n ppcgtc er alö crftc Urfad^e feines 
„DerJ^unjten" SBilbungSganged gu begeid^nen, mobei er meib^ 
lid^ gegen eine @rjiel^ungiSan[taIt lodjog, bie {id^ burd^ 
SBegfd^idung eine« ©d&ülerS — fofem berfelbc niei)t gänglicft 
unbraud^bar fei — petS felbft baS erfte Slrmutögeugni« 
auSfteQe. @eitbem mar er üöllig auf ©elbftbilbung ange^^ 
wiefen, bie er öon nun an mit einem l^eiligen ©rnfte betrieb, 
nid^t ol^ne öfter „fd^merglid^ burd^ bie öerfd^loffenen ©ittcr 
in bcn rcid^en ©arten bcr reiferen Sugenbbilbung" ju fe^cn 
unb ben 33erluft boppelt gu entppnben. 

3n jenen Sulitagcn 1834 fanb eben ein eibgenof|tfdf)ft5 
6]^r* unb greifd^icfeen in QMä) ftatt. Sin Daterlänbifd^en 
geften bel^ielt Äeller — wie baö gange republifanifd^e ®e* 
fd)Ied^t, beffen Sufl^nb in bie breifeiger Saläre gefallen iji 
— bis in fein Sllter grofeeS ©cfaHen unb eifrigen Anteil 
unb l^at fo manct)eö mit einem fräftigen Siebe gefd&mücft 
ober ergäl)Ienb Derl^crriic^t, wie im „gäl^nlein ber ftebcn 
Slufred^ten". ©raupen auf bem geftpla^ in ber „Slegerten" 
fud&te ber relegierte ©d^üler mit ber i^m angetl^anen Unbill, 
fo gut es bem ^aben möglid^ war, untergutaud^en in 
ba& ftürmifd) erregte Sab öateriänbifd^er Segeifterung, bie 
bamalS bei Slnlafe beS @at)oqergugeS einen leibenfd)aftlic^en 
6^arafter trug alö ©emonftration auf einen Siotenl^agel 
ber auswärtigen Diplomatie gegen bie Schweig. ®er 
5Eon ber Siebe, womit baS eibgenöfjtfd)e Sanner in 
©ntpfang genommen würbe: nod^ je^t fei eS ©itte beS 
©d^weigerf d^ü^en , gwei Pfeile in feinem Äöd^er gu führen, 
einen, um feine Äunft gu geigen unb einen anbem gegen 
frcmbc Slnmafeung für bie Unabl^ängigfeit unb greil^eit beS 
33atcrlanbeS, bicfer Jon bel^errfd^te ba^ fjeft unb mod)te in 



%lviä)i 3ur aWuttcr SRatur. 41 

bcr tro^tg bewegten SBnift beS Änaben fräftigen SEBiber^aH 
finbcn. 

©d^on feit einiger S^it '^ßtte ©ottfrieb ÄeHcrö längft 
gel^egte, burd) bie jäl^rli^en ÄunftauSfteKungen in ßörid^ 
genarrte Steigung jur 9JlaIerei beftimmtere ©eftalt ange» 
nommen. 3^ biejen Sagen nun fafete er ben feften ©ntfd^Iufe, 
ganbfd^aftSmaler ju werben. ®ie il^m fo vertraute Statur 
barguftellen, eine Sanbfd^aft, einen SGBalb, einen Saum, einen 
getö, eine QucHe auf ba^ Rapier ju bringen, baö fd)ienen 
i^m bie würbigften ©egenftänbe für ben Äünftler ju fein. 
Um biefer urfprünglid^en Statur naiver ju lommen unb ftd^ 
Aber eine fd)wierige Sage ^inwegjul^elfen, fd^uttelte ba§ auS« 
gejagte ©d^ülerletn ben ©taub ber 6tabt Don feinen ©ol^Ien 
unb jog mit feinen SJlalgerätfci^aften unb l^inlänglid^ mit 
Rapier öerfel^en l^inauS nad^ ©lattfelben, ba§ feit einigen 
Sauren baö geliebte Qkl beS gerienfinbeS war. 

Sm 9lad)la6e bepnbet fid) ein Sluffafe auö ber Sfeber 
beg breiscl^niä^rigen Änaben, „Sommerferien 1832" betitelt, 
ber öerJ^eifeungöDoH einige Umriffe beö ÄapiteU ^^lud^t jur 
SJlutter Statur au§ bem „(Srünen ^einrid^" al^nen läfet. 
„®a8 ^eimatöborf — l^eifet eö l^ier — lag in einem 

äufeerften SBinfel beö Sänbd^enS , in einem grünen 

SBiefent^ale, weld^eö öon ben Krümmungen eineö leud^tenben 
fleinen %\n\]Q^ burd^gogen unb öon belaubten Sergen um»^ 
geben war." $eute fäl)rt man auf ber 6ifenbal^n in einer 
©tunbe Don Qüxiä) nad^ ©lattfelben, weld)e§ in bcr 
norbweftlid^en 6dfe beg ifanton^, etwa eine l^albe ©tunbe 
Dom SR^ein entfernt an ber nun eingebämmten @latt in 
bie fd^male, gegen ben ©trom l^in ftd^ öffnenbe S^almulbe 
gebettet liegt, ©er weifee Kirchturm fd^immert tl)alauf 



42 ©lattfelben. 



unb =ab. S)ic ÄcHcr öon ©lattfclbcn waren wo^l urfprüng^ 
lid^ Scamtc, tt)cld)c bcm Sifd^ofc öon Äonftanj, bcr 1421 
baS ffiorf gut felbftänbigcn Äirc^gcmcinbc crl^ob unb bi« 
gum S^l^rc 1805 ben Sci^^t^" wnb i^ic ÄoHatur befafe, bic 
©cfällc cinjUjicl^en Ratten. 

©lattfclbcn war im fed^öjclinten 3ol)rl^unbcrt unb fpätcr 
no^ eine ber einträglid^ftcn Pfarreien beö ÄantouiJ*)- ^^^ W 
1599 ber wadere 3örid)er gefifograpl^ Sofua SRaler fein 
geben befc^loffen. 3« i^cni fd^muellofen Äird^lein bepnbet ji(^ 
bie ©ebenftafel eines 3""'^^^ % ^- ^^^ ©feiger, mar^chal 
de camp in franjöfifd^en ©ienften, 1781 bei feinem Setter, 
bem 3unler Pfarrer, geftorben. Sorl^er, um bie 3Kitte beö 
3al^rl^unbert«, war ber Sörid^er 3wnler SJietl^elm öon SJlcife 
©eiftlid^er bafelbft gcmefcn. 3" Slnfang biefeS 3ö^r]^unbert5 
l^at ber fd^wäbifd^e 9KujtIer Äonrabin Äreufeer, ber Äompo* 
nift beS „9?ad)tlager§ öon ©ranaba", längere 3^tt ^^^ St- 
iebt unb nad^ neunjährigem SräutigamSftanbe 1812 eine 
^Bürgerin üon ©lattfelben, 3lnna ^uitt auö ber „©erwe", 
alö erfte ©attin l^eimgcffil^rt. 

®ie Umgebung beS ©orfe« ift anmutig unb im „©runen 
^einrid^" getreu bef daneben. @o finbet man am jenfeitigen 
Slb^ange beö SaubbergeS gegen ben 9fi^ein l^in ^eute nod^ in 
ber SfelSwanb jene ^eibenftuben , wo ber ©age nad) bie 
legten Reiben ber ©egenb i^r Seben frifteten. ^od^gewitter 
üerurfacl)ten früher wieberl^olt großen ©d^aben, bid bie 
©inbämmung ber ©latt üorgenommen würbe. 3lm fc^onflen 
nehmen pd^ bie Ufer beö SRI^einö auS öon ber ©inmfinbung 



SSgl. Slmolb Sfläf, ©cfd^td^te bcr ^rd^gemcinbe Olattfelbcn 
(©ülad^ 1863). 



©lattfelben unb bie See. 43 

ber @Iatt hinauf gegen Sgltdau unb l^inunter gegen 
Äaifcrpu^I, fowie bie unterl)alb biefeö @täbtct)enö gelegenen 
aus ©ottfrieb ÄeHer« „^ablaub" befannter geworbenen 
@d^Io6d)en SBeife« unb @d)tt)ar3=3GBaf[erftel3. ©aö leitete, 
auf einem 3nfelfelfcn be§ aHl^einS gelegen, ift feit 1875 ab- 
gcbrod^en. SBeife^SBafferftelj jeboci^, baö 1363 in ben Sefift 
bc§ Sifd^ofS ^einrid^ öon Äonftanj gefommcn war, ftel)t 
noei). ®ie ©lattfelber waren üorbem berühmte Sij^cffer 
unb üerjd)mä]^en bis gur @tunbe i^ren auf ben umliegenben 
^ö^en gebei^enben bcrben SGBein nic^t. 6ine ^auptluftbar» 
feit war frül^cr ber fog. 9^afenfang bei SR^einöfcIben, wo 
bie SRafcn, weld^e in bid)ten ©d^aren ben SR^ein l^erauf* 
gefc{)Wommen lamen unb in bie @Iatt einlenlen wollten, gu 
taufcnben in ^öljemen (Befäfeen aufgefd^öpft werben fonnten. 
^eute nod) ift in biefem ®orfe ber ®efd^led)töname beö 
(Brüncn ^einrid^, See, fel^r verbreitet, unb wer, feinen 
©ottfrieb ÄeHer im $erjcn, burc^ bie ©äffen gel^t, wirb 
feltfam berül^rt, wenn i^m auf einem ©d^ilbe unöerfe^enS 
ein ^einri^ See entgegentritt. S)ie 2ee ftammen anS ber 
9lä^e öon ©gliSau unb tragen ben Flamen nad) il)rem 
©tammftfee See (^ügel bebeutenb), an ber ©trafee nad) aHafj 
im fog. ©gen gelegen. ®aö ®efd)led^t erfd^eint fd^on im 
öicrgel^nten 3^l^rl^unbert. 6in ^einrid) See war 1430 S^or* 
^err 3U ©mbrad^; 1819 oergabte ^einrid) See, ÄäSl^eiri, bem 
Äirdf)enfonbe l(X)©ulben; ©emeinbeammänner biefeS 9^amenS 
erfd)einen feitbem wieberl)olt in ber ©efd^id)te beS ©orfeS, 
unb noc^ 1891 würbe Dom Segirfögerid^te SSülad) ein 
^cinrid) See, jur 3^W angeblid) in Slmerifa ftd^ auf^altenb, 
aufgeforbcrt, ju feiner Stau gurü(fiufel(ren unb „ba^ el^elid)e 
Sebcn mit il^r fortjufe^en". 



44 2)cr Dljjctm. 



S)i(i^t unter ber ^ird^e am ^fi^Iebad^ mol^nte @ottfrieb 
ÄcDcrd Dl^ctm mütterHd)crfcitö, bcr Slrgt 3- ^einrid^ 
iSd^cud^gcr (1786—1856), unb bic trcfflid^c SKul^mc grau 
Sficgula, geb. grcg, baS Urbilb bcr „Srau SRcgcI ämrain". 
@inc fröJ^lid^c Äinbcrfd^ar, öicr ©ol^nc unb gwci Sod^ter, 
baruntcr eine gifcttc unb 6aton, bcncn gegenüber bcr junge 
©tabtuetter ben SBcibcrfcinb ju fpielcn liebte, belebten baS 
gaftlid^c ^auS, öon bcffen ehemaliger ^errlid^feit l^eute nur 
nod^ eine alte fRoMobn(t)^})tdt ftummer S^^S^ ifl- ®ic 
gaujc Umgebung beöfelbcn ift ücränbert. 9?ur bcr SBa^ 
raufd^t nod^ bic^t unter ben genftem. S)ie benachbarte 
alte Wü^le jebod^ l^at i^r j^lappem eingcftcQt unb an bem 
fd^nurgeraben Äanale flehen l^eute fjabrifcn. 

^ier war ber ©oben, auf bem baS wunberbarc 3iifl^t>' 
ibgH im „©rflnen ^einrid^" jtdö entwidfclt. 

®cr Dl^eim ©oftor war ein eifriger Söflcr, bcr gu« 
weilen einen ^afenbraten in bic ©tabt auf ben Sifei) feiner 
©d^wefter lieferte unb regelmäßig einmal bc§ Sal^rcS felbfi 
erfd^icn, wenn er bem Äongrefe ber ^rjte beiwol^nte. 6ine 
gange SÄcute Don S^gbl^unbcn, ein ga^me« JRc^, bcr SRarber 
„^änft", eine prad^töoHe graue Äafee, lauter Sefannte 
aug bem SRomane, bcDölferten feinen ^of. Sieben bem 
ärgtlid[)en Senif betrieb er Sanbwirtfd^aft. ©er muntere 
aSetter auö ber ©labt war ein aüegcit wiHfommcner @ap, 
bei bem jungen SSolfc ^öd^lid^ beliebt, ba il)m ber ©pafe nie 
ausging. OTit ben 3Jtäbd)en fül^rte er tapfer feinen Ärieg, 
ber bereits auf ben nad^maligen Sunggefellen l^inbeutet. 
9Kanci^mal aber liefe er [\6) üon il^nen alö SJlalcr unb 
^auSbid^ter gebraud^en. 3" i>^^ S)orfe lebten ferner @ott* 
frieb« ©rofemutter öäterlic^erfeits, glifabetl^ Slmbcrg, in 



2)ic (Sippfd^aft. 45 



gwcitcr @l^c mit rincm Äüfer ©enälcr öcrl^ciratct. SBon 
übriflcn SBcTOanbtcn pnb eine ©c^wcftcr feines 33aterö, SHegina, 
öere]^Hd)te ^artmann SReger, ein Setter 9Kanj, eine Safe 
Sercna SKe^er, Sod^ter ber SRcgina, im fog. „©teini" gu 
nennen, bei ber eS aUe öierjel^n Jage einmal ^errlid^ nad^ 
frif d^cm SBrote buftete , unb auf ben Sreppenftufen wol^N 
fd^medenbe SRal^mluc^en jum SSerfül^Ien ftanben. Sludb baS 
Urbilb beö alten ©c^ulmeifterö, ÄeKer mit 5Ramen, fanb er 
^ier, nid^t minber baSjenige beö pl^ilofopl^ierenben, fird)en* 
feinblid^cn ©d^ulmeifterleinö, ba§ gcwöl^nlid^ mit ben jungen 
iJrauenSleuten beö ©d^eud^jerfd^en ^aufe§ im $aber lag 
unb büd^ an einer l^angen geblieben ift: 3oi^ann SRubolf 
©piDmann, ber nad^malige 8iirfpred)er. ©ie ©eftalt ber 
l^olben Slnna tritt erft fpäter auf ben ©d^auplafe beö gb^Kö. 
aber pe ^at wirflid^ gelebt, tt)äl)renb gwbitl^ lebiglid^ als 
Äontraftfigur Dom S)id)ter erfunben ift. Swbitl^ l^iefe aller« 
bingö eine ©lattf eiber 33afc, bie nad^ 8lmerifa auSwanberte. 

©en ^Briefen ber beforgten SWutter, bie ftc^ injwifd^en ^ 
über bie SSeruföwal^l beö ©ol^neö, öor bie jte jtd) plö^lid^ ge* 
fteHt fal^, abl^ärmte, ift mand)eö über ben Serienaufentl^alt Don 
1834 ju entnel^men. gljre ©timmung mar in biefer ß^t 
nid^t feiten etwaö gereigt unb äußert pd) bal^er berber, 
als fonft. „aus ©einem S3rief — fc^reibt pe ©ottfrieb 
anfangs 3luguft 1834 — merfc id) wol^l, bafe eS ©ir 
in ©lattfelben gut gefällt; unb bafe ©u fe^r Pott ©id^ be* 
pnbeft, beweift mir ber 3nl|alt beS SriefeS. ©d^on ber 8ln= 
fang, ber 2;itel: „®uten Slag'M Sin wen? 3ft eS an mid^, 
fo barfft ©u, l^offe wol^l, ben ^Äutternamen nennen.'' ©ann 
erjöl^lt pe oon i^ren oergeblid)en (Sängen ju allerlei Seratern. 
„Sei Sunfer ^Jleife bin id^ freilid^ gewefen, aber wie er mir 



46 ^erufdivo^I. 



früher gcfagt, bic 3Kalcrct fei nid^t«. Äupfcrftcc^cr wäre 
\a bcffcr. 6r tt)icö midi an einen fe^r orbentlid^en unb ge* 
fd&idCten SÄann, mit weld^em ^err SKflndö ^^i>^ »itt. allein, 
wie man jagt, foH biefe Äunft fel^r loftbiUig fein unb fid^ 
bis auf 1000 ©ulbcn belaufen, bid einer al§ ein gefd^icftcr 
Äünftler agieren lann; weil nid^t blofe bie 2el^r*, fonbera 
aud^ bie grembegeit mufe beja^It werben, unb wenn'5 \o 
wäre, fo weifet ©u wol)l, bafe unfere ^inangen nid^t ^in* 
retd^enb jinb. — 3nbeö wirb man balb ju etwas fd^reitcn 
muffen, ba bie Qüt einmal Dorl^anben ift." Selten unter» 
läfet fte eine SBamung, Äleiber unb ©c^ul^e ju fronen. 
„Äamelen wirb ®ir lieber fein,'' (alö arbeiten), bemerft fte 
einft, „allein Derfamele nur ©eine ^ofen nid^t," unter welche 
@rmal^nung @ottfrieb gutmütig ein ^amel jeid^nete. @egen 
feine 3lrt fd^eint er in feinen gerienberid^ten etwas renommiert 
JU l^aben, wofflr i^m bie 9Q(lutter wieberum ben itejrt lieft. 

©0 fd^reibt fte am 8. Sluguft: „3n ©einem ©df)reiben 

mad^ft ®u mir fel)r grofee Sluffd^nitte Don ©pajiergängen unb 
SRttten. 3d) rate ©ir, gum SReiten ©ein ©tedenpferb ju 
nel^men, weld^eS weber ^aber nodö ^eu frifet. . . ©afe eS an 
ber „^egell^enlen" *) luftig mag jugegangen fein, bieS glaube 
td^ fc^on. Seiliegeitb er^altft bu ein SSöelli*) üon mir, bamit 
fannft ©u $au« galten unb nid^t me^r Diel babifc^eö SBier 
trinfen 2öie eö mit ber ÄunftauöfteKung fte^t, fann ic^ 



') Unter „glegeH^enfe" öerftanb man ein fletneS l^öuSUt^eS geft, 
ba3 früher, nad^bem ber ^nbroirt auSgebrofc^en l^atte unb bie 
S)refd;f(e9el fomit roieber aufgehängt werben fonnten, in gorm eine« 
reic^Ud^eren ^lad^teffenS unb .2:runfe§ begangen würbe. S)aS entfpre- 
d^enbe ßmtefeft war bie „©i(^ell)enfe." 

») ®n 3ürid;er fßod = 10 ©c^iUinge = 60 9iapptn. 4 8ö(fe 
gaben einen @)ulben. 



1. »rief an bte 3Kuttcr, 28. 5lug. 1834. 47 

©tr l^cutc nid^t jagen; ^crr SJlünd) fommt t)or 12 U^r nid)t 
l^cim unb bann t[t biefcr Sricf fd)on beim S3otcn. ©oUft 
®u bicfclbc aud) bk^ 9Ral nic^t ju fe{)en bcfommen, fo wirb 
bcr fjc^lcr aud) nid)t grofe fein. . . Son bcr Slarauer SReife 
^abc nie feine ?Rotig erl)alten unb Don ber 4>Quptfad)e, eines 
3Jleifter§ für ©id), »eife id) leiber nod^ ntd)tö. @§ mad)t mir 
genug Äummer, angft unb bang, bis ©u eine Sefforgung 
^aft. ©er wid^tige ßcitpunft ift mir aHju f d^nell erfd)tenen, 
Don weldjem ©ein ganjeS jufünftige« ©Ifidf ober Unglüd ab» 
l^dngt. ©iUft auf ©einer SKalerei bleiben, fo pnbt fid) in 
ganj Q&xiäi ein einjiger — wo man fagen fann — gefd)icfter 
SRaler unb bieS ift ber SBejeP), weld^er aber feinen Se^r« 
jung' annimmt: bie anbem ftnb Äoloriften. SBenn ©u nun 
bieS wiUft, fo ift bie ©ac^e balb in Drbnung. ©er gefd^idtte 
itupferfted)er in Dberftrafe, Don bem §err 9Jlünd) gefagt, 
Derreift aud^ wieber fort unb o^ne ben Sumpen ©jünger'), 
ftnb bie anbem ^fufd^er! ©aS ift nun ju mad^en? @nU 
Weber aud^ ein 5ßfufd)er werben ober ©ein Äöpfc^en bred^en 
unb einen anbren S3eruf wallen." ^ 

Son ©ottfrieb Äelter felbft ^aben ftd^ nur jwei unbe= 
beutenbe S3riefd)en auS biefer Q^xt erljalten. Seibe ftnb an 
bie OTutter gerid)tet. ©aS eine lautet: 

©lattfelbcn bcn 28. VUI. 1834. 

S. ?!K. 3d^ mu^ ©id) nod^ ein 3Wal erfud^en, mir bod) 
bemelbte @ad)en ju überfd)i(fen, fonberlid^ baS @d)rot unb 
bie ^ofen. Qu bem ^ilj fönnteft ©u ja ben §ut beS alten 



^) S)cr Stquarcflift Safob ©ejjcl ftarb fur^ barauf 1834. 
») ÜRartin ©Slingcr, 5eui)ferftc(^er. 



48 ^erufdiDa^l. 



SimmermanncS (eines früheren 3JlteterS, ber feinen „©d^Ioffer" 
jurücfgelaffen l^atte) nehmen; wenn er auä) »ieber fäme, 
xoa^ fe^r unn)Q^rfd)einIid^ tft, fo ro&xt xotQtn bed alten 

SeuerlübelS balb mit i^m abgemadit. 3d) »erbe mit 

^erm Dnfel biefe aBod)e nod) bie Q\xxiaä)tx SHeffe befuc^en. 
äberfd)idfe mir aud) wieber baö grüne SCud), bamtt icft bei 
ber ^eimreife meinen alten SRocf wieber l^inein padEen fann! 

SHeinen ©rufe an äße. 

©ie SRelil^arten gamilie ift fd)on eine 3Bod)e in il^rem 
neuen $alafte. 3^ ^cibe benfelben Don jmei Seiten aufg^ 
nommen unb il^n meinem ^erm 3Jlel^li ^artmann Derel^rt, 
weld)er bie S^^nungen fogleid) an bie SBanb beiS neuen 
Kaufes anllebteO. 3n ®le." 

©aS Sriefd)en ift ffinftlid) jufammengefaltet unb an 
©teile beS Siegels mit ber Seber ein Slnfer, baS ßeic^en 
ber Hoffnung, angebradit, gerabe wie bieS ber @rünc ^einric^ 
t^ut. 8lud^ baS „n^e @d)eud)äer" nad^ bem Sor^ unb @e^ 
fd^led^tSnamen ber SKutter pflegt auf ben fpäteren Srief- 
abreffen nie ju fehlen. 

3m (September erfolgte bie ^eimfel^r nad) 3örid^. ©ie 
fünftlerifd^e ausbeute, bie er nad) ^aufe brad)te, war wol^l 
nid)t aHjugrofe, obwol^l in ©lattfelben eifrig nad^ ber 9Jatur 
gejeidjnet unb gemalt würbe. 3" ben regelred^ten @ang 
einer entfpred^enben SluSbilbung l^atte ber Änabe natürlich 
feine 6inftd)t. 2lud^ war niemanb jur ^anb, ber i^m öer- 
ftänbig riet, gefd)wetgc benn jemanb, ber il^n auf ben 



*) ©emeint ift bie gamilic ^artmann ^Ketjcr, bercn 3Racl^!omnien 
^eute noc^ im Sefi^e ber angebeuteten ^S^ic^nung finb. 



5Wdfter |>aberfaat. 49 



rid)ti0cn aScg bcr Äunft geführt l^ättc. ©er aquarcUift 
Safob aSBefecl ftarb um biefc Q^xt, unb fo war bie ^Kutter 
gänjUd^ ratio«. S^od^ in bcmfelbcn 4>c^bftc t^at jtc il^n ju 
einem fogcnannten Äunftmaler, bem „^aberfaat** bc§ gwg^nb* 
romanö, in bie Seigre. ®er tt)irfHd)c ?Ramc beS l^eute Ser* 
fd)oKenen l^at ftd) in alten Sriefcn gefunben. @r l)ie6 
©teiger. 'Slaä) bem Sfind^er SerjeidjniiJ ber Slnfafeen 
wol^nte nod^ 1838 ber „Äunftmaler" $eter ©teiger (geb. 1804) 
aus SUlftätten (@t. ©aßen) mit feiner §rau, einer Saflerin 
(ber „3ungenfertigen ©ame") unb feiner Slod^ter am $re* 
bigerfird)^ofe. 

Über biefe ß^it ift wenig belannt. ÄeHer mod^te fpäter 
nid)t gern baoon reben. 3wt neuen „©rfinen ^einrid)" 
ffil^ren bie Äapitel, bie t)on ber Seigre bei 9Jleifter ^aber* 
faat l^anbeln, bie Uberfd^rift: „©d^winbell^aber". ©iefer 
fclieint bamal« in ber 3;^at üppig inö Äraut gefd^offen gu 
fein, ©er ungefc^icfte SKann, ber neben feiner SBerIftätte 
einen Saben ^ielt, in weld^em namentlid^ Iitl^ograpl)ierte unb 
lolorierte ©d^weijerlanbfd^aften Mupid) waren, liefe il^n lanb^ 
fd)aftlic|)e Sorlagen nad^ beliebiger SluSwal^l fopieren unb 
brad^te il|m eine total t)erfel|rte Sedt)nif, eine gewiffe fred^e 
9Jlanier bei, mit ber ÄeHer o^ne Sebenfen Slätter Don ßlaube 
Sorrain unb ©aloator SRofa nad)tufd)te. @ö war für ben 
angelienben 3Äaler t)on oome^erein ein SBerliängniS, bafe er 
nie bie Elemente feiner ^unft gelernt l^at unb ol|ne öer- 
ftänbigen Unterridit meift pd^ felbft überlaffen blieb, wobei 
i^n, beDor er etwaö ©rfinblic^eö eingeübt l|atte, ein grofeeS 
natürlid)eiS Salent baju oerleitete, ber 6rfinbung§lu[t voreilig 
bie S&qA fd^iefeen ju laffen. ©enn alfogleid^ öerpel er auf 
bie Äontpoption, wo möglid^ ^eroifd^er Sanbfd^apen grofeen 

®ottfrieb AcOer. 4 



50 Konfirmation 1835. 



©titö. ?Rici^t ntinber ftarf bilbcte jtd^ bcr ^ang jum ©r0= 
teöfcn unb SarodEen auS: am liebftcn jcid^nctc er abenteuere 
lid)e aBeibenftödfc, unge^eueriid)e Reifen, menfd^lid^e SHiftge^ 
ftaltcn, fraffe SRäuberfcenen. ©er autobibaftifd^e unb bilet' 
tantifd)e ß^arafter ift feiner SKalerel geblieben. 9iad) unb 
nad) würbe er beö ©teigerfd^en Unterrid)t§, ber burc^ einige 
Slatt« unb S3aum[tubien in Sufd)* unb ih-eibemanier, fowic 
mel^rere aquarellierte SBorbergrunbftubien belegt ift, überbrüfpg, 
blieb ganj auö unb [d)lug in ber mit einem S^otenfd^äbel 
unb einer ^löte auSftafperten ©ad)fammer fein Sltelier auf 
eigene Sauft auf. ©alomon ©e^nerS 33rief über bie 2anb* 
fd^aftiSmalerei würbe auf eine ©eile fein ©öangelium. SlDc^ 
baS, was feinem malenben unb bid)tenben SBorfal^ren guge« 
ftofeen war, bebrdngte aud) il^n. S^i^nete er nad) ber 
?Ratur, fo fal^ er ftd^ in l^unbert ftörenbe Äleinigfeiten Der« 
widfelt; fopierte er nad) älteren itünftlern, empfanb er feine 
eigene Qä)Xoad)^ als boppelte ©emütigung. S^^eierlei liefe 
er pd) t)on ©efener gefagt fein: nid^t blofe auf ©pajiergdngen, 
fonbem aud) 3U §aufe gu beobad)ten unb bann Diel in 
©id)tem gu lefen, ba bie ^oejte bie wa^re ©d^wefter ber 
gjtalerfunft fei. 

3u 3Bei^nad)ten 1835 würbe er in ber ^rebigcrfirc^c 
fonprmiert. ©ort befafe bie gamilie gwei ^Äird^enörter", 
weldE)e mit bem Äaufe beS §aufeö feiner S^W übernommen 
worben waren. ®en feit Sauren ^errenlofen ^rd^enftu^l 
be§ 33aterö mod^te er beim empfang beS Slbenbmal^fö jum 
erften ^Kal einnehmen, wobei ftd^ leidet eine ©cene, wie bie 
im „®rünen ^einrid)" bargefteltte, gutragen fonnte. @ott^ 
frieb ÄellcrS ÄonprmationSgettcl trägt ben »ibelfprud^ : „Sic 
©ottfeligfeit ift gu allen Singen nüfee^ 2öie eö gu gc« 



Konfirmation. 51 



fd)e^en ppcgt, wenn bcr ©eiftlicfte bei bicfcnt Slftc blofe auf 
Serfnir[d)ung bcr jungen (Sl^riften abjielt, füllte jtd) ber 
em[te SönßHnö/ ^^^ P^ reblidE)er als ^unbert anbere mit 
feinen ©laubeniSmül^en jured^t ju fe^en trad^tete, bei bem 
feierlid)en Sorgange nid)t jum frömmften aufgelegt, ©ie 
©ünben« unb Slutt^eologie war i^m feitbem guwiber, nid)t 
ntinber alles bogmatifd^e Ätrd)entum. ©ein Ser^ältniS 
ju @ott unb Unfterblid^fcit bilbet ein $aupttl)enta im 
„®rünen ^einrid)'' unb wirb bie [te^enbe Srage, bie feine 
greunbe immer wieber an i^n rid)ten. SJlit bem, waS 
bort bei ©elegenl^eit ber Äonprmation erjä^lt ift, ftimmt 
ein ungebrurfteS, allerbingS in einer rabifalen @pod^e, im 
^erbft 1844 entftanbeneS ©ebid^t, worin gefd)ilbert wirb, 
wie er, mit ben übrigen Äonprmanben oom @eipiid)en oor 
ber ©arreid)ung beS 3lbenbmaI(lS aufgeforbert, anfällige 
3weifel bemfelben oertrauenSooH gu eröffnen, pd) beim 
3unad)ten oor baS ^Pfarr^auS fä)leic^t, fü^n entfd^Ioffen, 
bie le^te unb entfdieibungSüolle Srage gu tl^un; wie er 
iebod), als er ben geiftlid^en ^errn mit ber gangen Sreit= 
feite im genPer liegen pel^t, pd) fc^leunigp aus bem ©taube 
mad^t. 9?ac^ mel^r als oier ^dSmtijntm , am 23. SSuguP 
1879 bei bem Seic^enbegangniS beS 9JlalerS fiubwig SBogel, 
betrat Äcller gum erPen 9)Jale feit ber 3w0cnbgeit bie alte 
$rebigerftrd)e wieber. Seim SlnblidEe ber unoeränberten 
^olgbdnfe, auf benen er bie Äinberlel^re unb oom ©igrip 
mand)e Dl^rfeige erl^alten, namentlid^ aber, wie er ben 5ßla^ 
fc^autc, wo fein 50llütterlein gu pfeen ppegte, ^ätte er laut 
l^eulen mögen, äufeerte er nad^l^er. 

golgenreid^ ffir ben unberatenen 9[Kalfd^üler würbe ber 
©ommer 1837. Um biefe Qtxt lernte er einen wirflid)en 

4* 



52 3)er fRbmtv, 



^Blcifter fcnncn: SRubblf ^Äcgcr t)on SRcgcnSborf, bcn 
„SRömcr" bcS „©rfinen 4>^innd)'', einen famofen Qe\(i)n^t 
unb StquareÜiften, über beffen Seben ^eute nid)t mel^r Diel 
in ©rfa^ning ju bringen ift. ©eboren am 4. September 
1803 gu SRegenSborf in ber 9?äl^e t)on Sönci^» png er nac^ 
bamaliger Übung ald j^olorift bei Sße^el an unb gog bann 
JU Sonj nad) Sem. ^Rad^bem er im Qe\ä)nm unb SÄalen 
etweld^e Übung erlangt l^atte, begab er fxäj nadö ^ariö, 
SRom unb 9?eapel, wo er einige gute, oft wieberl^olte Silber 
fd)uf. ©ie fd)önen ^Römerinnen würben i^m gefäl^rlid^. 
Srgenb eine pdE)tige Sejiel^ung gu einer römifd)en ^n* 
cipeffa ^ob il^n auS bem @lekl)gett)id)t, fo bafe er fd^on [eit 
1833 öorüberge^enbe ©puren Don Srrftnn geigte, l^eimgel^olt 
unb in Derfd)iebenen ^eilanftalten ber frangöfifd)cn unb beut* 
f c^en @d)tt)eig untergebrad^t werben mufete. Some^mlid^ bilbete 
er ftc^ ein, mit fürftlid^en Käufern in Senoanbtfd^aft gu 
[teilen, ja fogar ber Slbfömmling l^o^er Sinnen gu fein. 
6ine gufälligc Segegnung mit bem ^ringen 2oui§ 9iapoleon, 
ber jtd^ mä^renb feineö 8lufentl^alt§ in ber ©dömeig öfter in 
Sfirid) fe^en liefe, Derrüdfte il)m ben itopf ooHenbö. ©eitler 
wäl^nte er alö ?Rapoleonibe pd) Don fiouiS ^l^ilipp Derfolgt. 
aiö bie Königin Don SIeapel einft im „©diwert" logierte, 
ging SRubolf 9Reger mit feinem ©d^üler unter gel^eimni«* 
Dollen Slnbeutungen Dor ben ©aft^of, ftieg — wie er biefem 
Dorgab — gu einer wid^tigen Unterrebung mit i^r bie 
Sreppe l^inauf unb liefe ben Derbu^ten ©ottfrieb lange unten 
warten, ©iefer merfte jebod) an bem ®uft, ben fein 2el|rer 
gurfidfbrad^te, wo^l, wo er gewefen war. 1843 finben ftd^ 
bie ©puren be^ Unglücflid^en im Srrenl^aufe in Saufanne unb 
im alten ©pital gu Sund). ®ann taud^t er wieber im 



2)er 9i5mcr. 53 



Scrncr Dbcrlanb auf. ©päter foloricrte er für bie Sleulcrfd^c 
Äunft^anblung am SR^cinfaKe ©c^wcijcrlanbfdiattcn, locld^c 
er ftets ängftlic^ Dcrftedtte, wenn jemanb in feine 9ia^e tarn. 
1848 ift ber Unglüc!lid)e wicber im ©pital in ßönd). ©nige 
feine Aquarelle auS biefer @pod^e tragen bie Unterfd^rift: 
„Süri^, ©pitalgefeBf^aft; SRnboIf gjleqer, Sanbfd^aftiJmaler 
unb ^iftorifer.'' ©d^liefelid) malte er mit ffiorliebe ©d)ne(fen, 
bie Aber frifd) beregnete ©trafen i^re fd>Ieimige S3al^n jogen 
ober über wunbcrüoH gemalte 5rüd)te frod^en. 6r ftarb 
Dergeffen im 3örid)er ©pital am 9. ©eptember 1857. 

SSon feiner Äünftler^abe finb einige Dierjig Slätter gerettet 
worben, meiftenS mit Sleiftift reijenb gejeicf)ncte ©d^weiger* 
lanbf c^aftcn , SJJotiöe auö ber SJJontblancfette, ben Serner 
aipen, üon ben Ufern be§ ©enfer*, SE^uner» unb Srienger* 
feeS. SlHe biefe Slätter mürben im S^renl^aufe nad^ einem 
Derfd^oUenen ©figgenbud) auögeffi^rt. ®aö ältefte geigt 
in feiner obeni ^älfte gmei eben aufgebrod)cne 9iofcnfnoöi)en, 
mit ber feinften B^rt^cit gemalt, unten ad)t nadte Slgmpl^en, 
bie einen SRtngeltang auSful^ren. ®ie aUerliebften, nid)t 
me^r al§ einen falben ßoK grofeen ^Jigürd^en, jebeö ein 
Slumenfronlein im §aare tragenb, jinb Don unüerglei(^lid)er 
anmut. auf bem Slatte fte^t t)on beö itünftlerS §anb: 

„R. Meyer, F^d^ral, ä la prison de Thopital, Zarich le 

5 Juin 1833." ©a« ©elbftporträt geigt einen ftattlid)en 
fd)lanfen 9J?ann mit fül^n gebogener 9?afe. auf ber 3fiüdf= 
feite bepnben pdE) bie SBorte: „3n einem ©piegel öon 4 ßoß 
$öf)C unb 2 Sreitc gegeid)net, mäl^renb id) mel^rere 9?äd)te 
o^nc ©d)laf bei großer ^ifee (3uni 1845) gubrad^te unb 
gugleid) einen bereit« unertragbaren ©d^merg im redeten O^re 
gu erleiben l^atte; — SKagerfeit überl^aupt, ba^er ein etrna« 



54 ^er fftbmtt. 



IclbcnDoOcr auSbrud. JR. gjlcqcr/ «uc^ bic »ilbniffe 
giudcr SeibcnSgenoffen au« bcn Slnftalten 2aufannc unb 
ßfirid) l&at er gcjctc^net. ©in pf^c^ologifd^ ganj mcrf« 
würbiges Slott fteHt fein rechte« äuge bar: „roeuil de 
40 ans de R. Meyer, prison de Thopital Zarich 1843^. 

©er Srrftnnige l|at pc^ feft tnS eigene Sluge gefd)aut unb 
baSfelbe mit gelaffener SJleifterl^anb auf baS Rapier ge« 
brad)t. ©in Statt Dom nämlichen 3a]^r ift mit ber 33^ 
3eid)nung „maison des foas, LausaDne^ unb mit bem 
Sufa^: „10 ans de prison" Derfel)en. SÄe^er fonnte 
iebenfaÜ« üorflbergel^enb wieber enttaffen werben, aber bie 
Summe ber grauenvollen 3a^re wirb wo^l rid^tig bered^net 
fein unb foHtc jtd) fpäter nod) üermel^ren. ©a« iüngfte 
Statt, brei @d)nedfen unb eine Slinbfc^Ieic|)e barftellenb, 
trägt baö ©atum beS 18. ^mx 1854. Slufecrorbentlic^ 
naturgetreu ftnb feine Slumen unb ^rfid^te gemalt, ©er 
garte ©uft, ber g. S. über einer Pflaume liegt, ift täufd)enb 
wiebergegeben. ®ewö{)nlid) pnb bie eingelnen Slätter mit 
originellen, meift aber üerworrenen SBerfen üerfc^en. 9laä) 
einer SKitteilung ©ottfrieb Äellerö befafe «Ifreb gfri^er ba« 
im „@rünen ^einrid)" befd)riebene Silb: Slriofto, im ©arten 
ber 93ina b'6fte unter ßgpreffen unb 2orbeerbfifd)en fid^ 
ergel^enb. 

ÄeKer arbeitete fd^on im 5wni 1837 bei SRuboIf ^Re^er; 
aber ben eigentlid^en bega^Uen Unterrid^t beSfelben genofe 
er erft üom 9loDember bi« gu Anfang be« 9Kärg 1838. 
@rft ließ it(n ber fiel^rer einfad)e Sleiftiftftubien fopicren, 
bann ging er mit il^m in§ greie unb wieö i^n an, Segen* 
ftänbe au§ ber 9ktur mit bem Sleiftifte nad)gugeid^nen. 
©ann gab er i{)m feine eigenen 2lquareKe afö SBortagen. 



5)cr Stbmex. 55 



3in ÄcIIersSlac^lafee bcpnbcn ftd) nur einige wenige Äopieen 
ber le^tern 8lrt au§ bem S^^r 1837, barunter eine Dber* 
länber=^ütte aus ber ©egenb t)on SJleiringen, ein füblid^er 
©arten mit üppiger Vegetation unb ÄaSfabe unb eine gels» 
[tubie. ©in ÄeÜerfd^e« Aquarell, in 3ürid)er 5ßrit)atbeft^e, 
ben ©taubbad) barfteüenb, i[t offenbar ebenfalls nad^ SRubolf 
^Jle^er angefertigt, ^nä) bireft nad^ ber 9?atur würbe 
aquarelliert, wie eine 8lnjal^l Don ©tubienblättem, weld^e 
^Partieen an ber ©il^I unb am aSolfbad^, einen Srunnen auf 
bem fog. „©tod" u. f. m. entl^alten, beweift. Äürjlid) ift 
ein Dlbilb grofeent gormats, ba§ in SKegerS Srief erwäl|nte 
aSetter^om, weld)e§ Äeßer offenbar nadi beffen Anleitung 
malte, gum Sorfd)ein gefommen. @r oerbanfte biefem Sel)rer 
ferner bie Sefanntfd^aft mit ben ®id)tungen be« Slrioft unb 
^omer. Seiber würbe bie gange Unterweifung oor ber S^it 
abgebrod^en. Unoerfel)en§ verliefe ber unftäte 3Jleifter, wol|l 
in einem neuen SlnfaÜe Don 3rrpnn, ^üxiä) gu Slnfang beS 
TOärg 1838. ©ottfrieb ÄeUer ^atte ftd) gur entrid)tung 
eines Se^rgelbeö Don 80 ©ulben für ein l)aIbeS 3ö^r Der* 
ppid)tet, SJJeqer aud) bereits 60 ©ulben barauf^in erl^alten, 
bagegen nid)t oiel mel^r als brei 3Äonate, giemlid^ unregel« 
mäfeig, unterrid)tet. ©iefer })attt alfo etwa 20 ©ulben gurficf= 
erftatten follen. ®urd) ein am 7. 9Kärg 1838 aufgefegtes 
©d^riftftüdf ertlärte er jebod^, bafe er burd) ben ßmpfang 
ber 60 ©ulben bie gegenfeitigen a3erppid)tungcn als erfüllt 
betraute. 

SSn biefer ©teile ift bie gebenSbefd^reibung ©ottfrieb 
ÄeHcrS wieber bei einem fünfte angelangt, wo TOenfd^en 
unb ©inge, weld^e man auS bem „@rünen ^einrid)'' fennt 
unb für bid^terifd)e ©rpnbung tjalten möd)te, plöfelid^ mit 



56 $Dcr Stbmtx, 



einer un^eimlid^en ober beinahe plumpen ?!BirfIici^feit ate 
beftimntte ^erfonen unb S^atfadjen jtd) Dor unö ^in« 
ppanjen. 

6S wirb bort erjäl^It, wie SRömer oon ber SWutter 
^einrid^ö ein ©arlel^en erhalten unb oor feiner eiligen 8lb= 
reife an baSfelbe gemal)nt würbe, ^einrid) faffterte ba^ 
mütterlid^e ©d)reiben unb fefete ein anbereiS, jwedhnäfeigcreö. 
ba^ aud) t)on unmittelbarem ©rfolge war, an beffen Stelle. 
SRun pnbet pd) unter ben Äeßerfc^en ^Papieren ein Srief oon 
ber $anb ber SJlutter gefdjrieben unb gefaltet, mit ber 
3lbreffe: „Ferren Ferren SRe^cr ju geeljrten Rauben.'' ®er^ 
felbe lautet: 

„@cel)rter ^err! ©urd^ meinen ©o^n ^abe id^ oer- 
nommen, ba^ ©ie l^eute oerrcifen; beöwegen fann ic^ nic^t 
anberö, alö S^nen nod^ eine Semerfung mad)en, bic Sic 
mir nid^t übel nel^men werben, ©ottfrieb fagte mir nömlid^ 
erft ^eute, ba^ ©ie i{)m oon bem @clbe, welc^eiS er S^nen 
für ben i^m ju erteilenben llnterrid)t entrichtet l^at, nid^tö 
gurfidgeben werben , weld)eS mid) eben nid)t fei^r an bie 
©ro^mut erinnert, beren ©ie ftd^ gegen mic^ im anfange 
üerftd)ert l^aben. ®enn ©ie werben geftel^en, bafe mit 60 ©ulben 
bie S^it jiemlid^ teuer bejal^lt ift, bie er bei Sljnen jugebrad^t 
l^at, wenn man annimmt, bag er im gangen Taum ad)t DoQe 
$IBod)en bei Sinnen gewefen ift, inbem er Dor unb nad) bem 
D^eujal^r mel^rere 2öod)en gang bei ^aufe geblieben ift unb 
beinaf)c immer nur l^albe $IBod)cn bei S^nen war. Sic 
l(aben ftd) alfo mcl|r ben Umgang unb bie münblid)e 
Unterhaltung überljaupt, al5 ben eigentlid)cn Unterrid)t Don 
i^m begal(len laffen, unb ba^ ift benn feine grofeljergige 



3)cr Stbmtt, 57 



Slrt, wie man einen unbemittelten jungen 9Jlenfd)en bel)an« 
belt! Sind) fonn man nid^t wol^l bie Scici^nungen , bie er 
bei S^nen gemadit ^at, für eine ©ntfdiäbigung anfeljen, benn 
biefc tragen i^m nid^tö ein. SBenn man bebenft, bafe 
mehrere S3erfpred)ungen unb ^läne, bie ©ie i^m üorgemalt 
^aben, unerfüllt geblieben finb. Snbeffen liegt bie größte 
@d)ulb an biefem SßorfaH an meiner 92ad)läffigfeit, inbem 
ic^ meinen @o^n fo eigenmäd^tig l^anbeln lieg, ba er bod) 
nod) nid)t fein eigener §err ift. 

SBerjeil^en ©ie meine ^ei^eit, weld^e id) nur gebraud^te, 
um ju Der^üten, ba^ ©ie etma aUju groge Slnjprüd^e auf 
bie ©anfbarfeit meines ©ol^neS mit fortnel^men möchten. 

Süri(^, ben 7. ^ä^ 1838. 

S^re ergebende ^Jrau ÄeHer." 

Verlegen ift ba^ ebm nid)t. SSielmel^r fo biplomatifd^, 
mic e^ ber ®rüne nid)t bef[er l^dtte auffegen fönnen, auf 
ben ©tolj unb baö @^rgefül(l 3D?egerS bered^net, erft ju 
einer Sitterfeit merbenb, menn eö unberüdfftd^tigt blieb — 
(um mit ÄeQer ju reben). ?D?itleibig l^at biefer baö mütter* 
lid)e ©djreiben unterfd^lagen. ©afe er ein anbere^3 an beffen 
©teile gefegt, ift nid^t glaublid^. ©er folgenbe Srief Siubolf 
SWe^eriS menigftenö bietet feinen Slnl^altöpunft bafür, ba^ ber 
9Jleifter mit bitterer ©eele öon bem ©d)üler fd)ieb: 

,,3Bertefter §err unb greunb! 92od) bin id^ in ®enf 
unb werbe wa^rfdjeinlid^ nod) einige SWonate l^ier verbleiben, 
©ie Umgebung biefer ©tabt ift reijenb unb abmedifelnb 
malerifd). ®enf an fidE) l^at oiel ®leid)artige§: baS einer 
großen ©tabt; überhaupt ba^ Seben unb treiben ber Se^ 



58 2)cr S^omcr. 



wol^ner ^at mit 5ßariiS öiel gemein, ^i) ^abe bie abfielt, 
wenn immer möglich, eine Heine SReife in ba^ nal^e gelegene 
6^amouni]r=3;i^al gu mad^en unb einige tüchtige grofeerc ©tubien 
auSjufü^ren. 6ö ift ein eigcntlid)e§ Sebürfniö für mid^, 
wieber einmal naä) ber 9iatur malen gu fönnen; Dielleic^t 
mad^e id) mit frifd^en Singen etwas Drbentlid^eS. 33i^ 
ba^in l|abe id^ aUeS erwogen, um 3^nen audt) in @enf 
nü^lid) gu fein; jcbod^ öon leiner 8lrt ffierl^ältniffe, bie SJor^ 
teil bringen würben, ^aben pcft geftaltet. ttnbejtimmteö, 
ttnftd^ereS ift nid)t ratfam gu ergreifen, bal^er ift eS beffer, 
rul)ig abguwarten baö, xoa^ Sorteil bringen lönnte. 

3d^ ^abe gwei Heine Silber auf bie SluöfteHung, bie 
@ie bereits fennen, nad) Sörid) gefanbt, xxidjt aber um etwa« 
3lu5gegeid)neteS bem Qünä)tx 5ßublifum uorgulegen, fonbera 
in ber Hoffnung, eineö berfelben werbe in bie SBerlofung 
fallen! D^ne Sw^^ifcl werben Sie 3^^^ SBetterl^om eben* 
fall« l^inge^angt l^aben, fe^r wünfd)enb, bafe eS Derfauft 
werbe. 

@ernc möd)te id) @ie erinnern an baS oft ©efagte: wo 
immer möglid^ ben 8lntifen*@aal gu befud)en, nad) @ipS 
gu geid)nen, fo aKeS baS red^t tüd)tig einüben, ©ie Sufunft 
wirb @ie Don ber Siotwenbigfeit übcrgeugen. 9lo(^ ift bie 
Statur gu fel^r guriicf, um fte mit aSorteil malen gu fönnen; 
bal^er benü^en @ie bie f)äuSlid)en ®elcgen{)dten, fte bieten 
ftd) ja gratis bar. 

3Bie l^at eS Sf)"^» ergangen feit meiner Slbreife, pnb 
Sie wo^l? 3Bie gel)t eS mit Sl^rem greunb 5Küller? ©enn 
©ie etwa nüd)malS UngünftigeS über meine SRömer^Öefd^id^te 
oernommen ^aben werben, fo fäumen Sie nid)t, mir bie 
l^anbelnben ^erfonen befannt gu madE)en. — — — 



Sodann Sölüflcr. 59 



©mpfangen @ic meine freunbfd)aftlici^en ©rüfee, beö» 
gleid^en für 3l^re yebe 9JJutter, ^err SRorborf ntä)t gu öer* 
gefjen. 

poste restante ä Gen^ve. 
bcn 27. . . . 1838. 

Selten gang ergeben 

Sfi. 3)te9er." 

3Kan ftel)t l^ierauS beutlid) ba§ ffierfo^ren beS ©iä)ter« 
im „@rünen ^einrid^". (gr fül^rt bort weiter auS, was bei 
ber SBerfaffung beö unglüdflid)en SKeqer l|ätte gefd)c]^en 
fönnen, wenn er ben Srief ber SJJutter bem fiel^rer abgc* 
liefert ober gar felbft einen äf)nlid)en gefd^rieben ^ätte. 
®aö fpätere ©d^icffal beS SÄeifterö, bie abftd)t beSfelben 
nad^ $ariö gu ge{)en, ber 8lufentl^alt im Srrcn^aufe in 
fiaufanne unb ßöric^, wo er enblid) uerfd^oÜen ift: baS 
jtnb bie fjäben, weld)e bie ^^antafte beö ©id^terö weiter 
gefponnen ^at. 

91x6)1 minber fd^Iagenb ift ein gweiter %aü. ©er 
©rfine ^einrid) (2, 289) l^atte einen feurigen unb Pottcn 
^reunb, mit bem er geic^nete unb poetifd) fd)Wärmte, of)m 
an beffen etwas wilber fiebenSluft teilnel^men gu fönnen, ba 
i^n bie ^Mutter äufeerft fnapp ^ielt. 2llö jener weggegogen 
war, begann ein l)öd^ft fd)wungreid^er Sriefwed)fel. Slber 
fo fc^ön ber ©rfine gu fc^reiben ]\äj bemfit(te , fo bunt er 
feine ©rlebniffe mit 3ean 5ßaulfd)em .f)umor gu oerbrämen 
fud^tc: bie antworten beS gteunbeS übertrafen feine Sd^rei« 
berei iebeSmal fowotjl an gcbiegenen ©ebanlen, alö an 
wirflid)em SBi^e. ,£)einrid) nal^m fid) boppelt gufammen, 
ebenbürtige ©enbungen aufgubringen, fam jebod) auö bem 



60 Sodann 5WüUcr. 



©tauncn über bcn überlegenen ©enoffen nid^t l^erauS. ®o 
fiel i^m einft ßi^^^^nnannö Snd) „Über^ bie ©infamfeit" in 
bie ^onb, in n)eld)em er plö^lid^ auf eine i^m fel^r befannte 
©teile ftiefe: „«uf ©einer ©tubierftube möd^tc i^ S>x6) fefl* 
l^alten, o Sönßlinß"- ®ö P^l'^S ^W ^Jie ©c^uppen öon 
ben Singen, ^ier ftanb einer ber bewunbcrtcn SBricfe fafl 
wortgetreu gebruclt. 6ine ßntbedfung folgte auf bie anbere, 
unb fd)liefelid^ \ai) ^einrid) ein, bafe fein SRingen ein o^n^ 
mäd^tigeS geioefen, inbem alle jene Sriefe aud 9louffeau, 
©iberot, ©oetl^eö „SKert^er", Hippel u. f. w. Jufamme^g^ 
tragen ujaren, worauf er ein mäd^tigeiS Somgewitter über 
ben ©c^ulbigen nieberpraffeln liefe. 

auc^ biefc gpifobe beruht auf Söirflid^feit. ©er 
Sreunb eyiftierte leibhaftig. Unb bie angefül^rten Sriefe tjA^ 
ftieren noct) l&eute. 3o^aun SJiüllcr ^iefe er unb ftammte 
auö grauenfelb, wo er im gleiä)en S^l^re mit ©ottfrieb Äeller 
als ©ol^n beö SBaumeifteriS ©aoib Füller geboren würbe. 
9J?it oierjel^n Sauren fam er nad^ Sßnd). Äunftlerifd^ bean* 
lagt warf er ftd) auf 9Jfalerei unb 8lrd)tteftur, ging 1839 
nadö SRfind^en, mufete aber im folgcnben 5rül)ling, afö fein 
SSater ftarb, plö^lid) l^eimfel)ren unb gänjlid) unerfahren ba^ 
Saugefd^äft übernehmen. @ö glüdfte i^m ntd)t: er lam 
öfonomifd^ juriicf, fiebelte balb barauf nad) S3afel, bann al§ 
©ifenbal^ningenieur nad^ Ungarn über. Später wanbcrte 
er nad) 8lmerifa auö, wo er alö SlngefteUter einer eng* 
lifd^en ©efellfd^aft ben 3Jlid)iganfee auSmafe unb 1888 in 
3Baf^ington geftorben ift. 

©er Sriefwed)fel ber beiben greunbe beginnt 1835, ate 
9Jlüller burd) bie ÄranR)eit beä Sßaterö genötigt würbe, faft 
ein 3öl)r in grauenfclb ju weilen, ©er Son ^WüHer« ip 



Sodann mnUtx. 61 



äufeerft berb, nid^t feiten ro^. @ie [teilten jld) gegen« 
feitig malerifd^e Slufgaben unb beurteilten bie eingegan«» 
genen SIrbeiten, bei bencn e§ gewöfinlici^ auf %ra1^tn, Sr« 
l^ängte, SRduber, Seufel, ^ßfoffen abgefel^en war. 3)land)mal 
n)urbe inbed aud^ eine Sanbfd)aft u. a. auiSgetaufd)t. 
©a SJlfiller an feinem greunbe bemerft Ijatte, ba^ i^n bie 
brtepid)e ttnterl^altun^ über emfte ©inge fo aufeerorbentlid) 
reijte, warf er i^m {)ie unb ba, iebod) feiten, einen berartigen 
SBroden l^in. Unb jwar fd)rieb er bann irgenb eine ^l^rafe 
auö einem Sud)e ab, worauf ber erftaunte ©ottfrieb Heller 
ftd) nun mit einem wal^rljaft rfi^renben @ifer abmül^te, ben 
Pflc^tigen Steunb bei bcm ernft{)aften Jl^ema feftgul|alten 
unb il^m aufö au5fü^rlid)[te Sfiebe ju ftel^en, ganj ol^ne 
8[{)nung, ba^ jener blofe fein Spiel mit i^m trieb. 

©a§ fe^te 'SWüßer eine Seit lang fort. @o tft eö offenbar 
ein frembeS Slnleil^en, wenn er im Sluguft 1840 bem in 
3Jlünd)en weilenben Äimftiünger, ber itjm über bie Silber 
ber ^inafot{)ef fein üoHeS ^erj geleert l)abcn mod)te, folgenbe 
^^rafe gum beften gibt: „SfiubenS fud)te nidjt fowoljl baö 
SSebeutenbc, afö ba^ er eö jebem ©egenftanbe ju oerlei^en 
wufete. Glaube Sorrain ift bie ewige Statur; ^oufpn, mö(I)t' 
id) fagen, bel^anbelt bie Äunft in§ ^eroifd^e" u. f. w. 
?WüIlerS le^ter 33rief an Äeller lommt au§ $IBien Dom 
16. SJKärg 1846. 6r gratuliert gu ben poetifd)en Erfolgen unb 
bittet i^n um ein ©femplar ber ©ebid^te für @a^)l^ir famt 
folgenber ©nfül^rung: „Sin ^errn @apl(ir freunblid^en ©rufe 
burcft 8lrd)iteft gjlüQer oon ©ottfrieb ÄeUer". ^Küner be* 
rid^tet, er rebigiere gegenwärtig bei görfter bie „Saujeitung", 
l^abe aud^ bereites eine Slnftellung nad) Sufareft unb Saff^ 
in ber Safdie, aber eä ge{)e iljm fd^led)t u. f. w. 



62 2. 3ln Sodann 5WüDcr in graucnfclb, 29. Sunt 1837. 

3wci »riefe öon ©ottfrieb Äeller an SWüHer pnb auf 
un§ gefommen. Selbe bilben wichtige S^ugniffe für feine 
innere ©ntoidflung^gefc^id^te. 



Süxiä), ben 29. 3uni 1837. 

©oeben erl^alte id^ ©einen Srief*). @^' iä) aber am 
fange, mufe ic^ mid) entfd^ulbigen, bafe bie öcrfprod^cne 
©fijje*) nid^t in bem Weinigen fömmt, benn eö mar mir 

S)cr 8rief SWüflerS öom 20. 3uni 1837 beginnt mit bcn 
3. ®. 3immermann8 „Über bie (Sinfamfeif 3, 174 entnommenen 
Sorten : „ßabfal ift nirgenbS als in ber (Sinfamfeit für ein ^erj, txi^ 
uo6) ntd)t wdi, roo fid) anfd)Itngen, mie ftd) mitteilen unb fiä^ burid^ bie 
6c^eibeioanb bed 6d^i(ffald meggeriffen fte^t oon bem bergen, ba^ t^m 
fo milb entgegengefommen unb ed auS ber f^eme aud) \\o6) \o mtlb 
begleitet'' u. f. ro. Dben auf ber gmeiten @eite: „§luf ©einer ©tubier- 
ftube möd)te ic^ S)ic^ fcft^alten, ba S)ic^ au großen ?(bfid)ten ermdrmcn 
unb ftdrfen, ba S)ir ben eblen roünfc^enäroürbigen ©tolj geben, mit 
bem S)u nad^ rool^Ibenu^ter, fetf unb fü^n burd)gearbeiteter 3ugenb, 
bann auc^ im männlid^en ?llter au§ 3BeIt unb ÜWenfd^en nie me^r machen 
wirft, al§ fie wert flnb\ 81. a. D. 3, 203. S)er ganae Eingang be§ 
©riefeS ift auS 3tmmermann abgefc^rieben. 

©päter Reifet e§: „^(i) rufe mit S)ir: SWut gefaßt, »ruber! ©ir 
moUen bei ®ott noc^ au^ei j^erl§ werben, bie, menn \<l^on nic^t ^alb 
(Suropa ober Süric^ unb grauenfelb in ©rftaunen feften, boc^, moS 
mef)r ift, ®ott, un§ unb unfern greunben ©enüge leiften. Übrigen^ 
münfc^e id^, ba^ S)ir ^err SRe^er mof)! befomme unb S)u t^n tüdjitig 
benu^eft. !Räd)ften 3Jionat ift l^ier ÄantonaI«(Sängerfeft, ^ulfeft, 
©c^ü^enfeft. ^uf biefe Sage bift 2)u Pflict)ft au mir eingelaben. SiHmm 
einen ganaen Seufel ooU 3Japier, garben u. f. w, mit: mir werben eins 
formieren! Sd^ ^abe bie (SrlaubniS be§ S3ater§. S)u mußt fpäteftenS 
ben 17. morgens eintreffen unb ben 30. fannft S)u S)id5i wieber ftreic^n, 
wof)in S)u wiUft. SRimm auc^ S)einc glöte mit!'' 

») 9J?üner ^atte it)m al§ ©egenftanb, ben fle beibe barfteUen 
woUten, „bie glücflic^e ^eimfel)r ber Sflöuber" oorgef (plagen. 



2. Sin Sodann TlMtt in groucnfelb, 29. Sunt 1837. 63 

bei ©Ott unmöglid), fte ju mad^cn, inbcm id) immer nad^ 
ber 9?atur ober na6) $errn 5Reier§0 ©tubicn fc^affc, fo gut 
eS ge^en will, unb wenn iä) nid^t« t^ue, fo bin id^ immer 
fo gerftreut unb derrödft, bafe id^ nid^tS jumege bringe. ®od^ 
miß ic^ ©ir fagen, mie id^ pe mad^en moHte: id^ wollte 
nämlidf) eine SBanbe au§ bem 13. ©äfulum barfteHen alle§ 
i^albnacfte Äerl§, fürd)terlid^e fiaröen, toeldje einen JRäuber 
aus il^rer TOitte auf eine gräfelid^e Seife an einen S3aum 
bi'nbcn, um i^n ju öerlaffen unb ben milben Seftien preiö 
gu geben. 

©ein ©rief ift fd^ön; unb wenn e§ nid^t etwa blofe 
fonntäglid^e affeftierte ©efül^Ie pnb, bie ©u äufeerft (maS 
idö aber loeber l^offe nod) glaube), fo fage id) ®ir gang furg, 
bafe fte mir gum Seil rein au§ ber ©eele gegriffen finb. ©a§ 
fpred^e ic^ nid^t gu ®ir au§ @d)meid^elei ober au§ gegierter 
©qntpatl^ie, fonbem au8 bem einfadt)en fflemufetfein, bafe ©eine 
auögefprod^enen ©ebanfen mid) burd^!reugen, fo oft id^ allein 
bin, befonber§ nad^ einem ungufrieben burd^lebten Sage. 3<^ 
freue mid^ aber, in ©ir biefe Söne entbecft gu l^aben; id^ 
glaubte ©id) toirflid^ gu pd^tig bafür. 

©u fü^lft gang ba§ Slngiel^enbe einer fanften SJlelan* 
d^olie; ©u ffil^lft eS mit mir; aber ic^ möd^te fie, fo wie id) 
fte in mir pnbe, lieber ein eigenftnnigeS wilbe^ Seiben 
nennen, al§ ein fanfteö füfeeö; fo wie td^ überl^aupt ben 
äuSbrud „füB" nidE)t wol^l leiben mag. 5!Ba§ bie ©infam« 
feit betrifft, fo fann id) nidt)t begreifen, wie gewiffe geute 
änfpruc^ auf ©eifteSbilbung ober auf ©eelengröfee. unb 
ß^arafter mad^en wollen, unb bod^ nid^t baS minbefte 



i) 9luboIf 9Jlei)cr. 



64 2. 5Cn Sodann gRüDer in grauenfclb, 29. Sunt 1837. 

©cfül^l für ba§ ailcinfcin ^abeii. ©cnn bic ©nfamfrit, 
üerbunben mit bem ruhigen änfd^aucn bcr 9Mur, mit einem 
flarcn, ^eiteren SBemufetfcin fcinc§ ©laubenö über ©d^opfung 
unb Schöpfer, unb üerbunben mit einigen SEBibenDärtigfeiten 
t)on Qugen, ift, id^ be^aupf ed, bie einjige loal^re @d^ule für 
einen ®ei[t üon ebeln Anlagen; unb mer nid)t feine fd^önflen 
Sräume in ber ©nfamfeit träumt, wer nid^t fo weit gefommcn 
ift, bafe er jebe menfd)Iic^e ©efeüfd^aft, alle S^rftrcuungen 
unb ollen Umgang ber faben SBelt, [a fogar ben Umgang 
mit großen Seelen unb mirflid^ guten ©emutem entbehren 
fann, mer jtd^ nid^t felbft genug, wer nid^t bie erfte unb 
befte Unterl^altung in [x6) felbft, in ber Siefe feinet eigenen 
Sc^g finbet, ber fd^iebe feine änfprüd^e auf ©eifteSgrofee be» 
fd)eibentlid) in bie Jafc^e ju ben übrigen SBrotfrumen unb 
Settelmünsen, bie bort befinblic^ pnb unb fdf)leid)e ftd^ fort 
au§ bem Slngepd^te ber l^eiligen Siatur, ber er bod^ ni(ftt 
angehört. D wie oft l^abe id^ mid^ nid)t fc^on getäuf(ftt, 
toenn id^ einen geJ^altüoIIen ber ©infamfeit getrauten, fi(ft 
felbft fennenben Äopf gefunben ju l^aben glaubte unb nur 
einen ©etümmel fud)enben ©trol^fopf entbecfte, in ben fic^ 
ein 5ßaar feurige äugen öerirrt Ratten! 3d) forbere feinen 
fdt)arfen umfaffenben ®eift, feine bered^nenbe, »eitauÄ* 
fd)auenbe, entfd^Ioffene Äraft oon einer großen Seele; eö pnb 
fd^öne @aben, aber fte fann ol^ne biefelben beftel^en. ^in* 
gegen forbre ic^ oom maleren ?Wenfd^en jene ^o^e, grofee, 
majeftätifd^e ßinfalt, mit ber er ben Sd^öpfer unb feine 
Sd^öpfung, ftd) felbft, erforfd^t, anbetet, liebt. 3c^ forbre 
üon il^m baö lalent, |td^ in jebem Sad^, an ber fleinften 
Quelle mie am geftirnten ,!pimmel unterhalten gu fonnen, 
nid^t gerabe um beS Sac^eö, ber Quelle unb beö ^immelö, 



2. ^n So^onn aWüDcr in grauenfclb, 29. 3um 1837. 65 

[onbcrn um bc§ ®e[ü^Iö ber llnenblicl)feit unb bcr ©röfee 
willen, ba« jtd^ baran fnüpft. ^ä) forbrc üon i^m bic 
®abe, au§ jcber SBolfe einen Sraum jtel^en unb bcr ftnfenben 
Sonne, wenn fte i^r Seuer über ben @ee wirft, einen ^elbcn- 
gebanfen cntlorfen ju f önnen ; aber ber fleinlid^e, fpefulierenbe, 
tra^enbe, fpottenbe, fc^ifanierenbe, fd^mu^ige S^itgeift fei 
ferne Don il^m, ber feinen SWenfd^en in SRul^e laffen unb feines 
ÜKenfd)en SBürbe erfennen fann; unb ferne fei oon i^m bie 
SRafeweiöl^eit unb bk gred)]^eit be« Sa^rl^unbertö ! 6r fei 
ßbel unb einfad^, aber einfad) mit ®efd)mad, au« äd^tung 
feiner felbft unb nidf)t um anbem ju gefallen! ©en, ber 
feinen MxJptx mit Slbftd^t in einen fc^mufeigen Äittel [tccft, 
oerlad^e id^, unb ben, ber fein älufeereS efell^aft oemad^läfpgt, 
bemitleibe id) ; benn wenn ber ba« ®efü^l ber ©ct)önl^eit für 
[tdt) felbft nid^t ^at, fo l^at er'ö aud^ nid)t für bie SRatur, 
unb wenn er e§ für bie 9?atur nidt)t l^at, fo l^at er einen 
Sflife in feinem .Iperjen, ber il^n jum fleinen SJlenfd^en madt)t, 
ja fogar unter baö 2ier fe^t, unb wenn er fonft nod^ fo 
gefd^eit wäre, aber oerfte^e midt) wol^l, lieber ^JJüller, id) 
mad^e einen großen Unterfd^ieb iwifdt)en bem, ber bie Siatur 
nur um i^rer gönnen unb bem, ber fte um il^rer innem 
Harmonie willen anbetet, unb wal^rl^aftig ber unfd^ulbige 
6d^wärmer i[t mir lieber, ber bie ©onne um il^rer felbft 
willen bewunbert, als ber gröfete ©id^ter, ber nur il^re 
aSirfung bejtngt, ober ber feurigfte 9Jlaler, ber nur il^ren 
effeft oergöttert. ©er gjlenf^, ber ber SRatur unb ftd^ felbft 
angel^ört, bewal^re in feiner ©ruft ein göttlid)eö ©efül^l oon 
natürlidf)em SRed^te unb auf ber ließen l^ol^en ©tim throne 
ba§ l^el^re Sewufetfein ber greil)eit! 2lber oerftel^e mid^ 
Wieberum wo^l, mein SJlüßer! 3d) meine nid^t bie greil^eit 

©ottfrieb Sttatt. & 



66 2. 5Cn Sodann aWüKcr in Sfraucnfclb, 29. Sunt 1837. 

bc§ ^öbclö, noc^ bic poUtifd^e, fonbcrn jene f^cil^cit, bic ®ott 
fclbft eigen ift unb bie ben, ber fte crfennt, feine fci^Ied^te 
S^at begel^en läfet; aber bie 6rfenntni§ biefer fjrei^eit wirb 
nur erworben burd^ ein reineö benfenbcS $erj, baö feine 
Seftimmung ouffud^t in ber SBelten l^armonifd^er SBeci^fel* 
bewegung. 

Um auf ©einen Srief jurfidfäulommen, fo flnbe xäi einen 
6a^ in bemfelben, worin ©u eben fein grofeeö 3wtrauen auf 
midi fe^eft. ©u fd^reibft: „Stuf ©einer ©tubierftube moci^f i(^ 
©ic^ feftl^alten, ba ©ic^ ju großen Sbftd^ten erwärmen unb 
ftärfen, ba ©ir ben ebeln wflnfd)enSwerten ©tolj geben, mit 
bem ©u, nad^ wo^Ibenu^ter, fecf unb fü^n burci^gearbeiteter 
^ugenb, bann aud^ im männlichen älter auS SBelt unb 
9Henfd^en nie mel)r mad^en wirft, al§ fte wert ftnb!" 
D glaube mir, an großen fd^wärmertfc^en Slbftd^ten l^at e« 
mir nie gefep, unb baö ift nid^t mein Stuften; benn je 
weiter id^ auSl^oIe, befto weniger vorwärts fomme id^, unb 
wäl^renb id^ 5ßläne auswerfe, fct)affe ic^ nict)t§. ©tolj ^abe 
id^ nur ju öiel, mel^r, als id^ verantworten fann, unb auS 
SBelt unb SJlenfc^cn mad^te ic^ fdt)on nid^ts me^r, als ic^ 
nod^ ein ad^tjä^rigeS Seufeld^en war. Sagte mir bod^ ber 
SReftor ber 3nbuftriefd|ule einft, als id^ auS berfelben weg» 
gejagt würbe: „®ib ad^t, Äeller, ©u wirft gewife nod^ einen 
Stein pnben, ber ©ir eine Seule in ©ein eifemeS ©eftd^t 
brfidftO^ ©u barfft alfo getroft nad^ Sürid) fommen, ic^ 
werbe ©ir für jebe fc^wärmerifd^e Soßl^eit jwei anbere inS 
©eftd^t werfen, unb wir werben eins p^antafteren, bafe bie 
eid^en il^rc taufenbiä^rigen SBipfel fc^utteln, unter benen 



') SSgl. ^S)er grüne ^cinrid^" 1, 169 (®cf. SBcrfe). 



2. 5Cn Sodann SWüKcr in grouenfelb, 29. Sunt 1837. 67 

tt)ir wanbcln. S)ü6) ©cl)crj bcifcitc, ic^ ^abe ®ir noc^ 

wa^ ju fagen. 

aBir betiteln unS ganj frcunbfci&aftlici&ft ate greunbe. 

9lun wirft ©u »o^I fd)on in ^unbcrt erbaulid^cn 5Bücl)ern 

gclefen l^aben, wie fci^wer ein wal^rcr ffreunb gu flnben 

fei. Unb ba& ift »al^r, bfe meiften fjreunbfd^aften (welche 

aber mand)mal eben fo fernen wieber »ergingen, wie fte 

entfianben) berul^en auf gleichartigen f^mpatJ^etifdöcn ®e* 

füllen, auf entl)upaftifd^en .^erjenSergiefeungen unb W\U 

teilungen (weld^e öieüeidit lange üerfd^loffen bleiben mufeten 

unb feinen ©leid^geftimmten fanben bis biefen Slugenblid), 

auf äl^nlici^en Steigungen unb gleid^en £eibenfd)aften u. f. w. 

unb ba ftnb natürlich jwei fold)e feurige Süngeld^en, bie 

einanber treffen, gleid^ bie intimften ^reunbe. Slber wenn 

man ftd) bann nur nid^t nä^er fennen lernte, ©a finbet 

^ä) eine fd^led^te ©aite nad^ ber anbem an ber anfangs fo 

l^armonifdö geftimmten ®eige; man l)at pd^ fd^on aUeS ge« 

fagt, wa§ man wufete; ba§ ^euer üerglfmmt unb raucl)t nur 

nodt) über ben Äol^len; ber eine ober ber anbere wirb etwa 

arm ober fommt in Serlegenl^eit unb forbert oom anbem 

bie ©ienfte ber S^reunbfd^aft. ®a§ ermübet, mad^t unge» 

bulbig, furj, id) mag nid^t aufwärmen, xoa^ ®u in alten 

unb neuen ©d^riften über ben Umgang mit SJlenfd^en Diel 

beffer liefeft, als idf) eS ju fagen weife. ©aS gilt aber aßeS 

nic^t oon jwei wal)ren ^eunben. Sold^e lieben jid^ nur 

aus ©igennu^, bamit i^r teures 3d) einen treuen 55reunb 

^abe, b. ^. fte foHen eigentlict) nur 6in 3d) t|öt)en 

unb biefeS 3d) foH jeber pflegen, unterl^alten, wärmen, 

fd^üfeen. Sl^re greunbfd^aft ift alfo nid^tS als ©genliebe, 

weil jeber feinen 8lnteil an bem gemeinfdt)aftlid^en 3d) l)at 

5* 



68 2. ^n Sodann ÜJMincr in grauenfclb, 29. Sunt 1837. 

unb bcnfclbcn mit aUcm Sntcreffc ju beförbcrn fud)t. Aber 
c§ ift ein ööttlid^cr egoiömuö, e§ ift bcr ndmlid^c, bcr boS 
Uniücrfum au§ unfcrS @d^öpfer§ @ci[t l^erüorrief ; unb einen 
Sreunb, ber biefen ©goiSmuö mit mir teilte, würbe id^ ate 
baS l)6d^fte @ut ber 6rbe betrad)ten (wenn pdf) nämlic^ 
nic^t noc^ ein ^enbant üom anbem @efd)led)t baneben 
fd^Hd^e). 9Bir wollen alfo einanber ein wenig auölunb* 
fd)aften unb feigen, ob wir un§ fugen — nid^t fo, ber au§^ 
brud ift fd^Iec^t — id^ wollte fagen in einanber fd)melgen, 
praffeln, aufglühen, blühen, ben ^immel über unö roten 
unb mit einanber in 8lfd^e sufammenfatten fonnen. 3Bir 
würben bann leben, wie jwet SBefen, bie einen un3erteilbaren 
©iamant, ein Wftlic^cS @ut befäfeen, für baöfelbe geboren 
würben, für baSfelbe lebten, ftritten, litten, für baSfelbe ftd^ 
freuten eines im anbem unb für baSfelbe ju gleid^er 3^* 
ftürben. ®od^ ift e§ auf ber anbem ©eite aud) wieber 
erl^aben, fo ganj allein, ol^ne greunb, in bunfler Siefe l^ie- 
nieben burd)8 ©afein gu wanbeln, bie ^eilige glamme in 
üerfd)loffener, oon aufeen fd^warger, boc^ innen feuer^eller 
fflruft gu fc^üren unb rein unb unentwei^t mit hinüber ju 
nel^men in§ unnennbare S^nfeitS; aber idf) glaube mic^ 
fapabel, einem fjreunbe greunb ju fein unb würbe bie @e» 
legenl^eit alfo nidt)t öerfd^mä^en, au§ Siebe für ben 9iäd^ften. 
3d) Ifüht ®ir nod) xoa& gu fagen. ©u fd^reibfi: „SSSlit 
ben Sl^ränen, bie id) l^ier fd^on geweint l)abe, tonnte man 
ein paar Sommerl^ofen wafd^en*)." ©d^ämft ®u ©id^ benn 

') S3ud)ftäblid^ fo in 3Küaer§ 8rief. S)ann fä^rt er mit Simmer. 
mann fort: „^d) ergreife immer bie Buffuc^t jur Statur, bie auc^ ^ier 
über unfer 8eben dio\m auSftreut, mit neuem Tlnk ftärft unb fanft, feft, 
gutmütig, mo^It^ötig, freunblic^, tief, f)eiter unb tugeubf)aft mad^t*. 



\ 



2. 5(n Sodann TMet in Srouenfclb, 29. Suni 1837. 69 

nid^t in§ innerfte SJlart l^incin, ba^ ju fagen! fi! weinen — 
weinen! fi donc! @iner, bcr ein Wann werben wiH, berbaö 
5!Kenfd)en9ef(i^Iecl^t öcrad^tet, fprid)t üon weinen! SBenn baö 
jel^ntc Sal^r üorbei ift, fo foHte ber Wann fein ganjeö 
ßeben l^inburci^ nid^t mel^r fo öiel SßJaffer »ergiefeen, bafe 
eine fliege barin erfaufen fönnte, weber auö Slrger, nod^ 
an^ ©effil^I u. f. w. 9?id)t, bafe baS 2luge eine« gelben ftd^ 
nicj^t ne^en bfirfe; aber baS pnb feltene ^äUe unb föftlid^e 
äugenblide. SBenn unauSfpred)Iid^er @ram um ein oer» 
Iome§ Seelengut, wenn bittrer Slrger über ber TOenfd^en 
aSerworfenl^eit, erfahrner Unbanf, bie Qual, feine ^od^fliegen* 
ben J^errlid^en ^läne nid^t erfüßen ju fönnen, feine glü^enbe 
©ebanfenfüHe erbrörfen unb üerfd^Iudfen gu muffen, wenn 
nodf) l^unbert anbere geinbe vereint auf be§ Wanneö ober 
be§ Sünglingeö Sruft einftfirmen: bann fann eine fd^were 
S^räne ben 2Beg jum fiid^te flnben. SBie pod^f § bann mit 
lauten ©dalägen an bie SRippen, wie prefefö baö $erj! ©in 
Sentner liegt auf i^m. 2Bie brennt'S unb fod^f ö unb fprubelt 
unb ftebet eö in ber l)o^en, bod^ fo beflemmten Sruft, bafe 
bie glammen l^oc^ auffd^lagen unb bie §ülle ju fprengen 
brol^en! Starr wie ein ^els [tel^t ber SJlann, aber baS 
innere S^uer geirrt an i^m. ^eife wallf § l)inauf, l^öl^er unb 
^öl^er aus bem jerfnirfd^ten ^erjen, l^eife wirb bie SBange, 
rot bie ^o^e Stirn, unb ^ei§ bringt eine feud^te oolle 3ät|r' 
ins finftre Sluge. ^Betroffen wiH er fie jerbrfiden, aber fie 
fliegt fd^on l^eH bie SJÖange l^inunter. 2Jerfto^len, wie wenn 
ein Wäbdf)en ben erften Äufe oerlor, wifd^t er ftc^ baS 2lug'; 
aber mit ber Sl^räne ift aUer g^mmer ausgegogen. Seid^t 
unb pc^tig atmet er, milb glimmf S nod) im ausgebrannten 
SBufen; eine büftre, boc^ weid)e TOeland^olie l^auft nod^ in 



70 2. ^n Sodann ÜWüDer in 8frauenfc(b, 29. Sunt 1837. 

bcr ücrlafencn 93ru[t unb gibt bcm ©ulbcr bcn fd^oncn 
grofecn Slidf, ber bcn ©d^urfcn ju Sobcn brüdft. @ol(ft 
eine S^räne ift göttlid^ unb ber ^Roment unfd^Q^bar ju 
nennen; aber ber Siame weinen bleibe fem üon il^r! ©enn 
nur ba§ 5Beib barf weinen, ober ber S^or, ober bcr SBöfe* 
xoictjt. ^äj bitte S)xä) alfo, ®ir baö SBeinen abaugewö^nen, 
fonft erfaufen ©eine eblen ©ebanfen in ber trüben fjlut. 

Slud^ »finfd^e ict), bafe ®u an einem anbem Drte baä 
SBort „tugenb^aff* weggelaffen l^ätteft; benn bcr TOenfcft 
joH nid^t tugenb^aft, fonbeni nur natürlich fein, fo wirb 
bie Sugenb oon felbft fommen. Überl&aupt ift baö ©ort 
„tugenbl^aft" ein fleinlid^e§, ärmlid^e«, frömmeInbeS ®ing unb 
foH oom 9Äann gar nie auögefproc^en werben, »eil ber, 
weld^er bie Siatur in il)rem l^eiligen SCßalten üerel^rt unb bie 
SJlenfcl^en gerabe um il^rer ©finben willen bcmitleibet, bie 
Sugenb ftc^ ni^t erft ansugewö^nen braucht, fonbem fte ift 
fein ©lement. 6r weife nid)tö oon i^r; benn pe ift i^m eigen 
wie jebem Siere ba^ Sltmen; unb wenn er noc^ fo öiele 
Segler l^ätte, fo entfpringt jeber gel^ler einer Sugenb. (gtei» 
lid^ fmb bie ©ci^wad^l^eiten beö großen 9Kannc§ unb bie* 
jenigen beS ©d^Iec^ten oon l^immelweitem Unterf (i^ieb !) 

SBerjei^, bafe id) ©ir ein wenig mein ^erj geleert ^abe! 
^ä) pafete fc^on lange auf eine ©elegen^eit*). 



©iefer ^öä)\t d^arafteriftifd^e brieflid^e ©rgufe fällt ju* 
fammen mit ber Qtit, ba ©ottfrieb Heller, o^ne i^btn ju^ 
fünftigen Qxo^d ober gel^eime fd^riftftellerifc^e abpd^t, anfing, 

») S)aruntcr al§ gcberjeid^nung ein ^ixi, aud bem Söorte auf 
einen Briefbogen fallen. 



Sürid^er ^i6)ttt. 71 



,,U)unbcrIid)c ©c^reibbfid^cr" mit ib^Hifd^cn Slaturbcfd^rci» 
bungen unb reIigiondpl)iIofopl^ifd^en Sluffo^en anjufiillen. 
®cr tDcrbcnbc ©id)tcr unb ber angcl^cnbc SWalcr ringen mit 
cinanbcr unb ücrglcid^cn jtd) bann in bcr SJÖeifc, bafe bcr 
erftc bcm jwciten ftd^ junäd)ft bicnenb untcrorbnct. 

Sfirid^ l^attc feit ber jtoeiten ^älfte bc« ad)tjel^nten 
3a^r]^unbert§ eine ängal^I glürflid^er Salcnte l^eröorgebraci^t, 
wcld^e bcibeS, ©id^tung unb SWalcrei, ju öcreinigen juchten. 
3unäd^[t ^einric^ Süfeli, ben fog. „gonboncr'', unb ©alomon 
@egner, beffen augereS fieben mand^mal auffaüenbe Sl^nlid^« 
feiten mit bcmjenigen ifeHerS aufroeift. ©iefe Jrabition 
führten tüd)tige TOännerweiter, toieUlrid) Regner, 2Kartin 
Ufteri unb ©aöib ^Ipefe, bie beiben legten aüerbingS blofe 
©ilettanten in ber malenben Äunft. ©er burd) unb burd^ 
gebiegene Regner öerbanb ben Äunftfc^riftfteller mit bem 
©ic^ter. ©aöib ^efe, ber SBerfaffer be§ präd^tigen Gl^arafter« 
bilbcS „©alomon Sanbolt'', ift erft in neuer 3^'* burd^ fein 
wal^rl^aft flajfifd)e§ ^xid) „Soi^ann (Safpar ©d^weijer" in 
weiteren Greifen befannt geworben, ©eine jd^öne 5ßrofa 
erinnert an bie ÄeHerfd^e. Ulrid^ Regner unb ®aöib ^efe, 
weld^e um bie Q^xt, üon ber l^ier bie SRebe ift, nod^ lebten, 
erfd^einen mie eine glücflid)e Vorbereitung auf TOeifter 
©ottfrieb. 

®ie erften fd)riftftenerifc^en a3erfud)e ©ottfrieb ÄeHerg 
ftammen ax\^ bem ©ommer 1836. @S jtnb Heine groteöf« 
romantifd^e ©rjd^Iungen. @o bie „%xtt)dt^at," eine fraffe 
SWorbgefd^ic^te. ©er SRäuber SBuIf ^at fein löfterneS 8luge 
auf 9Kir^a, bie fromme 5ßflegetod^ter beö ©remiten S^eo* 
balb, geworfen, ©er ßinpebler wirb umgebrad^t. ßiferfud^t 
erwadf)t in einem jweiten Söfewid^t. SBuIf erftidE)t i^n. TOirl^a 



72 Sugcnblid^cS JDid^tcn. 



[tirbt öor ©djredfcn. ®en t)ci;jwcifclnbcn SBuIf reifet ein 
ttjfitenber @ber in eine ©d^Iud^t ^inab. Dber: „ber ©elbji^ 
mörber". ®er Sdgerburfc^e @eorg xoiU ftd) au3 cingebiU 
beter ©iferfud^t ertränfen, aber bie eben babenbe ©eliebte 
rettet i^n. ,!pinwieberum werben 2lbfd)nitte auö ßd^artg* 
l^aufenS 3Ragie, eine Slbl^anblung fiber bie SSoIIen au8 bem 
„^fennigmagajin" abgefd^rieben; 1837 folgen »eifere 8efe- 
frfic^te, beftel^enb in ^opieen bon SHoman^en unb SoHaben, 
jumal üon ^eine, SBil^elm gjlüßer, auguft ifa^Iert, Srieb^ 
ric^ Seffelt. ^riebrid^ Ärug üon Wbba mit feinem „9torb* 
teutfd^en ^elbengefang in jwölf SRomangen, ^einrid) ber 
©iferne" mad^te einen befonbem ßinbrudf. Sann fommen 
ilppige Sc^ilberungen öon ©onnenauf* unb «Untergängen, 
üon ©emittem, wobei bie Sjciftenj be§ großen ©d)öpferä 
ber 9ktur derteibigt wirb. ®n Sanbmann fielet au§ ber 
Serne ben Sli^ in fein ^auS fal^ren unb günben. ©er 
^eimeilenbe flnbet unter ben fd)n)arjen SSalfen ben oerfol^Iten 
Seid&nam feines SBeibeS, i^r jur ©eite bie toten ^nber. 
@d^on erfd)einen einzelne Slnfä^e gu Sagebud^oufgeid^nungen, 
fo unterm 19. 3uU 1837: „$eute ift mein ad^tgel^nter ®e» 
burtstag. aSon l)eute an über jmei ^a\)xe, gelob' id^ mir 
einigen SRuf gu gewinnen; mo nic^t, fo werf id^ bie ^nfk 
gum Seufel unb lerne ba§ @d)ufter^anbwerf". ©arunter: 
„®en 19. Suli 1838. $eute ift mein neungel^nter ®eburtö« 
tag unb fel^e ein, bafe e§ bummeS Q^ixq war, toa^ ic^ oor 
einem Saläre gef (^rieben." @in anbereö 9JlaI: „3d^ l^abe 
einen l^alben ®ulben — ein ungel^eureS ©reigniö! 5!BaS fang' 
id) bamit an? ,!peute wirb ©oetl^eö ,Sauft* gegeben unb 
bod) l^ätt' \6) langft gern ben ffiafferfall bei (ärlibad^ gefe^en. 
®ie 3&a^ ift f^merglid). ein ^eifterftficf beö menfd^lid)en 



a)ramatifd^e8. 73 



©ciftcS unb eine erl^abcne 9?aturfcene! ®aö erftc fann id^ 
ol^nc @elb nid^t feigen ; ba§ jweitc Hegt f o weit entfernt, bafe 
id) — notwenbig einfel)ren mufe. ©oc^.cS fei! ^ä) will 
ben , Sauft' fe^en; ber SBafferfall entläuft mir nid^t". 
$oetifd^e SJlotide werben auSgel^ecft, wiefolgenbeS: „Sichtung 
über ben S^itft^om, üerglid)en mit einem SBafferfatl, beffen 
einjelne Siropfen als ©tunben, nad^bem fte um bie ganje 
6rbe jirfuliert pnb, nad^ Sal^rl^unberten am nämlid^en Reifen 
einft wieber herabfliegen'', ©inigeö biefer Slrt, eine 9?ad)t 
auf bem Uto j. S., laffen wir im Slnl^ange folgen. Äeller 
liebte e§ bamalö, l^od^poetifd^e 9?aturbefc^reibungen in eine 
rol^e fjfra^e auslaufen ju laffen, roa& er etwa bei ^eine ge* 
fe^en ^atte. 

9ll§ ?)?ad^tlang frfil^erer finblid^er SBefd^äftigungen taud^en 
erneute bramatifd^e 5ßläne auf. @in „Slbam SB i eberbau er" 
nad^ einer ßrjäl^lung auS bem breifeigjäl^rigen Ärieg dou 
Souqu^ (i5rauentafd)enbud^ 1820) wirb erwogen unb jtijgiert. 
9?ac^ ber geftfire üon „(Smilia ©alotti" füHte er — wie eS 
in bem Sluffa^: „8lutobiograpl)ifd^e8" l^eifet — „wod^enlang 
ein bicfeS SJlanuffript mit ber fraffeften 9ladE)al^mung an. 
alle ©eftalten, ber gürft, ber Höfling, bie 3Jlaitreffe u. f. w. 
fanben ftd) öor. ?)lur war ber SSater beS aSirginifd^en Opfers 
ein furd^tbar ernfter $iftorienmaler mit republifanifd^er ®e* 
finnung unb SBitwer, fo ba^ er ganj allein über bie Zoäjkx 
wad^en mufete. 3ni^^in i^cin ^arineHi bem dürften ben furd)t* 
bar ernften (Sl^arafter beS alten befd)rieb, l^ielt er il^m einen 
jiemlid)en 33ortrag über ben Unterfd)ieb jwifd^en ber ^iftorien* 
unb Sanbjd)aftSmalerei, wie biefe ein forgloS luftiges SSölflein 
l^erüorbräc^te, wä^renb jene nur üon büfiern, wo nic^t blut» 
gierigen ©raubärten betrieben würbe, mit benen jtd^ nid^t 



74 „3)cr greuttb". 



jpafecn Hefec. SBenn baö traurige OTanuftript mir fpdtcr 
in bie ^änbe fiel, jo war bieö bie einjigc ©teile, welche 
mir einige ffrö^Hd^feit erregte. Siod^ eine SBerbeffening ^abe 
ic^ anjufü^ren, bie id^ erfanb. Statt 2efftng^ 6iner Orpna 
fd)uf id^ ä^ei TOaitreffen, weld^e fortwä^renb mit cinanber 
ganften unb [\ä) gufetritte üerfefeten." 

©iefe§ auf brei 8lfte angelegte, gum großem Seil au3« 
geführte ©tüdf, beffen ©d^ema am 28. Sanuar 1837 ent« 
morfen würbe, Reifet „©er greunb". ®ie ^auptperfonen 
ftnb Soi^ann [Römer, SJlaler, großer, fd^öner SJlann, „effeft* 
Doli" unb üoH ®effi^l fiir gi^re unb ^ei^eit. ©ein Der« 
ftorbene§ SEBeib ^at i^m ein Äleinob, eine ac^tgel^nid^rige 
Sod^ter l^interlaffen, änna, fct)ön, unfc^ulbig, naiö. 2ijette 
aSlonbel, bumme ^Diaitreffe, 29 3a^re alt. gKabemoifelle 
be ©aintrie, 24 Saläre alt, reijenb, biöl)erige fjaöoritin beö 
Surften. ®er ^erjog, ein arger SßJfiftling unb SSerfd^wcnber, 
l)at ein ©epnbel öon ^offd)rangen um fxd^ gefammelt, meiften^ 
ehemalige @d)aufpieler unb ßumpagi*S3agabunben. ©ein 33er* 
trauter ift änton ©rinelli, ein italienifd^er Sänger. ®er 
erfte 8ltt geigt ben Surften bei feinen gmei grauen, beii 
SWorgentl^ee fc^lürfenb. 6r fragt gäl^nenb: „3Baö »erben 
tt)ir ttjol^l anfangen biö gum Slbenb?'' worauf bie ©aintrie 
fd^ntppifd^ entgegnet: „9?un, baö ift mieber einmal eine grofe* 
^ergoglid^e fjrage, beren ftd^ ein Peiniger ©d^ufter fdjdmen 
würbe!'' ©rinelli, gugleid) SRömerö falfd)er greunb, foll Unna 
an ben ^ergog, ber jene auf bem ©all erblicft, üerfuppeln, 
möd^te fte jebod^ felbft befx^en. ©er SSater erflärt feiner 
Sod^ter baö üon il^m gemalte S3ilb, ben Sob ber gufretia. 
ein gluc^töerfud^ ber beiben wirb burd^ ©rinelliö ^eimtfirfc 
vereitelt. 8lnna folt ftd^ bem dürften ergeben, ober i^ren 



„3)er grcunb'^ 75 



SBatcr ftcrbcn jel^cn. Sie xoafß baö erftcrc. SRömcr, üon 
ber ©aintrie auö bcm Äcrier befreit, eilt l^erbei unb erftid^t 
ben ^erjog. ©rineHi wirb üon bem SBoIfe ö^ftö^^Jt- 

®ie üon ÄeHer oben ertt)äf)nte ©teile ber 3. ©jene beö 
erften SlfteS (am Dfterfonntag 1837 gefd^riebeu), worin 
©rinelli bem ^erjog bie Slrt be§ miberborftigen SHömer 
fd^ilbert unb i^m babei bie üerfd)iebenen ^JJalerflaffen auö» 
einanbcrl^ält, lautet: 

©rinelli: „Q^ gibt unter ben @öf)nen ber Äunft 

eben fo gut oerfd)iebene Älaffen, wie unter ben ©pi^buben 
be§ 9Ko]^ren in ©d^iller§ „gie^Io". Um 3f)nen unfern 
SJlann ju fd&ilbern, mufe ic^ Sinnen biefelben aufjäl^len! 
aSon ber fianbfd^aftömalerei »ollen wir gar nid^t reben, 
benn baö pnb eigentlid)e Sagbiebe, bie nur be§ ©enuffeö 
willen leben, Sb^Henjäger ooll, äbenbrot unb 9Jlonbfcftein! 
Äef)ren wir un§ alfo ju ben ^iftorifern, b. 1^. 3u benen, 
weld^e üon ber Scheitel bis jur Keinen 3^t|c ntit l^o^em 
©eniuS unb Slntile angefüllt finb, welche mit bem ©tolse 
eineö ^al^nö, ber auf bem TOift fte^t, auf bie gejcl^eiteren 
guten J^erunterbliden, weld^eim Iieblid)en Seiche pc^ tummeln; 
einige füllen biefen ©tolj mit ebelm SJted^te, bie meiften 
aber ju i^rem eigenen Spotte. ®iefe fogenannten ^iftoriter 
nun jerfaHen in brei Älaffen. ©ie erfte ift bie unwürbigfte, 
aber bie glüdflid)fte; benn jie entl^ält biejenigen 9Jlaler, weld^e 
bie Souboirö ber großen ©amen mit ©ianen im 33abe, mit 
Senuö unb Slmor, mit feufd^en ©ufannen u. f. f. anfüllen, 
weld^e nur bem 5ßublifum ju ©efaHen leben, im ©runbe 
weniger @enie alö ©efc^macf bep^en unb SRapliaelö l)ol^en 
@eift nur in feinen ©ngelöföpfen ftubieren, um etwa einen blin* 



76 gRoIerifd^c«. 



gelnben 2lmor barauS ju formen. ®ic jiocitc jä^It bic 9RaIcr 
bed ^apfttumS, bie Sibelau^Iegcr, namlid) bie Ungo^l ber 
TOabonnenfabrifanten. ®ic frommen ©eelen, weld^e un5 
immenoä^renb mit 5ßetri 5ifcI)jU0C, ber ©peifung ber 5000 
^JJänner, mit ©liaS Himmelfahrt u. f. xo. ergoßen unb er* 
bauen; öon bicfer ©attung pnb unter jel^n ©ubjeften neun 
fiberpfiffige. Qnx britten Älaffc enblic^ gel^orcn bic wahren, 
bie eigcntlid^en ^iftorienmalcr, bie nur in ber alten gelben* 
gcfd^icl)te ju ^aufe ftnb, bcrcn ©emälbe mit ^elbengebic^ten 
unb großen ©ramen in glcid)em SRange ftel^en. ©iefc 
werben il^nen immer nid^tS als SBrutuö, Selifar, 6ato, geo* 
nibaS, Herrmann unb mie fte aße ^eifeen mögen, jeigen, unb 
ftnb bie ärgften SRappelföpfe, bie e§ j|e gegeben; gelten nur 
in§ Sl^eater, wenn ,bie SSerfd^wörung beö ffieSlo', ,2Bil- 
l^elm SeH', ,ÄabaIe unb Siebe' ober ,6milia ©alotti' ge^ 
geben wirb. @ie pnb meiftenS arme Seufel unb nel^men 
an allen politifd^en Hä^^^I^^ lebhaften Slnteil, weil fie üon 
ben Surften feiten geliebt werben; unb gu biefcn gebort 
unfer greunb Sol^ann SRömer." 

®ie @!ijgenbfid}er ©ottfrieb ÄeHerS auS ben S^^ren 
1837—38 enthalten me^r ®efd)riebene§ atö ©ejeid^nete«. 
^P^ilofop^ifd^e a3etrad)tungen fiber bie bilbenbe Äunft werben 
l^äupger. TOalerifd^e ?Wotiüe, bie [xä) feinem fci^arfen Sluge 
auf ©pagiergängen boten, werben erft furg notiert, aUmd^lic^ 
breit bef d^rieben, f o : beftimmte malerif d^e ^artieen am aibiS, 
an ber @il^l unb Simmat, beim Älofter ^oijx, fleine SSBaffer- 
fälle mit Reifen unb ©eiben, am SBolf* unb Hegtbac^e. 
©iefeö SSefd^reiben gel^t nad^ unb nad) in malenbcffiid^tung 
fiber. 3- 33. „3lbenb. 6in reigenber See Don rötlich 



9WaIcrif(^e8. 77 



fc^immcrnbcn ©cbirgcn umjogcn; bcr Slbglanj bcr fd^önftcn 
abcnbrötc. fRtä)t^ im SBorgrunb auf einem ^ügel ein Äird^» 
lein mit einem fleinen Äird)l^ofe üoC Slnfer, Äreuje unb ber* 
gleid)en. hinter bemfelben erl^ebt ftd) eine [teile fd)ön ge« 
fonnte gelöwanb, tt)eld)e mit bem ÄIrdbleih bunfel in bie 
feurige 2uft t)inauSragt. aud^ glänjt lefetere burd^ bie 
gotifd)en burd^brod^enen genfter unb S;ünnd[)en beS ®otte3* 
^au«d)en«. ein fd)längelnber SBeg fül^rt burd^ ©ebüfd^ ju 
bemfelben empor; linfe aber fül^rt er in ein l^eimlid^e« ©örf« 
d^en, oon bem man aber nur einige @trol^bäd)er l^inter 
Säumen l^erüorragen fielet, ©ine ebenfalls öon ber gefunfnen 
Sonne gerötete SRaud^fäuIc fteigt ftiH in bie fc^on bämmembe 
Suft unb oerffinbet bem a3efd)auer, bafe bie l^armlofen Sc« 
woliner biefeS ftiCen ©örfd)en§ il^re Slbenbmal^Ijeit bereiten. 
S)ie oiolette Dämmerung nil)t fd^on auf biefer Seite unb 
toirlt wopl^uenb auf bie §elle, bie nod^ jenfeit« über bem 
©ee leud^tet. Staffage: ein 3!Käbd^en mit einem fleinen 
Knaben, weld^e oom ^rd^Iein l^crlommen." 

„Äornfelber oon ber Sonne l^eife unb golben beleud^tet, 
bie ftd) in ferne Sriften oerlieren, weld)e Don cijurblauen 
Sergen begrenjt werben. ®er SBorgrunb eine länblidie 
ÄapeUe, oom alten 5Ru6baum befd^attet, bann ein fül^lenber 
Sad^ mit blumigem S3orb unb lin!ö eine ©ruppc jüngerer 
fd)Ianfer Saume. S)en SSorgrunb bilbet eine erquicfenbe 
Iräftige Sc^attenmaffe, welche bie oon ber 5RittagSfonne 
beglänjten gelber um fo brennenber l^eroorl^ebt. Unter bem 
tt)irtlid)en SBorbad) ber ÄopeCe eine ©ruppe oon Sanbleuten, 
loeld^e, am Soben l)ingeftrec!t, il^r einfad)e§ 9Jlal^l geniefeen, 
öon muntern Sd^erjen, oon bcr greube über bie reid^lid)e 
(grntc geiofirjt." 



78 SWalcrifc^cS. 



„©ilbc, aber crl^abcnc ©cbirgSlanbfd&aft. 3>m redeten 
SBorbcrgrunb ein uralte« funftlofeS ©rabmal mit 9Kooö unb 
gpl^cu fibenDad)fen. am gufec bcSfelben ein $aufe öon 
3!Kenfd)en= unb Sterfnodien , 9Renfd)enfd)abeIn unb $ferbe= 
fopfen, auc^ etwa ein nod) mit ben Römern öerf ebener 
Dd)fenf(i^abel, alleS wilb burd^ einanbergeworfen unb mit 
ÄrSutem unb ©rag burd&madifen. Über bem ©rabmal 
ergebt ftd^ eine abgeftorbene Sici^tc ober lanne. ®cr ganje 
33orgrunb mirb burd^ einen ben SRittelgrunb bilbenben 
pnftem Sannenforft cingefd^Ioffen, l^inter meld&em mäd^tigc 
Serge ftc^ erl^cben. ©ie 2u[t befielet beinahe auö einer 
einzigen fd)tt)argen SffiettermoÜe, meiere oon einem blenbenben 
©onnenftral^l burcl^ftod)en mirb; biefer beleud^tet nur baS 
©rabmal mit ben ©ebeinen , meld)c atö bic einzige gic^t^ 
Partie baö pnftere raul)e S3ilb bominicren. 6in feltfomer 
9Jlann fielet nad)ben!enb baoor auf einen Büttel geftfl^t/ 

„@ine ßid^enfamilie. Saumgruppe, an einem Abfange 
ein feiner äfte beraubter, längft abgeftorbener @id)ftamm mit 
einer biegten SJlooöbecfc flberjogen, aW ber Urgrofeoater biefer 
Samilie. ^i^m jur Seite jmei ebenfalls alte, fd^on oieler 
aSlätter unb Slfte beraubte, bod) noc^ mächtige ©id&en, alö 
feine @ö^ne; um biefe l^erum mel^^erc {fingere ©id^baume 
in ber öoHften Äraft unb enblid^, um alle unb jmifc^en 
allen l^erum »erteilt, gang junger 6irf)enfc^lag ate bie 
fpäteften en!el beö alten ©tammS. ©iefeö gange Heine 
SBälbdben ift nac^ unb nad^ au§ ben %xüä)kn beö alten 
ermad^fen unb fd)u^t unb et)rt i^n {e^t, ba er feinet 
@d)muc!eg beraubt ift, mit feinen jungen grünen 2aub» 
gemölben. (Sine ©c^ar öon SSögeln fliegt au5 unb ein bei 
biefer e^rmurbigen ^auöl^altung." 



gWalcrifd^c^. 79 



®aran rcil^en ftd^ ©rgfiffc tt)cl)mütiger SJrt, etoaS wie 
©rfinc ^einrid^^Stimmung: „greife bcr Sl^or ftdb glücflid), 
bcr nie bcn inncrn SBcrt bcr Äunft cntpfunbcn f)at\ ©cnn 
in fcligcr Srägl^cit fliegen feine Sage bal^in; wäl^renb ber 
anbere, baö Sid^t im Sluge, feine SRul^c jerfcfet, raftloiS fein 
Sbeal oerfolflt, baS Seben ocrfd^ergt, pd) burd^ringt, um — 
am Skk ju ©runbc gu ge^en". ©n Äellerfd)c8 ©tamm» 
bud^blatt aM biefer ^eriobe lautet: 

„©ort, tt)0 ber SBeltgeift in ftiCer ©röfee waltet, immer 
neue SEßunber fd^affenb, am ©onner beS fd^äumenben SBaffer« 
faUeö ober beim ®lanje jener Ieud)tenben ©^fteme, bie über 
uns ftd^ freujen,. finbet bcr wal^rc SRcnfd) feine l^ciligften 
©tunben. @o aud) ®u, mein iJreunb! ©u ftcl^ft am ©in« 
gange einer ©pod^c, bie ©ir taufenb ©cnflffc in fteter SJb» 
ttcd^Slung barbieten wirb; aber über allen SBunbern ber 
gerne ocrgife nie bie J^^rrUd^e SRatur, bie filbemen ©ebirge 
©eineiS SSaterlanbeö unb ben, ber biefe S^il^n ©einem 3ln* 
benfen fd^reibt!" 

(®efd)rieben ins ©tammbud^ meines greunbeS @arl 
gämmlin oon @d)apaufen *) , Dftem 1837.) Unb ein 
anbereS Sllbumblatt für gerbinanb SBul^rmanu-fprid^t folgen» 
bm @eban!en auS: 

„SEBenn ©u !annft, fo lafe ab oom Äleinen unb fud)e 
baS @roge! 

Sürid^, b. 27. 3uli 1837." 



♦) 6arl .^einrid^ ßämmlin, Ul^rcnmac^cr, @ol^n bcS ©tabtrats 
gämmlin auS ©c^aff^aufen, geb. 1818, ftarb fd^on 1848. 



80 ^nna. 

SJud) öon feiner fortgefefetcn maffcn^aftcn Scftürc giW 
ber SöttßWng 3fled)enfcl^a[t unb fd^ilbert neue ©inbrüdfe. 
60 lernt er im Suli 1838 $auff§ SEBerle fenncn, Salgüc« 
p^ilofopl^ifd^e ©tubicn. S" SSiftor ^ugoö Srauerfpicien be* 
nterlt er: „Sucretia Sorgia'' fd^eint mir gu ftarf für bic 
SBül^ne gu fein. 6§ ^ufen ftd^ ba fo öielc Wiffet^aten, 
SBlutfd^anbe, Vergiftungen u. f. w., als fie nur irgenb ein 
übertriebener oerungludfter Jragöbienfd^mieb anl^äufen fann. 
3ebo(]^ pnb fte faltifd^. ,9J?arie Subor' unb ,ber Zx)xam 
üon ^abua' ftnb wal^rl^aft fd)öne ©toffc. ®er ©til er* 
innert mid^ gang leife an @^afefpeare. Scbod^ befriebigt er 
nid^t gang. @r mag bod) ein tt)enig gu einfad^ fein an 
manchen ©teilen." 

Unüermerlt ftcllten ftd& aud^ bie erften SBerfc ein. ©ne 
garte Sugenbliebe unb ba^ .^ergeleib um bie frul^ ©efd^iebene 
l^at biefelben gegeitigt. ÄeHcr l^atte feit geraumer 3^^ ^^e 
9ieigung gu ber ©d^wefter eines frül^em ©d)ulfameraben, ber 
2od^tcr eines Sondier ^afnermeifterS, gefafet. Henriette 
Äeller (geb. 1818) ^ie^ baS fd)Ianfc Iieblid[)e SKöbd^en. 
6S tt)ol)nte mit feiner SJlutter, bic üon bem oerfal^renen 
©atten gefd^ieben mar, bei ber SJlutter beS ©id^terS unb 
brad)te oft gleid)geitig mit biefem bie ©ommertagc in 
©lattfelben gu. 3l^r JBruber, ßbuarb ÄeHer, üon JBeruf 
Säcfer, trat fpäter in ncapolitanifd^e ©ienftc unb ift oer« 
fommcn. ®ie gamilie jicbelte üon Qüxiij nad^ SRid^terSmeil 
über. 3!Kit ftcbgc^n Salären begann Henriette ftd^tlid^ ba^in 
gu melfen; ncungel^niäl^rig ift jic geftorben. Sie liegt be^ 
graben gu SRidjterSmeil am Qüx\d:)\^t. 6ine ©ruft ^at 
6n!elin unb ©rofeirater, bei bem fte in ber legten ßcit meilte, 
aufgenommen. 9Zad) bem Äird)enbud^e öon 3iidt)terSn)eil 



^nna. 81 

würben am 22. 9Kai 1838 becrbigt: ^cinrid^ ©attifer, 

69 Sa^rc alt unb Henriette ifcCcr oon Sfirid), tt)re§ aitcr« 

19 3a]^rc, 6 OTonatc unb 8 Sage. 3m älteften ©figjcn^ 

bud)c ©ottfrieb Äcttcr« ftct)t unter bcm 14. maV) 1838 

ber lafonifd)c ©intrag: „-ö^tc ftarb ©ic!" ©ingcicgt ift 

eine fd)öne Aquarelle, ben fc^neebebedtten Äird^^of üon SRid^» 

terSweil barfteHenb. SRec^tS t)inter ber grauen Äird^e ragt 

aus bem ©d^nee ein befränjter Sln!er. ^ ^intergrunbe 

ber ©ee unb bie ju beiben ©eiten abfd^liefeenben ^öl^enjfige. 

atuf bcm näd^ften Slatte fielet folgenbeS, leid)t ^einejterenbe 

@ebid)t: 

„5)aS ®rab am SüxxiiUt. 

2Bo bie blaue ^^erne bämmert 
Sin bem l^eQen SBafferfpiegel 
?tcgt ein flurenreic^eS S)örfc^cn, 
Unb im 3)i$rfc^en liegt ein ^rc^l^of. 

Unb im ^(^^of mdibt ein ®rab fic^ 
^x\i) unb meit^ benn e§ um [flieget 
©ne frül^ üerblic^nc Jungfrau, 
©nen alt cl^rtoürb'gcn ®rei8. 

%[uf bem teuren ®rabe billiget 
Sine feufc^e meige 9{ofe 
9?eben einem Sorbeerftrouc^e, 
SJon ber Siebe brauf gepflanjet. 

Unb menn ic^ ba§ ®rab erblide^ 
3Bill eS mir bo8 ^erj gerreigen: 
3Meiner !3ng«nb fc^önjieS ^offen 
^at ber Zoi l^ineingelegt. 

3)en 29. a»oi 1838. ®. Ä.^' 

») S)aS S)atum beS 14. fc^eint ni(f)t ganj richtig ju fein. 

Otottfrieb ittller. 6 



82 ^nm. 

®aiS ift bie tote Slnna auS bem „@rünen S£>mxiif\ 
ifönfUcrifd^c Sftüdftd^tcn notigten bcn ©i^ter gu einigen 
älnberungen ber SEBirfltd^feit. ©er ßönd^fcc »anbelt ^ 
gum fleinen blauen ©eelein, an bem il^r Däteriid^ed ^ou^ 
liegt, an bie ©teile beiS unbraud)baren SBaterö tritt ber 
@d)ulmeifter oon ©lattfelben, bei bem ©ottfricb ÄeHer fein 
„^enriettli" etwa gefeiten l^aben mod)te. 

3n ben reid)en ßieberial^ren 1844—45, ba feine ß^rif 
mit faft elementarer ©ewatt ftd& JBa^n brad), galten bie erften 
gieber ber ßrinnerung an bie tote ©eliebte. ©amate entftanb 
ber ßqfluS „©iebenunbjwangig Siebcölieber". ©n- 
gelne§ barau<5 würbe juerft im Stuttgarter ^SKorgenblatt* üon 
1845, bann im 2. Sanbe üon SröbelS „©cutfd^em Saferen- 
bud)" (1846), üermel^rt im erfien Sanb ber ©cbid^te (1846) 
mitgeteilt. 3« ^^^ ©efammelten ©ebid^ten fielet faum noc^ 
bie ^älfte jener Sieber, unter ber SRubrif: „@rfteö Sieben*. 

5Rit bem ftimmungSüoHen, oon SBil^elm Saumgartner 
fo fdbön fomponierten 

„^d) miQ fpiegeln mic^ in {enen S^gen, 
!$)te mie ^ünbenmipfelmel^n entfielen, 
9ßo bie SUberfaite^ angefc^Iagen, 
^(ar, boc^ bebenb gab ben erften Son'' 

l^ebt ber ßqlluS an. 3n jener entfd)tt)unbenen Qüt ift bie 
Sugenbliebe leife ertt)ad)t. ^alb Äinb, l^alb Süngling fanb 
er fte unb läfet fie fUngenb mit i^rem ganjen ^ofe bei fid^ 
eingießen. ®cm in grüner Saubc oon ber ^imrnelöleiter, an 
welcher Siebeöengel auf= unb nieberf d)n)eben , Sräumenben 
unb plöpd^ enoac^enben öerrät ftc^ baö fliel^enbe giebd)en, 
ba§ i^n belaufd^te. ®ie Sommernad^t Ieil)t il^m alö Saiten» 
fpiel all' i^re ©ilberbrünnlein jum ©tänbd^en; bie Sterne 



©iebemtnbstoanstg Siebedlieber. 83 

Icud)tcn il^m als %adütxaQeT. ©einem ©ottc, ber il^m im 
Sergwalb crfd^eint, plaubert er nur oon feinem fd)önen Äinb 
unb erl^ebt feine ©timme gu ber l^erjüd^ften Sitte um eine 
SRitgift — 

„1>ann trug ic^ il^m anö) Hagenb Dor, 

2Bte ic^ fo gar ein armeS Slut, 

Unb bat barauf um ^aud unb ^o\, 

Um Xifc^ unb ©c^rein^ um ®elb unb ®ut, 

Um ©arten, i^elb unb 9leben(anb, 

Um eine gange ^etmat traut, 

3)arin ic^ 1)xäf empfangen fönnt' 

ätö reic^gefd^müdte ^ergengbraut'', 

morauf itim ber ^err feine gange ©d)öpfung gur SSerfügung 
fteHt, il^m ben blü^enben Seng als Srautfül^rer, il^r Slnmut 
unb immergrünen 3ugenbfinn alö ßl^renbame unb 5|Jage gur 
©eite gibt, ©o ift baS ^auö, in meId)eS bie ©eliebte ein= 
gießen foll, aufs befte befteHt. ßinft l^at bie Äird)e beibe, 
mie gmei Sifci^c ^m SRefe, eingefangen. SBä^renb bie @e« 
meinbe fd^läft unb bie lange bünne ^Prebigt mie ein freunbs 
lic^eS, burd) ©ebüfd) murmehibeS SEBiefenbäd^Iein ftd^ um bie 
^Pfeiler fd)längelt, xoai^m nur er unb bie 2iebfte. 3m §erbft, 
als baS Saub jtnit, trifft er jie im SSBalbe. 8luf bem blaffen 
Slntli^ liegfS mie feierlid^e SBerflärung bei erlöfd^enbem 
abenbrot. ©er SBinter nal^t. Siebd^en liegt ernftlid^ franf. 
SBieberum ^^ling. ^^acintl^en buften l^inter gcfd^loffenen 
Senftern. SBeifee SobeSrofen blül^cn auf- ben bleid)en SSBangen 
ber Sungfrau. ®er 5Rai bettet fte in ein SSlumcngrab. 

„3a, baS ifl ber alte Ätrd^l^of, 
3)er in blauer 3lut ftc^ fpiegelt, 
Unb in feiner bunfetn @rbe 
?iegt mein ^ciligjieS öerficgelt." 



84 ^n Sodann ÜWüücr in 3Rün(^en, 20. Suß 1839. 

®er ©id)tcr aber frf)aut trofeig in bie aufgcl^cnbc Sonne 
unb in baS oor il)m liegenbe geben. 

3m ^Ralwefen voax eine Stocfung eingetreten. ÄeDerS 
SJlcippen weifen au« biefer ßcit "u^ wenig auf: eine ^eber* 
geid^nung ber ßfirid^er Saftion, ^bie Äa^'" gereiften, mit 
bem SBaffertunn, eine anftd^t ber fogen. a^feföbrürfe über 
bie @latt bei ber alten SRangoIb^bnrg (&rü]^|a^r 1840), 
fomie jmci SBebuten üon SRid^tcrSmeil. ©agegen Ia§ unb 
fd^rieb er unaufl^örlid^. 

6r war jefet gmangig S^l^re alt geworben. @§ liegt 
ein Srief oor, in weld)em er ber bamaligen unbe^aglidien 
©eburtötagftimmung SluSbrucf öerlei^t. ?D?an wirb i^n 
nid)t o^ne Sewegung lefen. ©eine SuPwd)t w"i> fein Srofl 
ift auc^ bieSmal wieber bie SJlutter 9latur. 

3ürtd6, t>en 20. 3uH 1839. 

„9Rein iJreunb ! ©eftern bin id^ unter einem 

fd^recflid)en ©onnerwetter in mein einunbjwanjigfteö 3o^r 
eingejogen. 5Run bin id^ ooCe gwangig 3a^r alt unb fann 
nodi) nid^tS unb fte^e immer auf bem alten %kd unb fe^e 
feinen Sluöweg, fortguf ommen , unb mufe micft ba in Sund) 
l^erumtreiben, wäl^renb anbere in biefem Sllter fd^on i^re 
Saufbal)n begonnen ^aben. ^Keinen geftrigen ©eburt^tag 
^abe irf) auf eigne SBeife gefeiert, ^d) fafe eben trüb unb 
oerftimmt in meiner i?ammer unb überfat) mein bisherige« 
regeÜofcS unb oft fd^lcd)t angewcubete« geben, weId)eS wie 
ein oerborrtcr unb abgehauener Saumftrunf l^inter mir im 



') 5Küacr lag bamalö feinem S(rd^ite!ten«(Stub{um in aJWnd^en ob. 



3. Sin Sodann SWüacr'tn ÜWünc^cn, 20. Suli 1839. 85 

-^ — — - - — ■ I 

ffircci lag, unb gucftc neugierig in meine 3utunft, weld^e 
wie ein unfrud^tbarer ^oljopfelbaum ebenfalls üor mir im 
®redE ftunb unb mir burd)au§ feine erfreulichen Slfpeften 
gewähren wollte; alfo in meiner Äammer fafe id) unb t)egte 
grämliche ©ebanfen. ©a bad^f id): maS frommt bir ba§ 
©rübeln unb SJlurren? ®u mufet l^inauS unb beinen ^af)x^^i^ 
tag feiern mit ©lanj unb ^i^eube. 

Unb auf fprang ic^ unb nat)m 9)füfee unb @tocf; wie 
id^ aber in meine 3:afd)e griff (unb ic^ ba unter ^tmx\teimn 
unb abgeriffenen Änöpfen blofe einen roftigen 33a^en oorfanb), 
ba üerfd)mamm aller @lanj unb ©d)immer wieber in einen 
nid&tigen flin!enben SRaud), unb id) fanf ganj medöanifd^ 
unb langfam wieberum in meinen ©orgenftu^l jurüdt. ©a 
wäre es mir balb weinerlid^ im §erjen geworben; oon aUen 
meinen Se!annten ^atte [x6) ^eut fein einjiger feigen laffen; 
benn wo fein @elb ift, ba gibt'S aud^ feine ^reunbe, baS 
ift ein alter @a^, urfb ic^ mufete alfo meinen ©eburtstag 
mit burftiger Äe^le unb niebergefd)lagenem ^erjen in meinem 
Kämmerlein oerjtfeen. 

©0 flebte ic^ auf meinem ©effel unb fc^nitt jämmerlicfte 
©eftd^ter gegen meine Staffelei, auf weld^cr bie grofee 2inbe 
im ©d^ü^enplafe angefangen ftanb, als ber %öf)n einige 
SBolfen über bie Sonne jagte unb ein ©ewitter oerffinbigte. 
$löfelid) ftac^ ein wunberlic^er ©ebanfe burd^ meinen i?opf, 
unb id) fprang 3um jweiten ^}Kal auf, bie Sreppe l^inunter 
unb ^inauS über bie Sil^lbrücfe unb l^ielt nid^t an, als bis 
id) oben auf ber ©pi^e beS ÜtlibergeS ftanb. ©ort fefete 
id) mid) unter ben großen iJelfen am „Seiterli" , ftopfte 
etwas ruhiger meine pfeife unb fing mit langen maieftä» 
tifd)en Qü^m an ju raud^en, bafe id) l^inter bem ©ampfe 



86 3. STn Sodann ÜWütter in ÜRünc^eti, 20. Suli 1839. 

bic 5cme nid^t mcl^r fal^. Unterbcffcn l^attc pd^ bcr ^immd 
gang mit QimilU aberzogen; nur gegen bie Sllpen ^in »ar 
e§ nod) offen, obgleid) bunfel. Salb begannen bie Sli^ 
ftd) ju freujen, unb ber ©onner ftimmte feine unterften 
JBafefaiten an gunt beoorfte^enben i?ongerte. S^ merftc 
fcfton, bafe id) nid)t üergebeng ba l^inauf gerannt fei, unb 
freute mid^ inniglid^ auf baiS @d^aufpiel, ba^ ftd^ je^t 
tt)irfli(^ mit aQer $rad^t Dor mir eröffnete. 9iing$ um mic^ 
löer breitete ftd) bie weite 5eme aui5, oom ©ewitter oer« 
bunfelt, unb nun beule 2)ir ben göttlid^en Slnblid, n>enn 
ber rote 33life auf ein 9Kal bie gange pnftere Sanbfd^aft er* 
Ieud)tete, fo bafe man einen SlugenblidE lang tief in bie 
glfil^enben @d)neeberge unb @Ietfd)er hinein fa^ unb nörblid^ 
burd)§ gange fiimmattl^al l^inunter unb \n§ SR^eint^al l^inüber 
alle bieÄird)lein unb ©orflein glängenb im rotlid^en gierte, 
bis wieber plö^lid)e fJinfterniiS alleiS bebecfte; unb bann im 
SSorgrunb bie !raci^enben ©id^en unb Sitzten unb bic 
fd)tt)argen 9iagelflut)maffen , unter benen id^ fafe. 3d^ fage 
®ir, e§ war ein ]^immlifd)er SJnblidt, unb ic^ l^ätte mir 
biefe ©tunbe um 100 5!Kafe JBier nid)t abfaufen laffen. 

®a§ ©ewitter ging oorüber; bie ©onne ftad) blutrot 
nod) ein 3!Kal burd) SBolfen l^eroor unb fan! bann hinunter, 
unb id^ l^umpelte ebenfaHiS wieber gufrieben unb glüdElid^er, 
als id^ fl^^offt l^atte, ben Serg hinunter, ©o l^abe id^ 
biefen Sag gefeiert unb mad^e ©ir bie S3efd)reibung baoon, 
auf bie ©efa^r l^in, ba^ ©u mid) als ein ^amel auSlac^ft. 

gebe wol^l unb fei folib!" 

©em ungewiffen 3uftanbe mufete ein (5nbe gemacht 
werben. Äeller fafete ben tapfern 6ntfd)lu6, mit feiner 



2)cr @trau§^anbcl. 87 



Äunft oon oomc anjufangcn unb eine rcgelrcd^tc @d)ulc 
burd)3umQd)cn. 6inc SJnga^I junger Sondier ihipferjtcd^er, 
i^oloriften unb SJlalcr, barunter naivere Sefannte, befanben 
ftc^ in SSMnijtn. ©ort war aud^ Sodann SJlüHcr. ©ort* 
^in ju fommen, war nun fein Streben. 

9lod^ foCte er in ber ^eimat S^WÖ^ cine§ geräufd^üoCcn 
öffcntlid^cn ßrcigniffe^ werben. Seit ber Sulireüolution we^te 
aud) burd) ben i^anton Sfind^ ber frifd)e ^aud^ ber neuen 
Seit. ©a8 ^errfc^enbe rabifale ©Aftern ftüfete pd^ nament» 
lidl) auf bie oon ber langen ftäbtifd)en Unterjod^ung entlaftete 
£anbfd)aft. ©ie Suß^^b warf pd) mit Ungeftüm ber frei« 
l^eitlid^en Bewegung in bie 8lmte. Jnbeffen würbe ^öd^ft 
unHug ber Sogen ju ftraff gefpannt. ©ie Sondier 9iegierung 
erregte burd) bie ^Berufung oon ©aöib g^i^brid^ ©traufe 
auf ben Sel^rftul^l ber neuteftamentHd)en Sl^eologie an ber 
fianbeSuniüerfität grofee Ungufrieben^eit unter ben Äonfcrüa* 
tioen unb ber 9Rel)r^cit be§ 2anbüoIfe§, baö.in ©laubenö* 
bingen feineSwegS rabifal backte, ©ie ^Bewegung, pben 
unb brüben gefd^ürt, griff brol^eub um pc^. 81m 6. @ep* 
tember 1839 führte ber fanatifd^e Pfarrer SSeml^arb ^irjel 
einige taufenb 5Ränner ber 2anbfd)aft gegen bie @tabt. 
©ottfrieb Äeller, felbftoerftänblidö ein eifriger „Strauß", 
b. 1^. ein SRabüaler, befanb pd) wä^renb jener ftürmifd^en 
^erbfttage in ©lattfelben. Slm SBormittage be§ 6. September 
war er eben mit bem Ol^eim @d)eud^jer mit 6mben be* 
fd)äftigt, als e§ ©türm läutete. 6r warf feine ®abel weg 
unb eilte, ol^ne etwaö ju gcniefeen, nad^ ber entfernten 
^auptftabt, feiner bebro^ten SRegierung beijuftelien. 5Ran 
riet il^m an, nid)t auf offener ganbftrafee, fonbetn auf fjufe» 
wegen Qüxiä) gu gewinnen, ba er al§ ein „Straufe" üon 



88 STbfc^icb »on 3ürt(^. 



bcn JBaucm totgcfd^lagcn werben !önnte. Sefanntlid^ loftete 
biefer ^Putfc^ ber oberften ganbe^bel^örbe tt)re ©effeL Sür» 
germeifter ^efe, ben ©ottfrieb Äeller feitbem grimmig l^afetc, 
»urbe an bie ©pifee ber neuen SRegierung geftcHt. 9lur 
langfam Kühlten ftd^ bie @emäter ab. 

Sine fleine Däterlid^e @rbfumme lag in @lQttfeIben 
unter ber SSerwaltung beS Dl^eim^. 6S beburfte einer be* 
fonberen ©i^ung ber ©emeinbebel^örbe , beren SScrIauf in 
bem Äctpitel „®a§ ^Pergamentlein" im neuen „©rfinen ^ein« 
tid^" iebenfaHS mieberum nad^ bem Seben gefd^ilbert ift, 
unb ber einpufereid)en gfirfprad^e beS SSormunbeS, um ba« 
6rbe l^erauSjubelommen. ©ottfrieb ^tütx betrieb im ©pot- 
^erbftc bie Slngclegenl^eit felber. ®ie OTutter forbertc i^n 
gur ^eimfetir auf: „®a§ fd)öne SEBetter gum Qcii)nm mirb 
ma^rfc^einlid^ üorbei fein. SEBenn ©u megen bem ©rbgut 
weiter ©id^ nid)t aufgul^alten l^aft, fo ift eS beffer, ®u 
lommeft nad) ^aufe, um ©id) ber Äälte unb bem ©efpött 
ber fjrauengimmer nic^t länger auögufe^en. ©eine SBärme 
gegen fie wirb freilid^ gegenwärtiger SEBitterung gleid^ fein.* 
©aS alte ^ergamentlein üon 1539 , ba§ „feit brei^unbert 
Salären üon @efd)le(^t gu ©efd)lec^t gegangen'', würbe oer» 
ftibert. (gin 3 weites 00m Sa^re 1583 blieb ate 9lotpfennig 
unangetaftet unb l^at pd^ bis auf ÄellerS le^te S^^rc ^inau^ 
in beffen SSeft^e befunben. ©ann fd^icfte er ftd) 00U Un* 
gebulb unb l^offnungSreid^er SEßeltfreube an, feinen SBünbel 
ju fd^nuren. 



2. |tt ^ünditn. 

(üKat 1840 bis DJoücmber 1842.) 

©ottfrieb ÄcHer ftanb im cinunbgwanjigftcn 2cben§= 
jal^rc, afö er Sfind^ in ber abjtd)t, bic Slfabcmic in 9Äün« 
cften 3u bejicl)cn, üerlicfe. Dl^ne bic SluSfcrtigung feines 
SReifepaffeö abjuioarten, eilte er Qd)t Sage nad) Dftem, 
am 26. Slpril 1840 fort, bare fünfjig ©ulben, ungefähr bcn 
üiertcn Seil feineö üäterlic^en (grbguteö, in ber Safere. ®a§ 
Serjeic^niS ber mitgenommenen ^abfeligfeiten meift u. a. ein 
©nfeenb S3üd)er auf, neben gmei JBänben ©oet^e, neben @a* 
lomon ©efenerö Sriefmed^fel mit feinem ©o^ne, ben bciben 
Sriebrifen (öon iJreieifen), einer SR^t^oIogie xinb ©iberots 
Serfud^ über bie ^Malerei — Änigge, über ben Umgang mit 
SOienfcften, fomie eine glöte. ©aju brei 6fijjenbüc^er unb 
ebenfo oiele 3Jfappen, gefüllt mit ©tubien, Äupferftic^en, SBor« 
lageblättem oon Galame u. f. m. ®ie erfte Station mürbe 
in bem benad^barten tl^urgauifd)en grauenfelb bei Sodann 
9Jtüner gemad)t, mo^in aud) ber 5ßa6 nac^fam. ©a berfelbc 
jebod) fälfc^lid^ nad) 3tcilien oijtert mar, oerjögerte pc^ bie 
SBeiterrcife bis ju 6nbe ber erften SKaimod^e. ©er 5Rutter 
banfte er oon l)ier auS — ol^ne S^^iM öIS @rja^ für ben 
füllen mflnblid)en 9lbfd)ieb — brieflich für alles, maS fie 
bisher an i^m get^an; er anerfenne eS mot)l, tro^ feiner 
raul^en Slufeenfeite. (gr fönne nun einmal feine fd)önen 



90 2)tc SRcifc. 



SSBortc ntad^cn, empfinbe aber allc§, waS ein rcdjtcr So^n 
cmpfinbcn müffc. 

©ic fjatirt ging — wie e§ im alten „@rünen ^einric^* 
l^eifet — „ben SR^ein l^inauf unb puffen« Sranbftättc üorbci". 
ßinem SlnPug oon ^einefterenber Saune cntfprangcn ber 
©rinnerung fpäter (1844) bic SSerfe: 

,,93ei ^oftni^ brücT ic^ bie Sugen }u, 

3)a8 ift eine böfe ©tabt, 

9ßo (ic^terloj^ gebrunnen l^at 

©er ^ug. 2»etn ©^tff, fa^r ju!« 

Unter abermaligen ^inbemiffen mürben 3U ©d)iffe Slorfc^ac^ 
unb fiinbau erreid)t. SBon ba füt)rte eine eben l^eimfal^renbe 
ÜKünd^ener Äutfd^e bie SReifenben anö 3iel. ÄeHerö ©efäl^rten 
maren ein 2anb§mann, ber taubftumme Porträtmaler Ulrich 
©teffen auS SEBüipingen, fobann ein Potter junger gqoner 
^anbmerler unb ein norbbeutfd)er i^aufmann. Sei ber erften 
SJlittagSraft in 9Äemmingen trug pc^ jener Heine Sioifc^enfall 
ju, ber abermaB im frühem „@rünen ^einric^" erjäl^lt mirb. 
i?öniglid)e SSeamte nehmen bem iugenblid)en SReifenbcn, ber 
beim JBerlapen ber ©appube feine SHü^e etmaS üerfrü^t auf= 
gefegt, biefelbe üom Äopf t)erunter, worauf ber @raf ben 
©ebemütigten in ©d)u^ nimmt. 5Rur pafperte bic ©efd^id)te 
bem Sqoner Sönglinge, meld)em ein bairifd^er Preisrichter ben 
6i)linber^ut herunterriß, um i^m SRefpeft üor beö Äönig« 
fRod beijubringen. ®er norbbeutfd)e Äaupnann, ber feit 
jmangig 3öl)ren in 3!Kemmingen anfel^rte, erflärte bem SBirt, 
er werbe bie grobe ©tabt oon nun an meiben. 

3n 3Kfinc^en beaog ©ottfrieb ÄeHer fürs erpe 3a^r baö 
an ber 9teul^auf erpraße 9Zr. 22, rücf märt§ . über brci Stiegen 
gelegene ßiwni^t, n)eld)e§ fein greunb Sodann SHüHer Kirjlid) 



aRünd^cn. 91 



ocriaffcn l^attc. ®er 9Äietöt)err war cm ärmlid)cr ©d^ncibcr. 
3m Dftobcr rudEtc ein ©tubengcnoffc, ein Sünc^^r JBcfanntcr, 
%i]ditr, Äolorift, nad^, mit bcm er big jum näd^ften %xixlj^ 
\a})x jufammen Raufte. ®ann ftebeltc er in bie Serdbenftrafee 
9?r. 40 unb im ffrfl^ling 1842 in bie Sd^üfeenftrafee 9lr. 3 
über. 2)ie neue SBelt fom il^m glängenb unb bunt genug 
üor. 3Jlfind^en befanb pd) bamatö unter Subwtg I. in 
blü^enbftem Slufjd^wunge begriffen, gumal nad) ber fünftlc» 
rifc^en Seite. ©d)on pruniten bie großen JBauwerte; bie 
feierlid) fteife gubwigi^ftrofee war angelegt; l^unberte oon 
Äünftlern arbeiteten für ben i^önig. 3m „@rünen ^einrid^" 
ift biefe rege Äunfttl^ätigfeit gefdjilbert. Sie bort erwähnten 
üergolbeten SJI^nenbilber, bie in ben ©iefe^äufem eben ooH* 
enbet würben, ftnb @d)n)ant^aler§ 2BittcI§bad)er Statuen für 
ben Sl^ronfaal; bie oon einem fd)Iid^ten SReifter bemalten 
langen fallen mit italienifd)en unb ]^ellenifd)en 8anbfd)aften 
Äarl SRottmannS berühmte %xz^tm in ben Slr!aben unb in 
ber neuen ^inafotl^ef. SJm wenigften bel^agte bem SReuUng 
bie eingeborene Seöölferung. 3« unwirfdjer Erinnerung 
trug er 1843 als Anfang eines Sonetts bie 3Serfe in fein 
Sfijjenbud^ ein: 

„(Sin Keberlid^eg, ftttcnlofc» 5«cp 

9Soö ganatiSmuS, ©rob^eit, Äätbertreibcr, 

Sott ^eirgcnbitber, Änöbcl, SRabimeiber.'' 

©agegen lebte er fid) gleich in bm erftcn Sagen in 
einen engen ÄreiS üon Sd)tt)eii\ern ein, bie abenbS beim 
SBagnerbräu gufammenfamen, barunter ein um fünf ^aijxt 
älterer 3firid)er SanbSmann unb SRad)bar Dom SRinbcrmarft, 
ber 9Kaler §egi, fomie ein Stubierenber ber (S^cmie, ber 



92 2)ic 5Walcr: ^cgi, S3€nbcl. 

nachmalige trepd^c 8lrit ^erbinanb SB^blcr aud Slarau. 
3^ncn fd^Ioffcn jtc^ an bcr talcntoolle 9KaIcr SRubolf Seemann, 
ber biebere ^ani^ Senbel au§ ©d^apaufen, ein gieblingö* 
fd)ülcr Äaulbad)S, ber Äupferfted)er g. S. SBerbmüIler öon 
Süric^, ber SWalcr ßbuarb Süffert aui^ Safel, ber ©t. ©aUer 
6mil SRittmejjer, ebenfaüi^ Äaulbac^jd)üler, ber luftige Src^i* 
teft Äarl 6urti üon SRapperi^meil, fpater ©tabtfd^reiber ba« 
felbjt u. a. ®ie in SRünd^en flubiercnben l^elüetifc^en Sung* 
linge l^atten pd^ furj guüor gu einer SanbSmannfd^aft ju* 
fammenget^an, bie inbeö, obrigfeitlic^ niemals beftötigt, auf 
fd^wad^en güfeen ftanb unb frol^ mar, fünftlerifc^en S^road)^ 
ju erl^alten. 

Sol^ann ©alomon ^egi, juerft wiber feinen SEBillai jum 
Kaufmann beftimmt, befud)te feit brci gö'ji^^" bie TOflndjener 
3l!abemie unb lag ber ^iftoriem unb ©enremalerei ob. 1844 
ging er nad^ ®enf in bie ©d^ule ^omungS, ein 3<i^r 
fpäter nacö ^arig. 1849 unternal^m er eine fünftlcrifd&e 
©ntbecfungSfa^rt nad) SBl^xto, üon ber er erft nac^ elf 
3a]^ren in bie ©d^meig gurücffe^rte, xoo er abwed^felnb in 
©c^apaufcn unb ®enf afö S€id)ner gu naturroiffenfc^oft* 
lid^en SBerfen tptig war. $eute lebt ber alte ^err in guter 
SRüftigfeit in ßünd). ©eine mejrüanifd^en ©figgenbüc^er ent^ 
l^alten ein namentlid^ in etl^nograp^ifd^er ^inftd^t auger« 
orbentlic^ reiches 9Jtaterial. 3Kit ©ottfrieb ÄeHer, bem er 
in allerlei 9Wten unb 5ä)^rtid)feiten ein treuer Sreunb würbe, 
blieb er bi§ gu beffen Sob in SJriefnjed^fel. 

@inen anberen braoen £anbiSmann fanb Jteller an 
^ani^ Senbel üon ©d^apaufen. ©erfelbe, 1814 geboren, 
roax mit gmangig S^^i^en als t^lac^maler nad) Wandten ge^ 
manbert unb bei ^ofoergolber ©pal^n in Slrbeit getreten. 



^anS 53cnbcl. 93 



5n ber SRcftbeitj ober in bcr Scurfjtenbergifcöcn ©alerte 
arbeitenb, ppegte er roä^renb ber ^Wittogöpaufe fleifeig Silber 
ju fopieren. ©obei überrafd)te i^n cin[t SBül^elni Äaulbad^ 
unb öertüunbertc ftd^ über bie S^rtiß^Jt beö ^anbrnerferS, 
beffen befd^eibenc ©Mittel bie SluSbilbung ber lange gel^egten 
Steigung bi§ je^t nid^t geftatteten. 6r ermunterte xijn, gang 
gur Äunft übergugefjen unb erteilte i^m felbft ^rioatunter:» 
rid^t. 8luf be§ Sel^rcrö SRat fomponierte SBenbel bie ^aupt» 
ereigniffe ber SlppengeHerfriege. @r gehörte gu ben Dier 
©d)ülem, meldte Äaulbarf) im Dftober 1834 mit auf feine 
gweitc italienifc^e Steife na^m. Slufeer 33enbel unb Slnton 
Jeid^lein gogen nod) gmei ©djujeiger mit, ©buarb ^aufer 
unb 6mil SRittme^er^, beibe au§ @t. ©allen ftammenb. 
Senbel würbe nad^ ber fRüdUifv Äaulbad^S ©el^ilfe beim 
Slluftrieren üon ©oetl^eS unb ©d^illerS SBerfen. ßbenfo 
oerfcrtigtc er S^id^nungen gu §ebel§ ©ebid^ten, gu ^eftaloggiö 
„gien^arb unb ©ertrub", gu 3eremia§ ©ottl^elfö ,,Uli ber 
Äned^t", gu ben „ßnfeln SBinfelriebö" üon ©alomon Sobler. 
(äin Sotentanj in fed^Sunbbreifeig SBlättem erfd^ien 1852. 
1851 ging er nacft ber SBaterftabt gurüd, um bie neu erbaute 
SSilla (S^arlottenfelö mit ©cenen au§ ber @rf)tt)eigergefd^icl)te 
öuögufd^mfidfen. 9tact) SBollenbung biefer Slrbeit erfranfteer 
unb ftarb am 28. 9?oöember 1853 in ©d^apaufen. atubolf 
Seemann, ber allegeit luftige „SRuebi", geb. 1812, ftammte 
aus einem 8largauer $farrl^aufe. 1831 war er nac^ 3üxx(i) 
gefommen, 1835 nad^ SKfind^en, mo er öierje^n Sa^re lang 



9Mc^t 9tcitmeier, roie ^anS ÜWüHer in feinem S3uc^e Söill^elm 
Äaulbac^i 1, 351 unb 360 fc^rcibt. 2lud) ift (Smil «Rittmctjcr (geb. 1820) 
fcincSrocgS „öcrfc^oücn", fonbem lebt nod; in feiner SBaterftabt als 
geeierter 5^nftler. 



94 Sodann ®corg aWüHcr tjon aSpl. 

blieb. 9lac^l^er fjiclt er [xä) an t)erjd)iebenen Orten ber 
©d^roeij auf, öon 1854 an bauemb in Sünc^. ^ier ifi 
er 1865 geftorben. 

Sei einer Swfötnmenfunft ber ©d^ioeijer im „Sutter^ 
melc^ergarten" jur ©entpac^er ©d^Iad^tfeier 1840, gu beren 
Eröffnung ein Sugemer bie ublid^en jipeiunbgtDangig j^anonem 
fd^Iäge mit bem SWafefrug auf einen polierten Sifc^ nieber» 
faufen liefe unb baburd^ ben gellen 3om beS SEBirteö er* 
regte, füllte pd^ ©ottfrieb Äeller lebl^aft öon einem Sünglinge 
üon faum ad^tgefjn ^a^xtn gefeffelt, ber auf einen ©tul^l flieg 
unb mit anftänbigem ©c^wung unb ebler Segeifterung ein 
©d^Iad^tlieb üortrug, baS mit ber fräftigen ©tropfe einfette: 

„3" ©t. 3a(ob an ber 93ir8 

2)a l^aben gel^nl^unbert @ibgenof[en 

31^r roteS 93tut nid^t »ol^IfcU Dergoffen; 

yiii^t bem t^einb, fie ergaben ftc^ nur ®ott 

Unb fc^lugen ber tJeinbe ä^^ntaufenbe tot. 

2)a8 mac^f ouf Einen iu|i il^rer 3^^«/ 

Um ben bleichen SQSeg in ©efeUfc^aft gu gel^n, 

3u ©t. 3afob on ber 93ir8." 

©er ©precfter unb Urheber biefeiS @ebid)teö mar ber 
leiber oor ber ß^t inö ®rab gefunfene geniale Slrd^iteft unb 
©idlter 3o^ann ®eorg 5Küner oon SB^U). ©cborcn 
1822 gu OToönang im Soggenburg, bei Saumeifter itubli in 
©t. ©aKen oorgebilbet, ging ajlüller im 5Roöember 1839 gu 
^riebrid^ ßi^blanb nad^ SKünd^en unb ftanb, ate ÄeUer il^n 
!ennen lernte, eben im Segriffe, ben erften ©d^ritt in bie 
Offentlid^feit gu magen, inbem er fid) an ber Äonfurreng für 

1) 3ol)ann ©eorg SKüßer, ein S)icf)ter- unb ^nftlerleben Don 
emft görfter (©t. ©aücn 1851). 



Sol^ann ®eorg fMUtt tjon SGöpI. 95 

bcn Sau einer Äird)e in SKü^I^aufen mit ©rfolg beteiligte. 
@r war ein [tiUer ernfter TOenfd^, ber jurüdEgegogen nur 
feiner Äun[t lebte, gr üerliefe SRünd^en fd)on im $erb[t 1841 
unb fal^ pd^ unöerl^offt in bie glfidflid^e Sage üerfe^t, eine 
9leije nad^ gtciUen antreten gu fönnen. ©ort fd)uf er feinen 
©ntwurf jur Soßenbung ber fIorentinifd)en Somfa^abe. SlS 
er 1846 Jene mufter^aften ^od^bauten ber fd)n)eigerifd^en 
Siorboftba^n, aKe bie pbfd)en ©tationögebäube unb Sal^n* 
wärterl^äuSd^ett öon SBintertl^ur bis SBeinfelben ausführte, 
erneuerte ÄeQer bie furje 39efanntfd)aft. 3"^ barauf folgenben 
Srü^jal^re ging 5!nüller nad) SBien, entwarf befanntlid^ ben 
nad^ feinem Sob aufgeführten $lan gur SHtlerd^enfelberÜrd^e, 
würbe ^rofeffor ber Saufunft an ber 3ngenieurfd^ule unb 
SJlitglieb ber Slfabemie ber fc^önen Äünfte, ftarb jebod^ mit 
ftebenunbgwangig Satiren am 2. 5Rai 1849. ©ein fünftle= 
rifd^er Stad^Iafe ift längft öeröffentlid^t; aKein eine Samm- 
lung feiner ©ebtc^te, au§ benen 6mft §örfter groben ge* 
geben, ift nod^ unerfüllte ®^renppid^t feiner ^cimat. 

8lud^ wer nid)t genauer mit ©ottfrieb Äelter befreunbet 
war, bel^ielt bm broöigen furgen ©efeHen, ber üon einer 
merfwürbigen Se^enbigfeit war, g. 93. blifeartig fd)nell auf 
einem ©tul^le ftanb, wenn er etwas vorbringen wollte, in 
befter Erinnerung. @o beglüdfwünfd^te tl^n ein el^emaliger 
35iünd)ner SRebiginftubierenber , ber 8lrgt % 3K. Qüxdticv^ 
©efd^wanben auS SJlengingen (QnQ), im Sluguft 1846 nad) 
bem 6rfd)einen ber ®ebid)te mit ben SBorten: „@ö l^at mid^ 
mand^mal l^od^lid^ gefreut, ©ic^ in ©einen ©ebid^ten biö« 
weilen gang in figura unb in ber gangen SBeife ©eines 
SBenel^menS wieber gu feigen, u. a. g. S. wo eS l^eifet, bafe 
©u ®id) baüon ,getrollt mit i^rem röm'f d) = fat^ol'f d^en 



96 Sfteunbc, 

©Cflen' (©cbic^tc 1846 @. 258) ober wenn c5 bei ber 
geueröbrunft fjeifet: ber ©id^tcr ,n)atfd^elt audf ^inau«* 
(@. 212); x6) fc^e ©id^ bann, ben leichten Wantcl umge* 
fd)la0en, mit bunfler cmftcr SJlienc, ol^ne ®ic^ umjufel^en, 
baüon rennen. Unb wenn id^ erft ben ,itüraffier* lefe, fo 
fe^c ictj ®id^ gar etoa burd) ba§ ©enblingcr 3^or in 
SJlflnd^en fjereinge^en, juft öon bcrÄneipe fommenb.* ©er 
Schreiber ^at jicft mit feinem SBruber, bem Wahr laioa 
Sfird^er, ju ÄeHcrö pebjigftem ©eburtiStagc toieber mit einem 
©rufe eingefteüt. 

@in unjertrennlid^eS j^leeblatt, nic^t unäl^nlid^ bem im 
„@rünen ^einrid^" bargefteüten, bilbeten ^egi, 3BqbIer unb 
Äeller. Slnf meine Sitte ijat Sreunb ^egi einige« auS feinen 
©rinnerungen aufgejeid^net. 

„SBie üblid^ — erjä^It er — fafe id^ eineiS abenbö im 9Wai 
1840 mit Serbinanb SB^bler in ber ßjdfneipc ber ©d^rndjer, 
im SEBagnerbräu, beim Äruge, als ein jungcö 9Hännd^en 
l^ereintrat, beffen ©eftalt giemlic^ unter mittlerer $ö^e ge« 
blieben mar. 2luf bem fc^mäd^tigen Äorper fafe ein grofeer 
©c^äbel, mit einem aufS linfe Ol^r gebrücften Sarette ge* 
fd^müdft. Sdö erfannte in bem auffaüenben Stnlömmling 
fogleic^ meinen 9lad)bar auö bem SRinbermarft in ßönd^, 
©ottfrieb ÄeKer, unb rief i^n 3U un§. Ser Unterfd^ieb beS 
altera fomo^l als ber SBcfud^ üerfc^iebener Schulen l^atte 
un« gu ^aufe nie gufammengefül^rt. Sn ^Jiflnd^en bauerte 
eö feine öierunbjmanjig ©tunben, fo maren mir brei feft 
gufammengemad)fen. geben Slbenb unb gerool^nlic^ aud^ 
mittags trafen mir unS. 

„©en obligatorifd^en Äneipabenben ber im ^Berfalle be^ 
griffenen 2anbSmannfd)aft wohnten mir gemiffenl^aft bei. 



©cfcmgcS. 97 



$icr machte ftc^ ©ottfricb ober — wie wir xf)n nannten — 
„©trabo" rafd^ bemerfbar. gntfpann pc^ eine ©töfuffton, 
fo erregten feine troden l^ingetoorfenen SBi^e ©eldd^ter; 
inbeffen rief er burd) berbe, ja beleibigenbe SReben nid)t 
feiten rec^t ftürmifd^e Suftrltte fjerüor. 8ltö Siebl^aber be^ 
©efangeö mar er fel^r erfreut, auf meinem S^wimer im geip« 
giger Äommeri^bud^e bie TOelobie bt^ Siebeö: ,9Bol)lauf 
nod^ getrunfen' ju finben. SEßir mußten fie mit unfern raul^en 
Äel^len fofort einftubieren. SlbenbS würbe ber (Santui^ auf ber 
Äneipe mit SBeifaH aufgenommen unb blieb feitbem einge* 
bürgert. 81U man befc^lofe, eine fogen. Änei:pgeitung auf« 
gulegen, fiel bie SBa^l beö SRebaftorS felbftoerftänblid^ auf 
©ottfrieb Äeßer, beffen gdl^igfeit l^ierffir allgemein anerfonnt 
war. Sro^bem er bie Sebingung ftellte, bafe i{)m aud^ 
frembe ^Beiträge geliefert werben follten, blieb er fo jiemlid^ 
einjiger 9Kitarbeiter. 8lm '^Jlittwod^ Slbenb mufete baS Slatt 
üorgelefen werben. ©ewöJ^nlid^ l^atte er am 9lad)mittage 
nod^ fein 3Bort, erfd)ien bann auf meinem ßin^nter unb 
griff ju Rapier unb S^ber. Slbenbö befamen wir unfere QtU 
tung ooH ergö^lid^er ©efc^id^ten unb fatirifd)er SluöfäHe. 
3clÖ erinnere mic^ befonberö einer SBipon, in weld^er il^n ber 
©eift SBierfd^aum in einer "Slaäjt burd^ ^immel unb ^öHe 
leitet, wobei bie ^erfönlid^feiten bef daneben würben, benen 
er ba begegnete. ®ie (S^arafteriftif war jebeSmal fo 
fd)lagenb, bafe man bie ^Betroffenen fogleid) mit Sul^rf c^' 
fannte^. 



*) 2lud^ emil Slittme^cr erinnert ftd^i fel^r roo^I an biefe Fimmel- 
unb ^öttenfal^rt. (gbenfo ber 1892 öerftorbene 3- (5. SöerbmüHer. S)a§ 
@tücf ift im SHad^llaffe ntd^lt mel^r öorI)anben. 63 ging in SDihinc^en 
Don ^anb gu ^anb unb ift öerfd^oßen. 

©ottfricb SttUtt. '^ 



98 ®efelltge§. 



„"Slaö) bcr abeublid^en ©i^ung geigte er pc^ oft über* 
mutig unb l^atte U)te S)Qt)ib einen ©oliatl^ nic^t gefürchtet 
©0 gingen »ir einmal, nad)bem ber SEßirt um elf U^r fein 
geftrengeS ,Seierabenb!' geboten, IjeimtDartiS. Unter bem 
ÄarlSt^or erreid^ten wir einen ^fjilifter, einen großen forpu» 
lenten TOann, ber auf bem ^au^)te einen e^rfamen G^linber* 
f(ut trug, ©trabo fing bid)t l^inter t^m an, mit feinem 
fpantfcl^en SRofjr ju fud^teln. ©iefeS l^atte feinem ©rofeoater, 
einem gelbf euerer in ©ienften §riebri(^i5 be« ©rofeen, ge* 
l^ßrt. SBir fa^en, bafe er ftd) anfd^icfte, bem Unbefannten 
ben jSelber* anjutreiben. Senn plö^Iid^ l^ub er ftc^ auf 
bie S^^cn» W^Q ^ine ^rim, unb ber §ut fanf bem SÄanne 
bis auf bie 9?afe. Sann blieb ©ottfrieb ftel^en unb er- 
wartete ben Sortgang be§ Äampfeö. ®er märe nun für 
unfern neuen ©aoib mifelid^er aufgefallen ali^ für ben alten, 
ba ©oliatl^ meiter feinen ©d^aben gelitten l^atte, fonbem, 
feinen §ut fd^neß mieber 3ured)tfe^enb, auf feinen Singreifer 
einftünnte. 3d) fteHte mid^ bagmifd^en unb brad^tc ^ 
baju , bafe bie feinblid)en Parteien auiSeinanber mor* 
fd^ierten. 

„Sn ber Sanbi5mannfd)aft mißfiel e5 un§ aHmä^lid^. 
®ie alten Kommilitonen reiften ab; ber ^laditDUÖ)^ jebod^ 
beftanb größtenteils auiS ©d^meigem ber Urfantone, ro^en, 
unbänbigen ©efellen, tauglid^er für Sanböfned^te afö für 
ftubierenbc Jünglinge. 3Bir blieben bal^er meg unb fud^ten 
uns eine rul)ige ^l^ilifterl^erberge, bie mir bei @d)umann in 
bcr 9W^e bcS ÄarlSt^orS fanben. ®a murgelte nun baö 
Kleeblatt feft. SBir l^atten unfere beftimmte 6cfe, in ber 
mir gu 5Rad)t fpeiften. SRubolf ßeemann, SRittmeqer unb 
$anö Scnbel famen gumeilen gu unö. 



Söic ©ottfricb ÄcHcr fein fvanii<^P8 fRof)x ücrlicrt. 99 

„9loä) mufe crjS^It werben, wie ©ottfrieb Äeller um 
fein geliebteiS f:panifd^e§ SRo^r !am. 

„Slm erften SJlai giefjen bie öcrfd)iebenen Äfinftlergefeß- 
jd^aften in corpore auf§ Sanb, ba§ ^^lingöfeft ju feiern. 
e§ war im Sa^re 1842. ©ottfrieb unb ic^ (SB^bler war 
ingwijdjen nad^ ©iefeen abgegangen) öerabrebeten mitjuge^en. 
aSir gehörten gwar — aufeer bem Äunftöereine — feiner ®e= 
feUfc^aft an, fjatten aber überall SBefannte. ?!Kein greunb 
trug fein fpanifd^eö SRo^r afö SBaffe bei fic^, id^ ben 
Siegenfjainer. Slufeer^alb ber ©tabt fd^Ioffen wir unö bem 
S"öc an. 

„@in wonniger Sni^IingSmorgen brad^te bie Seilnelimer 
in bie entfpred^enbe Stimmung. ®ie erquidfenbe 2uft, baS 
Änof:pen beö jungen gaiibeS liefe ifg5ld)C 9Jlu^faI be§ Seben§ 
üergeffen. ®aö ßi^I unferer SBanberung bilbete ber SBalb 
öon ©rofe^effeßol^e. Über bm Säumen lag erft ein grüner 
$aud^, ber ben ©onnenftral^len nid)t öerwel^rte, unö fräftig 
warm ju l^alten. Slucft für bie lciblid)en Sebürfniffe war 
befteuiS Sorge getragen, ©efflllte Siermagen ftanben unter 
ben Säumen, unb gange $ämmel fd)morten am @:pic6e. SBir 
Derfa^en un§ mit einem fd[)äumenben Äruge unb liefeen un« 
an einem l)übfd^en ^lä^d)en nieber. "^an ppangte bie 
©töcfe f(inter fidö in bie ßrbe, langte SRodE unb 9Kü^e 
baran, ftecfte bie pfeife in Sranb unb gab ftd^ gemütlid)er 
Klauberei l^in. 5Rad^ genügenber ©rfrifd^ung erhoben wir 
un§ gu einem ©ange burc^ ben SBalb unb gum SBefuc^e 
ber üerfc^iebenen malerifd) gelagerten ©ruppen. aber wa§ 
ift benn meinem ©ottfricb? (Sx fte^t ba unb ftarrt töbtlid) 
erfd^rocfen feine auf bem Soben liegenben ÄlcibungSftfidfe 
an. Äein ßweifel: fein ?5teerrol^r ift öerfd)wunben. 6r 



100 SSBic ©ottfricb ÄcUcr fein f^janifd^ fftof)x »crlicrt. 

Wirft ^6) in feinen SRocf, [tülpt bie ^Rü^c auf unb ifi plo^^ 
lid^ weg. 3d) i^nt nad^, Ärafcl^I befürd^tenb. ©er blieb 
benn aud^ nid^t auS. ©enn wie ein Slbler auf feine Seutc 
fd^iefet, fturjte er auf aQe ©töcfe, bie einem SRol^r a^nlid^ fa^en, 
Io8, rife fte ben Srägem ol)ne ein SBort ber ©ntfd^ulbigunfl 
aus ben ^änben unb gab fte i^nen ebenfo jurücf. ®ie 
©rüärung refp. Scfänftigung fiel überall mir gu. @latt 
lief § nid)t immer ab. ©er eine na^m e§ für einen über» 
mutigen ©treid), ber anbere für eine ©robl^eit unb mufete 
befd^wid^tigt werben, g^^t fc^neß bem ©rgrimmten wiebcr 
nad^, um neuen @:peftafel 3U üerpten. Stt)ifd)en hinein 
würbe immer wieber eine SRafe getrunfen. @o ging bie 
wilbe Sagb fort, biö alle Hoffnung, ben geftol^lenen Stocf 
ju entbedfen, gefd^wunbtn war. 9?od^ eine furje SRaft, aber 
in gebriicfter büfterer @fimmung. ©ie Suft ju bem faftigen 
Hammelbraten war bureö bie 8luf regung längft üergangen. 
3u guter ßcit jjrbnete ftd) ber S"9 ^^^ Äünftler unb fe^te 
pd) in frö^lid)e Sew^güug nad) ber ©tabt gurüdf. ®ir 
jwei aber fd)lugen ftümm einen Sieben weg ein, ber über 
eine Sln^öl^e längs ber Strafe Einlief. 9?oc^ eine SBeile 
fallen wir bie flatternben SBanner unb l^örten ©efang unb 
SJtufi!. ©ann würbe e§ ftiK. 2lm Slbenb^immel ftanb ein 
©ewitter. ©ottfrieb Äeller fe^te ftd) an ben SRanb beS 
aSegeS unb fing l^eftig gu weinen an. 3c^ fud^tc il^n lange 
Dergeblid) gu tröften unb ^atte fdjliefelid) Wül^e, i^n gur 
9fiücffe^r nad^ 9Jiünd)en gu bewegeft. ©a id) nid)t üon 
feiner Seite wid^, cr^ob er ftd) enblid^ unb fc^ritt mit mir 
burd) bie 9kd)t ber @tabt gu. 

„©amalS fonnte id) mir nid)t erflären, ba^ ber Ser- 
luft beS ©todfeS i^n fo gänglic^ aufeer Raffung gebrad)t 



Äunft. 101 

l^attc. ©pdter begriff id^ cö. &^ mar nur ber Ic^tc Kröpfen 
in ben überüollen 33ed)cr bcS Äummcrs. ©eine unftc^erc 
ärmlid)e Sage, fd^Igefd^Iagenc J?ünftIcrl^offnungcn bebrfidften 
unb beftürmteu fein aufgeregtes ©emflt unb bie 2öeIIen 
warfen baö Schiff c^en nad^ allen Seiten." 

®ocl^ gurücf in jenen erften 9Künc^ner Sommer 1840. 
©ottfrieb Äeüer gab ber 5Kutter als »breffe bie Se« 
geid^nung: „ßl^üe ber Kniglid)en Slfabemie" auf. 3lber 
eigentlid)er ©c^fller berfelben mar er niemals, ßinen regele 
mäßigen ©tubiengang l^at er ju feinem S^ad^teil eben aud) 
in SJlünd^en nid)t burd^gemad^t. ßinmal genügte feine SSor« 
bilbung nid^t jur Slufna^me in bie ^unftfd^ule, unb bann 
war fein gad), bie Sanbfc^aftSmalerei, bamals an berfelben 
nod^ gar nid^t oertreten. SBerül^mte SJieifter l^ielten nur 
in feltenen fällen ^riöatfd)üler. ©al^er betrieb er feinen 
Seruf fo, wie ber übrige grofee ^aufe ber Äunftjünger: 
man lief in ben ^inafotl^efen unb ben regelmäßigen 2luS» 
ftellungen beS ÄunftöereinS l^erum, befud^te etwa baS Atelier 
eines TOalerS, Äeller fpäter befonberS baSjcnige beS be= 
fannten ©armftäbter ganbfc^aftSmalerS 3uliuS Sänge, ^m 
übrigen fal^ jtc^ jeber auf bie ©elbftauSbilbung angewiefen. 
^atteÄeÜer bisher öorjugSweife aquarelliert, wollte er nun 
bie Sec^ni! ber Ölmalerei grünblid^ erlernen. SBaS er nid)t 
fonnte, fonnten anbere. ©o malte il^m einmal fjreunb fRWU 
me^er bie menfd^lid^en Figuren, alte ©ermanen, in eine 
a3ären= unb SBüffeljagb hinein. 

60 melius, ber ©ireftor ber 8lfabemie, burd^ bie 
wad^fenbe Dppofttion einer realiftifdben 3fiid^tung immer mel^r 
oerftimmt, rüftete fic^, 5!nündl^en mit 33erlin gu oertaufc^en. 
®er nüd^terne Slrd)iteft griebrid^ ©ärtner würbe fein 9?ad)= 



102 Äunft. 

folger. 3n bem Sltelicr am ^ficd^cl" arbeitete Äaulbac^, 
hirj juüor auS 9tom jurüdgefel^rt, für Ädnig Subwig an 
ber 8lu§ffil^rung \txnt^ großen SilbeS „5)ie ß^rftörung S^ni* 
falemö" unb entwarf ben $Ian jum „SReinefe gud^ö''. @ott« 
frieb ÄeKer ^at 1847 ba§ Don feinem 2anb8manne Shibolf 
SRa^tt unb Slbrian ©d^leid^ geftod^ene SBerf öffentlich be^ 
fprod^en. Jtaulbad^, bem ber Sluffafe ju ©efic^t fam, ur* 
t^eilte berfelbe enthalte baS Sefte, wa« über feinen ,,9ieinefe 
%vii)^" gef (^rieben worben fei^. 

&^ loäre j^eQer nid^t fc^mer gewefen, ben Umgang unb 
Unterricht eines engem SanbSmannö, be§ in 9Jlunci^en ge« 
fd^äfeten Surid^er ganbfd^after« SEBill^elm ©ctieud^jer (1803 
bis 1863), ju erhalten, ©erfelbe ift ^auptfäc^lic^ befannt 
burd^ wieberl^olte Äopieen ber SRottmannfc^en Slrfaben^SteSfen 
unb burd^ baS illuftrierte SBerf: „©a8 malerifc^e Saiem*. 
3n ^o^enfc^mangau fül^rte er für Äönig SWay fed^S SBanb^ 
gemälbe, orientalifd^e Sanbfd^aften, auS. Seit 1830 l^atte 
er ftd^ bauemb in 5!nünd^en niebergelaffen. Äeller ergab jtc^ in 
ben erften SBoc^en ber Seitung beSfelben, malte mit i^m nac^ 
ber 9?atur; bann blieb er plöpd^ njeg. ®a ©d^eud)jer mit 
SBorliebe in ben l^öd^ften gefenfd)aftlid^en Äreifen ©ilettanten 
nad)gog, modjte i^n fein junger SanbSmann nid^t in bem 
wahren SEBertl^ erfennen. ©in anberer ßürid^er, Äonrab ^i^ 
(1798 bis 1866), g5orträt= unb ©enremaler, üon bem auc^ ein 
SilbniS ÄcHerS ^errül^rt, njurbe ifjm erft fpäter befreunbet. 
Heller Ijat \\)nx einen fleinen 92efrolog gel^alten. 3" ben 
treffUd^en @d)n)eijer Äupferfted)em, Samuel 8lm8ler, Jpeinric^ 
9)lerg, ©ongenbad^ üerfc^affte il^m niemanb SwWtt. 

*) Slbgcbrudft in ©ottfrieb ^eücr§ ^^ac^gclaffcnen Schriften unb 
£)i(^tun0cn @. 207 ff. 



5)a§ 5)ürerfcft. 103 



Sei feiner Stnlunft in 9Künd^en bilbete immer noc^ ba^ 
grofee SKaSfenf e[t ber Äünftler üom 17. S^bruar ©egcn« 
jtanb ber Unterl^altung. ®ie ^reunbe ^egi unb SBerbmüHer 
f)atten fetter Anteil an bem QuQt genommen: jener in ber 
©ruppe ber Sanb8!ned)te, biefer atö Sebjelter. 

SBic man meife, nimmt bie ©arftcHung bk\t^ Äflnftler^^ 
fefteö einen unmäßig breiten SRaum im britten 33anb be§ 
alten „@rünen ^einrid^" ein. 3« i^cr 9ieubearbeitung ift 
eine angemeffene Äürjung eingetreten, ©er ©id^ter bebiente 
jtd^, ba er nic^t au§ eigener Slnfd^auung ergäl^Ien fonnte, 
ber ©d^rift üon SRubolf SRarggraff: „Äaifer SRapmilian I. 
unb attred)t ®ürer in 9?ümberg. ©in (Htbrnfbud) für bie 
Jeilnel^mer unb ^reunbe beS SKaöfenjugö ber Äfinftler in 
gjlünd)en am 17. gebruar unb 2. SRarj 1840" (SWirnberg, 
griebrid^ ßampe 1840). Sn ber Sefd^reibung ber ©ruppen 
unb ber einjelnen barin üorfommenben ^auptperfonen l^ält 
fid^ Äeßer eng an biefe SBorlage. 6ugen 9ieureutl^er§ figuren* 
reid^eö ©rinnerungöblatt, ba§ fpäter in feinem ©tubierjimmer 
^ing, lam ber Slnfd^auung ju ^ilfe. 

©aS glänjenbe Äarneöaföfeft follte ein d^arafteriftifd^e« 
Silb beutfd^en gebend auiS ber erften ^älfte beS fed^Sjel^nten 
gal^r^unbertö öorfü^ren. Äünftler wie ^^iltpp Sol^, ©ie* 
tric^ 9Jlonten, $e^l, 9leureutl^er, — öon biefem rül^rte ber 
@ntU)urf jum 3uge beS aSergfönigiS l)er — ber SJJuftler 
granj Sacftner mirften mit um fo größerer Segeifterung mit, 
als ba§ bamalige 3Künd)en, baS aßem, waö pd) ber Äunft 
lüibmete, TOalem, Silbl^auern, ßrggiefeem, Saumeiftern, ©laö^: 
malern, Äupferfted^em u. f. m. bie $änbe doQ Arbeit barbot, 
jid^ tfjatfäd^lid^ mit bem alten 9lürnberg red^t wo^l öer= 
gleid^en burfte. Sibliot^efen , Äupferftid^fammlungen unb 



104 2)a« 5)ürcrfeft. 



©emalbcgalericcn würben nadj fjiftorifd^cn 35ilbniffen unb 
Srad^ten burdifud^t; namentlid^ beutete man ben reichen 
@d^Q^ Don Silbern auiS, ber in S)üreriS Sriumpl^gug SRajri^ 
miliand unb in ben Surglmaierfd^en ^olgfd^nitten guni 
„SEßeifefunig" niebergelegt i[t. @o entftanben nal^eju fec^^ 
l^unbert ber üerfd^iebenartigften unb pradjtigften jfoftüme. 
©er Sufl fclb[t gerfiel in brei ^auptteile: in ben aufjug 
ber Siumberger SBürger, benjenigen beö ÄaiferS mit ben 
SReid^örittem unb in bie 3Kummerei. 

©ie ©arfteßung im „©rflnen ^einrid^" fd^licfet pc^ fei^r 
genau, aud^ in begug auf bie Sfieil^enfolge ber einzelnen 
Sfinfte unb ®rup:pen, ber Sefd^reibung 9!Rarggrap an, bie 
nic^t nur ein autl^entifd^eä Programm, fonbem aud^ ein 
Iunft=» unb fuIturl^iftorijd^eiS QueHenbuc^ Dorflellt. ©iefer 
weitläufigen Schrift ift femer alleiS unb jebeS c^aratteriftifd^e 
©etail über bie einjelnen TOeifter entnommen, fo über ^ie= 
ron^muö ©drtner, ber aM einem ©tüdflein ^olg eine ^rfc^e 
fd^ni^te, auf n)eld)er ein 9!Rüc!lein fafe unb gwar üon fo 
garter Sefd^affenl^eit, bafe baSjelbe bei bem leifeflen Sln^auc^e 
bie %IÜQÜ unb ^üfed^en bewegte; femer über ben Äa^en* 
freunb ^ierou^mujS SRöfd^ ober über Seit ©tofe, welker 
feinen SEBcin tranf unb jd)einbar fel^r el^rfam lebte, in ber 
©tille aber falfd)e SBertpapiere anfertigte, ßbenfo flreng 
nad^ ber Quelle unb in ber mirflic^en SReil^enfolge, oft fogar 
mit ben SBorten ajlarggrap ift ber faiferlid^e Quq gefd^ilbert: 
3Wajrimilian fclbft, Äung oon SRofen, ©eorg üon ^mnböberg, 
^ergog 6ric^ oon SBraunfd^weig, ^rang o. ©idingen u. f. xo. 
Um einen SBergleid) gwifd^eu 23orlage unb bid^terifd^em Ser« 
fal^ren gu ermöglid^en, fei eine Stelle au§ 9Karggraff ©. 101 
Ijergefe^t, gegen bie man bie entfpred)cnbe im „®rünen ^ein* 



5)08 5)ürerfcft. 105 



ric^" 3, 266 (erfte auiSgabe) l^altc : „©corg üon grunböbcrg, 
fraftüoU, nad^ bcm Silbniö gcrüftct, bcn gelbl^errnftab in 
ber ^anb. Sl^m üoraui^ trägt ein ßbclfnabc, lorbecrbcfränät, 
auf golbcncm Äiffen ba8 ©^»crt bciS Äönig« S^anj I. üon 
Sranfrcid^, babci eine Safel mit ber 3nfd)rift: $aüia 1525. 
6in Sanb^fned^t mit bei^ SRitterS ^elebarte; ein Sergfd^ü^ 
au^ beffen tirolifc^em ©tammlanb, mit Slrmbruft, Äoc^er, 
©d^wert, ^anjerl^emb unb ©firtelbinbe, unb ein SReiterSfned^t 
in üoHer SRüftung mit Snmbi^bergö SEßQppenfd)ilb folgen." 
Überbie« benufete Äeller bie Slotig ©. 126 bei gjlarggraff: 
„3n biefem treffen (bei SSicenga) l^at SrwnbSberg, wie 
gugger ergäl^lt, bie ©tarfe feiner 8lrme feigen laffen unb 
fein ©c^ruert al§ eine Sobeöfenfe bennafeen gefd^wungen. 
bofe er mit jebem $ieb einen Don ben Seinben tot gur 
ßrben gefertigt unb ju jebem ^iebe mie ein ^olgl^acfer ge« 
l^Qud^et." Um auc^ burd^ ^eröorl^ebnng ber l^eitem unb 
pl^antaftifd^en ©eite ber gefd^id^tlidien ©rfc^einung baö ©e« 
famtbilb bamaliger Qdt ju üoKenben, fc^Iofe pd) an bie 
beiben emften Slufjüge eine ergö^Iid)e -Slümberger SJiummerei. 
Sßeter üon 8lltenl^au§, auf einem ftörrifd^en @fel reitenb, 
eröffnet bie Suftbarfeit; hinter i^m l^er njirbelt bie bunt« 
fd^ecfige ©d^ar ber 9Jarren ©^Igme, ^ödf, ©uggeriHiS unb 
ber ©c^älfe SKetterfd^i unb Sumeinbel (OTarggraff ©. 146; 
„Örüner ^einrid^" 3, 272), ber J^^rfuSträger unb Sacc^an« 
ten; bann fommt ber Sriumpl^roagen ber SBenuiS unb ber« 
ienige ber ®iana angefal^ren, enblic^ al§ norbifd)e§ 5!närc^en=' 
bilb ber Quq be§ greifen Sergfonigö, hinter weld^em ber 
^rägemeifter befd^dftigt ift, 9Kfinjen ju prägen, bie ein 
©rad^e in einen Äeffel fpeit, an^ n)eld)em bie beiben $agen 
,,®oIb'' unb „©über" biefelben l^erauSlangen, um pe bem 



106 2)a8 5)ürerfeft. 



in SBraun unb SRot feltfam gcHcibeten ©ädfdmeiftcr gu über^ 
reid^en, bcr jtc unter ba§ umftc^enbc SBoIf auswirft .... 
„2lber wer ge^t benn gulefet fo öerlaffen unb einfam, bürftig 
unb ac^feljudenb einher? 68 i[t ber 9iarr ©ülic^tfc^, ber 
bcm üerbufeten SSoIfe ben Iceren Seutel jetgt.'' (a. a. D. 
@. 148.) 

2)er gange Sug bewegte ftd^ Don ben glängenb erleud^» 
teten SRäumen bei^ SB^eaterS, voo gugletd) bie ^ulbigung für 
Äönig Subu)tg ftattfanb, burd^ ben Sogenjaal unb bie Äorri- 
bore ber fßniglid^en SRepbeng, burd^ bie Slrfaben be§ $of* 
garten^ hinüber nad^ bem großen Dbeonöfaale, wo aDe5 
gum fröl^Ud^en Sanfette l^ergerid)tet war. ©er Äaifer nal^m 
mit ©flrer unb feinem ©efolge an einer befonbem Safel im 
^albrunbe beS ©aaleS $la^. ^icr fpeifte man au8 gebie» 
genem Silber, ©ne ungebunbene Suft erl^ob ftd^. „auf 
einmal erfc^eint Äung oon bcr SRofen, auf bcm 9iarren ber 
ßitclfcit reitenb unb üor ftd^ fjer an einem langen ©eile bie 
gange übrige Swnft bcr 92arrcn Icitenb. ^^tm pngt eine 
Safel t)om SRüdfcn l^erab, auf ber feine ©igenfd^aft üergeid^net 
ftel^t. Unter fomifd^cn ©eberben unb Stellungen unb mit 
oiclcr anftrengung fd)leppen fte eine große Äugcl l^erbei unb 
bringen fo bis gur Äaifcrtafel oor, wo jtc jtd^ unter fomifc^cn 
Südlingen in SRcil^e unb ©lieb ftellen. ^ier beginnt Äunj 
ein furgweiligcö Spiel: baö 9krrcnfd^iebcn , wobei eS nur 
bcm Äaifcr gelang, alö cingiger tabellofer $clb mit ber Der* 
J^ängniöDoIlcn Äugel bie al§ Äcgel aufgeftcHten Starren beä 
Scic^tjtnnö, Jpod)mutc§ unb 92cibcö, ber SSiclwifferci, @rob- 
^cit, (gitclfcit unb bcS aBud)cr§ gu SBobcn gu werfen." 
(a. a. D. S. 150.) ©er Äaifer fclbft eröffnete ben »aü 
mit bcm gacfcltangc. ©a§ trinfluftigc SBolf Dcrgog pd^ in 



2)a8 2)ürerfcft. 107 



bic SZcbcngcmäd^er f)intcr feine Gfiampagnerpafd^en, wo ber 
^eHe ©d)cin ber SMorgenfonne bie SröJ^Iid^cn über il^ren 
mittelalterlidjen Sräumen überrafd^te. ©a§ iJeft würbe am 
2. SJtärj wieberj^olt. 8ln ©teile be§ gemeinfamen Sanfette« 
trat bieSmal ein grofeeS Sanjüergnügen. „S^^ifcä^^nburc^ 
famen einige plaftifc^^mimlfd^e unb tf)eatralifc^e ©c^erje 
x>ox Äatfer unb 3Solf jur 8lupf)rung, juerft: ber Slarr 
unb bie Äunft. fjflnf Starren unb ein wilbcr Wann bil» 
beten ba§ ftiimme mimif (i)e Sl^eaterperfonal , Äunj oon 
ber 3flofen Derbolmetfd^te il)re plaftifd)en ©arfteHungen. @o 
fallen wir bie @ruppe bt& Saofoon burc^ ben wilben Wann 
unb jwci Starren mit ^ilfe oon gwei ungeheuer grofeen 
©d)langen, ben fterbenben ^ec^tcr burd) ben allerfleinften 
alter lebenben Starren, bie brei ©rajien burd) bie brci lieb» 
Iid)ften Starren, bie nur aufzutreiben waren, unb julefet ben 
Sob ber Stiobiben burd) baS gefamte Starrenperfonal bärge* 
fteHt" (@. 151). 81m fommenben Worgen jogen bie foftümierten 
Scilnel^mer gu $ferb unb SBagcn auf bie SOtenterfd^waig 
binau^. ane biefe ©injel^eiten ftnb im alten „Örünen 
§einrid)'' benufet. 

Über bem ©d^reibtifdje be<5 ©id)terS f)ing in ber 
fpätem S^it ein Silbd)en, üon 3tuboIf Seemann gemalt, ein 
l)fibfd)e§ SDtäbd&en mit blonbem Socfenfopf, in ein blaues 
©ewanb gefleibet. „©aö ift bie Slgneö, bie jtd) mit bem 
©rfinen ^einrid) betrunfen l)at'\ warf ÄeHer einmal l)in. 

6ine§ Stageö lief erÄönigSubwig bem ©rften pc^tig 
über ben SBeg. 3"^ Solale be§ Äunftoereinö betrad^tete er 
Silber, als bie Wajeftät mit einigen Ferren erfd)ien. ÄcHer 
pc^tete oon Siwtmer gu Si^tmer, bi'S im l)interften fein 
2lu5weid)en me^r möglid^ war. §ier oertiefte er jtd) ans 



108 ^anf^cit. 



f(i)eincnb cifrigft in ein ©cmälbc. ©er Jfönig nal^tc unb 
jener trat elirerbietig gurüdf. „Sluc^ itünftler?'' fragte i^n 
berfelbe. „3^/ ^Maieftät," antwortete er tapfer. Sniwerl^in 
l^abe xi)m bai5 ^erj mel^r als gewö^nlid^ ö^'l^Pf* — mtixdt 
er abenbS gu ben i^reunben. 2)er anwefenbe Shibt Seemann 
l^ielt bie Srjä^lung für ©d^winbel. Sltö fte jeboc^ am 
näd^ften SSormittage gufammen in bie Sc^mant^alerjtra^e 
einlenften, ftiefeen fte auf ben Äönig. gubtoig fc^ritt an 
J^eQer Dorbei unb fd^Iug \i)m leicht auf bie Sld^fel mit ben 
SBorten: „^aben unS aud) fd^on gefetien!" 

Slufeer in ben befannten Slbfd^nitten beS „©rünen 
.^einrid)" ^at ber Slufentl)alt ÄeHerS in iJÄfinc^en wenige 
©puren in feinen übrigen ^oefteen f)interlaffen. ®er Sn^^It 
beS @ebid)teS „©er Äüraffter" gel)t auf biefe Seit gurücf. 
Sweimal, an ber Serdjen^ unb Saubenftrafee, tourbe er Don 
einem an^ bem ©pitale fommenben Äüraffter angebettelt. 

©ie SKutter erhielt regelmäßige 92ac^rid)ten. SBeforgt 
fa^ jie in bie Sufwnft. „®iit träumte lefet^in Don ©ir — 
fd^rieb fte itjxtt Snbe Sluguft 1840 — nämlid), ©u feiefl 
l)eimgefommen in jerriffenen Äleibern unb fo mager unb 
blafe, bafe id) erfi^raf über ©einem fürd)terlic^en 8luSfe^en. 
Srage bod) ©orge unb Orbnung für ©eine ©efunbl^eit unb 
Äleiber, bafe id^ nid)t fo etmaS erleben mufe!" 

Uut bie gleid^e Seit, ba bie gute ^lütter biefen angft- 
öoHen Sraum l)atte, lag ber 6ol)n feit SBodien an einem 
l^eftigen ©d^leimpeber totfranf barnieber. SSiergel^n Sage war 
er meift ol)ne Seftnnung unb erinnerte ftd) nur nod^, wie 
guweilen ein SanbSmann öor fein Sett trat mit ber teil« 
nel)menben grage: „§attö ©id), ©trabo?" ^egi, ber felbft 
furg guüor einen ät)nlid)en t^p^öfen Slnfall überftanben, 



^a^e. 109 

wadjtc cinft eine 9kc^t bei i^m. 9iur langfam genaö 
©ottfrieb Äellcr. @§ ^ätte i^n faft „genommen", brücfte er 
ftd) QuS. 9iod^ lange mad^te il)m bcr Äal^lfopf ©orge. 
©ie erfd)rodfene ^Mutter bat tf|n in[tänbig, l)eimjufe^ren. 

©eit bem @intritt in bcn neuen Sebenöfrei« befanb ftc^ 
ber junge Äflnftler fortmäfirenb in bebrängten Umftänben. 
®ie SEBaifenbe^örbe ©lattfelben l)attc il^m üon feinem üäter* 
liefen ßrbteil unwillig 150 ©ulben l)erau§gegeben. ©ie 
SJhitter Derabreid^te if)m biefe in fleinen ißortionen unb wenn 
fo ein Sümmchen mit ben fiblid^en „SebenSprebigten" ein* 
traf, würbe e§ oon ben oorl^anbenen Sc^ulben üerfd^Iungen, 
ober reid^te üielme^r gewö^nlid^ m'd^t einmal gur ©ecfung ber« 
felben ^in. S^ 6nbe September war ber befd)eibene 9Äammon 
aufgebraud)t, unb unter öielen @d)wierigfeiten fonnte bie 
SRutter ben SReft üon ©ottfriebö Vermögen, ber nod) 86 
©ulben betrug, oon ben ©lattfelbern erl^alten. ©er mufetc 
wieber biö gum nad)ften 5rül^ial)re reid^en. 3m Slpril 1841 
fal) er ftd^ genötigt, bie fnappen Mittel ber SJiutter in 8ln* 
fprud^ gu nel^men; bann rücfte er befc^eiben mit ber S^age 
lierauö, ob fte nid^t eine ©umme auf baö ^aM aufnel)men 
lönnte. 9tad^ längerem Söß^^n ^^^ c^fti o'ö bem @ol)ne 
ba^ SBaffer bi§ an ben ^al§ ging, oerftanb fie fid^ gu bem 
fd^weren ©d^ritte unb entlel)nte 300 ©ulben für il)n. 

©ottfrieb Heller liefe beSwegen ben Äopf nie lange 
fangen, ©er unoerwüftlid^e 3uö^"^"^"t ^^^ 9"*^ Si^eunbe 
l^alfen it)m über bie fd^Iimmften Sagen l)inweg. ©obalb feine 
©efunblieit wieber gefräftigt war, befud^te er mit feinen 
ftubentifd)en greunben etwa einmal ben ged^tboben, ber 
^Bewegung wegen unb um fid^ in SRefpeft gu fe^en. 

6§ ift eine f(eine SIeiftiftffijge oon % @. §egi üor* 



110 ^cücr^g^ortratc. 



l^anben, tDeld^e bie bamalige äußere Srfc^etnung @ottfrieb 
ÄcBcrö fcftl)ält. 6r liegt fricblid) fd^Iummcmb auf einem 
©op^a, bie eine ^anb unter ben Äopf, ber mit ber 2Rü^c 
bebecft ift, bie anbere in bie Jafd^e gefd)oben; bie SBriBe ifi 
x\)m leidet entglitten. @in bunneö Särtd^en bebecft baS 
Äinn. ®ie ^o^e ©ttrne unb bie energi[d)e SRafe entfprec^en 
bem fpätern 9(uSfe^en. 2)ie S^id)nung trägt bad SDatutn 
beS 7. Dftober 1840. @lne gweite äl^nlid^e baölenige Dorn 
24. auguft 1841. etwa ein ^dt)x barauf l^at 3. 6. SBerb* 
niüHerO eine aufeerorbentlid^ fomifd^e Slabierung angefertigt: 
ber Heine bärtige 9Jiann, in einen ungel^euren SRabmantel 
mit l^ol^em Äragen gelaunt, bie 9Küfee mit bem langen 
©(f)irm auf bem Raupte, fc^reitet au§, fein fd^mereS fpanifd)e« 
dtol)x üor ftd^ lialtenb. ®a§ SBoppen [teilt ein Sierfäfedien 
bar. 6in @pru(f)banb enthält bie 3nfd)rift: ^^ier fte^t 
§err ®. Heller''. @ine Sleiftiftgeid^nung Don Seemann 
(Suli 1842) ift ni(f)t ä^nlid). 

©d^on je^t riet i^m etwa ein Steunb, ben gerabe eine 
^ellerfd)e Seiftung in ber ermäl^nten Siergeitung beluftigte, 
er foHe l)umoriftifd)e Sluffäfee für öffentlid^e Slätter fd^reiben, 
was unter allen Umftänben mel^r eintrüge afö baS TOalen. 
Äeller lefinte jebe ßumutung biefer Slrt runbmeg ab. 
©eine l^anbfd^riftlid^en Seiträge für ba^ „SBod^enblatt ber 
©c^meiüergefellfdiaft " (meift an^ bem Srüliial^r 1841) be* 
wegen fid) im ©ebiete ber niebern berben Äomif unb meifteng 
um ba§ brennenbe Sl)ema ber ©elbnot. @ine fold^e ^umo* 



') ein rieincr Sluffafe über (äJottfricb ^eUcr in 5Wünd&en, l^upt« 
^äd)\\<i) auf 3. (^. SBerbmüUcrs; (oeft. 1892) sWitteilungen öeftü^t, fte^t 
in ber „«Ueuen 3nrc{)er Seitung" öom 11. SDejember 1890 fRx. 345, 

erfteö 93Iatt. 



2)a8 2Boc^cnbIatt. 111 



re^fe, „Unfanftcö 6noa(J)cn" betitelt, erjäl^lt oon einem 
9}lufenfol^ne, ben ber SRietS^err, ein fnod)tge§ ©c^neiber* 
gerippe, aus fd^werem ©d^lafe werft, ba biefer für bie üier« 
monatli(f)e 9Jliete unb ba« grfi^ftüd enblid) bejal)It fein 
tt)in. 3l)m auf bem iJufee folgt ber ©d^ufter mit ber immer 
nod^ auiSfte^enben Sfled^nung, iDorauf ber ©d^ulbige SfleigauS 
nimmt unb mit feinem legten ©ec^fer in§ Äaffee „%\nt" 
pd^tet, bie ©d^Iufeüerfe au<5 ber „Sraut üon ^Jiefjtna" üor 
ftd) {)infummenb. Slud) langatmige politifd^e Setrad^tungen 
gelangten jum Sortrage, ©aö 9)lfind)ener ©fijjenbud^ meift 
femer gmei fabeln ^eller<5 auf, oon benen befonberö bie eine 
„Sie Seud^twürmd^en unb bie Sterne" burd) il^re ©innigfeit 
anfprid)t. 9Jian pnbet jte mit anbern groben im äuliang 
abgebrudt. ©elten entftanb ein ©ebid^t. ©ne« fd^ilbert 
abermals nadi) ^einefdE)er ?Oknier folgenbe Situation: ju 
9J?ündt)en im 6ngIifdE)en ©arten fd)Ieid^t unter bie lärmenben 
©afte ein Iieblict)e<5 3Jläbd)en unb fingt fc^üd)tem unb oon 
niemanb bead)tet ein traurige« Sieb, ©ann gel)t e« ben 
bemütigen ®ang mit bem Seiler in ber Jpanb. ®ie ©amen 
gifd)eln ^ö^nifd^, bie sperren werfen il)m oornel)m einen 
^reujer l)in. Scfet fommt bie bittenbe Äleine ju einem ein» 
famen Surfd^en. ©iefer aber, felbft arm, befifet nid^t«, ba« 
er il^r fd)enfcn fönnte, alö einen freunblidE)en Slid. gn 
einer SaÖabe auö jener S^t erfd)eint bie SBenbung: „§in 
gel^t bie Qcxt, §er fommt ber Sob : So grofe ift feine ßrben^ 
not, Sie mufe ftd^ enblid) menben." 

Über ber Setrad^tung ber im 6ntftel)en begriffenen 
SßibelungenfreSfen oon Sd)norr enoad^te ber ^ang jur poe» 
tifc^en Sitteratur mieber. ®ie ©röfee be« alten Wbelungen» 
liebe« erfd^lofe fii^ il)m unb fam ÄeÖer feitbem immer impo* 



112 2)ic 5Kutter. 



fantcr t)or. 6inc 9ZtbeIungenrcifc bcr ®onau entlang gc* 
l^örtc gu bcn unauSgcfül^rten 3flcifeplänen fcineö äUtcrS. 
SRomantifd^e« unb Äla[ftfd)c§ brängtc in bunter 9Äenge auf 
il^n ein. Sunt Scfud)e be<5 Jl^caterö reid^tc eS feiten, bafinr 
tt)Qr ein folc^cr icbcömal ein 5c[t. 

3m StcunbciSfreifc würben bie politifd^en Vorgänge in 
bcr ©cftwcij eifrig üerl^anbelt. 8luf bafe ber Stoff nic^t au§* 
ging, fanbte bie 9Mutter guweilen al§ „l^errlid^e rabilalifc^e 
ergöfeung" einige 9lummem beö SBintertl^urer „ganbboten", 
bie il^r ber @d)rciner @d)aufelberger fibergeben l^atte. äud^ 
fonft ^ielt fte ben ©o^n auf bem 2aufenben. 3^re Sriefe 
finb, trofebem burc^ alle bie unerquicflid^e ©elbangelegen^eit 
jtd) in ewiger SBieberl)olung l^inburc^fc^leppt, oft äufeerjt 
originell, ©d^lagenbe oolfetflmlic^e SluiSbrucfe unb SBen- 
bungen ftel)en ifjrer ^eöbten geber reid)Iid) ju ©ebote. S)ie 
SBeinlefe l)aU angefangen, f(f)reibt jte einmal, „aber überall 
gibfö einen fauren fianbfturm." @in anbercS OTal: „9lo(ii 
etwas 92eueö. ©er Sob ift auc^ l^inter unfere ^nbm gc« 
raten; im Senner fd^on ift ber Dörfer, ber alte ©uggenl^eim 
geflorben; fd)nell flberfiel il)n bei .^aufe beim Äaffeetrinfcn 
ein ©d^Iag, unb er fiel um unb war tot. 3" gleicf)er 3^* 
auc^ ber grofee SBeiler, weld^cr in ber 9Keffe l^ier war." 
3m 9?ooember weife- fie einen tröftlid^eren Jraum alö ben 
frül)eren ju melben, nad) weld^em i^r ©ol^n auf einem 
prad)tt)oIlen $fcrbe, fel)r fd^ön gefleibet, l^eimgelel^rt fei. 
©iefer 3«0 fpi^'t bebeutfam in bie Sraumeöwirren be« 
©runen §einrid) hinein. 

®a§ erfte 5)]finc^ener 3öl)r ging ingwifd^en ju 6nbe. 
„9Rit bem l^eutigen Sag — lautet ein mfltterlid)eg ®(I)retben 
üom 26. Slpril 1841 — ift eö nun ein ^a\)X, bafe ©u oon 



(Sclbftprüfung. 113 



§aufc bift. 3ä) bcnfe, wie fdjwcr mib forgcnboB mir jener 
Sag toar, unb wie Diele ©eufjer unb @ebete id^ [eitl^er gu 
©Ott getlian für ©ein Slu«fommen unb ©ein ®lücf." ©eit 
SZeujal^r i)attt Äeöer jwei fertige Silber auf ber Staffelei 
ftel^en, allein fein ®elb, benfelben auc^ 3flal^men angufct)affen. 
©eine Slb|icl)t, mit erfahrenen 9Kalem ins 2;irol ju reifen unb 
unter il^rer Seitung nad^ ber Sßatur ju arbeiten, war bis je^t 
bereitelt worben. Smmerl^in fonnte er nad^ Jpaufe f(f)reiben, 
bafe er mit einer erften fleinen JSluSftellung im Äunftüerein 
einige @]^re aufgelefen l^abe. Sluf Sleujal^r — l^dfet eö in 
bemfelben Sriefe — l)ätte er gerne gefd^rieben, jebod) 
gebadet, für ba§ auSjulegenbe 5ßorto Wnne pd) bie SWutter 
gum feftlid^en Sage einen „©^übling" (SBurft) leiften. @in 
©rufe für Säbeli 9)larti, „ben luftigen Sobengwed", ift oon 
Seit gu Seit beigefügt. 

Sei ftd) felber war er längft gur ßrfenntnis gelangt, 
bafe i^m gum SRaler baS Scfte noc^ fe^le. TOit ber ge* 
wol^nten ß^rlic^feit feines SBefenS legte er in bem Sriefe 
üom 13. Sluguft 1841 ber ofinel^in befümmerten SJiutter baS 
Ergebnis einer ftrengen Selbftprüfung üor. ©iefe lautet auf 
jenen 3Bal)lfprud^ im „©rünen ^einrid^" ^inauS: „ßrft 
etwas red&t lernen unb bann gute 9Jluftf madjen''. Safe 
es mit bem Sßerbienen fo f(f)nell nid)t ging, l)atte er nun 
aud) eingefelien. 6r braud^e minbeftenS nod^ ein 3a^r 
forgenlofen StubiumS, bis er fo weit fei. ©emnäd^ft werbe er 
eine größere Äompofition nad) Süxiä) fc^icfen; bamad) möge 
man beurteilen, ob er weiterer Opfer wert fei. ®ie SWutter 
foUe ftc^ oon Subwig 33 o gel einen 3flat geben laffen. 

@ie oerfügte ftd^ unoerweilt gu bem bamals berühmten 
Sürid^er ^iftorienmaler. SBaS fte ba prte, war wenig er* 

©ottftieb ÄeDet. 8 



114 3weifd. 

mutigcnb. SSogcI riet gum f(f)nöbcn Jpanbwcrt: jum Äolo^ 
riercn, unb belebte feinen ©ermon mit lel^rrcic^en Seifpiden, 
naä) tt)eI(J)en ein grofeer Äünfller nid^t öerjdjmdl^t ^ätte, S^ee» 
bretter gu bemalen u. bgl. SHe 5Kutter felbft forberte bringenb 
gur ^eimlel^r auf. SBag er öon einem berartigen geben in ber 
grembe l^abe, bag I^öd)fteni5 nad^bem Sijbe gu einem bis» 
c^en „2ob unb Stuf füllte, mä^renb er ftd^ gu ^aufe be» 
quem einrichten fönnte? ®ic mifelic^e 2age unb bie mütter» 
Iid)e Serebfamfeit mad^ten il^n, wenigftenö auf einen Sugen* 
blid, fd^wanfenb. ©eine Antwort Ilingt fel^r reftgniert. 6r 
»erbe ol^ne langet Seftnnen etwad anbereiS ergreifen, menn 
ftd) @elegenl^eit biete. SDber gur @rlemung eines ^anb« 
werfeiS ober gum Eintritt in eine ^anblung ald SeJ^rjunge, 
bafflr fei er nun gu alt. SBenn er SSermögen ober Unter- 
ftfi^ung beföge, würbe er nic^t ungern bie 9iedt)te ftubieren. 
81m beften aber werbe eö fein, wenn er beim Seiften blribe. 
3[^nlid)e Sw^cif^l an ber Äunft fd)eint er fd)on oor^er 
gegen ^egi geciufeert gu l^aben, SBenigftenö Heft i^m biefer 
oon ©cf)afff)aufen auö, wol^in er oorübcrgel^enb ftd^ bc* 
geben, am 14. Slpril 1841 orbentlid^ ben Sejrt: „©d)on 
ba^ bie Slbreffe mit SIeiftift gefd)rieben mar, Iie§ mid^ 
auf einen neuen 2Bi^ l^offen, unb mirtlid^ mugte id) beim 
gefen ftets lad^en, mo ©u oon ^fcifenföpfen rebeft, ber 
Slugöburger ©uite, ©einem ?edf) im Äunftoerein wegen 
9?idf)tanfauf ©einer Silber, wegen Äopiftwerben , unb be- 
fonberS bei ©einer p^ilofopl)ifd^en ©elbftgured^tweifung unb 
ßrmutigung. 2luc^ baö frampfliafte 3"^^^ ber 5Koral tx- 
gö^te mid^, bis auf einmal burd^ einige SBorte mir bie gute 
gaune oerf d)eucftt würbe, f olgenbe SBorte nämlid^ : ,3dö gebe 
nid)t me^r einen Pfifferling um bie Äunft unb e« loftct 



Swcifcl. 115 

ntic^ feine Übertüinbung, ©rempler ju werben', ^at er eS 
aud) im 3<>Pf gefd^rieben, fo bilbet bie<S bod) gleid)fam ben 
©d^Iufe ber gaujen Seremiabe, unb biefe gewinnt baburd) 
einen 6m[t unb fann nic^t nur atö fd^Ied^ter 3Bi^ betrad^tet 
werben. Sßerl^ält ftc^ aber bie ©ad^e fo: ift ÄeHeri^en trofe 
9KoraI unb guter Seftüre aufm SBeg in ben tiefften Äot. 
®enn allem Slnfd^ein nad) Icbft ©u fo fort ol^ue 5ßlan; 
benn ©eine Hoffnung üon einem Silb jum anbern wirft ©u 
nic^t $lan nennen woQen unb läffeft, wie man fagt, gute 
Sögelein forgen, lebft unterbeffcn, faft glaube idf), auö Un^ 
mut, unb 3c^[t^^"W"g fud)enb, luftig fort, immer oon ber 
3ufunft bie Söfung be§ Änotenö erwartenb. SBie aber, 
wenn bie Söfung nid^t täme? Ober wenigftend länger au^ 
bliebe, al§ ©u e^ auiSlialten fannft? ©enn bafe fte nie 
tommt, glaube id) gar uic^t. ©a lönnte eS am @nbe bod^ 
uoc^ tro^ aQer ^toral fe^r unmoraltfd) ausläuten unb ba^ 
erfolgen, wooor ©u ©id) jefet nod^ fürd)teft. 3Jleine 2ln« 
fid)t war fogleid) bie: ÄeHer mufe pdf) juerft genau prüfen, 
ob il^m bie Äunft üon ^erjen lieb ift, buc^ftäblid^ wie fein 
eigene^ Seben, ^inbet er nad) genauer Prüfung, ba^^ wenn 
er ^arte groben unb jwar weit über ben 8lnfang ^inauö gu 
befte^en l^at, er fold)e nic^t ertragen möd)te unb i^m bie Äunft 
ganj verleiben würbe, fo tl)ut er beffer, er füf)rt fein SEBort 
au^ unb jwar fo fd)nell als möglid^, inbem er nad} $auS 
ge^t unb entweber einen @d)wengel gibt ober fonft roa^f 

woju i^n 9ieigung unb 93ert)ältniffe treiben Ober aber: 

mein iJrcunb ift übergeugt, nur in ber Äunft fönne er ba^ 
erftreben, wonad^ er jeitlebenS trad^tet; bann biete ic^ i^m 
bie ^anb unb fage: fo wirft ®u aud) bie nötige Äraft 
finben, 9Jiüf)e unb Ungemad^ ju ertragen. . . . SBäre nid)t 

8* 



116 Augsburg. 



Qld 2it{)0gr(ipl^ üxoa^ ju mad^en fär ben Stnfang? Suf 
jcbcn ^aU bitte xäi ©id^, gib bcr Äunft nid^t abfd^icb, c^c 
®u alle<5 5!Äöfllid^e gctl^an l^aft! . . . SBcnn id^ mir bcnfcn 
mfigte, 2)u ftfinbeft üon 2)einem 93or{)aben, ^nfUer gu 
»erben , ab . . . e« tl^äte mir in ber Seele mel^ ; benn id^ 
freute mid^ ©einer, fettbem idf) ©eine ©tubien gefeiten l^atte, 
unb l^offte feinen orbinären fianbfd^after an ©ir gu er* 
leben.'' 

©er l^ier angeffll^rten äugiSburger ©uite, meldte im 
Sriii^ia^r 1841 mit bem ©ampfmagen üor fi^ gegangen, 
folgte im Dftober eine gweite, bie ^egi auc^ mitmachte. 
3u)edt berfelben »ar, bem in bie @d)n)eig teifcnben ^anS 
Senbel baö ß^rengeleite gu geben. Sflittme^er, geemann, 
SBerbmuHer, ber @dE)aff^aufer 9Jlebiginer SBepfer u. a. gingen 
mit. ©ie ©efeöen maren eben, im Segriff gur ^eimfa^rt 
aufjubrec^en, mit ber Seridijtigung ber ^eöit befd^äftigt, ba 
befteHte ©ottfrieb Äeller einen @^renpunfd^, beffen Äoften 
oon ben oereinigten SKitteln ber Sanbe nid)t me^r beflritten 
»erben lonnten. ^egi fc^rieb unb telegropl^ierte um ®elb 
nad^ 9)ifind)en. ©urd^ einen gtrtum gelangte e<5 öerfpätet 
in feine Jpänbe, unb er eilte felbft in bie 3lcftbeng gurücf, 
bie fjreunbe auf einige Sage alö $fänber bem el^renmertcn 
$erm ©aftgeber 3ol|ann griebrid^ ^KufebedE gum „^Kol^ren« 
fopf" in Slugöburg gurüdflaffenb , bis fte auSgelöft »erben 
fonnten. 

Suflbarfeitcn biefcr 2lrt bilbcten eine 6ntfdf)äbigung 
für ba^ übrige fümmcrlid^e ©afein, ©ottfrieb jtelter Der* 
annte gänglid). 6r genofe oft Sage lang nidf)tö atö Srot 
unb et»a ein ®Iaö SBier, „»aö if)m aber im geringften 
nid^tö mad^e", »ie er bie ?IKutter, bie auf i^r ^au§ noc^ 



4)«fe. 117 

immer fein Slnleif)cn bewerffteHigen fonnte, einmal tröftete. 
6r gä^Ie mit @el)nfu(l)t bie Sage, ba er mit DoHen ^änben 
gu il^r jurüdffe^ren fönne. ©ie betoälirten ^reunbe l^atten 
5Dflünd^en entweber üerlaffen, ober befafeen felber nid^tS. 
Sntmer me^r oereinfamte er. Sluf eine SBeile war biefer 
Suftanb pifant unb poetifd^. ©od^ unöerfel^enö brad^ bie 
fd)nöbe 5ßrofa l)erein. 3Ba<5 l^alf il)m in feiner Sage ber 
©ufaten, ben ber 5ßate fpenbete? 9Jie^r rührte i^n ber 
©ulben, ben »äbeliö ^Mutter, bie felbft nid)tö übrig f|atte, 
au§ il^rem fauren SSerbienft il)m jufd^idfte. 9Mitten in ber 
SebrängniS entmarf er ftolge $läne. 6r werbe — fc^rieb 
er im S^ooember an bie 9Kutter — in einem 3al)re nad^ 
SBerlin unb ©üffelborf gelten unb l)o|fe, „menn er lein be« 
fonberö fd^lect)te« @df)idf[al l^abe", in gwei g^^ren nad^ 
Stauen jie^en ju fönnen. <$egi ermunterte it)n briepid), 
italienifd^ gu lernen unb freute [xä) auf einen Steife- 
gefd^rten. 3nbeg fam ber SBinter. g§ fel^lte an ^olg unb 
mannen Äleibern. Qnbem mar er bie 9Miete nod) fc^ulbig. 
©eine ^auöfrau oerflagte i^n, unb bie 9Münc^ner $oU gei fanbte 
berjenigen oon ßönd) eine 9iote. ®a tt^ai bie arme, töblicft 
erfd^rocfene SJJutter ben ©d^ritt, üor bem fie fldt) im Snnerftcn 
fd)eute: fte entlel^nte bei ber Steunbin bie breil^unbert 
©ulben. Sluf Seitenwegen trug fie bie §älfte biefer ©umme 
als großes unförmlid)ed, überall mit ©d)nfiren unb Dielem 
©iegeßadf befeftigteö ^afet in i^rem Sfiitifülc auf bie ?Joft 
unb eilte bann, wie wenn fie etmaS Unred^teS oerübt ptte, 
wieber l^eim auf i^r ©orgenftü^ld^en ans ©pinnrab. ®ang 
wie im „@rünen ^einridt)", beffen ©d)ulbenwefen feine bic^« 
terifdf)e Srpnbung ift. 

Unter ber fd)weigerif(^en 33ialerfolonie fd^eint bamalö 



118 5Wi§ficfd^id. 



rinc bcbcnfltdöc Ärmutci gcl^crrfd^t gu ^abeit. ÄcHcr erja^It 
in einem Sriefe üon einem Sefannten, ber in fc^led^te ©cfell^ 
fd^aft gefallen unb lange nid^fö me^r gearbeitet l^abe. ©iefer 
fei fo übel bran, bafe er fein eigene^ S^ninier mel^r bejt^c, 
fonbern jtdö auf bet S3ube eines anbem öerftedEt galten mflffc, 
»eil feine ©laubiger i^n poligeilid^ auffud^en liegen. 2>ie 
beiben bräd^ten ben gangen Sag mit Spielen gu, roa^ i^nen 
fürs 6ffen gel)e. 

Sm Sebruar 1842 minfte bem armen Äerl ein be* 
fd^eibener ©lüdfsftem. ®er 9Münd^ener Jfunftöerein l^atte 
als Überfd^ufe feiner ©ilberauSfteöung eine ©ummc gur Ver- 
fügung unb lub eine 8lngal)l 9)laler, barunter auc^ ©ottfrieb 
Äeöer, ein, Heinere Silber im 2Bert^e mn 60—80 ©ulben 
eingureid)en. $od)erfreut lief biefer l^eim unb l^olte ein 8anb« 
fd^äftcf)en. S3ilb unb ?JreiS »urben genel^migt. ?Rur foHtc 
er nod^ eine Heine Slnberung anbringen, abermals eilte er 
nad^ ^aufe, pinfelte an feiner Seinmanb l^erum, [teilte ftc 
bann an ben eifemen Ofen unb verfügte fid^ barauf in bie 
Äneipe, ben guten ^anbel gu befeud^ten. 3US er am folgenben 
SHorgen feine ganbfd^aft toegtragen moBte, mar ein grofee« 
Sod^ in biefelbe gebrannt. Übrigens prangte pe fpäter 
bod^ in bm @älen beS JhtnftüereinS, menn aud^ nic^t Don 
i^m felbft gemalt. 6in berül)mter Äollege — bafe eS SuliuS 
Sänge auS ©armftabt (1817— 1878), ber fpätere g)?än(ftener 
Hofmaler mar, beftätigen ÄellerS nod) lebenbe Selannte— , 
^atte i^m baS 9Kotiö abgeborgt. Qux ©träfe fe^te i^n ber 
©id^ter in ben „®rünen ^einrid^". gange, bem ©ottfrieb 
Ä^eHer im übrigen an jener ©teile*) l)ol)e Slnerfennung fpcnbet, 

rr2)er grüne ^tmxxd)" 4, 35; ctroaS onberö ergöl^lt in ber alten 
»u§gobe 4, 126 ff. 



2)ic ©c^cimniffc bcr Slrbcit. 119 

l^attc i^m cinft bie ©figjc ücrbcffcrt ober oiclmcl^r dnc neue 
nad^ JfcHcrö Sbcc gcjcidinet unb nun fclbft benufet. 

©a« SRifegcfd^icf ocrfolgtc t^n mit uncrbittUd^cr Jpärtc 
weiter. @in neueö Silb, baö er im 9Hai, aUerbing^ öer« 
fpatet; an bic Äünpaugftenung naäiQüxiäi fanbte, famin 
jammerboHem Suftcmbe an. '6<5 »ar mangelhaft oerpadtt 
gewefen unb burd^ Segen unb ©d^mufe bcrborben. ©ie 
3Jlutter mufete wol^I ein ©ufeenb ®änge tl)un, bi« enblidf) 
nad^ öielfad^en 5ßladtereien bie Sanbfd^aft, notbfirftig gereinigt 
unb gepidft, im Saale ^ing. 3Mit »eld^en ©efü^Ien ^Mutter 
unb @ct)n)efter an einem Siad^mittage, afö ber Eintritt frei 
mar, t)or bem Silbe ftanben, fd^ilbert ber rü^renbe Srief 
t)om 11. 3wni- SaSfelbe fanb inbe§ feinen Ääufer, \o günftig 
ftc^ aud^ Subwig SSogel barfiber äußerte. 2)ad unglfidfUd^e 
^unftwerf »auberte nadf) Safel unb »urbe im SBinter mieber 
nad^ ^tünd^en abgefd^oben. 

8ll§ gegen ben »^erbft bie 9lot wieber einmal auf« 
^öd)fte geftiegen mar, mürbe ber ftolje SJlaler mürbe, fflei^ 
nal^e feine ganje Äünftler^abe , feine fd)önen SlquareHe, 
Sfijgen, bie ungel^euerlid)en ÄartonS, mit ofjtanifd)en Sanb» 
fct)aften unb germanifdE)en SEBälbern bebedt, mürben ju einem 
alten SEröbler getragen. g^beS Slatt galt 24 Äreujer. 9iur 
weniges {)at ftdl) aM bem bamaligen @d^iprudE)e ge- 
rettet, fo gwei offianifd^e Sanbfc^aften, bie burd) i^ren ©e* 
banfenreid^tum l^eroorragen, ein SBalbinnereS (getufd)te 
Äreibejeid)nung), eine Sanbfd)aft mit ©ewitterftimmung, burc^ 
weld^e ein 5!ÄaIer, bie S'öte auf ben SRüdfen gefc^naöt, einer 
Kapelle an einem @ee entgegenhielt. ®aö 33ilb ^at etwas 
SBe^mfitigeS: man benft an ben ^eimjug be§ ©rünen ^einrid^. 
aUe biefe »lätter ftnb nad) ÄeHer« SJBeife bidE)terifd^ empfunben, 



120 2)ic ®c^dmniffc ber «rbcit. 

aber nid)t ebenbürtig gemalt. Sludf) ift feiten etroaö fertig 
gema({)t, ba ftd) fogleid) anbere @ebanfen aufbröngten unb 
il^m bie 8lu§bauer abging. 6inmal blieb er, t)on aßen ^Mitteln 
entblöfet, jwei Sage lang, ol^ne gu effen, im Seit. 6r ftanb 
nur auf, weil er beffirdjtete, bie J^auöleute möchten frinc 
gar gu armfelige Sage merfen. ^Ia6) irgenb einem SBert^ 
gegenftanbe ftöbemb, ftürgte er ein Ääftc^en um unb fanb 
ein golbeneS 9iinglein, n)eld)eg er auf bie ^^{unge trug, mo 
ein ^err üor einer großen SBanne blanfer ©ulben fafe. 
Äelter befam für feinen SRing brei nagelneue ©tüdfe, eilte 
bamit in eine ^aftfuppenanftalt unb nal^m banibar mel^rere 
©üpplein gu jtd^. ßulefet oerfaufte er jenem Slbne^mer feine 
Slöte, auf weld)er ftd^ berfelbc erft eine Slrie vortragen liefe, 
für 30 ^reuger. S)a^ „Slötenwunber" beS neuen „@rünen 
^einrid)" ift bud^ftäblic^ erlebt. Sßic^t minber bie ©efd^id^te 
mit ben gal^nenftangen, bereu Slnftrid) Jpeinric^ in ber bitterften 
$ftot beforgte. ©ottfrieb Heller ergä^lte pe mir am 13. Suli 
1878 auf bem „Wuggenbü^P. ®a§ Sröbelmänndjen wol^nte 
in ber SBerbinbungögaffe, bie oon ber Äaufingerftrafee gum 
^romenabertpla^ führte. 6ö mar im Dftober 1842. ©ie 
^od)geit be§ Äronpringen 3Jlaf mit ber preufeifdjen ^rinjeffin 
SDiarie ftanb beüor, unb ©ottfricb ÄeHer, ber oor bem Äolo* 
rieren fonft eine fo unuberminblid)e gurd^t gegeigt, gog je^t 
unter ^^lüd^en unb ©eufgent in ber bunflen 33ube an ben 
glaggenftangen, bie 9Jiünd)en bamal« brandete, bie enblofen 
blaumeifeen Spiralen unb üerbiente mit ber fauren Arbeit 
täglid^ gmei ©ulben. ©ie 5Wicte mürbe üjin gefünbigt, unb 
er fa^ fid^ auf bie ©trafee gefegt. 

©amit mar aber fein trofeiger 5!Äut, bem ©d^icffal in 
ber grembe länger bie ©time gu bieten, gebrod^en. Selbft fein 



^cinttrartg. 121 



unerfd)utterlici^eS linblid^eiS @ottDertrauen ^ielt ntd)t langer 
ftanb. ®aS mar nun baö l^crrli(f)c ßrgcbnis bicfcr Äunft* 
reife nad^ ^Jtflnd^en! @in btöl)er nie ßcfannteö ©effil^l beö 
6Ienbd unb be<5 ^eimweliS überfiel i^n. Smmer bringenber 
mal^nte bte 3Kutter jur ^eimfel^r. 9Kit i^r bereinigten jtd^ 
aSefannte, bie etwa, wie bie ^od^jeitSpaare Äern unb SBoIf 
aus Qntiä), ben SanbSmann auffud^ten. @in guB^nbfreunb, 
9Kattl^iaS Spinner, ber mit rül)renber Sreue an ©ottfrieb 
Äelter l^ing, ein armer fränf lict)er Surf(f)e, @ol)n einer Sfiäl^erin, 
feine« SerufeS Äolorift, fdjrieb i^m am 15. Dftober in ber 
treul^erjigen Slrt, bie feinen unbel)olfenen Briefen eigen ift: 
„3)u mufet fommen auf Sönd); benn ©eine liebe 3Äutter 
fprict)t immer nur üon ®ir, wann ©u fommeft. Sie fd^aue 
öielmal auf bie Strafee unb wenn fte irgenb einen fo fleinen 
IBurfd^ fel)e, fo meine fte, fte muffe rufen: ,9iegeli, ber @ott» 
frieb fommt!' Sie ftnb beibe ganj wo^l. ©eine 9Jtutter war 
fd^on me^reremal bei unö unb meine aud) fdE)ou bei ©einer, 
©eine 3Kutter fagte geftem ju mir, fte ^abe gehört, ©u 
l^abeft einen fo grofeen Sart; fte wolle ©ir aber fd^reiben, 
©u foUft biefen in 3Künd)en laffen. 3d) aber fage ©ir: 
bringe il^n mit! ©§ wäre fdf)abe, wenn ©u i^n abfdE)neiben 
würbeft. SBenn ©u nad^ Söndt) lommft, fo mad^e mir bie 
fyreube, bafe ©u mic^ befuc^ft. SBenn idö fd)on nur ber 
3Kattl^iS bin, fo glaube mir, idt) fül^le bann nod^ me^r, 
bafe ©u mein 5reunb, mein einjiger bift, obfd)on id^ mir 
wo{)l benfen unb ©ir nid^t jumuten fann, ba^ ©u fo Diel 
gu mir fommft unb fo üiel mit mir gel)en follft wie frül)er. 
©u gel^örft je^t ben großem Scannern gu!'' 

92ad) brittJ^albjä^riger Slbwefenlieit trat er im 9?o* 
oember 1842 enblid^ ben Heimweg an. ©ai5 licifet, er oer« 



122 ^cimtoartö. 



fcl)n)anb plö^Iid^ auS ^findien. @in ^anblung^retfenber 
Don @oItngen l^alf il^m untemegS gur f^aj^rt Don Sinbou 
nad^ Äonftanj. ©ort mufetc er martcn, bid il^n Sol^anti 
2Jiüßcr abl^oltc. Unb wie ber alte ©rflne ^einric^ brei Za^t 
am @(f)ü^enfc[t in 33afcl bleibt, beüor er gur toten SKutter 
gel^t, ober 3Jlartin ©alanber, nad) langer grcmbcgeit in ber 
Heimat angelangt, mit Woni SBigl^art gu einem 9{ad|mtttag6« 
fc^öppd^en untcrftel^t, el^e er bie armen ©einigen begrüfet, fo 
feierte aud^ ©ottfrieb Äeßer erft einige Sage bei bcm t^reunb 
in grauenfelb an, beoor er fleinlaut ben öoHigcn t^eimioeg 
gu ber 3Jlutter gurfidflegte, bereu banger Sraum fo giemlic^ 
genau in @rfällung gegangen mar. 



Unb nun mag eine SluSmal^I au§ ben ©riefen @ott« 
friebS an feine 3Jlutter folgen. @S pnb bie eingigcn au5 
biefer S^it erhaltenen Sriefe. Um fo meniger bürfen pe ^ier 
fel^Ien, obmol^I id^ fte gögemb ber 5DffentIid)Teit fibergebe. Sie 
mflrben ben SBJeg bal^in früher ober fpäter bod^ pnben. 
®enn pe gel^ören gu Äellerö SDBefen fo gut alö gum „©rfineii 
^einrid^". SDBer $einrid)ö ©döulbenmefen im oierten Sanbe 
ber frül^em Sluggabe beö SRomanö gelefen l^at, — in ber Um- 
arbeitung öertt)tfd)te ber S)id^ter biefe fubjeltiüen ©inge 
fo tjiel al§ möglid^ — bem merben pe boppelt merttjoll 
fein. 3^r Sn^alt ip nid)t immer erquicflicft. 6« war nun 
einmal ©ottfrieb Äeßer§ @d)idffal, nodö auf beinal^e g»ei 
Sal^rgel^nte l^inauS nid)t au§ ber öfonomifd)en SSermirrung 
l&erau§gufommen. „®ie ©d^ulben — l^ei^t ci8 im alten 
„©rünen ^einrid)'' — pnb ffir ben mobernen SJienfd^en 
eine orbentlid^e l^ol^e ®d)ule, in meld)er pd) fein 6^a* 
rafter auf baS trepd)pe entmicfelu unb bemäl^ren fann." 



4. «n bic «ühittcr, 1. ÜÄai 1840. 123 

©icfc Sricfc, bic pd^ nod) TcincSwegg mit bcn fpdtcrcn 
^radbteptftcln öcrglddicn laffcn, pnb aud) nic^t immer wic^* 
tig, cntl^altcn aber [o mand)cn d^araftcriftifdicn unb wiffcnö^ 
werten Sußi bafe felbft berjenige, ber mitunter ärgerlid) werben 
wiH, bie grunbel^rlid^en SBIätter bod^ nid)t miffen möd)te. 
S^r einfad^er Son ift für bie fdjlid^te 3Jlutter beredinet. 
Unbebeutenbeö mürbe im folgenben äbbrucf meggelaffen. 

grauenfclb; ben 1. Tlai 1840. 

2iebe SKutter! ©einen lieben 33rief l^abe id) famt bem 
^afe empfangen, meldten le^tem id) aber mieber jurücffd^icfen 
mufe, inbem er burd^ bie uerPud)te 9?ad)Iafpgfeit beö ©taatö« 
fd^reiberS nad^ Stauen, ftatt nad^ SDlünd^en Dipert ift. 

3d) logiere im „Äreuj", weil TOfiUer aud) ba ip al« 
Äabett*); ober ©u barfP feine Slngft l^aben wegen beflen; 
benn er bejal^It alleS ffir mid^. @r t^ut ed bnrd)auS nic^t 
anberd. 6r jeigt pd) fiberl^aupt afö ^teunb gegen mid); 
ba^er bitte id^ ®id), mir bag Silbdien, ba^ bie grau ©efan«) 
Derfc^mä^t l^at, ju fibei*fd^icfen; ic^ werbe eö bem TOüßer 
fd^enfen für ba§, wa§ er an mir tl^ut. @S wirb auf jeben 
Saß beper angewenbet fein. 

SBaS bie grau S)efan betrifft, fo fann pe meinetwegen 
jum Seufel gelten. 3d) werbe fud^en, meinen SBeg o^ne 
äße fold^e 2eute gu mad^en. 3d) bitte ©id^, liebe 3!Jiutter, 
®ir feine Sorge um mid) jU mad)en; id) werbe gewife fort« 

^) Sodann 9Wüfler mar fürjHd) auS 50lünd)cu surücföefommcn. 

') grrau S)c!an @d)ins, SBitroc bt^ ehemaligen Pfarrer« in ®(att* 
felben Sodann ,&elnrid) ©d)in3 (geft. 1825), bie l)Ufreid)e greunbin 
ber ÜÄutter ©ottfrieb ÄeflerS, 1851 a^taiöjä^riö ö^ftorben. @ie f)atte 
fe^r oon ber SReife naä) ^ünd)en abgeraten. 



124 !lJ^ünd^en. 



lommcn. 3d) i)obt bereite l^ier gcfe^en, t>a% man in bcr 
Srembc mcit me^r nac^ feinem wal^ren SBerte gefc^ä^t 
wirb, afö in feiner ^eimat. 3Wan ifl überall juöorfonimenb 
gegen mid^. SBaS meinen Unterl^alt in SÄündjen betrifft, 
fo werbe ic^ fel^r wol^Ifeil auöfommen, wenn e§ fo fortgebt; 
benn feit id) Don Qünä) fort bin, mag id^ gar nid|td me^r 
effen. SBenn id) eine SBurft ober ein wenig Sraten effe, fo 
bin id) ben gangen Sag Doli; aber 2)u mugt nid^t betten, 
bafe id^ beöwegen nid^t wol^l fei. ^erm ßl^inger unb 
grau*) laffeid) freunblid^ grfifeen unb i^m noc^mafö banlen 
für bie Sreunbfdiaft, bie er mir erwiefen l^at. @r l^ielt mic^ 
©onntag unb SKontag frei, bis er öerreifte, unb öerfprac^ 
mir, wenn ®u männlidjer ^ülfe unb SRat bebiirfeft, fo werbe 
er gewife beibeö leiften, unb wenn im ^aufe ober fonft Un« 
annel^mlid^Teiten begegnen, fo werbe er bie Drbnung l^er» 

fteßen, wo eS ©ir unmöglid) ift. $err 9}lüner§ 

i^aben mid^ fd)on mel^rere 9JiaIe gum SJtittageffen gei^abt. 

3d^ banfe S)ir, liebe Butter, nochmals für alleö, wa« 
®u an mir getrau, unb bitte ®id), nid^t ju beuten, ba§ ic^ 
eö nic^t anerfenne, weil id) eine raul^e Slufeenfeite ^abe. 34 
fann l^alt feine fd)önen SBorte mad^en; aber beöwegen em* 
pfinbe id) gewife alleö, xm^ ein red)ter ©ol^n emppnben mufe. 
3d^ l^offe nur, S)ir einft alles nod) oergelten ju fönnen'). 



') üHidjael (S^ingcr, 50lc60cr am S^inbermorft; feine grau loar 
eine geb. gnjmann öon üKönd^^of. 

») S)ie 3Kutter an ©ottfrieb, 4. ^M 1840: „^ö freut mt(^, roerni 
S)u jur ßrfenntiüS fommft unb elnfic^ft, n)ie manches 3a^r fc^on ic^ 
mic^ felbftoergeffenb aUed an ^iä) geiuenbet unb geopfert ^abe. . . (^em 
roiU x6) ücrgebcnen Kummer unb ©orgen für S)i(^ tragen, menn nur 
fein unglücflld^eS ©djicffal ^\6) treffen mufe, wenn S)u nur S)ein c^r« 
Iid)ed $(u§fommen finbeft unb ic^ S)t(^ einft al§ ein rec^tfc^affener 



4. Sin bic ÜÄuttcr, 1. ÜÄai 1840. 125 

SRcguIa laffc iä) öicimal grüfecn, unb cS foß bei ©ir 
bleiben unb ®ir i^elfen, mo eö fann. 8lud) wirft ®u il^m 
etwa eine Heine fjreube nid)! Derfagen, wo eö !einen ?Ra(f)=» 
teil bringt, unb id^ l^offe, S^r werbet gufammen ©ud) ba§ 
geben fo angenel^m mad^en, ate @ure 2age eö geftattet. 
fjrau $0^ unb $err laffe id) aud) grüfeen. Sage ber grau 
alles, toa^^ fie gern l^ört! 3d) bin il^r auf jeben Sali 
©anfbarleit fc^ulbigO- ^nä) Äuri, Slnneli unb Säbeli«) 
laffe id) grflfeen unb ben ^erm ©ietrid^'). 

(5S wirb nun wo^l wieber fünf Sage wäl^rcn, biö ber 
^afe wieber lommt. Sage nur bem ©taatöfd^reiber, er foß 
baS 2)ing fo fd)nell als möglid^ bef d^leunigen ! 

Snbeffen grüfee id) @ud^ alle taufenb Wal unb öerbleibe 

SDein @o^n ©ottfrieb Äeßer. 

^erm SRorborf unb feinen SBruber laffe id^ aud^ grüben, 
fo wie 3Jlat^ia§ ©pinner unb Äünbig*); le^terer foU ®ir 
mein Vortrat abliefern. 

@o^n roicbcr fcl)cn fann. S)icS ift mir SBergcItung ö^nuß-" • . • • 
„^cute erft erhielt idji bcn ^afe miebcr. S)a8 S^ing ging nid^t fo f^ncU. 
S)er Äanjleifd^rcibcr fagtc, er laffc ®i(^ grüfecn, unb e« fei i^m leib 
für 2)cine SJerjögerung. S)ie ^enn SRorborf lajfcn ©id^ aud^ grüfecn. 
5^ünbig unb ©pinner l)aht i(^ nie roieber gefel)en. 3u i^ünbig »erbe 
id) näd^ften§ gcl)en. Sui .&aufe laffen S)id^ alle grüfeen. grau ^03 
ift nod^ immer franf. S)a8 Silb l^abe eingemad^t , fo gut möglid^, 
roünfd^e guten ©mpfang unb gute Slufnal^m! ^r. SRüllerS laffe \6) 
grüßen unb für S)id^ banfen. SReife nur glüdflid^! ®ott behüte unb 
fegne S)id&!'' 

>) (S. 0. ©. 17. 

*) S)ie ^auSgenoffen Äonrab aJlarti, bcffcn grau unb 2:odSiter. 
@. 0. @. 23. 

*) Äafpor S)ietric^, Sfiad^bar am Sflinbermarfte, ,£)anbelömann. 

*) Sugenbfameraben, il)re§ S3cruf§ Äoloriften. 



126 9){ün(^en. 



5. 

ajlünd^en, ben 18. 9Rai 1840. 

Siebe Butter! @nblid^ bin ic^ angelommen in bem 
gelobten Sanbe. 3lac!t)btm ic^ ben ^ag erhalten l^atte, führte 
mid^ SKüHer in einer ßl^aifc nad) Äonflanj, wo id^ aber 
wegen neuer Unannel^mlic^feiten mit bem @epäcl Dier Sage 
warten mufete. Sonntag« öor ad^t Sagen fuhren wir enb« 
lid^, Steffen*) unb id^, mit bem ©ampffd^ijf nad) 2inbau 
ober wollten Dielmel^r nur; benn in Storfc^ad) jerbrad^ bie 
SKafd^ine, unb wir mufeten bort wieber übemad^ten. 3n* 
beffen lub und ein fatJ^oUfd^er Kaplan jum 6ffen ein. 

aSon fiinbau auS ful^ren wir mit einer Sietourlutfc^c 
ffir neun @ulben bis nac^ Wünd)en, mußten aber me^r 
übernachten als mit ber $oft, fo bafe eS am (5nbe beinahe 
gleid) ^erauSlam ; nur bag id^ für bie @ffeften nid^ts jal^Ien 
mugte. @o bin id^ benn l^ier angelommen unb, nad^bem 
ic^ brei Sage im @aftl^of logierte, im nämlichen 3intmer, 
weldieö SKüller bewohnte, einquartiert. 6S ifl mitten in 
ber ©tabt') unb ganj bequem mit ©ofa, gutem SBett, 
Äommobe unb gwei Sifd^en; bie ©tül^lc pnb gepolflert; 
bennod^ foftet eS nur oier ©ulben 3örid)gelb, wobei mir 
noc^ bie ©tiefein unb Äleiber gepult werben. Steffen ^at 
ein fleineS ©ad^ftübd^en in einer abgelegenen ©egenb für 
ben gleid^en 5PreiS. ®ie meiften 3^^«^^^ Soften fonfl fed^S, 

*) S)er taubftumme SRcifegefä^rte Ulri^ Steffen, ber erfte Böglinö 
be§ 1826 in Sörid^ eröffneten 2:aubftummcninftitutS; er arbeitete fpdter 
bei ©igner in JlugSburg, ging nad^ Slmerifa unb ftarb fürjltc^ in 3Ko. 

') S)ie l^ier oergeffene Slbreffe; „!Reu^auf ergaffe 9fhr. 22 rücfmdrtt 
über 3 (Stiegen bei ©(^neibermeifter Ceu^" melbete ÄeHer am folgenben 
Sage ber aJhitter nad^träglid^. 



5. «n btc SWuttcr, 18. Tlai 1840. 127 

fieben bis ac^t @ulben monatlid^. ^d) mod^te nid^t mit 
@teffen gufammen U)ol^nen, loeil er ein wunberlic^er Surfdie 
ift. 9Ran !ann nidjt gut mit i^m nad^fommen, inbem man 
aUeS fär il^n befolgen unb bejal^len mu^; unb wenn man 
mit i^m abred^net, fo ift il^m aßcS ju öiel. Snbeffen ift er 
ein guter 9Renfc^. 

3d) befinbe mic^ fel^r wol^l l^ier. SRan !ann über bie 
©trafee gelten, ol^ne ba^ man Don allen ©eiten begafft ober 
für ftolj auSgefd)rieen wirb. Äein TOenfd) ad)tet auf ben 
anbem; alleö gel^t bunt burc^einanber. ^ommt man aber 
mit ben Seuten in 33erfi^rung, fo finb jte l^öpic^ unb ge« 
fdHig. 5Wur bie SBeiböbilber öon ber bürgerlichen klaffe 
finb ungemein rol^. ©ie puc^en unb fd^intpfen wie bei unö 
bie ©taühtedite unb ft^en alle Slbenb in ber ^eipe unb 
faufen 33ier. ©ogar bie nobelften SDamen gelten in§ Äaffee« 
l^auS unb trinfen ba — nid^t Kaffee, fonbem fo jum ©pafe 
eine 9Kafe ^ier bi§ jwei. 

^egi fel^ id^ aUe Sage. 

©ie Sfieife unb alle Sluögaben (ic^ mufete ©taffelei, 
fieinwanb, garben u. f. f. faufen) l^aben mid^ mel^r geloftet 
als id) glaubte, j. 33. mu^te id) für bie Slufentl^altSfarte 
einen l^alben ©ulben begal^len, einen ©ulben inö Äranfen^auS 
für ein l^albeS Sci^r, unb fo nodf) Dielet. ®ie SReifenben 
werben fürd^terlid) auSgefogen allenthalben. Se^t l^abe id^ 
mid^ aber eingerid^tet unb werbe Don nun an l^aufen. 

3d^ ne^me gar nid)tS gu mir bi§ gum 9Kittagef[en, 
obgleid^ ic^ im 3lnfang mand^mal nod^ junger befomme. 
®ann gel^' id^ inö ©peiöl^auS unb befomme für peben 
Beuger (etwa 4Va ©c^illing) ©uppe, Sleifd^ unb ©emüfe, 
nad^ aSerlangen gngerict)tet; mit 33ier foftet eö gel^n Äreuger. 



128 SWüiK^n. 



3!Jiancl)mal cjfc id^ ju 5Ra(^t unb manchmal nid)t. 3^ Kn 

fd)on mit öiclcn Äunfllern bcfannt geworben unb i&abe yt-- 

fe^en, bafe fclbp bic mittelmäßigen ftc^ gut burc^bringen. — 

— 3^ gtüfee SReguIa taufenbmal unb öerblcibc 6uer 6o§n 

unb Sruber 

©ottfrieb ÄeUcr. 

©Ott fei mit 6uci^! — Safe bod) meine SBriefc nid^t fo 
l^erumliegen, mie gewöl^nlici^ ! 35Ja§ bai8 ©elb betrifft, fo 
mad^e, bafe ®u e§ balb fd^idfft, ober fonft einric^teft, benn 
in gwei SDBod^en ge^e id) auf§ Sanb*)r ^^^ ^<^ mochte ic^ e5 
oorl^er gefiebert wiffen. @§ tl^ut mir leib, bafe ©u fo oid 

6. 

aJlünd^cn, ben 27. Sunt 1840. 

fiiebe TOutter! SDa wir auf unfrer Sieife fdiled^tciS 
3Better belamen, fo ftnb n?ir bereits fd^on mieber feit ac^t 
Sagen in 9Jlünd)en, unb id) berid)te ©ir ed ba^er, bamit 
S)u mir wieber eine Portion oon meinem Sleid^tum über* 
liefern fannft; inbem id^ nid)t warten mag, bi§ ic^ gaitj 
auögefommen bin. 

[3d) \)(xht] im anfange gewaltig gegeijt, unb bin nirgenb« 
l&ingegangen. SBann id^ an einem Sag etwa§ über« be« 
ftimmte 3)Ja6 l&inauSgebraud^t l^abe, fo fra§ id^ ben anbern 
gar nid^tö; aßein ba§ war fel^r bumm. 3d^ mufe mir bie 
Srembe nid)t nur in §inftd^t ber Äunft, fonbem aud^ in 
anberer gefellfd^aftlidier Sejiel^ung gu nu^e machen; benn 



') @. 5teUer an bie 3Kuttcr 21. 9Km: ^3c^ gc^e mit bem3RaIcr 
©d^eud^jer (f. o. ©. 102), meld^er fld^ ülelc 50lü^c mit mir gicbt, ctioa 
für öier Söod^cn aufS 8anb." 



6. 3ln bic ÜJhittcr, 27. Sunt 1840. 129 

iäi war öon ^aufc au§ in Dielen @ad)en nod) fel^r unge* 
fc^Uffen unb fd^fld^tem, unb ba^ anbert ftd) nid^t, wenn man 
in bcr ^Jrembc l^inter bem Dfen l^odft. 3d| mifdie mid^ 
alfo unter bie Beute unb lerne Don iebem, waö ju lernen 
ift. 8lud) l^abe id) mid) in ben ba^erifd^en Äunftuerein au^ 
nel^men lajfen, »aS mid) aber jwölf ©ulben foftet alle Sal^r. 
Snbeffen ift ber 9iu^en meit ßröfeer; benn nid)t nur lerne id^ 
fe^r Diel baburd^, fonbem id^ fann fpäter meine ©ad^en 
bejfer öerfaufen. 

8lud^ l^aben bie fd^weijerifd^en ©tubenten unb Äünftler 
eine ©efeUfd^aft l^ier, worin id^ ebenfalls bin. ©onnerötag 
l^atten wir ein Seid^enbegängniS ju begel^en, ba einer aus 
biefer @efellfd)aft , ®raf b'äffrQ öon greiburg, ber einjige 
©ol^n feiner Altern, einunbjwanjig Sa^r alt, ftarb. SBir 
begleiteten i^n fämtlic^ gum @(rabe. @S war ein fd^öner 
3ug. aSorauS bie ©eiftlid^feit mit Äreug unb Saline unb 
Siauc^fafe u. f. w. ©ann ber ©arg, Don fec^S ©d) weigern 
getragen, weld)e fd^warje ^leibung mit weisen ^lorfd^ärpen 
um ben Seib trugen, ©ann öier mit wei§ unb roten 
©d)ärpen; bann gweiunbgwanjig mit aßen ÄantonSfarben 
unb enblid) bie übrigen alte, ©o gogen wir um ben Äird^» 
l^of J^erum unb bann aufS @rab, wo eine 93lec^mu{il Don 
breifeig 5!Jlann auffpielten , nad^bem bie @eiftlid)en i^re 
Mnfte gemad)t l^atten. ©ann ^ielt einer eine fd^öne SRebe. 
SDBieberum TOuftf, unb bann fc^mife jeber Don unö brei 
©d^aufeln @rbe inS ®rab unb befpri^te e§ mit SBaffer, 
weldt)eS man unS in einem alten Äübel ^ergeftellt l^atte. 
©ann aber gogen wir in corpore auf unfere Äneipe, wo 
wir erft bie redete Totenfeier hielten. 6S war wirflidt) ein 
l^ergerl^ebenber Slnblidf, ben gangen ©aal Doli ©d)weiger gu 

(»ottfrieb SttUtt. 9 



130 ^ünd^en. 



feigen: jcbcr ein mäd^tigcS 33icrglaS in bcr ^anb, boöfdbe 
in bic ^of)t firccfcnb unb auf ba^ Äomtnanbo mit fcicrii^er 
2JMcnc auSlccrcnb bi« auf bcn @runb. ©cn Sag baroiif 
wohnten wir fämtlid^ bcr 3Rcffc bei, welche breigig Sage 
lang bem Sotcn abgehalten wirb. 6« brannten über 3»ei* 
l^unbert bergen, unb ba« SBappen beö Serftorbenen war 
fiberaÜ an ben SUtären in retd^en Stiefereien angebrad^t. 2)aS 
begal^Ien aber aUed feine @Item. 9Bir l^ingegen l^aben au^ 
etwa« Äoflen; benn ^eute nad^tS um j»ölf Ul^r bringen mx 
bem Soten einen f^arfeljug mit @efang unb ^Dhifif ouf^ @rab. 

2)a$ gilt aber nid)t nur ben SSomei^men unb fRciä^tn, 
fonbem jebem ©c^weijer, ber l^ier ftirbt*). @o ift geflem 
fc^on wieber einer geftorben im Äranfen^aufe l^ier. ®ic 
wenigften i^aben i^n gefannt unb bod) mürbe fogleid^ b^ 
fd^loffen, il^m baS gleid)e Seid^enbegangniS mie bem @rafen 
ju feiern. Überl^aupt finb fel^r Diele @d)tt)eijer l^ier franf 
unb meiftenS fel^r gefäl^rlid) am 97en^en« unb nod^ me^r am 
©c^leimfieber. ®ie 9Jiünd^ner fagen gmar, wenn einer glei(^ 
anfangs fid^ anö Siertrinfen l^alte, fo werbe man weniger 
franf; unb ba^ l^abe id^ mir hinter bie Dl^ren gefd^rieben. 

Snbeffen ift baö Älima fel^r ungefunb l^ier: wenn ben 
ganjen Sag bie unerträglid^fte $i^e ift, unb eS regnet ein 
wenig auf ben Slbenb, fo tritt auf ein 9Kal empfinbli(^ 
Äälte ein, unb bie meifte 3cit ober l^errfd^t l^ier feuc^te^ 
falteö SBetter. S)al^er trägt man l^ier bie ?!Ääntel ben ganjen 
Sommer l^inburd), unb id^ bin fel^r frol^ über ben meinigen. 

2)ie gjhittcr an ©ottfrieb 5. 3uU: ^SHe Seid^cnbcgängniffc bcr 
(gd^roeiaer flnb fe^r fd)ön, roie S)u f^rctbft. ®ott behüte nur, bai 
bic 9^eif)c nid)t an ^^ fommt! Öebc bo6) in einer mö^igen Dxb» 
nung, bamit S)u gcfunb bleibfti* 



6. Sin bic gjhittcr, 27. Suni 1840. 131 



3c^ wflnfditc mandimal nur, bafe ©u unb SRcgula l^icr 
wären unb bic ^rac^t alle fällen, bie pd) l^ier bei Der* 
fd)iebenen ©elegenl^eiten entfaltet. SBenn ic^ frül^er ober 
fpotcr ein SRal in einen guten ©tiefel gerate, fo mufe auf 
jeben %aü fo ctroa^ eingerichtet werben. 

^ä) l^abe immer nod^ meine alte 3Äfl^e, weldie meinen 
Äameraben Dielen ©pafe mad^t. ^ä) bin fd)on bei allen 
Sonetten Schweigern befannt, weld^e l^ier ftnb. ©ie meiften 
l^aben aber mel^r ®elb als ic^; aber baö mad^t nichts. 

Sage bem $en ©c^aufelbergerO, icf) liefe i^n grüben 
unb geftem l^ätten wir, ate wir gerabe in grofecr ängal^l 
üerfammelt waren, uernommen, bafe Sürgermeifter ^efe ab» 
gegeben l^abe^), worauf wir i^m l^öc^ft feierlid^, jeber einen 
brennenben gibibuö in ber $anb, ein ®la§ 33ier nacfifoffen 
gur glüdflid^en SReife. SKarfe^), welcher gang aus meinem ©e« 
bäd^tniö Derfc^wunben war, ift mir l^eut nad^tS im 33ett 
plö^lid^ wieber eingefallen, unb id) l^abe mid^ weiblid) an 
feinem änbenfen ergoßt; aud) il^u laffe id^ grüfeen, wenn er 
noc^ bei unS ift. SBaS mad^en g^rau unb $err $o^? 
©age ber fjrau ^o^ Diele taufenb 5Rillionen ©rfifee, unb 
id) l)ätte baS ^äuSlein mit bem toten Säuern nod) nie ge* 
funben*)! — 



») @. 0. @. 24. 

«) S3üröermeiftcr Sol^ann Safob ^cft (1791—1857) refignierte am 
22. 3uni 1840. Über xfjn ^anbclt ©. mttjzx öon Änonau in ber $lUg. 
S)eutfd^en ©ioöra^I)ie 12, 289 ff. 

») S)ie gjluttcr an ©ottfricb 5. 3uli: ,,!Warfe (ein bei ber SJlutter 
njol^nenber ©efelle) ift noc^ ba] er freute ftc^ unb ladjite, ba^ il^m fein 
^öcfer wacfelte, al§ id) i^m S5etn ©rufe fagte, unb gab mir ben 5luftrag, 
S)i(§ gu grüßen unb ob S)u aud^ bra» ©elb öerblenen fönneft". 

*) S)ie Jlntnjort ber 9Kutter Dom 25. aJlai f. o. ©. 19. 

9* 



132 HWünd^en. 



Hub ^Regula grfige iä) oi^nebied, \omt dgentlid^ mdne 
Sricfc immer an @u(i^ bcibc gcrid^tct flnb. ^at eS immer 
arbeit? ©en el^rcnmcrtcn $crm ©pinner laffe id^ grüben, 
unb foge i^m, id^ benle fe^r Diel an il^n; b. 1^. nur memi 
er etma ju ©ir fommt. SBenn eS etmaS 9Ieued gibt, fo 
fdireib eS mir, unb menn e« moglid^ ift, fo follc bo(^ $en 
©dlQufelberger mir ein paar ber legten 9{ummem Dom 
„Sanbboten" ober „Slepublilaner" bcforgen, bic man et»a 
ju bem @elb pacfen lönnte; benn l)ier l^at man gar leine 
©d^meijeräeitung. Snbeflen l^offe xö), 3^r mcrbet 6u(^ beibe 
gefunb unb mol^l befinben unb gräge @ud^ unb aQe, bie 
mir etma nod) nad^fragen, taufenb 9Ral. 

6uer ©ol^n unb ©ruber 

©ottfrieb ÄeHcr. 

maKfytn, ben 14. Suli 1840. 

Siebe TOutter! SDen SBrief famt Slnweifung l^abe i(^ 
rid)tig erhalten unb bad @elb belogen, morauf ic^ fe^nlic^ft 
gemartet l^atte; benn in ^inftd^t beö mol^If eilen 2ebcn§ l^e 
id^ mid) fel^r getäufd^t. SBenn einer jungem will, fo fann 
man l)ier fd^on mol^Ifeil auöfommen; lebt man aber ein 
menig orbentlid^, fo !ommt'§ l^alt mit Sürid) fo jiemlic^ auf^ 
gleid^e l^erau§. ®od) genug l^ieroon. ^6) fel^c fd^on ein, 

S)te aJlutter an ©ottfrieb, 5. guli: „gWorgcn ift bic Eröffnung 
bcr Siagfa^ung. Sefet l^aben mir ein SBürgcrmeifter SKouffon. Seitungen 
fann ic^ S)ir feine fdjicfen, Diefleld^t fann S)ir Orifd^er einige mit auf 
bie 8f^eife nehmen. . . (Spinner f)atte eine ,£)er3en§freube, bai id^ i^m 
erlaubte, ein ©lättd^en einaufd^Iiefeen; er ift boä) bcr trcufte S)ciner 
Sreunbe. ©ereit§ jebe SBod^e fommt er gu unS unb ^ält Sflad^frage 
non S)ir; aud) bie SRorborfen fragen S)ir peifeig nac^." 



7. 2(n bic «Kutter, 14. 3uH 1840. 133 

bo^ td) auf ben @))ät^erbft felbft au<Slommen niug, unb 
beiSmegen l^abe id^ mid) aud^ in ben ^unftoerein aufnel^men 
lajfcn, wcldieö für einen f^rembcn unb jubcm für einen Sin* 
fänger ber einjige SDBeg ift, feine Silber ju öerlaufen. So 
gefc^idfte 3!Jiänner e§ l^ier Ifat, unb fo fel^r ic^ mid) an:* 
ftrengen mufe, nur einen ©d^atten Don bem ju leiften, was 
jene, fo werben bod) l^äupg nod) jiemlid) fd^Ied^tere ©ad^en 
angefauft, aliS ic^ mir ju mad)en getraue. @el^r nü^Iid] 
wäre e§ freiließ, id^ fönnte ben SBinter l^inburd) nod) für mid^ 
ftubieren, inbem id^ bann im fjrü^ling um fo ftd)erer auf* 
treten fönnte; benn je beffer man ^ier arbeitet, befto mel^r 
oerbient man, unb fo Diele ?WaIer e8 l)ier l^at (etwa 600), 
fo leben bie, weld^e etwas Süd)tigeS gelernt l^aben, bod) aße 
wie bie Ferren. 

9BaS 2)u mir Don ^au $o^ gefd^rieben l^aft, l^at mid^ 
tief ergriffen 0- 3d^ foll alfo biefe grau, weld)e ic^ Don 
meiner frfi^ften Äinbl^eit an fannte unb beinal^e tagtäglid) 
fa^, welche eS immer fo gut mit mir meinte, fte foll id) nie 
mel^r fe^en! @o fe^r fte auc^ Don SBorurteilen unb falfd^en 
SOieinungen eingenommen war, fo l^atte fie bod) ein gutes, 
wenn audö fd)wadöeS $erj, unb id) werbe fte gewife nie Der* 
geffen. 9lad) ©einem @d)reiben wirb pe DieHeid^t nun fc^on 
geftorben fein. @ott gebe il^r bie ewige SRul^e! @o mufete 
fte alfo bod^ nod) Dor bem alten gilj fterben, ben id) aber 
übrigens um feine alten Sage gar nid^t beneibe! @S ift 
feiner %xa\x Dielleid^t beffer gefd)el^en! 

Sl^r werbet nun fd)öneS JEBetter l^aben in ber ©d^weij, 
wäl)renb l^ier beftanbigeS ^Regenwetter ift. 9Kan ftedt immer 



') SSgl. ben »rief ber 50lutter oom 5. SuU o. @. 20. 



134 5DWind^n. 



in bcn SRäntcln. 3Jlcinc gwci Ferren „©c^abiäffc" fangen 
aUmä^Iid^ an ju altem: id^ mufe frol^ fein, wenn fie btöju 
$crbft auöl^alten, wcmgftenö ber Heine. Snb^ff^ ift ba« 
fanden l^ier billiger alS bei und; mein ^auSpatron, n^elc^er 
t)on @otteSgnaben ein @d^neiber ift, l^at mir ben einen fRod 
ganjlid^ renoDiert für etwa 7 Äreujer*). 

©cn 20. 3uli. 

^ä) mufe jttjei 3!Kal fd^reiben an biefem IBrief. ©eftem 
war mein einunbjmanjigfter ©eburtstag. S^ö 6in alfo je^t 
einunbgmangig S^^r alt unb enblid) in bie SOBcIt l^inauöge* 
treten; wiH gerne feigen, mie'ö weiter gelten wirb, ©afe 
gifdier nad^ TOünd^en fommt, erfel^e ic^ au§ ©einem unb 
©pinnerö erfreuUd^em Sriefe. 3d) lege an i^n einen 33ricf 
bei; er wirb fd)on etwa (ober ©ptnner) öorbei fommen. 
©ann gib il^m aud^ nod) ben fd^wargen ©urt mit, welchen 
id) immer im Sommer getragen l^abe! 3d) wünfd^te, id) l^ätte 
btn grünen SRocf aud^ mitgenommen, inbem man im SBinter 
l^ier alleö braud^en fann. ©odt) ift'ö jefet gu fpät. hingegen 
wäre eg mir lieb, wenn er ben 3!Jialerfdöirm mitnehmen 
fönnte mit bem langen eifenbefd^lagenen ©tocfe unb ben 
gwei Sfiiemlein; ben @i^ braud^e id) nid)t. 

Spinner^ Srief l)at mid) fel^r erquidft; als ic^ il^n in 
bcr Äneipe ber ®efenfd)aft uorlaS, fo erfd^oU ein l^eUeö @e« 

S)le 3Hutter an ®. 7. (September: „S)ie öon SHr genannten 
,,@d^ablaö" t)ätten S)id& ma^rfd^einlid^ in 3ürid^ länger aufgehalten, 
aber bort! 6S fommt eben ölel barauf an, role man bie Äleiber in 
Orbnung l^dlt. ^o6) fd^icfe S)ir mehrere 3eitungen, meldte ^crr ©ci^aufel« 
berger gefammelt, bamit ®u bie neuen unb alten Dpern lefen famtft. 
t&eute ift ^foner S^obler üor ®erid)t geroefen unb fjot fein ^rojefe 
gemonnen.'' 



I 



7. «n bie SWuttcr, 20. Suli 1840. 135 

lachtet über bie Däterlid^en Srmal^nungen, bie er mir ge« 
fd^rieben l^at. 

Sin ©ritli^) ^abe id) gar nid^t me^t gebadit unb laffe 
eä beSl^alb Dielmal grüfeen. SBa§ mac^t fte, ift jte immer 
nod) jrbel? 3l^r fpielt, fo Diel ic^ l^öre, wieber faubre Dpern 
im Äanton QMij. 3Ba§ ift eigentlid) an ber ©efd^id^te 
mit 5Pfaner Sobler? Unb bann bie l^errlid^e 5Rorbt^at an 
bem alten ^errufier*). SDa l^ätte bie grau ^ofe lüieber 

etwaö ju eifern. @ö wirb eine pofjterlic^e Äomöbie 

gewefen fein im $aufe, atö bie Uftermer^) aße angezogen 
famen. {^6) ne^me nämlid) an, grau $o^ fei geftorben; 
menn jte nod) lebt, fo foH jte'S nid^t in Übel nel^men.) 

aOBaS bie 150 ©ulben betrifft, fo wirft ©u bem $errn 
Dnfel anö §erj legen, ba§ e§ bie l^arte SRotwenbigfcit fei 
unb gar feine SBal^l oorl^anben, bag man baS @elb alles mit 
einanber, fo Diel eö mir bringt*), braud^e, unb alfo ben ®latt* 
felbem öorjutragen fei. Übrigen^ laffe id) alle in ©lattfelben 
^erjlid) grfifeen fo wie alle im ^aufe unb, wer mir nad^frägt, 

©ein ©o^n 
©ottfrieb Äeller. 



©ritli Ärebfcr, alte Spinnerin im ^aufe bcr ÜJlutter. Sie 
bcbiente fi6) ber S5eteuenm0 „$0^ Slumcnl^erg", baftcr bie aJlutter pe 
©ritli S3Iumenl^crs nennt. 

') SJgl. bie Sd^rift: S)arftcUung bcr Stellung unb Stritte beS 
^rd^cnratcä gegen ^errn 5Pfancr S^obler In SBeinlngen (3ürid^ 1840). 
3:obIer (ni^t bcr S)ldSiter ber „(gnfcl SGBinfelriebö") ^atte in aufgercg- 
tefter Seit bei einem Sdngerfeft auf S)aolb grlebr. Strauß toaftlert. 
— Sflaubmorb in berSRad^t oom 6. auf ben 7.3ull 1840; »gl. SSogel 
Memorabilia Tigiirina ober ßl^ronlf ber S)cn!n)ürblg!clten bcS 
Äantonö Sürlc^ 1840—1850, S. 227. 

3) gJie^er au§ Ufter, ber ^auptcrbe ber grau ^o^, u. a. 

*) b. l), fo ölel mir öom @rbe jufommt. 



136 Hllünd^en. 



SBcnn SRcgula jcfet auf bem 2anbc ifl, fo foH e§ nic^t 
ju Diel Äirfd^cn cjfcn. — — 

Schreibet mir bod^ auf bic Slbrcffc nid^t mc^r Äunji- 
malcr, fonbcm uur 9Ralcr! — — 

3Bie id^ ben ä3rief fd^Iiegen will, fSmmt mit plö^Iic^ 
uod^ baS Säbcli*) in bcn ©inn, wcldieS id^ grüben loffc 
famt feinen @ltern. 

SWünd^en [9. ©ept. 1840]. 

Siebe SWutter! 3d^ fc^reibe biefeS mit Iranler $anb 
im 93ette, weldjeS id^ nun fc^on balb Dier SBoc^en l^ute. 
3a, e<S ^at mid^ aud) angepaßt! ^ä) l^atte ba& @d^Ieim< 
peber im l^öd^ften ®rabe. Se^t bin id^ gottlob auf ber 
a3ef[erung, fo bafe id^ in fünf biö fec^ö Sagen wiebcr werbe 
ausgeben lönnen. ^m Slnfang lag id) immer in einem 
gieber. 9lad) ber 33efd^reibung meiner Äöd^in mufe xif 
fdiredflid^e ©ad^en gemad)t 'l^aben. ^äj bin aber felbft fc^ulb, 
bag t& fo lang gegangen ift; benn id^ flebte im Slnfang 
immer uml^er unb woßte mid) nid)t entfc^Uefeen , einen 
©oftor ju nehmen, bis eö bie l^öd^jte Seit war. ?!Äan fagte 
mir erft nad^^er, eö l^ätte mid^ balb genommen. 

3d) l^abe oiel SKcbijin oerfd^Iucft, weld^c aber aße be» 
gal^lt ift; l^ingcgen erwarte id) mit 8lngft ben Äonto Dorn 
©oftor, benn er fommt täglid^ mit bem SBagen angefal^ren. 
3d^ mufe bal^er bringenb bitten, mir mit umgel^enber $ojt 
bag ©elb, ha^ nod^ bei S)ir liegt, gu uberfd)i(fen. 3c^ er« 
warte e« unfehlbar. — — 

©d^reibe mir auc^ auöfül^rlid^ ben Sob ber grau ^o^, 

») 3Rartt. 



9. 3(n bic «Kutter, 19. Dftübcr 1840. 137 

unb wie ©u mit il^rcn SBcroanbtcn auiSgcfommcn bift, unb 
wa« für ficutc iniS ®emad)0 kommen, ©er gute Sub^) 
»irb nld)tS mcl^r bcfommcn l^aben. ©od) id) bin mübc 
mit ©dircibcn. 3n @rtt)artung fd^ncHcr Slntwort grüfec id^ 
6ud) taufcnbmal. 3Barum fommt ffifd)cr fo lang nid^t? 

©ottfrieb ÄcHer. 

SWünc^en, ben 19. Oftobcr 1840. 

Siebe gjlutter! ©afe S^r gu ^aufe mid) für fällig ge» 
galten ^abt, eine ÄranlEjeit ju erlügen, um (Selb ju erEjalten, 
war mir eben feine grofee ßrquicfung, ba id^ eben bamals, 
als id) ben fflrief erl^ielt, faum nodt) auf ben Seinen ftel^en 
fonnte^). 3dt) lag üier gange SBod^en im Sett unb befam 
nid^t« atö fjleifd^brül^e unb SEBaffer ju faufen, fo bafe ©ein 
Sraum jiemlidt) erfüllt mar*); benn ic^ mar fo abgemagert 

*) !Bof)nuno. 

^ ©ottfrieb i^efler felbft. @. o. 6. 20. 

») S)te SJlutter an ®. 28. @ept.: „S)er ^cn On!eI oerrounbcrte 
flc^, ba^ S)u fo Diel &tlb braud^eft unb ameifelte l)alb an S)etner 
ihanf^eit S5iellei(l[)t, badete er, feieft S)u etwa in ©c^iulben geraten 
unb bafür eine ihanf^ett angegeben. SBeil 2)u bei .^aufe menig &tlh 
efgenfidnbio f)atteft, fönneft S)u ni(l[)t ^err unb SJleifter barüber fein." 
?lm 21. 5RoD. antwortete fie: 

„S)ie SSenpeife über ben Unglauben S)einer ihanfl^eit finb eigent« 
li(^ ntic^ felbft nid^^tg angegangen; benn \6) f^abt S)ir bamalg nur bie 
Vermutungen oon Onfel gefc^rieben, meld^^ed i4 freiließ nad^lier bereute. 
3d^ t^ar Sag unb ^a6)t in Ihtmmer , feufjte unb bat 3u &o\t für 
S)eine ®efunbl)eit unb banfc il^m für bic ©rl^örung.'* 

*) S)er 3:raum ber SJlutter o. @. 108. (Sie fd^reibt an ©ottfrieb, 
12. September: 

„9li(^t Dergeben§ mar mir fo fc^ioer unb immer angft für ^i6). 
. . . {>üte S)id) nur, m6)t auskugelten, bi§ S)u gana feft unb auger 



138 OJ^nd^en. 



unb \i)tDaäi, als id^ xokbtx ausgeben fonnte, bag id^ m 
mir fclbft crfd^raf, als id) in beti ©picgel fd)aute. ®o(ft 
iDerbe id) in Sufunft nichts mel^r Don bergleic^en 6a(^en 
fd)retben, eS mag mir ge^en, wie eS roiQ, ba man ju aüern 
@(enbe nod^ glaubt, id^ lüge. 

SSad baS i^iele @elbbrauc^en betrifft, fo n)eig ic^ am 
beften, für maS ic^ c§ ausgebe; auf jeben %aü nid)t für§ 
fiumpen. Slud^ gel^e id) md)t mit 2umpen, fonbem einjig 
unb allein mit $egi öon Qixxiö), tt)eld)er mein befler ^reunb 
l^ier ift, unb mir ft^en meiftenS ganj allein bei einanber. 

S)u mirft 2)id) ma()rfd)einlic^ munbem, bag bie legten 
üier SouiSb'or bereits mieber gebraud)t ftnb, menn 2)u nic^t 
bebenfft, ba^ x6) bem S)oftor 16 ©ulben, bem Slpotl^efer 
8 Oulben, ber 5Ragb, meldte alle Städ^te bei mir gemacht 
unb midt) fonft gut üerppegt {|at, einen S^aler, unb 
obenbrein ben SJlietjtnS bejal^Ien mufe^eO- ®aju mufete ic^, 
als idt) mieber effen unb auSgeljen burfte, feinere unb 
fräftigere ©peifen nel^men unb eine 3^1* I^ng SR^einmein 
trinfen, um mieber gu Gräften ju fommen. Sluc^ fd)affte ic^ 
mir ein glanenieibd)en, Unterl^ofen unb Überfd^ul^e an, mcil 
baS Siöetter l^ier immer nafe unb falt ift, unb id) mid) öor^ 
jflglid^ auf ben SBinter marm {(alten mufe. S)u wirft mir 
üielleid^t inbeffen aud) mieber nid^t glauben, bafe ber ©oftor 



@efaf)r bift; fonft fönnte eS 2)ic^ mieber umroerfen unb bann nod^ 
fc^Ummer fommen, ober eö fönnte in eine @(l[)n)inbfud)t ausarten; bann 
märe eS 0efc^ef)en um S^ic^! ©ott bef)üte mtc^ öor biefem f(^merali(^ 
@cf)icffal! 5)er ©ebanfe roirb mir idglid^ neu: lodreft S)u bod^ bei 
4>aufe geblieben unb etroaä anbereS geioöFilt!'' 

S)ie Strjtrec^nung oon Obermebijlnalrat Dr. dioit) in SWüncften 
im Setrage oon 16 (§)ulben 48 ^reujer für Se()anb(ung md^renb bed 
„neroöfen @c^Ieimfieber§" ift a\x6) noc^ öorl^anben. 



10. 3(n bic mwütt, 26. Dftober 1840. 139 

an meinem Sluffommen gejmeifelt f)at. S)u loirft auS allem 
alfo einfe()en, bag id^ bai^ fibrige @elb nod^ brauche; tpeil 
id) iDenigfteni^ gn)ei ^onat Qdt l^aben mug, um etmaS gu 
mad^en, ba« id^ öerfaufen fann. 9lad^l^er tragt feine Sorge 
mel^r für mid)! 

SBaS ©eine ^Meinung im öorle^ten ©riefe betrifft, ba^ 
id) nämlidt) mieber nad) $auS fommen foHte, fo trauft S>u 
mir ba nid)t Diel S^arafter gu. 2)ie 2eute märben ein 
fc^öne^ @eläd)ter l^aben. 3d) i^cibe einmal meine 93al^n an« 
getreten unb tt)erbe pe aud) öoHenben, unb mflfete idt) Äa^en 
freffen in 9Kfind)en. Sifc^er*) ift fc^on über gmei SBod^en 
l^ier. SBir muffen näd^ften« ^olj laufen, benn e« ift ab« 
fd)eulid) lalt; unb voa^ mid^ betrifft, fo mug id^ ben gangen 
Sag effen, fo auSgel^ungert bin id^ burdt) bie Äranfl)eit morben. 

©rüfee alle! ©ein @o^n ©ottfrieb ÄeHer. 

6« finb biefen Sommer l^inburc^ nid)t mel^r als fec^iSgig 
frembe ©tubenten unb nodt) mel^r junge Äünftler l^ier ge= 
ftorben. 6rft le^t^in ^aben mir mieber einen SRapperfd^m^ler 
^ier begraben, namenS SJlüHer. @r l)atte eine ungel^euer 
gro^e Stafe, beöl^alb nannten mir il|n nur ben 9Kuller 9kfo! 

«DHlnc^cn, ben 26. Oftober 1840. 

Siebe 9Kutter! ^err Äem^) l|at mir ©einen werten 
fflrief uberbrad)t, unb id) l^abe barauS gefeiten, ba^ ©u ben 
meinigen, ben id^ öor ac^t Stagen fortfd^icfte, nod^ nicftt em=» 

*) ÄeUerS ©tubengenoffe. 

') 9Waler ^an§ ^onrab ^em au§ Süric^, ber feine ^ot^aeitäreife 
m^ SWünd^en machte, ©in awcitcS ^oc^aeitöpaar, Söolf au§ 3öti4 
befuc^te xl)n im Tlai 1841. („5)er gnlnc ^dnxi^)'* 4, 98 ff.) 



140 a^nd^en. 

^fangen l^atteft; bod) je^t mrft 2)u i^n 6ereitö ^aben. 
2)al^er l^abe id^ md)t Diel nad^jutragen, als bog baiS, )dq§ 
id^ gefd^rieben, ein roenig befd)Ieunigt loerben möchte, inbem 
id^ fonft ®elb i)on ^ameraben borgen mug ; unb loenn man 
baS tl^ut, fo l^at bai^ @elb Don $aufe, roenn eS enblic^ an- 
fömmt, feinen ©egen mel^r, man mufe eS nur »ieber (Ui5= 
teilen. Snbeffen werbe ic^ öon $erm Äem, ba er e§ mir 
angeboten l^at, Dier S^aler teilten, ba ic^ DieQeic^t nod^ eine 
SBeile warten fann, bis bie @adt)e mit ben ^erm ©latts 
felbem abgetl^an ift. S>u fannft pe i^m bann jurüdfgeben, 
ba S)u bieS @elb DieÜeic^t bis Wartini noc^ entbehren 
fannft. 

SBaS meine ©efunbl^eit betrifft, fo bin ic^ je^t ööllig 
l^ergeftellt. 3d^ bepnbe mic^ fogar beffer als öorl^er; benn 
bie ^ranfl^eit l^at mid^ tfid^tig l^erauSgefegt , unb tc^ bin 
gewiffermafeen frol^, bafe fie ausgebrochen ift. 3^ ^öbe ba§ 
9?erüenfieber nid^t eigentlid) gel^abt, fonbern ein gefä^rlidjeS 
nerööfeS ©c^Ieimfieber, meId)eS ol)ne ben guten Slrjt, ben ic^ 
Eiatte, ins Sierüenfieber l^ätte ausarten fönnen. ©od) bamit 
^unftum. 

SBaS mein SluSfommen l^ier betrifft, fo entfd^lagc ©id^ 
einftroeilen aller ©orgen ! 3^ fönnte, wenn id^ »oUte, |e^t 
fc^on mein Srot fümmerlid) öerbienen mit kolorieren unb 
anbem ©tinfereien; aber id^ l^abe eS mir einmal in ben 
Äopf gefegt, mit etmaS 3fiedt)tem anjufangen, unb id^ ^offe, 
ic^ werbe mic^ ^ier als Äünftler unb nid^t als Äolorifl 
burc^bringen fönnen. 3d& fann nad^l^er nod^ mad^en, waä 

id) miH; auf jeben %a\l gel^e idf) nid)t l^eim. 

SBenn ic^ nodt) einige S^it leben fannO, fo mufe id^ meine 

*) 5. 1^. ol^ne SRal)run0§for0en. 



10. sin bic SDfhittcr, 26. Dftober 1840. 141 

8[rbcitcn nic^t fo fd^lcd^t öcrfaufcn unb ftc icbcm Subcn 
antragen, wie bic« gcfd^c^cn lüürbc, wenn id^ in ber 9?ot 
wäre. 

2e^te 3Boc^e fonnte ic^ gar nid)tS arbeiten, benn e« 
famen immer ©c^weijer l^ier an, mit welchen mir in ^Jlünd^en 
l^erumjiel^en mußten. S\xtx\t fam ein Sngenieur fflecfer au8 
©laruö, meldten SJlüHer mir fc^icfte, unb nad^l^er ein junger 
^en ©fc^er öon Süxiü) unb ein Saäler ©tubent. ^6) gelje 
ber Semegung megen auf ben gec^tboben unb aud) megen 
ber ©robl^eiten unb @c^ifanen, benen man ^ier aui^gefe^t 
ift unter ben Dielen Stubenten unb Äunftlern, menn man 
nid^t fechten fann. ©oc^ braucht 3^r feinen Äummer ju 
^aben, ba^ x6) etwa tot geftoc^en werbe; benn fobalb biefe 
Sflenommiften feigen, bafe man fte nidt)t ffird^tet, fo jiel^en fie 
bie Alanen ein. 

%üx bie ©rufee ber 3iJ«8f^^^ ®^tte unb 5rau SBogeP) 
laffe l(öpid^ft banfen unb laffe l^inwieberum alle grüfeen, bie 
fic^ für mid) intereffteren: ©buarb unb feine ^Kutter'*), aUe 
in ©lattfelben. Unb ben beiben SRorborf werbe id^ näd^ftenS 
wieber fc^reiben, ba $egi über ben SBinter nad) $aufe ge^t. 
Sifd)er beflnbet pd^ wol)l. SBir i^aben ein grofeeS, gut 
möbliertes S^nimer gum arbeiten mit einem ebenfall« l^eij*: 
baren geräumigen ©dilafjimmer. ®er Heine Sart^, welcher 
nad^ mir l^ier angefommen ift, öerbient fd^on l^inlänglic^ 
@elb mit porträtieren; bafür bleibt er aber in feinem 
©tubium ftel^en unb lernt weiter nid)t« mel^r. @fet S^r 



grau Söagner 93o0el in @tabcIf)ofen , gugenbfreunbin ber 
SRutter. 

^) ©ruber unb 5Wuttcr ber ocrftorbenen Henriette Heller. 
') 8lu§ grauenfelb. 



142 ^D^nd^en. 



brat) Stauben? ^6) ^abe, atö td) Iranf mar, einen einjigm 
gegeffen, tpeld^er mid^ fecl)d iBa^en foftete; nad^l^er ^ab xif 

eö bleiben laffen. 

®eS 3Korgenö trinfe id^ Gl^ofolabe, »cld^e ic^ felbjt 
mad^e; beiS SOlittagö effe idt) im Äaffeel^aufe, n)o man beffer 
unb reinlicher ifet, ate in ben Sierfneipen, unb nid^t öiel 
teurer, aber bafür gefunber. 

©rüfee @ud^ taufenbmal. 

@uer ©ol^n unb ©ruber 

®. JteHer. 

SWünc^en, bcn 21. 3RoDeinbcr 1840. 

Siebe 3Jlutter! 3fwimer öergeblid^ auf eine Slac^rid^t 
unb @elb n)artenb, bin id^ enblid) ge2tt)ungen, nod| ein Wal 
ju fc^reiben unb ©ic^ ju bitten, bie ©ac^e gu befd)leunigen. 3^r 
fd)eint gu ^aufe 3U glauben, bag man in Wfinc^en Don ber 
fiuft leben fönne; benn e« ift je^t fd^on mand)e SBoc^e öcr^ 
Poffen, feit idt) gefdt)rieben l^abe, bafe id^ mit meiner Sar= 
fc^aft fertig fei. ^ätte id^ nid)t etwas »erlaufen fonnen, fo 
märe eS miglid^ geftanben; aber gubem ^abe id| bemtoc^ 
fc^on öon Sefannten etmaö borgen muffen. 8[ber jcfet finb 
mir alle mit einanber auf bem ^unb, unb eS ^at leiner 
nichts mel)r. Sdt) male gegenmärtig an einem großem 33ilbe, 
baö id^ oerfaufen werbe; aber baö fofiet nod) Seit. 

aSßaö ^erm Äem betrifft, fo l^atte id^ mir öorgenommen, 
etmaö bei il^m ju pumpen, aber nac^l^er biefen SBorfa^ mieber 
bereut, inbem idf) backte, befagter .g^err fonnte etma in Sünc^ 
ftc^ feud^t machen: er l^obe mir @elb geben muffen, unb e« 
ftüube fd)einf ö fc^led^t um mid) unb bergleidjen me^r. ffieö- 



11. sin bic SDfhittcr, 21. Sflüücmbcr 1840. 143 

falben nal^m id^ nid^tS öon il^m^). SBuljrmQnn l^at mir 
aud^ gcf (^rieben, bafe er l^ciratcn werbe, waiS mid^ fel^r 
amüpertc. 

^en ^egi ift nad) ^axife gefeiert. @r wirb ®id) wal^r' 
fd)einlidö befud^en, wenn er nad) Sörid^ fommt. 

SBie gel^t e« gu ^aufe? $at 5ReguIa ju tl^un? SBaS 
mad^t boc^ ber alte ^o^? @r i[t gewi^ nid)t am beften 
baran. 3Bq8 mad)en bie Seutc^en in ©lattfelben? 3c^ laffe 
aUeö öielmal grüben: ^einrid), 6aton unb bie anbern. — — 

3c^ ^abe immer ©el^nfuc^t nad) ben gleifc^töpfen 
äg^ptenö, b. 1^. nac^ einem guten ©tficfe ©ped mit gebörr» 
ten „©tfidfli", ober nad^ einer „SöHenwäl^e" , ober gnle^t 
nur nac^ einem guten gefottenen Äartoffel; benn öon aßen 
biefen nalir* unb fc^madfl^aften ©peifen friege ic^ l^ier nic^t« 
gu feigen, ©a ift nichts ju l^aben, alö magere ®anS», @nten* 
ober ^afenbrätlein, fc^Ied)te Äoteletten unb bergleid^en mel^r, 
unb bie Kartoffeln fann man nid^t anberS effen, afö ge» 
braten ober fonft gefod)t*). 

*) ©te SRutter an ®. 21. fflot).: „^tn Sttm (ber oben ermälfinte 
SRalcrmcifter au8 3üxi6), ber feine ^oc^jeitSreife na6) 2Jlünc^en ge- 
macht l^atte) überbrachte mir S)einen S3rief unb bie erfreuliche fflaä)^ 
ric^t, ba6 S>u alfo mieber gan^ liergefteUt feieft. ©einem ©c^rciben 
nac^ moUte ic^ i^m 4 Zl)lx, geben, allein er moUte nici^td Don biefen 
mlffen, unb mürbeft S)u iF)m nur etmaS gefagt ober geforbert l^aben, 
rec^t gern würbe er ©ir entfprod^en I)aben." 

>) S)ie aWutter an ®. 28. SRoD. 1840: „3Bir mürben S)ir gerne 
S3imen, ^fel unb Strauben gönnen, roie a\x6) ein guteS @tücf ©pecf 
in bünen ©tüdli (gebörrtem Dbft) unb ©öUenroäl^en (Swiebeüuc^en). 
®efottene Kartoffeln mürben SHr amar nx6)i er^eblic^ fein! SBenn 2)u 
mieber na6) ^aufe fommft, fo motten mir S)ir genug 3ubereiten. 
S)u l)aft rec^t, menn ©u S)ir gu 4)aufe etma§ ©peife unb Äaffee zu- 
bereiten fannft; eS !ommt mol^lfeiler alö im Kaffeel^aufe. ©änfe unb 
(Snten muffen bort mo^Ifeiler fein; fjxtx !önnen nur bie Sfleit^en folt^e 



144 SRünd^. 



9Äit bcr Hoffnung, bicfcr Sricf »erbe SS>\d) unb ffU^Aa 

in beftcm SBol^lfcin antreffen, öerbleibe id^ nebfl taufenb 

@rü^en 

©ein banfbarer ©ol^n ©ottfrieb Heller, 

bermalen wieber gang gefunb. 

©a8 SBaifenamt in ©lattfelben »irb bod^ leine Um^ 
[tänbe gemacht l^aben. 

ffia id^ balb mein SBol^nort öeränbern werbe, fo fc^reibc 
mir fünftig immer unter folgenber Slbreffe: ©ottfrieb ÄeDer, 
©Ifeöe ber fönigl. Slfabemie ber bilbenben fünfte in 9Rün« 
c^en; fo werbe ic^ bie Sriefe immer rid^tig erhalten. 

3Wün(l^cn, ben 5. ©caembcr 1840. 

Siebe ^Kutter! SJlit großem SBergnflgen l^abe ic^ ©einen 
legten Srief famt feinem miHfommenen Snl^alte empfangen, 
wofür id^ S)ir, fowle $erm Dnfel für feine ©efdUigfeit 
meinen fc^ulbigen ©anf abftatte. SlUein fo fel^r gelegen mir 
ba$ ©elb auc^ fam, fo l^at mid^ boc^ ©eine Siebe unb 
©orge noc^ weit mel^r erquidft*). ©afe ©u je SHangel leiben 

cffen. . . . SRcQuIa \:)ai nit^t immer gu t^un: im ©pätfommer bis 
nad) bcm ^erbft war gar nichts ; feit mel^rcren SBü(^en ge^t eS roöc^t« 
lic^ jmei bi§ brei Sage gu ©ritli SJogel in ©tabcl^ofen (bcr %o^\n 
ber oben ermähnten grau SBogel) al§ ©efell! Keffer etma«, als gar 
nid^tS. ^od) fcnbe S)ir ben !Ract)foIger beS „Sanbboten", bamtt S)u bie 
Vergangenheit (!)ber SBerfammlung in Safferftorf Dernel)mcn fannft. (gr 
wirb S)ir walirfci^einlic^ eine \)m\\d)t rabifalifc^e (Srgöjung gewähren.' 
(^m 22. !RoD. ^atte in 53afferftorf eine bemofratifd^e (grinnerungSfeier an 
ben Sag Don Ufter 1830, an welchem bie 35oI!öfouDeränetät einen 
erften (Sieg errungen I)atte, ftattgefunben.) 

') S)ie 2Jhitter an ®. 21. «Roö.: „mix trdumte biefe ffiot^e einfl, 
S)u feieft I)eimgefommen unb gwar auf einem prac^tooflen ^erb, fe^r 



12. 3(n bic SWutter, 5. S)c8einbcr 1840. 145 



foUtcft toegcn mir, liebe SKutter, tocrbe id^ ju öer{(fitcn wiffcn; 
benn, wenn id) ba^, waS mir nod) jufommt, üerbraud^t 
^aben werbe, fo werbe ic^, eö mag mir geljen, wie eö wiU, 
bod) nickte baüon fd)reiben, fonbem mir felbft ju Reifen 
fud^en. Sc^ l^offe aud) unb l^abe @ott fd)on oft barum 
gebeten, bafe id^ balb im ftanbe fein mödt)te, ©eine üielen 
Sorgen unb Opfer, bie ffiu mir \i)oti gebrad)t {(aft, oer» 
gelten ju tonnen. 

Slber für je^t mufe id^ ®id) gunt I^feten 5WqI plagen 
unb ®ic^ bitten, mir nod) oier Souiöb'or, wenn foldf)e noc^ 
übrig bleiben, ju fc^idEen, fo balb bie ©rlaubniö ba ift. gc^ 
t)abe üon bem legten ®elb jwanjig ©ulben für meinen neuen 
SRod, üier ©ulben fünfunboiergig Äreujer für Sitnm^rjinö unb 
nod) einige Äleinigfeiten fogleid^ weggeben muffen. 9?un 
l^abe idö wol^l bie 8luöfid)t, meine je^igen Slrbeiten oerfaufen 



fc^ön gefleibet! S)a§ mar mir eine gröfeere grcube, aB ber Dorige 
2:raum, in serriffenen 5^Ieibern unb \d)vtäl\6) blaß unb mager. 3ener 
bebeutetc S)eine ^ranf^eit; roaä aber bicfcr für eine S3ebcutung ^at, 
meife id) nod) ni^t, unb gebe ©ott, nic^tö S3öfeö." (35gl. „S)er grüne 
^einric^^ alte 2lu§gabe 4, 265 f.) 

2lm 8. San. 1841 fc^rieb jic i^nt: 

„S^id^t of)ne befonbere§ !Rac^ben!cn unb @efüi)Ie i)abe ic^ ha& 
alte 3al)r geenbet unb ba§ neue angetreten; e§ mar mir ein rot(l[)tiger 
$(bfci^nitt meines 8eben§. 5lber nic^t weniger wichtig mar e§ aud^ für 
SHdt); md)t bloß ben (Sc^merj ber Trennung, fonbern auc^ bie ©(l[)mer- 
3en ber jhanf^eit f)aft S)u erfal)ren. ®ott behüte S)icl^ nun im neuen 
3a()r unb immer Dor foId)en Erfahrungen! 6r fd^enfe S)ir Ölücf unb 
©egen ju S)einem S3erufe, bafe meine «Hoffnung unb S)ein guter SöiUe, 
mir mein J)eranrüdCenbe§ Stlter au erlei(l[)tern unb froher ju machen, 
in Erfüllung !ommen möge. S3ete oft unb fleißig 3u ®ott, fo wirb 
er S)id^ ntd^t öerlaffen unb gur Seit für ^x6) forgen! Sdglidi) feufje 
unb bete id^ für S)ic^. Slber S)u mufet ha^ S)einige auc^ nie Der« 
geffen!" 

©ottfrieb Äefler. 10 



146 ^D^ünd^en. 



gu fönnen; aber baju muB td^ toieber golbene Stammen 
mad)en laffcn. ©al^cr mufe id) i\x meinem Slnfange einen 
fleinen @q^ l^aben unb nid^t gejn^ungen fein, bie ©tudFe um 
jeben ^reiö wegwerfen ju muffen. Slud) mag id^ in 3"* 
fünft mic^ nic^t mel^r fo ganj am ®elb au^Iaffen. 6ö 
fc^abet nichts,, wenn man immer etmaS SBorrätige# in bcr 
Äaffe l^at; benn fa l^abe id) weit mel^r f^eube, gu fparen. 
2)u fiel)ft alfo, bafe ic^ biefeö ®elb nod^ fe^r notwenbig 
^abe; nid)t, bafe id) ol^ne baSfelbe üer^ungem würbe, fom 
bem e§ bient mir bagu, fid)erer unb foliber auftreten gu 
fönnen. 3ludt) ift e§ je^t gerabe bie befte 3^^*/ inbem auf 
baö 9?euia{|r immer öiel Silber gefauft werben, unb e§ alfo 
i)iel barauf anfommt, bag id) meine @ad^en i^or^er noc^ 
auöfteHen fann. @oßte eS aber nic^t möglid) fein, mir gu 
entfpred)en, fo bitte id), mir eö ju fdt)reiben, bamit id^ nid)t 
öergeblid^ barauf warte. 

5Äeine Äranf^eit {)at mir bod) einen fdölimmen ©treit^ 
gefpielt: nämlidf) ben, bafe fie mid) jum Äal^Ifopf mad^t; 
jeben 9Jlorgen, wenn ic^ midt) fämme, geilen mir fürc^terli^c 
Siöifd^e $aar au5, unb baö je^t fc^on bei gwei SKonaten; 
unb wenn eö fo fortfä{)rt, fo bin ic^ in furger 3cit fo fa^I- 
föppg wie 6Ii. 3db bin in SBergweiflung ! 

®en 6. ©egember. SBorgeftern ftarb l^ier ff^äulein gomaro 
öon SRapperSw^I, unb l)eute 3lbenb öier Vifjx wirb fie beerbigt. 
(Sie wirb wegen i{)rem liebenöwürbigen unb geiftreic^en 
23efen, weld^eö fie inne {)atte, allgemein bebauert. 

@in Sreunb öon mir, Äurti öon SRapperSw^P), wo{)nte 



*) !^arl 6urti, nad^^malS ©tabtfc^reiber in SRappcrSiocil, gcjt. 

1877. 



13. 5In bic fintier, 4. ^pxxl 1841. 147 

itfxtx ©cftion bei, unb ba fanb cö ftd), bafe fic an bcr ^im« 
wafferfud)! franf gcwcfen war. 3luc^ ^attc jtc ein Sod) im 
^kgcn. 

§icr tocrbcn immer ÄrieflSrüftungen gemacht, ^errn 
@d)aufelbcrger laffe id^ banfen für ben „Sanbboten" ; er l^at 
mid) gefreut. Sd) kf^ I^^t alle Sage ble „SlKgemeine S^itung", 
um 9?ad^rid^ten üon ben ßuftänben unfereö Äanton§ ju er^ 
Italien. 

©ocft mufe id) je^t enben, um bem 2eid^enbegängni§ ber 
gornaro beijuwol^nen. @old)e traurige Seierlid^feiten finb un§ 
^ier balb jur ®ewo{)nl^eit geworben. SBir werben ein Sieb 
auf i^rem ®rabe fingen, gebt mol)! unb grüfet mir aUe! 

@uer ©ol^n unb Sruber 

®. ÄeKer. 

Slbreffe: Slfabemie ber bilbenben Äünfte. 

SBir werben wa^rfc^einlid^ biefe 3Bol(nung üerlaffen, 
weil feit einiger ß^it immer anbere 9Mgbe ba jtnb, aUeiS 
Sumpenmenfc^er, weld^e nid)tö pu^en unb fd)Iecftte Orbnung 
l^alteU; unb ber ^{(ilifter ift ein alter geijiger ^ub, 

®aiS Sßorto öon 40 ©ulben foftet 42 Äreuger, weU 
döe§ id) aber gern bejaljle. 

13. 

aKünd)en, ben 4. 5tpril 1841. 

Siebe SRutter! SBiber ßrwarten mufe id) noc^ ein SRal 

JU ©einem ©ci^reibtifd)e meine 3uflud)t nel^men unb ®id) 

erfud^en, mir unöerjüglid) nad^ ©mpfang biefeö Sriefes, ober 

wenigftenö gleidt) an ber Oftern, 30 ©ulben ju über« 

f (Riefen, weld^eS ®ir vermöge ber eingei^enben ßinfe fd^ou 

10* 



148 «Wunc^cn. 



möglich fein toirbO- Sßx^ Wakn, too ©u ba§ ©clb toicbcr 
brauc^ft, wirb ein Süxd)tx, namens SBerbmußer, nad) §aufc 
fommcn, unb biefem toerbe id^ bann t>a^ @elb wiebcr mit» 
geben. ®u wirft ©td^ wunbern, ju waS ic^ baöfelbe fo 
notrocnbig brauche, unb t& biene ®ir bcönal^en jur 9?ad)rid)t, 
bafe iöi e§ einem SBergoIber fc^ulbig bin, weld^cr geftorben 
ift unb beffen SRedinungen nun äße unüerjüglid^ abgefd^loffen 
werben muffen, waö mid^ ein wenig in§ $e^ fefet; bcnn 
mit ben ©erid^ten u. f. w. läfet fid^'iS l(ier nid^t fpaffen. 
Snbeffen pttc ic^ ®ir gar nid)t barum gef daneben, wenn 
nic^t eben faft alle meine Sefannten ebenfalls auf bem §unb 
wären, ©od) mad)f weiter nid)t§; biö @nbe 3tpril l^abe id) 
wieber eine Slrbeit fertig, unb bann fd)icfe ic^ bic 30 ©ulben 
fogleidf) jurucf, weil id) woEjI weife, bafe ®u fie nid^t ent^^ 
beirren fannft. 

©onft lebe id^ ganj gemäd^Iid^ ^ier, effe, trinfe unb 
arbeite. Siöweilen unternimmt man aud) einen fleinen 9luö« 
flug. ©0 waren wir le^tl^in unfer üierje^n mit bem ©ampf* 
wagen nad) Süigöburg gefal^ren unb jwei Sage allbort 
üerblieben; eS gefiel mir fe{(r gut bort. 



») S)ie SO^utter an ©ottfrieb 11. Wpül (Dftertoö): 
„3c^ bad)te mof)!, ber alte gute 8cf)rcibtifd) werbe no^ ju fpenbcn 
^aben. ©injig S)ir gu gut, ba^ er fxd) fd^on eine lange fRdl)t Don 
3al)ren anöett)öf)nte, ju Raufen, (ober wie S)u e§ frül)er „Mdtn" 
genannt), bai er nie !eine unnüfeen ©penben auSftreute unb ftetö bie 
roeife ©inrid^tung fud^te, um !Rot unb Slrmut gu öerlf)üten unb immer 
fo Diel aB möglich oon anbern unabl)ängtg gu bleiben. ®ott fei S)an!! 
IBiö ba^in ^at er flt^ el)rlic^ unb reblid) auSgebrad^t ; obgleich oftmals 
er Don Kummer unb 5Rot gebrucft auf bem ©runbe lag, fo fam boc^ 
immer mieber eine 3eit , wo er geftärft rourbe. Slber uon Sai^r 311 
3al)r mirb er älter, unb bie 3eiten änbern fld^. SBie e§ t!^m bann 
gel)t, menn er fic^ nie^t» öorgefpart l)ai, bk§> ift ®ott befannt." 



14. 5ln bic aJlutter, 13. ^(uguft 1841. 149 

3d) l^abc frf)on mcfircre @ad)cn I)icr auögeftcHt unb 
l^abe einige ßl^re bamit aufgelefen. ©onft gel^t aUeö Dor» 
trefflich; DieHeic^t fomme ic^ auf ben Sommer für einige 
S2Bod)en l)eim, wenn e§ fortgebt, wie eö angefangen l^at. 
3cf) ^abe le^t{(tn fo ungefäf)r berechnet, wie lange id) fc^on 
l^ier bin, unb ju meinem ßrftaunen gefunben, bafe e« nun 
balb ein ^dl)x ift, n)eld)eö mir öorüberging wie ein Sraum. 

9Md)[ten§ werbe ic^ einen größeren Srief fd)reiben unb 
bitte ®ic^ nur nod), niemanben nid^tiS üon meinem Slnleil^en 
was ju fagen; am alterwenigften bem $errn DnfeL ®enn 
ba id) eö nur borge oon ©ir, fo l^at aud^ niemanb feinen 
©enf baju ju geben. 3d) l)offe, 3^r werbet mir alle§ mög* 
lic^e 5Reue fd)reiben, baö eö gegeben {)at. Sd^ grüfee aUeö, 
befonberS Slegula. 

6uer ergebener @ol)n unb IBruber 

@. ÄeHer. 

[5Dfiünc^en, 13. Sluguft 1841.] 
__ 1) 

9Jun fomme id^ jum gweiten Slbfd^nitt, weld^er oon 
mir ^anbeln foH, unb woju ©u wal)rfc^einlid) ben 9iKunb 
ein wenig öerjief)en wirft, ©u fragft niid^, wie e§ mir er« 
ge{)e? SBürbe id^ perfönlid^ oor ®ir ftel^en, fo würbe ic^ 
bie Sld^feln jucfen unb ein weinerlid)e« ©efid^t fc^neiben; 
fo aber fann id^ ©ir nur melben, ba^ eö nid)t fo gel^t, wie 
id) es geglaubt ()abe, unb bag id^ mid^ barin getäufc^t 
I)abe, bafe id) glaubte, ic^ fonne fd)on genug, um mid) burd^* 
jubringen, b. 1^. als Äünftler. 9iun aber mufete ic^ ju 

S)cr eingang bc§ S3riefe§ ift abgefd^^nittcn. 



150 ^D^ünd^en. 



meiner Demütigung erfahren, bafe mir nod) gar mauc^e^ 
abgel^t, unb bog id^ burd)auS noc^ lein rect)ter Huftier 
bin. 3d) weife freilid) alle ^auptfad^en unb l^abe auc^ 
Sbeeen unb Sluffaffung^fraft, ^abe i^ier öieleö gelernt; aber 
e§ fel(It mir immer nod) an Übung unb berjenigen Sott^ 
fommenl^eit, bie notmenbig ift, um ein gutes 93ilb, baS Don 
Äennem gefauft wirb, ju malen. 

^ä) l^abe fd)on frül^er gef (^rieben, bafe ^ier jebcr, bcr 
etroa§ Jüd^tigeS leiftet, fein guteö Slui^fommen finbet. 9lun 
l^aben meine ©ad^en üon ben altern ^nftlem unb Äennem 
mo^l Seif all ; allein pe jinb nod^ nic^t öoßenbet genug, 
©enn bie grofeen Ferren moHen nid)t nur Silber ^aben, bie 
öiel Salent üerraten, fonbern aud) mo^lftubierte Silber. 3" 
biefem fel^lt mir je^t eben nod) fo gu fagen bie le^te geile, 
ober bie le^te Übung. 3db foHte nod) eine S^itlang ungeftört 
bie ^^i)kx nod^ ju entbecfen unb gu oerbeffem fud^en, o^nc 
oon aufeen geftort ju werben. 

SBie.id^ jefet bin, fo muß idf) mir l(alt eben immer fo 
fnapp burc^l^elfen. ^anc^mal l^abe id^ etwad, mand^md 
nid)td unb mufe mid) oft mit meinen Äameraben bereifen. 
Snbeffen gel^t bie Qtit bal^in; bei bem, waS tc^ mad^en mufe, 
lerne id^ nichts, ©ie Äleiber jtnb auc^ wieber faporeS, unb 
id) mufe mir wieber SRocf unb ^ofen machen laffen; benn 
fo fd^äbig an ber ©onne l)erumjufteigen, ift mir einmal 
nid^t möglid). Unb bann uollenbö bie SluSftd^ten! Suf 
biefe 2lrt mufe id^ immer am gleid^en gled Heben imb fe^e 
nid)t ein, wie id^ mid^ ol^ne ein befonbereS ©lud ^öl^er 
fd^wingen fann. 2lud) ift mir biefe 2age ganj unerträglid^. 
®enn immer nur mit 5!Senigem Raufen muffen, jjeben Äreujer 
jufammenfterfen, bamit man am @nbe beS 9Jlonatö ben 3i"^ 



14. 3ln bic gjluttcr, 13. iauguft 1841. 151 



geben fann, ift mir biirc^auö uid^t gegeben. 6§ foKtc jmar 
nic^t fein, id) weife eS woE)!; aber eS ift mir einmal pur 
unmöglid), fo äugftlid^ leben ju mfiffen. Siöenn ic^ etma« 
Seftimmteö unb OrbentIid)eiS ju öerbrauc^en l^abe, fo fann 
id) mid) rec^t gut einteilen, aber unter fold)en 2umpenum=» 
ftänben fommt man ju nid)tS. SBenn ic^ mir nur Qdt 
laffen fömtte, etma« red)t grünblid^ burc^juarbeiten, fo fönntc 
td) mic^ fd^on balb l^erauSfc^wingen; aber eben baiS ift ba§ 
^ed) , bafe id) aßeiS nur püd)tig unb fd^neU machen mufe. 
um mieber ®elb gu befommen. gcfet ift fd^on ber gweite 
©ommer, wo id^ feinen @trid) nad) ber 9?atur madt)en fann, 
unb ba^ gereid)t mir gum größten 9iad^teil. 3dt) fönnte 
mol^l öießeidt)t folorieren ober fo ettoaiS treiben; aßein baS 
werbe i^ nie unb nimmermel(r tl^un; lieber ber Äunft gang 
entfagen; benn nid^tiS l)affe id) fo fefjr wie baö. 

Snbeffen l^abe id^ einen Slui^weg erbac^t, ben 1d) ©ir 
gu reipid)er ©rwägung oorlege. SSor aßem mufe ic^ ®i^ 
bitten, nic^t etwa gu glauben, id) mac^e mit bem alten 
Seicht jtnn nod^ leere $läne unb @nl würfe; benn ic^ ^abe in 
ben fünf SBierteljal^ren , bie ic^ nun ^ier bin, fo aßerlei an 
mir unb anbern erfal^ren, bafe ic^ anfange, baö Siöal^re öom 
Salfd^en gu unterfc^eiben. SEßenn ic^ alfo nur nod) ein ^a\)x 
forgenloS wäre unb aßeö 9Jlöglic^e anwenben fönnte, mir 
ba« angueignen, was mir nodf) fe^lt, fo fönnte id^ getroft 
ber 3uf"«ft entgegenfel^en. 9?un wage id) gang befd^eibent« 
lidö an meine 3Jlutter nod) bie Srage, ob jte ftdt) entfd^liefeen 
fönnte, gu biefem Qxotdt eine ©umme aufgunel^men! — 3d^ 
wiß ®ir aßeS fagen, wa§ ®u l^ierauf antworten wii-ft, unb 
^emac^ meine ®egengrünbe aufgäl^len. Sucrft wirft ®u 
fagen, bafe idt) fc^on öfters gefagt l^ahe, bafe bieS ba^ le^te 



152 ^Mnd^. 



Dpfer fei, baS man mir bringen muffe, unb ic^ xooüt nun 
fd^on fortfommen, aber iebeSmal fei ei5 »ieber nid^t^S, inbem ic^ 
immer nod^ mel^r @elb moDe; eben fo fönne eö and) biefe^ 
SSSlal fein, unb »enn man mid) noc^ ein g^l^r lang unter- 
ftü^e, fo fei am 6nbe be§ S^l^reö öieDeid^t mieber bie gleid^c 
@efcl^ic^te. Stuf baS mug id) nun antmorten, bag ici^ früher 
mtd^ freilid^ immer geirrt l^abe au^S SKangel an ßrfal^rung, 
bap id^ aber je^t bie Umftänbe in unb aufeer mir fo gut 
erfenne, bag id^ unmöglid^ falfd^ red^nen fann. Unb foUte 
bie§ bennod^ gefd^el^en, fo mürbe id^ bann auf ber SteBe 
bie Äunft üerlaffen unb ein bürgerlid^eS foIibeiS auöfommcn 
fud^en, ma^ mir bei einigen §ä^igfeiten, bie man mir fonft ju 
fol(^en@ad^en jugefc^rieben l^at, üieDeid^t beffer gelingen mürbe. 
3n)eiteni5 mirft ®u fagen, bafe man für mid^ fdt)on üid 
getl^an ijahtf unb bafe meine ©d^mefter jule^t bcnad^teiligt 
mürbe. Saö märe nun t)ielleid)t fo gu mad^cn : ,,5lBenn 
®u etma 500 ©ulben auf baö $au§ aufnäl^meft, fo mürbe 
bie§ @ud^ gegenmärtig burd^auö nid)t in @urer ^auS^altung 
befd)ränfcn; bie 20 ©ulben 3^"^ alliäl^rlid) fönnte ic^ 
auf jeben %aVi felbft gal)len. ffiaburc^ fönnte id) bann fo gut 
mic^ auöbilben, bafe id) nad^l)er gleid) auf einen fd)önen 33er* 
bienft Slnfprud^ mad)en [fönnte], unb in üier bis fünf Salären 
moHtc ic^ bie gange ©d^ulb abga^Ien. ©enn id) tcnnc ^ier 
Äünftler Don fünfunbgmangig Söi&ren, bie pc^ jal^rlid^ fd^on 
ein (Schönes erfparen unb bod^ bequem leben, ©u mirft 
l^ierbei läd)eln; allein id^ fann für je^t nidE)tö tl^un, al§ ©id^ 
t)erpd)em, bafe bem fo fei. ©ie Summe mürbe mir natür- 
lid^ burd) eine ©d^rift bergeftalt enthoben, bafe JReguIa an 
i^rem Slnteil, meil man nun bod) ein Wal bauon fprec^en 
mufe, fo öiel öorauö l^ätte. 



U. 3Cn bic ü«uttcr, 13. 5Cuguft 18il. 153 

3)rittcn§ wirft S5u fagcn, bafe id) jc^t fd)on lang genug 
gelernt ^ätte, um etwa« gu nerbienen, unb ba^ ein foId)er 
©d^ritt fel^r Ieid)tfinmg fein würbe unb ber Dfonomie einer 
guten gamilie ganj juwiber. ?Run weifet ®u, bafe id) bie 
3eit in 3ürid) fel)r fd)Ied)t anwenben fonnte, inbem e§ mir 
an aHer Aufmunterung unb Sefanntf d^aft mit beffem Äünftlem 
fehlte. 9Kein erfter Se^rer fonnte felbft nichts, unb ber 
gweite prellte mid). ©agwifc^en tappte id^ wieber einige 
Saläre im ©unfein ^erum. Sobann mufe id^ Sir nur fagen, 
bafe man gewö^nlic^ meinen Seruf unb ©tanb üiel gu ober* 
fiad)Iid) beurteilt unb glaubt, er laffe jid^ fo gunftmäfeig in 
einigen 3öl)ren erlenien. @ö gibt l^ier üiele Äünftler, bie 
fd)on älter pnb ate id) unb nod^ nid^t felbftänbig finb^ 
obgleid^ jte aHeS Salent l)aben. ®aS le^te, nämlid^ ba§ 
Seid^tfinnige eineS fold)en ©d^ritteS betreffenb , glaube id^, 
bafe man fid^ l^eutgutage nur nod^ burd) Dpfer unb Slnftren« 
gungen eine bequeme ©pifteng t»erfd)affen fann, unb bafe e« 
l^ierüber freilid) fel^r üerfc^iebene ^Meinungen geben bürfte. 

Sd^ fann ferner l^offen, bafe id^ unterbeffen aud^ bie§ 
^al^r noc^ üerfc^iebene« nerbienen fann, ma^ alles eine befto 
pd^erere ©runblage bilben wirb. 

©d)lie6lid^ nun erfläre ic^, bafe id^ alles biefeS nur 
gur ©rwägung unb Seratung an ®ein mütterlid)e§ $erg 
lege, bafe id) burd)auS verlange, bafe ®u ®id) barüber be* 
raten laffeft, um alles nad) freiem 2Billen gu t^un. Qu 
biefem @nbe ^in weife idj S)id) an ben .^errn SBogel im 
„Serg"^). @r fennt mid) gwar nid^t genauer, wirb aber in 
biefem entfd^eibenben i5all einem jungen Äünftler, ber im 

») S)cr J^iftorienmaler ßubmig SBogel (1788—1879), njo^n^aft im 
alten S3obmcr'f(^cn ^au^z gum ,,55cr0". 



154 !DNinc^en. 



$ed) ft^t, feinen SRat gewiB nid^t öerfagen. SSerate ®i(^ 
ferner mit §erni Dnfel barüber! @r wirb jwar wa^rfc^ein^ 
lid^ bagegen fein; allein, rechne bie 9Jleinungen beiber SÄonncr 
jufammen, unb lafe Sein §erj bie ^Kittelftrafee wählen! 

gemer will ic^ nic^tö, biö id) burd) einige arbeiten 
6ud) bie 2öa^l erleichtern fann. ®al)er l^abe id) fc^on eine 
grofee Äompofttion in Dlfarben ffiggiert unb werbe noc^ 
eine mad^en; in üier bi§ fünf SBod^en werbe id) beibe auf 
ßärici^ fc^icfen, unb wenn e§ möglid), auSftellen laffen. ilai^ 
biefen fönnt 3^r bann beurteilen, ob ic^ nod) einen weitem 
@d)ritt wert bin ober nid^t. ^erm SBogel werbe id^ felbji 
fd)reiben unb if)n erfuc^en, bie Sachen gu fe^en, um ®ir 
l)ierüber feine SKeinung ju fagen. Um aber big gur Seen-- 
bigung beS gweiten IBilbeS nod) leben unb bie SiuSgaben 
bagu beftreiten ju fönnen, bebürfte id) ungefäl^r üier SouiSb'or. 
3c^ wiU nid^t fragen, ob Su biefe bi§ gu SBeenbigung ber 
Angelegenheit fogleic^ fd)icfen fannft; wenn c§ jebod) möglich 
wäre, fo würbe bieg baö @nbe meiner fd)lec^ten £age fe^r 
befc^leunigen. 2öo nid)t , fo mufe ic^ in ®otte§ Sflamen 
mic^ ^erauögubeifeen fuc^en. 3"beffen wiU id^ nid^t , baft 
®u ®id^ t»on etwas entblöfeeft; benn e§ fdhictt fidt) bem 
@ol)ne beffer gu entbel)ren alö ber SKutter. 

Sd) mufe S)id) bringenb bitten, bie ©ac^e gu bebenfen. 
2öenn bie Silber angefommen ftnb, fo ge^e gu §crm Sogel 
ober aud^ öor^er, unb geniere Sid^ nur nid^t! & wirb ®id^ 
gewife mit ber größten ®üte empfangen. Senn er ift ein 
9Jiann, ber gewife bie @d)idEialc üieler Äünftler, bie er fd^on 
gefannt l)at, fennt, unb barauö fidler raten fann. S<^ »erbe 
i^m aud^ felbft fc^reiben. 

Sßergei^' mir, liebe 9){utter, bafe id) ©id^ mit biefem 



2)ic SDhitter an ©ottfrieb, 26. Sluguft 1841. 155 

unangcncl^mcn Sricf bcunruliigcn mufe; aber mad) Sir nid^t 

gu grofee ©orgcn barübcr, fonbern bcnfc, bafe mein ©c^icffal 

f gut in ®ottc§ §anb \Uf)t, ate baS icbcS anbcm SJienf d^cn ! 

Sein ©ol^n 

®. iteUer. 

Scrc^cuftrafec 9h\ 40, 3 rechts. 

®u »irft fd^on ffit)Icn, bafe bicfe @efd)idt)tc bic 2eutc 
im unb anfecr bcm §aufe nid)t§ angcl(t; fic würben nur 
bic ungcn)a)d)enen SJläulcr braud^cn. 

®ie 5Jiuttcr antwortete auf biefen Srief u. a. folgenbeö: 

„3ürtc^, bcn 26. Stuguft 1841. 

Sieber @oI)n. ©ein ©d^reiben Dom 13. biefeö i^abe 
id^ ben 20., ali wir eben üon ©lattfelben bei ^aufe wieber 
anfamen, empfangen. SEBir verweilten un§ bereits brei 
SEBod^en bort, inbem ba§ einigermaßen forgenlofe Seben mir 
gut bel^agte unb fiberl^aupt freie Suft, Speis unb Jranf mir 
gur ßrl^olung biente. SlIS mir §err ® ietric^ (weld^er ® ein 
SBriePein aufbeljalten) benfelben übergab, freute ic^ mic^ fe^r, 
9lad^rid)t üon ®ir gu erhalten, aber bei ©urc^lefung mürbe 
bie Sreube mir gur Srauer. SBaS mir immer 2:ag unb 
9lad^t Kummer unb @orgen mad)te, baS ift nun ba! 

3d^ fonnte Seine Sage nid)t länger bei mir felbft tragen 
als @amftag unb @onntag. Seiten ^}J{ontag ging ic^ gu 
$errn Sogel, ben ®u mir angcmiefen. Sd^ fc^ilberte il(m 
Seine Sage unb fagte il)m aUeS. @r fragte, bei wem Su 
l)ier gelernt? 3d) fagte: bei ©teiger unb — auf meldte 
SBeife — bei SJie^er. ,2ld) erfterer, fagte er, mar \a gar 



') S)cr ©pejcrci^änbler, ber feinen ßaben nunmehr im mütter- 
lid^en .$)aufe ()atte. 



156 SJHind^cn. 



md)tö! Sd) fann nid^t begreifen, »ie fo öiel junge gcute, 
bie etwa Salente gum 3^*^"^" ^aben, foglcic^ bie ^tt 
faffen, Äünftler gu werben^ unb bann unöorbereitet auf bie 
Slfabemie gießen, wo e§ fo üiel ®elb foftet. So, ba braucht 
e§ ein grofeeö auögegeid^neteö ®enie gu I)aben, weld^eS nur 
eine Seltenheit ift. @in foIc^eS ®enie braud)t bann no^ 
eine SRei^e Don Sauren, bi§ er fagen fann : id^ bin Äfinftler. 
6ö gibt freilid) aud) genug niittelmäfeige Äfinftler, bie 
aber Ijeutgutage immer nad) Srot gelten unb fid) mü^« 
feiig unb fd^wer burd)bringen muffen, ©oute 3l^r So^n 
einer Don lefetem fein (id) fenne i^n gwar nid^t), fo möchte 
id) i^m gutmeinenb raten, etwaö anberö angufangen, weil 
er noc^ jung ift. 2öenn er gut gelegnen fann, fo ift biefes 
ja gu Dielen gäd^em nü^lid) unb gut.' Sanier fagte er 
mir: ,3d^ bin fec^S ^ai^xe auf einer afabemie gcwefen unb 
fonnte nod) wenig ober nic^tö. 3a, id^ tt)ci§, waö ic^ 
meine ßltem gefoftet \)ahe, unb bennod^ ^abe id) mic^ ein- 
gefd^ränft, bin nirgenbö in ©efeltfc^aft, in feine SEBirtö^äufer 
unb immer in einem alten abgefd)abenen SRocf uml^ergegangen' 
u. f. m. 3d) fagte xi^m enblid^, bafe 3)u gefd)rieben, Su 
moHteft gmei Silber l^erfd)idEen unb i^n erfud)en, feine 
^{einung mir barüber gu fagen unb mo möglich bie Silber 
auöfteUen laffen. ,3a, pe muffen red^t fd^ön unb gut ge* 
mad^t fein, fagte er, wenn fie auSgefteDt werben! Sann 
fc^reiben Sie nur 3l)rcm ®ol)n (wenn Sie i^m fd^reiben), 
er foH nid)t an mic^ fd^reiben, benn baö Schreiben ift mir 
fc^redflid) Der^afet. 3d) loffe mid) nie in gar feine Äorre* 
fponbengen ein; id) mufe fo gu fagen rec^t in ber 9lot fein, 
bi§ id) mic^ gum @d)reiben ^infefee. SEBenn id^ bie ©ac^e 
fel(e, fo wiU id) 3^"^" «teine 3Jieinung barüber fagen. 



2)tc g^utter an ©ottfricb, 26. Sluguft 1841. 157 

Übrigens fönntcn Sic auc^ noc^ ju anbcrn Äünftlcm gelten, 
roeld^c biefcö %a6) nod) bcffer fcnnen, j. 33. $r. ^Wc^er im 
gjic^erS^of, ober ^r. Ulxid)'). Äennen ©ie biefe nic^t?' 
9?ein, jagte id^, id) fenne feinen üon beiben. 3d) enipfe^lte 
mid^ nun bei i^m unb ging. @o freunb|d)aftHcf) unb ge* 
fd^ttjäfeig er mir üorgefommen, fo fd^ien eö mir bod), als 
xooük er ftd^ gerne ableljnen. ^oä) etmaS jagte er mir, 
ob Su injmijd^en nid^tS oerbienen fönneft, j. 23. etwa folo- 

ricren. 9lein, jagte id), bieje Slrbeit jei ®ir »erfiafet 

,©a§ 3l)r ©ol^n nid^t gern foloriert, bfinit mic^ furioö. 
65 joU pd) feiner jd)ämen gu arbeiten, jei e§, waö e3 woKe. 
3c^ fenne einige große Äünjtler, meldte feine SÄittel Don 
$auje l^atten, welche jold^e Slrbeit tljaten, nur um jid^ 
momentan @elb ju nerbienen. ßiner ging jogar auf ber 
Slfabemie in eine na^e gelegene Scibrif unb malte auf Sabaf« 
bojen, S^eebretter' u. j. m. 3d^ ging enblid^ fort unb jwar 

mit jd^merem bergen. 

®u l(ajt nun in furgcr 3cit üieleS erfal^ren, l^ajt aud) 
einen Sorjd^macf üon 9?ot unb TOangel; allein e§ fönnte 
mit ber 3^it nod) jc^limmer fommen. TOd^t, ba^ id) ©ic^ 
uon Seiner Äunjt abgalten mill, aber meine mütterlid^e 
SJIeinung barf unb mufe id^ S)ir bod^ jagen . . . SBa§ l)aft 
©u bod^ üon einem Seben, menn S)u mit 9lot unb üielen 
©d^tt)ierigfeiten ®id) burd) bie meite. 2öelt jd)leppen mufet, 

») Safob SKc^er t)on SWcilcn (1787 — 1858), 8anbj(^aft§maler, 
rool^nte bamal§ bei Dr. ginSicr im 3Kei)cr§^of an ber SKünftergaffe. 
(Uebcr iE)n ögl. ba^ SReuiaE)r§bIatt ber MnftlergefeUfc^aft in Sflrid) 
für 1861.) — 3- 3. Ulri(^, 8anbf(^after (1798-1877), in «pariS unb 
(gnglanb Q(\6)ult, feit 1836 bleibenb in 3üri(^, 1855 ^ofeffor be§ 
$anbf(^aftäeid)nen§ am eibg. 5Pol!)te(^mfum. (SReuia!)r§bIatt ber 
Mnftlergefeaf(^aft für 1878.) 



158 SWünc^cn. 



um ]^öd)ftcn§ ©tr nad) bem SEobc ein bi6d)cn Sob unb SRu^m 
3u crwcribcn! »ä^rcnb ®u in ®cincr Heimat ein bequemet 
Seben unb ®einer SJlutter ^reube unb ©rleid^terung machen 
fönnteft. ^err SSogel fagte alö ein erfal^rener Äenner unb 
Äünftler, ba^ er niemals im [tanbe märe, feine gamilic üon 
feiner Äunft 3U ernäl^rcn; obgleid) man überall fagt, bai 
bie Seute fel)r einfad) unb l^auSlid) leben. Scbenfe ba^er 
©eine Schilift! @ott leite ©ein ©d^icffal ju ©einem unb 
meinem ©lüde!" 

15. 

SKün(!^cn, bcn 9. (September 1841. 

Siebe 3JJutter! 3d) melbe ©ir l^iermit ben ßmpfaug 
beö ©elbeö jomo^l, al§ ©etneö werten Sricfeö, unb mufe ©ir 
geftel^en, bafe id) baS $afet nur mit Sngft eröffnete, meil 
id) mufete, bafe nur burc^ liebenoHe Slufopferung unb ©nt^ 
beljrung üon ©einer ©eite bie ©enbung biefeö ©elbeö mög» 
lid) geworben mar. ©efto unerwarteter unb befrembenber 
mufeten mid^ ©eine a3erid)te üon .^erm SJogel unb %xau 
©d^inj*) berühren, unb wirf lid) finb fold)e Sluöfprüd^e üor 
2euten, bie fonft mei^r Äenntniö bep^en, ^art ju öerbauen. 
©afe $r. SBogel ungern in bie ©ad^e einging unb fte fogar 
ablel^nte, mag bal^er fommen, bafe ©u gu il^m gegangen bift, 
beüor er etmaS üon mir gefel)en l^at. ©r urteilte l^alt nur 
nad) Steiger :c. unb vermutet mal)rfc^einlid) in mir einen 
ber gemö^nlid)en Äoloriftenle^rjungen , welche berfelbe fonft 
gu l^alten ppegt. ©afe er fid) meiner nid^t erinnerte, ift 



') S)ie 3Kutter an &., 26. «ug.: „grau S)c!an (©c^ing) glaubt 
inbeffen aud) nt(!^t; ba^ 2)u ein auSgegeic^neter MnfUer geben fönneft 
fonbem aiidj nur mittcImäSig.'' grau Stefan fpenbete 20 granfen. 



15. 5Cn bie 9)ktter, 9. (September 1841. 159 

erfioürbig, inbem er mid) bod) burd) Äafpar SRorborf in 
iuem legten ©riefe grüfeen liefe. 

S)ie ©rünbc unb Slnjid^ten ^enn SJogelä, baö fd)tDere 
uöfommcn, bie nötigen Salente k, betreffenb, pnb mir 
en fo oft fd^on üon Anfang an üon aKen Scuten Dorgeleiert 
orben unb werben jebem jungen 5JJen|d^en gefagt, bafe cö 
gentlic^ gar feine Äünftler me^r gäbe, wenn jeber barauf 
)rd)en woUte. 6§ ift nur bie S^age, meldte aud^ ®u mir 
ellft, unb weld^e id) ebm beöroegen jefet frifd) wieber reiflid) 
ierbenfe, ob iö) wirflid^ gum TOaler gefd)affen fei unb bie 
)tigen Salente f)abe, ober nid)t. ^ier mufe id) nun be= 
erfen, bafe mir üon aUen fieuten, Äennent unb 5Wi(^tfennern, 
eber in ßöndb nod^ l^ier gefagt roorben ift, iä) tauge nid)t§ 
iju. ^Jrau ®efan @d)inj felbft l(at mid^ nur immer auf* 
mtuntert unb gelobt, wenn id^ ju il(r fam ; unb worauf jte 
iin ii^ren jefeigen 2lu§fprud) grünbet, ift mir nic^t red^t Aar. 
äenn man in Sund) nun fagt, id) werbe nid)tö, fo fann id^ 
ieberum bie ©timme meiner je^igen Umgebung, bie eben 
id^t aus SfJiiftfinfen beftel)t, anä) nidt)t öerad)ten, unb weld^e 
(id^ nur aufmuntert. SBenn id) nun meinen ßifer unb 
ie einjige 9leigung gur £anb|d)aftmalerei baju red^ne, 
ield)e id) immer gel^egt, unb ba^ id) mir gar feinen Seruf 
mfen fann, bei bem ic^ mid^ beffer bepnben würbe, fo 
enfe id^, bie gragc ift nid^t fd)wer ju entfc^eiben. ®afe 
)err 93ogeI fagt, er fönnte mit feinem SBerbienft feine gamilie 
id^t emäl^ren, benimmt mir eben ba§ 3utrauen an feine 
nberen SluSfagen; benn wenn er wollte, fo fönnte er fed^ö 
familien, wie feine, entäl^ren. ©afe er pd^ nid^t nad^ anbern 
euten gu richten braucht unb feine ©emälbe felbft gu be« 
alten üermag, ift fein ©runb gu feinen Slnjic^ten. 



160 3)Kinc^cn. 



®em fei nun, wie e^ tDiH, id) werb' in ben näd)jten 
3Sod)en jtuei entworfene unb Ieid)t gemalte 2anbfd)aftcn J^eim^ 
fc^icfen unb bem SluSfprud^e untenoerfen. ^erm Sßogel werbe 
id) natürlich feinem SSunfd^e gcmä| nid^t fc^reiben; wennSu 
meinft, er werbe einige Slugenblidfe jum Slnfc^eu ber Silber 
üerwenben, fo fannft Su il^n ja bagu noc^ bitten, hingegen 
werbe id^ einen 33rief an ^errn Ulrid) mitfd)icten unb i^n 
bitten, bie Sachen angufel^en. 

gnbeffen würbe id) mid), felbft in bem %aüe, bafe man 
mir Salent nic^t abfpräd)e, nid)t bepnnen, etwaö anbereS ju 
ergreifen, wenn ftc^ ©elegen^eit gu einer fd^icflid^en ©teile 
pnben würbe. Safe id^ fein eigentlid^e^ ^anbwerf mcl^r er* 
lernen fönnte, ober etwa in einer ^anblung aU ^oftbub 
einfielen würbe, wirft ®u felbft begreifen; unb eS möd^te 
bal^er fd)wer fein, irgenb einen orbentlid^cn $Ia^ ju Wegen, 
wo id) nic^t ju lang umfonft fd)affen müfete. ^ätte ic^ SBer- 
mögen ober Unterftü^ung, fo würbe id) üieHeic^t nid^t ungern 
bie SRec^te ftubieren; aber fo wirb eö am beften fein, id^ 
bleibe bei meinem Seiften, unb werbe in biefem 6ntfd)lu6 
burd) ba§ ffleifpiel tion taufenb anbern beftärft, bie nur 
burd^ 5?ot unb Grfal^rungen alter Slrt auf einen grünen 
ßweig gefommen ftnb. Siefe Seifpiele pnb etwa nic^t auö 
alten Seiten unb ©efc^ic^ten, fonbern fte bewähren fic^ 
nod) täglid). ©afe ic^ einftweilen nic^t folorieren mag, 
ijaht iä) folgenbe ®rünbe: erften^ will id) e§ fo lange Der* 
meiben, fo lange nod) irgenb ein anberer Sluöweg ift; benn 
eö ift boc^ gewife beffer, wenn man pd) burc^ ein momem 
taneö Dpfer in fürjerer QM eine gute ©pftcnj oerfd^affeu 
fann, alö burd) fold)e langweilige ^ülfömittel fic^ Sa^re 
lang burc^jufc^leppen. ®enn wä^renb id^ foloriere, lerne 



15. an bie 2)iutt«, 9. ©eptember 1841. 161 

\<if nidjt nur nic^t«, (onbern ueraeffe no^ ba« ©elernte. 
StoeitcnS gibt e« ^ier ntc^t fo ^öbfdje Äolorierarbeit, roie 
in ber ©t^nieij, fonberrt nur ©ai^en, bie jebe Sungfer 
ina^en fann, unb roeiben auc^ meiftenä nur üon Jungfern 
gemacht, t^ifdjer t|at nun genug ju folorieren, aber er 
benft nid}t ineiter. @r E)at aud) 6pinner unb ^ünbig 
l^ie^er cittert, meiere auc^ ju tE)un ^aben merben. 3(Qdn 
id) mog nun einmal nic^t; benn id) bin ju gentife, bafe id) 
in meniger Qtit ber ©ntfagmig me^r öerbienen (ann, als 
biefe @(^miert)änfc. 3(% (enne ^ier ■ ju Su^enben junge 
Äünftler Don brei=, Bier^ bis fünfunbjraanjig Sauren, roelcfte 
aüe im ?[nfang bie gleiche ®ejd)id)te unb 9?iJt fjatten, tuie 
id), unb bie nun fe^r gut flehen. Sßtr rooHen eS alfo einft^ 
loeilen getroft barauf anfommen Ia[fen; benn menn mir 
etniaS anbcreS beftimmt roäre, fo mären geroife meine ©e» 
banlen etma fdjon bnrauf gefoHen, unb i6) ^abe bis je^t 
feine Urfai^e, an ber SSorfe^ung gu jroeifeln. 

®er %xau ffiefan iSd)inj roirft S)u Irtjon baS gißtige 
für mid) logen jur Sanffagung; eS ift mir nid)t fe^r lieb, 
etmaS non Seuten annehmen gu muffen, meldie bti(^ glauben, 
eS fei fc^Iec^t angertienbet. 

SEßaS meinen neuen SRorf betrifft, fo mar berfeibe f(^Dn 
notmenbig; benn ber anbete mar nur ein ganj geringer 
grfiner ätocf, unb mürbe nun faft ein 3<i^i^ long ^^^ ^<^Qf> 
©onn» unb SBerttag, getragen, febot^ ift er nod) gut, nur 
tonnte ic^ i^n ntd)t me^r braudjen am @onntag ober bei 
fon^gen ^nläffen; benn id) ge^e mit orbentlii^en unb gut 
gelleibeten Seuten unb fann einmal nid)t ben Jtniffer fpielen. 
— — §err SBogel mag motjl fed)« Sa^r lang in einem ab= 
gefc^abteii Dtocf umhergegangen fein. ©S mar ma^rfdjeinlit^ 

enttfritt ttüla. 11 



162 ÜRünc^. 



unter ben bamaligen Äfinftlcrn fo ?Jlobe. ^ier gel^t c§ 
einmal nid)!; benn TOünc^cn ift nod^ jiemlidö Heinftäbtifc^, 
n)0 man auf bcrgleid)en ©ad^en fo gut fie^t, wie in ßörid). — 
©inftweilen fann id) nur mit wenigen SBBorten für Seine 
@üte banfen; iebod^ üerftel^t ftd^'S, bafe ®u, im gaHe S)u 
meinem $Iane entfprcd)en wirft, bie 4 gouisb'or fogleid^ an 
bem @elbe, fo ®u für mid^ borgft, abji^l^en wirft, bamit 
Su in ©einer l^äuölid^en JRed^nung nic^t gu hirj fömmft; 
benn meine ©ad^e mufe ganj getrennt fein öon ßuren Sn- 
gelegenl)eiten, bamit id) fpäter alleö rid^tig wiebcr in Drb- 
nung bringen fann. Siö bal^in mu| ic^ ©id& nur wieber 
bitten, bie ©ad^e boc^ nic^t fo fd)wer aufjund^men: bie Slot 
ift gar nic^t fo grofe, unb wenn id^ benfcn mufe, bafe ®u 
meinetwegen immer in Sorgen feift, fo »erbittert unb oer^ 
leibet mir bie§ alle Slrbeit. 

Saufenb Orüfee an aUe 

Sein ©ol^n. 

16. 

SKim(!^en, bcn 19. (September 1841. 

2iebe 5Jiutter! Sa id) nun bie jwei Silber, welc^eö 
in Öl gemalte ©fiijen finb, fertig l^abe, fo berid^tc id) Sir 
l^iemit biefe^, bin aber genötiget, Sir nod) einige« öorgufteQen, 
eij' iö) fte wegfd^icfe. Sa§ JRefultat ober bie SÄeinung 
$erm SBogel« ober Ulrid)§ in 3ötid^ weife ic^ fc^on; benn 
fte werben eben nid)t üiel anberö fagen lönncn, al§ bie 
Äünftler in 93Zünd)en: e§ gefalle i^nen u. f. f. Safe fte Sir 
raten würben ju bem beftimmten @ntfd)luffe, nad)bem fte 
bie 6ad)en gefe^en, ift mir giemlic^ gewife. 9Jun ftnb aber 



16. 5(n bic ^Of^utter, 19. ©cptcmber 1841. 163 

bic Silber etwa fed^ö Sufe lang unb fünf &u| breit. ®aö 
SJiaterial baiix ift mid) jdion auf 6 ©ulben gefommen. 
Sd) mufe nod) eine Äifte mad)en laffen, n)eld)e aud^ auf 
einige ©ulben fontmt, unb bie §rad)t wirb 8 biö 10 ®ul* 
ben foften. 9lun l^abe id) gebadet, id) woUe ®id^ öor» 
l^er nod) fragen, ob ®u öieHeid^t fo üiel Vertrauen ju mir 
l^aft unb ®id) ju ber Dorge|d)lagenen Unterftü^ung ent^ 
fc^Iiefeen fönneft, o^ne bafe id^ bie @ad)en fd)icfe, weil ba^ 
burd^ über 5 ^ijakv erfpart wirb, unb id^ jugleic^ an 
3eit gewinne, ober ob id^ jte wirflid^ fd^icfen foH. 9Jiir ift 
eö gleid^gültig : fte liegen bereit. 

künftigen Sommer ift wieber SluöfteHung in ßörid), unb 
ba werbe id^, weil bann bie %xa6)t mid) nid)tS foftet, 
mel)rere ©ad)en l)infd)i(f en , bie mid) mit 6l)ren üor benen 
lierauSbeifeen foUen, weld^e glauben, e§ werbe nid^ts auö 
mir. — 9tod^ ein anberer ®runb läfet mid) wünfd)en, balb 
®elb ju ^aben. 3d) l)abe nämlid) ©elegen^eit, mit ein paar 
fe^r gefd)icften altem Äünftlern inö ©ebirg ju reifen, um 
bort ©tubien ju mad^en, ma^ mir oon grofeem 9lu^en nid^t 
nur im Sernen, fonbern aud) im SBerbienen fein würbe. 
aUein bie 4 Soui^b'or, welche S)u mir fo gut warft, gu 
fd)icfen, reid^en nic^t für ben gangen §erbft l(in, unb wenn 
ic^ warten mufe, biö bie @ad)en in Sönd) anfommen unb 
gefeiten unb beurteilt worben pnb, fo wirb e§ ju fpät bagu. 
@ei alfo fo gut unb fd)reibe mir Dorl)er nod), ob id) fte Der« 
pacfen foH, ober ob ®u mir auf Sreu unb ©lauben ba^ 
®elb aufnehmen wiUft. ©oKte bieö le^tere ber %aü fein, 
fo müfeteft S)u aber fogleid) oljne Sluffc^ub bie ©ad^e be= 
forgen; benn e§ ift beffer für S)id) unb mid), wenn eö vor- 
über unb man ber Sorgen lebig ift. — — — 

11* 



164 g^ünc^cn. 



Srf) gel)e öfter in bic Äird^c, aber lüc^t in unferc, fon* 
bcm in fat^olifd^e, gried)if(i^e unb in bie Subenfgnagoge, 
wo ic^, tt)äl(rcnb pe H)xt Äiinfte treiben, auf meine 2lrt an^ 
bäd^tig bin. 3^ l^abe intmerwä^renb baS Sebürfni^S, mit 
©Ott in öertrauenSöoUer SSerbinbung gu bleiben; aber bcffen 
ungead^tet ift e§ mir unmöglid), bie nüchternen unb falten 
?Jrebigten unferer reformierten Pfaffen ju l^örcn unb i^rc 
alten taufenbmal aufgewärmten ©emeinfprflc^e, bie bod^ |o 
feiten in unfere gegenmärtige Sage paffen, gu mieberfäuen. 

3c^ l^offe, ^f)x werbet aDc gefunb fein. SGBag mid^ be* 
trifft , f bin ic^ feit meiner Äranf I)eit f o too^I , wie ber 
Sifrf) im SBaffer; nur l)abe icf) manchmal ein wenig einen 
blöben SKagen geljabt. ®od[) waS bieö betrifft, fo l^at eö 
mir nid^tS gefd)abet, unb wenn idt) wieber ein 9Ral l^eim* 
fomme, fo wirft ©u feigen, bafe id^ fc^r mäfeig geworben 
bin. 3c^ cf[c jefet, audt) wenn id^ ®elb ^abe, faum ben 
britten Seil, waö in 3üric^. — ©rufec mir ©rite. 3Ba§ 
mac^t pe? unb Slnneli unb Säbeli unb bie gange Äomöbie. 

3d^ grüfee SReguIa taufenbSKal unb bitte ©id^ nod^ einmol, 
bieje Slngelegenl^eit im einen, wie im anbem ^aüt fdjnell 
gu betreiben. 8lud^ wirb eö baö Sefte fein, im galle S)u 
bie Silber nic^t [gu] fe^en oerlangft, niemanben weiter bar- 
über gu fpred)en. 9Äein täglicher 2Bunfc^ ift, S)ir balb alle 
©eine ©üte oergelten gu fönnen. ©ein @ol)n 

©. ÄeHcr. 

@in gefcf)idEter TOaler, Seemann, malt mic^ je^t aud 
5reunbfd)aft. 3d^ werbe eö eud) fd)icfen, wenn e« fertig ift. 



17. Sin bie üRutter, 11. D!tobcr 1841. 165 



17. 

Tlüx[6)tn, bcn 11. Oftober 1841. 

Siebe 5Rutter! ©einen werten Srief t»om 4. bief. l^abe 
i(]^ burd^ ^Bleuler*), ben Saubftummen, richtig erhalten, unb 
benu^e nun bie 8lbreife eincö guten gteunbeö Don mir, ©ir 
Wieberum 5Rad^rid^t Don mir gu geben. @r ift nämlid^ 
^err Senbel, SJlaler oon ©d^aff^aufen , ber für einige 3cit 
^eimreift unb Sir biefen Srief überbringen mirb. @§ ift 
einer meiner beften fjreunbe unb I)Qt mir fd^on üiele ©e* 
fäHigfeiten ermiefen. 3^ &Jn i^m aud) no^ 3 Sl^aler 
fd)ulbig, meldte id^ il^m, ba ic^ nodb fein ®elb erhalten, 
nid)t geben fonnte, unb erfuc^e Sid^ ba^er, il(m auf 8lbjug 
bc^ Selbes, baö ©u mir fd^icfen mirft, biefelben auöjube»» 
jal)len. @r l^at pe mir gmar nid^t geforbert imb weife aud^ 
nid^t, bafe e§ in bem ©rief fte^t; aber man weife nie, waS 
bajWifd^en fommen fann, unb eö ift alfo beffer, wenn er 
baS @elb l)at. 

9J{eine Slngelegenl^eit betreffenb, tl)ut e§ mir leib, bafe 
©u fo Diel ©orge beSwegen l^aft, unb id^ glaube, eö wäre \)kh 
leidet öon Anfang an ba§ Sefte gewefen, wenn ©u fogleid^ 
gu einem Senfal gegangen wäreft. ©afe §err Dnfel e§ nun 
bef orgt, mad^t mir feine gute Hoffnung ; benn, wenn er aud^ 
feine Stimme bagu gibt, fo ift es je^t Sogbgeit, unb er 
wirb fd^werlid) fic^ fogleid^ S^it ^^^ nel^men fönnen. 3n» 
beffen werbet 3^r jebenfaKS bie ©ad^e burdb bie $oft unb 
nic^t etwa burd^ ben SBoten betreiben. SBenn baS ©angc 
unterbleiben würbe, fo wäre mir bieS freilid) feine gute 



1) gcH? S5leuler, 5WaIcr. 



166 Winä}m. 



9kd^ri(i^t, bcnn ic^ f^ahc mid^ nun fd^on barauf öcrlaffcn 
unb fc^on feit einigen SBod)en meine 3cit unb arbeit barauf 
l^in eingerichtet. 3d) bitte ®ic^ innigft, bod) fo fd^neü atö 
möglid^ ju machen, inbem id^ nur Qüt unb @elb injwifd^en 
unnüfe oerbrauc^e; benn ic^ mufe norf) einige 3^1* i«^ ®^' 
birge unb tuäre e§ erft int 5Wot)ember. 3BaS baS ©elingen 
unb @nbe meiner ^läne betrifft, fo ift gerabc ber Über* 
bringer biefeö 33riefeö ein Sroft für mid). Sluc^ er l^atte 
im anfange i^ier, aU er l^er fam, feine ^ilfe öon ^aufe 
unb mit taufenb ©d^mierigfeiten unb Sorgen ju fämpfen, fo 
ba^ er fc^on glaubte, bie Äunft aufjugeben, unb je^t fte^t 
er pdö bod^ über 1000 ©ulben jä^rlid^. @r ift fd^on bei 
ad)t 3ö^ren l^ier. 

©enn ©u i^n etwa 3U einem orbentIid)en 3Kittageffeu 
einlaben lannft, fo ift eö für mic^ eine ©efäDigtcit; jeboc^ 
fommf § nur barauf an, ob e§ Sid^ nid^t geniert. 

Sd^ üerreife Ijeut mit bem ©ampfmagen nad^ augS- 
bürg für ein paar Sage, um im 2ed^tl(ale einiget ju jeic^nen 
unb jugleid^ ben ,!^err Senbel ju begleiten. 

^ein Äopf ift mieber bel)aart, fd^on lange; aber ben* 
nod^ ftnb jmei t)erbäd)tige SSBinfel barauf, weld^e feine guten 
afpeften mad^en. 3Keine ©tirne mirb auf jeben galt mit 
ber Qdt ein wenig l^od) werben. — — — 

Snbeffen grüfet S)id^ taufenbmal, fo mie Sflegula, 

ßuer @ol)n unb Sruber 

@. ÄeHcr. 

5IBa§ bie obigen 3 S^aler betrifft, fo l^at mir »enbel 
foeben jemanb angewiefen, an ben id^ fie l^ier auSja^len 
fann; ®u braud)ft fie i^m alfo nid^t gu geben. 



18. Sin bic gWuttcr, 20. 2)egcmbcr 1841. 167 

18. 

ÜKünc^cn, ben 20. ©ejember 1841. 

Siebe 3DRuttcr! aScilicgcnb überfd^icfe id) ®ir meinen 
^afe, welchen ic^ wieber auf ein ^df)r Derlängem laffen 
mufe, mit ber SBitte, bafe ®u benfelben fogleid^ beforgeft, 
bamit i(i^ i^n balb mieber erl^alte. ®ie 150 ©ulben l^abe 
i^ rid^tig erl^alten unb banfe ©ir für ©eine @üte unb 
2Rü^e unb ©orgen, bie ®u beötuegen gel^abt l^aft. 3(^ 
fann gut begreifen, bafe ®u Diel Äummer Ijaben mufet bei 
meiner je^igen Sage, bin aber aud^ eben fo jtd)er, bafe e§ 
mit ber ß^it anberö werben mirb, unb menn fein SKenfc^ 
f\d) meiner mel^r annimmt, fo mufe id) freilid^ eine ß^it lang 
in fümmerlid)en Umftanben leben, werbe aber über furj ober 
lang befto unabhängiger fein; unb id) werbe allen gu banfen 
wiffen, xoa^ fie mir getl^an, 

SBa§ bie ®efc^id)te mit ber ^oligei betrifft 0, fo !am 



>) S)ie ÜKutter an ©ottfricb 7. S)e3ember 1841: „8iebcr (Sof)n; ßu- 
erft mufe \6) S)ir meinen (Sc^redfen melben, ben ic^ S)einetn)e0en f)atte. 
Seiten ©amftag rourbe ic^ auf ba^ €tabtf)auä berufen. .g>en @tabt- 
^oligeifefretör SBilb mar ba unb fragte mic^ folgenbeS: „.^aben ©ie 
etn@of)n?" 3a. — 3o ift err 3n ÜKünt^en. — „SßßaS ift er?" 
^n 5KaIer ftubiert er. — „^ai er S^nen erft gefc^rieben?" 3a. — 
„^at er 3^nen um ®elb gefc^irieben?'' 3a. — „Schiefen @ie il^m?" 
3a. — „^aben ©ie feine OJrünbe, if|m feines ju fc^idfen?" fft^n, {6) 
meiß feine. — „^at er noc^i oäterlit^eS SBermögen?" $Rein. 3c^ bitte 
©ie, loaS bebeuten bie fragen? 

„3c^ ftanb bort öoü @c^)redfen unb fonnte fein SBort mefir f^red^l^n. 
(gr bemerfte biefeS unb fagte weiter: „ßS ift nic^t fo geföl^rlit^. 3(^ 
miU 3l|nen fagen: bie ipolijei oon 5WQn(^en f)at an bie I)iepge ge- 
fdjrieben, bafe er einige ©d^ulben r)abe, bie er ^flic^tntößig anerfannt 
unb angegeben, ba^ er ®elb oon «^aufe erroarte; beönaf)en roiU bie 
ipoUjei bort toiffen, ob e§ ma^r ift. S)enn fonft machen fie eS furj. 



168 Wlmä^m. 



baö alleö nur Don meiner miferableu ^au^frau l^cr, welche 
mxäj wegen 14 ©ulbcn üerflagt ^atte. 3n SHünd^eii l)at 
bad gar nid^td ju bebeuten, unb id^ bin beSn^egen bmdfau^ 
nx(t)t in 3!J?i6frcbtt ; aber bafe ein elenber ^Joliicimann in 
Sürid^ feinen ©enf basugeben mufete, fd)mergt mic^ nic^t 
tt)emg. 2)ag id^ in @d^ulben geriet, i[t gang natfirlic^, unb 
eö ift öor unb mit mir fd^on fo mand^em tfld^ttgen Äeri 
paf fiert, bie jtd^ äße güle^t wieber ^erauögebiffen l^aben, ba^ 
id) mid^ gar nid^t gu fd)amen braud^e. @§ ift ein Untere 
fd)ieb gwifd^en ©d^ulben unb Sd^ulben, unb bie meinigen 
ftnb nic^t bie fjolgen öon Sieberlic^feit, fonbem Serbienp* 
lojtgfeit. 

3(^ bin nun über anbertl^alb S^l^r l^ier unb l^atte 
bisher 300 ©ulben üon ^auö empfangen, wä^renb bie 
JpauiSlid^ften 400 ©ulben jäl^rlid^ braud^en. 9Jlan lann mir 
öormerfen, id^ l)ätte fd^on lange etmaS anbereS ergreifen 



5Kan nimmt if)m rocg, toa^ er f)at, unb f(^tdft il^n fort jur ©tabt ^inau§. 
S)rum fag* \6) 3f)nen, roenn @ic ©rünbe gegen S^ren @o^n l^abcn 
öon öcid^tjinn unb 8iebcrli(^fcit, fo muffen @ie i^m fein ®elb fc^icfcn. 
©ie fönncn if)n ber ^oliaei überlaffcn. 3t^l fenne S^ren @ol^n. ^icr 
^at er mit Icic^tfumigen 23urf(^cn Umgang gel^abt; mann er bort an^ 
foI(^e f)at, fo mag er tool^I in @rf)ulbcn gc!ommen fein! ©ie fönnen 
aber machen, loaS ©ic woüm," 3Kit fünftiger SQBoc^e, fagte ic^, merbc 
\6) ®clb f(^idCen. „fftnn, fo wirb bie fiiefige ^oliaei berici^ten, bai er 
!ein öäterltrf)e§ Vermögen me^r f)dbt] f)tngegen toerbe er don feiner 
5Kutter Unterftü^ung erf)alten, loomit er bie ©(^ulben beden fönne." 

3Kit biefem fonnte \6) roieber abtreten. 

„ÜKit nic^t geringer ÜKü^e unb Umtrieb ift e§ mir tnbliä) gelungen, 
300 ©ulben [öon grau S)efan ©(^inj] gu be!ommen; für fc^t aber 
nur bie ^älfte, 150 ©ulben, welrf)e ©umme S)u nun er^öltft; bie 
anbere ^älfte fann id^l erft auf Dftern f)aben. S3on ^erm Onfel ^atte 
weiter feine ^ilfe, als auf me^rereS .g>in- unb ^erfc^reiben einen 33ürg- 
fc^aftöfc^ein/' 



18. 5(n bic 3)hitter, 20. ^^^mh^T 1841. 169 

foKen; aber eben barin liegt ber JpaS im Pfeffer, bafe man 
auSl^arren unb nic^t bei anfänglid^em ÜKifegefdiidf ben 
SmedE auf eine feige SEBcife aufgeben foH. — 3d^ ptte 
folorieren fönnen; aber beömegen bin id) nici^t in SKflnd^en, 
baS fßnnte id^ ju ^aufe tl)un; \ä) mufe bie ß^it/ t^ic i^ in 
bicfer Iel^rrcid)en Umgebung gubringen fann, föftlid^er unb 
nü^licfter anwenben als gum Äolorieren, unb bie 3öl)rc 
würben mid^ nacl)l)er meljr reuen, al§ wenn id^ gar nid)tö 
getl^an l^ätte. — ®ie 300 ©ulben betreffenb, fo Ijatte id^ 
je^t ba§ ©an je meljr nötig gel^abt, alö ju Dftern, bcnn ie^i 
mufe ®tr nur geftel^en, bafe bie 150 ©ulben nid^t gang 
l^inreict)ten für meine ©d^ulben; maS ®u üieKeid^t nur be= 
greifen lönnteft, wenn ®u an meiner ©teile wäreft unb für 
jcbcS ©tüdfd^en SSrot @clb in ber ^anb ^abcn unb 
als grembcr für alles bop<)elt fo Diel geben müfetcft, als 
bic ©nl)eimifcl)en , meil er auc^ aQeS üon weltfremben 
Seuten begicl)cn mufe. ©od^ fei bem, wie il)m moHe: id) 
mu6 bie gange ©ad^e eben bem beliebigen Urteil eineö jebcn 
überlaffen; id^ meife am beften, maö meine ©d^ulb ift unb 
maS nid^t, unb werbe, fo ®ott will, nod) aUe bie nafeweifen 
alten SebenSprebiger, bic tro^ il^ren fingen alten Sagen noc^ 
nie allein inö Seben l)inauögeworfen waren, unb tro^ il)ren 
@rfal(rungen, mit benen pe pc^ brüften, nod) nidt)t baS 
eigentlid^e Unglüd erfahren Ijaben, gu befd^ämen wiffen. 
S)ic 300 ©ulben werbe id^, wenn mir (Sott @efunbl)eit unb 
Seben fc^enft, nod^ oor fed)S '^a})xm abgal^len. @d)reibc 
mir, wenn bie ßinfe iäfirlid^ DerfaQen pnb^). 



S)ie aJJuttcr an ©ottfricb 20. Sanuar 1842; „S)a müßte S)ir 
ein beffercr ®lücf§ftern Icud^ten al§ bl§ ba^in!" 



170 SWünd^en. 



®cm ^cinrid^^) tt)ünfd)C ic^ öon §crjen ©lücf ju feiner 
Jpcirat. Qx l(at gcgcntoärtig erfreulichere Slfpeften ate i(^; 
aber er ^at auc^ barauf toarten muffen. SiS ic^ fein ailter 
l^aben werbe, fann id) aud^ in§ Srodfene fontmen. 

3d^ fann ®id^ noc^ einmal nur bitten, auf ®ott unb 
meinen beffercn @eift ju vertrauen unb nid)t lUcrmäfeige 
©orge beStoegen gu l^aben; fonbern glaube nur, bafe i(^ 
aud^ täglid) an ®ott benfe unb auf il^n üertraue, wenn iäf 
fd)on nid)t aUe ©onntage in bie Äird^e marfd^iere, um bort 
gu fd)lafen! — 

SRegula laff' id^ aud^ grüben. SBaS madt)t S^r? 2ebt 
3^r immer im gleid)en %u^ fort? SBiffen bie 2eute im 
^aufc ober fonft meine SSerljaltniffe')? 

3n ©rmartung balbiger Slntmort grüfet @ud) taufenbmal 

©ottfricb ÄeUer. 

Um ®ir gu bemeifcn, bafe id) meine ©cftulben aÜenfall^ 
nid)t burd^ gloribuö unb SBoPebcn erworben l^abe. fc^reibe 
id) nod); ma§ id^ fonft nie gefagt l(ättc, bafe id^ bei allebem 
bennod^ oft mel)rcrc Jage nid^t§ genoffen l)abe, ate Srot 
unb ein ®laö SBier; maS mir aber im geringften nic^t^ 

*) J^einrid) ©c^euc^jer jan. , Dr. med., öcriobt mit einer Sungfer 
J^ottinger. 

2) S)te 3Kutter an ©ottfrieb 20. Sanuar 1842: „53on S)cinen SSer« 
Wltniffen meiS im ^aufe niemanb nid^t^ . . . SQBenn and) Beute mi(^ 
fragen, roie e§ S)ir ge^c, fo rocife ic^ loenig gu fagcn; ic^ bel^alte 
meinen Kummer für mic^ unb benfe, biefeö fei nun mein 8o§; eS 
merbc roo^I in bicfem Seben mir nidjtS S3effereö me^r gu teil 
loerben. 3d) feufje unb hdt im ©tißen ju ©ott täglid), baß 3)u S)i(^ 
in S)einer Hoffnung nic^t täufc^en mögeft, um mit bicfem neuen Sa^re 
bm Swtd gu erreid)en unb S)ein Sluöfommcn ju finben, meil ic^ Sir 
!etue ^ilfe me^r leiften fann." 



19. 3ln btc üKuttcr, 18. Sanuar 1842. 171 

mad)t. 3d) fann mid^ an aUcS gctoöl^ncn, unb eö joll mir'ö 
fein ?Renfd) anfcl(cn. 3d) fd^rcibc bicS nur, um allen 
SBorwurf Don Sicbcrlid^fcit abjun)cl(rcn. 

2J^ünrf)cn, bcn 18. Sanuar 1842. 

Siebe 3Jlutter! ©a id) ©ir fd^on feit mel(reren SEBod^en 
ben ßmpfang ber 150 ©ulben gemelbet unb jugleid^ meinen 
^afe jum ©meuem gefd)icft l)atte, aber nod^ feine Antwort 
crl)altcn; fo erfud)e id^ ®id) wieberum, bie ©ad^e bod^ 3U 
befd^Ieunigen, inbem ic^ ben neuen Sßafe auf ber 5ßoIigei l)ier 
wieber abgeben mufe. — SBie id) l)offe, wirft ©u unb Sie* 
gula baö neue Saljr gefunb unb wol^l angetreten ^aben. 
3c^ l)ätte gern gefd)riebcn; wenn t€ nid^t fo Diel ^^Sorto 
loftete; fo aber benfe ic^, ©ott wirb meine 2Sünfd)e für 
©eine @efunbl)eit, unb bafe id^ ©id) nod^ glücflid^ unb 3U= 
frieben wieberfe^en lann, erfüllen, oljne bafe id) lange SSricfe 
baoon fd)reibc. 

2Baö mid^ betrifft, fo ptte ic^ je^t beffere Hoffnungen 
für bie Swfwnft. Sdf) lerne täglich burc^ ben Umgang mit 
guten Äünftlem, unb wenn id) nur eyiftieren fann, biiS id^ 
einige grofee Silber fertig l^abe, fo ^offe id) auf ben $erbft 
in guten Umftänben für einige S^it ^eimfommen ju fönnen. 
3d^ werbe auf ben 5JKai ein SBilb nac^ ßfinc^ öuf bie 2lu§» 
fteHung fd)iden, wo id) e§ bann bem Urteil ber weifen 
[Ratgeber anl)eimftelle , ob id) bei ber Äunft verbleiben foU 
ober nid)t*). 



') S)ie 3Kutter an ©ottfrieb 20. Sanuar 1842: „künftigen 3Rai 

tüirb bie ^unftauSfteHimg in ber ^antonöfd^ulc auögcftellt werben, wo 

eber^nftler feine @ac^e mit ber S3emerFunö ber greife ^erfenben fann. 



172 OJWind^cn. 



'^ä) xoax fürjlid^ bei einem Dierunbjtuanjigiä^rigen iani- 
fd^aftömaler an^ ©armftabt, namenö Sönge^), unb fa^, xok 
er brei ©riefe l^intereinanber erl^ielt, worin er in einem 300, 
im anbem 150 unb im britten 200 ®ulben für ®cmälbe 
erhielt, meldje er üerfauft l^atte; unb fd)on l^at er wieber 
neue befteUt, tt)eld)e aud) balb fertig jtnb. Sd^ ergSI^Ite i^m 
meine Sage, unb er öcrpc^erte mid^f er l^ätte ba^ nSmlid^e 
©d)idfal gel(abt; icf) foU' fo lang al§ möglid^ auSl^alten unb 
werbe eö nid^t bereuen, wenn ber 6turm einmal öorüber 
fei. Unb wirflid) bin id^ feft entfd^Ioffen , auSgu^arren. 
aSeffer wäre e§ freilid^ für midt) gewefen, wenn id^ bie 
150 ©ulben, bie ®u erft auf Dftem belömmft, im SBinter 
geliabt ^ätte, bafe id^ bis gum grü^Iing ungeftört an einigen 
@ad)cn l^ätte arbeiten fonnen, bie ic^ fpäter gut üerfaufen 
fann, wenn id) mir bie gel)örige S^it jur SSoUenbung ber* 
felbcn ncl)mcn fann. — ®od) fteU' id^ aUeS bcm ^immel 
anl(eim. 

@d) reibe mir bod^ balb, wie cö ®ir gel^t unb 3fiegula! 

Sd) grüfee (Sudö taufenbmal. 

©ottfrieb ÄeUer. 
3lfabemie abgugeben. 

3Kün(^en, ben 21. SWärg 1842. 

fiiebe 9Jiutter! ©einen legten Srief mit bem $affe 
l^abe id) erfjalten unb bebaure l^erglid), bafe er ©ic^ fo Diele 

3cf) ^abc e§ früher in einer 3«itung gelefen. S5u wirft alfo S)einc 
fünfte a\x6) fenben." 

') Über 3uliu§ öange vqI (5. Sl. SHegnet , 3Künd)ener Mnfticr- 
btiber 2, 1 ff. (1871). ©. auc^ o. ©. 118. 



20. 3Cn bic OKuttcr, 21. Waxi 1842. 173 

9Äfl^e unb @clb gcfoftct ^at. 3* ^abc mid) big jcfet fo 
fnctp^) burd^gebrad)t, baä l^eifet auf Sorg; bcnn icft ftubicrte 
immer für mid^ unb ^abc nun balb ein Silb fertig, meld)eS 
ic^ auf bie Sörc^cr SluöfteUung fd^idfen werbe, ^offentlid^ 
werben pe e§ mir ablaufen; menn e§ je einer gut brauchen 
fonnte, fo war id) e§. Äaufen pe eö aber nid)t, fo fann 
id^ e§ pd^er in ©eutfdt)lanb oerfaufen. 3!Jieine 2lu§pd)ten 
pnb nun l^eiterer geworben, in bem SRafee, alö id^ mcl^r 
gelernt l^abe, unb ic^ l^offe, balb enbli^ ein folibeö ge* 
pc^erteö Seben führen gu fönnen, wenn mir (Sott ©cfunb^eit 
fd^enft. 2Benn ic^ nur einmal auö bem alten $ed^ l^inauö 
bin, fo wirb baö ®elb aud^ wieber Segen bei mir Ijaben. 
3c^ lann nun, bei bem eifrigen Äunftleben, weld)e§ in 
©eutfd^lanb f)errfd)t, meine Slrbeiten fo gut oerfaufen als 
ein anberer, wenn id) Peifeig bin unb mic^ anftrenge. 3d) 
werbe beSwegen ben gangen Sommer über inö ©ebirg gel)en, 
um nad) ber 9?atur gu geidt)nen (waä ic^ nun gwei ^a^xc 
nic^t mel^r getl^an l)ahe unb mein größter ©d)aben war), 
bamit id) im ^erbft unb über ben SBinter ©toff gu Silbern 
l^abe. SBenn id^ ba§ 33ilb in Qünij ober anberSwo oer- 
laufe, fo fann idt) ben gangen Sommer über wie ein Äönig 
leben, unb im ^erbft weife idE) gang pdt)er wieber eine 2anb= 
fc^aft in 9Jlfincl)en gu oerfaufen. 

Seiten gebruar Ijatte id) einen UnfaH. ©er Äunft= 
oerein l)ier fauft anjä^rlid^ eine SDienge Silber an, weld)e 
bann oerloft werben. S)ie SBerlofung war am 16. fjebruar. 
©er Serein l^atte nod^ eine Summe ©elbeS übrig, welche 
nodt) oerwenbet werben mufete; aber e§ waren nic^t genug 
©emälbe gum 33erfaufe ba. 3JIan lub bal)er mel^rere Äünftler 
ein, etwas eingufenben, unb id) würbe aud) gefragt, ob ic^ 



174 Wlm6)m. 



öicUcic^t etoaS fertiges l(ätte, baö id) 3U Dcrfaufen »finfc^tc; 
wenn id^ ein fleincrcS Silb ju 60—80 ©ulben l^ättc, fo 
woHc man c§ nel)mcn. 3d) lief Dcrgnügt naö) $aufe unb 
fal^ nad), fanb eine Sanbfcftaft, bic ic^ Dor mehreren 3Ko* 
natcn fd)on gemalt Ijattc, unb geigte ftc üor. 9Kan fragte 
mid) um ben 5ßrei§; id) fagte 6 SouiSb'or. SBurbe ange- 
nommen. 9Iur foUtc id) nod^ eine Heine Slbänberung ma^en. 
3ci^ ^)ec^ierte wieber l^eim, pinfelte noc^ fd^nell baran ^erum, 
unb weil bie SBerlofung fd^on in jmei Sagen üor pd^ ging, 
fo fteQte id) ba§ Silb an ben Dfen, bamit eö fc^nellcr 
trocfne, unb verfügte mid^ barauf in bie Äneipe, um ein 
@la§ a3ier auf ben glficflid&en ^anbel gu trinfen. 3d) fa^ 
baö SBilb nid)t mel^r an bi§ an bem folgenben 9JIorgen, 
unb al§ ic^ eö ba üom Ofen tt)egnel)men wollte, fie^e — ba 
mar meine arme Sanbfd)aft dou oben bi§ unten angebrannt! 
%a\)xd l)in, \i)x teuren 60 ©ulben! 

3d) fönnt 6uc^ benfen, mie ic^ geflud^t l^abe; benn ic^ 
^atte nid^tö anbereS fertig, baö ic^ ftatt beö Derbrannten 
l)ätte oerfaufen fönnen. 

©a ®u mir gefd^rieben l)aft, %xan ®efan ©djing werbe 
auf Cftern nod) 150 ©ulben Ijergeben. fo red^nete id^ auf 
biefeö ©elb unb l^abe ba§ Silb gemalt, meld^eö id^ nac^ 
3ürid^ fd)idfen werbe; ba^er l)abe ic^ natürlid^ in ber 3^^ 
nid^tö öerbient, unb ba id). fobalb baö 3Better fd^oner wirb, 
notwenbig auf^ Sanb gef)en mufe, fo mufe ic^ ®ic^ bemütigft 
bitten, mir biefe le^te ßabung bod) gleid) gu fd^icfen, fobalb 
S)u jte erl^alten fannft, unb gwar gang, benn id) mochte 
mic^ gern oon allen @d)ulben unb ©d)ei6ereien freimad^en 
unb bod) ein ©türf übrig behalten, um auf§ Sanb gu gelten. 
3d) I)abe bann 600 ©ulben erl^alten in ben gwei 3al)ren, 



21. 3Cn bic 9)luttcr, 10. Sunt 1842. 175 



feit ic^ l)icr bin. SSicle braud)en mti)X in einem S^l^re, e§ 
gibt aud) n)cld)c, bie nur 250 ©ulben id£)rlic^ braud^en, 
aber bieö ift mir rein unmöglid); id) mfi^te meine ganje 
9latur umänbem, unb id) bilbe mir ungeheuer Diel ein, bafe 
id) nur \o wenig gebraud)t l^abe; benn id) E)ätte nod) 
600 ®ulben ©c^ulben mad)en fönnen, toenn id^ geaoHt l^ätte. 
©od^ genug baüon. 3d) toerbe @ott banfen, toenn ic^ 
ein SJlal nid)t immer nur üon ®elb u. bgl. fc^reiben mufe 
unb aud) anbere ©ad^en, bie @ud^ angeneljmer unb Iurj= 
meiliger ftnb, berid)teu fann. — — 

©ein (Sof)n @. Äeller. 
3lfabemie ber Äünfte. 

Tl\inä)tn, ben 10. Suni 1842. 

Siebe mntkxl Slm 11. gj?ai ^abe ic^ mein S3ilb, 
tt)eld)e§ id) für bie ^üräiex SluöfteÜung beftimmt ^abe, ber 
gul^re übergeben, ©er gufinnann fagte mir, bafe e§ in 
gmölf ober breijel)n Sagen nad^ Bürid^ fommen merbe; id^ 
glaubte alfo, ba§ Öilb fei fdbon längft bort, unb rounberte 
mid), bafe id) nod) feine 9?ad)rid)t oon niemanben barflber 
erhielt. $eute befommen ^egi unb idE) einen SBrief üon einem 
Sreunbe, 9lamen§ Sfc^ubi*), meld^er in ßönd) [tubiert unb 

*) griebr. o. Stfd)ubi (1820—86), ber berühmte SBcrfaffer bz^ 
„5S:f)terleben§ ber Stlpeniüelt". 5(IS ©tubent f)atte er auf ber SRcife nac^ 
iBerlin Äcller in SWündien fenncn gelernt. S)ie gamtlie griebridjg 
öon Sfc^ubt in ©t. ©aßen bep^t eine reijenbe Öanbfc^iaft don ©ott- 
trieb Heller. 3ni SSorbergrunbe ftetien groet ^ot^ftömmtge gö^ren mit 
faft pinienartigen thronen, in loelcfte bie fc^eibenbe 5lbenbfonne i^ren 
legten @(^immer roirft. SWan blicft burd) biefelben auf eine -Käufer- 
groppe unb auf einen mit SBafferftreifen burd^gogenen S;!)algruub, ben 
ferne, im blauen 2)ufte oerfc^roimmenbe J^ügelfetten begrenzen. S)a§ 



176 gWünd^en. 



mir fd)reibt, bafe er mein Silb Dergebcnö auf ber Sluö« 
fteKung gcfud^t Ijabe, unb bafe eö gar nid^t bort fei, 34 
weife alfo gar nid)t, ob eö nid^t angefommcn, ober auf ber 
Steife fteden geblieben fei, ober waS fonft bamit pafpert ift. 
^ä) bin bal^er feljr beforgt, inbem nid^t nur bie Slrbeit oon 
jioei 3Jlonaten, fonbem auc^ ein Sfial)men, ber mic^ 22 @ul* 
ben foftet, bamit oerloren ginge, menn eS jum Seufel xväxt. 
2luf jeben %dü ift e§ mein ^)?ad)teil; benn wenn eS auc^ 
enblid) nod) anfommt, fo wirb eö 3U fpät jum Serloufe 
fein. @ö würbe mit ben anbem Sad^en nad) Sem fommen, 
wo mic^ niemanb fennt unb wal^rfc^einlic^ nienmnb em= 
pfef)len fönnte. ©ei fo gut unb fd^reibe mir bod^ fogleid), 
ob e§ nod) nic^t ba ift, wenn mein SBrief anfommt, unb 
frage bei ber Äünftlergef eUf d)aft nadt) ! ®enn e§ ift aud^ in 
biefer ^injtc^t ärgerlid), weil bie Ferren meinen fönnten, 
id) woKe jte gum beften Ijaben, wenn id) fd^reibc, bafe ii) 
etwaö fd^idfen wolle, jte eö in ben Äatalog fc^en, unb bann 
nid^tö fommt. 5JKeine Sd^ulb ift e^ nic^t. — 

2Sa§ gibf ö SReueS in ber gamulie? ^at ^einric^ nod) 
nid^t ^od^geit geljabt? wa^ mad)t grau Äeller unb i^rc 
Äinber*)? ®ie @efd^id)te mit bem erftod^enen ©tubenten 
Ijaben wir l^ier gum großen Srgemiö oemommen*). 

3d^ grüfee @ud) alle taufenb SSRal ©ein treuer @o^n. 

@. ÄeHer. 



aSilb rourbe 1842 in 9Künc^en gemalt. (3cJ) oerbanfe biefe loic fo 
manche anbere roertooUe 3Kttt!)eiIun0 meinem oere^rten grcunbc 
^rofeffor S)ierauer in ©t. ©allen.) 

3Kutter ber Henriette fei. 

*) 3n ber «Rad^t öom 26. auf ben 27. Tlai mar in 3üri(^ ein 
stud. med. Gilbert ^ird^meier oon Verengen oon einem SRac^^twdt^ter 
getötet morben. 



5)ie 3Jhitter an ©ottfrieb, 11. 3um 1842. 177 



®ic SJiuttcr antwortete iljm unoerjüglid): 

Süric^i, 11. Suni 1842. 

„Sieber ©ol^n! §eute Ijabc id) ©ein 33rief erl^alten, 
unb bamit ®u nid)t länger in SSeforgniö fein mufet, bcrid^tc 
®id) fogleid^, ba^ ©ein 33ilb feit l^eute ad)t SEag auögefteHt 
ift. Statt breiäel^n Sag war eö ad^tjel^n auf ber Steife. 
®en 28. 3Kai ift e§ l)ier angelommen unb blieb in einem 
3intmer, wo bic angefommenen SSilber alle auögepacft würben, 
liegen bi^ ben 4. Suni. Sllle, bie. ©id^ fennen, waren be^ 
gierig, biefeö 6tucf 3u fel)en, weil ©ein Sßamc im Äatalog, 
baö Silb mit ber 9?r. 104 begeid)net war. SUlein über 
brei SBoc^en fanb jtd) biefc 9?ummer nirgcnbö. gd) felbft war 
ärgerlid^ über ©ic^ unb badete, waö wol)l bie Ferren Don 
©ir benfen werben, ©nblid^ üerna^m id^ eben E)eutc ad)t 
Sag Don einem Slbwart bei ber auäftellung, bafe ©ein Silb 
bort in einem Si^ntcr fei, erftenS wegen Wangel an 5ßla^, 
jwcitenö weil e§, gang üoll ©red unb 9Kift, auf ber fful^re 
Don 3?egen üerborben fei unb nid^t fonnte auiSgeftellt werben. 
©a§ war mir ein nid^t geringer ©d^redfen. ^6) fragte 
bicfen, ob idf) baö Silb nid)t fet)en Knute. 3^, fagte er, 
id^ foll nur mit i^m fommen, inbem er ein @d)!üffel bei 
ftc^ l^atte. 3(^ ging unb fa^ mit Sebauern bie Äotfpri^c 
unb SRift auf bem ©emälbe. 3luf bem Heimwege ging id^ 
ju g^ou ©efan unb fagte il^r biefeg SKifegefc^id. @ic gab 
mir ben SRat, gu einem gewiffen ^erm a5emf)arb im Sleifer= 
ro^Ö 8" ge^en. ©iefer fei aud^ in ber ÄünftlergefeQjd^aft 
unb ein guter @ad)fenner; obgleid^ fein Äünftler, fo fönne 
er gang oerborbene Silber wieber in Orbnung bringen. 3d) 
fäumte nid)t unb ging l)in; er l^atte fd)on ÄenntniiS öon 

«ottfriet Stta«, 12 



178 9Rün(^en. 



©einem Silbe; er l^abe eö fclbft auSgcpacft, fagte er, aUdn 
bis ba^in l^abe er nod) fein Auftrag crl^alten, eS in Drb* 
nung ju madjen ; eö feien nod) mel)rere Sachen, n)eld)e bann 
mit biefem nod^ auiSgeftcHt werben. 

3c^ bat il^n bringenb, er mochte bod) l^eute nod) l^in- 
ge^en, weil mir Diel baran gelegen fei, »enn ba§ Silb 
lönnte in bie SBerlofung genommen werben. 6r öerfprac^ 
mir biefc ©efäUigfeit gn tl)un, allein in bic Scriofung 
fönne er mir feine Hoffnung machen. 6r l^abc an bem 
Silbe Diel @uteg bemertt; aber beffer märe eS, wenn'^S Diel 
fleiner unb etwas nad^ ber SRatur wäre; fo wäre eS Diel 
Derfäuflid)er. ©ie sperren, weld^e in ber Äommiffton bei ber 
SluSwa^l feien, wäl)len nur bie auSgcgeid^nct fd)önen Silber, 
unb überbieg ge^e e§ feljr fd)le(^t mit ben SSftien, ba bi^ 
bal)in blofe Dier ©tücf in bie SSerlofung genommen würben, 
unb biefe feien nod^ nid^t begal)lt! 

^ä) ftubierte nun immer, burd^ weld^c Quelle idö ®id) 
nod^ empfehlen fönnte. 3d) ging ju ^erm Dberfugler *), 
welchen id) fenne, unb bat i^n etwaö beijutragen. 6r oer^ 
fprad^ fein ?Wöglid)fte§ ju tl^un, fagte babei aber baS gleid^e, 
bafe eö fel(r fc^lec^t gelje, weil eben fein @elb üor^anben 
fei. ®a§ Silb l^abe er gefe^en, eS Ijabc rec^t gute ©teilen; 
allein bie Ferren wählen auögegeic^nete ©tficfe. 

3d^ wagte nod^ ein ©d^ritt unb ging mit Sittern 
gu Jperm Surgermeifter ^efe, weld^er bei ber auSwal^l ift'). 
3d^ würbe fel(r freunbfd)aftlidt) em<)fangen. 3c^ crfuc^te i^n, 
wenn baö Silb untabell)aft fei, bafe eö möd&te in bic 33er^ 

®. (5^r. grtebr. Dberfofller au§ Slugöburg, Seic^nungglclprcr 
unb 5hipfcrftec^er. 

2) 5lltbüröermeifter ^efe war ^äflbcnt be§ 5hinftoeretnö. 



2)ic gWuttcr an ©ottfricb, 11. Sunt 1842. 179 

lofung aufgenommen werben. @r fagte, er l(abe c§ nod^ 
nie gefeiten, »oKe mir nur jagen, bafe man bic fd)önften @e= 
mälbe auömä^le; freilid) l^abe man aud^ fd)on üon jungen 
Äünftlern, meldte Salent öerraten, angefauft; aber eben be* 
Ilagtc er jtd^ mie bie Dorigen Ferren über ©elbmangel. @r 
rnoHe nad^fe^en; aber er fönne mir feine Hoffnung mad^cn. 

©eftem ging id) auf bie Slu^fteHung mit SReguIa unb 
nod^ mel(reren SSelannten, meil blofe bie Freitage in ber SEBod^e 
frei pnb. ©ein 33ilb bepnbct jtd) an einem fd)önen $la^c 
im jmeiten Biw^w^^^O (^^ P"^ t^^f Sinter öoU @emä!be); 
eö mürbe mit großen Slugen tion un§ ?ßid^tfennem be« 
munbert. 3d^ [tanb lange mit 9Iad^benfen babei unb be* 
re(^nete eben bie Soften ber SRa^me unb bie S^it ber Slrbeit. 
Unb bann miebcr bie SeforgniS, menn eö f)ier nid^t Der* 
fauft mirb! ^reube unb Äummer mec^jelten ftct§ meine 
©ebanfen. 

3c^ ging mieber ju grau ©efan, meil pe au^ etma 
ßinpufe l)at. @ie jagte, bafe pe ©onnerftag ben gangen 
9lad)mittag bort gemcjen. ©aö 33ilb ^abe il^r jiemlid) ge» 
fallen, ^err Surgermeipcr nebp ben anbern Ferren jcien 
gerabc audt) bort [gemejen]. Sie l^örte, bafe $err Surger* 
meiper ben ^errn einen jel^r artigen Slntrag gemad^t, inbem 
er jagte, biejer junge Äünftlcr jei it)m inbireft empfohlen 
morben; er mflnjd)te, roenn e^ möglid^ märe, bafe biejcö ®e= 
mälbe in bie §ßerlojung gemä£)It mürbe. (S§ freute %xan 
©efan je^r, bejonberö meil er mid) al§ SJlutter nid)t ge^^ 
nannt l)atte. @ö mürbe gmar wenig barüber gejproc^en; 



>) 3m 5^ataIoö ber ©c^meij. ^unftau^fteUung oon 1842 ift 
®. SttUtx^ m\b (9h:. 104) alö „Öanbfc^aftlic^c Äompofition" bcjcic^nct. 

12* 



180 5Wün(^cn. 



f c jtüeifle, bafe c§ geljcn tocrbc. Sllfo Don !ciner ©cite ^er 
fann man Hoffnung Ijabcn. ... 3"^ ^aü x6) öcrne^mc. 
ba^ baö (Slücf nodö fontmt, fo will ici^ ®id^ berichten; roo 
nici^t, fo werbe id^ baö SJlifegefd^idE mit ©tiUfc^meigen 

tragen ?Wod) faßt mir ein. bafe id^ S)ir bic Urfadje 

nid^t gejagt, warum ©ein Silb auf ber 5u^re öerborben 
würbe. SBeil ber ©erfel auf ber Äifte öon bfinnem fd^Iec^ten 
^olj gewefen unb in ber ?Kitte jerriffen, mitlöin JRegen unb 
©taub burd^fliefeen fonnte. 3n Su^fw^f* "lufet ©u folc^en 
©ad^en beffer nacftfel^en!" 

3n ber nämlid^en Slngelegenl^eit fd)rieb bic SRutter 
am 8. Suli: „Dbgleid^ ©ein SSilb l)ier leiber nid^t in bic 
SluSwat)! gefommen, fo mu^ id^ ©ir bod^ nod^ einmal 
barüber fd^reiben. ©a§ eine wirb ©idö ermutigen, ba^ 
anbere wirb ©icft ärgern, ©ie SluöfteUung würbe alfo für 
adbt Sage oerlängert big 5Rittwodö ben 22. 3uli. 3dt) fafetc 
nod) ben TOut unb ging SWontag ben 20. gu ^erm SSogcI 
im ,33erg', l^auptfädtjlid^, ein rid^tigeö Urteil über ©ein Silb 
i\u üemel^men. @r war fel^r freunbfd^aftlidt) unb fagte: ,TOt 
S-reuben fann id) Seinen fagen, bafe mir ba§ ©ange fe^r gut 
gefallen biiS auf bie Suft. ©a§ ©ewölf ift öiel gu fd^wcr 
unb ju birf. @§ follte oiel leidster unb reiner fein. Semerfen 
©ie il^m bief eö, wenn ©ie f d^reiben ! ©onft üerrät baö Silb 
fel^r Diel ^affungöfraft unb 6rfinbung§geift. Sdö fann 3^nen 
fagen, ba^ id) biefeö nid)t üon il^m erwartet l^öbe. Sd) 
I)abe mic^ beim Slnfdöauen be§ SilbeS fel)r üerwunbert u. f. w. 
3d) ^offe, bafe er fpäter fd)öne ©ad^en liefern lonne.' 2luf 
biefeiS erfreuliche Urteil empfaE)l ic^ ©idb, wenn er etWQ§ 
jum SSerfauf beitragen ffinnte. ,3a, ba« l^ängt einjig nur 
oon ben sperren ber Sluöwa^l ab*, weld^e er mir nannte, 



5)ic gj^uttcr an ©ottfricb, 8. Suli 1842. 181 

unter rocld^cn einer war, ben ici^ nid)t wufetc: $err S^tQkv 
(j^ajenjd^art*) im ,6öU% weldjen id) gut fennc*). ®ie§ 
bereute id^, fo jpät nocf) ju öemel^men, ging aber jogleid^ 
nod) l)in. 6r war auc^ fe^r ijöfüd), fud^te ®ic^ auf im 
Äatalog unb fragte nad) bem ^^Jreifc be§ Silben. ,®a fielet 
nic^tö, unb bei bem Silbe ift auc^ nid)t6. 2Scnn man etwas 
üerfaufen will, fo mufe man bod) ein $rei§ beifügen; fonft 
nimmt man an, eö fei nid)t jum SSerfaufe ba.* 3d) fagte, 
bafe gewife ein 5ßreiö muffe ba fein; wenn ic^ nur wüfete, 
wo iä) mid) erfunbigen fönnte. ,®e^en @ie 3U $err ^arb* 
me^er*) unb fagen, ©ie feien bei einem Jperrn üon ber 3luS« 
wa^l gewcfen unb gewiefcn worben, er möchte fo gut fein 
unb nad)fel^en unb bann ben $reiö noc^ bem 33ilbc bei* 
fügen, »r^ilid) (fagte er) fann id) S^nen feine Hoffnung 
meE)r mad^en. @§ fommt brauf an, wie oiel Slftien noc^ 
fallen bis 5Hittwod^. SBiö bal^in ging eö eben fet)r fd)led)t. 
9lun, ic^ Win mein TOöglid^fteS tl^un!' 

3U5 id) ju $erm .^arbme^er fam, wufete er aud^ nid^tö: 
er l^abe gar nid)tö bei Rauben alö ©eine frühere Slnjeige. 
©iefer wie§ mic^ gu 9JiaIer ^uber, welcher bie Äiften ge= 
öffnet^). 3d) rennte wieber gu biefem, würbe aber aud^ 
wieber leer abgefpiefen: er wiffe üon 'feinem ^Brcife; eö fei 
fonft gebräud^lid), bafe jeber Äünftler ein Srief ober etwas 
an bie Äünftlergefellfd^aft fd)reibe; allein ba fei nid)tö. 3d) 
ftu^te unb fonnte bieS nid^t begreifen. @§ mufe etwaö ^ier 
fein, fagte id^. 6r würbe böfe unb fd)nurrte: ,®ic§ Silb 



*) öcon^arb Sießlcr, ©pital« unb ©tiftöpfleger. 
') Äarl 2BiIf)eIm ^arbme^er (1803—57) 8ef|rer an bcr Snbuftrie« 
fc^ule, ^unftbilettant. 

2) Safob 2BiIf)eIm .^uber, Slnnft* unb glac^maler. 



182 aWün^n. 



i[t nid^t einmal fertig; e^ l^at gute @teQen barin, aber jum 
Serfaufe ift cö gar nic^t öoUcnbet.* ^d) ging ärgerli^ 
fort unb badete nun weiter, ©a fiel e§ mir ein, ba^ ic^ 
öon einem SlngcftcHten, weld^cr bei ber ©rßffnung ber Äijien 
geroefen, gel^ört, ba^ öerborbene Silb l^abe ben SBert t)on 
15 £ouiöb*or. ©iefen fud^te id^ auf unb fragte, roo^er er 
biefeö wiffe. ,@ö ift auf einem Rapier am ©ecfer, fagic 
er. 3dö »erlangte in ba^ Bi^nnicr unb pe^c! an ber SBanb 
ftanb ber ©edfel mit ©einer ©d^rift, anpetfdjicrt. 

^6) nal^m biefelbe fachte l^inroeg, ging wieber 3U ^errn 
Siegler unb jeigte il^m bie netbifd^e Soöl^eit oon 3Ralcr 
^uber. ©iefer fagte, e§ fei nid)t fd^ön oon ^uber. 3^^ 
fc^ impfte, bafe bie§ fel^r gering fei, ein junger Anfänger 
in ber grembe, ber feinen ©ewinnft fo notwenbig l^ättc, auf 

foId)e 9lrt jurüdfjufe^en. ,3^» ^'^^ ^^^ ^"f I^^^ S^D 
nad^teilig für il^n, fagte er, aber eS ift t)ielleid^t auc^ über- 
feinen öon il^m.' S^atürlid)! @r wollte il^m nid^t we^c 
tl^un. 3ciÖ brachte bann bie ©d^rift ^erm ^arbmcger unb 
fagte il^m ba^ ©leid^e. @o bin ic^ ben ganjen S^ag l^erum* 
gelaufen unb t)at am @nbe nid^tS genügt, atö bag bie falfc^e 
^intergangenl^eit nod) burd^ mid^ an$ Sid^t gefommen. D^ne 
mein treiben wäre üielleid^t ©ein 33ilb famt ©taub unb 
5Jlift nad) Sem gereift unb in 3^"^^^ unbeaditet geblieben. 
SBenn eö nur bem ^immel gefäHt unb bort beffer gel)t! 
aber eben, bort ift niemanb, ber ©id^ fcnnt unb empfehlen 
fönnte. hingegen glaube unb l)offe id^, wenn ®u wieber 
einmal etwa§ auf ßörid^ fenben wirft, bafe eö gewife ange- 
nommen wirb. 9?ur mufet ©u ©ic^ bann befleißen, auf 
beftimmte Seit ju fd)icfen. ©aö war eben ein geiler, oon 
weld^em alleg l^erftammt. 



22. «Kit bic 5D^uttcr, 24. Dftober 1842. 183 



^crr SBoflcI fagte mir nod^, ba^ id) S)ir bemcrfen foH, 
boc^ rccftt Peifeig in§ fjrcic ju gelten, um naö) bcr 5Ratur 
ju jcid^ncn. ®ieö fei bic beftc fie^rcrin. ©iei^ ift nun allc§, 
wag id^ ©ir gerne nod) fagen wollte. 3e^t bin ic^ gefonnen, 
ein paar SBod^cn mit SReguIa nad) ©lattfelben gu gelten, 
weil eö feine 8lrbeit mel^r t)at bi§ im ^erbft. ©d^reibe mir 
bann aud) wieber einmal, wie e§ ®ir gel^t! SBir beibe 
grüfeen ©id^ taufenb 9JlaI. ®ott erl)alte ®id)! SSergefee il^n 
nur nie unb fei fleifeig!" 

ÜJMinc^cn, ben 24. Oftobcr 184Ö. 

Siebe 3Jiuttcr! ©ie früt)eren Sriefe, worin ©u 

mir über mein Silb gefd^rieben I)aft, ^abe id) feiner Seit er» 
l^alten unb barau« erfel)en, weld)e SBlül)t unb Sorgfalt ©u 
angewenbet ^aft, um beffen SSerfauf ju bcwirfen, wofür id^ 
©ir meinen innigften ©auf abftatte. Selber l^at'ö nid^t§ 
genügt; benn id^ l^abe mein Silb nod^ nid^t oerfauft; unb 
ic^ wäre fro^, wenn \6) e§ nur fo wieber l^ätte, um e« 
l^ier wenigftenö beö SRabmenö wegen Derfc^ad^em ju fönnen. 
Sdf) l^atte and) gerabe in ^Jlünd^en wieber ^ed^. 3d^ l^atte 
biefen ©ommer nod) ein Silb gemalt unb red^nete barauf, 
eö im Äunftüerein üerfaufen ju fönnen, xoa^ fonft giemlid) 
pc^er ift; ba fd)lug ber Seufel ju, bafe fte audö W^, wie 
fd^einfö in Sürici^f fein ®elb me^r t)atten unb nur wenige 
Silber öon auögejeidöneten älteren 5Jleiftern faufen fonnten. 
©iefer ßwftanb bauert biö nad^ bem 9?euial)r, wo bie Äaffe 
wieber gefüllt wirb. Sud^ bin id) jiemlid^ jid)er, im grül^^ 
ia^r in ©reiben ein Silb ju öerfaufen, inbem id) einen 
§erm oom bortigen Äunftüerein fennen gelernt l^abe, ber 



184 ^m6)tn. 



mir feine SSerrüenbung üerfprad). %\\x fe^t aber bin i(6 in 
SSerlegenl^eit ; benn bie öerbammten golbcnen SRa^men ^aben 
mid) frud)tIo§ @clb gefoftet, ober üielmel^r bin icft fte nocft 
fd^ulbig; unb ber SBintcr ift fcfton ba, wo man furge Sage 
unb falte Si^wi^i^ jum arbeiten f^at, wenn man nicftt ein 
Klafter §olj im ^aufc l^at. 

?Jlan fann freilid) folorieren'), aber wenn man einmal 
angefangen l^at, fo fommt man nid^t mel^r ^erauS, roeil man 
babei nid&t§ erfparen fann, unb im SBinter fc^aut gar nichts 
l^erauS. 3ci^ l^abe meine ?Rot einigen älteren ^erm geflagt, 
meldte mir ben SRat gaben, einige SJlonate nad^ ^aufe ju 
gelten, bort fleißig ju arbeiten, meil mic^ ba§ Seben nic^t 
fo bort anfommt, mie bi^r» unb nac^b^^ mieber gu fommen. 
3cb fanb biefen 3fiat giemlid^ gut, befonberS, ba id^ ein 
tt)enig ^eimmeb öerfpüre unb eigentlicb faft feine anbere 
SBabI ift, menn icf) nid^t ärger in bie Sinte fommen will'). 
Slucb riet man mir, ju ^aufe mid& ein wenig untjufeben, 
inbem e§ mabrfcbeinlicb fei, ba^ id) fo gut wie fdion Diele 
anbere üon irgenb einem Äunftgönner nod^ Unterftü^ung 
für ein Zai)X befommen fönne, wenn id) e§ auf bie rechte 
art anfange unb üou einem bemäl^rten itünftler, wie 
SSogel K. empfoblen fei. 3d) würbe natüriid) ben ^erm 
93ogel oft befud)en unb immer meine ©ad^en jcigen, um 



') foßar gaf)ncnftan0en ! ©. o. @. 120. 

'') S)ie üJ^uttcr an ©ottfricb 21. Oft.: „gifc^cr faßt, S)u ^abcft S)i4 
biefen ©ommcr cinft geäußert, aud) (rote giftiger) auf ben SBinter m6) 
^aufe SU fommen. ^ä) benfe, roenn S)u bort für ben SBinter feine 
fitere e^riftena I)aft, fo roäre e§ freiließ beffer, al§ borgen unb bamit in 
©c^ulben unb S3erle0enl)eit gu geraten j unb ic^ felbft fönnte für biefe 
3eit roeniöftenS aud) ruhiger leben. Übrigens fteUe id) S)ir aKc§ frei; 
S)u roeifet am beften, roie bie 33er[)ältntffe flnb unb rote S)u ftel^ft." 



22. 5ln bie Söhitter, 24. Dftober 1842. 185 

il^n mir gewogen ju mad)en. 3ebod) ftnb bie§ nod) blofee 
SRäte, welche ftd) aber naiver ertüägen laffen. SBenn id) an= 
ftatt ber großen Silber nur Heinere, aber mel^rere gemad^t 
l^ätte, fo wären fte je^t üerfauft unb ic^ geborgen; benn 
Heinere oerfauft man immer Ieid)ter; allein id^ glaubte bummer 
SBeife gleid) mit maS SRed^tem fommen gu muffen unb l^abe 
bie @ad)e gerabe baburd^ oerborben. 

®od) mufe id^ nun jum @nbe fommen. 

Safe id) alfo l^eimfommc für ein paar SHonate, ift 
jiemlid) nötig, unb S)u wirft mir ®eine Stl^ore gemtfe nid)t 
oerfd^Iiefeen; id) werbe mein 9ÄögIic^fte§ tl^un, bafe S)ir 
meine Slnwefenl^eit nid)t ju befd)werlidö fäHt. 6ö t)anbelt 
fid^ l^auptfäd)lidö um ba§ SReifegelb. 3d^ erwarte jwar alle 
Jage mein 33ilb auö Safel gurücf, weld^eö id^ auf jeben ^aU 
für 40 ober 50 ©ulben einem §änbler oerfaufen !ann, um 
SReii^gelb gu befommen; aber ba e§ auf bem §inweg fo 
unftd)er anfam, fo fönnte eö jid) je^t leidet aud) oerjögern. 
3d) mufe aber bis in jel^n Sagen mein £ogi§ räumen unb 
möd)te nid)t gerne nod) ein neues mieten tjorl^er. 2öenn eö 
®ir alfo möglid) ift, fo bitte ic^ ©id^, mir 30 ©ulben ju 
fc^idfen, bamit ic^ baburd) nid^t aufgel^alten bin unb fogleid) 
fort fann. Äommt mein Silb nod) öorl^er, fo bringe ic^ 
baS ®elb bafur wieber l^eim, unb fommf S nad^l^er, fo wirb 
ein S^reunb oon mir es beforgen unb überfd^icfen. 9f?ur 
mufe id) ©id) bitten, mir fogleid^ eö gu fd^icfen, ober im 
5ßid^tfal(e mir ju fc^reiben. Über alles weitere l^offe id) 
münblid^ ©id^ gu befprecften unb ju berul^igen, ba ©u alle 
Urfad)e t)aft, fiber biefe neue unoerl^offte Sage ber ©inge 
beforgt ju fein unb gu glauben, eS werbe dm @nbe l^alt immer 
fo gelten. Slber ic^ fann ©ir nur t)erfid)ern, bafe cS jwei 



186 graucnfelb. 



©rittein üon bcn Äünftlcm fo gegangen ift, bie je^t geborgen 
jinb, unb id) mad^e l)alt bie Grfal^ningen, bie ein jeber ge^ 
ntad^t \)at, Seffer ift'ö, man t)at in ber Sugenb ju fäm^jfen 
alö int aiter. greilid) guälf<5 mxä) genug, ba^ S)u am 
meiften babei ju leiben ^aft. SBäre id) frül^er nad) 3Jlfln= 
d^en gef ommen; f o wäre id^ frül^er au§ bem ^ecft ; benn id) 
fel^e immer mel^r ein, ba^ meine S^it unb ge^rjalirc ju 
^aujc rein verloren waren. 

©d^reibe mir fogleid) unb jag' einftroeilcn nod^ nic^ 
manben nid^t§! 

3d^ grfifee (Snij, S)id^ unb SReguIa, toufenb SSHal 

S)ein ©o^n ©ottfrieb ÄeOer. 

grauenfelb, ben 21. 9lot>tmhtt 1842. 

Siebe SJlutter! gnblid^ bin id^ bi§ fjrauenfelb gelangt, 
tt)o id^ mid^ fd)on einen Sag aufl^altc. ©ie 30 ©ulben 
l^atte id) in 9Jiünd)en rid)tig erl^alten mit bem gel^örigpen 
©anfe; ba id) aber bamalö nod) nid^t gang jur SRetfe ht^ 
reit war, fo oerjögerte pd^ biefelbc nod^ um ad^t S^age, wo 
benn ein Seil be§ ®elbe§ wicber barauf ging, befonbcrö, ba 
id) allerlei fleine ©d)ulben gal^lte. ^egi ^alf mir nod^ mit 
2 fiouiöb'or auÄ, unb id) fd^ob enblid^ ab. 3^ mad^te aber 
einen fd)led^ten 3fteifeplan, inbem ic^, um wohlfeiler gu fal^rcn, 
eine 3ietourgelegenf)eit nal^m, bie mid) bi§ Kempten führte, 
©ort aber fanb fic^ feine weitere ©elegenl^eit, id) mu^te 
einen Sag liegen bleiben unb enblid) einen Äutfd^cr teuer 
bejal^len, um nur fortjufommen. 

©0 fam e§, bafe id), al§ id^ nad^ Äonftanj fam, wie« 



23. Sin bic «Wutter, 21. SRoücmbcr 1842. 187 

bcr auf bem ^unb war. 3d^ fd)rieb 5JlüIIcr in grauen* 
felb. @r t)oItc mic^ foglcid^ famt meinem Sagage mit einer 
G^aife ab unb ^at mic^ nun bei jtd^ einquartiert, Dbgleid^ 
id) mid^ fel^r nad^ @ud^ fel^ne, ba iä) einmal fo nal^e bin, 
fo XüiU er mid) bod^ nicftt fortlaffen, unb id) mufe fd^on 
nod) ein paar Sage bleiben. 

©u wirft mal^rfdöeinlid^ üon meinen ^auöleuten in 
9)lund^en einen ©rief empfangen ^aben wegen 47 ©ulben, 
bie id^ il^nen nod^ fd^ulbig bin. S)u mugt S)id^ ba<S nid^t 
anfed^ten laffen; benn eö ge^t nur mid^ an, unb bie fieute 
werben bejal)lt, wenn eö mir beffer ge^t; bi§ bal^in muffen 
pe warten, wie anbere ©terblid^e aud^. 3d^ werbe überhaupt 
münblid^ mit ®ir über biefe @ad)en fpred)en. 9lur fc^reibe 
id^ bieg, bamit ©u ©id^ etwa burd) fold^e ©turmbriefe 
nid)t erfd^redfen laffeft; befonberö fd^icfe burd^auö etwa fein 
@elb l^in! 

Wein Silb ^abe id^ ben legten Sag tjor meiner ab« 
reife nod^ ert)alten, aber in weld^em 3wftcinbe! ©er SRal^men 
gauj ruiniert. @ö war lumpenmäfeig eingcpadft. 6§ nimmt 
mid) nurSBunber, bafe ftd^ bie t)od^mütigen unb üornel^men 
^erm Äunftgönner in ber ©d^weij nid)t fd^ämen, einen 
jungen Äerl unb armen Seufel fo um feine ©ad^en ju 
bringen, ©od^ mag id) mic^ je^t nid^t länger bei biefen 
ßumpereien aufl^alten. — 5Wur nod) etwaig. 

6§ l^at mir in fiinbau, alö ic^ in« ©ampffdt)iff ging 
unb fanb, ba^ id^ nid^t me^r genug @elb l^atte, ein ^anb» 
lungöreifenber, ber mic^ nät)er gar nid^t lannte, ®elb an« 
geboten, fo öiel \6) wollte. 3d) nal^m aber nur 3 ©ulben, 
fo öiel id^ bi§ Äonftanj brandete. 6r fagte, er werbe etwa 
in ac^t Sagen aud) über ßönd^ fommen, wo er mir'S öom 



188 



Sraucnfclb. 



,@torc^cn' au^, wo er immer logiert, fagen laffen molle. 
SBenn x6) alfo in biefer 3^it ^ma nod^ nic^t bort bin, \o 
fei boc^ fo gut unb fd^reibe tt)m ein 33illet, bafe icft noc^ 
nid^t angefommen fei, unb menn'ö möglich ift, fo fc^itf i^m 
bie 3 ©ulben! @r l^eifet ^err aitenborf au§ Solingen. 
®od^ mufe ic^ enben, benn bie 6^aife ftel^t oor bem ^auje; 
5!Jlüner min mit mir au^fal^ren in ©efc^äften. 6r ift fe^r 

gut eingerid)tet unb fü^rt ein befd^aulid^eö ßeben. 

Unterbeffen grüfet 6ud) taufenbmal @uer ©o^n unb 
Sruber, fo mie auc^ alle im ^aufe 

®. ÄcOer. 



3^ ^ttbtv in ^wn^^ 

(9?ooember 1842— Df tober 1848.) 

Über feinen abfd^nitt auö ©ottfrieb ÄellerS geben finb 
wir fo mangelt)aft unterrid^tet, wie Aber bie öor un§ He* 
genben Saläre. @r felbft l^at pc bic öerlorenen genannt. 
®aS tt)id)tigfte ©rcigniö biefeö ßeitraumS befielet barin, bafe 
er ber 3RaIerei entfagtc unb jid^ ber ©icf)tfunft guwanbte. 

®enn wenige 9Jionate nac^ feiner ^eimfet)r brad^ ber 
QueH ber 5ßoefic mit 5!Jlad)t I)crt»or. ©ie SSerfe ftrömten 
il^m mit einer 2eid)tigfeit, bie il)n felbft am meiften in &x^ 
ftaunen fe^te, gu. ®er ©ommer 184S ift ba^ ©eburtöjal^r 
ber £t)rif ©ottfrieb ÄeKerö. 

Bunäd^ft mag ein mit emfter Umftdnblic^feit in Singriff 
genommenes, aber genau nad^ fünf 3Boc!)en abbrecf)enbe§ 
unb erft 1847 t»orübergel^enb mieber aufgegriffenes Sagebuc^ 
Don ber Sage beS unter ben trübften 8luSftd^ten ^eimgefel^rten 
Seugniö geben. 

eröffnet bcn 8. Suli 1843 in Süric^. 

„@in 9Jlann ol^ne Sagebud) (er l^abe e§ nun in ben 
Äopf ober auf 5ßapier gefdE)rieben) ift, maS ein 3Beib ol^ne 
©piegel. ©iefeö t|ört auf SBeib ju fein, wenn eö nxAjt mel^r 
ju gefallen ftrebt unb feine 8lnmut üernad^läffigt; e§ wirb 



190 Xagebud^. 

jcincr Seftimmung gegenüber bem 5Jiannc untreu. 3^ner l^ört 
auf ein 5!Jlann gu fein, wenn er fid^ felbft ni(f)t mel^r beob^ 
ad^tet unb ©rl^olung unb 5Ral^rung immer aufeer ftd^ fuc^t. 
@r üerliert feine Haltung, feine geftigfeit, feinen ß^arafter, 
unb menn er feine geiftige ©elbftänbigfeit bal^in gibt, fo 
roirb er ein Sropf. S)iefe ©elbftänbigfeit fann aber nur 
bewahrt werben burd^ fteteö 9lad^benfen über ftd^ felbft unb 
gefc^iel)t am beften burd^ ein 5£agebud^. 3[ucl) gewäl^rt bie 
Unterhaltung beöfelben bie genufeüoUften ©tunben." 

©iefe 3Borte l^abe id) üor fünf So^^^^Hf iwi ^eumonat 
1838, in meinem neungel^nten 3al^re niebergef daneben, o^ne 
ba^ id) bis je^t irgenb einmal ein 5£agebud) angefangen 
l^ätte. 3d^ benfe aber, eö get)t mir nid^t allein fo, unb ic^ 
l^abe fd^on oft geat)nt unb an mir felbft erfahren (id^ müfete 
benn eine tüd^tige Abnormität fein), id^ ^abe fd)on oft be* 
merft, fage id^, bafe in ber 3Belt fe^r öiel ©c^onc«, SBal^reS, 
fel^r grünblidt) unb folib ©cl)einenbe§ bem, ber eS fagt, gur 
@^re ©ereic^enbeö gefprod^en, gefc^rieben unb bel^auptet wirb, 
ol)ne bafe e§ bem Slutor im minbeften in ben Sinn fäme, 
baS mit fo öiel ßnergie ©eäufeerte auf ftd^ felbft anjuwenben 
ober auöjuüben. 

©0 ift eö mir nun aud^ mit meinem Sagebud^ gegangen, 
unb id) l^abe bie fo le^rreid^e 3^it meineö erften ?lu<5fluge4 
in bie SBelt, bie brei "^at^x^, n)eld)e id^ in 3Rünc^en ^jubrad^te, 
famt allen ©inbrücfen, bie id) bort empfangen, ba§ l^eitere 
fc^öne Äünftlerleben , bie bangen forgenöollen Sage, bie id^ 
erlebt unb fonft nod^ fo oieleö, wad mein ®cntüt lebhaft 
ergriffen, bie SRüdfel^r unb glud^t inö mütterliche ^auö: ba^ 
alles l)abe id) l)anbelnb unb leibenb an mir öorbeigie^en 
laffen, ol)ne eine Silbe barüber nieberjufd^reiben. 



8. Suli 1842. 191 



3d) l^abe ätt)ar mir ba§ ganjc Silb in feinen Umriffen 
unb mit feinen Sofalfarben giemlid) treu bettjat)rt, nnb wenn 
id^ einft auö mir felbft l^erauötreten unb al^ ein jmeiteS Sd) 
mein urfprunglid^eö eignes 3d) in feinem ^erjfdmmerlein 
aufftören unb betrad^ten, menn id) meine Sußenbgefcftid^te 
fd)reiben »oute, fo mürbe mir bieö, ungeadjtet id) bi§ je^t 
nie ein Sagebud) ffil^rte unb nur frül^er, üor bereite fed)ö 
3at)ren, bann unb mann, aber fe^r feiten, einzelne abgeriffene 
SBorgänge ber Sufeen^ unb Snn^^melt autüeid)nete*), bennoc^ 
jiemlid) gelingen. Slber mie t^iele, Diele ©ebanfen unb Sbeen, 
mie jtc ©onne unb ^onb un§ bringen , gingen mir nid^t 
üerloren! SBie üiele Erfahrungen unb ©riebniffe Ratten feinen 
ober nur wenigen Sinken für mid^, meil id) fie mir nidit 
genugfam einprägte! 3Bie öiele poetifd)e TOotiöe unb fünft* 
lerifd)e ©rfd^einungen gingen mie Sraumbilber, auf bie man 
fid) beim ©rroad^en nid^t vmi)x bepnnen fann, an mir öor* 
über, unb mie Diel reijenbe unb bebeutungSüoIIe @efd^id)ten, 
Vorfälle unb Snefboten öermeben pd^ bem finnigen Wenfc^en 
in fein täglid)e§ Seben, auö benen er oft bie fd^önften @eifteö= 
blumen jiel^en fönnte, unb bie meiftenö fpurloi^ üerloren 
ge^en, menn er nid^t einen geJ^altooHen 33riefmed^fel ober 
ein Sagebud) fül^rt! 

©er §auptgrunb aber, ber mid^ jur gül)rung eineö 
fold^en trieb, liegt in ber Sefd^äftigung an pd^ felber, bie 
fie mir oerleitit. ®aö Stagebud) mirb mir ein afql fein für 
jene grauen t)offnungölofen Stage, bie mir oft in ftuntpfem 
9li^t§t^un öorübergel^en unb fpurloö in bie bämmernbe 
Vergangenheit t)erfd)minben. 6ö ftnb bieS bie Sage, meld)e 



») S50l. bcn Slnl^ang. 



192 Sagcbuc^. 

man, ßc^emmt burd^ äufecrc wibcrlid^c, oft mtferabcl Hein« 
Hd)C Umftänbc, ober burd) innere 6rf c^öpfti^eit , fRaU unb 
SÄutloftgfeit ba^inbrütet, o^ne einen frifd)en @ntfd^Iu§ gur 
arbeit faffen ju Knnen. Sdö tüeiß »o^l, e^ gibt 2eutc, 
roeldö^ biefe Sage nid^t fennen, fonbem Sa^r au^ gal^r ein 
Dom 5!Jlorgen bi« 8lbenb arbeiten fönnen. 3c^ meine ijitx 
nid)t bie ^anbarbeiter, fonbem bie ©eifteöl^anblanger, bic 
glücflic^en SBefen, n)eld}en materiell fein ?lugenblicf üerloren 
gel^t, ben fie nid^t benu^en Knnen, wie man 5RabcI unb 
Bwim, 3Baf(^maffer u, bgl. benagt, weldje mit ber uner» 
träglid^ften felbftjufriebenen ©mftgfeit bie 3BerfcU unb ©c^mu^^ 
tage l^inburd) fufeln unb fd^Iampen unb am @onntage mit 
fetter Se^aglid^feit nicfttö tl^un, nic^ti^ benfen, nicfttö fe^en, 
fonbem itiren ©änfebraten öerjet)ren unb mit 5lBetb unb 
^inb ^inau^fc^Ienbem, nid^t um SBalb unb Slu ju fe^en, 
oielme^r um Safen unb ®et»attem angutreffen unb ben feinen 
mo^l fonferöierten ©onntagörodf ju lüften, meiere nur fprecften: 
§eute ift geiertag ! unb ftd^ bann öor allem ©enfen f o wo^l 
oerwa^ren fönnen, wie man ftd^ üor bem ©onnenfc^eine 
fc^ü^t, inbem man nur in ben ©chatten tritt. ©lüdflic^ 
finb biefe Seute, unb ic^ bin geneigt ju glauben, bafe biefe 
Sel^aglid^teit, üerbunben mit einem geregelten erfpriefelicften 
Sleifee, mit ben fpätem 3a^ren aud) feurigem unb fräftigen 
9?aturen, roenn fie lange genug gelitten unb gefämpft ^aben, 
JU teil werben fönne. ©enn jeber SJienfdö wirb am 6nbe 
^l^ilifter, nur mit bem Unterfd^iebe, bafe eö ber eine inncrlid), 
ber anbere äufeerlid), ber britte aber trauriger SBeife total 
mirb. 

3d) aber bin nod^ nic^t, noc^ lange ntd^t fo meit, ba^ 
alte meine gntmürfe, ober nur ber fleinere Seil berfeCben, fo 



8. 3uli 1842. 193 



gcbicgen, flar unb unabänberlic^ roären, bafe nid)t Sage, ja 
SBod^en unb 3Äonatc bcr Unterbrcd^ung unb bcr 5ßicbergc« 
fd)Iagcn]^eit fämen, wo nidötö an« Sonncnlid^t bringen 
xoiü in freubiger ÄIart)eit. 6« gibt Seiten, wo man, 
gefd^ttjeige einen warnicn SBenfd^en, nid)t einmal ein warmes 
lebenbigeö Sud^ gut §anb ffoi, an bem man frd) bereid^em 
unb erquidfen fönnte. 3« biefen S^W^n joU ba« Sagebud^ 
mein Sroft fein. SBenn id^ einen lieben langen 3:ag nid)tö 
SIeibenbeö getl^an l^abe, fo wiH id^ wenigftenö bieö l^inein» 
fcftreiben, unb bann wirb baö Sud) mir entroeber einige 
©ebanfen geben, ober einige entloden, fo ba^ bod) etwaö, 
bafe bod) einige SBorte gurüdbleiben oon ber luftigen Slafe, 
ber 3rit. 

Slber nid^t blofe in Sagen ber 9J?utIofigfeit, nein! aud) 
in Sagen ber feftlid^en raufd^enben greube will id) ftille 
SÄomente Derweilen unb auörul^en im traulichen ©djmoll* 
winfel meines Sagebud)eS. 3d^ wiH bie fd^önften Slüten 
erlebter greube hineinlegen, wie bie Äinber SRofen* unb 
Sulpenblätter in il^re ©ebetbüc^er legen; unb wie jte fic^ 
bann in fpäteren Salären wehmütig erfreuen, wann il^nen fo 
ein oerblid^eneS ffllumenblatt in einem alten Sudje gufällig 
wieber in bie ^änbe fällt: fo will id^ mid) in meinen legten 
©rbentagen erfreuen an ben Silbern entfd)wunbener greuben. 
SBann bann jwifd^en brei^unbertfünfunbfec^Sjig ^Regentagen 
beö geibenS nur ein Sonnentag ber l)eitern greube unb beS 
SJluteS ^erüorbric^t, fo will id) alle jene SRegentagc oergeffen 
unb mein banfbareS Sluge nur auf biefen fonnigen greubentag 
l^eften unb beh ^errn preifen, bafe er mir wenigftenS biefen 
gegeben l^at. 

SBann ein jünger 3!Kenfd^ in bie grembe ^inauS jie^t, 

©ottfrieb ftefler. 13 



194 Xagcbud^. 

fo gibt man il^m ein SlBanbcrbud^ mit, burd) beffen Slättcr 
aÜc jid) eine gefärbte ©d)nur fd^Iingt, bie auf bem legten 
Slatte mit einem ©iegel befefttget tft. ®teö Sagebud) foll 
mein SBanberbud^ fein, ba& xä) bei jeber neuen Station 
meineö Seben<5 meinem l^öc^flen Tribunale, bem ©ewiffen, 
üormeifen werbe, unb ber grüne ^aben, ber ba^felbe burc^- 
jiel^t, ift bie Hoffnung; unb ba§ Siegel, ba& biefcn grünen 
gaben abfc^Iiefet, ift ber %ob mit bem SilbniS ber 6roigfeit. 
3d) werbe öertrauenb l^offen unb immer l^offen, bis meine 
Slugen bred)en; unb mann bann bie SWenfd^en mid) au§* 
lachen unb fagen werben: „Sielte, bu l^aft umfonft gehofft, 
bu ftirbft arm unb üerlaffen, wie bn geboren wurbeft", fo 
werbe id^ ju il^nen fagen: „gl^r Sporen! je^t gel^t bie 
Hoffnung erft red^t an!" 

S)ann foll man mein SBanberbudö ntir in ben ©arg 
geben unb unter mein ^avopt legen, bafe e<5 barauf ru^e. 
®aö Rapier unb ba§ Srbifc^e, @d)were barauf wirb mit 
meinem fieibe üerwefen; ba§ Seffere aber wirb mit bem 
©eifte l^inauf fd^weben, wo ba§ neue gellere ficben beginnt. 
SBerben bann nic^t bie ©rfal^rungen unb Stauungen biefeS 
Sebenö, geläutert unb gereinigt in bem verborgenen geuer 
be§ ©rabeö, unfer neueö unb fd^onereS ©ewanb btlben, in 
weld)em wir bie ewige SReife unfereö ©einö fortfe^en? 



S)en 9. 3uliu§. 

^eute ^abe id^ ^of fmannS Siograpl^ie oon ^t^ig fertig 
gelefen*). ßefeterer, weld^en id) juerft in ß^amiffoö SBerfen 
fennen lernte, ift mir orbentlid) lieb geworben. 95Bdd) ein 



') «u§ ^offmann§ Seben unb «Rac^Iafe (1823). 



9. 3uli 1843. 195 



üortrepd&er ijrcunb üon fo 93ortrcffUcI)en, unb babei weld) 
eine eblc 33cfd)eibenl^eit! 

2Ba<8 nun ^offmann unb fein ficbcn felbft betrifft, fo 
l^abe id) mid^ fe^r baran erbaut unb geftärft. ©enn ba3 
Seben grofeer SHänncr, tt)eIdE)e babei unwanbell^aft, flar unb 
of)ne ftinbembe ©d^wäc^en il^ren SBeg gingen, ift unS wol^I 
SSorbilb, jur Sewunberung unb ^iad^al^mung reijenb, fo 
©d&iHcr, 3^an 5ßaul unb anberc. @in Seben, toie ©oetl^eö, 
baö ol^ne materieÜe Sorgen unb Äummer, in l^eiterer fSbxi)e, 
bcJ^aglicftem 3Bol^Iftanb unb Harem ©elbftbewufetfein fort* 
flicfet, ]^öd)ften§ üon felbftgefd^affnen @eifte<5[türmen auf* 
geregt, oemtag un§ mel^r niebergubeugen al§ aufjuric^ten. 
6in geben aber, wie Jpoffmannö, öoll ^IJlangel, 5Rot unb 
5?a]^rung^f orgen , benen immer jur redeten Seit bie ^ülfe 
nal^c war, ein Seben, ba§ mit grofeen Sd^wac^l^eiten, bie 
tt)ir oft auc^ fennen, ju fämpfen l^at unb il^nen mand^mal 
unterliegt, bient unö jum lebenbigen Scifpiel, jur ©tdrfung, 
jum Srofl, unb, weil e§ einem 9Jlanne angel^ört, ben wir 
fonft lieben unb ad^tcn unb feiner @d)n3äd)en l^albcr be=» 
mitleiben, fo jeigt eö unö beffer unb einbringenber, waö 
tt)ir ju tl^un unb ju laffen l^aben, al§ alle ?Dfloral. 

3dö, ber id) ju jeber S^it einen öollen ^ofal, Der* 
bunben mit bem SRunbgefang frö^lid^er braoer ©efellen 
liebte unb bemfelben meine fd)önften unb freubigften ©tun» 
ben, biöl^er ttjenigftenö, tjerbanfte, id^ l^abe nun gefet)en, 
ttjo^in eö fül)rt, wenn man fid^ biefen greuben ber ®e= 
feUigfeit f^ftematifdö überläfet, unb ba^ l^errlicfte ©onnenlinb, 
ben SBcin, ate 3^edE unb nid)t al§ OTittel gur ^eube be* 
trad^tet, 5Rein! ©iefe golbenen Sec^erftunben muffen nur wie 
feltene SÄeteore mit i^rem ©ang unb Älang in unfere @rben« 

13* 



196 Jagebud^. 

näd^te J^incinleud^ten , wenn fte un§ ba^ fein f offen, woju 
fie unö gegeben pnb. 2öie roe^e mufe c§ ^offmannö befferen 
grennben getl^an l^aben, il^n juin faft gemeinen SBeim 
jd^mecfer unb ©tammgaft einer Äneipe l^inabftnfen gu fe^en! 
Su it)renf ärofte war aber ^ojfmann ein Wenfd), ben man 
burd^ alle @d^mäd)en unb SSerl^altniffe ^inburd^ liebte unb 
nie au§ ben Singen üerlor. Slnberg ift e§, wenn ein unferm 
^erjen 2lngel)öriger fid^ innerlid^ öerfd)Ied^tert, mcnn er ft^ 
Derl^ärtet gegen bie SBal^rl^eit unb gum Slpoftat wirb am 
aUer^eiligften, gum Serräter am ©eifte, wie eö and) fd^on 
meldte unter ben großen ©enieS gegeben I)at. ©iefe gwingen 
un<5, fie gu f)affen unb gu befämpfen, 

^offmann mar Wujifer, Siebter unb SOlakr, ®o(^ 
glaube id^, bafe fein SRuf l)auptfäd^Iid) nur nod^ in feinen 
litterarifd^en SBerfen lebt, ©a id) nid)t TOufiffenner bin, 
fo fann ic^ in biefer ^infid^t nid^t urteilen; bod) f^abt id) 
al^ Saie feinen 5?amen unter benen ber gleid^geitigen unb 
frül)ern Äomponiften gu menig nennen gehört, al§ bafe ic^ 
annel(men fönnte, er l^abe aufeerorbentlid)e ober flafftfd)e 
SSerbienfte in biefer §inftd)t. SBaö aber bie bilbenbe Jhmft 
angel)t, fo mag feine Malerei mo^I mel^r in feinem ßnt^u* 
fia§mu§ bafur unb in bem, ma§ er felbft fo oiel barüber ge= 
fprod)en l^at, beftel)en, aU in feinen eigentlid)en fünftlerifc^en 
3Berfen. (5r müfete eben nid^t ^offmann gemefen fein, menn 
er nic^t gute unb pl^antafieüolle Äarifaturen gemacht ^dtte. 
2Ba^ id) aber ©mft^afte^ oon i^m gefe^en, baö erl^ob ftd) 
nid)t über baö ^Rittelmäfeige unb meiften§ @efd)ma(flofe 
feiner Qtit, mo bie l^crrlid)e 9tid)tung, bie 6omeliu§ unb 
feine @d)äler ber beutfd)en Äunft gaben, eben angebahnt 
mürbe. 6r nimmt al§ 5Raler nid)t einmal eine ©teffe unter 



9. Salt 1843. 197 



bcn Äünftlcrn öor Gorncliuö ein, roie man bie Sßerl^ältniffe 
ttjeniflftcnö jc^t überblidft; imb loenn man ba§ nidjt ti)ut, 
fo i[t eö unrecht, einem ben 9?amen baoon beijufüflen, unb 
trübt baö Urteil ber befangenen über ben gangen ©el^alt 
eineö foI(l)en üJlanneö. ®a ^offmann ein @enie »ar unb 
großen ©rang gur Walerei l^atte, fo gnjeipe id^ feine§n)egö, 
bafe er ein großer 5Raler geworben wäre, wenn er bie [trenge 
unb berufsmäßige fflilbung erl^iW^n ptte, n)eld)e bie bilbenbe 
Äunft öerlangt. @in Oenie, ba^ öiel gelefen ^at, fann aud) 
geroife etoaS @uteö fd)reiben, ol^ne feine Sugenb auf UniDerft» 
täten gugebrad^t gu I)aben; benn ber ©ebanfe ift eö, berbaS 
SBJort abelt. Sei ber bilbenben Äunft aber ftnb gorm unb 
©ebanfe 6inö, unb mit bem feinften ®efül)l, mit ber beften 
Übergeugung unb mit ber feurigften ^l^antafie fann man 
feine fd)öne f(afftfd)e ^igur geid)nen, menn man nid^t mit 
feiner eignen ^anb g^l^re lang auSfd^Iiefelid^, ic^ möd)te 
fagen ^anbmerfemäfeig, unter guter Anleitung gegeid)net unb 
ftubiert l^at. ®er 9J?aIer unb SBilb^auer ftubiert nur mit 
bem ©riffel in ber ^anb. ®a6 man aber 3"^ ftubieren 
unb Wupf treiben fönne neben bem Walerftubium, baö 
l^alte ic^ für unmöglid), wenn man in Unterem me^r alö 
Silettant fein wiQ. 

83on §offmann gu verlangen, ba^ er bie Malerei auf- 
geben unb aQe feine Äräfte ber ®ic^tfunft guwenben folle, 
märe eine ^l^ilifterei gemefen; benn ber ©Dangelift So^anneö 
fagt: „®er SBinb n)eE)et, mo er miß, unb bu l^öreft fein 
Sofen; aber bu meifeeft nid^t, t)on mannen er fommt, nod) 
mo^in er fal^ren wirb. 3lIfo ift ein jeber, ber au§ bem 
®eifte geboren ift." Slber eö ift ein frommer 2Bunfd^, bafe 
er biefen ©rang gur Silbnerei nid)t gel^abt unb bie fiitteratur, 



198 Slagcbud^. 

mit einem ganj gereinigten ©efc^madf, gu feiner Sebenö^ 
aufgäbe gemad^t l^aben möchte. 

©emife würbe er unter \>m erften Sternen am beutfd^en 
ffiid^terl^immel glänzen. Sd) werbe nun feine ©djriften gänj= 
lid) bur(f)lefen. 

S)en 10. Suli- ' 

Sroftlofer SRegentag! 9?ad) wenigen blü^enben Senj* 
tagen ging ber 9Kai in einen naffen regnerifcften ©ommer 
über, meld^er bis je^t in ewigem SCBeinen trauerte, einige 
Sonnentage aufgenommen. 2Benn eö fo fortfährt, fo bürftc 
eg einen traurigen ^erbft unb Söinter geben, ba man eine 
Steuerung befürdjtet. S3erbrie6Iid)e l^offnungSarme ©tiin^ 
mung. 2)aju fommt nod) baS getjeime Unheil bro^enbe 
©ä^ren unb SKotten beS ÄommuniömuS unb bic fecfen 
öffentlii^en äufeerungen beöfelben. ©aS 9Jac^benfen über 
biefe wid)tig werbenbe 3citfrage mad)t mid^ fonfuS. ©oDiel 
fd)eint mir gewife, bafe mel^r ßlenb alS je auf ©rben ift, 
bag ber ^Kommunismus oiele Slnt)änger gewinnt unb fc^on 
^at, unb bafe eS nur einer Hungersnot bebürfte, um bem* 
felben mit aQer 3!Jlad)t auf bie Seine gu Reifen, ©in $re* 
biger beSfelben, ber Sd^neibergefeHe SBettling, wcld^er ein 
Sud) „©arantieen ber Harmonie unb ^xdif^iV* mit ©eift 
unb Seuer barüber gefd)rieben l^at, ift ^ier arretiert worben*). 



1843 oerbreitcte ber 3U Bürid^ in 5lrbett ftel)enbe ©(^nciber 
SBiI!)eIm SöeitlinQ au§ SKagbeburQ fommuniftifc^e (SJrunbfäJe unb 
Deröffentlid^te u. a. bie ©c^rift „S)aS eoanöelium ber armen @ü^b€r^ 
ruorin er bic ße^ren beS ßl^riftentumS feinen Sroerfen bienftbar ma^te. 
S)ie S3et)örbe fd^ritt cin:^ SDeitling rourbe im 3RoDcmber ber 2(nfliftung 
3um 5(ufrut)r unb ber Übertretung beS grembengefeteS fd^ulbtg erflärt 
unb 3U 3et)n 3Wonaten ©efängniS nebft fünfiö^riger SSerweifung au5 
ber ©d^roeia öerurteilt. Sßgl. SSogelS Memorabilia Tigurina Don 



10. — 11. Suli 1843. 199 



®ie Slneftation ^at bei ber liberalen Partei UnioiQen er« 

regt, ba jte gewaltt^ätig ariftofratifd) miögeffi^rt unb bie 

freie treffe burd) eine mitternäd)tli(i^e Unterfud^ung jugleic^ 

beleibigt würbe. Sn^^ff^n fönnte id) bem Äommuniömu^ 

beö SCBeitling unb feiner Sreunbe feine gute Seite abgewinnen, 

ba er einerfcitS in §imgefpinften befielet, welche unmöglid) 

auöjufül^ren mären, ol^ne baS 6Ienb größer ju mad^en, 

»eil jte bie ganje gegenwärtige Drbnung ber ©inge nid)t 

nur aufeen, fonbem biö in unjer Snnerfteg l^inein, umfturjen 

würben, anbrerfeiti^ mir aber nur bie golge einer immer me^r 

um ftd) greifenben ©enufe« unb SBequemIid)feitöfu(i^t ju fein 

fd)eint. .f)auptfäd)Iid) aber fd)eint eö mir ein furjftc^tiger 

unb gieriger 9?eib biefer guten Seute gegen bie SReid^en biefer 

SBelt ju fein. Sie woUen nid)t, wie SBeitling beutlid^ fagt, 

blofe gu effen, fie woUen eö DoQauf, üppig unb gut l^aben. 

©ie woQen aud^ einmal an bie SRei^e. £) i^r Sl^oren! 

SBenn il^r gang gleichmäßige (Srgie^ung com Staate au§, 

Sorge für allgemeinen 93erbienft Dom Staate auö, allgemeine 

SSerforgung ber SBerbienftunfäl^igen unb ^ülflofen Dom Staate 

au§ Verlangt: bann bin id) mit 2eib unb Seel' bei eud)! 

— So aber mit euren wirf(id) fanatifd^en Söelt [türmenben 

(Sebanfen bleibt mir oom ^alfe! Sd)ert eud^ in^ Soll^au§, 

wenn i^r'g aufrid^tig, unb gum Seufel, wenn il^r e^ nur für 

euren werten SBaud^ gemeint l^^bt! 

®en 11. Suli. 

©a§ JBetter ^eitert ein wenig auf. ^eute fafete id^ 
plö^lic^ ben 6ntfd)lu§, einige ©ebid^te gufammengupaden 
unb einer S^Jtfcftrift, etwa gewalbö „6uropa" gugufenben 

1840—50 @. 274; % 6. S3luntf(^Ii, S)enfn)ürbi0feiten au8 meinem 
8eben 1, 342 f. (1884). 



200 3:agebu(^. 

mit einem fentimentalen Äa^enjammerbricfe. 3d& l^abc ^max 
bie „Europa" lange nic^t me^r gelefen unb meife nic^t, ma^ 
fte für eine Senbenj ^at; aber id) mu^ einmal etxoa^ magen, 
um ben Äarren auö bem @d)lamm ju bringen. @el^t eö, 
fo ge^t eg unb ift gut. SBerbe id) abgefpeift, fo l^abe id) 
baiS Peinige getl^an unb lann mit mel^r @telaf[enl^eit ba^ 
©d^icffal ober bie Sorfe^ung malten laffen. 

3c^ i)abe nun einmal großen ©rang gum ©ic^ten. 
Söarum follte id) nid^t probieren, maS an ber ©ad^c ift? 
Sieber eg miffen, alö mid) t)ieneid)t ^eimlid^ immer für ein 
gemaltigeg @enie galten unb barüber baS anbere oemad)« 
läfpgen. 

@ine Ieid)te ©rgä^Iung, bie erfte, mürbe ^eut erfunben 
unb angefangen, bie id^ öieüeidjt mit an Semalb na(^ SBien 
fd)ide, ba ftc^ fold)e ©ad^en alö Seiträge eignen mod)ten. 
3n)ei reifenbe ^reunbe pnben im gn'en^aufe einer ©tabt am 
SRI^ein einen orgineHen SEBal^nftnnigen, ben ein grofeeS ©d^id- 
fal verfolgt l^at. ©ie gewinnen fein SBertrauen, befuc^en 
i^n in feinem Äerfer unb baö gibt ben SRaum gu bem 
^auptgmerfe ber ©rjä^Iung, gu märd)enlööften p^antaftifc^en 
unb traurigen ©cenen. 

S)en 12. Suli. 

an obiger ßrgä^lung gef daneben*). ®ann bem Seid^en« 
begängniffe beö Sllt=^Sürgermeifter§ ^Jleld^ior^irgel beige* 
mol^nt'). 6r mar ein ebler ©efü^Iömenfd^, fein Seben lang 
für ^b^ak fämpfenb, ein 3JIann unb ^unb be5 95oIfe§ 
unb ber SBoIföf c^ule , für meld) le^tere er fel^r öiel getrau 

') (5in (StüdC ber „Sfleifetagen" ift im 9la6)\ai Dor!)anben. 
*) Über TltWox ^irgel (1793—1843) ogl. ®. 2Rc^er Don Änonau 
in ber Sing. 2)cutf(^en S3io0ra^l^ie 12, 494 ff. 



12. — 14. Suli 1843. 201 



unb geopfert l^atte. aber er n)ar weniger praftifd^. @o 
lourbe er änno 1839 burd) feinen @tlcl^entfd)eib über bie 
Berufung beö Dr. ©traufe ein ^auptur^eber ber unfeligen 
©eptembertage unb i^rer ?ftaci^geburten. @r ^atte bem Seufel 
ein ^lä^lein bereitet, xdo er feinen @d)tr»anä branf legen 
fonnte. ©rofee ©nt^ufiaften fmb aud) ben größten 3rrtümern 
unterworfen; biefer @a^ bewährte jtd^ an §irjel. Snbeffen 
I)aben \\)n bie Journale aller Parteien, n)eld)e auf eine 
geiftigere Sienbenj 2lnfprud^ mad^en fönnen, burd) teilnel^ntenbe 
anerfennenbe 9?efroIoge geehrt. 

®en 13. 3uliu8. 

3[n ben „SReifetagen" gefd^rieben. 9lid)t öiel getljan. 
Unbe^aglid^eö ©rfticfen in ber Unrul^e unb im ©ebufel be§ 
§aufe§. 3cl) ö)ar früher nid)t fo abl)ängig Don bequemer 
gofalität unb äußerer Stimmung. 

S)en 14. 3uli. 

6nblid) l^abe id) etmaS Don Slnaftafiu^ @run be* 
fommen: „@d)utt, ®id)tungen". 6d)ücl^terne unb furd)tfame 
SBemerfungen, bafe bie S^it ber fflaÜaben, nieblid^er SRomanjen 
unb menigfagenbcr Sänbeleien in elegantem ©til vorbei fein 
bürfte, unb bafe ber Siebter mit tiefen ©ebanfen, großer nobler 
$^antafte, unb fdilagenber überqueKenber (Sprad)e auftreten 
mufe, mel^r afö je. @r mufe, fo glaube id^ nun bemerft ju 
l^aben, gleid) im Slnfang Älänge ertönen laffen, ioeId)e fi(ö 
bem Seften fd^on Sorl^anbenen üergleid)en laffen fönnen, 
wenn er Slufmerffamleit erregen wiQ. 3lrtige unb gute @e- 
bid)te piegen einem je^t in aUen SBIättern oor ben Slugen 
l^erum, o^nc bafe man jid) oft nur bie ^ül^e nimmt, nad^ 
bem SBerfaffer ju fe^en. 

fflefonberö aber muß pd) nun ber ®id)ter mit ben großen 



202 2:agcbu(^. 

SBelt'gorts ober 9lüclfd)rittcn befd^äftigcn , mit bcn empen 
SebenSf ragen, bic bie 2Rcnfd)löeit bewegen. SBelc^ eine 
poctif(f)c Slütenffille biefe an^ bem geweiften Siebter ^er- 
Dorjurufen vermögen, bcweift 8(naftaftuö @rün. ©o lange 
bie @ad)e ber 5Renfd)l^eit, bic Srcil^eit, foId)e ©änger l^ai, 
barf man bie Hoffnung ni(f)t verlieren. 

S)en 15. 3uü. 

®aö „5ßfingftfe[t" gebid)tetO. Sbcen: ©ine »lumem 
bid^tung. ®ie SBlumcn ber öerfd)iebencn SaJ^reSgeiten ^aben 
fd)on lange öon einanber pngen unb fpred^en gehört, ©ie 
fel^nen jic^, ein 9Kal aUe einanber ju fe^en, unb bcfcftliefeen 
burc^ eine noc^ ju erfinbenbc Äorrefponbeng, aDe jufammen 
in einem ^erbfte aufzublühen, ©iefer ^erbft fommt, unb 
in feenhafter 5)tenge unb 9JlannigfaItigfeit fpriefecn bie 35Iuten 
beö ganjen Sal^reö auf ein 9JlaI I)ert)or. ©rofec ^rac^t. 
aber balb entbet)rt biefe Slume baö, jene etwaö anbere^, 
unb alle, bi§ auf bie ^erbftbtumen, füllen ftd) mitten in 
bem üppigen jaubrifd^en Seben unglücflic^. 

2. ©ebic^t nad) einem alten ^oljfd^nittc in ber 5to= 
fd)auerbibel, bie 6rfd)affimg ber (Sm barfteüenb. 9lait)etät 
beö SBilbe^. @ott 5Bater, ein gutmütiger älter in päpftUd)era 
Drnate, giel^t bie @Da mit freunblidifter ®efd)äftigfeit au# 



') Ungcbrucft; „3n grü!)rot§ Slofenlici^t erglülicn fd^ön, 
Slltöre ®otte§, ring^ bie S3er0e§3innen, 
2lu§ aGBälbem ^aUt ein feierlich @etön 
2Bie glötcnftimmen fel'Qer ©ängerinnen. 
©ie^ft S*u bic gcrc^e ^od^ gum ^tJ)er ftcigen? 
3m OWorgenftra^I erölängcn golben il^re ©(^mingen, 
Slubetenb foüft S)u S)ic^, ermartenb, neigen, 
©ie roiü Dom ^immel ©ir bcn l)cl^ren ^pngfttag bringen.* 
u. f. w. 



15. 3uli 1843. 203 



bcö fd^lafenbcn 8lbamö Scnben ^eröor. a3efd)reibung ber 
öerfd)iebcnen Sierc unb Sicrlein im 5ßarabicfc, worunter 
IÖumoriftifcl)c ©eftalten. ßi^I^fet Sonne unb SKonb, roeld^e, 
unifleben oon ben Sternen, mit frö^lidjen TOenfd)engeft(f)tern 
l^inter ben fernen Sergen l^^rauffcl^auen. 

3. 6in 2auberl)üttenfe[t, tt)elcl)e§ eine bebrängte Suben* 
familie in einer bigotten 6f)ri[tcnftabt auf il)rem ^auöbadje 
im Verborgenen feiert. 

®aö Stegenwetter bauert fort, ©in Sonett entworfen 
barüber, worin bie beängftigte Stimmung unb Se^nfuc^t 
nad) Sonnenfd)ein unb SBärme auegefprod)en wirb. 

S)aö geftem über Slnaftafiuö ®rün ©efc^riebene über« 
Icfen unb gefunben, bafe id) bie fflaltaben unb JRomaujen 
unabftd)tlid^ mit ben nieblid)en Sänbeleien jufammengeftellt 
l^abe. ©enn obgleid^ i^ciö S3anabenbid)ten in [trenger gorm 
aus ber 9Äobe gefommen ju fein fd^eint, fo möd)te eö boc^ 
jc^merer fein, eine SSaHabe, wie Sd)iUer unb (Soet^c pe ge* 
mad)t l)aben, J^eroorjubringen, al^ ba§ fd)önfte ©ebid^t, wo 
ber ©ic^ter nur innere 3"[täiiöc ^^^ ®efüf)le auö|prid)t. 
©enn i)ier braud)t er nid)t an^ [\ä) l^erauöjugel^en, unb barf 
nur ben Sd)nabel auft^un, um bie 9Jlelobiecn ^erauöftrömen 
unb überfdjwelten ju laffcn, roie fie motten ; mä^renb er bort 
fid) mit bem Stoff, Äoftüm unb Sitten abarbeiten mufe. 
@ine $aupturfad)e aber ift ber alte ßw'önöf 9leueg ju leiften; 
unb in Sattaben ift eö befanntlid) fc^mer, noc^ etmaö Sßeuei^ 
gu bringen. 2lud) pnb unS bie fd^önften Sattaben, bie wir 
l)abcn, gleichgültig geworben burd) baS efell^^fte ©rel^- 
orgeln unb ©eflamieren oon fentimentalen a3ud)binbergefenen 
unb emppnbfamen Äammermäbd)en, welche tiietteidit gerne bie 



204 2:agcbu(i^. 

„©locfcn buntpf jufantmcn^aUen" ^örcn würben, wenn pe 
fagen fönnten: „Seine Äfijfe, wie pe l^od) auflfobent!" ober: 
„@(l)ön^eit war bie %aüz meiner Sugcnb!" 

3b ee: S^ti greunbe werben bnrd^ unüberlegte SBortc 
bei einem greubenma^Ie entjweit. ßw'if^^nträflcr erweitern 
bie Äluft. Sie meiben f\ä) lange ßcit, unb jeber fuc^t 
anberj^wo @rfa^ für ben verlornen greunb, jeber fü^It jt(^ 
aber pd)ft unglücflid). ©er eine Derreift in ein femeö 2anb, 
um SRu^e gu finben, tömmt aber ru^elo§ wieber jurücf . ©nblid) 
werben fte burd) glücflid^en S^\aU cinanber wieber nal^e gc* 
bracht, Derfö^nen jid), unb bie SBerfö^nung, bie auf einem 
©pagiergange ftattfinbet, mit bem barauf folgenben ©lüde, 
foß bie ©lanjftelle beö @ebid)teS bilben. 

S)en 16. Sult. 

©iefeÄommuniften jinb wie befeffen. 3d) tjabe mic^ 
gwei ©tunben mit einigen ^erumgejanft. ©S waren ©c^neiber^ 
gefeHen famt i^rem SReifter^ unb ein etwaö ftubiert fd)einenber 
a3urfd)e mit guter ßunge. ©ie ©c^neiber waren burc^au^ 
nid)t bagu ju bringen, au§ bem Äommuniömu^ unb feinen 
gbeeen ^erauöjutreten unb il^n unbefangen öon aufeen anju= 
fe^en; unb wann jie fid) nid^t me^r auöbrücfen fonnten, ober 
ftd^ öergaben, fo rüdfte fd)nell ber ©tubierte mit ©uffurö ^eran 
unb baute mit geläufiger SuxiQt ein ©ebäube auf, bei bem 
man i^m faft jeben ©tein fo gu fagen anerfennen mufetc 
unb weld^eö man am @nbe nur mit ben SEBorten wieber 
umftofeen fonnte: „6§ wirb unb fann tjalt nic^t fein!" 
^reilid) nid)t ju feiner Überzeugung. ®er 9Jieifter aber ifi 

(Sc^neibcnneifter SBu^rmann, einer ber fiebcn Äufre(!^ten, bei 
n?eld)em SBeitling roo^nte. 8. unten. 



16. — 17. SuH 1843. 205 

ein Iieftiger ©cmofrat unb c^rlid^cr SRcpublifaner, tt)cld)cr 
öom Äommuniömuö enblid^c ffleftcgung alter 3lriftofratic unb 
i^rer ©ippfd^aft ^offt unb barum an il^n glaubt. 

S)cn 17. 3uli. 

?)?ac^ bcr 9iatur gcjeid^net. ^äj ^abe eine grofec alte 
gö^re angefangen mit ffllciftift. gd^ werbe trad)ten, mir 
eine ^übfd^e genaue S^i^ä^nwng anjugenjö^nen. S)enn, ab« 
gefeiten baöon, ba^ bie ©tubienblätter an fid^ felbft einen 
innem SBert babur^ befommen unb mir nod) fange nad(I)er 
jur %nvi\)^ gereid)en, fo nü^en fie mir aud^ bei ber Sin» 
menbung mel)r, al§ bie rollen garbenfledfe, bie id^ fnil^er 
mad^te. 9luc^ xoxÜ t^ mic^ bebänfen, ba^ eS aud) einem 
Sanbfd^aftömaler gar nid^tö fd^abet, menn er mit fflleiftift 
ober geber in einem gemiffen ©tile gemanbt umjugefien 
meife; wenn fcI)on Diele eö tierad}ten unb ^öd^[ten§ plumpe 
©d^mieralien mit ruhiger treibe unb Seife ju mad)en miffcn. 
ÜberbieS fommt baö gute 3^id)nen mit ber S^ber einem jel^i^ 
gu [tatten in bem %aü^, xoo man etwa auf ben ©ebanfen 
fommt, etmaö ju rabieren. 

©toff ju einem @ebid)te nad) einer waliren 33egebenl)eit, 
bie ^6) »ergangene 3Bod^e i)kx ereignete: @in 9Ulann unb 
eine grau, beibe im oermitweten ßuftanbe, heiraten einanber. 
®ie 6^e wirb aber unglücflid^, weil jte ftd^ nid)t Derfte^en 
fönncn, unb jebeö benft mit SReue unb @d^mergen an bie 
frühere üerftorbene ß^e^älfte, jpred^en immer baoon unb 
befud^en beiberfeitig täglich bie ®räber berfelben, fd^mücfen 
biefe unb trauern unb meinen barauf. ©aburc^ entfielt 
baS unglüdffeligfle S3erl)ältniö; befonberö i[t eö bie %xau, 
weld^e burd^ einen meland^olifd^en unb jugleid) etmaö bös* 



206 Slagcbuci^. 

artigen (5f)araftcr ba§ S^rigc beiträgt. ®cr TOann bcfonnnt 

bic @ci^tt)inbfud)t, fommt auf baö Sterbelager unb befcftulbigt 

laut bie grau aB bie Urfad^e. 6r ftirbt, unb am gleiten 

Sage ftfirjt pd) bie unglücflid^e %Yau Dom ^auöbac^e auf 

bie Strafe ^inab. 

S)€n 18. Sulius. 

5ßad^ ber 9latur gejeidinet unb mid) babei an rinem 
ameifenbau ergoßt, weld^er in meiner 9M^c mar. 3^ »arf 
ba§ auögeraud)te ßnbcften einer ©igarre l^incin. ©nige 
^olijeisgnfpeftoren unterfud^ten eö, machten ftd^ aber fpom= 
ftreid)§ mieber baüon. Sfiac^l^er legte id^ ein fleineö ©tüdfdjen 
Don einem ^fannfud^en ^in, meld)en id) gum OTittagömaljk 
mitgenommen l^atte. ©oglei^ mar eö mit ameifen bebecft, 
unb nun ging baö pofperlid^fte treiben an. ©aS ©tüdfc^cn 
bewegte pdö balb fort, hinten unb Dom gogen unb fc^obcn 
bie Sierlein auf ba§ luftigfte. 3d^ fal^ ganj bcutltc^, wie 
pe einige im SBege liegenbe ^inbemiffe, ?Reiferd)en u. bgl. 
erft auf bie Seite fd)afften unb bann nad^l^er mieber an- 
padten, mäl^renb anbere fold^e öorragenben ©cfen beö fort* 
jufd)affenben ®egenftanbe§ , meiere burd^ bie Dffjiung ni^t 
l^inburd^pafeten , abbiffen unb fo megfc^leppten. 3n einer 
SBeile barauf fal^ \6) nid^tö mel^r baöon. 9lac^ ungefähr 
gmei ©tunben ftörte id) ben 33au mit einem 3fiütd)en Dor- 
pd)tig auf, unb pe^e, ba^ Dmelettenfragment mar gu unterft, 
etroa breioiertel gufe tief, rool^I Derforgt, obgleid^ fc^on tüdjtig 
angenagt, ge^t wimmelte aber aQeö auf, unb bie erflc 
Sorge mar, ben Sc^a^ mieber in Sic^er^eit ju bringen. 
@rft nad^bem pe i^n mieber verborgen Ratten, begannen jtc 
bie SlenoDation ber Äolonie, meldte am Slbcnb beinahe gu 
6nbe mar. ®aö unglücffelige ßigarrenenbd^en aber lag wie 



18. Suli, 5. 9(uguft 1843. 207 



eine ücrjaubcrte ^rinäcfjtu immer an bcrfelben Stelle. ®ic 

cmpge @efd)äftigfeit unb bie anfd^einenbe Sreubigfeit ber 

3:ier(f)en über ben frembartigen gwnb beS ^fannfud)enftflcf^ 

Icinö erinnerte mid) an bie Strojaner, alö jtc ba§ rätfell)afte 

$ferb in i^re ©tabt führten. 

S)en 5. Sluguft. 

S)ie Sü^rung meineö Sagebud^eö l^at fd)on eine Unter* 
bred^ung erlitten. SBa§ pnb fefte SSorfä^e? 93ergeblid) 
wä^nt ber TOenfd), wenigftenö ber junge, $err feiner felbft 
ju bleiben unb [\6) falt unb parteilos gu beobad^ten. SBenn 
uns bie Seibenfd)aft, ber Äummer ergreift, fo verlieren mir 
alle Haltung über unö felbft unb oft lo^nt eS unö nid^t bie 
?Kül^e, bie ©efül^Ie beS SlugenblicfeS, bie uns gerreifeen, für 
bie ßwfunft ju fijrieren. 

5Rein oierunbjujanjigfter ©eburtstag, ber 19. Sult, ift 
regnerifd) unb ftürmifd) an meinem Sunern oorübergejogen. 
^JKeine Hoffnungen pnb um nid)tS beffer geworben, unb 
wenn id^ etmaS ©eitereS gelernt i^dbt, fo mufe eS burc^ 
inneres 2lnfdöauen unb burd) oon ßrfa^rung geftärfte 3[ufs 
faff ungSf raft gef c^el^en fein ; benn in ber gebrüdften fummer= 
üollen 2age, in meldjer id) mic^ fortwälirenb bepnbc, fann 
id) wenig mit meinen armen ^änben arbeiten unb mutig ju 
Sage bringen. @d^reiben ober lefen fann id^ immer; aber 
jum ?!KaIen bebarf idf) grö^lic^feit unb forglofen ©inn. 

®ie 3cit ergreift mid) mit eifernen Slrmen. ©S tobt 
unb Qa\)Tt in mir wie in einem 33ulfane. 3d) werfe mic^ 
bem Kampfe für tiöHige Unabpngigfcit unb grei^eit beS 
©cifteS unb ber rcligiöfen Slnpd^ten in bie Slrme; aber bie 
Vergangenheit reifet pd) nur blutenb oon mir loS. 3d^ l^abe 
in ben legten Siagen (Schriften ber beutfd)en politifd)*pl^iIo= 



208 %a%ehviä), 

fopl^ifd)cn ^^Jropaganba flclefen, öielc Überzeugung baxan^ 

gefd^öpft, aber id) fann mid) mit bem gerfe^enben j^ö^nifc^en 

SBefen berjelben nod) nid)t auöfö^nen. ©enn id) xdxü eine 

fo jarte jd)öne 6ad)e, wie ba§ ßl^riftentum ifi, aud) mit 

Siebe be^anbelt wiffen, unb wenn eö gel^nmal aud) ein Sn"- 

tum märe; nid)t ber Pfaffen unb SSorrcd^tler, fonbem be^ 

armen SSoIfeö megen, beffen fa[t einziger fReid)tmn, wenn 

auc^ burd) bie ^eiUofen Solföblutigel freilid) me^r ju feinem 

Schaben, t>a^ 6t)ri[tentum biö bato nod) ifi. Snbeffcn merbc 

id) mid^ aQer etmaigen ©ifferengen ungead)tet bennoc^ an 

bie ^ropaganba anfd)Iiefeen; benn lieber miH id^ feinen 

©laubeu l^errfd^enb miffen, al§ ben fd)ir)arjen, feuc^enben, 

ertötenben ©laubenögmang. 3m erften SaHc fann am ©nbe 

jeber 9Menfd), {ebe männere Seele jtd) aui8 |td) fclbft ergeben 

unb ben SBJeg gu i^rem @d)öpfer fuc^en, maö mir bie fefteflc 

unb reinfte ^Religion gu fein fd)eint; ma^renb ber benfenbe 

9Jlenfd^ im legten gaUe gerabe burd) ben erbrudfenben ©lau* 

benögroang immer in negatiDe Haltung unb SSitterfeit gurüd^ 

gebrängt, ber nid)t benfenbe 3!Jlenfd^ aber t)on ben Serrätem 

ber ©eele unb be§ ficibeö, öon ben Sinfterlingen, mifebrauc^t 

unb mifefianbelt mirb. 

S)en 6. «uöuft. 

S)a§ SJlorgenlieb „®ie SKorgenmolfen glimmen in 
büftrer ®Iut" gemad^t^. 8(benb8 bin id) in ben SSerein 
ber „Union fed^rale" aufgenommen morben unb l^abe leb* 
^aften Anteil an einer ©iöfufpon genommen über bie Srage, 
in n)eld)e§ 33er^ältniö mir @d)meiger unS ju ber neuem 
beutfd)en ^ropaganba gu fe^en Ratten. SlHe Seilne^mer 

') Ungebnicft. 3m «Radjiafe. 



6. — 7. Sali 1843. 209 



fprad)cn jtd^ in öerfd)tcbcncn 9lüanccn entfd^tcbcn frei« 
finnig aud. 

©ic „Union föderale" ift ein SBerein üon jungen 
Seuten, meldte fid^ regelmäßig üerfammeln, um jid^ gegen» 
feitig ju bilben unb @eftnnung unb Urteil ^auptföd^Iid^ fiber 
fragen ber S^it gu ^eben unb gu ftärfen. 

®S gibt ©eftionen in Sön^ä^; SBintert^ur, Safel, Sau» 
fanne, früher aud) in @enf. ®ie Sauf anner @eftion ift bie 
ftärffte unb gä^lt Diele auSgejeid^nete Talente unter i^ren 
SÄitgliebem. 6ine belel^renbe unb »arme Äorrefponbenj 
wirb gmifd^en ben ©eftionen gefül^rt. 3d) Derfprec^e mir 
t)on biefem Vereine, ber ganj im ©tillen »irft, fe^r öiel. 

S)en 7. Eluguft. 

"^can $aulS „^eSperuS" fertig gelefen. 3^an ?ßaul ift 
mir ein reid^er üppiger ^Blumengarten unb fegent)oIle§ näl^« 
renbeS grud^tfelb gugleid^. SBenn ic^ einen gangen Sag 
nid^tS l^ue, atö in i^m lefen, fo glaube id^ boc^ gearbeitet 
ober etroag SReeHeS getl^an gu ^aben. @r ift beinal^e ber 
größte S)id^ter, weld^en id^ fenne, wenn man bie 9?atur mit 
il)ren SBunbem unb baS menfd)lid^e $erg al§ bie erften unb 
größten ©toffe ober 2lufgaben ber ißoefte anerfennt. 9lur 
läßt er feine gelben aüguöiel »einen, unb feine äl^ränen» 
unb S3lutftürge, fomie bie ©eftime unb bie Sonne ftnb gar 
gu oft auf bem @d)lad)tfelb. 8luc^ unterbrid^t er pd^ felbft 
mand^mal in ben fd^önften ©teilen burd^ feinen 3Bi^, weldfier, 
fei er nod) fo gut unb fd^ön, bod^ mand)mal bem Sefer ein 
wenig Ungebulb öerurfad^t. Sewunbemgwert ift bie uner» 
fd^öpflid)e Queue feiner treffenben ©leid^niffe auS aßen 
Sweigen beö SEBiffenS. 

®ottfneb Statt. 14 



210 2:agcbu(^. 

^m 8. Stuguft. 

SKorgcnfpajiergang. ®aS SBetter ift rein unb fonnen^ 
flar. ©rofee örquicfung nad^ fo üicl traurigen [Regentagen. 
3d) fönte eigentlich fparjam tl^un mit foldjen TOorgenpro* 
menaben; benn ba fommen mir bie Sbeen ^aufenweife J^er- 
getrollt unb tummeln ftd^ in njilber 3[nard)ie in mir tjenim, 
fo bafe id) i^rer nid)t mel^r 9(Kei[ter werbe, unb e§ mir fc^iDer 
fällt, alle§ ju orbnen, befonber^ ba§ fd^on angefangene 
rul^ig ju beenben. 3Ba§ mid) am meiften in immermä^renbcr 
2lufgeregtl^eit erl^ält bei fold^en ©angen, ift bie 9?atur, bic 
ftc^ mit i^ren taufenb Silbern unb ©d)ön]^eiten immer 
jmifd^en bie innem Sbeen brängt; unb bod^ mufe id^ je^t, 
fo tütlj eö mir t^ut, für einige 3!Jlonate bic 9Jlalcrei in ben 
^intergrunb ftellen, wenn id) in ber ®id)terei etwas t^un 
miQ, um mir eine freiere unb äufeerlid^ ruhigere Si^funft ju 
t)erfd)affen. 

©er a3efd)lu6, etmaö an Semalb ju fd)idfen, ift fd^on 
längft mieber fafftert. 

©onette: „Sean ^aul", „6]^amiffo\ „^erwegl)" ')• 

1 . ® e b i d^ t e : ©er 5ß^ilof op^ mag feine SBiff enf d^aft gum 
@otte mad)en, ber ©id)ter aber mufe ein pofttioeS ßlcment, 
eine SReligion l^aben. ©erabe aber, meil er ©id^ter ifi, jo 
follen feine religiöfen SSebürfniffe frei Don aller §orm unb 
allem ßwjang fein, unb er mufe für biefe grei^eit fämpfen. 

2. ©ie ^ropaganba irrt ftc^, menn fte glaubt, bic 



») Ungebrucft. 3m «Rad^Iafe. S)a§ erfte ber bciben @oncttc auf 
4)ernje0f) Dom 8. Sluguft: „©in ©olbpofal, ber braufenb überfcj^äumt" 
ift im ©eptember 1844 umgearbeitet roorben unb fte()t in ben ©ebic^ten 
(1846) ©. 96. 



8. «Äuguft 1843. 211 



®id|tfun[t fei nur für bie SC^at unb gu politifd^en ober 
reformatorifd)cn Qroedtn gefd)affen. ®er ©id)ter foH feine 
©timme ergeben für ba§ SBoIf in Sebrftngniö unb 9iot; 
aber nad^Iier foH feine Äunft wieber ber SBIumenßarten unb 
ßrl^olungSpIa^ beö Sebenö fein. 

3. S)ie SBiffenfd)aft foQ enblic^ bem SBoIf Reifen, in 
S.t)ai übergel^en. 2Benn bie $^iIofopI)en ii)re SRefultate nid)t 
populär mad^en, fo werben bie Pfaffen unb ginfterlinge 
fd)on ©orge tragen, biefelben bem SBolfe auf eine Slrt ju 
überfe^en, toeld^e in iljren Äram bient. 

4. ©in gradC unb roeigc ^anb\(i)uf)\ 
©in lump'ger ©cibeni^ut, 

©in öol^IeS J^era öon ^autfd^uf 
Unb !alte§ ©d^Iangenblut u. f. m. 0- 

5. 2anbfd)aftUd)e Äompofitionen: 

1. ?!J?itteIaIterIid)e§ ä3ilb. 3n einer fd)önen beutfd^en 
©egenb liegt an einem Serge ein alte§ Stäbtlein mit aQ 
feinen Sürmen unb 33aulid)feiten. 3m SSorbergrunb eine 
bebecfte ^ölgerne Srüdfe mit einem ©t. 5Repomuf, bie über 
einen 33ad) fül^rt, an metd^em fd)öne Säume fte^en. ©er 
Sad) fü^rt weiterhin ju einer 9Jlü^le, meldte, mit Keinen 
©ärtd^en unb S5Jirtfd)aftlid)feiten umgeben, ein fd^öneö ©tili* 
leben im Silbe au§mad)t. Über ber 5Rü^lc ift eine 2anb- 
»irtfd^aft mit einem SöirtSl^aufe, wo man einige @äfte auS 
bem ©täbtiein bel^aglid) unter gauben ft^en pel^t. ®ann 
fommt ber 9KitteIgnmb mit bem ©täbtiein, weld^eö fid) im 
Slbenbfd^ein an ben Serg le^nt. Wlan pel^t tion ferne in 
bie fteilen ©äffen t)inein. @ö mu§ alle 3Jlannigfaltigfeit unb 



') 2lu(^ fonft im «Rad^Iafe öorI)anben. 

14' 



212 2:agcbud&. 

©d^cifefram cincö fold)cn 9?c[tc§ angebeutet werben, auf bem 
@ipfel bed ^ügetö fielet bad ]^errfd)aftltc^e @d)Iog unb 
»eiterl^in etwa ein ©algen. hinter bem ^ügel, am äbi^ange 
beöfelben, liegt ein reiches Älofter mit feinen ©arten unb 
gifc^teid^en, weiterl^in nod^ eine einfame ÄopcHe. @in Strom, 
in meldten man ftd) ben Dorgrunblid^en 93ad) mfinbenb 
benfen fann^ giel^t au§ bem ©täbtiein in bie §eme einem 
©ee ju, ber jtd) in bie ©ebirge, toeld^e baö SBilb fc^Iiefeen, 
Derliert. S)ie Suft mufe ftill unb tiefblau fein; nur läng« 
bem ^origonte jiel^en fd)öne l^elle 8lbenbwolf cn *). 

2. @m[te »ilbe ©egenb mit ©d^em unb göl^renwälbem. 
3m 9Jlittelgrunb eingelne freiftel^enbe alte ©id^en unb alt» 
germanifd)e Dpferftätten mit gel^eiligten ©teinfreifen. S)€r 
Sorgrunb ift wilbe ^aibe mit ©ruiben« ober ^elbenbenf* 
malen. ®n einfamer Sarbe mit ber ^arfe ift bie Staffage. 
9?ur unter ben entfernteren (5id)en jiel)t man einige ©ruiben 
manbeln. 6in friegerifd^er ©ermane mag etma auf feinem 
^ferbe über bie Hinteren ©runbe fliegen. ®ie 8uft ift be» 
megt. ©rofee impofante SBolfenmaffen jagen ftc^ Aber bie 
Sanbfd)aft. 

3. ein ftiHer flarer Seid), oon einem ®a(^c angefam= 
melt, in einem 2Balbe, öon fd^ön gefärbten Steinen umgeben, 
©er ^auptbaum ift eine 2inbe, »eiterl^in fommen Suchen, 
©er ©d^ierling ift bie öorl)errfd)enbe ^flange im SSorgrunbe. 



•) S^er ^icr bcfd^riebcnc unb fpöter auSgefülirte, aud^ im ,@rüncn 
^cinrid)'' fpufcnbe Karton bepnbet fld^ ie^t im S3cfiftc beS ,J)enn 
gicgierungSrateö 2ö. «Peterfen in ©d^IcSmig. OJottfrieb SttUzx fc^cnftc i^ 
biefem treuen greunbe ber fpätercn 3a^re. SSgl. beffen (grinnerungcn 
an ©ottfricb Heller in ber „©egenmart" öom 24. 3uni 1893, namentlich 
bie @tcne ©. 390, meldte oon biefem j^arton ^anbelt 



8. SCuguft 1843. 213 



®aS Silb mu§ im füllen ©d)attcn gcl)altcn werben, nur 
ber obere Steil ber Säume wirft im warmen ©onnenfd^ein. 
4. 6in 3lbenb in einer wenig gebirgigen Sanbfd^aft. 
©er le^te, nur nod) gu al^nenbe 3lbenbfd)ein öerglimmt auf 
ben ©eplben; aber im £)[ten gel^t ber SBoÖmonb grofe unb 
golben auf unb ift bas ^auptmotio beS S3ilbeS. 



@j^ gel^t nid^tö über ein Äämmerlein wie baö meinige, 
wo bie StuSpcl^t über bie ©arteigen unb ^ü^nerl^öfe gel^t, 
welche bie englifd^en ©arten unb §interparabiefe ber ftiHen 
33urgerl^äufer finb. ®ie wo^lbefannten §rauen unb ^ladj^ 
baren t)ängen i^re SBäfdje in bie ©onne. ®ie ^ül^ner 
gacfern, unb bie ^auöoäter laffen bann unb wann it)re 5lüd)e 
unb Drbnungömanbate ertönen. 

3Bie lieblich unb unfc^ulbig aber Hingt ber ©efang 
einer benad^barten ^JKäbcl^enfd)ule ju mir l)erüber! SEBie 
niäd)tig ergreifen mid) biefe wol)lbefannten unb bod) längft 
oergefjenen Äinberlieber, au§ benen be§ ©c^ulmeifterö leitenbe 
Stimme ganj patriarc^alif c^ l)erauSf d)allt ! @in biSd^en 33erg 
unb aSalb gucft fümmerlid) nod) über bie alten ©äc^er, 
l^inter benen baö Äinb einft bie SBelt abgefd^loffen glaubte. 
®a8 fleine @tüd SSerg war mir bann ein ferneö unerreid^* 
bareö SImerifa ober Dftinbien. SSBie anberS je^t, wo mir bie 
glücflid^e SRul^e unb ©tille ber Äinb{)eit unb bie Stbgef d^iebenl)eit 
be5 aSater^aufeö ewig unerreid^bar geworben pnb! Unb bod^ 
war eigentlid^ baö Äinb aud^ nid)t rul^ig unb bef riebigt; 
aber baö frieblic^e (Srgeben war jein. D Hinge nur, bu 
alte Drgel, an welcher aud^ id) einft gefungen l)abe! 3d) 
glaube, eö waren bie Äird^enlieber, bie id^ bamalö mit ber 
größten anbackt fang. Unb je^? D Äinberjeit! DSufunft! 



214 Za^ebvLd). 



3u meiner Qdt war e§ eine Änabenf d)ule *) ; unb wann wir 
gmifd^en bm Sel^rftunben im ^ofe t)erum fprangen, bann 
jeigte id) ben anbern S3nben bad SSater^auS unb fagte: 
^Sort »ol^ne id^, in bem fd^marjen ^au§ mit ben roten 
Salfen!'' ©ann faßten bie Änaben VDof)l: „„3ft i>^^ ®«n 
Sater, ber bort ^erauöfd^aut?"'' unb id^ antwortete: ,,3lein, 
mein SBater ift geftorben. ©er l^erauögudEt, i[t ein frember 
SJiann, ber bei un§ woljnt, unb meine ÜJlutter ifl in ber 
Äüdje!" 3d^ fd)aue je^t gu bem gleid)en öenoitterten genfter 
l^inauS, unb im ^ofe be§ ©d)ull)aufe§ ftnb Heine 2Räbd)en, 
bie feigen mid^ unb fd)einen ju fragen: „SBer ift benn ber 
Äerl mit bem Schnurrbart bort? ©er mad^t ein traurige^ 
©efid^t!" ^ä) glaube, jte lad^en mic^ auS. 

©ebid^t: 3n einer l^unböfottifd^en winbigen gebruar« 
nac^t ffil^rt ber Seufel einen ©c^arfrid^ter unb einen 3^n* 
foren auf einen Serg unb übergibt, ba ber ©d^arfricftter 
jtd^ beflagt, nid^ts met)r ju t{)un gu l)aben, bem ß^nforen 
fein Slmt. @r jeigt il^m bie ®rbe ring§ uml^er, weld^e unter 
©c^nee unb 5Rebel begraben liegt, unb bepel^It i^m, wenn 
ber grfil^Iing fomme, alle l^eröorfpriefeenben Slüten unb 
alles auffeimenbe @rune ju oerf engen unb abjumäl^en, bie 
©iftblumen aber unb alles Unfraut (pttenöerberbenbe ®fld)er. 
^ißaul be Äof) ftel)en unb gebei^en ju laffen. 

®in ©onett an ^erwegl) gemad)t unb baS 2ieb: „©ie 
gute ©ad)e." 

S)en 9. «uguft. 
©as ©onett „an bie ©elel^rten" gemad)t«). gc^ 



') S)a§ Sanbfnabeninftitut an ber ©tüfei^offtatt. 
') Ungcbrucft. Sm 5Ra(^)Ia6. 



9. — 14. 3(uguft 1843. 215 

jd)lantpcre nod) an einem über Wünd)en fjerum 0, g^rftofec aber 
ben ©d^äbel an einem ftörrifd^en ©tein. 

S)en 10. Sluguft. 

®a§ gweite ©onett an ^ertoeg]^ gemacht, ein alteö 
Sieb geenbigt unb ein neueö angefangen. ®ebid)te inS 
3fieine gefd)riebcn, weiblid) geraud^t unb grofee Unrul^e unb 
UnbeJ^aglid^feit cmpfunben. S)ie ©ad^e ergreift mid^ an allen 
gibem. Db ftd) tool^l meine äufeerlid^cn unb öfonomifd^en 
^unbötage in innerlidie geiftige ©emittertage üerwanbeln 
werben? ^XQtnb etmaS wirb mid) mein ganjeS Seben ^in« 
burc^ peinigen unb DieHeid^t alles jufammen. Äomme, nmö 
ba tDoQe! 

S)en 11. 5luguft. 

9lidt|tö getl)an. 

S)en 12. Sluguft. 
6in ©onett gemad)t: „2ln bie proteftantifd^cn S^eo=f 
logen" unb ben jweiten Jeil beS Siebeö: „Sluf bem Serge" ^). 
@ebid)te inö SReine gefd)rieben. 

S)en 13. 8(uguft. 

©aö ®ebid)t „^fingften" fertig gemad)t. ®emäc^lid)er 
©onntag mit öielem SRaud^en. 

S)cn 14. Sluguft. 

Unter bem blauen ^immel l^crum gelaufen. ^errlic^eS 
SBetter. ^m Äaffeel^aufe öegetiert, S^itungen gelefen. S)ie 
Dielen 33erid^te Don 6enfurgefd^id)ten unb Süd^erfonfiöfa« 
tioncn, alle bie SButanftrengungen ber bunflen SSrut ^aben 
mid^ bafe aufgeregt unb mit neuen ßntfc^luffen jum l^eifeen 
Äantpfe gefc^mängert. ßinige SBerfc gemad^t unter bem Sitel: 

S3on biefem ©onette flnb nur bie oben ©. 91 angeführten SBerfe 
oorl^anben. 

') Selbes ungcbnicft. 3m ^a^la^. 



216 Sagebuc^. 

„®ic lOOOiäl^riöc grier bcr bcutfc^cn Unab^ängigfdt'' unb 
baö ©onctt: „©er bcutfd)c ScfrciungSfricgO"- 

Sörncö „ ©riefe" unter bie if lauen gefriegt. 6^ ift 
eine Derflud^te ^lacferei für einen armen Seufel, bcr ftd^ gern 
um allerlei ©rfd^einungen ber Q^xt unb bcr gittcratur b^ 
fümmem möd^te, Saläre lang Don öerfd^tebenen ©Idjtem mti> 
©fribenten fd^wafeen l^ört unb biefelben nie gu lefcn befommt! 
SBarum? SBeil er ifoliert ifl, loeil fein 9Äenfci^ »eife, ba$ 
er ein öerfanntei^, öerflud)t J^offnungSöolIeS ©enie ift, unb loeil 
er lauter $leb§ unb 9Kiftfinfen in feiner Umgebung ^t. 
S5nd)er fann er feine faufen, l^ö^ere Sibliot^efen fielen il^m 
feine offen, unb wenn in ber Seil^bibliotl^ef ftd^ wunberbarcr 
ffieife ein öerbaulid^eS ^uä) flnbct, fo mufe er monatlang 
warten, bis er'§ enblid^ einmal befommt. 

aSenn bie grofee Befreiung realiftert würbe unb ic^ ein 
©teuermann berfelben wäre, fo würbe ic^ juerft bie gei^- 
bibliotl)efen alle oerbrennen laffen, um fte neu ^erjufiellen. 
aller ©d)unb oon namenlofen ober fonft fd^lediten SRomanen^ 
unb ©ramafd^reibem würbe total jerftört unb lauter gute 
9?al)rung angefcftafft. 3c^ würbe ba^ SBolf gwingen, ent^ 
Weber etwas ®uteS, Selel^renbeS, ober gar nid^tö gu lefen. 
3d^ würbe aud^ eine Qtn\nx einführen, aber nur für geift- 
lofe unb mittelmäßige Sudler. 2Seld) ein SBorteil für bie 
grofeen Talente! SBenn feine anbem als gute Sudler Der» 
fauft unb gefauft werben fönnten, wie l^errlid^ würben pd) 
baS 58olf unb bie ©d)reibenben fte^en! ©benfo würbe id)'ö 
mit bem Sl^eater galten, alle SRitterf d^aufpielc , alle Äo^e* 
bubereien, aHe erbärmlid)en guftfpiele abgefd^afft! Sauter 

') Ungcbriicft. 3m g^ad^Iafe. 



15.3Cuguft 1843. 217 



flafPf d^c ©tüdfc bfirften gegeben werben ; entweber mfifete ba§ 
Hebe ^ublifum ju ^aufe bleiben, ober etwaö @ute« au= 
l^ören unb enblid^ angemol^nen unb öerftel^en. 

2)en 15. $(uguft. 

3c^ ijabt ba§ „^pngftgebici^t'' nod^ verlängert, ©aö 
^erj Hoffte mir l^örbar tt)äl)renb bem ©d)reiben, e§ würbe mir 
eng unb jd^wer. ®S würbe mir Har, waö eö l^eifet, gegen jwei^ 
taufenbiä^rigen pofitit»en ©tauben ju fämpfen. 3d) bebad^te, 
wag am 6nbe ber Wenfd) mit allem feinem SBiffen fei, unb 
bafe bie gröfete tieffte ^l^ilofopl^ie jule^t S^rtuwi uni> ton\t^ 
quente S3linb^eit fein fönne, wie ber Aberglauben eigentlich 
nur eine Äonfequenj beö poptiöen G^riftenglaubenS ift. ©al)er 
ift eö eigentlid^ Unpnn, wenn gute G^riften gegen ©efpenfter 
unb ^eyenglauben eifern. 3^^ werbe ein poptiöeö reli* 
giöfeS, aber für ben 9JZenfcl)en unerflärlid)e§ ßlement feft^ 
l^alten; aber id^ werbe, wenn idl) ju einer Stimme fomme, 
mit aller 3Äad^t bagegen ftreiten, ba^ bie ©ottl^eit Don 
5JJlenfdE)en mi^raud^t unb aufgelegt werbe, ^ebtx SKenfd) 
foH ftc^ feine religiöfen Sebürfniffe felbft orbnen unb be* 
friebigen, unb baju follen Stufflärung unb 33ilbung it)m Der« 
l^elfen. 3^ werbe inbeffen bie d^riftlid)en ©ogmen, fo wenig 
als biejenigen irgenb einer anbern ^Religion, üerfpotten; aber 
bie ©d)urfen, welche biefelbe mifebraud)en, unb bie fjanatifer 
ober @d)WäTmer; weld)e üermittelft berfelben StnberSbenfenbe 
verfolgen unb üerbäd)tigen, werbe id) mit allen mir ju ®e* 
böte fte^enben 5!Jiitteln angreifen. 

95örne ift ein orbentlid)er ®oetl)efeinb. 33on ber Seite, 
wie er i^n angreift, mufe man il^m freilid) üieleö jugeben. 
6s ift ©oet^en aber aud^ Don feiner anbern ©eite beiju* 



218 Za^th\x6}, 16. 5luguft 1843. 

fommcn. 3d) weife nic^t, wa§ mid) eigentlid^ an ii)m ärgert. 
Db, bafe einer, ber ben „Sauft", „ä^affo", ^Sp^ißenia" 2c. 
gefd)rieben, jo ein egoiftifd^er Äleinfrämer fein fann, ober 
bafe ein fold)er ,!^amfter ben ,, Sauft", „Xaffo" jc. mufetc 
gefd) rieben t)aben? 3d) weife nid^t, fd)merjt t^ mid) me^r, 
bafe @oet^e ein fo grofeeS @enie war, ober ba^ ba^ grofee 
öenie einen foId)en $riDatd)arafter ober öielme^r ^rioat- 
nid)td)arafter fjatte. ^dj weife nid^t, l^affe ic^ ©oet^en unb 
mifegönne i^m feine SBerfe, ober Hebe id) il^n um feiner SBerfe 
willen unb oerjei^e i^m feine gel^Ier? 

®en 16. «uguft. 

3n Sömeig „Sriefen" gelefen. 3cä^ fam auf ben ©e= 
banfen, aud^ fold)e S3riefe au§ ber @d)wcij f;a fd)reiben 
für ben ^all, bafe id) etwaö brudfen liefee. ®er SBorwurf ber 
9?ad^a]^mung fud^te mid) jwar auf ber ©teile ^eim, warb 
aber abgefpeift. (Srftlic^ liegt an ber fjorm nid)tö unb an 
ben auögefproc^enen ©ebanfen aUeö, unb jwcitenö foH man 
^eut gu Sage ben leid^teften unb einfad^ften 5EBeg ergreifen, 
um mitjuwirfen unb burd^auS nid^t ängftlid^ an Drigi^ 
nalität k. t)angen. ®ie alten SBa^rl^eiten muffen i^nen 
taufenb unb aber taufenb TOal frifc^ in bie Dl^ren gerufen 
werben. 3d) t)abe fogleid^ baran angefangen. 

3d) babe mid^ fd)on mehrere 8lbenbe mit ber grofeten 
Suft in ber @i^I. 6ö ift eine grofee ©ol^ltl^at, im f(ar 
fliefeenben 5!Baffer, jwifc^en 33ud)en5 unb Sannengrün, im 
Slbenbfonnenfdiein ^erunijufd)wimmen unb in ben lieblich 
fofenben SBellen bie 5Rot unb ben ©taub ber Seit abjufd^ütteln 
unb ju oergeffen!" 



enbc bcr 9Wa(crIaufba^n. 219 

W\t bcm Sa^re 1843 fc^Iiefet ©ottfricb ÄcHerS öcrun^ 
glücfte TOalerlaufbal^n jo gut wie ab. Qxoax geic^netc er 
mitunter nod^ etroaS nac^ ber 9ktur, ober entwarf inter» 
effante Ianbfd)aftlid)e Äompofitionen , wie jene nierfwürbige 
oben befd^riebene mittelalterlid)e Stabt. ©ann oerlor fic^ 
bie biö^erifle auSfd^Hefelici^e Sefd^äftigung mit ber 9}falerei. 
©urdö eine grfinblid)e @d)ule ^ätte er o^ne ßn^^if^ Süd^tigeS 
erreid)t. Silber nid^t ba§, waS er felbft öon pd) üerlangte. 
®al)er fe^te er bem unjid^eren bilettantifd^en treiben ein 
(Snbe. 

©ic^terifdje $läne traten in ben 93orbergrunb. 6in 
SBefenntniSbud^ fd)tt)ebte i^m üor. ©eine 3ugenbgefd)id)te 
unb bie gefd^eiterten Äunftbeftrebungen gebadete er in bie 
gorm eines fleinen elegifd^en SRomanö ju bringen. @ine 
S^oöelle „3fieifetage" , beren Sn^alt ba§ Sagebud) anbeutet, 
ift nid^t über ben ©ingang ^inauö gebiel)en. Sie erinnert 
an^offmann unb Sied, ©ie Slbfidit, nad) bem SJlufter 
Don 93örne§ ^ariferbriefen , Sriefe au§ ber @d)weij ju 
fd)reiben, würbe nur oorübergel^enb erwogen. SJiit bem 
©ommer 1843 beginnt feine lieberreic^fte S^t, bie bis 1845 
anl^ält. 3n feinem ©ammetfräcflein , baö ben ©id)ter 
äufeerlid) fennjeic^nen foKte, begab er jid^ jeben fd^önen 
9Jlorgen nac^ bem fog. „^la^fpi^", wo @i^I unb Simmat 
jufammenpiefeen. Unter einem ber fd^önen, oon 5Rofenl)ecfen 
eingefaßten S3äume rid^tete er ftd) wol)nlic^ ein. (Sine 
3Jlenge ©ebid^te ift l)ier entftanben. SSJlit ben oorbei« 
raufc^enben SBaffem jogen aud) bie SBerfe l^eran. 

Sn bem Suffa^e „autobiograpl)if^eS" erjä^It ©ottfrieb 
Heller feine Umwanblung jum Sd^riftfteHer folgenberweife: 

„Ol^ne (in SJtünd^en) etwaö geworben ju fein, mufete 



220 Ucbergang jur 2)id^tfunft. 

id^ nad) faft brci Sauren gurüdffel^ren unb gebadete mid) in 
ber ^eimat neu ju fräftigen unb burd) fu^ne Srfinbungen 
cmporjubringcn. ©ic Äartonö gu ein paar poctifd^en ianth- 
fd)aften waren fo umfangreich, bafe id^ biefelben tn mmm 
alten OTalfammerd^cn nid^t aufftellen fonnte, fonbem genötigt 
mar, aufeer bem ^aufe einen eigenen SRaum bafür gu mieten. 
@ö xoqx gerabe SBinter unb jener 3fiaum fo unl^eijbar, mein 
innere« geuer für bie fpröbe Äunft auc^ fo gering, bafe i(^ 
mid^ meiftenö an ben Dfen jurüdfgog unb in trüber 6tim« 
mung über meine frembartige Sage, l^inter jenen Äartom 
mänben oerftecft, bie 3^it miebcr mit Sefen unb ©d)reiben 
jujubringen begann. 

„Slllerlei erlebte 9?ot unb bie ©orge, »eld^e ic^ ber 
SJlutter bereitete, ol^ne ba^ ein guteö Qxü in SluSpc^t ftanb, 
befd)äftigten meine ©ebanfen unb mein ©emiffen, bi§ fic^ 
bie ©rübelei in ben SBorfafe öermanbeltc, einen traurigen 
fleincn SRoman gu fd)reiben über ben tragifc^en abbruc^ 
einer jungen Äünftlerlaufbal^n , an roeld^er 9Jlutter unb 
@o^n gu ©runbe gingen. ©ie§ mar meine« SBiffenö ber 
erfte fd^riftftellerifd)e SBorfafe, ben ic^ mit ®emufetfein gefaßt 
l^abe, unb id^ mar ungefäl^r breiunbgmanjig Raffte alt. ßs 
fcftmebte mir ba§ Silb eine« elegif d) = Igrif c^en Suc^e« öor 
mit ^eiteren ßpifoben unb einem cgpreffenbunfeln Sc^luffe, wo 
alle« begraben mürbe. S)ie 9J?utter föchte unterbcffen unöcr^ 
broffen an i^rem ^erbe bie ©uppe, bamit id) effen fonntc, 
menn id) au« meiner feltfamen SBerfftatt nad) ^aufe fara. 

„311« jebod) ein ©u^enb Seiten gcfc^riebcn maren, gab 
e« unöerfe^en« eine flangooHe Störung. SBie frül^er bie 
©rjeugniffe ber Ic^toergangenen fiitteratur, la« ic^ je^t bie» 
jenigen ber jeitgenöfftfdjcn. ©ine« ^JJorgen«, ba id) im 



SDcr 2)i(^tcr. 221 



33ctte lag, fdilug id) bcn crftcn Saitb bcr ©cbic^tc ^ermcg^« 
auf unb Ia§. ©er neue Älang ergriff inid) wie ein Srom* 
petenftofe, ber plö^Iid) ein weiteö Sager öon ^eeröölfem 
aufroecft. 3" ^^^ gleid)en lagen fiel mir ba§ Sud) „©d^utt" 
öon Slnaftajtuö @rün in bie $änbe, unb nun begann e§ in 
allen ^ibcni rl^^tfjmifd) gu leben, fo bafe id) genug ju t^un 
l)atte, bie SRaffe ungebilbeter 93erfe, meldte id^ täglid^ unb 
ftünblid) l^eröornjaljte, mit rajd)er Aneignung einiger ^oettf 
ju bewältigen unb in Drbnung gu bringen. 6§ war gerabe 
bie Stit ber erften ©onberbunböfämpfe in ber @d)tt)eij; baö 
^atl^oS ber ^arteileibenfd^aft war eine §auptaber meiner 
©id^terei, unb baö ^erj flopfte mir wirflid^, wenn id) bie 
jomigen SBerfe ffanbierte. ®aS erfte ^robuft, weld^eS in 
einer S^itung gebrucft würbe, war ein S^f uitenlieb , bem e§ 
aber fd)led^t erging; benn eine !onferöatiöe 9lad^barin, bie 
in unferer Stube fa§, atö baö SBlatt jum ßrftauneu ber 
grauen gebrad^t würbe, fpucfte beim SBorlefen ber greulid)en 
Serfe barauf unb lief baüon. 8lnbere ©inge biefer 2lrt 
folgten , ©iegeögejänge über gewonnene SBal^lfd^lad^ten, 
itlagen über ungünftige ®reigniffe, Aufrufe gu SBolföDerfamm* 
lungen, gn^cftiDen wiber gegnerifc^e Parteiführer u. f. w., 
unb es fann leiber nid^t geleugnet werben, bafe lebiglic^ 
biefe grobe Seite meiner ^robuftionen mir fc^neH greunbe, 
©önner unb ein gewiffeS IleineS Slnfel)en erwarb. 

„©ennod) beflage ic^ ^eute nod^ nid^t, bafe ber SRuf ber 
lebenbigen Qtxt t^ war, ber miö) wecfte unb meine SebenS* 
rid^tung entfd^ieb. 

„6in Sanb ©ebid^te, gu frül^ gejammelt, erfd^ien im 
3al)re 1846; er entl^ielt nid^tö, alö etwa« 5Raturftimmung, 
etwa§ ^eil)eitö* unb etwas Siebeölgrif, entjpred)enb bem 



222 erftc ®cbi(^tc. 



befd^ränftcn SBilbunQöfcIbe , auf bcm er gemac^fcn. gra 
freunblid^er Äreiö, in weldö^ni id) aufgetaud)t roar, ft^fug, 
wie c§ gu gelten ppegt, weitere SSBeHen unb SEBeHcften imb 
fütterte tnid) mit ben fd)önften Hoffnungen. Äurg, \i\ 
lebte in gebrängtefter ß^itfrifl aUe ^l^afen eine^ er^i^ten 
unb geptfd^elten jungen gqriferS burd^ unb blieb rool^l nur 
wenige öon ben S^orl^eiten unb Ungejogenl^riten fdiulbig, 
bie einem fold^en anhaften." 

®er ©eift ber §rei^eit, ber bamals mit ©turme^obem 
über bie SBelt braufte, ergriff aud) Äeller mäd^tig unb 
ftrömte über in feine erften Sieber. ©ie litterarifd)en S^ 
Dolutionäre beö ,,3iJn8^" ®eutfd)lanb" unb beren S^ad^fal^ren, 
®eorg §erweg^, fj^binanb greiligratb unb Slnaftaftu^ ©rün 
wedften bie politijd)e Sqrif in i^m. ®ie Eingabe an bie 
9latur fobann, bie biöl^er au§ feinen Silbern gefprod^en, na^m 
nun bie ©eftalt ^öd^ft eigenartiger marfiger SR^^tl^men an. 
e^ war ein ganj merfwürbigeö ^robujieren. ßrftaunlic^ ift 
bie güUe biefeS erften S)ic^tenö. Dft entftanben an ©ncm 
Sage brei, öier fiieber. ÄeHerö ungeftümem erften ©d)affen^= 
triebe fagte e§ gu, in ber bid^tenben Äunjt weniger 3^*^ 
unb Sluöbauer gur Sefleibung eine§ @ebanfen§ gu braud)cn, 
al^ in ber malenben. @r wagte fid) gleid) an bie fdiwierige 
gorm beö ©onetteö unb fc^rieb im S)egember 1843 joIdK 
auf beräl)mte 9JJaler. wie GorneliuS, Döerbecf , fpäter auf 
^orace 33emet unb ^aul be la 3iod)e. ©egenftüdfe baju 
bilben bie ©ic^terfonette öon 1845: auf ©eibel (polemijd)), 
Äörner, ©allet, %oVi^n^), Srentano, Äerner. 9lur bie groei 

') ßin iieucö ©onett an goUcn oon 1847 ftel^t in ber erften Hu^« 
qabt ber 3Rcueren ©ebid^te (1851 @. 60) unb bann öeranbert in ben 
©efammeltcn Söerfen 9, 121. 



@cbi(^tc. 223 



legten mit einem altem Sonett an ^eraegl^ würben üer= 
öffentlid^t. 9JJit bem, waö er bei ber Sluölefe gnm ©rucfe 
üerroorfen l^at, liefee [\ä) ein ftattlid)er Sanb füllen. ®ie 
frii^eften ®ebicf|te be§ gal^reS 1843 blieben faft alle un= 
befannt. 5Rur brei finb in bie erfte Sammlung ber ®ebid)te 
übergegangen: ba§ am 3. Slug. 1843 entftanbene Sefuiten« 
lieb („Soqola§ wilbe Derwegene 3^gb", ®ebid)te @. 237), 
baö ältefte im ©md erfd)ienene ßrjengniö ©ottfrieb ÄeHerö 
(üeröffentlidöt unb Don bem balb barauf geworbenen 9Wartin 
©ifteli illii[triert als Seilage ju ßmanuel @d)erbö SBod)en* 
fd)rift „®ie freie Sdiweig", 3. gebruar 1844), fobann ba§ Sieb 
„®u willft bid) fre^entlid) emanjtpieren'' (@ebid)te @. 141, 
Dftober 1843) unb enblid^ ba^ im ©e^ember gefungene 
„3a, baö ift ber alte Äirc^^of" (@. 165). ©onft enthält 
ba§ erftc gebrudfte 33änbd)en ber ©ebid^te lauter (Srjeugniffe 
ber Saläre 1844 — 45. 9Zur wenige gel^ören bem Sanuar 
1846 an. @o bie ©onette: „2ln einen Sd^ulgenoffen*)" 
(@. 79) unb ,@ubieftioe§ Sichten" (@. 97), fowie „2ln 
baö ^erj" (@. 288). ©aö iüngfte ber Sammlung ift baö 
®ebid)t „31m ^immelfa^rt^tag" (©. 337). ©er fd|öne 
e^fluö „^euer^gb^lle" entftanb im max 1845. ©en 
2lnla§ baju gab, wie ber ©id)ter felbft notiert l)at, eine 
grofee ba§ '^aijx guoor auögebrod^ene geuerSbrunft, burd) 
meldte am 27. 3Lpril 1844, morgend oier Ul^r, im fog. 
SSogelfang in Dberftrafe SBol^nl)au§ unb @d)eune be§ ®e:^ 
meinbeammannö gerftört würben, ©ie „%tumbx)üt" crfd)ien 
junäd^ft im jweiten Sa^rßangc be§ „©eutfd^en Safcl^enbud)^" 
(1846) mit ber burc^auö unpaffenben, oon Slrnolb SRuge 



i) aBafirfd^einKd) an ©buarb Heller. 



224 ©ebic^te. 

l^errül^rcnben Scjeidinung: „eine Allegorie", wogegen ber 
Siebter lebl^aft vrotefticrte. Über ben anbem GgfluS „(Bt- 
banfen eineö Sebcnbig »Segrabenen" machte mir 
Äellcr folgenbc 9KitteiIung. ©pitalpfleger fieonl^arb SieQltt gum 
„egli^ (1782—1854), eine in Sürid) wol^lbefanntc ^erföm 
lid^feit, befa^ nebft einem guten 24)fater eine unäbenoinblic^e 
Slngft öor bem lebenbig Segrabenmerben. 6r bot bem Siebter 
eines 5taged l^unbert SIafd)en feines eblen SßeinS an, »enn 
i^m jener ein allgemein nü^Iid^eS @ebi^t fiber baS S^ema 
oerfertige. Äeller mad)te pd) anS SBerf, »obei freiließ 
etwas ganj anbereS l^erauSfam, als ber ®efteller getDoBt 
l^atte. ©aS l)errlic^e „Sei einer ÄinbcSleid^e" rfi^rt 
aus bem 5RoDember 1845 t)er. ©ie ^auSleute ®ietri(^ 
brad^ten il^r franfeS Äinb, baS um biefc S^t ftarb, oft gur 
3)lutter. ®ann lag eS ftiU auf bem äifd^ unb fc^aute ben 
®id)ter, ber fic^ mit il^m gu fc^aften mad^te, »enn cS nie^ 
manb fal), mit feinen grofeen 8lugen gar „barml^erjig* an. 
©en „apoftatenmarfd)" begogen fd^on bie S^tgenoffen 
auf ben ©t. ©aller Staatsmann, Äanbammann Saumgartner, 
ber in ber Slargauer Älofterfrage mit feinen biSl^erigen rabi* 
falen Slnjid)ten brad^ unb ein SBorfäntpfer beS ©onberbunbc« 
würbe. — ©aS preiStoürbige Sieb „Sin mein SSaterlanb* 
mürbe am 13. September 1844 mit gmei ©onctten („^a 
bu bift frei, mein SBolf'', (©ebid^te ©. 89) unb bem nic^t 
oeröffentlic^ten „SBefe' ift bieS ^auS?*) gebid^tet. Sn feiner 
urfprfinglid^en um gmei @tropl)en größeren Sctffung gibt c^ 
jtd) in nod) red^t unoollfommener ©eftalt. (3Sgl. Sn^ang.) 
@o wie baS 2ieb ^eute gefungen wirb, erfc^ieu cS fc^on in 
ben erften ©ebid^ten. ÄeHer l)at fpäter, gum Sßerbrufe aller 
öaterlänbifd^en ©efangDereine, „mein banges ©tünblein" in 



®cbi(^te. 225 

„bie Ic^te @tunbe" fleänbcrt. „SBangeö ©tünbldn" töne 
mucfcrljaft inib feige jugleirf). Slrnolb 3fiuge unb »ffarl 
^einjen l^ätten iljm ba^felbc mit ^of)n Dorgel^alten unb 
gefragt, ob er unter bie ©tünbeler gegangen fei. Äeller 
liebte ba^ Sieb überl^aupt nid)t unb bel^auptete ftetö unb 
jtoar mit SRed^t, es öerbanfe feine SSoltetfimlidö^^W bei ben 
Sdimeijern lebiglid^ ber TOelobie 3Bill)eIm SaumgartneriS. 
Siefe le^tere entftanb im guni 1846 unb würbe öffentlid) 3U* 
erft öom 3örid)er ©tubentengefangüereine beim ^tü^ia^rö:^ 
fonjert im SKärj 1851 gefungen. ®ie SBenbung: „Site 
ict) . . . ÄönigSglanj mit beinen Sergen mafe" fd)alt ber 
©id^ter eine einfältige. „S)aö Äaifertum £)fterrei(ft unb 
baö ^erjogtum ©auoien l^ätten nod) ^öf)ere Serge als bie 
©dimeij", VP^gte er Ijalb fd)erj]^aft gu fagen. SBon Äri^ 
tifern bemängelt würbe wol^l bie auc^ in ber fjorm nid^t 
glüdflic^e jweite .!^älfte ber erften @tropl)e: 

„©(^önftc 8^oj', ob jcbe mir ntxhliä), 
S)uftcft no(^ an meinem oben ©tranb!" 

®a§ fei ju inbiüibueH empfunben unb treffe bod) nur 
auf bie ganj befonbere Suftänblid^feit eine§ ßinjelnen ju. 
6in ganjeö 93olf jinge nid)t i)on feinem ,,öben ©tranb". 
©iefeö Urteil überjie^t inbeffen, bafe ba§ Sieb einer ]^ödt)ft 
fubjeftiDen Stimmung be§ ®id)terö entfprungen ift, ber 
!eine Sll^nung baüon ^aben fonnte, ba§ er bamit bie je^ige 
5Rational^9mne ber ©d)Weiger gejungen l)atte. 6ine weitere 
Sieberreil)e öerbanft i^re ßntftel^ung einem Slufentlialte ©ott* 
frieb Äellerö in ©lattfelben, im 3«« unb Sluguft 1845. 
@o: „einfel^r unterhalb be§ dii)m\aU^'y (®ebid)te @. 285), 

SHe ^Qffunß ber legten ©tropfe rü()rt Don Rollen ^er. 
@. Heller ^atte gef(f)ricbcn : 

©ottfricb ÄcOnr. 15 



226 ©cbid^tc. 



„auf ber ganbftrafee'' (©.257), „3m SBalb" (@. 43-481 
„am SEBaflcr" (6.49, urfprüngUc^: „an ber ©latt^), ,£ 
Äirdj^of, bu gebrängtcö SRecr unjät)Iigcr ©räbertoogen* 
(crft in bcn ©cfammelten ©ebid^tcn @. 82), „abcnblicb an 
bic 9?atur" (©. 1). S)er „ncunjigiäl)rige ganbmann 
öom 3u^id)fcc'' war nad^ ^in^i^ ÜJlittcilung beö ©ic^ter^ 
auj^ Stfdönac!^ gebürtig unb Derlcbtc feine legten S^^rc in 
Sfirid^. ai§ 1799 bie 3fiuffen im ßanbe waren, oerlief ficft 
ein Äofafenröfelein in feinen Stall am Äüfenad^erbcrg. Sic 
Sad^e würbe rud^bar. ®a beftieg feine iJrau furg ent- 
fc^loffen ba§ ^ferb unb ritt bamit üor ba^ $au§ jur 
„Ärone" in Sönd), ba§ Hauptquartier beö ruffifc^en @enc^ 
ralö, ber il)r lad^enb ba§ Stier gum ©efc^enf überliefe. 

ai§ ein anfe^nlidöer fiieberüorrat oorl^anben »ar, tarn 
©ottfrieb Äeller auf ben ©nfall, einen Sanb ©ebic^te Ijer^ 
auöjugeben, um möglid^erroeife mit bem @rlö5 au§ benfelben 
— wenn aud^ nid^t alö 5Kaler — nac^ 3Äünc^en äurücfju-- 
feieren, wo iljn bie ^teunbe nod) immer enoartctcn. So 
fd^rieb il^m «J^egi im auguft 1843 auö Dberauborf bei Stuy- 
ftein: „S)afe ®u ©ein länger fd^on blü^enbeS Salent für 
S)idbtfunft willft Srüd)te tragen laffen, finbe id^ ganj gut 
unb n)ünfdt)e nur ben beften ©rfolg in Qciftigcr wie in 



„S)a rafct)elt'§ brübcn, unb ber ©d^crg 
Öaufd^t smcigefärbt burd^S bunfle ®rfui. 
3c^ fliet)e fd^neU l^inan bcn ©erg: 
S)u ftiüer Ort am [R^cin, fal)r* l^in!" 
©0 roirb aud^ ber ©d^IufeöerS bc§ am (S^rifttag 1845 entftanbcncn 
®ebi(f)te§ „ü^obernfter gauff' (©. 322) t)on Sollen fein. ÄeUer f(^rieb: 
„^6) bin gana euer S3ilb, felbftfüd^tig, falfd^ unb eitel 
Unb unflar in mir t^lbft; oom gufee bis jum ©d^eitel 
Gin europäifc^ fd^Ied^ter ^unb." 



24. 2(n SuliuS g?robcl, 17. 2lug. 1843. 227 

materieller ^inftdjt. SBarum fd|reibft ©u nie 'waS über 
gjlünd)en, ob ©u balb fommft ober nic^t?" aifo ÄeDer 
parfte einen ©tofe Sieber jufammen unb fanbte t^n an feinen 
el^emaligen Se^rer ©r. Sulinö iJröbel. 

©iefer ^atte 1840 baö „Hterarif^e ßomptoir, ßünd) 
unb SBintertl^ur" gegriinbet, auS weld^cm 1841 ®corg ^er« 
weg^S „©ebid^te eines Sebenbigen'' hervorgingen, bie einen 
unerhörten ©turnt ber Segeifterung burd) ganj ©eutfd^Ianb 
entfeffelten. ©er neuen Sud)l^anblung liefen feitbem alle 
jenfurflüd)tigen beutfd)en Stutoren gu, bi§ nad^ wenigen 
Sauren ein Sunbeötagöbefd)lu6 ben gefammten gegenwärtigen 
unb fünftigen SBerlag ber ftaatSgefäl^rlic^en Sirma tjerbot, 
tüel(i)er ingwifdien SoHen, Slrnolb 9iuge unb ^erwegl^ö 
©d^ttjager, Dr. ©uftaü ©iegmunb, beigetreten waren. 1842 
übernahm S^^öbel jugleid) bie JRebaftion beö „©d)tt)eiäeri)d^en 
üiepublifanerö'' , be§ Organa ber 3örid)er liberalen Partei. 
6nbe 1846 verliefe er Sönd), ba bie Sud)^anblung in= 
gujifdjen nad) Seipjig übergejtebelt war. 2tn i^n wanbte 
jtd) alfo ©ottfrieb ÄeHer mit bem folgenben ©riefe: 

^4. ain Dr. gitlin« gvibti in iüriiti.') 

^oc^geel^rter ^err! ©ie werben mxä) gewife nid)t ab* 
weifen, wenn id) in einer Stngelegenl^eit, bie mir viel Unruhe 
mad)t unb in weld^er id| mi(^ in meiner Sfoliertl^eit an 
niemanben wenben fann, alö gerabe an einen SJlann, ber 
burd^ fein SBirfen unb feinen 9iuf mir alle 3lufmunterung 



^) 9Jhr öon ^enn Dr. gröbel-5lrman§perg gütigft ntitgctl^eUt. 
®n faft glcic^Iautcnber (Entwurf befinbet fid^ im Sflad^Iafe. 

15* 



228 24. «In 3uUuS Srobcl, 17. Kug. 1843. 

baju gibt, gutrauenötJoQ an @ic »enbc unb mfc^ um S^^oi 
gütigen dtat bewerbe. 

3d^ ^abe mid) nämlidö, öon ber ß^'t l^eftig angeregt 
biefen ©ommer mit anliegenben ©id)tungöDerfud)en befd^äftigt. 
S)a nun einerfeit^ meine aSerl^altnijfc mir ntc^t geftatten, 
mid) mit abftd)t§* unb gwecflofen Sänbeicicn ^enimjutreiben, 
anbrerfeitiS id| aber über bie Sauglid^feit biefer 93crfud)c 
unb überhaupt über meine 5äf)igfeit baju in einem trofl= 
lofcn ©unfel bin, fo ne^me id) mir bie S^ei^eit, S^nen, 
öerel^rtefter ^err, einen Seil biefer ©cbici^te gu überfenben 
mit ber etwaö unbefd)eibenen Sitte, biefclben, fo ujeit e^ 
31^ re 3^it erlauben bürfte, gelegentli^ burdijufe^en unb 
mir bann, wenn id) 3^nen fo t)iel SJlü^e machen barf, 
burd^ ein paar SBorte gu berid^ten, ob unb wann id^ bie 
Sieber mit 3'^i'cni Urteile bei S^nen abl^olen bürfte? 

3n bem SaHe, ba^ @ie mir nid)t§ SröftUd^eS barüber 
fagen fönnen, werben Sie eS gewife ni(^t übel nehmen, wenn 
id) @ie innigft crfud)e, bie ©ac^e mit ©tillfd^weigen ju 
übergel^en. 

58erjei^en ©ie mir inbeffen, ^o^gee^rtcr $err, biefc 

Seläftigung, unb genehmigen ©ie meine üollfommene $oc^» 

ad^tung unb örgebenl^eit! 

©ottfricb ÄeDer. 

Süric^, ben 17. Sluguft 1843. !Rinbcrmarrt !Rr. 325." 

SuliuS gröbels Antwort Dom 30. Sluguft lautete er* 
mutigenb. „Sei 3f)nen glaube idf) nid^t ju irren, wenn id) 
mid^ ju ber 5Reinung bered)tigt f)alte, bafe ©ic wal^re poetif^c 
anlagen in ftd) ^aben, bie aUerbing^ nad^ mehreren 9lid)^ 
tungen nod) ber Sluöbilbung bebürfen." @r fe^e üorau^, 
Heller fei ©d^weijer. 3^, eö würbe il^m leib t^un, wenn 






Antwort grobcB. 229 



bcin nidöt fo wäre, ba e§ für bie weitere gciftigc gntwIdEe* 
lung ber @d)n)eii t>on ^öd)fter SBic^tigfeit fei, bafe fte in 
ber allgemeinen Sewegung ber Qtit ftd) and) litterarifd^ 
geltenb mad^e, waö bi^^er burcl)auö nid)t gefd|e^en. * „©ie 
bebeutenbften ©ic^ter unb SeHetriften ber @d)n)eij, Srö^lid), 
SReitl^arb, SijiuS gepren ber 9leaftion, ber einfältigem 
d)riftlid)=germanifd)en SRid)tung an nnb finb unfa()ig, etwaiS 
grifc^eS ju probujieren. 9Jlöc^te eS 3f)nen gelingen, ftd) 
auf einen ©tanbpunft ^inaufjuarbeiten , auf bein @ie fid^ 
fönnen geltenb mad)en unb einen ©influfe auf ben öffentUd)en 
©eift ber @d)n)eij ausüben!" SBenige Sage fpäter erhielt 
Kelter öon guliuö ^röbel ben 9lat, feine @ebid)te bem ^ubli« 
giften ©manuel @d)erb in Safel, weld^er auf baö näd)ftiä^rige 
eibgenoffifd^e greifc^iefeen ein @d)ü^enbud) l^erauSgebe, ba§ 
f d)n)eijerifd)e ®ebid)te, 9louenen u. f. f. enthalten werbe, mit* 
juteilen. 3m übrigen »erwieö i^n S^^öbel auf einen ebenfo 
einfid)tigcn al§ liebeöoHen Äritifer in unmittelbarfter 9lä^e, 
auf Sollen. 

©ottfrieb Äelter^ SRücHe^r in bie SSaterftabt fiel in eine 
für 3önd) fel^^ bebeutfame @pod)e. Sn ber l)ier angeftebelten 
beutfd)cn Kolonie lebten SUlänner, weldje in öorberfter Steige " 
an ber grofeen geiftigen Umwäljung ber tjierjiger 3^^^^^ iwt 
Sinne ber greil^eit arbeiteten. @ö war ein ^o^eö SSerbienft 
beö 3fi^Jd)^i^ SürgermeifterS SKelc^ior ^ir^el, be^ einft öieU 
ge^afeten, jebod) eben fo fe^r üere^rten „langen 3Jiitmenfd)en", 
an bie junge ^od)fd)ule ße^rfräfte erften SRangeS au5 ®eutfd)s 
lanb gejogen ju l^aben. ^nbern ^atte bie SReaftion eine 
Sieil^e ©djriftfteller, ®id)ter, Äünftler öon SRuf ^iel^er ge* 
trieben, ©ottfrieb ÄeUer beabftd|tigte ju Stnfang ber adjtjiger 
Sa^re, feine ©rinnerungen an jene merfwürbigen Briten unb 



230 SoKcn. 

^Jlcnfdö^n nicbergufdireibcn. SBcr t^n je baöon crgä^Ien 
^örtc, wirb e§ afö uncrfe^Iic^cn SScrluft emppnben, bafi c4 
beim blofeen SBorfa^e geblieben ift. 

^ier mufe junäc^ft ber ©id)ter Slugiift abolf Subroig 
gollen (1794—1855) genannt werben, bcffen $au5 jum 
„©onnedf" in Rötungen ben 3JKtteIpunft aller bamaligen 
geiftlgen S3eftrebungen in Süridö bilbete. Sluö @ie§en gebfirtig, 
l^atte ber feurige güns'infl cifö ffreiwiHiger an ben beutfd)cn 
S3efreinngöfriegen teilgenommen, fpäter bie JRec^te ftubiert, 
ba§ SBartburgfeft mitgefeiert, in Umtriebe fici^ öenoicfelt unb 
eine jmeiiä^rigc ^aft in ber Serliner ©tabtüogtei angc^ 
treten. 6r mufete ju entrinnen unb fam 1821 nad^ ber 
@d)n)eij, wo bereites fein ©ruber Äarl, toeld^er 1839 bei bem 
Sranbe eine^ amerifanifd)en ©ampferö ücrunglücfte, eine 
SeJ^rftcHe befleibete. Slbolf würbe Sc^rer ber beutfc^en 8itt^ 
ratur an ber J(antomSfcl)ule in Slarau unb ging balb barauf 
eine romantifd)e @^e ein, bie i^m oöllige Unab^ängigfeit 
ftd^erte. ^lad) ©ottfrieb ^eHerö ©rjä^Iung wäre Rollen einfl 
an einer ©aft^oftafel ju Saben im Slargau gefeffen. ßrft am 
6nbe beö ©c^maufeS bemerfte er, ba^ er lein ®elb bei fi(^ 
l^atte. @ine fd)öne, i^m unbefannte 9?ad)barin bat i^n, er 
möd^te ftd^ i^rer Sörfe bebienen. ©ai8 ^iäbd)en ^iefe ©ufette 
SRi^mann unb war bie Sodjter eineö reichen 9JlüIlerö auf 
©d^Iöfe Slltifon an ber S^ur. @ie fanb ©efaHen an bem 
präd)tigen, geiftooHen jungen TOann unb balb waren bie 
beiben ein $aar. goHen pebelte für mel^rere S^^^^-e na4 
@d)lo6 Slltifon über, würbe als ein ©rjpoIitifuS in ben 
Sürid^er ©rofeen 9lat gewäl^It, gog bann md) Sürid^, über* 
na^m bie alte ©efenerfd^e Sud)l^anblung unb baute j^ci 
bie beiben fd)önen Käufer, bm „©onnenbü^I" unb ba§ 



Sotten. 231 

„Sonncrf''. SBorl^cr bewohnte er ben untcrl^alb ber ©tabt 
an einer Slnl^öl^e über ber Simmat gelegenen Sanbp^ gum 
„SRoten Slcferftein". 3uUuö Sröbel erjä^It in feinem SebenS^^ 
lauf 1, 76, tbie er il^n l^ier einft bei einem Sefud^e nid)t 
im i^aufe traf, worauf bie in @ammet gefleibete ^rau in 
baö an ftibemer Äette um i^re Ruften ^angenbe ^om ftiefe, 
unb SoHen, burd) ba§ ©ignal l)erbeigerufen , in feinen 
mittelalterlichen Salarfd^IafrodE gef leibet, ba^ eble ^aupt 
mit einem Sarette bebecft, au§ feinen SBeinbergen ^erabftieg, 
ben Slnfömmling ju empfangen. 3la6i ber Ueberjiebeluug 
feineö '^reunbeö, be§ TOebijinerö ^arl Don $feufer, nac^ 
§eibelberg beabpcl^tigte aud^ er, fid) bort nieberjulaffen. ®ie 
babifd)e Se^örbe jebod) ^inberte il^n baran, unb nun plante er 
ben 2lnfauf eines alten 5ßaIafteS in Senebig, lehrte {ebod) nad) 
3ürid) jurüd, wo er jene Safelrunbe um ftd) fammelte, ber 
öorüberge^enb bie ©ic^ter ^erwegl^ , ^offmann t). ^allerö^ 
leben, greiligratl^ , ^l^ilipp ober — wie er |id^ bamalö 
nannte — SiofeUeb SBarfernagel, bie ^rofefforen Jpenle, 
?}feufer, ^ifeig, Söwig, ber SRuffe Safunin, 2Bil^eIm ©c^ulj 
u. ü. a. angehörten. §ier ging aUeö ein unb au§, waS 
SSerfe fd)rieb, politifd) ober öfonomifd) bebrängt war. 2ln 
ben Sageöereigniffen , ber greif djarenbewegung bei8 3öl)re§ 
1 845 , ber Befreiung Dr. SRobert Steigers auS bem Äerf er 
in Sujem, war goUen ftarf beteiligt. 3m ^erbft 1847 
erwarb er baS ©d^Iofe ßiebenfelS im Sljurgau, um wie ein 
gauft als Sanbwirt im ©rofeen gu wirfen. ®er alte Surm, 
in bem ßbelfalfen l^orfteten, l^atte eS il^m angetJ^^n. Slud^ 
liierter fanben beutfc^e glfid^tlinge gul^auf ben 2Beg unb 
eine aHegeit gaftlid)e Verberge. ©aS grofee Vermögen feiner 
fanften liebenSwürbigen grau ging barüber ju ©runbe. 



232 %o\itn. 

3nt Srü^ja^r 1855 üeräufeerte er feine Scp^ung, jog gu einer 
feiner beiben Söd)ter nac^ Sern unb ift bort nad) [cI)ioeren 
@nttäufd)ungen am 26. ©egentber 1855 faft oerfdjollen ge* 
ftorben. 

%oüm Ä»ar t)om @d)eitel bi§ gur ©ol^Ie ein SRomantifer 
beö patriotifd)en ®eutfd)tum3. ®er el)einalige S3urfd)ens 
fd)after in i^m fam nie gur 9iu^e. ®er l^ocl)gett)ad)fcne fd)önc 
güngling ^iefe bei feinen patriotifd) fcl)n)ännenbcn ©enoffcn 
ber ,beutfd)e Äaifer' unb l)at biefe SRoUe feinen republi^ 
fanifd)en ^betm unbefcl)abet au(^ in Qüxxä) weiter gefpielt: 
beutfd)er Äaifer in partibus l^at er ftd^ al§ foId)cn in einem 
SBanbgemälbe feiner Äaiferburg verewigen laffen. 

Sollen war eine l^od^finnig angelegte 9Zatur, aber o^ne 
@elbftbel^errfd)ung, geroaltt^ätig, launenl^aft, bequem, Der» 
fdjujenberif d) , nid^t frei Don ©itelfeit, tro^ feines poU- 
tifd)en ^teiftnnö religiös gur SJl^ftif geneigt, ©in l^odjbe-- 
gabter Siebter, beffen 2Berfe, Dor allem baS fd)öne 6pod 
„SriftanS ßltem" unb bie „^arfengrüfee'' fel^r mit Unre(^t 
öergeffen ftnb. 3n ber 9Zad)bid)tung ,,3:riftanS eitern* 
(1857) erttjeift er ftd) als ben würbigften aSorläufer Don 
SGßill^elm ^tx%, bem fd)tt)äbifd)en ©pielmann. 

„6s tönt ein ®ang auS alter 3^i^' 

33on fctb unb ?icb, üon ?icb unb ?cib, 

33on Scitgfcit in ©cclcnnot, 

S3on (ctbcm ?cbcn unb liebem lob, 

3^on roonncrcic^cn Ül^räncn, 

SJon nie gcfttHtem ©eignen." 

9?ur in fd)weigerifd)en 2efebud)em trifft man no(^ 
etwa auf eine jener fd)önen, S'oltenS fd)n)eigerifd)em gelben« 



SoHcn. 233 

bud) entnommenen meIobifd)en SRomanjcn, ble ftetö ©ottfricb 
ÄeHer^ ßntjürfen waren: 

„^m §arfl ton Untcrroalbcn, ba ragt ein ^clbcnfinb 
^od^l^äuptig über alle, bie fe(6ft geroaltig finb.'' 

%üx ©tropfen wie bie folgcnbc au§ goUenö „Süttiö* 
l)oIä" wufete ÄeHer nicl)t genug beö Sobe§: 

;,llnb njie bie fc^lanfe ®emfe bergab üom SBettcrl^orn 
3n aÜcrfül^nflen ®c^»üngen ^erjlürjt burd^ filuft unb S)orn, 
Unb riftt fein Sefö ben eblen Seib, unb flögt ben guß fein Stein; 
©0 fpringt in bie aüererfie ©^tac^t jung ©ntlibu^ herein.'' 

3u)ar bie ^f)antafie goUenö öufeert ftd) mand)mal etwas 
8efd)ranbt unb ba§ patriotifd)e ©cutfd)tum lärmenb. @r über^ 
fc^te teilweife Saffoö „Befreites gerufalem" unb ba^ 92ibes 
lungenlieb, bann alte lateinifd)e ^irc^engefänge. 9tic gebrucft 
würben bie leiber aud^ im SWanuffript üernid)teten Über= 
tragungen Don ©^afefpeareö „SBintennärd^en" unb „6gmbc* 
lin." 

Segeiftert für aUeS 9lu6erorbentlid)e, trieb er namentlid^ 
mit bem jungen fd)wäbifd)en ®id)ter @eorg ^erwegl^, ber 
pd) burd) Slud)t bem württembergifd)en 5)Iilitärbienfte ent« 
iogen l^atte unb als armer @d)lucfer 1841 nadö Süxiä) ge= 
fommen war, einen wahren ÄultuS. ^erweg^, bamals leibcnb, 
woljnte eine 3cit lang bei goKen, würbe oon i^m IjerauSgefüttert 
unb ftrid) feine Honorare für bie „®ebid)te eines fiebcnbigen" 
ein, bie in ben näd)ften jwei Sauren fiebcn SluPagen erlebten 
unb gegen 4000 alte 3üric^gulben eintrugen. @eräufd)t»oIleS 
auftreten war i^m ein SebürfniS. 8lm eibgenöffifd)en grei* 
fd^ie^en in ßl^ur im Suli 1842 ^ielt er eine fulminante 9lebe. 
®ann begab er ftd) nad) ^ariS unb auf feine Sriump^* 



234 Söil^clm ©d^uls- 



reife bux6i ©eutfd)lanb. ai§ er fpäter, am 12. Januar 1843, 
ttjieber in 3öric^ erfdjien in ber 3lb|tcf)t, l^icr ben „©eutfc^cn 
Soten" ^erauäjugeben, würbe il^m bie Siieberlaffung nii^t 
me^r bewilligt unb er mufete tro^ ber Petition, bie bamal» 
ber alte ^rofeffor Sorenj Ofen an ben ©rofecn fRat richtete, 
ben Äanton am 3. SUlärj üerlaffen, worauf i^m befanntlid) 
bie ©emeinbe Sajelangft ba§ Sürgerred^t üerlie^. ^erwegö 
jebod) reifte mit feiner i^m furj juöor gu Saben im Slargau 
angetrauten grau @mma, geb. ©iegmunb auiS 33erlin, nun-- 
me^r über 6000 S^^aler jäl^rlici^e SRente gebietenb, nad) 
Stalien unb granfreid). ©a§ ©jctraöagante feinc5 SBefen* 
trat red)t wiberlid) ^eroor. ®er poetifd)e SRcDoIutionär 
gab ftd) äufeerlid^ al§ ©edEen, ber nur ben auöerlcfenften 
leiblid^en ©enüffen nad^ging, blofe ß^antpagncr tranf {„ba^ 
fommt mir ju", pPegte er fpäter nod), al§ er bereite in 
tiefen öfonomifdien Verlegenheiten fterfte, jum ärger Äeller^ 
gu fagen), fiiör^ebebiente ^ielt unb baneben mit S^uftcr- 
unb Sii^iwiermannögefeHen in SReDolution maci^te. 

S)a wol^nte ferner in ^ottingen an ber ©emeinbegaffe 
als Dielbefd)äftigter ^ubligift ber ©annftäbter Hauptmann 
aSil^elm @d)ulg (1797—1860). ©ein früheres geben ift 
in feinem Uebenöwfirbigen Sud)e „Sriefmec^fel eines Staate 
gefangeneu unb feiner Befreierin" (1846) auf angie^ent« 
SBeife erjä^lt. 6r l^atte als Dfpgier in ben SefreiungSfriegen 
mitgefampft, in ©iefeen ftubiert, mar wegen politifd)er ©d^riften 
1834 t)on einem ^effifd^en ÄriegSgerid)t entgegen einem 
^eibelberger SRec^tSgutad)ten gu breijä^riger geftungSl^aft 
öerurteilt worben, nad)bem i^m fd)on 1819 fein famofe^ 
,,i?rags unb 8lntwortbüd)lein" ßntlaffung auS bem l^efpfd)fn 
9JIiIitärüerbanb unb einjährige grei^eitsftrafe jugejogen ^attc, 



SrcUigrat^. 235 



iDufetc inbcS im ©cgember mit ^ilfe feiner öortrefflidöen 
©attin nad^ bcm ©Ifafe gu fliegen unb liefe ftc^ 1836 bauernb 
in Sflridö ttieber, wo er eine frud^tbare litterarifd)e Sfiätig^ 
feit als ^Jlilitärfc^riftfteHer entwirf ehe. @r fc^ricb namentlid) 
für bie „Slugöburger SHlöemcine" unb bie „®eutfd)e S^itung'' 0- 
Sm ©onberbunböfriege trat er in bie eibgenöfpfdje Slrmee 
ein. 1848 war er TOitglieb be§ S^anf furter Parlamentes. 
3JIit jeiner gweiten grau (einer geb. Sobmer) grünbete er 
ein befud)teS ©rjiel^ungSinftitut in ßüricft. S)er braöe tüd^' 
tige TOann, politifd) t>on gemäßigt bemofratifc^er ©efinnung, 
ift am 9. Januar 1860 in §ottingen geftorben. ©eine 
^od)begabte erfte %xan Caroline, an bie eines ber „®ebid)le 
eines Sebeubigen" gerid)tet ift, l^at [x6) aud^ als treue ^^Jflegerin 
beS in ßünd) 1837 üerftorbenen ©ic^terS @eorg Süd)ner 
öerbient gemad^t. ©ie ftarb am 29. 3önuar 1847, üon 
allen, aud^ t)on ©ottfrieb Äeller, tief betrauert. Stuf bem 
Ä^ird)^ofe Don ?Reumünfter l^aben wir jufammen an einem 
3luguftnad)mittage beS ga^reS 1878 ben oon 3. ®eorg 
^UlüKer üon 5Bql entworfenen verwitterten ©rabftein ber 
eblen grau aufgefud)t. 

3m 9Äärg 1845 fe^te aud) Serbinanb ^reiligratl^ 
feinen SBanberftab auf fdf|weijerifdöe 6rbe unb t>erbrad)te 
ben ©ommer in ber 9lä^e t)on 9la^)perSweil, in bem an- 
mutigen We^enberg am ßflnd^fee, gegenüber ber 3wfIiidf)tS* 
ptte Ulrid) ^uttenS. §ier baute ber ®idf)ter frieblid^ feine 
©urfen unb ©pargeln. §ier befud)ten i^n Srang SiSgt (im 
3uli), um i^m auf einem elenben Älaöiere feine Äompofition 



>) über feinen Stuffaft in JRottcdfe STnnalen öon 1831: „S)aS 
©nc, rooS S)eutfd()Ianb !Rot t^ut" öqI. 3. ^xot\% ba^ junge ^eutf^- 
lanb @. 284 ff. ri892). 



236 Srciltgrat^. 



gu bem Siebe „£) Iicb\ fo lang bu lieben fannft", öorju- 
jpielen, ber amerifanifd)e ©id)ter unb Überfe^er Sagart) 
Saqlor, ber au§ Stölien ^eimfel^renbc ^einrid^ Stiegli^ 
u. f. f. (ÄeHer ben)al(rtc, jroeifelloS au§ jenen Sagen, ein am 
20. September 1845 jn)if(l)en 3öricl) unb Slarau üon Sticgiil 
gefc^riebeneS @ebid)t „3[n bie ©ibgenoffen'' auf.) Um einer 
brol^enben ©t. ©allifd^en Slueweifung au^ bem SBege ju 
gef)en, liefe ftd) greiligrat^ im ©pätjal^r im ^©onnent^al'' in 
Rötungen, bem Hauptquartier ber beutfd)en Flüchtlinge auä ber 
t)ormärjlid)en 3^'^ nicber. Umfonft fal^ er pd) in ber ©c^njcij 
nad) einer bleibenben ä^ätigfeit um. 3lfö i^m ba^er bie StcKe 
eineö iforrefponbenten in bem Sanff)aufe fyriebrid) ^ut^ in 
2onbon angeboten tturbe, verliefe er ßönd) im Suli 1846. 

2Bä^renb jeineö @d)n)ei3er aufentl^alteö trat er mit ben 
reüolutionären „Qa-ira"-Siebem in bie £)ffentlid)feit, baneben 
war er mit Überfe^en bejd)äftigt. @r oerfe^rte mit Ofen, 
mit Sollen, mit SRegierungSrat ßfelinger, namentlid^ aber mit 
aSil^elm ©d^ulg. ,,®ie beiben SBo^nl^äufer — fd^reibt 5rei= 
ligratl(§ Siograpl^ SBil^elm Sudaner 2, 155 — »aren nur 
burd) einen fd)malen 2öeg getrennt; fo mar ber erfte Slicf 
beö 9Jlorgenö auö ben genftem fd^on ein ©rufe, bem alöbalb 
ein l^eUeä 2adf)en folgte; benn, menn Sreiligratl^ bie eble 
®abe be§ l^erjlid^ften 2ad)en§ gu teil geworben, fo befaß 
2Bill)elm @d)ulg biefelbe in ganj munberbarcm SJlafee. häufig 
erjä^lten pd) bie greunbe am genfter i^re Sräume, worauf 
benn f^i^^üig^at^ gleich fein Sraumbudö l^erbei^olte, bie ®eu» 
tung über bie ©äffe l^inüberrief unb ba^ Sad)buett auf§ 
fd)önfte an^ub.'' 

3u ben genannten "DJfännern trat ©ottfrieb Äeller balb 
in enge 33ejiel^ungen. 3luf gröbelö SRat l^cttte er fid^ junä^ft 



an SoKen geiüanbt, bcr mand)cm poctifd)en Slnfängcr auf= 
^alf. ©erfelbc fanb in bcn i^m Donjelegtcn ®ebid)ten öiel 
lr)rijd)e§ Steuer, aud) D^r für ben SSerö; allein er riet ju 
einer grünblid)en Umarbeitung be§ gefamten bisherigen ßieber- 
beftanbeö, bet)or il^n ber ®id)ter bem ©rurf übergebe (3. 9?o= 
üember). @r ftanb feinem @d)ü^Iing mit SRat unb Sl^at 
jur Seite, fpornte i^n öor allem gum %k\% an, „ba bie 
un[terblid)en ©ötter ben ©d)ttieife üor bie ?5forte beö ^lai)^ 
ru^mö pofticrt". „^ä) fomme mir" — fd)rieb il^m Soßen 
am 9. Slpril 1846 — „balb bei 3^nen öor wie 3^an ^aulö 
@d)oppe, alö ber 9Jlünj[to(f, ber bem Sllbano nachläuft unb 
i^n ausprägt." ©ottfrieb ÄeHer liefe feinen ?!Käcen mit 
feinen ®ebid)ten nad) Belieben fd)alten unb walten. Sllö er 
einmal einen befd)eibenen ßinwanb wagte, wieg il^n goKen 
mit ben SBorten jur SRufie: „©elegentlid^ oerbitte id) mir 
S^re 33emerfung, bafe an gieren ©ebic^ten nic^tö ju öcr» 
fd)Iimmem unb öiel ju nerbeffem fei, alö TOaieftät§t)erbred)en 
gegen mein ®ef d^macf öurteir . ©ottfrieb ÄeKer ergä^Ite mir 
einft, bafe nac^ t^öbel eigentlid) ^offmann r)on%a\Ux^^ 
leben fein ©id)tertalent guerft entbecft l^abe. S)iefer fal^renbe 
$oet mar im Dftober 1844, auf ber ^eimreife auS Italien 
begriffen, mieber einmal ©aft be§ goUenfd^en ^aufeS. @ben 
waren im litterarifd^en Gomptoir feine „§offmannfd)en 
Sropfcn" erfd^ienen. Gineö 9Jlorgen§ ^abe er in leid)tem 
Äa^enjammer nad^ Kellers 9Jianuffripten gegriffen unb ju 
goUen gefagt: „S)iefen 9Jlenfd)en mufet ®u mir einmal l^er« 
^olen laffen!" Slm anbern SEage würbe ber Urf)ebcr jener 
@ebid)te in bie Äaiferburg befc^ieben. ^offmann lag nod) 
im Sett unb ber neue ®id)ter würbe feierlid) an bem Sager 
be§ iHuftren ÄoHegen üoriibergefü^rt. 



238 2)ru(f bcr crftcn ©cbid^tc im %a\ä)enhvid) 1845 u. 1846. 



Suliuö Sröbcl unb Sollen pnb balb barauf [eine erflcn 
SSerlcgcr geworben. ®ie ältefte größere, Don goHen gc-- 
ftd^tete auSwal^l feiner @ebicf)te brad)ten bie beibeu 3ö^p 
gange beö „©eutfc^en S:afd|enbud)e§", baö 1845 unb 
1 846 beim litterarlf c^en Gomptoir in ßünc^ unb SBintert^in 
^erauöfam. „Sieber eine§ 3lutobibaften (©ottfrieb ÄeHcr Don 
©lattfelben bei Sörid))" lautete bie Überfd^rift ber erftcn 
©ammlung. ®ie beibeu Sal^rgänge enthalten jufammen un= 
gefä^r ben SBeftanb be§ erften Sänbd^enö ber ©ebid^te oon 
1846. ©er grofemüt^ige goUen üerftc^erte feinen ©(i^ü^ling 
bei Überjenbung beö erften ^onorarS am 28. %oöember 1844: 
«Sör 3^^^ aUerbingö notwenbige fünftige ©ubpftenj werbe 
td) mit aUer ^reube am ©ebei^en eineö auögejcic^netcn 
Salenteö bauembe ©orge tragen." 

6in alter greunb, SRubolf Seemann auö OTünc^en, 
fdjrieb i^m am 2. 3uH 1845: „TOit größter greube erfüUtc 
eö mic^ unb fel^r Diele ©einer Sefannten, ja folc^e, bie bloB 
Dom Slnfe^en ©id) unb ©eine fünftlerifd^en Seiftungen, für 
meiere ©ir l^ier fo wenig Aufmunterung unb So^n würbe, 
fannten, bafe eö ©ir auf bem Don ber 9latur angewiefenen 
SBege, ber ^oepe, auf fo glänjenbe SJBeife gelungen ift, ge* 
büf)renben ßrfafe bafür in ber rül^menben Änerfennung, bie 
©ir in ben ß^itungen würbe, ju finben." 

©ie erfte öffentlid)e Stimme über bie ©ebic^te beS 
„Safi^enbud^eö" liefe fid) in einer Süxiä)ex Äorrefponbeiy 
beö Stuttgarter „TOorgenblatteö'' Dom 1. Februar 1845 
{31t. 28 unb 29) pren, wo ÄeUer alö „ba§ bebcutenbfle 
l^rifd^e Salent, baö in ber ®6)m\i laut geworben", gelobt 
würbe. 6in ©onner, SRegierungSrat ÜKelc^ior ©Blinger, 
fanbte l^ierauf ben nod) ungebrurften 6qflu8 „ßinunbjwanjig 



Öffcntltd^c ©timmcn. 239 



ßiebeSIicbcr" bcm „3JtoröenbIatt" jum crften Slbbrucf. ©aö^ 
felbe brad)te Jeboc^ nur eine 8lu§Iefe barauö. ®er „@d)weijc- 
rijd^e SRepublifaner" wm 14. ^Jebruar 1845 (9?r. 13) meinte: 
Sürid) bürfe auf bicfen feineu ©ol^n, ber pdf) auö eigener 
Äraft emporgefdött'wnö^"' ft^lj jein. ©ntl^ujtajtifd) begrüßten 
©d^wcgler^ „Sal^rbüd^er ber ©egenwart" (1845 @. 542 ff.) 
ben neuen anfömmling auf bein ^arnafe. „©a tritt — 
Reifet e§ u. a. — ein junger ©c^ttjeijcrbid^ter auf unb fcftüttet 
mit einem SJlale ein güH^orn \)oü ber ^errlid)ften Slüten 
unb grüd)te öor unö ^in, ba% wir überrafd|t fielen unb 
nid^t wiffen, ob n)ir juerft nadf) ben garten lieblichen Slumen 
greifen foHen, bereu ©uft unö bis in§ ^erj bringt, ober ob 
wir jene fernigen ©rjeugniffe, bie nur einer wal^rl^aft naiöen 
unb öoHfräftig gefunben 5Ratur entfpriefeen fonnten, nä^er 
betrad)ten f ollen." ®icl)ter unb SORaler jugleic^, fei ÄeHer 
burc^ eine TOufe ber anbem abgenommen worben. ®ebicl)te 
wie „®ie ©pinnerin" pnb mit ber Sqrif ©oetl^eS, anbere, 
Dolfötümlidfee mit Urlaub üerglid)en. ®a§ ber S)id)ter nid)t 
ein üolle§ @e^ör für ben reinen 9ieim befi^e, pnbet leifen 
Säbel. ©a§ überfd)n)änglid^e £ob fc^üttelte ber Segoffene, 
toeld^er in ber anonymen geber unfd^mer biejenige feiner 
üorforglid)en Sefd)ü^erin Caroline ©d^ulj erfannte, mit ben 
broHigen im Sln^ang mitgeteilten SBerfen ab. 

©ie Sreunbfd^aft mit bem fleinen Hauptmann SBil^elm 
©d^ulj unb ber feinjtnnigen grau Äaroline, bie ben jungen 
©id)teriSmann unter il^re Sittige nahmen unb ben 33ären in 
il^m ju gal^men fud)ten, ^atte jid) feit @nbe beö vergangenen 
Sal^res befonbers i^erglid^ geftaltet. ©urdf) baö ß^epaar 
©c^ulj würbe ©ottfrieb Heller in ba§ greiligrat^fdje $auS 
geführt, greiligratl) erfannte mit feinem fc^arfen Slidf alfo= 



240 2)aS Srciligrat^f^c ^au^. 

balb ben cblen tiefen Äeni, bie cc^te ©ic^tematur bcö ba-- 
mal§ nod) ganj 9lainenIofen, bcr pd) bcm Dere^rten ?Kanne 
ol^ne diäd^alt l^ingab. ^eQer nal^m an ben täglichen 
©pagicrgängen ber beiben gamilien teil unb taufc^te mit 
ben ^an^ijtxxzn balb ba§ freunbfdjaftlidje ®u ai\^. „S)er 
famofe ^octcnfommcr" be§ S^^reö 1846 blieb tl^m in aib 
genel^mer ßrinncrung. Qu ben grauen [teilte er fic^ ax^^ 
befte. 9Kit %xavi ^ba greiligratl^ trat er öier Sa^rje^ntc 
fpäter, nad) bem Sobe i^reS ©atten in regen Sriefn)ed))el. 
an fic ge^t ber fc^öne „SBanberfegen'^ in ben „5ßeueren ©e- 
bid)ten" (©. 154). ®ntc greunbfd)aft ^ielt er mit il^rer öortrcff^ 
liefen ©c^roefter 5Rarie9Jlclo§, bie, ia^ Äinb eines SEBeima» 
rifd)en ^rofejforS, noc^ auf ©oetl^eö ^nicen gefeffen unb i^m 
an feinem ©eburtötage 1826 ba^ Sieb „Uf em Sergli* ^attc 
tjorfagen muffen 0- ©ottfrieb Heller unb ^IKarie 5Kelo4 
Ratten il^rerfeits ben nämlid)en ©eburtötag (fte war 1820 
geboren) unb wäl^renb be§ legten Scii^rje^ntö ging fein I 
19. 3uli ins £anb, o^ne bafe ein fröl^lid)er SBrief jn)if(^en ' 
ben beiben aiterögenoffen gemec^felt rourbe. 3w?ei Sage 
nad) ÄeÜerS @d)n)efter, am 8. Dftober 1888, ift ^larxt 
OTeloS in ©üffelborf geftorben. 

3u 6nbe beö g^^reS 1845 waren innerl^alb ber beutfd)cn 
Kolonie ©treitigfeiten in QMäi auSgcbrod)en. Slrnolb 
SRuge, im Slpril auS $ariS l)ie^er gefommen, l^atte burci^ fein 
S3uc^ „SttJ^i 3a^re in $aris", morin er über baS erroad^enbe 
beutf(^e 9tationaIgefü{)l , über ben ©lauben an @ott unb 
Unfterblid)Ieit fpöttifd)e Slufeerungen getl^an, ben l)eiligen S^vsi 
^yollenS erregt. 9lici^t meniger Äarl ^eingen, ber im 

») SBoIbemar öon 8iebennann, ®oetf)e§ ©efprdc^c 9. 5Bb. 1. Jf^alftt 
@. 113 f. (1891). 



SDic 3c^)el. 241 



Seßriffe xoax, Sriefe über ben 2ltl^ei§muö 3U öeröffentlicl)en. 
2luf bic Seite goUen^ jd)Iug ftd) SBil^elm @d)ul3, ber in 
feinem „S3riefroed)fel eine^ Staatsgefangenen" einige 2luö* 
fälle gegen ^egeltum unb 8ltl)ei§mu§ unternahm, woburc^ 
fid) SRuge unb ber ebenfaHö in ßönd) anmefenbe Äarl 
.^einjen, ein leibenfd^aftlid) erl)i^ter Äopf üoK unoergo^rnen 
SflabifaliömuS, getroffen füllten. (S^ tarn ju einer förmlid)en 
Spaltung unter bem Slüd)tlingöpufd)cn : goKen, @d)ulj 
unb greiligratl^ würben alö SReaftionäre uerfd)rieen. „Äuriofc 
Äerle, bie ©eutfd^en!" — fd^neb ber Untere bamate einem 
i^reunbc — ,,ftcl^ über ben lieben ®ott ju ganten, fo lange 
eö nod^Äönige gu entthronen gibt." goUen fprang mit fed|§ 
Sonetten: „»n bie ©ott^Iofen 9«d)t§=2öätl)eric^e" (1846), in 
ber jweiten üemiel^rten Auflage ,,gliegenbe§ Statt t)on einem 
SSerfd^oHenen" betitelt, mit beiben güfeen in ben Äampf unb 
bebiente feine ©egner. bie S^natifer für baö 9lid)tS, bie 
„3^cl'\ ^i^ ©goiften ^eingen, SRuge, Äarl ®rün, mit ben 
faftigften Sluöbrfidfen, mie „Äalberfd)n)änge" u. bgl. Sie nid^t 
minber tlobige ®egenfd)rift Sflugei^ unb ^eingenö: „Slätter ju 
bem ßorbeerfrang eineö SSerfc^oHenen, üon einigen 9lid^tS» 
2Süt^erid)en" (Süric^ 1846) fud)te goDen, ben „Waftmann", 
ben „Stallfned^t", ben „beutfd^en Äaifer" als ©enungianten ju 
öerbäd)tigen , beffen Sonette feinen anbern 2^td als ben 
gehabt l(ätten, ber 5ßolijei einen fanften Stofe gur SluSmeifung 
ber beiben ©otteSläugner gu öerfe^en. 3^ ber 3ürid)er ton* 
feroatiöen unb rabifalen treffe mürbe bie gel(be gmifd^en 
ben 5Wid)tömüt^erid)en, ben atl^eiftifd^en W^iliften, unb i^ren 
geinben, ben „©otteSmütfierid^en" fortgefe^t^. SRuge l^ielt 

») SSgl. bie erflärung goKcnS in ber 53etlage gu ^x, 17 ber 
„bleuen Sürc^er 3tg." öont 17. Sanuar 1846; bie 3lntnjorten öon 

©ottfrieb SfOia. 16 



242 3)ic Sc^cl. 



jtd^ im Hintertreffen unb fd^icfte „fteben ©c^u^ r^einift^ 
Holjmafe" b. ^. ben langen ^einjen gum Singriff Dorou^. 
2luf beiben ©eiten fam man nid^t über perfönlid^c Sef(!^tm= 
pfungen ^inweg, unb ber Sflomantifer Soffen befc^Iofe ben 
öffentlid^en Streit mit ben SBorten beS Poeten im ,, ® cftiefeltcn 
Äater", ber, auf bie Sü^ne gerufen, um mit ben treffenbftcn 
©rünben, faulen ^feln nämlid^, miberlegt gu werben, fic^ 
mit ber ©rflärung jurürfgie^t: „©ie Ferren ba unten ftnb 
mir in biefer ©i^tungSart gu ftarf". ©ottfrieb JEeffcr fc^leppt« 
ebenf affö einige ©piefee in biejen Äampf gu @unften ber 
©otteSüerteibiger, au(^ in g^orm Don Sonetten: „Slu(^ an 
bie 3d^er' (©ebid^te @. 99) überfd^rieben, waö i^m Don 
Seite ^eingenS eine grobe Slntmort in eben jener „©ic^tungiS^ 
art" gugogO. 



^etnjcn unb Sluge in !Rr. 20; gottenS öffentlid^cö Sc^IuJoerfa^ren in 
fftt. 22. SBgl. ferner „Slätter für Itt. nnter^altg." 1846 Sh, 104; «Irnoü) 
Slhigeö SBrtefroec^fel unb Sagebüc^er. herausgegeben oon !RerrIul^ 1, 
410 (1886); 51. SlhigeS f amtliche ©erfe 9, 292. 

*) ^. t&einjen l)at ben gangen @treit in feinen „$olitif(^en unb 
unpoIitifd)en gal^rten unb Slbenteuem" 2, 297 ff. (1846) unter ber 
Äberfc^rift: „^tlb^uQ gegen einen teutfd^en j^aiferprätenbenten" m«i 
feiner 5lrt bargefteUt. S)arin @. 320 f. auc^ eine (SteQe gegen ®ott« 
frieb ^eüer: „»Jlad^bem ber S3urfd^enfaifer oom Stam|)fplaft gurüdgc 
mieten, ift neuerbingS ein öon i^m erlogener @(^ilb!nappc, ber fonjt 
gang talentöotte unb el^renroerte Sürid^er ^oet i^ellcr, in feinen ®e* 
bid^ten gegen bie „^^tl" aufgetreten, ©c^abe, ba% ber junge Äefla 
in fo üble ^önbe geraten ift unb nid^t beffere ©elcgen^citen benuft, 
feinem großen ÜJiangel an geiftiger SBilbung abgu^clfcn, ftatt i^n bur* 
fo befc^ränfte S)iatriben gegen 8eute oorjufe^ren, bie er m(^t ju b<« 
urteilen öerfte^t. SKöge er einen eintrieb gum S3effem in einem 
©onett finben, ba^ \6) \i)m nad) bem (Srfd^einen feiner ®ebi(^te jn» 
fteßen lieft, unb roelc^eS ben ©d)lu6 biefeS gereimten fjfeberfriegel 
bilben mag: 



^cinjen. 243 

®afür ()attc il^m Sofien bic ()anbfd^riftlic^c ©tropfe gc» 
»ibmct: 

„©ottfrieb üon Strasburg toax ein ?icbc8fängcr, 
©ottfricb t)on Souiüon toax ein ®ottc§fh:citcr: 
©ottfricb üon 3ö^i^f f^i bu — uiib fo mcitcr — 
©et bu für un§ gmcifac^ i^x ©oppctgängcr!'' 

©ottfrieb ÄcKcr f)at im „Slpotl^efer üon ßl^amounij:" 
bcm „langen Äarl", bcm ^einjcn, bcm „tl)eorctifd^cn Äopf« 
abfd^ncibcr mit bcm fricböoUcn ^crjcn", bcr übrigens balb 
nad^ biefcn ^änbeln auö Büxiä) unb Sem üerwicfcn würbe 
unb 1880 als SRebaftor beS „Pionier'' ju Softon geftorben 
ift, einen ßiSjinfen am 9ßontbIanc gum Willen Slufent^alt 
na6) bem SEobe referoiert. 

®ie politifc]^ bewegte Seit begleitete ©ottfrieb ÄeHcr 
nid^t blofe mit Siebem, er nal^m f eiber Anteil an ben 6r* 
eigniffen. ®ie böfe @aat beS fonfefjtoneKen ^aberS war in 
ber ©djweij blutig aufgegangen. Sluf bie 3luf^ebung ber 



S)u flaöft; ba^ unö bcr „Q^lauht" fam abl^anben; 
S)ann aber ^etfet'S, bai un§ ber „Steifer fe^Ie! 
SBeifet bu, wag bir fc^It? Sogif, gute ©eelc, 
Unb giettung auS bc§ 3Wt)fti3i§mu8 SBanben. 

S)u fc^iltft uns lieblos, meiC tpir unS entmanben 
S)cm „©c^merg" ber alten SBeiber unb Äamcle. 
S)oc^, grcunb, roir ^abcn ©d^merg unb ©(^merjqudrclc, 
ffienn mir am ^gegafuS ein 6angof)r fanben. 

®Iaub' mir, mer öom ^nji^p ber OeifteSfreil^ett 

(Sin ^aax nur rocid^t, ber jeugt Unflnn unb ©linb^eit; 

S5enn grei^eit unb 95crnunft finb feine Sß'eil^eit; 

Unb mer baju im S)ienfte frcmber SHinbl^eit 
©inn ober Unfinn ^ält für (5inerleif)eit, 
S)er fc^äme flc^ ob feiner greigefinntf)eit!'' 

16* 



244 greif d^arcngug. 



Slargauer ÄIö[ter antwortete bcr ©rofee JRat Don Sujem 1844 
mit ber Serufung ber 3^fuitcn, einem a3efd)Iu§. ber g^ra 
@nbe beö 3a^re§ ben Sürgerlrieg antad)te. ©erfelbc cnbigtc 
furo erfte mit einem Siege ber immer fecfer ^eroortretcnbai 
ultramontanen Partei, ©abei reid)ten, »ie immer, bic ton- 
feroatioen SReformierten oon ßönd), Sem unb SBafel ben 
Ultramontanen bic ^änbe. Siberale ^xei^d^aren fuc^tcn 
i^ren bebrängtcn ^arteigenoffcn in Sujem ju ^ilfe ju fommcn. 
®er erfte mifeglücfte 3»g biejer 2lrt fanb im ©ejcmber 1844 
ftatt. Sürici^^r SreimiHige foHten bewaffnet gu benen ans 
ben Äanfonen Slargau, ©olot^um unb Safel ftofeen. Sudi 
©ottfrieb ÄeUer bcfanb [\ä} unter bem Meinen .^äupein, bü§ 
inbeffen nur bis in ba^ eine ©tunbe üon Bönd^ entfernte 
aibiörieben fam unb ftd^ bort aupöfte. ®ie grofee liberale 
©emonftration in Unterftrafe: bie SBolteücrfammlung Dom 
26. Sanuar 1845, ebenfo bie glücflid)e Befreiung be§ oon 
ben Äatl^olifen gefangenen Dr. SRobert ©teiger, ber im 3^ 
unter ungel)eurem Subel nad) Qixxiä) entfam, feierte ber 
©id^ter im Siebe. 

@onntag§ ben 31. ^JJlärj 1845 rotteten fic^ neue aSeioafi^ 
nete au3 bem Äanton ßörid^ gufammen, um an bem jmeiten, 
größeren greijdiarenjugc gegen Sugern teiljunel^men. Ser 
ßrfolg mar nod) flaglid)er. Statt ber erwarteten 800 Slami 
fanben ftc^ nur wenige ^freiwillige ein, weld)c auf il^rem Warjd) 
über ben SllbiS aHmä^lid) auf 70—80 Seute anwudjfen. 
Sm QuQt fd)ritt neben ben fpäter befannt geworbenen SJoII^' 
männern ©run^oljer, Sieber, äreic^Ier, Sofe^arb^Sacot u. a. 
auc^ wieber ©ottfrieb Äeüer, tro^bem er gegen ijrciligrat^ 
bamalS bie Stufeerung t^at, er fei ju arm, um pd) für ba* 
SSaterlanb totfd)iefeen ju laffen. Sei bem Raupte ber -Suf* 



greifd^arcngug. 245 



red)ten'' ^atte er jid) fclbmafeig auSgcrüftct mit @cn)el)r, 
^irf djfängcr , grcifd)aren^ut unb SabafSpfeifc. ©er nady- 
maligc fc^iüeijcrifd)e SimbeSpräftbcnt Dr. ^aiob ©ubö üon 
Slffoltcru, bamalö ©ubftitut beim 5ßer]^örgerid)t, ritt an bcm 
jonberbaren ®emaltö()auf en , ber bereits im .ffnoimuer 2lmt 
angelangt mar, öorbei unb rief bem greunbe lad)enb ju: 
„©ottfrieb, bu l^aft ja einen l)ö^ernen Seuerftein!'' Sn ber 
S^at befanb ftd) an ber ©teile, mo biefer fein follte, ba« 
flblid)e @perrl)öliciöen, baö in griebenöjeiteu am ©emel^i'f^Iofe 
angebrad^t mar. ®ie 3wrid)er jogen über Ottenbad) unb 
3J?ettmcnftetten nad) 5Rafci^manben, mo ©tattl^alter ^egetfc^* 
Weiler ben SBeitermarfd) öerl^inbertc. Sie SBaucm geigten 
fid) über bic t^atcnburftigen Ärieger fcl^r ungel^alten: ejS fei 
eine ©d)anbe, an einem Sonntage mit SBaffen im ganbc 
l^crumjulaufen. Sie alfo ®efd)oItencn fel)rten gröfetenteilö, 
nad^bem jte ben 2:ag über beim 2Beine umfonft auf Qn^iiQ 
gewartet, nad)t§ fleinlant unb Derfroren auf Seiterroagen 
l^eim. Slm näd)ften SKorgen fanb in 3ünd) beim fc^önften 
fjrüpngömetter baS ©eci^feläuten ftatt, mä^renbbem bie 
^auptmad)t ber ^i^eifc^aren üor ben Sporen fiujeruö burd) 
bie Äopflojigfeit ber ^I)rer unb ben 'iJJiangel an ®i§giplin 
eine DöKige 9?ieberlage erlitt, ßu @nbe be§ Sa^reS Der* 
einigten ftc^ ftcben fdimeigerifc^e Äantonc ju bem ©onbcr» 
bunbe, ber erft im 9loüember 1847 fiegreid) niebergemorfen 
rourbe. 

Sn ben grlebniffen biefer Sage murjelt eine befannte 
©pifobe jener fd)önen ^^oüeKe ÄeKerö n%xavi Sflegel Slmrain 
unb i^r Sfinflft^r". S)ie Butter ^atte ben ®ottfrieb läc^elnb 
gewähren laffen, mar aber bod) frol), al§ i^r ©injiger mit 
l^eiler $ant jurüdffebrte. 



246 2)ic ficbcn %n\xt6)ten. 

Sd^ bcft^c eine !öftlid)c Äarifatur auö biefer S^tt, m 
einem greunbe ÄeHerS, bem Äupfcrfted^er Sol^anneö SM 
1845 gcjeid)net unb foloriert: „SBie eine mo^Iorgonipcm 
greif d^ar auSjie^en tl^ät". ^m üorbem @Iiebe ber flciK 
©ottfrieb ÄeKer mit SriKe nnb fflodfsbärtd^en unb im 
ß^linberl^ute, baS grüne TOänteld^en unb eine große Srommd, 
bie er l^eftig rül^rt, umgehängt. ?Reben i^m bcr nod) ctm^ 
Heinere 3Jialer Sol^anneö S^omann, bie Sa^ne, mit bes 
fiberfc^äumenben SBierglaS im SBoppen, tragenb; im sroriten 
©liebe ge^t SRuff felb[t, cbenfaHö im B^Hnber, ein gläfc^*© 
©d^eibewaffer in ber^anb; i^m jur Seite ber ^immellangc 
^orträtift Srminger in öoUer ©renabieruniform. ©ie Snippc 
XDxxb fommanbiert Don bem Sit^ograpl^en ©rimminger, bcr 
eben ben Sefel^l: ,,SReci^tS fc^toenft ©uc^!" erteilt, ba bie 
9Jlannfcl)aft nämlid^ nic^t fibel 2u[t ju bejeigen fd)eint, in 
bie jur linfen ^anb geöffnete S^^fire be§ Sier^aufe« jur 
„^afelei" einjufc^menfen. Sie wo^l getroffene gigur Äefler^ 
mirft übermältigenb l^umoriftifd). 

®ie genannte gemeinnfi^ige ©efelljdjaft ber „Stuf« 
redeten'' — fte felbft legte jtc^ feinen 9lamen bei — beflanb 
auö einem ^eife öon fteben bewährten greunben, lauter 
^anbmerf^meiftern, bie, faft fämtlid)e im oorigen gö^rJ^unbcrt 
geboren, unüermüftlid)c ^olitifer, Slriftolraten*, Wöff^n- unb 
Sefuitenfeinbe, gur S^it be§ grei^eitÖjal^reS 1830 gufammcn= 
getreten waren, ßinige baoon gel^örten nod) gu ben grcunboi 
Don ©ottfrieb Äellerö SBater. @o ber eifrigfte biefer e^r« 
Ud^en ©emolraten, ber Sd)neibermeifter Äonrab 3Bu]^nnann 
(1791—1858) au§ ^egi bei SBintert^ur, iwo^n^aft an ber 
9^euftabt, bei bem ©ottfrieb ÄeDer feit feiner Äinb^eit ein* 
unb ausging. ®er eine @o^n be^ Kaufes, tJerbinanb 9Bu^r« 



2)ic ficbcn 5lufrcci^tcn. 247 



mann (1860 gcftorben), l^attc mit il^m bei bem TOaler $cter 
Steiger bic Seigre burdigemad^t. ®aö ^intcrftübd^en be« 
wacfern 9Keifter§, wo in einem ©laSfci^ranfe ber „©c^meije» 
rifd)e 3ie:publifaner" in ja^Ireidien ftattlid)cn goliobänben, 
Sflottecfö SBeItgefd)ic^te iinb anbere @d)möfer beifammcn 
ftanben, war oft ber @d)auplafe erregter poIitifd)er ©ebatten, 
namentlich jur Qtit, ba ber Äommuni[t SBeitling noci^ feine 
Seine auf ben ©dineibertifd) bei SBul^rmann ftredtte*). Site 
bei bem ?5rojcffe be§ S^ftreiS 1843 bie ^oligei unüermutete 
§au3burd)fud)ung l^ielt, fc^ob bie cntfd^loffene 9Jleifteröfrau 
rafci^ ein Häuflein oerbäd^tiger Rapiere in ben Ofen, Der* 
brannte fte unb bemcrfte ben ® ajutretenben : „pe räud)ere 
©pedt, bamit i^n bie 9J{äufe nid)t freffen". 

3u ben „2lufred)ten" jaulten ferner Sw"ftgcrid)tö* 
präftbent unb Äantonörat Säumler jum „SSäumli'' in 
aufeerft^I, bamalö SBirt, frül^cr Croupier in l^oIlänbifd)en 
©ienften, ber ©teinmefe Sflubolf Sempelmann im „Ära^" 
(geb. 1793), ber SBirt 3a!ob aSunberli am SRennweg (geb. 
1804), ^ofamenter SBil^elm SöerbmüIIer an ber Srunngaffe 
(geb. 1796), ©laöpubler gel^r in ,A®affen" unb Sc^ineiber 
S. SRe^er in ber 2SinfcImiefc*). SHlmödjentlid) gmeimal Der» 
fammelten fid) bie SSunbeöbruber bei einem ber bciben wir» 
tenbcn 3)litglieber unb bcfprad^en i^re eigenen unb bie 



') ©. 0. ©. 198 unb 204. Ucber „Me Stufre(^ten" ^anbelt fft. 
S^ücgö in einer ^lauberci ber ^3üri(^er ^oft" öon (Sonntag ben 
29. SJtära 1891 (Sdr. 74), ber nac^ berfelben Ouette eraä^It, wie ic^, 
ndmlic^ nac^ ÜJhtteilungcn ^erm ^arl SShil^rmannä, bc§ gleiten 
©o^ncS Don j^onrab 2ß. 

2) S)er ©(^reiner ©diaufelberger toar ni(^t cigcntH(^e§ 9KitgIieb 
ber ©efettfd^aft, fonbern ^ofpitierte nur guroeilen. S)ie ©teile o. ©. 24 
ift bamad) ju berid^tigen. 



248 ©cbic^tc 1846. 



öffcntlidien Slngclcgcnl^citen. ßw^^i öon i^nen, SBu^rmaim 
unb ffläumler, rüdttcn 1845 mit i^rem jungen greunbf 
Äetfcr jum Srcifd^arcnäugc au§. 3m ©ommcr 1842 waren 
bie TOanncn gum cibgcnöffifd^cn @ängcrfe[tc nod^ atarau 9^ 
fal^rcn, wo Slugu[tin ÄeKcr gegen bie 3efuiten bonnerte unb 
^einrid) Bfcl^offe nachts ein @tänbd)en erl^ielt. S)er jungf 
Äarl SBul^rmann trug baö Sä^nlcin ber peben aufrechten, 
beffen ©tange fnicfte, alö fie unter bem S^orbogen be^ 
©täbtleiniS SReUingen ^inburd) fuhren. Unwillig ließen jte 
bagjelbe jurfldt, allein beim 6ingug in bie gcftftabt mußte 
CS Äarl bod) nod) Idolen. 1844 befd^Iofe man, an ba^ große 
i^reifd^iefeen nad^ Safel gu reifen. ®a feiner bie JRebe über- 
nehmen motfte, fam e§ gu einer gelinben ©d^lägerei unter 
ben ^anbfe[ten alten Äraci^em. 

3u Slnfang be§ 3^^!^^^ 1846 war eö Sollen gelungen, 
in feinem g-reunbe Slnton SBinter in ^eibelberg einen SSer- 
leger für einen befonbem Sanb ©ebid^te üon ©ottfrieb Leiter 
gu pnben. Slod^mafö na^m Soßen biefe in feine oäterlidie 
$Pege, jtd^tete, fe^te bie Sebingungen feft unb untergog pd) 
fogar bem ®efd)äfte beö ÄorrigierenS. ÄellerS einftige 
©anfbarfeit gegen feinen 9Jientor äufecrte fid^ in ben fpäteren 
Sauren Iritifd^ fü^l. ©ie feiner Weinung nad^ Derfrü^te 
unb fritiflofe Sammlung würbe in ßürid) gebrucFt unb in 
1200 fertigen ©femplaren an bie 5BerlagS^anblung gum 
greife oon 55 Äreugem r^einifd) ba§ ©tücf abgeliefert. 

3Bieberum war e§ ber ,,@d)weigerif(i^e SRepublif aner" , 
ber in ber 9Zummer üom 26. 3uni 1846 auf bie Urfprüng« 
lid)feit be§ ©ic^terS ()inwieö, auf baiS reine ©cmfit unb bie 
unöerborbene ^^antafte. Wan l^abe ben @d)weijem oft bc= 
merft, bafe il)r ©oben nid)t bagu tauge, Poeten j^eroorju^ 



@tbiä)U 1846. 249 



bringen. 9lun fei ßiner erftanben, ber jtc^ ganj füf)n neben 
bie ©rften ber ©egenwart [teilen bürfe. S» ber nämltd^en 
9?ummer ftel^t fogar ein ®ebid)t an ©ottfrieb ÄeHer; barin 
bie ©tropfen: 

„ÜKit folc^cn ^infcln muß man »iebcr malen, 
9Wtt folc^cm ©riffet einmal »icbcr fc^rciben! 
®clt! ber üerpcl^t (tc^ fc^Icc^t auf Sure S^W^^f 
Unb »eit öon ®urcm SBi^ finb feine ©d^eiben. 

©in 5lug' für« ©d^öne unb ein ^crg für» ®ute, 

@in männlich !0ie6en unb ein männlich Raffen: 

Sei fotc^en Siebern ifl mir »ol^I ju ÜKutc, 

©ic pnb ber JJrei^eit aufgelegte ©äffen.'' 

©benfo fanbte ber ©ermanift 6. g. SRod^IioIj au§ Slarau 
im Suli einen langen begeifterten Saufprud) 3U ben ®ebict)ten, 
ber mit ben 2Sorten anhebt: 

„9ling8 ^ängt ber 93erg üoö 9Äu8!atcaer, 
3)a§ Zl)al liegt Doüer Üraubcnlaft; 
©0 fc^ü^e ©Ott ben neuen Äeßer, 
3)er biefe jungen 933eine faßt."') 



*) S)cr 9fleim ?Wu§fatcaer auf ÄcUer ift \\o6) manchem einge« 
fallen. Sin ungcbrucfteä SHitornett dou ^einrid) Oeut^olb lautet: 

„©ottfrieb ^eüer! 

S)ein Sein, o @d)n)ci3er, ift mitunter ^erbe, 

S)oc^ fd^medft er raffenl^aft roie SKuSfateller/ 

Unb ©olfgang ÜJtüUcr in „^einric^ .&eine§ ^öüenfalirt'' (1856) 
ßop. XVI reimte: 

„Unb bm id) befonber§ rül)men mufe, 
3ft ber ©(^roeiger ©ottfrieb j^eller; 
©ein „ßJrüner ^einrlc^" ift ©tücfroerf jmar, 
^o6) fAmedft er roit ÜWuSfatetter. 



250 erfolg. 

3n ben „Slättcrn für Iitcrarifd)C Unterhaltung" 1&46 
(5lr. 305 — 306) iDurbc bic neue 6rfd)cinung laut gepricfoi 
mit ber ©injc^rcinfung, biefe ^oeften feien gu gebanfenreidj, 
ju fein unb tief, um bie ^erjen im ©türme gu erobern; um 
fo jtd^ercr würben pe ftc^ ben 5!Beg gu allen lüfrflid^ S)en= 
fenben unb ^ü^Ienben bahnen. „@o mad^e bcnn ber junge 
S)i(i^ter feinen 2öeg! 2Senu irgenb 6iner, fo ^at er eine 
©egenmart, bie i^m bie Sufwnft öcrbfirgt." SBoIfgang 
?fllenjelö „giteraturblatt" Don 1847 (@. 291) rügte blofe bü$ 
rabifale 6ifenfreffert()um ber politifd^en Sieber. 

Sluci^ el^emalige 9Jiünc^ner ©enoffen beglücfmünfc^toi 
ben ®icl)ter ^erjUci^. So fcl)rieb i^m Slufluft 5)iüllcr aus 
SB^I (fpäter aitarbauer unb SSergolber, 1882 geftorben) im 
Suni 1846: „®e^r unerwartet mar mir ba§ @efc^enf S)einer 
®ebid)te. SBie ^erglid^ fie mic^ aber freuen, ba5 fann i(^ 
®ir faum fagen. ^ä) ^atte noc^ nid^t B^t, Diel barnt jn 
lefen; aber mo ic^ laö — überall ©eift unb ©emüt unb 
rege ^^antajie. 3d) mufe gefielen, St^nlid^eS mie „apofiaten- 
marfd)" unb „3efuiten^a^" , Iräftig unb martialifd^, ftanb 
oon S)ir gu erwarten; aber baö meid^e ©efü^l, ba§ ouä 
©einen 9Zatur= unb fiiebeöliebern fprid^t, jte^t man ©ir oon 
aufeen nid)t an. ,^örft ®u, regenfieren mill id) ®ic^ übrigen^ 
nid)t — id) fann'ö nid)t — aber freuen barf id) mid^, bafe Su 
ein fo ^errlid)er Surfc^e bift. ©lud auf gu ©einer galjrtl 
^egafuö möge ®id) tragen gu ben lid^ten ©tcmen Urlaub 
unb ©efener! . . . ®ai§ Sud) foll red^t fd^ön cingebunben 

(5r l)ai gefprod^en; fo fpric^t bic !J^atur, 
S)ie fid^ poetifd^ öerfläret; 
(S§ ^at mir lange ni(^t§ folc^e 8uft 
2öie fein „(Belbrotjla" gcmä^ret." 



erfolg. 251 

werben, unb Dome prange alö SEitcIfupfer — ©ein Porträt Don 
SBerbmüHer, baö id) ftetö aufberoal^rte, aber nie baüon 
träumte, iijxn nod) biefe SBenoenbung geben ju fönnen." 3^^ 
möd)te gerne annel^men, bafe ber wadfere Slltarbauer Sluguft 
SBüDer bem ©ic^ter be§ „®rünen ^einric^" bei ber ©eftalt 
beö ®otteömad)erö Dorf einwebte. — Unb Sodann ®eorg 
9JlüUer Don SB^P) fd^rieb am 7. Wärj 1847, alfo furj 
oor feiner Slbreifc nad) SBien, öon 2Bintertl)ur au§: „Seine 
Seftrebungen unb ©ucccffe al§ ©id)ter ^abe ic^ mit ^reube 
unb iSeilna^me betrachtet, ©pd^ würbe id) wirflic^ bebauem, 
wenn ©ein Salent al§ fötaler, an beffen IJrüc^ten mein ^erj 
fd^on in ?JJlünc^en $oepe ffil^Ue, ungepflegt liegen bleiben 
würbe." . . . „SBaö mid) betrifft — fäl)rt gWüHer fort — 
fo l^abe id^ eine fd)öne italienifd)e Sfleife bis nad^ ©icilien 
wol^l als ben fc^önften 9Koment meinet Sebenö genoffen, 
©ie Slrd)iteftur l^at mir biö je^t nod^ fein freunblid)eiS ®e» 
fic^t gemad^t. @o lange fie blofe auf bem Rapiere liegt, ift 
fte bie ärmfte Äunft. ©oc^ gel)t eö, ©ottlob, bem auftauen 
gu. ^ier in SBintertl^ur wirb ^err Sm^of ein poetifd^eS 
Sanb^auö (fo weit ^oefte ^ier ju Sanbe gewagt werben 
barf) nad^ meinen ^rojeften auf feinem fc^önen Sübel bauen. 
3n @t. ©allen bürfte fpäter mein SfleftaurationSprojeft ber 
proteftantifd)en ^auptfirc^e gur Sluöful^rung fommen. ©ie 
Slrd)itef tur , bie Äunft überhaupt, erfd)einen mir mand^mal 
fo unfrei, fo gefeffelt unb flcin gegen einft, bafe id^ mutlos 
unb traurig werbe, ©ie ^oepe, bie eingig nod) frei ift, im 
ooDen Sinn be§ SBortcS, giel)t mid) mächtig an. geiber 
fälble id^ gar gut, ba^ biefer, ob leibenfd^aftlic^en Siebe bod^ 
faum je geratene Äinber entfpriefeen fönnen. 3c^ fenne 

') ©. 0. (B. 94 f. 



252 ©rfclg. 

meine 3)?utterjprad)e gu wenig. 5)od) gehörten ftet§ fcie 
roenigen ©tuuben bid)terifci^er Serfud^e gu ben glüdffeligften 
meinet 8eben§, unb id^ fe^ne inid) fcl^r, cinft — burd^ ari^i^ 
teftonifd)en @olb für einige 2^xt gefättigt unb gefieibet - 
mid) in etwaö ©röfeerem, wenn aud^ unglücflicb, xoa€ wa^r^ 
fd^einlid) i[t, ju Derfud)en." 

S!lu6erl)alb ber @d)roeiä mürben ©ottfrieb ÄcBer^ ©^ 
bid)te biö auf bie neuere Qtxt öer^ältniömäfeig wenig beachtet. 
@ie geigen bereits bie frifd)e urwüd^fige ©igenart il^re^ Ur^ 
beber§ unb befielen mit ber Äraft einer ^latumotwenbigfeit. 
Über poIitifd)e Söfl^Öofigfeiten , über alle bie fc^önen Serje 
Don Solföbeglücfung unb SSoIföbefreiung, über ba§ ©^impfen 
gegen bie ^^Jfaffen, bie in ©runb unb ©oben l^incingefungai 
würben, fowie über üieleS anbere, was bamals eben in ber 
fd)weijerifd)en Suft lag unb l^ier lebenbigen SluSbrudf fanb. 
I^at ber gereifte ©id^ter felbft geläd^elt. 

®er SJerleger fanbte baS Sanbd^en ol^ne SEBiffen bes 
©id^terS, aber unter beffen 9?amen, an einen Htterarifc^en 
geinfd^medfer, an SBarnl^agen Don 6nfe in fflerlin. @ott^ 
frieb ÄeHer war nid)t wenig erftaunt, nad) einiger 3^i^ ^^n 
folgenben 33rief ju erl)alten*): 

,,^ere^rtefter $err! Sie l^aben mid) gütigft mit einem 
®efd)enfe bebad)t, baS jugleid) ein gewöl^nlid^eS unb ein 
felteneS ^eifeen fann, mit einem Sänbd^en ©ebid^tc, xoa^ oft 
genug oorfonimt, aber aud) mit einem 93änbd)en ^oefie, 
uub ba§ ift eine Seltenheit, fogar in unfern Sagen, bie jo 
reid) fmb an wirflid^ fd)ßnen poetifd)en Jalenten unb bod) 
oerfiältniömäfeig nur wenig ^oefie erzeugen. Empfangen 

') S^a§ rrioinal bepnbet fid^ im ©efi^e Don ^crm Dr. SW. (SgKnger 
in 3örid). 



^Bricf S^arn^agcnö. 253 



©ic in bicfer 3lnerfcnnung bcn bünbigften Sluöbrucf meinet 
aufrid^tigftcn njärmftcn ©anfeö! 

3c^ fcinb 3^rc werte ®abe ()ier bei ber ^eimfel^r Don 
einer jiemlic^ mißratenen Sabereife unb fonnte barin fo* 
gleich eine 2)litl)ilfe erproben, üerbriefelidien unb franfen 
(Stimmungen erfrifc^enbe 8luff)eiterung gu gewinnen. ®ie 
^ieigung gum ®ü[tern, bie ftcft in 3t)ren ©efängen l^in unb 
lüieber jeigt, I)at biefer Söirfung infofern feinen ©intrag ge- 
trau, alö jene 9leigung mir weniger wefentlid^ unb me^r 
aufgetragen erfd^ien, fo bafe ic^ glauben mufe, 3^r ©inn 
wirb fold)e üon felbft au^fc^eiben unb abwerfen. @ie er= 
lauben meinem wa()ren Anteil gewife baö offne Sefenntni^, 
ba^ id) bie gieber be§ gebenbigbegrabenen für einen 5Ri6» 
griff im Stoff l^alte: ber fc^auberl)afte ©egenftanb fann bie 
^oejte faum einen Slugenblicf anjiel^en, aber nid)t feftl^alten, 
außer inbem er jte felber mitbegräbt, ©abei Derfenne id) 
nic^t, baß Sie bie einjig erträgliche Seite ber Säorftellung, 
bie ftttlic&=religiöfe Äraft einer aud) biefem Unglücf über= 
legenen ©eele, wei^lid) ^erüorge^oben ^aben: inbeö bleibt 
bie Se^anblung überhaupt noc^ immer ungeniigenb unb 
würbe eö meinet ©rac^tenS immer bleiben, fo oft ein ®id)ter 
fic^ öornäl^me, biefen ©egenftanb auöbrücflid) unb abgefonbert 
ju bearbeiten. ®erftenberg§ ,llgoIino' gibt ^ieüon S^uflniö, 
wä^renb bie epifobifd)en gebrängten QMtn ®ante^ in einer 
Slrt üon 5ug ^^^ SRec&t befielen. ^u6) bie lörftifd)e ®e« 
liebte wünfc^f id) au§ S^rer Sammlung ju Derbannen; bie 
in biefen Stoff üerfci^wenbete bic^terifd)e Äraft würbe jebem 
anbern beffer ju gute gefommen fein. 2öie glüdlid) finb Sie 
in Sluffaffung ber 9iatur, in ben Silbern, bie i^r jum 2lu§* 
brud bienen! Sauren Sie fort in biefer SRici^tung: bie 



254 ^rief S3arn^agcn§. 



fd)önftcn Ärangc ^arrcn Sl^rcr ba! — aUc fJoeftc unb Äiiir^ 
l^at ben fflcruf, gu erl^cbcn, gu erweitern; aud) beö entfe^cn^ 
unb bcr SBcrgweipung bemäd^tigt fte jtd^ nur gu bcm 3«>«'. 
bicfc gu übcnoinbcn, gu be^crrfc^cn. ©ie§ ift oft gcfagt unb 
erörtert, aber bem bic^terifd^en Sewufetfein feiten tief genug 
eingeprägt. 

Sergeil^en @ie, bafe ic^ 3^r^ poetifd^e ®abe burc§ eine 
fritifd^e eriüiebere. Sie bebfirfen berfelben nic^t, ba^ qlaaV 
icf) gern; id^ aber bebarf i^rer, ate beS fpred^enbften S^ 
weifet meiner aufinerffamen Seilna^me unb banfbaren Qt- 
ftnnung. 

Seben Sie wo^I, unb möge ber ^immel S^nen (St- 
beil^en unb (Srfolg gewahren auf ber poetifd^en IBal^n unb 
auf jeber anbem! 

^JÄit banfbarer ^od^ac^tung üerl^arrenb, S^r ergebenfter 

SBam^agen öon 6nfe/ 
Berlin, ben 19. Sluguft 1846. 

9Jad)bem auö bem eingegangenen Honorar ber Süric^er 
Suc^brudfer bqal)lt war, unternahm ©ottfrieb Äeller mit 
bem SRefte eine Heine ©ommerreife nad^ ©raubünben unb 
gmar in ©efeUfd^aft be§ befannten gugerner SRufiferö unb 
©ic^ter^ 3EaDer Sd^n^beröon 2Bartenfee (1786— 1868) 
unb eines 9leffen Don goUen, beö fpätem Sd)uIbircftDrS 
®. ^rölid^ auö Sem. ©c^n^ber mar 1844 aus granf* 
fürt a. 9R. , ber ©tätte feiner SBirtfamfeit , auf einige 
3a^re nad) Sugem übergeftebelt. 3" Einern Sluffa^c ber 
?Rad^Ia6jd)riften fdt)ilbcrt i^n ÄeHer als ein Original auS 
ber alten 3^it: l)alb SBeltnmnn, §alb ©onbcriing, aber 



Steife nad^ @)raubünben. 255 

allem ©Uten unb ©d^önen lebenbig gugetüanbt, eine [tattHd)e 
tnilbe ©eftalt, immerbar fommerlic^ in ben „unfterblid^en 
9lanfing" gefleibet. ÄeUeriS fö[tlici^e (ärjälilung barf an 
biefer ©teile nid^t fehlen: 

„6S war etma um baö ^al^r 1846, alö ic^ in ©d^n^ber^ 
unb eines ©ritten ©efeUfd^aft ben Sund)* unb SBalenfee I)in= 
auffuhr, um einen ©ang burc^ bie 5BiamaIa gu tl^un, xoM)t 
nod) feiner öon unS gefeiten l^atte. 

©a§ aSetter mar l^errlid), biö mir an Ort unb ©teile, 
b. 1^. am ©ngange ber ©d)lud^t maren; bort mürbe eö trübe, 
unb ba meine beiben ©efä^rten ft^ fd)on an bem biöl^er 
©efel^enen jatt bemunbert l^atten, fo fc^ien il)nen je^t jener 
ßwedf erreid^t unb bie mol^l unterl^altene ©trafee gmifd^en 
ben naiven gelöroänben gerabe bequem, jtd^ in mupfalifc^en 
©efpräc^en barauf gu ergel^en. Äeineö S3Iide§ mürbe ber 
tief unten jcftäumenbe SR^ein, feiner Semerfung bie fül^njie 
gorm in ber ^ö^e, bie fd^önfte Vegetation gemürbigt; nur 
fpegipfd) mupfalijdje ©treitreben l^örte man unter öfterem 
©tiDefte^en unb ©eftifulieren. Sluf meine S^rftreutl^eit enblid^ 
aufmerffam gemorben, fagte ©cftn^ber: ,,Äommen ©ie, laffen 
@ie unö je^t aber aud^ ein anbereö Sl^ema berül^ren! gaffen 
©ie ftdö mein ßiif^mmenfein mit Sflficfert ergä^Icn!" 9?un 
befd^rieb er unS, mie er öor langen Sauren eineö SageS 
Qud) bei bem ©id)ter gemefen, gur 3^it, alö SKattl^iffon nodt) 
lebte; mie ba gerabe eine Slrt ^ulbigungögebid^tc^en öon 
biefem an ben 9Wcifter ber Sieber uub ber ©prad^en ange* 
fommen fei, SRücfert e§ ftumm gelefen, ©(I)n9bern gegeigt 
unb ba^ Rapier bann langfam mit gmei fpi^en gingem in 
feinen ^apiertorb l^abe pnfen laffen. @in ©c^auber l^abe 
il^n, ©c^n^ber, beim Slnblicl biefe§ aBed)feI§ ber ®inge. 



256 Steife naö^ (S^raubünben. 



tief er 33ergän9ltcl)fcit burd)riefelt*). '3Kid) crbofte bic ntu^ 
träglic^ cr3ä^Itc 6;retution öoKeiib^, imb id^ rief: „Stua, ia 
fann man öon SRücfert je^t fd^on gange btdfe ©ramen, j. 8. 
feinen ,6oIumbuö* (ber unlängft erfd)ienen war), in ba 
^apierforb werfen; benn ber ^apierforb beutfcfter 9?ation iji 
tief wie biefer Slbgrunb l)ier!" 3Bir Ratten eben ba^ wr- 
lorne 2od) paffiert unb ftanben gerabe gur ©eite be^ tiefjiai 
Slbfturgeg ber 33iamala. „Sc^en Sie, fo wirb ber ,6oIumbn6' 
l^inunter f auf ein, gerabe wie jencö arme @ebi(^td)enl* 34 
na^m eine fufelangc Steinplatte, wie man un§ in 6^ur g^ 
raten l)atte, öom ©eröUe am SBeg unb liefe biefelbe über 
bie Sruftwe^r ^inunterf allen. SBir gucften bem ©tein alle 
brei nac^, unb wirflic^ war baö ,2od)' fo tief, ba^ ber 
©tein gule^t langfam wie ein Don ber 8uft getragene^ 
Rapier gu fd)weben jd^icn, e^' er, an einen gelö fd^lagenb, 
über bem SR^einfc^aum unten gerftäubte. 

„„®ut, rief nun @d)n^ber, biefed oerlorne goc^, biefer 
fd)Iec^te SBeg, SBiamala, foll ber beutfd)e ^opierforb fein; 
ba wollen wir gleid) 6ure gange ©ramatif, @uren ^erm 
fo unb fo unb bm unb ben, Suere TOobemften allefauit 
^inuntertl)un ! Unb ^ier ßuere ©ebic^td^en, 6uere S^itungö^ 
artifel, ©uren gangen ©d^merg, fo tief wie ein ^apierforb!** 
©amit ergriff er ©teine unb ©teind^en, biefelben luftig in 
bie Siefe fenbenb unb jeben mit bem 5Ramen eineö mobemen 
©eräufc^mac^erö benennenb, wogwifd^en id) bagegen nic^t 
fäumte, eine ^ai)l 3lutoren auö feiner Sugenbgeit ober ein^ 
gelne ©rgeugniffe bcrfelben nad)foIgen gu laffen. ©un^ biefe 
^offe waren wir jebocfe alle auf bie ©röfec ber uns umge« 

S3gl. ^eben^erinnerungen Don ©c^npbcr ö. SBartcnfee (1887). 
©. 346. 



9icife nad) ©raubünben. 257 

benbcn Statur aufmerffam getüorbcn unb c5 würbe il^r Don 
nun an bic gebü^rcnbc 3lufmcrffamfcit gcioibmet. 

aber als voix, auf bent SRücfwegc, am näd)ften Jage 
in Slaga^ übernad)tcten, befd^Iofe ©d^nqber, bic Slafcweigs 
tjüt ber Swß^nb nod) eftra gu beftrafcn. 3ö^Ii^^id)e ®aftc 
befanbcn jtd) fd)on an ber Heilquelle, hinten in 5Pfäferö 
babete Samartine, Dorn in Slaga^ waren aud) jwei ober brei 
oft genannte ^erfonen, fo bafe eine gewiffe 9?eugierbe unb 
ein ©et^ue in berlßuft ftedfte. Siamentlid) war ba irgenb 
eine berühmte Sängerin ober ©d^aufpielerin, welche im „§of" 
logierte unb bie @d)n9ber 3U fennen bel^^uptete. ©iefer Der* 
fpraij^ er un5 nun üorjuftellcn; aber e5 muffe, fagle er, auf 
originelle SBeife gefd)et)en, burd) ba§ Mittel eineö ©länbc^enö, 
baS er beftreiten wolle. 9?ad)bem in ber ®un!ell^eit baS 
erleud)tete genfter ber berühmten Schönen aufgefud^t war, 
fteQte ftc^ @d)nQber mit unö barunter, gog plö^lid) ein 
i5lageolettd)en Don (äbenl^olj, Don beffen SBorl^anbenfein wir 
feine SH^nung gel^abt, au§ ber Safere unb blies eine aller- 
liebfte ©eife auf bem fleinen 3uftrument. SBerwunbert über 
biefe unDerl^offte Äunft, gafften wir jeboij^ fleißig in bie 
^öl^e: ba§ genfter tl^at ftd) auf unb bie ©ame fd)aute 
gleid^fallö Derwunbert auf un«^ l^ernieber Dom erften ©todf« 
werf. 35Bir fa^en uni8 nad^ unferm ©d^n^ber um, bafe er 
baS SBort ergreife; allein ber @d)alf ^atte fid^ fd)on mit 
größter ©ewanbtl^eit im S)unfel Derloren unb liefe unS be« 
f^ämt im ©tid^e, fo bafe wir plö^lic^ JReifeauö nal^uicn unb 
mit langen ©ä^en um bie @de pol)en. 

3n ben gleidt)en Sommermonaten ^örtc ic^ ifjn nod) 
ein feltenereS 3"ft^uJ«cttt fpielen, baS Dielleid)t ju biefer 
©tunbe niemanb me^r fpielt. 

®ottfrieb «eOer. 17 



258 S)te ©kd^armomfa. 



^ä) jafe in einer jd^önen SRonbnac^t in 2ujern auf 
bem Salfon bc§ ©aft^QufcS gut ,2Baagc^ bidE|t über bcr 
SReufe, mit ein paar greunben meines SHterS unb befc^äftigt 
einer Somle nid)t gar fd)wad^en licifeen ©etränfcö bif 
©d^minbffid^tigfeit beS ©afeinS gu bemeijen. ®er freunb^ 
Iicf)e @d)nQber, ber bei Sugem feinen Si^ unb aufeerbem 
nocf) eine 35Bot)nung in ber ©tabt befafe, fud^tc mid^ bei ber 
befd)riebenen Sefdjäftigung auf unb fc^tc fic^ eine ©eile ju 
uns, ot)ne jebod) gu trinfen, ba er mÄftenS nur ein ©lo» 
^ilrf) ober bgl. gu ftc^ nal^m. ^ier »ufetc er mic^ nun 
etmaS auf bie Seite gu loden unb flüfterte mir inS D^r, 
wir monten einen ©enieftreid^ mad^en (benn er nannte aDer- 
^anb fd^alft)afte, aber l^armlofe ©infäHc gern ©eniejlreid^e), 
ic^ foQe mit it)m nadf) feiner ©tabtmo^nung fommen. 34 
^egte ben SSerbac^t, bafe ©dinqber nur begwecfe, mid& Don 
bem @elage gu entfernen unb mid^ an tt)flrbigered S^un gu 
feffeln, oicIIeidf)t im ©noerftänbniffe mit gemiffen anbem 
mfirbigen ©rauKpfen; bennod) ging id) neugierig mit i^m 
nac^ ^aufe, tt)o er mir erflärte, bafe er mir gang allein 
auf feiner ^armonifa üorfpielen woHe, »aS ic^ für etwas 
Slcd^teS galten fönne. 6§ war bieg nämlid^ bie bamal^ 
fd)on gur größten @eltcnt)eit geworbene ^armonifa oon 
©laSglocfen, weld^e an einer ftd^ bre^enben SBalje flaDiatur* 
artig aufgereit)t waren unb mit ben ^ingerfpi^en , aber 
burd) Sleibung, wie ein Älaoier gum Sönen gebrad^t unb 
gefpielt würben, baS 3"ftrument, auf welkem weilanb bie 
fd)öne Singelifa Kaufmann in diom i^re SSere^rer entgüdtc 
unb rührte. 

3n jüngeren ^af)xm ^atte gdjn^ber etwa noc^ öffentlich 
barauf fongertiert, allein mit 35orfidf)t, ba namentlid^ garte 



2)te ©laS^armonifa. 259 



Sraucn gerne in S^räncn au§bracf)en ober gar Sfieroenju« 
fälle befQmen beim Sln^oren ber ergreifenben Jone*). 

@o würbe nun baS ©eräte, ein flaöierartigeS 9JföbeI, 
abgebecft unb eS geigte pd) bie in einanber gefd)obcnc ©lodfen» 
reif)C, an weld^er ficf) 3flanb an SRanb legte, öon ber ©röfee 
einer 2Baf(j^jcl^fiffel bii8 ju berjenigen eine« fleinen Jä^cfienö. 
©urij^ fad)te Sufetritte breite pd^ bie SBalge langfam unter 
ber ©eroiette, mit weld^er ©din^ber bie ©locfen jart forglid^ 
abrieb unb Dom legten ^aud^e befreite. S)ann wufd^ er, 
immer leife unb anbad)tig pd^ bewegenb, bie ^änbe unb 
trocfncte pe mit Äleie, biö aud) pe in religiofer Sleinl^eit er- 
glänjten. 

Se^t erft fe^te er pd^ an bie ^armonifa, lang unb 
i)üb\i), wie er war, in faft ganj weitem ^auSgewanb, mit 
feinen plbemen Socfen. ©urd)5 offene genfter ftrat)Ite ber 
im 9Konblid^t rul^enbe See, fd)aute ber mäd)tige gel^eimnig= 
öolle Umrife be« 5ßilatu5bergeö herüber, unb nun begann 
ba§ Spiel mit bcn geiftert)afteften Sönen, bie id^ je gel)ört, 
bi§ pe in voller Harmonie gufammenpopen unb mit wunber^^ 
bar fanfter ©ewalt öon einem fd)önen Slbagio in§ anbere 
gingen, bis faft eine ©tunbe öoruber war. 

„©o!" fagte er, enblid) abbrec^enb, unb ftanb auf. 
@ütig legte er mir bie ©anb auf bie @df)ulter unb fagte: 
„9iun wollen wir aber ju Sett gef)en. ©el^en @ie je^t 
aud^ fcftlafen, l^ören @ic! unb träumen Sie waö ®ute§!" 

3c^ fc^ritt wieber nadt) ber ,35Baage*, wo id) wol^nte, 
burdf) bie ftiHen ©äffen , glüdflid^ über ba§ ©cnopene, aber 
audf) bcred)nenb, ob bie Sowie wol^l fd)on ganj geleert fein 



S5öl. ScbenSerinnerungen ©. 301 ff. 

17 



260 Sßtl^dm Baumgartner. 



möge? 2)eun 2!ugenb l)at nid^t Diel Sugenb, obioo^I nic^ 
weniger, al§ ba^ Sllter. 2ltö id) Qnfam, mar bie 39on)k 
leiber ju @nbe; QÜein üorforglic^ Ratten bie greunbe ru)d) 
eine anbere befteüt, bie eben aufgetragen mürbe, unb mm 
fpielten wir auf unfere SBeife aud^ nod) ein Heiner SHegw 
auf ber ®la§f)armonifa. ©eöwegen aber Dergafe ic^ P« 
©tunbe bei ©cfinqber bod^ nid^t me^r. 

es war, bid^t üor bem ©onberbunböfriege unb bm 
^aijx 1848, wie ber fd)eibenbe, melobifd) Magenbe ©niB 
einer früf)eren Äultur." 

®a§ fomifd)e @tänbd)en in SRaga^ l^at Äeller bie* 
weilen erjäl)It. ®ann pflegte er bie umftänblic^e Slrt, mit 
ber Sdinqber ba§ glötlein gufammenfe^te unb blieö, mit 
feinen unnad^a^mlid)en ©eften ju begleiten. Sluf bem SBege 
nad^ ber 33iamala jwang ein SRegen bie 3Banberer, in einem 
Söirtöl^äuöd^en, wo eine alte, immerfort fpinnenbe grau fafe, 
@d)u^ JU fud)en. Seim Serid^tigen ber ßcdje gab fie alte 
Slu^ger l^erauiS, unb auf bie grage, ob fte miffe, welchem 
Sanbe i^r S^al angef)öre, antwortete pe: „^d) benfe, »ir 
jtnb gut faiferlid^''. 

Um bie nämlid^e Qüt fdf)lo§ ftd) ®ottfrieb Äeller aufs 
engfte an einen anbern 9Jiufifer an, ben ©t. ©aller SEBil^elra 
Saumgartner*), benfelben, ber bie oielen fc^önen SEBeifen ju 
ben Siebem be§ greunbeö gefungcn ^at*). Saumgartncr 

*) 330l. (6. SBibmcr) SBil^elm S3aumöartner. (gin 8<benSbift 
(3ürid), S)aDib Sürfli 1868). 

») © ottfrieb ^eUerS ©ebäc^tni^Iieb in ben ©efammelten Skrfcn 9, 
217. Söil^elm S3aumGartner ^at folgenbe ötcbcr ^eUerS in 9»ujtf ge« 
fe^t: gür Dicrftimmigen SKcinncrd^or: „Un mein SJaterlanb" 3uni 1846; 
„©c^ifferftänbd^en" („©c^on l)at bie fila6)i ben ©ilberft^rein") 1856; 
„3luf ben 2lbfcf)ieb eine§ ©c^roeiserö" („5Jon 53erö unb grünen 3SSdben') 



3öilf»elm ^aumgartner. 261 



war am 15. 9?ot)ember 1820 alö ©ol^n bcr wadferen 
aSirtSleute gum „®rünen Saum" in 3florfd)ad) geboren. 6r 
offenbarte frfil^jeitifl ein bebeutenbeS 3J?ufif latent, xotiäjt^ 
feit 1833 ein fcl^tt)äbifd)er ®eiftlid)er, ber ^PfarrDifar Sofef 
SBalbmann ju 9iJlefefird) unb Ueberlingen auf brei Saläre in 
5PPege na^m. 1836—38 befud^te er ba§ ©gmnaftum in 
@t. ©allen, im Sräl^ja^re 1839 bie Unioerfttät QM(ij, tt)o 
er ftd) inbeffen unter ber geitung aiejranber ^llflUerö an^- 
fdiliefelid^ ber TOupf roibmele. 1842—44 toar er alö 
50]upfle^rer in @t. ©allen tl^ätig, ging bann im SBinter 
1844 nad) Serlin, um ftd^ w"ter Saubert weiter auöju* 
bilben, unb tt)ät)lte im Slpril 1845 Sörid) jum bauemben 
aSo^np^e. Seit 1851 leitete er al§ 9lad)folger ^anj abt§ 
ben ©tabtfängeroerein; 1859 würbe er SJlupfbireftor ber 
Unioerptät, ftarb aber fd)on am 17. 3Äärä 1867. 3n QMit) 
gehörte er gu SRid)arb SBagnerö näd)ften greunben. @r 
mar eine fd)lid)te, treul^erjige, gefeHige, ^umortjolle 5Ratur. 
©eine SKännerdlöre leben t)eute nod^ in ooHer 3ugenbfrifd)e. 
1891 ift bem „guten ©pielmann" in ber 9M^e ©alomon 
©efenerS am „5pia^fpi^" ein befd^eibeneS ©enhnal er= 
rid^tet roorben. 

1856; „(2d)n)eijerbegcn" 1857-, „STuf ber Ufenau" 1858; „Srül^IinG§» 
gru6" (,,2öenn bie grül)nng§Iüfte glänjcn") 1860; (gröffnung§Iteb 1858 
(„SBir l^aben l^od^ im S3eröreuicr") ; ©öngergruS 1858 („2)a ift ber 
grcif)eit ©ilberfc^ilb"); „Söalbftättc" („(5§ [inb Dier Öänber gelegen'') 
1867; „Sieb Dom Söort" („Sluf laffet un§ jingen") 1858 (ungebrucfte 
^ontpofition). 

Pr eine ©ingftimme: „SRüdfblid" („3d) toiU fpiegeln mid^ in 
jenen Sagen" £)pu§ 19) 1846; „5ln bie ««atur" („^ÜE* ein mid^'' 
DpnS 4) 1850; „.5)erbftlieb" („(S§ ift ein ftiUer «Regentag" Dpu§ 22) 
1859; „©d^roeiaerlieb" (,,®Iüd auf, mein «iebct)en ift ermat^t", £)pu§ 24) 
1862; „^x6) aieret bein ©lauben" 1865 (in £)pu§ 28). 



262 S^ic^arb Sagner unb ^aumgartner. 

Sfiid)arb SBogncr, bcr 1849 gum crftcn 9Wal in Sürii^ qt- 
totxlt ^attc, fd^ilbcrtc im gcbruar 1850 bcm fjrcunbe ä^cobor 
Ul^lig feine ^ieftge Umgebung folgcnbcrnjeifc: „ÜJleine gm« 
näd^ften greunbe, unb nomentlid) Qud) bic, burc^ bcren ^^9^ 
mein bereittDilltg unb gart mir bargebotene Unterftä^ung t4 
mid^ brei SRonate lang mit meiner gamilic unterl^ielt, ftnb: 
SBillielm Saumg artner, Älaüierle^rer, tüchtiger offcnfi 
Äopf, Weiterer, ungemein gutmütiger unb lernbegieriger SKenjt^ 
— unb Safob ©ulger, erfter ©taatsfd^reiber (fogleid) nad) 
bem fflurgermeifter) be§ ÄantonS, pt)iIofop^ifdE| fein gebilbeter 
33erftanb, nobel, guoerftci^tlic^, femfe^enber SRabifalcr. Seibe 
ftnb noc^ in ben gmangiger 3a^ren. 3n ber gweitcn 3lei^ 
[teilen: ©p^ri, junger Slboolat, offen^erjig, fel)r empfängli^ 
ent^ujtaftifd), ergeben; ^agenbud^, jroeiter ©taatöfc^reiber 
be§ Äantonö, fräftig fc^öner junger OTann, ^cHgewecfter 
Äopf, gefunbeS ^erg. lebenbige Silbung: beibe ebenfaQS no^ 
in ben gmangiger Salären. -JWein alter greunb SLlcjranber 
^3Jiüller, auö ©rfurt, unb feit 18 3al)ren als gjlufifle^rer 
in ßß^id) anfäjjtg, ift ein fe^r tfid)tiger ^Kupfer unb guoer^ 
läfftger, mir fe^r ergebener greunb: leiber ift er burc^ gu 
üicleö ©tunbengeben unb burd) aufreibenbe Äränflic^feit etroa^ 
ungugänglic^ für bie neue 3Belt geworben. 3ln biefe näheren 
greunbe fd^lie&en ftd^ eine Slnga^l entfernterer, aber fe^r an- 
genel^mer Selanntfd)aften. 3« il^rem Greife I)abe id) mic^ 
oft bi^ gur @d)äblid^feit frifc^ an* unb aufgeregt befunben*). 
alle bie ^ier ®e|d)ilbertcn maren aud) na^c greunbe ©ott^ 
frieb Äellerö. ?iur nod^ ©ner üon i^nen ift ^eute unter 
ben fiebenben. 



') [Ric^arb 2GBaöncr§ 33riefe an 2:l)cobor U^Hg, SEÖil^elm %\\^, 
gerbinanb ^eine (1888) ©. 31. 






SRic^arb Wagner unb IBaumgartner. 263 

• 

Saumgartncr l^attc fein Dpu§ 12 „@inc grü^lingSlicbc" 
3fiid)arb aSagncr gcwibmct, worauf biefcr bcn Sicber!rci§ 
— bic Ztjdt waren t)on ©eibel, Slfidfert, Senau, §eine, 
SJlörife u. a. — in ber in Snxid) erfd^einenben „©ibgenöfftfd^en 
Seitung" üom 7. S^bruar 1852 u. a. folgenbermafeen d^araf* 

teriperteO: r,S)ie Songebilbe 2B. SaumgartnerS, wie 

fte in ber ©efangömelobie unb einer ^Begleitung, tt)eld)e biefe 
^JJielobie wieberum trägt unb öerbeutlid^t, erfd)einen, ftnb 
äunäc^ft $robufte rein mufifalifd^er ßrpnbung; erfreulid^ ift 
I)ier aber foglei^ bie 3Bat)rne^mung, wie biefe ©ebilbe ganj 
in bem ®rabe aucf) mupfalifd) werben, alö pe t)on einem 
bcbeutenben 3nt)alte beS ©ebic^teö angeregt ftnb, waS un§ 
Don ber gefunben Stellung be§ 9Jlufifer§ 3um ©id)ter baS 

befte S^wflni^ Ö^^^*- . . . 3« i^i^f^^ SRid^tung . . . mufe Saunt* 
gartner enblid^ in bie ?iotwenbigfeit geraten, ben ©id^ter 
aufjufud^en, ber burd) feine ®ebid)te nid^ts me^r ber rein 
mupfalifd^en SBiQtür beö Äontponiften überlaffe, fonbem in 
i^nen il^nt bm öoUftänbigen ftnnlid^en wie ftnnöollen Äeim 
für bie Slüte ber ^Jielobie gufü^re .... ?DIöge Saum* 
gartner biefen ©id)ter in feinem fdjweijerifd^en Sanbömannc 
unb Sreunbe ©ottfrieb Äeller pnben, unb ber gemein* 
famen @dt)öpfung§fraft beiber ba§ wirflidf)e, öon ber S)idt)* 
tung wie oon ber TOelobie untrennbare Sieb entblül^en, bai8 
in ber ^robuftion ber l^eutigen SJlobe gar nid^t öor^anben 
ift, unb bem SBaumgartner feinerfeits in feinen unS öor* 
liegenben Siebern mit llebenöwurbigem @ifer juftrebt!" 

3Jleifter beS Älaöierö, entjüdfte SBil^elm Saumgartner 
mit feinen 3mproüifationen bie S^reunbe am liebften bei einem 



*) ©. anä) a. a. D. ©. 154 ff., roo ber ganje 2(uffaft mieber ab- 
Qebnicft ift. 



264 



3o^annc8 9iuff. ^b^deU 



®lafc SBcin. 3"^^ Sommcröjcit jog man ^inau^ auf ben 
^JJJuggcnbü^I. Sonft fafe man abcnbö in bcr ©tammfncipe: 
im „Caft lit^raire", ber „Slltingerci'' ober im Äiinftlfr» 
gütli. ©er @efcnfd)att ÄcKcrS unb SBaumgartncrö )4Iob 
jtd) bamal« aud) bcr talcntüoHc Äupfcr[ted)cr So Cannes 
3flutf an. 6r [tammt auS Dberftrafe, wo er 1813 geboren 
mürbe, unb ftarb am 21. Slpril 1886 in 'ftiller S^nirfge^ 
gogent)eit ju SBeiningen bei Söncf). ©eine Äunft ^atte er 
bei Dberfogler in ßörid) erlernt unb eine Seit lang in 
^eibelberg, SBien unb 3Jlünd)en ausgeübt. 1853 ftebelteer 
nad) 9Keiringen über unb oerlegte ftd) neben feinem eigent^ 
Iid)en Seruf auf bie Slquarellmalerei. @r ^at ganj reijenbe 
©enrebilbdöen I)interlaffen, bie bei feinen Sebjeiten niemonb gu 
®efid)t befam. ©onft ftad^ er Porenlinifdje SBebuten nad) @a= 
lomon (Sorrobi, bann nad) 33ü^Imann, Ulrid^, SBogel u. f. ©. 
Sluff, ein emfter, faft oerfd)Ioffener 5Mann, gehörte mä^renb 
ber 3^it ^on ^erbft 1845—47 ju Äellerö oertrauteftcn 
greunben. SIIS er 1846 auf einige 3Äonate nad) ü)tünc^en 
gegangen mar, entfjpann fid^ gmifc^en i^nen ein regelmäßiger 
aSriefmec^fel, ber bis 1856 anl^ielt. SRuff mar ein eifriger 
^olitifer unb oerforgte ben in ^eibelberg unb S3erlin Slb= 
mefenben mit 9kd)rid)ten au§ bem öffentlid)en Seben. S)ic 
beiben famen nad)^er infolge eines ÄonfiifteS innerhalb 
ber SRufffd^en gamilie auSeinanber. Seiber finb JfieüerS 
Sriefe an SRuff oernid)tet morben. 

®urd) einen gemeinfamen Sefannten, ben ^orträtjeic^ner 
6. 5. Snningcr» lernte Äeller 1846 ben ©d)n)iegerfo^n beö 
lefeteren, ben Slargauer ©id)ter ßbuarb ©öfeefel (1810 
bis 1890) fennen. ©iefer, oon ^auS auS Suvift, OTitglieb 
beS Slargauer £)bergerid)teS, in Seon mo^nenb, fd^rieb am 



25. 5tn Serb. Sreüigrat^, 5. geOruar 1847. 265 

2. S^'&niar 1846 nad) einem Sejud) in 3ürid) an Äeller: 
„S)ie Scfanntfdiaft mit ©ir, mein ^Jr^unb, ift für mid) eine 
@pod)e. 3n ©einem Umgange finbc id^, waö id) bisher 
immer unb immer üergeblid) gefnd^t, jenes emfte Slnffaffen ber 
^?5oepe afö einer einzigen l)ot)en SebenSaufgabe." Unb nad) 
einer gleiten Swfömmentunft im 'DJMrj 1848 mad)te ©öfeefel 
bie treffenbe Semerfung: „@o einftibig auc^ öfterö ©eine 
Unterhaltung ift, fo ^abe id) Singe genug ju gewahren, bafe 
e§ ba5 @d)n)eigen ber güHe unb nid)t ber Seerl^eit ift". 
ÄeKer befud)te ben neu gewonnenen greunb auf feiner JReife 
nad^ ^eibelberg; aud^ einige Sriefe gingen an i^n, allein 
fd)on mit bem Sal^r 1849 brad) er bie Ä^orrefponbeng ob. 
ein geringfügiges ©arleil^en, ba^ ©ö^fel xooijl bringenber 
als notttjenbig, unb gwar, als ber gemannte ©d^ulbner ein 
l)artnäcfigeS ©d^weigen beobad)tete, in brei giemlid) unge* 
ftümen Sriefen Don beffen 9Jiutter jurüd'forberte, fül^rte jum 
öölligen S5rud)e. 

3m Sanuar 1847 oerlor Äeller feine liebe ©önnerin, 
grau Caroline ©d)ulj. @r melbete bie Srauerfunbe mit 
folgenbem Sriefe 

^5. litt ffrHttittt^ ivMitivailf itt i^n^^n.^) 

„3ürid), ben 5. gebruar 1847. 

Seuevfter greiligrat^! ©d^ulj trägt mir auf, für i^n 
an ©id) unb ©eine oere^rtefte grau ju fdt)reiben, juoörberft 
mit ber SBerfid)erung , bafe ein eigent)änbiger Srief, fobalb 



S)ie ©riefe ®. ^eller§ an Jreiligratr) oerbanfe ic^ ben l)od)' 
öercf)rten Sefi^erinnen berfelbcii, grau 3ba greiligratl^ unb grau 
^atl^e ^roefer«greili0ratr) in 5oreft',g)iIl, Öonbon. 



266 25. 3(n fjcrb. grcütgrat^, 5. gebruar 1847. 

nur baS ©unfcl fcincö jcfeigcn ©cmütSguftanbcS ftc^ etnw^ 
tt)icbcr gclid^tct Ijat, il^m nid^t nur luinfommcnc WWi 
fonbern aud^ Unbcrnbc ©r^olung fein joK. 

greitagö bcn 29. S^nuar nad)mittag§ ftarb feine grau, 
unb am 1. Sebruar trugen wir pe ju ®rabe auf ben Sleu* 
münfter Äird)t)of. 3^r $aupt liegt gegen Dften gewenbct, 
unb i^r gur Seite füblid^ ^erum bi§ gegen 2Beften fc^aut 
bie ferne aipenfette nuf ba§ „fü^Ie Sett" ber lieben beutfc^en 
grau. 

Dbglcic^ fc^on feit Dielen SBod^en bie ärgte bie Slt^jd 
judften unb jule^t jiemlid) beftimmt ba^ @nbe anffinbigten, 
wenn man fte unter üier Stugen befragte, fo mac^t bod) bcr 
SEob ber grau @d)ulj auf unö alle ben ©inbrucf eine^ plö^* 
Ud) unb ^art ^ereingebrod^enen Unglüdeö. ®a S^r in 
Suren ^erjlid^ erwarteten unb begrüßten Sriefen ben ©louben 
auöfprac^et, bafe alle ®efat)r öoruber fei, fo wirb ber ®m 
brudf meiner traurigen S5otfc^aft o^ne Sweifel nod^ groBer 
auf (5ud) fein. 2llö bie Selige mit ©dt)ulj üoij il)rer Meife, 
idö glaube im 92oDember, jurüdf feierte , mar fie atterbing^ 
fd^mad) unb litt bebeutenbe @d)mei^en, tt)eld)e fid^ jebot^" 
üerloren. Salb erl^olte fte fid) fo weit, bafe fte aufeer beut 
Sette fein unb nad) aftefonoale^jenten^^Slrt allerlei effen unb 
trinfen fonnte. ©abei mar fte munter unb teilne^menb unb 
freute ftd) auf ben grü^ling. @d}uli unb ic^ freuten un§ 
mit, obgleid) e^ auffaHenb mar, bafe iftr Slntli^ tro^ aller 
geiftigen 5Jlunterfeit unb tro^ allem offen unb fogar iBein- 
trinfen fortmäl^renb ein faft leid)enartigeö Sluöfel^en behielt, 
^lö^lid^, üor je^t ungefäl^r jmei SEBod)en, fteHte ftd) Slut* 
©iarr^oe ein, roeld)c mel^rere Sage bauerte, unb bie Äranfe 
mürbe fc^ttjdd^er unb fd)mäd)er, bi§ fte gule^t entfd^licf. 



25. Sin gerb. Sreüigrat^, 5. gcbruar 1847. 267 

©er gute ©c^ulg fagt, bafe jic bis gum ©nbc Don l^eitcrn 
unb Ueblid^cn ^^antajteen umfangen gewefeu fei. Sei ber 
Seid^enöffnung fanb man bie 9KiIj in boppelt Dergrö^ertem 
Suftanbe üor. Übrigens »ar bieS nid)t bie Äranf^eit, 
u)cld)e fie öon ©armftabt mitgebrad^t l^atte, unb, ein trau* 
riger Sroft! cntbedfte man bie Äeimc einer britten Äranf« 
t)cit, tt)eld)e il^r unb ben greunben bei längerem Seben 
graueuDoIIe Jage bereitet l^ätte. 

3^r t)abt uns ßueren @d)merj um @uer geftorbeneS 
Äinb über baS SDteer gemelbet*); wir antworten mit biefer 
SobeSnacfirid^t. 

@d)ulj ift anfc^einenb ru^ig unb teilnel^menb an ben 
roeltUdien ©ingen; aber innerlid) fd^eint er t)on tiefem unb 
nicberbrüdfenbem ©d^merje ergriffen gu fein; oft ift er gang 
matt, ©eine SBerwanbten in ©annftabt l)aben i^m bie 
2Röglid)feit in 8luSftd)t gefteüt, unter bewanbten Umftänbcn 
öielleid)t auf einige SBod)en in bie ^eimat feieren gu bürfen, 
was i^m fel^r lieb wäre. 2lm 1. üllärg werbe id) gu il^m 
giet)en, um feine @infamfeit gu teilen ober üielmel^r aufgu^eben. 

©er SBed^fel für $eingen ift rid)tig angefommen^). grau 
^eingen ^abe it)n fet)r gut öerfaufen fönnen. Sinbemann^) 
fagt, er wolle in @ad)en beS oermifeten ^afeteS t^un, was 
er fönne; übrigens fei eS fe^r fd^wierig unb oieIleid)t un» 
möglidö, bemfelben je^t nodf) auf bie ©pur gu fommen. 
SEBo ^eingen gegenwärtig ift, weife id^ nid)t; er l^at Dor 
einigen 3Bod)en feine Familie nad) Sern fommen laffen, 



») 9Karie grctügratf), geft. 1. 5Rod. 1846; SB. Sudaner, gerbinanb 
greiliörat^. (gin 5)id)terleben in S3riefcn 1882. 2, 190. 

') 2). f). für bie gamilie beö auägeroiefenen ^arl ^einjen. 
2) ^einric^ ßinfcemann öon ßüneburg, Kaufmann in 3öricl^. 



268 25. 5(n gerb. Srciligrat^, 5. gcbruar 1847. 

nad^bem bicfclbe in Süxid} jel^r fflmmcriid) gelebt i^at. ®ie 
Seitung^polemif, tt)eld)e gegen ^einjen in bcr @d)iDeij 9^ 
fü^rt würbe, voax allerbingS nid)t nobel; bie SlusiDeifung 
aber war nid)t ju Dermeiben. ^einjen ^at eine fflrofd^ürc 
über biefelbe gefd)viebenO, worin er über bdS Slfglrec^t goir, 
unrid^tige unb fd^icfe ©runbfä^e fnnb gibt, fo »ie er benn 
in praftifd)en ©ingen fo wenig Saft jeigt al§ Siuge. ^oupt^ 
fäd)Iid) uergifet er, bafe unfcre 3tegierungen alö SRepräfcn^ 
tanten beö ©d)Wci3erüoIfe§ gegenüber ben anbeten Sößem 
eö nid)t mit biefen felbft, fonbern mit ben Ferren 9Kettemid^ ic. 
ju tl^un ^abcn. ©o lang biefelben mit il^ren SoIImad^tfn 
als SBormünber in ben ^änbcn oor unö erfd^einen, ^aben 
wir nn§ an fie ju Italien, wenn ein @efd)äft abjut^un ift; 
unb wenn fte aKcrlei fd)Ied)te§ 3^"9 in il)rem ®efd)äft§= 
Programm uorbringen, fo fönnen wir nur beflagen, baß il)r 
SSolf fie nid)t abfegt, aber ju änbem ift e§ nid)t. ©arunter 
leiben leiber bie ßin^elnen, befonber§ bie glüd)tlinge. ©ir 
fönntcn frcilid) fagcn: „$acft Qua) mit ©ueren 2lnforb^ 
rungen, fte liegen nid)t im 33ölferred)te , weil 6uer Solf 
felbft nid)t5 baoon weife unb wiH, unb bei n\\^ ift bie grfi= 
l^eit 5JtobeI" aber bann müßten wir bie ©arantie I)aben, 
bafe fid) bie bculfd)en Siberalen, Kammern unb 93olf, wie 
6in ?Hann ergeben unb eine gewalttl)ätige Sntertjention 
gegen bie @d)weij ju oertiinbem wenigftenö fud)en würben. 
®a§ l)aben wir nid)t einmal uon ben granjofen ju erwarten, 
üiel weniger oon ben ©eutfd)en. ®afe ^einjen inbeffen auf 
fd)iefe ®eftd)ler in TOünd)en l(in unb ber Äomfperre wegen 
au^gewiefen worben fei, ift nid)t wal^r. ©mport l)at unS bie 



') 5)kine Sdioiueifunö an^" Süric^ (f&txn 1847). 



25. 2ln Sfcrb. gfreiUgratf^, 5. Februar 1847. 269 

perpbe SBeife, in welcher in einem ®enunjiationS:s2lrtifel ber 
„^reufe. ©taatSjeilung", ben ©u tt)a^rfd)einlici^ in ber „2lug§» 
burger S^itung" gele[en t)aft, ®u unb ^einjen mit bem er* 
bärmlid^en TOarr*) jufammengeftellt worben ftnb; unb auf* 
faQenb ift ber originelle ^pff, wie bie ganje „gute ^Preffe" 
mit ber größten ^artnädigfeit ben 2Rarr, ungead)tet feiner 
,,beftruftit)en 35ertt)orfenl^eit'\ ju einem bebeutenben ©ubjefte 
unb genialen Äerl ftentpeln will, nur um il^n mit Qnbern 
clirlid^en Seuten, weld)e ein ©orn im Sluge jtnb, auf ßin 
9lit)eau ju [teilen unb biefen ju fd)aben. 

Sfingft ^abe id) bei ©felingerö^) gegeffen. ©ie l^aben 
ein fel)r fc^öneö 9Jläbd)en, weld^eö einen mit großen äugen 
angucft. Sc^ ijobt babei an @uer liebeö Ätnb gebad)t^). 
3c^ glaube, eö wirb einmal eine ganj intereffante ©ame 
werben. SBenn ei8 erwad)fen ift, fo fagt e§ xijx bo6) bann, 
bafe id) bieg öor 3wanjlg 3al^ren fd^on gefagt ptte. SSieU 
leicht erquicft eö mid^ alten Äerl bann in irgenb einer 
jd^limmen ©tunbe, wenn id) für biefe gut angelegte ^roplie- 
3eiung unöerl^offt einen freunblid^en SBlidf Don einem an- 
mutigen Sunflfi^äul^in befomme. Sußl^^^) '^^ff^ ^^ ^'^ ^^* 
burc^ in gutem Slngebenfen bei ber SJfutter 3U erhalten, 
welci^e id) el^rerbietigft unb angelegentlid^ft grüfee. 



S)er J&antburger ßitterat 2BU^elm 9Kan, iBcrfaffer t)e§S3ud^e§: 
S^aS junge S)eutfd)Ianb in ber ©ö)roct5 (1846), ber namentlich in ber 
franjöfifd^en ©d^roeij fo3iaIiftifct)e ^ßropaganba trieb, ©egen üWarr 
roanbte fid^ ®. Heller in feinen „öitterarifd^en S3ricfen auä ber ©d^meij'' 
in ben „8Iättem für lit. Unterhaltung" 1847, 3lx. 36-39. 

») SRegierungSrat SKelc^ior eSUnger (1803—1855), 3üri(i()er S3e« 
fannter grciUgrat^ä unb ©önner J^eUerS. 

») ©emcint ift ^ät!)e greiligratl^ , geb. 1845 au «me^cnbcrg bei 
SRa|)perSiüeiI. 



270 25. 5(n Sfcrb. Sreiligrat^, 5. gebruar 1847. 

5Rad) S)ir l^abc id) oft ba§ ^cimwcl^, unb eö ift mir 
übcrl^aupt feit einiger 3^*t hirioö gu 9Jlute. Scft fuc^c oft 
mit grp&er ängftlidjteit ein bcffereö unb fcincrcö ®IaS SBdn 
als geiDÖ^nlid) unb trinfe eS unter lounberlid^en unb fremben 
©ebanfen. 3d^ bin and) unter ben Seuten fremb. S)a bie 
^oetcn nid^tS anbereS pnb, als eigentliche ^Rcnfc^cn, unb 
folglid^ le^tere alle aud^ ^Poeten pnb, \o fc^en fte bod) einen 
fogenannten ©id^ter jd^eu oon ber Seite unb mifetrauijdi 
an, wie einen SBerräter, »eld^er au§ ber ©d^ulc fc^nw^t 
unb bie Keinen ©el^eimniffe ber 3Kenfd^l|cit unb TOcnfd^li^^ 
feit auSplaubert. 3" einigen SBoc^en laffc id^ etwa Dieqifl 
@cbid)te brucfen, unb nad^{|er loerbe id) enblid^ meinen Slotnan 
fertig mad)en, n)eld)er ben Jitel „®er grüne ^cinridö" b^ 
fommen wirb. 

Sluf @ure werten Sriefe fpcgieü ju antworten, mufe id) 
@d)ulj überlaffen ; nur oorläupg mein Sebauem, ba^ ©ir jo 
toenig 3cit für ©eine ?}oefte übrig bleibt. Äannft ©u im 
DmnibuS feine SBerfe mad^en? 3d) l)offe unb münfd^e, boB 
jebe ©tunbe, bie ©ir je^t burd^ ©ein Slmt entjogen wirb, 
in Slbred)nung gebracht unb gur Slbfürjung ©einer Seelen- 
gefangenfc^aft beitragen werbe. 

SBie id) mein ®efd)reibfel überlefe, erfc^c id^, bafe id) 
unfd)icflid^er SBeife bie traurige SBeranlaffung biefeö SBriefes 
au§ ben Slugcn Derloren ^ahe. Segt mir bieS ni^t jum 
Übeln au§ unb erinnert @ud) guweilen an 

®ottfr. iteUer. 

aSBenn ©u gelegentlid^ an ©eine ©d^wägerin, i^äulein 
Filarie, fc^rcibft, fo bitte fte ebenfalls, einen bic^terlidjen 
©rufe oon mir an3unct)men. fyollen grü^t aud^ l^erjlid); 



2)ie Söintert^urcrin. 271 



cbenfo »ürben nodö eine SJlcngc Seulc grüfeen, wenn id^ jtc 
barum befragen würbe. S)cn SrfpngO aber mufe id) bar- 
unter auö3eid)nen." 

©ottfrieb ÄcKer gog auf einige Seit gu bem öerein* 
famten SBill^cIm ©d)ulj inS „Sonnentl^al'' nad) Rötungen. 
®cr ©omnier öerging il^m trübe. @r befanb pd) gum erften 
9iJlaIe feit bem Sobe feines ^enriettli wiebernm in ftarfen 
Siebesnöten. SBor Sal^reSfrift l^atte er ein fd)öne§ ad)tge^n? 
jäl^rigeö 5!Jfäbd)en gefeiten, baö feitbem fein ^erg einnahm. 
Suife SRieter Ijiefe eS unb war bie jüngere ber beiben 
Jöd^ter beö @f)e|)aare§ SRieter^Sd^eHenberg auS ©intert^ur, 
am 18. Suli 1828 geboren. @in guflcnbbilb geigt eine grofee 
fd^Ianfe ©eftalt mit geiftüollen 300^"^ fd)5ner ©time, ange^* 
net)mem @tum))fnä5(i^en, lad)enben grauen 3lugen unb braunen 
Soden. SSRit ber angiel^enben ßrfd^einung war ein immer- 
frol^eS ©emüt, unbefangene 9?atürlici^Ieit unb fd)Iagfertige 
Dffenlieit uerbunben. 2luf ©eeliöberg ^atte Suife im ©ommer 
1846 ^errn unb grau ^Profeffor Sonrab DreKi^Sreitinger') 
au§ Süxxä) fennen gelernt. ©aS öortrepd)e alte ^aar würbe 
öon bem 5?räulein fo tJoHftänbig begaubert, ba^ biefeS feitbem 
ein regelmäßiger ®aft bei 5Pf)ilemon unb S5auciS — wie fte 
bie alten 8eutd)en nannte — war. ©er ^err 5ßrofeffor, 
ein 3!Keifter beö @d)ad)fpielS, weihte fie tJöQig in feine Äunft 
ein. 3nt nämlid)en $aufe mit Drelli aber wol^nte SBill^elm 



Safob Jelfing, ^upferfted^er au8 S)armftabt, ÖanbSmann unb 
greunb öon ©c^ulg. 

*) Seigrer be§ grangöftft^en am ©^mnafiunt in Bürid^ unb tüc^« 
tiger SRomanift, lebte öon 1788-1854. 



272 5)ie SSintert^urcrin. 



(Scl)uli, unb ©ottfrieb ÄeHer l)attc fomit l^inrcic^cnbc ©^ 
legeu^elt, bie liebenSwürbigc @d)önc gu feigen. 

3n ben ^Briefen ßuifen^ an i^rc ^Kutter crfc^eint fein 
9lamc gum crften 9KaI am 8. 9Jlai 1847. ©ic ergäl^It bt- 
luftigt, wie ^l)iIemon fte mit Slrguöaugcn übcnoad^c: i,6r 
jc^wcbt in bcftänbigcr gurd^t üor ^enn ÄeHcr, unfcrm 
jungen §au§bett)ol)ner, in beffen 3laift id) biö ie^t freilid) 
nod^ gar nie gelangt bin. SBenn wir nad)mittagö im ©arten 
finb, ftrebt ^^ilemon immer nad) bem ^Slä^c^en hinter bem 
$aufe, in ber 23eforgni§, Äeller fönnte üom genftcr §erab 
mid) erblicfen." — am 12. ?Kai 1847: „3u ^aufc a^9^ 
langt, fam balb §err ©aüerio*) mit bem S)id^ter «ffeDer. 
©iefer fprid)t menig unb fd)eint e^er p^Iegmatifc^en Sot* 
peramenteö gu fein. 6r l)at fe^r Keine furge 23eind)en; fc^abc! 
benn fein Äopf wäre nici^t fibel. SefonberS int«refftert er mid) 
burd^ feine aufeerorbentlicft ^ol)e ©tirne. 63 »ar i^m, wie 
er fagte, nid)t gang mol^I (^offen wir, bafe nid^t ic^ cä ©ar, 
bie i^m SBel^ üernrfac^te), unb er »erliefe un§ balb roieber. 
3n ber 9M^e, faft vis-ä-vis, l^auft in einem ©ac^ftübc^en 
ein junger 5KaIer, gu bem fici^ ÄeHer oft gurücfgie^t. 34 
fe^e bie beiben bann unb mann am fjenfter lcud)ten. £b 
fte mid) mol)! alö 5Kabonna abfonterfeien? iiein üblcS 3)lo-- 
bell! S^benfaHö regelmäßige 300^^)". ®ciö war baö erftc 
Sufammentreffen. 3«i ^erbft erfd)ien Suife »iebcr in Sürid^. 
Sie melbete ber 9Jiutter am 12. Dftober 1847: „^erm 
Äeller \ai) id) auf ber ÄunftauöfteHung ; er war f o oerblüjtt 



*) ©ottfrieb ÄtellerS ehemaliger 3talienifd&«8el^rer, bamald SRebaftor 
bei ber „?Reuen 3ürcl)er S^q." 1849 geftorben. 

2) Sronifrf) gemeint, ba öuife SRieter eben mit einer gefc^monenen 
Sßangc behaftet mar. 



26. 3ln 8uifc 9lictcr, Dftober 1847. 273 

Über unferc Slnwefcnl^eit, bafe er, anftatt artig unb l^öpid) 
ald (Sicerone uns ju bienen, p(ö^Itd) SBenbung mad)te unb 
baüonftürjtc wie ein geliebter ^irfcft." SEBorauf bie ^Kutter 
folgenbe fd)erj]^afte Semerfung mad)te: „©aö mufe man fagcn, 
S)u l^aft l^crrlici^e 3lnbeter; tro^ il)rcn aufeerorbentlidien 
©eifteSgabcn möchte ic^ feinen umfonft. S)er ®id)ter läuft 
fort ober oerftummt, loenn er ©eine unbegreiflid)en Sficigc 
peE)t, unb ber ©cnfer (bamit ift berjenige gemeint, bem guife 
bis jum Job ii)xt unocrbrfid)lid)c 5Reigimg gefc^enft l^atte), 
tro^ ber mqftifdjen Siefc in feinen bunfeln Slugcn, ift ftodf=: 
blinb, menn er ®i(^ betounbern fönnte. 9lun, eitel braud)ft 
S)u nic^t eben gu toerben bei biefeu Eroberungen: eS gibt 
oicl nieberfd)Iagenbe $uber in biefer SBelt, tro^ glül)enben 
SiebcSfonetten unb rabiaten Snflinationen." 

©ottfrieb Äeller aber mufete ftd^ nidit anberö gu E)elfen, 
als burd^ einen giebeöbrief. 8ln jenem Dftobertagc, ba er 
aus ber ÄunftauSfteHung oor ber ©eliebten ^ot), l^atte er 
bie ©piftcl entioeber eben abgefanbt, ober fie brannte i^n 
noc^ in ber Safere. @ie ^at folgenben SBortlaut: 

„Sere^rtefte gräulein SRieter! 6rfd)re(fen Sie nid)t, bafe 
ic^ S^nen einen ©rief fd)reibe unb fogar einen SiebeSbrief, 
oergeil^cn Sie mir bie unorbentIid)C unb unanftänbigc fjorm 
besfelben, benn ici^ bin gegenwärtig in einer foId}en SBer«' 
wirrung, ba^ id) unmöglich einen moE)Igefe^ten Srief machen 
fann, unb id^ mufe fd)reiben, wie id) ungefäl^r fpred)en würbe. 



S)aS Original befinbet firf) im Sefijjc einer Sflid^te 8uife JRieterä, 
gräuleln öaura (grnft in aSintert^ur, ber itS) auc^ für bie bioörap^ifd^cn 
ÜÄitteilunöcn ju fd^önftem S)anfc öerpfüd^tet bin. 

^ottfrieb ftcKer. 18 



274 26. Sin «uifc dtittex, DHohtx 1847. 

Sd) bin nodö flcir nid)t5 imb mufe crft roerbcn, xoa^ \ä} 
njerben will, unb bin ba3U ein unanfc^nlic^cr armer Surfc^: 
alfo l^abe id^ leine Scred^tigung, mein $erj einer fo fc^onoi 
unb auSgejeid)neten jungen £)ame anzutragen, tote 6ie finb. 
Slbcr wenn id^ eiuft benfen müfete, bafe @ie mir bod^ ernft- 
liäj gut genjefen wären, unb id) l^ätte nic^tö gejagt, fo mm 
baö ein fel^r grofecS Unglücf für mid^, unb id^ fömrte d 
nid^t lool^l ertragen. 3cft bin e§ alfo mir felbft fc^ulbig, 
bafe id^ biefem Suftanbe ein 6nbe mad)e; benn benfen gif 
einmal, biefe ganje SBod^e bin ic^ wegen Sinnen in bcn 
SBirtöl^äufem l^erumgeftrid^en, weil es mir angft unb bong 
ift, wenn id^ allein bin. 

5EBollen ©ie fo gütig fein unb mir mit 3wei SBorten, 
e^e ©ie Derreifcn, in einem SiHet jagen, ob ©ie mir gut 
ftnb ober nic^t? 5Rur bamit id) etwas weife; aber um 
©otteSwiUen bebenlen ©ie fid) nid^t etwa, ob Sie eö öieHeic^t 
werben fönnteu! 9Zein, wenn ©ie mic^ nid^t fd^on ent- 
jd)ieben lieben, jo jpred^en ©ie nur ein gang frö^lid^eS 9irin 
aus, unb mad^en ©ie ftd^ ^erglid) luftig über mid^! 2)enn 
S^nen nel)me x6) nichts übel, unb eS ift feine ©c^anbe für 
mic^, bafe id) ©ie liebe, wie id) eS tE)ue. 3d) tann S^ncn 
jd^on jagen, id) bin jel^r leiben jd^aftlid) gu biefer S^it unb 
weife gar uid)t, Wolter alle baS S^wg, baS mir burd^ ben 
Äopf gel^t, in mic^ l^ineinfommt. ©ie pnb baS aüererfte 
Wabd)en, bem id^ meine Siebe crflare, obgleid^ mir fc^on 
mel^rere eingeleud^tet ^aben; unb wenn ©ie mir nid^t jo 
freunblid) begegnet wären, fo ^ätte id^ mir DieUeid^t aud) 
nid)ts gu fagen getraut. 

3d) bin fel^r gejpannt auf 3l)re Antwort. 3(^ müßte 
mid) fel^r über mid^ felbft oerwunbem, wenn ic^ über ?ftad)t 



26. $S[n Sutfe dtitkx, Dftcbcr 1847. 275 

ju einer fo ^olbfeligen ©eliebten gelangen würbe. Slber 
genieren Sie jtd^ ja nid)t, mir ein recl)t runbeS grobes Stein 
in ben Briefeinwurf ju t^un, wenn Sie nid)tö für miä) fein 
fönnen; benn id) will mir na6)i)tx fd)on auS ber 5ßatfd^e l^elfen. 

@§ ift mir in biefem 3lugenblidf fd)on etwas leichter 
geworben, ba id) bireft an Sie f(^reibe unb id^ weife, ba^ 
©ie in einigen ©tunben biefeS Rapier in ^f)xm lieben 
^änben l)alten. ^ä) möd)te S^nen fo oiel ®ute§ unb 
©d^öneS fagen, bafe ic^ je^t gleid) ein gangeS 23ud) fd)reiben 
fönnte; aber freilid^. wenn id) üor Sl^ren Singen fte^e, fo 
werbe id) wieber ber alte unbel^olfene 9?arr fein, unb ic^ 
werbe S^nen nid^tS ju fagen wiffen. 

©oeben fällt eS mir ein, bafe man mir oorwerf en fönnte : 
id) l)ätte wegen einiger fc^erjljaften SBe^ieliungen unb mir 
erwiefener 5reunblid)feit nid)t gleid) an ein fold)eS 5Ber- 
^ältniS 3U benfen gebrandet; aber ic^ l^abe lange genug nid^tS 
gefagt unb einen traurigen unb muffigen ©ommer oerlebt, 
unb id) mufe enblid) wieber in mid) felbft jurücffe^ren. 
5!Benn mid) eine ©ad^e ergreift, fo gebe id) il)r mid) ganj 
unb rüdfjid)t§loS l)in, unb id^ bin fein 55reunb oon ben 
neumobifd^en ^alb^eiten. 

Slber id) mufe fd)lie6en. Jlod^malS bitte id) ©ie, uer* 
e^rteö gräulein, fid^ nid)t an ber SBerworrenl^eit biefeö 
Sriefeö ju ftofeen: eS ift gewife nic^t ÜKangel an ©ejenj 
ober 3iefpett, fonbem nur mein ©emütSjuftanb. 3m glüd= 
liefen ^alle werbe ic^ bann fd)on einen vernünftigen unb 
flaren 33rief fd)reiben, benn ic^ bin eigentlid) fonft ganj oer^ 
nünftig. SBollen ©ie alfo bie ®üte ^aben, ein Betteleien 
mit gwei SEßorten in ben Sriefeinwurf gu tl^un unb baS 
fo balb als möglid); benn, wie gefagt, ol^ne pd) im min- 

18* 



276 26. «n «uifc Biititx, Dftobcr 1847. 

bcften iu bebenfen, wenn @ie ungemig gu fein glauben; ba§ 
Sutfinftige wirb pd^ bann fd)on geben. 

Seben ©ie mol^I unb grüben ©ie bie Derel^rte groa 
^rofeffor DreHi üon mir unb Italien Sie einem armen 
$oeten etoad ju gut! 

3l^r ergebener ©ottfrieb ÄeHer.' 

^ottingen im Dftober 1847. 

„5!Barb je in biefer Saun' ein SBeib gefreit", ^at jicft 
auf ber SBelt ein Siebenber fo ber ©ante feinet ^erjen^ 
empfohlen? „®iefe gange SBod^e bin id^ »egen 3^nen in 
ben 2Birtöl)äufem l^erumgeftrici^en!" OTan glaubt, in einer 
luftigen ®efd)i(l)te ©ottfrieb ÄeHerö gu lefen. Unb boi^ 
war i^m fe^r übel gu ?Kute. @eit einem Sa^re trug er 
biefe fülle ßiebe, unb wie er fie liegte, fann man au5 ben 
wunberfdiönen Sagebuc^blättem be§ §erbfte§ 1847 erfel^. 
3m auguft 1846 ^atte il)m go^anne^ Sfluff Don ^Künctien 
auö gugerebet: „3(1) l)öre, baß ®u noci^ immer in einem 
üon Siebe umganiten S^ftön^^ bift*). ®ci ift freiließ guter 
fRat teuer, unb am allenoenigften jtnb Semünfteleien ^ier 
am $la^. ©afe ®u aber burd^ 3Bein ©id^ gu feilen glaubfl, 
ift eben fo unrid^tig. ®ie Slbreife greiligrat^d ift unter 
biefer SBewanbtniö eine Fatalität für ©ic^. ©u treibft e^ 
aber mit ber Swriidf{)altung gu weit, unb wenn ©ir ber 
nad)fte @aufer feinen 'OTut mac^t, fo bift 3)u oerloren." 

©ie tapfere Sl)at war jefet gefd^e^en. Unb in ber 
„^atf(f)e" fafe er aucf) f(f)on. Suife SRieter antwortete in 



») S)ic ©teile gel)! übrigenö lool^I nic^t auf Suifc SKeter, fonbcn 
auf eine anbere, Me unferm ©ottfrieb 5^eUer ^eingelcud^tet". 



a)lc Söintcrt^urerin. 277 



i^rcr Seftürgung nic^t fclbcr, fonbcm feierte mit bcm SBriefc 
l^clm gur SButtcr. ®iefc übernaf)m c5, ben ©i^tcr auf jarte 
2Bcife aufjuflärcn. ©ic beiben l^aben ftd) md)t wiebcr gefeiten. 

9?acl) bem Sobc il^reö SSaterö (1855), tooburd) ücräu» 
bcrte Serl^ältniffe eintraten, beftanb bte uielumworbcne gc* 
feierte „3Bintertl)urerin" barauf, jtc^ felbft burd) bic SEßelt 
gu bringen unb ging nad) Sßari§ unb @nglanb. Sa bem 
^Qufe eines üorgüglid)en SKrgteö gu ©ubiin unterrid^tete jte 
einige Saläre lang beffen 2;öd)ter; ba^ ^eimioel^ trieb jte 
gurüd, worauf pe pd} mit i^rem geliebten Sllütterlein in 
bie Iänblid)e ©infamfeit be§ obern S^urgau begab, wo jte 
gelegentlich \f)x l)übj(^eg poetijc^eS Salent pflegte. 9?ad^bem 
1868 aud^ bie SJJutter bie Slugen gefd^Ioffen, riefen 93er= 
wanbte in ©angig guife gu ftdö- ®ort gog fie ftcft burd) 
einen %aU auf bem 6ife ein fdiwercS Seiben gu, ba§ aß» 
mä^lid^, aber unauf^altfam, fortfd)ritt. 3^r Sro^jtnn öerliefe 
fie nid^t. Überall verbreitete jte ©onne. 9JHt rul)iger 
^eiterfeit ging jte einer Operation auf Seben unb STob ent* 
gegen. Sie erlag tl)r. ©er 2. Suni 1879 war \f)v Sobeötag. 

Äurg öor ber Seit, ba ©ottfrieb Äeller feineu erften gier» 
Iid)en Äorb lieimtrug, war feilte ©d)wefter auf ben Sob er* 
franft. 9lur langfam genaS jte. ©er Sruber, fd)einbar in ein 
müfjtgeS planlofeö SßirtSl^auSlcben untergetau^t, raffte jtd^ 
erfd^rocfen auf. ©ein Sagebud) cntl^ält ein in feiner rfil)- 
renben ©emut erjd)ütternbeS Selenntniö: „^ij bin bie unnu^e 
Sicrpflange, bie gerud)Iofe Sulpe, welche alle ©dfte bicfeö 
^äufleinö ebler 6rbe, ba§ Seben oon 3Jlutter unb ©(^wefter, 
auffangt. 2öenn mir ®ott über biefe wamenbe 5ßrobe l)in» 
auö l)ilft, fo joll eS anber§ werben" u. f. w. ©ie 9J?utter 
gog ©nbe September mit ber ©enefenben gu SBerwanbten nad) 



278 Äranf^eit bcr €(^»eftcr. gubwig U^fanb. 



ßgltSau unb fonntc bem befümmertcn ©ol^nc balb günjiig« 
Slad^ridöten fcnben: SReguIa l)Qbc in bcr fräftig roirfcnbcn 
^crbftluft balb il^rc uorigc ©efunb^cit »icber crreid)t, fdjiatt. 
cffe unb trinfc, mad)c alle Sage auf ber neuen ganbfhralf 
größere „Sauem" (Souren!), fpiele aud^ ©uitarre, ja tan? 
guweilen ©aloppabe mit „^Jiineli". 

3tn bem legten ber ©eptemberfonntage 1847 befand 
ftc^ fiubtt)ig U^Ianb in Qixnäi unb befud)te gegen im 
SRat feines greunbeö, beS ^l^ilologen Sodann Äafpar DreDi, 
bie ©d^njqger fianbögemeinbe am SRot^ent^urm, bic eben ba- 
malö bef(^Io6, am ©onberbunbe feftjul^alten unb ungefäuint 
bie Äriegörüftungen gu beginnen. Urlaub unternahm bic 
ga^rt mit einigen f^reunben ÄeHerö, bem nad^maligen 6tabt» 
fd)reiber aScmliarb ©p^ri unb mit Dr. ®ubö. ÄeHer fclbfl 
uerfäumte eö, mitjugel)en. Ul^Ianb jpra^ fe^r Dorteil^üft 
üon beffen ©cbic^ten. 

3m ^erbfte biefeö 3a{)reö nal^m ©ottfrieb Äeller ben 
abgeriffenen fyaben feincö Sagebud^eö wieber auf. ©rft ge^ 
backte er nur feine Sräume nad) bem JBeifpiele Stciligrat^ 
auf3Uieid)nen. ©leid) ber erfte biefer n)unberfamen Sic^ter= 
träume, für fid^ f eiber bie l)olbefte ^oejte, i[t ein SJeleg ju 
ben aöorten Sriebrid) Hebbels : „9Kein ©ebanfc, bafe Sraum 
unb ^oefte ibentif c^ jtnb, beftätigt fid) mir mel^r unb mefir" 0- 
Unüermerft erweitern ftd) biefe 8lufjeid)nungen jum ^gebud)t 



•) gricbr. Hebbels 2:agcbüc^er 2, 263. 



2:raumbu(^. 279 



02ad^td oom 5. auf ben 6. Stuguft 1846. 

3c^ legte mic^ um elf Ul)r etwaö unnjol)! ju Sctte unb 
gloubte einiget Silber ju l^abeti. 65 war fel^r fdjtüül. Äaum 
njar id^ eingefd)lQfeti, fo wecfte mid) bie geuerglodfe. aSom 
9Konbfd)ein unb bem geröteten ^immel war bie Äammer 
feltfam erbeut; i^ ftieg aber gu oberft unter baö ^a6) 
l^inauf, um baö geuer gu fe^en. 6ö mar auf bem ßanbe*). 
3n ber ©egenb ber Simmat ftieg bie rote SRaud^fäuIe feter* 
lic^ gum ^immel. ©ie guft mar lau unb baö OTonblicftt 
faft mie beraufd)enb. 33on ber unmittelbaren ©äule ^inmeg 
fammelte ftd) ber SRauc^ in eine l^origontale ©c^id)t unb trieb 
mie eine grofee Streifmolfe meit gegen 2Beften l^inauö ober 
DieUeidit gegen Dften l^in. 3^ tt)ci6 eS nid)t mel^r. 
SCBenigften^ l)ing er am meftlic^en ^immel. 9lac^bem ic^ 
ba^ Swf^niJwcnftürgen beö ®ad)eö, meld^eS ftd) immer burd) 



') S)arunter öon ber ^anb ber So^anna Äapp: 

„S3iel 2;räume auf unb nieber fd^meben 

3n biefeä IBuc^eS enöer ßuft; 

^o6) Ift ber fc^önfte Slraum ba§ Öeben 

mt feinem reid^en IBIütenbuft. 

^ol^tn bu biö) aud) ntagft begeben, 

2öol)in bein ©c^icffal ernft bid) ruft, 

©ebenf: beö ^erjenä Jräume weben 

S)ir einen ©teg ob jeber 5^Iuft! 

S)u fief)ft bie fc^önften Slofen ftrebeu 

®ar oft empor au§ ftiHer ©ruft; 

SBieHeid^t erb(üf)'n fle bir erneut. — 

2)orf) — fei mir 5reunb in ^ib unb greub'!'' 

2) 3m untern J^arb brannte eine ©d)eune. 



280 2:raumbu(l^. 



ein le^teö gcwaltiöcö Sluffa^rcn üon fRaud) unb @Iut cmt^ 
in bcr fjcrnc bcmcrfUd^ mad)t, üergcblid) ^attc abwarten 
tüoHen, liefe ic^ g^uer unb ÜRonbnad^t unb eilte wieber 
l^inunter inS Seit, befangen unb aufgeregt unb uniool^IeT 
als Dörfer, ffird)tete id^, bafe mir bie nocf) immer fortn>dl^renbc 
geuerSbrunft in @d)laf unb Sraum l^ineinbrennen unb eine 
fd)Iimme 5Racftt Derurfa^en möd)te. 3d) l^atte gegen SJlorgen 
folgenben Sraum. 

S)en 15. (September 1847 fortöefejjt. S)er Zxanm ift mir nocft 
gans geöenmärtig. 

3d) ftanb in ber ©ammerung auf bcm Slatl^auöpla^e 
unter einem jener grofeen SBolföl^aufen, bie fid) gu Derfammeln 
pflegen, wenn irgenb ein 33erbred)er auf bie nal^e ^auptwad^c 
geführt wirb. (So war fd)on bunfel, alö langfam ein SBagen 
burc^ ba§ ©ebrSnge gefal)ren fam, auf weldiem eine unferait* 
lic^e fd)Ianfe SBeiböperfon fafe. Quer auf ben Änieen lag 
i^r ein tote^ Äinb; fie aber fafe aufredet unb regloö. „S)a 
fommt bie Äinbömörberin", fummte ba§ 33oIf, ,,in einer 
falben Stunbe wirb fie geföpft." 8(fö id^ bie ^o^e ©eftalt 
über ben Häuptern ber ÜKenge ba^infd)wanfen fal^, ^atte ic^, 
wie ic^ mid) giemlid) beftimmt erinnere, baö ©efü^I: id^ 
wünfd)te il^r nod), bafe baö genoffene SiebeSglücf lein ge= 
meines unb fo grofe gewefen fein möge, al§ ba& gegenioärtige 
2eib. ®ann fei e§ fdE)on gut. 

6ö war je^t ganj 92ad)t geworben. 6ine weid^e, n)eidi)c 
^anb fafete bie meine. 6in ganj unbelanntcö fünfjel^nid^rige^ 
5Räbd)en, beflen Slugen id^ in ber ©unfel^eit fun!eln fal^, 
pfterte mir inö Dl)r: „©ottfrieb Heller, fomm, wir woQen 
iju mir l^eim gelten !^' unb gog mid) gefd)i(ft unb fachte aue 
bem ©ebränge. 2Bir gingen burd) allerlei bunlle @äfed)en, 



15. September 1847. 281 



bic id) in QMäi biöl^cr gar mä)t gcTannt l^attc unb bie aud) 
nid)t cfifticrcn. ©q5 Wlabäjcn fdimiegte ftd) an mic^ unb 
war ein unfäglid^ bufeligcö iinb Ileblid^cö SBcfen, welches 
mid) ungemein bel^aglid) mad)te. 3d) Denpunberte mic^ auc^ 
nid^t, als auf einmal tl)rer gnjei barauö iDurben, bereu jjebe 
an einer meiner ©eiten l)ing. ©ie waren gang gleid), nur 
mit bem Unterjd^iebe einer etmaS jüngeren unb älteren 
©d)tt)efter. 21IS mir, in einem ©acfgäfed^en angefommen, 
Dor einem l^otjen fd^malen §aufe [tauben, Ijiefeen mid) bie 
Äinber leife unb bel^utfam gel)en. @o ftiegen mir üiele enge 
unb [teile Sreppen l^inan, jeben Sritt bered^nenb in ber 
fdimargen 5in[ternig. ©ie führten mid^ an beiben ^dnben. 
Cftmalö I)ielten wir an, unb bie guten 3Jläbd^en fud)ten 
bann mein @e[id)t unb fügten mid) l^erglid), aber üorpri^tig 
auf ben ?Dlunb. ©ie fonnten, wie mid) bünfte, bie Äü[fe 
fel^r gut unb Dollfommen ausprägen, ol)ne ©eräufd^ ju 
mad)en: jie fielen üon il^ren Sippen, wie neue golbene 
©enfmünjen auf ein woUeneS Sud), ol)ne gu flingen. S)arum 
braud)ten wir eine lange Q^it, bis wir enblic^ oben, in einem 
Ileinen ©ad^fämmer^en, waren. ©aSfelbe war ganj üom 
TOonbe erl)cllt; bie runben ©d^eiben ber genfterc^en waren 
auf ben Soben gejeid)net. ©ogleic^ gogen wir alle bie 
©d)ul)e aus, um nid^t laut aufgutreten. TOan \di} auS 
bem 5en[ter, Dor weld)em ein l^ofieS ®ad^ l^inabging, über 
üiele ®äd)er ^inweg, unter benen man faum bie 5en[ter als 
fd)warge Sieredfe crfennen fonnte. ©er 9)Jonbfc^ein id)wamm 
auf ben ©äd^em; bie ©tabt war eingefd)lafen unb [tili. 
aSßir waren aud) mäuSd)en[tin ; benn bie SJläbd^en jagten, 
ba^ öiele alte böfe SBeiber in ben benad^barten ©ac^Iammern 
wol^nten, weld)e if)nen immer aufpaßten unb jebe gfeube gu 



282 2:raumbu(^. 



verbittern fud^ten. SBenn eine aufwad^e unb un§ ^öre, jo 
feien wir be§ Sobc^. 

aSBir fafeen an einem fleinen Sifd)cl^en jioifd^en bem 
genftericin unb bem Sette, weldieS mit einem fc^neeiDrifeen 
Suc^e tel^r orbentlici^ wnb glatt bebedft mar. SEBir burften 
natürlid^ fein Sic^t mad)en unb fafeen aud) lieber fo im 
$alblid)te. SEBir afeen unb tranfen etwas, aber id^ »eiß 
nid^t mel)r waS, nur bafe mir öergnuglid^ unb leife bic 
blinfenben ©läfer aufhüben unb mieber abfegten; unb menn 
etma eines an einen SeHer [tiefe , fo jucften loir ängfllid) 
jufammen. 81IS eines ber guten Äinber aufftanb, ba^ 33etttud) 
abna{)m unb fel^r forgfältig jufammenlegte unb babei fagtc: 
,,3Benn mir fd)läfrig merben, fo fönnen mir und nun gleich 
aufs Sett legen unb red)tfd)affen fd^Iafen", ba burd^fu^r 
mid) ein ganj feligeS ©efü^I, aber nid^t eigentlid) finnlic^. 
Sie fe^te ftd^ mieber anS Sifd^c^en unb bot mir i^rc meißen 
jungen ©döultem gum Siebfofen. ®a fu^r fte |)Iö^lic^ ju- 
fammen unb fagte: „§err g^fuS, bie 3Beiber fommen!* 
^albtot oor ©d^redfen budften ftd) beibe faft in mic^ hinein, 
unb id) umfing fte, inbem mir aUe brei atem* unb lautlos 
auff)ord)ten. 3Birflid^ l^örtc ic^ beutlic^, mic jemanb über 
baS ®ad^ ]^infd)Iarpte, an einem benai^barten S)ad)fenfier 
anllopfte , mie bort ebenfalls jemanb l^erauSftieg auf ba5 
®ad). ®ann fal)en mir üerfd^iebene ©diatten oor unferm 
genfter Dorbeil^ufd^en; eS mar offenbar, bie alten SSeiber 
merften unb Derfammelten ftd). ®ie QkQÜ raffelten unter 
it)ren fc^lurfenben güfeen. 6S fam immer nä^er über unfein 
Äöpfen. 6S püfterte: „Sangt nur 'nein, fte l^aben geioife 
einen bei fic^!" 6in QkQtl mürbe aufgel^oben: eine lange, 
magere §anb langte herein, tappte ^enim unb ertöifcl^te 



15. (September 1847. 283 



meine ^aare, toelc^e gen Serg [tauben, ©aö SBIut fd^ien 
in meinen 8lbern gu gerinnen, — alö iä) eru)ad)te unb tief 
aufatmete. 

S)er bleibenbc Ginbrucf bcS Sraumeö mar aber ein an* 
genel^mer, unb id) bin frol^, bafe e§ fo abgebrod^en mürbe, 
©iefer Straum l^atte mid) erquicft für Diele Sage, mie menn 
id) baS artige Slbenteuer mirflid) erlebt l^ätte. 

15. September 1847. 
^eute ^laä)t befuc^te x6) im Sraum meine 9JlutterO unb 
fanb eine grofeeSRiefenf erlange auf bem Sabouret jufammen* 
geringelt liegen, mie frülier unfere rote Äafee, meld)e geftorben 
ift. S)ie ©db'cmge bilbete eine orbentlicftc ^^ramibe auf bem 
f leinen 6tül)Id)en: auf bem oberften engften SRinge lag ber 
fleine Äopf, unb neben i^m ragte baö fpi^ige Sd^mangenbe 
empor, roelc^eö au§ bem l)ol)Ien Snnem beö SurmeS öom 
unterften SRinge l^er aufftieg. ©a id^ erfc^raf, fo Derjtc^erte 
meine 3Jluttcr, eö fei ein orbentIid)eö gute§ ^auötier, unD 
pe medfte baöfelbe. SJBirflid) entmidfelte fid^ bie @d)Iauge 
fel^r gemütlid), gähnte unb redte fid) nad) allen ©eiten, 
mobei fie bie fd)önften 55arben fd^immem liefe, ©ann fpajierte 
fte in I)ol)en SöeHenbemegungen in ber Stube um^er, über 
ben ©c^reibtifcft unb über ben Dfen l^in, [teilte fid) auf ben 
©d^manj unb ful)r mit bem Äopfe, ba pc pc^ bei meitem 
nid^t gang aufrichten fonnte, ringö an ber ©tubenbedfe um» 
^er, als ob pe SRaum fud^e. ©ann folgte pe ber Sütutter 
in bie ÄüdEje unb auf bm 6ftri^, mo pe l^inging. 8lud) 
id^ t^at balb öertraut mit bem Sier unb rief eö gebieterifc^ 
beim Flamen, ben id) Dergeffen l)abe. $Iö^lid) aber l^ing 

5^caer xooljnk nod& bei ©d^ulg in ^ottingen. 



284 Straumbud^. 



bie ©d^Iangc tot unb ftarr über bcit Dfen l^erunter, unb nun 
fürd)tetcn wir fic crft cntfe^Iici^ unb flogen auS bcr ©tube. 
®a tDurbc ftc tüiebcr munter, pu^te jtd^, Iad)te unb fagte: 
„So ift eö mit 6ud) Seutd)en! 9Jlan mufe immer tot fd^einen, 
njenn man t»on ©ud^ refpcftiert werben foll." SEBir lachten 
au(i^, Ipielten mit il^r unb ftrcid^elten jte. ®a ftellte pe jt(^ 
njieber tot; fogleicft widjen wir entfe^t guriicf. ©ic machte 
pd) wieber lebenbig, unb wir nttE)erten un§ wieber. ©ie er^ 
ftarrte nod)mQlö, unb wir fprangen immer wieber fort. 60 
trieb pe ba^ ©piel, wöl^renb id^ mid^ in anbere Sräumc 
öerlor, bie fel^r jd)ön waren. S)enn eS reut mi(^ fel^r, bafe 
id) alles üergeffen ^abe. 

3d) glaube, ic^ träumte üon ber SBintertl^urerin*), 
weil midE) immer nod) eine ©ef)nfud)t treibt, bieje Sräumc 
auSjugrübeln ; aber eö ift üergebenS. 

SWan foHte pc^ wäf)renb befonberer Sraume beftimmtc 
Äennjeic^en madEjen lönnen. ©ieiS erinnert mid^ an einen 
Sraum, ben id) üor einigen Satiren l^atte, wo ic^, üon 
fd)redflid)en Silbern gequält unb geprefet, mid^ furj unb gut 
entfd)lo6, mid) an ber 9iafe gu jupfen, bamit id) erwache. 
S)ieö gefd^al) aud), unb id^ fül^lte beim 6rwad)en nod^ beut* 
lid) bm ©rudE beS ©aumö unb S^ig^pttfl^r^ ^n meiner 
9lafe. aiö id) biefen lupigen SSorfall erjäf)lte, mad^ten bie 
ßeute ungläubige ©eftd^ter, obgleid) id) burd^ il^re eigenen 
ßrjäfilungen ä^nlic^er Sräume baiu öeranlafet war. 6ic 
Piefeen pd^ aud) nid^t am ©onberbaren, fonbem nur am 
Sutrepenben unb ^apenben beffen, wa« ic^ jum ®efprä(^c 
unb ©top be§felben beitrug. 2Beil öiele ©d)WQ^er bie dk-- 



•) Öuife fftietcr. 



15. ©eptcmbcr 1847. 285 



tüol^n^cit ^aben, üon jeber ©orte üon Erfahrungen unb 
SKcrfirürbigfeiten, bic gcrabc Dcrl^onbelt werben, aud) eine 
nod) auffaUcnbere bep^en ju wollen, fo jcl)ienen bie Scute 
mid^ ttud) in biefe Älaffe gu [teilen. 3lber ba mir fonft 
immer ber Vorwurf ber ßinplbigleit unb mürrifi^en SBejenö 
gemad^t wirb, bewies mir bieö nur wieber bie beleibigenbe 
©ebanfenlojtgfeit ber meiften geute. 

Slud) bem ©c^ulj werbe id^ beim grül^ftfid feine 
Sräume mel^r erjäl^Ien, weil er ben 58erbacl)t auöfprad), bafe 
ic^ biefelben Dorweg erfmne unb erpnbe. 6r Tennt nur bie 
einfach ften Sräume, afö: l^eut träumte id) üon einem ©arg, 
ober oon SRauten, ober: id) fing %x\6:it, ober: i^ fal^ einem 
bie 5Rägel ab|d)neiben u. f. f. SJBeil er feine ^^antafie l^at, 
welche aud) im ©d)Iafe fi^afft unb wirtfc^aftet, fo pit er 
einen wo^l organiperten Sraum, ber einen orbentlidö^n 33er« 
lauf unb fc^one fünftlerifci^e Slnfd^auungen l)at, für unmög« 
lid). ©0 gel)t eS! ®er gute @d)ulj fann mit mir barfiber 
ganfen, bag ic^ in religiöfen 2)ingen noc^ weniger @Iauben 
l^aben wiU, aU er; er fann fid) fogar im 6ifer in bogma* 
tifdöc SRebenSarten oerirren: aber baö 9Jäd)fte unb ßinfad^fte, 
an einen fd^önen Sraum, glaubt er nic^t, weil er i{)m an^ 
fprud)ölo§ beim grüpüdf erjäl^lt wirb unb nur brei ©d^ritte 
oon i{)m geträumt worben fein foll; oielleid)t aucft, weil ftc^ 
feinerlei 33ebeutung barau§ ergibt, wenigftenS für il^n nid)t. 
S)enn in biefem ^unft ift er fe{)r gläubig unb oerlangt unfere 
Slufmerffamfeit für bie abgefd)mactteften ®inge, weld^e er 
bel^au^}tet. 6§ ift bod) fonberbar, wie auc^ ber oortreffUc^fte 
3Kenfd^ fold)c ßigenfd^aften ijabtn mufe, gleidö einem ftolj 
fegelnben ©d)iffe, welches SaHaft braucht, um gu feiner 
guten g^^rt gel^örig fdjwer gu fein. 



286 Xa^thn^. 



aSßa« ^abc ici^ für SaHaft! — o we^ mir armen Sred» 
fc^uite! Stgentlid^e ^alfblödEe, bte nod) fo gröulid) brnufen, 
wenn ba§ ^Weenoaffer l^ereinbringt ! 81K mein 8eben§f(^iff 
aus Dftinbien gurficfging, nai^bem eiS feine Sabung abg^ 
geben, rourben i^m aB Sallaft auSgeftopfte Ärofobile unb 
wüfte ©eetiere, Siger unb ^qanen mitgegeben für bie 3iori= 
tatenfammlung in ©uropa, um wentgftenS einigen Sttu^ 
mit ber grad^t ju Derbinben. (Sd)mere iJiften DoH munber^ 
lid^er ©d)necfen unb ÜRufd^eln unb ©tac^elpflaitjen pfropfte 
man in bie tiefen SRäume, unb alö man ba§ Schiff immer 
nod) gu Ieid)t befanb, nal^m man nod^ eine Gruppe fünbl^after 
nadfter Sajaberen in bie Äajüte, welche nad^ ^ariö befümmt 
njaren. — Slber e§ fäUt mir ein, bafe eö ein fd)Icd)ter 6pa§ 
ift, mit feinen fd)limmen ^igenfd^aften unb Seglern unb gor 
mit feinen ©flnben gu fofettieren; benn eS ift !o!ettiert, menn 
man wi^ige Silber brandet, um fte gu begeic^nen, unb Dor 
einer l^öl)cren ©infid^t üerfd)tt)inben biefe ©eifenblafen ber 
^l)anta|te. 

9iur eins nod) ! 6§ fönnte üiel Äummer unb 33erbni§ 
üerptet werben, wenn jeber 9)lenfd) jid) breimal befdnne, 
el)e er gute SabungöftüdEe eines anbem für Salfaft unb 
biefen legieren als gute 5^ad^t erflärt. SBenn man pc^ felbjl 
ein wenig auf bie 6ifen gel)t, fo fann man entbeden unb 
mug gefte{)en, ba^ man fic^ Dieler 2)inge eigentlid^ gu fc^ämen 
^at, weld^e an einem gelobt werben unb umgefel^rt. S)a§ 
erftere tl)ut unferer elenben ßitelfeit freilidb nid^t fo n>^, 
wie ba^ le^tere. 3d) w^eife nid^t, weld^eS cmpfinblid^er ifl: 
um gewif[er ßigenfdjaften willen, bie gerabe md)t iebermann 
I)at unb bal)er für originell gelten, nichts befto weniger aber 
@d)wad)]^eiten jinb, auf bie gubringlii^fte 5!Bcifc immer ^er» 



15. @c^tcmbcr 1847. 287 



öor9C3O0en unb auögcjcid^nct, ober um einiger @d)rofff)eiten 
unb Unebenl^eiten wißen, bie einem guten unb Iöblld)eu 
SBoben cttlfpringeU; immer getabelt ju werben. 

©tubiere bid^ felbft, je^t unb immer, beine SBergangeus 
l)eit unb ©egenroart! SSergleicfee beine ftrengen SBetrad^tungen 
mit bem, waö anbere, Sreunbe unb S^inbe, Don bir l^alten 
unb bu mirft ju jmeierlei JRefuItaten f ommen : entweber wirft 
bu milber unb frieblidier unb umgänglid^er — ober feiner 
unb ftrenger unb gewinnft an ©tärfe über bie ©ebanfen- 
lofen, je nad^ beinem ©runbd^arafter! 3n beiben gällen 
aber wirft bu, wie mid^ bünft, nur gewinnen. 



3c^ fd)lenberte l^eute SSormittag über ben gifc^marft. 
SCBeber, ber Äupferftec^er*), lief mir nad) unb forberte mid) 
auf, einen grü^trunf ju nel^men. Sc^ l)atte il^n oor oielen 
2Bod)en einmal in einer Äneipe, als wir in fpäter ?ßad)t 
giemlic^ warm waren, t)erl)ö^nt, ba^ er immer fauren SBein 
föffe, xoa^ xijXi fürd^terlic^ aufbrad^te, fo ba^ wir unö jienu 
lid^ laut janften beim Slac^^aujegeben, unb er mir enblid) 
einen ©tofe gab, bafe icfe auf ben ^intern purgelte, worauf 
ic^ wütenb auf^ unb i^m an ben Äragen fprang. ©ie 
greunbe ful^ren jwifd^en unö, bie $olijeier unb 'SlaäjU 
wäd)ter umringten unö. Äaum aber I)atte mid) einer biefer 
festeren erfannt, fo fd^rie er feinen ©efelten gu: „Sort mit 
un§! ©aS ift einer oon ben „S^^eien Stimmen", ©a werben 
wir in bem ©aublatt Iierumgegogen')!'' SBorauf fte fämtlid) 

*) 8ufaS ©eber. 

') »greie (Stimmen im «ejirfc 3ünc^^ lieftigeS bcmofratlft^eS 
DppofltionSblatt, feit 1843 Don Dr. (Slmigcr l)crau§gegcbcn. 3c^ befi^c 



288 ^a^tbnd). 

[xäj juräcf3ogen unb unS iingef eueren liefen. 3c^ bin imm« 
lid^ ftaif Derbäc^tigt, SJlitarbeiter jene^ ^potU unb @(^inä^ 
blattet ju fein, waS mic^ ni({)t fcl^r freut, ©icömal ober 
rettete un« biefer Serbad)t. ©a bie fonferüatioen ©piefeer 
üon ßfirid), Dom ^atrijier bi« jum 5Rad)ttt)äcl^ter, nic^W fo 
fürd^ten wie bie Dff entließ feit, rettete unö biefer Serbat^t 
öor unroürbigen ^olijeiaffairen, worein unö unfere Sl^or^, 
bie wir fc^on lange abgelegt glaubten, gu Dermicfeln bro^te. 
SBeber fam mir b^ute uerföl^nlid) lac^enb entgegen; i4 
^atte i^n feit^er nid)t mel)r gefe^en. 6r ergä^lte mir oon 
einem SBeinfd^enf, weld^er, fürjlic^ auö Sieapel gurüdfgefe^rt, 
ein gafe Sijilianer SBein mitgebracht ^ätte, »elc^e^ er roo^U 
feil üerjapfe. Sßir gingen ^in unb fanben einen aufgewecften 
Wann, ber al« 3Ked)anifu« im ©üben l^antiert ^atte. SDc 
SBänbe l^ingen üoH greller @ouac^e«33ilber: ber fpeienb« 
SBefut) glühte wol^l in jwölf Derfd)iebenen SSariationen, ha^ 
jroifd)en ^Palermo, ©orrent, ©alerno, ©apri, Slmalfi, ÜRefftno, 
6atanea, furj alle lieben Flamen unb Drte oon ^üben unb 
brüben, bieöfeit« unb jenfeitö ber 3Keerenge bunt burd^einanber, 
übertrieben unb bunt, aber fonnig gefärbt, ©oju fc^leppte 
ber SBirt einen alten ^ut DoH ßaöen, Sim^ftein unb Sropf* 
fteinbrorfen ^er. SlUe biefe l^unbertmal gelefenen, befproc^enen 
unb geal^nten Singe, fo naio unb abgelegen fie ^ier erfd^ienen, 
machten boc^ in SSerbinbung mit bem ffiblid^en a^nung^ 
ooHen unb ©e^nfud)t erwecfenben SBeine i^ren gel^örigen 



eine Äarifatur famt 3:e]rt Don 3ol)anneS SHuff, ber ben ^ier gefc^iltertai 
Jlufttitt 0leid)3eiti0 barftettte : ben am ©oben liegenben ÄeUer, um Ujn 
l)erum 2öeber, SRuff unb Zf)omax\x\, bann bie ^erbeleilenbtn ?ßolistjtcn, 
bie \tbo6) oon einem britten 3urü(f9el)alten ©erben, um nid^t in bie 
,;(2äu3üti9" SU fommen. 



15. (September 1847. 289 



ßinbrudE. S)cr SBein erioicö pd) inbeffcn atö ju \d)XDtx unb 
ungeheuerlich. Sd) bad)te aud^ an jene fübHd)en SBeiber. 
an bie $i^e, an bie ©forpionen, fo bafe [\ä) mit bem @prid)= 
roort: „SIeib im Sanb unb näl^re bid) reblid)" in mein ^erg 
baö Verlangen nad^ einem feinen l^eimifd^en Siebeöglflrfe in 
beftinmttefter nobelfter fjorm einfd)lid). 

SBeber fing an Don meinem greunbe SRuff , bem anbern 
^^ferfted^er, gu fpred^en, mit htm icfe feit mehreren SBod^en 
auf unerflärlid)e SBeife erfältet bin. SBeber ift genial lieber« 
lic^, unjuDerläffig unb unftät. SRuff ift talentöoH, geiftreid^, 
geioiffenl^aft, Peinig unb öorjtc^tig. S3eibe fommen gu nid)t§. 
aber SRuff bringt fic^ e^renöoll burd) bie SSßelt, lebt mit i^r 
äufeerlid^ im ^rieben unb l^at immer fein gute« ®la§ SBein 
auf bem Sifd); aber er wagt nid)t Diel. SBeber l^ingegen 
übernimmt eine 9Äenge Slrbeiten, läfet fi^ ®elb barauf 
geben unb beenbigt fte nid)t ober fpät. @r lebt mit allen 
Äunftuntemel^mem in einem ewigen S^triguenfrieg unb 
nennt ba5 Seben^flug^eit unb ©rfa^rung. 6r Derliert ftd^ 
in bie größten Unregelmafeigfeiten unb geniefet wenig Sld^tung, 
weil er nie bareS @elb I)at unb lieberlid^ auöjtel^t. SRuff 
bringt aud^ bie unbantbarften Slrbeiten immer anftänbig unb 
mit ©efd^icf gu 6nbe; SBeber fd^miert unb fubelt unb ift 
^öd)ft ungleid). 

?iun war e5 fe^r ergö^lid), bie 33efd)werben SBeberiS 
angul^ören: SRuff fei ein ©üftler unb 9ied)ner unb ge^e 
einen falfc^en SBeg. 3Kan muffe l^eutgutage intriguieren unb 
ben Äunft^änblern bie ©pi^e bieten; man muffe in einen 
gewiffen Sargon be§ @efd)äftöleben3 eingel^en; baö Peifeige 
©i^en ti)ue nid^t aUeö — furg, eS war ber gange ßom eineö 
Serfal^renen unb S^rP^^wt^i^ gegenüber einem SRul^igen unb 

®ottfcieb SttUet. 19 



290 2:agcbu(^ 1847 



Sewufeten; cS mar baö Srummcn unb Sträuben bc§ böja 
©ewiffenS, ober, milber unb ridjtigcr gejagt, beö Derfornmentn 
Scwufetfcinö. ©a id^ mcrfte, bafe ber arme Seufel gern bir 
ganje ©ad^e auf ©enie u. f. f. ^inauögefpielt ffättCf fo ^ 
id) il^m, SRuffö 3ntcref[cn unbcfc^abet, nac^ unb gab eine 
3Kcnge Heiner QüQt unb ©igentümltd^feiten an , weld&e id) 
aud eigener ßrfal^rung unb Seobad^tung fenne unb bie bm 
©enie, ober wie man e§ nennen will, aufleben, aber leibfi 
i^m mel^r fd)aben als nfl^en. 3^) !onnte ald ^oet unb 
Süc^ermenfd^ bieS aQeS naturlid) unb giemlid^ gut Dorbringen, 
fo ba^ ber gute ^erl gang feurig unb angenehm überrafd)t 
würbe, wie id^ aQed ba^ fo fd^ön fagen !dnne, mad er fc^on 
taufenbmal gebad)t l^abe. 3d^ mug leiber gefte^en, ba^ id) 
bod^ einige wirflid^e fje^ler SRuffö mit ju Sage bringen fyä\ 
unb fann mid) nur bamit entfd)ulbigen, bafe biefelben jup 
in feinem nergelnben unb überfritifc^en SEBefen befte^en, bae 
pc^ bann bod^ wieber infonfequenter SBeife mit meniger al§> 
nid)ts begnügt, xoa^ nämlid) bie ©efeßfc^aft betrifft. Übrigen^ 
wirb bie Sufunft lehren, wa§ in biefem fonberbaren ÜJlenfd&en 
eigentlid) ftecft, bem id) mid) fo plö^lid) wö^renb ber legten 
jwei Saläre meineö Sebenö rücf^altlo« unb burc^au^ ange* 
fd)loffen ^abe, unb ber mir ebenfo fc^neU gu entfd)winben 
fd)eint. ©oute er eine Seftie fein, fo fal^re er gu ben Sor^ 
fahren! SSieHeid^t aber ift er fprob, üerfd)ämt unb gu ^Rift* 
oerftänbniffen geneigt, wie ic^*)- ®^ *f* grauenhaft, wie 
man fo ungewiß werben fann über 9Jlenfd)cn, mit benen 
man Satire lang baö ©el^eimfte oer^anbelt ^at. 



») S)a§ le^tere mar in ber 3:^at ber 3fafl. 



S3aumgartncr. 291 



S)€n 16. (September. 

3n ben ß^itw^Ö^" flricfcni ^ofe ^^^ $ublijift unb gunft 

Sl in Sd^alfiiaufcn, ben ic^ t)or einem Sa^re am SBintcr* 

teurer ©d^iefeen beol^rfcigt l^abe, im @d)Qffl^aufer ©rofecn fRat 
ben Antrag gegen ßjrelution bei^ Sagfa^ungöbefd^IuffeS bringen 
unb eine bemagogifd^e SQäül)Ierci im ©c^apaufer SBolf an* 
fangen mü. SBerie^te unb unbefriebigte ©itelfeit foll ben 
@fel baE)in treiben, unb baS Gelingen nid)t gan) unmöglid^ 
jein. 3c^ l^atte bod) einen guten Snftinft bamalS, unb ic^ 
fegne ben SBein, ber mid) üeranlafete, bem roiberlidien Dl^r« 
feigengeftd)! fein SRed^t angebei^en ju laffen. §eig war er 
audb, benn er ift ftär!er alö id^ unb liefe ftd) bod) prügeln*). 



6inige ©tunben mit Saumgartner jugebrad^t. 6r 
fpielte mir einige fc^öne ^^antafteen t)on Siöjt unb S^al» 
berg unb eine Don jtd^, nadjl^er Sieber Don ©d^umann, bie 
wir 3ufammen fangen, „©ie Sorelei'' (^eine) Don ©ild)er 
l^at mid^ gewaltig gepadft, unb id) jtnge jte immer Dor mir 
^er. ®ieö Sieb brfirft fet)r Diel auö, wo einen ber ©d^u^ 
brficft unb xoa^ nid^t gerabe romantifd^, fonbem nur rein 
menfd)lidö ift. Saumgartner ijat anä) ein paar Sieber Don 
mir fontponiert, bie mir gefielen, „^ä) will fpiegeln mid) 
in jenen Sagen" fd^eint mir in SR^^tl^muS unb SBeife mit 

M S)er l)ier gefd^ilberte SJorgang ereignete fic^ mä^renb beö 
SBÖlntert^urer greifcl)ie6en§ im Sunt 1846. 3n ber „^. Sürd^er St^-" 
Dom 16. @ept. 1847 0lx, 259) lieft man: „(gin junger, fel^r eitler 
Surift, berjeitiger SRebaftor ber „©d^apaufer Stg." miß im ©rofeen 
SHot ben Eintrag fteUcn, bie grage über (Sjrefution beS S^agfaftungS- 
befc^luffeS an ba^ SBolf jur Slbftimmung p bringen." ©ine ®egen- 
erflärung 2l'S. in ber „^. Sürc^er 3tg.'' Dom 21. ©ept. (!Rr. 264). 

19* 



292 2:agebu(^ 1847. 



bem ©cfummc jufammcnjutreffcn, mit tDüd)em xd) baS meb^ 
bifd)C Sieb cinft, leife ftngenb, gemacl)t f)abe. 

SBä^rcnb Saumgartner eine grofec ?J^antafie fpidtc, 
matf)te id) bic Semcrhing, bafe fd^öne 9Kufif immer bem 
^örenben biejenigen ^^antajieen ^crüorruft, meldte ifim ba§, 
tt)a§ er tüflnfd^t, nad) feinem iubiöibuellften ß^arafter üor: 
jpiegeln. @ine präd^tige Ouvertüre mirb ben einen al5 
Sriump^ator in baö ©eräufc^ eineö friegerifd)en @iegedjuge§ 
t»erfe^en, roä^renb fte ben anbem mif grüne Serge an bic 
©eitc einer ^eifegeliebten fü^rt; ber britte wirb einen ffioman 
au^fpinnen, au§ n)eld)em er, gucrft öcrfannt unb mift^anbelt, 
jule^t als glänjenber »§elb l^eröorge^t unb oor benen er» 
fc^eint, n)eld)en er imponieren möd)te. SBeld) eine u^g^ 
^eure SEBelt ber öerfd^iebenften Sräume unb ©mppnbungen 
jertrümmert in einem gefüßtcn $Qufe ber le^te S3ogenfhridj 
eines grofeen Sonftfldfeö! ®od) ba« ge^t nur bie OTafje 
ber ?Rid)tfenner an, worunter id) gel)öre. ©n ÜKuftfoer* 
ftänbiger mirb fid) an ber unabhängigen ^nft unb ©d)öm 
l)eit eine§ SSßerfeö erfreuen. 3""^ Raufen ber S^id^tfenner 
gel)ören aber eine 9)ienge Seute, roeld)e über Wufif fafeln. 
Saumgartner t)erftd)erte mic^, bafe alleS, maS ©u^fcm, ^einc. 
Saube 2c. über 5Ruftf gefd)rieben l)aben, mol^I angenehm j^u 
lefen, aber burd)au§ miHfürlid) unb ganj launenhaft fei. 
Q^ ift bic nämlid)c 6rfd)einung, mie bei aUen fünften. 
9?ur bie Äunftbefliffenen, ein enger Äreiö ftiller Äfinftler 
felbft. geniest bie öerfd^iebenen Sßerfe in il^rer gaujen Siefe 
unb febeömal nur biejenigen, n)eld)e er felbft auc^ ^eroorju» 
bringen ftd^ bemüht. SlUeö anbere ift mel}r ober weniger 
untauglid); befonberö aber baS plaftifd^e 23erQleid)en unb 
Sd)wabronieren fü^rt gu nid)tö. 3d) weife tool^l, bafe bic 



Suife. ^anf^cit bcr (Sd^weftcr. 293 



jd)reibcnbcn 9lfti)ctifer ftd) mit Spott unb ©aßc flcgcn tiefe 
Se^auptung öenoa^ren; e§ ift aber boä) jo. 6in ©c^rift* 
fteller !ann wol^l üiel ©rünblid^creö iibcr bic Äunftgejd^iditc 
jagen, alö ein Äüufticr; er tann ben @eift ber 8flici^tungen 
unb @d)ulen erforfd^en, üerglcid)cn unb beurteilen; aber baS 
einzelne ^robuft wirb er nie öerftel^en unb geniefeen, wie 
ber Äünftler; bafür l^at biefer einen ganj eigenen SBi^. 
Sind) gel^t bem 5ebennenfd)en bie jd)öne ^ietät ab, welche 
bie Äünftler aud) für überrounbene 3fiid)tungen unb $^afen 
betnal^ren unb n)eld)e i^nen bafür mit fo mand)cm reinen 
©enuffe lol^nt. 

3[lö Saumgartner fpielte, münfdöte ic^ u)unberfd)ön 
fpielen unb fingen ju fönnen ber ßouife SRfieter] wegen. 
9JJein armeö ©id^ten Derfdimanb unb fc^rumpfte jufammen 
üor meinen innern Slugen. 3d) üerjnjeifelte an mir, wie eö 
mir überiiaupt oft gei)t. 3d) weife nid)t, xoa^ fd^ulb ift; 
aber immer fd)eint mir mein SSerbienft gu gering, um ein 
au§gejeid)nete§ SSßeib gu binben. SBießeidöt fommt ba^^ t)on 
ber wenigen ?Oiü^e, welche meine ^robufte mir machen. 
Strenge ©tubien, wenn jie mir aud^ nid)t unmittelbar nötig 
ftnb, würben mir öielleidjt me^r ©e^alt unb Sic^erl^eit geben. 
6in ^erj allein gilt ^eute nid)tö mei)r. 



9Kit meiner ©d^wefter gef)t e§ förperlid^ beffer, aber 
©eift unb ®emüt fd)einen Don ber Äranll^eit gelitten gu 
l^aben: fie ift oerwirrt ol^ne gieber. ®abei aber geigt pe 
SBi^, unb bie Siefe eineö garten unb liebebebürftigen ®e= 
mfiteö tritt gum erften 9Kal gu Sage. ®ie 3Kutter wad^t 
nun gang allein fd)on oiergel^n 9läd)tc bei il^r. 3d) fann nid^tö 



294 Xa^thvL^ 1847. 



Reifen. 3^ 6in blc unnfl^c ßi^rpflanjc, bic geruc^Iofe Sulp«, 
meiere alle ©äftc biefeS ^äufleinö cbicr (Srbc, ba& Seboi 
öon 3Jluttcr unb @d)n)cftcr auffaugt. SBenn mir @ott übfr 
biefe iDamenbe $robe ^inaud ^ilft, fo foll cd anberi^ toerben. 
Snbeffcn bin id) ftolj auf unfer Dcrborgcneö 2cibcn unb auf 
bic Starte unb Äraft meine« armen alten ^Jiüttercftcnö unb 
auf ben ftißen SBert meiner ©cftwefter. S)a§ übertrifft all« 
Staubafereien meiner offentIid)en Sejiel^ungen. 

S)en 17. (September 1847. 
^eute befam id) ein artiges @ebid)t in Ser^inen Don 
ber Oftfee ^er, Don einem gemtffen Sruno Sudjer au5 
ÄöSlin*). 3d^ i^abe fd)on mel^r bergleid)en bcfommen; bieö 
freut mic^ aber ein wenig, barum, weil eiS in einer traurigen 
©tunbe fam unb mir fagte, bafe ein Unbetannter am fernen 
SKeer mic^ ad)te unb liebe. 9Keine ßitelfeit erregte e§ ni(^t 
im minbeften, morauf id) genau 3[d)t gab. Sin^^ig n)ünfd)te 
ic^, ba^ e§ bie SBintert^urerin müfete. S)ic Siebe flam* 
mert pd^ ö" öUe SBürjeld^en, meld)e Reifen fönnen. 

S)cn 20. ©cptcmbfr. 

$errlid)er 3Korgen auf bem Sfirid)bcrg. 3d) ftieg 
burd) ben 9lebel l^inan unb ftrebte in ben @onnenfd)ein, ben 
ic^ aud) balb erreid^te, alö id) auf bie ^ö^e fam. ®ie 
9lebel mogten im S^ale auf unb ab. See unb ©tabt waren 
unftd)tbar, aber ba^ ©ebirge taud)te au§ ben weiften SBolfen. 
S)ie ®Ietjd)er unb girnen fd^ienen, i)ell beftral^lt, Diel gröfeer 
unb näi)er, ba ber ganje 'üJlittelgrunb fehlte, ©ie Der» 
fd)moljen jtd) aufö fd)önfte mit ben Dom 2Sinbc getriebenen 

») Se^t S)ireftor beö öfterrei(^. 3)lufcum§ für ilunft unb Snbuftrie. 



Suifc. 295 

SRcbelmaffen, wcld^c wie ein pfifftgcö Silbernteer in gut ße« 
bad)te SSßolfen unb glocfen ausliefen unb wed^felnb baS 
©ebirge balb ganj, balb l^alb Derfdjleierten. 3d) \^^ bie 
prädötigften Silber, wo ber triefenbe frifd^e 3BaIb bie wunber* 
bare Sterne einfafete. Dft fal^ ii) bcn Giebel in feinen blauen 
unb burd^ftd^tigen SBaßungen wenige @tf)rittc üor mir burd) 
bie Sannen fahren, ©c^ön war eS, wenn l^ie unb ba eine 
fd)wanfe junge Solare ober Sirle einjeln ftd) Dorn Haren 
fetten @runb abl^ob, unb il^re bunfle, Dom Seucftten bli^enbe 
Jtrone auf einer faum unterfd)eibbaren blaffen ©d)neefuppe 
fpielte. 

9Äeinen SieblingSoogel, ben 2Bei^, fa^ idt) feit 3Boc^en 
wieber gum erften 3Mal freifen. SBie fommt eö, bafe ic^ 
biefen @omnter fo wenig aQein ^inaudgel^e? 

2luf beut Heimwege tarn xäj an bem alten fleincn Äird^« 
^ofe beö @icd)en^aufeg „Spanweib" oorbei. 6in Heiner 
Sunge fd)rie unb beutete immer bal^in unb fagte gu feinem 
SSater, ber im %übt arbeitete: „©c^au ben Soten bort! eö 
gel^t ein Soter ^erum!" (Sin alter ped)er 9Jlann fpajierte 
auf ben ©räbem l^erum. SJtan fal^ nur feinen Äopf mit 
ber weiften ßipfrtfappe l^inter ber 9Kauer ftd^ l^in unb l^er 
bewegen. 3cÖ fonnte mid) red)t gut in bie SBorftellung be§ 
Änaben oerfe^en. 

3m SSßalbe auf ben fd)önen einfamen SBegen bad)te ic^ 
fort unb fort bie Souif e an meine ©eite. 6ine junge Sirfe 
fa^ ic^ fo fd)lanf unb tabeHoö gewac^fcn wie fte. ©iefelbige 
babete ftd) im ©ilberbuft unb fd)wanfte einfam mutwillig 
i)in unb l^er, alö ob pe nid^t§ bebürfte. 

©epern fanb id^ im botanifd)en ©arten eine ©eorginen* 
art, beren Slumen mir ganj il^r SSßefen auöjubrücfen fd)ienen. 



296 2xigcbu<^ 1847. 



@ic war weife Don eigentfimli^cr SUcinl^cU; bic ^älftc bfr 
Slumc Dcrior fic^ inö glcifd^rofcnfarbene, ganj blafe. £if 
Slatter waren fo fd^ön gereift unb gebaut, baS @anje jo 
gierlid^, munter unb aufgeroecft, fo frifd^ unb unbefc^dbigt, 
Derglid^en mit ben fd^weren, plumpen, bidfrotcn unb ttnfc 
üioletten ©a^Iien, bie in ber %ä^e ftanbcn, an benen Did 
^ängenbes, SBiQfurlic^ed unb SluSwfid^ftgeS bai^ äuge b^ 
leibigte. 

^eute im SBalb wfiufd^te id^ ein getoaubter Sager jn 
fein; td^ fd]ofe ein junged garteS fRtlf in @ebanfen unb 
überfd)icfte eö il^r, wogu id^ mir ein ©onett auSbac^te: ^,54 
möd)te jte näl^ren unb fleiben mit aUem, maö bic 6rbe trögt, 
unb i^r Seben gang allein tragen. @ie foDc aber oon ber 
milbeu blutigen ®dbt nid)t auf ein rau^cS Ijartefi ^erj 
jd)Iiefeen. 3m giebeöunmut fd^ofe id) , fem t)on i^r , ba5 
junge 9lel^.'' 

®a jte, wie id) ^öre, aud) bidjtet, fo bad)tc ic^ mir 
ein antmortfonett auö. 5EBenn id) aud) nid)t gerabc wünfc^e, 
bafe fic fel^r fcftone SSerfe mad^e, fo fiel baö Sonett boc^ 
fel^r gut au§, oou ber ©egenliebe eingegeben, -hierauf fe^rtc 
id) gurüd unb traf jte auf bem SBege an: bic Segegnung, 
ii)re unb meine Äleibung, bie erfte Verlegenheit, allc^ mürbe 
auf§ au^fü^rlidöfte au§ge^crft unb eine artige S^oöcHctte ge« 
mad^t. 

5!Benn id^ übrigens biefe finbifd^en ^^antajiccn nici^t 
gum ©id^ten gut braud^en fönnte, fo märe id^ allcrbingS ein 
eitler ßfel. 3ft eö aber mir armem Seufel nid^t ju gönnen, 
wenn id) oon ber SBare, meld)e id) offigicU ücrfcrtige unb 
oerfaufe, im gel^cimen felbft ein bisd^en nafd^c unb fonju- 
miere? 



ßmganggmotiü gu „fRomto unb 3ulta''. 297 

Swei ftattlic^c, fonnengcbräuntc Säuern pflügen mit 
ftarfen Dd)fen auf gwei ädfern, jn)ijd)en n)eld)en ein britter 
großer brac^ unb öemilbert liegt. SBätirenb pc bie ^flug« 
fd)ar wenben; fpred^en fie über ben mittleren fd^önen SIcfer, 
wie er nun fd)on fo mand)eö Sal^r brad^ liege, n^eil ber 
Deiioat)rlofte 6rbe beöfelben fid^ unftät in ber SBelt l^erum* 
treibe, gromme« unb tiefeö Sebauem ber beiben 5Känner, 
»etd^e »icber an bie Arbeit gel)en unb jeber Don feiner 
Seite I)er ber ganjen ßänge nad^ einige 5urd)en bem Der* 
njQiften Slder abppfigt. gnt^^wt bie Dd^fen bie ^Ppge lang- 
fam unb [tili weiter giel^en, unb bie beiben 3üge I)üben unb 
brüben ftd) begegnen, fe^en bie beiben Sauern eintönig \\)x 
®efpräd^ fort über ben böfen SBeltlauf, fül)ren babei mit 
fefter ^anb ben 5ßflug unb tl^un, jeber, als ob er ben greDel 
be*3 anbern nid)t bemerfte. ©ie ©onne ftel^t einfam unb i)t\^ 
am ^immel. 

6d)ulj fd)reibt fe^r gute artifel in bie „©eutfd)e 
Seitung" über bie g^fwitenfrage. So erweift e« jtd^ wieber, 
bafe ein OTann, ber I)ier ftill unb anfprud)lo§ lebt unb Don 
unfern 3Äataboren wenig bead)tet gu werben fc^eint, unferer 
©ad)c im SluSlanbe bie realften unb trefflid^ften ©ienfte 
Iciftet. 

3njwifd)en erfüllt mid) baö Senel)men unferer SRegie* 
rungömcinner, Don %uxxex^)f SRüttimann^) k. mit ber 

') 3ona§ guner (1805—1861), ber erfte fd^roeigcrifd^e SBunbeS- 
:präfibent, Dor 4)erbft 1848 ÜKitgiieb ber Sürit^er aiegierunö. aSgl. 
Slflg. S)eutf(^e S3io9rapl)ie 8, 209. 

») Über Sfleglerunggrat unb ?ßrofeffor 3- 3- 9lüttimann (1813 bis 
1876) ogl. 21. ©d)neiber a. a. O. 30, 53. 



298 Sxigcbud^ 1847. 



größten ad^tung. 3c^ 6in ganj im gcl^cimen bicfcn •Kon* 
nent öiel ©anf fd)ulbig. 2lu§ einem öagen 3fieoolutionär 
unb Srcifd)ärlcr ä tout prix l^abe id^ mic^ an i^ncn jn 
einem beroufeten unb befonnenen Wen feigen ^erangebilbft 
ber baö ^cil jd^öner unb marmorfefter fyorm aud^ in polüifd^ 
©ingen ju eieren weife unb Älarl^eit mit ber ©nergie, nwj- 
lid^fte 9Jiilbe unb ©ebulb, bie ben OToment abwartet, mit 
9Kut unb geuer Derbunben n)if[en xoiU. ©afe Segeifieniiig 
unb bie frifd^e S^athaft, eine einmal erfanntc geffel ji 
bred^en, ober mit anbern 5EBorten, ber ©inn für bie rechte rnib 
notttjenbige SfieDolution bariiber nic^t öerloren ge^en, bin i^ 
üerjidöert. Übrigens wirb bie SReooIution oon Sage gu Sage 
unjuläfpger unb überpüfpger, in einer ßeit, wo ba^ lebenbige 
SBort fic^ faft überall Sa^n gu bredt)en meiß, bcfonberiS aber 
bei uns, wo bie @ered)tigfeit immer eflatanter nac^ jeber 
aSerpnfterung auf bem gefe^Iid[)en 5EBege pe^t. 5a, ©ir 
werben balb alle SReDoIution Derbammen unb »erfolgen 
muffen, weil pe, ba balb überaß gefe^Iic^e Anfänge ber 
grei^eit gegrünbet pnb, ba§ Erbe beS SlbfolutiSmuS wirb. 
3Sielleid)t ift ba^ etwas jcfuitifd) gebadet, aber item, f* 
^ilft. ©afe eö feine SReüolution ift, wenn bie Staltener 
pd^ Don Dfterreid) ober bie ^Jgolcn üon SRufelanb, wenn au(^ 
auf bie blutigfte 2Beife, loSmad^en wollen, Derfte^t ftcft Don 
felbft. 

9Jlan flagt immer, bie antife Sugenb fei Derfc^wunben, 
wäf)renb wir bie glänjenbften Seifpiele, nur im mobemen 
©ewanb, in näd)fter 3iä^e b^ben. Sürgcrmeifler gurr er 
genofe als Sbüofat eine iäf)rlic^e ©innal^me Don etwa je^n« 
taujenb ©ulben. ais Sürgermeifter begiel^t er eintaufenb 
unb nur, wenn Süxxd) Sorort ift, breitaufenbfünf^unbert, um 



Sfurrer. SWittimann. efd^cr. 299 

bic ßtiquettc ju beftreitcn. 9Rit taufcnb ©ulbcn fann aber 
eine Samilie, roeim fie einigen Slnftanb beobad^ten roiU, nur 
fnapp leben. SKJelc^eö C^)fer i)at er alfo gebrad)!! Saufenb 
Slnne^mlid^feiten mufe er nid)t nur pd^, fonbern aud^ ^Jrou 
unb Äinbem entjiel^en. ©ie $auptfad)e ift bobei: er fann 
für bie alten Sage unb für feine Äinber nic^t ba^jenige 
Vermögen erfparen, nad) roeld)em ein ^JJlann öon feinen 
5ßerbienften, ©infiditen unb Äenntniffen trad)ten barf unb 
foH. ®enn wir l)aben weber ^enftonen nod^ grofee Stipen* 
bienfonbö. ©ie ßl^re ift feine perfönlid)e 6ntfd)äbigung, 
weil Surrer nid)t im minbeften el^rgeijig ift. SBäl^renb er 
auf biefe Söeife im wörtlid^ften Sinne für ben Staat 6nt« 
bel^rungen trägt, l)at er' auf ber einen Seite mit ber nieber» 
träd)tigften , gewiffenlofeften unb fleinlid)ften Dppofttion ju 
fämpfen, auf ber anbern aber mit ben fteten SSorroürfen unb 
SInfetnbungen ber eigenen ^artei-6;rtreme. ?ßid)töbeftott)eniger 
fü^rt er feine 8luf gäbe mit feinen Sreunben rul^ig unb 
ftanbl^aft, o^ne Cftentation gum Si^I^r fo bafe nun 3wnc^ 
mieber moralifd^ an ber Spi^e ber Seroegung ftel^t. Stinlidö 
oerl^ält e§ ftd) mit SRüttimann, roeld)er jwar eine reid^e 
grau t)at, ber aber burd^ unbegreifliche eiferne 2lrbeitöti)ätig» 
feit ftd^ auögeic^net. 

6in erbaulid)er (5f)arafter anberer 2lrt ift Sllfreb 
6fc^er^). ©er So^n eineS- ^Jlinionär^S unterjief)t er ftd) 
ben ftrengften arbeiten Dom 3Jlorgen bi5 gum Slbcnb, über= 
nimmt fd)were meitläufige Stmter in einem Sllter, mo anbere 
junge ^Jlänner üon fünf» bi§ ad)tunb3manjig Sauren, wenn 
fie feinen Sfleid)tum bejt^en, üor allem auö baö 2eben ge* 



') S)cr befannte Sürid^er Staatsmann, ber SBegrünber ber ®ott« 
f)arbba{)n (1819—188-2). 



300 2:agebu(^ 1847. 



nicfecn. 9Jtan fagt jwar, er jci c^rgcijig. 9Kag fein; e 

gcid^net mtr eine bcftimmtere ©cftalt. 3d} mcinerfeifö »üibe 

jd^tüerlid^, aud^ wenn td^ feine (ärjie^ung genoffen ^«, 

ben ganjen Sag auf ber @d)reibftubc ft^cn, »enn id^ bübd 

fein ®elb befäfee. 

S)en 1. Oftober, 12 U^r nachts. 

3d) fonime foeben anö ber ©efellfdjaft, jiemlid^ gcboigt 
Don ad^ttägiger fiieberlid^feit, bie boc^ mieberum ^oc^ft m 
fct)ulbig ift, wenn id) anbere $erfonen unb Scr^dltniffe b^ 
trachte. 3d^ glaube mid^ immer fd^Icd)ter unb fc^wär^er 
als anbere unb pnbe mid^ am @nbe immer ein ficin wenig 
beffer. SBal^rfd)einIid) aber werbe id^ mit meiner noiD 
befd)aulid)en unb müfftggängerifd)en SBeife ju ©ninbe ge^ 
wä^renb bie praftifd)en unb. emfigen Ä^orruption5= unb 
©d^IenbriauS*9Jlenfd)en florieren. 

^abe mid^ auf bie el^rbarfte SBeife an ber lieblichen 
Sraut eines Qaidam gefreut unb bad)te an bie 3£. Sc^ bin 
aud) nid^t oon ©trol^. @ute SRad)t, mein liebeS ^erj! bn 
oerlierft fel^r oiel, menn bu nid^t ausläuft. 

S)en 3. S)e3ember. 

§eute 9?ad)t träumte mir oou einem SBei^. ^ 
fd)aute in einem ^aufe gum Senfter l^inauS; im ^ofe ftanben 
bie 9kc^barn mit il^ren Äinbem. ©a flog ein grofecr 
munberfd^öner ©abelmeil^ über ben ©äd^em l^er. 6r fd^roebte 
eigentlid) nur, benn feine Slügel maren bic^t gefd^Iojfen, 
unb er fd)ien oor junger franf unb matt, inbem er immer 
tiefer fanf unb ftc^ mit SJlül^e roieber erl^eben fonntc, aber 
nie fo l&od) , al§ er Dörfer gefunfen mar. S)ie 9tac^bam 
mit i^ren Äinbern fd)rieen unb lärmten unb toarfen ungc- 



SBeitcrträumcn. 301 



bulbig bie 3Jlfi^en nad) i^m, um il)n ganj I)crabjutt)crfen. 
6r fal^ niid) an unb fcl)ien, ftd) auf* unb nicberbcroegenb, 
mir jic^ nähern gu rooHen. ®a lief id^ jd)nell weg in bic 
Äüd)e, um ctwaö Spcife für i^n ju Idolen. 3d) fanb mit 
9Jlüi)c etwaö, unb al§ id) l^aftig bamit wiebcr am genfter 
crfd)icn, lag er fd)on tot am Soben in ben ^änben eines 
fleinen läufigen Jungen, tüeld)er bic präd)tigen ©d^roung^ 
febern ausrupfte unb um^enuarf unb cnblid) ermfibet ben 
SSogel auf einen ?!Jlifti)aufen fc^leuberte. ©ic ?Rad^bam, 
n)cld)e i^n enblid) mit einem ©teine ^erabgemorfen Ratten, 
waren unterbef[en ai\^ einanber» unb an i^re ©efd^äftc ge« 
gangen. 

©iefer SJraum mad^te mic^ fe^r traurig, hingegen 
tüarb id) mieber fel)r öergnügt, als ein junges 9Jläbd)en fam 
unb mir einen großen ©traufe 9ielfen 3um Äaufe anbot. 3d^ 
TDunberte mid^ fe^r, bafe eS im ©esember nod^ ?Relfen gebe 
unb l^anbelte mit bem ^nbe. Sie verlangte brei ©djillinge. 
^d) l)atte aber blofe gwei in ber Safd^e unb mar in grofeer 
33erlegenl)eit. 5d) oerlangte, fie follte mir für jmei ©d)illinge 
t»on ben Slumen abfonbern, inbem nur fo Diel in meinem 
(Sl^ampagnerglaS, in weld^em id^ bie Slumen gemö^nlid) 
aufbemal^re, 5pia^ i)ätten. ®a fagte fte: „ßaffen @ie mal 
feigen! pc gelten fd^on l^inein". ?Run fteHte pc eine 9?elfe 
nad) ber anbern bebäd^tig in baS fd)lanfc glänjenbe ®laS. 
3c^ fa^ il^r JU unb empfanb jenes Sef)agen unb Sßol^lge* 
fül^l, n)eld)eS immer in einen fommt, wenn jemanb oor unfern 
äugen eine leidjte Arbeit ftill, rul^ig unb jierlid) DoHbringt. 
2llS fte aber bie le^te Steife untergebrad^t i)atte, mürbe eS 
mir mieber angft. ®a fal^ mid) baS 9Jlabd)en freunblid) 
unb fd)lau an unb fagte: „@ef)en Sie nun? 6S finb aber 



302 Slagcbud^ 1848. 



aud^ nid^t fo Diel, wie \6) geglaubt l^abe, unb pe foften imr 
3n)ei ©d^tüinge." 6§ roaren inbeffen bod) feine cigeittlii^ 
Steifen, aber üon einem brennenben SRot, unb bcr ©eruc^ vm 
aufeerorbentlid^ angenehm unb nelfen^aft. 

S)en 10. Sanuar 1848. 

SBergangene 9laci^t befanb id^ mid^ in ©lattfelbfn. 
©ie @Iatt fiojj glänjenb unb frö^Udf) am ^aufe uorbei; ab«r 
id) \ati jte in eine weit fernere, faft unabweisbare %emc picßcn, 
al§ e§ wirflid) ber %aü ift. 2Bir ftanben am offenen genftrr 
gegen bie SBiefen l^inau^. ®a flog ein mächtiger 8bler 
burd^ ba§ Si^al l^in unb wieber. SllS er ftd^ brfiben an ber 
Sud^tjalbe auf eine oerwitterte §ö^re fe^tc, flopfte mir bal 
$erg auf eine fonberbare SBeife. Sd^ glaube, ic^ empfonb 
eine rüt)renbe 3^reube barüber, jum erften 9KaI einen SWcr 
in feiner greil^eit fd^weben ju feigen. 9?un flog er ganj noi 
an unjenn ^^nfter üorbei. ©a bemerften mir genau, boB 
er eine Ärone auf bem Äopfe trug, unb feine Sd^wingen unb 
Gebern waren fd^arf unb wunberlid^ auögejacft, wie auf ben 
2Bav»en. 2Bir fprangen, mein D^eim unb id^, nad) b« 
©ewel^ren an ber SBanb unb poftierten un§ l^intcr bie S^ütol 
3lid)tig fam ber rieftge SBogel gum ^enfter l^erein unb erfüllte 
faft bie Stube mit ber Sreite feiner ©d^wingen. SEBir fc^offen 
— unb am Soben lag anftatt beö Slblerö ein Raufen üon 
fc^warjen $apierfd)ni^eln, worüber wir unS fel^r ärgerten, 

@§ nimmt mid^ eigentlid^ wunber, warum id> bieje 
finbifcften Sräume auffd)reiben mag. S^bod^ fommt eS Don 
ber glüdflid^en (Stimmung, in weld^e mid^ bicfc einfad^ 
Spiele ber träumenben ©eele aud) nodö nac^ bcm 6rwa(!^ 
derfe^en. 



Söciterträumcn. 303 



SBcnn id) aud) cinft md)tS ScfcnStocrtcS mcl^r in bem 
Slufgcfci^ricbcnen pnbc, jo wirb mid^ bod^ beim Slnblicf bcr 
IctDciligen ©atcn eine bunfle ffifee ©rinnerung befallen: eines 
ftiH genoffenen fd^ulblofen @lücfe§. 

auffiiüenb ift e§ mir, bafe id^ l^auptfäd)Iidö, [a faft auö= 

fd^liefelid) in traurigen Seiten^ wo id^ ben Sag über in 

fummerooHem SBrüten ba^inlebe, fold^ ^eitere unb einfad) 

lieblid^e Sräume l^abe. 

S)en 15. Sanuar 1848. 

Sräumte bie ijalht ^laäft Don einem filbemen 3lrmbanb. 
®a§ ÜJHttelftüdE beSfelben bilbete ein alter feiner Sürd)er 
©ulben, auf weld^em bie alte ©tabt 3ü"cf) mit i^ren türmen 
geprägt war. ®o§ übrige Sanb beftonb au§ fünftlid) ge« 
arbeiteten Äettd^en unb ©liebern t)on ben fd^önften ^formen 
unb SBerl^ältniffen. 3d^ fpielte fel^r dergnügt mit biefem 
fonberbaren ©c^murf unb fd)ämte mid) nid^t, mein ^anbge- 
lenf bamit ju gieren, gleid^ einem SJläbd^en. @egen 9Korgen 
woQte mir jemanb baS Sanb U)egnet)men unb id) ganfte 
barum, big id) erwachte. 

Übrigen^ erinnere id^ mic^ jefet wirflid) eines filbemen 
Slrmbanbeö oon jwei geilten l^er, an weld^eS fid^ SSejie^ungen 
fnfipfen. 

@a^ aud^ eine t)errlid^e Sanbfd^aft, wo bie Ströme 
leud^teten wie ßbelfteine; bie Serge unb Die 33egetation waren 
öon ben wunberbarften formen. 2ll§ id^ in ber Kad^t 
mitten auö biefer 5Ratur aufwachte, glaubte id) alle Sinien 
fo feft in mir bewahren gu fönnen, bafe id) fie am SKorgen 
nur gleich geic^nen möge, aber nad^^er fd)lief id^ wieber 
ein, unb jefet t)abe id) nid^ts met)r als ben allgemeinen an= 
genehmen ©inbrurf. 



304 SBeitcrtraumen. 



SBenn ic^ am Sage nichts arbeite, fo fc^afft bie ^^i- 
tape im ®d)lafe auf eigene Sauft; aber &a§ necfifc^e lidx 
©efpcnft nimmt feine ©djöpfungen mit fic^ hinweg unb rxi- 
»ifc^t forgfältig alle ©puren feine« fpuf^aften SBirfen^. 

2)en 2. ^bruar 1848. 

®er Srüf)ling ^at mid) armen Seufel le^te 9?a(^t b^ 
fud^t unb getröftet. Suf jeben %aü ffobe id) bie« 3a^r ba 
erften S3orgefd)mac! beö Senje« genoffen. 

^6) ging in einem großen fd)dnen @arten, u>eld)er ba$o 
nod) mein gehörte. 6r »ar im ^^la^'' gelegen, wo jc^ 
ber Sal^n^of ftel^t, unb füllte ben ganjen obem Staunt jiDif(fta 
ben beiben Slüffen, ber Simmat unb ber ©ii^I, au«. Sic 
^Blumenbeete u)aren länblid) unregelmäßig, ol^nc ßinfaffungra, 
Oon ben üufälligften gormen ; bie SBege f d^längeltcn fic^ weH 
unb glatt l^inburd) unb oerloren pc^ unb trafen ftc^ mieber 
jwifd^en ben ^errlid)ften Slumengebüfc^en. ®er ©arten 
oerlor pd^ ol)ne ©d^eibewanb ober ^ecfe in bie fc^attigcn 
anlagen be« rr^I^fefP^fe^^"» meldte im glän3enbften @rün 
ftanben. Sie beiben Slüffe fc^immerten in ber Sonne blau 
unb grün, wie mutmillige ©d^langen. 3c^ fd^lürfte aflc§ 
mit bem reeUften ©enuffe unb Seroufetfetn in mic^ l^inein. 
SBeifee @d)metterlinge, oon ber ©röfee einer Saube, wogten 
langfam auf ben blauen unb roten Slumenfelbcm ^erum. 
3d) wollte mir einen fangen, inbem id^ mir badete, e« mfijfe 
ein präd^tigeö ©eforum für mein Sin^wt^t abgeben, ftopfte 
unb 3ünbete eine pfeife Sabal an, um ben SBogel mit bem 
Sabaffafte fd)neU gu töten. Slber inbem id) einige ßfige 
raud)te, fd)ämte id) mid), erften« ben Slumen» unb Senjbuft 
ju oeruureinigen unb jweiten« einen ©d^metterling ju töten. 



1. mai 1848. 305 



Über biefcn SBctrad^tungcn öcrfdiwanb ber ©arten unb bie 
lyarben^jrad^t. ®rau umpHte mid^, unb id^ fal^ nid^ts mef)r 
aU eine mädjtige filbergraue SBeibe, welche mit bem I)eftigftcn 
©turmminbe rang. Sie mar ein Silb ber tiefften S^tfnir« 
fd)ung. SBie rafenb fd)Iugen il^rc ^ifte um jici^ unb brauften 
unb langen mit fold^en ^erjjerreiBenben Sönen, bafe id^ doU 
@df)redEen, bod^ mit einem »ollüftigen Sittem jul|örte. ©od& 
bie SBinbftöfee famen immer ftärfer unb fd^ienen ben SBaum 
gänjlid) brechen ju tDoIIen. 

3d^ eru)acl)te. ®er ©fibwinb ging mit mäd^tigem SBelien 
unb f(f)moIj ben ©d^nee oon bem ©ad^e, unter U)elcl)em ic^ 
fc^Iief. @r tropft l^eute ben ganjen Sag jur 6rbe. 

2lm 5lbcnb DcS 1. aRai 1848. 

@ern genieße unb feire i^ bie l^eiteren unter ben 
d^riftlid^en Safttagen mit. SBenn am Dftermorgen, am ^immel* 
fal^rtötag ober in ber ^pngftfrü^e bie ©locfen burd^ bie 
flare Suft tönen, bie ftiQe Sonne unb ba^ alte treue ^immeU 
blau auf ber blu^enben @rbe liegen, menn bie gebanfen» 
leidsten, unbeffimmert frommen Seute auf SBegen unb Stegen 
ben Äird)en jueilen, bann tl^ue id^ mein Sanfter weit auf 
unb laffe meine Seele auf ber allgemeinen beliaglid^en 8ln» 
bad)t ausrufen, unb bie SRu^e, meldte id^ pnbe, bemeifet mir, 
bafe iöi tt)ol)l nid^t ju ben Sd^limmen gehöre, ungead^tet 
ber Sd^eibemanb , meldte gmifd^en mir unb bem betenben 
SSolfe befleißt. Slber mie id^ feit einiger ßcit ängftlid^er ouf 
ben SBed^fel ber Sal^rei^äeiten ad^te, unb mie mid) ber fom* 
menbe SBoümonb jebegmal forglid^er unb gebanfendoüer 
finbet, fo f^ahe id^ befonber§ aud^ für ben erften SJlai eine 
größere Pietät gewonnen, ate für aUe anberen Sage im 

(»ottfrieb Sttütx. 20 



306 ^agebuc^. 



gal^rc. ®ai5 fommt dorn ©d^ciben bcr Sugcnb. 3e dlta 
wir werben, befto mel^r lernen n)ir bm f^rü^Iing oerflc|Gi 
unb fc^ä^en. 2)em unbewußten @eniegen unb @e^nen folgt 
bie beftimmte Slbjtd^t, feinen ber flüdötiö^n Scnjtoge bd 
ßebeniS me^r gu öerlieren, unb, obgleid^ mir füJ^Ien, bafebfi 
@ei[t ewig fung bleibt, [o möd^ten wir bod) neben feinen 
grfld^ten nod^ einige Slfiten ber leiblid^en Sfwgenb glmuen 
fe^en. 

3d^ bin l^eut früt) inö greie gegangen; aber c§ war ot 
wunberlid)er erfter 9Rai. ®ie 9latur prangte in i^rcm fd^onftcB 
@cl)mucfe, ba§ @rün war frifd^ unb fcfeön, btc Sonne f^ia 
l^eQ am ^immel; aber eS we^te ein fo fd^arfer unb rau^ 
Dftwinb, bafe eö einen mitten im ©lanje fror xinb fc^aucrte. 
Dft flogen fd^warje ©chatten über bie Senjfelbcr, Don iagcn^ 
ben SBolfenmaffen geworfen; bie SBoIfen lourben irnnw 
bid^ter; bod) ber SBinb welkte mit großem @eräufd^e fo heftig 
unb wilb, ba^ fie Oörweg gerriffen würben unb bie 6oraf 
immer ba war. ©er ©taub wirbelte in @aulen auf bcn 
^eerftrafeen, wälgte ftd^ über ba^ SEßiefengrün unb fülltf bie 
garten SBlumenfeld^e in ben ©arten. @S war eine peinlit^f 
unb froftige Unrul^e, unb man fonnte bes fyrü^Iingö mit 
frol^ werben. 

^6) ging in bie ©tabt, wo go^i^niarft tDar. 6^ war 
öiel 33oIf f)erein gefommen unb trieb fid^ emfig l^erum. S)odj 
war fein aSerfet)r met)r fc^einbar; benn aUcö flagte über ben 
großen ©elbmangel unb bie fd^limme S^it. 2lm frö^lic^flen 
waren bie fungen ©olbaten, welche in il^ren neuen Uniformen 
ber 5?ot unb ber Seftürgung be§ Sageö üergaßcn unb ftngcib 
um^ergogen. SBann werben bie grü^Iinge naiven, wo bicfe 
blutroten ^Kenfd^enblumen nid)t mel^r iebeSmal mit b© 



1. mai 1848. 30" 



taufcnb anbem Slumcn l^crDorfriedjcn unb i^rc un^cilöolle 
^rac^t an bcr Sonne fpicgcin? 

2lm mciftcn nicbergefdjlagcn waren bie Äünftler unb bie 
aäejt^cr öon ^Jlerfioürbigfeiten , weil faft niemanb um i^re 
^robuftionen jtd^ bcfümmcrn modele. ®a [tauben fte in 
ii^ren traurigen bunten Sadfen dor ben 33uben unb [tiefen 
«njtd&er unb flagenb in bie fd)abl)aften trompeten, bafe 
einem bie S^ränen in bie Slugen traten. SBeil ba§ SSolf 
fein ®elb l^atte, jo fpottete e§ jum erften *3MaI über bic[e 
^errlid^feiten , n)eld)e eö fonft bewunberte; unb bie ©aufler 
ftanben fd)eu unb fc^Iottemb oor il^ren gemalten Söunbern. 

3c^ trat in ein S5Sa(f)§fabinett. ©ie ®efenfd)aft ber 
Potentaten fal^ fc^r lieberlid^ unb oemad^Iäfftgt au§. @ö war 
eine erfd^rerfenbe ©infamfeit, unb id^ eilte Durd) pe l^in in 
einen abgefd)Ioffenen Siaum, roo eine anatomifd)e Sammlung 
3u fe^en mar. ®a fanb man faft aUe Seile be§ menfc^^ 
Iid)en ÄörperS ffinftlid) in SBad^ö nac^gebilbet: bie meiften 
in franfen fd^redbaren Suftönt^ctt/ ^'"^ ^ö^f wunberlic^e 
©eneraloerfammlung uon menfd)lic^en 3uPänl>cn, weldöe eine 
Slbreffe an ben ©d^öpfer ju beraten fd^ien. @in ungel^euer 
gro^ö ^erj, meld)eö feinen ©igner getötet l^atte, fül^rte baö 
5ßräjibium, unb ein fel^r fd^ön auSgebilbeter 9Ragenfrebg 
fd^ien ber ©efretär ober @d)riftfül)rer gu fein. @in anfel^n* 
lid)er Seil ber ehrenwerten ®efellfd)aft beftanb au§ einer 
langen 3fieit)e ©läfer, meiere oom fleinften ßmbr^o an biö jum 
fertigen §ötuö bie ©eftalten ber angel)enben TOenfd^en ent* 
l^ielten. ®iefe waren nid^t auS SBad^S, fonbern fftaturge« 
wäd^ö unb fafeen im SBeingeift in fe^r tiefftnnigen ^ofttionen^. 



*) ^taii benft f)ier an eine befannte @certc im „örönen ^einrid^". 

20* 



308 Sagebud^. 

®icfc $Rac^bcnflid^fcit fiel um fo mcl^r auf, atö bic Suijt^c 
cigentUd^ bie ^offnungööollc guflenb bcr SScrfammlung wr» 
ftcüten. 

^lö^lid^ aber fing in ber ©eiltanjerl^fitte nebenan, xoAi^ 
nur burd^ eine bünne Sretterwanb abgefd)ic&en loar, ei« 
laute ^ufil mit Srommel unb ßimbeln gu fpielen an: tm 
©eil mürbe getreten, bie SBanb erbitterte, unb ba^in mar bic 
ftiHe aiufmerlfamfeit ber f leinen ^erfonen. ©ic begannen jb 
gittern unb ju taugen nad) bem Safte ber milben $olfa, in 
brüben erflang: baiS groge ^erg mochte noc^ fo gefc^moüa 
ausfegen, ber 9Ragenfreb§ nod^ fo rot merbcn üor ärger, f* 
trat Slnard^ie ein, unb x6) glaube nid^t, bafe bie Äbreffe jd 
ftanbe fam. 

®ie eingige SÄerfmürbigfeit beiS SÄarfteö, toelc^e einigen 
Sufprud^ erf)ielt, mar ein SRI^inogeroS. ©aö ©c^idffal bia'er 
antebilut)ianifd^en Seftie ift eng mit bem f^alt bed Jtönig- 
tumö in granfreid^ oerfnfipft, inbem pe für ben jardio des 
plantes in ^ari§ befteQt, aber öon ber prooiforifc^en fUt^xt^ 
rung mieber abbefteQt mürbe, meil man bort fe^t baS @fü) 
fonft braudje. §eimatlo§ irrt baö altmobifd^e Sier nun in 
ber ©d^meig umf)er; bod) ift eö nid)t brotlos, ba feine Seit» 
famfeit unb fein $orn auf ber 5ßafe il^m ein l^inlänglic^ 
Sluöfommen ftd)ern. Söol^l jebem, ber in biefen Seiten etrool 
SRec^teö gelernt ^at! 

Sllö DoHenbö in biefem oermorrenen treiben einige oer» 
mef)te SRepublifaner auö 33aben erfc^ienen mit gerfnidftra 
fd^margrotgolbenen Äofarben, ba fifid^tete ic^ mid) auf ben 
ge[efaal, mo bie l^unbert ß^itungen unb Flugblätter üor 
furgem nod) alö roeifee Slüten beö papiemen Sßölferfrü^ling« 
luftig geflattert t)aben. Slber ad^! au^ über biefen 2eng ifl 



1. g»ai 1848. 309 



ein (Jroft gcfommcn. ®ic ©onnc fdöcint vooljl nod^, aber bcr 
SEBinb l^cult falt unb fd^ucibeub banintcr l)in. 6in uncr= 
quirflici^cr fd^amlofcr ^abcr ift crn)ad)t; bic nicbcrgctrctcncn 
ffcinbe bcr ^ötenfd^l^cit lad^en bereite toiebcr in il^rcin 
Staube. Seber ^^ilifter weift grinfenb nad^ ^^ranfreic^ l^in, 
Tüo pc^ baö liebe SBoII unbefonnen in Slot unb ©orge ge» 
ftürjt l^at. (S§ ift eine abfd^eulici^e greube, welche alle SBelt 
über biefeS @j:empel empfinbet, baS eine Station^ an [\6) felbft 
ftatuierte. @ie freuen pd) nid^t barüber, ba^ biefe noble 
Station auf il^rc Äoften eine (grfa^rung für aUe SBöIfer 
niad^te; fonbern fte freuen fid) übert)aupt, bafe, wie jte nun 
erroiefen meinen, ber Slrmut nid^t gef)oIfen werben fönne, 
baß fte nun auf§ glänjenbfte wieber für ein Sal^rtaufenb 
grünblic^ gefegt fei. Unb pe Bleiben i^ren inneren ^uhd in 
wiberlid)e l^cud)Ierifd^e Älagen. 

©in Äonefponbent ber „aUg. Slugöb. S^Wung'' erjä^It 
fd^abenfrol), wie in ©alijien ^unberttaufenb 9JHftgabeIn unb 
©enfen erhoben feien, um bie polnijd^en ßbeHeute unb über» 
l^aupt aUe fafl^ionablen ©c^nürrödfc gu fpiefeen unb jerl^acfen, 
n)eld)e oon ber Befreiung $oIenö etwa ju reben fämen. 
®iejer TOann oerpHtc feine greube in eine worme Seilnal^me 
für bie frül^er mife^anbelten Säuern, weld^e gang 3fied)t 
l^ätten, nic^t mel^r in jeneö feubaliftifc^e ßlenb gurücffe^ren 
gu wollen. ®aö l^aben pe aUerbingS, unb biefcS SRec^t ift 
um fo leidster gu bel^aupten, afö jene^ 6lenb unmöglich mel^r 
gurfi(ffef)ren fann. 

S)ie ^olen jelbft benehmen pd^ wie ungeratene Sungen, 
weld^c il^ren greunben eitel ^ergeleib unb Äummer üerur» 
fad^en. 3Bät)renb pe nur burd^ bie neuen Se^ren be§ ein« 
fad^ffen 9?aturDöIferred^tei5 wieber aufleben fönnen, burd^ bie 



310 3:agcbu(^. 

93emi(^tung bcr f(^«lbtpIomatifd)en ©cbictefreffoti, crgt^a 
ftc pdö in bm SRcbcniSartcn gcrabc biefcr Derfautten la^ 
^aften ßeit unb fpred^en Don ber ^erftellitng etned wait- 
biluDianifd^en Sfieid^ed auf j^often beS beutfd^en Soßei 
2ie6en§n)ürbig ift eingig bie Unoerfd^amt^dt, nrit mtlitti h 
bieS t^un ju einer ßeit, wo fte noc^ feine ^anb^ ^ 
bem ^Keffer beft^en, beffen Älinge nod) in SRufelanb ri«r= 
graben ift. aber eö tl^ut nid^te; bie nädjften Sa^rc »ertar 
pe eine« Scfferen belehren ©ie aKc 93oIfcr, toelc^e fic^ Dfi^ 
nunftmibrig geberben. Übrigens, n>enn bie $oIen lauter 
unbraud)bare Seufel mären, fo mfigte @uropa btnuoäi in 
legten SSerö gu bem Sieb fingen, roeldjeö man i^nen fdi 
fiebenje()n ^ai^xm täglich Dorgefungen l^at, unb 2)eutfc^Iaiib 
fo gut n)ie bie anbern, 2)eutf d^Ianb , ba^ feit eben biefes 
jiebenje^n 3at)ren feinen ©id)ter l^erDorbrac^te, tDcIc^er nidji 
mit bem l^erfommU(f)en $oIenIiebe bebütieren mugte. 

3d) fal^ aud) ©eutfci^e, fonft bewährte ?Känner, roeld^ 
mit finfterem Slicfe bie "JJadjriditen öon bcn Sortf(^rittfn 
ber StoKcner lafen. 3" i^rem @roQe fa^ man nic^t Aar, 
ob er nur öon bem (äinfaüe in SBälfd^tirol ^errü^e; bcrra 
fcl)on üort)er befc^ulbigten üiele bie StoHener beö Unbonfe^ 
unb beS 5Berrate§, weil fie erft nat^ ber SBiener JReüoIution 
nod) i^ren @d)ilb erl^oben — aK ob ein 93olf imwt 
feiner l^eiligen ©renjmarfen unter allen Umftänben irgenb «im 
33erppid^tung l^ätte, bie ^öglid^feit feiner Befreiung un*' 
benu^t öorbeigel^en ju Iaf[en. 

21m meiften aber quält mid^ bad ewige ÄriegÄgejc^m 
beutfd^er ßfftgfteber gegen J^ranfreid). Xaum xoax ber erftt 
greubenfd^rei, ber über ben 5R^ein fam, uer^aUt. faum ©ai 
bie ungef)eure Samine, meldje 6r in 2)eutfct)Ianb erroccfle, im 



1. Wlai 1848. 311 



@d)u6, f l)ic6 Co jum ©anfc mt auö ßincm SKunb : rfiftct 
cud^ gegen bcn ßrbfcinb! Sllö Slntroort barauf erfc^ien baS 
5Hanifeft gamartineö: eö tDurbc Derl^öf)nt. ^aä) abgemeffencn 
^aujen ertönt bcr monotone n)iberlid)e 9iuf fort: ftc fommen, 
fie fommen l^eut, pe fommen morgen ober gcroife übermorgen ! 
Unb brüben rül^rt ftd^ feine ©eele. Unb wenn fte mid^ enb* 
lid^ fämen, fo wäre bie Ungereti^tigfeit i^rer ©ad^e ber beftc 
®cl)ufe gegen pe; benn baö S3oIf, n)elct)e§ je^t guerft ben 
Ärieg ol^ne golbfd)n)ere UrfQd)e über feine ©rengen l|inaui5* 
XD&lit, wirb ben 3flud) unb ba^ Unglürf gu feinem 6rbc 
l^aben. aSer aber ol^ne ©runb unb oor ber 3eit ben Seufel 
eineö ÄriegeiS jwifci^en granfreid) unb ©eutfc^lanb an bie 
2Banb malt, ber ftreift mit rof)er §anb bem SenjPore beS 
3a^reö 1848 feinen fd)önpen Slütenftaub ob. 

©0 xotijt ein rauher unfrcunbUc^er §auc^ überall burd) 
ben ©eipeSfrül^ling biefeS jungen 3a^re§. S)a§ ©öttlic^e ift 
erwacht auf ©rben unb brici^t in taufenb golbenen Slcmmten 
Ijeroor; aber jugleid^ fammelt pc^ alle men[cl^lid)e ©dimad)* 
Ijeit unb Unt)ollfomment)eit in 6ine qualmenbe ©taubmolfe, 
unb menn jene fylamnien nid)t jufammenfd)lagen fönnen, 
fo fc^eint biefe bunfle bamonifd^c SBolfe pd^ um fo leidster 
gu t)erbid)ten unb ben ©chatten auf bie irrenben Slugen gu 
legen, ©o lange eö SBinter ift, ertragen wir ben ©d^nee; 
aber fc^merglic^ berieft er bie Slugen, wenn er nad) mannen 
Frühlingstagen mieber rurffaüenb unoerfel^eniS auf ben grünen* 
ben Sluren liegt. 

©od) nein! nein! 6§ wirb ©ommer, l^eifeer, glü^enber 
©ommer. ®a§ neungel^nte gö^rl^unbert, ba^ üerI)ängmS* 
öotle, läfet un§ nic^t gu fd}anben werben. Unb l^aben wir 
nid)t feine fommerli^e OTitte erlebt? 3« iooti Sauren gä^len 



312 Slagcbud^. 

»ir 1850. 2öaö fann ba nid^t qHcö »erben unb jtd^ m- 
bereiten gur großen SBenbung unjerer @cf d^id)teit ! 

S)en 2. aRoi 

©er SBinb f)at [\ä) gelegt, bie SBolfen finb Derfc^wnn^ 
ben. Stein unb tief wölbt p^ ber frqftaKene ^immel. £ie 
©onne flammt [tili, grofe unb fid)er an i^m. Unb ebenjr 
ftiH, grofe unb fid)er leud^tet baö ©eftirn unfercd ©c^icfial^ 
unb unjerer Sage über ber tofenben SBenoiming bieid 
grül^ia^reS. 3a, e5 ift ein gewaltige^ ©eftim, unb beutlid» 
lefeu wir in if)m, bafe unjere äufeere Sebenöru^c ba^in ift, nnb 
ba^ mir nur burd) raftlofeS SRingen unb riefenmäBige Srbf^ 
bie 3fiut)e unferer Seele erfämpfen fönnen. ©ie golbencn 
Socfen unjerer Sugenb merben in biefem Äanipfe ergrauen; 
mit bem ©c^merte in ber ^anb wirb fte il^rc grfal^rungen 
fammeln unb unter ben SBaffen i^re ©tubien üoltenben, unb 
fie mirb gebrängte Sage an baö öermenbcn lonnen, woju 
bie 9Säter lange ^aijxt hxanä)kn. ®a§ gange garte ©efc^Iet^t 
ber Sungfrauen öon l^eute mirb unter ©turnt unb ®emitter 
öerblü^en unb in furgen fliegenben Slugenblicfen bie ^eitere 
greube l^ajd)en, meld)e e§ fonft in langen fienjmonben 
fd^lürfte; aber bie je 3Jlinuten merben jd^merer, feuriger, feliger 
jein al§ jene langen rul^igen gal^reögeiten ber muffigen &ift. 
3)er SReig if)rer Unjd)ulb mirb bie glü^enbe Sugcnb ber 
Sünglinge gieren, meld)e pc^ bem SBaterlanbe meil^en. S)ic 
9Kütter merben unter jd^meren ©orgen il^re ©ol^nc aufgie^; 
aber jebe t)at bafür bie ftolge Hoffnung, bem aSaterlanbc 
einen SRetter gu jd^enfen; benn eö mirb feinen überflujfigen 
nnb unnu^en SBürger mel^r geben. ®ie ©reife aber merben 
uodf) am SRanbe i^reö ©rabeö bie ©umme tl^reS langen 



2. Wlai 1848. 313 



ficbcnS ucrboppcin fönncn unb bic Erfahrungen unb grüd^tc 
cinc§ Sa^r^unbcrtiS mit l^inübcr ncf)mcn. TOein ^crj jittcrt 
üor tJi^cube, wenn ic^ baran benfc, bafe id) ein ©enojfe 
faicfer S«t bin. SBirb bieö Sewu^tfcin nid)! alle mitleben« 
ben ©utgepnnten als baö fd)önfte 33anb einer allgemein ge« 
füt)Iten Iieiligen ^flid^t umjc^lingen unb am 6nbe bie 33er= 
föl^nung l^erbeifül^ren? 

aber n?e^c einem jeben, ber nic^t [ein ©^icffal an baö« 
jienige ber öffentlid)cn @emcin[d)aft binbet! ®enn er wirb 
nid^t nur feine SRul^e pnben, fonbern baju noc^ allen inneren 
^alt verlieren unb ber SJtifead^tung beö SSoIfeS preisgegeben 
fjin, wie ein Unfraut, ba§ am 3Bege [tetjt. ©er grofee 
$aufe ber ©leid^gfiltigen unb Stonlofen mufe aufgel^oben unb 
moralifc^ öemidötet werben; benn auf il^m ru^t ber Slud& 
ber Störungen unb SBermirrungen , meldte burd) ffil^ne 
Winbcrf)eiten entftel^en. SBer nid)t für un§ ift, ber fei wiber 
unS! 9iur nef)me er teil an ber Slrbeit, auf bafe bic @nt= 
fd)eibung befd^leunigt werbe!" 



©0 träumte unb pi^ilofopl^ierte ©ottfrieb Heller in baö 
rote 3at)r 1848 l)inüber. ©ie politifc^en Segebenl^eiten, 
gumal bie g^bruar- unb SRärjtage erl^ielten if)n in atem* 
lofer Spannung. &x, ber aQeS ungemein ernft nal^m, er* 
achtete eä als l^eilige ^flid^t eines jeben, in bem Slugenblidf'e, 
ba ber Jag ber grei^eit anjubred)en fd^ien, unentwegt auf 
bem Soften gu [te^en. 3n biefer ^inftd)t ift ber folgenbe 
SBrief anwerft bejeidE)nenb. 



314 27. m ebuarb 2)o6cfc(, 25. «Warj 1848. 



27. Htt «Bl^ititv^ 99Kelt«l im^^n.') 

„Rötungen, bcn 25. 5Wart. 181«. 

gicbcr Srcunb! 9Zimm nic^t übel, wenn id) S>i(t) nid|t 
mit bcm pal^etifd^en „teurer Sreunb'^ anrebe; eS foH gleict 
flut gemeint fein, ©eine ©enbung ^abe ic^ mit Sergnfigcn 
empfangen unb erfet)en, ba^ ®u glücflid) roieber in ©rinm 
Sentrum angefommen bift unb ©eine ^ü^If^örner (roeldje 
^ier etroaö lang waren) gebü^rlid) roieber innerhalb bie ge- 
wohnte Sßirfungöperipl^erie gurücfgejogen ^aft. 

©eine ©legte ober ©tubie*), wie ©u pe nennft, ift fe^r 
pbfcf); nur l^ätte ici^ ftc ein wenig plaftifcftcr gewünfdKr 
mel^r Söefd^reibung ber Sofalität, ber ^crfonen :c. So-- 
bann gel^t mir, ba id) ben üor^anbenen Stoff fenne, etnige 
SUufton Derloren. ©aS @ebid)t ift aber Dortrefpid^ abgc^ 
runbet; ßingang, bie Übergänge unb ber äuiSgang fel^r gut, 

©einer ©nlabung auf morgen fann id) nit^t nad)- 
fommen. ©aö Söetter ift wieber gu fd)Iec^t, fo ba% mir bie 
@j:pebition oerloren ginge; meine 3^^* U^ nod) immer nic^t 
bi^pouibel, unb brittenö mödjt' idf gegenwärtifl feinen Sog 
üon l^iepgem 9Kufeum weg. 6§ gelten je^t in ber SBdt 
©inge öor, weld)e man get)örig unb ful)warm ftubicren 
mufe, auf ba§ man bereinft, wenn man ein alter ?Ratra 
wirb unb Äinber ^at, benfelbigen etwad erjäl^len fann. 
©elbft ber Unbebeutenbfte mufe je^t feft auf ber SBadj« 

^) S)le ©riefe an S^ößefel finb mir üon Sfrdulein SRorte So^W 
in Slarau burd^ fteunblid^c SScrmitlung öon ^emi Dr. ^nS ^og 

zugegangen. 

3) GS ^anbelt fid^ um ein lianbfc^riftlicf^e«; im Stile ber römij*« 
(SIegieen ©üetl)e§ gel)altene§ (S)ebid)t. 



27. 3ln ebuarb JDofeerd, 25. Wax^ 1848. 315 

[tc^en unb bic 5Rafe l^oc^ in bic roc^cnbe Srü^lingöroittcrung 
hinausreden unb nid)t allein ein SBinterefel bleiben im all« 
gemeinen SRojenfturm. @d)öneg 3Bort, SRofenfturm! SRan 
fönte meinen, id^ wäre ein jentimental reöolutionierenber 
Scipjiger. Ungeheuer ift, maö borgest: SBien, Serlin, $ori§ 
leinten unb Dom; fe^It nur nod^ ^Petersburg. 

SCBic unermefeliti^ aber auci^ aQeS ift: wie fiberlegen, 
rul|ig, wie wal^rl^aft Dom ©ebirge l^erab fönnen wir armen 
flrinen Sd^meiger bem ©peftafel jufel^en! 3Bie feinglieberig 
unb politifc^ raffiniert war unfer ganger Sefuitenirieg in 
allen feinen ^^afen unb Segie^ungen gegen biefe freilid^ 
foloffalen, aber abermaligen (grf c^fittenmgen ! 

©elbft bafe unfere Seute weniger SobeSderad^tung ge= 
jeigt l^aben, als faft alle biefe Derfd)iebenen ©täbtc, ift mir 
lieber unb beweift (ol^ne @d)inbluber treiben gu wollen) Die 
feinere Äultur, baS Sewufetfein, bafe eS eben gelten mufe 
unb foQ, ol)ue ftd) aUgu toH gu geberben, ©obalb bic @e= 
fa^r, baS böfe ^ringtp, unS wieber einmal turml^od) über» 
ragte, wie eS jene armen Seufel feit langem t^at, würben 
wir fd)on bei ber ^anb fein. 

5!J?ein Sefud) ift ©ir natürlid) nid^t gefdt)enft; ic^ ftelle 
i^n einftweilen wieber auf etwa gwei ober brei SBoc^en 
gurürf. 3d) bitte mic^ Unbefannten inbeffen bei ©einer 
werten gamilie gu empfel|len. — — — 

gebe wot)l! ®ein 

©ottfrieb Äeüer. 

3dö wünfc^e 6ud) aQeS 33ergnügen gu Dorl^abenbem 
Sufammenfein unb grüfee freunbfd^aftlid^, wer mir baoon 
bcfannt ift." 



316 ^(bflarung. ^olemifc^ed. 

©eine poIitijd)cu Slnftd^tcn Horten ftc^ aHmä^Iic^ ob. 
SuQcnb unb S^itfttöniung l^atten i^m bcn rabifalcn %xüS^ 
aufgeprägt. S^^t, ba er Don ber Sugenb Äbfdjicb no^n, 
würbe au§ bem ftürmif(!^en „bagen SReüoIutiondr" ein b^ 
fonnener 9Rann, ber anä) in polittfd^cn 2>ingen bas Ufol 
für bie oberfte Jugenb be§ SürgeriS anerfanntc. 9?ad^ feinm 
eigenen @e[tänbniS xoax eS ba^ Seifpiel fener auSg^eic^neta 
Sfiri(f)er ©taatömänner, eineö Sona§ ?yurrer, % % 3ifittiiiiam 
unb Sllfreb (Sfd)er, ba^ il^m oon nun an leuc^tenb unb jid* 
weifenb öor Slugeu ftanb. ©elegentlid^e SRüdffälle in bo4 
rabifal polternbe 2Befen waren nid^t auögcfc^Ioffen. ©ein 
Äernwort iebod^ blieb nac^ wie Dor ber SluSfpnic^ in ^§nui 
SRegel Slmrain" : „9Ber freiftnnig ift, traut ftd) unb ber SMt 
etxx)a& @ute§ ju unb weig mannl^aft t)on ntd^t^ anberem, 
al§ bafe man l^iefür einjuftel^en öermoge; wäl^reitb ber Ita- 
freifinn ober ber ÄonferoatiSmuö auf S^g^^ftig'^* "nb Se^ 
fd^ränftl^eit gegrünbet ifl. ®iefe laffen ftd) aber fd^wer mit 

wal^rer ?!KannIict)feit vereinigen ^eute fann man fagen: 

fei einer fo ta^?fer unb refolut, als er woHe; wenn er nic^t 
dermag freipnnig ju fein, fo ift er fein ganger OTann/ 

©d^on feit geraumer ß^it begleitete ©ottfricb Äellcr 
wichtige Slufeerungen beö öffentlid)en gebend mit ber %^ti 
beö fd)arfen 33eobad)terö. ©inen alten ^lan aufnel^menb, 
l^atte er im gebruar 1847 für bie Srocf^auöfdjen „Slätter 
für literarifc^e Unterfialtung", benen SEßill^elm Sc^ulj i^n 
jugefül^rt, eine Serie „Siterarifd^er Sriefc au§ ber 
6d)weij" JU fd^reiben angefangen. @r ging barin ber 
fojialiftifd)en ^ropaganba, wie fie üon beutfc^en ^aubwetfer- 
vereinen namentlid^ in ber Söeftfc^weig, in Sauf annc u. f . w. 
betrieben würbe, gu Seibe. ©er Häuptling biefer SSeftrebungen, 



^olcmifc^cö. 317 



bic ©taat unb ©^riftcntum alö bic Ärcböfd^äbcn bcr S^it 
abjujc^affcn trad)tctcn, war ein Hamburger ßiterat SBill)clm 
3Rarr, ein eitle«, giemlic^ tl^örid^teS iBfirfd^d^en, ba^ ftc^ auf 
eine Qtxt alö ?ßationalfd)uImeifter ber ©d^mciger aufjpielte, ber 
SBerfaffer beö Sucres : „©aö junge ©eutjc^Ianb in ber ©c^weij" 
(1846) ©iefem gab ©ottfrieb ÄeHer tüchtig bie öerbiente 
Sfiute (ügl. ben Slnl^ang). Sn bie „Slätter für literarifcfte 
Unterfialtung" 1848 lieferte er aud) Se|pred)ungen ber nad)» 
gclaffenen ©d^riften Subwig SömeS unb ber gefammelten 
SBerle Slrnolb Sftugeö. Sn ber le^teren Slngeige lommt folgenbe 
c^arafteriftifd)e Semerfung gegen ©traufe öor: „S^beffen 
SRuge mit Seib unb ©eele gu granffurt für bie SRepublif pc^t, 
prebigt ©traufe gang gemütlich fd)n)äbifd) bie SRonard^ie öor 
bem SSoIIe . . . IBeina^e möchte man glauben, ed n)äre am 
6nbe ber pfäffifd)c ^od^mut, mit meld)em beibe mit SBelt 
unb SBirflid)feit fpielen rooHen, bie fic^ bod^ unter it)ren unge* 
fc^icften ^änben gufammenballt unb roHt mie ein SgeU ©er 
jonft f eble unb liebenömerte ©traufe üergei^e unö bief e un» 
mutige unb grobe Sftebenöart; pc würbe Ijeröorgelodft burd) bie 
2lrt unb SBeife, wie er ben Äönig öon 5ßreufeen gum beutfd)en 
Äaifer mad)en mUl 2Ber einem ©otte mit fo öiel Unerbittlid)- 
feit ba^ l^immlifd)e ^änteld)en Don ben ©d^ultem genommen 
l^at, öon bem erwartete man nid)t, bafe er es mit Iad)enbem 
9Kunbe bem erften beften SJlenfd^enlinbe umf)ängen mürbe." 
Sind) ber Äunft blieb fein 33licf gugemanbt, wenn 
aud^ nur nod^ fritifd). 6r untergog ba§ Sleuja^röblatt ber 
3firid)er ÄünftlergefeKfd^aft oon 1847 einem geiftDoQen Sfte* 
ferate^. 3ntereffant barin ift fein Urteil über ben ganböogt 

*) „!Rcuc Sürc^cr Stg." 1847 öom 12. unb 13. Sanuar. ^^ fanb 
bicfen 5luffa^ erft nad) ^(^eincn beS SRadilafebanbeS. 



318 8ttteranf(^ed. 



©alomon Sanbolt alö bilctticrenbcn gRalcr: ^S)ic Sli|= 
unb ^naQlofafereien Don @alomon £anbolt mögen ffir a&e 
ihiegögurgeln crgö^Iid^, ffir einen reinem ©efc^macf ate 
werben fie nie erquidlid) fein. S)ieö Urteil »erben toir obtr 
nur bann geltenb machen, wenn man un§ biefeI6en als ttm 
S9ebeutenbe§ aufbringen iDill; fonft ftnb unS ber Sifer md! 
bie fd^nurrige Saune beö feiigen gifenfrefferö ganj rec^/ 
Unb Don 8 ubn) ig Söget fagt er nad) einigen SuSfejpniga 
ted^nifdier ärt: „SBogel ift ein DoHer unb tiefer ©parate, 
unb als fold^en mfiffen roix i^n nel^men, mie er ift; baS ifiin 
©ad^en ber fc^önen Äünfte Don je^er ba5 @efd)eiteftc gen>e|fn.' 

3nt übrigen fpenbete er Seiträge gu poetifd)en ^r-- 
büc^em, fd)rieb feit 1846 Derfuc^^meifc an bem 3ugenb= 
roman, Derfafete gelegentlid) fogar @Iocfeninfd)riften für ba§ 
neue ©eläute ber Äirc^e in Dbfeiben (3firid^), arbeitete nn^ 
Derbroffen an feiner Selbftbilbung , ^örte etma ein p^ilD|> 
pl^ifd)ed J(oIIeg bei Sobrif unb fal^ jtc^ Dor allem grünbli^ 
in ber beutfd)en Sitteratur um. S5Ba§ i^m an f^fiematift^öi 
©tubien abging, erfe^te bie früt)e ®ereift^cit be§ ©eijies 
unb bie @d)ule eines bewegten 2eben§. 

®aS le^tere groar befriebigte i^n menig. SJun näherte 
er ficft feinem "breifeigften Sa^re, unb noc^ immer ftrerfte er 
bie Süfee unter ben Stifc^ ber Butter, ol^ne einen eigentlich 
fiebenöberuf ergriffen gu ^aben. ©afe man in biefer SM! 
ntc^t bloß ©id)ter fein fönne, fal^ er bereits ein. SAt 3»" 
rid)er Saläre feit feiner ^eimfet)r auS SRünd^en bcBagte er 
ftctö al§ Derlorene. 2üic^ feine Umgebung bemerlte mit3J^ 
bauern, ba^ ein präd)tiger 3)lenfc^ unb ein retd^eS SÄlent 
in bem regeltofen treiben ©d)aben gu nel^men, \a gu wx- 
wilbem in ©efa^r ftaub. ©inige beutfc^e UnioerptätSpro* 



entf(^Iu6 gur «Reife inö 2(uölanb. 319 

fc[f oren, bic ÄeHcr im f5oItenfd)cn ^aufe fcnncn gelernt l)atte, 
wanbteii it)in il^rc befonbcre Slufnterffamleit gu. ÄeHer ^at 
bie ?ßamen biefcr SKönncr fpätcr oft mit ©anfbarfcit auö* 
gefprod)en: e§ waren bcr Drientalift gerbinanb ^ifeiß 
(1807—1875) unb bcr (S^cmifer Äarl guliuö Sömig (1803 
bi§ 1891). ®ic|e fuditen cinpufercid^e 9KitgIicber ber 3öricl)cr 
giegierung, mic SSürgcrmeifter Sllfreb Sfc^er, bic ©taatfSräte 
6buarb ©uljer nnb iRuboIf Sollier, für il^ren ©c^ü^Iing gu 
gewinnen, ^m ^m\\ 1848 befd)ieb il^n ©uljcr, ber an 
Deiters poetifd)en arbeiten tJcrftänbniSüoHcn Slnteil nal)m, 
gu pcft, unb am 26. September boten i^m (Srgicl^ung^rat 
unb aicgierung ein SficifefHpcnbium Don 800 grön'^n gur 
meiteren wiffenfc^aftlid^en Sluöbilbung im Sluölanbe an. 6r 
griff mit beiben ^änben gu. (Sbuarb ©ulger mar cö, ber 
il^m anriet, er folle ftd) gur ßrroerbung fog. bebeutenber 
ßinbrürfe nad) bem Oriente begeben. Sn einem Schreiben 
Dom 6. Dftober banfte ÄeHer ber Set)örbe bafür, bafe i^m 
„in einem ß^itpunft, ber fonft aßen blofe jd^önmiffenfd)aft* 
lid^en SSeftrebungen ^öd)\t ungünftig fei, bie 9Jlöglic^feit ge= 
geben »erbe, feine geiftigen @rfat)rungen im SluSlanb gu 
bereichern, eine lenbeng, meldte fonft nur in größeren ftaat* 
lid)en SSerl^ältniffen öffentlid)e a3erü(fitd)tigung pnbet''. 

®en abenteuerlichen 5ßlan einer Drientreife nat)m er 
nid^t ernft. 3Ba§ märe babei l^erauögefommen? „Sinige 
laupge SBerfe unb eine fd)Iec^te Sieifebefc^reibung" , meinte 
er einmal. „a3orauöfid)tlicI) jebod) märe ic^ in ber erften 
öftUc^en ©tabt bei lieberlid)en jungen ©d)meigern liegen 
geblieben." 

©a§ 3iri fcinci^ @el)nfud)t mar ©eutfd^lanb, eine beutfd^e 
^o(I)fct)uIe, bann üielteic^t ein Söl)r in S3erlin ober ©reiben. 




320 28. 3(n ^fcuarb 3)ö&e!cl, 29. (Sept. 1848. 

©cnn er bad)tc mcl^r alö je lieber an baiS Sl^catcr, an bie 
Saufbatin bcö ©ramatiferS. 

@o Dertie^ benn ber ange^enbe, fd^on altlid)e @tubent 
ber $l^i(ofop^ie nad^ fed^djäl^rigem unbel^aglid^en ©tillefi^en 
im Dftober bcg ©turmjalircS 1848 feine ®eburtS[tabt jum 
gwciten TOale. grft nac^ ftcben bitteren, ieboc^ entfc^eibenben 
Satiren ber grembe foQte er fte roieberfe^en. 



3n biefe legten Jage fallen bie folgenbcn äbfc^iebö* 
brief e : 

^8. Sin m^nat^ SSReliel iti $era* 

«Söric^, ben 29. Scpt 1848. 

giebroertefter greunb! ßnblid) fann id^ ®ir eine be- 
ftimmte 9?ad)ricl)t geben über bie SBenbung meinet ©ef^icfeö 
für bie näd^ften paar Satire. 

21I§ SRegierungSrat SoHier mit SRegierung^rat ßbnarb 
©uljer fprac^ wegen einer für mic^ auöjupnbenben ©teile, 
^atte biefer, fonft fonferDatiD unb mir gänjlid^ femftel^enb, 
ben ganj pbf d)en @ebanfen: man molle mic^ boc^ nic^t 
je^t fc^on für immer feftbinben unb ifolieren, unb liefe mid) 
gu fic^ fommen, um mtd^ gu fragen, ob i^ nic^t auf 
©taatöfoften eine größere 3Reife, etwa nad^ bem Orient u. f. f. 
madien molle? 6ö feien alle bereitwillig, mir bagu gu Der« 
Reifen; nad)^er fönne man nod^ immer mieber für mic^ 
forgen. ©o furg, mie id^ ®ir, lieber S^^eunb, biefeiS berid^te, 
fo furg entid)lofe id^ mid) bagu. ^m SSerlaufe beö ®efpräc^e5 
aber, alö ©uljer nad) meinen weiteren poetifd^en Senbengen 
fid) erfunbigte, unb id^ Don bramatifd^en planen fprad^, ging 
er mit grofeem Sntereffe barauf ein unb brüdfte ben leb« 
^afteften SSunfd^ au§, mic^ in berlei Seftrebungen t^dtig gu 



28. 9ln (Sbuarb 3)ß6c!el, 29. (Sept. 1848. 321 



feilen. 6r f(i)Iug mir bal^er öor, el^e ic^ jene größere SRetfe 

anträte, noc^ etwa ein 3at)r nad) ^eibelberg ju geljen, um 

einige ^iftortfd^e, befonberö SineHenftubien ju treiben; bie 

SReife mürbe bann in boppelter Segie^ung geminnreid) für 

mic^ fein. Dbgleid) id^ nun für meine fpejieQen brama= 

tifcften @efd)äfte gerabe feine l)iftorifc^e ®elef)rfamfeit braudje, 

öielmel^r lebiglic^ auf mein ^erg, meinen Äopf unb auf bie 

reine 3Wenfd)Iict)feit angemiefen bin, fo ift eö bod^ niemals 

gu »erachten, »enn man etwas lernen fann; auc^ ijabt iä) 

ein forgenfreieS 3al)r mel^r öor mir nebft ber erfreulid^en 

SluSfrcJ^t auf jene Sfteife. ^ij gab mid) fomit gefangen. 

93orige 2Bod)e l^at ber SRegierungörat 800 granfen für 

ben ^eibelberger 3lufentf|alt ausgefegt; nac^ SBerflufe bcSfelben 

XDXxb ba^ SBeitere öorgenommen werben, unb fo bin ic^ bal)in 

gelangt, auf ben 15. Dftober naci^ fed)Siäl)rigem ©tiHcfi^en, 

öorerft wieber nad) bem feiigen ober unfeligen ©eutfd^Ianb, 

biefem armen S)omrööd)en, l^inauSguftcuem. SJßenn^ ®u 

bann auf einen Sag einen Srunf SBein, einen Siffen Srot 

unb ein freunblid)eS ©cfpräc^ für mid) übrig l)aft, fo werbe 

id) bei ®ir einfel)ren unb fo baS SBerfprec^en meinee 33e* 

fud^eS enblid) erfüllen*); gwar nur auf ber 5Iud)t, aber befto 

abäquater unfrem gangen tollen Seben. 

SBeitereS münblid). ©ein 

^ ^ , ©ottfr. ÄeBer. 

3üri4 ben 3. Oftober 1848. ' 



») (5b. S)ö6efel an ®. J!eUer, (Seoit, ben 5. Oftober: „S(uf 
$?einen SBefud^ freue id) mid) fel^r. gür btn guten Srunf foU geforgt 
merben, unb mag S)u S)ir Don meinem @ef^)räc^e Derf^)rec^en barfft, 
meifet S)u f o ungefähr ; obglcid) meine jeroeiligen 5lufentl)alte in 3ürt(^ 
eben m6)i geeignet gemefen fein mögen, mic^ in bem mir günftigften 
2xd)it gu geigen. 5)od) ber Äern unfer§ 2öefen§ bringt unberoufet in 
aUen Seben§Iagen au§ un§ fieroor.'' 

Oottfrieb Äeßcr. 21 



322 29. Sin Äonrab fSSltpet in mnUl, 12. D!t. 1848. 

Söerter ^err unb fyreunb ! S3or lanfler Seit f d^on Ratten 
Sic bie @äte, mir in einem SBillet Don einer poetifc^cn ga^rt 
ju berid^ten, ipelcl)e Sie nad) ben fdjmäbifd^cn ®aucn unb 
i^ren Sängern gemad^t ijahm; jugleid) luben ©ie mid) 
gu einem Sefud^ ein, um bie ©rgebniffe Sl^rer JReife nä^er 
gu üernet)men. SBenn id^ ©ie öerftc^ere, bafe id^ ben ganjen 
©ommer unb ^erbft über nie jmei ©tunben »eit öon Sund) 
roeggefommen bin, fo ijcdUn ©ie eö mir geipife aud^ gu gut, 
bafe id) Sl^rer freunblid^en @inlabung feine Solge leijten 



*) ^onrab ÜWetjer, Qth. 1824 in bent Sürc^erif^icn S)orfe SBinfcI 
bei S3ülac^, wax bamalS ^anglift beS SSegirföftatt^altcrS unb lebt ^cutc 
in 3üric^. SSoIfSfc^riftftcHer, «Herausgeber Don ®ebid)ten in ber SKunb* 
art, c3ei|tlid)en Ciebern, eineä romantifd)en ^^elbengebic^teS „^k 3ung« 
trau Don Orleans", „lieber ber Slrmut'' u. f. ro. — SWe^er an ©ottfrieb 
reeller, Sluguft 1847: „2Bir Sünglinge bcS SRofenbunbeS ^aben eine 
©c^e 3()nen gemeit)!. ^eüerS (^c^e taufte id) fle." 25. Oftober 1847: 
„(Sie l)ätten geftem in ^oc^felben fein foUen! S)er Sflofenbunb ^atte 
iDieber feine Sufammenfunft, feine Sagfa^ung. ßinroei^ung beS 
Sunbe^^bed)erS, beS l^eiligen ®raIS. S)iefer S3e(^er l^at eine tiefe 
93ebeutung: bie 8(uferftel)ung ber ©c^roeijer ^oefle. S3ei biefem gefte 
^aben mir in effigie öerbrannt: geuerbac^S Söerfe, 9luge§ ©erfe, 
^ein^enö Scf)riften, SBiftor J^ugoS „Ie roi s'amuse", ^eineS ©(j^öpfungs- 
lieber unb ®. @anbö fänttlid^e Slomane. S)a§ gab einen SRauc^! 
(Satana^5 ful^r au§. Über, ben Sinter loerben nun jeboc^ biefe Ser« 
gnügungeii bei S3ier unb Söein eingeftellt loerben muffen. S)erS3unbeS- 
l^ain ftef)t traurig unb entlaubt ba. S)aS ^öltijfeft roirb ant 17. Sunt 
(Sreiligrat^iä ©eburtStag unb öauraS S^lantenStag) gefeiert, roogu ©ie 
bann aU ^ot)er (S^rengaft freunbUrf) eingelaben loerben." 18. SDfJai 
1848: „§Bon einem 33efuci^e bei SuftinuS ferner unb öom ©(^iUerfeft 
äu ^Stuttgart äurücfgefommen, labe ic^ ©ie freunblidjft ein, näc^ften 
(Sonntag nad; 2öinfel ju fommen .... (S^arleS ©ealSfielb, ben 
id) in 3c^aff()aufen traf, I)at 3l)rer rüt)mlid)ft gebadet.'' 



29. 5ln ^onrab SWe^cr in ®infcl, 12. Dft. 1848. 323 

fonntc. 3c^ nal^m cö mir öon einem 3)lonat gum anbern 
Dor, aber öergeblid^. 

3efet aber, tt)al^rfd)einlic^ näd)ften Sonntag ober SKontag, 
mu§ id) nadt) ^etbelbcrg öerreifen, ol^ne bafe id) meinen SSor* 
fa^ noc^ auöfül^ren fann; felbft meine SBertoanbtcn in ©latt« 
felben fann id) nic^t mel^r fe{)en. (gö bleibt mir alfo nid)tö 
fibrig, alö auc^ Don S^nen, lieber fjreunb ! fd)riftUc^ 3lbfc^ieb 
gu net)men nnb @ie gu bitten, mic^ in freunblic^em Slnbenfen 
gu behalten, biö e§ »ieber ^erbft loirb, loo id) bann o{)ne 
Snjeifel, wenn bie ©türme ber Qtit biö baf)in unS nid^t 
entiDurgeln, bie S^äler ber ®latt, weld^e als meine engere 
^eimat mir boppelt Heb jtnb, um fo fe]^nfüd)tiger burc^« 
ftreifen werbe. 3lföbann {)offe iä) auc^ ©ie als einen füllen, 
aber treuen SBäd^ter ber $oefte bort mieber angutreffen. 
©rußen ©ie aud^ 3^te poeti|d)en greunbe auf baS befte 
Don mir! 

SKit brüberlid)em ©rufe 3{)r 

©ottfrieb ÄeMer. 

3üric^, bcn 12. Dft. 1848. 



21 



4^ 9tt §tiht\btv^^ 

(Dfto6er 1848 bt8 «prit 1850.) 

©ottfrieb ÄeHcr richtete frinc @d)ritte nad) ^eibcl- 
bcrg. ®ic 9lamcn ber bcibcn ^iftorifer, Submig ^äuffcr 
unb fjricbr. G^riftof ©d^Ioffcr, »arcn c§, bie H)n aM bcr gerne 
anjogen, ba er alö lunftigcr ©ramatiler sunäd^ft auf ba^ 
Stubium bcr ©efc^id^te pc^ Derlegen ju infijfen glaubte. Sie 
Steife fül)rte it)n über ©eon unb Slarau, luo öon greunben 
Slbfd^ieb genommen »urbc, über SBafel unb Strasburg nac^ 
ber alten 5Redfarftabt mit ber „fdjieffalöfunbigen Surg'' unb 
ben „fröl)Iid)en ©äffen unter buftenben ®ärten'\ 

3n ^etbelberg na^m ©ottfrieb Äeller bei armen geilten 
an ber unteren SIeefarftrafee SBol^nung. @r ^atte 6mpfe^* 
lungen Don fJoHen an bie SKebiginer ^enle unb ^feufer ab* 
jugeben, bie il^n alö einftige 3firid)cr ©ojenten freunblic^ 
aufnahmen. Safob §enle mar gleid^geitig mit feinem 
fyreunbe, bem c^tlinifer Äarl Don ^feufer, Dom ^erbft 
1840 — 1843 ?5rofeffor ber Anatomie in Sönd) gemefen 
unb mit Hauptmann SBil^elm ©c^ulg, mit @eorg ^er* 
wegl^ u. a. befreunbet. ^ier l)atte er im .§aufe feines 
Kollegen, beö ß^emiferS Sömig, bei bem er mol^nte, beffen 
fd)öne§ braocö ®ienftmäbd)en, ©life Sgloff auö ©ottlieben 



Safob 4)cnle. 325 



im St^urgau, fcnncn gelernt, ©ie üerliebten jtc^ in einanber, 
unb ^enle fül)rte feine Sifettc nad) Dielen ©eelenfäntpfen 
unb SBirmiffen, unb nad^bem er fte in einer rlieinifd^en 
?Jenjion etoa^ f|atte auöbilben laffen, gu Oftem 1846 alö fein 
SBeib f)eim. Sertl)oIb Suerbad^ mad)te barauS feine „%xan 
^profefforin'', worüber ^enle menig erbaut war. (glife ftarb 
fd^on im gebruar 1848. 6S ift mir unjioeifel^aft, bafe 
©ottfrieb ÄeQer, ber wenige Safere nad^l^er in S3erlin bereits 
bie ©runblinien gu ben einzelnen 9?oöencn beS „©innge= 
bid^tö" jog, bei ber rül^renb fd^önen ©eftalt ber ^SRegine" 
§enle*5 romantifd)e @^eftanbögefdöid)te im 8luge l^atte, aber 
mit jarter Swrüefl^altung ben ©toff auf ^oi^xitiink l^inauö 
bei Seite legte. S)ie perfönlid)e Sefanntfc^aft ^enleö t)atte er, 
wie bem fd^önen Sud^e SKerfelö, „^atob §enle, ein beutfd^e^S 
©elelirtenleben" (1891) @. 273 gu entnel)men ift, erft 1848 
im §aufe öon S!ßil{)elm ©d^ulg in SöndE) — ^enle befanb 
ftc^ auf einer ©d^weigerreife — gemad)t. „gür unö" — 
fd^rieb biefer in feinen SReifenotigen — „war eS gicmlid^ 
baöfelbe, ob ein junger gal^mer Sär ober ein 5ßoet mit unö 
gu Sifc^ fafe; benn aufeer einigem unartifulierten ©ebrumme 
befamen wir md)tS öon il^m gu l^ören.'' ÄeQer befuc^te in 
^eibelberg ^enleö ÄoQeg. ©er ©inbrudP, welchen er auö 
beffen berü{)mter Sorlefung über 8lntl)ropologie empfing, ift 
im „@rünen ^einric^" gu Slnfang be§ oierten S3anbe§ ge« 
fc^ilbert. ^enle« „ant^ropologifd^e Vorträge" (1876) be« 
fanben fid) aud^ in feiner Sibliottief. 

3lafd^ war ein ©tubienplan eingerid)tet. 6r l^örte 
beutfc^e ®efd)id^te bei Subwig ^äuffer, üor allem aber §er* 
mann ^ettnerö jugenblidt) lebenbige Vorträge über ©pinoga, 
über beutfd^e ßitteraturgefc^id^te unb Sfftl^etif. @r beabpd)* 



326 löürlcfungcn. 



tigte auöi, SJlol^fö aSorlcfunflcn über ©nc^llopdbic bcr Staats* 
»iffenfcl^attcn ju bcfud)cn. SHIcin in jenem unnil^igen 6c* 
meftct, »elc^eS ber babifc^en SftcDolution DorauSging, mürben 
bie ÄoHegien fel^r unregelmäßig gel)alten. ÜHo^l felbft erfcftien 
wäl^renb be§ gangen ^albja^r« nid^t auf bem Äatlieber. 
©afür l^orte ÄeQer jumeilen bei 9Ktttermaier Äriminalrec^t. 
^ouptfac^lid^ aber marf er ftd^ auf bramaturgifd^e ©tubien, 
mit ber Slbjtdöt, ba« berartig ©rtporbene fogleid) praftifd^ 
anjuwcnben, b. l|. mit ©ramen aufjutreten. ailc wid^ti* 
geren einfd^Idgigen ©c^riften öon Äefftng bis auf 9lötfdöer 
mürben burdigearbeitet, aQe flafpfd^cn ©tfide, gumal antife, 
in guten Überfe^ungen eifrig burd^gelefcn. SBeiJ^nad^ten Der« 
brachte er in bem benachbarten ©armftabt, »o Sreunb 
äßil{)elm @c^ulg al§ ^arlamentSmttglieb meilte. 

an bem ©tubentenöolle l^atte er große fjreube unb befolg 
jtd^ auc^ einige ^JKenfurcn an ber ^irfdjgaffe. 6ein SJerfc^r 
erftrecfte jtd^ junäd)ft auf feine ftubierenben 2anbSleute. 2Son 
einem alten S3elannten aus jener S^it, $emt Dr. ©imon Äaifcr 
aus @oIotl)um, gel)en mir einige 9Kitteilungen ju. „3Son 
©olotl^umem maren gleid)jeitig mit unS in ^eibelberg ber 
nad)malige ganbammann Äafpar Slffolter unb Sofef glur^, 
fpäter ©erid^tspräftbent in »alstlial. ©ottfrieb Äeller mar als 
frSt)Ud)er ®efell|d)after ftets gern gef el)en ; befonbcreS auffegen 
machte er inbcf[en nid)t. ?Ran mußte, baß er einen SRoman 
fc^rieb. Slber er felbft äußerte jtd^ nur bann baruber, memt 
er öertraulid^ auSget)oIt mürbe, maS 3. S. Slffolter gumeilcn 
t^at. 5!Jlit Äaifer liebte er über Swi^iöprwbwj rM fprecftcn. 
$atte Sangerom irgenb ein intereffanteS Äapitcl angeftoc^en, 
fo mußte jener barüber referieren. SBor allen ©ojenten l^iclt 
Äelter Lettner l^od^ unb fprac^ l)äufig oon i^m." 



^ermann Lettner. 327 



Über bie l)crglid^cn Scjic^ungen ju bem trcfflid)en $cr* 
mann Lettner (1821— 1882)ift einige« burc^ bie ©d^rift oon 
gafob ^oIcfd)ott, ,,$ermann - ^ettnerS Morgenrot'' (1883), 
namentlich aber burd^ ^ettnerö Sebenöbüb öon Slbolf 6tem 
(1885) befannt geworben. @in bauernbeö ©enfmal ^at 
ÄeHer biefer greunbfdjaft in feinen mufterl^aft fci^önen 
SBriefen an Lettner gefegt, bie im folgenben Sanbe mitge* 
teilt werben. Lettner, feit grfil^ial^r 1847 erfolgreid^ ^eibel* 
berger ^riöatbojent für äftl^etil unb Äunftgef c^id^te , l)attc 
furg öor ÄeQerS Slnfunft mit 5Rarie t»on ©tocfmar ben jungen 
beliaglid^en ^auöftanb an ben „Anlagen" jtdö eingerid)tet. 
@nge ^reunbfc^aft üerbanb i^n mit feinem ÄoHegen, bem 
?Briöatbojenten ber Slnatomic unb $I^^RoIogie, ^dtoh ^Role« 
fd^ott. 8lud^ Äeller mürbe balb ein täglid)er @aft be§ ^ettner^» 
fd)en ^aufeö. ©a§ ^aupttl^ema i^rer @efprad)e maren brama» 
tifd)e fragen. Lettner plante feine äftl^etifd)en Unterfud)ungen 
über baS mobernc ®rama. 3n biefem Äreife bewegten fid^ 
nod) einige aufftrebenbe ©ramatiler, ber jung oerftorbene 
©cftmeijerbid^ter Äarl 3Korel, ein ©d^üler $ettner§; (gbuarb 
2od^er, ber ®id)ter eines SraucrfpielS „^ebric^ü.", fpäter 
ber talenttJoHe unglfidflic^e SEBiener 3. 9^. Sac^ma^r, auf ben 
bie ^i^cunbe bie gröfeten Hoffnungen festen. Äeller lernte 
biefen erft 1850 in Serlin burd) §ettner§ Vermittlung fenuen. 

®ie ^eibelberger @pod)e mürbe für fein geiftigeö Sebeu 
l^ödöft bebeutenb. Sine gänjlic^e Umgeftaltung erlitten feine 
religiöfcn 2lnfid)ten burc^ bie SSorträge gubmig geuer« 
bad^S. ©iefer ^atte in feinem berül^mten Sud^e „Über baö 
5EBefen beS 6t)riftentumö" ben alten bi§l)erigcn 2lnfid)ten 
fd^roff entgegentretenben @a^ burd^gefüt)rt, bafe bie c^riftlic^e 
fRelig^ibn mefentlid) menfd^lid^eö, ja mit bem ©eifte beö 



328 8ubwtg Seuerbac^. 



roafiren 6]^riftcntum§ oft unDcreinbarcS ?Jrobuft fei. 3" 
bcr nod) fü{)nercn ©d^rift über Job unb Unftcrblidö^it »ßf 
ber S3ett)ci§ oorgetragen, Äörpcr unb @cifi feien unjertrenn* 
lieft an einanber gebunben, cineö entftcl^e ober gerfaQe mit 
bem anbercn. ©olcfte unb ä^nlicfte ©runbfä^e l|atten bcn 
Sorfcfter um einen gel^rftul^I in ©rlangen gebracht, ©n 
Jeil ber ^eibelbcrger ©tubcntenfcftaft jeboct) lub ben einfamen 
©cnfer oon Sruefberg, nacftbem eine 9Raffenpetition an ba§ 
babifcfte ^Jiinifterium, geuerbacft eine 5ßrofeffur gu übertragen, 
erfolglog geblieben mar, auf eigene $anb ein, in ^eibelberg 
aB freier, Don ber Uniöerjität unabf|ängiger ©ogent aufgu- 
treten unb einen 6qHu§ öon pl^ilofopl^ifd^en 3SorIefungen ju 
galten, ©er ©emeinbcrat fteQte i^m ben SRatJ^auiSfaal ^m 
SBerfügung, unb ber fcftlicftte @cle{)rte erfd^ien nun, um ber 
o^ne{)in erregten Sugenb, ber SBürger* unb Slrbeitcrfd^aft an 
brei SBocftenabenben Dom ©egember 1848 bi§ 9Kärg 1849 
feine 8lnfi(f)ten über baS SBefen ber SReligion*) mitguteilen. 
SSon biefem 9Hanne füllte pd^ ber gereifte ÄeCier, ber oon 
3ugenb auf mit aSorliebe über bie Materien ®ott unb Un* 
fterblicftfeit pftilof optiert l|atte, aufö mäcfttigfte angegogen 
unb trat aud) fogleicft in perfönlicfte SBerbinbung mit it)m. 
S)er 9tcft feiner (S^riftgläubigfeit erl^ielt burd^ biefeit Umgang 
einen fcftarfen ©tofe. S)iefe 3^it beö Unglauben« bilbet inbe« 
nur einen ©urd^gangöpunft gu feiner fpäteren abgeflärten 
SReligion, bie in bem ®oetl)efd)en @a^ gipfelt: „baS Uner* 
forfd)lid)e ftm oeretiren". SBelt unb 2eben erfcftienen bem 
bamaligen Sünger geuerbad^S unenblid) tiefer unb mertooKer 

*) GJebructt im 8. S3b. ber ©cfamtauögabc 5euerbarf)§; ögl. and) 
^. önui, Submig geuerbad; in feinem 23riefiDed)|eI unb Sflad^Iaß 
1, 124 ff, 377 ff. 



3)ic S3abifd^c «Rcüolution. 329 



alö juDor; ber Xob, o^ne ©lauben an bic Unfterblid)Icit 
crnfter, forbcrtc nun erft rcc^t auf, bte irbifd^e Aufgabe gu 
erfüllen, ba eine gortbauer nad^ bcmfelben fraglid^ erfc^ien. 
6ine grofee ©törung, ja unmittelbarften Äriegölärm 
brachte bie babifd)e JReooIution, welche im 9Jlai 1849 auö* 
brad). 9Jlit ^ilfe eines ©olbatenaufftanbeS foKte bie blutige 
Sewegung, für ein paar SBod^cn roenigftenS, ben Sraum 
einer fübtt)eftbeutfd)en Sftepublif öern)irflid)en. ©ottfrieb ÄeHer 

ftanb mit Äapp, fjeuerbadör fcl'&P ^^^ ^^^ mafeuollen Lettner 
auf ber politifd)en ginlen unb brad)te ben ©oftrinären ber 
„©eutfc^en S^itung", @ert)inu§ an il)rer ©pi^e, ber ftd) 
alles ©emofratifdie unb alles Augenblicke Dom Seibe l)ielt, 
ben el^rlid)ften ^afe entgegen. Sie ^ßreufeen, meldte ben 
aufftanb nieberwarfen, lamen einige SJlale bic^t öor bie 
©tabt unb fc^offen t»on ben umliegenben ^öl^en in bie ©äffen 
l^inein. (gineS SageS ftürjte ein ©olbat in näc^fter 9Ml^e 
ÄellerS, ber eben auf ber 5Recfarbrücfe nad^ bent gcinbe auS« 
ftf}aute, Don einer ihigel getroffen, tot gufammen. ÄellerS 
^auSleute päd)teten bereits it)re ^abe, ba bie ßage ber 
SBol^nung gegen ben Slufe l^in eine fel^r ausgefegte mar. 
3nbefjen mußten bie babifd)en Sruppen jurüdfmeid)en, unb 
in ber 9Korgenfrül)e beS 23. Suni gogen bie 5ßreufeen in 
^eibelberg ein. 

SenfeitS beS ?ßedfarS an ber ©trafee nad^ 9^euen^eim 
mol)nte in ber fd)önen Sefi^ung gum „2Balbl)orn" ^ofrat 
ß^riftian Äapp, ber aufeerorbentlid^ Dielfeltige 5ßl^ilofop]^ 
unb ^olitifer, ber befannte leibenfd)aftlid)e ©egner ©d)cl' 
lingS^. ©ol)n einer fränfifd)en S^cologcn= unb ^{)ilologen= 



') S50l. ®. SBcbcr, JE>eibcrberger (Srinnenmgcn (1886) ©.222 ff. 



330 (S^riftian Stopp. 



familic, 1798 in Sa^rcut^ geboren, l^atte er in ^Berlin unter 
@d)leiennad)er, 9?eanbcr unb ©e SBcttc Sl^eologie, halb aber, 
bcftimmt burd^ S3öcf{), ©olger unb $egel, ^l)iIofopl^ie ftubtert 
unb loar 1824 ^rofeffor in ßrlangen geworben. 1833 
nad) ^eibelberg fibergeftebelt . \a^ er l^ier nur wenige S^ 
mefter, nal^m fd)on 1844 wegen [Reibungen mit engl^erjigen 
ÄoHegen bie ©ntlaffung unb befd)äftigte ftd) feit^er mit 
3Kineralogie unb Sotanif, ober pflegte feinen reijenben 
©arten, ©aneben trieb er ^Politif im ©inne ber SBeldEerf^en 
Dppofttion unb gel)orte 1845—49 aU rabifale« ^itglieb ber 
gweiten babifd)en Kammer, lurje ßcit aud) bem ^anffurtcr 
Parlamente an. Sei feinen ©egnem Ijiefe er „bic aieic^ö« 
l)i)äne", ba er in feinen l^eftigen SReben ben SunbeStag alä 
,,8eid)e" gu bejeid^nen pflegte. 6r war innig mit gubwig 
geuerbad) befreunbet. ©ein ©ol^n Sluguft l)at 1876 ben 
Sriefwed^fel ber beiben l^erauSgegeben^. Sn bem gaftfreien 
$aufe üerf eierten bamalS namentliciö ÜRoIefc^ott, ^ettner, 
SBerttiolb Sluerbacl^ unb ber fpatere Semer ^iftorifer Äarl 
$agen. 6f|riftian Äapp ift 1874 geftorben. 

©eit bem ©ommer 1849 fanb fic^ aud^ ©ottfrieb Äeller 
beinal^e täglidö im „©albl^om" ein. SSerwanbte politifd^e 
unb pl^ilofopl^ifd^e Slnfid^ten brad)ten it)n bem ^au^^erm 
nal^e; fobann begegneten fte fid^ in ber Serel)rung Sean 
$aulö, mit bem Äapp perfönlic^ befreunbet gewefen war. 
©emeinfd^aftlic^e fünftlerifd^e Steigungen, nadö unb nad^ aber 
gartere ©efül^Ie gogen it)n gu ber l|0(ftbegabten Sod^ter 3o« 
l^anna. Dl^ne Don eigentlicher ©d^önl^eit gu fein, — nai) 



^) Sluguft ^app, 8riefroc(^fel jroifc^en Subroig geuerbad) unb 
(Sftriftian ^(Vpp (1832—48). Setpaig 1876. 



Sö^anna ^app. 331 



einem Silbe ju urteilen, eine l^ol^e üppige ®eftalt, — l)at 
fte me^r afö einen 9Kann begaubert. ^offmann t)on gaÖerS^ 
leben fc^märmtc fie in feinen ©ebid^ten an. SSom SSater be« 
^a^ pe ba§ l^od^gefpannte Ieibenfd)aftlic^e Sentperament. 6ie 
malte unb »ar aud^ bic^terifd^ begabt. %nx ben feltfamen 
Slnfömmling a\x^ ber Schweig interefjterte fte ftd) fel^r, feit^ 
bem il^r biefer nad) unb nad) feine @Iigjenbüd)er, ba§ Sraum« 
bud^ unb feine neueren poetifd^en ßrgeugniffe mitgeteilt 
l^atte. ®r befam aud^ il)re ©ebic^te ju lefen. gaft täglid^ 
»anberten fte mit einanber am $]^ilofopl)enwege. @ine fröJ^* 
lid^e SBeinlefe befd)lo6 bie fd^öne Sa^reögeit. 

„2)te Straube fd^moU fo frtfd^ unb blanf, 

Unb id^ nal^nt frol^ unb frei 

SluS il^rcr ^anb ben jungen Sranf — 

Unb ate bie (e^te Siraube fanf, 

S)a »or ber Sraum üorbet.'' (SReuere ©ebtd^te ®. 200.) 

3oI|anna bel^anbelte ÄeUer mit einer gemiffen SBertraulid)* 
leit als guten Äameraben. ©iefer aber Derlor fein ^erj fo 
ganj an fie, ba^ er il^r im 5Roöembcr bie fd^önfte fiiebe§er= 
flärung — felbftüerftänblid^ abermatö auf briepicftem SBege 
— mad)te. ©ie erfc^raf, benn fie gel^örte im gel)eimen 
einem anberen an. Dl^ne SRürf^alt geftanb fte ÄeHer biefe 
i^re auSftd^tölofe Siebe. ,,2ieber, lieber fyreunb! — fd^rieb 
fie il)m am 7. 5RoDember 1849 — Sd) bin fo tief erfd^üttert, 
bafe iä) faum meife, »ie id) Sinnen fc^reiben foH, unb bod) 
brängt mid^'ö baju. 3t)r lieber Srief f)at mid) furd^tbar 
traurig gemad)t, obgleid^ Sie mir'« verbieten. Sd) möchte 
Sinnen banfen unb tl^u'g auc^ auö üoltem ^crgen; aber eS 
lommt mir fd^redflid) traurig Dor, bafe id^ fo öiel Unl)eil an« 
rid)te. @§ ift mir oft ganj unbegreipic^ ! 3« ben legten 



332 Solj^anna Stapp. 



Sagen l^ab' id^ wol^l gcfül^lt, bafe ©ic mici^ gern Ratten; 
aber id) ^ielt eS für eine fc^öne menfd^Iid^e Seilnal^me unb 
l^ätte ml(^ aud^ gefürd^tet, etwaö mel^r gu glauben. 9iun 
aber Hegt ber fRtiä)tixm S^reö fd^önen ^ergenö plo^Iid^ öor 
mir in neuem ©lange, unb id^ l^ab' tief auffeufgen muffen! 
3d^ i^ab'S Sinnen fd^on geftern gefagt, bafe td^ eben fo glu* 
lid^ wie unglüdflid^, weil id^ getrennt bin, aber geliebt! 
^IS id) 3^nen t)or ad^t Sagen meine @ebid^te gab, ba nal^m 
id) mir innerlid^ üor, Sinnen nie ben 9lamen beffen gu fagen, 
in bem mein SBefen aufgegangen. @§ fd^ien mir felbft S^nen 
gegenüber eine ^rofanation. 8lber l^eute fül^r ic^ anberS; 
aud^ anberS mie geftern, ba id^ e§ S^nen gegönnt l^atte, 
aber bod) um feinen ^rei§ l^ätte fagen fönnen. Se^t aber 
ftnb Sie'S gewife mert, unb id^ füi^rs, id^ bin'§ S^nen 
fd)ulbig, bamit Sie mid) gang begreifen unb aud^ öerfte^en, 
mie nadf) fo bittem ^ergenSqualen mir bod^ nod^ ein Seben 
möglid) blieb, baö biöl^er nur auf furge Sitten mid^ mit 
meinem ©eliebten vereinte. 6§ ift allerbingS ein tief tra« 
gifd)eö ®Iucf, menn Slugenblide lange Trennung aufwiegen 
muffen ; aber felbft wenn meine lefete i^offnung nod^ f c^winben 
follte, ein bauembeS SBereintfein gu erreid)en, glaube idt) 
bennod) Äraft gu bel^alten, um bie furgen 9Jlomente ate 
SUtomente gu erfaffen unb gu genießen, bie mein üielbemegteS 
Seben erl)ellen. Sic ^aben in S'^rem fd^önen Sriefe ben ge* 
liebten 9tamen felbft auögefprod^en. ffier 9Kann, ber Syrern 
Äopfe warb, maS ^ijx ebleö §erg in mir fanb, biefer l^err^ 
lid)e 5Rann ift e§, unb ber munberfame SwföH, ber Sie un§ 
beibe gufammenftelleu liefe, ^at mid) mit ftflrmifd^er ffi^eube 
ergriffen. @o mag ginnen benn ba^ SRätfel gelöft erfc^eincn, 
baö meine in ©d^mergen erblül^tc Siebe 3^"^" f^i" mufete. 



3o^anna ^app, 333 



3Bic ocraicfclt biefcS tragifd^c SBcrl^ältntö ift, fönncn ©ie 
aber nid^t a^nen; boc^ glaub' id) nod) an eine Snöglid^feit, 
bte aber mit faurem Äampfe errungen werben mufe unb nad^ 
meinem ©efül^le bie einsige SBerföl^nung wäre für baö l^erbe 
Seib, barunter üiele leiben, am meiften bte arme eble ^ytau, 
bereu ©lud id^ gerflören mufete. 

©rftanen @ie nid^t ob ben Untiefen, bie baS Seben 
l^tnter anfd^einenb glüdflid^en 5Ber^äItniffen birgt, üerfennen 
©ie Weber mid^ nod^ i^n! 35Bo ©ie nid^t alle§ begreifen, 
glauben ©ie baö ®ute bod), unb laffen ©ie midö für immer 
glauben, bafe ©ie nie irre an mir werben! 93iein i^erg ift 
unwanbelbar; aber eö ift nid)t blofe bem ©eliebten treu; e§ 
bewal^rt aud^ feinen g^^unben eine wal^re Siin^ifliinö ^'t 
Snnigfeit. 34) werbe ©ie nie üergeffen. 

®ie ^ßd^fte &ah^, bie ber 9Äann einem SEBeibe bieten 
fann, ift feine Siebe, unb für bieS ©efd^enf mufe id^ Sinnen 
banfen, fo traurig midE)'ö aud) mad^t. 3^ ^öb' ©ie wirflid^ 
lieb unb glaube ©ie gu üerftel^en in ber tiefen Snnigfeit 
3^re« aSBefenö . . . 3^^ W)^i6r wö§ ©ie finb, unb barum 
braud^en ©ie mir nid^t erft gu geloben, etwas SRed^teö werben 

gu wollen „3^^ wunberfd^öher 33rief l^at mid^ tief er« 

griffen'' u. f. w. 

©iefer Antwort war folgenbeö ©ebid^t üon 3ol^anna 

beigelegt: 

^9Wir ift, afö fei ein Sauber 

933ol^t über mtc^ gefpro(^en, 

Unb mer il^n töfen molle, 

Deg' ^erg fei balb gebro(^en. 



2»ir ift, xd) fei öern)ünf(^et, 
ÜKein armer ?eib üerf(u(^et, 



334 So^nna Stopp. 



2d) tonne nimmer finben 
!Dte ^uff\ bte tc^ gefuc^et, 

Unb muffe rafllod manbern 
3Rtt einem toten $erj;en, 
Unb bürfe feiner Seele 
Vertrauen meine ©c^merjen. 

Denn, »er mir Siebe biete, 
3)er fei bem ®ram oerfaOen 
Unb muffe o^ne Sfrieben 
Sie ic^ burc^S lieben »allen/ 

9lo(^ wenige Sage fallen ftc ficft unb mad^ten bie ge* 
mo^nten ©pajicrgänge. „@ö ift mir „l^eimlic^"*), wenn i(^ 
mit S^nen auf bie Serge gel^e unb mir mie alte langjährige 
greunbe rficf^altloiS jufammen fpredjen. Sie merben'S nict)t 
füllen, mie l^erjlid^ id^ 3I)r eble§ SBefen erfaffe, unb meiere 
Sld^tung id^ uor 3l)nen l^abe. ©ie ftnb ein 9Jlanu." 

ßinige SBoc^en fpäter verliefe 3o^anna ^eibelbcrg. 
©ie ftebelte ju SBermanbten unb ju if)ren Se^rern, Sem^arb 
grieö unb 33erbelle, nacft 9Jlündf)en über, um fidE) ganj ber 
Äunft gu mibmen. 2lm 6. ©egember 1849 na^m fie Don 
Leiter abfd^ieb für immer. ,,©enfen Sie nic^t blofe traurig 
an mic^!" — rief 3ol)anna i^m gu. „^mxC^ mir auc^ nie 
gut ge^en mirb, fann mir'§ bod^ beffer gelten. 33Ieiben Sic 
mir gut unter allen Sebenäoer^ältniffen! 3Ber fo reid^ an 
Siebe ift mie Sie, mufe baä finben, ma^ er begel^rt, mufe ge- 
liebt merben." ©ie^mal fafe e§ bei ©ottfrieb ÄeQer tief. Seim 



*) 3olf)anna miU ba^ fc^meigerifdie „I)eimelig", b. f). traulid& au§- 
brücfen. 



So^anna Äap^. 335 



@d)ciben jc^rieb er ben eingigcn erl^altcncn, nie abgefanbtcn 
njunbcrf(i)öncn ©rief an goi^anna. ßbcnfo ba^ @ebid)t: 

„^d) fül^Ie tDol^I, marum ic^ "^lij, 
O teure« SBeib, fo fe^r geliebt" 

mit ber Sdilufewcnbung: 

„Unb beffer ging ic^, atö ic^ fant, 
Son reinem f^euer neu getauft, 
Unb f)'dttt meinen reic^'ren ®ram 
92ic^t um ein reiche« ®Iü(f oerfauft/ 

®ic üicr Sieber ©. 199—207 ber „9lcuercn ©ebid^te'' 
pnb an jie gertdjtct. ®in a3rieftäfd)d)cn mit bem Don il^rer 
^anb clngeftidten 9?amenöjuge ©ottfrieb ÄellerS befinbet jtd^ 
itod) in ber |)interlaffcnfd)att beiS ®ic^tcr§. 

Sa^re lang blieb ftc in 5Künc^cn. 3m Dftober 1850 
fc^rieb jic, bafe i^r erfteS ©ebüt al§ OTalcrin fo äiemlid^ in 
biefelbc Qdt fallen bürftc, ba ÄeHcrg „jwölf ©ramen" glcid^» 
jeitig aUenoärtö ben bcutfd)en SBül^nen oftro^iert roorben. 
Unb im Slpril 1852 beflagte fie ben Äummer, ben fte i^rem 
gebeugten Sßater mac^e. „Snjmifd^en fc^icfcn Sie mir S^rc 
@cbid)te, auf bie id^ mid^ fe^r freue unb fo aud) auf bie^ 
jenigen, beren ßntfte^ung ic^ oerfd^ulbet l^aben mag." ®er 
gegenfeitige fd)riftlicl^e 3Serfef)r bauerte bis 1856. Sol^annaS 
fpätcreS ©efd^id geftaltetc jid^ tieftragifd^. Sic oerpel unl^eil» 
barem 3rrftnn, auö bem fte erft nadf) langen ^a\)xm traurigen 
®ied)tum« 1882 ber Sob erlöftc. Sie Sriefe üon ©ottfrieb 
Äeller i)at fie oernid)tet. 9Zur jwei fd^öne Slquarelle bewal^rtc 
fte auf. 

3u btn Steunben be§ Äappfd)en ^aufeö gel^örtc Sern* 
l^arb grieS (1820 — 1879), einer ber legten unb bc-- 



336 «entfärb gric«. ©^tifHan Softer. 

bcutenbficn Sanbfd^after auS bcr 3fiottmannfc]^cn ©c^ule, ein 
^eibclbcrger Äinb, bcr bcrül^mtcn 9RaIerfamiUc angc^örig, 
bcr ©ruber üon @mft Srieö. W\t Bem^arb gri^ö fc^loB 
©ottfrieb Äeller vertrauliche S^eunbfd^aft, weld^c ftd) biö 
ju beffen Sobe immer gleich blieb. 6r ^at i^n in ben 
ftebengiger S^^reii wieberl^olt in SKünd^en befud^t. Slus ber 
^eibelberger Seit ift ein fleineö Sillet üon grrieö üorl^anben: 
„Sieber ©ottfrieb, fomme morgen frul^ mit bem ©ampffc^ijfe 
^iel^er nad) 9?ecfarfteinad^, üon wo wir, b. 1^. f^euerbad) unb 
id^, naä) ©berbac^ unb Äafeenbucf el ge^n ! ' Sage nicmanbem 
etwa« üon ber ©efc^ic^te! Sringe ©eine neueftcn @ebi(^te 
mit! Sd^ ^abe fjeuerbac^ baüon gefproc^en; er ift fe^r be- 
gierig, ©elb I)abe id^ bei mir. 8lbieu. Äomm gewiß! 
©ein ,unfterblid^er' S. ^ricö. ©ute unb oiel Gigarren 
mitbringen!" 3nt ©pätl^erbfte 1849 jog %m^ nadt 3Künc^en. 
@r l^atte eifrig Slnteil an ber politifd^en Bewegung genom- 
men, was 1852 als SBorwanb gu einer üorüberge^enben 
SluSweifung auS ber bairifd^en ^auptftabt benu^t würbe. 

6in ©egner üon i^m, aud^ ein ^eibelberger Sefannter 
©ottfrieb ÄellerS, war ß^riftian Äöfter (1783—1851), 
ber befannte SReftaurator ber a3oiffer^efcf)en Sammlung, felber 
ganbfd)aft§maler unb ^nftfd)riftftener romantifc^er SHid^tung. 
©aneben SKuftfer, ber in ,g)eibelberg mit S^ibaut bie SReinl^eit 
ber Sonlunft üerwaltete. ©a§ graue üerwad^fene TOännd^en 
birigierte jeben ©onnerftag S^ibautS gemifd^ten (5^or. Äeller 
war öfter um if)n, legte il^m mitunter ein ©ebid^t üor, nur 
jögemb aud) etwas üon feinen fianbfc^aften. Äöfter be^ 
merlte il^m im ©egember 1848: „3f)re ©fiijen ^aben mir 
fel^r wol^l gefallen; Sie fielen t)ier ber ?Watur einfam unb 
allein gegenüber, of)ne pdö in fremben 9Jianieren ober in 



^ramatifd^e $l&ne. 337 



norbifdien fjormcln ju bewegen, unb ba« t^ut gemütlich jo 
wol^l; obgleid^ ber SSBunfd^ rege wirb, burd) mel^r SSerein* 
fad^ung unb ©elenfigfeit beS Sraftamentö einen ^unft gu 
erreichen, wo ftd^ bie funftfreic S^^ätigfeit mit ben ©d^ranfen 
ber 9laturtreue umfd)Iungen l^ält, burd^ ©ewtnnung eines 
©titö — frcilid^ leidster gejagt alö get^an." Äöfter ift brei 
Sa^re fpäter geftorben. 6r l^at pdf) bie ©rQbfdörift gefegt: 
,, Suchet midf) nid^t l^ier, fud^et mic^ in @uren ^erjen!" 

Sei feinen uorgefd^rittenen 2ebendfeme[tem mochte ©ott*» 
frieb Äeller nid^t me^r wie ein gwanjigjä^riger ©tubent 
regelmäßig bie SSorlefungen befud^en; aud) war er bereite gu 
felbftänbig unb unbiegjam geworben, aU bafe er fic^ rücf^alt* 
loö frember §fl^rung überlaffen l^ätte. geft behielt er fein 
neued SebenSgiel im Suge. 2)ie bramaturgifd^en (Stubien 
nahmen i^ren Fortgang. 6r badete an ein ^iftorifd^eS ©tüdt 
au« ber Sc^weigergefd^id^te, „©ertrub oon lEBart", wogegen 
Staatsrat ©ulger in Q&xxä) folgenbe S^^ifrf äußerte: „@S 
freut mid), ba^ Sie pd^ oon ben fog. fjamilienftoffen 
unb ^äudlid)en ©emälben abguwenben unb bie größeren 
]^i[torifd)en Stoffe oorgugiel^en anfangen. Ob jeboc^ ,@ertrub 
Don SBart' nlc^t wiebcr in bie ©effi^te* Familien ^Scenen 
l^inüberftreifen unb bie Älippe barbieten wirb, ba^ Sntereffe 
an gwei f^rauen gu Infipfen, wage id^ nid)t gu enlfd)eiben. 
®iefe Sd^wierigfeit fann allerbingS wie in ber ,3Raria 
Stuart' überwunben werben, aber eS fc^eint mir ^ier ber 
Unterfd^ieb gu liegen, baß pd) bie Seilnal^me an Seben unb 
Sob unmittelbar an bie ^erfon einer ber beiben Äöniginnen 
fnüpft, wäl^renb pe pcft nad^ ^^x^m Entwürfe me^r inbireft 
aus bem SdbidEfal einer nid^t ^anbelnben ^erfon ableitet." 
©er^lan gu bem Srauerfpiel „Sl^erefe'' würbe entworfen, 

®ottfrieb SttUtt. 22 



338 8j?rifdM. 

bcr grofec 3Ro»oIog bcö legten äftcS fomponiert u. a., na« 
mentlid) aber am gugenbromane gcfd^ricbcn. ®a berfclbe 
eine 5nicl)t peifönlic^er ©ricbniffe war unb gugleid) einen 
Slbfd)Iu6 bebeuten follte, fcf)eute pd^ ber ©tci^ter, ba« Su(^ 
au§ ber ^anb ju geben, umfomel^r, als er Aber ben SluSgang 
be§ „©rfmen^elnricft'' nod) gänglid^ unfd^Ififftg war. Sut^ 
eine Slnjal^I gieber ftnb in i^eibelberg entftanben, Slufeer 
benen an Sol^anna: ,,TOeland)oIie" (®ej. 1848), ^^cimroe^*, 
„Sin ben fc^onen Simmatborben" (1849), „®ie ©c^ijferin 
auf bem ißedfar", baS Sieb „3c^ bete in ber fjru^e" (9lo- 
üember 1849; ol^ne S^^fri wjar e3 g^uerbac^ gewefen, ber 
il^n auf ben „^aflö" feinet Sreunbe« ©aumer I)inlenfte). ©aS 
reijenbe ungebrurfte, „^Iaubertt)äfd)c*, flnbet man im Sln^ang. 
ßbenfo rebigierte er bamalS ba§ gweite Sänbd^en ber @e« 
btci)te. 6§ foHte nad) feiner Meinung fein Slbfd^ieb Don 
ber gqrif fein. 6r l^abe biefeS fuBjeftioe ©ebal^ren, meldte« 
pc^ aud) in feinem SRomane breit mad^e, enblid^ fatt unb 
emppnbe eine wal^re ©el^nfu(f)t nad^ einer ruhigen unb 
^eiteren objeftiDen Sliätigfeit, bie er junad^ft im S)rama ju 
Pnben I)offe. 

6r entpfanb eS als unabweisbare SRotmenbigfeit , bie 
nädf)ften S^l&re gu rafd^er bid^terifc^er $robuItion anguroenben 
unb badete baran, pd) an ®u^Iow, ben bamaligen 2)rama« 
turgen beS ©reSbener §oftl^eaterS, gu rid^ten, um burd^ il^n 
nä^er mit ber Su^ne befannt gu werben, ©inen Sugenblid 
erwog er aud^ eine 3fiüdffel^r nad^ 9Kündf)en, wogu il^n 3^« 
Iiamta ermunterte, ba er bort SRal^l fennen lernen werbe. 
@d&Iie6lidf) entfd^ieb er pd^ fflrSerlin, im ^inblidf auf baö 
bortigc Sweater. 3« ber Umgebung SSam^agenS oon @nfe, 
ber i^m auf feine erften ®ebid)tc fo gufunftoer^eiftenb gcant* 



Greife non ^ibclbcrg, Sl^ril 1850. 339 

tt)ortct l^attc, ^offtc er lüo^I aufßcnommcn gu werben 
unb ben nötigen SBorfc^ub für feine Slbftd^ten ju pnben. 
®te Sondier SRegierung gewährte im Oftober 1849 ein 
neues ©tipenbium üon taufenb granfen für ein weitere« 
Sal^r, um i^m ben 3luf enthalt in Serlin ober ©reöben gu 
ermöglichen. • 

®ie Slbreife, welche urfprünglid^ auf ben Oftober 1849 
angefe^t war, üergögerte fid^ um ein üoHeS Semefter. 
grft JU Anfang Slpril 1850 war er marfd)fertig. ®ie 
§al^rt foUte ben SR^ein l^inab ge^en, wo bamal« ein alter 
greunb wohnte, fferbinanb g^eiligrat^, ber oor jwei 
Sauren auö Sonbon oorüberge^enb nad) ©eutfd^lanb gurüdf» 
gefeiert war. ©iefer begrüßte ben „®ottfrieb oon ©lattfelben** 
jubelnb mit einer feiner frö^lid^en ßpifteln, unb an einen 
©üffelborfer fjreunb f d)rieb er am 5. 8lpril : er werbe i^nen 
bemnäd^ft ©ottfricb Äeller, ben @d)wei3er ^oeten, „einen 
trefflichen gangen Äerl" oorfül^ren. „©täubet ben ©taub auö 
ben SBratenröcfen unb forget für ein überftrömenbe« ©eibel!'' 

Slm 7. SLpril traf ber Erwartete in Äöln ein unb fanb 
bei ber Familie g^reiligrat^ bie ^erglid^fte aufnähme, ©aö 
^aupt be« ^aufeS gwar war fe^r oou politifd^en ©efd^äften 
in Slnfprud^ genommen. Smmer^in würbe bie im SBer« 
gnügungSprogramme oorgefe^ene ©uite nad^ ©üffelborf auS= 
geführt unb reid)lict) bem feinen gö^^rgange oon 1846, bann, 
in ©efellfc^aft beö gemütlichen 3!Jialerd ^afencleoer unb 
SBolfgang üJlflUer« üon ÄönigSwinter, ber üJlaibowle geopfert. 

Slbolf ©trobtmann ergä^lte in Slument^alö „dienen 
SJlonatö^eften" 5, 194 (1877) üon einem »efuc^e bei greilig« 
rat^ im ©ommer 1850, furg nad^ Äellerö 8lnwefen^eit: 

,,5Teiligrat^ wohnte bamalö auf bem ©orfe Silf bei 

22* 



340 ©trobtmflnn über Äeüer. 

©üffelborf, bid^t neben bcr Äird&c, unb war erft oor roeniflen 
Sagen an^ ber $aft entlaffen worben*). @r enippng mic^ 
mit ^erjgewinnenber Sreunblic()feit unb ntad^te mtc^ mit 
mehreren feiner Srrcunbe, 3ÄaIem unb 6d)riftfteIIem, befannt. 
Unter anberm führte er mid) in baö Atelier $afencIcDer§. 
beffen l^untoriftijc^c* ©enrebilber auö ber Sobpabc unb bem 
bcutfd^en ©picfebürgcrlebcn ber füfelid^ fentimentalen SKc^tung 
ber ©üffclborfer ©d^ule ein gefunbeö ©egengeiuicftt gaben, 
unb ber mit offenem 6inn für bie fojiale Seite bcr ad^tunb« 
Dierjiger SReuolution fürjlid^ ein ©emälbe ,©tabtrat unb 
8lrbeiter* üollenbet ^atte, ba« nod) auf ber Staffelei ftanb. 
©er joDiale 3)lann tmproDificrte rafc^ einen S^^tifc^, inbcm 
er baS Silb l^erabna^m unb e<S, bie Sfifidtfeite nac^ oben 
gefeiert, auf bie Seltnen gweier ^olfterftül^Ic legte. ®ann 
l^olte er ©läfer unb glafd)en auö ber Dfenerfe ^eroor, unb 
balb oertieften wir ung in ein l^eitere« ©efpräci^ überÄunft 
unb $oefte. SJJodite nun ber feurige lEBalporj^eimcr ober 
bie anregenbe Unterhaltung mir bie anfangt fd)ü(]^tcme 
Sungc gelöfi l^aben, id) plauberte lebl^aft unb unbefangen 
mit. „®aö ift boc^ fein fo fteinerner ®aft", fagtc bcr Waler 
in feinem breiten rl^einlänbifd)en ©ialcftc fc^ergcnb gu Srei- 
ligrat^, ,,wie ber @d)n)ci3er $oet, ben S)u mir neulid) 
brad^tcft. ©er leerte fd)U)eigcnb fein ®la« unb fd)lan9 
ücrbroffen fein SRoaftbeef ^inab, unb fprad) groci gcfci^lagene 
©tunben lang faum ein SSBort. ©afe er ^kx^i) cffen unb 
SBein trinfen fann, glaub' id) fd)on, benn ba§ l^ab' id) ge* 
feigen ; aber bafe ber all feiner Sebtage ein gef d)eite§ 2icb gu 



^) ^icr taufest fi(^ (Strobtniann. S)ie grcilaffung greütgrat^S 
fWt in ben Dftober 1848. 



\ 



©trobtmann über Heller. 341 

ftanbc bringt, glaiib' id^ nimmer. SBirb wo^l fold^ ein 
©tubenl^ocfcr fein, ber l^interm Ofen ben Srüpnfl beftngt!" 
9Jlit ßifer erwibertc ff reiligrat^ : „ „ Se^Igef d)ojf en , alter 
Änabe! ®er ift ein rechter $oet üon ©otteö ©naben, bem 
nur ber innere Swjiefpalt, baS unpdiere @cl)tt)anfen in ber 
SCBa^l feine« Serufe«, mandjmal ben ?0?unb üerf einliefet. 
®u weifet, ba^ er TOaler war unb ficft je^t gang ber Sitte* 
ratur gu wibmen gebenft. SHleS gä^rt in tl^m, er ringt nod) 
uml^ertaftenb nad) ber fform für bie ©ebanfen, bie i^n be* 
wegen; er ftubiert, tro^ feiner faft breifeig S^l^re, je^t in 
^eibelberg $l)i!ofop^ie unb 9?atum)iffenfd)aft mit einer 
Sieibenf ct)aft , bie i^m Äopf unb ^erj gang in Slnfpruc^ 
nimmt, ba mag er immerl^in fjremben gegenüber befangen 
fein, — aber gib Slc^t, oor bem wirft ffiu einft noij ben 
^ut jiel^en unb il^m in tieffter ©eele ba§ Unrecf)t abbitten, 
i^n fo falfd^ beurteilt ju I)aben!"" — „@rinnem Sie fid^ 
meines ©iSputeS mit ^afencleoer?" fragte mid) fjreiligrat^, 
alö er mir brei Saläre fpäter in Sonbon mit freubeftra^Ienbem 
8lntli^ bie eben erfd^ienenen ,9?eueren ©ebid)te* oon ©ottfrieb 
Äeller in bie ©anb gab. „6ö macftt mir bocft SBergnügen, 
bafe id) in ber unfd)einbaren SRaupe, bie fo blöbe unb Hnfifc^ 
ein^erfrod), bamalö fd)on ben fd)önen ©d^metterling erfannt 
l^abe, ber ftd^ je^t fo Reiter unb lebenSfrol^ in ben ßüften 
wiegt, fjreilic^ beburftc e§ baju feinet ^ropl^etenblidfö ! 
SBer, wie id) felber, in feiner Si^S^nbjeit ben ©rucf einer 
fd)iefen SebenöfteKung fd^merglid^ empfunben l^at, ffl^It ber- 
gleid)en leidet aud) bei anbern l^eraud. Sefen @ie baö Sud) 
-— e5 wirb S^nen einen ^ol)en ©enufe gewähren, ffiiefer 
neue $oet war üon Sugcnb auf ein freie« ©emüt; fd^on im 
©onberbunböfriege fd)lug er ftd) wadfer mit Pfaffen unb 



342 ©trobtmann über Heller. 

Sinfterlingcn ^crum — aber nun ijat er pd) bei ber SBiffen* 
fc^aft bie Seftätigung feiner freien Sebenöanfd^auung geholt 
unb fd^mcttert auö genufefreubiger ©eele fo frifc^ unb fed 
feine 3GBeifen, wie bie Serd^e broben im reinen Slau, aB 
fönnte eS gor nid)! anberd fein, alS gäbe e^ feinen Jtampf 
unb ©treit ba brunten auf ber 6rbe, feine ©ucfmöuferei 
unb 3^rriffcn^eit, nur lauter frü^IingStrunfenen Subel unb 
ßuft unb ©eligfeit!'' 

^laä) einer gang unüerbürgten Mitteilung in ber 
granffurter „©ibaScalia'' üom 30. 3uni 1885 Ratten bamal^ 
greiligratl^ unb Äeller gWobell gu ^afencleöerS Silb „Sie 
SBeinprobe" gefeffen. ®ottfrieb Äeller fei auf bemfelben aö 
ber SEBürbenträger bargefteHt. 2llö grau 3ba f^eiligrat^ 
il^n im Suli 1885 auf ben fraglichen artifel aufmerffam 
machte, antwortete if eller, er ^ätte benfelben auf bem Sefe^^ 
gimmer umfonft gefud)t. „SEBer nad^ fünfunbbreifeig 3ö^ren 
mdi über jenen furgen Sufent^alt in ©üffelborf, al5 gerbi* 
nanb mid^ Don Äöln baf)in begleitete, fd^reiben mag, weife 
©Ott. SBon einer ©eburt^tagöfeier ©afencleoerö »eife icft 
gar nid^tS mel^r. ©erfelbe befanb ftd^ aUerbingö in einer 
@efenfd)aft oerfd&iebener ^errea, bie wä^renb gwci bi« brei 
^gen in ©aft^öfen unb ®efenfdf)aftiglofalen l^crum binierten 
unb oiel 3Kaitranf, ß^ampagner u. f. w. oertilgten, o^ne 
bafe befonbere Sollseiten vorfielen, aufgenommen ben erflen 
Sftenb, alö in einem OTuftf» ober ©efangoereine an ber SEBanb 
I)ängenbe ßqlinberpte ^verarbeitet mürben , wobei id^ nac^ 
einer bunfeln ßrinnerung mid) wacfer beteiligte. SBenn man 
alt wirb unb ftd) an ber Dffentlic^feit herumtreiben mufe, fo 
ift eö ein Übel, bafe einem bergleid^en oerftedfte gegcnbenmadjer 
nac^fd)lei(Sen, nod) e^e man ba^ S^Hlid^e gefegnet j^at." 



30. 5ln mnittt unb (ac^wcftcr, 31. Dft. 1848. 343 

©einen präd)ttgen greiligrat^, au bem er lebenslang 
mit TOanbeDofer Sreue ^ing, ^at Äeller crft im ^erbfte 1875 
loieber gefe^en, al§ jener, franf, uon einer Äur an^ ®rau» 
bfinben ^eimfel^renb, furje S^it in Sß"d) raftcte. 

aKitte april 1850 langte ©ottfrieb Äeller in Serlin an. 

aus ber ^eibelberger Seit nun ftammen bie folgenben 
ausgewallten Sriefe. 

30« |ln IKitttev nnh ^d^wtfttv* 

^eibclberg, ben 31. Dftobcr 1848. 

Siebe SKutter unb ©c^wefter! ©nblic^ fomme id^ baju, 
(Snä) 3la(i)X{(tjt uon meiner SReife unb üon meiner Slnhinft 
^iel^er ju geben. 3d) uermeiltc einen Sag bei meinem greunbe 
Dberrict)terO auf feinem Sanbgute bei Slarau; ben anberu 
Sag begleitete er mic^ nad) Sarau, mo mir miteinanber aber 
^tad^t blieben, benn er l^at beS Dbergerid)teS megen eben^ 
falls eine SBo^nung in ber ©tabt. 3Ran mar in Slarau, mo 
id) in bie ©efeUfd^aft ber SRegierungS^äupter geführt mürbe, 
fel^r artig unb freunbfc^aftlic^ gegen mid); eS mad)te Diel 
auffegen, bafe eS ^iefe, bie [Regierung molle mid^ auf meite 
SReifen frigiden, maS mein greunb überall austrompetete, um 
ft^ felbft ein anfe^en ju geben. 

3n Safel traf id) mieber Sefannte, meldte mic^ ber« 
mafeen aufl^ielten, bafe id^ bie beutfd^e ßifcnba^n, mit 
welcher id^ nod) am gleid^en Sage nadf) ^cibelberg gefommen 
märe, üerfel^Ite, unb ba^er mit ber franjöftfd^en nad) ©träfe« 
bürg ge^en mufete. ©aS foftete midf) jmar ein 9?ad^tlager 
mel^r, reute mid^ aber nid)t; benn ic^ fa^ einmal baS leb- 

*) föbuarb S)ö6crcl. 



344 ^bdberg. 



I^aftc franiöfifd)C geben, baS abrette ^Militär, befonberö aber 
ben rounbcrbarcn SHünfter, weldjer einen fo gewaltigoi 
Sinbrud auf mic^ machte atö S)id^ter unb j(ün[tler, ba^ ic^ 
um Dielet nid^t looKte, bag id^ i^n nid^t gefeiten l^ötte. Ser 
2;unn ift gerobe noc^ einmal fo i^oc^ ald ber Sraumfinßer' 
türm in Sundö; aber ba i[t fein roteS bummeö ©ac^, fon^ 
bem biö gu oberft hinauf i[t alleö ftcinemeiS Slumen- unb 
Silbwerf, überall burc^brodben, wie wenn eö gel^ätelt wäre, 
fo ba^ allentl^alben ber ^immel burc^fdE)etnt. 60 ift bie 
ganje ungeheure Äird^e gebaut; fein fjufe breit ift, ber nid^t 
mit aufgehauenen Slumen unb Silbern flberbedFt wäre. 6« 
finb aber aud) 500 Sa^re baran gebaut morben. 

9lm ©onntag 3Rittag enblic^, bem erften nad^ meiner 
abreife auö S^xid), ful^r id^ mit bem ®ampf meiter nad^ 
i^eibelberg, wo id^ bann abenbö 8U^r anfam. Sdj blieb 
brei Sage im ©aft^aufe unb mad)te meine Sefucfte. Sie 
^rofefforen $feufer unb ^enle, meldf)e frül^er in Sön^ 
waren unb jc^t ^ofräte |inb unb gu ben angefel^enften ^er- 
fönen ber Unioerptät gel^ören, nahmen midf) freunblid) auf, 
führten mid) in ©efeüfdjaft unb in il^rem ^aufe ein unb 
gaben mir fonft guten SRat. 9Jlan mufe aber Diel »er« 
fd)!ucten, inbem f)ier überall über bie ©d^weij gefd^impft 
wirb, unb bie i^erren, welche früher fe^r rabifal waren, finb 
gewiff ermaßen alle fonferpatio geworben. 6ö ift i^nen in» 
beffen nid)t gu oerargen, benn wenn man bie SRabifalen unb 
3fiei)ublifaner l^ier fie^t, befonberS ba§ gemeine 33olf, fo bc* 
fommt man gehörigen SRefpeft baoor. Unfere ÄeHenlänber*) 
finb noc^ anje^nlid)e SRänner bagegen. 

V @o merben bie Beute be§ öftlic^cn gebirgigen Oberlanbed 
Don Süric^ genannt. 



30. «n 3Ruttcr unb @(^»cftcr, 31. Dft. 1848. 345 

SRcin SBuc^^nbler SBintcr, tt)cld)cn ic^ aud^ befud)tc, 
ift ein fonb^rbarcr ^aui. (gr war ganj artig unb frcunb* 
lid^, ernannte aber mit feiner ©übe meiner ©ebid^te, waö 
er für (Sefd^äfte bamit gemacht I)ätte u. f. f. ©agegen 
ftubiert l^ier ein ©o^n meines Sraunfd)tt)eiger Sud^l^änblerg, 
be§ ^errn Sieweg, XDtld)tv fagte, bafe fein SBater in ad)t 
Sagen felbft l^ier burd^reifen werbe, waiS mir gang gelegen 
fommt; ic^ ^abe fd^on SSorforge getroffen, bafe id) i^n fo^^ 
gleich fe^e, wenn er fommt. 

Über ben Su;ruS be« QmrmT&, tt)elci&e§ id) bejogen 
l^abe, fönnteft ffiu ©id^ nun nic^t beflagen, menn S)u eö 
feigen mfirbeft, liebe 9Äutter. 6S gel^ört ju ben einfad^ften, 
meiere l^ier aufzutreiben ftnb, bei armen Seuten: ein fleincö 
Simmer mit einem ©d^Iafjimmerc^en (mie eS ^ier nid^t anberS 
gu ^aben ift) unb foftet mid^ 30 ©ulben baS ^albjal^r (un= 
gefä^r 27 ßörc^er ©ulben). S)a« gru^ftucf läfet man fid) 
im ^aufe geben, Äaffee unb ein Srötd^en; beö Wlittag« 
ge^t man in ein ©aft^auö unb ifet ba für 20 Äreuger 
(5 öa^en) fe^r gut*); beö 9?adöt5 nimmt man gar nid^tS, 
ober fauft beim Sratmurfter für 6 Äreujer (4 ©d^lKing) 
etwa«, nimmtS in ben ©acf unb ge^t entmeber inö 3Birt§= 
l^auS bamit, wenn man ausgeben miQ, ober man gel^t l^eim 
unb frifef ö bort. Übrigens gel)en nur bie jungen ©tnbenten 
abenbS in i^re Äneipen; gefeitere ßeute l^ocfen gu §aufe 
ober befuc^en ^riDatgefeUfd^aften. 3df) bin, feit id& ^ier bin, 



') S)ie SWuttcr an ©ottfricb, ö. S)eg. 1848: „©einem ©einreiben 
nad^ ift eS bort teurer gu leben aB in aJWlnd^en; öon bort (gKüncf)en) 
l^aft S)u gef (^rieben, man fönnc für 12 5h:euger rec^t gut gu üKittag 
effen. 8ebe gefunb unb l^alte 2)ic^ gu ben gefegten beuten, meiere gu 
^aufe unb nlc^t in ben ^eipen „l^ocfen"!" 



346 ^dbelberg. 



erft ein einjtge^ 3R<A um 11 U^r ^eimgefümmen , atö i(^ 
in eine (Sefellfd^aft gelaben Xüax. 3>d) ^cibe ein ^albcS 
Klafter $oIg getauft, n)eI(i^eS mit ^adten unb Sragen 6 @ulben 
45 Äreuger foftet; bie ^^eigeinrid^tung i[t miferabel ^ier; im 
uorncl^mften, wie im flcinften ^au\c ftnb laujige cifernc 
£)fel(|)en, meldte nid^t einmal einen @d^ieber l^oben. 6d ift 
mcrirofirbig, mie bumm in biefer Sejie^ung fo eine gange 
@tabt fein fann. Überhaupt ift l^ier ein luutpiged lieber^ 
lic^e!^ SSolf : aQed lebt gang unb gar Don ben @tubenten; bie 
l^albe unb breiüicrtelS Seußlferung pnb une^elic^e ©tubenten* 
Ruber unb läuft in Se^en ^erum. 

3Ba§ meine türfifc^e Steife betrifft, fo i^abt iä) fdt 
meiner Slbreife allerlei @ebanfen gel^abt, unb ic^ glaube 
fc^werlid), ba^ iö) ftc machen merbe. 

SBenn irgenb etma« DorgefaHen ift gu ^aufe, fo fc^reibt 
mir ed fogleid^ unb überhaupt balb, bamit id) meig, mie e^ 
um ®ud) fte^t. SieHeid^t fa^re id^ morgen mit ^rofeffor 
^enle, welcher ©d^ulg*) aud) fennt, nad) ©armftabt, unb 
am Slbenb miebcr gurücf . ^olitifd)e§ braucht 3^r mir nid)t« 
gu fdjreiben, id^ lefe ^ier alle 5Eage bie QmäftxititnnQ. 3n 
ber feften ^offimng, bafe 3^r ©wd) gefunb unb wo^l be* 
finbet, oerbleibe id) mit taufenb ©rüfeen 

@uer getreuer ©o^n unb Sruber 
©ottfr. ÄeHer. 

abreffe: D 281 in ^eibelberg. 
3m ^aufe laffe id) alle grüben. 



1) SBtl^elm 6c^ula, SJlttglteb beS ^ranffurter Parlaments, too^nte 
bamaliS in 2)armftabt. 



31. STn Sol^. (Bai ^egi, 28. San. 1849. 347 

81. Slit i<r^. $aU 9e0i iit iSriil^. 

^cibclbetg, bcn 28. Sanuar 1849. 

giebcr ^egi! ^6) bin cnblid) an bcr ^erfuleöarbcit, 
meine ganje ^eimatöforrefponbeng auf einmal abjut^un. ®u 
bift ber britte an ber SRei^e, unb noc^ l^abe id) fünf fflriefe 
oor mir. ßiner wirb Heiner alö ber anbere: ber le^te wirb 
nod^ eine 3^»!^ gtofe werben, ber ©einige wirb ber britt» 
größte fein. 

3cä& war einen Stag in 3larau; S^rb. SB^blerO befanb 
ftdö ober auf ber 3ögb unb fam leiber jenen 3Dbenb gar 
nicftt ober fel^r fpät nad) ^aufe; benn er fam ni(^t mel^r 
ins Äajtno, wol^in id) il^n cttiert l^atte unb mo \6) feinen 
Sruber traf. ®en anbem ?!Korgen mufete id^ um 5 Ul^r 
fc^on mit ber 5ßoft abgnaben. 

3n Safel traf id^ ben ©Offert"), üerl^eiratet mit einer 
fd^onen jungen Srau, einer ^rofefforötod)ter . . . 3c^ fegelte 
Aber Strafeburg unb genofe einen fc^onen^erbftfonntag l^inburd) 
ben SJlfinfter auf alle SBeife. 3lufeen unb innen, unten unb 
oben, mit grofeem republifanifdjen SWilitargottefibienfte unb 
leer, wie baö »^eibelbergerfafe. 3d) bin überzeugt, bafe man, 
tro^ allem fd^on @ef(^ri ebenen, immer noc^ ein ganj neue« 
fc^öneiS Su(^ über biefen SEBunberbau fc^reiben fönnte. ©a« 
Sluf« unb abfteigen am SEurme ift allein eine ber intereffanteften 
SReifen, bie e« gibt. @§ ift ein Sempel auf ben anbem ge^ 
baut, bi6 in bie SBoÜen. Oben ift eine Safel in ber 9Rauer, 
worein ©oet^e unb feine ©tubiengenoffen in Strasburg i^re 



') (Sin 3Wün(^cner Jreunb ÄcHerS unb ^cgis, fpäter «rat (1823 
biö 1871). @. 0. ©. 92. 

') (gbiiorb ©üffcrt, 9WaIer, ebenfalls alter 5Wün(^ener. 



348 



^eibelberg. 



9?amcn l^aucn liefen. 9)lan fprid)t babci immer nur öon 
©oetl^c, obgleid) eine 'üWengc bcutfd^cr ?ßotabiIttätcn, ©ie 
^erbcr, SungsStilling utib bgl. barunter ftnb, audi irafcr 
iparferer SaDater. @§ ift etxoa% ^roblematifc^eö um bie ©^ 
feöfcftaft eine§ folc^en @cl)lin9efö, wie ©oet^e i[t, man wirb 
Don bem ungefc^lad)ten DorbringUdien Ferren aßjuleidöt t)er= 
bunfelt; bod) aud) beleuchtet manchmal Sd^ glaube pojitio, 
ba^ man Don 2at)ater noc^ weniger fpredjen mürbe je^t, ate 
eö gefc^iel^t, wenn er pc^ nic^t fo Diel an ©oet^c gerieben 
l^ätte, unb wenn biefer nid)t eine folc^e SJlenge munberlic^cr 
2iebl^abereien gel^abt Ijätte. 

^ier in ^eibelberg treibe id) l^auptfäc^Iic^ moberne 
^l^ilofopl^ie unb Sitteraturgefdöici&te, aud^ ^^qftologie. ^ 
©ommer werbe id) neben ber ©efd)id)te aud) etwas $^9f9 
ftubieren, ba ^ier ein Dortreff lieber Seigrer bcrfelben ip*). 
®u wirft benfen, baö ried)e nic^t fel^r nad^ ber orientalif^en 
9fteife unb l^aft auc^ rec^t. 3^ l^abe nämlid^ nic^t fibd 
2uft, ftatt berfelben nod) ein Sal^r in Serlin, ober am 6nbc 
aud^ l^ier jujubringen; benn ic^ bin je^t im beften Sn%t, 
mir biejenige allgemeine Silbung gu erwerben, bie mir leiber 
biSl^er nod) ctbging. 2)aju ermuntert aud) bie Seic^tigfeit, 
mit weld)er id) e% tbun !ann bei ben oortrefflid^en münN 
lid)en Vorträgen, weld^e man l^ier l^at. ©aju fommt, bafe 
id) in ©eutfdf)Ianb eine 5(Ilenge ber wic^tigften Sefannt-- 
fd)aften fd^Iiefeen fann; id) bin auf bem eigentlid)en ^la^c 
ber Sitteratur, welcher id) mic^ einjuoerleiben gur gebend» 
aufgäbe machen mufe. ©c^on je^t ^abe idf) mehrere Äom 
nefionen angehtupft, weldf)e mir fe^r förberlid) ftnb, unb i(^ 



•) w^^p Son^. 



31. Sin 3o^. @al. *egi, 28. San. 1849. 349 

tDcrbc in manchen Schickungen ctwaö ücränbcrt jurüdfel^rcn, 
»cnn ba^ SBcttcr gut bleibt. Sf iw^n crft ctma« 3fled)tc« 
geworben, fo gibt ftc^ bann eine grofee Sieife, falls ftc nod) 
n)flnfcl)bar ift, Don felbft. 3d) bereue nur bittcrlid^ bie 
Sa^rc, locld^e id) feit meiner SRücffc^r auö 9Runcl)en in 
3ürid) oerfdjlcubcrt l^abe. 

3c^ l^abe ^ier, gur SScrooIlftänbigung nteiner Umgebung, 
aud) ein paar Äünftler aufgetrieben. ®er eine ift ein famofer 
ganbfd^aftmalcr, gricö, welliger jtc^ feit unferm 9Künc^ner« 
leben aufgctl^an l^at unb bereits oiel Sftenommee bep^t; er 
mar lange in Italien unb ^at aud^ aud ber @ct)meij ganj 
granbiofe 3c»^n«ngcn mitgebradjt. 6r mirb näd(ftenS jmei 
foloffale Silber malen ju ©oet^eö 2ieb: „Äennft bu baS 
Sanb, mo bie ßitronen blfil^n", ein italicnifd)eS unb ein 
fd)meijerifd)eS ©ebirgsbilb, ju meld)em legieren er ba^ SWotio 
oom ?!Konte SRofa hernimmt. Sd) xotxbt iijxn Reifen untere 
malen unb l^antieren babei, ju SRu^ unb aSergnugen, an 
muffigen 9?ad)mittagen. 

®er anbereO ift baö f^nurgerabe ©egenteil beS erften. 
©iefer ift ein grofeer fd^öner SJlann, ooQ S^uer unb Seben, 
unb lebt ganj in ber neuen 3^Jt unb aSBelt; jener ift ein 
3Rdnnd)en oon SVs Sufe mit einem ^öcfer unb eisgrauen 
paaren unb lebt in einer entfd)munbenen SBelt. 6r ^at 
feiner 3cit bie ganje Soiffer^efdie Sammlung reftauriert; er 
erjä^lte mir bie ausführliche ®cfd)id)te berfelben, benn Stüd 
für ©tüdE ift burd) feine ^änbc gegangen. @r malt fonft 
aud^ Sanbf d^aften , mie man fie nod) üor $l)ilipp ^acfert 
malte, ift ein ©oet^efdtjer 5cinfd)medfer unb l^öc^ft fonfer» 



') (S^riftion Softer, f. o. @. 336. 



350 ^eibclbcrg. 



öatiöcr Slft^ctifcr; in unjcrcr ÄfinfHcrgcfcIlfd^aft») wäre er 
ein ^ropl^ct unb ücncricrtcr ^atriard). ^crr Äöfler fd^rriBt 
and) über Äunft tn einem fomif(^en, ©oet^ifd) fein foDenben 
©tile unb fomponiert 9Kupf. @r fennt alle Serü^mt^eitra 
ber entfd)wunbenen S^^^i^c unb fud)t pc^ üäterlid^ ber auf- 
leimenben Salente anjunel^men , um fie mo möglich in jene 
©efdimadfögleife jurüdEjufü^ren. @r ^ofet meinen anbem 
Steunb, ben 5rie§, furdjtbar, unb eö brücft il^m ba^ ^tq 
ab, menn id^ bod^aft genug bin ju erjdl^len, bag id) bireft 
Don jenem Jö^rfomme. Snbeffen ift aud^ oon biefem e^r« 
ttjürbigen Übenefte einer öergangenen ^eriobe noc^ Dielet ju 
lernen, unb id) gel^e gerne gu il^m. 

Sc^ alter 9Jarr ^abe immer noc^ meine ffreube an bem 
@tubentent)oII. Sluf bem 6afä, mo bie Sdimeijer nac^ Sifc^ 
^ingel^en, jtnb aud) bie JBanbalen (^anfeftdbter ic), unter 
meld)en eö einige präd^tige ®eftalten gibt, ^ä) l^abe aud^, 
um atleS ju fe^en, einigen 2)ueQen an ber ^irfc^gaffe ju^ 
gefc^aut. 6s finben täglid) meiere ftatt, unb man gel^t ^in, 
mie man etma an eine ®ant ge^t, um gugufel^en. Sc^ ^atte 
baö ®Iürf, bie renommierteften @d)läger ju fe^en; übrigeniS 
ift e<S eine graulid)e @d)inberei. @^ trägt l^ier alles gro^ 
äBafferftiefeln unb j(apujen Don allen t^arben über ben ^opf 
gegogen, maö jugleic^ fe^r malerif d) unb praftifcft ift. Übrigen« 
^errfd)t unter ben Diepgen Stubenten bei meitem nidjt ber 
feine £on, ben id^ üermutete. Slllnäd)tlid) mirb beim 92a(4' 
^aufcge^en auf ben ©trafeen föntra^iert mit großem 2ann 
unb @ebrull unb nid)t feiten gel^oljt. 9lber aud^ unter ben 
^ofräten unb $rofeffören ^errfc^t ©treit unb 3anf. ®u ^aft 



') 3n Süric^. 



31. 3rn So^. @al. |)cgi, 28. San. 1849. 351 

öicllcic^t üon bcr gcgcntüärtigen Sä"^^^^ ßd^fcn, wo pe 
ftd^ gegenfcitig au^Sjd^intpfcn, lüic bic SKitglicbcr einer fal^ren^ 
ben ©d^aujpielerbanbe. — ©ocben erhalte id) per ^oft ein 
anonyme« ©ebic^t, welches, ein wenig fpät, meine ^Infunft 
in ©eutjd^Ianb begrflfet. ©ie gwei legten 33erfe lauten: 

^SKir aber piOc baS ©eignen, bic Hcinflc @aV gu gcniegcn, 
^dbelberg, post restante, unter bcr Chiffre ä. ©." 

Seiber ift bie ^Qnbfd)rift eine männlid^e. ^d) bin 
inbeffen in biefen ©egenben mel^r befannt afö ic^ glaubte. — 

SBaS malft ®u je^t unb »a« Stabler»)? Sd) laffe aQe 

JBefannte beftenö grflfeen, ©tabler unb bie übrigen Äünftler, 

Don benen id^ einige 9lad)ric^t erbitte, ©rüfee mir aud) 

SHorborfö, befonberS ben Älaöiermann'). 3!Kan fönnte mir in 

Qüuö) ein $afet ©riefe jufammenfd)reiben, bamit bie ©ad)e 

auf einmal abgetl^an mürbe; benn id) fel)nc mid) fel^r nad^ 

3lad}x\6:^t Don allen ©eiten. @uer 

©ottfr. Äeaer. 
Sei gmalb D. 5Rr. 281. 

®er Sintenfledf auf bem Äouöert ift ber fleinfte ©ruber 
üon einigen 100, meldte ftd^ auf meinem S'ntmer bepnben. 
©ie ©efc^ic^te münblic^. 

S)en 19. Srebr. 1849. 

33orliegenber 33rief lag mit einer ©d^ar anbrer ©riefe 
auf ber faulen ^aut, al§ ic^ ©einen erfc^recf liefen ©rief 
erl^ielt. Über ©eine SluSmanberung (t 1 1) hoffentlich münb« 
lid^. ©afe idö ©ein ®elb noc^ nic^t fdjicfte, lommt einfad^ 



Scan ©tobicr (1819—55), bcr unglüdfli^e frü^ Dcrftorbene 
Süri^er 5WaIcr. 

>) ©. 0. ©. 16. 



352 .t)"belberg. 



bal^cr, bafe ic^ cd nöc^ nid(t crl^alten ^obe. 3d) würbe 
nämlid) ücranlafet, faft bic ^älftc meines unglücffcligen Sut^eö 
iDieber umguarbeiten, unb bei ben fc^Ied)ten Bitten fonnie 
id^ feine SSorouSbega^Iung üerlangen. 3d) fclbft l)abt mir 
feitl^er nur fiimmerlic^ beljolfen mit einigen Keinen ©ümmc^en, 
welche ic^ für Derfd)iebene 3luffä^e unb ©ebid^tc eingenommen 
I)abe; benn mein Qixxöitx\\(ift^ ®elb mar fd)on x>ox SReuja^r 
gu @nbe. ^bt^ ift mir bie Summe oon 75 2ouiSbor ganj 
jtc^er; unb baS erfte ®elb, melc^eö ic^ baüon fc^neibe, fott 
ba^ 2)einige fein. Seiber mugte td^ nic^t, bag 2)u gum un< 
mittelbaren ©ebraud) in Sönc^ barauf gered^net ^aft, fonft 
f)attt iö) ©ir fdjon früher gefc^rieben. Übrigen^ mag meine 
einjigc ßntfc^ulbigung barin liegen, bafe id^ bie Summe, 
mittelft meldjer id^ begasten möQte, biiS je^t noc^ uic^t er* 
galten ^abe; id) l^abe feit gmei Si^l^ren nid)t etma anbered @eib 
eingenommen unb burd^gebrac^t, fonbem e§ ift immer noc^ 
ber nämlidie 5ßoften, auf meldten ic^ red^nen mu^. ®cr 
$el|ler liegt barin, bag id) meine Slrbeit fo lange liegen ließ, 
maö aber feine fünftlerifdjen ©rfmbe ^at. 



Bft. Jlit lihnavh ^ifthti in 9tfin* 

^eibclberg, ben 8. gebruar 1849. 

Sieber ©öfeefel. 3d) l^abe gmar bie ©dfjmeig unb 6u(^ 
ßinmol^ner nid^t oergeffen, bod) bin id^ feit meinem ^ierfein 
fold)erma6en in eine neue Sa^n gemorfen morben, bafe i(^ 
mid^ aud) je^t noc^ förmlid) jufammenraffen mu^, um enblid) 
nur einigermaßen meine 5PfIid)t gegen meine heimatlichen 
Sreunbe gu erfüllen; benn mer unermartet auf einem neuen, 



32. STn gbuarb ^Döferfcl, 8. gebr. 1849. 353 

aber noc^ nid)t ganj ftd)em unb beftimmten SBege manbelt, 
an bcffcn QiAt aber eine flarc l^citcre Sluöftd^t gu ^offcn ift: 
ber fd^aut nur l^oc^ft ungern 3urücf imb l^at faum Suft, 
feine frifd) angefnltpften gäben aud^ rüdfmärtö ju reidjen, 
feine neu empfangene ißarole au6) tfidfmärtö gu rufen, e^e 
er weife, wie jte bort aufgenommen werben, el^e er auc^ 
bie gange @ejd)id)te unb Sntoicflung gugleid) mitgeben lann. 

3c^ l^atte in Sönd) fo oiel al« oerfproci^en , l^ier üor« 
gfiglic^ @ejc^id)te gu treiben, unb nun bin id) faft oudfc^liefe« 
lic^ in bie ^i^ilofopl^ie l^ineingeroten. 

f^aft gufäQig befuc^te ic^ einmal ^enled Sorlefung über 
Äntl^ropologte; ber flare fd^öne Sortrag unb bie p^ilofo» 
pl^ifd^e 8luffaffung feffelten mid); id) ging nun in alle ©tunben 
unb gewann gum erftenmal ein beutlid)ed Silb bed pl^^ftjd^en 
9Äenfd)en, giemlic^ oon ber $ö^e beS je^igen miffenjc^aft« 
lid)en Stanbpunfteö. Sefonberd baS 9?eroenf9ftem bel^anbelte 
^enle fo geiftreid) unb tief unb anregenb, ba^ bie gemon» 
neuen 6infid^teu bie befte ©runblage ober Dielmel^r Einleitung 
gu bem p^ilofopl^ifd^en Sreiben abgeben. @in aufgemedfter 
junger ©ogent, Dr. Lettner, aud^ oorgüglid^er gitterar^iftorifer 
unb äft^etifer, lad über ©pinoga unb bie aud il^m l^eroor» 
gegangene neue ^^ilofopl^ie bid auf l^eute. (Snblid^ fam 
nod) Submig geuerbad^ nad) ^eibelberg unb lieft ^ier auf 
ergangene ßinlabung öffentlid^ über SReligionöp^ilofopIiie. 
33alb fam ic^ perfönlid^ mit fjeuerbad) gufammen, fein tüdf)» 
tige§ SBefen gog mic^ an unb mad^te mic^ unbefangener 
für feine Se^re, unb fo wirb e§ fommen, bafe ic^ in gemiffen 
Singen oeränbert gurürffel)ren werbe. 3d) ^abe feine Suft, 
je^t fd)on fcferiftlic^ eine 3lrt oon SRec^enfc^aft abgulegen. 
Siiur fo oiel: wenn eö nid^t ttjörid^t wäre, feinen geiftigen 

®i>ttfTieb SttUtv. 23 



354 |)eibelber9. 



@ntoic!IungSgang bereuen unb nid^t begreifen ju iDoQen, fo 
ttjürbe id) tief beflagen, bafe ic^ nid)t fcfton oor Sauren auf 
ein geregelteres ©enfen unb größere geiftige S^ätigfeit g^ 
ful^rt unb fo Dor üielem gebQn!enIofem (Stefd^mä^e benm^rt 
»orben bin. 

f^fir bie poetifc^e S^atigfeit aber glaube iä) neue Su^^ 
fiepten unb @runblagen geu)onnen gu l^aben, benn erft j[e^ 
fange xä) an, Siatur unb SWenfc^ fo red)t gu pacfen unb gu 
ffil^Ien, unb n^enn f^euerbad) meiter nichts getl^an ^ätte, atö 
ba^ er uns Don ber Unpoefte ber fpefulatioeu Sl^eologie unb 
$l(ilofopl^ie erlofte, fo wäre baS fd^on ungeheuer oiel. 
Übrigens bin \6) nod) mitten im ^rogeffe begriffen unb fange 
bereits an, oieleS für meine gnbiöibualitat fo auf meine 
SBeife gu ©erarbeiten. Äomifd^ ift eS, ba^ id^ furg oor 
meiner Slbreife aus ber ©d^meig no(^ über S^ierbad^ ben 
©tob gebrod^en l^atte, als ein obcrpäd^Iid^cr unb unwiffenber 
Sefer unb Sümmel; fo bin id^ rec^t auS einem ©auIuS ein 
ißauluS geworben*), gnbeffen fann id^ bod^ für bie ßwöinft 
nodf) nid^tS oerjdömören; eS bleibt mir no(^ gu oieleS burc^* 
guarbeiten übrig; aber idf) bin frol^, enblid^ eine beftimmte 
unb energifc^e pl^ilofop^ifd^e 9lnfd)auung gu ^aben. 

Siiebenbei treibe idf) no(^ £itteraturgefdf)id^tc unb arbeite 
an meinem unglüdfeligen 9ftomane, meldten id^, ba ic^ einen 



') 3n feiner Sefprec^ung Don Slmolb SRugeS gefam. @c^riften in 
ben „blättern für lii Unterl)altunö" 1848 ffh, 304 meinte @. Steüa, 
Shige merbc oor Staunen barüber, mie einer in menfc^Iic^en S)tn0cn 
ein coulanter unb liberaler 3Rann, ein reiner unb energifd^er Slepubli- 
faner fein, unb bo6) boneben nod) bicfe unb jene „©c^nitten" oon @ott 
unb Unftcrblic^feit im ^opfc I)aben fönne, fraft unb trioiol, „mie fein 
IJrcunb Jeuerbac^ in ben Epigrammen unb S)iftid)en im 3. ©onb 
feiner fdmtlic^en SBerfe". SBgl. aud; ansang (S. 451. 



32. Sin (Sbuarb 3)o6c!cI, 8. gebr. 1849. 355 

ganj anbcrn ©tanbpimft unb 8lbjc^Iu§ meinet biö^crigen 
2cbcn§ gewonnen l^obc, erft lüieber gu gttjci ©rittein um*' 
fc^melgen mufe. SBenn ber Sommer fd)ön wirb in bicfer 
fc^onen Sanbfd^aft, fo werbe ic^ ein ©d^aufpiel barin fd^reiben, 
baö mir burd) ben Äopf ge^t. SBa« näc^ften 3Binter au§ 
mir wirb, fann iä) nod) nid^t fagen, jebenfaQö ge^c id^ ntd^t 
nad^ bem Crient*); id^ l^abe me^r Suft in ©eutfc^lanb ju 
bleiben; benn, wenn bie ©eutjc^en immer nod) @fel pnb in 
il^rer ^olitif, fo befommen mir il^re litterarijd^en ©lemente 
um fo beffer. 

3c^ ^obc mel)rere ganj angenel^me a3efanntfdf)aftcn ge^ 
mad^t I)ier, worunter aud) Äünfller; einige pbfd)e unb ge» 
fd)eite ?!Käbdt(en ftel^en für ben na^enben fJrül^Hng gu poe« 
tifd)en äuöpgen in aui^fid^t. — SSegnüge ©id^ einftweilen 
mit biefen paar ungefc^Iad^ten Srodfen unb berichte mir bodö 
balb öon ©einer ©eite, benn ic^ i)Qbe einen wahren ^eife^ 
l^unger nad) ©riefen au5 ber ©djweij. 3c^ l^abe erft einen 
einjigen an meine 9Jlutter gefdf)idft unb jwei öon i^r er« 

») S)ö6cfel on Heller, 7. 5tpril 1849: „e§ leuchtete mir \tf)X ein, 

bai S)u Don ber Sbee einer [Reife in ben Orient, bie au^ faum bie 

Steinige roor, abgcl^ft . . . (5§ ift etmaS gang onbereS, roenn man nac^ 

longer 5lrbeit unb SimmergeföngniSl^aft »ieber einmal einen 3u0 auä 

ber freien SRotur nimmt, ©egenben burd^ftreift unb bie burftige ©cele 

bi§ 3ur S:runfenl)eit erquirft, alS roenn man obligatorifd^ al§ poetif(^er 

SJlufteneuter bie 2BeIt burd^reifen foH, um Don 2Cmte§ roegen öicl in 

fxä) auf3unef)men. @§ gibt ba ber unnü^en 2;age gar Diele; Seit unb 

Qkib qtf)i barob öerloren. S)er S)i(^ter bebarf me^r ber Xiefe al§ 

ber S5reite; e§ n)ol)nt in i^m eine eigene &aht, in bem 5lleinen ba^ 

©rofee gu erfc^auen. ©dritter mar nie am üJleere, nie an einem grofeen 

SBafferfaHe unb l^at bod^ ba^ Sieben, Sifc^en unb SBraufen be§ 

aSBafferaufru^rS mit ergreifenber 2öal^rf)eit gcf(f)ilbert; er mar nie in 

ber ©d^roeij, unb in feinem „ZtU" fpiegelt f!c^ boc^ ba^ Öeben unb 

Soeben ber ©ebirgämelt be/\aubernb ah." 

23* 



356 ^eibelberg. 



i^altcn; fonjt ift fein ©tcrben^roörtdjen gipifc^cn mir unb bm 
ÖQtcrIanbc gewcdjfclt werben. Sd^ bin jum großen ärger 
ber ®eutj(^en oft bei meinen jungen 2anböleuten, ben 
©c^meigerftubenten; benn unfer 9ktionQliSmud ift aQen, ben 
Tcaftionären mie ben rabÜQlen, ein ©om im Süige. 3<^ 
werbe aber biefe fogenannte Somiertl^eit mol^I leben§längli(^ 
bel^Qlten; l^ier ftel^e id) auf eignen feften %n^m unb fann 
mir bie S^eorie felbft machen. 

3d) erinnere mid) oft mit großem Sergnügcn an ben 
9(ufent^alt in 2)einer reigenben Sßo^nung. @ruge bod^ 
^öflic^jt oon mir ®eine merte grau unb füffe ©eine Äinber. 
©ru^c mir aud) unfere JBefamtten in 8larau, ben Sanner, 
SoUeQ X. unb üergig mir ben Süod^l^olg md)t, meld)en ic^ 
grober SBeife nid^t aufgefud)t l^abe, ate id) burc^rcifte*). 
Unb fo lebe gefunb unb mo^l b\Q auf weiteres ! 

©ein ©ottfr. Äeller. 

') ^axl Slubolf Sanner, $Präflbcnt be§ Slargauifd^en Obcrgcrid^t«, 
ber treffliche ©ic^tcr, fur3 nac^i)er ont 8. Suli 1849 geftorbcn. & ift 
mir ungroeifell^aft, ba^ eine 33efprec^ung Don Scanners „^cimatlid^n 
S3ilbern unb öiebem" (1846) in ber „S^leuen 3ür(^)er Stg." oon 1846 
9h. 250 Don i^eHer t)erröl^rt: ,,ein ftilleg roeic^eS ©emüt finbet ^ier 
ein n)al)r^afte§ SBIumengärtlein jum Suftroanbeln ober Stufen mit 
f(f)önfter SluSfid^t in Slbenb- unb ÜWorgenrot . . . S)ie (Sprache ift ge« 
biegen, tt)ol)Itönenb, feft unb bod) roieber fo gort unb leidet, ba^ alle 
bie S3erfe unb furzen lieber roie filbeme Sai^roellen beut innem D^r 
öorüberraufc^en." — ^Pompejuä SBoUe^ (1812—1870), ^^emifer, bamal§ 
Sel)rer an ber Äanton5fcI)ule in SJarau, fpäter S)ireftor beö eibgcnöjfi' 
fd)en ?ßolQte(i)ni!um§ in äüxi^, greunb i^eßerS. — 6mft Subroig 
fRoö^ljoli auö 2In§bac^ (1809-1892), jeit 1836 M)xtx ber beutfc^ 
©prarf)e unb öitteratur in Slarau, ber ©ermanift; auc^ bic^terifc^ be- 
ßabt. 



33. «n aßßil^clm «Baumgartncr, 28. San. 1849. 357 

i&etbclbcrö, bcn 28. Sanuor 1849. 

Sicbcr Saum! 3^ ^offe, bafe S)u bato ein grfinenbcr 
SBaunt feieft, riner, bcr jtd) gcwofc^en ^at (woran nid^t gu 
gwcifcln, wcnigftcnö inncrlid))! 

©icjcr Srief »irb leibcr bicömal ntc^t grofe »erben, 
benn berjenige, welchen id) an 3fhiff') gcrid(tet unb ben id( 
gufällig guerft angefangen, l^at ftc^ fo bicf angefüllt mit 
allerlei bummem QmQ, bag id^ gang erfc^öpft bin, benn 
@efci^eited meig id) md)t Diel. 3Barum ic^ nic^t frfil^er ge« 
f daneben, frage bie ©terne! id) meife eS nid)t. ©enfen t^ue 
ic^ oft an eud) alle, bei jebem feierlichen Slnlag, bei iebem 
guten ®Iaö SBein, weld^e« id) Demiiffe, unb baS gejdjiel^t 
oft genug. 

S)aö ^Jlerhoflrbigfte, waö mir I)ier pafjtert ift, befielt 
barin, bafe id^ nun mit geuerbac^, ben id) einfältiger Sümmel 
in einer Süegenpon öon 8flugeS S2Ber!en auc^ ein wenig an* 
gegriffen l^atte, über meldten id) grober SBeif e Dor nid^t langer 
Seit aud) mit ©ir ^änbel anfing, bafe id^ mit blefem 
gleid^en f^euerbad) faft aQe Slbenbe gufammen bin, 99ier 
trinfe unb auf feine SBorte laufd^e. @r ift oon i^ieftgen 
@tubenten unb S)emofraten angegangen morben , biefen 
SEBinter l^ier gu lefen; er fam unb l^at etwa l^unbert einge* 
fdf)riebene ßu^örer. Obgleid^ er eigentlidt) nid^t gum ©o» 
genten gefc^affen ift unb einen müf)feligen fd^led^ten SSortrag 
^at, fo ift ed bod^ l^öd^ft intereffant, biefe gegentoartig 

") S)lefe S3riefe bcfljt ^err (5. SEBibmer, gcro. S)ire!tor ber SRcntcn- 
anftalt in Qüxxä), SaumgartnerS f&ioqxapf). 
>) (S. 0. @. 264. 



358 ^eibelberg. 



tt)citau3 wic^tigfte ^iftorifd)C 5ßcrfön in ber ^l^ilofopl^ic fclbfl 
feine 3fieIigionöp^ilofop^te Dortragen ju l^ören. 3c^ befuc^c 
anä) ein anbereS StoütQ fiber @pinojQ unb fein SSer^ältni^ 
ju unferer Qtxt (gugleid^ neue ^Jl^ilofopi^iegcfditc^tc) Don 
Dr. Lettner, rocld^eö fe^r flar, einbringlid) unb geft^eit 
gelefcn loirb unb mid) trefflid) Dorbcreitct ^at gu fjeuerba(^ 
felber. SBie cö mir bei le^terem ge^en wirb, wage ic^ noc^ 
nid)t beftimmt oujJjufpred^en ober gu Dermuten. 9?ur fo oiel 
fielet feft: iö) merbe tabula rasa mad^en (ober eS ift Did^ 
mel^r fd^on gefdjel^en) mit aßen meinen bisherigen religiöfen 
SSorfteHungen, biö ic^ auf bem geuerbac^ifd^en SliDeau bin. 
©ie 5EBeIt ift eine Slepublif, fagt er, unb erträgt »eber einen 
abjoluten, noc^ einen fonftitutioneHen ®ott (Slationaliften). 

3d^ fann einftweilen biefem 3[ufrul^r nid^t »iberfte^en. 
SJlein ©Ott war längft nur eine ärt Don ^räftbent ober 
erftem ^onful, welcher nidf)t Diel Slnje^en genofe; id^ mufetc 
i^n abfegen, allein ic^ fann nid^t fc^mören, ba^ meine 
SBelt fid^ nic^t wieber an einem fd)önen 3Jlorgcn ein 9iei(^^ 
Oberhaupt mä^Ie. 2)ie Unfterblic^feit gel^t in ben ^auf. 
©0 fc^ön unb empfinbungSreic^ ber ©ebanfe ift — fe^re bic 
^anb auf bie redete SEBeife um, unb baö ©egenteil ift ebenjo 
ergreifenb unb tief. SßJenigftenS für mid^ waren eS fe^r 
feierlid^e unb nad[)benflid)e @tunben, als id) anfing, mid^ an 
ben @ebanfen beS wa{)r]^aften SobeS gu gewönnen. 34 
fann ®ic^ Derpc^em, bafe man ftc^ gufammennimmt unb 
nid^t eben ein jc^Ied)terer ?Wenfc^ wirb. 

®ieS aQeS, lieber Saumgartner, ^at jtc^ in ber SBirf* 
lic^feit nid)t fo leidet gemad)t, alö cS l^ier ausfielt. 3(^ 
liefe mir @d)ritt für Schritt baS Serrain abgewinnen. ^ 
übte im 3lnfange fogar eine Äritif aud über geuerbac^^ 



33. 2ln Sßßil^clm «Baumgartncr, 28. San. 1849. 359 

aSorlcfungen. Dbglcid^ id) bcn @d)arffinn feiner ©cbanfen 
jugab, füljrte id) boä) ftelS eine ^araQelrei^e eigener @e* 
ban!en mit, id) glaubte im anfange nur fleine Stifte unb 
gebem anberiS brucfen gu fönnen, um feine gange OTafdjine 
für mid^ felber gu gebrauchen. ®a§ ^örte aber mit ber 
fünften ober fed)ften ©tunbe aUmdl^Ug auf, unb enblid^ fing 
iä) an, felbft für il^n gu arbeiten, ©inmürfe, bie id) ^egte, 
»urben rid^tig Don il^m felbft auf« Sapet gebracht unb oft 
auf eine SBeife befeitigt, mie ic^ eö DorauSal)nenb fd^on 
felbft l^alb unb l^alb getl)an l^atte. Sd^ I)abe aber aud^ 
nod^ feinen 9Jlenfd^en gefe^en, ber fo frei oon allem 6d)ul* 
ftaub, oon aßem ©d^riftbünfel märe, mie biefer %mtxha6). 
@r l^at nidf)t§ al§ bie 9?atur unb mieber bie Slatur; er er* 
greift fte mit aüm feinen gibem in il^rer gangen Siefe unb 
läfet ftd^ meber t)on ®ott nod^ Steufel m& il^r ^crauöreifeen. 

gür mid^ ift bie Hauptfrage bie: mirb bie SEBelt, mirb 
baö Scben profaifc^er unb gemeiner nad) geuerbac^? SiS 
je^t mufe id) beS JBeftimmteften antworten: nein! im ®egen* 
teil, e§ mirb alleS flarer, ftrenger, aber audö glül^enber unb 
ftnnlid)er. — ©aß SEBeitere mufe ic^ ber 3«funft überlaffen, 
benn ic^ merbe nie ein fjanatifer fein unb bie gel^eimniS^^ 
ooßc fc^öne 2BeIt gu altem 9Äöglid)en fä^ig Italien, menn 
eS mir irgenb plaufibel mirb. 

Dbiger Dr. Jpettner ift ein junger ^rioatbogent, meldf)er 
in Stölien mar unb ein oortrepd^eö Sud^ gum SSerftänbniS 
ber antifen Äunft gefdjrieben ^at. 6r lieft, aufeer Spinoga, 
aud^ Sitteraturgefd^id^te, fe^r gut, Sftl^etif. 6r ift, fo gu 
fagen, eine ooIHommene JBIüte unferer mobemen ®eifte§fultur; 
bie 5ßl^ilofopl^ie, Sitteratur unb Äunft, lefetere gmei befonberö, 
finb ber ausgebreitete ©oben feiner 9ial^rung. 3c^ münfd^te, 



860 ^bdberg. 

bag biefer junge rfi^rige ÜRann unferer eibgenöfltfc^eii 
@(i)ule in spe emorben iDerben !onnte; beim l^off entließ 
wirb boäi ttxoai fflr bicfc 3nt^^ffoi Qu^ gcfd^c^enO- 8n 
ben ie^tgen jd)tt)eigerijd)en Uniüerfttaten ftnb in biefen ^aä)exn 
abgelebte unb überlebte impotente Äräfte ober Unfrdfte oor» 
l^anben. ^dj gel^e oft gu Lettner unb befinbe mic^ fel^r gut 
babei. 

Sei $enle l^öre id) Anthropologie; fein SSortrag, ber 
Sorm tt)ie bem Stoff nad^, ift auögegeid^net , ein wahrer 
^nftgenug, arbeitet äbrigend bem f^euerbac^ bebeuienb in 
bie ^önbe. 9Bie fd^abe ift ed, bag ^enle ein eigentlich 
leibenfd^aftlic^er 3)Ionarc^ift ift. @eroinud unb bie anbem 
biejed Jheijed bebaure id^ nid^t, benn ed ftnb grobe unbil« 
tioierte Sümmel; aber biefer feine ^enle t^ut meiner Seele 
mel^. 6r mar mit ^^uerbadf) befreunbet unb teilt auc^ feine 
Snftd^ten unb @runbfä^e. 9UjS $euerbad^ l^ie^er Tarn, na^m 
er baS größte Sntereffe baran unb fprac^ immer mit Sc^tung 
unb Siebe oon il^m. Sobalb er aber ^örte, ba^ greuerbadi) bei 
einem Siepublifaner moi^ne unb felbft ein folc^er fei, gab er 
il^n auf unb — mad^te i^m nid)t einmal einen ©egcnbefuc^! 
®a§ pnb bie freien jonnigen ^ö^en ber SBiffenfd^aft. — 

9lud ber @ef(^ic^te, bie id) l^auptfäc^lid^ l^ier betreiben 
moQte, ift nun foüiel aliS nid)t§ gemorben. 2>ad einjige, 
xoa^ idj braud)en lonnte, mar beutfd)e @ef(^id^te oon 
^Suffer; alö er aber in bie babifd)e Äammer gewählt mürbe, 
oerlegte er feine Stunben auf ben SBormittag, unb an biefem 



*) 2)ad eibgenöffifc^e ^ol^tec^ntlum in 3üri4 mürbe erft 18^ 
eröffnet. Seöor bie Berufung ^cttnerä ^ief)er perfeft getDorben mar, 
traf i^n bicjenigc na6) 2)rc§ben. 5lbolf ©tcm, ^ermann ^cttner 
(S. 162 f. 



38. «n mil)elm ^Saumgartncr, 28. San. 1849. 361 

befuge ic^ feine Äoüegien. ©d^Ioffer lieft bie neuere ®e* 
jc^id)tc feit 1814, tt)a§ mir md)tS nfi^t; id^ l^ojpitiere übri« 
gend oft bei il^m. ^ä) tDtxbt im @ommer bie ®efd)i(^te 
mel^r berücffic^tigen. 

3ln meine SReife benfe id) menig mel^r. ©er furje 
älufentl^alt in l^ier ^at mir fo gut belommen, ic^ ^abe fo nä^* 
lid^e S3efanntfcI)Qften gemad)t, ba^ \6i faft t)oi:}ie]^e, noc^ ein 
Sal^r ober gmei in ©eutfd)lanb i^entmjuftreid^en. ©ieS wirb 
mir fo oiel nfl^en, bafe jtd) eine größere Sieife bann nad^i^er 
immer noc^ oon felbft geben fann. SBäre id^ gleid) oor 
brei ober oier 3^^^^^" » ^I^ i^ ^ic c^tc" ©ebic^te brudfen 
lieg, l^inauSgelommen , fo märe id^ j|e^t mal^rfd^einlic^ 
innerlidf) mie oufeerlidö ein anberer SDflenjd^; benn für einen 
$oeten ift bie ©d^meig ein ^olgboben. 

auf Dfteni mirb enblid^ mein 8floman l^erauSfommen. 
5Räd)ften Sommer miH id) eö mit bem ®rama Derfud^en; 
Dieüeid^t l^ört 3'^r Sül)nengefdöidf)ten oon mir. 3d| l^abe 
einen ^lan fo gicmlid^ im ^opfe gured^t gelegt, fage aber 
nod^ nid)t, maö*). 3cneö epifc^e ®ebic^t oon ben gmei 
jungen Seutd^en unb ben Sauern, meldte pflfigen, l^abe ic^ 
aud^ angefangen^), fomie auc^ au§ l^ieftger Sanbfd^aft fd^on 
ein paar Iqrifdje @ebidf)td^cn entfprungen jtnb. 

äft^etifd^e 9lotij. 3^ mol^nte jfingft einer Operation 
in l^iepgem Spital bei. ßinem alten SKanne, welcher ben 
arm gebrod^en ^atte, mußten ein paar ©tücfe auö bem 
ßüebogen gefägt werben, ©er 9Kann mürbe, ic^ meife nld)t 
au§ meld^em ©runbe, nid^t narfotijtert, fo bafe er bem ganjen 



') @. 0. @. 297. (gS ift ber (Singang ju „Sflomco unb Sulic ouf 
bem S^orfc". 



362 ^cibdbcrg. 



©d^mcrjc au^gcfe^t war. 6r fing ganj aÜinäl^Hg, wie man 
il)n in bic ^r na^m, an ju flagen unb ftö^ncn, unb i(^ 
erwartete ein unartifulierteö wilbei^ ©ejd^rei. SKtrin, aB 
bic 'äJIcffer bei ©eite gelegt unb bie ©äge ergriffen würbe 
unb ber ©c^merj immer ^öl^er ftieg bis inö anfd^einenb 
Unaudl^altbare, ba würbe ber SRann freilid^ immer lauter, 
aber er manbte pd) an feinen @ott unb gab feine ^cin in 
wol^IauiSgefprod^enen äSorten unb Anrufungen funb, müäit 
immer f^öner, ausgeprägter unb ergreifenber würben, je 
tiefer bie Säge brang ; er würbe jule^t eigentlich berebt unb 
erging ftd^ in ben auffaHenbften äufeerungen, weld^e, fo wie 
ber @d)mer3 abnahm, in wei^mütige Betrachtungen fiber^ 
gingen, bis jule^t alles Derbunben war unb er wieber ftiQ 
würbe. S)er ^ann fo^ eben ni(f)t intelligent auS, unb ic^ 
mö^te faft bel)aupten, bafe er nod) nie in feinem geben fo 
gut unb auSbrudESDoQ ober aud^ nur fo Aar bewußt ge- 
fpro^en ^abe. ^6) weiß nid^t, ob ftd^ alle Unglücflic^e, 
weld^e ^ö^ftem p^^pfc^em @d)mcr3e unterworfen werben, 
fo benel^men: aber ^ier wenigftenS l^abc iö) gefunben, bag 
ber l^öc^fte ©d^merj jugleic^ ftd) in ber fc^önften gorm 
äußern fann, xoa& jwar eine alte ®efd^id)te ift, ober für ben 
^auSgebraud) burc^ eigene Anfd^auung Dortrefflic^ aufgefrifc^t 
wirb, gür ©eine mupfalifdjen Sntercffcn l^abe id) bcmcrft, 
bag ber Sfl^qt^muS in ben @d^merjäugerungen biefeS ^anne^ 
ein burd^auS gcmeffener, faft langfamer unb graöitätifc^er 
war, aber äufeerft fcft unb naci)brücflic^. 

Äennft ®u ben SUorell, wclci)cr SurrerS ©efretor ge» 
worben ift*)? S^ ^^nne ijkx mel)rcre greunbc üon i^m, 

») tarl 9RoreI öon SSß^I, Danton @t. ©aßen, ber Äultur^iftoriftr 
unb talcntüoUe S)icl)ter (1823—1866). 3KorcI§ öffentliche (Srfläning über 



33. 2(n Sßü^clm ^umgartncr, 21. gebr. 1849. 363 

tocidic Diel ®utcS üon i^m fprcc^en, mir and) fcl^r gute 

®cbi(^tc Don il^m jeigtcn. ©ie ©^wcijerftubcnten aber Der* 

lounbcm pc^ allgcmrin über gurrcrS SBal^l, inbcm 3J?oreQ 

gar feine Juriftifd^cn unb ftaatöred)tlici)cn Sorlefungcn be* 

]nä)tf fonbem nur ScHctriftif unb allgemeine 6cl)n)ärmerei 

unb Summicrei getrieben ^atte , er fei gar fein ©efcftäftS« 

nienf^ u. f. f. SBaS ift xo6f)l baran? ©rüfee alle ©efannten 

Don mir, befonberS ©ulger, toeld^em id^ ald ginangrat gra« 

tuliere*), bann Souid 'üKe^er, ben Änieper'), wenn jemanb 

nad^ 33em fd^reibt. furj bie ganjc ^olbe Kompanie. S^reibt 

mir balb ein $afet ^Briefe jufammen unb lagt mi^ ed nid^t 

entgelten, benn e§ fäHt @u^ leichter, jeber feinen einzelnen 

©rief ju fc^reiben, ald mir fo Diele. 

S)cn 21. gcbruar. 

9lod) immer liegen bie unglüdflic^en ©riefe in meiner 

Jifd^trudEe, fommen aber hoffentlich l^eut ober morgen enb« 

lid^ auf bie $oft. S)a^er nod^ einen pd^tigen @rug. ^egi 

l^at mir gefd^rieben, bafe er nadb Slmerifa ge^e. 9lun erwarte 

id^ täglid) bie 3laci)ri^t, bap ®u nad) Slfrifa unb ein britter 

gar na^ Suftralien woQe, fo mug id) am @nbe bod^ nad^ 

Elften gießen, bamit wir rec^t auSeinanber fal^ren ! 2)a f daläge 

bod^ ber Jeufel in bie 3BeU! 3^ werbe faft mit jebem 

Sage europaluftiger, ba id^ nun erft red)t an bie JReDolution 

feine fBaf^l gum promforifd^en @efretör beS eibg. politifd^en 2)epaTte- 
mcntS (gunerö) fielet in 9lr. 40 bcr „^. 3ürcl)cr Stg." 1849. 

>) Dr. 3. 3. ©uljcr auö 2Btntcrtl)ur, geb. 1821, ©taatSfcl^rcibcr, 
bann dlegierungSrat, %tdnberat unb ©tabtprdfibent in SBintertl)ur 
(f. 0. @. 262). 

2) 3ol)ann öubroig ÜRe^cr öon SBciningcn (1818—1867), 3Ratl)C. 
mattflct)rcr unb ^orcftor ber 3nbuftrlef(i^ule, nit^t mit bem @. 37 ff. 
genannten Öeutpriefter unb ^roreftor ju öerroed^feln. S)er ^nieper ift 
ein 3urift unb 3ournaIift ^onegger. 



364 ^etbelberg. 



glaube, je {(i^Iect)ter ed x\)x ge^t. Slber ein SRenfc^, ber nü^t 
an bic Steilheit glaubt, wie unfer ^egi, ber mufe fralid) 
audwanbem; benn bad, an load er glaubt, tDiQ ftc^ no(^ 
Diel weniger jeigen unb @eftalt annel^men, unb fo bleibt 
il^m nid^t^ übrig, ald nad^ Snegcifo gu ge^en unb bort ben 
alten SSi^lipu^It gu. reftaurieren^. Übrigem^ l^abe id^ unfent 
armen Sreunb in 93erbad)t, einen ganj fleinen 3BeibenIor6 
mit über ba& äBeltmeer gu tragen, worüber ic^ aber nichts 
weitere^ jagen fann unb bal^er gu fd^weigen bitte, wenn !!)u 
nic^t etwa mel^r weigt als ic^. 

©ie ^rofefforen pnb bo^ ein wunberlid^eö aSolf. ^enb 
wirb nun oon ^ier fortgeben, weil i^m ber geheime ^ofrot 
Siiebemann auf ber Anatomie in einem SBortwec^fel gefagt 
^at, er fei ein unoerfd)ämter Subcnbub*)! ^ofrat ^enle 
felbft ^at, nad^bem er oor wenigen SBod^en gu mir unb am 
beren gefagt ^atte. er teile bur^auö 5^uerbact)ö ©runbfa^e, 
nur nid^t fein ?luftretcn: biefer gleid^c ^enle ^at le^ter Sage 
in feiner Slnt^ropologie ben lieben ®ott wieber^ergeftellt, 
weil er oermutlid) nic^t in ben 93erbad)t !ommen will, mit 
bem ©emofraten geuerbad^ irgenb etwa« ©emeinfameS gu 
l^abcn. ©iefer le^tere wirb mir tdglic^ lieber, oieHeic^t aud) 
ein wenig barum, weil er ein ®laS SRoten nid^t Derad^ten 
t^ut. 

9Jleine SReife wirb mir immer problematifc^er; id^ glaube 
faft, eS wäre beffer, wenn idi) nod^ ein S^^r in ©cutfc^lanb 
bliebe unb etwaö lernte, ba ic^ boc^ einmal im 3u0e bin. 
etwa nac^ Stalien fann id^ fpäter immer nod^ aM eignen 
^Mitteln gelten. SBenn id) in Qvlxxö) nur irgenb eine ©tcKe 



«Ql. übrigens u. ©. 376. 

*) 250l. 9RcrfcI, Safob ^enlc @. 253. 



33. Sin SBil^lm «oumgartner, 10. Wa^ 1849. 365 

bcficiben lann, woDon gu leben ift, fo fann man immer ein 

©tücf Honorar u. bgl. gu einer SReife Derroenben. ÜKit 

meinem ©tipenbium bin id^, ma§ bicfen SBinter betrifft, 

orbentli^ auSgefommen, tt)ei( id^ nid^tiS mitoemad)t unb aud) 

nid^tö angefd^afft l^abe. ^m Sommer l^ingegen wirb eS ein 

wenig fnapp gugel^en, wenn id^ bie fd)öne ®egenb ein 

menig mitgeniefeen, einige S3üd)er laufen unb orbentlid^ 

mieber ^eimfommen will, (gö finb auc^ einige angenel^me 

9Käb^en in meinen Sereid^ gefommen, »aS anmutöoHe 

©pagiergdnge in 3lu^pc^t fteHt, wenn ba§ „3^rul)ial^r himmt". 

3d^ würbe meine SSriefe uielleidit je^t noc^ nid)t ab* 

ftogen, wenn id^ eS länger ol^ne !Rad)rid^t aushalten fönnte. 

3d^ befc^wöre @ud^ ba^er, mir gleid) gu fc^reiben, wogegen 

ic^ mid^ an^eifd)ig mad)c, balb wieber gu fd^reiben, fobalb 

bie Serien ba ftnb. 

S)en 10. gWärg. 

Unglücffeligeö ©djifflein biefer »riefe! e« wiU nic^t 
Dom ganbe fto§en. ^m ©pätl^erbft planiert, gu 9leuia^r an= 
gefangen unb im Srü^Iing- fertig, wenn'§ nun nod) ©ommer 
wirb, bi§ er in ßüncft anfommt, bann fann biefer SBrief 
fagen, er fei burd) alle 3al^reögeiten gewadjfen, bi§ er, wie 
eine reife Snid^t, enblid) oom Saume fiel. $ier ^aben wir 
fd^on bie l^errlid)jten grü^lingiStage gehabt; l)eute 9lad^t ift 
gwar ein @d)nee gefallen, aber bie Sonne brennt i^m biefen 
Slugenblicf, ba id) biefer fd^reibe, tüd^tig auf ben $clg. @§ 
gäl^rt wieber giemlid^ unter bem SSolfe l^ier gu Sanbe. 3td) 
wfinfc^e aber faum, bafe näc^ftenö etwa« losgeht, wenigftenS 
möc^f id^ nid^t in ^eibelberg fein wä^renb einer SReoolution; 
benn ein ro^ereS unb fc^led^tereö Proletariat l^abe ic^ nod^ 
nirgenb^ gcfel)en, alö l)ier. 9Wan ift nad^tö feinet Sebenö 



366 ^eibelberg. 



nid^t pd)cr, wenn man allein über bie Strafe (jc^t; bicun» 
öerfd)ämteften Settier treffen einen faft auf. unb bobei 
brummen biefe unglficffeliflen ©efd^opfe fortwä^renb iwii 
3fiepublif unb ^cdfer. Sie fogenannten ^gü^rer^ fmb aber 
auc^ bamad), nämli^ bie SRebafteure ber 5BinfeU unb 2o= 
falblätter k. borniertere unb brutalere Äerle ftnb mir 
nod^ nid)t Dorgefommen , als bie beutfc^en Siepubltfaner 
gmeiten unb britten SRangeö; aUe böfen £eibcnfd)aften: 9?eib, 
fRa6i\ni)t, SBlutgierbe, Sügen^aftigfeit nähren unb pßegen 
fte forgfaltig im nieberen 93olfe. @ie ^aben aud) t^re guten 
fjreunbe in ber ©d^weij. ^eute laö xd) in einem l^ieftgen 
Slatte, ber „SRepublif", eine Äorrefponbenj auö Sem, worin 
ber fämtlid)e iefeige Sunbeörat SBolföoerrdter, fjurrer, Od^fen^ 
bein 2C. Suben unb ©d^ufte genannt werben, ber italienift^^en 
unb beutfd^en ?5lüd)tlinge wegen. 

9iun gel^t eS enblid) mit SBlaijt an meinen SRoman: 
Don Anfang biö jum 6nbe wirb er umgefd)rieben, unb über 
bie Serien foQ er fertig werben. 6§ ge^t mir aber auc^ an 
ben Äragen; benn ic^ f)aht nur.nod^ 200 fronten üon ber 
[Regierung ju begießen, um weld^e id^ je^t f c^reibe ; wenn fic 
mir biefelben nur fd^nell fd)idEen! SKein Honorar für baö 
Sud) befomme id) erft, wenn ba5 @ange abgefd^icft ift. 

@in ©tubent reift ^eim, weld^em id) bie Sriefe mit* 
gebe; pe wären oielleid^t fonft noc^ einige SBodjen liegen ge- 
blieben. ©ie§ S3latt ^abe id^ nur nod^ befubelt, um jum 
legten 3Jlal gu grüben. 3c^ glaube, ic^ l^abe üieleö jwdmal 
geid)rieben; id^ bitte um entfd^ulbigung, bie grofeen 3nter* 
oallen ftnb fc^ulb baran. Antwort! Antwort! Antwort! 
©onft l^or Qua) ber Seufel, welchen id^ ju biefem ©nbe l^in 
einfeitig nod^ eine 2BeiIe ejriftieren laffe! 



33. 5rn mmm «outngartncr, 10. «Warj 1849. 367 

SBaö ift bcnn ba^ für ein 5poct SUuIler, n)cld)cr jtd) 
in 3örid) auf0ctl)Qn i)at unb öon bcm bie „3örcl)cr S^itnnQ" 
ein ^räambulum mad)te? @§ ^iefe barin, berfelbe fei in 
©eutfd^Ianb berül^mt; aber id) l^abc nod) fein Sterbend* 
tt)örtd)en baoon gefiört, e§ müfete benu SßJolfgang SWüHer 
fein, weld^er aber meineö SBiffenS fein ©tubent ift. 

Sllejranber ^JJüIIer*) laffe id) ebenfalls beften§ grüben. 

Se^alte fibrigenö ben p^ilofopl^ifd^en Seil biefeö S3riefe§ 

ein wenig bei einanber, bamit nid^t jeber 6fel in 3firid) ben 

©enf baju gibt, el^' nur baö gleifd) auf bem a;ifd)e fielet! 

SBie ^ait pd) benn bie „eibgenofpfci^c ßeitung"? 3ft ber 

©p^ri immer nod^ ein Problem, ober fängt er an, auf eine 

Seite überjuf^nappen? ©ein 5ßatron Sluntfd^Ii wirb in 

Saiem wol^l bie gleid^e Stoße fpielen, wie Dr. Äeßer in 

SBcrIin. @S ift wunberfam: ®eutfd)Ianb fd)icft ber ©diweig 

©emagogen unb Äommuniften, unb bie ©djweij fenbet bafur 

reaftionäre ©taatSmänner nad^ ®eutfd)Ianb. ©in liebreid^cr 

wol^lried^cnber ^anbel! ©en alten Dreßi') l^abe id^ fel^r be* 

bauert; waS mad^t feine Sod^ter? Slbieu. 

®. ifeHer. 

©rüfee bod^ Dr. ©uter unb SBalber^) üielmal oon mir, 
ic^ fann i^nen jefet unmöglid) fc^reiben. SEBaö mad)en fte? 
SCBaS treibft ©u felbft? 3ft ^twaS ju ftanbe gefommen öon 
©einen Äompoptionen? 



») Slleyanber ÜRüflcr auS Erfurt, geb. 1808, gcfd^ä^tcr ÜRufif« 
lel)rer unb S)trigent in Sürit^, 8ef)rcr S3aunigartner§, greunb $Ricl)arb 
SBagnerS. @. o. @. 262. (5r ftorb 1863. 

^ 3of|. Caspar DrcDi, ber flafjtfcl^e ^Ijilolog, furj öorf)er, am 
6. Sanuar 1849 geftorben. 

») S)er 1891 üerftorbene 9Regicrung§rat ^buarb ©uter öon^fäffifon 
unb ber nod) lebenbe a. SRegierungSrat Äarl Söalber. 



368 ^belberg. 



34. Hn hit Pttttfr. 

^eibclberg, bcn 16. SWära 1849. 

Siebe ?!JJutter! ©einen S3rief l^abe ic^ burc^ ben 6i^ufter- 
gefeUen ridjtig erhalten. 6§ nimmt mic^ wirtlid) wunber, 
bafe ®u mir feit^er feinen ©turmbrief mel^r gefdjicft ^afl, 
ba mein ©tiUfd^weigen aud) gar gu lang baucrt. 3cö ^ttc 
nämlid) fdt)on lange etuja peben Sriefc an üerfc^iebene 9^ 
fannte in Süric^ angefangen; xotil id) nod^ an gar niemanben 
gefdjrieben l^abe, feit id^ l^icr bin, fo mürben bie SSriefe feljr 
grog unb blieben lange unDoQenbet liegen, unb meil ic^ olle 
in einem ©infc^Uife an ©id) jum SSerfdjicfeu fenben moKte, 
fo blieb ber ©rief an 6ud^ aud) aufgefd^oben. fiepten ^Kon- 
tag fanb ic^ ©elegen^eit, eine Portion burd) einen ©tnbenten 
abjufenben. Snliegenb folgen nod) jmei Sriefe, w)eld)e ic^ 
in ben Sriefeinmurf ju tf)un bitte; bod^ märe ed fc^icflic^er, 
menn fte l^ingetragen würben. $rofeffor fiöroig ^ mol^nt bei 
ber Äantonöfc^ule im @tablinfd)en S"ft**"t- 

allein @elb l^aht \6) noc^ gar nid^t be!ommen. fonfl 
^ätte i^ fd)on lange gefd^ictt. ®od) bin id) bieSmal felbft 
fd)ulb, inbem id^ l^ier, burd) anbere ©runbfä^e unb Slnftc^ten 
öeranlafet, mein Sud) nod) einmal gänglic^ umi^uarbeiten am 
fing; unb ba id) baneben nod^ ftubieren mu^, fo ging e« 
nid)t fo fd^nell t»on ftatten, unb oom 33ud)^änbler fann itft 
auc^ nid)t »erlangen, bafe er mir ba^ @elb fd)icft, e^' baö 
aSud^ fertig ift. @o lann e§ oielleid^t noc^ Oftem merben, 
bod) ift bie Sad^e ganj ftd)er. — — 

$ier l^abe id) inbeffen ganj fnapp an& ein paar fleincn 
^öftlein gelebt, meld)e id) üon üerfd)iebenen Suc^^änblem 

») @. 0. 6. 319. 



34. 2ln bic ÜJhitter, 16. Tlh^ 1849. 369 

eingetrieben f)aU; aud) rourbe einiges ®elb entlehnt. S^- 
boc^ l^obe idö, wa« ©d)ulben betrifft, feinen Äreuger me^r 
t)erbTaud)t, als maS i^ ganj bequem beja^Ien fann. @egen» 
wärtig bin id^ fe^r auf bem ^unb unb neunte au^ ein 
anbereS Sin^n^^^f i^ß ^'^^ Seute, roo id^ bin, jel^r unorbent* 

lic^eS Sßolf ftnb. 3d) mufe aber ben 3in^ begasten 

unb fd^reibe barum bem 9iegierungSrat ©uljer, bafe er mir 
bie übrigen 200 fronten fc^icfen möd^te. 

3d^ ^abc ^ier fc^on f5euer= unb aSaffemot gel^abt. ©n« 
mal, als i^ lang in bie 9lad)t aufblieb, geriet mein @ofa, 
tt)al^rfd)cinlid^ burd) bie pfeife, in SBranb, waS id^ erft merfte, 
als id) fd^on gmei ©tunben gefd^lafen ^atte, unb ber 9iaud^ mid^ 
tt)edfte. 3^ fal^ 6ine grofee ®lut unb glaubte im Sc^redfen, 
ber ganje 33oben brenne, ^d) erftidfte beinal^e unb fonntc 
beS SÜauc^eS megen bie 5£l)flre uid^t flnben. @o eilte id) 
gum Senftcr unb warf baSfelbe, um Särm gu ma^en, auf 
bie ©trafee, f d^rie : feuerjo ! unb f c^mife aud^ nod) ben Solou« 
fielaben l^interbrein. 6S »ar übrigens nur ein eingigcS 
Äiffen öerbrannt, maS aber einen ^öHif^cn 9iauc^ mad^te. 
^urg barauf gab eS eine Überfd)tt)emmung, fo bag id) gn)ei 
Siage lang im @d)iff Dom unb gum ^auS fahren mugte. 
gür ben SSranb befam id^ eine JRed^nung öon 7 ®ulben*). 

Über bie SBei^nad^t mar i^ in S)armftabt unb befud)te 
ben @d)ulg, tt)eld)er mit feiner grau fel^r munter ift. ©en 
?Diünd^*) fonnte id) erft am britten SCag auffinben. (5r 
fannte mid^ nid^t mc^r. (5r ^odft mit feiner fjamilie unb 
mit feinen ^reffen in einer ©tubc; bie grau unb gmei 



*) ©eigclcgt ift bem ©rief ein ©ouöert mit Sn^alt, überfd^rteben: 

- -5-H^o. @. 22. 
«ottfrieb StttUt. 24 



370 4>eibclberg. 



f^one Suben, bic er nod) ^at, l^elfcn il^m aücrlet ®ie 
§rau ift wcbcr jung mc^r, nod^ fd^ön, boc^ mag pc früher 
l^übfd) gemefen fein. @ie fprad^ fel^r U)entg unb fc^ien ein 
menig bemfltig ju fein. Übrigens fa^ aUed jufrieben unb 
orbentltd^ QUi$. ^find) lägt @ud^ aUe Dtelmal grüben, aucb 
bie alte gifebetl^, tt)eld)e aud^ ic^ grüben laffe. (Sv fragte 
mtd^ nad^ ^unbert Singen unb ^erfonen, toelc^e id^ fc^n 
lang öergeffen ^abe, na^ bem alten ffranf, nad) @d)ön' 
berger, nad^ einem ©dlju^macöermeifter, ben id^ in meinem 
geben nie fa^, nad^ allen SRitgliebem ber fjfoppertfd^en ^- 
milieO u. f. xo,, xiad) ©lattfelben, ber ®aton, bem ©eti, bem 
^einrid), bem Sllten, ben Sungen, ben Ärummcn unb ben 
©raben. @S ift merlmürbig, »ie Diel Beute fterben, fobalb 
man ber Spr ben Sftücfen feiert! Slud) SHegierungörat SoDier 
ift auf ben Zob franf unb mirb tt)al^rfdt)einU(^ nic^t me^r 
auffommen. 

^egi l^at mir audi) gef daneben; er miH nad^ Ämerifa 
gelten, ©ie ?llte wirb inbeffen märten muffen, bis id^ ®elb 
l^abe, unb menn fie blau mirb. @o lange ic^ feBbft immer 
in ber Slot bin, fd^äme id) mid^ gar nid^t, mein SSerfprec^en 
nid^t galten gu fönnen. — — 

Sc^ ^abe freilid) feine Suft, bie grofee JReife ju mad)en, 
meil id) lieber nod) ein Sai^r in ©eutfc^lanb, etma in Serlin, 
bleiben möd)te, weil ic^ einmal am Stubieren bin. Snbeffen 
mären bie S3eforgniffe meiner Dere^rlid)en Jungfer ©otte auf 
mid) nid^t anjumenben, meil id) fein Slaturforfc^er bin, 
welcher in unbefannte ©egenben, aßen Sefd^merben unb 



*) fRub. goppert ^upferbrucfcr an ber Srunngaffe, bei bem Wt&ai^ 
einft Gearbeitet f)atte. 



35. «n bic gjhitter, 11. «pril 1849. 371 

©ntbcl^rungcn au^gcfc^t, bringen mufe, um feine ©ntbedfungen 
gu machen; fonbem id^ Idnnte ganj gemäd^lid^ Don einem 
bewohnten unb giDÜifterten Drte jum anbem, unb bai auf 
guten ®ampffd)iffen, reifen, wo überall gute ^anbelöl^äufer 
mit guter SebenSart ftnb*). — — 

3n ber Hoffnung, bafe btefer ©rief ©id^, liebe SJlutter, 
fomie bie SReguIa in ber beften ©efunbl^eit antreffe, grüße id) 
(Snä) unb aQe im $aufe taufenbmal. 

@uer ©ol^n unb ©ruber 

®. Äeller. 

35. litt Mir Ptttitr* 

^cibelberg, bcn 11. Slprll 1849. 

Siebe SÄutter! Seiber gie^t pd^ ber ßcitpunft, wo ii) 
mein @elb enblid) erl^alten werbe, noc^ bis 3um ^at l^inaud. 
^d) f)aht inbeffen an einen anbem grofeen unb reiben SSer* 
leger in Seipjig') gef daneben, weld^em id), feiner Slntmort 
gufolge, mein 93u^ gegen augenblidnid)e SBarjal^Iung über» 
f (Riefen fann, wenn id^ öon ber anbern Seite länger aufge« 



») S)ie Wluttn an OJottfricb, 20. Sanuar 1849: „S)cine Sungfcr 
(äJotte 5(nimann ift aud) einmal bei mir gemcfcn, ^at au6) S)ir nad^« 
gefragt unb j^6) erfunbigt megen ber SReifc, Wil(i)t S)u no(]^ öorf)abeft 
nat^ bem l^eiligen Sanbe! &t xottxbt S)ir bteS ^omel^men nid^t 
raten fdnnen, inbem fte ni(i)t glaube, ba^ S)eine ^efunbl^eit unb 9^atur 
feft unb [tar! genug mdre, jenes j^ltma auSgu^ialten. @ie er^dl^Ite 
mir Don einem $a§Ier, roelci^er auc^ t)on feiner Sllegierung bort{)in 
geft^irft rourbe, al§ 5Raturforf(^er, allein auf ber Slücfreife fei er ge« 
ftorben. ©o fönnte eS S)ir and) ge^en. ^6^ ben!e felbft, e§ fei flöger, 
wenn S)u biefe [Reife jur @eite tl^un fannft; mir mürbe fte großen 
5himmer in meinem Sllter öerurfad^en." 

') g. 31. S3rocf^au§. 

24» 



372 4<«itelbcrfl. 

galten mürtie. Se^t^tn ^abe i<^ bte le||ten :2Uü grantcn Don 
her Slegiening ertfalten; fie finb aber bereite fort, inbnii iä\ 
meine $auSred}nung gejault unb ba9 entIeI)tUc @eU> guiüd' 
gegeben ^abe; benn eS ift nic^t feE)T angeneltm, in bitfn 
armen hungrigen @tabt @(^ulben gu ^aben. äSenn idi bö- 
iger bis ^itte 3Rai 50 @ulben von Sud^ befonimen tönntf, 
fo märe eS mir {e^r rec^t 3<4 ^(il^c t^i^ ^^ Sommer 
j^ollegtengelber ju beja^Ien unb follte mir aui^ einige t^rt 
33Ii(^er anfc^affen. $ier mfi^te ii^ gegenmärtig bei nie- 
manben ju entlegnen, als bei meinein alten äSerleger, wt\i^ 
mir aber ni(t)t fe^r grfin ift, meil ii^ i^m nichts me^i gebe. 
@S ftc^t gwoi^ Furios aus, bog i^, anftatt @elb ju fc^icfen, 
abermals ©eine ^fllfe in an(pru(^ ne^me; fo&alb id) abtt 
bte @umme auS 33raunf(^nietg erhalten, fo miH i^ fogleii^ 
400@ulben na^ Sii"«^ fluiden, bamit t(^ enblii^ einmal 
frifdje Buft belomme')- — — 

^äi ifübe im @inn, ben nä(^ften 9Binter naÜ) Seriiti 
ju ge^en, roerbe aber jebenfaQS Dier bis fec^S 3Bod)en im 
^erbft in Süxiä) jubringen. 'S>a id) einmal angefangen 
^abe, fo miQ ii^, anftatt jene groge SRcife ju inad)en, liebn 
no(4 etitras lernen; man fann eS immer braud}en unb e^ 
irgenb eine ©teHe belleiben. gflr meine SdjriftftelTerei aber 
ift eS fe^r oorteilbaft, wenn id) ein roenig in SJeutft^lünti 
berumfomme. ^ bobe l^ier ft^on mehrere nütlid)e SBeranirt' 
fd)nften gemacht, maS pi^ in Serlin no(^ Derme^ren roirb. 



■) Sic 3Rutiei an Igottfrieb, 16. !(pril 1849: „9htn fc^ide td) 
S)ii bte Derlangte Summe, 50 @ulben. 3a, baS fd|aut tDiiflti^ finitf 
QUO! 9tlö ber Srieftrüger fdgeüte, bad)te i^: iDaö gibt'ft ba \ätm 
miebet? SeiniB tommt Selb, aber nrfe beftürjt, alS idj ftatt beft« 
iticber t)crgeben iolltel" 



35. 3ln bic SWuttcr, 11. STpril 1849. 373 

3c^ lebe je^t jiemlid^ wohlfeil. 6§ ift ^ier Sitte, bafe 
man feine Sefud)e am 3lbenb nad^ 7 U^r maäjt, wo man 
bann mit ben Seuten 3:f)ee trinft unb etmaS SBurft ober 
©d^infcn ifet. ®a ic^ in mel^rcren Käufern cingeffll^rt bin 
unb aUe SBoc^cn einmal ^ingel^en mufe, fo ^abc icfe mir bieö 
gemerft unb ftubiere nun jeben Slbenb, wo ic^ l)inge^en 
wolle. ®abei unterl^alte id^ mic^ beffer als im SBirtSJ^au«. 
3[l§ ®icf)ter mufe id) immer neben bcr ^audfrau {t^en; benn 
bie SJeutfdjen äftimicren biefe 9Jlenfd)engattung oicl mef)r 
als bie ©c^weijer. 

©treibe mir boc^, wa^ e§ 5Reue§ gibt, unb wie ®u unb 
SRcgula jtcf) bepnben*): 3c^ ^offe, bafe gl^r beibe gef unb fetb. 

3^ laf[e aUe oielmal grüben. 6uer ©o^n unb ©ruber 

©ottfr. Äeßer. 

®er 4)egi ift oor oierje^n Sagen l^ier burd)= 

gereift, um für brei ^af^xt nai) Slmerifa ju gelten. S)er 
aUegierungSrat ©uljer ^at mir einen fel^r artigen 33rief ge* 
f daneben, afö er mir ba« ®elb f^idfte. — fjaft l^ätte id^ 
bie 2lbreffe oergeffen, id^ bin nämlid) oon bem Sumpenpacf 
auSgejogen unb wol^ne je^t bei frommen ©tünblern. 
9?ecfarfirafee, bei Äutfd)er ©ulanb, D. 229. 



») 5)ie3Kutter anOJottfrieb, IS.S^jril 1849: „S)ie alte 76 jährige 
grau 5)efan ©d^inj, roeld^c öor einem Sal^r fo na^e am ®rabe gc- 
roefen, ift roieber ganj gefunb unb munter; i6) l^abc il^r biefe Sßod^e 
ben 3m§ gcbracfit; fie läfet S)ici^ öielmal grüben. S)aS ©ec^ifeläuten 
ift in Sönt^ roieber einmal in $omp unb ?Prad)t gefeiert roorben: cä 
mar beinal)e ein ftunbcnlanger 3ng burd^ unfcre ®affe. 6S jogen 
j^önige unb gürftcn, ©cfinbel unb ßumpenpadf; meiftenS fatirifci)eS 

Beug über bie ^Politi!.^ wS'leguIa ^at nun roieber öollauf ju 

tl)un. 3roei 3JJonate rourbe gefeiert; mit biefem ging bie Arbeit roicber 
an, roorüber roir beibe fro^ jinb." 



374 ^belberg. 



^eibelberg, ^^gßen 1849. 

Obgletd) ic^ ein fc^ltmmer $eibe bin, fo liebe t(^ bodf 
bic fd^öncrctt unter bcn d^rijilid^en fjcjitagcn, »ie Dftcra 
unb ^fingften. 2)ieSmal ftnb leitete befonberiS gut geraten: 
bad fd^önfte SBetter im 9ledEartl^aI, alle ©tragen DoU reDo» 
lutionären SolfeiS, »el^eiS Slumen unb SBaffen unb rote 
93änber an ben ^fiten trägt, Dor ber S^üre bie lämtenben 
Sanbdieute, U)eld^e mic^ nad^ @(^n)e^ingen l^inaudfutfc^ieren 
U)oQen, aDwo bei^ Strogl^erjogS 38af[erlünfte ium erftenmal 
Dor bem fouDeränen SSoIIe republilanifd^ auffpielen muffen — 
biei^ alles mag mtd^ entfd^ulbtgen, bag id^ 2)ir burd^ $ro« 
feffor Sollen ebenfalls nur einen pd)tigen ©rufe fc^ide, 
unb noc^ ffifger ate ber S)einige. 

©eine SBei^nad^tögabe*) l^abe ic^ mit SBergnugen er* 
l^alten unb fte aud^ einigen grcunben mitgeteilt. 3d^ ^otte 
gen)ünfd)t, bafe ®u ba« „SBienod^t.ei^inbli'' für bie fpatere 
^auptfammlung aufbemal^rt l^ätteft. 2)a baS norliegenbe 
©eft ein SBorldufer unb Quartiermacher für Jene fein foK, fo 
finbe id^ obiged @ebid^t nid^t origineQ genug gu biefem 
Swecfe; benn obgleid^ öortrefflic^ ausgeführt unb gewiß ganj 
aus eigener 3latur gewac^fen, erinnert eS ben großen Raufen, 
weld^er immer nur jum oberflä^lid^en SSergleid^en geneigt ifi, 
ju fe^r an ^ebel. 

SSon ^eiligratl^ l^abe id^ enblid^ aud^ wieber ein 
SebenSjeid^en empfangen. @r fc^idte mir Don ^öln au§ 
feine ncueften ©ebid^te, alle blutrot, aber ein wenig fc^wer» 

*) dn)anai9 (Btbid^tt. (Sine Skt^nac^tgabe oon S'buarb S)ö|eM 
(«arau 1848;. S)arin @. 3 ff. „«* aSHened^t-e^inbli-». 



36. 5ln ebuarb 2)ö6c!cl, «ßfingftcn 1849. 375 

fällig, ^äf ^offe il^n, menn bie Sieoftion in $reugen nod^ 
eine äBeile fortgebt, in tiefen ©egenben etoa atö f$^lfid^tling 
iDieberjufe^en. 

3^ f^'^ft l^abe mid) für biefen Sommer oon ber l^iejtgen 
@ele^rfamfe{t gurfidgegogen, um gang ber t)oetifd)en $robut 
tion gu leben. &^ ift tt)irnic^ Qtit, bag tc^ »ieber einmal 
etwas öon mir l)oren laffe; benn mein erfter fd^nattember (!) 
Srontpetenftofe bebarf fe^r einiger reineren 5Rad)f olger, fonji 
ge^t er mir gänglid^ flöten. 

Sd^ ^abe an meine Steunbe in Q&xiä), gleid)jeitig mit 
bem ©einigen, grofee Sriefe gefd^rieben unb fel^r um Antwort 
gebeten; aber leiner biefer Ferren l^at mid) nocft eines SBorteS 
gewfirbigt. ^ö) will aud) anfangen, mid) im SSergeffen gu üben. 

©ein ©ottfrieb ÄeCer, 

mit freunbfc^aftlid^em ©rufe unb ßntpfel^lung an ©eine 
werte grau. 

©afe Sl^r an ben Sieit^arbfc^en SOpenrofen (ja wol^l 
SRofen, wie fte bie Äülje legen!) genug belommen l^abt, ift 
mir eine grofee ©atiöfaftion. 3d) l^abe biefen litterarifd^en 
©d^weinepriefter fd^on lang gefannt'). 

37« Jln JSnUitim gainttQiivtnfr in ^nvidf* 

^elbclbcrg, bcn 14. Suni 1849. 

Sieber Saumgart ner! 3d) l^abe im 9Rärg burd() einen 
Sfird)er ©tubenten mel^rere Sriefe l)eimgefc^icft, worunter 
aud) an ©id) unb 9fluff, aber no^ oon feinem @ingigen 

^) 3. 3. SRcit^arb (1805-1857), gcl^rcr unb 3oumaaft, feit 1846 
in Süri4 gcttioeife Sflcbaftor ber TonfcröatiDen „(gibgenöf jtfc^en Seitung", 
begabter 2)t(i)ter unb (Stadialer. 



376 4>etbclberg. 



trgcnb eine Slad^rid^t befomtnen. ©ntoebcr finb bie Srief« 
nid)t abgegeben worben, ober tc^ bin in Süxidi fonft Der» 
fc^oHen. 3ft baS leitete ber gall, fo xo'iü i^ e« mir ald Strafe 
für mein lange« Schweigen im »ergangenen SBinter anfe^; 
follte aber ba§ erftere ber Sali fein, fo bitte id^, e« mit 
gwei SBorten ju berid^ten; benn eö ift mir baran gelegen, 
ju »iffen, 100 jene Sriefe etwa liegen geblieben fein möd^ten. 

@in}ig oon ^egi ^abe id) mfinblic^e ^ntmort erhalten. 
@r mar jmei Sage l^ier. Über feine SuSmanberung ^obe 
i^ eine freunblid^ere äufflärung erl^alten, ba er nic^t, wie 
id) glaubte, für immer nad^ Slmerifa miU, fonbem nur eine 
6]cfurfton oon ein paar Salären mad)t. 

^ier in ^eibelberg ift gegenwärtig großer ^aHo, 
fallenbe unb fteigenbe ©noartungen, Surc^t unb Hoffnung. 
©0 oiel ift gemife. wenn aSfirtemberg noc^ lange fc^manfenb 
bleibt, unb im feinblici)en ^eere nid^t eine unermartete Steni- 
tenj auSbrid^t, fo ift SSaben oerloren. ^eute Reifet e§ ä^ar, e« 
fomme in Söürtemberg boc^ noc^ jum (5ntfd)eibe, aber es ifl 
nid^tö aSeftimmteS ba, 3" ^eilbronn follte bie fflürgenoe^r 
entwaffnet werben. SSorgeftem. ®ie @olbaten l^alfen aber 
ben aSfirgem felbft, unb eS follen barauf 4000 SKann nac^ 
Stuttgart aufgebro^en fein. S3i§ bato ftnb 8wifd)en bcn 
Sabem unb ben Reffen unb ^Jledflenburgem oerfc^iebene 
®renjgefed)te oorgefaHen, wobei bie Reffen immer fo oiel 
ä5erluft l^atten al§ bie ©abenfer. 9lur l^aben biefe le^teren 
bie oerbammte Untugenb, bafe pe mit 9Äann unb ^auö 
nad) leber Keinen Sd)lappe nad^ ^eibelberg fec^§ ©tunben 
weit l^erein retiriert fommen unb aUeS in Slngft unb ©djrerfen 
oerfe^en. 6^ ejriftieren fd^on Diele Sataillone junger äJolfe- 
mannfd^aft, weld)e ganj orbentlid) einej:ergiert ftnb unb, in 



37. 5Cn mimm «aumgartncr, 14. Suni 1849. 377 

blaue Sloufcn gcf leibet, gaiij fouragiert revolutionär auö» 
fc^en, ein ganj guter Äem für eine rabiate SReöolutionö» 
armee. SUlan pel^t bie prddjtfgften ©eftalten barunter. @ie 
ntarfd)ieren, il^re SBünbel auf bem SRüdfen, wie bie baren 
Seufel einiger, ©ie ©olbaten, bie bewaffnete 3^0^"^^ wnb 
ba§ arme ©trafeenuolf finb nod^ gang guten 9Jlute5; bie fo* 
genannten Sürger aber unb bie folibe Sauerjd^aft ftnb nici^t 
fauber. SBenigften« will fein Wenfc^ mit @elb J^eroorrücfen. 
®er größte Übelftanb ift, bafe e§ an Dfpjieren fel^lt. Sei 
ber Sinie ftnb eine 9Kenge eingefd^lic^ene reaftionäre Offiziere, 
unb bie avancierten Unteroffiziere fönnen bie ©iöjiplin nid^t 
immer l^alten. ©ann unb wann l^eifet eö, eö feien wieber 
einige Offiziere öerfd^wunben, unb fo ift eö ein unl^eimlid^eiS 
ffiurc^einanber. ®a§ 93olf fdjreit nad^ SSerrat unb fielet 
fiberall Spionen, fo ba^ man fid) fel^r in ac^t nel^men mufe, 
nid^t unöorftc^tiger SBeife gu fragen ober etwa in ßerftreuung 
um eine Äanone l^erum^ufd^leid^en. 

9Kieroölaw§fi l)at nun ben Dberbefel^l übernommen. 
9Ran fagt, bafe er bie 3lrmee l^inter bem 9^ecfar auffteHen 
woHe, Dorjüglid) von ^eibelberg biö SRannl^eim, wa5 aud^ 
geraten fd^eint; benn an ber ©renge, gegen bie Sfil^einpfalj 
unb Saben, ftel^t nun bereite ein formibableS ^eer mit weit 
überlegener SlrtiHerie, unb bie Äaoallerie allein ift Dielleid)t 
fo ftarl alö bie babifd^e Snfanterie, wäl^renb auf unferer 
Seite blofe etwa breifeig ©türf ©efd^ü^ unb gwei ^Regimenter 
©ragoner ftnb. 2Benn $eibelberg angegriffen wirb, fo fann 
id^ aud^ ^uloer ried)en, inbem id^ gleid^ neben ber 5ßecfar» 
brüdfe wo^ne, l^art am %\u^. ©d^on mel^rere 9Jlale l^at 
man Äanonen bid)t unter mein Senfter geftellt, afö man ben 
geinb auf ben gerfen glaubte. 



378 ^dbelberg. 

@d finb biefer Sage Diele @(^iDeiger ^ier, meiere, tdU 
ald Dfftiiere, Mli atö @emeine, bei ber 600 Warnt ftarfn 
^embenlegion aud ber @(^ioeig {teilen. (S^ mögen etva 
^unbert Sc^ioeiger babei fein. 3^ l^abe bebauert, baB jie 
in Staxl&m\i ftd^ in ben ^uniputfc^ mifc^ten, toe(d)en @tniM 
unb ^onf orten jfingft Derfuc^t l^aben; menn btefe Xäxxcfi^ 
in ber S^hinft auc^ nid)t ausbleiben »erben, fo ift e^ b(X^ 
t^öric^t, bie je^tge fonft fo preläre Sage nod^ baburd) jn 
Derf (flimmern. 

©truoe f)at gar leinen Soben im SSoIf: er ift in bit 
lonftituierenbe SSerfammlung nic^t einmal geioäi^U worba 
unb »oute bie Siegierung fifirjen! 2)agegen fc^rett oM 
nadi ^ecfer, xoit ber ^irfd^ nad^ einer SBafferqueüe; menn 
er ie^t fönte, fo n^firbe bie moraltfc^e SBirfung fo grog fein, 
bag baiS 33olI in feinem 9Iamen alle ^inbemiffe befiegen 
würbe, ^i) meinerfeitd ^offe nur nod^ auf irgenb eines 
iener n)unberbaren ßreigniffe, n^eld^e in ber neuen 3^^ t^' 
ungerufen lommen; id^ ^offe um fo me^r barauf, ale e^ 
ganj beftimmt l^ei^t, ber preu^if^e ,^önig wolle nac^ ber 
9Mebenoerfung ber ffibbeutfd^en Sieoolution auc^ ein SBoit 
mit un« ©^tteijem fprec^en. 93on ber artigen SHealtion«* 
Clique $reu^en, £)fterreid) unb SRu^Ianb ift bad SUIerargfte 
}u erwarten, gnbeffen l^offt man l^ier in biefem fJalTe, bafe bie 
@c^weij, fo wie fie ben Slnfto^ gu ber ganzen @ef(^i(i^te ge< 
geben l^at, aud^, wenn fie augegriffen wflrbe, einen guten 
©d^lufeftein fe^en unb bem ©inge eine anbere ©enbung 
geben wfirbe, unb bieS l^offe id), al§ guter ©cftweijer, eben* 
faHö mit SuDcrftd^t. 3d) laffe ben JRuff oielmal grüfeen. 

©ottfr. Äefler. 



38. 2In ©taatSrat gbuarb ©uljer, 23. Suli 1849. 379 

38« Sin $titiif«viif l^bitgiifk $iil}tir in Sfirid^«^) 

[^dbelberö; ben 28. SuIl 1849.] 

^oäiQtt^rttx ^tn @taatörat! Snbem iii^ (Stü. äBol^I« 
geboren ffir ^xt gütige unb freunblid)e 9}Mttet(ung Dom 
20. ÜMärj meinen ergcbenften ®anf auöbrücfe, bitte ic^ @ie 
jugleid^r Sl^re gefällige Sufmerffamfeit auf einige Slugenblicfe 
ffir meine Ileinen Slngelegenl^eiten in Slnfprud^ nehmen ju 
bürfen, ba biefelben, tt)ie ic^ glaube, fomo^I ber Q^xt, aU 
bcr Sefd^affenl^eit nac^ für einen fd^ulbigen SBerid^t üon 
meiner Seite »ieber geeignet pnb. 

Sc^ »ar fo frei, auc^ an ^erm KegierungSrat SoUier^) 
feiner Qtit ju fd^reiben. SJlein Srief ^at il^n aber, mie i(^ 
crfl nad^l^er erfuhr, in fd^merer Äranfl^eit getroffen, unb iä) 
bin anäi feit^er o^ne alle 9!ac^ri(^t oon feinem SSeflnben 
geblieben, inbem ic^ fonft, au^er t)on meiner ^^milie, Don 
feiner ©eite l^er ©riefe erl^alte. Sd^ bin bal^er umfome^r 
an bie gütige Slufmerffamleit oon @tt). SBo^Igeboren gemiefen, 
als aud^ 3^r geel^rted @d)reiben oom 20. 9Rärj mid^ l^offen 
lägt, bag @ie nod^ ba& gleid^e wol^toollenbe Sntereffe an 
meinem 2)id)ten unb S^rad^ten liegen. 

^ä) l^alte mid) biefen @ommer burd)aud auf mein 
Simmer gebannt unb befinbe mic^ innerlid^ mol^l babei. 2)ie 
babifd^e Sfieoolution l^at freiließ, guerft bei i^rem 6ntfte^en, 
bann mäl^renb bed Aampfed in ber unmittelbaren 92ä^e Don 
^eibelberg einige 2;age Störung gebracht; inbeffen ^aben 



») (Sntmurf. — (gbuarb ©ulacr aud SBinterll^ur (1789—1857), 
feit 1831 ÜRitglieb ber Sürld^^er ^Regierung. 

') 9htbo(f SoQier t>on Jörgen, geb. 1815, imt 9^egierungdrat 
gewdl^It 1846, geft. 1855. 



380 ^etbelberg. 



nun bic ^reufeen eine fül^lc SRul^e über bic ®ciftcr gebracht, 
tt)eld^e, tt)enn auc^ nid^t für bie l^teflgen Buftänbe na(^^al% 
boi) für ben Unbeteiligten bequem ift. 

3c^ ^atte anfangt im Sinne, ^ol^Id angetunbigte Sor» 
lefungen über bie ßnc^flopdbie ber @taatSiDif[enfd)aftfn ju 
l^ören, um aud^ in biefem @ebiete ein paar traben gu er^afc^en. 
an iDelc^e anju!nfi:pfen frülier ober fpöter einige Stn» unb 
Überfid^t, fei jte noc^ fo „gu gaben gefcftlagcn'', boäi beffer 
als nid^tS fein lönnte. ^err ^oI|l l^at ftd^ aber nie gqeigt 
fo n)ie aud), auger ben ^auptfäd)Iid^ften juriftifc^en unb 
mebijinifd^en ©röfeen, fa[t äße fiel^ifer entioeber burc^ bie 
l^ier tttoa^ triviale SSoIfi^iuftij ober burc^ bie f^urc^t Don 
itiren Soften gebrängt »orbcn ftnb. ©njig bei OTittermaitr 
^abe ic^ in feinem ^minalred^t unb ben baran gel^öngten 
Sorlcfungen über bie Su^cd^nung unb ben pf^d^ologif^en 
Seil biefeS @egenftanbe$ einige @tunben jugebrad^t, inbem ic^ 
boburc^ einige @rfat)rungen in Sitten unb ©eelenguflanben ju 
gewinnen l^offte. 3d^ befanb mid) aud^ jientlic^ gut babei; 
allein SJlittermaierö politifd^e J^ätigfeit unb ber ©rang ber 
ßreigniffe brad^ten aud^ l^ier eine fo häufige Unterbrechung 
unb aSeränberung ber ©tunben l^eröor, bafe ic^, leiber fd^on 
nid)t me^r fo biöponibel unb bicgfam, wie ein gmanjig* 
jähriger ©tubent, mic^ gule^t gänjlid^ gurficfjog. 

Slufeerbem, bag id) baS im ocrfloffenen SCBinter Stufge* 
nommcnc möglid)ft gu »erarbeiten fud^te, warf ic^ mid^ nun 
l^auptfäd)lid^ auf ba§ bramaturgif d^e ©tubium ; benn obgleich 
id) früher oieleS ©erartigeö gelefen l^atte, fo war eö bod^ nic^t 
mit ber Sntention unmittelbarer ©elbftanwenbung gefc^etien. 
58on Sefftng bis auf bie 9teueften, wie 9tötfd)er, na^m ic^ 
bie betreffenben @d)riften oor unb laö gleid^geitig ben be* 



38. «n @taat§rat ebuarb ©uljcr, 23. 3uU 1849. 381 

Baubeiten ©toff burc^, ba§ SIntife in guten Übcrfc^ungcn. 
S)a x(i) mir einmal vorgenommen l^abe, mein &IM auf bem 
bramatifd^en ®ebiete gu öerfud^en, fo »ar e§ notmenbig, bafe 
ic^ au$ ber gett)ö]^nltd)en Selefenlieit l^erauStrat unb ju be- 
bcftimmten unb Haren 3lnfc^auungen gu lommen fudjte. So 
maii^te fd^ mir ein S3ilb üon ben ariftotelifd)en ©runbfä^en 
an unb il^ren @ci^icf|alen btd auf bie @egenmart unb baS, 
wa^ man je^t für SebürfniiS I|äU, unb enblid^, mad Don 
biefem ©afürl^alten mieberum gu urteilen fein bürfte. 

2)agn)ifc^en ijcibc id) mol^I auc^ eine @cene gefd)rieben 
gum SSerfud^e, ober einen ^Monolog*) u. bgl. unb fd^rieb 
an meinem SRomane, »eld^en id) immer nod^ in ben ^änben 
behalten ^abe. ®a berfelbe eine %x\xä)t perjönlid^er 6rfa^rung 
tft unb ein Slbfd^lufe fein foK, fo ^^abt id^ eine grofee ©d^eu, 
bcnfelben enblid) gebrucft gu fe^en, unb bin namentlid^ immer 
nod^ unfd)Ifif{tg fiber bie Haltung ber legten Kapitel benn 
ber innere ©e^alt mufe bei fold^en ^robulten burd) Slufeer« 
Ud^feiten unb poetifd^e @rflnbungen oerftärft unb auiSgepu^t 
werben, ©ie Seute tragen bem aber feine Sfied)nung unb 
Iaf[en il^re ^^potl^efen fliegen, fobalb ber ©d^ufe Io§ ift unb 
jte merfen, bafe etwa« SfieeUeö gu ©runbe liegt, ©egenmärtig 
rebigiere id^ ein SSnbd)en ©ebic^te gufammen, weld^e jtd^ 
nad^ unb nad^ angehäuft t)aben. ©iefeiS wirb lool^l mein 
2lbfd)ieb oon ber g^rif fein, fomie ic^ überhaupt, aud^ in 
betreff obigen Sfiomaneö, nun biefeö fubjeltioe ©ebaren enb* 
\\ä) fatt l^abe unb eine loal^re ©elinfud^t empflnbe nad) einer 
ruf)igen unb Iieitern objeftiöen S^ätigfeit, weld^e ic^ gunäd)ft 
im ®rama gu finben ^offe. 



») „3:^crefe^ 



382 ^etbelberg. 



Sic ^aben mic^, ^od^juöcre^rcnber $err! im legten 
^crbftc mit bcm SBorjc^lag ju einer orientaltfd^cn Sfleife oöf 
ba« erfreulic]^[te fiberrafdöt. ?lun bin id) aber biefcn ?Konat 
genau breigig ga^re alt geworben, unb id^ ffil^Ie eine 8rt rxm 
SRotmenbigfeit, bafe bie näd)Pen S^^re nun bie Qdt pnb, wo 
rafd) l^intereinanber gemirft unb probujiert merben foDtt 
@ine foIci)e, freilid) fel^r anlotfenbe Sieife aber mürbe t^ieüetc^ 
in oier ober fünf 3öt)ren mo^Iti^ätiger fein, »enn ic^ im 
Seben noc^ mel^r gereift unb auf ber anberen Seite eind 
2eil8 meiner SSorräte entlebigt bin. SBenn über^au^t mit 
ettt)a$ SBeitere^ auS mir loirb, fo lägt ftd^ bann eine folc^ 
Steife entmeber aud eigenen Mitteln ober aud benjenigen 
eines Sud^^änblerS maci)en. $ür je^t aber ptte id) me^r 
SReigung, meine bramatifd^en SBeftrebungen unmittelbar fort- 
jufe^en unb gmar biefelben, nad)bem id^ mic^ t]^eoreti{(^ 
giemlic^ vorbereitet l^abe, nun auf ba^ praftifc^e @ebiet ju 
oerpflanjcn. 3^^ werbe auf bie freier oon ®oet^e« ^unbert« 
iä^rigem ©cburtötag, meldte fünftigen Wonat in f^anffurt 
ftattpnbct, mid) bal^in begeben, unb bafelbft über biefe ©inge 
mit ®u^fott) äu fpredjen fudjen, welcher ©ramaturg am ^of» 
tl^eater ju ©reiSben ift. SieIIeid)t lägt eS ftd^ t^un, ba^ 
id^ burd^ i^n mit ber SBütine nä^er befannt werbe, benn 
biefeö ift nun baö nädjfte ©rforbemiö. Sluf jeben %oXi farai 
er mir biefe unb jene (5rfal)rung mitteilen. 

9lac^ meiner Slnpdjt aber wäre eö nun am, nü^id^ften für 
mic^, wenn id) mid^ einige ß^t in SBerlin aufhalten Mmite, 
wo id^ bcn SBefud) beö J^caterö mit bcn nötigen ^iftorifc^en 
©tubien oerbinbcn fönnte. 3d^ l^abe einige Urfadje ju 
glauben, ba^ id^ bei 3Jarn^agen oon @nfe gut aufgenommen 
würbe, weld^er mir gewig burc^ feine ^erfönlic^teit unb 



39. «n (Staatgrat ebuarb ©ulaer, 23. Suli 1849. 383 

©tcllung bcu nötigen SBorfd^ub Iciften fönntc. SBä^renb 
eines fold^en Slufentl^alte« mfifete bann ein bramatif(f)e8 $ros 
buft, ate $roBe, juwege gebrad)t werben, weldjeö Dlelleici^t 
für ein weitere« felbftänbigeS gortgebei^en entfd)eibenb würbe, 
inbent Don allen litterarifc^en 2;]^ätig!eiten biefenige beiS 2)ras 
matifer« il^ren 9}{ann gegenwärtig nod) am beften t)ält, wenn 
er ftd) einmal Seifall erworben t)at. ^d) Wnnte aud^ nur 
ben näd^ften SBinter in Serlin unb ben ©ommer in ©reöben 
gubringen, fowo^I um mannigfaltige 3uftänbe atö um mög^ 
lid^ft üiele ^erfonen fennen ju lernen; leiber i[t bieö lefctere 
bei ber l^eutigen Slrt unb SEBeife für bäö Äeuffieren eineiS 
jungen Cannes üon großem @ewicl^t. 

®urd) biefe Sl^rem Urteile unterlegten unmafegeblid^en 
Slnpd^ten, l^od^juDerel^renber ^err! möchte iö^ aber in feiner 
SBeife bie gnitiatioe ergriffen l^aben. SSorjüglid^ pnb pe nur 
an bie 5ßerfon üon @w. SEBol^lgeboren geri(f)tet unb nur in 
bem fSfaHe einer weiteren Erwägung em<)fo^len, wenn bie Äon«» 
ftellation oon ©ejtnnungen unb $erjonen im SRegierungdrate 
in ^infld^t auf meine Slngelegenl^eit noc^ bie gleid^e ift^. 



(Staatsrat ©buarb (Suljer berid^tet ®. ^^eUer, 14. Ortober 1849, 
IReQierungSrot Collier unb er fjöttcn bm^ bie fräftlge SSermittelung 
öon 8ürgermeifter Sllfreb (gfd^cr ben (grgiel^ungS- unb SReglerungSrat 
oeranlaßt, ba^ Äeüer ein fog. SReifeftipenbium oon 1000 grranfen auf 
ein Sal^r augefagt worben fei. „Snbem id^ S^nen — fä^rt ©uljer 
fort — für ben auSfüf)rIid6en öeric^t in Syrern SBriefe öom 23. Suli 
beften§ ban!e, finb wir fämtlid^ mit S^ren innern unb äußern ^Wnen 
einoerftanben unb fönnen nur öon ganjem .^er^en münfc^en, ba^ Sl^r 
erfter bramatifc^er SBerfuc^ gelingen möge, dürfte ic^ Riebet perfön- 
lid^ eine ^nfic^t öugem, fo mürbe id^ einem S)rama auf l^iftortfd^r 
(äJrunblage, namentlich) fc^meigerifd^er, ben SSorgug öor reinen ©ebilben 
ber ?P^antafle geben. Snjmifc^en bin id^ auf 3l)re neuen ©ebic^te unb 
momögli^ auf ben glüdflid) oollenbeten Sfloman begierig.'* 



384 J&eibclberg. 



39« jlii fßiutttv im^ ^dfwtßtv^ 

j£)eibclberö, ben 24. Suli 1849. 

Siebe 9Kutter unb ©d^wcfter! ©er inliegenbe Srief, 
meldten id^ an feine SIbreffe gu beforgen bitte, t^eronlatt 
ntid), enbUc^ iDieber einige ß^il^ ^n Quo) gu fd^reiben. 

^6) ^abe näntlid^ an ben Staatsrat @ulger mega 
bem nödjften ^erbft unb SBinter gefd)rieben, um ju erfahren, 
wad bann gefc^el^en foQ, ba bie Qtxt, meiere ic^ ^ier {ujo-- 
bringen l^abe, balb um ift. ^m September gebenfe ic^ ^ein 
gu fommen. S)ie babifdje 9ftet)oIution, welche im ^ai ou^ 
brad^ unb bis im ^vli QetoSifvt l^at, l^at oud^ meine t^inanj^ 
üerl^ältniffe abermalö öerwirrt; benn ber SBerfe^r gegen 
SRorben ift bie gange Qüt fiber unterbrod)en gewefen. 3« 
gtt)ei SBoc^en »erbe ic^ etwa 200 ©ulben für ein ^eft ©c* 
bid^te erhalten, xotlä)t xd) l^erauiSgebe; unb bannt will i^ 
bann, ba id) fonft im @inne ^atte, t)on l^ier aud nod) eine 
%om gu mad^en, felbft mid^ auf ben 9Beg oerfägen unb 
mein ®elb einfafjteren. ®enn id^ möchte in feinem ^afle 
nad^ Snxid) fommen, ol^ne meine ©d^ulben begasten ju 
fönnen. 3d^ »eife nic^t met)r, ob id^ ©ir, liebe 3Äutter, 
ben ©ntpfang ber 50 ©ulben angegeigt ifobt. SBenn e5 ni(|t 
gefd^efien ift, fo ^abe id^ e§ über bem ,Rrieg§lärm öergeffen, 
meld^er ftdb lange um ^eibelberg Ijerumgog. 6d U)urbe in 
ber 9tä^e Don gmei ©tunben fanoniert unb gepülöert, unb ein 
paarmal famen bie geinbe biö oor bie ©tabt, bafe »ir jte 
auf bem S3erg l^erumlaufen fallen. Sie fd^offen in unfere 
©äffen herein, über 2000 6d)ritt meit unb ein ©olbat fiel 
tot um, nic^t meit öon mir, auf ber Srücfe. -hierauf 
fanben mir, bie nid[)tö ba gu t^un l^atten, für gut, unS ein 



39. 5(n gjluttcr unb @(]^i»cftcr. 26. Suli 1849. 385 

töenig jurfidfjujiel^cn. ®ie ^ßreufeen i)Qbm Ijolt auö) @d)arf= 
fd^ü^en. 3c^ öerfügtc mid^ auf mein Siwiwt^^/ ober ba war 
c§ nod^ ärger. Sie ^auöleutc pc^teten i^re ^abt, weil 
baö ^au^ am SEBaffer fte^t; eS waren Kanonen bld^t unter 
meinem genfter aufgc[af)ren, welche über ben 9Zedfar ben 
geinb ablialten foKten, welcher, im^gall er cmft^aft ange* 
griffen l^atte, wal^rfdjcinlid) biefe Äanonen famt bem ^auö, 
Dor weld^em jte ftanben, aud) ein wenig berfidfftc^tigt l^aben 
»ürbc. ©ie babifd)en ©olbaten mufeten inbeö bie @tabt 
öerlaffen, weil im SRfiden eine ©dölad^t verloren war, unb 
am anbern TOorgen rfidften bie ^ßreufeen Dor Sonnenaufgang 
ein. 3^r l^abt übrigens bie ganje Sefc^erung jc^t felbft 
auf bem ^alö^). 9Benn man nur orbentlic^ umgel^t bei 
@ud) mit ben babifd)en ©olbaten; benn eö ftnb fe^r braöe 
Äerle unb l^aben pd) tapfer gewet)rt. 

©ie ^reufeen I)aben i^ren Sieg teuer erlaufen muffen, 
obglcid^ fte bie Übermad^t l^atten. fflefonberö bie babifd)en 
Kanoniere l^aben pd) Ijelbenmäfeig gel^alten. Sie arbeiteten, 
ba eö fet)r l^eife war, im blofeen ^emb wie bie Sädfer öor 
bem SBadfofen, bei if)ren Kanonen unb waren nod) forfd) 
unb wohlgemut babei. 3^re SSerwunbeten l^aben pe felbft 
ööHig totgef d^often , bamit pe ben ^reufeen nid^t in bie 
^anbe geraten. 

©ie Srei^eit ift ben ©eutfd^en für einmal wieber ein= 
gefallen worben; boä) wirb eö nid)t lange fo bleiben, unb 



&wa 10000 SWann bcS öon ben ^^rcu^cn bepcgtcn babifd^^en 
9llcDoIutton§I)ccrc§ roarcn im Sunl 1849 auf ©^meiaer ©ebiet gebrängt 
roorben. S)te Wlutitx fc^reibt am 26. @cpt. an ©ottfrieb: „S)ic babi- 
fd^en 5lfi<Ötnnge jlnb immer nod^ I)ier; bie Äaferne ift öoD; nur bie 
^erbe l^aben bürfen nad^ i^rer J^eimat." 

@ottfri«b Äetter. 25 



386 ^etbelberg. 



bcr ^onig öon ^rcufeen wirb fid) wol^I ptcn, mit ber ©d^meij 
ansufangen. SBaJ^rfd^einlid^ merben näc^ftend bie beutf(^en 
Surften felbft cinanber bei ben Äöpfen nel^men. ffia« Solf 
l^aben fie gemeinfdfaftlici^ abgetljan, aber nun fe^t e^ behn 
Seid)enmQl|I ^dnbel ab. 

9Rit fd)nterjlid&er Überrafc^ung l^abe id^ bic öerfdbiebenen 
JobeiSnad^rici^ten gelef en ; lein einjiger SBrief f omtnt, ber niifet 
eine enthält! Sem ^einrid) laffe id^ fonbolicren *). 81« i(^ 
S)einen 93rief lad unb an ben ®a^ fam, n)o ed Dom S^obe 
feiner grau Reifet, ba glaubte id^ juerft, eS l^anble jtd) öom 
Cnlel in @Iattfelben, wa^ mir boppelt me^ getl^an ^f, 
iDeil idt) il|n fo lange nic^t befud^t unb gefeiten l^abe. 

®od^ e§ tt)irb bunfel, unb ber SBrief mufe l^eute no(^ 
auf bie ^oft. 

®en 3]lünc^ ^abe ic^ lefct^in l^ier angetroffen. 

@r t)atte feit Dftem gar nichts gu tl^un gehabt unb nun 
Don ^eibelberg au§ eine SefteUung erhalten, ©r fam ba^er 
auf ber 6ifenbal)n wie ein gurj gefd^offen, pacfte bol 
©tüdflein Slrbeit unb fu^r in ge^n ^JJJinuten wicber baoon. 
wie ber Sli^, um ja feinen föftlid^en 2(ufent^alt gu mad)en. 
6r läpt 6ud) grüben. 

Dr. ©d^ulj wirb jefet aud^ wieber in Sund) fein, ba 
er füt einftweilen wieber auöpolitijtert l^at in ©cutfd^lanb. 

®od) je^t fel^e id^ feinen @tid^ mel)r. Si« auf weitere« 
grfige id^ @ud) taufenbmal, fowie alle im ^aufe unb übrige 
Sefannte, ben ,^onrab SRorborf, aud) ben Äramer. 

ßuer ©ol)n unb Sruber 

®. ÄeHer. 



») ©efc^roifterfinb ®. tcUerS, ^^i in eoIiJSau. Sie SJhitter ^tte 
i^m furj öorl)er ben Zob 3üI). (5a§par OreUiS, S)aDcrioS jc. gcmelbet 



40. 5[n lluguft 3lboIf 8ubtt)ig gfoHcn. 387 

40* litt SUtgitfl |l>aif lit^tirig jfallett iti iSirlfl^ 0* 

33ciIicgcnbciS $cft öon tJ^ciligratl^ tourbc mir nebft 
einem an mid^ abreffterten öon QMö) auö, »o mid^ t?tei» 
ligratl) nod) öermutet l^at, l^iel^er gefanbt. 3d^ l^ielt eä bi« 
je^t jurüd, inbem id^ eö ju biefer ß^it felbft mitgubringen 
gebadjte. Sd) werbe aber fd^werlid^ biefcn ^crbft l^eimfel^ren 
unb fo fenbe id^ 3l)nen, öere^rtcr ^en ^rofeffor, baöfelbe 
burd^ 93ud){)önblergelegen{)eit ju, g^gleid^ fte benfi^enb, S^nen 
einige 9lac^rid)t öon mir gufommen gu lajfen, infofem @le 
nod) am Seben jtnb, unb öon biefem Seben ein Heine« Steile 
d)en SBoJ^lmolIen mir angel^ört, wie früher. 

®a p^e id) nun fä)on ein Sal^r lang in ^eibelberg unb 
weife üon ben Seuten in ßönd) gerabe fo ötel, wie Don ben 
2euten im SJlonbe. 3Benn bte gute 3ürc^erjeitung mit il^rem 
emig benfmfirbigen 9iebaftionömed^feI nic^t wäre, fo müfete 
tc^ fd^Ied^terbingö l^ier gu ©runbe ge^en unb fterben auS 
^Mangel an 9?euigfeiten auö ber Heimat, (gben fo wenig 
weife idj, wa« auö ©d^ulg, greiligrat^ unb anberen ^erfonen 
geworben. Sei biefer allgemeinen Sluflocferung ber ^rioat« 
öerl^altniffe, bie ftd) überall bcmerflid) mad^t, nimmt eö mic^ 
fe^r wenig wunber, bafe e« mit ben öffentliä)en ©ingen 
nid)t beffer oorwärts ge^t. 

3cl) ^abe ^ier ein feltfameö 3ö^t oerlebt. 3d) fann 
eben nid)t fagen, bafe id^ fel^r gelefirt worben bin; aber ba& 
wenige, waS id) gelernt l^abe, ^at fo gut in bie äufeeren 
grfaf)rungen eingegriffen, fo öiel 3nncre« mir aufgefd^loffen, 

*) UnooUenbeter (Sntnjurf. 9hc^t abreffiert, offenbar für goUen 
beftimmt, aber nic^t an if)n abgegangen, ogl. ©. 402. 3ebenfaU§ nic^t 
etroa für «Profeffor Cörolg (o. @. 368). 

25* 



388 ^)cibelber3. 



id) ijabe mein ©elbft, tt?clä)cö in allerlei Reinen ^fjbnöi 
unb Singen öon eitelm ®efct}macfc anfangen tooUtt gu »er* 
fd^wimmen, l^crauögerettet unb fo gu fagen neu entbccft unb 
l)ergc[tent , wä^renb ic^ boc^ meiner Statur nacft ber Site 
geblieben bin; ic^ ^abe enblid^ meine fonberbare Sugenb (id) 
bin biefen ©ommcr breifeig Sa^r alt geworben) fo runb ab 
gefd^loffen, bafe ic^ bieg Sa^r nid^t gu meinen fc^led^tefken 
gä^le. ©a§ Hingt alleö fe^r patf)etifd^; aber bie auöbrficfe 
ftnb aud) meinen fleinen Swftänben infofem angemeffen, aU 
mir baS Si^^^d^tfinben bisher fe^r fc^mer geworben ift. 

OTein SRoman wirb bie le^te fubjeflioc äufeerung irin; 
id^ bin biefe§ nergelnben SBefenS raube unb fe^r fro^, baß id) 
baS Sud) nic^t früher fertig gemad)t ^abc; faft fönnte id) 
fagen, bie 33orfef)ung ^at eö fo lange l^inge^alten , bi^ e^ 
eine ^roteftation toiber fte felbft geworben ift. — 

41* Jltt ^«Htv ittt^ ^dimtfktr* 

4)cibelbcrg, Oftober 1849. 
Siebe 9J?utter unb Sc^wefter! Scib boc^ fo gut irnb 
fc^tdt meinen $afe in bie ©taatsfanglei , bafe er wieber auf 
ein ^atjx erneuert wirb. @r raufe oora preufeifd^en ©efanbtcn 
oipert werben. 6^ raufe aber fd)neH ge^en, benn in ge^n 
Sagen reife td^ oon l^ier fort. Sd) l^abe Don ber ^Regierung 
1000 granfen beforaraen ffir SBerlin unb bie ^älfte baoon 
bereits erhalten. Sürgcrraeiftcr ßfc^er unb ©buarb Sulgcr 
^aben rair bcibe gefd)rieben, befonberS ber Ic^terc fel^r artig. 
3d) werbe auf meiner SRcife @elb eintreiben, ba ic^ auc^ 
über 33raunfd)weig fonirae; aud^ in fjranffurt l^abe ic^ noc^ 
ein Sud)t)änblergefd)aft. 



41. 2ln SKutter unb @(i^n>cftcr, Oft. 1849. 389 

3cl) braud)c jiemlicl^ ®elb, weil id) ^ler nod^ einen 
fd^iüarjcn %xad unb bito SBcfte mufe machen laffen, cbenfo 
cttt)a§ 9?euc§ für meinen alten 9Rantel. 3(f) rocrbc aber 
nur eine grobe l^aarige Äapuge laufen für 14 ©ulben. 
®anu l^abc id) für ben SBinter eine fleftricfte wollene Sinbe 
gefauft, weld)e man über ben dtod umlegt; fte gel^t mir 
gtüci 5!Äal um ben ^atö rum unb bann erft biö auf bie 
fjüfee herunter unb ift weife unb rot; id^ fel^e fef)r fomifd) 
Qu^ barin; foftet 4 ®ulben. 3d) l^abe wäl^renb beg Sal^reS 
auc^ jwei weifee SBeften mad)en laffen unb ein graueS 
©traplijierfleib. 

3d) effe f)ier oiel Srauben mit einer fd^önen unb noblen 
Sungfer, weld^e mic^ in i^rem ©arten unb SBeinberg l^erum- 
fü^rt*). 3Äeine Pantoffeln ftnb nod^ gang gut. 3d) laffe ben 
Ferren Don Sobel bafür grüfeen, fowie auc^ ben ©d^aufeU 
berger. 

3d) l^abe je^t nid)t Qtxt, mel^r gu fd)reiben, fonbem 

will ee in ben näd)ften Jagen t^un. 3c^ grüfee @ud) alle 

taufenbmal. 

©ottfrieb Äeller. 

Seiliegenben 3^*^^! fdt)i(fe bem 9J?uftfuö Saumgartner 
bei Äüfer Älaufer im SRennweg , unb baö Sud) , baö er 
bafür fd)idfen wirb, lege mir ebenfalls bei! 

^eibelbcrg, ben 7. S)ea. 1849. 

Seure ^reunbin! Dbgleid) ol^ne Berechtigung, war id) 
bod) in einer 3lrt unbeftimmter Erwartung, bafe id) l^eute 



So^anna Stopp, 



390 ^^mMbfrg. 

ober morgen no(4 ehoad greunblt^e^ üon 3^nen empfanges 
iDÜrbe. 2)ie bittere 9totn>eiibtgfeit f^iDong mtc^ ju birm 
infttnftmagigen ^offen, unb fein liebeooUer @niB fyit je feise 
@enbung beffer erfuQen lönnen, aU ^r Ie|ter Dor ^t^rfm 
Scheiben. 

Sie (Btvoi^ifdt, ba^ nic^td l(ont>entioneIled in $ifm 
.^nbütngSrodfe fein fann, ^at mir feine SBirfamg nod) oer- 
fugt. Sro^ beS leibenfc^aftlic^en £ebenS, loelc^ed tc^ fdt 
einiger S^it geführt ^obe, ^dtte idf boc^ nidjt geglaubt, boB 
es mir noc^ fo elenb gu ^Dhite fein tonnte, ald eS mir 
oergangene Stacht unb ben ^Rorgen barouf gemefen ift. 3d) 
toax bie le^te SBoc^e ^inburd) fogufogen glucflicb gen>efen; 
i(^ tannte ni(^tS SBünfdjenSioerteS me^r, al^ einige Stun« 
ben mit S^nen gujubringen; unb mar id) bei S^nen, fo 
backte ic^ in glucflic^er Sergeffen^eit meber an bie Su^unft 
no(^ an bie SJergongen^eit, nict)t an mic^ felbft unb nid)t 
einmal an @ie. ^ f^attt Don ber ganjen SBelt genug, 
menn ic^ auf ben Sergen l^inter 3^nen ober neben 3^nen 
Iierge^enb 3^re @timme fortmälirenb I|örte unb manchmal 
in 3^r @cfi(l)t fa^, ober im S^on^^^r auf 3^^^ -Oänbe 
fc^auen fonnte, menn Sie etmaS arbeiteten. 6d mar gerabe 
fein rül^mlic^er ßuftanb, unb t& ift oieQeic^t unfc^icflid), boB 
ic^ ©ic nod) mit biefen Älagcn in bie gerne oerfolge, 6ie, 
n7elct)e genug felbft gu tragen l^aben. 9ber erften^ fann \i) 
bai heutigen Sag nur baburd^ erträglich gubringen, baB 
id) irgenb etxoa^ an Sie fdjrcibe, unb bann merben Sic 
auc^, menn Sic biefe S^ü^n erhalten, äbergeugt fein fönncn, 
baß C5 mir lüiebcr frifcfter unb beffer gu 9Kut ift. 34 
tnill 2^"^" äutflnftig nie me^r Don meiner giebe f^reiben, 
fonbern ganj Dernünftig Don 3Jlenfd)en unb 2)ingen, bie id^ 



42. 9ln So^anm Äapp, 7. JDeg. 1849. 391 

fc^e, unb mit taufenb greubcn Don 3l)nen felbft unb Syrern 
@d)irffalc, tDcnn id) Sf)n^n Quf 3f)re Slufforbcrung irgcnb 
ctroaö ®ute« ober 8lufmuntcmbcö jagen faun. 5ßur mufe 
id) @ie bitten, immer unb fo lange ju (eiben unb 3u 
glauben, bafe mein $erj an S^nen l^ängt, auc^ menn id) 
nid)t§ me^r baöon fage, biö id) Sinnen felbft meinen SlbfaH 
Derffinbige; unb id) werbe fröl^lid^en ©inneS ber 6rfte fein, 
meldjer bie brücfenbe Saft Don S^nen unb mir gugleic^ 
nimmt. 2>ag bied jebod) balb gefd^e{)en merbe, baran 
jujeifle ic^ felbft. 

9Keine 3ugenb ift nun Dorüber, unb mit i^r mirb 
aud) bad 93ebärfnid nad) einem iugenblid) poetifd)en @lücfe 
fd)tt)inben; Dielleic^t, wenn e« mir in ber SBelt fonft 
gut gcl^t, werbe ic^ auc^ ein fröpä)er OTenfd), ber biefen 
ober jenen SBinterfd^manf aupl^rt. SJlein J^erj aber einem 
liebenben Sßeibe noc^ ald bare 9J{ünje angubieten, baju, 
bünft mic^, l&abc id) eS nun fd)on ju fel^r abgebraud)t unb 
werbe eS nod) ferner abbraud)en, bis eö nur oon S^n^n 
frei ift. Unb waS foUte id^ aud) mit ben ^eiligen unb füfeen 
Erinnerungen anfangen ! SHüfete id) nic^t {eben traurigen ober 
glürflic^en OToment, welchen ic^ früher oerlebt, wie etwaö 
©efto^leneö oerbergen unb oerfdjweigen? 6ö wäre mir ganj 
ärgerii(^, ju beulen, bafe id^ j. 33. bie le^te 9iac^t umfonft 
fo traurig gewefen wäre unb fte gang auö meinem ®c« 
bäd)tniffc oertilgen müfete. 

3d) ^atte gang feft gefd)lafen bi« gegen 9)Jorgen. Slber 
um l^alb brei U^r erwad)te id), wie wenn ic^ felbft oerreifen 
müfete. SBä^renb id) munter würbe, lam eS mir nad) unb 
nad^ in ben @inn, warum c§ fid^ ^anbelte. 3d) ging an§ 
genfter unb fa^ jenfeitö be§ 5Redarö Sid^t in ^ifxmi ßintmer; 



392 ^etbelberg. 



e5 ftral^Ite l^cH unb fiill burd) bie ^eHe SBintcrnac^t imb 
fpicgcltc ftc^ [o fd)6n im Sluffc, wie td^ cö nod^ nie 
0cfel)en. Dbglcid) öon ©d^Iaf feine SRebc me^r war, jo 
l^ötte id^ bod^ um leinen $reid ein 2tc^t angejfinbet, cms 
Surd^t, ©le möä)ten eö bcmerfen; unb id^ tnoKte S^ncn 
mein armfeltge« Silb niä)t noc^ aufbrängen bei ^m 
fonftigen Aufregung, ^adj einiger Qüt glaubte ic^ einen 
äBagen ^inaudfo^ren gu l^ören, unb balb borauf roQte er 
äurüd über bie Srüde. 3e^t gel^t fte, badete ic^, brficftc 
mein ®eftc^t in baS Äijfen unb fül^rtc mid^ fo fc^Iec^t auf 
wie ein ^nb, bem man ein ©tüdf Qndttbxot genommen 
l^at. ©en ganjen Vormittag war id^ bumpf unb tot unb 
[agte mir: biefe S^H wirb auc^ öorübergel^en ! 3a, fonber* 
barer 2Beife mifdt)te pd) in meine Srauer ein ärger über 
jene fal^Ien Saläre, wo id^, wie id) oorauSjufel^en glaubte, 
über meinen je^igen ©d^merg lädt)eln würbe. Unb gerabe aul 
biefem ärger laufd^te eigentlidt) nur meine eingige Hoffnung, 
bie Hoffnung auf jene Qdt ber SRu^e unb Unbefangenheit. 
@§ war ber altbelannte ©trol^l^alm beö ©rtrinlenben. 

©a brad^te mir gjtajcO nad^ SifdE) S^r aOerliebtteS 
Sriefd^en, weld^eö mir wie eine ©onne aufging. S^rc 
lieben 2Borte oerfe^ten mic^ balb in bie Slormalftimmung, 
in weld)er ic^ nun längere ß^it bleiben werbe. IJd^ würbe 
fo aufgewedft, ba^ iä) ftngenb in meinen papieren ju framen 
anfing unb @ie auf eine 58iertelftunbe rein öergafe. ffiarauf 
mad^te id^ einen tüchtigen ©pajiergang unb würbe wieber 
traurig; unb nun fd^reib' id^ an ©ie. ^d) faun 3^nen 
nid^t fagen, wie weid^ unb linb mid^ 3f)r SSBunfd) übep 



*) 3o^aitna§ ©ruber. 



42. 5(n So^anna Stopp, 11. JDej. 1849. 393 



fommcn ^at, bafe id) S^nen unter allen SebenjSDer^ältniffen 

gut bleiben möd^te! ®a§ ift bod^ ^albwegS baS, roaö id) 

geu)ünfd)t l^abe, eine ^eimat in einem eblen unb üerftänb:» 

niöreid^en roeibltdöen ^erjen; unb ntel^r will id) je^t nic^t. 

^d), id) glaub', id^ fd)reibe immer baö ®leid)e. ©aS 

ift ein fe^r langweiliger Srief für @ie; aber id) fd)reibe il^n 

nur für mid)Or ®ic brauchen i^n nic^t auf einmal gu lejen, 

xinb wenn eS 3^"^" unbequem ift, benfelben aufgubewaljren, 

fo öerbrennen Sic if)n fogleic^. Sc^ will fünftig Aber 

anbere ®inge fd^reiben unb nid^t mel^r fo Diel, ^eut* Slbenb 

roiH idE) ju ^ettnerS ge^en, bamit id^ bod) etwa« Don 3l)nen 

fpred^en l^öre. 2Benn man ©urft l^at, fo ift fd)led^te« 3Baffer 

beffer alö gar feineö. Sie werben je^t in Stuttgart fein. 

fieben @ie rec^t wol^l! 

S)cn 11. ©ejember. 

3d) weife nod^ nic^t, wenn bieg Rapier fortfommt, unb 
will eö nod^ Doli fd^reiben. 3d) war feit S^rcr Slbreife fc^on 
gweimal in Syrern elterlichen §aufe, l^abe aber nur 3^re 
^JJlutter gefeiten , inbem 3f)r SSater, Don früf)eren SBefuc^en 
ermübet , auf feinem Si^"i^i^ w^r t ^^^ id) il^n burd)au§ 
nid)t ftören modt)te. 3f)re ?!Rutter fprid)t ju meinem großen 
Vergnügen fe^r Diel Don 3f)nen. 

Sei ^ettnerS ^abe id) le^t^in fc^led)te ©efd^äfte ge«» 
mac^t. 3d) traf 9Jtolefc^ottö bort. $err 3)?olefdt)ott lag 
einen Slbfd^nitt auö einem biätetifd^en SBerfe Dor , ba§ er 
fd^reibt, baö Äapitel über junger unb ©urft'). 60 fam 



*) 3)er iörief ift nie an 3oI)anna abgegangen; er befinbet f!c^ 
unter ^eHerS papieren. 

^ Hntcrfud^ungen über ba§ SRa^rungSbebürfniS ber aWenfc^cn. 
^leubearbettung Don 2:iebentaTinS brittem I93anbe ber ^l^^fiologie. 



394 ^eibelberg. 



barauf l^inaud, bafe man ftcrbcn müffc, rpenn man nidjt^ 
mc^r cffc unb trinlc, roa& mid) jel^r frappierte. äHIerlri 
l^äg(id)e p^q{toIogifd)e äludbrfide trug er, um bie ^ide ^ 
Dcrgolben, mit einer @orte Don ffigem $at^od Dor, mtUit 
mir, tro^ meineö ßlenbeö, einen 'abfc^eulidjen Sad^frampf 
Derurfad)te, roaS mir faft übel belam. SSoii 3^neu aber 
U)urbe lein SBort gefprocf)en, atö einmal flud^tig, ba^ §te 
nun in 9Jlünd)en jein werben; unb als ic^ fagte, Sie feien 
erft ^eute fort, jo bcbauerten fte, nid)t nod^ einen Sefuc^ bei 
Sinnen gemad)t ju ^aben. @o mu^te id) burftig wieber 
abjiei^en, unb bie guten Seute l^aben mic^ unbetougt am 
beften beftraft für meine gel^eime geinbfeligfeit unb für meinen 
Unbanl. 

gür 3t)re 5}eild)cn banfe ic^ ^erjUd); ftc liegen in 
3^rem Sricftäfdjc^en, unb wenn ber Ort, xdo biefee liegt, 
eine Slu^eftätte genannt werben lann, fo ^aben bie S3lumen 
aKerbingS eine fold^e gefunben. 3c^ ^atte fte bajumal in 
einer meland^olifd) wiberfpenftigen Stimmung fafl abfid^tlic^ 
auf S^rem S^nfterfimS liegen laffen unb eö nac^^er fc^r 
bereut; nun ^abc id) fie boc^ nod) befommen. 3d) nwc^^ 
mir manchmal SSormürfe, unb ic^ weife nic^t, ob id) jie 
meinem ganjen @efc^led)t mad)en foll, bafe id^ fo wenig @^ 
fd)icf für einen unbefangen anmutigen Serle^r ^abe, baß i4 
erft burd) bittere 6d)merien lernen nmfete, mein ©efü^l in 
Sanbc ju legen unb mid) in einer fdjönen grcunbfcl^aft fro^ 
jured)tiufinben , ftatt gleich Siebe ju begehren unb geben ju 
wollen. 

6ö fornmt übrigens öielleidjt Don bem Der^ältniemäBig 
fleincn Segriff, weld)er ftd) in SBejiefiung auf greunbfc^aft 
überhaupt nad) unb nac^ in mir auSgebilbet ^at. 3d) muß 



42. ^n So^anna Äapp, 11. 2)ej. 1849. 395 

wirfliä) offen gcftel^cn, bafe mir bic t?tcunbfd(aft feine grofee 
fiücfe in meinem Seben auöfflUt. 6ö Derfte^t jtci^ bei mir 
Don felbft, bafe ade tüditigen unb offen^erjigen Seute ftc^ 
gegenfeitig gut ftnb, bafe bie ©leic^gefinnten jufammenroirfen, 
bafe man fid^ l^ilft, mo man fann, jtd) bulbet unb feine 
^Meinungen HebeDoIl auötaufd)!. SBaS aber hierbei fftr bie 
tiefften unb innerften ^ergenöbebfirfniffe ©enügenbeS tjerauS- 
fommt, baö fel^' id^ nidjt red)t ein. ?Ölan wirb fo oft ge* 
trennt; id) ermerbc mir neue S^eunbe, meldte mir fo lieb 
werben, wie bie früheren; biefe il^rerfeitS t^un baö ®Ieid)e 
unb fo entfielet ein groged ©emebe oon guten unb mannid)« 
fachen ßl^arafteren, n)eld)e oon einanber ^ören unb oft @ ine 
gemeinf(^aftlid)e @Qmpatl^ie l^aben. Slber gerabe baburd) 
wirb bie grcunbfc^aft mel^r öffentlich, fojial unb mid) bfinft, 
ba«, maS jtc fein foH unb am beften ift. 6S mag eine 
Seit gegeben ^aben, mo bie grofeen leibenf(^aftlid)en unb 
ibealen greunbfdtiaften gerechtfertigt waren; je^t aber, glaube 
id), ftnb fte e« nid)t met)r. Unter ben SRännem wenigftenö 
fd)eint e§ mir je länger je mel^r unpaffenb ju werben, wenn 
gwei fo etwaö rec^t 33efonbere§ unb 6;rquiftteS unter ftd) 
Ijaben wollen; eö ift unbürgerlid) unb unpolitifd). @ö ift 
fd^ön, wenn fid^ Sugenbfreunbe i^r gangeö 2eben burd) fo 
lang alö möglid^ aufmerffam unb treu bleiben; aber ber 
innerfte l^eifee junger beö ^erjenö ^at baoon nid)tö, bei 
mir wenigftenö nic^t. 

3n Sejie^ung auf Stauen ift eö etwaö anbereS; aber 
aud) ba mufe id^, wenn idö für eine einjelne eine red)t ^in» 
gebenbe ^freunbfc^aft befommen foll, juerft geliebt l)aben, ober 
öielmel^r id^ lenne ^ier feinen Unterfd)ieb jwifd)en beibcn 
9Jeigungen, unb baö SBol^lwonen, ba§ ic^ ffir bie Stauen 



396 4)eibc(bcrg. 



im altgcmcincn empfinbe, ift burd)auS feine f^eunbftfeoft, 
wenn jte mir aud) noci^ fo nal^ [teilen: e§ ift nur artigWt. 
3u meinem Stadtteil Dermijfc id^ leibcr eine gefeüfc^apc^ 
Siugenb, jenes unjd^ulbige Äofettieren unb grcunblic^t^un 
bei faltem Slute, womit Diele junge Seute fid^ fonft bal 
fieben angenel^m mad)en. 

D je, maS ift bad ffir eine langweilige $rebigt! & \% 
wie id) ed fiberlefe, boc^ nid)t alleiS wal^r! Sber ic^ lorni 
mid^ je^t nicl)t recl)t auSbrüdfen. 3^ banfc fe^r für gub^ 
wig t^euerbadid &m^, Sei biefem älnla^ möchte ic^ @ie 
bitten, nic^t fo entfd)icben refigniert in bic Sufunft ju 
blidfen ; gwei, brei näd[)fte S^l^re lönnen fold^e Seränberungen 
unb Umwäljungen in weiten wie in engeren SBcrJ^ältniffcn 
^eroorbringen , bafe Diele 3fiüdfftd)ten öon felbft fd^winben, 
anbete aber gur Seite ju werfen , bie erfte ^pic^t werben 
fann. 6§ fann einen fold^en ©urd^einanber geben, bafe 
alle§, xoa^ pc^ liebt, feft aneinanber Hämmern mufe, o^nc 
bafe bie anbem beöwegen fcl)limmer bran finb. Sur bie 
^alb^eit l^at gar feine 3wfwnft. S^g^n ©ic mir bie§ nic^t 
als Seid[)t{tnn au§, ic^ bin eben fe^r befümmert ffir Sie. 
£eben Sie fo glüdflid^ unb Reiter als moglid^, Sie fomien 
e§ gewife unb fagen eS ja felbft! ^6) l^offe balb Don S^ren 
gortfd^ritten in ber Äunft gu ^ören; ob id^ wo^l jemate 
etwas Don 3^nen ju feigen befomme? 

3^r ergebenfter ©ottfr. ÄcHer. 



^eibelbcrg 1849. 
Schöne 93rü(fe, l^afl mic^ oft getragen, 
2Benn mein ^erj ermartungSüoQ gef(^(agen, 
Unb mit bir ben Strom ic^ überfd^ritt. 



43. 3ln gerbinanb greiltgratl), 4. OKara 1850. 397 

Unb tnic^ büntte, beine fioljen Socken 
®inb in tül^nertn «Sc^munge mitgejogen, 
Unb fte fül^Iten meine f^reube mit. 

3Be^ ber S^äufc^ung; ba ic^ je^o fel^e, 
SBenn ic^ fc^meren Seibd l^inttbergel^e, 
a)a6 ber Sajt fein 3[oc^ flc^ fül^Ienb biegt! 
®oQ ic^ einfam in bie Serge gelten 
Unb nai) einem fc^mad^en (Stege fpdl^en; 
3)er ft(^ meinem Kummer jttternb fügt? 

9ber fie mit anberm äBel^ unb Seiben 
Unb im ^ergen anbre ©eltgfeiten, 
Xrage leicht bie blül^enbe ©t^aW, 
©(^öne 93rücfe, magP bu ewig ftel^en: 
(Smig aber mirb e3 nie gefc^el^en, 
3)a6 ein beffreS SBeib ^inübermaOt! 



Siebet gteunb! 3^ mufe einen Sd)u6 tn§ Sloue t^un, 
ol^nc gu wiffen, ob id^ treffe. 3^ reife nämlid) gegen 6nbe 
9Jldrg nad^ Serlin, über Äöln unb möd)te, im %aU ©u 
nod^ in le^terer ©tabt bift, ®ic^ natürlid^ gern feigen, foroie 
©eine üere^rte %xa\i unb ©eine Äinber, beren S^l^l mir 
bato unbefannt ift. Sd^ l^abe fo lange nid^fö me^r gehört, 
aufeer ©einem lieben roten ©efc^enfe oom Sanuar 1849'), 
loelc^e« id) aber erft gu Oftem 1849 in ,!^eibelberg erhielt, 
in weld^em 5Refte id^ mid^ feit anbertl)alb Sauren aufhalte. 



S)iefcr S3rief beflnbet fid^ in Jßriöatbefit in ©reifSmalb unb 
ift mir oon ^erm stud. phil. 6. Siegler auS ©t. ©aßen freunb(id[ift 
mitgeteilt njorbcn. 

>) „(^n ®Iauben§be!enntni§". 



398 ^eibelberg. 



®od) tDiH id) jcfet nid^tö toeiter [d^rciben, ba td^ niä)t »eife, 
ob tiefe Seilen ®tci^ pnben. aifo gleid^ gum Qtotd: fei 
fo gut unb fenbe mir ©eine genaue abreffe, wenn ®u »irf* 
lid) nod) in JtöQen bift, bantit id) mic^ nic^t lang l^ennn« 
quälen mufe, inbem ic^ nur einen Sag bort jubringen faim. 
®amit ©u nid^t etwa üermuteft, id^ reife afö SRo^aliil 
nad^ Serlin, um meinen 9lamenSt)etter unb 2anbi8mann*), 
ben fauberen Patron, bort gu fehmbieren, melbe ic^ bod) 
noc^, bag id^ bed Sl^eaterd wegen l^ingel^e, inbem id^ mic^ 
für einen ber 9Jleffiaffe l^alte, meldte bie beutfd^e Sü^ne oier 
ffiod^en lang üerHären. 

auf gut ©lürf! ©ein 

©ottfrieb ÄeDer. 

^cibclberg, ben 4. 3Hdrg 1850. 

3c^ freue mic^ fel)r, ©id( miebergufel^en*). 

') grtebric^ Cubroig ÄeDer (1799-1860), ber bcfanntc Söti^cr 
dtt^i%U^xn, feit 1847 an ber Hnlöerjität in ©crlin. 

*) gfreiligrat^ an ©ottfr. ^tUtx, ^öln, G. gWdrg 1850: „3* freue 
mxä) oon ganger @eelc auf unfcr SQBieberfe^cn, Heber Äcller! SBie S>u 
fiel)ft, lebe ic^ nod^ in ^öln, unb bafelbft (bie S3Iinbcn in ®cnua 
fennen groar meinen 2:ritt, bo6) fei e§ 2)ir uiiDer^oI)Ien) in ber So^onniS- 
ftrafec !Rr. 26. !Rimm, ©enn S)u mit bem ©ampffc^iff anfommft, fo 
fort eine S)rofc^fe nac^ meiner SGBol^nunfl unb feiere nic^t erft im @aft« 
f)ofe ein! ^ad foflet 2)ir nic^t nur fc^mfi^Iid^ed &tlb, fonbem raubt 
unä auc^ ©tunben, bie wir beffer bei einanber auf meiner ^eipe 
filmen, allein @(i^IaffopI)a ift fuperb gepolftert unb mirb ed fl(^ an^t* 
legen fein (äffen, S)i(^ nad^ Söürben gu empfangen. — aber matum 
miUft 2)u nur einen Slag l^ier gubringen? M(t)U 2)i(^ bo6) auf längere 
Seit, richte S)ic^ boc^ roenigftenö fo ein, ba^ ic^ S)i(l^ auf einen %a% 
md) S)üffeIborf füf)ren, S)ir öeffingö neuen ^ufe (ben auf bem Setter- 
t)aufen) geigen unb S)id^ mit einigen ber jüngeren j^nftler befannt 

mad)en fann. !Run abieu, lieber ©ottfrieb Don (SJIattfelben! 

Schreib' mir balb ba^ 5»äf)ere über S)eine Slbreife unb bann ^wb in 
^anb unb aug in 5(uge! Sd) l)offe, mir ftnb unS gang bie alten 



44. S(n gerbtnanb grciligrat^, 4. ^pxxl 1850. 399 

Sicbcr S^ciligrat^! 3d) bin nun bod) frol^, bafe id^ 
meinen ©d^ufe probiert l^abe, ba er mir ein \o ebleö beleibte^ 
SBilb getroffen l^at, unb eö bleibt alfo babei, bafe id) in 
einigen Jagen ©id) auffud^e*). ®aS @d^o meineö ©d^uffeiS 
tt)Qr mir eine gonj ungeu^ol^nte unb lieblid^e ^lujif, unb tok, 
wenn man einen fetten Sluer^al^n gefc^offen l^at, rool^l eine 
5E8eile nad^ bem ©d^ufe unb %aü etwa nod^ eine fd)önc 
©d^roungfeber au« bcr Suft fällt, fo traf barauf ©eine „SSenuÄ'' 
nad^flingenb ein^), gerabe al« id^ mid) mit ben @(ert)inudfd^en 
©albabercien über ©^afefpeare befd^äftigte. @in gebrudfter 
©anf für mieberl^olte @aben wirb enblic^ l^offentlid) im 
Saufe biefe§ ©ommerö erfd^einen. ©o Diel, wa« ba« 2lu«* 
bleiben beS „®rünen ^enrg" betrifft. 

aSaS bic reid^e Sübin belangt^), fo bin id) immer noc^ 
ju ^aben, unb gerabe eine Sübin ift nidt)t fo übel; nur 

geblieben. @S ift einem rod^renb ber legten iwtx Saläre fo manche« 
in 2:rümmer gegangen, bag man &o\i banfen mug, menn man fid^ 
loieber einmal einen orbentUc^en Äerl au§ ber großen glut l^erauS» 
fifc^en fann.'' 2Ö. S3ud^ner, gerb. gretUgratl^ 2, 229. 

») fjreiligratl) an ^efler, ^öln, 6. OKdrg 1850: „S5etn ©c^ufe inS 
IBIaue ^at gut getroffen. S)a§ ift freiließ !etn SBunber, ba ic^ töglid^ 
bicfer roerben foll unb fomit für gfreunb unb geinb eine immer 
meniger ju fel)Ienbe Bi^Ifd^^^^ abgebe." SGB. Suc^ner 2, 229. 

2) „SJenu§ unb SlboniS'' nac^ @]^a!efpeare. 

*) Sreiligrat^ Hagt in bem angefüf)rten 53riefe fd^erjenb, bafe 
j^eller feit jroei Salären nid^t§ me^r oon fld^ J)ören liefe: „Äein ,,@rüner 
^einrid;" pochte an meine 2:t)ür, um ^unbe oon SHr ju bringen; feine 
3eitung melbete, „ber frifc^efte S)id[|ter ber jungen ©c^meij" l^abe eine 
reid^e Sübin gef)eiratet ober menigftenS bem SReid^StagSbeputierten 
2BiIf)eIm ©diulj [ber fic^ in^mifd^en mieber oerf)eiratet f)atte], ein erfteS 
^inb aus ber 2:aufe get)oben." 



400 ^tbelberg. 



ntüfete baS „rcid(" gcjirid)cn ©erben; bcnn id^ f)alte ee fojl 
für baö einjige juüerlafjige ®enie*©9mptom an mir, roeira 
id^ 3U groeifeln beginne, bag ic^ notoenbig ein armer @c^Iudfer 
bleiben werbe. 

©en britten $nntt mit ber ^nbötaufc betreffenb, jo 
i[t ber wefentlid^fte ©egenftanb berfelben ba ju fud^en, m 
ber beutfcl)e Äaifer geblieben ift; obgleich t(j^ nic^t in Sfe 
rebe [teilen will, bafe ber fraglid^e Url^eber mel^r guten 
SBillen jur ^Option unb ©arftellung beS erfleren alö bc^ 
le^teren gel^abt ^aben unb üielleic^t nod) ^aben mag. 

J^aben nun unfere grofeen ?Jrofai[ten nic^t§ ©rfledflic^e^ 
JU ftanbe gebradjt, fo erfreut e« mid) um fo me^r, auö 
©einem ©riefe ju erfel^en, bafe e« ben SDtännem ber gebum 
benen SRebe beffer ergebt, unb i(^ merbe ©eine gmeifüfeigen 
SBerfe nid^t mit bem fritifc^en Suge be§ ^errn SB^SHfdjer 
ju Tübingen, fonbem mit ber eingenommenen SSorliebe eine^ 
alten $erm SBetterö betrachten unb bemunbem. Snbe^ allen 
JRefpeft öor 3BiI^elm @d)ulj: er ift menigfien^ einer ber 
toenigen ©rauföpfe öon Slnno S^bal, meldte meber Sl^oren 
noc^ Schufte gemorben Jtnb. 

3d^ \)abt md) einen 9ieif egefäl^rten , einen @c^meiäer= 
ftubenten, ber ebenfalls nad) SBerlin reift. 65 lommt nun 
barauf an, ob er fid) feinerfeitö bie 3^it in jtöln Dertreiben 
fann, in welchem %aüt \d) aud) jmei Sage bei @uc^ öcr= 
lüeilen fann; nacft ®üf|eIborf fommt er gern mit, falls S)u 
Seit ^aft, ©einen freunblic^en 33orfc^lag ju öermirflid^en. 
Db id) bei 6uc^, freunblid)en unb lieben ßeutcn, auf bem 
©op^a lagern merbe, fommt barauf an, ob baS @d)iff bei 
Sag* ober 9^ad^tjeit in Äöln lanbet; benn im legten §qK 
bredje id) nur ungern aud) in ba§ gaftfreunblid)fte ^ou^ 



44. 5(n Sferbinanb gfrctllgrat^, 4. 3rpri( 1850. 401 

ein. Dbglcidö i^ witd^ oucfe freue auf ein öemünftige« SCßort 
unb einigen Unftnn mit ben Äinbern gwifd^en ©einen öier 
SBänben, fo l^offe id^ bei), ber SBeg nad^ bem Äolner ©om 
fei öon ©einer SEBol^nung nid)t fo furj, ba^ wir un« nid^t 
etiDQ nac^ einem SRul^epunft umfd^auen müßten. SBir moQen 
mit Sntereffe in ber Ȋderen SRuine l^erumfteigeu; wenn id^ 
mid^ audö wnt ben iQuforifd^en Snl^aber beS ©ebäubeö nic^t 
Diel flimmere, fo leibe ic^ bod^ nod^ genugfam an ©ermano* 
manie, um mid) an bem leeren §aufe gu freuen. 

3dö l^abe fd^on fo mand^e fcf)öne ©d^ale o^ne Äem 
begafft, bag biefe auc^ nod^ l^ingel^en mag. SBir Tonnten 
aQenfaQiS fiber bied 2:^ema ein ©efpräd) l^alten im ©om, 
wobei idö an ßbuarb ©uQerö ©teQe treten würbe'). SBir 
würben babei, in angemeffener ©iftan3 oon einanber, ble 
Slrme oerf d^rSnfen , ben redeten ober ben linfen §"6 öor« 
fe^en, bann ben 3lrm auöftredten unb wieber eingießen unb 
un§ jule^t feierlid^ bie §dnbc reid^en ober brol^enb abgelten, 
je nad^ bem 3[u§gange. 

5c^ empfel^Ie mid^ ©einer öerel^rten fjrau, ber Äätl^e, 
bem SBoIfgang unb ber Suife, je nad^ bem S8erfiänbnif[e 
unb ber 8luffaffung§fraft, me^r ober weniger bringlid^. SBenn 
id^ Äätl^d^en nid^t mel^r fenne^), fo l^alte id) entfd^ulbigenb 
entgegen, bafe fie mid^ wa^rfd^einlic^ aud^ nid^t me^r fennt. 
©0 pflegte idö in früherer S^it/ Ql^ w^n nod) nid^t baran 
oergweifelte, jum Iateini[dö unb grled^ifd^ Semen mic^ ju be= 



grciligratl^ unb (gbuarb S)uUcr l^attcn 1841 bcabfid^tigt, ein 
Stölntx S)ombau-2(lbum J^erauSaugebcn, bcffcn (grtrag bem 5lu§bau beS 
S)om8 bienen foflte. 

'; „St&if)t, bie SRapperfd^iDijlerin , wirft S)u nid)t mel^r fennen'' 
a. a. D. 

®ottfrleb «eDer. 26 



402 ^cibclbcrg. 



wegen unb mid) beöna^cn üielfditig plagte, gu entgegnen: 
^omer i^obe mid^ aud^ nic^t gelefen unb fei bod^ ^in paffablcr 
©id^ter gemorben. ©d^on feit fed)§ Safjren neunte i(^ mir 
jeben SRonat öor, englifc^ gu lernen, unb jebcn 3Konat t^u' 
icl)'iS nid^t, unb wenn ©u, lieber greiligratli, nod^ uiele fold^c 
Überfe^ungen gu Sage förberft, wie bie le^te, fo geb xif^ 
am @nbe aud^ gang auf; benn ber „Simeö" wegen lo^nt es 
ftd) nic^t ber ^fi(|e. 

2Bie ic^ mit bem lieben ®ott [tel^e»)? ®ar nic^t! 
Subwig fjeuerbad^ unb bie Äonftitutionellen in granffurt 
nebft einigen groben pl^^ftolagifd^en j^enntniffen l^aben mir 
alle lu.ruriöfen Sräume öertrieben. ©ie rationelle gWonarc^ic 
ift mir in ber JReligion fo wiberlid^ geworben wie in ber 
$olitif. SBaö goQen bagu fagen würbe, weife ic^ nod) nic^t; 
benn id) l^abe i^m nod) nic^t gefd^rieben, weil er feit einiger 
Seit nid^t gu fprec^en ift über fold^e ©inge. @r l)at jt(^ 
nämlid^ üor gwei Salären ein altes ÄafteH gefauft, im S^ur^ 
gau, namenö Siebenfelö, mit furd)tbaren Serliefeen, türmen, 
5al!enneftern, einer SBrüdfe u. bgl.; bagu gel^ören 500 3Rorgen 
2anb, grofeenteilö 3Balb unb Woor, auö weld^em er ftd) be^ 
ftrebt, 100 ©d^weine, 30 Äül^e unb ca. 20 gKenfd^en ju 
füttern, ßr ^at fein gange« Vermögen ^ineingeftectt unb 
alfo genug gu t^un, wenn er feinen beiben ©belfrdulein, bie 
wirflic^ red^t feine OTäbc^en pnb, nod^ etwag Sut^ „jur 
SCBat'' l^interlaffen wiH; ba fann er feine at^eiftifd)en »riefe 
braud^en. ©r wäre im ftanbe, träfen il^n folc^c am Pfluge, 
bafe er im 3orne biefen famt ben ftattlic^en Dc^fen in ben 



») „apropos - roie ftcf)ft S)u jeftt mit bem lieben Oott, unb 
n)a§ mac^t gofleniuS?" a. a. D. <B. 230. 



44. «n gfcrbinanb Sfreiligrat^, 4. Sl^ril 1850. 



403 



©rbSbobcn l^incinfcl)lüge. ^criDcgl^ i[t je^t in S&nä), feine 
Stau foQ raud^cn »tc ein ©d^ornftein. 

m& iä) @ott unb Unfterblic^feit entfagte, glaubte ic^ 
juerft, id^ »firbe ein befferer unb ftrengerer ?!KenfcI) werben; 
ic^ bin aber meber beffer nod^ fd^Ie(^ter geworben, fonbem 
gang, im ®uten wie im ©d^Iimmen, ber 8llte geblieben unb 
ülfo aud^, faßd 2)u mic^ fo nod^ braud^en lannft, ffir 2)ict), 
lieber fjteunb, unb gebenfe ed nddifienÄ in ffigura gu geigen. 

auf SBieberfe^enl ©ein 

©ottfr. ÄeHer. 

^eibclberg, ben 4. Äprll 1850. 

3c^ reife nun bod^ allein unb baö am 6. (Samötag«), 
werbe in Waing über ?Rad^t bleiben unb ben anbem Sag 
baS Schnellboot befteigen. 



26' 



|ttt^att0. 



1. ^mtnhitit. 

3u ®. Iff. gamtitc. 3)ic ©rogeltcrn ©ottfricb flcttcr« 
üäterli^crfcitä finb: JRuboIf ÄcIIcr, Äüfcr in ©lattfelbcn, geb. ?, 
Dcrc^cItc^tcfi^am8.3uml790mtt®Itfabct^amberg(gcb.5.Oft. 
1771), parb am 2. 3uni 1795. (Seine SBitme heiratete fpäter SRubolf 
5)enjler, Ätifer in ©(attfclben. SRubolf ÄeDer f^atit gmei Äinber: 
3ol^. atubolf, ben Sater ®ottfrieb8, unb SRegina, geb. 5. SKai 1793, 
feit 1816 mit ^artmann SIKe^er, gen. 3We^Ii, Sanbmtrt in ®latt* 
felben »erheiratet. — ©rogeltern mütterlt^erfeitS: Sol^ann^ein* 
ric^ (Sc^eu^jer aud 3^^^/ geb. 24. SJJärj 1751 , Sl^trurg in 
©tabel unb ®lattfelben, fopuliert 1784, feit 1805 SKitglieb be» 
aSejirfSgeri^teg in Süla^, geworben 23. a»ärg 1817. ®r mar 
feit 1786 üermäl^It mit einer S3äelf^*9?euenburgerin Äatl^arina 
(6aton) atägig (1754—1818), urfprüngli^ au8 ©rta^, Äanton 
Sern, flammenb. Äinber: ^einrid^, geb. 1786, gejl. 1856 aß üielbe* 
f^äftigter ^rgt in ©lattfelben (ber Ol^eim be8 3)i^ter8) unb 
(glifabet^. Der D^eim »ar feit 1808 mit Slegula %xtt) Don 
@(attfe(ben üerl^eiratet. 3laii bem Sobe bed alten ©d^eu^jer ent* 
flanb gmifd^en feinem ®o^n unb beffen ©^»ager, Drechsler Äetter, 
ein SeilungSflreit, ber im Oftober 1821 bur^ einen SSerglei^ bei* 
gelegt mürbe. 

Die eitern: 3o^ann 5RuboIf Äeller, geb. am 3. 3uli 
1791 in ©lattfelben, fopuliert bafelbjt am 3. ÜMai 1817, gejtorben 
am 12. Äugufi 1824 in 3tiri^. ©ottfrieb Äetter l^at forgfältig 
bie Stummer 34 be« „gürci^erif^en 9Bod^en*S3Iatte8'' öon SWontag 
ben 28. Slpril 1817 aufbemal^rt, in meld^er ba8 Slufgebot feiner 
ettern mit folgenben SBorten gebrutft ifl: 



408 lln^ang. 

„Vergangenen (Sonntag ift folgenbe @^e verfünbet uorben: toi 
ber ^ebtger«@emdnb. ÜRftr. ^§. Slubolf ÄcHer oon ©lattfelben. Sati- 
31. ©Hfabet^a @(^eu(^ger »on ^ier." 

(Sltfabet^ @^eu(^jer, geb. am 7. ^Degember 1787 in 
©lattfelben, getauft am 9. SDejember; 2;aufpaten: ^atob SBafer, 
S^irurg, unb (Süfabetl^ S3(untf(^It, geb. Söget. ®ie ftarb am 
5. t^ebruar 1864 in 3^^ unb liegt begraben auf bem ftird^^of 
ber ^ol^en ^romenabe. @rabnummer: 1935. ^inber: 

1. Slegina "(glifabetö („©eti"), geb. 1. gebr. 1818, gefbrben 

15. 2»ai 1822. 

2. ©ottfrieb Äeller, geb. 19. 3uli 1819, gejt.l5.3ufi 1890. 

3. änna Äatl^arina, geb. 17. SRoo. 1820, gefl. 22. SKai 1822. 

4. SReguIa, geb. 1. ü»ai 1822, getauft 4. 2Rai 1822; ?aten: 

$and ^einri^ @^eQer oon Ailc^berg unb Slegula ifaubt, 
geb. äbcgg; geft. 6. Oft. 1888; begraben auf ber Ste^olp. 

5. änna (güfabet^, geb. 1. 3uli 1823, geft. 26. Suü 1824. 

6. 3ol^ann SRuboIf, geb. 8. Oft. 1824, geft. 9. Oft. 1825. 

a)ie aRutter &. J^eQerd oer^etratete ft^ nac^ bem !£obe i^red 
aßanneS am 6. 9Rärj 1826 mit bem SDre^dler Safob Sßilb, geb. 
1797, oon Oberftrag. 3)ie (gl^e mußte nac^ furger 3eit (1830) ge* 
ric^tltc^ gefc^ieben »erben. 

3u @. 8. m^ ©eburtd^aud ®. J^eQerd ift fu^er bad ^axA 
gum ®oIbenenS35infeI (jeftt 9?eumarft 9?r. 27, mit einer ®ebenf< 
tafel oerfe^en) ermittelt, »o bie @(tem nad^ bem gang guDerldfftgen 
Sergei^niß ber ®tabt*©ürgerf(^aft oon 3öric^ gu 9?euj|a^r 1819 
no^ mol^nten. 3m 2ln^ang gu bem Sürgeretat jeneS 3a^re^, b^ 
titelt: „Sergeic^nig ber ^Infägen in ber @tabt 3üric^ auf bad Steu« 
|a^r 1819. 3((3 9k(i^trag gum 93ttrger«@tat herausgegeben oon 
^einri^ ^ofmeifter, ©tabtfc^reiber,'' ift nämli^ ©. 35 bie gamilic 
folgenberweife aufgefül^rt: „$ang Siubolf Äefler, S)rel^ »on @Iatl« 
felben (geb. 1791). ffio^nt ©eftion II, 306 (entfpric^t bem ^®ol* 
benen SBinfel'' ). JJrau: eiifabetl^ e^eu%r oon 3üri(^, geb. 1787, 
fopuliert 1817. Äinber: ©ne minberjäl^rige loc^ter.** Sotcr 
ÄcOer l^atte fc^on bamalS bie 9!ßerfftätte in ba« $au« gur „®i(^el' 



Sugcnbjcit. 409 



am 9ttnbermarft verlegt, momtt au^ eine bte Sejei^nung „Stinber« 
martt" tragenbe Srtefabreffe ber SKutter com ^erbjl 1817 in 
Überetnfltmmung ju bringen ifl. ^iadf^tx flebelte bie t^amiUe 
ÄeOer in baö ^au^ jum ©reifen am SRinbermarft Qeftt Äaffee 
3tt>ingli, SRinbermarft 9?r. 20) über, »o fie ft^ bei 3ii^^U^wieb 
$eg einmietete. S)er j(auf bed fc^rög gegenüberliegenben ^aufed 
jur ®i^el (jeftt SRinbermarft 9?r. 9, E^arcuterie SWörfer, eben* 
faOö mit einer ©ebenftafel üerfe^en) »urbe am 12. 3)ej. 1820 
notariell gefertigt; ber Jtaufpreid betrug 6550 ®ulben, bad ^aud 
felbft »urbe oon bem Sefifter erfl auf Opern 1821 begogen. 3" 
iReuja^r 1821 fü^rt ber etat ber 9?ieberge(affenen ben ^an8 SRuboIf 
JteOer, ^xif)tT, a(8 noc^ im „©reifen'' mol^nenb, jeboc^ bereite a(d 
(Sigentümer ber „<Sxiitl** auf. @r l^atte bad ^aud üon bem 
3!)re^8ler ^ol^anned 93ränbli gefauft. 

3)a8 aibum üon Oottfr. ÄeHerS Sater, in roten ©afpan 
mit ©olbf^nitt gebunben, trögt fo(genbed in 3(ntiqua«®^rift ge« 
brudte Jitelblatt: 

„Denkmale der Liebe und Freundschaft. Ge- 
sammelt von Rudolph Keller.^ Sluf ber Slüdfeite: 

„Dem Zirkel meiner befsten Freunde und Freundinnen 
seyen diese Blätter mit froher Herzlichkeit gebeiliget. Wenn 
Stunden, Jahre, mich, wenn Thäler und Gebürge Sie trennen, 
will ich sie oft mit Inbrunst drücken an meinen Busen und 
sprechen: Segne sie alle — Allvater, mit deo Strahlen Deines 
seligsten Glückes!^ 

3)ann folgt bad oon 9{uboIf J^eOer gu 2Bien 1816 getufc^te 
gmeite 2]itelb(att, eine gemauerte @rabei^grotte an einem bluffe bar» 
fleQenb. Suf einem ber erflen 93(ätter fielet ein Sintrag oon un« 
geübter $anb, ber in oerftänblid^eS 3)eutfc^ umgefe^t lautet: 



„©oUten <Sic je fnüpfcn ein neueö IBanb 
3n S^rem lieben SJaterlanb, 
®Iücf, ©efunb^eit, greub' unb Sfricbcn 
S3eglciten 6ie fe^r oft ^tcnicben! 

Aurg, aUt^, toa^ nur gut ifl, befler ^reunb, fei !3^l^nen oon 
mir atö !5^rer eJreunbin gugeeignet. 



410 ^n^ang. 

3Senn x^ cinfl im ®rabc lieg', 
^on SBüruicrn ganj iterfrcffcn, 
©rinnern (Sie fic^ no^ an mid^, 
2)enn @ie meiner md)t »ergeffen! 

3^re aufrid^tige S^eunbin ^axia ^nna gatter/ 

ÜDtefe iRannette ^äller, ein ^Dienflmdbc^en, mar Slnbolf fteOeii 
SBtener ®^a^. 3unt 2^obe betrübt fc^retbt fte i^m , aU er i^ 
feine Verlobung angeigt, im Slugufl (1816) einen Srief, au& bra 
ftc^ folgenbe in $rofa aufgelöfle $erfe l^eraudlefen laffen: 

,,5ü^l^ft 2)u nic^t meine Seihen, 
2Bie baS ^erj mir brid^t? 
@ei umringt t>on taufenb greuben, 
!Rur, ®Iücfli(^er, Dergi§ mi(^ nic^t! 
3?ergi§ mic^ nic^t im SJaterlanbe, 
^ie aUt& [6) um ^i^ »ergag, 
Unb lieber ald im SBeltgetümmel 
«ei 2)ir in ftifler Saube fag. u. f. f. 

50?ein Sieber, nur ber einzige 2^roft ift üor mid), ta§ bu in 
beiner ^alle fe^r glug warft, ^ad bir ber liebe (3ott ein glugeS, 
gutteö 9Kab(^en beftimmt ^at, baß fe^e i^ in i^rem S3riefe.'' 8(^, tn 
lieber Q)ott, gib i^nen beinen retc^Iid^en @egen, bag fte t^r Beben in 
Sf^u^e unb @inigleit genießen «werben, ^ann, bann werb' id^ ooDCommen 
gIüdHt(^ fein, ^ad n^ünfci^et beine bic^ ett>ig liebenbe greunbin, bte 
bid^ nod^ einftend, nur im ©eifte, oietmal ^erjlid^ fügt." 

2)ad Sieberbud^ ber ^Jlntttt, in bem umgearbeiteten 
„®rünen ^einrid^'' 4, 258 ermähnt (citiert ifl fletS nac^ ben „©«• 
fammelten SBerfen''), ift ein grün gebunbened 9(buni üon etiN 
160 Seiten mit ber ^luffd^rift: ,,SieberfammIung fttrSUfabet^ 
S^eu^jer 1803". S)ie Seiten 10—122 fmb oon i^r gefc^rieben. 
^Darunter folgenbe Sieber: „2Ber »oflte fi^ mit ©riOen p(agen^ 
„(S% fann ja nic^t immer fo bleiben'', Ärieg§« unb Irinüieber, 
©ebi^te oon ^öUt), S^iQer, ®a(id, Sieber ber Siebe, &^ unb 
3ufrieben^eit, ,,5)er E^ilter'': ^of(^a! ©ft, ia^ mx ine", „^q^ 
auf, Äomeraben, aufS ^ferb (famt ^arobie), „3)ad loaren mit 
feiige Sage'', ,,9Kein ^crr ÜMaler, »out il^r »oJ^l" u. f. lo. 

S. 123 — 131 f^reibt ber junge ©ottfrieb ÄeUer folgenbe 
©ebtd^te ein: „3ßo Äraft unb ÜMut in teutft^en Seelen flammen% 



Sugcnbgcit. 411 



Sü^oiDÄ lüilbc 3agb, „0 pescator dell' onda, Fidelin", „(ginfam 
bin i^ ntd^t aQeine'', ^i^end ^euben unb Setben: „^riumpl^, 
bie Äunfi ifl nun gelungen'' (oon 9Kartin Uflert). 

SSon ®. 133 ab (einreibt SReguIa ?ieber, bie fte jur ©uitarre 
fang: „<Sif)t \\)X brei SRoffe üor bem SSäagen", „©nfl fpielt' i^ 
mit ©cepter", „^n ber ^eirnat ifl eÄ fc^ön", „'© ^erg ifl a fpagig 
SMng", „SaSenn bie ©d^tealben ^eimmärtÄ jie^n", „?tfö ber liebe 
©Ott bie aaäelt gefc^affen\ ^Umfonjt fu^jt bu be8 ®uten Ouefle" 
u. f. f. 

S)aÄ oben ®. 7 ermähnte ©ebic^t oon ©ottfrieb ÄeflerS 
Sater (autet: 

5ür bie bürftigften SBetterbefd^abigten in ©lattfelben. 

(Süric^, am IBad^teliabenb 1821.) 

3^r guten S3ürger, jümet nid^t, 

^ag ic^ f bretft mt(^ n^age 

^ier anjufpred^cn ©^riftenpflid^t 

kn biefcm froren 3^age. 

3c^ »cife, 3^r tljcilt fo gerne mit, 

Si^ie oft man auc^ @u(^ bitte; 

Unb öoUer Hoffnung il^ai ben Schritt 

3c^ nun in (Sure SWitte. 

2Ber fcnnt nic^t ISngft baö grofee 8eib, 

2)a8 un8 ein Söetter brachte? 

Serftoret »arb in fuqer Seit, 

Sad man gu ernbten badete; 

9Bir blicften fro^ gum ^immel auf, 

2öir priefen feinen (Seegen 

Unb glaubten nac^ ber Seiten ^auf 

3^n balb in'8 ^au8 gu legen. 

2)a ftürmtcn Söaffer, 2öinb unb ©iö 

Sluf unfre reichen giuren, 

SBcmic^teten be§ ßanbmannö gfleife 

Unb aller SRal^jrung (Spuren. 

SDoc^ faum oerna^mt 3^r unfern ©c^merg, 

(So gaben (Sure .^anfce 

Uns ^alfam für baS »unbe ^erg 

Unb mand^e reid^e @pcnbe. 



412 ^n^ang. 



^(x^ gtbt'd ber ^rftigen itDd^ ütd, 

^te laut md)t flagen mögen, 

Unb fem nod^ ijt ber ßnibte 3iel, 

^a fie bann Srob felbft gegen. 

^\x6) fe^It {onft ntanc^ in bem ^aud, 

$[^ad fie nun ^art entbehren; 

@elbft i^re ^leibung ^alt nk^t aud; 

SDen SawJner Ätnber mehren. 

Erbarmt (Svl6) brum ber ftitten !Rct^, 

Sür bie iö) laut ^ter fle^e, 

Unb reicht gern bem 9[rmen ^rob, 

5)a6 er getröftet ge^e! 

(Sd (o^ne ©Ott @u4 folc^e V^t, 

@ie fte^^t im 53u(^ ber SSelten; 

2)en fpoten ©nfeln bringt fie ^aai, 

^ü6) »irb'ö ber ^err »ergelten. 

gebt XDof){, 3^r (gblen! gebet »o^I, 
(^ott fd^ü^' unb fegn' (&\x6) aOe! 
©enieftt tit Seit nun freubeüoll, 
53iö bafe ber ^(^leper falle! 
©uer SBo^lt^un blühet fcgnenb fort 
3m 3öe(^fel aller Seiten; 
Unb ®ott im ^immel lo^nt ed bort 
5Kit feinen 4>^rrli(i^!eiten. 

3u @. 9. ^d) Derbanle gu Rauben bed AeQer«9?ac^(affed itm 
©riefe SRubolf Äefler» an Runter OberamtSfc^reibcr ©ottfrieb oon 
9Retg im Sl^am^aud ju 3üri^ bem <3o^ne bed (enteren, ^erm 
Äbolf 0. äWeig in 3tinc^, ebenfo einen 9?euia^r«bricf be^ elf« 
iä^rigen ©ottfrieb Seiler an ben „3un!er ®ötti". An bem oben ah* 
gebrudten Sriefe beS $ater§ ift nur bie Ortl^ograp^te tnobemtftert 

3lu^ bie beiben ^^aufgettel ber $aten gum Snbenfen an ben 
Sag ber Saufe ©ottfrieb ÄcflcrS l^aben ficb ermatten. 

3u ®. 37 ff. 3n feinem JRütf blirf auf bie ®ef(^ic^tc ber 3fir(^e* 
rif^en 3nbuflrief c^ulc (3eft|(^rift gu ®^ren i^re§ f ünfjigjä^rigen 8e* 
flanbed 1883 ®. 75) fagt gri^ $unji!er : ^5)ie änfangöia^rc ber nen* 
gegrünbeten Snflalt maren feinedmegd nur an^ Sic^t unb ©onnen« 
fd^ein gemoben. @(eid^ bei 93eginn geigte ftc^, ba^ bie ©c^filer 



Sugcnbjcit. 413 



beiber Abteilungen, ber o6ern fomol^t toit ber untern, au9 fe^r üer^ 
f^tebenen (Elementen beflanben, beren üerf^iebene SorbUbung unb 
Derf(^icbenc äuffaffung ber ©^üterpflic^ten bem Äonöent unb ber 
äuffid^täbe^örbe üiel ©orge unb SKül^e bereiteten. Ungere^t »ftre 
jeboc^, ^ie Dorgetommenen ärgerli^en 3)idji|)HnarföOe, meiere t)er«> 
^ältntöm&gtg Dtete f^arfe ©trafen unb Äudweifungen gur Solge 
l^atten, allein auf SRe^nung ber <B6ßUx gu fc^reiben. Sfnbere 
Umßänbe trugen baran ebenfo t)ie( ®^u(b: 9)?angel an ber £)r* 
gantfation unb unri^tige ober unjulängli^e Sluffaffung tl^rer 3(uf« 
qdbt öon ©eite öerfc^iebener Seigrer." 

3u@. 41. ©ottfricb Äellerö ältefter SluffaJ: „(Sommer- 
fcricn 1832.'' 

„SRad^bem i6) bic crfte Sfcricnwod^c mit ber SSollgic^ung meiner 
Slufgabcn gugcbrac^t ^atU, reifte id) ben 24. 3uli mit bem @o^nc 
meines Dl(>eim§ ^m. 2)o!tor ©(^eud^jcrö^ jw ©lattfelben nad) bort- 
^in ah. 

SBir !amen ^uerft auf Qtehad), bann, nad^ einem ^iemlid^ langen 
SBege burc^ gfelber, SEBtefen unb SBalber, auf bie O^ümlingerebene, voo 
man eine prachtvolle ^uSfic^t auf eine groge @bene \)at, bie mit ^ügeln, 
angebauten gfelbern unb Dörfern n^ie iiberfaet, unb oon nähern unb 
femern ©ebirgen begrängt ift. 

2)ann famen »ir nad^ SRiebcrglatt, too wir beim „^broen" ein- 
fe^rten, unb bafelbft aud^ bad altt ^anbüogtjtmmer fa^en, beffen ge- 
ma^lte genfterfd^eiben unb ber »ergolbcte Sc^ilb in ber SDHtte ber ^erfe 
ftc^ jierlid^ ausnahmen. 

SII8 wir uns ein wenig erfrifc^t Ratten, gingen wir weiter, unb 
famen über gfelber, bit fcl^r mit ß^amomiUe bewac^fen waren, nad^ 
^IfHeber^ori, üon ba auf einer (Stra§e tuxä) ein Q)e^o(g, bad etwa eine 
^albe ©tunbe bauerte, auf bie ©trage nac^ ©lattfelben, unb enblic^ 
fa^en wir au8 ber fogenannten S3uc^^albe bie SDac^er beö 2)orfed 
©lattfelben, baö in einer giemlid^en SBertiefung liegt. 2)er erfte @latt- 
f eiber, bell wir antraffen, war ein S5erwanbter oon mir, na^mlic^ ^err 
SHegierungSrat^ ÄeHer^). Ueber ben langen @teg (ein jiemlic^ langer 
©teg über bie oerfc^iebenen 3lrme ber @latt angelegt) langten wir 
enblid^ bei bem 33eftimmung8punlte unfcrer Steife, bem ^aufe meinet 
D^eimö, an ; allein e8 war oerfd^loffen, benn alleS war auf bem gfelbe, 

') ^einrid^, bamalö 8tud. med. in 3üric^, geb. 1810, geft. 1880 
ald ^rgt. 

*) Hartman n ÄcUer, Slmtßric^ter unb SRegierungörat. 



414 ^n^ang. 

um bic ^crrlid^c unb unö ]o uncntbc^rlidf^c Srruc^t cingafammdi. 
Slbcr ba xoai fc^on fRati}, benn mein SBcttcr, weichet in 3üri(^ HReNdi 
ftubiert, »ufetc bic Drtc fc^on, tt?o bic ©(^lüffcl Eingelegt »uifeffl, 
wenn !Ricmaub gu ^aufc war, unb fo waren wir balb in bem ©cNi 
gimmer unb erwarteten bie gurücffommenbeu Schnitter, ©ir wutba 
freunblid^ bewiOfcmmt, unb nac^bem wir ben ^benb mit ^igoMn 
gugebrad^t Ratten, legten wir un5 gu IBette unb ruhten oon ber dlaje 
auö. 5Korgen8 frü^ ftunb iä) auf unb betrad^tctc ba§ ^ou^, ba 
©arten, bie ©latt, furg alleö, wa§ iä) früher gefc^cn ^atte, na^m bos 
grü^ftücf gu mir unb befuc^te bann meine ^erwanbten, bie xdi » 
©lottfelben l^otte, guerft meine liebe ©rofemutter, eine alte, aber fnunb» 
Ii(^e Swu, weld^e mic^ allen 3?ettem unb S3afen »orftclltc unb imiifi 
mit meinem feiigen Spater »ergm, alö er no(^ in meinem fllter bmt. 
2)ann arbeitete i^ etwaö an biefem Sluffafe, babcte u. f. f., unb je 
fd^wanben mir bie 2^age wie SD^inuten i)m. 

^en folgenben (Sonntag machten wir einen Spagiergang no^ 
SR^einöfelben, wo wir bie burc^ einen in gelfen gehauenen ^nol, ber 
unter einem S3erge ^inburd^fül^rt , burc^fliefeenbc @latt in ben gwifc^cn 
gwet walbigen Ufern fanft fortlaufenben Sl^ein fliegen fa^en; au^ 
gingen wir auf bie 3(iuinen beö alten €(^loffe8 9^^einöfelben, wercn 
aber fel^r wenig mel^r gu fe^en ift. 

3n biefer Söoc^e begaben wir un8 aud^ einma^I nad^ ber e^ 
mal^ligen Sfieic^öftabt ^aiferftu^l, unb bie ^Dörfer, b\xx6) welc^^c wir aar 
bem SBege !amen, waren fRnti unb Söeiac^. Sei bem X^^ore ju Äaifer« 
ftu^I fiel mir befonberö ein uralter S^urm auf, ber f(^on »or ^rifH 
®eburt mag erbaut worben fein, unb mir eine ^rt t>on ^^rfurc^t gegen 
ta^ 5lltert^um einflößte. 2lu(^ bie Äirc^e ift inwenbig fc^r fc^cn; b^ 
fonberö ift fie burc^ eine gro^e offene Drgel gefd^mürft, auf bn unS 
ber 4>r. S3egirföfc^ul«3nfpeftor Sc^emberg, bei bem wir in Äaiferftail 
logierten, einige Slrien »orfpielte. ßbenfo bewunberte ic^ ta& 33ilb bd 
Ijeil. &, 3«?^flnneö üon $rag, weld^eS JenfeitS beS 3l^ein8 am (Snbe ber 
33rü(fe na^e hei bem alten (Schlöffe Sfiot^eln oufgefteUt ift, unb boö wh 
einem ^aiferftuljler 33ilbl^auer gemacht worben fein foü. 3m ©anjni 
liegt Äaiferftu^l an einem fteilen Uferabl^angc beS 9l^inö unb ^ot 
auc^ etlid^e fc^öne gefc^macfüott gebaute Käufer. 

^m (Sonntag barauf befud^ten wir ^glidau, wo mir nid^td ^ 
fonbereS auffiel, alö baö alte (Sd^lofe, baS, wie bie Äird^e unb einige 
anbcre ©ebaube, nod^ üiele Spuren üon bem ©efcd^tc, ba^ bie Äaijff' 
lid)en ben grangcfen lieferten, geigte, unb bie lange, auf ein ein^i^eJ 
3oc^ gebaute 53rü(fe. 3lud> ging ic^ einma^l nac^ S3ü(ad^, wo itfe 
beinahe an jebem ^aufc ein SSirt^fc^aftöfd^ilb erblidttc. 3n ber feigen« 
ben SGÖod)e gingen wir nad) 5Rcrad^, roo mir ber au^ctrcchietc ^ 
unb einige ^J}?üf)len auffielen, bie burd> einen f leinen in bölsernen 



Sugcnbgeit. 415 



Slo^rcn geleiteten ^ad) getrieben würben. S5on S^lerac^ famen töir auf 
(Stabel, beffen fäöbiffenförmigen unb mit einem ©torc^ennefte »erfe^nen 
Äird^t^urm \ä) guerft bemerfte; uon ba bei 3Binbla(^ üorbei burd^ einen 
giemlic^ großen SBalb töieber nad^ ©lattfelben. 

^n ^agen, an benen id) feinen fold^en ^udflug mad^te, ging id^ 
ettoa in bie na^en Drte, »ie fSinii unb ©c^ad^en, babete, arbeitete an 
biefem ^uffaje, fifc^te, üerfud^te aud^ baö gelbarbeiten, g. 33. ^anf 
^flüdfen, ^om fd^neiben, 2)refd>en u. f. n?. ; aber e§ ging nic^t ganj gut 
»on Statten. 

^uc^ mugte x6) ade ^age bed 9)^orgeng, ^Httag§ unb ^benbd 
ber ©efunb^eit wegen »arme ÜKild^ trinlen. Hebrigenö ^atte iä) fe^r 
)>tel Vergnügen unb Unterhaltung gu Q)lattfelben , fo ba| id^ mir ed 
nic^t beffer gewünfd^t ^atte. 

^ber nun mugte id) auä) wieber an bie ^eimreife beulen, um 
bie Sd^ule, bie iä) noö) fo not^ig \)ahe, frifd^ unb wobberfe^en wieber 
angutreten. 

Söir reiften alfo ben 20. 5lug. SKorgenö um 5 U^r üon @latt« 
fclben ah unb betraten wieber ben gleichen 3öeg, ben wir guerft ge» 
inac^t Ratten, blofe, bafe wir etwa 3 Stunben weniger lang Ratten." 

Qu ®. 52 ff. (gine f leine, teilweife unrid^tige 9?otig über 
SRuboIf aWe^cr oon 9legen8borf fielet in bem 9?euja^r8blatt ber 
ÄitnjWergefellfc^aft in 3ürid^ für 1861 ®. 1 anmerfung. 

Sine (Sammlung üon 25 äSleiftift^ei^nungen, im 93eft^e üon 
$errn SRebaftor SeanSiö^lt in 3üri4 befprad^ 3. 35. SBibmann 
im Scmcr „SSunb" 5Wr. 334—40, Deg. 1892. 

S)ie ©tabtbibltotl^ef 3ürid^ ^at im 3uü 1893 eine fel&r rei^* 
faltige «uÄflellung ©ottfrieb ÄeHerf^er Äunflblätter oeranjtaltet. 
3n bem gebrudften Äatalog (2. aufläge) tragen bie eiwäl^nten 
Äoptecn ®. ÄetterS na^ SR. aWe^er bie 9?ummern 9, 10, 13 unb 61. 

3)ie Sül^lmannf^e Sammlung beS (Sibg. ^ol^te^nifumS in 
3ürt^ befiftt 4 SSlätter Don SR. SKe^er: ©ne SteifKftjeit^nung, 
bie Jungfrau, öom ?auterbrunnert^al auS gefeiten, 1844; bann 
brei 3(quareQe: 

1. eine Julpe, barunter: „3üri(^, 8. 2»at 1848. ©pitalge* 
fangenfd^aft (Sanbfd^aftömaler unb ^iflorifer)" mit ben SSerfen: 

„@e^t ^ier bie S^ulipan 
9luf bem 5ßapier — fo an- 
gemalt, bafe fie nid^t wieber ^inweggenommen werben lann!" 



416 ^n^ang. 

2. (Sine f^marje S^necfe mit ©el^äufe an einem $fir{t4 
l^tnfrie^enb. „91. SWc^er gemalt naci^ ber Watur bcn 20. 9?oü. 
1848. ©pitalgefangenfc^aft (SR. SWe^er, ^anbfc^aftSmaler mib 
^ijlorifer)'' mit ben SSerfen: 

„3)ie (Bc^necfe: 

3c^ befc^Iei^e unb freffe fie, bie %xnd)t — 
9Jlit ^aut unb garbc — fo ganj o^nc gurd^t, 
^(d ob fte für mic^ gewac^fen n^dre. 

Partner: 

9Wagft bu töo^I freffen, »aö com 33aume fällt! 
$Dort am S3aume finb fic alle gejault — 
33erbiet' tc^ bir ^inaufjufd^leid^en. 

3)er ÜRaler: 

SDiir iff ö {uft rec^t, euc^ beibe gufammen 
<Bo töte i^r feib — üom Saume gefallen — 
3u parfen, gu geic^nen unb gu malen." 

3. ©ine 5m^t (JtürbiS? Ouitte?), babei: „^ SRe^er ge^ 
malt nac^ ber 9?atur S^üd), ben 8. älpril 1849. ©pitalgefangen* 
f^aft. (5R. ÜRe^er, ganbf^after unb ^iflorifer.)" 

„Voila cette pomme de poitriDe! 

Besiree — oü est la mariDe? 

Car — je voudrais la Toir. R. Mejer.* 

^err ^. äng jl, 2)ireftor beS ®^»eij. Sanbe8mufeum8, ertoarb 
jüngP gegen jmanjig jmifc^en 1848—1855 aquarellierte Slatter 
Don 5R. äRe^er, lauter Slumen* unb fjru^tjlürfe^ mit einer beifpiet 
lofen 97aturtreue gematt, jebo^ immer mit einem ®iid} inS ®onber« 
bare, äße^er liebt t^, eine fc^ab^afte ©teile an einem Statte, an 
einer t$ru(^t inS minutiöfe]le na^jubtlbem Sber tttoa^ @(^dnered, 
als eine Slofenfnofpe, eine Iraube, eine lutpe, ein So^amtidbeer^ 
jmeiglein Don Tittftx tagt ftc^ !aum fe^en. ^x. Stngft befi^t ani\ 
einen famofcn gu^Sfopf Don SWe^er auf ^olj gemalt 3ebe5 
Aquarell i\t mit einem 93er8 oerfe^en. 3d^ mug mi^ barauf be* 
fc^ränfen, einiget mentge namhaft ju machen. Unter einem täufd^enb 
gemalten angefc^nittenen ffiedfen Dom 10. Januar 1849 liejl man: 



Sugcnbjcit. 417 



„UArtUte: 

Certaiuemept, il faut, qa^il aye grande faim, 
Oelai qai Toudrait mauger ce morceaa de pain, 
Car, il ne poarra le xnanger sans manger le papier.*' 

5)er Öicb^aber: 

Wod^r id) in ©ad ftcrfcn — 

Unb auf unb baoon lauffen barmit. 

?Rot blü^cnbc So^ne, 3üri^, 2. «ug. 1849. 5)anmter: 

S)ad ^inb: 

@te^ tod)f ^ \)ai [\t gang roi^t gemalt 
5)ie »lü^te — wirft bu flc S^tn bejalt 
^abcn, bem Äünftlcr, biefc ©c^miercrcp? 

^ie Sl'^ama: 

S)u norrifdjeö «Wabdjen! 5)ic fflatur 

3ft öcrfdjicben, wie bic 531umcnflur 

2Cn gfarbcn, fo bic SKcnfd^cn ebcnfaHd finb. 

S)cr Äünftlcr: 

^ie Tlen\ä)üdit unb bie IBIumenflur 
3)ic eblc, f(^^önc, crl^abnc fRatur 
3u bepngcn, unb Un8 ju erfreuen. 

!Crei öom grofte oerwelfte SRofen, 3ürt^, 18. ©ejember 1848: 

Qaand xneme, par le froid de Fhiver nous sommes 
Edcof bien conserver. Nodb trois boutODS 
D^feailli^ — d^uDe parfait fraicheur. 

©n Äürbi«. darunter ein tan^enbeS, fiä) lüffenbe« ?aar, 
ba8 eben bie ÜJfaSfen ablegt, 9. 3)ej. 1851. 

Vojez, ce qaHl yient de deposer, 

On ne sait pas xneme ce que c^est? 

Je crois un boüt de fruit, sortie du Piuceau de TArtiste. 

Siguro, Toglio levare tutto 
Senza masca, sono meno brutto, 
E Terro cara, Dol-dol-cis-cis-cissima. 

Oottfcieb SttOa, ^'^ 



418 3ln]^ng. 

®n «pfct, baruntcr ein ^tcrrot, 26. Januar 1852: 

Qaaado bello, per mangiare! 

Sebod^ o^ne baS bemalte 

Rapier, parbleu, cela lai ferai mal au ventre. 

©ne S^ittiixnt, @ept. 1849: 

II fanciallo: 
Mamma, e per mangiare, e vero? 

La Mamma: 
Attend sealement, tu Tauras taotot. 

$Der Äünftler. 
3a, ia, wenn fle mir nur baö Rapier laffen! 

Unter einem Statt, brei äwetfd^gen, 29. ©ept. 1848: 

„@d ift nic^t rat^fam, abgutvtfd^n 

^en gemalten (Staub an ben frifd^en 

Sttetfd^gen, n?el(!^ gegeic^net, gemalt auf biefem $apiere Hegen." 

3n ber Sammlung ber 3öri^w Äünjllergefellfci^aft »erben 
brei Blätter Don SDfe^er aufbewahrt. 3)a§ erfie enthalt gmei tpfel, 
auf bem einen eine fteine Sd^necfe. 3m S^^^^^ ©pitat am 
22. 3uni 1845 gemalt: 

„5)ie ©cfaUigfeit, beim ©rfennen 

3)iefer Stepfei ja nic^t gu trennen, 

9^od^ »om Rapier ju nehmen, 6iner uom Stnbem!" 

auf bem gtoeifen ©tatt iji ein Spfet gematt, barunter ein 
nadFteS tan^enbeiS f^igürc^en mit ben Serfen: 

„De la notre Deliberation 

De la Dotre Oppression 

ChantoDS, sautons et rejonissons nous! 

CbantoDB rEmelioratioD 

De la Dotre CivilisatioD 

A Jamals et toujour, ä Jamals et toajour! 

Meyer, Zürich le 16. Mars 1848 ä la prison de Tbopital. 
Meyer, paysagiste et historien." 



Sugcnbacit. 419 



Statt bret jetgt eine groge unb itoti Heinere (Sd^nedten nebfl 
einer ©Knbfci^Ieid^e. 3)abet: 

^Noas parcourroDs tout le Globe 

GraDdes et petites, celon PAnalogue 

IndicatioD, de millee difereDte eepeces et de couleures, 

Meme saDS Act d^Origine, 

De Passeport, Lettre- de Bourgeoisie 

De Cent milles diferente meres Resurreetive. 

Meyer, Zürich le 18. Juio 1854 ä la prison de rbopital.^ 

3)er Serglei^, »eld^en SWe^er am ©d^Iujfe ber ?el^rjeit auf« 
fe^te, lautet: 

„^avd gegenfeittgcr Ucbereinfunft üerpflid^tctc fic^ ^r. Äetter für 
ben oon mir gu er^altenben Unterrtd^t im Sl'^alen unb Seic^nen gu galen 
bie @ummc »on 80 fl. für bie uon Un8 beftimmtc 3eit con 6 WlonaU, 
loeldt^ ben Anfang genommen ben 26. SBBintermonat^ 1887 , unb gum 
%f)exl, bo8 ^ei§t 4'/, «BRonate bereits »erfloffen finb. 5Weine eilenbe 
Slbreije, bie nun Dor ber oben angefejten Seit ftattfinbet, la^t Un8 
gegenseitige 5lu8glei(^^ung obfinben, burc^^ welche ^r. i^eller verpflichtet 
bie 8umme )}on 60 fl. gu galen unb auc^ bereits entrid^tet finb. 

3üric^, b. 7. «Wera 1838. 91. QKeper." 

3u @. 73. «eine Sfloc^t ouf bem Uto. 1837. 

3)urc^ bomidjteS ©eftrauc^ unb über fteileS ©eftein »anb \d) 
m\d) an ber fc^ioargen f^eBmanb ben frummen $fab l^inauf, ben ©ipfel 
beS ölten finftem S3ergcS erftrebenb. gfurc^tfam in meiner menfc^lid^en 
Äleinlf^eit blicfte id^ an »Üben ^immelftürmenben ^t\\tn uml^ unb 
fud^te i^r »eltalteö einfam in bie Öüfte ragenbeS ^aupt; aber mein 
^lidt »arb irre ob ber @rö§e, ob ber büftern 5Wa{eftat. 3d^ fc^lug i^n 
niebcr unb »anbte i^n feitwartS Ij^inab; ba ga^nf il^m ber fc^warje 
Slbgrunb entgegen, ber an beö ^fabeö @eite fid^ Ij^inabwirft. @in 
fernes unbeftimmteS 2^ofcn tönte auö ber 2^iefe ju mir herauf; »om 
S^aufd^en eined tobenben SSSalbftromed ober vom kaufen bed fc^vargen 
2^annen^orfteö , in bejfen »erwitterten SBipfeln mein 5tuge tief unten 
fi(^ »erlor. Slber mir fc^minbelte unb ic^ mu^tc mi(^ an ber näc^ften 
nacften gic^tenmurjel galten, um nic^t ^inabguftürjen in biefen graufigen 
(Sc^lunb. 3«^ llomm weiter unb erreichte unter ftetem ©taunen unb 
Starren baS (5nbc beö 3öcgeö; noc^ um bie abgeriffene gfelfenfaule 
l^erum, unb \6) mar auf bem ©ipfel be8 33erge8. — 5)a flanb id^ 
allein in ber Ungeheuern ^o^e auf ber oben gläd^e. fflux ein ^ranj 

27* 



420 Sn^ng. 

noifter uralter ^c^tenftämme, bie fett So^i^unbertfn fc^cn ftamwt 
dttfame f^erfammlung l^ter hielten, xdüx 3^9^ ^ abwt^^einben &it' 
jücfend, staunend unb 93f»unbfmd, bad \iä) meiner ^ier bemächtigte; 
beim eben ging am femften dtinge ber ^filbe bie kernte unter. 9^4 
ru^te fie auf bem legten ftibemen $nncte, ber am Btanht be§ ^en* 
jonted ton bem gfluffe ftc^tbar war, beffen Krümmungen, aOmöl^ig 
wac^fenb, balb hinter SBälbem unb ^ugeln oerfc^ivtnbenb, bolb »teber 
lieblich ^ervorfc^immemb, bem 9uge fic^ nä^en, bid fie in graugrünen 
Slut^n am %u^t meined ^3erged ba^erwattten , ftc^ burd^ brücfenbe 
^Ifen unb »albic^ted Ufer wal^enb um ben fc^ivarjen taufenbjö^rigen 
^urm, bie fL^cf^nung eined nächtlichen (Sulengefc^lec^t^ , bogen, bann 
unter ber fflad)t bed unge^ren S^albed ftc^ t>erIoren, unb gule^ in 
bad Secfen beS (Eeed ftc^ ergoffen, über welchem, ber untergebenben 
^onne gegenüber, ein blaffer Schimmer bie na^e ^n!unft bed S^onbel 
terfünbete. 

(Ermattet brac^ ftc^ ber le^te @tral^( ber ^(^ibenben an ben 
(^igantenmauem bed ^erge^. ^t^t tft fte nic^t me^r; roftged geuer 
lägt fie gurücf, baS fic^ unmerfbar in bad tiefe reine ^(au be§ nner« 
meglic^en @e»olbed )}erfc^milat. Skid)' ^lige etiUe! Kein eüftc^ 
n^el^t, fein ^olfc^en fc^Ieid^t am ^immel. Klopfenb at^met ba^ ^^ 
ad' biefe ©enüffe, trunlen fd^weift bad Suge über bie »weiten Sluen 
unb ^ügel, über SBälber unb gfelber, 8trom unb 6ee; n>e(c^ ^eroifc^ 
reine 91atur, ton feinem menfcl^lic^en SRac^werf geftort. Sklc^* eble 
^formen ber 33crgc unb ©rünbe, ©om flammenben ^tbcnbrot^ mit 
jaubrifc^en färben erwärmet! (Sd war ein Snblicf, wie Kbam i^n 
genoffen ^aben mccijtc, alö er bie 9latur in ilf^rer S«g«tb» tn i^rer 
äci^t^eit begrüßte, ^ier fci^wanben aOe @ebanfen, ^enfc^^t unb 
menfc^Iic^e Kunft unb menfc^Iic^e $rac^t. — „^m oben mu| bie 
9lac^t göttlich fein!'' ^ac^fd unb warf mic^ unter eine riefige gierte, 
bie il^re entlaubten Krme in bizarren ^erfcl^ränhingen über mid^ au^ 
ftrecfte. SBie wo^l war mir. Unnennbare ^efül^le, fe^nfüc^tige ^^an* 
tafien, leuc^tenbe 33ilber ber Hoffnung brängten [\ä) in meiner ©edf, 
wä^renb ber Söieberfc^ein ber gefunfencn (Sonne aOmä^lig oerblic^, unb 
bem bunfeln ^lau ber Dämmerung $la0 mad^te. ^ie grarben oer* 
fc^wammen in @rau, unb ^rau um^üQte bie Sanbfc^aft. ^ie ©efUbe 
oerfc^wanben tor meinen IBIicfen, immer nä^er unb nä^, bid gule^ 
nur nod^ ber felfige ^orgrunb büfter ^eraudragte. 9lac^t unb 9lfM 
fanf auf bie @rbe, oom matten ^c^eine bed hinter mir aufgeftiegenen 
SWonbed burc^flimmert. 2^rüb unb bleich, wie ber ®eift ber geftorbenen 
€onne, wollte er bie nämlici^e ^a^n burc^leucl^ten, bie fie burc^Ieuc^tet 
l^attt] aber e8 war nur il)X Sct^atten! 

5Dhitt)Icd, aber treu, fci^autc er in bie »erbunfelte (Sd^opfung, ein 
33ilb ber t^cffnungölofen ?iebe. 9Welanc^olifc^c ©ebanfen weclenb, be» 



Sugenbgeit. 421 



trat er feine 33al^n, »arf einen fdjimmernben ©lief auf ben unter ii^m 
ru^enben (See unb lodit einige ^temc^en and Firmament. 9lo(^ er- 
reichte fein ]6)XDad)t^ 8i(^t bie ^o^e meined Berggipfeln nic^t, ic^ lag 
in bammernbem 3)unfe(; frifc^e SGßinbe »e^ten über ben S3erg, füllten 
bie brennenben SBangen unb flatterten loo^tt^uenb burd^'d ^aax. 
SWorpf^euö ftreute Äömer auf meine Slugen. 3<^ fd^lummcrte ein inS 
SReic^ ber Traume. @g loar mir, aU betrachtete iö^ nocl^ ein 3Ra( ben 
l^errtic^en Sonnenuntergang unb bie parabiefifc^e Canbfc^aft. S)a trat 
ein freunblic^^er @reid t>or mici() ^in, »on ß^rfurc^t erregenbem 3lnfe^'n ; 
ber filbeme IBart umflofe feine milben aber tiefen 3ügc «nb fiel 
in fanften SöeÜen auf bo§ »eige blenbenbe ©ewanb; majcftatifc^e 
SSBeid^eit thronte auf ber l^eüen @tirn'; ou§ ben Siugen leuchtete immer- 
wa^renbe jugenblic^^e Äraft, gepaart mit ^eiligem ©mfte bed 5llterö; 
cö leuchtete bie (Swigfeit au8 i^nen! „2öa§ finnft hnV fprac^ er gu 
mir mit unauöfprec^Iic^er @üte in einer niege^orten unb boc^ uon {ebem 
Söefen uerftanbenen (Sprache, „„^ä) forfc^e nac^ bem, ber biefed alled 
gefc^affen ^af", ontwortet' id) f^^üc^tern. „3)u wirft ed feigen", fprac^y er 
unb )}erfc^tt)anb. ^a marb bad gfelfen^aupt bed IBerged gu einem 
flammenben ^Itar, um ben bie gange ^enfc^^eit, von Anfang bid an'd 
@nbe auf ben ^ieen (ag. ^uf bem Altäre ftra^Ite ein ge^eimnidooQeS 
Sic^t üon unbeftimmter ©eftalt unb unbefanntem SRamen, aber erquirfenbe, 
belebenbe ^arme gieng t)on i^m aud, ed verbreitete golbenen fonnigen 
Schein burc^ bie gange ^atur. 3n biefem SicI^te beteten aQe QJ^enfc^en, 
bie ba waren. 5lUe Dilationen aller 3citalter unb aller ^Religionen oer- 
e^rten baSfelbe, nur unter uerfc^iebenen Flamen. 3)a gitterten 9lömer 
unb ©ried^en uor i^rem Supiter, unb Slegppter opferten bem DfiriS 
unb ber 3fi§; bort büßten Suben uor S^^oca^ unb erwarteten ben 
!Dleffiad, wa^renb romifc^e, calmnifd^e, lut^eranifc^e @^riften mit allen 
i^ren @ccten il;ren 6rlöfer lobpriefen. 3)er 2^ürfe fdjwur bei QKol^ammeb 
unb ber (S^inefe beim %o. 3n buntem ©emifd^e fangen menfc^en» 
fc^lac^tenbe SJieyifaner, ro^e (Kannibalen unb feueranbetenbe Werfer i^re 
Slnbad^t ; ber Snbier betete gu 33rama unb ber Stofefe gu feinem QKanitu 
— fie äße glaubten an bad Sielet, unb über alle ergo^ eö feine war« 
menben Strahlen — , nur ein Häuflein armfeliger ^eaturen Uod) im 
falten ^ö)aüm unb warf ^o^nifc^e oeräc^tlici^e IBlide auf bie glaubige 
SWenge. S)ieö war bie ^ottt ber furgfid^tigen greigeifter, ber @otted* 
läugner. (Bie glaubten bie ©ebeimniffe ber 3Ratur ergrünbet gu ^oben 
unb f einrieben ben @ang bed 3Beltenlaufö , beö bebend allein ben »er- 
f(^^iebenen haften gu, bie in berfclben wirfen. 3)ie Sl^oren! fie ger« 
glieberten in i^ren ^aufefopfen bad groge Ubrwert unb leiteten bie 
5^erri(^tungen ber SRatur uom ewigen ®ange ber 9^aber unb betriebe 
f^tx, o^ne gu bebenfen, ba^ eine ^anb nöt^ig war, um bad ©ange in 
^Bewegung gu fe^en. 2)iefe @ef(^opfe Derlaci()ten ben tjemünftigen 



422 ^nl^ang. 

©lauben, aber fic fpottetcn ilf^rcr fclbft; bcnn hc^ S)afetn cineö ^c^opfert 
gu läugncn, tfk größerer Unfmn, aB ber finftcrfte Slberglaube; auc^ 
waren fte fammt i^rer ^l^ilofop^te ge^n ^al unglücflic^, aH ber da* 
faltigfte ber ©laubigen. ^lo^Iid^ «ertöte [xd) bog 8i(^t, unb in ber 
blenbenben ^tra^IenfüUe f(^webte ber ^eid, ben tc^ gefe^ ^e. 
@r fprad^ mit toaterlid^ ^ulbreic^er Stimme: „(Srforfci^ meine fBerfe, 
unb i^r »erbet mid^ erfennen!" Unb bie Wlen\d)f^i erfannte i^en 
©(^opfer. 

^d) envad^te unb blicfte »enounbert um mid; ^erum. SBe((^ 
$ra(^t bot fid) mir bar! @d »ar ^D^ittemad^t geworben: ber ^onb 
ftanb mitten am ^immel unb go§ fein milbed Sid^t auf bed ^3erged 
@(^eite(, auf ber id^ lag. !Ringd l^erum verbreitete fid^ bie {>errli(^ 
feit bed gangen gfirmamented. Saufenb unb taufenb @tembtlber ^a^lten 
in eioiger Harmonie t)on il^rer ^a^n; f^od) über mir gog fi(^ bie 9^14- 
ftra^e iiber ben unerme^Iid^en $Ian. 3d^ f^rang auf unb toanbelte 
»onnetrunfen gu>ifd^en ben Derfilberten grid^tenftämmen umber, toelc^ 
auf ben fetten !Rafen hSftige ^c^atten »erfenb wie ^mpelfaulen gum 
flimmernben ®e»öibe emporftrebten. gfeierlid^eS ©c^weigen rubte auf 
ber gangen ^atüx, fein ^efen at^mete auger mir; nur aud bem S^e 
^^erouf brang ein leifeö femeö ülhirmeln »om »orbeiftiegenben Strome, 
aud »eld^em ber äBieberfd^ein bed SRonbed wie ein &ttn aud ber 
bunfeln »erworrenen Xiefe ](^aufglängtc. 3<^ blidtte über ben Btant 
bed IBerged in bie ^ad)i \)imh, hlidit ringsum in bie 9lad^t ^inaud 
unb blidtte mit irrenbem ^uge an bad ^temengemirre über mir. IDod 
gange ^Itert^um, mit aQen feinen gabeln, lottern unb ^ben t^t 
fi(^ mir auf beim ^nblicf biefer e»ig leuc^tenben SDenhnale ber alten 
üW^t^ologie. Unuerwanbt ftarrte id^ empor, entfe^t über biefe Unenb« 
lid^feit, über biefe ©roge unb biefe eioige |)armonie ber (B^fteme unb 
fanb, bag bie ©temfunbe bie er^abenfte ber menfc^lic^en Skiffen* 
f(^aften fei. 

(58 war ber fbftlidjfte HRoment, ben id^ je genoffen f^attt, alö i^ 
fo baftanb auf biefer abgefc^iebenen ^obe, t)om Sl'^onbe bef(^ienen, unb 
ringsum fc^warge ^ad)t, au6 weld^er unbeftimmt unb bammemb bie 
Umriffc ber nähern ©egenftanbe l^errorfc^^auten , al8 id^ fo gang aDein 
iiuf biefem ^erge ftanb, unb über mir bie ftembefaete IDerfe. — Un» 
beimlit^eS, gitternbeö, ftaunenbeö ßntgücfen ergriff mi(b, If^eifeer Steig 
flammf in mir auf unb fc^molg in bemfelben ^ugenblidf in ^mut^ 
unb Anbetung t)or bem, ber btefeS aded gef (Raffen ^atte, ber mir biefe 
«flacht fd^enfte. 

3(^ brannte uor IBegierbe, meine (gelig!eit einem gleid^fü^Ienben 
Söefen mitgut^eilen , mein ©ntgücfen in ben Slugen beSfelben gu lefen; 
aber id^ war allein, mugte meine ^uft unb meine S^e^mut^ in mi(b 
oerfd^Iiegen. 2d) lel^nte an einen (Stamm unb burd^wacbte {c^wärmenb 



Sugenbgcit. 423 



unb ttaumenb ben übrigen S^il ber ^ad)t. ^et ^onb nal^te bem 
@nbe {eined Seged, langfam burd^mag er i^n, bte ©eftime rüdten 
toeiter unb oerfc^tvanben aUmäl^Iig ben 8li(fen. lieber bem @ee Ud^tete 
ein grauer ©treif bie ffla^t, »clever fic^ Dergrö§erte, fo »ie ber 5Wonb 
auf ber entgegcngefe^ten @eite \id) ber (grbe »iebcr näherte. 5)ie 
Dämmerung »erbrangte bie ^ac^t, ber ^ag bie S)ammerung; bie ^ud* 
fid^t lag tvieber t>ox mir, aber nid^t mel^r bie abn>ed^felnbe geftrige, 
fonbem eine eingige graue 9lebelfla(i^e, »ie ein 5Weer, au8 bem mein 
33erg »ie eine Snfel l^erüorragte. 3)o(^ balb glül^te baS 5Worgenrot^ 
unb warf bie erften gf^^bentone in bie (Sd^opfung; ber 5Uebel fc^molg, 
unb in uerjüngter, erfrif(^ter, »erl^rrlic^ter Äraft ladete bie Üflatur mic^ 
an, al0 bie @onne ^aufftieg unb i^r gfeuer über ben golbenen @ee 
^infd^og. ^a fanbte ic^ bie legten fel^^nfüd^tigen ^Itdfe ringS über bie 
^^aler, id^ fonnte betnal^e nid^t fc^eiben unb entftieg mit gefügtem 
J&ergen bem ©ipfel. ^an beglänjte meinen 3Beg, überaK feierten bie 
^efen, jieglid^eg äBürm^en unb {eglid^ed Q^radc^en an ber Duelle, ben 
borgen. ^Qe bie ©teilen, bie id) im ^benbfc^eine gefeiten, bie mic^ 
erfreut Ratten, erfd^iencn mir »ieber im SKorgenglanj, unb balb burc^« 
wanbelte id) bie l^errlid^en ©efilbe unb geno^ {ebe ©c^onl^eit einzeln, 
bie \d) im ^armonifd^en Orangen üom IBerge auS betounbert ^atte.'' 

„3)en ll.SuIi 1837. 

^leifee, rei§\ unerfattlic^c ©el^nfuc^t, jerreig mir baö arme 
freunblofe iperj unb lofe in bitterer falf(^^er ^aUe meine ©efü^Ie auf! 
^ad gerrft bu mit nagenbem ©d^merge am $eben unb raubft mir ben 
@enu6 meinet 5)afein8? Sag ob unb gib mic^ ber Söelt, ber gemeinen, 
jurüdf, ber bu mic^ entfü^rteft! 5)u fie^ft, ic^ fann bir {a nid^t geben, 
tvaS bu »erlangft; benn ic^ »eig nid^t, roai bu tvillft, nod^ »eig id^, 
XDO i^ e^ finbe. ©ie^ft bu ringsum bie ^errlic^c blü^enbe 9latur? 
©ie trottet beincg ^mmerS unb entgie^t i^rc ©d^ä^e beinem Reiften 
IBerlangen. ^6)\ pe ift \o fc^ön, biefe ©c^öpfung, fo rei(^ an Ci(^t 
unb überfliegenber güHe unb ftra^lenber äBarme, unb ic^ manble fo obe 
burc^ biefeö 8ic^t unb friere in biefer ftraf^Ienben Söarme unb irre fo 
bunfel, fo fc^ttjarg, fo uerbrie^lic!^ mitten burd^ biefe garbenprad^t , bie 
meines einfamen ©lenbeö Idd^elt. D ^otte ic^ bid) nie gefe^en, uner» 
reic^bareö Sbeal, ba8 id^ mir fc^affte mit aller ®Iutb, bie meine 
tljörid^te ^^antaflc anjufac^en »ermoc^te! Saglid^ unb ftünblid^ ftreb' 
i(^ nad^ beinem ©onnenantli^ unb wä^ne mid^ bir fc^on genähert, 
inbe^ id^ tief unten im ©d()lamme ^^erumtappe unb baB Söa^re nid()t 
finbe unb baö ^ben öerfäume. S^aufd^ung gibft bu mir für Cic^t, 
raubft mir baö niebere @lüdC unb uerbirgft mir baö ^o^e, baö bu mir 
»erfprad^eft, unb laffeft in grauer Öcerf^eit mein ^erg, baö boc^ fo üiel 




424 Snl^ang. 

ju faffcn bereit »are. gfleud^' ^n, eitleö $raumbilb, too^ bu g^ 
fotnmen bift unb gib ntic^ bem ^(^kfe gurüdf, auf ba^ i(^ nic^t ubei 
bem qualDoQen SBa^ne bte fRn^t tjerltere!'' 

3u ©.80. ©ottfrieb Äcttcrä erjle SReimöerfuc^c 1837: 

„2:vma, leud^te fanft unb lieblid^! 
^eu§ bein Stellt, fo !(ar unb rein 
3n beö fleinen ^üttc^enö gfenfter, 
3Rad)t Siebc^end äuglein l^^a! 

@ag' i^r, load i(^ ie^t wo^I benfe, 
SBag ic^ trac^t unb wad ic^ t^u\ 
Unb nac^ i^rem |)er^ lenfe 
S)u bed |)immeB gotb'ne 9{u^'! 

3eig' in rofenrot^^en S^raumcn 

S^^r beä treuen ©d^aferö IBilb, 

%n\)x' nad) beinen lid^ten 9{aumen 

3^re ©eele, Hat unb milbl" (ÜRarg 1837.) 



„5(benb{egen. 

©enf l^ernieber, 

^eilige SRac^t, 

SDein 8fJabengefieber 

Huf S3erg unb V)aU 

©enf ^ernieber 

^(^^töetgenbe SRu^, 

Äü^Ienben 33alfam 

9luf iF>rer ©Heber 

(gd^njcHenbeö garteö 8fJunb, 

3n i^r »attenbeS gottIi(^e§ |)era! 

$Duftenbe fRo\m 

©treu' auf ben rofigen üWunb! 

Tlix aber gib ben fel^nenben ©c^merj, 

3)en na(^^tlic^en greunb, 

$Der bie (Stunben be^ toten 

©ifemen (Sc^lafö mir erfe^t 

Unb mit eifiger ®lut^ 

$Die üüpfenbe IBruft gerreifet, 

gWonblofeö SDunfel 

?luf jj)ain unb (Eee, 



Sugenfcjdit. 426 

3)TÜifnibe SSoltni 
Suf a^ unb 2^1, 

V^anta^ifdje ©c^tten 

3ii mein ^rj. 

abfr morgenber ©onnc golbenm Slia^I in i^ ^erj 

©mtt feemirter, 

Untur(^bnngli(^f, ftummt, litilige 9ta(l|t! 



Sct 7. Süli 1837. 



„Sa litg' id) in meinem genfterlein 

@anj einfam, tinfam unb Mii)au[i(t) 

3tn ^eQen Itcblit^n 8iinnen|(l)ein, 

S>tt |<^int unb flimmert um midj jp trauUdt. 



Km grünen Qf«, am feinen See 
2)0 liegt ein ®rab jo (tumm Mrftitloffen, 
iBili^ auf, brii^ auf nur, bu alte« SBeb! 
©inb beine Ji^ränen nidjt au' oergoffcn? 

2)u ft^öner Stent auB ber Äinberjeil, 
grüfe in bie ©ruft ^ttai gefaUen, 
aSifl nun tin @tembi[b ber @nigfeit 
Unb ^5ift mein Sieb nit^t fifiaUTig uerfialleii! 

3)u mei&e dtcy aui beut SuBentlant, 

Siüilft lange fi^on in ^immflSauen ! 

(£8 ift jetriffen bal «efrenflbanb, 

Unb nimmer lannft bu mein Seiben ft^auen. 

^u ftü^ cerblit^eneB SRoigenrotb, 
$aft mir ben ft^mülen 3:ag gdaffen ! 
aSo^l ift ber Summer mein abenbbtot, 
Unb meine 3tube tcmmt mit bem Qrblaffen. 



426 Snl^ang. 

S)u ^oc^aufblül^enber Wlaitxda^, 

Sßte bift fo Meid^ bu l^tngefd^tointben ! 

^ie IBlüt^, fo btr am 8ujen lag, 

Siegt nun tote ein Sidfelb auf meinen SBunben. 

D XDtl), mein Iiebli(^ SWprt^enboum — 
S)eT €turm ^at »ilb bic^ audgeriffen! 
3)u meiner Sugenb golbener ©aum, 
Berftöubeft auf nächtlichen 5Woberfiffen ! 

©cftorbcn, bu meiner Äinb^eit ^raut, 
©eftorben an beö Ztmpti^ ©d^welle! 
^0 fte^t ber Sltar nun aufgebaut, 
SCuf wcld^cn id^ meine |)offnung ftelle? 

$Da3 @rab oerfd^tang mir bein fü^eö „Sa"- 

!Rnn mag ic^ gern barüber ftnnen, 

IBid enblic^ bie blaffe @tunbe na^, 

^ie leife tröftenb mid^ ruft oon Rinnen.'' (3uli 1843.) 



„^vx 17. Suni 1838. 

^ie ÜRac^t bammerte fit^Ienb unb rul^^bringenb l^emieber, alB i(^ 
unter bem nieberen {^enfter meined Kämmerleins fa§ unb gebanfenvoll 
ober aud^ gebanlenlod in ben leife »ogenben SIbenb l^inaudfc^aute unb 
ben erquiifenben lauen ^inb einat^mete, ber burc^ bad offene gfenfter 
gog unb bie oertoitterten runben ^laSfd^eiben flirren mad^te. Seme 
®li^e judtten ftiüe am ^ori^onte ^in, bie bunfterfüUte 8uft ujiber» 
ftra^Ite in fettfamen gformen oom ^lang ber l^inabgegangenen Sonne, 
^^it il^ren fci^on oft geborten l^eimtic^en Slonen Hang bie ^benbglcdr 
ju mir herüber unb rief Erinnerungen au8 meinen ^nberj[a^ren in 
meine Seele gurüdf. ^6), fc^on bamaid, wie fe^t, ftanb ic^ oft unter eben 
biefem gfenjter unb b^^rte unb ftaunte, h\& ber alte breite X^urm fic^ 
in fc^warjen bunfeln Umriffen in3 ^benbrot^ taud^te, ober id^ bli(fte 
fe^nfüc^tig ben Dorüberflie^enben SBoIfen nac^ unb freute mic^ Rnbifc^, 
ttcnn id) auS ben unbcftimmten gormen berfelben einen $Drac!^ ober 
einen SRiefen f^erauSgrübeln !onnte, ober ict^ ^ord^te bem Älange ber 
©lodfe, bie in ben namlicl^en feierlich abgemeffenen ^nen mein ^ 
rübrtc, bamalö wie je^t. Snbeffen »erglomm ber lejtc Sd^immer beß 
2:age§, unb ein blaffeö gweifel^afteö öic^t gitterte nur nod^ bun^ bie 
!Ratur. Stiüer faufclten bie näc^tlid^en Süfte, jeglic^eö SEBefen in ben 
Sci^lummcr wiegenb" u. f. w. 



2. ^n ^ünd^en. 

3u @. llOff. ^^antaficen cincS 9^cbaftcur8 in ben |)unb8tagcn. 
(IBcitrag für ba0 Söoc^^enblatt bcr @cl^tDcijcröc{eKf(^aft 1841.) 

„'§ ttjar' balb Seit, bag @ic S^rcn ^ßuntp beja^lcn würben! Sd^ 
gcb' 3^ncn fein 53ier me^r." aWit biefen lieblich fitngenben Sßorten 
tturbe ic^ eineg Slbenbg üon bem Äeüner in unfrer ©jrfneipc ^ulböottft 
entlaffcn. Uebcr ben bebeutungötjotten Snl^alt ber ^^rafe nac^benfenb, 
»anbelte id) um SWittemac^t unftSten ^ö^xxtit^ nad) ^aufe. ©ei {ebem 
©(^rittc »iebcrüangcn bie gefpenftifdjen Söorte in meinen D^ren unb 
»erftimmten meine arme @eele fo, ha% fid^, aI8 id> in meinem 3itnmer 
angelangt loar, Bereite eine tiefe ©d^ioermut^ auf meinem bergen ge« 
lagert ^attt. ©9 war mir unmöglich eingufc^Iafen unb befd^Iofe ba^er, 
meinen gepreßten ©ebanfen in ber freien öuft ffianm gu geben. (Scufgenb 
öffnete i^ bad ^enfter unb Uidit feufjenb ^inaud in bie l^elle flare 
grü^lingSnac^t. ©in fc^wac^er SGBinb »e^tc herein . . . Scud^tenb 
winften einanber bie Stemlein am lieben ^immelögelt unb befci()auten 
^\6) in ben trüben @I5fern meiner roftigen SSrille ; ber SWonb fc^ien matt 
unb blaft gum genfter l^erein ... 3e langer id) l^inftarrte in biefen 
magifd^en ^a\h]ä)^in, bcfto me^r verfiel i(^ in fe^nfüc^tige f(^»ermüt]^ige 
Träumereien. dWein benebelter @cift üerfe^te fid^ jurüdf in bie Sa^tc 
ber golbenen Sugenb, in bie 9^aume beö üaterlic^en ^aufeS. ®lcid^ 
einem glänjenben QKeteore fc^immerte mir bie enorme ©ratpfanne meiner 
SWutter entgegen, »a^renb mein gudfenber SWagen an bie elenben SBürfte 
im ,,S2ßagner" erinnerte. Sieblic^ fpielten bie SBeKen um meines 
Dl^eimS »of^lgefütttcn gifc^bcl^ätter ^er, au0 »eld^em \d) fo manchen 
fetten 2(al gegogen unb felbft gebraten i)atU, Ȋ^renb {e^t bie ftinfenbe 
^aut eines miferabeln ^aringS tjor mir lag. Unb, o! loie lodfenb 
leuchtete mir ber gewaltige ^eüerfc^tüffel in, a^\ unerreichbarer 
gfeme entgegen , inbeff en ic^ jef t über niö)i^ al8 einen 4 pf ünbigen 
4)au8fc^lüf|el ju gebieten ^atte, welcher ncbft meiner armfeligen 2!abadfS« 
pfeife ben einzigen Snf^alt meiner 2!afd>en ausmachte. ®(eic^ ben ag^p- 
tifd^en Sleifc^topfen erfd^ien mir bie ftattlic^e SRei^e @d^in!en im ^eimat^ 
lid^en Kamine, wa^renb ic^ {ejt ni(^t8 in ben ^amin gu l^angen l^abe. 



428 Sln^ang. 

a(d ehva meinen fc^Ioppen fc^ma^ttc^en ©elbbeutel. @§ erf(^tenen mir 
bie {onntgen 2^age, too ic^ immer mein, toenn au^ befc^etbeneS, bc4 
regelmagtged Safc^engelb l^atte, unb loenn biefed audf audging, M 
bie (Sparbüc^fe meiner (Sd^iüefter mir immer eine erfreulich Sufluc^t 
gewahrte; tvo \ä) feine anbern ^unbe dd Sagb«, SBtnb> unb SNk^- 
l^unbe lannte; unb menn ic^ nun meine ie^ige $age überblicfte, jo 
mu^te i(^ meinerlic^ ausrufen: „^it {ebenen Sage in ^raniuej fint 
nun gu enbc'' unb: „3)ie 3cit ift ^in, ba 33ert^o fpann" ... 3* 
fanbte bcn büftcm iöUd l^inauö in bie graue ffla6)t Slbcr aä^l i(t 
fam Dom Siegen in bie Traufe: bie gan3e fc^immlige nüchterne ©egen* 
wart entmitfelte fid^ cor meinen 3lugcn. 3" ^^n neblic^ten Soßen» 
bilbern fc^mebtcn bie (Schatten aüer meiner ©laubiger vorüber unb 
»iefen mir it^r grinfenbeS Slntli^. SDer ungelofc^te S)urfk fu^r, ein 
grauenhaftes ©efpenft, langfam bei mir vorbei unb ber fraffe junger 
geigte fid^ in gorm eineS Ungeheuern, aber burc^Ioc^erten ÜKagenS, ber 
mit einem Äopf unb gwei S3etnen oerfel^en mar ... ©o umwößte 
bie gange l^unbSfottifc^e Gegenwart meinen ftarren IBH(f unb am 
(Ec^Iuffe aUer biefer ^l^antome erfc^ien bie Hoffnung in rofenfarbenem 
bleibe. 8e^ncnb ftredfte x(i) t^r meine Slrme entgegen, jie f(^^webtc 
vorüber unb ic^ fa^ fie von hinten; aber in melc^er ©eftalt? ... 6^ 
fei ^nd) genug, menn ic^ @u(^ berichte, ba§ fie fc^euglid^ genug au»« 
fa^, mici() in eine augenblidlic^e D^nmac^t gu ftürgen, »elc^e ftc^ na(^ 
unb na(^ in l^artcn (Schlaf vermanbelte, von welchem ic^ nic^t e^er er« 
machte, bis mic^ am 9Worgen baS klingeln ber ©locfe werfte. 5)a 
fprang id) auf unb gur 2:büre herein trat ein üWann mit einem (Schreiben 
in ber ^anb. „2)er 3öed))cl! ber Söec^feU" rief i(^ freubig erfc^frtrft 
unb ri& bem bienftbaren ®eift baS Rapier auS ber 4)anb : — eS »ar 
nur eine (Sitation von ber ^oligei." 

Sin anberer 3luffa^ befielet in einem ® ef präc^ ^meier Ul^ren, 
bie mit etnanber im bunfe(n ©ema^rfam beiS $fanb^aufe§ (tegen 
unb ft^ fe^nfü^tig von i^ren Ferren 93eft^ern unterhalten. 

3(uS: „Q^crmifc^te ©ebanfen über bie ©c^iveig*. 
(5ür baS 2öod>enblatt ber (gd^weigergefeUfc^aft, ÜRarg 1841.) 

— — — „2)ie 3eit ift ba, »o bie geiftigen Elemente unjer* 
SanbeS im ^eftigften Kampfe venvidelt finb. 53eina^e feinbfelig fte^cn 
fie fid) gegenüber, unb unter i^ren SSertretern fe^en ujir auf beiben 
(Seiten tüchtige ü)?anner, aber auc^ auf beiben @eiten viele bIo§e SRaul» 
gelben. 2Bir »erben wa^rfd^einlid^ bie ^rife no(^ erleben; geben wir 
uns ber fc^onen J&offnung bin. bag jeber rebUc^^e (Schweiger in il^r fein 
ivatjreS ^eil erfüllt feigen werbe. 3u biefer ^Ji'ffnung ift aber nur ber 



3n SWünc^cn. 429 



bcreti^tigt, bcr aud) an \\d) fclbft md)U fehlen laftt, wag bcm ©anjen 
frommen !ann, ber unpart^ciifd^ unb unbefted^(t(^ ben 9lu$cn icber 
!D?einung ftitt bei fid^ felbft cnöägt, unb, ^at fie fid^ al§ gut bewahrt, 
fic annimmt, fomme fie »on einem Slriftofraten ober S)emofraten, paffe 
ftc in {ein bisheriges ©pftem ober nid^t. 9lun fönnen wir unS aber 
nici^t längnen, bag and) auf unfrer liberalen unb rabüalen (Seite nid^t 
immer alled fo »or. Unfre Siabifalen finb oft fo f(^roff, fo uerblenbet, 
fo intolerant, aI8 nur ein eingefleifc^ter 5lriftofrat eS fein fann. 2)ic 
Srei^eitöliebe ift nic^t gar feiten in eine gebanfenlofe ©c^reierei aud« 
geartet; bie religiofe ©ebanfcnfrei^eit gum falten ^o^ne unb Söeglougnen 
jebeS religio Jen ^rinjipeö unb jum frcd^en @potte alleö ^eiligen ge- 
worben. @S finb gwar nur einige äBenige, benen man bied nac^fagen 
fann, aber trauriger SBßeife fmb biefe gerobe bie talcntöottftcn ^öpfe. 
(Sbenfo })at man einige male ju wenig bebad^t, bag nid^t aUed 9leue 
gut, nic^t aUed ^Ite untauglich unb fd^led^t geworben fei. !B&^renb 
man bem ®eift immer me^r Sfla^rung gibt unb bie Äopfe erl^ellt, lagt 
man nic^t feiten baS ^erg erfalten. ^an ift ju profaifc^ geworben in 
vielen ©ac^en. ^agu gebort ^auptfac^lic^ bie g&nglic^e IBernac^läffigung 
ber fd^önen Siffenfc^aften unb fünfte unb fc^roffe Abtrennung t)om 
AuSlanbe; benn in biefer ^infid^t ift und ^eutfd^lanb weit voran, unb 
eS fd^abet unfrer politifc^en ^Nationalität burc^aud nichts, wenn wir 
bad in ^unft unb Literatur P^r fte^enbe SluSlanb gum ÜJhifter 
nehmen. 91ur baburc^, ba§ wir {eben guten (gebauten in und auf« 
nehmen, fomme er, uon wem er wolle, ba§ wir bie SBa^r^eit an jeber 
Partei ju fd^ajen wiffen, ba§ wir in unfern ©egncrn nic^^t bie ^erfon, 
fonbern nur bie falfc^en ©runbfSje Raffen, unb felbft wä^renb bem 
^i^igften Kampfe bie S3erföl^nung im ^^erjen tragen, baburc^, ha% wir 
ol^nc aUen 3)ünfel gerne anerfennen, ba§ auc^ ber ©ürger anberer 
Staaten glüdflic^ fein foune, baburc^ enblic^, bag wir niemals ben 
göttlichen gunfen ber ©wigfeit in unfrer ©ruft erfticfen unb nie baS 
^eilige iBcrtrauen ju jenem verlieren , ber bie &exm lenft — nur ba» 
burc^ fönnen wir bem (Sonnenaufgange ber alleinigen SBal^r^eit ru^ig 
unb gefaxt entgegcnfe^en. (Sie wirb »ieHeic^t blutrot^ aufgeben, biefe 
(Sonne; in büfterm Purpur werben oietleid^t bie gimen unb ßiSfuppen 
unfcrS freien SJaterlanbeS glühen; aber ber frpftall^etle 2^ag wirb 
bennoc^ anbred^en unb fein glüdClic^eS reineS 8lau iiber unfere filbernen 
33erge ausbreiten." 

3u (S. 111. gfabel. (JDie 8euc^twürmd()en unb bie ©temc.) 

w3ur 3cit ber Slbenbbämmerung fafeen brei ober üier Öeud^twürmc^en 
in einer SBßiefe unter ben Krautern unb ©lumcn, unb man fal^, wie 
fie ge^eimni^ooH bie ^opfe jufammenftedften, emfig ^in unb ^erifroc^en 
unb fic^ eifrig befprad^en, fo bafe man glauben mufete, eS fei etwoS 



430 ^n^ang. 

fe^r tttd^tiged im S^erfe. Htö nun bte fflaä)t auf bte gelber unb 
fluten ^emieberfanl, unb bte <3tenie am ^tmmel erglänjten, ha ti' 
Hemmen fte einen l^o^en (^ro^^lm unb \pxaäfm gii ben Sternen: 
„3^t lieben Stemletn! 3^r mit^t %em\^ fe^T mübe fein wn axtm 
a(lnad|tli(^en SBac^en, bnim ge^t ein ^al o^e Sorgen f(^Iafen, otr 
»oQen inbeg bte @rbe für eu(^ beleuchten!" SMe Stemlein lachten 
einonber an unb t>er6argen fic^ gum Spa§e hinter fleine Stoßen; bie 
^eu(^tn)ürmd^en aber glänzten bie gange ^lac^t ^inbun^ aud aQen ^h^ 
haften unb am 3)?0Tgen meinten bie guten ^terlein, fte Rotten bte 
erbe erleuchtet.'' a)en 20. «uguft 41. 

f^om gic^tenbaum, bem ^eid^e unb ben SBoIfen. 

S)te l^errlic^ Sbenbfonne befc^ien mit i^ren golbenen Strahlen 
einen grogen g^d^tenbaum, rotld^ an einer felftgen Serg^Ibe ftonb. 
Sein ftad^lid^ted $aub prangte im fc^onften ©rün, unb feine Itefte 
waren »ie mit ^tntt übergoffen unb glanjten weithin burc^ bie ©egenb. 
(£r freute ftc^ btefed ©langet unb meinte, aU biefe ^errlic^feit gef^ 
Don i^m {elbft aug unb fei fein eigene^ ^erbienft, fo ba| er fe^r eitel 
warb unb pra^lcnb aufrief: ^Se^t ^ i^r anbem ®e»ad^fe unb ®^ 
fc^opfe um m\6) \)tt, xoo erfd^eint etned in fold^ $rac^t, wie i(^ eble 
griente? ©ewig, i^r feib fc^r gu bebauem, ba§ euc^ ber Schöpfer nic^t 
fd^oner gefd()mü(!t \)at.'' 5)ie Sonne ^orte biefe eitle Siebe unb würbe 
barüber unwiOtg, fo bag fte il^re Strahlen ton bem ^ume weg auf 
einen bunflen 5^ei(^ wanbte, ber unten am ^erg in tiefer 3ilu^e lag. 
3)er gfic^tenbaum fal^ nun fo ob* unb traurig au8, wie »or^; ber 
Ztiö) aber bewegte ftc^ freubig in fleinen golbenen SßeOen unb wieber« 
ftraf^Ite baö S3ilb ber Sonne in taufenb geuerpunften. allein auc^ er 
würbe ftol) barauf unb glaubte am @nbe, er felbft fei bie Ouelie 
aller biefer Älarf^cit unb »erf Rottete bie anbem ©ewäffer, welt^ im 
Schatten lagen, ^a würbe bie Sonne abermald unwtOig, 30g fBelitn 
3ufammen, in benen fte fic^ ocrf^ülltc, unb ber Xei<^ lag nun wieber 
in feinem büftem mclanc^olifc^en ®rau wie juüor unb fc^mte ftc^. 
2)ie Sßolfen hingegen begannen je^t gu glühen unb fc^einen wit Purpur 
unb oerbreitetcn fi(^ wotjlgcfallig am abenblid^en ^immel, aU bie ^be 
fc^on im Schatten lag. ^a würben auä) fie übermüt^ig unb riefen: 
„örglangen wir nic^t oiel fci^oner bcnn bie Sonne?" Unb jum britten 
9Wal)lc würbe bie Sonne unwillig, unb inbcm fie hinter ben 4)orijcnt 
^inabftieg, entjcg fie i^re Strahlen ben unbanfbaren ^uftgcbilben, unb 
Söolfen, See unb IBaume »erfi^wammen nun in ber grauen ^amm^ 
rung, biß enblic^^ bie ^ai)i alle biefe eitlen ©efc^opfe ber SSergeffen« 
^eit übergab." Huguft 1841. 



3n SWünd^cn. 



431 



5^ treibe wie ein @(i^iff ouf wilbcr Slutl^, 
^aS, günft'gen Sßinb entbe^renb, nid^t bem ©ttütne 
3u )9iberftel[|'n vermag. <Sü bin id^ taglic^ 
6ntfc^Ioffen, meinen Saftem gu entjagen: 
^eiDo^n^eit, Umftänb' unJb ^erfud^ung fc^Ieubern 
Wli6) wieberum in'8 9Recr. — D ^immelö^auc^ ! 
^ogft bu bei fd^tvac^en i^c^iffed @egel fd^tvellen, 
S)ad ü^ne bid^ ben ^afen nie erreicht! 

(9)?ünd^en 1841.) 



3. Riebet in ^üvid^. 

Sine SuSiDal^t ungebrucfter ©ebt^te (Sottfrteb ffeOerS aui 
ben Sauren 1844— -46 fei ^ter na^getragetu 

Srrlid^tcr. 

3öar ein ^eimatlrjer SBanbrer 

^uf bed bebend bunKer ^aibe, 

Suchte eine ÖiebeS^dmat, 

^ie mid^ ncn ber SBelt abfc^be; 

Unb »erirrt in büftern ©riinben 

(Ba\) id) enblid^ in ber JJerne 

2öie jwei Srrwifc^', jd^webenb, leud^tenb, 

2)eine beiben 51ugenfterne. 

Unb »ertrauenb folgt' iö^ i^nen 
9lu^Io^ über gelb unb ^ügel, 
Unb bie ^üffnung lie^ ben ©tab mir, 
Unb bie (^e^nfuc^t gab mir {^lügel. 
S3alb an floren (Eilberftrömen, 
53alb im ftiCien Stofengarten 
@(^ienen mic^ bie blauen 8i(^ter 
Öiebcleud^tenb gu erwarten. 

5(ber war ic^ an ber (Stelle 
2Wüb unb burftig angefommen, 
5öaren auc^ bie faljc^en (BUmt 
3n ben JRofen fd)on »erglommen, 
53iö )ie wieber in ber SBeite, 
3n ber 2öeite freunblic^ lachten 
Unb mi(^ f(^mad)tenben ©cfellen 
Söieber auf bie 33eine brachten. 



I 



Sßteber in 3ürt(^. 433 



©^webten flc in luftigen SReigcn 
Ober blaue gf^ut bed ©eeed, 
©prang id^ in ben leidsten 9la(^en, 
©d^iffer metned fc^iveren SBeljfed. 
Sin bem Ufer ftanb ein ^rd^letn; 
S)ad tvar mir tin guted S^id^en, 
Seil x6) bort am ^od^oltore 
©ie ni^ ](foffte gu eneic^en. 

Slber ba tvar auc^ ein jMr^^of 
9ta(i) ber alten fd^limmen ©itte, 
Unb ha glänzten bie gtvei ^id^ter 
mib in fHUer Gräber SX^itte, 
^aben noc^ mit fügen ©trollten, 
©d^eibenb no(^, mir gugewunfen, 
@inb borauf nac^ Strlic^t äBeife 
3n ein ^lumengrab »erfunfen. 



(11. Sanuar 1844.) 



S)ad ^aterlanb, bie Sf^i^eit, bte ^izht unb bie ©cnne, 
S)ie Hoffnung unb bte 9lofen, bed Sßalbed ^uft unb Spönne, 
S)ie bellen unb bie ©teme, SJ^eer unb bad ^enfc^en^, 
^ad eigne laute ©e^nen, ber eigne letfe ©c^merg: 

IDad finb bie Siebenfachen, bie und bte Sieber geben, 
IDod ift ber arme IBettel, tvorauS tvtr ^id^ter leben. 



Unb loenn fie abgebrofd^en unb audge 



ungen finb, 



^ann lagt und ge^n unb betteln, oerftummt unb taub unb blinb! 

(1. ©eftember 1844.) 

©Ott. 

©Ott ift ein groged ftiHeS ^aud, 
S)ad offen fte^t gu Jeber ©tunbe; 
^ein 2:on gebt toeber ein nod^ aud, 
Unb bunfcl fd^einfd in feinem ©runbc. 
Unb toiflft bu einen S^lamen rufen 
3n feine unermcff'ncn ^aUm, 
^ann toanfen unter bir bie ©tufen, 
Unb feine S^orc nieberfaUen! 

O^ottfricb statt. 28 



434 ^n^ang. 



Unb tver ^tnemge^t, jle^t baS ^idfi, 
@T fte^t bie SSa^r^t unb ba§ 8eben; 
^od^ ivet ^tnaudge^t, fagt e9 nt(^t 
5)em Sßanbter, ber i^n fragt, baneben. 
hinein mug felbft ein {eber bringen, 
Ünb ieber tvtrb ed anberd fe^ 
Unb, in ber @eele engften (Bildungen 
^eitDo^renb e9, üon bannen ge^en. 

&ott ift ein groged ftiUed ^auS, 
S)ad offen fte^t gu feber ©tunbe, 
Unb mancher )ie^t mit @au§ unb $raud 
Vorüber unb nimmt leine ^nbe; 
(Si mug bie Knfer fro^Iic^ lichten 
Hufs ^0^ 9Reer, boö er erfcren, 
3{t glü(!(i(^ unb »eig bo(^ mit nid^ten, 
S)ag er in biejem ^au§ geboren. 



(1. (Bett. 1844. 



Kn mein ^aterlanb. 

D mein ^matlanb! D mein ^^aterlanb! 
9Bie fü innig, feurig lieb' ic^ bi(^! 
^Ker 6tem, »enn jcber mir erblid^, 
Seuc^tefl mir no<!^ 3^roft unb 4)oifnung gu*)! 

Ute 16) arm, bo(fc fro^ in bie grembe jog*), 
^onigSglanj mit beinen bergen mag, 
S^ronenflitter balb ob bir »ergag, 
3)a »arft bu be§ S3ettler§ größter (gtolj^. 

^l§ id^ »anbem ging unb bir ferne toor*), 
%a^U manchmal mid) ein tiefeS Wb, 
2)o(^ »ic fe^rte fd^ncU eS fic^ in greub', 
Sßknn id) einen beincr Sot)nc fal(|! 



') 3ni 9Kanu|'fript geänbert in: 

,,Sd^ünfte 3io]\ menn jebe mir oerblic^, 
S^ufteft nod^ auf meinem oben Stranb/ 
*) korrigiert in: „2)urd) bie grembe ftric^." 
') SBeränbert in: „®ie mar ba ber S3ettler ftolj auf bic^!' 
*) SBeränbert in: „%[^:> ic^ f^ni Mr mar, ^dvcüal" 



I 



Söicbcr in 3ün(!&. 435 



Sßcnn bcin eigen Äinb beinen ©d^murf jertritt*), 
©engt ber Swictrad^t JJIamme beinen glor, 
D t»ie f erlagt fo bang mein ^rj em^or, 
Unb eS füllet beine ©(i^mergen mit! 

SBenn ic^ leiber mäi rüftig fampfen mu^ 
Sn ber ftreitenben Parteien fRtiffn, 
2)cm geredeten ©egner Siebe weil^'n 
SBerb' iä) ftet§ unb ben SSerfö^nungdgrufe'). 

D mein ^d^weijerlanb, bu mein ^Jaterlanb')! 
©ann bereinft mein bangeS @tünblein fommt — 
Dh \^ ©c^wad^er bir auc^ nid^tö gefrommt — 
91id^t »erfage mir ein ftiUeö @rab! 

Senn auö ©rabeSnad^t i(^ einft auferfte^'*)^ 
S3eten will id^ bann gu ®ott, bem ^enn, 
2)a6 er fegnenb feinen fd^onften ^ttm 
©tral^len laffe auf mein S^aterlanb! 

(13. (September 1844.) 

3lm «ettage. 

4)err ber SJolfer, bem beö ^immelö @terne brennen, 
2)en allein alä @ott unb ^önig wir erfennen, 
Öffne beineB ^erjenö @rünbe biefem öanb, 
5Ö0 ein bctenb 35oIf gu bir ergebt bie ^anb! 

^\e\), iä) ging ^inaud, l^inaud auf obe ^aibe, 
^af) mein iBaterlanb im reinen (Sommerfleibc, 
^ört' fein fle^enb' Söimmern in bem ©lorfenflang, 
2)cr t)on 33ergen unb auö Xl^alern ja^Hoö brang. 

3n ben Äird^Icin ferne lic^ id^ bie ^ßropljietcn, 
3öal^re, falfc^e, mit bem armen SSolfe beten, 
5)cnn ic^ wei^ unb glaub', o ^crr, in meinem (Sinn, 
3)u lenfft jeben Scufjer liebenb gu bir ^in. 



») Urfprünglic^: „ßobert giebcrglut bir im feigen S3lut". 

») Urfprünglicti : 

„2öerb' idö ftet§ bem ©egner Siebe mci^n, 
^or bem grembling läugn* ic^ allen Sroift.'' 

*) darüber: „O bu ©d^roeiaerlanb, all' mein ®ut unb ,J)ab'." 

*) S)afür : „SBerfe ic^ öon mir einft mein (Staubgeiuanb.'' 

28* 



436 ^n^ang. 

Unb bt(^ rü^rt bted unbeiougte hlinbt stammeln, 
Süffeft bdnen (Sngel bte ®ebeie fammeln, 
<Sd^en!eft und umoanbelbar bod rechte ®ut. 
!RuT um bied, um bied fielet mein bemegted iBIut: 

6enb* und gnäbtg einen ^Reiftet, ftar! unb lichte, 
^Der bir einen neuen ^unb unb Tempel richte! 
$on 9hibinen pur^jurfha^lenb ^tmmeCwartd, 
3eber ein lebenbig fc^Iagenb ©(^tvetjer^erj. 

3eber gleich unb {eber fpiegelnb fc^arf gefd^Iiffen, 
3eber avA bed SßoUt^ tiefftem ©d^ac^t gegriffen, 
tllfo tvBIbe fi^ empor ber fefie @aal, 
^rtn bu tvo^nft, o @ott, aü reiner S)emantftra^L 

^trc, bu tvetgt, bag o^ne grrei^t loir nid^t leben, 
3ft ed m5gli(^, lag ben j^eld^ t^oritberfc^tveben, 
IDer bte ©d^Iange unb bie ^tttt in fi^ fc^Iiegt 
Unb Un XoMtavi fd^on auf bie gfluren giegt! 

@egne unfre %a^mn, fegne unfre Sieber, 
(Segne unfre Sf^ei^t, lag fie blühen tvieber! 
^egne bu mein ^d^n^eigerlanb, bad fo t^iel litt! 
@ic^e, feine S3erge beten für mi(^ mit! 



(©e}jtcmber 1844. 



?ieb ber %x^i\6^axtr\, 

3luf, labet @uerc IBüd^fen 
mt 5ßult)cr unb mit «Blei! 
Sßir n^oKen fag^ unb fu(^, 
SBo unfre gret^^cit fei! 

SBir tt)oQen einmal fpajieren 
3m f(^5ncn iBaterlanb! 
Unb votx und bran xdxH ^inbem, 
Tbii faden ison unfrcr ^anb, 

2lflauf unb über bie ^erge, 
S)urc^ Söalber unb über bie ©ee'nl 
^ei, n^ie fo frifc^ unb fd^neibig 
^ic ©d^trcijerlüfte »el^'n! 



äSit fteiflen bie &lbttf)imn 
^Bd) immti jum ^itntnrl au|! 
@e nallcn iit ^UbcTpffe 
9le<^ immer Im altnt Sauf. 

2)om 3uia bit jum ©ftlfigcn, 
fSom tft^Dban iÜ jum »(ein 
3ßug bm^ iiM^ WO gu ftnben 
X)ie oltt grd^t frin! 



(SKjembet 1844.) 



8ieb btT S'i^tilf*"'"- 

@it nennm unB bft änrillnien 

Son trauiign @<flalt! 

@ott beffer'B! »tr (abnt bn S^ntn Dtfl, 

Qnb unjrt 3unfl tft alt. 

©et .&uttett ji^Iöft im 3iiri(^[«, 
ä)et ^laten am blauen aiteet, 
Unb beiben ging bie Seele (tü( 
Sntjinei, UHil fle fo It^ner. 

^, ^ipTon, 3nann! »ie fiebelß bu 
Silb fiber 8anb unb @ee! 
aiuil^l bii, XoTquatD, t^at bie ^nb 
Cum bittem Spielen me^. 

Sia^ i^m baB ^aite {kij nerging, 
SlieS atolanb in fein ^om, 
Unb in Verbannung beiriii^ fang 
Sier ÜJante feinen 3orn. 

SB lebe, naS jertiffen ift, 
3n Stuften (Sngt unb jerfeet, 
S)ai SSatetlanb unb baB ^ii^teigemüt 
Qnb ieber ^urpuT julegt! 



438 tln^attg. 



8al(abe vom bürren ^onig. 

@d xoax ein bürrer ^ontg, ber t^att* ein Sanb am SReer; 
(Sx fu^r an feinen Stuften branbj^a^enb ^in unb ^er. 
6ü oft im ÜRaienfd^eine erglü^f fein gfelfen^aud, 
3cg er mit ©d^iff unb 5hte<!^ten unb leeren ©edleln au§. 

So ^elle Sfcnfter blinlten entlang bem 9Reered{iranb, 
S)a Hopft* er an bie Spüren mit feiner v^ocben^anb; 
Unb XDO ein ©peic^er lachte, ba t^at er einen ©riff 
Unb füQte unerfättUd^ fein weitgebaud^ted ©(^ijf- 

(Sx lünnte aUed brauchen unb allem loar er ^olb, 
$Der ffioüe wie ber 6eibe, bem Silber wie bem @oIb; 
3m Xopf na^m er ben ^cnig, bie (Werfte wie bad Stern, 
2)en ffieijen mit ber @preuer, bie Äu^ mit Älau' unb ^orn, 

3)ie ©au mit i^ren gferfeln, boS 4)ubw mit feinem ßi — 
Sßii febedmal bad Sa^rjeug glic^ einer 'äJ^eierei. 
^a^eim ^at er gwülf 3unge unb eine Königin 
Unb eine Äonigin«9)iutter, bie ^arrten aW auf i^n. 

^ie fragen, wad er brachte, unb üagten \id) nod) febr 
Unb iagten ftetg aufd 9^eue ben S)ürren auf bad Sl^eer, 
Unb gaben i^m bann fd^mablic^ auf feinen SßeQenhtt 
Unb aQen feinen 9Rannen ein S^gl^in 3wieba(f mit. 

@ü fu^r er einft bebäc^tig am Ilaren borgen auS; 

^od) no(^ an felbem Sage ba tarn ein Sßettergrau§, 

@in @aud unb 8rauS am 4)iinmel unb auf ben SBaffem ^er. 

IBalb hinter ©d^aum unb SRegen fa^ man fein Ufer mebr. 

@d trieb la^ ©c^iff in§ S03eite unb auf bie ^o^e (Eee; 
Unb alö ber ©türm verflogen, warb eö ben Schiffern web: 
Sie fannten feine ©egenb, 'S war nur ein blauet !Runb; 
2Bo fic ben ^nfer warfen, ba fagf er feinen @ruub. 

Unb weiter, immer weiter »erirrte \xd) bie ga^rt, 
Unb langer, immer langer ber 3wieba(f warb gefpart. 
D web, ta balf fein (Sparen, am (5nbe ging er au8, 
Unb grinfenb ia§ ber JE)ungcr im engen S3retterbauS. 



Söiebcr in Süric^. 439 



^rei Za^z lang gu faften ein ]eber !D?ann vermag; 
2)o4 toirb bad ^tng »erbrteglic^ fc^on mit bem »ierten Sag. 
Sag fagt 3^r gu {ec^d Sagen? ^ermalebeiter $raud)! 
2)ad fanb ber bürre i^onig mit feinen ^nec^ten auc^. 

3)rum nel^imen fle brci SBöürfel unb toürfcln um ben Sob: 
©ein 8lut mu6 @iner laffen, jein %U\\6) unb S3Iut fo rot. 
^aum ^at ein armer Seufel ben fletnften Surf getrau, 
^M man i^n gleich gu braten unb gu iscrfpeifcn on. 

Unb als man fold^en 8raten mit brauen ^atf »erbaut 
Unb tvieber ein paar Sage bie ginger fid^ gerfaut, 
5)a ging eö an ben Sweiten, ben ^Dritten unb fo fort, 
^id enbüd^ nur ber ^onig unb noc^ ein Wlann an ^orb. 

Wlan ^atte i^m bad j^nod^eln erlaffen aud ^efpeft, 
^o4 ^att' i^m brum bie 9J^al[|Igeit nid)t minber tDo\)l gefd^ntecft, 
3a, er fanb gang in Drbitung unb trefflich biefen ©c^maud 
Unb gafff , ein öieblein pfeifenb, bumm ouf tai ÜWeer ^inauS. 

Unb ttjinbftiK rul^te weitum beö 5Keereö flare IBruft 
Unb öffnet' i^re Siefen bem @onnenf(^ein mit 8uft; 
3)er Äonig pfiff nod^ immer, inbeS ber anbrc aWann, 
55erba(^tig nad^ i^m fc^ielenb, fü^n auf SSerfd^ujorung fann. 

5)ann fing er an: „^tvx 5^onig, »out gnabigft 3^t geru^'n 
ÜWit 6urem legten Äned^te and) einen Surf gu t^un?" 
^od) jener ma^ i\)h ftarrenb »om Raupte big gum gu^, 
3)enn ba8 war il^m ein frember unb ungewohnter ©rufe. 

2)rauf fc^wang er gä^nefletfc^enb ben 5^oIben auf ben ^nec^t; 
2)er aber praftigierte ein nagelneueö fRed)i, 
@(^Iug i^m bie Äron' üom Äopfe, rife i^m ben Purpur ah 
Unb fd^rie: „^ai auf! mein 5Wagen wiro nun ein ÄonigSgrab". 

Sog fcbneU i^m burc!^ bie ^e^le fein SWeffer fc^arf unb frumm, 

Unb wütenber uor junger wanbf er it)n um unb um 

@r mufete liegen la^en ben Seib mit ^aut unb ^aar, 
Seil ber auc^ gar gu ga^e unb ungenießbar war. 

(gebruar 1845.) 



440 ^n^ang. 



„%n gftau Saroline ©(^ulg^). 

(Sld fie in ben „3a^rBfid^em ber ©cgenmart" eine etioad 
übertriebene lobenbe Stejenfion Aber meine erften @ebid^te ergo|.) 

Senn aud bunfeln ^nnenbüfc^en 
jtritifd^ lungernbed ^efinbel, 
@<^&btg feige SBegelagrer 
S)te in i^red ^ettelfacfed 
ISobenlofen f^warjen @runben 
9H^t9 als fc^Iec^te Jhipfermünge, 
jtrummen, bürre ^&ferinbe 
Unb bergletc^en mit jic^ führen, 
9[uf ben wanbemben $oeten, 
S)er ba ^armlod ge^t unb fingt, 
3^re fd^Iec^ten SSBi^e fenben, 
S^red 9leibeS ftumpfe Pfeile: 
Df bann nimmt er Don ber ©trage 
fflnx ben erften beften ©tein. 
S^erfenb i^n nac^ bem ®e{träu(^e; 
Unb bad feige $a(f t^erlned^t [x^, 
©einengt unb reibt bie wunbe ffla\t, 
gfro^, bag man ed nid^t erfannt. 

Kber wenn ber gute S)i(i^ter 
9^5<^tli(^ burd^ bie ©trafen tminbelt 
^r&umertf(^ im fff^onbenlic^t, 
Unb üon blumigem 8al(one 
hinter 9lof*' unb ^9rtenft5(fen 
Dber gar auS Ileinem genßer 
^it romanffd^en @p^euran!en 
^aufd^enbe verborgne Stauen 
Überf^uenglid^ ii^reS 8obed 
@tne gange @ünbf(ut gießen 
^uf ben S)i(i^terltng ^erab: 
[RüfenSI unb Stb[ni\^ SBaffer, 
^Ranbelmtlc^ unb Stmonabe 
Unb bergleid^cn füfeeS 3eug, — 



') ©. 0. S. 239. 



miäiee in Sürit^. 



94' t'imn bleibt i^m gai nii^lS übrig, 
XIB bcn nafftn ftof)f |u f^&ftln, 
S)utnin Kibi&fft cmpcr gu fd^utn, 
9tuftnfc: .0 i^ bttlc fe^Tl* 



(18. 3uH 1845.) 



Vrinj ©^ufttr. 

anf ffintm S)rdbein (l^t unb nS^t 
^tn Srifte, ber ©(ftUe; 

(St I)at ben $tc^brabt {tlb|t gebrt^t 
Wft fun^gntditeT €^«0«; 
S)a3 ift gar ginlii^ anjult^n, 
3Bie «I bann Ipringt unb ^üfifet, 
3m pinftn «uj- unb Sflitberge^n 
S)en iBngfn 3n>lni Betfniipfet. 

{i(Tr Sri^e ^at ein rnft^' ®cm&l 

nnb tint neble Serie, 

Son olttm Sang unb Sagen bln^t 

SHt licbttreit^r fte^le; 

nnb au<^ im iufiein ^at ei fii^ 

IBcn te^ei biflingieiet, 

€dn' a^r unb ^fnem tß ntteifii^ 

SßU SSopfien auigejicTet. 

nnb tDcnn am Sbenb auf fein Xnie 
S){e fflaffcrhigel [(^immert, 
Siie es in leinet $^antafie 
Slann leuchtet, bü^t unb flimniett! 
!Sann ftcigt gefipntt ^enlit^fcit 
Auf out bem Stra^lenmeeie, 
Sann f&nt in bittrer Seligfeit 
flufS 8tber feint 3a^n. 

3m 8en}, ba ift bit ffianbetittt, 

S>a »iib'B ben Stbuftern ft^W&le; 

Sa ttirb aud; ibm bie 8ni^ fo nreit 

Bon ®e^n[urf)t unb ©efüffle; 

£ann ga^lt ei (eine SQäfc^'iin auS 

Unb brii^t mit (einer Siebe, 

Dann [olgt fein ^erj mit Saufl unb SBrauS 

S)ent a^nunsBcoSen triebe. 



442 ^n^ang. 

@o gte^t er ^in mit leidster 3ier, 
^en ^ut YDac^^tu^umtvunben, 
Unb eine ^one von Rapier 
3tn SRangel aufgebunben. 
@o \)M er an mit ^eQem Xon 
©ein S^anberlieb ^u fingen: 
„3<^ bin ein armer Äonigöfo^n", 
^a§ 9eIS unb SBalb erüingen. 

„D grüner SEBalb, bu greubenjaal, 
3&r ^irfc^Iein in ben Söalbern, 
2)u Sagb^Iofe bort im ftitten V)al, 
5^1 ©auern auf ben gelbem! 
D xoc\), bie $äter ^aben mir 
8on aCiem nichts gelaffen 
51I§ meine ^on' üon ©olbpapier, 
(Sin ©pott auf aUen @^af{en. 

„D «^nfrau, ÜWutter Königin, 

2)u eble SGöürmerfpeife ! 

©0 )ie^t bein @nlelfinb ba^in, 

@in ©(^ufter auf ber Steife! 

Söie triebet 3^r baS 2)ing fo \6)U6)Ü 

SDrum blieb mir ni(^t8 )u erben — 

9l\m foll i(^ armer @rbenfnc(^t 

2)aö Himmelreich erwerben!" 

($r pflücft ein gelb 9f{anun!elein 

Unb fterft'8 üor feine Söcfte, 

(Ex f priest; ^2)ae foll mein Drben fein 

53ei meinem Äronungöfefte!" 

(Ex fe^t aufd Haupt bie ^rone ftc^, 

©efd^aut im 2ei(^ i^r 33linfen, 

3m SJtonblic^t glangen wunberlic^ 

2)ie golbpapiemcn 3infen. 

5)ie8 eicblein ift mir ^nall auf Sau 
IBeim ^ein gur fi^elt gefommen; 
^aS ^aben mir bie ©c^ufter aU' 
(Smpfinblidft aufgenommen. 

(7. Sf^oüember 184,' 



2)er SRunbgefang ber ©(öden iß seiflungen, 
^injittfrnb tief inä rrint StfetrbEaH 

^at |i4 ii'c Icpte Zen ^inaufgefi^iDungen. 

%tm ob |te&' i(^ auf grünEi ®oniitaii6au', 
3ui Stite TU^t ein !ß[Iug im ftiQen 0db, 
Unb ftiHe ttinft bie ©onn' Ben aBoigentau. 

91un fflirt geprebigt lingS in ireittr SBelt 
Bon aDen Äan}ein unb nor ten aitSren, 
3n (tiHen fflÖpern unb ddiui Sagerjelt. 

@epTebigt »iTb in Si^tffen auf ben beeren 
nnb ttO bafl Slenb fi^t auf ^o^tm X^ion: 
3n ftranlenfälen unb auf ben ©oleeten. 

!Da3 6^ri|tentutn ift auS ber SBelt geflo^'n 
3n alten @4>utt unb mimmert bwt im Staube; 
3t^ bin allein unb \)BTt nichts baoon. 

3<i( bin im greien. Süfeei ©unntagegliiube! 
9Ba3 mag benn wobl bein jart' @e^eimntB fein, 
3>aB mi{^ umiauft^t mie eine 331ütentaube1 



(12. aiDüembet 184ft.) 



3* benle oft an» groee «ffieet 
Unb ^ab' eB nie geflaut; 
Unb iab' Ibm toä) fo lange {d)Dn 
3Hein IleineS Scib uertrant. 
2)aS maibt: i(4 fenn t6 beffer 
aiS mancher Seemann nol}!, 
SJie man in feine Sieft 
üßit «nba^t fc^nuen (dO. 

Unb fern mir nie bie 3ReeieSflut 
@e^t beineS ^ttjenS ®<tlag, 
Sita innetlict in ftitler 9ta^t 
3<^ laufe!) enb t)Bien mag. 



444 8bt^g. 

& tft betn ^tti ein Spiegel 
8on (Srbbaft über^anc^t 
S>axtm ®ott oft beft^ulic^ 
nnb tief fein 9uge taucht. 



I 



(19. Sk^tmhtt 1S45. 



Srn^IingSglaube. 



9Bdl man oon gefniiften 9(ofen, 
Sßcftt gertretnen Seilc^en fingt, 
Qnb i>erlaff nen ^bflgeitiofen 
Sel^mutdooÜe €t&nb4en bringt: 
8a§t mi(^ eine 9(o\t fingen, 
S)ie am Sölferbaum erglii^t, 
S)ie ber @turm mit plumpen Schwingen 
8rad^, niK^ e^* fie abgeblüht! 

D, in jenen gfru^Hngdtagen, 
9IS tie Jhiüfpe reift* unb fd^tDoQ, 
99Bte ^at mir baS ^er^ gef^Iagen 
Sief bewegt nnb freubenooü! 
9Ba9 mir bamald ging ^u ^er^en, 
grob ^i^ fingen ^at erbeut, 
@ont' i<^ fe^o I^elfen f^m&raen 
Unb i>erlaugnen vor ber SBelt? 

2:^ut ed, bte 3^t bem klingen 
Unb bem ^litd (Su(^ ftetd gebeugt! 
3(^ ^0^' nie ben ^auflerfprttngen 
^ed ^fd^icfed mi(^ geneigt. 
9lein! Unb liegt [it au^ im Staube, 
3<ne8 Seijae« fd^5n|te 3«er: 
^enno(^ ift ber Srü^Iing^laube 
SBanbeQo0 geblieben mir. 



(mprU 1846. 



S^ampagncr. 

S)a fagen »ir $olemtfer, 
(58 flog ber Äorf, wir tranfen toll 
(Sin blag Gebräu ber (§,\^tmiUx, 
^a§ {(^äumenb auf unb nieber qucQ. 



Siebet in Sürid^. 445 



SBtr beulten, fc^rie^n unb fatfelten 
IBom armen $To(etanerpa(f; 
Sngwifd^en aber tvaifelten 
S)te legten S^aler aud bem ®ad. 

^a pinmpte unS (Sntlebigten 

(Sin fp&ter IBettler {<^eu bte Duef — 

SBir prophezeiten, prebigten; 

S)o<^ fanb er feinen ©tüber me^r. 

^0(^ o^ne Slrg üer^anbelten 

SBir nod^ fein (SIenb fo unb fo, 

9lld tvir nac^ ^aufe tvanbelten, 

2)er aßeiS^cit für unb »iber fro^. (1847) 

(Vni: 2)oium^afen. ^a^hid^ fihr Sieb unb Sloodlc ^eroitfgcgeben bon «.Suliod 
unb Shq^crtitf. tpre§biiTg 1848. e, 7S; loicberl^olt in C^rifUan ed^M S)attf<^ flUhtfen« 
alnoso^ 8. 3a^T8as0 G. 118 (1858).) 



^uf bad ©ängerfeft be9 Sürid^feed. 

(1847) 

Sßann bte grit^HngSliifte gl&njen, 
Unb ber griine äBalb ertoad^ti 
$erg unb S^ale fi^ befransen, 
mt SBelt in Hoffnung lac^t: 
S)ann mag au^ (aS ^etj erflingen, 
^ad bie alte ©e^nfud^t iit% 
Unb bem ©Ott bed gfrü^Iingd fingen 
Siedet fein freuben^oOfteS 8ieb! 

D, bad @(^5nfte auf ber (Srbe 
3ft bee SWenfc^en fro^ ®emüt, 
äBenn bad al^^nungSDoUe „Serbe" 
@d im ^nje ^eig burc^glü^t! — 
trüber, fang« unb lufterfa^ren, 
@eib gegrüßt mit 8uft unb 6ang! 
Sagt beS SageS @orge fahren 
liefen einen Sag entlang! 



446 ^n^ang. 



@e^t, lote ^eU bie SBajfer {(plagen 
^n ben wohlgebauten (Stranb, 
Unb ber äBanberdmann mug fagen: 
^äjbn unb ebel ift bied Sanb! 
Wi ber SBea\ wie mit ber ©(^oOe 
Sflingen wir, mit ^rb' unb glut; 
2)0(^ bie gWüy, bie arl^eitstjollc, 
©d^ürt nur unfrer ^erjen ®Iut. 

SBenn auf unfren Slleben^ügeln 
grcunblid^ ru^t ber @onnc @(^ein, 
2)orf fid^ tief bie ©eele fpiegeln 
3n ber grci^eit golb*nem SBein. 
Unb fo fteVn wir ade Sxige 
9lufre(]^t, frei unb Reiter ba, 
^er§ unb ^anb mit treuem 6d^lage 
^tetd bem ^aterlanbe na^! 

{fbi9 (S^v. e^aM 2)eutf(^ Shtfenalmanai^ 8. QäfyxQ. e. 122. 1858.) 



3u @. 316. Slu8 ©ottfrieb Äeller« ^«itterarifc^en »riefen 

aus ber (Sd^weij" 

(»latter für literarifd?e Unterhaltung 1847. SRr. 36—39). 

„Sn ber ©d^weij fe^lt eS nie an belei&renber Unter^^altunc^. S^lid^t 
nur, bafe fid^ im Öanbe ber ©ibgenojfenfd^aft bie ^arteten mit il^ren 
6tarfen unb ©cj^wad^eni mit i^ren Sugenben unb ^^lem im gellen 
Tageslichte eineS offentlid^en ^ebenS bewegen: au(^ baS beutfd^e ffladi' 
barlanb fenbet und ganje (Bä^attn litterarifd^er SBanberratten , bie man 
fid^ tjon Seit ju S^it, nad^ Überwinbung einigen @felS, wo^l gleichfalls 
befe^en mag. . . 2)ie Sulircüolution ^atte wieber einmal für grcfee 
Sntereffen bie S36lfer ßuropaS auf ben Äampfplaj berufen, unb H 
waren jüngere wie ältere dWanner, bie mit i^at unb SBort in ben 
üorberften Steigen geftanben unb, burc^ ben Stücffd^lag ber SReaftion auS 
i^rem »aterlanbe gebrangt, in ber 8c^wei§ einen 3uflu(^t§ort fuc^ten 
unb fanben. . . @anj anberS bagegen ift eS mit ben faulen ^if(!^en, 
bie ein fauler ^xktt an ben ^Ipen abgefegt ^at. 3ene waren 6(l^if[> 
brüdj^ige, bie fi(^ in ber 9lot einer fturmbewegten 3«it an ben fremben 
©tranb gerettet; bicfc finb in if?rer 5Ke^r^cit burc^ bie eigene SRifert 
in bie ©d;weig geführt werben. 5Da fie ju J&aufe nichts galten, Ratten 



Sßieber in Sürid^. 447 



fie ni^td Seffered gu t^un, ald bur^ eine augenfällige @ottife mit bem 
gefunben ^erftanb unb bem ftttltd^en ©efü^I i^rer Sanbdieute üoUia gu 
brechen, um fid^ bann unter ben @ibgenojfen ald JDpfer einer über' 
jeugung auszugeben unb i^re S)umm^eit ald SBeid^eit talieren ju mad^en. 
^d verfte^t ftc^ oon felbft, bog ^ier üon feinem ^enoeg^ bie S^ebe ift, 
ber eine Station gu erjci^üttcrn gewußt; uon feinem greiligratl^, bem bie 
^(^tung unb Siebe alter unb neuer, fci^weigerif^er unb beutfd^er ^reunbe 
in fein britif(^e8 Slfpl gefolgt ift. Stud^ unter ben übrigen gibt e§ 
einige e^renioerte ^udna^men. ^oä^i 

„<DaS (^efinbel ^uf4 ^u|(^, ^ufd^! 
Äam ^>intenna(^ gepraffelt." 

S)ie§ gefd^a^ ^umal in ben legten Sa^i^^n, feit man auf ber redeten 
(Seite bc8 freien beutfd^en 9R^ein0 ein ßuangelium beS SBlobfinuS gu 
ftanbc gebracht ^at, »elc^eö fid^ ber neuen Dffenbarung rü^mt, ba§ 
bie l^ingebenbe Siebe gum SBaterlanbe tüte ber ©laube an einen ®ott 
ber Siebe gu ben j^ategorieen ted $lberglauben§ gu j&t^Ien fxnt:. ^o^l 
ift bieje @orte uon ©c^ulp^ilofopf^ie, bie [\d) bie junge genannt, in 
3)eutfc^Ianb felbft fc^on veraltet unb abgeftanben. 5lber leiber gibt eö 
no(^ (Sc^tteijer, bie, abfic^tlic^ ober unabpc^tUc^, benStuSfaJ ber Sitteratur 
mit ber gefunben frifd^en garbe beS en»a(^enben beutfd)en S8oIf8Ieben8 
\>ern?ec^feln, weil in ber ©c^»eij ein fleineS ^äufd^en litterari[d^er grei- 
beuter gufammengefloffen ift, »eld^e unerfahrene ^anbwerfer jum @piel- 
tocrf i^rer @itelfeit machen, »elc^e ben eljrcnirertcn SDrang biefer ?Wanner 
n»id^ S3ilbung unb Söiffen benujen, um fie mit ben abgetragenen Sumpen 
ber beutfd^en Söijfenfc^aft ju bedangen, biS fie enblic^ ju i!^rem @£^aben 
erfat)ren, ba& fie üon einigen ©ecfen, benen fie an 5^opf unb ^erj weit 
überlegen »aren, auf bie genjiffcnlofcfte Söeife mifebraud^t toorben finb. 

Sieben wenigen beutjdjcn ^anbwerfern, benen man e8 nic^t ver- 
übeln wirb, wenn fie in bie JJalle gingen, gab e0 aber immer nod^ 
einige ©d)weijer, bie fid^ von folc^en litterarifd^cn ©lürförittern bupieren 
liefeen. äam bann bie Snttaufc^ung, (o fuc^ten fie fid^ oft genug, ftatt 
jum büjen ©piele gute TOene gu mad^en, burc^ bie platten 3lu8brü(^e 
eineö rollen 2)eut|£^en^a|fe0 gu entjc^abigen ; unb inbem fie bie 2)onner 
i^reS blinben 3orn8 über ©ered^te unb Ungered^te rollen liefen, festen 
pd^ bie ungeitigcn ^jßolterer nur um (o gewiffer einem wo^l begrünbeten 
(Spotte aus. SDa§ fic^ in biefer SBegie^ung Äonjeruatiue unb liberale 
nid^t allgu viel vorzuwerfen !^aben, bafür fc^eint bie fürglid^ erfc^ienene 
<S(^rift eines gewiffen SKarr ein neueS 3cugniS gu geben. ßineS inS 
anbere gerechnet, barf man feboc^ behaupten, bafe bie liberalen burc^ 
@d^aten wenigftenS fo flug geworten pnb, um bie eigcntlid^ inö ©ran- 
bioje getriebenen ^Prellereien ibren fonfervativen ©egnern auSfd^liefelid^ 
gu überlaffen. $£)enn übertroffen fonnte bod^ jeneö „bairifd^e trüber- 



448 ^nljiang. 

paax^y ntemaB loerben, bad mit feinem opoftoHfc^en 9ln^ange in btt 
©d^mei) rücfte unb unter Raufen unb Srompeten auf offenem SRoxfte 
feine Sotbierbube auffd^Iug, wo fi(^ ein in pleno Derfamntelter luBf^nt 
!onfen>attDer !RotabiIitSten in fo fianb^after Itnet|<^ütterli(!^feit mit eine« 
mürtembergift^en „^erbe^ten" barbieren Iie§, bag ibre S^pfc hinten b^ 
quem in bie 8Snge nyud^fen, n)&brenb fie oom 4>aare laffen malten. 
t(uS bem ©d^aum einer neuen „äBiffenf(!^aft ber Sßelt", ben ft(^ bomaU 
biefe 4><nen um ben iSBart ftreid^en liegen, flieg fpäter fene Seifenbiofe 
auf, bie unter bem SRamen ber „$f9(!^oIogif(ben @tubien über Btaai 
unb ^irc^e" oor bem großen ^ublifum serpla^t ift. 

j^ein Sßunber, nad^bem bie „bairif(ben Srüber" fo gut ueggC' 
fommen, ba| nun au(b anbere litterarifd^e SBag^SIfe menn nic^t ben 
j^opf, to6) ben legten 9^eft i^red ^erftanbed baranfe^ten, um iu ber 
(Bö^wtii ^ortune gu mad^en. ^a präfentiert fi(^ ein Iongobarbif<ber 
$ropbct, ber gerabe auS ^eutfd^Ianb ^inaudgelad^t nyorben ifi, um oB 
^erfünber einer „neuen Seit'', aU ©rünber bed nya^rbafttgen ^tte^ 
reic^d ber allgemeinen ®ütergemeinf(^aft, unter ben 4>anbn)erfem im 
Sßaabtianbe ÜJ^efflaSgefid^ter unb Seutel gu fd^neiben. ^ort flottiert ein 
9lorbbeutf(^er b^tan, ber bie $oefie in S)aumenf(brauben bei ft(b fübrt 
unb fie sioingt, alS „©e^erin" S^ter gu fc^reien. Unb loetl bad @ef<^m 
nid^t im geringflen „romantifc^" lautet, fo ^aben Dr. 9{uge unb bie 
„^iti!" bie ©efaUigfeit, ed für Haffifd^ gu galten, unb auS ben fnorren- 
ben S^önen eined ungefc^mterten Sßagenrabd n)ei§ ®ott nyeltbe geniale 
Sßeife ^erauS^ub^ren. ^kx tau^t ein fommuniftif(ber SCtgemein^t^ 
beglücfer auf, ber gugleic^ für feine eigene ^erfon fo glücflic^ ift, über 
ber SRot bed iSBoüed bie !Rot oon grrau unb JÜnbern oergeffen {u 
fonnen, unb ber fi^ ben 6piritud für feinen auf $)erfe abgezogenen 
Sßeltfd^mer) auS allen Sirtd^äufern jufammenborgt. (Gelingt ed etwa, 
einen einfältigen SBinfelbud^^änbler betrunlen ju machen unb ibm bei 
gureid^enber ^erftanbedlofigfeit einen fommuniftiff^en Serlagdartüel von 
gleicher Dualität aufjufc^wa^en , fo gilt bied für geredete 9{otmebr M 
etu)ad weniger betrunlenen 8itteraten gegen ben ^efi^er iener erbarm* 
lid^en „©d^lorfe", bie in unfcrm gemeinen 8eben nocb gur 3«it ,®elb* 
ge^etgen ift. l^on bort !ommt mit feinem Seib(ben ein @p&|d^en, ein 
Dtto tcn @o ober @o, t^erübergeflogen , bad mo^l aucb in einigen 
beutfd^en SJ^ufenalmanad^en fc^on gejwttfd^ert t^at. (Sd ftrecft bad @(bn>än|' 
(^en in bie J^b\)t, \ttdt bad 5^6pfd^en juifdben bie I93ein(^en unb, ein 
umgcbrc^tcr Dtto ber @d^üj, jiclt eö auf bie Beute, bie feiner nid^t gf 
»a^renb bed Sßeged gelten. $lber bie ÜJ^aterialienbanblung i,3enni 6o^n 
in ^em'' ift fogleid^ bereit, »ad bad i^ogeld^en fallen Iie|, forgf&ltig gu* 
fammenjule^ren unb unter bem Sttel „Unterfcblagene IBriefe"* ald e^ten 

>) $riebii4 unb ^^eobor 9io^iner, 1841 in Bttrü^. 



^ Sieber in 3üri(^. 449 



@uano mit eigenen ^anben frifc^ ^u tjerlegen. ^ann unb tvann bricbt 
eud^ U)o^l au(^ ein reifenber 6tubent ind ^aud, cber tjom fernen 
2)onanftranbc ^er ein „53ertretcr beS beutfd^en (Slemcntö". (5r fünbigt 
eu(t an, ba§ er im teuerftcn ©aft^ofe ber @tabt, SRummer fo üiel, ab« 
geftiegen ift, gie^t aud ber einen Sßeftentafc^e eine ©tropbe auf bie 
gfrei^eit im allgemeinen, auS ber anbern bie ebenfo profaifc^e SOßirtd« 
^audred^nung unb erjuc^t euc^ um balbigfte gefallige ^^eric^tigung. 
Sogert i^r, fo »erbet ifcr „üernic^tet'' tuxd^ bie beutjc^e ^ßreffe, unb 
e^e ein Wlonat vergebt, fonnt i^r eud^ gebrucft lefen al8 „^enunjiant", 
alg ,,SReaftionar\ alö „©igotter", aI8 „^einb ber ^^manitat^ 

6§ gibt anbcre, bie ftc^ mit bem geringer tajrierten SJerbrec^en beö 
einfad^en d^itraubmorbd begnügen, t^in folc^er ^c^inber^anned ift im 
ftanbe, auf offener ©trafec bem erften guten fRodt ein SWanujfript für 
24 ^ru(fbogen auf bie $ruft unb einen Termin üon ebenfo t^iel ©tunben 
lu. fejen, iubem er feine gute üWcinung über baS SGBerf unfehlbar mit» 
guteilen unb einen Serleger bafür beigufc^affen ^at. ^amit gibt fic^ 
ber SRiffet^ater jufriebeu. SGBare aber ber eingefallene in ber Über- 
raf(^ung gu einem baren Sorfd^uffe gegen ^nweifung auf bad fünftige 
Honorar bereit, er würbe feiten eine abfcfelagigc Slntwort erhalten. 

ül^itten in biefem nic^t blo§ fc^einbar tollen ^afd^ingdjuge paffierte 
ber fd^on bcfagte ?Warr in bie (Sc^weij ein. (5r ließ fi(^ jum ©c^rift- 
fteUer fd^lagen, »arf „feine lange Sntclligcnj jum genfter ^inauö", 
o^ne mit biefem Sluöwurfe eine SWauö totf erlagen gu fonnen, unb 
„rannte fi(<) alö f^onetter SWann ben Äopf am 3wing»Uri ber @egen» 
wart ein", um fd^liefelid^ — ^öd^ft unartig gegen fein ^ßublifum! — 
mit eingeranntem i^opfe ein $ud^ über bie beutfc^en ^anbwerferüereine 
gu fc^reiben. @eit ben Sagen eined 9Bit*^oring ift feine abnlidbe ^^la* 
magc über bie beutfcfee ^itteratur gefommen. 2)er Unterfd^ieb ift nur 
ber, ba^ SBitd „^enfwürbigfeiten" ledbar unb mitunter unter^altenb 
waren, wa^renb ber @(^rift uon Slnno 1846, mit i^rem ger^arften 
marrenben @tile, bie »ollftonbigfte Harmonie ber ^ieberlic^feit in ^otm 
unb Sn^alt nicfct abjufprec^en ift. 2)er Serfaffcr f^attc feinen ÜJicnfc^en, 
ber i^m feine ©jrerjitien forrigierte. ßr repetiert alfo in feinem S3ucte 
aQed, wad er nic^t gelernt ^at. ^ilf ^immel! Sßad wirb in biefem 
SÖirrfamenframe burc^einonber gefafelt »on ben „blutigen S3ei§ereien 
wilber 55eftien bei ben alten ©riechen" ; »on ber „fouueränen üWad^t ber 
Xagfajung nad^ ber f(^weigerif(^en Sunbeöafte" ; uon ber üWe^r^eit ber 
liberalen ^Partei im 3üri(^er ®ro§rate gurScit ber5lu8weifung4>«rweg^§; 
üom ©trafeburger 5^ellnermab(^en mit „ßngeWfopfd^en" , bie ^x. Tlaxx 
mit feiner oorüberge^enben $erfon beehrte; üon mehreren fc^lec^t ju« 
fammenreimenbeu fingen, ald $oefte, $^ilofop^ie unb 6taatdrat 
^luntf(^li. 9lm unglücflic^ften ift er in ben l^erfud^en, feine ^ottifen 
mit eirtigfeiten ju bur(^mifd()en. 2)ie „e(^ten 2)emof raten" ber ^c^weij 

Oottfrieb Reiter. 29 



450 ^n^ang. 

\}tro^U\d)t er, um ja nic^t über bie ei^^ene Gattung ^inaußgufommen, 
mit wilDen @c^>ttjcinen, unb gerat in (Snt^ufiaömuö über ibre ^^auer*, 
bie er bod^ bei feinen ^ensanbten auf bem Sbenbberge bei ^em no(( 
ju langern @]remp(aren b^tte üorfinben fonnen. Unb mit feinem leeren 
Sufelfagcben auf bem ERü(fen, ta^ nur nocb ^obl Hingt unb iviberli^ 
riecbt, jeigt er \\<i) uor ben guten SDeutfd^cn, o^ne ben erften bcftcn @tau^J• 
befen gu fürcbtcn. 

^Id ein „gweiunbgwanjigia^rigeg'' , ber ^anblung befliffene^ 
„Sürft^cben" war ^r. ^arr in bie ©cbweig gefommen, um in $Bein gu 
„ma(^cn", »ie fpater in „greibeit, ®lei(b^eit unb ^umanitot*. 25amaW 
toar ber „junge ^bxot" ^erweg^ in 3üric^ unb bie (Schmeißfliege \^it{t 
ed a(fo für ibre natürU(^e (Scbulbigfeit, bem Einige ber £^iere ibn 
Aufwartung gu mad^en. ^er „\un^t Sowe" batte bie ^en>of^nbeit, giem* 
lieb lange gu fci^lafen, unb ebe er nur ben 5^affee gu fit^ genommen, 9^ 
fd^a^ ed, bag er noc^ im 6ette tjon feinem ^ere^rer überfallen n>urbe. ITa 

(£tre(ft er bie ©lieber, 
Unb fcbüttelt bie ^af^nen 
Tlii langem — ©a^nen. 

Sßeil er aber in angeborener ©rogmut nur innerlich brummte, ebne 
mit ben ^a^en um fid^ gu fabren, fo nabm bied ber Serfuc^er für 
ein gutes ätiöifew. ^arum ift ^enoegb ^eil wiberfa^ren: bie 9Rü(ft 
bat ben Scwen unter ibre glügel genommen, ©ibt ed boc^ terfc^iebene 
äBeifen, um entweber bie langweile gu ertragen ober fie fid^ tom ^alfe 
gu fd^affen. $ei Rollen, ber gleic^faüd ^eimgefud^t würbe, fcbeint bie 
©ebulb früber gu @nbe gcwefen gu fein. 2)aö falte gieber ber Sang« 
weile mag biefen toobl ficbtbar genug in (Gegenwart feined anflebfriftben 
©afte§ gefcbüttelt unb gerüttelt ^aben. Allein ^r. SRarr begriff nicbt 
bie ©pmptome einer ^ranfbeit, bie moglicbenoeife tbtliä) werben 
fonnte, ald bie unüermeiblicbe ^o\^e feined eigenen Sefudbd. @tatt ibren 
natürlid)en Serlauf bid gum (Eintritt jener b^üfamen Ihrifld gu verfolgen, 
ta ficb enblidb bie 9latur beS leibenben Rollen von felbft gebolfen unb 
ben ^rn. ^X^arr au8 ^ald unb ^aud wieber b^naudgebuftet batte, ^at 
berfelbe SKarr feine (Srfabrungen unter ber irrig gewallten fftuhxil gu 
IBud^ gebrad^t: „Sollen ift grob". Aber möge biefen ber ^immel auci 
fernerhin mit ber unter Umftänben bocbft erfprie§lid^en ©otteftgabe einet 
„©robbeit" fegnen, weldje bie 5Rarren mit Kolben lauft unb unö auf 
gcbn üWeilen in bie Dtunbe baS litterarifcbe Ungegiefer vom ^a\\t bält. 
^od) bafür reicbt faum bie Äraft eineS (Sterblichen bin. 

AIS üor einigen ÜWonaten ber junge üWarr auS irgenb einer beut« 
f(^en ^tabt auSgewiefen würbe, laS man in 6cbweigerblättern, wie fi(^ 
ber geacbtcte unb adjtungöwerte SJater beö AuSgewiefenen bitter be« 
fc^wert b^be: ta^ nun fogar bie $oIigei feinem $uben eine nocb größere 



Sßßicber in 3üric^. 451 



©inbiltung von fi(^ in ben ^opf fe^en ^elfe. ^ber letber l^atte bie 
beutfc^e $oU}et nid^tS me^r §u oerberben: baju batte f(^on lange tor« 
f^er bie {(^»ei^erifd^e bad S^rige getban. ^r. ^arr ^atte ettsad ^om« 
munidmud gefd^nopdt unb war aud bem Danton Süricb weggetsfefen 
werben. (Sr ^atte itberbieS ta^ audfübrUtb befd^riebene &\nd, P(^ auf ber 
poligeilic^ angewiefenen 8at^n bed 9ort{d^ritt8 bie $üge »unb ju geben. 
(So !atn er ind äBaabtIanb, geigte ben beutfd^en ^anbwerfern ben Süric^er 
^udtseifungdbefebl unb feine Slafen an ben gügen, legitimierte fi4 batnit 
ald Dpfer ber ^rannet unb würbe f^anbumgefel^rt ein berühmter 9)i}enf(^. 
@r ftiftete eine Ouabrupelallian) mit einigen etteln ^afenfülen, beren 
ganje ^unft barin beftanb, o^ne ^opf in ber äBelt herumzulaufen, btibete 
mit ibnen eine fogenannte „^ropaganba" unb ^alf bie in fogenannte 
„gamilten'' ^erlegte geheime i^erbinbung eined fogenannten „3ungen 
^eutfc^Ianb" gurec^tmaci^en , bie nun mit einem Seile ber ^anbwerfer* 
vereine am ©enfer @ee ibr ^offenfpiel trieb, ^er lad^erlic^e ^ofudpofud 
ber ^ufnabme in biefen ©ebeimbunb, wofixr in Saufanne bie SBo^nung 
be§ ^rn. ^arr auderfe^en war, wirb und umftanblid^ gefc^ilbert. . . 

Wlit foI(^em SRüftjeuge angetban, begab ftc^ ^r. SRarr mit ^on* 
forten and SBerf. ®r arbeitete an nid^td weniger ald ,,an ber ^uflöfung 
ber alten SBelt'', lebte biS ba^in ,,t)on ^apa^ ®elb", trug S. gcuerbac^ö 
„^efen bed .(Sbrtftentumd^ in ber Safd^e, ging mit .^fc^warjSugigen 
^abd^en" am SDaffer fpajieren, fpracb „ton ber SRegation bed ^^riften« 
tumd unb anbem erfprie§li(^en S)ingen mebr^, mad^te bie pbpfiologifc^e 
(Sntbecfung, ba§ am ©enfer @ee „bad ^erj breimal fo ft^ned fd^Iägt 
a(3 bei und in ^eutfii^Ianb", erfannte ed ald feine Aufgabe, „bie SReli* 
gion ber Sufunft gu proflamieren" unb be!am in ^arau „nicbtd ald 
i^albdbraten }u effen unb fc^Ied^ten Sßein gu trinfen''. SRebenbei fud^te 
er ben 5lrbeitern bie bur(^ i^re glad^^eit fd^on genug befannte €dbrift 
Don $. geuerbad^, „bie ^Religion ber SuJunft", burcb eine Überje^ung 
aud bem platten ind nod^ flattere maulgeredbt ju mad^en; unb er legte 
eine groge (Sattdfaftion an ben Sag, wenn i^m irgenb ein gutmütiger 
$apagei etwa bie SBorte nac^fpred^en lernte: „ber Siberalidmud bilft 
und nicbtd, @^riftentum unb unfer je^iger @taat überhaupt finb bie 
^rebdfc^aben ber ©efeUfd^aft." Unb mit bem Slufwanbe fo geringer 
TOttcl erlangten biefe Überbauptp^ilofopben , in erfter öinie 4)i^- ?Warr 
unb ein t^erborbener ©tubent, 9lamend ^ole!e, „eine gewiffe ^erü^mt* 
beit ald 2lpoftcl ber neuen ^P^ilofop^ie". @o bequem bat ed bie junge 
^bilofopbic ben Sungen gcmad^t! 3war parierten bei weitem nicbt 
immer unb ni(bt aüe Slrbeiter i^ren „berühmten ^pofteln''; aber bann 
unb wann waren fie fo gefällig, i^nen um bed lieben Sriebend wiüen 
na6) bem (Scbnabel jn rcben, womit pe fidb bad 8ob »erbicnten, ba& alle 
Slrbciter bie perfönli(bcn greunbe bed ^rn. ÜJiarr unb „bie perfonlid^en 
geinbe ©otted geworben feien''. 

29* 



452 lln^ang. 

SBare ber ^eillofe Wli^hxanä) eined falben ^u^enb^ unjeitigrr 
8ttteraten mit wacfem ^anbwerfem, bte gum erften SRale in bie Seit 
^tneinfainen, nic^t sugleic^ im ^oci^ften ^rabe emporenb, man tonvtt 
nur laut auflachen über eine StaUfütterung , voo ade im ^eife um^er 
ha^ p^ilolop^ifd^e ^alfd^fom unoerbaut üon ftd^ geben unb fc ein ^hmt» 
xxd) ben anbem füttert. . . . 

6d ift fe^r erbanlid^, an feinem unb ai^nlid^en IBeifpielen $u je^en, 
wie man ben beuten nur ben ©ottedglauben au8 bem ^cpf gu treiben 
^at, um ben SBinbbeutef übrig gu behalten; unb wie man fte bummei 
3eug mug tbun unb fc^wa^en lehren, bamit fte im ©efü^I ber eigenen 
@rbarmli(^!eit eine gortbauer na(^ bem ^obe für überflüffigen 8upid 
galten unb fid^ gar nod) eine (S^re baraud mad^en, bie 5^aubibaten be£ 
^(^inbangerd ju fein. . . . 

@d ift pfpc^ologifc^ merfwürbig genug, mit welcher fRüdfic^t^lcjig' 
feit gegen fic^ fclbft ber oud bem gruc^twafjer ber jungen ^bilcfopbic 
gufammengeronnene ^omunfulud ^arr feine @ünben unb Setijen rubni' 
rebig in bie SBelt b^nöu^P^aubert. Snbeffen gibt eS \a aud? in tet 
moraIif(^en Söelt folc^e Äranfb^iten, in welchen ficb ber bem ©efunben 
unerträgliche ©eftan! für bie Patienten in SBoblgeruc^ oenDanbelt 6c« 
gar ber ^od^mut, womit bie DuabrupelaHianj bie ^anbwerfer bed auf 
©tercn gc^enben „Sungcn 3)eutf erlaub" be^anbelt ^at, bringt oft genug 
burc^. SDiefer 9J?arr unb feine @ef eilen rühmen fic^, ba§ fie bie ^nh 
Werfer wie SKaulticre reiten unb im „Bügel" <>aben ; fie prallen bamit, 
ba6 „fie \a in ber ©c^wcij über müjpge Äöpfe unb ^anbe genug ju 
oerfügen ^aben''. 

5Biö einige »erborbene ^itteraten aucb bie beutj(^^en ^anbwerfenjfT» 
eine in ber 6c^wei§ ju t^erberben fuc^ten, waren biefe gead^tct unb in 
feiner Söeije angefochten. @S waren Vereine für gegenfeitige öilbung 
unb für gefcllige Unterhaltung; e§ waren erfreuliche Seichen bc» er« 
wac^enben beutfdjen Solfägeifteö , ber enblici^ gu a^nen begann, bap er 
fic^ felbft fein (Bc^irffal gu fc^affen ^abe, unb ba| ben Slrbeitern, mit 
gefunbem SSerftanbe unb nod^ frifc^en ^erjen unter ber Sloufe, an ter 
Erfüllung beö weltgefc^icbtlic^en 33eruf8 ber beutfc^en !Ration ein gro» 
feerer Slnteil zugefallen fei alö einigen armfeligen ^c^riftfteHern nnt 
falfd)en SJolföfreunDen, bie pe nur in ©c^aben unb Serberben gu ftürjen 
wußten. üKoge benn unter beffern unb freiem gormen baS 5Serein§leben 
aucb unter Den beutfc^en J^anbwerfern ber (Bä^xotii wieber aufleben, 
obne bie nicl)t8würbige Sugabe einer geheimen SJerbinbung, beren 3Rit« 
gliebcr bie 3lrbeiter binl^r^ ^»t^t führten unb gu tprannifieren juchten, 
unb bie üollenbö in einem 8anbe mit öffentlichem S5olf8leben wie in tcr 
(Sdjweij gugleicb ein lächerlicher unb gefabrlic^er ^ofu8pofu8 ift. ^a8 
'JD^ittel bafür ift einfach genug: bie Slrbeiter brauchen fi(t> nur ienc 
i^itteraten oom ^alje gu galten, bie nirgenb noc^ bie aWanneSprobe be« 



Söicbcr in ^uxid). 453 



ftanbeu \)ahtn, bie ftd^ einjic} gut ^efriebigung einer gecfen^aften (Sitel« 
ifeit in i^re Wxüt brängen. 

$Dic guner, S^bnber, 2)rue9 unb anbere werben \\6) wol^l mit 
bem iBertrauen bed fc^weisertjc^en $oI!ed, bad fte gu i^ren Stellungen 
beruten \^at, über bie <Bö:)\mp\vooxte eineö 9J?arr leidet gu tröften »iflen. 
^ber tit Unglücflic^en, bie er gelobt, wie werben fie fic^ rein wa{(!^en1 
äBad nü^t aud^ einem ^. Sftuge bie finge ^orfic^t, nod^ bieSfett beg 
@rabe§ feine binterlaffenen 3Ber!e ju ebierenl SGBaö nü^t eS i^m, ba§ 
er ben für bad romantifc^e Mittelalter fampfenben Streiter von Sl^^anc^a 
au§ bem (Sattel nnb [x6) bincingeboben \)at, um — t>a^ ©eficbt gegen 
ben (Scb^anj bc3 Diofinante gefebrt — für bie nicbt romantifd^e Seite 
bie Sanje ju brechen? 2)a§ er §war nic^t im 5^ampfe mit bem SDradbcn 
ber 9f?omanti! — benn baS 2:ier felbft war f(^on ben Sßeg beö gleifcbeS 
gegani3cn — , aber bodb "^^ ^wt Kampfe mit bem 2)ra(^enbilbe ben brei» 
einigen 5Wut beö SRitterö unb ber beiben ^unbe in feiner einzigen 5ßer- 
fon ju »erbinben gewußt? SßaS nüfeen ibm gar in ben „(Spigonen" 
feine „Offenen ^Briefe gur 53erteibigung beö ^umaniömuö" , ba \id) 
feinem .t>umani8mu8 bie S3eftialitat mit bem tertrauli(^en 2)u an ben 
^aU ivirft, ba ein Marr audruft: „D Sf^uge, wie rec^t b^ft bu, bag 
ber Patriotismus gleich 9{ea!tion ift?'' Unb wogu foQ enblic^ bie gange 
©efamtauSgabe ber Sd^riften eineö S. geuerbadb? 9Wu§ fi(^ bo(^ ber 
ebrii(^e geuerbacb Don einem ÜJ?arr in bie S^afd^e fterfen laffen; ift bodb 
fein ySSefen beö ©briftentumö" gum S3orn ber Sßßeiöbcit auSerfeben 
worben, au8 bem ein SWarr feine JE)ammeI faufen I5§t. Unb foI(be 
Schriften wie bie über „5)a8 3uwgc S)eutfcblanb in ber Sd^weig", bie 
jcbeö gefunbe ©efübl mit tiefftem 3ÖiberwiUen erfüllen, folc^e 9Kifdb* 
mafdbe von iDenungiationen, 2lngebereien, Älatfc^ereien, 5llbernbeiten unb 
©itelfeiten — bann etwa nebenbei bie S3erliner graben uon einer foge« 
nannten „freien Siebe" — baS finb alfo bie Jßfüjen, bie ficb auf bem 
jung-begcifcben ?Wifte abfegen. ®ebt bin unb fpiegelt eu(^ barin! 

^r. 9Karr ergablt un8 nocb, baß ibm bie beutfcbe ?Polijei nur Ham- 
burg unb fein ®ebiet offen gelaffen b^be. 5)ie beutfcbe ^jßoligei war gu 
gütig gegen ibn. Sie b^tte ibn füglidb bem Spott aUer beutfdben 
©b^cnmanner überlaffen unb ibm geftatten bürfen, nacb freiem 53elieben 
burcb alle 33unbe8ftaaten ©äffen gu laufen. 3n ber Schweig würbe man 
ficb nad) bem ©rfcbeinen beö „Jungen 2)eutfcblanb" fcbwerlicb nocb bie 
SWübe feiner SluSweifung geben. ?Wan fonnte feine 3ücbtigung ben 
Rauben jener beutfc^en „'Xifcbler" unb „S(bloffer" gufommen laffen, bie 
ibren 5(tbeiömuö auögefdbwi^t unb eö enbli(b erfannt baben, wie fünb* 
lid) fie mißbraucht worben finb. 3)o(b nun genug üon bem unfaubern 
®ef(breibe eineg „93ürfcbcben§" , ba§ fidb in allem fo »oreilig gegeigt, 
baß fein ?Rame fogar um ben 5lnfang8bud)ftaben gu früb gefommen ift. 
@ewiß ift e§ einem georbneten unb madj^tigen geinbe gegenüber ein 



454 ^in^anq. 

oerbrieglic^ed ©efc^äft, au6 ben SRei^en bed emften SRannerfampfd bie 
^emmenb gugelaufenen Srogbuben wieber unter bie i^agage jurütf« 
peitf(^n lu muffen. HQein unter Umftanben mu§ ein e^rlid^er SRoim 
au(^ biefe <S4uIbi{)!eit erfüQen. Unb fo lange no6^ eine Senfur iiber 
^{(^tigered gu oer(^anbe(n »erbietet, mitffen eS ft(^ »of^l bie guten 
^eutfd^eu gefallen laffen, felbft oon Lappalien ju ^oren, toie oon biefem 
Sungen ^eutf^lanb unb feiner fungen ^^^ilcfop^ie." 



3u ©.318. ®lo(fen.3nf(^riften oon @. Äeller 
(für bie Äird^e ton Dbfeiben 1&48). 

^d) finge, »cnn bie @onn' am ^oc^ften ftc^t, 
SD^it fiarfcm 3:on beö Ferren aWajeftat. 

^)(benbglo(fe: 

SBenn bie (Sonne finft, fo ruft mein (Srj: 
(Bleibe flar unb treu, o SWenft^en^erj! 

SDritte ©lorfe: 

S3in eine ©locf im Sc^weijerlanb 
Unb ruf\- (50 fte^t in ©otteS ^an\>. 

53icrtc @fo(fe: 

4)ilf 2)ir felbft in 2Jeiner SRot! 
J£)ilfft $E)u 5)ir, fo ^ilft 2)ir ®ctt! 



4. §n ^etbefßerg. 

,,^cibclbcrg, Sunt 1849. 

^ie äftomantif unb bie ®egenioart. 
(ßine ®riac.) 

3c^ meine nic^t bie fpftematifc^e SHomantif bcr 9ieaftion, no(i^ bie 
blutfc^auerltci^e ERomantif ber gfranjofen, avi<i) nic^t bie fubjieftitje ironijc^e 
^Partie ber @(^ule: 16^ benfc nur an bie unfc^ulbige reinliche SRowantif 
an fi(^, wie fie fi(^ in ben liebenöiDÜrbigeren äu§erungen ber beutfdfeen 
@(^ule bargefteUt f)ai, »ie fie im „Dftaman" unb anberen ©ebid^ten 
Ziid^, im ^Dfterbingen" , in ben feueren ©eiten 51mim3, in einigen 
Sl^är^en i^rentanod unb in U^Ianbd SaUaben unb !Homangen lebt. 

3c^ ging auf ben grünen SBergen ju ^eibelberg fpajieren, roo mon in 
bie ^arbt hinüber fie^t, ^u feinen güfecn bie ^errlii^e @bene, weiterhin 
ben f(^immernben 9l^ein, an i^m füblid^ ber 2)om uon (Spewer unb 
norblic^ \ixt ^ürme üon ^onn§ unb gu ^interft ber blaue f(^one @e« 
birgöjug ber ^arbt. J5)inter mir l^crüor aber fam ber S^ecfar, bcm ge- 
brod^enen ^ergpalafte tjorbei unb fd^Iangelte ftd^ ebenfaQg in bad flache 
Sanb ^inauS. @r brachte aud feinen ^^alern ^eroor bie fc^wabifc^en 
Erinnerungen mit, »a^renb ber Dbenwalb mit feinen ©agen fic^ faft 
bis unter bie güfee ^cranfc^ob. ^6) fpcfulierte juft über bie 5lrt uon 
©e^nfuc^t^ welche bad ^nfc^aun eined fd^ünen ^anbftric^ed in un§ er* 
werft; benn \6)on oft glaubte icfe beobachtet ju ^aben, ba§ bie f(f)önfte 
^anbf(^aft, gerabe weil fie fo fc^on ift, noc^ irgenb eine $5efriefcigung 
unerfüllt lägt unb irgenb einer unbcfannten (Srganjung mangelt. 53e* 
fonberö bie blaue 5^rne t^ut bieö aüer Drten, fo wie fern glangenbeö 
SQBaffer. @benfo überfommt einen bieS ©efü^I in einem tüd^tigen ftiüen 
SBaib, wenn man aüein ift. 9Bie ic^ alfo barüber nac^bac^te, wad bied 
gediente wobi fein möge, gingen gf^embe an mir vorüber unb licfeen 
ba§ SGBort „romantifd^" in meine D^ren fallen. 

SGBie ein geller ©locfenton ertönte alfobalb baS 2öort SRomantif in 
mir wieber. 3^^ ^atte feit 3^^^ unb Jag biefeö 55egriffeS ni(^t mit 
Siebe gebac^t, obgleid^ id) alle 3af>te wenigftenS Einen feiner Vertreter 



456 3n ^cibclberg. 



roitttr lefe ; aber in btefem Sugenblide xdüx ed mir, alS ob er badjenigf 
fein mügte, wag gum ®enu{fe beS vor mir liegenben Satibed gehört. 
iDie @al3 gum Srote. ^Ile $oefie bebarf juvorberft eineö künftigen 
^enaind, eineS ent{pre(!^enben lobend, auf welchem i^re @ebi(be leben 
unb banbeln fonnen. ^ieS nä^renbe ^nb mu| fogar oor ben ^uten 
oorl^anben fein unb bem fangen ben ®runbton geben. 3n Neapel unt 
©ijilien, am ©tranbe bed ^eered, \^at ©oet^e erft ben ^omer unb baS 
antue ^eben re(^t begriffen unb tvurbe fofort gu eigener ^obuftion in 
jenem ©inne angetrieben. S)er SRorben mit feiner büftem See, mit 
feinen giganti{(!^en Sßoffenmaffen, mit feinen mattfonnigen ^aiben nä^rt 
wieber anbere poetif(^e ®eftalten, XDt\6}t ft(^ gu ben griec^ifd^en ter* 
balten, wie er frlbft gum @üben. 3n unferer fd^^önen dRitteljone, linfö 
unb recbtd tom SR^eine, fonnen aber feine f(^attenbaften 9tiefen fo wenig 
$(a^ finben, ald Sd^ill unb Dbpffeud angemeffenen 9taum fiir i^R 
^^aten finben würben. @8 bebarf einer britten Sorte von beuten vmt 
Srad^ten, von @c^i(ffal unb 8eben§art, oon ®6ttem unb SJ^enfd^en, un^ 
bier mag man fxd) breben, wie man wiü, id^ glaube, man wirb am 
^nbe bo(^ eingefte^en muffen, bag bie SRomanti! im oben angebeuteten 
befferen (^inne ber einzige unb befte 9udbru(f ift für baS, wag man 
big^er beim ^nbli(f biefer mäßigen Serge unb ^lüffe, biefer SBälter 
unb gelber, biefer Surgen unb alten (Stabtc^en füllte, abgefeben von 
aQer lacberlid^en unb fcbledb^^" ^^enbeng unb ooraudgefe^t, bag bie ®e' 
fcbic^te überaQ einen tüchtigen Soben burcbblicfen laffe. 

3(^ fage: bid^er. SBenn iebe $oefie ibren gehörigen lanbfcbaft* 
[x6)tn Soben braud^t, fo braudb^ ^u(b iebe Sanbfc^aft i^re poetif(ben 
Sewobner. 8(m liebften mod^ten wir felbft eine tü(!^tige 9{oQe barin 
fpielen; ift bied nic^t ber %a\i, fo muffen bie Sorfa^ren, wefdbe auf 
biefem Soben wanbelten, mit ibrem poetifc^n Beben außb^lf^i unb bieS 
^aben gerabe bie SRomantüer bisher am beften vermittelt^ benn miäi 
wenigftenS büuft. bag, burd^ ibre ©läfer befet^en, t)a^ Banb nocb einmal 
fo rcijenb geworben ift. 

(gegenwärtig aber ringt alle SBeft nad^ einem neuen Sein un^ 
na(b einem neuen ©ewanbe. @in Seil fuc^t bieg im Sergangenen; vcn 
oben bcrab möd^te man am liebften ficb gang wieber gurücfftürjen un^ 
wirb eg im erften beften günftigen 9}2omente oerfuc^en; von unten b^' 
auf will man torwartö, in ein neueö Öcben. S^ber mochte frei unt 
ganj, ein ooller SWcnfcb, ein 9Wann ber Z\)at, twxd) baö Beben fdbweifen, 
obne Sormunbjcbaft unb obne ?findU\)ne, nacb aÜen Seiten feine vcr* 
teilbaftefte (Eeite b«wuSfebren, nur burd^ eine gefc^wome ©leidbb^it feine 
fübnften SGöünf(be befcbranfenb. Slo§ eine blutlofe Sourgeoifle möcbte 
bleiben, wo unb wie wir finb, an bem b^lboerborrten Steige b^'^ng^"^ 
mit ber ganjen Saft unb feine paar S3eeren benagcnb, bis er reifet unfc 
ber ganje klumpen in ben ^bgrunb purgelt. Sßabrlic^, wenn icb ni(bt 



Sttil^ang. 457 

gu gut loügte, boB bte ${)iUfter eben ^^ilifter ftnb, fo mügte i^ f!e 
für bie letd^tfinnigften aderpoettfc^ften ^auge galten; benn nur folc^en 
!ann ed etgentlid^ in einer feieren jweibeutigen Sage »o^l gefaUen. S)o(^ 
!omme ed, wie ed »oQe : aud bcr SReibung biefer tjerfc^tebenen Senbenjen 
ift {(^on i^anblung unb $oefte bie gfüde entftanben, unb mithin finb 
bie bid^erigen Surrogate entbei^rtic^ in ^inftd^t ber poetifc^en fßtnblU» 
rung unferer 9{aume. ^ie 3unitage ju $arig, ber ungarifc^e ^rieg, 
äBien, Bresben unb meUeid^t auc^ ^enebig unb fRom tt}erben unerfc^Spf« 
lic^e Dueüen für poetifc^e ^robugenten aQer ^rt fein. (Sine neue 
^adabe {owo^l toie ta^ ^tama, ber ^iftori{(^e Oioman, bie SRooeQe 
werben i^re ^ec^nung babei finben. ^a§ man fie aber aud^ unmittel- 
bar im Seben Jclbft pnbet, ^abe td^ nun in ber babifc^en fRetoIution 
gefe^en. 

Sie ,,beut{^'' eigentlid^) nid^td anbered ^eigt ald tjolfdtiimlic^, fo 
fcttte aud^ „poetifd^" 8ug(ei(^ mit inbegriffen fein, weit baS ^olf, fobalb 
ed Suft befommt, fogleic^ poetifd^, b. b* ed felbft wirb. 

^13 bie äBaffenoorräte auö ^arldru^ unb 9{aftatt nac^ ben $ftngft* 
tagen bur^ ^cl^ gange 8anb verbreitet würben, famen groge 3ügc Sanb* 
üolf in bie (Stabte, um fie in (Smpfang gu nei^men. S)a glaubte man 
öfter, wanbelnbe ©arten gu fe^en: ade ^üte unb bie 9)2ünbungen ber 
©ewebre woren mit ben erften ?Wairofen unb anbern roten S3Iumen 
ooQgefte(!t, fo ba§ gange (^tragen üon Blumen wogten, unb barunter 
bcroor tonten bie greibeitölieber. ^^nbcre 3üge Ratten fi(^ mit grünen 
Sweigen unb garrenfrautern gefc^mücft, fo bag man, gleicb ^^acbetb» 
ben ^irnamdwalb naben gu fe^en glaubte. @inem foI(^en marf(^ieren« 
ben $arf ging ein Jüngling mit einer 5^inbertrommeI , einem anbern 
ein alter luftiger ©eiger Doran. ^ad) unb nad^ »erfc^wanb bieö liebenö- 
würbige 53olf wieber, um ficb in ben (S^emeinben einguüben. $Dafür er- 
fcbienen aber balb bie gcorbneten ©ataitlone, bie Dffenburger SBolfSwebr 
unb greif (^aren. $£)ie ^lunten waren gwar weg, aber bie ferffte male» 
rifc^e 2^rad^t unb Q3ebabung in ber größten ^annigfaltigfeit ba: ber 
S^urnerbut in ber grogtmoglid^ften ^u§wa^( Don ^ufftulpungen unb mit 
SBonbern aUer S(rt gefcbmürft, bie blaue 53loufe, breifarbig ober rot ge- 
gürtet, äftangel unb $ünbe( in ben fü^nften 8agen an Ruften unb 
9Rü(fen; fampfluftige frot^e ©efic^ter unb bei aUe bem ^urd^einanber 
eine fcfte friegerifd^e J5)a(tung, nur burd^ ben feurigften SBiüen fo balb 
erworben, mac^^ten uielc biefer (Scharen gu einem ^arabicfe für ÜJialer 
unb Sflomanfdbreiber, freiließ auc^ gu einer J&öÖe für ^errn ^affermann. 
@d gab foftlid^e ©ruppen, xoo man ftanb unb ging, ^a galten einige 
gü^rer gu ^Pferb, etwa üKctterni(^ unb S3o^ning: ber erftere jung, ben 
braunen S3art bis auf bie S3ruft, in JReiterftiefeln unb Seberbofe, Söloufc 
unb ^ut; ber gwcite ein alter ^^il^eHene mit grauem ^errlic^en S3art 
unb fliegenben grauen &}(fen, ebenfalls in ber Q3loufe; gu gug fte^en 



458 Sn ^dbclberg. 



anbere Dffigiere bei i^nen, auf ]d)wnt @äbel geftü^t, mit roter »allen' 
ber gebet unb breiten gfelbbinben, unb ni^t weit baoon enblic^ ali 
©(^ilbwac^e ein bunner {pi^iger, aber entfc^Ioffener Sc^netbergefeDe, eine 
zerrupfte ^a^nenfeber auf bem alten Seiben^ut, begeiftert fatutierenh 
(^utnii]tige Bummler, toelc^e i^r $Iut fpottvobifeil anfd^Iugen unb fe^r 
bumoriftifd^ angufe^en waren, tranfen gum permanenten St^recfen ber 
^eibelberger @e(e^rten febr viel Sier. ^ie ^i^e war aud^ bamac^, unb 
man batte eS i^nen wo^( gegönnt; wenn man nur f^ätte nac^weijen 
fcnnen, ba§ fte bad Tupfer bagu geftoblen bitten." 



3u ©. 338. 



$Iauberwaf(^e. 

@ebt 3^r bie gwei ^irfcbenbaumc^en 
5^ei ber ÜJi&ble bort am @tranb, 
Sß3ie vom einen gu bem anbem 
3ft ein @eil(ben audgefpannt? 

Unb am ©(^nürlein fangen ^embc^en, 
S?Iübu)ei6, eilfe an ber SabU 
^iefe we^'n unb flattern lu^ 
©(angenb burcb ta^ ©ommertbal. 

,,Unier ftnb wir gwolf ©efc^wifter, 
@o bie ^iillerdtocbter jpann; 
@i(fe ftnb wir ftetd beifammen, 
2)o(b ba§ jwülfte \)at fie an." 



tUM 



,,„3cben (Sonntag in ber grübe' 
^pricbt baS anbre — „„wccbfeln wir, 
glücbtig und jugleicb erjäblenb 
3aic ^eimli(bfeit »on ibr."" 

Unb ta^ britte: „2öic fie wei§ ift! 
5llfo wci§ fein S3Ieicber blei(bt. 
2Ö0 baä ^erj ift, trägt ein «Kai pe, 
SBelcbeÖ einem S5eil(ben glcicbt." 



„„SBic befcfjen tanjt baS Scilcben — 
(ipri(bt ta^ üierte — „„jebeSmal, 
2Benn ein ©c^iff mit rotem SBimpel 
^ert üerüberraufc^t gu Zi^aW"* 



MM 



Unb bafl Fünfte: „£(BdI}1 im ©ante 
£iab' i^ eittet 91ad)tfl geruht, 
iSä^renE) fic beim Konten )c^e ine 
Sdjivamin unb ifieltt in tti glut. 

„Sanajant fuftt baä ©(^ijf ju Berge ■ 
„„®i, maä ift tenn nun paffiein"" 
Slattern alle, — bot^ nom ^immel 
fiomml ein Stegen ange{<^raint. 

UnC tiie Wagb eilt auS bcm ^oufe, 
apaitt bie toQc SBäff^e ein; 
an&Deimäbiten, bein @ej))innfte 
{)(ng genug im @onnen(t^eJn! 



^ai^trag. 



3u @. 16. ^crr Äarl äöul^rmann in ähxid) ^at mir bcn !Ramen 
bc8 ÜJieierlcin nad^gcnjicfcn. SDcrfclbc ^ic& Sodann ^cinric^ SWeper, 
war bcr 1817 gcbornc @c^n bc8 ©c^riftfc^erS 9lubolf SWcwcr, lernte 
ebenfalls bie $u4bru(fer!unft unb xoax ^ngeftedter einer Suc^^anblnng, 
aU er im grü^ja^r 1835 tjom ^aäit bed ^aneffe^aufeS ftürgte. 
^r. SBut^rmann xoax ^ugengeuge beS Unfadd. 

3u @. 33. Slu^ bie 2^^eatergefd^i(^ten im „®rünen ^einrid^", »ie 
biefer al8 SWeerfaJe im „Sauft" mitwirft, ^^aben i^re beftimmte ®runb* 
läge. $on. bem oben genannten @(^ul!ameraben ^eOerd erfuhr i4 
folgenbeö : 68 war gur 3«it, ba bie Gruppe beö 2^eaterbire!torS ^ingg 
im fog. SKilitärftatt an ber SSarcngaffe fpielte. ®ineS 5lbenb8 ftanfcen 
wir ^aben neugierig üor bem Öofale, al8 ein @(ta«fpieler bcrauStrat, 
um einige ber $uben M ©tatiften gu ^olen, barunter auc^ ben fleinen 
®ottfrieb ÄeUer. @r mu§te in ber „S^w^crflote" eine 9)ieerfaje bar- 
fteUen, geberbete fid^ jebod^ bei ber Sluffü^rung fo fomifc^ fteif, H% ibm 
unter {einen 5^ameraben eine Sßßeilc ber ©pijname: „be ftiif Süriafp 
(ber fteife 3ür^eraffe) blieb. 

3)ie öingg{(^e 2:ruppe gaftierte 1832 im fog. Äafernenf(!^opf, unb 
biefe Sluffü^rung ber „3auberfI6te" fanb am 26. Dftobcr ftatt 

3u @. 36. Dr. 3 uliu 8 grob el ift am 6. Sf^oüember 1893 im 
Filter toon 89 S^^wn in 3üri(^ geftbrben. 

3u @. 49. $eter ©teiger, ber „^ahn\aai'*, ftammt auö Hit* 
fletten bei 3üri(^ (ni(^t bem (£t. ©aüif^cn); er trieb fic^ fpäter alÄ 
^aufierer ^erum unb ift feit etwa jc^n Sa^^^cn ganjli(^^ uerft^oUen. 

3u (S. 53 3. 6 ». 0. ft. @pitalgefenf(taft I. @pitalgefangcnf(^aft. 
68 finb nur etwa 60 53Iatter »on Siubolf SWeper jum S3orf(^ein ge« 
fommen, au§er ben genannten ^anbfc^aften beinahe lauter S^'u^t* unb 
©lumenftürfe. S5gl. ben Sln^ang o. @. 416. 

3u @. 82. (Sd^on in ben „S31attern für Ut. Unterhaltung* 1846 
Sfhr. 78 würbe ber (SpHuS ber ®. fteflerfc^en „SiebeSIieber" (au8 bem 
2.S3b. beö „3)eutjc^en2ai(^enbu(^8") ton einem Eingeweihten (S5B. Seouls 1) 
als „auö bem 8cben gegriffen" bejeic^net. 

3u 6. 175 5(nmerfung 1. 2)ie ^ier bef(^riebene reijenbe ganb- 
fd^af t, sweifeüog ba8 fc^onfte IBilb, ba8 fi(^ ton &. ^eUer erhalten ^t, 
fteUt, wie i(^ nac^träglid^ fcbe, ben 5lu8bli(f tom 3üri(^berge, »on ber ^ö^e 
hinter bem fog. „(Sc^logli" unb „©ufenberg" auf ba8 8immatt^al tor. 



^ 



^R 2 - 1944