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Full text of "Gotthold Ephraim Lessing als Musik-aesthetiker"

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Dr. mifvcii €I|vi|!Iieb lalifdier. 










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THE MUSIC UBRARY 

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HARVARD COLLEGE 
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Date Due 



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£)re6ben - XX. 

5erbiiianb ©cB^Imann Pcrlagsbud^I^anblung. 

1889. 



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HARVARD UNlVERSnt 
MAY 8 19W 

cuAKÜriULl^BMüSHJUBRAPr 




I. 

^\t bem crfreulid^cn 2(uffd]it)unge, weldien bic 2(cftB^etif ber (Eon* 
fünft gerabc in aller jüngftcr ^eit nimmt, geB^t bie fritifd^c 
3ctrad]tung bcr B^iftorifd^cn €nt£DicFcIung bicfes 5w>^i9^5 
ber KunftpB^iIofopl)ie parallel. 5o B^at ^as 'Desennium, in bem mir 
uns befinben, mufifäftljetifd^e XPerfe r>on £;. (gB^rlid], (5. €ngel, IDoI* 
latfd^e! unb 2(nberen entftel^en feigen, oon benen ber erftgenannte 
Sd^riftfteller befonbers ^k (5e\d\id\te ber 2nufif*2{eftl^ett! feit Kant 
helianöeit , mät^renb bie 2Ieftl|eti! bes fjerrn prof. (ß. (Engel ebenfo 
erfd^öpfenb als bebeutfam gerabe tie in unferer ,3eit einflugreid^fte 
(ßattung ber ^TCufif, ^as ZHufifbrama, funftpl^ilofopl^ifi) erörtert, 

Znit bem (Eifer für ^as ^iftorifd)'(ßenetifd)e in biefer 'Dissiplin 
fängt man nun andi an, babei bie Slicfe mieber auf bm großen He* 
formator ber beutfd]en Citeratur, auf (ßottl^ €pl)r. Ceffing 3U lenfen. 
IDäl^renb nun 3um Seifpiel prof. .£}. ^l\tlid\, ber Segrünber einer 
„(ßefd)id]te ber ZHuftf^^eftlieäf" nod) unerflärlid] gering r>on Ceffing's 
mufifpI]i(ofopl)ifd)er Kraft bad]te, feigen tx>ir anbrerfeits mit iDeit größerem 
Hed^te t>xe abfoluten Perel^rer ^es Hid^arb ibagner'fd^en 2Tlufi!* 
bramas Ceffing als propl^eten für bie XPagner'fd^en KunfttB^eoreme 
t>erB|errlid^en. 

So fagt (EB^rlid) im IL Kapitel feiner (ßefd)id)te ber mufi!»2{eftl)eti!, 
rDcld^es Ceffing, Kant, Sd^elling, 5d)legel unb bie romanäfd^e 
Did|terfd]ule nad? ber mufifäftl^etifd^en Seite B^in beB^anbelt, 5olgenbes 
in 3e3ug auf Cef fing (p. 9): „XPas Cef fing in feinet 'Dramaturgie 
t>on ber ^Tlufi! eines ^errn 2(gri!ola 3u Poltaires Semiramis fagt, 
3eigt am beutlid^ften , t>a^ ber große Did^ter unb Denfer über Ztlufif 
nur fo gelegentlid] gebadet B^at". Derfelbe 2(utor stoeifelt bes 
IX>eiteren (a. a. ®. p. 1 0) baran, ob Ceffing jemals ein XPerf Don Bad?, 
(Sind ober ^änbel geB^ört B^at. — Zinn, eine eingeB^enbe, überfid^t- 
lidie 'parftellung alles bes jenigen, tx>as Cefftng über bas IDefen unb 
ben (ßeift ber CEonfunft gebadet unb gefd^rieben B^at, u>irb uns ben 
erfreulid^en Semeis liefern, t>a% ber groge beutfd^e Kunft«Heformator 
oiel unb emftg über ZHuftf gebadet, gefd^rieben unb uns aud? red]t 
pide Dortrcfflid^e Semerfungen Don allgemeingtiltigem IDerte über* 

1* 



liefert E|at, Die (5efd)ii|te ber 2T{ufif»2Ieftl^eti! l^anbelt barum vcx- 
nünftig unb geredet, iDenn fie aixdi t^ier iljr befonberes 2lugenmerf auf 
(5. €. Ceffing rii^tet. — 

Zdan liat Cef fing nii\t feiten it)of|Ibei:ei)tigt mit Cutl^er vet- 
glid^en — unb freilid) hiaben 3eibe mit il>ren (ßeiftes-Befen erftaunlid) 
Diel Untat ans bem Kulturleben ber IDelt fortgefel^rt. 2lud7 bie (Eon» 
fünft mug beiber f^eroen banf erfüllt eingeben! fein, freilid? £utl)er*5 
B^ier in n>eit l^öl^erem ^TCafee als Ceffing's. IDäI:^r enb man nun über 
£ntb^ev5 felbfteigene CEl>ätigfeit als ausübenben ^Tlufiffreunbes, als pfle* 
gers ber CEonfunft fel^r wol\i unterrii^tet ift: fel^lt uns über Cef fing in 
biefer Bestellung jebmebe 2(usfunft. Selbft eine fo eingel^enbe, um= 
faffenbe Biograpl^ie, wie biejenige von Dansei*® uB^rauer r>ermelbet 
nid^ts baoon, ob Ceffing 2TCuftfunterrid^t genoffen ober ob er irgenbmie 
mufifalifd^e Calente offenbart Blatte. 3" ^^^ Cef)lngbiograpl)ie von 
(EE|. IX>. Dansei (Ceipsig 1850, I. p. 16) ift su lefen: „Wenn Ceffing 
eine geit lang oon einem geir>iffen £l)riftlieb 2TCx)lius unterrii|tet 
morben fein foll, ber fein leiblii^er Detter gemefen fein muß, benn 
feine ZlTutter war eine geborne Ceffing, roobei man nur an eine 
Sd^tpefter bes (5ottfrieb Ceffing benfen tann, fo l>at ^as nur in* 
fofern ein ^nteve\\e, als Ceffing unb feine 5öinilie su einem feiner 
Brüber in mannid^faltige Derl^ältniffe getreten finb, ^enn ber Unter« 
rid]t felbft fann fid] um fo mebr nur auf bie erften Elemente besogen 
l^aben, '^a ber Heligionsunterrid]t natürlidi oom Pater felbft 
erteilt würbe. Z^Tylius rourbe balb bar auf i^eftor in Konigsbrücf 
bei Hamens, n?o er 1744 geftorben ift." — Pielleid^t barf im ^nfd^lug 
l)ieran bie Permutung ausgefprod^en werben, t>a^ Ceffing 's Pater mit 
bem Heligionsunterrid^te and\ bie ^lnu>eifung im Cljor algefange unb 
in ^llem, was bamit sufcimnt^Hl>ängt, oerbunben bßbe. 

Um fo pofitioeren ^luffd^lu^ geben Ceffing 's IPerfe felbft, ba% 
)\di berfelbe feitt gatises Denfer» unb Did^terleben l)inburd) mit ber 
^Tlufif auf bie matmigfad-jfte tPeife befd^äftigt biaben mufe: benn mir 
fto^en babei auf 2Infid>ten unb ^usfprüd^e, bie nxd)t nur eine allgemeine 
äftt^ettfd^e (Erfenntnis, fonbern anii tt>ir!lid]es mufiftljeoretifd^es IPiffen 
offenbar madien. 

Daß Ceffing bie XPerfe meler Kompottiften gel^ört unb in fid^ auf* 
genommen \:iat unb bie Kraft unb 2T{ad)t ber ZHufif ^n mürbigen wei%, 
Derrät uns s^näd^ft fd>on ein bumoriftifd>es Cieb aus feiner '^nqenb^ 
seit. €s ift bas Cieb „IPem id^ ^u gefallen fud^e unb n\d\t fud^e" 
(Banb I, p. 81 — 83 ber fjempeffd^en Ceffingqusgabe) , worin bie 
mannigfad)ften ZHenfd^enflaffen aufgesäl)lt werben, benen ber junge 
poet entweder su gefallen ober su mißfallen wünfd^t. <£v will — unter 
^Inberem — nid)t gefallen: 

— — „2l\len Harren, bie ftd^ iften, 
^um ^j-empel- pietiften, 
Sum €pempel 2ltlieiften, 



5um €^empcl Habuliftcn, 
0periften mxö d^ymiftcn, 
(Quietiftett unb 5opl>iftcn, 
llnö nxd\t trenigcn 3^nftcn, 
publiciftcn unb Staubten, 
Uriö nxd\i wenigen Cinguiftcn, 
Unb nidit wenigen Stvüfteu, 
Un^ nid^t wenig Komponiften « . . 2C. 2C. 
2111 biefen unb fo mcitcr — fd^liegt unfcr Did^tcr 
„ZlTag id\, \ag idt, nid^t gefallen/' 
Vagegen wixn^dit ev ir>ol^I 3u gefallen unter ^nberem 
„Künftlern, bie auf gauberfaiten 
Sorg unb ^arm burd^s ®B^r beftreiten 
Unb mit l^eilfam falfd^en Ceibe 
'Dämpfen überntä^'ge S^^xxöe; 



„Tillen üebenstDÜrb'gen ZHäbd^en, 
£ieben5tt>ürb'gen, toei^en 2T(äbd)en u. f. w, 

liefen, 5t*^u!tbe, biefen 2l\ien 
IDünfd]' idt '^''^'' 5U gefallen, 
It)ünfd)' idi, \ag id\, 5U gefallen." 

3ugenblid>er Uebermut mag es woiii genannt roerben, ber ^en 
genialen 3ünglmg oeranlagte, bie 2T[Ytl>engeftalt eines (Dvpb^ens etwa 
fo berb realiftifdi <^uf suf äff en , n?ie n?ir es aus 5l)afefpeare's „Croilus 
un'^ Creffiba" überfommen l^aben, Cef fing tif d]t uns folgenbe ®be 
in profa auf (I, p. 116/117 fjempel^^lusgabe) : 

4. (Drp^euß. 

,,0rpI:^euS; n?ie man ersäl^lt, ftieg, feine 5rau 3U fud^en, in bie 
f^öUe l>erab. Unb wo anders als in ber J^ölle I^dtte 0rpl]eu5 aud\ 
feine Svan fud^en f ollen? 

,,Znan fagt, er fei ftngenb l^erabgeftiegen. 3^ smeifle im ge» 
ringften nid^t baran; benn fo lange er XPitn^er xvav, fonnte er tt>ol>l 
vergnügt fein unb fingen. 

„Berge, 5lüffe unb Steine folgten feinen ^armonieen nad]; unb 
wenn er aud] nod] fo fd^led^t gefungen l^ätte, fo u?ären fie il^m bod] 
nad]gefolgt. 

„2lls er anfam unb feine 2(bfid]t entbecFte, l^örten alle ZlTartern 
auf. Unb tx>as fonnten fiir einen fo bummen €l)emann rool nod] für 
21Tartern übrig fein? 

„(Enblid^ bemog feine Stimme ^as taube 2^eid] ber Sdtatten, ob 
es gleid] mel^r eine ^üd^tigung als eine SeloB^nung mar, ^a^ man 
il^m feine 5i^au tpiebergab." 



— 4 — 

Zlnv ber PoUftänbigfeit l^albcr füf^re id? andi txxs flcinc artige 
Ctcb „l^ie ZHufif" an, weldies ebenfalls bartl^un fann, wie im 
jugenblid^en Ceffing öie Steigung oortoaltete, t>as emfte IPefen ber 
ZHufi! mit bem Draftifd^^Komifd^en in Derbinöung su fefeen: 

2)ic mufit. 
„€in 0rpl)eu5 fpielte; rings um xfyi 
Zfiit laufd^eitbem (5ebränge 
5tanb bie erftaunte ZlTenge, 
Durd^s (Diiv bie XPoUuft einsusieB^n. 
(£in Crinfer !am pon ungefäB^r, 
Unb taumelte ben XDeg baber. 
Sd^nell fa§t' er ftd), blieb I^ord^enb ftel^n, 
Uxib wart) entsüdft, unb fd^rie: fd^ön! 
So fd)ön, als menn bei meinem iDacFern XPirte 
Das Eiette pagglas flirrte!" — 

IDie mit einem 5d](age änberte fid] Cefjtngs 3eB^anbIung ber 
ZHufi!, als Berlin 3um erften ZTÜale bie Stätte feiner IDirffamfeit ge* 
tporben. So n>irb ^iiwn andi bie <5eit von 1748 — 1752, tok für 
Ceffings Denfen überl^aupt, fo gans befonbers für fein mu[ifalifd?e5 
€rfennen von B^öd^fter Bcbeutung. (5erabe bie 5<?iten, in ^cnen 
Cejjing für bie „Poffifd^e Leitung" t>cn „geleierten 2lrti!el" 3u re« 
bigieren l^atte, merben für biefen genialftcn aller Kritifer, ber l^ier 
burd^aus feine unioerfelle ^latur lierausfd^älen mu^te, aud^ in mufifa« 
lifd>er Besiel^ung augerorbentlid) befrud^tenb. 

Perbanft ^enn nun Cef fing in biefer feiner erften Berliner 3^it 
feine mufifalifd^e (£r!enntnis fid> gans allein ober folgte er barin ^cn 
Spuren eines bebcutenben CEonfünftlers? Offenbar oertraute Ceffing 
fid] in bicfem Betrad]t ber (ßeiftesleitung bes bamals epod^emadjenben 
tEl^eoretifers 5riebrid) IDill^elm ZHarpurg an. Diefer einflugreid^fte 
Confünftler feiner S^^^ ift ^i" ^Itmärfer, am 1. ©ctober 1718 3U See« 
l^aufen geboren, rtad^bem er, n>ie es beijgt, in paris längere 3^it 
Sefretär bes (5enerals oon Hotl^enburg (anbere fd^reiben: Boben« 
bürg) gemefen tx>ar, fam er faft gleid^seitig mie Ceffing, im 3^^^^^^ 
1749 nad> Berlin, n?o er nad? intermittierenbem 2lufentl>alte in £)am» 
bürg, im 3^^^^ 1763 fgl. Cotteriebireftor unb Kriegsrat tx>arb; ber» 
felbe ftarb andi in Berlin am 22. ^Tlai 1795. ZHarpurg mar als 
ZlTupfer erftaunlid) oielfeitig. Seine !ritifd)en 2lrbeiten 3umal werben 
nod\ Bleute ob il^rer großen lPiffenfd]aftlid]feit mit 2^ed)t von t)on TXln^xh 
geleierten unb ^eftl^etifern l)odegefdeäfet, besgleid^en feine XPerfe über (ße= 
neralba^, über bie 5uge. (£podeemad|enb gerabesu fitib feine 21rbeiten 
über bie Klaoierfpielfunft; in Berlin erfd>ienen unter 2lnberem feine 
„£eiftorifd)*frittfdeen Beiträge 3ur ^lufnal^me ber ZHufi!" in fünf ißän- 
im (1754 bis 1778). 5^rner möge nod^als befonbers intereffant 
ZHarpurgs „fritifdjer 2T(uficus an ber Spree" aus bem '^alive 



— 5 — 

1750 evwäfyxt trerben, basjenigc Werf, wo^nxdi er aud) qew\% r>or* 
itcliTnUd] €cffing*5 ^ufmerffamfeit auf fid] gesogen B)aben wirb. €in 
parallelbmus 5it)ifd?en biefen beiben Kritifem liegt aud) barin, bag 
u>ie Ceffing für bie Doffifd^e Leitung, fo ZHarpurg für bie ^aube« 
5pener*fd]e Leitung fritifd) t^äüq war; B^ier erfd^ienen unter 2(nberem 
tPoE^I an 50 polemifd^e ^rtifel gegen 3-5. ilgricola, einen Confünftler, 
ber uns in Ceffings mufifalifd^em Ceben nod] begegnen tx>irb. ^us 
ber f}aube*5pener'fd)en S^itung gingen jene 2(rti!el bann in ben 
„fritifd^en ^Tluficus an ber Spree" über. — (Dbwo^ bie Biograpl^ieen 
Ceffing's nid^ts bar>on r>er(auten laffen, ift man bod? wolii 3ur 2tn* 
nali^me bered^tigt, '^a% ein perfonlid^er Derfel>r 3it)ifd?en Ceffing unb 
ZTIarpurg ftattgefunben liabc. ^e'^cnfaüs ift als 5urd?t bes (£in= 
fiuffes, ^en ber Confünftler 5riebr. IDitt^. 2T(arpurg auf unfern Ceffing 
ausübte, jenes beräE|mte, f^errlid^e (ßebid^t „2in ben^errnZHarpurg" 
ansufel^en, t^as w'\x ber Ceffing'fd^en 2T(ufe aus ber erften berliner 
Seit Derbanfen. 

Diefem in 2(Ie^anbrineroerfen »erfaßten umfangreid^en (ßebid^te 
(224Perfe) „^n '^en fjerrn Zllarpurg über bie Hegeln ber XPiffen» 
fd^aften 3um Vergnügen, befonbers ber poefte unb Confunft'', fei 
nunmel^r unfere 2(ufmer!famfeit gefd^enft. 

IDie Ceffing fid) in feinem ureigenften (Elemente gegen bie ftarre 
pebanterie ber fanonifd^en (Bottfd^ebianer rid?tete: fo glaubte ber un« 
crfd^rocfene Vflann bei aller 2Inerfennung ber Derbietifte ZTlarpurg s 
^od\ andi gegen beffen peinlid^e ®rtI)oborie in 5ad\en ber (Eonfefefunft 
5ront mad^en 3u muffen. — '^enes (ßebid^t an ZHarpurg beginnt bemt 
aud^ gleid? alfo: 

„Der Du für Vidi ^ri^ uns ber (Eöne Kräfte fennft, . 

Der Kunft unb ber ZTatur il^r wal^ves 2lmt ernennft, 

ZHag, (ßleid^l^eit, 0rbnung, IDert im Heid? ber Sdiaüe lel^reft, 

Denfft, u>o man fonft nur fül^lt, unb mit ber Seele B^öreft, 

"Vein (Dfy: nidit titeln lägt, wenn Du nid]t wei^t wavnmV 

"Dem \d\weve Sd^önl^eit nur Cuft bringt unb 2T(eiftern Hul^m, 

5reunb, fprid], foll bie ^TCufi! nid)t alle lX>elt ergoßen? 

Soll fie*s; toas barf man fie nad? ftrengen Hegeln fd^dfeen?'' 

Die grübelnbe Penmnft bringt fxd\ in alles ein, 

Unt> will, wo fie nid)t B^errfd^t, bod] nid^t entbeB^ret fein. 

3B^r findet ber ©rtB^obo^; benn fie n>ill feinem (ßlauben, 

Der blinbe 5olger B^eifd^t, ben alten Beifall rauben." 

Die 0mnipoten3 bes ftarren (5efefees, t>e5 toten Hegelframes u>irb 
nun mit ftarfen Sd^lägen gegeigelt. — Wie in altB)elIenifd]en Seiten 
2(riftofenus gegen einen pytB^agoras t>as Hed>t ber Sinne bem 
ftarren matB^ematifd^en (5efefee gegenüber 3ur (5eltung brad^te: fo ver-- 
fud^t es B|ier Ceffing einem HTarpurg gegenüber. Unb ob er babei 
audi bos Kinb mit bem 'Babe ausfd^üttet: es ftecfen in feiner jugenb* 



— 6 — 

Ixdten piiüippita gegen bic (Einfeitigfeit bcr ftrcngctt, ortl^obo^cn mu* 
jtfalifdicn Cl^coric bodi (Solbfömer oon unr>crrr)eIfUd]cm (Slanse. 5o 
u)irb Don bcr „gnxbeln^en Pemunft" gejagt (Ders 15 — 16): 

„(ßebietrifd) fd^reibt ftc r>or, was unfern Sinnen tauge, 
ZHad^t fid) sunt 0l)r bes ©f^rs, unb ir)irb bes kluges 2Iuge." 

(6etpi§ maB^r: benn giebt es nid]t aud) t^eute nod> genug Kunft* 
fritifer, wddie t>a fouoerän bef eitlen; fo unb \o muffen eure ©E^ren 
E|ören, — fo allein muffen eure 2Iugen feigen, unb fo meiter? 

'Dagegen mirb als bie ewige, ber Dernunft Don (Sott gegebene 
2(ufgabe beseid^net „^es 2T(enfd]en ^ers 3u erleud^ten" — fo im Ceben, 
mie in ber Kunft, — in ber poefie wie in ber Confunft: 

„^ier lag, Dernunft, Dein £id\t uns unfern 5^i"b erblicFen, 

fjier l>errfd)e fonber giel, B^ier l\evv^di\ uns 5U beglucfen." (D. 23 — 24.) 

(Es u)irb bann bie in B^od^mütiger Dermeffenl^eit fid) weit ins Un» 
erme^Iid^e r>erlierenbe Pernunft ftarf getabelt unb if^re naturgemäße 
Strafe prognoftisiert: 

,,So fommft Vn, ftatt ins J^ers, in einen Kritifus, 
Vet, was bie Sinne reist, metB|obifd] muftem mu^"; (V. 33 — 34.) 
ferner: 

„Vas 5üB^(en u>irb verlernt, unb nadi erfieften (5rünben 
Cernt aud) ein Sd^üler fd]on bes ZHeifters 5^J?I^r finben, 
}Xnt> I]ä(t, u>as Körner l^at, für ausgebrofd^nes Strol]." (39 — 41.) 

3m weiteren Perlaufe .^es (ßebid^tes fud^t Ceffing 3u belel^ren, 
^a% bie natürlid^e, ungefünftelte gauberfprad^e ber 2Xlnf\t allein bos 
I^eB^re XPunber oollbringt, bie Sitten ber IHenfd^en 3u oerebeln, — 
nidit ber tl^eoretifd^e (ßelel^rtenfram. So B^eißt es trieber einmal: 

„XPas einen Bauer reist, mad)t feine Hegel fd^Ied^t; 

Denn in iljm rr>irft il^r (Trieb nod) unr>erfälfd>lid^ äd^t." (53 — 54.) 

5emer (P. 59—66): 

„5reunb, n>unbre Vid\ nur nid^t, t>a^ einft ^es 0rpl]eu5 Saiten 

Die (Eiger saE^m gemad^t unb leierten Bäume fd^reiten; 

Das ift: ein n>ilbes Pol! ben (Eieren untermengt, 

Jfjat, wenn er fpielte, fid) erftaunt um il^n gebrängt. 

Sein ungefifeelt (Dliv fül^lt füge 5<^iibereien; 

3I^n leB^rt bie ^TCad^t ber Kunft bie ZHad^t ber (5ötter fd^euen, 

iXn'^ was ber XPunbermann lobt, ratet un^ befiel^It, 

fjat bei ^en raul^eften ben Heis, mit bem er fpielt." 

2Inbrerfeits wirft bann Ceffing, ber r>on ber ZHufi! burd^aus 
PerooUfommnung ber ZHenfd^en verlangt unb erwartet, bie Svage auf, 
ob woiil ^ie seitgenofftfd^en tEonmeifter bie Bürger ettx>a in bem ZlTage 



pcrf einem fönnen, tx>ie es jener uralte „Ceiermann" (b. i. 0rpljeu5), 

oermod^t b^t: 

f/3^fet aber — tpäl^Ie felbft, nimm fj äffen ober (ßrauen 

Unb fprid), il^r ebler 5tol$, tt>irb er fid) fo r>tel trauen? 

(£r beffre, menn er fann, bas ungefd>Iiffne Canb. 

Dem ijunfer unb bem 3auV feljlt nod? gleid> oiel Derftanb — 

(£r gel^, finb fie es rr>ert, unb lei^r' mit ©pertönen, 

lX>as fid) nid^t (eieren lä^t, ben ol^ne ^Tlurren fröl^nen, 

Unb jenen ol^ne 5tol5 ein Sauernfönig fein". (P. 75 — 81.) 

€s ift d)arafteriftifd>, ba§ Ijier Cef fing 3u einer geit, n>o bie 
2^iefenmeifter Bad] unb £j anbei nodt lebenbig tt>ir!fam maren, ber 
eine in Ceipsig, ber anbere in Conbon, bod? als prototype muftfalifd^er 
Sd^affensfunft für feine 5^it gerabe nur (5raun unb ^affe nennt^ 
voeld>e allerbings ^k Dolfstümlid^ften Komponiften jener S^ii tt>aren, 
lüäl^renb ber l^oi^e (Senius eines ^änbel unb eines Sad] erft lange 
nad> il^rem (Eobe gans erf annt «werben fonnte. 3oljann 2Ibolplj 
fjaffe, ber von 1699 — 1783. lebte, galt als ber gefeiertfte 0pern- 
fomponift feiner geit, roäl^renb ber Berliner Kapellmeifter Karl 5i^i^b» 
vidi (5raun, ber von 1701 — 1759 lebte, obtt)ol]l er ebenfalls 
5al>lreid)e 0pern mit (Erfolg 5ur 2luffüE>rung brad)te, i>od\ mef^r nodr 
als Kird^enfomponift l^eroorragte. 3ft ^odi gerabe ein fird^lid^es (Eon* 
werf „Der Cob ^e\n'', mit bem Cej-te Don Hamler, t>as bis Bleute 
in ungefd)n?äd]ter Kraft fortmirfenbe IDer! (Staun s geblieben. 

Va% Cef fing l^ier eben nur biefe beiben Hamen — ^affe unb 
(Staun — nennt, lä^t mit oielem barauf 5olgenben erfennen, ^a^ iB^m 
— bem großen Bül^nenmanne — r>on Hlufif überl^aupt bas ZHufif* 
bramatifd^e faft ausfd^ließlid) am fersen lag. 

Sd^arf geigelt Cef fing bann bie 0l)renblafiertf]eit feiner mufif* 
luftigen ^eitgenoffen; biefe fei Dornel^mlid? 5d]ulb bar an, ^a^ bie 
ZTTufif ftd) il^ren (ßemütem nid^t in Doller fjimmelsl^errlid^feit offenbar 
mad^en fönne, t>a% fie unfäl^ig merben, burd] ^Tlufif oerebelt 3U tt>erben. 
So ruft ber Did^ter aus: (Ders 87—94.) 

„Hein, meil jefet (gülbne S'^itl) ber pöbel auf ^en Strafen 

€in efler 0l]r befifet, als Kenner fonft befagen. 

(£rft brängt er burd^ bie VOad\ fid] toll ins ©pernl^aus. 

Urteilt erbärmlid] ^ann unb ftrömt in CEabel aus. 

Vie XOen'öunq wat 3u alt, bie fam 3U oftmals tt>ieber; 

Jfjier ftieg er all3uf|od], B^ier fiel er plöfelid) nieber; 

Der (Einfall u>ar bem 0l]r 3u unerwartet ba, 

Un^ jener taugte nid^ts, tx>eil man 3uoor iB^n fal]." u. f. tx>. 

Die Urfad]e fitr ein berartig ungesiemenbes , Dermerflid^es Kriti* 
fteren, für eine fold^e Ceid^tfertigfeit r>on Seiten ber ZHufiflaien fud^t 
Ceffmg freilid] mit einer tt)ol>l Der3eiB]lid]en €infeitigfeit lebiglid) in ben 
tljeoretifd^en Hegeln, bie fid) leidet aufneB^men unb einprägen laffen, 



um barauf ein alles natürlid^e (5efül^l l^intanfefeenbes Urteil 3U bafieren. 
XDir bürfen nid\t auger 2ld\t laffen, bag n>ir es l^ier mit bem etu?a 
20jäE|rigen Cef fing 3U tt)un Blatten, in bem 2IUe5 nodt ftiirmte 
unb gäE^rte — unb ber, bas Bleibenbe, fjöd^fte wolil a\:inenÖ, bod) 
darüber ^k baE|infüt>renben guten notrcenbigen Stege unb XDege 
als eitel Baöaft über 3orb merfen !onnte, eben weü fie — als 
Znittel 3um l^ol^ern S^ede — fid) fo aufbringlid^ in t>en Porbergrunb 
ftellten. 2Tlan mirb nun bie folgenbe Sd^Iugfolgerung Ceffings wohtl 
auf bas rid^tige ZHag surücffül^ren fonnen. Der Cobrebner bes (5e* 
füE|Is fingt alfo: 

„Wo fommt bie 5i^^d)t)eit t^er, fo unbeftimmt ju rid^ten? 

IDer lel^rt ben größten (5eift bie S^^^^ f^^" ^^^ bid^ten? 

3ft nid^t, uneins mit fid^, ein CE|or bes anbexn 5^inb? 

Unb fül^lt ber Künftler nur fie all auf fid^ Dereint? 

3ft nid^t ber (5runb, u>eil fie erfd^lid^ne Hegeln miffen, 

Unb, auf gut (ßlüd, banad^ vom Stod 3um IDinfel fd^liegen? 

(£r ifts. rtun table \nid\, ba% id? bie Hegeln fd^mäl), 

Unb mel^r auf bas (5efül^l als il^r (ßefd^mäfee fei?". (Ders 103 — 1 10.) 



IL 

5old^e 21usfälle gegen bie XDäd^ter bes regelred^ten Confd^affens 
u>erben '^ebem begreiflid) erfd^einen, ber fid^ ftets üergegeniüärtigt, ba% 
<5otttj, (£pE|r. Ceffing bies etrca im 3U)an5igften CebensjaE^re Der« 
fagte, 3U einer 5<^it/ ^0 er in fd^äumenber 3ugenbfraft ben großen, 
fd^meren Kampf gegen 6yott^d\eb unb feinen ^nE^ang füt^rte, morin 
er gan3 auf Seiten ber Sdiwei^et , ber 3obmer unb Sreitinger 
ftanb. So fagt benn fd?on 'Dan3el (a. a. 0. I, p. 192/193), als 
er flüd^tig biefes (ßebid^tes €ru>ät^nung tt^ut, 5olgenbes: „Vas (ße« 
bid^t an ben 2T(ufif er 2TI a r p u r g : Ueber bie Hegeln ber IPiffenfd^af ten 
3um Pergnügen, befonbers ber poefie unb Confunft, ift Dollfommen 
im (Seifte ber Sdiwe i^er abgefaßt." Daraus merben bann als 
Bemeis bie berül^mteften Perfe aus jenem (ßebid^te citiert , u>orin 
Cef fing fd^on bamals bas IPefen bes fd^opferifd^en (5enies fo mufter» 
gültig ge3eid7net l^at. Die betreffenben Perfe u>erben audi t^ier balb 
mitgeteilt u>erben, ba nunmel^r bie 5!i33ierung jenes (ßebid^tes rceiter 
Derfolgt mirb. 

Kaum ift Ceffing mit ber HTufi! leiblid) 3U <£nbe ge!ommen, ba 
belet^rt er uns, ba% es um bie Sd^mefterfunft poefie nid^t beffer 
befteüt ift: 

„Die Sd^mefter ber HTufi! \:iat mit iE^r gleid^es (ßlüde; 

Kritifen ol^ne <gal^l unb menig HTeifterftüde," — (Pers 111 — 112.) 



— 9 — 

tDorin ^ann im Verlaufe bic elcgifd^en Worte er^dtaüen: 

„2ldi arme poefic! anstatt Segeiftcrung 

Unb (ßötteni in ber 3ruft, fmb Hegeln jcfet genung''. (129 — 130.) 

3nbem ber Did^ter ftd? bann roieber 3ur 2Tc u f i f n>enbet, giebt er 
fid^ in feinfter Selbftironie eine 2irt ^nfeEjen, als toäre er felbft in 
mufiftl^eoretifd^en Dingen erftaunlid^ befd?Iagen, inbent er fingt: 

,,Conarten, '^ntervaü, 2lfforbe, Diffonans, 

ZTTanieren, Klaufein, Caft, Strid?, CConterpunft unb Sd^tcans, 

2Tlit E|unbert IDörtern met)r, bie taufenb nid]t Derftel:>en, 

IDorauf fid^ taufenb bod^ pebantifd^ albern bläE)en, 

5reunb, fei fo gut, Derbräm' mein aUsubeutfd) (ßebid^t, 

T)amit man aixdi von mir als einem Kenner fprid^t. 

T)od^ nein . . (£5 möd]te mid? ein pfau 3U rupfen faffen/' {V, 137 — 143.) 

beiläufig bemerft, fönnen ftd^ bie Perel^rer bes (ß e 1 1^ e mortes 
„rtur Cumpe finb befd^eiben" aud] auf Cef fing berufen, ber tyer in 
feinem ZHarpurg^Cßebid^t ausruft: 

„S^cir burd? Sefd^eibentjeit fliegt man nid^t ^immel an; 
Dem2näbd]enftel>tbie5d]am, unbprayereibemlTTann." (P. 145— 146,) 

IPeiter I^eißt es K>ann in biefer pl^ilippüa gegen alle Kunftregeln : 

„Unt> reben fann man ja. Vom Seiten, Vxd\ten, ZHalen, 
€eE|rt and) bas fleinfte Sud?, wo nidits oerftel^n, t>odi prat^len." 

(V. 155—156.) 
Dann u>irb in Betreff ber Hegeln bie 5t^cige auf gen?orf en : 

,,Vodt meint man Dielleid^t, ba^ fie bem HTeifter nüfeen? 

Zrian irrt; bies t^ieß bie IPelt mit €Iepl:?anten ftüljen." (159—160.) 

Unb im Perlaufe biefer Beantn?ortung erfaEjren mir jene fd^on 
crtDäl^nten tiefu>eifen Perfe vom lt>efen bes (ßenies, wie folgt: 
„€in (Seift, ben bie ZXatur 3um 2T(uftergeift befd^lo^, 
3ft, iDas er ift, burd? fid?; rrirb ol^ne Hegeln gro§: 
<£r geE|t, fo füE^n er gel^t, aud? o^ne IDeifer fid?er. 
<£r fd^öpfet aus fid? felbft. (£r ift fid) 5d?ul unb Büdner. 
Was ilin beu>egt, ben?egt; roas i^m gefällt, gefällt. 
Sein glüdlid^cr (ßefd^mad ift ber (ßefd^mad ber IDelt. 
XDer f äffet feinen IPert? €r felbft nur fann ih^n f äffen, 
Sein Hul^m unb Cabel bleibt il)m felber überlaffen. 
Se^lt einft ber HTenfd? in iE^m, finb bod? bie 5^^l^r fi?ön, 
rtur feine Stärfe mad^t, ba^ mir bie Sdiroädie feE^n." (P. 165 — 174.) 

Der Did^ter fül^rt nodi üielerlei HTomente l>erbei, um barsutE^un, 
ba§ einem fold>en (Seifte, ber !aum alle Ijunbert '^alire empor!ommt, 
bie „!ned?t*fd?e Hegel" nidits nni^t; anbrerfeits mirb ber selotifd? ben 
Hegeln l^ulbigenbe Confünftler alfo gegeißelt: 



— 10 — 

„Vodt, S^cmib , bdel^re midi, wie bcn Apollo nennt: 

Wenn er bie Cöne gleid) als feine 5inger fennt, 

Sefäfe fein fd^tüerer (Seift €ucliben unö £artefen, 

llnb €ulern, fönnt er gar tüie id^ Calanbern lefen; 

allein, er u>agte nidits , allein er bad\te nie, 

Dem 5ül]rer aUsutreu, unb folgte tüie bas PieE^; 

Unb täufd^te nur bos 0E^r mit fünftlid^em (ßeflimper: 

IX>ie nennt Apollo ben? IPenns l)od^ fommt: einen Stümper," 

(Pers 193—200.) 
rtad^bem bie Stümper nodi rpeiblid^ abgefonselt tüorben, befd^lie^t 
Ceffing fein merfrpürbiges poem mit einer Dulbfamfeit gegen leidste, 
einfad? erfreuende gefällige ZHufi! , wie man es äfyxiidi in bes 21 r i ft o * 
teles politi! im legten (8.) 'Bndie lefen fann. Der Sd^lufe t>es (Se* 
bid^tes lautet aber alfo: 

„(ßut, fd^lafe nur nid^t ein. 3d? fd?lie§' unb frage Did?: 

Wenn ber, ber menig bvand\t unb minber nod? begel^ret, 

Sei feiner ^rmut lad^t, unb Ueidie lad]en leieret, 

Der nid\ts Derbrie^lid? finb't, auf alles Sndev [treut: 

Die 5i^^ube fid] nie !auft unb fid? K>od} täglid] freut: 

IPenn ber 3U preifen ift, ift ber nid^t aud? 3U preifen, 

De§ (Di}v fid? nid?t empört bei mittelmäßigen IPeifen, 

Der bei bes fjirten 5löt' unb munteren Dorffd^allmei n 

So freubig fann, als Du in (ßrauens 0pern, fein? 

Dies (Slü(f , 5reunb, tt>ünfd? id? Dir! unb n:>illft Du Did] bebanfen: 

So tt)ünfd?' mir gleid?e Cuft aus Maliern unb aus Raufen." 

(Pers 214—224.) 
Der E?ier als poetifd?er Stümper ftigmatifierte £ianfe, ber tyet 
^en fd]roffen (ßegenfafe sunt tief finnigen ^ aller, bem Sänger ber 
„^llpen" bilbet, ift (ßottfrieb Benjamin ^anfe aus Breslau. 
Derfelbe ZTTann läuft Ceffing aud? fonft nod? in biefem Sinne in bie 
5eber. So ift in einer 2?ecenfion über Poltaire's Cragöbie „A»^elie 
on le dux de Foix" (üom 14. Dezember 1752 in ber Poffifd^en 
S^itung) 3U lefen: „€inen Poltaire loben, ift ebenfo n?as Unnötiges, 
als einen Raufen tabeln." Der fjerausgeber jener ^^esenfionen in 
ber ffempeffd^en 2lusgabe (XII, p. 481), f?err K. £l?r. Heblid?, bem 
id? bie ^ufflärung über t>en Hamen „Vianfe" perbanfe, mer!t ba5u 
an: „Der Sreslauer (ßottfrieb Benjamin f?anfe ift o on Ceffing aud? 
im Sdilugoers feines (ßebid]tes .an IHarpurg* als ein fd]led?ter Heimer 
angefü[?rt. 2lus biefem (Sebid?te finb bie beit>en citierten Perfe." 3" 
jener Hesenfion über Poltaire's Amelie h^ei^t es nämlid? meiter: „€in 
grojger (5eift l:iat nun einmal bas ^edit , ^a^ nidits ans feiner 5^^^^^ 
fommen fann, als mas mit bem Stempel bes heften beseid^net ift. 

„Was il?n beiregt, beu?egt; was il^m gefällt, gefällt; 
Sein glücflid?er (ßefd?mad ift ber (ßefd?macf ber iPelt," 



— 11 — 

Pcrfe aus jcitem Ptclgepriefcrtm Standen über bas VOe^en bcs (ßcnies ; 
Ccffing ntu§ alfo felbft fein bcfonberes IPoE^Igefatten an liefen feinen 
eigenen Perfen gefunden l^aben, 

Xlod\ eine hrttifd^e Benierfung ipäre in Sesug auf Ceffing 5 (Se* 
t>id\t „^n fjerm 2T(arpurg" 3U mad^en. 

Wie fel^r man aud^ Ceffing barin beipflid?ten mu§, ba§ 3^^^"= 
mad^t, pl:^antafieretd:^tum, etl^ifd^e (große unb bergleid^en in allem fünft* 
lerif d^en 5d]affen unoergleid^Ud^ mid^äger, u>ertDolIer finb — als eine 
nodi fo l^ol^e fjerrfd^aft über bie Hegeln ber. betreffenden Kunft, alfo 
über bie 5orm: fo mirb man bei ber ^ufammenftellung von poefie 
unb 2Tlufif bod^ einen erl^eblid^en Unterfd^ieb mad^en muffen. Die 
2T(ufi! fann nämlidi a>eit tt>eniger ber Kunftregeln entbel:^ren als bie 
poefie. Die poefie ber IPeltliteratur fennt mol)l glänsenbe Hamen, 
bie ol^ne alle tt)iffenfd)aftlid?e Untermeifung oolle Did^ter gen?orben 
finb — man benfe an Bums, petöfi unb Rubere — , attein bie (5e* 
fd^id^te ber Confunft fennt bergleid^en nid^t unb fann aud? nid]t 3U 
fold^en autod^ttjonen Confd]öpfern gelangen. Venn ber 1>id^ter mirb 
wie jeber ZlTenfd] immerl^in \d\on in bent ZHaterial er3ogen, lebt unb 
rpebt ftets in bem ZHaterial, u>eld)es bie (ßrunblage für feine Kunft 
bilbet, ber ZlTufifer aber nid\t, ober bodi nid^t entfernt in bem VTia^c, 
wie es beim IPortbid^ter ber S<^^ ift. ^^it' fpred^en ^lle in IPorten — 
bem Hol^material bes Did^ters — aber nidit in ^önen, bem Hol]» 
niaterial t>e5 Confängers. IPer war tbunberbarer begabt als tlTosart? 
Unt) bod) l^at ber junge tPolfgang unter ber 2legibe feines Paters 
bie antjaltenbften Stubien in ber mufifalifd^en 5orm mad^en muffen, 
cl:|e er in IPal^rl^eit ju ZTTosart l^eranreifen foimte. — Darum 
eben bleibt es 5U IPal^rI:^eit beftel^en, ^a^ Ceffmg in feinem (Sebid^te 
an 2Tlarpurg, foroeit bie Confunft barin in Betrad^t fommt, u>eit, 
fcl^r U)eit über ^as giel l:|inausgefd^offen liat 

Bepor man fid) t)on £effing's 2Uarpurg«0be oerabfd^iebet, ift 
nod^ bie ben freunblid^en Cefer gett)i§ überrafd^enbe JTÜitteilung 5U 
mad)en, ba^ biefe pielgenannte 0be in IPirflid^feit 3um erften ZHale 
in 2narpurg's „Kritifd^em 2Tluficus an ber Spree" sum 2Ibbrud 
gelangt ift. Das 14. Stixd biefer ZHufifseitung Dom ^. 3ii"ius 1749 
trirb eröffnet burd) „^errn (Sranbpalls Perfud? über ben guten 
<Sefd)mad in ber ZHufif". 3n TXv, 18 bes „Kritifd?en ZHuficus" pom 
1. 3ulius 1749 n>irb biefe Arbeit unterbrod^en. fjerr Ztlatpmg als 
l^erausgeber motiviert biefes mit folgenben IDorten: „3^? u>erbe auf 
lieute bie (5ranbpallifd]en (ßebanfen über ben guten (ßefd^mad aus* 
f efeen, um f olgenbem (ßebid^t einer gefd^icf ten 5eber, über bie Hegeln 
in ben XDif fenf d^af ten sum Vergnügen unb befonbers 
t)er Vid\t'' unb Confunft plafe 3U mad]en." — Unb nun folgt 
^as> berüE|mte Ceffing'fd^e (5ebid^t (0be) an ben fyxvn 2Tlarpurg; es 
ift unter3eid)net mit: (ß. €. €.; Berlin 28. 3uttius 1749. Die 2luf* 
fd^rift „^n ben ITTarpurg" fet^lt l^ier im „Kritifd^en 2Huficus an ber 



— 12 — 

Spree". — Woiil mbqlid\, t>a% ber perftänMge Criticus an ber Spree 
gar nid>t gemerft l^at, ba§ er unb feine immert^in ftarre Segel bamit 
nidit iDeittg üerfpottet wirb. 

2lu5 berfelben geit etma ftammt aud^ ber brafttfd?»!omtfd?e 0pem* 
tejt „Carantula", ber andi in ber ^empeffd^en Cefjtng« Ausgabe 
(XI, 2. p. 505 — 51 1) enti^dten ift. Dort eröffnen bie folgenden IDorte 
Dansefs (Cefftng I, 5. 168) bie Mitteilung, nämlid?: „Die Ca = 
rantula . . . ift eine Perfpottung ber 0pern beffelben Leopolde di 
Vittati, poeta die sua Maesta — er war 3U jener geit nadi einer 
ZTotis in ber ,^IIg. beutfd^en BibliotE^e!* Derfertiger Don 0pemteyten 
für bas berliner Cl^eater — beffen 3^pritnatur Ceffing bosE^after IDeife 
auf ben Citel gefefet f^at." Der ©tel biefes 0pem=€ibretto5 lautet: 

„ C a r a n t u I a. 
€ine poffenoper, im neueften italienifd^en (5ufto ober (ßefd^marf, auf» 
gefefet oon einem reifenben Ciebl^aber ber ITTufi! unb poefie, bei (£r* 
Öffnung bes 0perntt^eater5 in Celtou?. 

Celton? an ber Cyber*) 1749. 

Imprimatur. 

Leopoldo di Vittati, 

Poeta di sua Maesta". 
• Die Ceffing'fd^e Dorrebe lautet im IPefentlid^en alfo: „3d? gebe 
meine Arbeit Dor nidits weniger als por ein ZHeifterftücf aus; bod^ 
bin id^ überseugt, ^a% matjrl^aftig grofee Kenner ber ITTufif unb poefte 
ungemeine unb feltne 5d)önl^eiten barinnen finben u?erben. IPillft Du 
nun, mein Cefer, bei mir üor einen mat^rl^aftig großen Kenner ber 
ZTTufif unb poefie gelten, fo — — — sapienti sat." — 2e. 

S(i\on will fid] Ceffmg anfd^icfen, ^en '^nhtalt ber 0per anzu- 
geben, als er fid^ eines ^efferen bepnnt — „Dod^ t>en ^ugenblirf fällt 
mir ein entfefelid^er Sfrupel bei. Könnte nid^t ein bosl^after Spötter 
fagen, bie 0pernfd^reiber mußten u?ol^l ^en 3nB|alt oorfe^en, n>eil man 
fonft unmöglid^ aus ber 0per felbft Äug merben tonne? Der (ßeierl 
fo einen Pormurf mag id) meinem Singfpiele nid?t gerne mad^en 
laffen. 3d? u>ill alfo ben 3nlialt fo lange lieber surücfl^ alten, bis id^ 
mid\ mit bem fjerrn D.* (Vittati!) barüber Uats erl^olen fann." 

Dann fommt f olgenbe ironifd^e 5elbftberäud]erung : „ ITT u f i! , 
Ballets unb Persierungen finb alles üon meiner eigenen €r- 
finbung. 2Han fiel^et alfo mol^l, t>a^ id\ basu geboren bin, benx 
beutfd^en 0pertl^eater aufsul^elfen." 

Die perfonen bes Singefpiels finb f olgenbe: 

0librio, ein närrifd^er ZHufifus; polinello, ein alter 2T(e= 
bifus; Com inte, bes polinello Cod^ter; Cifette; 0ctaoio, ber 
Cominte Ciebl^aber; ZHarelli; ein Cl^or Kranfer; bes polinello 
fjausgefinbe. — Das ganse Cibretto entl^ält nur einen 2luf3ug in 

*) ,,(Srp ^at Tli^^ng. gi\ä)x\tbtn ,Tiz\pi\^^. ©Itid^moljt muß bie JDper in Berlin gf- 
madjt fein." (3ftmnftg. Tta^mann'B). 



— 13 — 

v'wv Auftritten. Von ber ftarfcn Karrüatur bes (Sanken fann man 
fxd\ andi \d\on t>nvd\ ^as Scenarium überseugen, weldies unter 
Anderem üorfd^rcibt: „Unter ben Kranfen fann man aIIerE|anb be* 
liebige u>unberbare S^Quxen auffüE^ren : Ceute mit "Sudeln, mit Stelsen^ 
oE^ne fjänbe uhö 5üfee, u>o möglid? aud^ oE^ne Kopf", — 
01ibrio, ber ben Kran!en«(£E|or bas €ob öes Erstes fingen lel^rt, 
ruft fd^üe^Iid) ärgerlid^ aus: 

„Was l^at man nid\t vov ITTüE^' mit beutfd^en Keimten, 

Vie, wenn fies E|unt)ertmal gehört, 

Vodi l^unbertmal nod] feE^Ien! 

3t^r 0d?fen, lernt bod] einmal fingen, 

5onft u>irb mirs weniq (£E^re bringen! 

gumal Du €fel Öa 

(Einer Don öen Kranfen. 3<^/ f?^^^^ idi — ftott re 

ja. 

3m II. Auftritte u?irb namentlid^ t>as gan5 gebanfenlofe (SebaE^ren 
t>es ^rien»Untt)efens in feiner poUften Unnatur Dortrefflid] gegeißelt. 
(Dlibrio unb ber ^rst polinello bilben ben Dialog; 01ibrio ift ber 
glüdßd^e €it)am bes Firstes unb ift üoU 5el^nfud]t nad^ ber „gr auf amen 
Cominte". ZXad^bem 01ibrio feine ^rie 3um erften ZHale 3U (Snie ge« 
fungen, giebt Ceffing im Scenarium 5oIgenbes an: „Sei ber XDieber* 
i^olung biefer üortrefflid^en ^rie tviü ii^m polinello ins IDort fallen, 
(Dlibrio n>in!t it^m aber. Sei ber anbern IPieberl^olung n>ill er aber* 
mals reben , (Dlibrio aber fd^lägt il^n aufs 2Tlaul. Sobalb er befd^loffen, 
fagt er gans E^aftig: 

0librio. ^um f^enfer, laffen Sie mxd\ bod] 
€rft meine ^rie suftanbe bringen! 
polinello. H?er u?irb benn (Einerlei fo oftmals fingen? 
3d) k^be ja voohil nodi, 
(ßottlob unb Danf, gefunbe 0t^ren. 
0librio. allein mie leidet gel^t nid^t ein tbort, ein Con oerloren? 
Unb jebes XDort unb jeber Con 
3ft in ^en 0pern (Solbes u>ert, 
3umal u>enn man mid^ l^ort. — 
So gel)t es u>eiter. 0librio banget u>eiter, ^enn er wei^, ^a^ £o* 
ntinte ^en 0ctapio liebt; bod| berul:^igt il^n ber ^Ite, 0ctaDio „fo ein 
21!arre" foll fein Kinb „nid?t erfd^leid^en". Der 2llte fingt t>ann liebet 
^ecitatiüe, u>iE nid^ts oom Duett u?iffen, fo ba% (Dlibrio fd^liegUd) 
fagen mu^i „allein Sie liaben es (sc. bas ^ubitorium) um bas Duett 
^ebrad^t". — 2^ ber III. nod\ au5gefül:|rten Scene treten Cominte, 
toeld^e für 0ctaDio \d\xx>ävmt, unb Cifette auf, u?eldie unter Ruberem 
folgenbe artigen IPorte über 0librio ausftö^t: 

„Der gute Sd^öps, t>enft er benn, bajg ein 2T(ägbd^en fid] 
21id^ts u?ünfd)t, als einen ZHann, 



— 14 — 

Der trefPid^ geigen !ann? 

(5eige tyn unb geige l^er, 

Du geigeft bennod^ t|interm Steg; 

5IaDio, 

(Dnicio, 

01tbrio, 

Du friegft nintmermet^r 

2neine 3ungfer ipeg! 

(ßeige ^in unb geige E^er! 

Da lob id^ mir ben ^erm (Dctavio". — 

Va nun Cominte fd^recflid? u?eint, fefet fie Cifette alfo sured^t: 

„IDer wirb t>eMn gleid) fo fd^re(flid^ weinen? 

(£\n b'xsdien geltet n?oI^I in einer 0per an, 

TTian mu§ nid^t gar 3U ängftlid) fd^einen 

Um einen leib 'gen 2Tcann. 

Dod^ pft! Va fömmt er felbft mit feinem Diener an". 

Der 4, auftritt u>irb nur nodi angebeutet. Das ganse 5rcigmcnt 
fd^lie^t alfo: „(£s märe 5u>ar nid^t nötig, ba^ man bas Cl^eater l^ier 
Deränberte, ^odi voeil es fd^on ganser brei 2luftritte burd) einerlei ge- 
blieben i[t, fo erforbern es bie Hegeln einer in omnibus numeris ah* 
foluten 0per, TXian u>irb berotl^alben ^en (Dvt ^wav felbft bcisu« 
bel^alten, bod? einige anbere ^usjierungen besfelben ansubringen nnb 
befonbers ^en profpe!t 3u änbern belieben. Variatio delectat. 
0ctar>io. 21Tarelli. Cominte. Cifette." 

2Iud) im n>eiteren Perlaufe bes Ceffing'fd^en Cebens werben ir>ir 
bie Betrad^tung mad^en fönnen, K>a^ berfelbe 3U aüen Reiten bie 
JTtufi! in ^en Kreis feiner Setrad>tungen 50g, freilid) üornel^mlid? 
in il^ren 3e3iel)ungen 3ur Did^tfunft. — 2(us Ceffing s Hecenfentcn» 
tt^ätigfeit an ber Poffifd^en Leitung im '^al:ive 1753 ift uns eine Kritif 
auf beu>al^rt , ireld^e einerfeits ein3elne fet^r feine 3emerfungen über 
mufüalifd^es Sd^affen entl^ält, anbrerfeits jebod) aud] t>en 'Beweis 
liefert, ba^ Ceffing ^as Stabium ber fd^roffen Perad^tung jebu>cbcr 
Hegel in 5ad\en ber Confunft glüdlid? übern? unben l^at. Die Poffifd^e 
Leitung üom 17. ZXoDember 1753 entl^ält eine Hecenfion über „(Dben 
mit ZHelobien. «rfter Ceil. :8erlin bei 5- ^^ Bimftiel". —Darin 
I|ei§t es unter 2Inberem (ßan^) XII, p. 525 — 526. f}empel»2Iusg.) : 
„(ßegenu?ärtige Sammlung gel^ört unter biejenigen, bie fott)oE|l ber 
artigen Cebensart neuerer §ext als bem IPifee nnt> (Sefd^macf in beiben 
Künften (£t^re mad^en. Die meiften (Dy>en Patinnen finb Don fd^on 
hef annten unb berül^mten Con!ünft[ern unb bie anbern von n\d\t unglücf- 
lid^en nad>aE^mern berfelben gefe^et. <£s l\aben es biefe HTeifter il>reni 
^nfel^en nid]t für nad^teiüg gel:^alten, fid^ mit biefer f leinen ^rt ber 
mufi!alifd?en Befd^äftigung ab3ugeben nn"^ bie (Dt>en baburd^ von bem 



— 15 ~ 

Iäd^erlid]cn Vorwurfe 3U befreien, als ob fold^e n\d\ts Ruberes als 
5rüd)te fd^led^ter Köpfe fein fönnten". — Vann I^ei^t es sutreffent», 
ipenn aud) etoas 3U meit gel^enb: „3ft ^^nn ein furser fd^öner €in* 
fall eines guten 'Did^ters nid^t öfters mel)r als mand^er ungel^eurer 
5oIiante eines Sd^mierers tüert, unb follte in ber ZHufif eine ^nsal^I 
r>on fed)3eE^n fd]ön gefegten Caften nid^t fo gut von ber 5äl:^ig!eit 
feines Perf affers seigen fönnen als eine brei 5inger breite partitur? 
3cbes mufifalifd^e Stüd, bäud)t uns, perbienet in feiner (5attuitg Bei« 
fall, wenn es ben Hegeln ber Kunft gemäfe unb mit Se\d\mad 
gefd^rieben ift." 

IX>er follte aber einem Ceffing bie Bi\yerbel mit ber „brei 5ing^r 
bicfen partitur" verübeln, menn er nodi gegenu?ärtig äl|nlid)en 23e* 
l^auptungen begegnen fann? So bel^auptete im ^atire 1873 ein beFannter 
2Trufifl)iftorifer in ber „Heuen Berliner 21Tufif3eitung" gerabesu: ,,ein 
guter IDalser ift mir ebenfo lieb als eine gute Sympt^onie" (Pgl. 
ZTTufifalifd^e Heifeerinnerungen Don W, Cangl^ans in Ho, 26 ber ,,Zl, 
Berl. Zn.'^tg," 1873), u?as ber Derf affer biefer Arbeit, als bamaliger 
Hcbafteur jener 2Tluftf3eitung freilid] fd^ersenb in ber ^Unmerfung als 
«crimen laesae majestatis» beseid^nen mu^te, — 

(£s ift nun erfreulid) 3U beobad^ten, ba^ and\ in ber §eit oon 
1754 bis 3ur €ntftel)ung unb €ntn?icfelung ber epod^emad^enben £aO' 
foon=2lrbeit, tt>omit mir 3ugleid^ £effing im eigcntlid^en Sinne als 
2leftl^eti!er ber 2Tlufif mürbigen unb bemunbern muffen — bag aud^ 
in biefer 5u>ifd]en3eit Ceffing's 2lugen ftets mad^fam auf bie ZHufif ge* 
rid^tet finb. — 3" ^^" 2<^\:i^^n 1754 — 1755 lie§ ^^fftng feine brei um* 
f angreid^en Stüde ber „CE^eatralifd^en 3ibliotl|ef" erfd^einen, ]758 
bos üierte unb lefete Stixd biefer u?id^tigen bramaturgifd^en arbeiten, 
bie man überl^aupt als 5olge ber „Beiträge 3ur ffiftorie unb 2Iuf* 
nai^me bes Cl^eaters" aus bem 2^htre 1750 an3ufel^en I^at. 

2lud^ in ber „CE^eatralifd^en Bibliotl^ef" lägt fid? £efftng feiten 
bie <5elegenl^eit entgelten, ben 3ufamm<>nl|ang unb bie IDed^felwirfung 
3rr>ifd^en Drama unb 0per üor ^ugen 3U fül^ren, fei es nun, ba^ 
er bramatifd^e Stoffe ber (ßried^en ober Homer, ober ber mobernen 
X)ramatifer fritifd^ erörtert. 

€in großer 2lbfd?nitt (VII.) ber tl^eatralifd^en Bibliotl^ef (1754, 
^roeites Stüd) Ijanbelt „üon ben lateinifd^en Crauerfpielen, 
rocld^e unter bem Hamen bes Seneca begannt finb". (£s finb 
iE^rcr 3eE|n Crauerfpiele mit folgenben Citeln: K Der rafenbe fferfules; 
2. Cl^veft; 3. Cl^ebals; 4. fjippolytus; 5. (Debipus; 6. Croas; 7. HTebea. 
8. 2lgamemnon; 9. Qerfules auf (Deta unb 10. 0ctaoia. €effing be- 
I^anbelt in biefem 2Ibfd?nitte nur bie 3tt>ei erften Cragöbien: „ben rafen* 
ben Qerfules" unb ben „d^yeft", mäl^renb er bie in 2lusfid]t ge« 
ftellte Betrad^tung ber übrigen adit Crauerfpiele überl^aupt fd^ulbig ge« 
Blieben ift. 



— 16 — 

X>cr „rafcnbc i^crfulcs" w'itb nun von Cefjing als ein f^öd^ft 
geeignetes 0pern»5ujet angepriefen. Had^öem nämlid? 2lus3Üge aus 
öem „rafenben ^erfules" öes Seneca gegeben, öann Pergleid^e mit 
bem gleid^namigen Stixde öes (£uripi5es angeftellt u?orben finb, nadi-- 
5em Kritif an biefen Stixden geübt unb anberes Citerarifd^e beigegeben 
iDorben if*, (öanb XI, 1 ber £)empel=21usgabe p, 350 — 374), folgt 
Ccffing 's „Dorfd^Iag für ein<m l^eutigcn Did^ter" (XI, I p. 875): „5a 
üiel ift augcnfd^einlid)'', beIeE)rt Ceffing, „ba§ aus bem Stücfe bes 
Seneca mit f leinen Peränberungen eine üollfommene (Dpev 3U mad)en 
fei, Die ZTTaf deinen finben il:^ren natürlid^en plafe barinne, unb wenn 
bie biege €rfd^einung ber 3uno für bie Per3ierung bes d>eaters 3u 
einfadi n>äre, fo fönnte man bie (Erfd^einungen aus bem €uripibes 
borgen, Xiefer nämlid^, wie xd] fd]on angemerft I^abe, fül:>rt anj'tatt 
ber 3uno fclbft bie 3ris, iE^re Botfd^afterin unb eine 5urie auf. 
Swe'x (ßegenftänbe, an tpeld^en 2Hafd^inenmeifter unb 2HaIer il^re Kunft 
I^inlänglid) seigen fonnten. 2lud^ ber Confünftler mürbe fid^ nid^t 
befd^tt)eren bürfen, ba% man feine Kunft burd] eine üert^agte 
2T!onotonie ber £eibenfd^aften einfd)ränfte, Siefinb burd^- 
gängig in bem ftärfften Spiele. Das gornige, bas Klagenbe, bas^ 
5tol3e, bas (Erfreute, bas 2^afenbe, bas gärtlid^e, bas (ßefefete, bas^ 
5reunbfd]aftlid]e u)ed]felt unaufl:^örlid> ab, unb oft treffen fie fo glücf* 
lid) 3ufammen, ba% fie ber fd^önften 2lbfted]ungen unter einanber fällig 
finb. 2(ud^ bie (£rfinbung bes öalletmeifters u>ürbe fid^ E|ier nid^t auf 
bem CrocFnen befinben, auf meldten man in einem Sd^aufpiele, bas 
fo r)or3ÜgIid] 3um Vergnügen bes <5efid]ts unb bes (ßeE|örs beftimmt 
ift, billig aud) mit feigen mu§, T>odi ba bie ©per mel^r in baS' 
muftfalifd^e als in bas poetifd^e ScLd\ gefröret, fo u>iU td^ mxdt 
xxxdit we'xtev bamit einlaffen, 3^? u>ill oielmel^r meine ^bftd?t auf ein 
regelmäßiges Stixd rid^ten" u, f, u?. 

21Tan erfennt I^ieraus einerfeits ben trefflid] gefd}ulten unb geübten 
^lid £effing's, bie edit mufifalifd^en (Elemente in einem CEI:jeaterftü(fe 
l)eraus3un?ittern; anbrerfeits ift ber Ceffing biefes Seitvanmes xxod] weit 
entfernt bapon, in ber (Dper bie poefie ixnb bie 2T(ufif etwa als eben* 
bürtige, foorbinierte (ßrößen gelten 3U laffen, ober gar mit ben fpesi* 
fifd^en Zllufif^Dramatifern feiner §eit bie Xfin\xf in ber 0per nur als 
untergeorbnetes ZHittel 3ur ^ebung bes mortpoetifd^en 2Iusbrucfes an* 
3ufel^en, — 

^nd\ eine anbcre mit ber „^l^eatralifAen Bibliotl^ef" in Per* 
binbung ftel^enbe 2Irbeit unferes ileftl^etifers mußte bemfelben Deran* 
laffung geben, fid] mit bem IPefen ber 2T(ufif mel^r unb mel^r pertraut 
3u madjen, 3^fe* 9^^* ^^ nid]ts weniger, als fid) burd? bie I^öd^ft 
fd'jn^ierige unb fubtile IHaterie ber gried]ifd]en llTuftf burd^suarbeiten. 
^aben für einen Ceffing 3U anbeten Seiten Überfe^ungen aus frem= 
ben Sprad^en ba3U bienen muffen, il^m bie eigentlid>e Kenntnis biefer 
Spvad\en erft red]t 3U perfd^affen: fo feigen u>ir b^ev einmal, n:>ie 



— 17 — 

il^m bie Übertragung eines fransöjlfd^en XDerfes über bie 2Tlufif bet 
(ßried^en mit biefer Seite ber ZHufifgefd^id^te erft red^t Dertraut mad^en 
mu§. €5 ift bies ber im 3aE|re 1755 entftanbene XI. ^bfd^nitt ber 
„Cf^eatralifd?en 23ibIiotf^ef", betitelt: „Des 2lbts bu Bos 2Ius* 
f d^meif ungen von ben tf^eatralifd^en Porftellungen ber 
2I(ten," Der fran5Öfifd]e 2leftl)etifer unb Kanonifus 3^^^^ 'Bapti^ie 
Dübos, Sefretär ber fransöfifd^en 2Ifabemie, lebte von 1670 — 1742, 
t>erf a^te auger l^iftorifd^en IDerfen andi ein IDerf über ben (ßefd^mad: 
»Reflexiors critiques sur la poesie, la peinture et la musique«, bas 
eine Heilte von Auflagen erlebte, aud? maiinigfad^ ins Deutfd^e über= 
fefet marb. Ceffing giebt in feinem „Porberid^te" su feiner oben» 
genannten Überfefeung unter 2lnberem an (5anb XI, 1 p. 519 — 520): 
„Der 3nl^alt, n?ie il^n ber Perf affer felbft entn:>irft, ift fürs biefer, 
3n bem erften Ceile ertlärt er, morin bie Sd^önl^eit eines (ßemälbes 

unb bie 5d)önt^eit eines (ßebid^ts porneI:>mlid] beftel^e"; u, f. u?. 

— „3u bem 3u>eiten Ceile I>anbelt er oon ben teils natüilid^cn, teils 
ertt>orbenen (£igenfd]af ten , a>eld7e fott)ol^l grojge IHaler, als grogo 
X)id^ter haben muffen, unb forfd^t ben Urfad^en nad), n:>arum einige 
3cii^rl^unbcrte fo piele unb einige faft gar feine bcrül^mte Künfller ge« 
feilten l:^aben" u. f. w, — — „3" ^^"^ britten Ceile enblid] trägt 
uiifer ^bt Dcrfd^iebene €ntbecfungen vor, bie er in 2InfeE>ung ber tl>ea= 

tralifd^en Porftellungen ber Eliten gemad^t 5U l^aben glauber." 

„Diefer befonbere Ceil nun ober biofe 2Uisfd]tt?eif inig ift es, u>eld^e 
id) l^ier meiner ^l)eatralifd7en Bibliotl^ef einoerleiben u>ill. 3d? 
tperbe aber babei für biefes mal nidits als bie pflid^ten eines getreuen 
Überfe^ers beobad|ten, unb meine (ßebanfen über Derfd^iebene be- 
fonbere 2Tceinungen bes Derfaffers auf eine anbere (ßelegenl^eit mir 
oerfparen." 

Diefe „2Iusfd)u>eifung" bes geleierten fransöfifd^en 2leftl^e(ifers 
umfaßt aber nid>t weniqev als 170 Seiten nnb giebt, in ber rid^tigen 
(£ru?ägung, bajg bas Drama ber ^Iten, sumal bie Cragöbie, nid^t ol^ne 
23Tufif 3U faffen ift, eine ooUftänbige Überfid^t über bas ganse (ßebiet 
bev gried^ifd^en 2T?ufif. Der leitenbe (ßebanfe ift gleid^ 3U 2Infang 
3utreffenb alfo formuliert: „Die 2T(ufi! ber eilten wav eine IDiffen» 
fd^aft, bie einen weit größeren Umfang hatte als unfre 2Hufif." ©n 
furjes Vev^eid\nis ber ^bfd^nitte biefer „^usfd^n^eifung" mit ber 3"= 
I:jalt5angabe wirb uns bie flare (Erfenntnis oerfd^affen, u>ie £effing 
ftd? burd) biefe Überfe^ung in bie fd]u>ierigften partieen ber Znufif== 
gcfd^id^te pertiefen mugte. Dubos aber be\:ianbelt im I. 2lbfd)nitt „2111' 
gemeinen begriff von ber TXlufxi ber eilten unb ben mufifalifd^en Kün* 
ftcn, weldie biefer lDiffenfd]aft untcrgeorbnet n>aren"; ber leitenbe ^utor 
ift il]m t|ier, wie im 5olgenben 2lriftibes Quintilianus; bann: 
groeiter ^Ibfd^nitt: „Pon ber rf^vtt^mifdjen IHufü"; auger ben alten 
3cl7riftftellern felbft, n>irb befonbers nod^ bes I7. 2Iuguftinus Sd^rift 



— 18 — 

»de miisica« ftarf bcrüdfid^tigt, besglcid^cn l>oetE|iu5. Dritter 
^(bfd^nitt: „Von bev organifd^en ober 3"f'tJ^^i'"<?"^<jJ"^iip^"; Pierter 
2lbfd?iiitt: „Don ber poetifd?en IHuftf. Von ber IHelopöte. Daß es 
eine 2TJeIobie gegeben, weli\e fein rnnfifalifi^er (ßefang gen?efen, ob 
fie gleid) in Hoten gefi]rieben roorben." fünfter ^bfi^nitt: „<£v'- 
läuterung einiger Stellen bes fed75ten J^auptftüds ber 2lriftoteIifd^en 
Did:>t!unft. Von bein <5efange ber lafeinifd^en Perfe ober bem Carmen." 
Sed^ster ^bfd^nitt: „Dag in ben Sdiriften ber ^Iten bas IDort fingen 
oft beflamieren, ja fogar aud? blos reben bebeute/' Siebenter 
^Ibfd^nitt: ,,rteue ^eroeife, ba% bie tl^eatralifd^e Deflamation ber ^Iten 
componiert unb in TXoten gefd^rieben n?urbe. ©n beweis, ber baE>er 
genommen roirb, meil ben Sd)aufpieler, tt>eld?er recitierte, 3nftrumente 
accompagnierten." ^d^ter 2lbfd?nitt: ,,Pon ben ^ias- unb Seiten* 
inftrumenten, beren man fid^ bei bem ^kcompagnieren bebiente." Heun* 
ter 2lbfd>nitt: „Don bem Unterfd^iebe, u?eld?er 3tt)ifd7en ber tragifd^en 
unb fomifd^en Deflamation befunben. Don ben Komponiften ber De» 
flamation. 23etrad)tungen über bie Kunft, fie in Hoten 3u fd^reiben." 
getonter ^bfd^nitt: „Jortfe^ung ber Seweife, ba% bie 2IIten il^re De= 
flamation in Hoten gefd^rieben. Don ben Deränberungen, bie 3U ben 
Seiten bes ^uguftus in ber Deflamation ber Homer gemad^t irorben. 
Die Deränberungen, meldte unter £ubtt>ig XIV. mit bem Cause nnb 
ber IHufif Dorgenomnten morben, werben bamit üerglid^en." (Elfter 
2tbfd)nitt: „Die Homer teilten oft bie tt)eatralifd)e Deflamation 3u>ifd]en 
3u?ei Sd^aufpieler, beren einer recitierte, inbem ber anbere bie (ßeberben 
mad]te." S^^ölfter 2Ibfd]nitt: „Don ben Hlasfen ber alten Sd^au^ 
fpieler." Dreisel^nter 2Ibfd?nitt: „Don ber Saltation ober ber Kunft 
ber (ßoberben, weldte von einigen Sd^riftftellern bie l:^vPofritifd7e HTufif 
genennet u>irb." Dier3el>nter ^Ibfd^nitt: „Don ber tE^eatralifd^en 
Saltation. IDie ber Sd^aufpieler, u)eld)er bie (ßeberben mad^te, mit 
bem Sd^aufpieler , weid\ev recitierte, übereintreffen fonnte. Don bem 
2Ian3e bes (Et>orus." fünfsel^nter 2(bfd^nitt: „^nmerfungen über bie 
2ivt unb IDeife, n?ie bramatifd^e 5\üde auf ben Bütjnen ber Eliten vot- 
geftellet roorben. Don ber ftarfen Heigung, meldte bie (5ried)en unb 
Homer für bas Cl:|eater Ijatten. Von bem S^ei^e, ben bie Sd^au= 
fpieler auf il^re Kunft u?enbeten, unb ben Belof^nungen, bie il^nen er» 
teilt u>urben." Sed^3et>nter 2lbfd]nitt: „Don ben Pantomimen ober 
ben Sd^aufpielern , u?eld|c, o\:ine 3U reben, fpielten." Siebset^nter 
2Ibfd)nitt: „IDenn bie foftbaren Dorftellungen ber 2llten aufget^ört traben. 
Don ber Dortrefflid^feit il:^rer (Sefänge." ^d^tseE^nter (unb le^ter) 
2Ibfd)nitt: „Betrad?tungen über bie Dorteile unb Unbequemlid^feitcn, 
ipeld^e bei ber fomponierten Deflamation ber 2Ilten gomefen.'' — 

IHan fiel:^t l^ieraus u)ieberum beutlid^, u?ie üielfeitig bie SetE|dti« 
gung n?ar, meld^er fid^ ^effing aud^ in mufifalifdjer ffinfid^t ergab; 
man u>irb bann nid^t allsufel^r pern>unbert fein, n?enn man erfennt, 



— 19 — 



wie aix^evovbentlid} 3utrcffcn&c 3^^^" <^^^ "^ mufifalifd^en Dingen 
öiefcr pieifcitige gro^c IHann in ben 5^if^^^ feines Caofoon un5 feiner 
htambnvq'x\d\Qn Dramaturgie 3U Cage förderte. 



ITI. 

Die t^iev unb fonft erworbenen Kenntniffe Doni IPefen unb ber 
(5efd>id]te ber gried7ifd>en Musike i^iuimi-Ar]) famen Ceffing oortreff* 
Xx&l 3u ftatten, als er feine I:>od^bebeutenbe Stubie über bas £eben feines 
geliebten Sopl^ofles fd>rieb (1760). Sagt ja Ceffing in 'ben einlei« 
tenben lOorten feines „SopEjotles'' gerabesu: ,,5eitbem id> es bebauere, 
btc Did^tfunft bcs ^riftoteles el^er ftubiert 3u Ijaben, als bie IHufter, 
aus n?eld]en er fie abflral^ierte, n>erbe \&i bei beni Hamen 5opt>o!Ies, 
\dci mag il>n finben, u>o \i\ vo'xVi, aufmerffamer als bei meinem eigenen. 
Unb mie oielfältig I:^abe id] il^n mit Porfafe gefud^t! IX>ie Diel Unnü^es 
\:[ah(^ id? feinetn^egen gelefen!" 3" ^^^ ""ii folgenben fritifd7'pl^ilo(0' 
gifd^en Darftellung „oon bem '£i2:h(tx\ bes Did)ters" foUte Ceffing an 
einer Stelle feine pt^ilologifd^^fritifd^e Kraft aud^ in mufifl^iftorifd^cn 
Dingen ben>ät)rcn. XiaAi b(^n Quellen, bie Ceffing l^ier 3u (Sebote 
ftanben, Ijei^t es ücn SopI>ofIes unter 2Inberem: „€r geno§ eine fet>r 
gute (£r3iel^ung. Die Can3Funft unb bie Itlufif lernte er bei bcm 
Camprus, unb brad^te es in biefer (entern, u>ie aud^ im 2^ingen fo 
tDcit, ba)^ er in beiben ben preis ert>ielt.'' Das ift bie (ßrunblage für 
ben 2Ibfd]nitt (E) in biefer Stubie. — 

(£s ift ergöfelid^ 3U felum, mit u>ie glän3enben lüaffen £offing l]ier 
bem Dielgepriefenen IHufifer £amprus 3u t<nbi^ gel^t. Der ungenannte 
gried>ifd)e 23iograpIi, n?ie aud^ ^tE^enäus nennen b<^s Sopl^ofles IHufif' 
Icl^rer: Camprus (<£rfterer freilid] in oerfd^riebener IDeife: Campias). 
Diefer Camprus, u)enigflens ber Hame £amprus 3äE^Ite 3U ben Se« 
rüB^mtI:^eiten unter bcn t^ellenifdien IHufüern, namcntlid) als Cel^rer. 
Cornelius Icepos nennt il^n mit Dämon in einem ^Uem. 5cibriciu5, 
bor Perfaffer ber Bibliotheca Graeca mad^t — u>ie Ceffing bes VOqv 
teren auseinanber fe^t, biefen Camprus gar 3um Seigrer b<^s Sofrates. 
£cffing U)eift naAi, ^o% 5abricius bw betreffenbe Stelle in plato's lue» 
nejenus unmöglid] felbft nad^gefeE^en l^aben fann, bann bort fagt So» 
fvaiQS, ba^ er ,,in ber öerebtfamfeit bie 2(fpafia unb in ber 2TIufif b(in 
Konnus 3um Cel^rmeifter I^abe'' — nnb bah(^x vo'xxb gerabe als ein 
Cypus eines fd]Ied^ten CeE^rers jener Camprus genannt. „IPeit ge* 



— 20 — 

fct^It al\o" — fo fd?Iic§t Cefjing mit Hcd?t — „ba^ Sohates t^icr vor- 
geben folltc, bie IHufif oon bcm SEamprus gelernt 3U l^aben; er ift 
üielmef^r ftol3 darauf, ba§ er fie nxd\t von ifyn gelernt, 5a§ er jte 
von einem beffern IHeifter erft jefet lernt.'' Des IPeiteren u>eift Cefftng 
nadi, ba§ Camprus, als Sohates fo fprad], nid7t met>r gelebt E^aben 
fonnte; benn „Camprus unterrid^tete ben Sopt^ofles üor feinem 16ten 
3ai^re, unb ber £el)rer fonnte leidet 20 2<^^^^ <^^^^^ f^"^ <^^^ ^^^ Sd^üler; 
Sohates war beinal^e 30 2<^fye jünger als Sopf^ofles, unb lernte bie 
IHujtf ßad^vyt]()Mg rjöi] yeyovoyg, a\s er fdjon feE|r alt toar. ZTun laffe 
man it^n nur 50 3al^re gemefen fein, unb red^ne 5ufammen, IHügte 
nid^t £ampru5 beinal^e ein (ßreis von loo 3al^ren gercefen fein, u?enn 
er ben Sofrates in biefem Filter ttod) blatte unterrid^ten fönnen?" — 

3n ben Köpfen ber (ßelel^rten galt Camprus nun einmal als 
(ßattungsbegriff für Confünftler überl^aupt. So gitterte — mas Ceffing 
fd^arf geigelt — IHuretus in einer Stelle ber ^riftotelifd^en politif 
ben Hamen Campros, u>o ber Stagirite lebiglid) bas ^bjeftipum lafingög 
= glänsenb, Mar, rein gebrandet. Die Stelle, im 7. 53ud?e ber politif 
(Cap. XII. ber Tauchnitz - Editio) lautet alfo: „öto xa/ vo^l^ovmv 
ai^'&Qoynot Tp]g evdai^oviug utria ra fxrög eivat tmi/ aya ß^wv, üane^ ii 
TOi mß-u^jiCiiv )^(xfi7T()dp xai xakaig ahiMTO Tfjif kv^at/ fiäkkov rT^g 
Tt^vt^g^^ b. l[e\^t „bie IHenfd^en freilid? meinen, ba^ bie äußeren (ßüter 
bie Urfad^en 3ur (5lücffeligfeit finb, gerabe fo, xx>enn man bas glänsenbe 
unb fdiöne Citi^erfpiel mel^r auf Koften ber Cyra als berKunftfertigfeitfefeen 
u>ottte." — ZTTuretus aber meint, ,,bie5 nämlid^ brüdt 2lriftoleles aus 
»si Lamprus bene cantat, id non lyra sed actificio ipsius effici«, 
b. t^. xoenn Camprus gut fingt, fo u>irb es nid?t burd] bie Cyra, fon= 
bern burd^ bie Kunftfertigfeit beffelben beu)irft". IParum biefe Kon* 
jeftur? IPeil >Lampros« ber Hame eines alten IHufifcrs geu)efen ift. 
£effing fagt mit 2^ed)f: „So finnreid) biefe Deränberung ift, fo über= 
fllüffig ift fie aud^. Denn loarum foU l^ier ka^niQov ber Ztame eines 
ZTTufifers fein?" 2lud] ol^ne bie meitere feine 2luseinanberfe^ung über 
ben Begriff bes IPortes launQog iväte IHuretus PoUftänbig ad ab- 
surdum gefül^rt. £ef|mg erflärt nämlid? nod? fel^r fein alfo: ,,5reilid^, 
\x>enn man Xu^n^jov h}ev blos burd) clare überfe^t, u>ie es fo wolil 
p. Diftorius, als Cambinus tl^ut, fo fd^eint ku^in^ov xid^a^i^ecv mel:jr 
ein IPerf ber (Eitl^er als ber Kunft 3u fein. 2lUein es t^eigt l^ier bas, 
u>as tt>ir im Deutfd^en burd] rein ausbrücfen; unb luiiJtQov xi\^a()iCeiv 
in biefem Sinne rein fpielen, ift nid?t bem 3"f^ii"^^"^<^/ fonbern ber 
funftmägigen Stimmung unb (ßefd?idlid)feit bes (ßriffs bei3umeffen. " 

Qat nun Ceffing 3tpei Stellen namt)aft mad^en fönnen, ,,in bie 
man ben Camprus mel^r l^ineingelegt , als il^n barin gefunben l^at": 
fo befd^eert er uns anbrerfeits 3tpei Stellen, „in weld^en er mirflid? 
ift," ncimlid? aus bem Sd^riftfteller 2(tt^enäus. (Einmal ern?ät^nt er 
bie bereits citierte Stelle aus bem Menexenus bes plato, mit ber 3c* 



— 21 — 

inerfung, bag bort nxdtit nur ^ippias. bcr (£Ier, fonbcrn aud? bcr 
2^cbncr ^Intipl^on unb „ber HTufifer tampros" Dcrfpottct it>irb, £cffing 
taMt nur bic Übertreibung, tt>enn er fagt: „plato fpottet be» Camprus 
ja eben ni'd^t. Denn fpottet man benn gleid> eines Künftlers, roenn 
man fagt, t>a^ ein anberer über ifyx i[t?" ^(tf^enän? fd^eint l^ier boJ? 
^en Porsug 3u r>erbienen: benn jene IDorte in bes Sofraie» Dlunbe 
tragen gans 'ben Con ber Perad]tung, ober n^enigftens ber Deräd^tlid^« 
feit unb (ßeringfd^äfeung. — 2lu5 ber anberen Stelle im 2itiicnäns et- 
fäl^rt man, ba^ Campros ein IPaffertrinfer getüefen fei {id^onTtig), 
ferner, ba^ ber Komöbienbid^ter pl)rvnid?us ein Cuftfpiel perfa^t 
\:[ahe, rt>orin Campros als ^\d\i\e\hü bes IDifees unb Spottes bient; 
bie Kibi^e {hi^ut) beflagen bort feinen Cob. Ceffing oerfid^t fogar 
bie 2Infid]t, X>a^ jenes r>erIorene Stücf felbft bie Kibi^e gel^eigen 
I^aben muffe, 

3nt Sll^renus ber Kibifee auf ben ^oX> bes Camprus befommt 
biefer no(i[ folgenbe epitheta ornantia. Camprus f^eigt „ber mim* 
mernbe (El^arlatan (Qvperfopl)i[t; Ceffing fagte ber !läglid?e Pirtuofe;, 
bas (5erippe ber ZHufen (iiovawi^ (JxekeTog), bas Swbev ber Had^tigallen 
(ttr]dopo)v rinlalog), preisgefang bes i^abes {vfivog adov); Ceffing fagt: 
„bas Klagelieb ber i^ölle, t>enn andi biefe öebeutung, n?ie be« 
fannt, l^at if.ivog"), 

53ei biefer (SelegenE^eit nimmt Ceffing nod^ gegen 2Huretus bie 
ölten 2Tluftfer gegen X>en Portourf in Sd^ufe, Xxx^ fie eine befonbere 
2^eigung 3um Crunfe batten. „VOann aber ZTluretus", füt>rt Ceffing 
aus, „an bem angesogenen 0rte fagt; Hunc Lamprum Athen aeus, 
non sane ex consuetudine musicorum, abstemium fuisse alt 
etc., fo l[ai IHuretus bie geilen fd^änblid^ oeru>ed)felt. ^\n alter (Ei* 
tt^arifte n?ar mel^r ein Cel^rer ber IHäfeigfeit unb Cugenb, als ber 
tlonfunft/' Diefe 3llu[tration 3ur IHufifmoral ift gan3 u>iUfommen: 
aber ^orasens XDort, bas bie ZHufifer vini avidum g-enus nennt, 
ftammt ja bodi aud^ aus alter ^exi, — 

Sd^lie^lid^ ift gegen biefe ganse bem fritifd^en 3ngenium Ceffing s 
alle (£l^re mad^enbe ^useinanberfefeung nur X>as (£ine Dorsubringen, 
X>a^ Ceffing nid^t bebad^t I:^at, aud^ nid^t heX>enUn konnte, '^a'f^ es 
met|rere ZHufifer bes Hamens Campros gegeben I|at, — Campros 
von guter unb fd|led^ter Qualität. Der befte Campros u>ar jeben 
falls ber Cet^rmeifter bes epod^emad^enben IHufifers ^rifto^^enus' 
ber alfo u>eit, gar u>eit Don jenem üon plato, pl^rynid^us unb 2inberen' 
gel^öl^nten Campros entfernt ift, fou>ol^l seitlid?, räumlid^, als aud^ be* 
fonbers geiftig. — 

IPal^rl^af t überrafd^enbe mufif »äftl^etifd^e 3emerfungen begegnen uns 
einmal in ben „Briefen, bie neuefte Citeratur betreffenb". 3^ 
ölften Sriefe Dom 16. ^luguft 1759 fritifiert Ceffing bie oben in Kra = 
mer's „Horbifd^em ^uffel^er" abgebrurfte Klopp ftod'fd^e 0be: „Die 
2(ttgegenu?art (Sottes". Die Quinteffen3 biefer Kritif mag eixoa in biefen 



— 22 — 

gcifircid) tronifd^en VOovten 3U \ixd\en fein: „(5enug, baß niid) eine 
fd"|öne, präd^tige C i r a b e über bie anbere angenel>m unterl^dten l>at; 
genug , ba^ id) mir n>äl)renb bem Cefen feine ^egeifterung mit it>m 
3u teilen gefd^ienen l^abe ; mufe uns benn alles etwas 3U b e n f e n 
geben?" 1>er Sd^luß in biefer rl^vtI^mifdi»formeIIer E^inpd^t burd^aiis 
unregelmäßig gebilbeten 0be mag I:^ier 5ur probe mitgeteilt fein, 
loie folgt: 

„Die ^öl^en rt>erben fid] hixden ! 

Die Ciefen fid] büden! 

IPenn ber ^lUgegentDärtige nun 

IDieber au» Staube 

Unfterblidie fd?afft! 

£iaUeIuja bem Sd^affenbcn! 

Dem Cötenben ^alleluja! 

QaUeluja bem Sd^affenben ! " 

llnb nun t)öre man, wie Ceffing im ^Infd-jluß ^avan berartige 
freie JTletra gerabe als für bie mufifalifd?e Kompofition be» 
fonbers geeignet anempfielilt — alles freilid] in ergöfelid>fter 3i^onie. — 
„2lber iDas fagen Sie 5U ber Dersart?" — ruft £ef)ing aus — „n?cnit 
xdi es anbers eine Dersart nennen barf ? Venn eigentlid) ift es u>eiter 
nid)ts als eine fünftlid^e profa, in alle Keinen (Teile il^rer periobert 
aufgeloft, beren jeben man als einen ein5elnen Pers eines befonberefi 
Svlbcnmaßes betrad]ten fann. Sollte es ir>olil nid^t ratfam 
fein, 5ur mufif alifd?en Kompofition beftimmte (Sebid^te 
in biefem profaifd]en S^lbenma^e absuf äffen? Sie u>if)eii 
ja, wie weniq es bem IHufifus überl^aupt l^ilft, ^a% ber Did^ler ein 
iPol^lUingenbes Zllelrum gea-)äl>lt, unb alle 5d? mierigfeiten beffelben 
f orgfällig unb glü(flid7 überu)unben l^ai. ®ft ift es il^m fogar l^inber* 
lid\, nnb er muß, um 5U feinem Swede 3U gelangen, bie Harmonie 
tt)ieber serftören, bie bem Did^ter fo unfäglid^e TXlüiie gemad)t l^at. 
Va alfo ber profaifd^e IDol^lflang entn?eber oon bem mufifalifd>en 
t)erfd)lungen mirb, ober a?ol]l gar burd] ^ie CoUifion leibet unb VOoliU 
flang 3U fein aufl^ört; u?äre es nid^t beffer, ^a% ber Did^ter 
überl>aupt für t>en 2Tlufifus in gar feinem Sylbenma^e 
fd^riebe, uitb eine2Irbeit*gän3lid] unterließe, bieil^m 
biefer bod] niemals banft?" — Der äftlietifd^e Beurteiler mu§ 
Ceffing für berartige Don tieffter €infiwi]t in bas IPefen ber mufifalifd^en 
Ciebfompofition 3eugenbe ^usfprüd^e befonbere Beu)unberung sollen. 
lOie mürbe Ceffing erft geeifert l^aben, menn er bas (Sebal^ren unferer 
meiften neuen Cieberfomponiften u>al]rnäl]me, bie t>en nodi fo n?ol^lge« 
orbneten ^Hetren il>rer lyrifd^en Did)ter bie unglaubüd^fte Hefpeftlofig« 
feit entgegentragen. Sinb bod] felbft bie mal^rl^aft großen, llaffifd^en 
lieberfomponiften nid)t gan3 oon biefem Unbanf gegen bas il^nen oor* 
liegenbe poetifd^e ZHetrum frei3ufpred>en. — 3d? l<^"" i^^^^ "^^^1^ 



— 23 — 

cTitE^altcn, E^icr einige 5äfee aus einer früE^eren, fel^r ausfüEirlid^en 5lr- 
beit über liefen (ßegenftanb, nämlid) aus meinen: „Betraditungen 
über bie Deflamation bei €ieb!ompofitionen" (3" ^^^ 
„Heuen Berliner 2T{ufif5eitung" 1877 unb 1878) aitsufüljren. Vas f:>ier* 
bei obmaltenbe Karbittalgefefe glaubte idi alfo formulieren 3U bürfen: 
„Die poetifd?*Iange Silbe m\x% mufifalifd) ftets auf t)en 
befferen (b. l^, betonteren) Caf tteil fallen, als bie bcnac^= 
battc furseSilbe, ober verallgemeinert: €ine jebe lange XPort* 
filbe mu§ burd? bas 2T{ebium ber ZHufi! eine fräftiger betonte 
Stelle erl^alten, als bie benad^barte furse XPortfilbe. 3" IPirfIid?feit 
giebt es üon biefer Hegel feine redeten 2lusnal^men, mol^l aber 
fd] ein bare. IDer biefe Harbin almarime orbentlid] begreift, ber l^at 
bantit ^en ärd^imebifd^en Stüfepunft gefunben, üon bem aus er alle 
inöglid)en Deflamationsformen geiftig bel^errfd)en fann, [ei es nun, 
ba% er es mit jambifd^eii {^ ' ), trod)äifd]en ( • ^), anapäftifd^en 
(^>^-'-), fponbeifd^en (-'_-'-), baftylifd^en (i-^^), moloffifd>en 
( ' _ -1 ), ampl^ibrad?ifd]en {.^ ^ ^) ober nod] anberen metriJAen 
Persfügen 3u tl^un l>at. 5^rner: Der Komponift fann rl^vtbmifd^ 
fo oielfeitig, fo mannigfad) als irgenb benfbar auftreten: immer 
mug ^as poetifd^e ZTTetrum erfennbar bleiben, ftets fogar mit einer 
fold^eit Klarl^eit, ^a% ber rl^vtl^mi|d) lefenbe ilTenfd] aus bem Ce^t* 
gefange ber Kontpofition allein ^as jen^eilige ZHetrum bes (ßebid^tes 
cbenfo fidier erf äffen fann, als wenn er bie Did^tung felbft Dor ^u= 
geit l^at. — ferner tiod] biefe (£rn?eiterung bes Karbinalgefe^cs : Die 
furse IDortfilbe foll im TTiufifalifd^en Kunftliebe im ^ülgemeinen feinen 
größeren Hotenmert barftellen^ als ilire burd? feine paufe getrennte 
lange Had)barfilbe , n^eber in Doru>ärts= nod? in rücfu)ärtsgel^enber 
Äid^tung. — Unb enblid] ^en Sd^lußgebanfen : 5i*^ilid) mirb ^ie IHufif^ 
berrlid^feit als fold^e audi im Ciebe imnter bie £^auptfad]e bleiben, 
allein wer es trofe feines mufifalifd^en 3"9^^i^"^^ ^^^^ bal)in briiigt, 
bie Dolle -Harmonie smifd^en bem mufifalifd]en unb poetifd^en Hl^ytl)* 
mus 3ur finnoollen (frfd^einung 3U bringen, ber n?irb n?enigftens auf 
^as präbifat eines Dollfommen burd^bilbeten Künftlers oersid^ten muffen. 
IPie felir andi burd) bie Eigenart bes poefie*2Tüetrums bie pl^antafie 
bes fd?affenben 2Tlufifers befd^ränft bleiben mug: feine 2T{eifterfd^aft 
fann er erft red^t baburd? . bemäliren, ba^ er trofe biefer naturnotn^en* 
bigen Sd^ranfen bennod) feine fd^öpferifd^e 5reil7eit betl]ätigt. Per 
asper a ad astral — 

3nbem xdi nun mieber su jenem benftt)ürbigen Ceffing'fd^en £ite* 
raturbriefe jurücff el)re , fei nod? l^erDorgel^oben^ ^a^ unfer ilutor nun 
andt im Perlaufe in gleid^er 3i^oni^ ^i^ formlofen Dramatifer geigelt, 
nämlid]: „3a, xdi rooUte nod) meiter gelten, unb biefe freie Persart 
fogar für bas' Drama empfel^len. IDir liaben angefangen, Crauer* 
fpiele in profa 3u fd^reiben, unb es finb oiel Cefer fel^r unsufrieben 
bamit geu)efe]i, ba^ man andi biefe (ßattung ber eigentlid^en poefie ^a» 



— 24 — 

burd) etitrd^en 311 rpoUcn fd^cint. Dicfe ipürben fid^ otcllcid^t mit 
einem fold^cn Quaf 1-211 etr um befriedigen laffen; befonbers, loenu man 
iE^nen ^agte, ba§ 5. €. bie Derfe bes plautus nid]t oiel gebmibcner 
n?ären. Der Scribent felbft beE^ielte babei in ber Cl)at alle 5r'?il^<^it, 
bie il^m in ber profa 3u ftatten fommt, uiib tpürbe bloß ^(nlajg finben, 
feiiie perioben befto [ymmetrifdier unb rpoi)iningenber 5U mad^en. XX!^ie 
üiel Dorteile and} ber Sd^aufpieler baraus sieE^en fönnte, tpill id) jefet 
gar ]tid?t ertPäE^tten, wenn fid^ nämlid) ber Did^ter bei ber Abteilung 
biefer freien geilen nadi 'Öen Hegeln ber Deflamation rid^tete, unb jebe 
geile [0 lang ober fürs mad^te, als jeiter jebesmal oiel ober n?enig 
XDorte itt eitiem ^tem sufamnien ausfpred^en müßte 2c." — 



IV. 

Befonbers reid)lid] unb fein fliegen bie muftfäftli etif d^en Quellen 
in Ceffings „l^amburgifd^er Dramaturgie", l^ier tritt bie lei= 
tenbe 3^^^ fonnenl^ell 3U Cage, monadi bie 2Tiufif ftets im gufammen» 
I^ange ober in ihrer IDed]felit>ir!ung mit ber 5d)U)efter!unft poefie 
betrad)tet w'xtb, (£s ift biefes jebenfalls ber I:>eUenifd7e (ßrunbsug in 
€effing*5 ntufifäftlietifd^em €mp^nben: benn bie (Svkdien jan'^cn ja 
erjit im gufammenrpirfen von poefie unb Confunft, ja erft aller mu* 
fifd^en Künfte bie eigentlid^e Musike (uovmxt]): 

(Sleid) im 8. 5tücfe ber Dramaturgie, r>om 26. 2Tüai 1767, worin 
bie Melanide Don Nivelle de la Chaussee bel^anbelt u?irb, rpeiß fid? 
Ceffing bei Beurteilung ber ZHabame £ön?en, ber Dertreterin ber Citel» 
rolle, nid^t beffer ju l^elfen, als baß er bie ZHufif I7erbei3iei)t, um 
bar3utl7un, worin bie Dor3Üge uttb tt)orin bie Sd\ranfen in ber Defla« 
mation biefer üortrefflid^en Sd^aufpielerin liegen. — 3^? f^fe^ 3unäd7ft 
bie gan3e l^od^bebeutfame Stelle l^er. „2T{abame £öwen'' — l^eißt es 
^a — „üerbinbet mit bem filbernen Cone ber fonorften lieblid)ften 
Stimme, mit bem offenften, rui^igften unb gleid]U)ol^l ausbrucffäl^igften 
(ßefid^te doti ber tOeii bas feinfte, fd^nellfte (Sefül^l, bie fid^erfte, wärmste 
<£mpfinbung, bie fid^, ^war nidtt immer fo lebl^aft, als es oiele n?ün= 
\dien, bod) alle3eit mit 2lnftanb unb XPürbe äußert. 3" ^k^^ Defla* 
mation accentuiert fie rid^tig, aber tiid^t merflid^. Der gän3lid)e 2Tüangel 
intenfioer ^ccente oerurfad^t ZHonotonie ; aber ofyie iE^r biefe üormerfeii 
3U fönnen, wei^ fie bem fparfamern (5ebrand\e berfelben burd? eine an- 
dere 5dnE7eit 3U fjilfe 3U fommeit, Don ber, leiber! feE^r oiele ^cteurs 



— 25 — 

qan^ uiib gar nxd\t5 n?iffcn. 3^ w?iü "li^ erüärcn. 2Tüan wei^, was 
in bcr 2TTufif bos 2T(oud cmcnt E^cigt; nid^t ber Caft, foitbcrn ber 
<ßrab ber Cangfantfeit ober 5d7ncIIigfcit, mit wcldiem ber Caft gcfpiclt 
ipirb, Dicfcs 2T{ouDement ift burd) bas ganse Stücf einförmig ; in bcm 
nämlid^cn Vfla^c bcr (Sefd^u>inbig!eit , in rr>c(d)cm bie erftc (Eafte gc= 
fpielt morbcn, muffen fie alle, bis 5U t>m legten, gefpielt rr>erben. 
"Diefe €införmigfeit ift in ber 2T(ufif notmenbig, rt>eil (Ein Stücf 
nur einerlei ausbrücfen fann, unb ol^ne biefelbe gar feine 
Perbinbung oerfd^iebener 3nftrumente iinb Stimmen möglid^ feitt lüürbe. 
ZTlit ber 1>efIamation l^iitgegen ift es gans anbers. IPenn ir>ir einen 
periobeit von meE^reren (Sliebeni als ein befonberes mufifalifdies Stücf 
annel:^men, uitb bie (5lieber als bie Cafte besfelben betrad^ten, \o ntüffen 
biefe (5lieber, aud) aisbann, tpenn fie DoUfommen gleid^er Cänge mären, 
unb aus ber nämlid7eii ^(nsal^l von Silben bes nämlid^en S^iUna^es 
beftänben, beitnod? nie nüt einerlei (ßefd>u>inbigfeit gefproct^en werben. 
Denn ba fie, meber in ^bfid^t auf bie Deutlid^feit unb bcn IXad^brucf, 
nod? in Hücffid^t auf bcn in bcn gansen perioben l)errfd>enben 2lffeft, 
r>on einerlei XPert unb Belang fein f önnen : fo ift es ber Hatur gemäg, 
baß bie Stimme bie geringfügigereii fd^nell t^erausftößt , flüd^tig unb 
nad^läffig barüber l^infd^lüpf t ; auf bcn beträd^tlid^eren aber oermeilt, fie 
bel:int unb fd^leift unb jebes IDort, unb in jebem Wort jc^en Bud]« 
^taben uns susäl^let. Die (ßrabe biefer Derfd^iebenlieit ftnb uneitblid^; 
nnb ob fie fict^ \dion burd) feine fünftlid^en ^^itteild^en beftimmen unb 
gegen einanber abmeffen laffeii, [o iperben fie bod? aud^ von bem un« 
gelei)rteften ®t^re unterfd^iebeii , fo u>ie Don ber ungelelirteften ^iiitge 
beobad^tet, menn bie Hebe aus einem burd^brungeiten fjer5e]t, unb nid]t 
blos aus einem fertigeti (ßebäd^tniffe fliefit. Die IDirfung ift unglaub== 
lid^, bie biefes beftänbig abir>ed]felnbe ^TlouDement ber Stimme liat; 
unb werben üoUenbs bie ^Ibänberungen bes Cones, nid^t blos in ^n= 
fei)ung ber f^öl^e mtb Ciefe, ber Stärfe nnb Sd^mäd^e, fonbent aud^ 
bes 2^aul:^en nnb Sanften, bes Sd^neibenben unb i^mtben, fogar bes 
Bolprid^ten unb (5 efd^m eibigen, an ben reci^teii Stellen, bamit oerbun- 
ben: fo entftel^t jeite natürlid^e ZHufif, gegen bie fid] unfelilbar unfer 
I^ers eröffnet, meil es empfinbet, bag fie aus bem fjersen entfpringt, 
unb bie Kunft nur infofern bavan 2lnteil l^at, als andi bie Kunft sur 
rtatur werben fann. Unb in biefer 2Tluftf, fage idi, ift bie 2lctrice, 
von weld^er idi fpred^e, gans üortrefflid? unb ibj niemanb 3U oerglei« 
dien, als fjerr (gcfl^off." - — — 

So 5utreffenb biefe parallele and\ im (ßaitsett ift: fo wirb fie fid^ 
vom Stanbpmifte ber l^eutigen ZHufif bod] mand^erl^i IHobificationen 
gefallen laffen müffeit. Seiläufig bemerft, ift uns für bas, was Ceffing 
bas ItTouDement nennt, feit langen 5<^iten ber 2(usbrucf >Tempo« 
((gcitmag) geläufig. Wenn Cefftitg bann bas Einerlei bes Cempo's 
bamit 3U ftüfeen oermeint, weil in ber ZHuftf „ei-n Stücf nur einer» 
lei ausbrücfen fann," fo mag bas für eine g^it allenfalls (Sei* 



— 26 — 

tung bcl^altcn, in bcr man von ncixen Conreid^en eines -Öf a y 5 n , 7X1 o- 
Sart unb ^cetE^oDen nod] feine ^{^nung Viaben fonnte; allenfalls 
begann 6er (5enius ^aybn^s bereits [eine Sd^rringen ju regen; fein 
5lügelfdflag rpar aber um jene geit jebenfalls nod\ nid>t bis 3um 
^ersett bes l^antburgifd]en Dramaturgen gedrungen. Denn burd^ il^n 
unb in ftets l^öl^erer potens 5urd^ feine (ßeiftes = Had^f olger follte es 
aller IDelt offenfunbig merben, ba^ ein Stnd nid\t nur einerlei, fon= 
bern eine ganse 5cala ntannigfad^fter (£mpfinbungen unb Stimmungen 
aussubrücfen vermöge. Unb bamit l^ängt es benn 5ufammen, ba^ aud\ 
bas (Einerlei bes Cempo's (^IToup^ient's) beträd^tlid^e (£infdirän!ung 
erfal^ren mu^te, o\:inc ba^ man (5efal^r 5u laufen brandete, in bk leibige 
Unmanier bes »Tempo rubato« 3u perfallen. Pielmel^r \:iat es nad] unb 
nadi im Zeitalter ber flaffifd^en 3"f*i^ii"^<^^^^I"iiifi^/ fon^ol^l im Solofpiel 
ober (ßefang, als aud? im Quartett* unb 0rd]efterfpiel ber Conangeber 
xoolil oerftel^en lernen, wo er bas ganse ^eitmag — fo oft es bas geän* 
berte Stintmungsbilb ber Seele verlangte — ftrecfenn^eife anbers fd^alten 
nnb walten lieg, als es bem (ßrunbd^arafter bes betreffenben Stücfes 
entfprid^t. — So fann fid) ber pulsfd-jlag bes ijersens audi in ein 
unb bemfelben Conftücfe burd) bcn (ßeift unb bie (ßefd^icflid^feit bes 
birigierenben Künftlers immerl^in ntannigfad? genug fül^lbar ntad>en, 
fo ba^ andi l^ier ber freilid] nid]t fo bebenflid^en ZTTonotonie bes 
ZTIouDements (Centpo's) wolcii begegnet u)erben fann. 2Inbererfeits 
forgt ja aud^ bie 2lusbrud5fülle uiiferer neuen Confprad^e bafür, bag 
aud^ in fleinen, felbft allerfleinften partieen eines Stndes 2lbänberungen 
bes ZTTouDements (^eitmages) ben^erfftelligt n?erben. — 

€ingel^enb fd^eint fid) Ceffing mit bem XPefen ber S^^\^^^' 
aftsmufif befd]äftigt su l^aben. Dafür sengen bas 26fte unb 27fte 
Stücf ber f^amburgifd^en Dramaturgie. — Ceffing Iiulbigt l)ierbei ber 
^Infd-jauung , ba^ bas 0rd]efter in ber bramatifd^en Kunft geu)iffer= 
maßen bie 2^olle bes Cliores in ber antifen Cragöbie su übernel^men 
l^abe. — Die l^ol^e Bebeutung ber <5u)ifd]en aftsmufif n?irb bamit toie 
mit einem S^wberfd^lage geseid^net. Die naiveren ilusfül^rungen über 
biefe 2T(iffion ber ZHufif mad^t Ceffing nid^t burd] fid^ felbft, fonbern 
an bev ^anb bes seitgenöffifd^en Confünftlers Sd^eibe, ber biefe 2ln= 
gelegenl^eit ebenfo neu als begeifterungsüoll bel^anbelt [[ai, 

3ol^. ^bolpl^ Sd^eibe, ein befonbers als Cl^eoretifer bebeu= 
tenber ZHufifer, wnvbe im 2<^hive 1708 3U Ceipsig geboren; ftubierte, 
obu>ol^l t>on Kinbl^eit an in ber 2]Tufif ersogen, bodi erft 3wrispruben5, 
el^e er fid] ganj ber ZHufif mibntete. fiinffugreid? würbe er namentliä) 
buxd] feine n?öd^entlid) erfd^einenbe «geitfd^rift »Miisicus criticns«, auf 
bie fid] Ceffing ebenbort in ber Dramaturgie besiel^t. Der „fritifd^e 
mufifer" erfd^ien in i^amburg (1737 — 1738) unb 1743, als Sd^eibe Ha' 
pellmeifter in Kopenl^agen war, in neuer Bearbeitung. 3" feinen mel^r 
als 68 Stücfeii bes »Mu-sicus criticus« I^at Sd^eibe bie mannigfadi = 



— 27 — 

ftcn mufifäftl^ctifd^cn Probleme gciftrcid? unb eigenartig bel^anbelt, Dieles 
gefel:|en unb erfannt, was bie nad^folgenben (ßro^meifter ber Confunft 
in lebensvolle IDal^rt^eit umfefeten. — Von [einem auf 4 Sänbe bered?* 
neten Wcvfe „über bie mufifalifd^e Kompofition '' erfd^ien nur ein Ceil 
im 3al^re 1773. Sd^eibe ftarb 5U Kopenl^agen im 2lpril 1776, lebte alfo 
uodi, als Ceffing il^m in feiner Dramaturgie ein bleibenbes Denfmal 
ftiftete. 

Da Sd^eibe s 3^^^" über bas XPefen ber 0ut>erturen unb Svoijdien- 
aftsmufif an unb für fid) trejflid] ftnb, meil fte ferner von Ceffing 3u 
beffen geiftigem €igentume gemad^t tt)erben: barf es iiid^t überflüffig 
erfd^einen, toenn I^ier Einiges bapon fritifd] mitgeteilt u)irb. Sd^eibe 
n?ar übrigens nid^t eiu 2TCann, ber nur Cl^eorien aufftellte, ol^ne beren 
Hufeann?enbung su mad]en; oielmeE^r mad^te er n?ol^lauf genommene 
proben, inbem er in feinem Sinne bie 2T(ufif 3u polyencte t>on 
Corneille unb 3U ZHitl^ribates Don Racine komponierte. -- 5ür 
Ceffing ift eine abermalige ^uffüi^rung ber Voltaire'fd^en Semiramis 
ber Einlaß, (Sebanfen über 5o?ifd?enaftsmuft! porsutragen. „2(üe Sym» 
pi^onieen" — fagt bort Sd-jeibe — „b'w 3u einem Sd^aufpielc ver- 
fertigt merben, follen fid^ auf t>en 3"^^^^ ^^^ ^i^ Sefd^affenl^eit bes* 
felben be3iel:^en. fis get^ören alfo 3u ^en Crauerfpielen eine anbere 
2lrt Don SytnpE^onieen , als 3u ben Cuftfpielen. So oerfd^ieben bie 
^ragobien unb Komöbien unter fid^ felbft finb, fo Derfd]ieben mu§ andi 
bie ba3u gel^örige Zdnfxf fein. 3nsbefonbere aber ^at man aud\ n?egen 
ber t>erfd>iebene]i 2lbteilungen ber 2TIuftf in ^en Sd^aufpielen auf bie 
Befd^affenljeit ber Stellen, 3u n^eld^en eine jebe ^Ibteilung gel^ört, 3u 
feigen. Datier mu^ bie 2lnf angsfympl^onie fid? auf ben 
erften 2Iuf3ug bes Stücfs be3iel^en; (?!?) bie Sympl^onieen 
aber, bie 3tt>ifd^en ben ^uf3Ügen Dorfommen, müffeit teils mit bem 
Sd^luffe bes Dorl^ergel^enben 2luf3ugs, teils aber mit bem ^Infange bes 
folgenben 2luf3ugs übereinfommen ; fomie bie lefete Sympl^oitie bem 
Sd^Iuffe bes legten ^uf3ugs gentä^ fein mufe." — 

€in bei Sd^eibe öfter Dorfommenber (ßebanfe, t>a^ bie 2lnfangs= 
fyntpl^onie — alfo bas, mas it)ir I^eute gemeinl^in >Ouverture« nennen 
— fid^ nur auf ^cn erften 2itt ^es Dramas 3u be3iel^en l\abe, ift 
ebenfo von ber muftfalifd>en präzis als and] t>on ber ^lefti^etif längft 
über Sorb geuporfen. Pielmel^r entfprid]t es — namentlid) nad> bem 
leud^tenben Porbilbe Beetl^ooen's — bem XPefen ber artiger 0uoer- 
turen, ^a^ fte fo foncis wie möglid) ben (Sefamtgel^alt bes jen?eiligen 
Dramas*s mufifalifd) tt)ieberfpiegeln, unb ba mad^t es fid? fogar nod^ 
fel^r fd^ön, wenn bie Sdilugfympl^onie mit bem Sd^luffe ber (Dnvevtnve 
3ufammenfällt. — Übrigens gerät I^ier Sd^eibe mit fid^ felbft in XPiber* 
fprud?, inbem er in berfelben 2lbl^anblung fpäterl^in burd^aus 3utreffenb 
bemerft: „Die ^Infangsfympl^onie mug fid^ auf bas gan3e Stücf be- 
3iel^en." — — 



— 28 — 

'Bead\tensxoett er\d\e\nt in 'Be^nq barauf aud\ eine SteVie äus- 
sern Ceffingrperfe von Van^el'<5n)citauev , worin Ccfetcrcr einmal 
fagt (11. V>ant), €rfte Abteilung p. 155): „Von bem Hl^ytl^mus ber 
IDorte 5iir 2T( u f i f ift nur ein 5d7ritt. Weld\e IPirfungen Ccfjtng von 
ilivev Dcrbinbung mit ber pocfic, mit bcfonberer ^inftd^t auf bas mo* 
berne Cl^catcr ftd] vev^pvod\en, ift oben, in bem Kapitel über Caofoon, 
bereits beiüt^rt morben. ^Xlles n?a5 5ur i)erDolIfommnung bes Cl^ea* 
ters im qan^en Umfange bienen fonnte, 50g Ceffing in ben Kreis feiner 
3etrad]tung. Die 2Tüujtf, weld>e feitbem in eine gans neue 2lexa ein» 
getreten, E^at bennod) jene Derbinbung 3rr>ifd]en il>r unb ber poefie^. 
voeidie Ceffing im 21uge I^atte, nur feiten gepflegt, unb ZHeifter, roie 
Beet l-^o Pen unb 5^1if 2T(enbe(sfol]n ftel^en in biefer fjinfi d)t 
Siemlid? einfam." — 

Wir feE^ren 5U Sd^ei^^ in Ceffmgs Dramaturgie 5urücf. „2lIIe 
Sympl^onieen 3U Crauerfpielen" — t^eijgt es bort ipeiter — „muffen 
präd^tig, feurig, unb geiftreid) gefefet fein, 3"fonberl^eit aber hiat man 
ben Cl^arafter ber i^auptperfonen unb ben Hauptinhalt 5U bemerfen, 
nnb banad] feine firfinbung einsurid^ten. Dicfes ift oon feiner gemeinen 
5olge. IDir finbeit Cragöbien, ba halb biefe, balb jene Cugeitb eines 
fjelben ober einer f^elbin ber Stoff geu)efen ift. 2Han l^alte einmal 
ben polyeuct gegen ben 23rutus, ober auA> bie ^llsire gegen ben ITii- 
tl^ribat; fo wirb man gleid^ \^^^n, ba^ fid] feinestt)egs einerlei 2T(ufif 
basu fd^icft. (£in Crauerfpiel, in ipeld^em bie Religion unb (Sottes- 
furd]t ben f^elben ober bie ^elbin in allen Zufällen begleiten, erfor- 
bert aud^ fold^e Sympl^onieen , bie geu)iffermaßen bas präd^tige unb 
€rnftl^afte ber Kirdienmuftf beu^eifen. Wenn aber bie (ßrofemut, 
bie Capferfeit ober bie Stanbl^aftigfeit in allerlei Unglücfsfällen int 
Crauerfpiele Iicrrfd^en ; fo mug andi bie ZTÜufif weit feuriger unb leb- 
I^after feitt." — 

f^ier ift nur eines 3U erinnern. IDenn Sd^eibe fagt, „alle 5ym= 
pl^onieen 3U (Trauer fpielen muffen präd7tig, feurig unb geiftreidi 
gefegt fein" — fo finb bamit mit nid^ten bie unterfd]eibenben ZTTerf» 
male für bas Cragifd^e angegeben: benn aud] alle ed^ten Komöbien 
muffen „feurig, geiftreid^ unb präd>tig" feilt, u)äl^renb bas burd7gängig 
firnfte, Duftere, Craueroolle ben Cragobieen allein porbel^alten bleibt. 
Keffer ift es, was Sd^eibe barnad] Don ben Komöbienfympl^onieen per* 
langt, inbem er fagt: „<£benfo muffen bie Komöbienfympl^onieen über» 
l^aupt frei, flie^enb unb 3uipeiien aud? fd7cr3l]aft fein, insbefonbere aber 
fid) nad7 bem eigentümlid'jon 3»iJ]<iite einer jeben Komöbie rid^ten." 

(£twas naiv, felbft erl^eiternb, n>ir!t folgenbe bramatifd^ciftl^etifd^e 
5orberung: „Die Sympl^onicen 3u?ifd]en ben ^luf3Ügcn aber, ipeil fie 
fid] nad^ bem 5d]luffe bcs Dorliergel^enben ^luf^uges unb nad\ bem 2hv 
fange bes folgenben rid^ten foUen, u)erbcn am natürlid-jften 3irei 5ä^e 
l^abeit fönnen. 3^^ crften !ann man mel^r auf bas Porl^ergangene, 



— 29 — 

im ^weiten abet mel^r auf bas Solvente [cl^cn. Vodi ift fold^es nur 
allein nötig, wenn bic Ti^dten cinanber allsufcl^r entgegen fmb; fonft 
fann man aud] tt>ol^l nur einen Sai^ mad^en, wenn er nur bie ge* 
I^örige £änge erE^ält, bamit bie Bebürfniffe ber Dorfteilung, als Cid^t* 
pufeen, Umfleiben u. f. u>. inbe§ beforgt werben fönnen." (!) Dagegen 
ift, bas, n^as über bie Sd^Iu^fympE^onie gefagt u)trb, ebenfo rid]* 
tig, als felbftDerftänblid), nämlid?: „Die Sd^IugfympF^onie enbUd) muß 
mit bcm Scbluffe bes 5d]aufpiels auf ^as genauefte übereinftimmen^ 
um bie Gegebenheit ben S^\\d\anevn befto nad^brüdlid^er 3U mad^en. 
IDas ift Iäd]erlid>er , als u>enn ber fyl^ auf eine unglücflid^e XPeife 
fein Ceben verloren I^at unb es folgt eine luftige unb (ebl^afte Sym- 
pt^onie bar auf? Un^ was ift abgefd^macftcr , als n?enn fid) bie Ko* 
möbie auf eine fröl^lid?e 2(rt enbigt, unb es folgt eine traurige unb 
beweqiidtie Sympt^onie barauf?" — 

Had^bem Ceffing biefe nnO nod? tr>eitere Hegeln Sd^eibe's über 
t>ie <§tt)i[d7enaftsmuft! citiert \:iat, befd^eert er uns erft geu)iffe, baraus 
gesogene mufif^äftl^etifd^e Sd^lufefolgerungen. Cefftng belel^rt uns nun 
alfo: „Diefes finb bie mid^tigftcn Hegeln, um aud] tyet bie Confunft 
unb poefie in eine genauere Derbinbung 5u bringeii, 3^ k<^^^ P^ 
lieber mit t)en IDorten eines Confünftlers , uiib ^wav besjenigen oor« 
tragen woüen, ber fid) bie (£I]re ber CErftnbung anmaßen !ann, als mit 
meinen. Denn bie Did^ter unb Kunftrid^ter befommen nid^t feiten 
Don ben XHuficis ben Pormurf , ba^ fie weit meEjr von ify^en ermar« 
ten unb verlangen, als bie Kunft 3U leiften im jlanbe fei. Die meB|r« 
ften muffen es Don il|ren Kunftoermanbten erft I|ören, ba^ bie Sadie 3U 
beiperfftelligen ift, el)e fie bie geringfte 2lufmer!famfeit barauf u?enben. 

„S^<^^ ^iß Hegeln felbft u>aren leidet 5U madjen; fie leEjren uns 
iras gefdjei^en foü, oI:|ne 5U fagen, n?ie es gefd^eEjen fann. Der 2(us* 
brucf ber Ceibenfd^aften , auf meldten alles anfommt, ift nod) einsig 
bas XDerf bes (ßenies. Denn, ob es fd)on Confünftler giebt unb ge«« 
gegeben, bie bis 3ur 53ett>unberung barin glüdlid? finb, fo mangelt 
es bod? unftreitig nod? an einem pl^ilofopl^en, ber ify\en bie Wege 
abgelernt unb allgemeine (ßrunbfdfee aus il^ren 3eifpielen I)ergeleitet 
I:^ätte. ^ber je B|äuftger biefe 3eifpiele u>erben, je meB|r [xdi bie 2Ha* 
terialien 3U biefer Verleitung fammeln, befto eli^er fönnen wir fie uns 
oerfpredjen; unb idt müfete midj fet^r irren, n?enn nid^t ein großer 
5d7ritt ba3u burd) bie 23eeiferung ber Confünfller 3U bergleid^en bra* 
matifd^en Sympl^onieen gefd^el^en fönjite." — 

Ceffing ben?eift uns bann unmittelbar barauf, ba% er in 5ad\en 
ber mufifalifd^en ^usbrucfsfäl)igfeit ben großen Unterfd^ieb in ber 
5d7U)ierigfeit u?oM mürbigt, ber I)ierbei smifd^en Pofal» unb 3nftru* 
mentalmufif beftel^t, nämlid?, bag es unenblid? \d\wevev ift, burd? reine 
3nftrumentalmufif bramatifd)es ^eben por 2Iugen 3U fül^ren, als mit 
^ülfe eines 3U (ßruube liegenben Zeltes. Ceffing brüdt fid? I)ierbei 



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CAMBRIDGE 38, MASS. 



— 30 — 

^ödtt^t emjtd^tsDoII alfo aus: „3" ^^^ Dofalmujtf IjUft bet Cejt 5cm 
2lu5bru(J allsufßlir nadi; ^^^ fd^iüädjfte uub fdjtpanfcnöfte toirö burd? 
t)ic IPorte bcftimmt unb oerftärft, in 5er 3nftrumen talmufif l^in* 
gegen fällt btefe ^ilfe weq ixnb fie fagt gar nidits, wenn fte öas, 
voas jte fagen toitt, nicf^t red^tfcf^affen fagt Der Künftler loirb 
alfo l?ier feine äu^erfte Stätte anwenden muffen; er 
toirb unter ben oerfdjiebenen folgen von ^önen, bie eine fimpfinbung 
ausbrücfen fönnen, nur immer biejenigen ausmät^Ien, bie fie am beut» 
Iid?ften ausbrühen; wxv toerben biefe öfter t)ören, tt>ir coerben fie mit 
einanber öfter oergteid^en , unb burdj bie 3emerfung beffen, was fie 
beftänbig gemeiti liaben, unter bas (SeEjeimnis bes ^(usbrudP^ fommen." 
Ztac^bem bann Cef fing in biefem Sinne als mufterl^afte öeifpiele bie 
Kompofitionen von Qertel ju Cronegfs „0lint unb 5opl?ronia" ixnb 
Don 2(gricoIa 3U Doltaire^s „Semiramis" angefül^rt ^at, fdjicft er 
fid? an, 2(gricoIa's ^Tlufi! eingel^enb 3U analyfieren. 



V. 

3tit fiebenunbstoansigften 5tücfe ber Qamburgifd^en Dramaturgie 
(Dom 31. ^nlx 1767) unternimmt nun alfo Ceffing, bem felbft feine 
grünblid^ften , oeret^rungsooüften Beurteiler ade orbentIid)e 5acf?!eniit* 
nis in mufüalifcf^en Dingen abfpredjen möd^ten, ben benfu>ürbigen 
Perfud?, 2JgricoIa^s gu>ifd)ena!tsmufif 5ur Poltaire'fd^en Sermiramis 
bes Halberen 3U c^arafterifieren. 

Der l\xev genannte Berliner Komponift 3oB). 5tiebr. ^gricola 
lebte von 1720 bis 1774. 2lud? Tiqvicola, wk fo piele anbere naml^afte 
Confünftler, u>ar erft für bas juriftifd^e S<^di beftimmt. 2lber in Ceip5ig, 
iDoI^in er 1738 Stubierens l?alber l)infam, lernte er ben großen Cljomas- 
cantor 30I7. Seh, 'Sadi fennen, warb beffen 5d)üler — im Klaoier- 
unb ©rgelfpiel — unb fo tonnte es nxd\t fel^Ien, ba^ andi l?ier (5öttin 
Sll^emis ber 2TTufe poIvt)vmnia weidien mu§te. 1741 fam 2lgricoIa 
nad\ Berlin, xvo er großen Hut)m afs 0rgelmeifter errang; sel^n ^a\:ive 
barauf ernannte it)n ^n^brid^ ber (ßroße 5um fönigl. f^offomponiften 
mxb 1759, nadj (ßraun's Cobe, 3um Direftor ber föniglidjen Kapelle; 
jebod? ert^ielt er nie ben Citel eines föniglid^en Kapellmeijlters. (Db- 
wolil er Diel componierte, als ®pern, ©ratorien, Cieber, 3"f*J^wmental« 
mufü, fo oerbanft er eine n ad) t^altigere töirfung bod? allein feinen 
tt^eoretifd^en XPerfen. 5nebrid) ber (ßroße fd^eint il^m garnid^t redjt 



— [}l — 

liolb gcrüßfcn 5U fein ; — ja, als ftd? bie gefeierte italienifd^: Sängerin 
^enebetta <£milia 2HoIteni iin3^^i^<^ 1751 mit ^gricola Dermät:^Ite, 
fanf 6iefe immer meE^r in ber (Siinft it^res 2Honard^en. — 

Diefer Berliner fjoffomponift 2IgricoIa fdjrieb atfo eine 2Tlufif 5U 
Doltaire's Semiramis, bie unferm Ceffing Peranlaffung gab, an ber 
^anb berfelben oiele bebeutfame !unftpl|iIofopl^ifd^e (5e5anfen ju ge* 
ipinnen. 

//3^ ^iö ^5 oerfud^en" — fo beginnt Cefjtng feine ^nalyfe — 
„einen Begriff von ber ZHufif bes Qerrn ^gricola 3U mad?en. ITid^t 
5n>ar nad? i^ren IDirfungen: — benn je lebtjafter unb feiner ein 
pnnlidjes Vergnügen ift, befto weniger lägt es fxdi mit IDorten be» 
fd^reiben; man fann nid^t wo^l anbers, als in allgemeine Cobfprüd^e, 
in unbeftimmte ^lusrufungen, in freifd^enbe BeiDunberung bamit Der- 
fallen, un5 biefe ftnb ebenfo ununterrid7tenb für ben £iebl|aber, als 
ecfeK^aft für ben Pirtuofen, ban man 5U el)ren Dermeint; — fonbern 
blos nad) bm ^Ibfid^ten, bie iE)r ZHeifter babei gel^abt unb nadi ben 
initteln überliaupt, , beren er fid? 5ur (£rreid?ung berfelben hebienen 
tDoIIen." 

(£5 folgt eine (El^arafterijterung ber aus 3 Sätzen biifte\:ienben 
2tnfangsfYmpI)onie: Dann f^eigt es über bie eigentlid7e 3K>ifdjenafts* 
mufif : „Die 7Xln[xt smifd^en ben Elften hiat burdjgängig nur einen ein« 
Sigen Sa% beffen Tlnsbvnd pdj auf bas Dorljergel^enbe be5ieB|t (£inen 
5ix)eiten, ber fid? auf bas 5oIgenbe belöge, fd^eint ^err 2igricola alfo 
nid^t 5U billigen, 3^? tpürbe t^ierin feljr feines (ßefd?macfs fein. Denn 
bie Hlufif foll bem Did)ter nid^ts oerberben; ber tragifd^e Did^ter 
liebt bas Uneru^artete, bas Ueberrafdjenbe meljr als ein anberer; er 
lägt feinen (Sang nidjt gern ooraus ©erraten, unb bie ^Tlufif lüürbe 
iE^n verraten, vomn fie bie folgenbe Ceibenfd^aft angeben u^ollte." 

Klan wkb t^ier bifligeru)eife mit bem Qamburgifd^en Drama* 
turgen redeten bürfen. Der tragifd^e Did^ter foll bas Unertoartete 
mel^r als ein anberer lieben; gerabe bas (5egentljeil bürfte u?aB|r fein: 
benn bem ed^t tragifd^en IDefen entfprid^t burd^aus nur ber (£E)ara!ter 
eiferner Hotn^enbigfeit, bem nid^ts Zufälliges ani^aftet. 3efonbere 
Ueberrafd^ungen — ber fogenannte deus ex machina — entftellen 
bas l^eljre IDefen ber Cragöbie, geB|ören pielmel^r in bie Komöbie als 
in bie Cragöbie l^inein. 3ft bev tragifdje (El^arafter feft ge5eid7net, 
fo lägt fid^ bie Poll3ieB|ung feines (Sefd^icfes fd^on Don Dornl^erein — 
a priori — nadj ber 2lnlage feines Cl^arafters unb ber babei 5U 
Cage tvdenbcn Umftänbe fidjer anqobenf von eigentlid^en effeftDollen 
Ueberrafd^ungen tann alfo babei gar nid^t bie IRebe fein. tOo in 
Crauerfpielen Ueberrafdjungen, 3"^'^9w<^'^ ^^^ bergleid^en oorfommen: 
ba ift bas Ijel^re IDefen bes Cragifd^en fd^on entmeilit; allenfalls finbet 
eine unliebfame Perquicfung bas Komifd?en mit bem Cragifd^en ^iatt 
Unb bie 2Tlufif h^at es längft fo erfannt; ber (5eift ber IHufiP ercoeift 



— 32 — 

[xdt — ^<^n M^ ^odi in ^eravtiqcn €r5aigniffen eines Seettjooen, 
eines UTenbelsfoE^n — als ein burdjaus vovwätts fd^auenber, als 
ein Dortjeroerfünbenber, propI:|etifd:|er. Darum bereitet t>ie 2T{ufif in 
Crauerfpielen uns mol^lipeislid? auf bas Kommenbe vot, — oE^ne ba^ 
es il^r oermetirt bUibt, .bann unb wann aixdt HücfblidPe 3U tt^uu. 
Cef fing meint im Perlaufe freilid? „mit ber ^Infangsfympf^onie ift es 
ein 2(nbere5; fie fann auf nidjts Porljergebenbes get?en; unb bod? mug 
aud? fie nur ben allgemeinen Con bes Stücfes anheben unb nid^t 
ftärfer, nid?t beftimmter, als it)n ungefäljr ber Citel anqkbt*' Zinn, 
wenn bie einleitenbe Sympt^onie uns nidit um bie 3öiipon bringt, 
ober menigftens unfd^äblid? für unfer (Empfangen ber poefiebilber ift, 
bann wirb basfelbe ja wol\l andt von allen 5ipifd?enafts«5vnipI^onieen 
gelten muffen, ja nod? roeit mef^r, benn von oornt|erein toiffen wxv 
ja eigentlidj nod^ gar nidjts oom Drama, lüäEjrenb toir nadi bem 
erften unb ben folgenben Tlften immer mel^r u?iffen unb alfo aud? 
immer weniger überrafd^t, unb mit nid^ten um unfere 3öwpO"^" burd? 
bie XHufif gebradjt toerben fönnen. 

Ceffing fud^t freilid? bes XPeiteren mit piel IDife unb 5d?arffinn 
nadj3uu?eifen, ujesljalb es burd^aus Derujerflid? fei, ba^ ber Komponift 
in ben S^i\d\enaften eine me^t als einfäfeige SympE^onie Dorfül^rte: 
aber l|ierin offenbart fid? bie Sditante in Cefftng 5 mufifäftf^etifd^em 
Können, foDiel Od)tiges aud? im (£in3elnen babei 3U Cage tritt. Das 
ßan^e ift freilid^ fo be^iedienb, fd^ier blenbenb bialeftifd^ gefd?rieben, 
ba% man TXlixlie l^at, bas 2^tige in ber gan3en 2lrgumentation auf« 
3ubecfen. 

Den (ßrunb ü?iber einen smeiten Safe 3n?ifdjen ben ^ften möd^te 
Cef fing „aus bem Dorteile bes Didjters" tjernelimen; er tt>erbe burd^ 
einen anbern beftärft, „ber pd? aus ben Sdtvanfen ber 2TCufi! ergiebt". 
XDären etrra bie Ceibenfdjaften in iwei aufeinanberfolgenben Elften 
gan3 entgegengefefete — fo mürbe audj bie 2Tüufif 3ipei gan3 oppofi« 
tionelle 2lffe!te 3U fd^ilbern liaben. Der Did)ter nur !önne foldjes 
„o}:ine unangenel^me (Seupaltfamfeit'' 3U IDege bringen. „2lber fann 
biefes audj ber 2T{ufi!us? <£s fei, ba% er es in einem Stücfe oon 
ber erforberlid^en Cänge eben fo u?oE^l tE^un fonne; aber in yvei be-- 
fonberen, oon einanber gän3lid) abgefegten Stücfen, muß ber Sprung 
3. <£. aus bem Hut^igen in bas Stürmifd^e, aus bem ^ärtlid^en in 
bas. (5raufame nottoenbig fei^r merflid) fein nnb au bas Beleibigenbc 
\:[aben, was in ber Xlainx jeber plöfelid^e Uebergang aus einem 2leugerften 
in bas anbere, aus ber 5i"ft^rni5 in bas Cid^t, aus ber Kälte in bie 
Qifee 3U l^aben pflegt." 

Xlnn, bas IDaljre ift, ba% bie ZTTufif bas Dilles t>tel beutlid?er unb 
einbringlid^er oermag, als bie poefie, gerabe toeil bie 2Hufif ja in 
erfter Heilte Seelenfpradie ift. Sinb nidjt etcoa in ber £orioIan« 



— 33 — 

0ut)crture fo fd?roffe (ßegenbilbcr wie trofeig« 3orne5leibcn[ct?aft unb 
bcmütiges S^eiien ol^ne alles 3clci6igcn5e tu 3wfömmenl|ang ge» 
brad^t ? ober fteflt jc5e Mafjtfd^e Sonate, 5ie große Sonatenform über» 
E^aupt, nidjt ebenfo im einseinen Sai^e, wie in ber 2(netnan5erreil|ung 
Derfd^iebener Säfee biefe (ßegenfdfelid^feit bar ? Seleibigt es uns, ober 
erliebt es uns nidjt oielmeEir, menn tpir auf einen Sai^ voü büfterer, 
fd^recfensooüer Ceibenfd^aft einen Safe Don Ijimmelfüger HuEje unb 
5riebensftille Dernetimen? IDos fo oft im ZHenfctjenleben oorfommt, 
toas bemnad) bas Drama ^eidinet, ba% bie t^eterogenften (£mpfinbungen 
unb £eibenfd]aften in ein unb berfelben Sruft vermittelt ober unoer- 
mittelt {^errfc^en unb 3um ^usbrud^ fommen: bas 5eigt bie IHufif eben 
in unoergleid:?Iid)er Deutlid^feit unb €inbringlid?feit. Darin ift bie 
Hlupf qualitativ gan3 öer poepe gleid?, aber quantitativ überragt fie 
in biefer Spl^äre ebenfo bie Poefie wie alle anberen Künj^e. — Diefe 
(ßrunbmal^rt^eit rvar Ceffing verborgen geblieben; barum mugte er 
einen großen bialeftifd^en Tlppavat anwenden, um ettvas ertveifen 3U 
wollen, was nidjtsbeftotoeniger bod^ nid?t beiviefen merben !ann. 
Kur3 unb gut: aH bie l^ier nod^ folgenben t'effing'fd^en (E^-peftorationen 
l^ahen feine über3eugenbe Kraft. Ulan ivirb bal^er bie folgenben 
Ceffing'fdjen 2lusfprüd?e auf iljr rid^tiges 2Ttag 3U verfefeen miffen, 
nämlid?: „3^fe* 3erfd?mel3en wit in iPeE^mut unb auf einmal follen 
mir rafen. IDie? IDarum? iviber wen? wibev eben ben, für ben 
unsere Seele qani mitleibiges (ßefül^l wav? ober n^iber einen anbern? 
2llles bas fanii bie ZHufif nidjt beftimmen; fie läßt uns in Ungen^ig« 
]:teit unb Pertt)irrung; wiv empfinben, ol^ne eine rid]tige Solge unferer 
€mpfinbungen ipal:|r3unel)men; mir empfinben, mie im Craume, unb 
alle biefe unorbentlid^en fimppnbungen finb meljr abmattenb, als er* 
göfeenb. Die Poefie Ijingegen lägt uns ben Sciben unferer (£mpfin» 
bungen nie verlieren; l^ier iviffen mir nid^t allein, mas mir empfinben 
foüen, fonbern aud^ marum mir es empfinben follen; unb nur biefes 
marum madjt bie plöfelid^ften Uebergänge nidjt allein erträglid), fon« 
bern aud? angenel^m. 3" ^^^ ^kat ift biefe 2T(otivierung ber plöfe* 
lid7en Uebergänge einer ber größten Dorteile, ben bie ZTTufi! aus ber 
Pereinigung mit ber poefie lieiit, ja vielleid^t ber allergrößefte. " — 
lDeiterl)in ift fogar nod? biefes Parabopn 3U lefen: „<£ine Svmpljonie, 
bie in it^ren verfd^ebenen Säfeen verfdjiebene , fid| miberfpred^enbe 
£eibenfd)aften ausbrücft, ift ein muftfalifd?es Ungeljeuer (??!??); in 
(Einer Sympl^onie muß nur (gine £eibenfd)aft l^errfd^en, unb jeber 
befonbere Safe muß eben biefelbe Ceibenfdjaf t , blos mit verfd^iebenen 
2lbänberungen, es fei nun nad^ ben (Stäben iljrer Stärfe unb £eb* 
l^aftigfeit ober nad? ben mandjerlei Permifdjungen mit anberen ver* 
manbten Ceibenfd^aften, ertönen laffen unb in uns 3U ermecfen fudjen." 

Das XPeitere fann füglidjermeife übergangen merben ; nadj nod] 
ferneren äftt^etifdien Crörterungen, bie jebod) fein neues ZHoment l:^er» 



— 34 — 

beifd?affeii, folgt bie wettere 2Itia(vfc bev 2(gricoIa*fd>en IHuftf. Cefftng 
fd>Iiegt feinen iTmncrt^in hßd^^ tntcref[antcn €rf urs folgcnbermagcn ab : 

„Die 2(b{td}teH eines Confünftlers merfen, l>eiBt iljm 5ugejiel?eH, 
ba% er fte erreid)t Ijat. Sein Werf foö fein ^dtfef fein, 5effen DeutuTig 
ebenfo müi^fam als fd^toanfenö ift. Was ein gefunbes (Dlit am ge= 
fd)U>in&eften in il>m oernimmt, bas unb nid>t5 anberes Ijat er fagen 
tpollen; fein Cob wädi^ mit feiner I?erjlän5igfeit; je leidster, je all» 
gemeiner 5iefe, be^o peröienter jenes. — €5 ifl fein 2?ul^m für mid^, 
ba^ idj redjt geleert Ijabe; aber für ^errn 2(grico(a ift es ein fo oicl 
größerer, ba% in 5iefer feiner Kompofition niemanb ettoas anders ge= 
Ijort Itat, als id?/' 

Zllan möd)te fidj nidjt Don ber Qamburgifdjen Dramaturgie in 
Sadten ber 2Tiuftf»2(eftIjetif oerabfdjieben , oljne nod? einmal bes Bio* 
grapt^en (Suf^rauer 5U eriräf^nen, ber in feinem Ceffing-IDerfe fid^ 
einmal über biefe Dinge alfo äußert: (5. £. (5iil]rauer: (ßottlj. Cpljr. 
Ceffing 5 Ceben unb IDerfe in ber periobe oollenbeter Seife, Ceipsig 1853, 
I. 2lbteilung p. 81): „Derbienftlid) mar es von Qerber, Sie (Eon» 
fünft in ben Kreis biefer Betradjtung gesogen 3U Ijaben, ba bie 
(Stengen jtrifdjen poefte unb 7Xln[xf oft ebenfo tpenig innegel^alten 
toerben, als 5H)ifdjen poefte unb IHalerei, unb fd^on frütjer tliat 
er ben XDunfc^, ba^ fyer ber ,Did?tfunji nod^ ein Ceffing entjieljen 
möge*." Va^n madit (ßuljrauer folgenbe 2lnmerfung: „Qerber an 
Sdjeffner, Siga ben 23. 5eptbr./4. ®ctbr, 1766 (Qerbers Cebensbilb 
V, 2, 5. 195): 

„lOer l\at poefie unb 7Xln[it 3ufammengel^alten mit einem pljilo» 
fopljifdjen unb öftl^etifdjen Kopf? Keiner als Kraufe, unb bas blos 
als ZlTorgenftern ; 2narpurg ift ein ^anbwevfet unb 5d?eibe ein Stümper. 
Hamler in feinem Satteuf liat (ßolbförner gelefen — t^ier lebe uod? 
ein Ceffing auf, ber uns einen plato über bie (ßrenjen ber 2Tiufif 
unb poepe gebe," — 

Vann fäljrt (ßuEjrauer fort: „Ceffing blatte bie Be3iel^ung 5a)ifd?en 
poefie unb 2T(ufif übrigens nidjt aus ben fingen oerloren, ba wo er 
oon ber Perbinbung ber fd^önen Künfte mit einanber 3U einer 
gemeinfd?aftlid^en H)irfung E^anbelt, aber feinem plane gemä^ im 
erftenCeil bes Caofoon übergangen unb biefes Kapitel auf ben folgenben 
Ceil oerfdjoben, n?6rüber aus feinem Ztad?lajg uns ein 5ragment 
ev^alten ift, wo er auf jenes X)erl|ältnis ebenfo fdjarfe Slicfe 
warf, als über bas PerE^ältnis ber poefie unb 2TIaIerei, menn 
er gleid) oon ber 2Tüufif nod? tt>eniger Kenntniffe getrabt 3U tjaben 
fdjeint; als oon ben btlbenben Künften." — Qier foü nur bas leistete 
jefet beftritten tt>eiben: benn u?er, wie wir fattfam gefeiten iiaben, fo 
gefd^icft gro§e 3nflrumentaltt)erfe 3U ffijsieren unb mufifalifd^ 3U ana- 
Ivfieren oerj^et^t, roie es Ceffing an 2lgricola'fd?en unb anberen (Eon« 
merfen bewät^rt l\at, ber mu§ pon ber ZlTufif bod? burd^aus nidjt fo 



— 35 — 

geringe Kcnntntffe befeffen liahen, als man gemciiil^in annimmt. Das 
hikt angedeutete £aofoon'5rcigment xpixt> nun nod? näE^er 5U betrad^ten 
bleiben. 



VI. 

Dag Ceffing's „Caofoon" nur als Hiefen^Corfo oöer bodi nur 
als crfter Qauptfeil eines oielumfaffenben (ßansen an5ufe{^en fei, ift 
t^eutsutage ben Kennern unferer Citeratur eine unbeftrittenene CE^at- 
fad^e. Xtadt bem Cobe bes unfterblid^en IHannes ijH nun Zieles aus 
bem XTad7laffe besfelben ans Cageslid^t befördert iporben, was ju nid^t 
geringem Ceile ben „€aofoon" betrifft. J^ier ^abi^n jtd^ tefftng's ^ru- 
ber Karl Ceffing, fein 5reunb (Sfdjenburg in erfter 2^eilje un* 
Dergeßlid^e Derbienfte um ben Datjingefdiiebenen ertoorben; fpäterl^in 
in l^oE^em ITlaße ber gro^e pt^ilologe Karl £ad^mann mit feiner 
Ceffing^^lusgabe , bes IDeiteren IDenbelin Don IHalfeat^n unb 
enblid? bie J^erausgeber ber großen ^empel'fd^en Ceffing-^lusgabe. 

5ür bie ir(ufif*2(eftl?eti! ift bas, was aus bem Had^Iaffe 5um 
„Caofoon" burd? £adtmann unb nod? forgfältiger burd? ben heraus» 
geber bes „Caofoon" in ber ^empePfd^en 2lu5gabe ber gebilbeten 
IDelt übergeben rporben ift, von befonberer IPidjtigfeit. hieraus n>irb 
es Flar, tt>ie eingeljenb fid) biefer Kunftbenfer mit bem gufammenljange 
3tt?ifd)en IHufi! unb poefie, refp. mit ben (ßrensen 5tt)if d^en 'biefen 
beiben 5djtt>efter!ünften befd^äftigt }:iat — (ßerabe biefe muft!*äftl^etifd)en 
Fragmente 3um IL ober III. Ceile bes ,,Caofoon" I:|aben mit IRedit in 
unferer 5^it befonbere 3ead)tung erfal^ren, — ja, es finb baraus, 
je nadi bem mufifalifd^en (5laubensbe!enntniffe bes Setrad^tenben, bie 
pcrfd?iebenartigften Hefultate gemonnen n>orben. 

3tibem nun audi biet bie barauf besüglidien £aofoon*5ragniente 
einer Unterfudjung unter5ogen a?erben: fei ein für allemal bemerft, 
baß l^ier5u bie J^empeTfd^e Ccffing^^usgabe — ^anb VI — 5U 
(ßrunbe gelegt u?irb, natürlid) ber „^nl^ang": „ZllaterialieU; £nt-- 
irürfe unb Hotisen' ben Caofoon betreffenb, aus Ceffing's bianb» 
fd>riftlid?em Hadjlajj" (VI, 173-327). — 

Das III. fjauptftücf ober bie Hummer 3 biefes 2lnlianges übergiebt 
uns ^ie „umfaffenbe Dispofttion bes im ,£aofoon' 5U »erarbeitenben 
ZTcaterials". Der 3. 2lbfd)nitt biefes Ceiles entl^ält folgenbe 3 bie 
Znufi!»^eflf)eti! betreffenbe punfte (§ 6—8): VI „HüfeUd?feit ber u>ill. 



— 36 — 

fürlidjcn S^idtcn in ber Cansfunfi. Va% eben ba^nvdi bie Canjfunß 
bev 2ilten bie neuere fo weit übertroffen". VIL „Der (5ebraud? ber 
miüfürlidjen Sexd>en in 5er ZlTujtf. Derfud?, bas It>un5erbare unb 
ben Wert bet alten 2TCuftf öaraus 5U erflären.. Von bev TXladtt, bie 
jtdj bdtiet bet (5efe^geber barüber anmaßte". VIII. „TXotwenbxqfeit, 
alle \didnen Kunfte einsufdjränfen, unb ibnen nidjt alle moglid^e <&:« 
toeiterungen unb Derbefferungcn ju oerpatten iPeil burij biefe (£r» 
toeiterungen fie von iE^rem S^^^^ abgelenft toerben, unb iljren €in* 
brudP verlieren. Culer's £ntbecfung in bev Vflu[\t" 

VaivL mad?t 5er oben beseid^nete Caofoon«£|erau5geber (VI, p. 
263) folgende bead]tensn)erte 2tnmerfung: „1>iefe 2lbfdinttte ber Dis» 
pofition unb bas unten mitgeteilte aUegirte Stixd Xlo, 15 jeigen beut- 
lidj bie 2tbftd?t Ceffiug's, fein IPerf aud| auf anbere Kunfte als auf 
poefie unb ZHalerei aussubeljnen. XPeldje Bereicf^erung ber 2(eftt>eti!, 
n?enn mir aud^ über bie (Stengen unb bas XPefen ber JlTuftf unb ber 
Cansfunft einen Kunft^Kanon oon Cefftng befäjgen!'' — 

Unter ben fonftigen Coüeftaneen sunt „Caofoon" intereffiert ben 
Znufif*2leftl>etifer befonbers Stftcf 15. — hierin betrad^tet Cef fing 
funftpI:|ilofopI^ifd? bie 2T(öglid]feit, rt>ie fid? IHufif unb poefie or= 
ganifdj, naturgemäß mit einanber oerbinben laffen. — Der £ao!oon= 
5ragmentift gel^t babei 5unäd)ft von allen Künften sufammen aus. 
(£r argumentiert etwa fo: „Don ber Perfd>iebent^eit ber S^id^en, bereu 
fid? bie fd^önen Kunfte bebienen, lianget andt 5ie Hlöglid^feit unb 
€eid?tig!eit ah, mebjcve berfelben mit einanber 5u einer gemeinfd^aft= 
lid^en XPirfung 3u oerbinben." - €in Ceil ber fd^önen Kunfte be* 
bient fid^ u)ill!ürlid7er, ein anberer {hingegen natürlid^er S^id^en. 
— Den u)infürlid7en <5eid)en ift bie Derbinbung mit ben natürlid^en 
5eid?en unbebingt möglid?. — Die tt)iflfürlid?en <5eid?en fmb aber 3u* 
gleid) aufeinanberfolgenb, bie natürlidien aber nid^t allsumal, 
Dielmeljr muJ3 eine 2Irt öerfelben neben ein an ber georbnet merben; 
baraus ergeben ftd^ für bie millfürlid)en 3eid7en bie oerfd^iebenen 
(Stabe il^rer Perbinbung mit ben natürlid^en ^eid^en. 

5ür bie 2T(ufif entfpringt bann folgenber ^auptgebanfe (VI, p. 
303/4): „Die Bereinigung miflfürlid^er , auf einanber folgenber l^ör- 
barer ^eidien, mit natürlid?en, auf einanbev folgenben t)örbaren <5eid)en, 
ift unftreitig unter allen möglid^en bie Poflfommenfte, befonbers n?enn 
nodi biefes i|in3u!ommt, ba^ beiberlei geid^en nid^t allein für einerlei 
Sinn finb, fonbern and] von ebenbemfelben 0rgano 5U gleid)er geit 
gefaxt unb tjeroorgebrad^t merben fönnen. 

„Pon blefer 2lrt ift bie Perbinbung ber poefie unb ^Tlufif, 
fobag bie Hatur felbft jte nidjt fon?ot)l 3ur Derbinbung, als oielmel^r 
5U einer unb eben berfelben Kunft beftimmt 3U l^aben fd?einet." 

2T?an mcrft fd^on t^eraus, ba% £effing l^ierbei burd^aus ben 
aus ber 2lntife Bieroorleud^tenben Kunfttl^eoremen l)ulbigt, u?onadj bei 



— 37 — 

aller 5ramatifd?en poefic, memgftcns in ber (Slanjjdt ber gried|i» 
\dien Vidtttwn^i, bas Drama, vovmiimiidt bie CragöMc, jlets nur in 
Derbinöung mit ^Tlufif gct)ad?t unb ausgefütirt tourbe; tpar ja ein 
2(efdjYlus, tpie nodj anbere Cragifer, sugleid) ^Hufifer unb 0rd?efti!er. 
IDer b'xe 2lnjtd?ten eines plato unb 2IriftoteIes vom IDefen ber 
Kunft im Mgemeiuen, ber Confunbe fyiot'ßat}]) im befonberen !ennt, 
u>irb erfennen, toie fid? Ceffing in biefen Dingen namentlid? oom (ßeifte 
bes ^Iriftoteles leiten lägt, mit bem er ja überf^aupt in äftl^etifdjer 
^infid)t fo Diel Kongeniales befifet. 

3n feiner rretteren bortigen Darfteüung füEjrt Cef fing aus, ba^ 
poefie unb IHufi! in früt|eren Seiten „nur eine Kunji ausmad^ten, 
it|re Crennung fei nicht natürlidj erfolgt; bennod) fei bie 2(usübung 
ber einen Kunft oI:|ne bie anbere nidjt ju tabeln."— Cäßt alfo Ceffing 
bie Selbftänbigfeit ber ZHufif neben ber poefie burdjaus gelten: fo 
beflagt er bockt ^i<^i mit Unvedit, ba^ man an bie Perbinbung 
biefer beiben sufammengel^örigen Künfte „faft gar nid?t mel^r" 
benfe, „ober u?enn man ja nod? baran benft, man bie eine 
KunjH nur 5U einer ^ilfsfuTtft ber anbern mad^t, unb Don 
einer gemeinfdjaftlid^en IDirfung, voeldie beibe 5U gleid^en 
Ceilen Ijeroorbringen, gar uidjts meB|r n^eig". — Diefe 5äge 
finb ebenfo intereffant als überrafd^enb. Ulan begreift, ba^ l^iermit 
Ceffing suerft, a?ie aud^ nadi il^m anbere £jeroen unferer Citeratur, 
eine Seljnfud^t nad\ einem bramatif d^en (Sefamtfunftn^erf emp* 
finbet, toie es in unferer eigenften (ßegentoart einHid^arbXPagner 
aus3ufül]ren unternommen Ijat. — (Db nun Hid^arb IDagner biefes 
Kunftproblem, n^onad? im IHuft!» Drama ZHuft! unb poefie als ooll* 
fommen ebenbürtige 5cjftoren nebeneinanber 3U tt>ir!en l?aben, bereits 
gelöft ^at, ober ob eine berartige Cöfung 5U ben Dingen ber Un^ 
möglid^feit gel^ört, — bas foll t^ier nid^t weitet erörtert merben. 
(ßenug, ba^ ein berartiges '^beal, wie bem IHufifbramatifer Hid?. 
It>agner -- lange, lange Dor il^m aud? einem fo berufenen Drama« 
tifer unb 2leftl|etifer wie Ceffing t>orgef darnebt kiat 

Des IPeiteren erinnert Ceffing in jenen 5ragmenten 3um Caofoon 
baran, ba% man wolil eine berbinbung beiber ausübt, „in meld^er 
bie Did]tfunft bie l)elfenbe Kunft ift" — bas ift bie ©per, ba^ man 
aber bie Perbinbung, ,,wo bie 2TCufi! bie l^elfenbe Kunft 
rt>dre, nodi unbearbeitet gelaffen liat", TXlan bavf mit 
gutem Ziedite' ans bem legten (Sebanten ben Sd^lug sielten, ba^ Cefftng 
biefe 5f isjen unb £ntn?ürf e d r ber 2lbfaffung ber ^ a m b u r g i f d^ e n 
Dramaturgie l^ingenjorfen l^at: benn wir miffen ja nunmel^r aud| 
biiex 5ur (5enüge, bajj bie Perbinbung ber Poefte unb 21Tufif, u?obei 
lefetere bie nur l^elfenbe Kunft ift, oon Ceffing in jenem XPerfe an 
ber fjanb. Sd^eibe's unb 2lgrifola's eingel^enb bel^anbelt mürbe. 
Die oollfommene 2lrt, tpie etu>as Derartiges gefd^eljen fann, l^atte 



— 38 — 

Cefftng frcilid? bei feinen Cebseiten nidit Dor 2Iugen : benn toeber it»ar 
es il>m befd^ieben, 5ie IHufif als f^elfertn sum fgmont' Drama burd) 
5cn (ßenius Beettiopen's, nod? aurf? 5ie ZHupf als Ijelfenöe Kunft ju 
einer 2lntigone*(Erago5ie ober 5U einem „Sommeniad>t5traum" burd) 
bcn (ßenius inenbel5fol>n»^artt|oIbY'5 fennen 5U lernen. €5 fragt 
fid], ob Ceffing nid^t baburd? fein 2^eai Don einer innigen f^armonie 
3tt>ifd^en poejte unb ZTlufif «>efentlid? erfüllt gefeben Ijätte. — 3^^^"' 
faUs ift aud? Ijeutsutage auf biefem Iiod|n?id)tigen (ßebiete: bie ITTufif 
als l^elfenbe Kunft für bie bramatifd?e poefie 3U oerioerten, notroenbiger« 
n?eife nod^ redjt piel ZXeues, <5roges unb £rfprie§Ud>es 5U leifteit, ja 
bie . erbabenen Cragobien eines 2ie\diyi\x5 Ijarren nod] red>t 
fel^r ii^rer 2Iufera?ecfung burdi ben (ßeift ber 2T[ufif. — 

Uebrigens meint Cef jing bod], ba% in ber (2) per bie beiber artigen 
Perbinbungen 5n>ifd|en 2Tlufif unb poepe 5U ftanbe fommen. „®ber 
foDte id? fagen" -— l^eißt es in jenem 5ra9niente meiter — ,fia^ man 
in ber 0per auf beibe Perbinbungen gebadet b^abe; nämlid^ auf bie 
Perbinbung, wo bie poefie bie tielfenbe Kunft ift, in ber 2lrie; unb 
auf bie Perbinbung, «>o bie 2Tlufit bie l^elfenbe Kunft ift, im Hecita^ 
tiüe? (Es fd?einet fo." rtatürlidj fprid^t fid] Cefjtng, inbem er fran- 
3Öfifd?e unb italienifdje 0per oergleid^t, su (ßunften ber erfteren 
aus, n?eil bier bie ZTlufif ber poefie untergeorbnet ift, roäl^renb bei 
ber anberen „n?o bie poefie ber IHufif fubferoieret", bie Didjtfunft 
wob} Sd^aben erleiben mag. 

Das „Subferoieren" stoifd^en poefie unb 2Hujtf beftet^t nadt Cefjtng 
barin, „ba^ bie eine (Kunft) Dor ber anbern jum Qauptn?erfe gemad^t 
wirb, nidit aber bavin, ba^ fid) bie eine blos nad? ber anberen rid?tet. 
unb menn iE|re üerfd?iebenen Regeln in KoIIifion fommen, ba^ bie 
eine ber anbeten fo piel nadigiebt als möglid). Denn bicfes ift aud? 
in ber alten Perbinbung gefd?el^en." 

mit Hed)t ftellt nun Ceffmg bie 5rage auf: „2t ber lool^er biefe 
perfd^iebenen Hegeln, n^enn es mal^r ift, ba^ beiber 3^id)en 
einer fo intimen Perbinbung fäE^ig finb?" €5 ift rut^mpoll für 
Ceffing, ba% er biefe 5^cige aufgeftellt Ijat; pon ber nun folgenben 
Cöfung biefer 5rage befenne idt gern unb offen, ba% fie mir unpcr« 
ftänblid?, um nid?t 3U fagen unperftänbig , porfommt; allenfalls lägt 
pd? fagen, ba^ ein rid^tiger (ßrunbfern fd^ief unb unflar ausgebrücft 
ift. 3d^ fefee bie Beanttoortung obiger S^aqe ol^ne weiteren Kom» 
mentar t^ierl^er: 

„Dal^er'' — fagt Ceffing — „ba^ beiber 5^id?en 3tpar in ber 
5olge ber Seit a>irfen, aber bas 2Tlag ber geit, roeld^es ben S^idten 
ber einen unb ben «geid^en ber anbern entfprid^t, nid|t einerlei ift. 
Die ein5elnen Ceile in ber IHufif finb feine 3^id?en, fie bebenten nid^ts 
unb brücfcn nid^ts aus; fonbern il^re ^eidien fmb bie 5olgen ber Cöne, 
ipeldje Ceibenfdiaft erregen unb bebeuten fönnen. Die roillfürlid^en 



— 39 — 

^dd^cn bet Worte hingegen bedeuten Dor fid? felbft etwa^, ixnb ein 
einixqct £aut als loinfürlidjcs S^xdien fann \o Diel ausörücfen, als 
bie Hlufif nid^t anbers als in einer langen 5oIge von Conen emp* 
finblid? mad^en fann. hieraus entspringt bie Hegel, bag öie Poefte, 
roeldje mit ZHufif perbunben »erben foU, nid^t von ber gebrungenen 
2lrt fein mu§; bag es bei il^r feine 5d?onI^eit ift, ben beften <5cbanfen 
in fo ipenig als möglid?e IPorte 5U bringen, fonbern ba% fie oielmeiir 
jebem (5ebanfen burd? t>ie längften gefdjmeibigften IDorte fo üiel 2tus» 
beljnung geben mu§, als bie IHufif brandet, ettoas äE^nlid^es l^erDor« 
bringen 5U fönnen;" u, f. ir>. — 

2lnbrerfeits läßt biefes 5ragment jebod? feljr erfreulid^ erfennen, 
mie tt)eitgel^enb , aüumfaffenb £effing fein ^liema von ber <5ren5e 
5tpifd?en ZTTufif unb poepe angefd^aut hiat So entgel]t iljni aud) nid|t 
bie größere ober geringere Cauglid^feit einer 5prad?e, um eine innige 
Derfd7«>ifterung mit ber ZHufif eingel^en 5U fönnen. £effing belel)rt 
uns bort (VI, 305—306) alfo: 

„Dag eine Sprad^e r>or ber anbern jur IHuftf gefd7icft fei, ift 
iDol^I unflreitig; nur toill gern fein Polf bas IDenigere auf feine 
5prad|e fommen lajfen.*) Die Ungefd^icflid^f^it beruljt aber nid)t blos 
in ber rauljen unb i^arten 2lusfprad7e, fonbern aud^ in ber Kurse ber 
IPörter, unb iwav biefes nidtit, weil bie fursen IDorter aud> meiften* 
teils Ijart finb unb fid^ fd?n?er untereinanber perbinben laffen, fonbern 
aud? fd?on besu?egen, n^eil fie fürs fmb, tpeil fie 3U tpenig 3^it braudien, 
als ba^ iiinen bie 7Xlix[\f mit il)ren S^id?en gleid^en Sd^ritts folgen 
fönnte. 

„PöÜig fann feine Sprad^e pon ber öefd^affenliieit fein, ba% il^re 
S^idten eben fo piel 5^it erforberten, als bie S^idien ber Hlufif, unb 
id? glaube, biefes ift ber natürlidie ilnlafe geu>efen, ganse paffagen 
auf eine Silbe 5U legen." — 3n bemfelben €aofoon-5rcigmente u>irft 
£effing aud^ nod? einen ftüd^tigen Slicf auf bie Pcrbinbung ber ZHufif 
mit ber Cansfunft, ber poefie mit ber Cansfunft, unb ber per» 
einigten IHufif unb poefie mit ber Cansfunft; unter biefen brei Per» 
binbungen ift ifyn „bie Derbinbung ber 2Tüufif mit ber Cansfunft bie 
poUfommnere". Sd^lieglid) u?irb aud] nod^ bie pantomime in Kurse 
berucffidjtigt. — 

Ulan u?irb gut tl^un, bie (ßebanfen biefes Caofoon*5ragmentes 
mit Seliutfamfeit aufsunel^men; fie fetten ja mit nid?ten als gcmünstes 
(ßolb aus bem <ßeiflesfd]afee Ceffmg's angefel^en merben: beim fonft 
müßten fie perarbeitet erfdjeinen unb Pon Ceffing mit reifer Ueber* 
legung bem Polfsgansen übermittelt fein; ja man tt>eig auf biefe IDeife 
tiod? nid^t einmal red^t, tt>ie es babei mit ber (ßcbanfen'0riginalität 

•) €in untßehtljrt e«, um fo rüljntlitfjere« Beifpiel liefert ber aroße 3ean 3 a c q u e « 
Kouffeau, ber ja feiner eigenen BQwfterfprarije aUe läftigheit abfpradj, ber Blujlh als 
JToIie tu bienen, bia er benn buriJ; ben bentfdjen BQei]Ier Ritter QLfjrißopli v (6lvitk 
eine0 Beflferen beleljrt roarb, ber feine Ijötfillen IPpern mit fran|iJ|ifd)em Cexte homppnierte. 



— 40 — 

fejfings bcfd^affeti ift, bcfonbcrs nxdt^, was bahei 5em von Ccfjtng 
ebenfo eifrig ftubicrten als ocrcl^rten Kunftpl^iIofop{|en Diöcrot 311 
pcrbanfen ift. 

3ebcnfa[l5 ift ber (ßcbanfe von einer Derbinbung sroifi^en Did7t' 
fünft ixnb Confunft ein Problem, mit bem fid? Diberot eingel^enb be- 
fd^äftigt ):iat, berartig, bap uns Cef fing felbft in Heberfefeungen baoon 
Kunbe gegeben l^at. 

(ßerabe sur „£aofoon'3eit" (1757) lieg Ceffing „Diterots Cl^eater" 
beutfd? erfJ^einen. (£effing*2(usgabe Qempel Sanb 11, IL) Xladi bcr 
Ueberfefeung bes „natürlid^en SoBjnes" r>on Diberot folgt bie Ueber* 
fefeung ber bramaturgif d^en (ßefprcid^e 3iDif d^en Vovval, bem gelben 
jenes 'Dramas unb bem „3^?" (Diberot!), Doroal unb 3<^ betitelt. 
3n ber britten Unterrebung ftel^en unter 2(nberem merftüurbige 
2lnticipationen ber üon Hid^arb IPagner befonbers ftarf nnb energifd) 
pertretenen 3^^^ ^^'^^^ (5efamtfunftn>er!es. 5»^^ind) ift Diberot 
im (5egenfafee 3U IPagiter ein entfd^iebener (ßegner aller IDunber unb 
Räubereien im Drama. — 3^^<?'^f<^^^S' mag man aud> barin ben u?efent= 
lid^en Urquell für Ceffing's barauf be5Üglid)e 2^een im £aofoon»rtad}^ 
trage erfennen. 

3n ber Dorrebe 3ur erflen anonym erfd^ienenen Ueberfefeung fagt 
Ceffing unter 2lnberem (XI, 2. p. 133/134): „nad) bem 2Iriftoteles 
liahe fid? fein pJ^ilofopl^ifd^erer (5eift mit bem Ct^eafer abgegeben als 
Diberot; er erwartet ben E^öd^ften €rfolg baoon, ba^ Diberot in 
Deutfd^lanb mel^r (SeBjör finbe als in feiner Qeimat; ben (Erfolg, ba^ 
andi Deutfd^lanb einmal eine nationale ÖüBjne erl:^alte." - Der I^eraus^ 
geber in ber ^empeffd^en Ausgabe teilt ferner mit: 

„3u ben Citeraturbriefen (Cl>. IX, 5. 292) nennt Ceffing, ber 
bamals an ber Ueberfefeung bes Cl^ealers arbeitete, ober fie eben 
beenbigt l^atte, Diberot ,ben neueften unb unter ben neuen unftreitig 
ben beften fran3Öfifd7en Kunftrid^ter', nnb in bcr Dorrebe 3ur 3tDeiten 
2lusgabe »on Diberot 5 Cljeater freut er fid) über bie (ßelegenl^eit, 
feine Danfbarfeit einem 2nanne 3U bezeugen, ber an ber ^ilbung feines 
(ßefd^mades fo grogeu 2(nteil ):iabe, .bemr — fäl^rt er fort — ,es 
mag mit biefem aud) befd^affen fein wie es wiü, fo bin id) mir bodi 
3U molil beu>ugt, ba^ er* (sc. ber (5efd?macf) ,ol^ne Diberots 2Ti[ufter 
unb £el)ren eine gans anbere ^id^tung u>ürbe befommen l^aben: üiel- 
Ieid7t eine eigenere, aber bod} fd]n>erlidi eine, mit ber am (£nbe 
mein Derftanb 3ufriebener geroefen wate," 

Unb nun 5U Diberot's ,,llnterrebungen" 3urücf ! (Doroal unb 3*^/ 
III. Unterrebung ^b. XI, 2. p. 133/134)): 

„Qier l^ielt Dorüal inne. B^ernadi ful^r er fort: <£s giebt feine 
bauerl^aften 5d?5nl^eiten , als bie fid] auf Derl^ältniffe mit bem XPefen 
ber Hatur grünben. IPenn man fid^ bie IDefen in einer beftänbigen 
fdjnellen 2(bir>ed7felung badete unb jebes (ßemälbe mir einen flüd^tigen 



— 41 — 

21ugenblicf porftelltc, fo rt>ürbe alle rtacfcal^mung übcrflüffig fein. Die 
5d?onl^eiten iiaben in ben Künften t)en nämlid^en (ßrunb, ben bie 
IDal^rl^eiten in ber pl^ilofopbie l^aben. Was ift bie lDal^rt)eit? Die 
Ucbereinftimmung unferer Urteile mit ben Dingen. Was ift. bie 
5ct|önl:jeit ber ZXad^aEjmung ? Die Uebereinftimmung bes Bilbes mit 
ber Sad^e. 

„3^ t^vd^te, bagbisl^er loeber ber Did7ter, nod? bie Con* 
fünftler, nod? bie Persierer, nod^ bie Cänser einen ridj* 
tigen begriff von il^rem gemeinf d^af tlid]en CE^eater 
gciiabt }:iaben. 3ft bie lyrifd^e (ßattung fd7{ed]t, fo ift fie bie fd^Ied?» 
tefte von allen Gattungen. 3ft fie gut, fo ift fte bie befte von allen. 
2lber tote fann fie gut fein, menn man fid? nidjt bie Had7at|mung 
ber rtatur unb sioar ber allerftärfften Statur barin rorfefet? Wo^xx 
bient es, etwas in poefie 3u bringen, bas nidjt loert loar, gebadet 
5U toerben? 3^ ^^^r ^<^^ Unfoften auf etipas pertoenbet, befto beffer 
mu§ es notipenbig fein. £tei^t bas nid?t, bie pBjilofopI^ie, bie poefie, 
bie 2T?ufif, bie 2Tüalerei, bie Can3funft fd^änben, n?enn man fie mit 
einer Ungereimtlieit befd^äftigt? 3^^^ ^^^n biefen Künften insbefonbere 
t^at bie rtad?al>mung ber Hatur 3ur ^Ibfid^t, unb wenn man fid) it^rer 
pereinten ^auberfräfte bebienen wiü, fo n^äl^lt man eine 5öbel! 3P 
bie 3üufion nod? nid^t entfernt genug? Was l^at bie allgemeine 
<2)rbnung ber Dinge, auf bie fid? bie poetifd^en £rbid^tungen 
^rünben muffen, mit ber Peru>anblung, mit ber fje^rerei 
3U tljun?" — 

Unb ferner (p. 134/135): „Der IDeife tpar el^ebem pl^ilofopl), 
poet unb 2T(ufifu5. Diefe Calente finb nad? iBjrer Crennung aus 
ber 2lrt gefd^lagen.*) Die Spl^äre ber ptjilofopl^ie ift enger getporben. 
Der poefie l^aben (ßebanfen gefel:^lt. Dem (ßefange biabexx Stätte unb 
rtadjbrud gemangelt, unb bie IDeisl^eit, bie biefer it^rer 0rgane be- 
raubt warb, tonnte fid^ ben Pölfern nid^t mel^r fo rei3enb l:^ören laffen. 
(Ein groger ZTlufifus unb ein großer lyrifd^er Did^ter fönnten biefem 
Hebel abl^elfen." 

,,U\xb bas rpäre ipieber eine neue Sal^n. €r erfd^eine nur, biefer 
ZTIaim pon (5enie, ber bie malere Cragobie, bie n?at|re Komöbie auf 
bas lyrifd^e ^bieatev bringen foU; er rufe nur, n>ie ber propEjet bes 
l^ebräifd^en üolfes in feiner Begeifterung rief: Adducite mihi psaltem, 
,Znan gebe mir einen Confünftler!'**) unb er n>irb il^n ern>ecfen, biefen 
Confünftler!" — 

*) ^iBre HIage Ü6er hxt (Snfarfunö bcc urrprünölitlj Derbunbcnen BünUe ifi. ttb«r- 
rafrfjenb ; |tB heljri äljnlii:^ unb \il)x oft bei Rirfjarb MD a g n e r roieber, man nfrgleirfjB btefea 
^irf;!erftontponipKn „J^per unb :^rama'* unb befonbn*« ba» „BunJlnJBrk ttx Snhunff*'. 

**) Libero! geblüht biw: b«r Bföeb«nljeif aua bcm Heben bea propfr^ten dUFa, rote 
biefer vov bem Köntae Uofapbaf peljf. ^nvrif bie Matht ber Wix^k fucljfe «Ufa H* öötf- 
litfj |u beßeiftern. €r rptatJj ba: „*d bringet mir nun einen ;5pielmann. Unb ba ber 
^pfelmann auf ben ;§aifen fpielte, Kam bie Banb HeljDoaFj'B auf iljn". l^gl. II. Könige 
a, 14-15. 

4* 



42 



/ 



XPir crfcnncn Ijieraus, ba% man cor Cefftng nod? Vibctot öas 
Betonen 5er ^ufammengel^örigfeit von Hlujtf uttö poefie 3ufd?rciben 
mu§. — 

- ZTTuß man fo aud|L l^inpdjtlid? 5er im €aofooTt»5ragment ausge* 
fprod^enen mufifäftt|etifct)en '^been 3iDeifeI{|aft fein, in u>ie weit loir 
Ceffmg 5ie Priorität o5er Originalität gea)iffer 3^^^" üinbisieren dürfen : 
toir erfennen aud^ daraus 5ie Pielfeitigfeit feines (Beiftes un5 t)ie 
eifrige 2lufmer!famfeit auf öie Confunft, namentUd?, in fo n^eit it^r 
Sufammentoirfen mit 5em IPortbrama in Betradjt fommt. — ^lües- 
in Mem genommen, tftes burd^aus offenbar, ba§ Ceffing nidjt nur 
unter allen ^eroen unferer ßteratur in muft!äftl^etifd?er öesiet^ung ben 
oberften Hang bel^auptet, fonbern ba§ er aud? — abfolut genommen 
— eine fel?r bead7ten5n?erle £tappe im fintmicfelangsgange ber ZTTufif^ 
2Ieftljetif bilbet. 




«lud ton mbtxt ^iUf, 1Dic«bctt«9«'. 



Cotthold ^raim licssing ab Musik- 



APM2568 




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