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Full text of "Gotthold Ephraim Lessing"

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) *-■' 



9*- 



tDiffenfcfyaft unb Bübung 

€tn$el&arftellungen ans allen (Bebieten 6es IDtffens 

herausgegeben von prbatbojent Dr. Paul Qerre 
52 



(Sottfyolb €pfyratm Cefftng 



Don 



Dr. Htcfyarb ZHaria IDerner 

f. f. Qofrat unb o. ö. UnioerfttAtsprofeffor 



IHtt einem Porträt 






w 



1908 

Derlag pon Quelle & TXltytt in £etp$is 



Seinem lieben Sd)tx>ager 



Dr. UTay &opolb (Efyrenrddf 



3ur Erinnerung an &en Sommer J90?« 



idi \ ; 



2ntl&ltsvev$eidims. 



ämleitnng, 

£e#ng* Jugenojafrre 

Paterfjaus 

3n St. 21fra I7*u— 17<*6 . 

(Erjier £eip3*ger 2lnfent- 

f^alt 17^6—1748 . . . . 

Dramatifdje Anfänge . . 

„Danton ober bie roaftre 

tfreunbfcfyaft" 17^7 
„Die alte Jungfer* 17<*9 . 



Seite 
. \ 

. 7 
. 7 
. 8 



9 



„Per junge (gelehrte" 17<*8 18 



22 



27 
28 

29 

30 

3* 
32 



„Kleinigfeiten" 1751 
3n Kamen3, £eip3ig nnb 

Wittenberg 17$8 . . . 
(Erfier Berliner 2Infent* 

fjalt 17<$8— 1751 . . 

„Der ITtYfogYne 1 ' 17<*8 
Heligiöfe linkten . 
„Die 3uben" \7& . 
«Der $ refgeifi" 1749 
„Beiträge 3ur ^tftorie nnb 

2Iufna^me bes (Theaters" 3<* 
„Der Scfyrtj" 1750 ... 36 

Poltaire 39 

„palaion" 1750 („Por bie- 

fenl" 1756) <k\ 

Hebaftenr ber Dofitfdjen 

geitnng 1751 42 

Abgang von Berlin ... ^3 
2lnf enthalt in Wittenberg 

1751—1752 44 

„Simon £emnius" . ... 45 
38$er nnb £ange . ... 45 
„Schriften " 1753— 1755 . . 4* 



Seite 

„Briefe" 1753 47 

„Vade Mecum für lange" 

**54 . ... 49 

„HettnngenbesQorai 11 1754 52 
„Hettungen" 1754 . . . .58 
Heligtöfes 59 

gmeiter Berliner 2lnf- 
enthalt 1752—1755 . . . 60 
„Permifd?te Schriften bes 

^errndjr.HTYlius" 1754 61 
(Sottfdjeb nnb Sdjönaia) . 62 

. „(Ojeatralifaie Bibliotljef" 

/ 1754—1758 63 

(Eragifdje Anfänge .... 66 

„ßtangir" 1748 . . . .66 

„Samnel Qen3i M 1749 . 67 

„trtifj Sara Sampfon" (755 68 

Berliner jreunbe .... 76 

„pope ein Utetaplftfiferl'' 

1755 77 

gtpeiter £eip3iger 21nf* 

enthalt (755—1758 . . 78 

„Die glfitflia> (Erbin" . . 79 
Hetfe mit Winfler 1756 . 79 
/ Briefipedjfel über bie Cra» 

' göbie 80 

Dramatifdje plane .... 82 
„Das befreite Hom" . . 82 
„(Eobrus 11 nnb„Kleonnis M 

1758 83 

„pitilotas 1 ' 1758 ... 8^ 
„Das ^oroffop" 1758 . 86 
„Dr. f anft" 86 



I c i °i IUI 



IV 



JttfyaltsDe^eidjms. 



Seite 

Dritter Berliner 2lnf. 

enthalt J758— J760 . . 87 

„fabeln" J759 88 

„friebridjs von £ogan 

Sinngebidjte 1 ' {759., 90 
„Briefe bfe Heneße ütera- 

tur Betreff enb" {759 bis 



*7<* 



91 



Breslaner 2luf enthalt 
J760— J765 \o\ 

Keftnq» fllann<6fat>re .... ^07 
XMerter Berliner 2lnf- 

entljalt J765 — J767 . . \0? 
„iaofootl" J766 . . . . \0& 

„Iltinna von Barnfyelm" 
1767 \\o 

Hamburger ilnfentfjalt 

J767— J770 \\5 

„ Qambnrgif dje Drama- 
turgie" J767— J769 . . Ut 

„Briefe antiqnarifdjen 3«- 
fyalts" 1768— J769 . . U9 

„£Die 6ie eilten ben Hob 
gebilbet" J769 . . . . \2\ 



Seite 

3n IDolfenbfittel J770 

bis {?8\ 123 

„(gmtlia (Salotti" J772 . \2<k 
„§ur <Befdjid?te nnb iMe* 

ratnr" J773— J78* . . *30 
3n tPien J775 .... \12 
3talienifdje Heife *775 . *33 
Der IDolfenbfittler Unge- 

nannte J35 

Fragmenten jireit . . . . j36 
„aber ben Beroets bes 

(Seipes unb ber Kraft" 

J777 J37 

„Das (Eejlament ^o^an* 

nis" J777 J38 

„(Eine Duplif" ^778 . . J38 
„(Eine Parabel" J778 . . *39 
„21jiomata" J778 ... ^0 
„2lnti»<8oe3e" J778 ... ^0 
„Hatfjan ber ZDeife" J779 ^3 
„(Emft nnb tfalf" J778 bis 

l?80 \^& 

„Die <Er3te^ung bes Itlen- 

fd?engefdjledjts" J777 

bis J780 .... ^9 
fiterarifdje • 2lnmerfungen . {53 



(5ottljolb (Ephraim Cefftng, tote vertraut Hingt uns biefer 
XTame, trofebem wir bas JUtfränfifdie feiner Sufammenfefeung 
füllen. Der Familienname foH flamfdjen ttrfprungs (ein, von 
Walb abgeleitet, aber bie 2?orfaljren, bie jtdj bis ins fünftefytte 
3afyrfjunbert 3urücf ©erfolgen laff en, waren alle beutfcfy, unb Ceffing 
felbft iji eine burdjaus beutfcfye (Erfdieinung, in feinen Dotsügen 
wie in feinen Sdiwädjen, wenn <£. Düijring etwas 3übifd)es 
in ifym entbecfen unb aus feiner 2lbjiammung erflären wollte, 
fo ijat er geirrt ©n edtf beutfdjer Cljarafter wie ttlrid} 
von fjutten iji nid?t umfonji mit iljm »erglidjen worben. Neffen 
IDort: „nidjt rajien unb nidjt rojlen" i(ätte Ceffmg 3U feinem 
ZlTotto wählen Knnen. Vie alte IDanberluji ber (ßermanen, 
bie trofc größerer Seßljaftigfeit audj uns mobernen Deutfc^en 
nodt immer im Slute jlecft, war in xfyn rege. Unruhig wie 
Qutten 30g er fein teben lang untrer, aber nidjt wie einige ber 
Stürmer unb oranger, weil er etwa eine „problematifdje Ztatur" 
war, bie feiner £age gerecht würbe, fonbern weil es ifjn trieb, 
ftd? um3utun, in mehreren Sätteln gerecht 3U jtfcen, feine 3n- 
bimbualität aus3ubilben unb 3um ttnterfdjiebe von ber gebrauch* 
liefen ©nfeitigfeit feiner Seit eine größere Dielfeitigfeit 3U er« 
reichen. Sis 3ur ZTÜitte bes adit$el\nten 3at|rl|unberts waren bie 
Cräger ber neueren beutfdjen Citeratur, bie ftdj nadi bem 
großen ^ufantmenbrudi im breißigjäijrigen Krieg erji neu 
bilbete, (Belehrte ober Vertreter bejümmter Stänbe. fijflujw 
biegten, ftnnen unb fhreben jte für ein publifum ifyrer 2lrt, 
ber (Selefycte fdjreibt für (Belehrte, ber J^ofmann für feine 
Stanbesgenoffen, 3um öolfe ließen jte jtdj ijSdjjlens Ijerab, 
ofyte ftdj itpn l|in3ugeben, Klopjiocf 3uerji legte, etwas früher 
als Cefjtng, Srefdje in biefe «günftigfeit, aber als Dichter unb 
Selber allein, fein großes Vxdttxvett, ber ZTÜeffias, rufjt »on 
allem Anfang an im ZlTittelpunfte feiner Otigfeit, feines 

^Werner, Gottfplb Cffyratm Cefflng. j 



2 (Einleitung. 

fLvaditens unb Schaffens, alles anbere gilt ifyn nur als Por- 
Bereitung ober 3(usrul}en. Cefftng gei|t weiter; nidjt Dichter 
witt er fem, ja mit rüfyrenber Sefcfceibenfyett fdjrieb er in feiner 
„Dramaturgie" b^n Sa% nieber: „3dj bin weber Sdjaufpieler 
nodj Dichter. TXlan erweifet mir 3war manchmal bie fitjre, 
midi für ben lefeteren 3U erfennen. Tibet nur, u>eil man midi 
»erfennt. Thxs einigen bramatifdjen üerfudjen, bie idj geu>agt 
tjabe, foHte man nidjt fo freigebig folgern. Zlxdtt jeber, ber 
ben pinfel in bie J^anb nimmt unb 5<**ben »erquiftet, ift ein 
ZKaler." 2Iudj ben (Eitel eines (Belehrten »erbittet er: „3dj 
bin nidjt gelehrt — idj möchte nidjt gelehrt fein, unb wenn 
idj es im Craume u>erben tonnte". <£r fyatte bange oor ber 
Sunft, unb fein gan3es Heben fytnburdj ifitet er ftd? ängftlidj 
t>or jeber Kameraberte, wie fte gerabe bamals fo gan3 aus* 
fdiließlidj im Sdiwanqe war. Cefftng fhrebte, ein benfenber, 
füljlenber, ©erfleljenber ZTÜenfdj 3U werben; freilieft trug er ein 
Stüc? ber alten Crbfdiaft aus ber Vergangenheit mit, ber Philologe 
unb ber Geologe regten ftdj immer wieber in iljm unb erfi 
(ßoetlje t onnte pottenben, was £efftng begann, nacftbem Klopjloc! 
3uerji bie gelehrte ©nfeitigfeit burcftbrodjen Ijatte; oon iljr 3ur 
Pielfeitigfeit unb enblidj 3ur 2lHfeitigfeit ging ber IDeg. 

Cefftngs Pornamen (Bottfjolb (Ephraim erfdjeinen uns in 
tftrer unmobernen IDaljl fo red?t fymbolifdi. (Eftrpuglid? pe« 
banttfdj, alte vergangene Seit! Kaum liege ftd? bie 2ltmofpl|äre, 
aus ber ftd) iEjr (Träger losringen mußte, beffer be3eidinen, 
als burdi biefe Pornamen. Kajlengeifi, pafiorenljafte Sefdjränft- 
fteit, IDeltflfadit, ein falbes 2lbwenben com J^eimifdjen unb bodi 
einen nationalen ©nfdjlag glauben wir iljnen 3U entnehmen. 
Itttr aljnen, ba% ftier eine 5*ffel ftdi 3eigt, bie burdibrodjen 
werben mußte, u>enn ftdi Cefftngs IDefen voll entfalten foHte. 
JDer u>agte jebod? 3U leugnen, ba% biefer (ßottftolb (Ephraim 
trofe feiner Pornamen eine burdjaus moberne (ßeftalt geworben 
ift I IDären u>ir nidjt gar fo nüchtern, fyätten wir nodj ben 
fdjönen Kinberglauben unferer Porfaijren, es fyätte jtdj woftl 
bie 5age bilben fömten, £efftng fei nodj gar nidjt geftorben, 
er Ijaufe nur irgenbu>o verborgen unb ijarre bes Cages, ba 
er wieber erfdjeinen muffe, um mit feiner bewährten IDaffe, 
ber K„ritif, aufturäumen unter ben 5*inben bes guten <5e* 
fdimadfe, ber IDaijrljeit, bes eckten $ortfdjritts. 2tber in ber 
<Lat: Cefftng lebt weiter, wenn audj nidjt in feiner (Enblidjfeit; 



(Einleitung. 3 

fein CBjarafter, feine perfSnlidjfeit würfen bis 3um heutigen 
(Lage, von feinem (ßeijle werben wir angeijaudjt fdjon in ber 
Sdjule, benn feine J^auptwerfe gehörten nidjt iljrer Seit allein, 
jte waren gefdjrieben für alle Seiten. 

Unwittfürlidj fragen wir aber: was ruft biefen ©nbruef 
ijen>or? Cefjtngs Cebensrefultate, bie Crfemttniffe, bie er 
©ermittelt, fönnen es nidtf fein, benn jte müßten in bem Säfulum 
feit üjrem ^lufbecfen längft veraltet ober 3um (ßemeingut ge- 
worben fein. Durdj jte ifätte Cefjtng nur unmobern erfdjeinen 
muffen. Xtxdit bie Hefultate jtnb es, fonbern Cef jtngs ZlTetf|obe lägt 
tljn fo mobern erfdjeinen. 3n ber fdjon erwähnten berühmten 
Stelle feiner Dramaturgie fpradj er es mit aller Deutlidjfett aus, 
ba% er alles feiner <5&tün, ber Kritif, ©erbaute, fir ©ergleidjt 
ftdj mit einem Carmen unb nennt bie Kritif feine Krücfe. Die 
Kritif war nichts Zteues in Deutfdjlanb, wofyl aber bas, was 
Cefjtng unter Kritif ©erjlanb, war etwas verloren begangenes, 
©on itym wieber Cntbecftesl Die beutfd?en Porgänger Cefjtngs 
waren nodj befangen im mittelalterlichen Autoritätsglauben, u 
Cefjtng aber befdjetbet jtdj nidjt babei; er oerwirft bie Autori- 
täten nidjt, aber in edjter Kritif prüft er 3uerjl biefe feine 
<5runblagen, elje er jtdj auf fte jiüfet. £rjl wenn er fagen / 
fann, jte Ijaben Hedjt, weil jte mit ber Xtatur ber Sadte über- 
einjiimmen, iji er beruhigt. Da3U aber gelangt er nidjt etwa 
burdj Spefulation, fonbern burdj eine aufs breitete gerichtete 
3nbuftion: er ©ergleidjt Ctteraturen, moberne unb alte, mit« 
einanber, er oergleicftt bie Künjte, um bas ZDefen jeber ein3elnen 
3U erfunben, er oergleidjt bie Heligtonen, um ben eckten (ßottes- 
glauben 3U jtnben, unb gelangt überall, wenn audj nidjt bis 
3ur XDafjrljett, bie naijm er gar nidjt für fldj in Anfprudj, 
aber auf bem IDege 3U xfyc bei bebeutfamen, erijebenben, 
förbernben Hefultaten an. Diefe, wie man jefct fagt, „natur- 
wijfenfdiaftlidje" ZKetfjobe feiner 5orfdjung, bie jebocfj nichts 
anberes als bie alte pijilologenmetfjobe ijl, verleibt Cefjtng ben 
gan3 mobernen (Eijarafter. IDir ©erfolgen gefpannt fein 2?or- 
ge^en, fein Sudjen unb Sonbern unb Kombinieten, wir fe£jen 
mit <Benu%, wie er arbeitet, bas ZKaterial fammelt, 3uredftlegt, 
erflärt nnb Schritt für Schritt weitergeführt wirb, wie er jtdj 
Gxnwänbe macfyt ober fremben <£mwanb überlegt, unb fo 
nidjt auf bem bequemjlen IDeg, aber auf bem ausjtdjtsreidjjien 
weiter wanbett, L nur bie fjoffnung, feineswegs bie Sidjerfyeit 

1* 



4 (Einleitung* 

bes Siels t>or 2lugen. XOit füllen uns fdiliefjlidi bereichert, 
aufgeflärt unt> geförbert, tt>enn audj bas Hefultat nur roieber 
auf weiteres 5treben unb $orfdjen unb Hingen fyinn>eiji. 

Tbxdi Cefftngs ZlTittel ftnb mobern, befonbers fein fjaupt« 
mittel: ber 3oumatismus, bem er von 3ugenb an feine Kräfte 
nribmete, tx>etl er nur burdj xfyi 3U »eiteren Kreifen fpredjen 
fonnte, <£in Unternehmen, wie bie ßteraturbriefe, mag bie 
3bee audj r>on Nicolai ausgegangen fein, erhielt bodj erjt burdj 
£ef jtng Cljarafter ; bie Dramaturgie war eine Cl|eater3eitfdirift, 
wie Dörfer fcfyon 3wei geringere Uerfudje; Srofdjüren, 5lug» 
fdjriften, fyat Cefjtng 3aljllos ausgeben laffen. Hafd? iji er 
auf bem plane, wenn er etwas Perbammenswertes fanb, aber 
md?t etwa als Soilo-Qjerfttes, ber nur auftritt, um 3U tabeln; 
er ©erwtrft nidjt, fonbem er prüft, er wollte nidjt bas Zteuc 
um bes Zteuen willen, fonbem er wollte es naturgemäß aus 
bem Tllten entwicfeln. Unerbittlich wenbet er jtdj nur gegen 
alles, was er als tot unb unfruchtbar erfannte, gegen aQes 
nufelofe banaujtfdje IDijfen, gegen alles unftnnige Streben, gegen 
jebe 3ntoIeran3 unb t>or altem gegen Cfyarafterlojtgfeit nnb 
ttiebertradit. ZTÜilb, aufmunternb, befdjeiben bagegen erfdjeint 
er bei allem Anfand! elungsfäijigen, fogar pietätvoll gegen bas 
Ciebgeworbene, 2lltgewoljnte, audj wenn es 3U entbehren ge« 
wefen wäre, nur burfte es nidjt hemmen unb ftdi ber (Ent- 
wirf etung entgegenjiemmen. Darum erwecft fein l>orgeI|en bei 
all ben Umwäl3ungen, bie es mit jtdj brachte, niefit ben (Ein« 
brurf bes Heoolutionären. Seine Kritif iji nidjt negatio« 
3erji5renb, fonbem pojtti©«weiterbilbenb, jte iji „fruchtbar", wie 
<5oetlje fagt. Cefjtng verwirft nichts, wenn er nidjt etwas 
befferes Zteues bafür 3eigen fann, er tabelt nidit, wenn er 
nxdtt 3ugleid? an3ugeben vermag, wie es richtiger Ijätte gemacht 
werben foHen, er reißt nur ein, was er fdjSner aufzubauen 
fyofft. 2ltterbings jireitfyaft war er, aber fein Haufbolb, bem 
jebes UTittel redjt iji. Ztidjt meberfcfylagen unb vetnxdtten roill 
er ben <5egner, fonbem ifyn als eleganter 5*djter funjigeredjt 
entwaffnen; nxdtt ber Sieg freut iljn, fonbem ber regelrechte 
IDaffengang. Seine <5egner fudjten jtd? feines fdjarfen, bieg« 
famen unb {teueren Hapiers mit Knütteln unb Keulen 3U er« 
wehren, famen bamit aber nidjt auf; er felbji fyat ftdi u>eber 
Cange, nodj Klofe, nodi <5oe3e ober einem ber anberen gegen« 
über bes Knüttels bebient. 2tber bie fein3ifelierte IDaffe ber 



(Einleitung. 5 

3ronie, eines g(än3enben, lebhaften, bramatifdjen, anfd}aultd}en 
Stils ijanbijabte er meifterfyaft, unb wer fte 3U fojien befam, 
(ßottfdjeb ober Doltaire, ber trug IDunben bax>on an ben 
empfmbttdiften Steuert, bort, wo er ftd? wirflidj Ölögen ge- 
geben f|atte. Cefftng fronte niemcmb, ber ftdj etwas »ergab, 
weber 5einb nocft 5*eunb, ftdj felbjt freiließ am wenigjlen, unb 
eine Stelle, wie jene nun fdjon mehrmals genannte in ber 
„Dramaturgie", mufj alle borwürfe gegen tfyn oerflummen 
machen: wer fo männlich ins eigene 5teifdj fdjneibet, ber fyat 
ein Hedjt, audj anbeten gegenüber mit fdjarfgefdiliffenem 
Degen 3U fämpfen. 

ZHit überrafdjenber ^emfüifligfeit entbecfte Ceffing allent» 
falben bas £ntwicfelungs»eri|ei§enbe, 5örbembe unb afyxt er 
überaß bie Xtotwenbigfeit, (ßefefemäfjigfett b^s (ßefdjeljens. 
Tbxdi bas lägt ifyn fo mobern erfdjeinen. (Er bricht mit bem 
breitfpurigen ^Uejanbriner unb wäfylt 3uerft bie Profa, bann 
einen leidjt beweglichen fünffüßigen 3<*™& für bas Drama. 
€r »erwirft bie breite Hebfeligfeit bes ^aiivfyxnbexts unb fpifct 
feinen Stil 3U einem epigrammatifdjen Cafonismus 3U. <£r 
fefyrt aus ber ibealen 5erne bes fran3öftfd?en Klaffotsmus 
in bie (Begenwart, in bie fjeimat 3urücf, nimmt bie 5äben 
ber bramatifdjen Ättwicfelung bort wieber auf, wo fte »on 
ungefdjicften fjänben abgeriffen ober »erwirrt worben waren, 
bei Sijafefpeare, bei ben englifdien Komöbianten, unb gelangt 
fo 3U ben nationalen Stoffen. (Er fütyt in feiner Seele, was 
bas Sürgertum feiner <geit nodj unbeutlidi bewegt, er jteijt bie 
Sdjranfen, bie es einengen, bie 5^ff«l"/ *>i* «s 3urücftjalten, bie 
Kräfte, bie ftdj iijm entgegenftemmen, nnb bemüht ftdj nun, 
freie Bafyt 3U fdjaffen. (Er fennt bie fjauptgegner unb be* 
fämpft jte in ebler Selbjiaufopferung. (Er »erlieft es, populär 
3u fdjretben, aber nidjt, inbem er ftdj gnäbig 3um Dolfe 
herabläßt, fonbern inbem er bas Volt an bie bejfere 2lrt ge* 
wSijnt, fünftlerifdj unb »erftänblidj fdjreibt. Unb all bas 
fällt nidjt einem (Blücfsfinb als reife 5*ud}t unb <Sabe ber 
(ßötter in ben Sdjog, es wirb in harter 2lrbeit unb unermüb- 
lieber Selbfoudjt müijfam genug errungen. 

(Es ift alles fo 3ielbewußt bei Cefftng, fo gar nichts 
»erfdiwommen unb unflar, baj} man tfjn ben erjien TXlann 
ber neueren beutfdjen ßteratur genannt fyat Sein teben, 
feine Betätigung, fein C^arafter erfdjeinen mobern. Cefjtng 



6 (Einleitung. 

tourbe ©iel gesagt unb gefürchtet in feinem £eben, nvb faft 
möchte man fagen, audj nadjijer, aber niemanb fann üjm 
Sichtung ober gar Seadjtung üerfagen. (Er jianb immer auf 
bem ZKarfte unb man fal| üjn von allen Seiten: fyätte fein 
<£t}arafter 5^Jen gehabt, jte wären nidjt verborgen geblieben. 
VLtib fo fielet er nodj ba, t>erei|rungsn>ürbig, erfyebenb für uns, 
ein Vdatm, eine Perfönlidjfeit. 

3ijm ift es nidjt leicht geroorben, er tjat leiben unb jtdj 
quälen muffen, feiten unb immer nur gan3 fur3 Ijat i^m 
bas (Blücf gelächelt, unb man fann jtdj fo gar nidjt r>or* 
jlellen, ba§ irgenb jemanb feine Hamen (Bottfyolb (Ephraim 
3ärtlid? fdjmeidjelnb t>erfür3t fyätte, nidjt einmal bie 5*au, 
bie ifyn beglücfte, fam über „ZTlein lieber" hinaus; aber in 
aller Hot, (Entbehrung nnö (Einfamfeit umrbe er nur immer 
fejier, flarer, reifer, bis er ftdj in feinem tEejtament faft 3um 
Setter einer unenblidjen ^ufunft erfyob. 

XDie er roarb, was er litt unb leitete, cooQen mix im 
ein3e(nen fennen lernen, benn wenn einer es n>ert ift, bajj nur 
uns eingeijenb mit iijm befdjäftigen, ift es ber ZITann mit bem 
altfränfifdien Hamen: (ßottfyolb (Ephraim Cef fing! 



feffmgs 3ugettbjafyre- 



Tim 22. 3anuar J729 u>urbe bem Pfarrer 3oIjann (Sottfrieb 
Cefjtng 3U Kamen3, ber ärmjien oon ben fogenannten Sedjs» 
flauten ber Caujtfe, fein erjler Sofyx geboren unb auf ben Hamen 
(ßottfyolb Cpijraim getauft. Der Pater ijatte als fedjjler Sofm 
aus ber 3tr>eiten <£t\e bes Hatsfyerm GJjeopiiüus Cefjtng am 
2^. Zlosember \6ty3 bas £idjt ber IDelt erblicft unb im 3al|re 
J725 bie Codjter bes bamaligen Primarius $eHer, 3ujHne 
Salome, ein gutmütiges, aber etwas befdjränftes IDefen, ge- 
heiratet, bie tljm 3uerjl ein TXläbdien Dorothea Salome gebar, 
beren fpätere öriefe, E^alb bettelnb, fyalb »oru>urfst>oH forbemb 
als fd^neibenber 2TligHang Cefjtngs Ceben begleiten, bann nadi 
(Sottfyolb <£pfyraim nodj eine Heitre von neun Sülpien unb 
einer Codjter; einige jiarben jung, anbere werben uns nodi 
begegnen. 

Die ©nfünfte waren gering, aber bas (Sottoertrauen bes 
pajlors um fo größer, andi ijatte er toälprenb feiner 5tubien3eit 
ein geijiiges Kapital angefammelt, bas er nur langfam in ber 
<Öbe feines Dafeins auj^eijrte. Sdjon ber (ßrojjoater Cfyeopfyilus 
bisputierte J669 vov ber £eip3iger ptjilofopijenfafultät „De 
religionum tolerantia", freijtnnig bie Dulbung religiofer Über- 
3eugung betonenb. ^ol^ann (ßottfrieb glätte fpäter ebenfalls 
geroanbt im Disput, machte ftdj mit bem 5tan3Öjtfdjen unb, 
u>as merftoürbiger n>ar, bem (JEnglifdjen oertraut, fudjte bnxdi 
Überfettungen aus biefen Sprachen feine ^eitgenoffen 3U be< 
lehren unb jtdj 3ugleidf ein Ztebeneinfommen 3U ©erfdjaffen, 
fcfyledit unb redjt permodjte er audj feinen Pers 3ufammen3u« 
leimen unb fo coenigfiens für ben Kirdjengefang 3U forgen. 
Der 5<*tnilienatmofpi}äre bes Paterfyaufes fehlte alfo bas feine 
Parfüm ber Silbung unb bes literarifdjen 3ntereffes nieftt, 
wenn audj fiijren Cefjtng in ben fleinlidjen Derijältnijfen feiner 
ärmlichen Pfarre bei feiner 2lbgetrenntfjeit 00m geiftigen teben 
ber Seit immer mefyr perfümmerte unb ©erfnödjerte. 



8 3tt St. 21fra ^7^^ — 17^6. 

Don Ceffings 3ugenb wiffen wir nidjt piel, nur feine Dor* 
liebe für Südier wirb uns burefy bas Bilb eines Kamen3er 
Künfilers perbürgt; im roten Sonntagsgewanb ftfet er mitten 
unter bm geliebten Suchern, bie er ftdj ausbebungen fyatte, 
unb blieft ben Sefcfcauer mit pfiffigen 2lugen an, wäfyrenb 
fein jüngerer Sruber ©jeopfylus ein £amm ftreidjelt. (ßottijolb 
€pfyraim lernte beim Heftor l^einifc rafdj, eine fur3e Dorbe* 
reitung burdj pafior Cinbner in pufefau folgte, bann fam ber 
3tt>ölfjäfyrtge Knabe nad] St 2lfra, ber 5ürfienfdjute 3U ZHeigen, 
wo xfyn ein 5*eiplafe 3uteil würbe. 2lm 2\. 3uni \7%\ legte 
er in bie £}änbe bes Heftors (ßrabner bas feierliche (ßelöbnis 
ab. €r fam bamit in eine jener flöfterlidj eingerichteten Schulen, 
bie in ber Stibung unferer bamaligen literarifdjen (ßrögen eine 
foldje Holte fpielten: Klopflocf in Sdjulpforta, IDielanb in 
Klofterbergen, Sdjitler in ber Karlsfcfcule, fte alle lernten, n>ie 
£efftng als 2lfraner, jene IDeltabgefdiiebenljeit fennen, bte jtdj 
3wifdjen freiere Kinbt^eit unb freieres HTannesalter gleidj einem 
Stüdf unfreiwilliger 3&YHe legte. 2luf fedjs 3äfy* »<** bec 
2luf enthalt in St 2lfra beregnet; wäijrenb biefer geit gab es 
feine 5^ien, ein eht3igesmal fam Cefßng (5rü^jaljr \7^3) mit 
Urlaub ins Daterljaus. (Brünblidie pljilologifdje Kenntniffe 
vermittelte bie 2lnjialt, nidjt blog £atein, audj (ßrtedjifdi würbe 
gepflegt, unb Cefjtng gefleht felbfh „öjeopljraft, piautus unb 
Ceren3 waren meine DDelt". T)ie Schüler fyattm bei allem 
Swang eine genriffe 5reif)ett 3U lefen unb 3U treiben, wonach 
jte it|r £?er3 gelüftete. 3m £eljrplan fehlte weber bas ©eutfdje 
nodf bas 5ran3Öjtfdje, £ogif, (ßefdiidjte, (ßeograpljie würben 
gelehrt, in ber ZUat^ematif glätte Cefflng befonbers. Seine 
Seugniffe, Joweit fte erhalten ftnb, rühmen feinen (Eifer, fein 
fyübfcfyes Sugere, bas nur burdi Kecffyeit gefdjäbigt werbe, 
fagen ifyn einen 3war nicfyt fdjlimmen aber atfculjifeigen (Ojarafter 
nadt, mehrmals wirb feines „moquanten" IDefens gebadet, 
(ßrabner urteilt im ^erbji \7^5 über ben Sedftefyijäljrigen: 
„<£s gibt fein (Bebtet ber (ßeleljrfamfeit, bas fein rühriger 
(Seift nidjt begehrte unb ergriffe; nur mufj er bisweilen t>on 
einer bas rechte TXla% überfdjreitenben ^erfplitterung 3urüdF* 
gehalten werben". Hafdj entwuchs Cefjtng ber Sdjule, im 
Svüttiafyc \7%6 war er ber fedjfle primaner auf ber erfien 
Dehirie unb ijätte nodj bis 3um Sommer \H7 in St 2lfra 
bleiben muffen. 2tber es 30g ifyi hinaus, unb ber Heftor foH 



greife. 9 

bem Dater auf eine frage geantwortet fyaben: ;/ £r ifl ein 
Pferb, bas boppeltes frttter ijaben mug. Die Cectiones, bie 
anbern 3U fdjtper toerben, ftnb iijm finberleicfyt. XDir fönnen 
ifyn faft nid?t metjr braudien". Da toanbte pdf ber Pfarrer, 
ben Sitten feines Sohnes nadjgebenb, an bas (Dberfonftßorium, 
bas allein bie fintlaffung por bem Sejennium geflattert fonnte, 
würbe 3uerjl abgeroiefen, am 8. 3uni J7^6 aber erfolgte bie 
(Erlaubnis, unb am 30. 3uni t^ielt Cefftng feine Dalebiftio r 
„De mathematica barbarorum" (Die ZlTatljematif ber Sarbaren), 
bie uns nidjt erhalten ifi. £r perlieg St 2lfra, bas im legten 
IDinter unb Sommer meljr einem Ijofpital als einet Sdjule ge- 
glichen Ijatte. Das Sombarbement ZlTeigens am 9- De3ember J7^5 
unb bie Sdjladtf von Keffelsborf brachten alle 5urdjtbarfeiten 
bes Krieges Aber bie fKUe Stätte, fo bag Cefftng feinem Dater 
am \. 5ebruar \7<{6 fyödjfi anfdjaulidj bie eingetretenen Deränbe* 
rungen fdjilbern fonnte. ZTlan ftefyt an biefem prächtigen Briefe, 
bag ftdj Cefftng bie IDarnung eines feiner ^eugniffe: „er foQe 
feinen Stylum nidjt pemadjläfftgen" 3U £)er$en genommen l\at; 
wie frifdj unb lebenbig perfleljt er 3U djarafterifteren unb 3U er« 
3äfylen, gefdjicft bebient er ftdj bes Kontrafies unb permag ofyte 
lange logifdje Debuftion einbringlidj feinen ZDunfdj megen ber 
€ntlaffung ijeraustpadjfen 3U laffen. Das ©errät Übung unb 
angeborenes fttlifiifdies (Calent. 2ludj fdjon ber erjle uns er« 
Ijaltene Srief Cefjtngs pom 30. De3ember \7%3 (an feine 
Sdjtoejier) 3eigt bei aller fnabenfyaften ültflugfyeit unb Steife 
fein IDefen, gefdjicft bringt ber „ZlToquante" feine Sticheleien 
an, trägt feine IDeisljeit t>or: „Schreibe, toie Du rebeft, unb 
fo fdjreibfl Du fdjön", adtt 3<*fyre por (ßeüerts Anleitung 
„Don bem guten (ßefdjmacf in Briefen", brollig beruft er ftd? 
auf bie „firfaBjrung" unb lägt uns feine frühreife erfennen, 
beffer als feine Derfe, in benen er fidj audj fdjon perfudjte. 
IDir beftfeen einige Proben, es fefylt ifynen nodj jeglidje fiigenart; 
bag audi fdjon (ßrögeres reifte, uriffen wir pom Dichter felbfi, 
fo fein fpäteres Cuftfpiel „Der junge (Belehrte". 

(Eüdjtig pfylotogifdj gefault, mit freier felbfiänbiger 
Sdjäfeung antifer Tutoren, getpanbt in IDort unb Sdjrift, poH 
3ntereffe für bie IDijfenfd?aften, mit roeitem (Beftdjtsfreife per- 
lieg Ceffing bie Schule, um nadj Ceip3ig 3U get|en unb bort 
(Ideologie 3U fhxbieren. Der Huf bes Konreftors „2lbmirabler 
Ceffing 1" fyalb bitter, fyalb betounbernb ausgeflogen, Hingt iijm 



/ 



10 €rj*er Seidiger Tlnfentfyxlt *7*6— *7<*8. 

aus St 2lfra nad}. Drei UTonate »eilte ber Sofyx im Pater* 
l^aufe; pom Pater für &en entfdjeibenben Schritt porbereitet, 
mit einem Stipenbium ausgejiattet, be3og er bie Canbes* 
uniperfität. £inen HTonat por bem Beginne ber Porlefungen 
traf er bereits in £eip3tg ein urib tpurbe am 20. September \7<{6 
immatrikuliert. Cr wohnte 3uerjt mit einem Philologen 5ifd?er 
3ufammen unb pergrub pdf fogleidj in bie Stubien. Croftbem 
tpirb man an SdjiHers „pegafus" gemannt, toenn man ben 
angel)enben (Eljeologen, ber feine jlägel 3um 5tug ins leben 
3U entfalten beginnt, neben bem fleißigen p^ilijler, ber fpäter 
als Heftor ber (Efyomasfdfule feinen ehemaligen Stubenburfdjen 
Ceffmg ^en Schülern als roarnenbes Beifpiel bettetrijlifdjer 
Perirrung vorgehalten traben foll, nebeneinanber fteljt. Der 
jhimpfe Brotgeleljrte unb ber pfylofopljtfdie Kopf, bie bann 
SdjiHer in feiner 3*nenfer 2lntrittsrebe gegenüberjleHte, t)ier 
in ber (ßrimmatfdien Strafe tooljnten fte in einer unb berfelben 
Stube: ber tpaefere Philologe alten Schlags, ber feine Uni* 
perjttätsjafyre nur als Porbereitung 3U feinem fünftigen Cebens« 
beruf anfafy, unb ber mächtig portpärtsjhrebenbe Geologe, ber 
balb im fjörfaale bes mobernen Philologen 3* 5- ä^rtfi häufiger 
3U finben u>ar, als in ber <5efeHfdjaft feiner Berufsgenoffen. 
Cefftng felbjt fyat uns in einem Berliner Brief an feine 
J ZITutter (20. 3<*nu<** \7ty) fpäter feinen „gan3en Cebenslauf 
auf Untperjt täten" abgemalt, fo ba% wie Hin beutlidj por 
2tugen traben: ,,3d] fomme jung pon Schulen, in ber geeoiffen 
äber3eugung, bajj mein gan3es (ßlücf in ben Büchern befiele. 
3dj fomme nad? Ceip3ig, an einen (Drt, ipo man bie gan3e 
IPelt im Meinen fe^en fann. 3$ lebte bie erften ZHonate fo 
einge3ogen, als idj in UTeijjen nidjt gelebt fyatte. Stets bei 
ben Büdjern, nur mit mir felbjt befdjäftigt, backte idj eben fo 
feiten an bie übrigen ZlTenfd?en, als Ptelleidjt an (5ott. Diefes 
(Beftänbnis fommt mir ehpas fauer an, unb mein einiger tCrofi 
babei iji, ba% midi nidjt fdjlimmers als ber 5fei§ fo närrtfdt 
machte. Voi\ es bauerte nidjt lange, fo gingen mir bie 2lugen 
auf: Soll id} fagen, 3U meinem (Slücfe, ober 3U meinem Un- 
glücke? Die fünftige &e\t toirb es entf Reiben. 3$ lernte 
einfetten, bie Bücher tpürben midi tt>otjl gelehrt, aber nimmer« 
meljr 3U einem UTenfdien machen. 3d? tpagte midi von meiner 
Stube unter meinesgleichen, (ßuter (ßottl n>as por eine Un- 
gleichheit tpurbe id} 3tpifdien mir unb anbern getpafp. £ine 



Cebett lernen. — <£tjrijHob HTylins. 11 

bäurifdje 5difidjternlieit, ein t>erwilberter unb ungebauter 
Körper, eine gän3lidie ttnwiffeniieit in Sitten unb Umgange, 
©erfaßte ZTKnen, aus weldjeu jeberman feine Peradjtung $u 
lefen glaubte, bas waten bie guten ©genfdjaften, bie mir, bei 
meiner eignen Beurteilung übrig blieben. 3dj empfanb eine 
Sdjam, bie idi niemals empfunden Ijatte. Unb bie IDirfung 
berfelben war ber fefie (Entfdfluß, midi gerinne 3U bejfern, 
es fofte was es »olle. . . . 3^1 lernte tan3en, fedjten, oolt^ 
gieren. . . . 3^1 1<xm in biefen Übungen fo weit, ba% midi bie« 
jenigen felbft, bie mir im Poraus alle (ßefdiicflidifeiten barinnen 
abfpredjen wollten, einigermaßen berounberten. Diefer gute 
Anfang ermunterte midi heftig. ZlTem Körper war ein wenig 
gefdjicfter worben, unb idi fudjte (BefeUfdjaft, um nun audj 
leben 3U lernen. 3^1 legte bie entsaften Büdner eine seit- 
lang auf bie Seite, um midi in benjenigen um3ufeE}n bie weit 
angenehmer, unb x>ie!leid}t ebenfo nüfclidj pnb. Die Komoebien 
famen mir 3uer ji in bie fjanb. €s mag unglaublich ©orfommen, 
wem es will, mir ijaben fte feijr große Dienfte get^an. 3<il 
lernte baraus eine artige unb ge3wungene, eine grobe unb 
natürliche 2luffül|rung unterfdjeiben. 3cft lernte waijre unb 
falfdie Cugenben baraus fennen, unb bie £after eben fo 
feljr wegen tfyres lädierlidjen als wegen iijrer Sdjänblidifeit 
fliegen. . . . 3>od? balb iiättc idi ben Dorneljmften Xtufeen, 
ben bie Cuftfpiele bei mir gehabt ljaben, ©ergeffen. 3<*l lernte 
midi felbft fennen, unb feit ber Seit fyabt idi gewiß über 
niemanben mefyr gelacht unb gefpottet als über midi felbft/' 

Qauptfädjlidi war es Cefftngs Detter C^rifHoS ZTZylius, x/ 
ber iljn aus feiner XDeltabgefdiiebentjeit herausriß. <Sx war 
fteben 3^r älter als Cefftng, J722 im lauftfeifdjen Heidienbadi 
geboren, ijatte in Kamen3 gelernt unb — freilidi nur als 
Sdiuttjalterabjunft — gelehrt, ftubierte feit \7^2 in Ceip3ig 
unb ©erfdjaffte ftdi burd? joumaliftifdie Coijnarbeit bie ZlTittel, 
um ftdi feinem Cieblingsfadj, ben XTaturwiffenfdiaften, wibmen 
, 3U t önnen. 5trebfam, Ijoditalentiert, aber diarafterfdjwadi, gab 
er ftdi ba3u Ijer, mit (tramer bie <5ottfdiebifdie tbodjenfdirift , 
„Bemühungen 3ur Seförberung ber Kritif unb bes guten <ße« I 
fdjmacfes" 3U rebigieren unb barin feit \7%3 bie ärgfte <5ott» ' 
fdiebianifdie Seaftion 3U oerfediten; bie „ fjätlif dien Semüljer", 
wie man fte nadi bem angeblichen £rfdieinungsorte ber ^eit> 
fdirift nannte, fpielten im Streit um Malier eine traurige Holle. 



' 12 leffings Umgang. 

2lber TXlylxns ging barin nidjt auf, er Ijatte Ceil an anberen geit- 
fdjriften, überfefete fleißig aus oerfeftiebenen Sprachen, forgte für 
Verbreitung naturwiffenfdjaftlidje* Kenntniffe unter „bem 5rauen- 
3immer", gab oerfdjiebene XDodienfdjriften heraus, bie er fajl 
gan3 allein fdjrieb, bidjtete allerlei, audi Cujtfpiele unb Satiren, 
war mit einem XDort ein febergewanbter SdjriftfteHer. €ine 
feiner Scitfcfjrtftcn, bie er J7^5 begrünbete, gab ifym einen 
böfen Spifenamen, b&s jebesfalls in ben 2tugen ber Kamen3er 
Pfarrersfamilie: „Der 5*evgeiji". (ßottijolb (Ephraim ein <ße* 
noffe bes „5*evgeijls" Cijrijllob, ber fogar Kamen3 unb feine 
Sefyörben mit Spott überfdjüttet Dattel Zlidit genug batan, 
nodj furchtbarere Ztadjricfjten brangen »on £eip3ig in bie jtiöe 
laufifeifdje pajtorswoljnnng: ber fünftige Pfarrer oerfefyrte 
mit — Sdjaufpielernl ZHan muß jtdj ber tiefen Verachtung 
erinnern, ber bamals nodi immer trofe (Bottfdjebs bafynbredjenbem 
X>erfeljr mit ber Heuberin bas (Theater unb alles, was bamit 
3ufammenljing, in ber großen ZlTaffe verfallen u>ar. Die 
„varende diet" bes ZTCittelalters war „uneljrlidi" gewefen, bie 
Sdjaufpieler waren es in ber ZHeinung vieler andt weiter, ja 
es würbe nodj gegen Schluß bes ad^e^nten 3<*fyrfiunberts ben 
(Seiftlidjen ber Sefudi bes Sdiaufpielljaufes perboten. Unb 
nun mußte bie für bas Seelenheil iijres ältejten ofyneljin be* 
forgte $rau 3uftfne Salome Cefjmgm, geb. 5eHerin, l$ren, 
ba% iljr Soljn ben Weg bes Derberbens wanble, mit Scftau- 
fpielern unb — was nodj fdjlimmer ijl — fogar mit KomSbi* 
antinnen oerfeljre, ins tOjeater laufe, jiatt bie tljeologifdjen 
üorlefungen 3U befucfjenl 2tudi fyente würbe wofyl manche 
ZHutter für ifyren Soljn 3ittern, wenn jte äfynlidjes ijörte; unb 
geleugnet fann nic^t werben, ba% Cefjtng neben ben Cidjt- audj 
bie Sdiattenfeiten bes Sdjaufpieleroerfeljrs fennen lernte. Vas 
' Stipenbuxm war gering, Sufdjüffe ©on J^aufe floffen fpärlicft, 
ber Umgang mit bem leichtlebigen OjeaterpSlfdien machte 
mandje Ausgabe nötig unb — (Bottljolb (Ephraim fontraljierte 
Sdiutben! eitles Ratten bie filtern bafyeim gehört, mit immer 
bebenflidjerem Kopffcfyütteln begleitet, ba fcfylug eine Kleinigfeit 
bem Saft ben Soben aus: (ßottl^olb <2pl|raim ijatte ben Stol3 
mütterlicher Kodjfunft, ben frommen ZDeifynaditsjioHen, pietätlos 
in ber Kneipe mit bem 5*eigeiji TXlyl\us f mit Komöbianten unb 
Komöbiantinnen oer3efyrt. Dies fonnte bas 2Tlutter^er3 nidjt 
x>er3eüjen, gottoergeffen, burdi unb burdj fdjledjt mußte ein 



Dtd?terifd?e anfange. 13 

folcfter Soljn fein, unb fo tarn plofelidj im ^annax J7^8 ein 
gettel pon ber l}anb bes Paters — ber erfte Srief an £efjtng, 
ben toir befifeen — mit ben garten IPorten: „Sefee bidj, nadj 
fimpfang biefes, fogletdj auf bie poft, unb fomme 311 uns. 
Seine ZlTutter ijt tobtfranf, unb verlangt bidj por ifyrem Gnbe 
nodj 3U fpredjen". Cefjtng getfordite fofort unb fam ijatberjtarrt 
bei grimmer Kälte nadj Hamens, wo xfyn feine ZITutter gan3 
gefunb entgegentrat. ©b ber Pater ftd? tatfädjlidf einer £üge 
bebxent baue, ober ob bie ZKutter tpirflidj franf getpefen rpar, 
»ijfen u>far nidft. Vodt tonnte ftdj ber pajtor balb über3eugen, 
baß (ßott^olb £pt)raim feine Seit in £eip3ig nidit nufelos fyatte 
perftreidjen laffen. ©n potles Pierteljafyr, bis ©flern {7^8, 
blieb biefer ba^eim, unfreitpiUtg taub gegen bie Cocfungen ber 
5reunbe, bie iljn gerne toieber in £etp3ig gehabt Ratten. £iner 
pon üjnen, fjeinridj 2tuguji (Djfenfelber, ein Dresbner, entwirft 
in einem Senbfdjreiben „2ln Ijerr £ef fingen in Camen3" ein 
an3iei)enbes Silb ber £eip3iger Sfiljne wie bes $reunbesfreifes, 
apofhropfyert ben Entfernten: 

Dtefletdjt befc^äfttgt jldj Pein f let§ mit neuen Bxlbetn, 
(Sefe^ner (Toren ^efjl leBenbtg ab3ufdjtloern. 
<5nt, fammle wadtt ein, fo fötnmj* X>n an Dein gtel, 
Bring fle in <£fyarafter 3um £u{l- mtb Crauerfpiel! 

unb 3eigt ifyn als erreichbares Sieh „IPirji Du ein ZKolterel" 
Diefe XDenbung tpar ntdjt bloß eine ber bamals abliefen 
äbertreibungen, benn £eip3ig fyatte bem 2tfraner tatfädjlidj 
bie gunge geldjl; auf bie müljfamen Sdjülerperfudie, bie er 
im Brief aus ZTieißen an ben Pater mit foldjer Peradjtung 
ertoäfytte, u>ar eine reiche Probuftion gefolgt, ein erjler poeten* 
fr&^ling, ber in bunter 5üKe mancherlei Knofpen aufbrechen 
falj. 211s begabter Sdjüler feiner Seit Ijatte £effmg mit <5efdiicf 
unb nidft ofyne Selbjtänbigfeit bie perfdjiebenen ZlTobe« unb 
£ieblingsgattungen feiner tEage gepflegt, aar pon ber Dibaftif 
feiner Sdjufceit 3ur leichten, metjr nrifeigen als gefühlsmäßigen 
2lnafreontiF übergegangen, lebte ftdi als fleißiger Sefudjer 
bes £eip3iger (E^eaters in bas leichte fädjjtfdje £ujtfpiel ein, 
übenpanb im 2lnfdjluß an (SeDerts 5«belpoejte 3uerji bie breite 
fädijtfcfce ZITanier nnb begann feinen fpäteren £afonismus 
aus3ubilben. Die außerorbentlidje $ruditbarfeit biefer £eip3iger 
£ebensperiobe bemeifl beutlidf genug, ba% jtdj £effmg mit 
feinem 2tusfprudi, er fei (ein Dichter, unrecht tat, benn nur 



14 „Dämon ober bie umfjre freunbfdjaft" J7<*7. 

ein urirflicrjer poet tonnte fo ©iel unb fo ©erfdjiebenartiges 
probu3ieren, roäfyrenb er ftdj aufjerbem mauferte unb erfi 
fiebert" lernte. Sie Seforgniffe ber ZlTutter trafen nidit 3m 
Cefftng roar fein verbummelter Sbxbent, audj wenn er ben 
Seinen auseinanberfefete, bafj er unmöglich roeiter (Erjeologie 
ftubieren fönne, lieber rootte er „ZlTebicinam treiben". Der 
Hajllofe roollte ©or allem feine Kräfte prüfen, um bann ein- 
3ugreifen, roo er jtdj an feinem plafee roäfynte ober, rote fein 
rütjrenbes XDort im Berliner Briefe lautet: „3d? roerbe bod? 
rooijl nodj an einen (Dxt fommen, roo jte fo einen 5Kcfftein 
brauchen fönnen roie mief/". 

2ludj als Didjter fudjte Cefftng lange ben punft, auf 
bem er flehen fonnte, um etoas (Eigenartiges 3U leiten; er er- 
probte 3uerjl feine Kräfte, inbem er nadjaijmenb unb umbilbenb 
2lltes unb tteues ©ereinigte, lernte, roas 3U lernen roar, unb 
aHmäfyltdj feine Sdjroingen entfaltete. Das erfennen roir in 
ben tajienben Perfudjen, bie er felbji 3U feinem fpäteren 
ärger ©or3eitig bruefen lieg ober bie erjt aus feinem brama- 
tifdjen Zladtla% befannt rourben. ^ier erfdjeint er als Sdjüter, 
ber rafdje 5ortfdjritte macrjte unb burdj jebes neue Stücf eine 
Stufe roeiter fam. Die tEedjnif, bie TXladie, bie Kunjtgriffe 
Reifen natürlich nur, roenn jtdj irjrer ein angeborenes Calent 
bemädjtigt, aber jte bürfen nidjt ©ernadjläfjtgt unb muffen ©on 
jebem Anfänger ben Vorgängern abgegueft roerben. Vas fyat 
benn audj üefjtng getan unb mit feiner ttnermüblidtfeit fein 
ZHujier ©erfdimäfyt, bas iijm etroas Brauchbares ©ermitteln 
fonnte: bei Deutfdjen unb 5ran3ofen, 2lntifen unb ZlTobernen 
erholt er jtd? Rate, ans Büdnern roie aus bem Umgang mit 
Dichtern unb Sdjaufpielern geroinnt er ein3elnes unb bemüht 
ftdj fofort, bas (Erlernte mit einiger $retljeit 3U ©erroerten. 
So entjkmb ber (Einafter „Dämon ober bie roafyre 5**unb- 
fdjaft", ^7^7 in ZlTylius' „(Ermunterungen" erfdjienen, ber 
merjr inneren (Erieb 3ur poejte als äußeres Können ©errät, 
aber 2ln3eid?en eines urfprünglid?en tLalents trofebem aufroeijt. 
Sd?on fielen 3roei (Efyaraftere 3U einanber im (Segenfaft: 
Dämon unb Ceanber, obroofyl fte in 5*eunbfcrjaft ©erbunben 
jtnb, unb ber ttnterfdjieb 3»ifd?en ifynen tritt bebeutfamer rjer©or, 
roeil fte einanber fdjeinbar ferjr ärjnltdj fefjen; fdjon brecht ftdi 
ber Konflift um (Ein IDefen, eine junge fd?öne reiche IDitroe; 
fefton fyat bas ©ertraute Stubenfäfecfjen Cifette bie 3ntrige in 



(Lfyaraftere, 3titrtge. 15 

ber fjanb unb ein alter Petter (Dronte feftlt nieftt. Dagegen 
permiffen wir noeft ein anberes ZlTitglieb bes eifemen Cfteater* 
bejianbes, ben fomifeften Öebienten, wesftalb audft ffir CufHgfeit 
noeft nieftt feftr reieft geforgt ift. gwei 5reunbe bewerben jteft 
um bie IDitwe, beibe roagten iftr Dermogen 3ur 2lusrüjiung 
je eines Scftiffes ber ojtinbifcften Kompagnie unb feften bem 
Crfolg iftrer jaufmännifeften Spekulation entgegen. Ceanber 
füB^rt bie fcftönjien pftrafen über bie 5*eunbfdjaft im ZTCunbe, 
wäftrenb fteft Dämon Porwürfe barüber maeftt, ba% er jteft 
3U einer folgen £jöfte ber 5teunbfdjaft ntcftt auffeftwingen 
Knne; balb freilieft entpuppt jteft jener als ZTCaulftelb, in- 
beffen jteft biefer bewäftrt. ZlTitten in bie Situation füftrt 
uns bas Cuftfpiel bureft ein (ßefpräcft Cifettens mit iftrer 
Herrin. <£s iji leer geworben im I}aufe ber jungen XDitoe, 
x>or fur3em noeft ber Sammelplafe pon un3äftligen jungen 
Ferren unb perliebten XTarren, nur 3wei ftnb übrig geblieben, 
aber was jiellen jte cor? Sinb jte noeft 5teier? „So? 
Dämon iji alfo bes teanbets ttebenbuftler, nnb Ceanber bes 
Dämons. Unb gleicftwoftl jtnb Ceanber unb Dämon bie bejien 
5reunbe? Das wäre eine neue ZITobe. IDiber bie fhreite ieft 
mit Stänben unb 5üfeen. Was? Ztebenbuftler, bie jteft nieftt 
unter einanber 3anfen, perleumben, feftimpfen; betrügen, fteraus* 
forbern, fcftlagen, bas wären mir artige Kreaturen. Ztein. 
<£s muß bei bem 2tlten bleiben. Unter ZTebenbuftlern muß 
5einbfcftaft fein, ober fte ftnb feine XTebenbuftler." Diefer föji* • 
tiefte protejt Cifettes perfpottet bas bamalige Cuflfpiel mit; 
feinen typifeften Öerftältniffen, pielleieftt fogar (ßottfeftebs Cfteorie, 
bie ein foleftes 5*jiftctlten an ber Crabition gerabe3u »erlangte. 
3n einer broüigen Konperfation erpregt Cifette ber H?itwe bas 
ftalbe (Bejiänbnis, ba% jte aueft gern eine (Entfcfteibung fäfte, 
boeft iji bie gut gebaeftte S3ene noeft nieftt wirffam genug aus- 
genufet, weil £effmg noeft nieftt frei über bie tfteatralifeften 
ZHittel perfügt. Cifette min bie (Entfcfteibung babureft fterbei- 
füftren, ba% jteft iftre ^errin für jenen erflären folle, beffen 
Scftiff bas größte (ßlücf i(at t bie Sebenfen fönnen nieftt reeftt 
3ur (Geltung gebraeftt werben, benn Dämon fommt unb Cifette 
brängt bie Herrin pon ber Süftne, auf ber jte erji 3um Scftluß 
bes Stücfes wieber erfefteint. 21ucft bies ein ^eieften bes An- 
fängers. Die 3ntrige wirb etwas plump unb gefueftt bureft- 
gefüftrt, läuft barauf ftinaus, ba% eine Permögensgemeinfcftaft 



r 



16 „Die alte Jungfer" yity. 

3wifdjen ben $reunben ausgemalt wirb, obwohl Ceanber fdjon 
roei§, fein Schiff fei untergegangen. Sdjliegltdj erfolgt bie 
Cnttanmng bes falfdjen $reunbes, wäljrenb Dämon bie Sraut 
fyeimfäijrt unb feinen gan3en <£belmut beweiji, fo b<x% Ceanber 
felbji gefielen muß, er \\ab* bie 5reunbfdjaft oft genannt, aber 
erji jefet burefy Danton fennen gelernt. Die Cljaraftere ber 
beiben befreundeten Xtebenbufyler jtnb fibertrieben in ber Seid)* 
nung, bie junge IDitwe gan3 farblos, faum mit einem 2lnfafe 
3ur Cijarafterijiif, (Dronte mit feinem ewigen „Perjiefy €r 
midi" frojiig, aber in ber erjien S3ene unb im Sdjlugauftritt 
mit (Drontes Perfud?, bie IDitwe für jtdj felbji 3U erlangen, 
3eigt ftdi Sinn für bas Komifdie. Die «Hjrlidjfeit im <5egen- 
fafe 3ur tt)ettflugi|eit (Dämon unb ©ronte), XTatur unb Unnatur 
(Dämon unb Ceanber), Cijt unb Offenheit (Cifette unb bie 
IDitwe) jtnb wenigftens angebeutet, unb oor altem: bie 3«trige 
wirb in 3efjn ftn^en 53enen rafdj unb nidit untoaljrfdjeinlicft 
rafdj abgewicfelt. 3ji es eine primanerarbeit, fo bodj bie 
^Irbeit eines talentierten Primaners. 

„Dämon" weiji im ZDefentlicften auf bas Cfyarafter- unb 
weinerliche Cujifpiel ijin, Cefjtngs nädjjier Derfudj „Die alte 
3ungfer" (erfi \7ty erfdjienen) iji fyauptfädjlid? ein 3ntrigen- 
flücf unb beweift in. ber ttecftnif, wie Diel ber Dichter in3wifdjen 
gelernt bat €r wagt es fdjon, weiter aus3u!jolen, bie &<ü\l 
ber ^auptperfonen 3U oemtefyren, Ztebenperfonen gefcfyicft mit 
ber J^anblung 3U perbinben unb ein3elne 53enen braftifdj 3U 
gehalten. Das Klotiv iji Mein: eine alte 3ungfer ©ijlbinn 
foÖ mit bem t>erfdjulbeten Kapitän t>on Schlag verheiratet 
werben, ben jte nodj nidjt gefe^en Ijat; ifyr XTeffe Celto ren- 
net aber auf bie €rbfdjaft nnb fudit mit f}itfe Cifettes bie Per» 
binbung 3U hintertreiben. Sie gewinnen bm „(ßebadenesträger" 
peter baffir, als x>on Schlag auf3utreten unb jtdj unleiblid? 
3U machen. 2tber trofebem er furchtbar aufträgt, gelingt es 
iijm mdjt gan3; im legten ZKoment tritt ber wirflidje pon 
Sdjlag auf, gewinnt bie 3ungfer, wie ben Zleffen, ber in 
feiner Der3weiflung faji fdjon entfdjloffen war, felbji bie 
3ungfer 3U heiraten, nnb mit ber Slusjtcftt auf einen Sdjmaus 
enbet bas Stficfdjen. ZHan jte^t, ber Stoff war txnbebenUnb; 
was Cef jtng mit ifyn an3uf angen wußte, gibt ben Beweis ffir 
feinen 5ortfdjritt. Zleben ber berben Komif fefylt bie <5ra3ie 
nidit, bie brannten {Typen gewinnen burefy Heine §äge neues 



Komtfdje S$tntn. 17 

toben. Celto unb Cifette, ber leidjtjtamge Sdfulbenmadjer 
unb bas fdjnipptfd?e Stubenmäbdjen aüerbings ftnb bic un* 
peränberten Sefannten ber Kom&bie, bte 3*ngfer ©tybhm 
bagegen unterfdjeibet pdf fdjon einigermaßen pon ben 
mamtstotlen alten 3ungfem bes trabittoneHen Cujifpiets, por 
allem burd? einen gufaft t>on anmutiger SdjalHfaftigfeit. 2IIIer* 
liebji ijt 3. 8. bie 53ene (II, 3), bie man mit jjoljann ©ias 
Sdjlegels gleichseitiger Komöbie „Die fhxmme SdjSnljeit" 3U* 
famrnenjlellen fann, was bie 2lusbilbung „fdrper lieber (5ra3ie" 
anlangt. Klttanber, ein fdiipafeijafter (5ed, fyat von ber ge- 
planten fjodftett gehört, gratuliert unb uritt bie ©fylbinn unter« 
richten, tpeldjes Benehmen unb treibe Cän3e bie neue Seit 
verlange, guerjl n>iD er fe^en: „VOu machen Sie bas Kom- 
pliment?" Sie eruribert 3u>ar: „©, 3fy* Dienerin! fo weit 
laffe idj midi nidjt 3um bejlen Itaben" , babei mad?t fte aber 
bodi ein Kompliment, bas ifyn ent3Üdt, nur rät er, fte fofle 
ben Bocf etwas in bie fjölje 3ieljen, unb ba fte es tut, fann 
er ifyren 3ierlidjen $ujj beumnbem. Ztun u>iD er ifyre pas 
fe^en; roieber fträubt fte ftdi: „mein 2lbfdjeu bapor ift nidjt 
geringe. 2(nflatt ein paar natürliche unb fefte Schritte 3U 
machen (fte ge^t ein paar Schritte), 3tert man ftdi unb 
madjt ein unfinniges Pas. (Sie mad?t toirflidi ein pas.) Was 
für eine Corljeit!" Da ruft Klitanber: „2lber bei meiner 
Seelei Die CCorijeit läßt 3fyten nidjt fdjledjt". Drollig bie 
S3ene (III, 7), wo ftdi peter als angeblicher Uapitän von 
Schlag 3U einer Sdjulb pon 900 (Ealern befennt, obwohl ber 
(Staubiger Be^fug nichts bapon roijfen u>iO, baß if)m biefer 
Ejerr etwas fdjulbe, ober bas (Segenftücf, wo peter mit ber 
größten Blülje bapon abgehalten wirb, aus ber Bolle 3U fallen, 
ben (ßelegenljeitspoeten Kräufel 3U paefen, um 3Ü feinem (Selbe 
3U fommen, ober ber Sdilujj mit bem €rfdieinen bes roirflidien 
Kapitäns, ober ber auftritt, wo bie (Dljlbinn ben Poeten 
Kräufel für ben Sdjnetber fyält unb ben Sdjneiber für ben 
poeten anfpridjt, rooburdi ftdi beibe beleibigt füllen unb bapon 
laufen, ber poet freilid? feijrt, weniger {I0I3 als ber Sdjneiber, 
balb roieber 3urücf. £s feijlt alfo an einer lofalen Spifte 
nidit, Heine &$tdien, bie <2pifobe eines 3ärtlidjen ZKufterpaares, 
bas in S«n' unb Streit gerät, ob es fd?on 26 ober erft 2\ ^(dope 
fo frieblid) unb einig lebt, bas Qodfteitspoem, ber Sdjer3, ba% 
Cifette (I, 5) bem (Bebadenesträger, troftbem er feinen Korb 

XDern>r, äotttjofo Cpfyratm feffhtg, 2 



'-. 



18 „Per jmtge (gelehrte" J7<*8. 

bafb auf biefe, balb auf jene Seite fefet, immer wieber etwas 
Ijerausjttbifet, fmb mor|l nidjt originell, aber gefdjidft verwertet 
unb befonbers 3eigt ftdf bie neuerroorbene (ßetoaubtEfeit barin, 
ba% im britten 2lft bie Komif am fiärffien unb roirffamjlen 
entfaltet wirb. 2tber etwas mußte ber Didjter nodj er- 
ringen: einen tieferen ^intergrunb für feine Scfierje, eine 
f^ere Sebeutung, ein Problem ober eine Cenben3. 3" feinen 
bisherigen Derfucfjen, benen nod? einige t>erwanbte folgen, gab 
Cef fing ein meijr ober minber rjarmtofes Spiel, 3eitlofe Kleinig* 
feiten, benen jebe weitere perfpeftioe feijlt, obwohl im „Dämon'' 
fdjon eine fotdje 3U ai)nen iji. 

3m „3»ngen (Belehrten", mit bem er anfangs 3<*ttuar 
^7^8, fur3 r>or bem (Eintreffen bes päterlidjen Donnerwortes, 
auf ber Süljne ber Zteuberin burdjfdjlagenben (Erfolg fyatte, 
bettat er jenen Weg 3um Beeren Drama. "Der plan flammte 
nod? aus St 21fr a, benn „bie einige 2lrt oon Starren", bie 
er eigenem (SefWnbnis naefj fdjon bort fennen lernte, waren 
bie „(Belehrten"; bie £eip3iger (Erfahrung : „3dj lernte ein- 
fetten, bie 23üd?er würben mid? worjl gelehrt, aber nimmer- 
mehr 3U einem 2ftenfdjen madjen", fam ba3u, bann ein wirf- 
lidjes (Ereignis, bas bem Stabttlatfä entflammte: ein junger 
(Belehrter rjatte jtd? feinen 5*eunben gegenüber gebrüjlet, ber 
preis ber Berliner 2tfabemie über bie 2ttonabenler}re fönne 
ifym gar nidjt entgegen, wäfyrenb feine Arbeit als pöllig un- 
genügenb befeitigt worben war, unb fo ergab ftd? ber Stoff. 
Dem törichten jungen Pertreter ber 2lfterwetsrjeit würbe ein 
„ZTCenfdj" gegenüber gefieHt, von bem ber bünfetrjafte Damis 
fagt: „Daler . . . Die Seiten ftnb vorüber, ba id? iljn tjodj- 
fdjäfete. (Er fyat feit einigen Dativen ^te Bücfjer bei Seite ge- 
legt; er fyat jtdj bas Vorurteil in ben Kopf fefeen laffen, ba% 
man jtdj pollenbs burdj ben Umgang unb burdj bie Kenntnis 
ber IDelt gefdjicft machen muffe, bem Staate nüfelidje Dienjle 
3U leijlen. Was tann xdt mefyr tun, als irjn bebauem". 
Cefjtng ©on eljebem unb Cefftng x>on jefet treten in Damis unb 
Paler einanber gegenüber. 

Diefe beiben Cvpen mußten ftd? im (ßegenfpiele treffen 
unb burd? eine lebhafte J^anblung oerbunben werben. Da 
rjalf bas erprobte fädiftfd?e Cuflfpiel aus unb machte jte 3U 
Bwalen in ber £iebe wie Dämon unb Ceanber. 3uliane Reifet 
bas Streitobjeft, eine (ßeftalt ans bem Dorrate bes bamaligen 



(Erlerntes. 19 

Sweaters. Vie 3ultanen jtnb bie fdjönen oiel umworbenen 
ZlTäbdjen. Zinn mußte jebod? Dater ben toeltläuftigen Staats-, 
Damis ben einfeitigen Büdjermenfdjen barfieHen, jener alfo 
natürlich unb vernünftig, biefer töridjt ijanbeln. 5o ergab 
jidj bas TXlotiv, ba% Dater 3ulianen Hebt unb audj jte iftm 
gewogen iji, toäftrenb Damis erjt burd? einen anberen auf fte 
ftingetmefen toirb, obgleich er mit tftr in einer 5<*milie lebt; 
er fettnt nur bie Südier, fteftt barum menfdilidje Dor3Üge 
feiner nädijlen Umgebung nidjt unb bebarf eines Dritten, ber 
iijn aufmerffam madjt. Qa$n bot bie Büijne ben Dater ober 
ben Dormunb, C^ryfanber bei Cefjmg, ein alter Kaufmann, 
iji beibes in einer perfon: ber Dater bes jungen (Belehrten, 
ber Dormunb unb Pflegevater 3*ilianens. 3m fäd?jtfdjen £uji- 
fpiete forgten bie Diener, 3ugleidi bie Vertrauten ber I^aupt- 
perfonen, für bie eigentliche Cuftigfeit. Da mar Cifette, bas 
fdjnippifdie, ©orlaute, intrigante 3üngferdjen, aüerliebji, gra3ios 
unb 3terlicfj wie Zlleijjner po^eltan, babei fdjlau unb burd?- 
trieben; pe mußte 3«lianens 3**ngfer werben. Da bot ftd? 
ber bummbreifle Sebiente bat, perlogen, fredj, ftabfüdjtig, 
nur auf ben eigenen Dorteil bebadit, 3ugleidj aber ein Ver- 
treter bes gefunben ftausbacfenen Derjlanbes unb Znuttenoifees. 
Der mußte jtd? 3um jungen (Belehrten gefeiten, tote etwa Eians 
IDurjl 3um Dr. 5«uji im Dolfsfdjaufpiel. (Begeben u>ar fo bas 
perfonat, Seit unb (Drt jianben fejt, ©erlangte bod? bie Cfteorte 
audj t>om Cujifpiel (Einheit ber Seit unb bes (Dvtes, unb bie 
prajis fugte ftdj. Die Seit mar bie (Begenroart, ber Sdjau- 
plafe bie Stubierjlube bes Damis, was freilieft manchen &wang 
auferlegte, an bem nafyn man aber ba3uma( feinen 2lnjloß. 

Diefe 3ngrebien3ien mifdjte Ceffmg mit ber gefdjicften 
^anb eines büftnenjtdjeren Tutors, übertraf feine 5*eunbe 
ZITvIius nnb ©ffenfelber unb 3eigte ben (Erfolg jener mit 
(Eftrijiian 5*li£ IDeiße, bem fpäteren Cieferanten fpietbarer 
Stücfe, gemeinfam betriebenen Übungen, fo bafa bie leidet be- 
geiferte Zteuberin Cefjtng als Xtationalbidjter, als bie neu jtd? 
erftebenbe Sonne ber Büftne begrüßt ijaben folt. Cefftng backte 
balb anbers über biefe 3wgenbt>erfudje mit iftrem tonventioneüen 
2tnjhrtdf, aber ber „3*^9* (Belehrte" ragt aus ber ZlTaffe bes 
fädjjtfdjen Cufifpiels fteroor. Die gefdjicfte ZHadje, ber frifdje, 
natürliche Dialog, bie brolligen fomifeften S3enen, bie gefunbe 
Cebensu>eisfteit laffen bie SdjtDädje ber <£rfmbung, bie Unmaftr- 

2* 



20 Die Qanblnng. 

fdjeinlidjfeit ber Intrige, mandje Plattheit ber 5abel pergeffen. 
. Die l^anblung ifi etwas fpärlidj für brei Afte, entwicfelt jidi 
barum audj nidjt rafdj genug, bie beiben Gegebenheiten gelten 
nebeneinander ijer, ofyne ftdj 311 serfdilingen: preis unb 
IDerbung, aber fc^lieglidj erregt jte genügenbes 3ntereffe, bietet 
(Belegenljeit 3U einer bunten Heifje von ernfleren unb fomifdieren 
Auftritten, Sie ftdi 3um Ceti oom (gewöhnlichen mit (ßlüdf 
unterfcfteiben, wirb befonbers geaen bas &nbe 3U bewegter 
unb bringt im britten 2öt allerlei Überrafdjungen, obgleid? ifyr 
N . nadj bamaliger Art ein eigentlicher Qöfyepunft fefylt. 
1 \,.^ Vamxs, erfi 3toan3ig 3^re alt, liat fdjon alles mögliche 
'\ j y jtubiert unb Ijält ftdi felbjl für ein (ßenie ber (Beleijrfamf eit, 
>;W M ' audj bie Kotterie ftreut i^m für feine gelehrten Craftätdjen 
tt?eö|raud?. <£r fjat fidi um ien Berliner preis beworben 
unb erwartet Ijeute benimmt bie Zladivxdit von ber Krönung 
feiner Arbeit, fprengt barum feinen Sebienten Anton fort» 
wäfyrenb wegen ber Berliner Briefe auf bie pojt. Sein Dater 
C^rvfanber Ijat aus ZlTitteib bie fdjöne, aber arme 3uliane 3U 
ftd) ins Stans genommen unb nichts gegen bie XDerbung 
Dalers eingewenbet, ber oben von einer Seife 3urücffeljrt, um 
fidj ^as 3<«*>ort 3U Ejolen. djryfanber E^at jebod? in3wifdien 
ein Sdjriftjiücf gefunben, burdj ias ein alter pro3ejj 3U (ßunften 
3ulianens entfdjieben werben fann, unb erwartet pon feinem 
X)resbner Aboofaten nähere Xtadjridit; er will bas <5elb 3um 
pro3e§ porfhrecfen, aber fein 3>amis foD bafür 3uliane freien. 
Cifette, bie 3ufäHig biefen plan erfährt, befdjliegt — natürlich 
gegen gute Belohnung — 3U (ßunjlen üalers unb 3ulianens mit 
I}ilfe üpes Sdjafees Anton, bem habgierigen CijrYfanber burdj 
einen gefälfdjten Brief bcs Aboofaten P0r3ufpiegeln, ber pro3eß 
fei ausjtdjtslos, 3ugleidj aber 3uüane oor Vamis fo bar3U« 
[teilen, ba§ er oon bem Ztläbdjen nichts werbe wiffen wollen. 
CfyrYfanber lägt fidi täufdjen, Damis aber Ijat fidj in ben 
Kopf gefefet, bie Saltf. ber (Belehrten mit böfen grauen um fein 
Beifpiel 3U bereichern, unb fteift jtdj auf bie Derbinbung, t>on 
ber fein 2?ater nidjts mefyr wiffen will. 3wliane erfährt ^m 
Betrug unb eilt fogleidj 3U Cfyrvfanber, um xfyx, felbji mit 
Perluji iijres (ßlücfs, auf3uflären. Schließlich gel|t aber alles 
gut aus: Daler t>cr3td?tet 3U (ßunften (EijrYf anbers auf bie 
pro3egfumme, Damis erhält bie 2Tadjrid?t, fein Berliner 
5reunb Ijabe feine preisfdjrift, um üjm Sdianbt 3U erfparen, 



"Komif unb <Eenbett3. 21 

gar nidjt eingereicht, was jenen ©eranlaßt, bem bummen 
Paterlanb, bas feine größten (Beijler nidjt anerfennt, ben Hücfen 
3U n>enben, fo werben Daler unb 3uliane, £x\ette unb Union 
glücflidje paare, CljrYfanber erhält bas (Selb unb 1)amis 
bleibt — zeitlebens ber gelehrte 3>amis". 

KöjHidje 53enen entfalten biefe 5<*bel unb geben ben 
$iguren (Belegenijett, ifyre gan3e Komif bar3ujietlen, wenn caxdi 
mitunter auf Kojien ber XDafyrfdieintidjfeit; bas aber fdjeint 
ein wwermetblidjer 5rfjlw aller Cujifpiele 3U fein. Portrejflidj 
oerjle^t es 3. 23. Cifette (I, <{), ben über3eugten IDetberaeräditer 
Vamxs burdj übertriebene Schmeicheleien 3U firren, unb Cef jtng 
verwertet bas 3ugletdj, um Cifette gefdjicft 3ur Kenntnis bes 
üäterlidjen l}etratsplanes 3U »erljelfen: Vamxs ljegt nämlid? ben 
lüunfdi, nodj mefyr Schmeicheleien 3U l|8ren, unb oerjiecft bas 
3ungferdjen im Kabinett, wo fte bie Unterrebungen Gfycyfanbets 
mit Damis unb bann mit 2lnton belaufet. Vet Dichter füfjrt 
baburdj einen befannten tE^eaterfniff mühelos ein, woran wir 
bte Sidjerljeit feiner tEedjnif erfennen. Seljr wirffam bebient 
ftd? Cifette (III, 3) ber Cieblings wenbung bes 3>amis: „idj bin erji 
3u>an3ig 3aljr alt", um ifyt 3U oerfpotten, ober äfft feine ZHienen 
beim Diäten (III, H) nadi, ßfyct 2lnton (I, \) feine Sprachen- 
fenntniffe — er Ijat bie ZlTutterfpradie 3U nennen oergeffen — 
ober (III, \5) feine Sidjterei ad absurdum unb was ätjnttdje 
Spaße finb. Die (£^arafter3eid?nung 3ulianens unb Palers 
blieb etwas blaß, unb bie Cinnpfanbers fiel etwas 3U fraus 
unb gehäuft aus, aber bie Hauptfiguren 2>amis, 2lnton unb 
Cifette jtnb runb herausgearbeitet nnb erhalten baburdj erfyöfyte 
Jüidtfigfeit, ba% fte Cefftng als Kämpfer für bas Sichtige, 
XDatjre, &dite, md\t als bloßen Cujligmadjer 3eigen. (Segen 
bie banaujtfdje Stubengelefyrfamfeit tritt er auf für bie menfdj- 
lid?e XDiffenfdjaft, gegen ben törichten Kosmopolitismus für Pater« 
lanb unb 2Tlutterfprad?e, gegen bie 2luslänberei für bie Polfs« 
tümlidjfeit unb ijat mit feinem erjten aufgeführten Drama ben 
Weg eingefdjlagen, ber iljn 00m Kleinen, ttaijeliegenben 3um 
(ßrößeren, Sleibenben weiterführt. ZTCenfdilidifeit in ber <S5e- 
leljrfamfeit forbert ber Anfänger, Humanität in ber Heligion 
ber reife ZlTann fur3 por feinem tenbe. Cefftng wäd# unb wirb 
immer erhabener, aber im Kerne fieeft fein IPefen t>on Einfang 
an: Kampf gegen alles Porurteil, Streben nadi IPaljriieit. Wxt 
möchten barum ben „jungen (Belehrten" an ber Spifee feiner 



22 „Kletnigfeiten" \?5\. 

Dramen nidjt miffen, t>enn von einem folgen Anfänger formte 
! man Cfidjtiges entarten. Die 5teunbe mußten, bag er nocfy 
anderes gebietet Ijabe, fpracfy iljn ©ffenfelber als beutfcfyen 
ZHoliere an, TXlylins nannte itin fcen anafreontifdjen 5*eunb. 

TXis foldjer fdjerste Cefjmg 3uerft in feines 5*eunbes 
^citfc^rtften, bann erfi J75J oer einigte er eine Sammlung 
^ „Kleinigfeiten" (5ranffurt unb £eip3ig, eigentlich Stuttgart 
bei ZlTe3ler). Das gan3e ^eftdjen (^8 Slatt in 8°) von bem 
leeren Slatt mit ber Se3eicftnung „dfafdjrift" unb bem Hegifter, 
bas nur aus ben Budjftaben bes 2llpljabets befielt, bis 3um 
fdje^fyaften „Seridjt an ben öudjbinber" enthält parobie, Selbjl* 
ironie unb leidjten Sdjer3. 211s ZlTotto tonnten bie Z?erfe bienen: 

Sdjroeigt, unberaufdjte, finftre Hinter! 

3dj irtnfe XDeln unb bin ein Dichter. 

(Tut mir es nad? unb trinfet XPein, 

So fefyt 3*1* meine Sdjönfyeit ein. 

Sonft umffrlidj, unberaufdjte Hinter, 

Sonft n>at{rli(^ fefjt 3fyr fle ntdjt ein! 

H)ie frifdj fefeen jte ein, roie fur3 unb prägnant fyeben jte bas 
IDefentlicrje heraus unb toie pebantifcfj ijängt i^nen ias Söpfdjen 
hinten mit bem triolettartigen 2lbfd|lu§. Das Streben aus bem 
Konventionellen 3um 5rifd?eren, Xtatürlidjeren fann man audj in 
biefen „Kleinigfeiten" beobachten. Die Segeijierung bes Dichters 
ift edjt unb bocrj fünftlidj, benn jte flammt aus bem Sedier. 

(freunbe, IDajfer machet jhimm: 

lernet btefes an ben ^Jifdjen. 

Dodj beim ZPeme fefyrt jidj's um; 

Diefes lernt an unfern (tifcfyen. 

Was für Hebner jtnb w'xx nidjt, 

Wenn ber Hfyeimpem ans uns fpricbt! 

Wxv ermahnen, ftreiten, lehren, 

Keiner mill ben 21nbern ifören. 

Der XDein begeifert, ber XDein madjt berebt, barum forbert 
Cefjtng audj oon ben Kunftrictjtern: „trinfet H)ein"l Das 
Hingt toie ein protefi gegen bie bamalige nüchterne Kunjlfritif. 
Begeiferung fpridjt aus bem Dichter, nur ber begeifterte Kunft« 
ridjter fann feine Sdjonijeit — mir roürben fagen: füllen, bei 
Cefjtng tjeifct es nocfy: einfeijen; audj E^ier bas 5<>pfd?en, auctj 
ijier KonpentioneDes neben Natürlichem. Das Küdjlein fdjleppt 
nod\ bie ©erfcftale mit, aus ber es gefctjlüpft ift, aber fdjon fyat 
es bie Wänbe burdjgeptcft unb trippelt auf eigenen 5ü§en bai^er. 



Konventionelles neben natürlichem. 23 

(gicrltd^c Heine (ßebtditdjen ijat Ceffmg ©ereint, ber ftfibfefte 
©nfatt überwiegt, »äftrenb bie teibenfdjaft damals in ber £yrif 
nodj fc^roieg. Das <5ra3töfe, £eidjte, Sd}er3i|afte ftat bas Schwere, 
DTöc^tige unb IDeitläuftige in biefer flüchtigen poefte Derbrängt. 
2ludj teffmg ift ein Sdjüler Xjageboms unb fdjöpft manchen 
©nfall aus ben Büchern, fudtf jtdj bureft bie 2lntife 3U beefen 
unb fteljt unter bem <£influffe inbirefter firlebniffe. Wir benf en w 
aber feiner 5<*bel „Die eherne Silbfäule", bie ersäfjlt, bajj bies v 
IDerf eines ©ortreff!id?en Künjilers burdj bie fjifee einer 5*uers* 
brunfi 3U einem Klumpen fd?mot3; aus iftm fd?uf ein anberer 
Künftler eine neue Silbfäule von ber erften unterfdjteben in 
bem, was fte ©orjieHt, üjr aber gleich an (Sefcrjmacf urib 
Sdjonfteit. Der Zteib tröjtet ftdj: „©er gute tflann würbe 
biefes nodi gan3 erträgliche Stüd? aud? nidjt ften>orgebradit 
ftaben, wenn iftm nidjt bie ZlTaterie ber alten Silbfäule 3uftatten 
gefommen wäre". Sie fremben ZTZufter wirften auf Ceffing 
nur besi\alb fo günjiig ein, n>eil er eben tEalent i\atte. Unb 
wenn er fagt: „3d? trinfe IDein", fo fefeen wir in biefe 
Behauptung feinen greifet unb bebürfen mdjt erjt befonberer 
beugen bafür, ba% es fein „poetifdjer IDein" getx>efen fei. 
IDer weiß nur, ob es urirf lieft immer Hfjeinwein mar? Die 
meinen fleinen Scrjer^e weifen auf ben Wein. Da ftnben wir 
bie föjHidje „ßewiffteit": 

®b idj morgen leben werbe, 

Wen} id? freiließ nidft; 

Tibet, wenn idj morgen lebe, 

Dag td? morgen trinfen werbe, 

XDeig idj gan3 gewig. 

Da wiberfpridjt, „bereit, t>om Stutil 3U fmfen" ber trunfne 
Dichter bem u>arnenben (Sefäftrten: 

Du bijt nidjt fing; 

ga viel fann man roor^l trinfen, 

Dodj nie trinft man genug. 

Seflagt ber Sauer ben Hegen, ber Dichter ftimmt nieftt ein, „es 
regne benn in meinen ZDein", Cief finnig pftilofopftiert er: 

ZPein tft flärfer als bas ZPajfer; 

Dies geftefyn aua) feine Raffer. 

IDaffer reift ido^I (Hidjen nm 

Unb fyat Käufer umgeriffen: 

llnb 3^r umnbert Zud) barum, 

Dag ber Wein midj umgeriffen. 



24 Per IPettt. 

2Mes betrachtet ber Dichter Dom Stanbpunfte bes Crinfers: 
er roeint nicfct rote 2lle$anber, bag er nidit audj bie anbern 
ZDetten befriegen fann, aber feine (Eränen fliegen, weil auctj 
bort ZDein unb Zlläbdien {tnb unb ber £{imme( feine Srücfen 
bat, bie nun $u trinfen unb 3U ffiffeu. £r fpottet über 2(bam, 
bag er um einen Zipfel bas parabies oerlor, wenbet ftd} aber 
felbjt ein: „Wie aber, wenn aisbann bie Craube Die probe» 
frudjt gemefen war'? IDie ba, mein 5*eunb? — © nun, icrj 
glaube — Das parabies n>är' aud? nxdit meljr". £r lägt bie 
2tfhronomen ftdj ben Kopf 3erbrecrjen, ob bie anberen Planeten 
bewohnt feien, fte foQen nur nactjmeifen, bag es bort XDein 
gebe, bann fann ein Kinb auf tfpe Crinfer fernliegen. Selbjt 
unter ben roiber Cäfar Derfdjroorenen iji (Eimber bertErinfer: 
„Thxdt xd\ mug ofpte König fein. Denn t&nnV id? einen Qerrn 
ertragen, ertrug* xd\ allerer ji ben IDein". „Hiflas" fommt fogar 
3ur Überzeugung: 

mein (Efel ficf?erlid? 

Hing flflger fein als tdj. 

3a, f Niger mag er fein! 

(Er fanb fia) felbfl in Statt hinein 

Unb fam bodf Dort ber (Er&nfe. 

tllan benfei 

Solche Einfälle ftnb amfifant unb broDig, entbehren aber 
jeber (tiefe; nur ein <5ebidjt ijt in ZTZottt) unb 21usfüljrung 
^ gerabe3u genial unb barum bis 3um heutigen Cag ein gern« 
\j unb pielgefungenes Stubentenlieb: „Der tEob". 

(Sehern, trüber, fdnnt if^s glauben? 
(Seftern bei bem Saft ber (Trauben, 
(Stellt eudj mein (Erfdjretfen für!) 
(Seftern fam ber (Tob 311 mir. 

Der IDein munbet felbji bem „5urd?tgerippe", aber erjt ber Dor» 
fernlag bes angel^enben HIebi3iners, ifym bie £jälfte feiner Kranfen 
3U überlaffen, macr^t iljn milb unb bewegt tf}n 3U bem gugejiänb« 
nis: „Cebe, bis bu fatt gefügt Unb bes Crinfens mftbe biß". 

<Enrig mug idf alfo leben, 
<Enug, bemi, beim (Sott ber Heben! 
Ctpig foll mxdf Sieb' unt> Wein, 
(Eurig IPetn nnb Sieb' erfreun! 

Diefer Schlug ijt berechtigt, benn ein 2lnafreontifer ofyne 
Siebe — bas ijt unbenfbar. Unb fo befeelt aueft fte Cefftngs 



Die Siebe. 25 

3ugenbgebidjte, nur mdjt fo häufig wie ber IDein. Die 
Crabition melbet, bafc £efjtng in £eip3ig bie Jungfer Corensin, „ 
eine Sctjaufpielerin ber Zteuberfdjen (Truppe, geliebt ftabe, fte 
war nur wenig jünger als er unb nachmals als ZTZab. £}uber 
unb Kl ab. IDeibner in XDien feljr beliebt; näheres über £effmgs 
Verhältnis 3U rfyc wiffen wir nidjt unb audj ben fiebern ijt 
nichts 3U entnehmen, benn nodi war bie £yrif in Deutfcftlanb 
nidit fo weit entwickelt, ba% in tftr bie £iebe freien, fter3lidien 
unb perfönlidien (Befüftlsausbrucf gefunben tjätte, erji Klopjiocf 
wagte ftd} mit intimen (Seflänbniffen fyert>or. Der IDife ftat v 
an £effings Cyrif piel größeren Anteil als bas (Befüftl, unb nur 
manchmal Hingt ein echter £iebeston burdi feine Perfe. £in 
angebliches „£ieb aus bem Spanifcften", beffen Original meines 
XXMjfens nodi nldjt nadjgewiefen würbe 

(Seßern lieb? ia), 
fyute leib' ia), 
UTorgen jlerb' idj. 
Vennod} ben? ia) 
Qent nnb morgen 
(Sern an gejiern, 

ein Sinngebidjt „Der Derlujl" 

2lfles ging für mta) verloren, 
211s ta) Syloine oerlor. 
Du nur gingft mir nta)t verloren, 
£iebe, \>a ia) fie oerlor! 

unb bas etwas rätfelftafte £ieb „Der (Kernig" ftnb foldje Klänge, 

bie man worjl als ficfjo wirfltdjer £iebesgefül|le auffaffen 

möchte. Sonjl nur (Einfälle, bie freilieft wenigfiens einmal 3ur 

Qdfte edjter £mpftnbung aufzeigen in bem (ßebidjtdien „Die 

XTamen". _ , , , _ , 

34 fragte metne 5a)5ne: 

IDie foll mein £ieb Dia) nennen? 

Soll Dia) als Dorimene, 

211s (5alatb.ee, als <£fyloris, 

211s iesbia, als Doris 

Die Welt ber <2nfel fennen? 

21a) Ztamen finb nur One, 

Spradj meine fyolbe Sd)dne. 

IPäb,r feibf*. Du fannjt mia) Doris 

Unb (Salatfyee nnb Colons 

Unb — rote Du roifljl, mia) nennen; 

Hur nenne mia) bie Deine. 



26 Des Didiers Wachstum. 

IDieber Bricht aus bem Konventionellen Bfier bas £ct}te burdj. 
£iebe unb DDein werben per einigt, fo wenn „Die brei Beidje 
ber Ztatur" gefdjilbert werben; ins erfte gehört, was trinfen 
unb lieben fann, ins pflan3enreidj, was nidjt lieben, bodj trinfen 
tann, ins Steinreich aber, was nicrjt liebt nodj trinfen fann, 

Denn offne £ieb' nrib offne XV ein"? 

Sprtdj, UTenfd?, a>as bletbft Du nodj? — (Ein Stein. 

(Sern ffat Ceffmg rote tfier fteine Dialoge gefdjaffen, gern 

fleine glücflidj gefdjaute Situationen ausgeführt, gern prä* 

ambuliert, um burd? eine überrafdjenbe Sdjlufjwenbung bie 

fdjeinbaren XDtberfprüdje ber Dorberfäfee 3U einer leeren 

(Einheit 3ufammen3ufaffen, alles übereinftimmenb mit ber übrigen 

2lnafreontif. 3" manchen biefer Kleinigf eiten fehlen pifanterien 

nidjt unb fte djarafterifteren aucft feine gereimten fabeln unb 

<£r3ätjlungen, in benen er mit (ßellert wetteifert. ZTadjbitbungen 

ber 2lntife ftetlen ftd? ein, barunter „Die Küffe" nad? <£atull 

befonbers lieblid?: 

Der Xleib, Km&, 

§äfjlt unfre Küffe; 

Drum füff gefdjtpinb 

(Ein Caufenb Küffe; 

(Sefcfytptnb Du mtdj, 

(Seföroinb tdj Did?! 

(5efa)iptnb, gefd?u>inb, 

£aura, füffe 

ITTand? tatfenb Küffe, 

Damit er ftdj 

Vex^len muffe. 

(ßottfyolb £pf}raim ift in biefen poeften ein Schüler, wer 
tx>ill audj pon einem 3wan3igjälfrtgen meljr perlangen, aber 
audi t}ier 3eigt er ftdi nad? bem Silbe feines Heftors als Pferb, 
bas doppeltes 5utter braucht. XDie piel leitet er in ben 
wenigen ^afycen feit J7^6! Xleben all bem, was wir fennen 
lernten, biegtet er nodj (Epigramme, Sinngebidjte, fefeuf <£rnftes 
im Sinne fjaliers unb bann im (Seifte Klopjiocfs, plante pielerlei, 
lieg manches angefangen liegen, was er erft in fpäteren §eiten 
wieber tferporffolte, perfenfte ftdj in ausgebefynte Stubien, 
fammelte 2ftott3en unb Kenntniffe, bie iijm nachmals 3uftatten 
famen, aber nodj fyat er feine (Eigenart nidit entbeeft. 2llles 
bisher (ßeleiftete gleicht ben abgeseiften Rauten ber Schlange 
unb beweift nur bes Diesters XDadjstum. 



3rt Kamett3, £etp3t<$ unb Battenberg J7<*8. 27 

(Eben tjattc £effmg bie erften 5^^uben bes jungen Drama» 
tifers gefoftet unb war für ben „3ungen (Belehrten" gelobt 
worben: „ZTlan barf midi nur in einer Sadje loben, wenn 
man tiaben will, ba§ idj fte mit me^rerm €mfte treiben foH. 
3d? fann bafyer Cag unb Xladit, wie idj in einer Sadje eine 
Stärfe 3eigen möchte, in ber, wie idj glaubte, fid) nod? lein 
2)eutfdjer aÜ3u feB^r fyeroorgetan fyabe". Uns aü biefen planen 
würbe £effmg ijeimberufen unb faß nun bis &nbe 2lpril im 
Daterijaufe, „weber müßig nodj fleißig", bodi muffen es 
traurige brei ZHonate gewefen fein, wenigftens fyat er jtdj fpäter 
immer geweigert, ins Vaterhaus u>ieber 3urücf3ufet}ren. Xlodi 
lange füllen wir in feinen Briefen bie Kamen3er Erregung 
nadftittern; er E^attc oerfpredjen muffen, „ftdj nidjt wenig auf 
Sdjulfadjen 3U legen", fo bafj es itjm gleidj fein würbe, „ob 
er einmal burdj biefes ober jenes fortfäme". Seine tteinen 
Sdinlben würben iljm be3afylt, ein neuer 2(n3ug wenigftens — 
x>erfprodjen unb fo reifte er wieber nadi £eip3ig. 

Salb war aber feine £age trauriger als 3W>or. Die 
Zteuberin fyatte Schiffbruch gelitten, ifyce <5efellfd?aft ftd? nadi 
allen Seiten 3erfhreut, mehrere feiner tfjeatralifdien Sveunbe, 
Kodj, ^eyberidi, ZHabame £oren3 mit Coditer, waren nadi IDien 
gegangen unb Ratten Sdjulben ijinterlaffen, für bie Cefftng ein 
Särge war. ZTZylius weilte in Berlin, um bie Sonnenfinfternis 
3U beobachten, ba befdjloß <5ottljolb (Ephraim, ftd? feinen finan- 
3ieHen Verlegenheiten 3U entstehen unb tljm nadftureifen. 2Tlit 
einem Detter Cefftng aus IDittenberg perlieg er bie Stätte feines 
erfien Bühnenerfolgs ijeimlidi, würbe jebodj in IDittenberg 
franf. „3dl bin mir niemals felbjt 3U einer unerträglichem 
£afi gewefen als bamals", fdjrieb er fpäter. 5teilid? wirb 
behauptet, er fyabe bie KranHjeit nur porgefdjüfet unb fei bafür 
ber geliebten 3*ingfer £oren3in nadi Wien gefolgt, bodi ließ 
ftdj näheres nidjt ermitteln, ^ebenfalls würbe £efftng im 
2lugujt als stud. med. an ber IDittenberger Unwerfttät inffribiert, 
trieb aber allerlei anbere, befonbers ftatiftifdje Stubien unb 1 
rettete ftdj enblidi ans allem £lenb nadi Berlin, wo er im 
Ztopember ^7^8 anfam. ZlTylius bot ifym tjilfretdj bie ^anb 
unb teilte mit itjm eine befdjeibene IDoijnung in ber Spanbauev* 
firaße. Ziehen bem „SveyQetft" in ber gefürdjteten Stabt bes 
Unglaubens wußten nun bie filtern üjren Sofyt, ber üjnen 
vergebens vorfielt, iljr £}aß gegen UlyKus ginge 3U weit. £r 



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28 grfler Beritner üufenttjalt 17^8—1751. 

lebte ärmltdj genug, ba er aber, tote er tjehnfdjrieb, für anbert* 
Ijalb (Brofdien eine tüchtige ZTZaljfeeit erhielt, mär* es immerhin 
gegangen. „3d? fjätte längfi unterfommen fönnen, wenn idj 
mir, toas bie Kleibung anbelangt, ein befferes Slnfefyn fyätte 
machen fönnen"; immer wieber bittet er um ben oerfprodjenen 
2ln3ug, fpridjt feinen Cntfdjlug ans, ntdjt nadj fjaufe 3U fommen, 
audi nidjt wieber „auf Unfoerfttäten" 3U ge^en, richtet tuelmelp 
feine Slicfe na<h XDien, fjannooer nnb Hamburg, wo er gute 
5reunbe \\abe, bie Sdjaufpieler. „Wenn id? auf meiner IDanber« 
fdiaft nichts lerne, fo lerne \d\ midi bod? in bie VOM fdjicTen. 
Hüften genug!" 2lls freier Citerat blieb er ©orerfi in Berlin 
nnb fudjte feinen Unterhalt als 3oumali(l. €r benufete bie 
iijm übertragene ©rbnung ber Hfibingerfdjen Sibliotijef 3ur 3e« 
reidjerung feiner Bfidierfenntnis, von fjaufe tarn etwas (Selb, 
von ben Sweatern in fjannoper.unb IDien flog etwas Honorar 
ein, f bag ftdj Cefftng ein nenes (Sewanb faufen lonnte unb roieber 
in einem gujianbe befanb, ßdj „bei allen fet}n 3U laffen unb 
biejenigen, beren 3>ienjie idj fudje, felbfl an3ugefyt". 3efet 
cE^lte nur nodj bie ZDäfdje nnb feine Sudler. Sd\on ijier 3eigt 
idj Cefftngs ebter 5to(3, ber lieber tnapp lebt, als wie ein 
abgerifjfener Setteljhibent 3U erfdjeinen; nodj im Ztooember \750 
fdjreibt er, er ijabe ftdi's fo eingerichtet, bag er einen n>eiteren 
IDinter „gemädjlidf" in Berlin leben fdnne, „gemädilidi tjeigt 
bei mir, toas ein anberer melleidjt 3ur Xlot nennen würbe, 
allein was tut mir bas, ob idj in ber S&üe lebe ober ntdjt, 
wenn idf nur lebe". Vas DerBfältnis 3um Daterfyaufe blieb 
nadi tx>ie oor gefpannt. Vxe (Eltern u>ünfd?ten ifyn eine fejie 
Stellung 3U perfdjaffen, etwa in (SSttingen am pfyilologifdjen 
Seminar, bamit er bann eine profeffur erlange, unb er lieg 
es ftdj gefallen, obwohl es md]t ba3U fam. Permutlid? begann 
er aus biefem (ßrunbe feine „2tf>i}anblung oon ben Pantomimen 
ber 2ttten", einen Derfud?, pfcjilologifdie <5eleBjrfamfeit mit 
gefdjma*>oll-feuilletoniftifdier DarfteHung unb Hücfftdjt auf 
moberne guflänbe 3U oerbinben; fte blieb bann liegen, Cefftng 
wav 3U unruhig, um ftdj jefet fdjon fürs Heben 3U binben, fein 
Crieb, ftdj überall unt3utun, mar 3U grog, fein Stteben, überall 
ein3ugreifen, 3U leibenfdjaftlid?, für i^n pagte bie joumalijüfdie 
Otigfeit oorerft am beflen. 

gunädifi poQenbete Cefftng ein paar Cuftfptele, bie nodj in 
Ceip3ig begonnen ober geplant waren, fo gehört ins 3aljr ^7^8 



„Der ttlifogvne" ^7^8. 29 

„Der ZKtfogYne" (fpäter als „Der Znifogyn" auf brei 2tfte 
ausgebetint). IPumsIfäter, wie fdjon fein Ztame facjt, ein IPeiber- 
feinb, war trofebem breimal verheiratet unb tjat aus ber 3weiten 
€fye eine tEodjter Caura unb einen Sofyi Paler. Diefer möchte 
£}ilaria heiraten, aber fein Pater wiQ ifyn nidjt ins Ungtücf 
rennen laffen unb verweigert besffalb jebes ^ufammentreffen 
mit bem Zlläbdien, ja er wäre frot), u>enn er aud? „bie 
Codjter" — fo fagt er, um nur nidjt „meine (Eodjter" fagen 
3U muffen — fdjon los wäre unb bamit bas porlaute Stuben« 
mäbdjen £if ette; Fein 5*auen3immer foHte bann je wieber feine 
5d}u>eHe betreten, jür Caura interefftert ftdj aQerbings ein 
junger Zllann, £eanber, ber aber mit ZPumsttäter in «inen 
pro3ejj verwicfett iß unb barum bas £}aus meiben muß. Paler 
fommt Ijeim unb bringt feinen angeblichen 5reunb £e(io mit, 
ber aber niemanb anberer ifi, als bie verfleibete Ijilaria. Diefer 
vermeintliche junge ZTCann gef}t auf lPumsi|äters IPeiberfeinb« 
fdjaft ein unb fdjmeidjelt ftdi baburdj in fein ^er3 ; er ift aber 
audj gegen Caura fo galant, bajj beren Ciebe $u Ceanber einen 
rechten Stoß befommt unb ftcf? bem Celio meljr, als gut iß, 
3uneigt. Paler bittet bestjalb Celio^ilaria, es nidtf 3U weit 
3u treiben; bie Perfudje Celios ein3u(enfen, rei3en Caura nur 
nodi meijr: jte fdiicft ifyrem geliebten Icanbtt alle Briefe un« 
eröffnet 3urücf . Deshalb befd}lie§t Paler, mit Celio ab3ureifen, 
ber Pater möchte Caura ilinen mitgeben unb biefe Ijätte gar nichts 
gegen ^as &ufammenfein mit Celio ein3utvenben. Die von Paler 
betonte grogartige Sljnlidifeit Celios mit feiner Sdjwejier fjilarta, 
bie feine Ciebe begreiflich machen iverbe, will ZPumsrjäter nidjt 
3ugeben, willigt aber fdjliejjlidi fyalb neugierig, Ijalb unwillig 
barein, fjtlaria, beren 2tnfunft gemelbet wirb, einmal 3U emp- 
fangen. Ceanber bietet in3tvifd}en burdi ben närrifdjen 2(bvo< 
tatzn Splbijl einen 2lusgleidj im pro3e§ an unb bittet 3ugleidi 
um Cauras Qanb. Das pafat XPumsf{dter natürlich, benn er 
gewinnt ben pro3e§ unb fann feinen (Segner aucfy nodj burdi 
bie <£t)e mit Caura beflrafen, biefe will aber von ber Per* 
binbung nichts wiffen. Ztun erfdjemt fjilaria. Caura ijl über 
bie $f}n(id?feit mit Celio betroffen, bie fd?laue Cifette merft 
Untat, nur ZPums^äter gibt abfolut ntdjt 3U, baß f}ilaria 
it|rem Sruber gleiche: „IPenn Celio nur ^a wäre; xoznn er 
nur ba wärel 3dj weiß nidjt, wo 3fyr bie klugen Ijaben müßt, 3*1* 
Ceute. 3d] wiQ 3war nidtf fagen, Zllabemoifelle, ba% Sie gar 



30 Umfdjnmng ber rcltgiöfcn 2Infldjten. 

nidjts Sßjnlidjes mit 3fc*™ öruber fjabert follten; allein man 
muß toirfUd} genau barauf fet?en, toenn man es bemetfen n>iH« 
Pors firfie ifi Celio roenigfiens eine Sicmb breit größer, ber 
ijotjen Slbfäfee an 3fy**n Sdjuijen abgerechnet. . . . Pors 
ifobere ifi Ijerr Celio audj nidtf t>öHig fo ftarf; er ifi beffer 
getoadrfen unb fdjlanf er, ob er gleich feine Sdjnfirbrufi trögt . * . 
ttnb bas (Beftdjt! . . . 3d? voiü baoon gar nidtf reben. Celio 
fyat frifdje, natürliche 5arbe, aber auf 3fc*m (Beftdjte, ZTCa* 
bemoifelle, liegt bie Sdjminfe ja fmgersbtcfe . . . 'Die 2tugen, 
mein Soijnl l?afi T>\x nodj nieftt bemerft, ba% biefes graue 
klugen ftnb, unb Celio \diwav$e klugen fyat . . . unb babei 
ftnb fte ebenfo matt, als bes Celio 21ugen feurig ftnb . . . Unb 
biefe Ztafel — So eine Heine fiumpfe ^abidjtsnafe ijat Celio 
nidjt . . . Unb audi ber JTlunb ift nod? einmal fo groß, als 
U)n Celio f}at Was für eine aufgeworfene Cippe I Was für 
ein fpifeiges Kimtl . . . ZTZit einem IPorte, mein Soljn, bie 
porgegebene (ßteidjlfeit mar eine Cifi, bem Pater bie <£in* 
nnlligung absulorfen." IDumsfjäter roitt fte erfi reeftt nieftt 
geben, bis Qilaria, bie Caura gegen Celio aufbringt unb fo 
beren Hücffeljr 3U Ceanber vorbereitet, „in fyalb männlicher 
unb Bjalb weiblicher Kleibung, welche t>on bem (ßefdjmacfe ber 
Sdjaufpielerin abhängen wirb", erfefteint unb IPumsftäter be- 
legt ZTZit einer 3)oppelt>er lobung f cftliejjt „biefe Komöbie wie 
ein ^oefoeitsfarmen". 

IPumslfäter ifi eine Karifatur unb als fotdje nietjt einmal 
luftig genug; bas <5an$e, Cljaraftere wie Üjanblung, erfdieint 
übertrieben unb barum frofiiger als fonfi bei Cefftng, bie CSfung 
bleibt bem (Befdiicf ber Sdjaufpielerin überladen. IHan fönnte 
bas Stücf „©er befdjämte IPetberfeinb" nennen, unb fold?e 
(Eenben3lufifpiele tjat Cefftng in Serlin wirftidj »erfaßt, nur ifi 
üjr Siel ein leeres, iijr Problem ernfier unb wichtiger, tx>ir 
afynen, welcher Ümfdiwung ftdj sotfeielft, feit Cefftng bas fribe» 
ricianifdje Serlin, ben £}auptftfe ber 2lufflärung unb religiöfen 
Dulbung betteten bat 3« biefem „Säbel" Ijat ftdj ber pajtors- 
fotjn Cefftng r>on ben legten Porurteilen feines Bildungsgangs 
befreit, ift er nad? früher Steigung 3um Sltfyeismus Seift im 
englifdjen Sinne geworben. 3« einem Brief an ben Pater 
i(30. ZlTai \7ty) lefen wir bie bebeutfame Stelle: „Sie Seit 
, foD es lehren, ob ber ein befcrer Cfjrifi ift, ber bie <5runbfdfee 
ber diriftl. Ceijre im (ßebäc^tniff e, unb oft, oljne fte 3U Derftetjen, 



„Die Znben" \7ty. 31 

im BTunbe bat, in bie Kirche geljt, unb alle (gebrauche mit 
madtf, tpeil fte gerpöfynlidj jtnb; ober ber, ber einmal flüglidi 
a^meifelt Ijat, unb burdj ben IDeg ber Unterfudjung 3ur 
ttber3eugung gelangt ift, ober ftdj tpenigjiens nodj bar3u 3U ge- 
langen befhrebet. 'Die djrijllidje Seligion ifl fein IDerf, bas 
man pon feinen filtern auf Creue unb (ßlaube annehmen foH. 
1)ie meifien erben fte 3toar von iljnen eben fo toie ii^r Der* 
mögen, aber fte 3eugen bureft ifyre 2tuffüljrung audj, was t>or 
red>tfd]affne (Cfyrijlen fte ftnb. So lange idj nidjt fetje, ba§ 
man eins ber pornetimjten (ßebote bes Cljrijientums, feinen 
5einb 3U lieben, nidjt beffer beobachtet, fo lange 3tpeifle ieft, 
ob biejenigen Cljriften jtnb, bie ftd? bapor ausgeben/' Ztidtf 
nadj ben Xüorten, nadj ben tEaten toill er bie (Ojrijien beurteilt 
uriffen, unb nidjt bie Cljrtften allein, fonbern alle HZenfdjen 
gelten nidjt nadt tfyrem (Stauben, es fommt barauf an, toie fte 
jtdj bewähren. 

Dtefe Dulbfamfeit pertritt Cefftng auf ber Bfiijne unb 
als 3<>urnaliji. Seht einaftiges Cufifpiel „Die juben", ^ 
\74(9 ©erfaßt, 3eigt einen eblen 3u&*n &te Vertreter feines per* 
fannten Dolfes im <5egenfafc 3U fdtfedjten Ctjrijlen. „Der Baron" 
ift überfallen tporben, u>ie es fefteint, pon 3tx>ei 3uben, unb 
fyätte tpafyrfdjeinlicli fein £eben perloren, tpenn il{n nidjt ber 
„Seifenbe" befreit fjätte. Diefen nötigt nun ber Baron pott 
Danfbarfeit auf fein Schloß, unb bas „faulem", bie tEodjter 
bes Barons, faßt rafdj eine Neigung 3U ityn. Der Baron 
toiH t^n 3urüdP^alten, aber ber Heifenbe pertpeilt nur über 
Xladtt, um am nädjjten BTorgen roetter 3U 3tefyen. Der 21mt« 
mann bes Barons, BTartin Krumm, ein burdjtrtebener Spife* 
bube, fHeljtt bem Beifenben feine Dofe, lägt fte ftd? aber pon 
tifette tpieber abfd^toa^en unb Cifette beftidtf mit biefer Dofe 
ben Gebleuten Cljrijiopli, bamit er iijr über feinen ^errn, ben 
Seifenben, Hageres fage; er binbet ifyr freiließ nur einen 
Bären auf. Der Heifenbe permigt feine Dofe, Ijegt gegen 
Krumm Perbadjt, ber ftd? aber perteibigt unb 3um Beweis 
feiner Unfdjulb feine tEafdjen umfefyrt; babei fallen 3»ei falfcfye 
Barte heraus unb bie ttnterfudjung ergibt, ba% Krumm unb 
fein (Selfilfe HTidjel Stidj, als 3uben perfleibet, bem Baron 
auflauerten. Diefer bantt bem Seifenben für bie neuerliche 
Bettung aus ben Klauen 3toeier Spifebuben unb muß nun er» 
fahren, baß fein Better ein — 3ube $♦ 



3ä „Per tfrevgetfi' 1 \iw. 

2luf bie Mahnung ber Dulbfamfett läuft bas StücF hinaus, 
aber freiließ r>on einer Derbinbung bes Heifenben unb bes 
5räuleitts fann nidjt me^r bie Hebe fem. Der Saron gefteljt: 
„<D toie adjtungstoürbig toären bie 3*iben, wenn jie alle 3fynen 
glichen!" worauf ber Heifenbe: „Unb tote liebenstoürbig bie 
<£t|rijten, toenn jte alle 3I|re fiigenfdjaften befäjjen!" Urtb 
fdjon früher läjjt iljn Cefjtng in einem ZlTonolog fagen: „IDenn 
ein 3ube betriegt, fo Ijat ifyn, unter neunmalen, ber (Ctjrijt 
»ielleidjt fiebenmal ba3U genötiget. 3^? 3toeifle, ob t>ie( 
Cfjrijien ftdj rühmen fönnen, mit einem 3**ben aufrichtig ©er- 
fahren 3U fein: unb jte tounbern jtdj, toenn er iljnen (gleiches 
mit (Bleichem 3U vergelten fudjt? Sollen (Creu unb Heblidjfeit 
unter 3toei DSlferfdjaften Bjerrfcften, fo muffen beibe gfeidj oiel 
ba3u beitragen. XOie aber, toenn es bei ber einen ein Betigions* 
punft, unb beinahe ein »erbienjilidies ZDerf toäre, bie anbre 
3U »erfolgen?" 3XQ3U beutlidj toirb Bfier eine $igur bes Dramas 
3um Spradjroijr bes Dichters gemacht. 2lber ben Stanbpunft 
feines Briefes an ben Vater erlernten totr toieber, ber HTaJ3* 
jiab, an bem Cefjtng feine ZlTenfcften unb üjr (Eun mißt, toirb 
bem Sa$ entnommen „Seinen 5einb 3U lieben"; biefem oor« 
netpnjien (Sebote bes Clirijientums entfpridjt ber 3^be bes 
Stades beffer, als bie (C^riften. Dies Sie <Eenben3 bes £ujt 
fpiels, bas weniger in ber Komtf als in tieferem Sinn feine 
IDirfung fudjt; aber bie beiben Spifebuben unb bas paar 
ßfette'Ctjrijiopi} forgen aud? für £ujiigfeit, in bem „5räulein" 
Ijat £efjtng fogar ©erfudjt, eine ZTatoe 3U 3eidpten, toas xfyn 
freilief} nod\ nxdit gan$ gelingen null. ZtTan merft, es bereitet 
jtd? aud? im Drama £efftngs eine IDenbung 3um €rnjieren t>or. 

TXodt weitet »om Cuftfpiel 3um Sdjaufpiel rüdft „Der 
5revgeijl", {749 in fünf 2luf3Ügen »erfaßt. Sdjon am 28. 2tpril 
J7^9 fdjreibt tefftng feinem Pater: „Den Setoeis, toarum ein 
Komoebienfdjreiber Fein guter (Etjrijl fein fönne, fann tef) nidjt 
ergrünben. €in Komoebienfdjreiber iji ein ZTZenfd?, ber bie 
£aßer auf itjrer lädjerlidjen Seite fdjilbert. Darf benn ein 
(Etjrijl über bie Cajier nieftt lachen? Derbienen bie £after fo 
oiel ^jodjadjtung? VLnb wenn idj 3^nen nun gar oerfpräcfte, 
eine Komoebie 3U machen, bie nicfyt nur bie £}. Geologen lefen 
fonbern aueft loben f ollen? galten Sie mein Derfpredjen ©or 
unmöglich? ZDie toenn xd\ eine auf bie 5r eigener unb auf 
bie Derädjter 3^«* Stanbes machte? 3d? toeiß getoig, Sie 



Die QanMmtg. Sä 

n>ürben metes von 3Ijra Sdjärfe fahren laffen". Diefes Por« 
Itaben ftatte Ceffing bamals u>oftl fdjon aus3ufüftren begonnen 
unb iftm entflammt eben bas genannte tujtfpiel, bas man 
fpäter 3um Unterfdjieb von 3- ID. v. Sraroes gleichnamigem 
(Erauerfpiel unter bem (Eitel „Der befeftämte Sre^geift" in Qam* 
bürg aufführte, Ceffing fyat es in ber fjamburgifdjen Drama« 
turgie fur3 befprodjen. Zufällig beftfeen tt>ir aud] Cefftngs 
€ntourf 311 bem ZDerfe. Der „Äeigeijl" 2lbraft fteftt aUe^ 
(SetjHidjen für Qeudjler an. £r iji mit Cijtbors Codtfer Üjen« 
riette perlobt, tsäfyrenb ein junger (SeifUidjer Cfteopftan ber 
Bräutigam ber 3u>eiten Coditer Qulianens) iji, alfo fünftig 
2lbrajis Sdjroager »erben foQ. Die beiben Jttäbdjen gleiten 
tftren Dertobten: Henriette neigt 3ur Steigeijierei, 3*iliane ijl 
fromm. Cifibor fdj&anft unftdjer 3tDifdien beiben Cjtremen, 
»äftrenb bie beiben Sebienten bie 2lnjtdjten i^rer Ferren über« 
treiben unb farifieren: ^oitann iji ber Cump aus 5reigeijieret, 
tflartin ber Dummfopf ans $r3mmigfett. Cfteopftan ftat es 
ftdj in ben Kopf gefegt, feinen fünftigen Schwager 3U befeljren 
unb lägt ftdi burd? bejfen <5robfteiten nidjt abfdjrecfen. Der 
5reigeifl ift im (ßrunbe feines IDefens ebenfo gut wie ber 
5romme; Cefjtng diarafteriftert bie beiben imfintourf: „2lbraji, 
oftne Heligion, aber DoHer tugenbftafter (Seftnnungen. tEfteo« 
pftan, fo tugenbftaft unb ebe( als fromm". 2lber 2(braji roittert 
in allem fibelmute bes fieijtlidjen mit feiner oorgefajjten 2Tlei« 
nung eitel PerjieHung unb fjeudielei, bis er fieftt, bajj ber 
5romme audi 3omig »erben tann. Da beginnt er um3ufd)u>enfen. 
Die beiben jungen ZlTämter lieben eigentlich, oftne jW* ge- 
fielen 3U tooHen, jeber bie Braut bes anbetn, ber 5reigeijl bie 
„fKUe, 3drtlid?e unb fromme" 3*iliane, tnjeopftan bie „freie 
nnb oft rmlbe, bodj fonji liebenswerte" Henriette. 2ludj bafür 
bringt bas Stficf fjeilung unb Ctftbors alte ZTZutter 5*cm Pfti* 
lane meint 3um Sdtfuffe, bie paare müßten pdj eben ergäben, 
2tbrajl märe mit ber gleidjgejtnnten Henriette unglücflidj ge- 
worben. 

Die Komi! bes Stücfes ijl nidjt fteroorragenb, eigentlich 
fommen nur 3n>ei urirflidi luftige 53enen por, bie eine (II, \), 
u>o bie beiben Sdiwejiem um Cifette jtreiten, bie abtpedjfelnb 
beiben bienen foll, „einen tEag ber fanften Juliane ehrbares 
ZTZäbcften, unb ben anbern ber muntern Henriette »ilbe Ci- 
fette fein muß". Dies erinnert freilieft an ZHaitre ^aqnes in 

ZPtvntr, äotttjolfc Cpfpaim Ctffhtg. 3 



/ 



34 „Betträge 3m: Qtflorte nnb ^ufnal^me \>es tEfyeaters". 

ZlTotieres <$5ei3igem. 3)ie andere S3ene (II, 3) füftrt bie beiben 
Bedienten oor, 3o^ann, ber urfprünglidi j*cm be la Siedle, 
fonji Elans pfetl ^ieg f wirft mit feinen aufgefdjnappten fran« 
3Öftfdien Srodten fjerutn unb imponiert bem bummen ZTZartin 
um fo meftr, als er itjm breift ins (Bejtdjt behauptet: „Qas lägt 
jtdj auf i)eutfdj nieftt fo fagen. Solche feine (ßebanfen fönnen 
nur fran3Öpfd? ausgebrücft werben"; auger ber 5*age: „Quelle 
heure est-il, marant" (IPie ©iel ttftr tft's, Schuft) finb freilieft 
nur Scftimpfwörter unb ein paar un3ufammenftängenbe pftrafen 
fein gan3er Spracftoorrat. f>ann renommiert 3oftann mit feiner 
5reigeifterei, fueftt bem bummen ZHartin ei^ureben, bag es 
feinen {Teufel gebe, wirb aber oon ßfette ftdcftfl fpagftaft ab* 
geführt. 

Solche 53enen beweifen, bag Ceffmgs Komi! nieftt ab» 
genommen ftabe, bag er fteft iftrer melmeftr mit 2lbftcftt ent- 
hielt um bes ernjlern Problems willen. £r beginnt eben 
3"tereffen 3U ©erfolgen, bie er woftl erft in Serlin ©oll 3U 
würbigen lernte, er ijl gewaeftfen unb greift nieftt blog bas 



heraus, was bie ScftriftfteHer be 



eftäftigt, wie im „3ungen <ße- 



lehrten", fonbern was bie gan3e Seit bewegt, was noeft länger 
bie (ßeijier nieftt ruften lieg. Sefton über ben IPittenberger 2luf« 
enthalt fyatte er bem Pater gefeftrieben, er fei gefonnen, 
„fünftig . . . eben fo siel in ber IPelt unb in bem Umgänge 
ber ZlTenfcften 3U jiubieren als in Sücftern." <£r »erfcftmäftt 
bie ©nfeitigfeit, er betont mit aller Schärfe, bag fteft beibes 
vereinigen laffe, biefem (ßeift entflammen aueft bie beiben tEen- 
ben3lujifpiele, bie er freilieft erjt J75^ unb J755 erfefteinen 
lieg, §uerft »erfueftte er fteft in Serlin als 3oa*nalijh 

Salb naeft feinem Eintreffen oerabrebete er mit ZTltylius 
eine neue S*itfd?rift, bie in Stuttgart beim Perleger ber 
„Kleinigfeiten" erfefteinen foHte ixnb ben etwas altfränfifeften 
tEitel „Beiträge 3ur ^ijiorie unb 2lufnaftme bes Sweaters" er» 
ftielt. Sie Porrebe ftammt ans bem (Dftober \7^; vier ^efte 
würben J750 ausgegeben. Das Programm umfagte feftr piel. 
£s follte oor allem bie Cfteorie bes Dramas nadi einfteimt« 
feften unb auslänbifeften Kunftriefttern bargefieHt werben, wobei 
nieftt an bie einfaefte Cecftnif gebaeftt war, benn „bie brei 
(Einheiten jhtb aueft Scftülern befannt", auf IPefentliefteres fam 
es an: über bas IPaftrfcfteinlicfte, bas Komifcfte, bas £rftabene, 
über (Eftaraftere, über Sittenfprücfte follten frembe 2lbftanb* 



Porrebe \7ty. 35 

hingen ober eigene (Bebanfen gebracht roerben. 3>ie Hegeln 
wollten jte bann fofort 3ur Kritif neuer firfdjeinungen benufeen, 
batet aber bas 5di6ne f nidit bas Scrjledjte auffudjen unb 
met)r loben als tabeln. 3m grofcarttgjlen Umfange per« 
fpradjen fte bie beften Stücfe ber IPeltliteratur $u überfefeen, 
unb 3»ar griedjifdje, lateintfdje, fran3Öjtfd?e, italienifdje, eng- 
Itfdje, fpanifdje unb Ijollänbifdie, babei foHten 3U einer 2lrt 
pergleidjenber Ctteraturgefdjidjte jene Stücfe bes Sopfyofles, 
€uripibes, Htfdiylus, aber audj bes 2lrijlopljanes, plautus, 
Ceren3 unb Seneca beoor$ugt roerben, bie auf steuere toirften. 
(Begenfeitige Pergleidje, Beobachtungen aber ben ©nfluf} bes 
einen auf ben anbeten ftellen fte in 2tusftdit. Sdjon erfdieinen 
in ber Cifte nad\ ben antiten Dichtern bie Cnglänber unb 
Spanier an erjier SteEe, nidit bie 5*<*n3ofen, alfo Sijafefpeare, 
3)ryben, XPidierley, Panbruglj, (Eibber, £ongrepe, bie faji nur 
bem ZTamen nadi in 3)eutfd}lanb befannt feien unb „unfere 
fjodiadjtung fotpofyl als bie gepriefenen fran3djtfdien Viditet 
perbienen", ebenfo bie Spanier. Sdjon fterjt ber Sa1& ba: 
„Vas iß gewiß, tooDte ber 3>eutfdie in ber bramatifdjen poefte 
feinem eignen ZTatureHe folgen, fo toürbe unfre Sdjaubütine 
mefyr ber englifdjen als ber fran38jtfdjen gleichen", benn ber 
Xlationaldjarafter jebes Polfes lägt ftdj am beften aus ber 
bramatifcften poefte bejiimmen. £}ier erhalten nur bas pro» 
gramm für Ceffmgs <§uhmft im (Begenfafee 3U (Bottfdjeb, bem 
jefet nodj ZDeitjraudj geffareut nnrb. 2tber ber plan ging nodi 
tpeiter: Hücfjtdjt auf bie Süljne, Züaterial für bie (ßefdiidjte 
bes Crjeaters, Sammlung alles für unb gegen bie Büfyxe pon 
ben Kirdjenpätem bis 3ur (Begenroart Porgebradjten, fdiließtidj 
eigene Dramen, att bas roarb in 2tusjtdit gejieHt. 

Diefe „Porrebe" gleicht einem fyerrlid?en prunftore, bas 
aber nidit 3U einem prächtigen palafte führte, fonbern 3U einer 
teilt befdjeibenen »adeligen %&tte. ihylius toar ein piel 3U 
letditfmniger Arbeiter, unb audj Cefftng fyatte nodi lange nidit 
fo piel ffiaterial 3ufammengetragen, als 3um Ausbau bes ge- 
planten <5ebäubes erforberltdj getpefen u>äre. So lebten bie 
beiben Herausgeber pon ber fyanb in ben Zltunb, boten nidit 
immer ausgereiftes, befonbers ZTZylius fubelt etroas 3U jiarf. 
Cefftng feuerte auger einer Überfefeung aus bem 5ran3Öjt* 
fdjen, Hiccabonis bes 3üngeren Sarjieltung ber Sdjaufpiel- 
funji in nid?t fetjr forgfältigem 3>eutfdi, unb einer Jlbfdilad?« 

3* 



(/ 



86 „Der SQaty' J750. 

hing bes Kantetet ZTlagifiers (Sregorius, ber Samuel ZDeren» 
fels' Hebe 3ur Derteibigung ber Sdjulbramen ins 3>eutfcfte — 
ober wie Cefftng behauptete, ins IDenbtfdie — überfefet baue, 
nur plautintfc^e Stubien bei. <£r überträgt bie „(Befangenen" 
bes plautus in eine frifdje profa, fianbelt mit bramatifdier 
Cebenbigfeit über biefes Sind unb prüft in einer 2lbijanblung 
„pon bem Ceben unb IDerfen bts Zllarcus 2lccius plautus" 
bie £lad}riditen mit gefunber Kritif, faßt bas Sichere 3temltdj 
abfdiließenb 3ufammen unb er3äl)lt ben 3nfyalt feiner Stücfe 
etwas troefen. 3™™**^ war biefer Seitrag eine gan3 tüchtige 
Ceijfaing ^es jungen Cefftng. 

IDie fidi aber jäben pon ben tfjeatraltfdjen XTacftriditen 
ber „Seiträge" über bie berliner ©per 3U Ceffings eigener 
gelungener Parobie bes italienifdjen Cibrettiflen Viilati hinüber« 
fpinnen, bie er in feiner broUigen „Carantulla" gab, fo fdjliejjt 
an bie ptylologifdi^iflorifdien Stubien über plautus ein Der« 
fudi, biefen 3)idjter in 3)eutfdjlanb ein3ubürgern burdj bas im 
3aljre J750 entflanbene Cufifpiet ,/2>er Sdialfr", eine fetjr 
freie Zladibilbung ies „tErinummus" in einem 2lft. Xlad\ bem 
„pfeubolus" besfelben 3>idjters wollte Cef fing einen „3ufHn", 
nad? bem „Stidjus" ein Cufifpiel „IDetber ftnb IDeiber" per» 
faffen, oljne bajj es ba3u fam; von „3ujtin" beftfeen wir nur 
ein S3enar, pon „IDeiber ftnb IDetber" ein 5^«gment. ZTCan 
tann fagen, ba% Cefftng im „Sdjafe" mit großem <5efd?icf ^as 
lateinifdje £Oer! mobernifierte unb wenigfiens 3um tEeil natio* 
nalifterte; er lieg fort, tx>as er nidjt brauchen fonnte, 30g 3U» 
fammen, bilbete um, perfdjmol3 ein3elne perfonen 3U einer neuen 
5igur, fo ba% biefes Cuflfpiel unter allen jugenbperfudjen ^as 
lufttgfle geworben ijl. Sdjlag folgt auf Schlag, einige 53enen 
ftnb poQ brafHfdjer tt>irfung, bie fi^pofttion lägt faum 3U 
wünfdjen übrig, ber Schlug ift urbroltig, unb bie Cfyaraftere, 
bie ettpas ins Beditlidjere gehoben würben, entbehren nidjt ber 
XDafyrfdjeinlidifeit, es fefylt nidit bie Spannang unb Über- 
rafdjung, arxdt für Hüfyrung iji einigermaßen geforgt, unb fo 
ftnben fidj bie Elemente beifammen, bie auf ber Süijne 
gefallen. 

3)ie 5<*bel bes „(Ertnummus" würbe 3iemlidi unperän* 
bert beibehalten, nur würben anbere Xtamen gewählt, leiber 
ftatt ber antifen feine ijeimifd?en. 2lnfelmo ift nadt 3"&ten 
ge3ogen unb fjat feine Kinber KamiHa unb Celio 3urü* 



Die tfabel bes Stäcfs. 37 

gelaffen, 3ugleidi aber feinem 5teunbe pfyilto, roeil er Celios 
£}ang 3um Ceidjtfmn fennt, am>ertraut, ba§ in feinem £jaufe 
ein Schafe pergraben fei, KamiHas 2lusjieuer, wenn er nidjt 
3urücffel|re. Seit neun ^al^ten k** "tan nichts mefyr pon iljm 
gehört. Celio fyat nrirflidj, pon feinem Bebienten ZITasafriQ 
perfüfyrt unb ausgiebig betrogen, fein Vermögen burdjgebradjt 
txnb lägt bas Cefete, tx>as iljm übrig blieb, bas X>atert}aus, 3um 
Kauf anfdjtagen. pfylto erjleljt es, um ben Sdjafe für KamiHa 
3U retten, unb fefet ftd? baburdj bem Perbadtf unreblidjen Oor» 
ge^ens gegen feine ffiünbet aus. Ceanber, ein reicher junger 
mann, tiebt KamiOa unb will fte heiraten, aber fein Pormunb 
Staleno wxü nichts bapon uriflen, weil er fte für arm Ijält. 
Von pljtlto, bem er Dorwfirfe wegen bes fjausfaufs madjt, 
erfährt er bas (ßefyetmnis bes Sdial&es unb willigt nun in bie 
€f}e Ceanbers mit KamiHa. pljilto benufet biefe ZDerbung, 
um Celio ins (Sewiffen 3U reben: er Bf alt üjm por, ba% er 
burdj feine leiditftnnige Derfdjwenbung bas (ßlücf ber Sdppeßer 
3crflört \\abe, tpeil Staleno ifyre Perbinbung mit £eanber wegen 
iljrer DermSgensloftgfeit nidjt 3ugeben wolle. Da befdjliejjt 
Celio, feine lefete gufhidjt, ein fdjon perfdjulbetes Dorwerf, für 
bie Sdppeßer 3U opfern, unb 3eigt baburdi ben trofe allem 
Ceidjtfmn guten Kern feiner Statur, pljilto fyat ans Dorßdjt, 
bamit rxidit am £nbe Celio audj biefes (Selb ^aben wolle, mit 
Staleno perabrebet, ba% er ben Sdjafe nidjt angreifen, fonbern 
bie ZRitgift ans (Eigenem porfhreefen wolle, unb bajj fie burdj 
einen gebungenen Boten als angebliche Senbung ilnfelmos 
ausgegeben werben folle. Zufällig fefyrt nun 2lnfelmo gerabe 
jefet Ijeim, fein Unternehmen iji geglücft; er trifft ben ZRasfaritt, 
ber ttjn erfennt unb pdj rafdj aus bem Staube madjt, er trifft 
Kaps, ben angeblichen Boten bes 2tnfelmo, unb Ijält ifyt für 
einen Betrüger, tarxrx ttjn aber nidjt fejttjalten, enblid? erfährt 
er burdi einen Kofferträger alle (Serfidtfe über feine 5<*milie, 
fo ba% er ftd? gan3 unglücflidj füfyt. Salb flärt xfyx jebodj 
pljilto auf, Staleno wirbt bei itjm um KamiHa, bie aber 2ln- 
felmo fdjon bem Sofjn eines guten perjtorbenen 5teunbes per» 
fprodjen t)at; es ftcüt ftdj heraus, ba% eben €eanbet biefer 
Sofyx fei. Durdj einen Streidi ZTZasfarills n>irb fdfltefjlidj 2ln« 
felmo bewogen, feine Ciebe für Celio 3U perraten unb bem 
Sotjne 3U per3eü|en, falls er ftdj gut fyält. 

Cefftngs £igentum ijl bie edtf fomifdje Durchführung ber 



Die Fomifdjen HTottoe. 

eht3elnen S3enen, bie büijnenjtdjere Cfpofition, ber Heidjtum 
, an guten einfallen unb wirffamen fiffeften, bie glücf Hefte 
\| ZHifeftung oon €rnji unb 5d?er3. (Bteidj bie erjie S3ene 3wifcften 
Ceanber unb Staleno fe%t gefdjicft ein; jener ijebt alle X>or3fige 
KamiHas fteroor, wäftrenb Staleno immer wieber fragt: 
„Unb was friegt jte mit?" 2lud? bem auftritt, in bem Staleno 
bem angeblich ungetreuen Pormunb pftitto fein Benehmen oor« 
wirft unb bie JDaftrljeit erfährt, feljlt bie Komif nidit, fo 
wenn ftdj Staleno mehrmals ©erfpricftt unb nidit um KamiHa, 
fonbern um iftre 6000 (Ealer ZHitgift wirbt. ©rajHfdi ent- 
wicfelt ftdj bas (Befprädj 3wifcften ZtTasfarill, ber feinem f}errn 
ben Heft bes Qauspreifes bringt, unb Celio, ber jtdj über bie 
Kleinheit ber Summe wunbert; ZHasfarill benufct fd?neü bie 
(Belegenfteit, noeft $etyx (Ealer ©on b^n fünfunbfünftig 3U jleftlen 
unb will bann feine S(änbe nid?t öffnen, »eil er fte Bleute noeft 
nidjt — gewafdjen ftabe. Celio befommt 3ugleict) fein Sünben« 
regijler 3U ftoren. KSjUidj iji bann bie fünfte f^ene, in ber 
Celio feinen Diener um £}ilfe anfleht, bamit er Kamilla bei- 
flehen tonnt: ZtTasfariH teiftt iftm nadj einer Steigerung ber 
Spannung bie J75 (Ealer, bie ifyn Celio feit jteben 3^ren 
als £oftn fc^ulbig ijt. £efftng ijat bann in ber „ZTKnna oon 
Samijelm" biefes ZHotfe ijumorijHfdf, nidit met|r bloß fomifdj 
ausgejtaltet. 3n bem auftritt, wo £elio bem Staleno bas 
Dorwerf anbietet, mifdjt jtdj ZlTasfarill fortwäftrenb ein, um 
feinen l}erm t>on bem tarierten £be(mut 3urücf3ulialten. 2lm 
gelungenen fmb bie S3enen 3wifdjen ZHasfariD unb 2lnfelmo, 
wie 3wifdjen 2lnfelmo unb bem oerfleibeten Haps. ZTfasfarill 
fudjt fidi ber unangenehmen Aufgabe 3U ent3ieijen; 2lnfelmo 
alle Zteuigfeiten mit3uteilen, feijwafet alles mögliche unb un» 
mögfidie burdjeinanber, braudjt über Celio bie biplomatifdje 
JDenbung, ba% er ein groger ^anbelsmann geworben ijh „€r 
lebt, fefton feit metjr als einem 3<*ft**/ oon nichts als oom 
Perfaufen" unb läuft enblidj baoon. TXnn fommt Raps (man 
benfe an bas Sufammentreffen peters mit Kapitän oon Schlag), 
rütjmt ftdi feiner 5^eunbfd?aft mit2lnfelmo, bejfen Hamen iJ|m frei- 
lief? nxdtt einfällt, framt allerlei fraufe Ijijlorifclie unb geograptjifdje 
JDeisftett aus unb ijätt fdjliefjlidi btn ijalb verärgerten, ftalb 
amüfterten 21nfelmo für einen Setrüger, ber üjm bie 6000 Caler 
abnehmen will. ZlTit 2lnfelmo, ber »or feinem oerfcfjloffenen 
^aufe mit feinem Koffer jteijt, traben wir ZHitleib, obwohl wir 



Doltmre. 39 

3ugleidj über üjn lachen muffen. Unb nun aud? nodj ber 
Sdjlußeffeft mit bem Perfudje, Spannung tragifdjer 2lrt fomifdj 
3U perwerten. Hü bas bietet fo viel Spaß, fo piel 2lbwedjs- 
lung, ba§ ein foldjes Cujifpiel jeber Süljne tjodjwiHfommen 
fein mußte. Hur eines fällt auf: ber polljiänbige ZHangel an / 
weiblichen Bollen, balb wirb ftdj ein burdjaus männlidjes 
Crauerfpiel ba3u gefetlen. 

XDäijrenb Cefftng fidj fo in bie antife JDelt perfekte, war 
er 3ugteidj in feinem regen Silbungseifer bemüht, bie moberne 
ntdjt 3U pernadjläfftgen, unb gewann ^ütjtung mit ber berliner 
fran3Sftfdjen <5emeinbe. Vas $ran3Öftfd?e fpielte woijt eine 
ber erjien Holten in ber ffauptjtabt 5riebridjs IL, ber angeblich 
bas Deutfdje felbji nur wie ein Kutfdjer fpradj, ftdj mit 
fra^öjtfdjen <5eleljrten unb Sdjrtftjlettern umgab, feine ZDerfe 
fran3ojtfdi ©erfaßte unb mit feinem umfajfenben (ßeiji an ber 
weltmännifdjen Citeratur ber 5*anfen größeren (BefdjmacF fanb 
als an ber Stubengelefyrfamfeit ber 3)eutfdjen. ZtTit patriotifdjem 
3ngrimm perwarf er bie Citeratur feines Catertanbes unb 3eigte 
burdj fein 3ntereffe für Poltaire, für bu fran3Öftfd?en €n3Y- 
Hopäbijlen meijr ijijlorifdjen Sinn, als wenn er ftdj um bie 
Heinlidjen ^änbel ber (ßottfdjeb unb (Benoffen gefümmert l(ätte. 
Die fran3Öjtfdje Citeratur war bamals ber beutfdjen weit por* 
aus, wenn fte audj balb eingeholt unb überholt würbe, was 
ber König nidjt meljr 3U erfaffen permodjte. 2TKt ber fran3Ö* 
ftfdjen Citeratur mußte barum jeber pertraut 3U werben fudjen, 
ber ein wirflidjes £erftänbnis für bas JDerbenbe, fjeranreifenbe 
gewinnen wollte. Unb tefftng, ber jebe l}albljeit ijaßte, bas 
£eben, nidjt bie 3üdjer 3U erfaffen jhrebte, fonnte ftdj unmöglich 
mit einem Sd}ulfran3Öftfd) begnügen, wie er es t>on St 2lfra 
mitgebracht ijaben bürfte. Deshalb trat er jefet in Serlin bem 
fran3Ö|tfdjen Sprachlehrer Hidjier be Couoain naije, um ftdj ' ; ] 
in ber Konperfation 3U üben. Hidjier warb J750 Sefretär v 
bei Doltaire, bem 5*eunbe bes Königs, einem ber fütjrenben 
(ßeijier feiner Seit, einem ber wirffamjien unb bebeutenbjien 
Sdjriftjieller ber bamaligen JDelt. Neffen CEjarafter freilidj 3eigte 
Ijödjji bebenflidje Sdiattenfäten unb jkmb in auffattenbem XDiber» 
fprudje 3U ber Stellung, bk er in ber (ßeletjrtenrepublif unb 
in ber (ßefetlfdjaft einnahm, (ßerabe bamals war er in einen 
ijddjjl fdjmufcigen fjanbel mit bem ZlTün3Juben 2lbraljam ^irfdj 
perwicfelt, mit bem er jtdj in perbotene (ßelbfpefulationen ein« 



40 „Des Qerrn von Poltatre Kleinere l}tjtonfdje Schriften" {752. 

gelaffen iiatte; feine (ßemeinljeit unb <5en>tnnfudjt enthüllte jtdj 
bei ber (Belegenfyeit erfeftreefenb. Hurt brauchte er, wie es 
tjetgt, für feine projegfd^riften ober für eine Sammlung fleiner 
Schriften einen tüchtigen Überfefeer, unb Hicfcier fdjlug tijm 
Cefjtng x>or. So trafen btefe beiben djarafterijHfdjen Vertreter 
fran3Ö|tfdjen unb beutfdjen (Seijteslebens bes ad^e^nten 3<*l|** 
l^unberts 3ufammen: ber affenartig^äglidte Sxanqois ZTiarie 
Ärouet be Doltaire mit ben burdjbringenb fdjlauen unb Hugen- 
Augen, ein TXlarxn nahte an Sedftig, berühmt, einflugreidj, oor 
ftu^em ©on feinem föniglidjen Steunbe nadj Serlin berufen 
unb föniglidj befyanbelt, babei aber gelbgierig, feineswegs 
wätjlerifdj in feinen ZTCitteln, mifjtrauifdi, ein merfwürbiges 
(Bemifdi wiberftreitenber ©genfdjaften; üftn gegenüber ber frtfdje 
gefdieite Cefjtng, !aum in ben &voan$\g f bilbungsfputgrig, ein 
armer Sdtfucfer, aber grunbeijrtidi, bebürfnislos unb unab* 
gängig, melbelefen, frühreif, gutgefdjult unb fo Dortrefflidj 
befähigt, ben perfonen unb Sadjen bas IDefentlidje, ben Kern 
ab3uguc!en. £in redjt ungleiches paar, unb gewiß tut man 
gut baran, ben Abjlanb bes alters unb ber Stellung nierjt 3U 
unterfcfyäfeen. IDir bürfen annehmen, bajj ber 5tan3ofe ben 
beutfdjen 3üngling, bejfen arbeiten jtdi fefyr brauchbar er- 
liefen, fyerablaffenb gönnerhaft beijanbelt ijaben wirb, wäfyrenb 
Cefpng mit feiner füijn ©orbringenben Auffajfung trofe feiner 
geringen tPeltläuftigfeit rafdj bie Situation erlannt unb aus 
üjr geizigen Xtufeen ge3ogen 3U ljaben fdjeint. £r gewann 
<£inblicf in Poltaires perftbe Ztatur, wofyl aber audj fruchtbare 
Anregungen, füllte ftcf? jebesfalls von bem SdjriftjleDer an« 
ge3ogen, wenn tEjn aud? bie perfSnlidjfeit abjHejj. Des Auftrags 
entlebigte er jtdj bejlens, aber oon ben (Selbgefdiäften muß bas 
<5efprädj audj auf Citeratur übergegangen fein, benn Ceffing 
fonnte 3U feiner Überfefeung „Des ^errn pon üoltaire Kleinere 
^tjlorifdje Sdjriften" ein ijanbfdjriftlidi oerbejfertes ©riginal 
benufcen. Die gefdjmacfootle fjijiorie trat iljm I^ier entgegen, 
bas fiffay, bas mit grünblidjer Durdjbringung bes (Segen* 
jtanbes eine aufs IDefentlidje gerichtete, für jeben (Sebilbeten 
genießbare Darjlellung vevbanb; nidtt Kleinigkeiten unb widjtige 
üorfälle auf3U3eidjnen, um bas (Sebädjtnis 3U füllen, iji nadj 
Cefftngs Selbjlan3eige bas &\e\, oielme^r „ben (ßeiji 3U erleuchten, 
bas J^er3 3U orbnen, bie ZHenfcften fennen 3U lehren", wenn 
menfdjltdje ^anblungen befdjrieben werben, Cefjtngs Der» 



„palaion 1 ' \7bo („Por biefenl" J756). 41 

beutfdnutg wirb leiber pon feinen ausgaben ausgefdrfoffen, 
troftbem ftc leljrt, wie gefdiicft er jtdi bem Original an3u- , 
fdjmiegen perjlanb unb baburd? audj feinen Stil weiterbilbete. 
3*besfatls befdiäftigte ftd? Cefjtng bamals nodi eingebender ' 
als früher mit ber fran3Öftfd|en Citeratur unb permieb aud) 
E{ier bie ©nfeitigfeit, ja er perfudtfe fidi fogar felbji mit poller 
<5ewanbtf}eit als fran35jtfdier Sdiriftjieller burd] ein einaftiges V 
Cujtfpiel „Palaion", pon bem wir freilieft nur brei 53enen 
unb eine fpätere, etoas weitergeführte beutfdje Überfefeung unter 
bem (Eitel „Por biefenl" beftfeen, jenes aus bem 3<*fr* J?50, 
biefe oon 1(756. Palaion (IPilibalb) iß ber „laudator temporis 
acti a (Cobrebner ber Vergangenheit), bem es un3weifeti}aft f efl« 
fteE^t, bajj „jadis" („vor biefen") alles beflfer gewefen fei, fogar 
bie Seit verging bamals md?t fo rafd?. IPieber fhtben wir bie 
typifdjen Perljältmjfe bes Cujifpiets: er fyat eine Coditer Cucilc 
(Cftaritas), um bie jtdj Cüton (ptylibert) bewirbt, weil er fie 
anbetet, bas mar „jadis" audi nidjt ber 5att. Der Dater toitl 
pon biefer Perbinbung um fo weniger wtflfen, als Clitons Per« 
mögen 3ufammengefdimol3en unb auf bie Crbfdjaft ntdjt 3U rechnen 
ift, benn jefet pflegen bie £rbon(e( fpäter 311 jierben als iftre Steffen, 
bie 3ungen befommen jefet elter eine <5Iafee als einen Sart. 
palaion will bie tEodjter mit ZITartin Coltbri (jlorian) per« 
mäftlen, er Ijat einen pro3e§ um bie ZTlitgift pon Cuciles 
(dftarttas) ZHutter, ber broOige, redjtffaberifdie unb pebantifdje 
Stbpofat <£obe$ ffiijrt ben pro3e§: bureftaus firflnbungen, bie 
wir fdjon aus früheren IPerfen Fennen. Uns gemannt bas 
Fragment an (ßoetftes ZtTasfenfpiel „paläopljron unb Zteoterpe": 
neben bem £)abered)t £obej feftlt ber Ztafeweis £ucile*£ljaritas 
nieftt, unb bebeutfam erfdjetnt bas Wort, mit bem Cucile ben 
5reier Ulartin Colibri perwirft: „Cest un livre et non pas 
un homme" („€r ifl ein Sudj, fein ZHenfdi"). Darin ernennen 
wir einen Zladtflang bes „3ungen (Belehrten" nnb Ceffings 
eigene ZReinung; wenn bagegen palaion fagt: „Dans ce siecle 
barbare oü le plus opulent est le plus habile, oü P argem nous 
peut faire savoir tout sans en avoir rien appris, quels avantages 
croyez vous que puisse avoir un homme des talents sur un 
butor?" 1 ), bann l$ren wir ben fampffrotjen 3*tagling oljne 



l ) Zladj £efftnas Überfefcung: „3" biefen barbartfdjen geiteit, in 
welchen ber Heidfjie ber (ßefdficftejle tjl, in melden ber, ber (Selb fjat 



r 
1 ' 



42 Hebafteur ber „Dogtfdjen" gettmtg J75\. 

Vermögen, ber mit feinem (Latente bie Dummfdpfe 3U über- 
treffen unb burdj eigene Kraft unb Otigfeit einen JDirfungs- 
freis 3U erringen tjoffte. 

nTylius t»ar eine Seit lang Hebafteur ber „Serlinifcften 
privilegierten Leitung " getoefen, bie Hübiger perlegte; nadj 
feinem Abgang foQte Cefftng fein Xladifolger werben, t»oHte 
ftdj aber „mit folgen politifdjen Kleinigfeiten feine ^eit nidjt 
»erberben" unb lehnte b^n Eintrag ab. £>u Anfang bes 3at|- 
res J75J ftarb Hübiger unb fein Sdianegerfofyn Vo% über* 
naipn bie Leitung, bie nodj fyeute bie „Dojjifdje", „(Eante Pojj" 
Ijeifct; ^a tourbe Cefftng als Hebafteur b^s roiffenfcfiaftlidien 
Ceils gemonnen, ^s Feuilletons, u>ie totr fynte fagen mürben. 
„Don gelehrten Sachen" lautete ber (Eitel biefes (Eeils. Cef fing 
übernahm itjn, »erlangte aber eine monatliche Seilage „Qas 
XTeuefie aus bem Heidje b^s JDifees", nidjt etoa ein IDifeblatt, 
fonbern fo redjt eine „Citerarifcfye Seilage". Zinn war Cef fing 
in feinem Clement. 2lm J8. 5*bruar erfeftien bie erße Ztummer 
unter feiner Ceitung, er begann fte mit einer frühen, aber fcB^r 
be3eid?nenben He3enfion »on 2Ubertinus' „(Befdiicftte ber (ßelaljrt- 
Ejeit"; ironifdi beljanbelt er bas im erjlen Sanb (ßeleiflete, bas 
von 2lbam bis 3ur Sintflut unb bis auf bie fteben JDeifen gei|t, 
3eigt aber 3ugleidi, t»as ber Perfaffer tjätte teiflen foQen. 
Scharf »erlangt er »on ber JDiflfenfdjaft nidtf bloße Sammel- 
tätigfeit, fonbern fombinierenbe 5orfdjung, nid?t „ißela^rtljeit", 
fonbern Kritif, u>ie er fte bei Doltatre unb bei Sayle be« 
nmnberte. TJindt ein fatirifdjer £}ieb finbet ftdj in bem 5afy: 
„Wxv muffen nodj erinnern, ba% . . . biefes JDerf ber Diepgen 
Königl. 2lfabemie ber JDiffenfdjaften 3ugeeignet . . . ifi . . . 
Unb beinahe mödjte man aus biefer 5ufdjrift auf bie Ver- 
mutung fommen, ba% er (ber 2lutor) in ber antebilu»ianifd?en 
gelehrten J^ijtorie ftdj beffer umgefeljen t|abe, als in ber neuen". 
Vas t»ar ein (Epigramm in profa, audi fpäter bat er foldje, 
ba3u felbft manches Stad?el»ersdjen, eingeftreut. 2lufmerffam 
»erfolgte ber Kritifer bie moberne beutfdje r»ie frembe fdiöne 
Citerätur, bie JDerfe ber (Belefyrfamfeit auf »ergebenen <5e- 



WXzs 3U nnffen glaubt, ofyne bas <Seringfte gelernt 31t I^aben; in biefem 
^afyrfjunbert ber glücflidjen Dummföpfe, tpas fönnen ba (Einem <ße- 
fdjtcfltdjfeiten Reifen? Vor btefen waten fie t»ot^l fo gnt als bas größte 
Kapital; aber bas mar por btefen — " 



XBgattg von Berlin. 48 

bieten, fpottete unb rjöijnte, pries unb lobte, roenn er ba3U 
2lnta§ fanb. Selbjiänbigfeit bes Urteils, Kraft ber fiber3eugung, 
llnabf)ängigfeit oon jebem Kliquen- unb $raftionsroefen 3etdjnen 
irjn aus; er befämpfte bie abfirufen Darbietungen ber (Sott* 
fdjebianer, etroa Sdjönaidjs oerungtücften „^ermann", ofyne 
ftdj aber 3um Parteigänger ber Sdjroei3er ijer3ugeben; Klopjlocfe 
ZHufe fanb einen erfrlicfjen DereBjrer an tfym, ber aber feines- 
roegs blinb gegen itpre Sd?roäd?en roar, fonbem, roas ifyn 
tabelnsroert erfdjien, mit freier ZlTännlidifeit tabMe, oijne 3U 
oerlefeen. "Dabei oerroarf er bie Klopjtocfianer unb Blatte für 
bie fümmerlidjen !?ad}ar|mungen bes ZlTefjtas, etroa bie pa- 
triardjaben Sobmers u. bgl. nur fjofyn. Statte ber Schlachtruf 
bisher gelautet: Ijie £eip3ig! ober ijie Sdjroei3! oon tijm if% 
bei £efjtng nichts 3U ijören; man füllte balb in Deutfdjlanb, 
tjier ringe pdf etroas Heues herauf, bas roertooll roerben muffe, 
aber Cefftng lieg fidi für feine Partei einfangen, 5o3iale 
Unabhängigkeit roar iljm bisher als 3beal erfdjienen, foHte er 
jtdj nun in geijttge 2lbt}ängigfeit preffen laflfen? er roar ein 
Kopf, foltte er ßdj einem fremben Körper anfügen? lieber 
felbjl bas fjaupt einer partei, unb balb ertönte ber neue 
Schlachtruf „Bjie Berlin", bem jtdj Cefftng übrigens gleichfalls 
nidjt für lange fügte. Vas 3«^ J75J verging in foldjer, 
fyauptfädjlid? joumalijKfdter Cätigfeit, bem Hajllofen mangelt 
bie UTuße, bestjalb roill er nadi Wittenberg, um 3U arbeiten 
unb nebenbei einen afabemifdien (ßrab 3U erringen, er fonnte 
bodf nidjt ber eroige stud. med. bleiben. 

Sein Abgang bafyin roar bramatifd?, aber nidjt glücflidj, 
eine Komöbie von traurigen, faß tragifdjen 5olgen begleitet. 
Doltaire rjatte feit bem 5^üljling in potsbam fein JDerf „Siecle 
de Louis XIV." (Zeitalter £ubroigs XIV.) 3ur Ausgabe vorbe- 
reitet unb mit ben Drucf bogen geheimnisvoll getan; niemanb follte 
<£inb(icf nehmen, eije bas Sud) ooHenbet roar. Sei Hid}ier 
fanb Cefftng bie 2lusB|ängebogen unb roußte biefen Sefretär 
Voltaires 3U bejiimmen, fte itjm für fur3e &\t an3uvertrauen. 
Unvor{td}tig genug, lietj er fte bem £}ofmeifier im Qaufe bes 
(ßrafen Sd?ulenburg roeiter; 3U feinem Unglücf faij Ijier eine 
vertraute 5reunbin Voltaires 3ufäüig biefe Sogen unb madjte 
bem Derfaflfer Dorroürfe, ba% er iljr fein neues IDerf vorent- 
halte, roä(}renb es fdjon in ben fjänben von Hauslehrern fei. 
Poltaire fdjnaubt IDut, er Ifält ftdj für bejiofyen, fürdjtet 



44 Aufenthalt in Battenberg \7S\—\?52. 

Xtadfitvid, unberechtigte Überfefeung; bas Donnerwetter entläbt 
jtd? über Hinter, bem Voltaire einen Brief an Cefftng aufträgt 
ober fogar biftiert. Denn Cefftng war, feinem Ceidjtjtmt bie 
Krone auffefeenb, nadj Battenberg abgereift unb fyatte bie 
Sogen mitgenommen, um nodj ben 5djlu§ 3U lefen. Vev Brief 
ift nidtf metjr erhalten, nur ein Safc perfyeifjt Cefftng eine Be- 
lohnung burdj Voltaire für bte Hücfgabe bes Sucres. Sofort 
fdjicft Cefftng bie Sogen 3urücf unb toenbet ftdj in einem überaus 
gefdn'cften franjöjtfdjen Brief inbtreft an Voltaire, ber neben 
Komplimenten audj einige IVarjrrjeiten 3U frören betommt. 
Voltaire war ungebulbig biefer Antwort 3UPorgefommen unb 
ijatte pdj am \. 3<*nuar J752 felbft mit einem feljr per- 
föfynlidjen unb fdjmeidielliaften Schreiben an Cefftng nadj Wüten* 
berg gewanbt. Xtidjt Cefftng, beffen „probite" (Hedjtfdjaffen- 
Ijeit) er betont, fonbern Hidfier erfdieint als ber Übeltäter, 
„qui a fait ce vol"; er perfdian3t ftdi hinter bem Verleger 
2X1. be Sxandicville, ber gefdjäbigt würbe unb ftd? genötigt 
fefjen fönnte, bie fädjftfdien (Berichte an3urufen. ZlTan merft 
einen unwittfürlidjen Hefpeft Voltaires por Cefftng, ben er als 
Überfefeer ausbrücflid? rürjmt; er l|ötte gar nichts bagegen, 
menn Cefftng bas Sud? ins X)eutfd?e, audj ins 3talienifd?e 
übertr&ge, nur foBte bas nidjt nadj einem fehlerhaften 
fgemplar gefdjetjen, er tjabe Kartons brucfen laffen unb wolle 
fte ifyn 3ur Verfügung [teilen. Cefjtng antwortete in einem, 
leiber perlorenen lateinifdjen Briefe, ben Voltaire nidjt ans 
5*nfter ftecfen werbe. Vxe Sadie perbreitete ftdi in Berlin 
feljr rafdj, Cefftng toar jefet befannter, als ba er bort weilte; 
felbft ber König ijörte bapon, woijl in Voltaires DarfteQung, 
unb Cefftngs Ztame blieb iljm, perbunben mit biefer Affäre, 
im (Bebäditnis. Die 3*onie bes Sdjicffals wollte es, ba% 
nidjt lange banadj Voltaire bem König gegenüber in eine 
äfytlicrje Cage (am, u>ie Ceffing if)m felbft, ba% er fögar per« 
haftet »urbe, bamit man tfjm ein Bänbdjen <Bebid?te $riebridjs 
abnehmen fönne, bodj waren bie 5otgen für Voltaire weniger 
traurig« Ceffing fyatte mefyr Unglücf mit folgen perfönlidjen 
Angelegenheiten, feine rücHjaltlofe ©ffentjeit würbe mijjper- 
ftanben, bie flemfte Unporftdjtigfeit falfdj ausgelegt unb fo 
fam er in eine fdn'efe Stellung, wie ftd? balb wieber 3eigen wirb. 
IVäijrenb in Berlin ber Sturm gegen iijn tobte, faß 
Ceffing ruljig in IVittenberg, mit feinem fleißigen Bruber Ci^eo- 



„Simon £emnms\ 45 

pljilus JDoijnung unb Stubien teilenb; fo überfeftten pe ben 
Segiim oon Klopflocfs ZKefpas in lateinifd?e Qejrameter, wobei 
intereffante Stilbeobaditungen angepeilt würben. ZTlit groger 
Cup Derfenfte ftdj (Bottljolb fiptjraim in Stubien 3ur Kirchen« 
gefdjidjte, 3U benen bie Sdjäfce ber IDittenberger Sibltotljef 
einluben. £r war eben ein Südjerfreffer, wie nur einer, unb 
fonnte fpäter behaupten, es gebe tnelleidit fein Werf ber ge- 
nannten Sibliotijef, bas nidjt burdi feine Eianb gegangen 
märe. Wix fönnen eine merfwürbige 3)oppelnatur in Cefpngs 
ZDefen bemerfen. Der gug feines ^atitfyxnbetts, foweit er 
beutfdj war, wies üjn immer wieber 3U einer ungeheuren 
Ceftüre, bie er, alles oergeflenb, mit Ceibenfdjaft eine Seit 
lang trieb, bann (oefte es ben mit ber gra3iöferen Darpeilung 
ber 5*an3ofen üertrauten wieber, pdj in joumalifHfdien 2tr* 
beiten 3U erholen. So wedjfeln bie perioben enormer 2luf» 
nannte mit folgen reger probuftion. Die Öüdjer, bie er lieft, 
fangen für ifyn 3U fpredjen an, ber Dtdjter in iijm peljt Ceben 
auf ben Blättern, fieljt bie ZHenfdien in ben Tutoren unb 
ud]t ein perfönlidies Derfjältnis 3U i^nen 3U gewinnen. £r 
ammelt unb überfefet, etwa ben fediPen lÖanb von BoKins 
römifdjer (ßefdjidjte, bes Spaniers Quart Sud} über bie 
Prüfung ber Köpfe 3U ben tt>iffenfd?aften, er unterfudjt unb 
fonbert unb bringt in bie Seele ber Derfaffer, ungeblenbet 
burdi ifyren Bufym, unvoreingenommen burdi i^ren üblen Huf. 
So ergibt pdf iljm aus feiner Ceftüre 3ur (Befdiidjte ber He» 
formation bie „Hettung" bes von Cutter ©erfolgten Simon 
Cemnius, inbem er biefen triel oerfefeerten ZITann pfydjologifdi 
3U erfaffen fudjte unb audj an ber ttjm imponierenben (Er* 
fdjeinung Cutters freie Kriti? übte. Ztxdit einen unfehlbaren 
(ßott Cutter fall ** v ov pdj, fonbern einen ZITann mit menfd?» 
lidjem gorn unb menfdjlidier Sdiw&die. Wie fein $retgeip 
2lbrajl in tDjeopijan ben ZHenfdien erjl erfennt, ba er iljn 
3ornig peljt, rücft ifyn ber Reformator gerabe baburd) nafye, 
ba§ er ifyn gegen Cemnius leibenfdjaftlidi werben pefyt. 

Die reiche IDittenberger Sibliotijef veranlagte Cefpng audj, 
3U 3öd?ers „allgemeinem (ßele^rtenle^ifon", beflen ÜnentbeEjr» 
lidtfett unb 51üd?tigfeit er in einer Be3enpon ijerporljob, Cr» 
gän3ungen 3U liefern. £r lieg brei Sogen bruefen nnb bot 
pe 3Sdjers Derleger an, wobei er erwähnt l|aben bürfte, bag 
er fonjl feine Derbefferungen auf eigene Kojlen weiter er» 



1/ 



y 



V 



46 y6d^et unb £mtge. 

fd?einen laffen werbe. &vl 33djer brang ein <ßerüd?t bai>on; 
olpte ben Srief unb ben Perlagsantrag Cefjmgs an (ßlebitfdj 
3U fennen, lieg er Cef fing, ber am 29. 2lpril J752 nadj öffent* 
lieber Disputation in Wittenberg ZlTagifter ber freien Künfie 
geworben war, oor ben Heftor 3itieren, bodj erflärte Cefjtng, 
nidjt mefyr 3urücftreten 3U fönnen. 3n3wifdien iiatte 38djer 
ben Srief an (Slebitfdj gelefen unb bot Cefftng an, xfyn „gegen 
gute 3e3ai}[ung" bie ttaditräge 3U überlaffen, bamit er fte in 
ben Supplementen benufeen fönne. Wie ber fjanbel ausging, 
wiffen roir nidjt, bie jortfefeung ber Xtadjträge blieb ungebrueft, 
aber es haftete wegen biefes ZtTijjüerftänbnijfes an £effmg ber 
Vetbadit einer (Erpreffung; wieber war er burdf Unoorftditig» 
feit in eine fdjiefe läge gebracht worben. Unb tut$ barauf 
broljte it)m neuerbings etwas Tüpilidies. 

<Sx l^atte ben f}aHenfer profeflor <5ottlob Samuel Zttcolai 
in Wittenberg fennen unb fdjäfeen gelernt. 2lm 9- 3*wi J752 
n?anbte ftdj Cefftng an üjn mit einer merfwürbigen anfrage. 
£s war nämlidj nadj siel jähriger Vorbereitung J752 enblidi 
bie lang erwartete Qora3Überfefeung hes Caublinger pajfors 
Samuel Cange, ber mit pyra 3U ben pfabftnbem ber neueren 
beutfdjen Literatur gehört Blatte, neben bem lateinifdjen (Ee£t er« 
fdjienen. Cefjtng, ein befonberer Verehrer £}ora3ens, iiatte fte 
mit Segierbe 3ur £(anb genommen unb mit feinem Bruber 
Cl)eopi{i(us 3U lefen begonnen. Sogleid? jfotperten fte über 
einen groben Sdimfeer, Derglidjen bai|er bie Derbeutfdjung 
genau mit bem Original unb tarnen 3U bem überrafdjenben 
Hefultat, bajj bie lang angefünbigte (Srogtat bes paflors ftdj 
als eine unfertige, flfid?tige Sdjülerarbeit voll elementarer 
$ei|ler, »oll „finbifdjer Vergebungen" erwies. Cefftng u>ar ent* 
ruftet unb mußte ftdj Cuft machen. Thx Nicolai fdjreibt er, 
ftidft einen folgen um>er3eiljlidien Sdimfeer auf, bemerft, er 
ijabe mefyr als 3weifyunbert foldjer Thct gefunben unb nidjt 
übel £ufi, eine bereits fertige Beurteilung ber gan3en Schrift 
bruefen 3U laffen. €r mödjte wiffen, was profeffor ZlTeier in 
fjalle ba3u fage, ber 5reunb Canges. Zticolai antwortet fo* 
fort austoeidienb unb abwinfenb: „©effentlidj wollte idj es 
niemanb raten, fjerr Cangen an3ugreifen, ber etwa nodi fjoff« 
nung ijaben fönnte, im preufjifdjen fein (Sind 3U ftnben. Eiexv 
Cange fann »iel bei fjofe burdj gewiffe ZlTittel ausrichten". 
Damit war auf Canges Derbinbung mit bem (Seneral Stille 



„Sänften" 1753— J755. 47 

fyingewiefen, bem man übertriebenen ©nflfaß bei jMebrtdj II. 
3utraute; Stille fyxtte bie £}ora3Überfefeung forrigieren Reifen 
unb ber König an Cange ein gnädiges Urteil gerichtet. 
Diefer XDinf Nicolais, fo ä^nlidj bem von Doltaire für3« 
lief] gegebenen, mußte Ceffmg wieber rei3en, aber es fam 
nodi meljr. Nicolai fdjlug Cef fing x>ot, mit Cange, „ber 
folgt, wenn man ifpn etoas fagt", bireft 3U oert)anbe(n: 
„Sollte es nidjt angeben, ba% man üjn felbft aufmunterte, 
Perleger »on ben Sogen 3U fein, bie Sie wiber üjn gefdjrieben 
Ijaben? Ztidit in ber Jlbftdjt, ba% er biefelben bruefen lägt; 
fonbern ba% es in feiner (Sewalt fielet, bie Derbefferungen 
berfelben bei einer neuen Auflage, ober befonbers, bruefen 3U 
laffen. £r muß ftdi aber audj alsbenn gegen t^n Qerrn Per* 
fajfer fo be3eigen, toie ein billiger Verleger gegen b^n 2lutor. 
Sie muffen feinen Sdiabm fjaben, fonbern ein fjonorarium für 
gütigen Unterricht". 2llfo wieber ber Antrag, ber andt im 
Ijanbel mit 38d|er gejleät würbe. <£r ifi djarafteriftifdi für 
bie bamalige geit: nodj w erfaßte man eine Kritif nidit als ob« 
jefttoen 2lusbrucf einer Uber3eugung, fonbern als einen perfön* 
liefen Schritt, bei bem es ficfj nur um weltlichen Dorteil ijan» 
beln fönne; man begriff nidjt, ba% ein SdjriftfteHer im Streben 
nadj XDafyrfyett fein (Senügen finbe, freute felbft fadjlidje He- 
3en{tonen, weil man nur 5raftionsu>efen, Kliquentum unb un- 
ehrliches 5*eunbfdjäfteln fannte. 2ludi Nicolai aljnt nidit, ba$ 
es Cef fing auf meijr anfomme, als auf „verworfene Conjlruc* 
tiones, beutfdje Sprachfehler ufw.", üjm ift bie etijifdie pflidit 
bes SdjriftfieHertums unbefannt, barum meint er: „£s würbe 
ein Sanf mit frttifdier fjeftigfeit entfielen, nnb idj 3weifle jefet 
nodi, ob ber Ztufeen bei bemfelben fo groß fein würbe, als 
bei meinem Dorfdjlag" ; er bietet ftd? 3um Vermittler an. Cefjtng 
erwiberte nidit gan3 flar, er (äffe ftdi XTicolais Porfdjlag ge- 
fallen, wolle eljejlens an £ange f djretben, il)m „3um 2lnbiffe mit 
alter JEjöflidifeit nur fjunbert Donatfdjnifeer 3ufdiicfen", um 3U 
fe^en, wie er es aufnehme, barnadi wolle er jtdi richten. 
Zlicolai fonnte ober mußte glauben, es Ijanble ftdi um einen 
pripatbrief, bas war aber burdjaus nidit Cef fmgs 2lbftdit. £r 
Ijatte nämlidi begonnen, eine Sammlung feiner „Schriften" 
für Doß 3U Der an jialten, oon ber \753 bis J755 fedjs Ceile 
im 1)uobe3format erfdjtenen; ber erfte brachte <5ebid?te, ber 
3weite aber „Sriefe" mit bem fto^en ZlTotto aus Symmadius: 



/ 



48 „Briefe" {755. 

„©ffene (Bejtnnung unb reine Jlbjtdtfen perbmben wir. Xtidtfs 
fteeft im Sewugtfein, toas ftcf? m ben Schriften fyeimlidj per« 
borgen fyätte". €s fmb fünfunb3wan3ig Briefe oerfdiiebenen 3«* 
Ijalts, an perfdjtebene perfonen gerichtet unb aus perfdjiebenen 
Reiten jiammenb; ber porlefete „2ln ben ^errn £" abrefjtert unb 
„tt>**. J752" batiert, iji Canges X$ora3fiberfefeung gewibmet. 
i)er Caublinger pajior wirb als XTadjaljmer bes Ü[ora3 über' 
trieben gelobt, bann werben einige unb 3efyt Stellen ange< 
jiridien nnö meljr mit Perwunberung als mit beigenber Satire 
verurteilt, otjne bag jtdi Cefjtng in längere (Erläuterungen ein« 
liege; man merft nur bie £ntrüjhing bes in feinen Erwartungen 
(Betäufdjten. Diefen ruhigen nnb perfjältnismägig 3af}tnen Brief 
bruefte ber „Qamburgifdje Correfponbent" im Ztopember J753 
als probe pon Cefftngs Schriften ab. Daraufhin richtete 
fange bei (ßebauer in fjalle J753 einen offenen Brief an bie 
Hamburger «geitfdjrift, bantt^ für ben Dienji, bag jte üjn mit 
Ceffings Schriften betannt gemacht unb ttjn ber ZtTüije ent« 
t^oben ijabe, „bie Seiten eines 2>uobe3* ober ttafdjenbudiformats 
müttfam 3ufammen3ufud?en"; er fyabe bei ber (ßelegenfyett Cefjtngs 
Schriften gelefen unb erfetten, bag „biefer neuangetyribe Kunfi- 
ridtfer betmaleinji was Xtüfelidies werbe leijien fönnen". Die 
(BefeDfdjaft, in bie er bei Cef fing gefommen fei, teile er mit 
anberen berühmten unb perbienftootfen ZHännern, 3. B. Cutter 
(in ben Briefen über Cemnius). Dann nimmt er bie getabel» 
ten Stellen eht3eln burdj unb gibt pon allen vut^fyi nur 

SDei preis, pon benen eine überbies nur ein Drucffefyler fei. 
beratt Sticheleien auf Cefftng, „ber feine ©njtdjten aus ben 
XDörterbüdjem ijolet unb 3um erjien ZlTale feine gefammelten 
XDerfe in i)uobe3 Ijerausgiebet, um jte burdi bas 5ormat 3U 
einem Dabemecum 3U madjen". 1)ie polemtf Canges war 
nidjt gerabe glücflidj, weber wenn er ben „erhabenen XTacfen" 
(ft. Scheitel) perteibigt, nodj weniger, wmn er jtdi 3U prin« 
3ipieDen Behauptungen auffdjwingt unb etwa fagt, „bag Ejora3 
jtdi 3uweilen nidjt an bas Silbenmag feieret, fo wenig als an 
bie ScrjSnijeit ber IDortfügung, weil jtdi unter bie Stärfe 
feiner (Sebanfen 2lHes beugen mug". So gefyt es burd? bie 
gan3e Sdjrift, unb fdjlieglidj perjieigt jtdj fange 3U ber Der« 
leumbung Cefjtngs: „€s iji fdion lange, bag er midi mit ber 
fintbeefung einiger Ijunbert Sdjulfdjnifeer burdi bie britte fyanb 
bebroi^et Ijat. 3d? lieg ifyn bamals wiffen, bag idj feine <£r< 



„Vade Mecum ffir 5. <5. £<mge" J75t. 49 

innerungen fdjriftlidi gern annehmen . . . würbe; allein id? 
befam bte 2btfa>ort: ba§ er bereits feine Schrift 3um Qtud 
ausgearbeitet fyätte unb fte nidjt 3urüd!f)alten würbe, wenn idf 
fte ifyn nidjt gleid} einem Perleger b^a^len wollte. Sie formen 
beuten, mein l?err, toas id? barauf fyabe antworten muffen. 
3d? oerroarf biefen Antrag mit bem dugerften Unwillen, benn 
xdi fyätte ebenfo nieberträdjtig fein muffen als er, wenn xdi 
foldjes angenommen unb eine Schrift gegen midi mit (Selbe 
abgefauft fyätte". Zlxdtt bie XDifee unb (Brobljeiten langes, 
wotjl aber biefe Derleumbung perfekte Cefftng in ^orn. Sollte 
nochmals ber Schein un^onorigen 2?orgeljens auf xfyx fallen, 
foQte audj biefer fjanbel feinen (Eljarafter »erbädjtigen? Vas 
tonnte er ftd? rxxdtt gefatten laffen, besljalb perfajjte er, man 
tnödjte fagen, mit fliegenber 5*ber, ein paar Sogen, bie er an* 
fpielenb auf bie 3itierten Stellen bes Cangefdjen Senbfcfyreibens 
„€tn Vade Mecum für ben £}rn. Sam. (ßottlj. Cange, 
pajior in Caublingen, in biefem tEafdjenformate ausgefertiget 
t>on (Botttj. €pfyr. Ceffmg" nannte unb in Öerlin J75^ er- 
fdieinen lieg, Thxdt f}ier fhreidjt er ironifd? übertreibenb bie 
Perbienfte bes Dichters Cange möglidift heraus, um feine €r* 
Wartungen als fyodigefpannte bar3ujleQen unb feine €nttäufd?ung 
redjt augenfällig 3U machen. Kurs legt er ben Sadperftalt 
bar unb urteilt über Canges Senbf djreiben, es fei „fo erbarm* 
lidjes geug, ba% xdi midi waljrliaftig t>on (Brunb bes £(eviens 
fdjäme, auf einen fo elenben (Segnet geflogen 3U fein". Vas 
wxü er im erften Ceti eru>eifen, im 3u>eiten aber ben paftor 
als Perleumber branbmarfen; ber erße (teil foQ nrieber in 
3toei 3erfa0en, einen polemifdjen gegen bie Antwort Canges 
unb einen 3u>eiten mit Angabe neuer 5dllw* „Verteilten Sie 
mir, bafj id? in einem Briefe fo orbentlidj fein muß! £in 
(Blas frifd?es Srunnenwaffer, bie IDaüung jfäres fodjenben 
(Beblüts ein wenig nieber3ufd)(agen, wirb 3^nen feljr bienlid? 
fein, et}e mir 3ur erften Unterabteilung fdireiten. ZXodt eines, 

i^err pafior I Ztun laffen Sie uns anfangen!" Unb nadj 

biefem bramatifdien Eingang geljt es los mit ungeftümer Caune, 
immer neuen fatirtfdjen XDenbungen, balb fyfynenb, balb mit 
Autoritäten wtberlegenb, Schlag auf Schlag, nichts wirb bem 
Segner gefdjenft, audi langes Dater, ber Derfaffer einer ©iel- 
gebraudtfen lateinifdjen (ßrammatif angerufen unb burd?aus 
ber im 3al|re \7\\ geborene ^err paftor als ein Sd?ul junge 

TD tritt t, <BotttjoR> Cpfyraim Cef fing. 4. 



50 JJTtttcl ber polemif. 

bcljanbelt, ber fein penfum aerpfufdit fyat. Da ruft Cefjing 
tDotjl: „Den erjien Sdjoliajlen nennen Sie 21cris. 21cris? 
Die Hute fyer! Die Hute fyerl <£r ijetjjt 2lcron, Heiner 

Knabe! £a§ bodi Du bie Sdjoliajlen 3ufrieben!" ober ein 

anbermal: „Sagen Sie mir, fjerr paftor, führen Sie ftdj tjier 
nidjt ab einen tücRfdjen Sdjulfnaben auf?" ober: „gufammen, 
3Ijr Sdiulfaaben, um ify\ aus3U3ifd)en ! — — " ober enblidj: 
„Wann idj bodi 3^res fei. Ejerrn Daters lateinifdje Cßram» 
matif bei ber £}anb Blatte, fo wollte idj 3l|nen Seite unb Seile 
3itieren, u>o Sie es fmben fönnten, toas sequor für einen 
<£afum su ftdj nimmt. 3d? ijabe Sdjulmeijiers gefannt, bie 
ifpen Knaben einen (Efelsfopf an bie Seite malten, toenn 
te sequor mit bem Datioo conjhruirten. Caffen Sie einmal 
efyen, toas Sie gemacht fyabm". Köftlidfe IDenbungen jle^en 
Ceffmg 3U (5ebote; ba lefen nur etwa: „H>aijrf|aftig, Sie 
muffen jefet 3I)re klugen nidjt bei jtdj gehabt fyaben, ober 3fy*e 
Überfeftung I^at ein 21nberer gemacht. Sie toiffen ja nidtf ein- 
mal, toas bie IDorte feigen" ober „Qier mag idi midi in 21dit 
nehmen, baj} id? für £adien nidjt einen Klecfs madje . . . Sie 
»erben fagen, es fei ein Druckfehler . . . 2tber toarum erflären 
Sie nidjt gleid? 3t|r gan3es Sudj. für einen Drudf eitler?" 
ZRitunter toirb Cef fing fadgrob, fo toenn er Cange einen „alten, 
fyodjmütigen 3<*noranten, fein JDijfen toafyrljafte Bettelgele^r- 
famfeit" nennt ober tyn Don bm „anb^tn efyrlidjen Ceuten" 
ausfdjließt. Sdjneibenber Qofyt ift bie JDenbung: „Wafyxfyafte 
fragen eines ZTIannes, bei bem bie gefunbe Dernunft 2lbfdiieb 
nehmen u>iDl Sinb Sie, Ejerr pajlor, in ber (Eat nod? eben 
Der, toeldjer in feinen ^ora$ifd?en (Dben fo Dielen leblofen 
Dingen (Seift unb Geben gegeben, fo manchem notoenbigen 
<£rfolge Dorfafe unb 21bftdit 3ugefdjrieben, fo manchen Schein 
für bas ZDefen genommen, fur3, alle poetifdjen färben fo glücf- 
lid) angebracht Ijat?" 3n ber 3»>eiten Unterabteilung nimmt 
Cefftng alle 38 (Dben bes erjlen Sudjs burdf, toeijl in jeber 
einen ober mehrere 5efyler nadi, nur bei ber legten ijeigt es: 
„&nbe gut, Dilles gutl 3d? roeij} toafyrijaftig bei biefer legten 
©be . . . nichts 3U erinnern. Sie ift aber audi nur oon adjt 
feilen. Wann Sie, £jerr paftor, alle fo überfefet Ratten rote 
biefe, fo roürben Sie nodj 3ur Hot ein Sd?riftjießer fein, 
qui eulpam vitavit, laudem non meruit" (ber Segler x>ermieb, 
aber £ob nidjt ©erbtente). Sündig jet{ler in einem Bud?e er« 



£fyarafter ber Schrift 51 

gebe für alle oier moljl 3meü|unbert $eljler. „Dodj mal^aftig, 
idj müßte meiner Seit feljr feinb fem, mann idt midi meiter 
mit 3^nen abgeben mollte! ©iefesmal fyabe id] geantwortet, 
unb nimmermehr mieber". (Er rnoDe ;/ bas Urteil ber Welt 
abmatten. Sdjon fängt es an, ftdj für midi 3U erMären, vmb 
idj Ejoff e bie Seit nodj 3U erleben, ba man jtd} faum metjr 
erinnern mirb, ba% einmal ein Cange ben fjora3 überfefet ijat 
Audi meine Kritif mirb aisbann uergeffen fein, unb eben biefes 
münfdie idj. 3d) fet^e fte für nichts weniger als für etwas 
an, meldjes mir (Etjre machen fönnte. Sie jtnb ber (Segnet 
nidjt, an meldjem man Kräfte 3U 3eigen (Belegenljeit fyat . . . 
3dj ijabe 3fynen 9*3^9*/ baj} Sie meber Sprache nodj Kritif, 
meber Altertümer nodj (Sefdjidjte, meber Kenntnis ber (Erbe 
nodj bes Fimmels bejtfeen;" — unb nun eine gerabe3u geniale 
IDenbung: „Alles biefes mürbe eine feijr Heine Sdiaxibe für Sie 
fein, wenn idj nidjt ber JDelt audj 3ugleidj entbecfen müßte, 
ba% Sie eine fefyr nieberträdjtige 2trt 3U benfen ijaben, unb 
ba% Sie, mit einem ZDort, ein Perleumber jtnb". Saburdj er» 
fyebt jtdj Cefjtng ans ben Kleinigfeiten unb Kleinlidifetten pl)i- 
lologifdjer Kritif in bie reine Qöfye ber (Etfyf unb erfennt einen 
IDert bes Ulannes, ber jenen bes (Belehrten meit überragt. 
„Unfer Streit, mein fyett pajior, mar grammatifalifdj, bas 
ifi, über Kleinigfeiten, bie in ber XPelt nidjt Heiner fein 
fönnen" unb gegen ben Sdjluß: „ZTCein IDtffen unb Hiditmijfen 
fann idj gan3 moljl auf bas Spiel fefeen laffen; voas idt auf 
ber einen Seite oerliere, Ijoffe tdj auf ber anbern mieber 3U 
geminnen. Allein mein £je r 3 werbe idj nie ungerojijen antaften 
lajfen . . ." • (ßrünblidj miberlegt er bie (ßelbfrage, lenft aber 
nac5 ber patfjetifdfen Stelle mieber in ben leichten tton fetteren 
Spottes ein: „ZTCit biefer Derftdjerung \\abe idj bie <£fyre, 
meinen Srief 3U fdjließen. 3$ bin — — bodj nein, tdi bin 
nichts. 3d? felje, mein Srief iji 3U einer Abfyanblung ge- 
morben. Streichen Sie alfo bas übergefdjriebene UTein l?err 
aus unb nehmen Sie itjn für bas f mos er iji". 

Unb mas iji er? (Einmal eine glän3enbe Kritif, bie einen 
berühmten ZHann aufs Korn nimmt unb ifym nichts fdjenft. 
„3d? bin nun einmal fo; mas idj ben Ceuten 3u fagen fyabe, 
fage idj ifynen unter bie Augen, unb wenn fte audj barüber 
berjien müßten ", fo f Gilbert pdf Cefjtng gleid? im (Eingang 
bes Sriefs. (Er iji bie freie Äußerung eines freien ZHannes, 



52 „Rettungen bes S(ota$ M \7&<k> 

ber bei allem Derweilen im Detail 3eigt, worauf es anfommt: 
nidtf auf Beditljaberei, fonbern auf tieferes Derjiänbnis ber 
poejte, auf bas richtige Erfajfen ber lYrifdjen SdiSnijeit. 
Daburdj gewann ber Streit mit fange feine Bebeutung weit 
über bie gelehrte JDelt unb bie bamalige Seit hinaus. f}ier 
fpradi eine fatirifdje Kraft, allen bisherigen fatirifdjen Anfängen 
in Deutfdjlanb mächtig überlegen; ijier rang Seit mit &eit 
Zl\d\t um bie £jora3Überfefeung aOein mürbe gekämpft, fonbern 
V um bie 2luffaffung ber Dichtung: bie (alte oerjlanbesmäßige 
IDeife langes unb bie warme gefühlsmäßige Cefftngs trafen 
aufeinanber. Wenn Cefjhtg wieberf}olt betont, nidtf auf ben 
erften beflen Sinn, vielmehr auf ben poetifdjen Sinn einer 
Stelle fomme es an, fo Ijat er bie 5*ffeln 3» fprengen perfudjt, 
bie bis ba^in bie freie Entfaltung ber Cyrif hemmten. Darum 
bewahrte bas J^eftdjen audi bis 3um heutigen Cage feine 
5*ifdje, als flünben wir ben üerfjältniflfen nodj nalje. Cefftng 
erwies jtdj als tüchtiger, aber mobemer Philologe, ber mit 
ber Ciebe 3um Kleinen ben Slicf für bas (Broße t>erbanb. 

Wenn xfyn £ange, »on bejfen weiteren antworten man 
abfegen fann, im erjien Schreiben mehrmals oorfyält, ber 
Kritifer foHe ntdjt bie Sety** eines IDerles tabeln, fonbern bie 
Schönheiten, bas (Befangene fammeln, nur baburd} oermdge 
er 2lpoHo 3U erfreuen, afyite er nidjt, in rote großem Sinne 
bas Cefftng 3U tun beabftdjtigte. lange baue 3ur Perteibigung 
feiner fdjledjten wörtlichen uberfe^ung bes trepidare gittern 
flatt eilen) gefagt: „Was? iß bas fo etwas Seltfames, baß 
ein Crinfer rote f}ora3, ber audi nidtf feufd} lebte, im vier« 
3igjien 3<*Ijre 3ittert?" — — barauf Ceffmg: „ZlTit 3^rer 
Erlaubnis, £}err pajior, bas iji nidjt 3*1* Ernji. ©ben ladjte 
id\ fdjon über Sie, ba% Sie, jtd? 3U entfdjulbigen, ben fyovas 
3u einem Dichter machen, welcher jtdj weber um bas Silbenmaß 
nodj um bie JDortfügung befümmert. Was foQ idj nun l}ier 
tun, wo Sie ttjn, fidi 3U retten, gar 3U einem (Crunfenbolbe 
unb £}urer machen, welcher in feinem oier3igffen 3<*fy* bie 
Sünben feiner 3*igenb büßen muß ? Wann Sie »on bem guten 
ZTCamte fo fdjledjt benfen, fo iji es fein IDunber, ba% er Sie 
mit feinem (Seifte oertajfen fyxt". 

Solchen unb äljnltdien Vorwürfen gegen ben ZHenfdjen 
^ora3 ge^t Ceffing weiter nadt unb nimmt in ben britten 
lianb feiner Schriften {75^ ein lüerfdjen auf „Bettungen 



(Setotttn bes tPittenberger Aufenthalts. 53 

bes£jora3". €r tvitt ifym unverbiente $lecfen abtvif dien, bie 
falfdjen Derfleijterungen feiner Sdjtvädien auflöfen, hit$ aOes 
bas im moralifdjen Derjianbe tun, tvas berjenige, bem bie 
Auffielt über einen Stlberfaal anvertraut iji, im pfyvftfdjen 
verridjtet. Unmöglich fann er es gelten (äffen, ba§ man ben 
Dichter ergebt, tväftrenb man ben ZITenfcften Ijerabfefct. €s jtnb 
brei Dinge, bie Cefftng herausgreift, um Qora3 3U retten: feine 
JDolluji, feine $eigijeit unb feine (Blaubenslojtgfeit. „Etat es 
meijr auf ftdi, ben <5eijt eines Sdiriftjtetters 3U retten, als 
feine Sitten?" fragt Cefjtng unb tveiji nadj, mit bem Vorwurfe 
ber IDoUujt ijabe es nidjt fo viel auf fiel?, £}ora3 mußte „ben 
(Eon feines ^afycfyxnbetts annehmen. . . . 2Xlu% er benn alle 
(ßläfer geleert unb alle ZTläbdien gefügt I|aben, bie er geleert 
unb gefügt 3U traben vorgibt?" Cefjtng erflärt bie ZTläbdien 
für „JDefen ber ©nbilbung" unb be3afylt fo feinem 3<*Wunbert 
audi ben tCribut burdj all3uverjtänbige Äuffajfung ber £?rif, 
erfennt aber votlfommen richtig ben Hnterfdjieb 3tvifdien bem 
€rlebnis unb bem (Bebidjt. Xlxd\t alles, was in biefem auf« 
taucht, muß fo erlebt fein, nidjt aQes, tvas ein Dichter aus 
einer bejiimmten Situation heraus unb im Sinne biefer Situation 
ausführt, mu§ besljalb feine eigene Über3eugung fein; es gibt, 
audj inbfarefte €rlebniffe, was Cefjtng befonbers mit Ztücfftdjt 
auf Qora3ens angebliche Ciebe 3U Cigurin enveijt. Die 5^9- 
fyeit, bie ftdi I}ora3 felbjt in einer Stelle vorwirft, erflärt 
Cef fing für einen Sdjer3 unb betont bie IDiditigf eit ber 3ronie. 
Thxdi bie 3rrcligiöfttät lögt er nidjt gelten unb füfpt in einer 
glän3enben 3nterpretation ber 3^. (Dbe bes erjlen Sucres bas 
(ßebidjt auf bie „<5elegenfteit" im fpäteren Sinne (ßoetijes 3urücf, 
auf ein plöfelidj am gellen Fimmel entftanbenes Donnenvetter. 
Ceffings „Hettung" 3eigte, rote er bie Schönheiten 3U 
fammeln verfielt, freilieft nidjt in ber fiümperftaften Überfefeung 
eines „alten Sdjulfnaben" tvie Cange, tvoftl aber in ben 
Dichtungen eines bebeutenben Poeten. Sie 3eigte jebodj audj 
feine (Sabe, „(Seleftrfamfeit unb (ßefdjmacf" 3U verbinben; jte 
bewies, ba% ein Deutfcfter gleidi ben 5tan3ofen ernjle Dinge 
mit anmutiger Cetdjtigfeit vortragen fönne, ofyne flüchtig 3U 
werben. Cef fing erfdjeint gereifter, barin fe^en wir ben (Sewxnn 
feines XDittenberger Aufenthaltes. Stärfer ftat er feine (Eigen- 
art ausgebilbet; feine Stellung atten £rf Meinungen gegenüber 
ift freier geworben, ungeblenbet tritt er ifynen entgegen, aber 



54 ^fretfjctt ber Stellung. 

nidjt etwa nüchtern, redjtfyaberifdi unb frittelnb, fonbern mit 
warmem Qer3en unb Harem Perftanb als ein gan3er ZTfamt. 
fir urteilt nidjt mit bem (ßefüljl allein wie ein Parteigänger, 
nidjt mit bem üerftanb allein als blutlofer Kritifer, woljl aber 
in einer gewiffen weiljepollen Stimmung, bie itjn befähigt, alten 
Seiten einer firfdjeimutg gerecht 3U werben. Wo er bewunbert, 
ba fpart er audj, wenn es nötig iji, einfdpränfenbe Bebenfen 
nidjt; wo er tabelt, ba fud?t er audj nadt ben erfreulichen 
gfigen. So perrät er eine gan3 neue 5orm ber Kritif, idi 
mödjte fte bie menfdiltdje nennen. Cef fing weiß, ba% er ZHenfcrjen 
por ftdj fyat, ba% jebes ZHenfdienwerf aus einem (ßemifd? pon 
Dor3Ügen unb ZlTängeln befielt; er fpielt ftcf? mdjt als ber 
Urewige auf, ber 3U belohnen ober 3U betrafen ijat, fonbern 
als ZTlenfd?, ber begreifen will. Qavum feine „ frttif djen" Briefe, 
barum feine „Hettungen". Vabrxvdt ruft Cef fing bei aller 
Sdjärfe feiner Crlenntniffe — bies IDort audj im juriftifdjen 
Sinne genommen — ben ©nbruef einer rüljrenben Befcfteiben* 
fjeit Ijerpor. 3"t fünfzehnten Briefe fjat er ben Sa% ausge* 
fprodjen: „3dl Ijabe oft Kenner ZHeifterftücfe ber Bitbt}auerfanfi 
unb ZTTalerei betrachten fe^en. 3fy* Urteil fing ftd? mit einer 
füllen Bewunberung an, unb enblid? glaubten fte es nidjt beffer 
beweifen 3U fönnen, ba§ fte alle PoDfommen^eiten bes (Segen« 
flanbes empfänben, als wenn fte basjenige anzeigten, was babei 
weniger 3U bewunbern fei. 3fy* 21 ber war fdimeidjel^after 
als alle Ausrufungen bes pöbeis, ber ftdj von bem £rftaunen 
Einreißen ließ", ©ber wie er es audi ausbrücft: „<£s gibt 
eine 2lrt Cabel, weldje bem (Setabelten <£l}re madjt". Zlxdit 
Sewunberer unb 5*inbe: Kenner wünfdje ftdj jeber (Eüdjtige 
3U feinem Publifüm: „Zttan fdjäfeet jeben nad? feinen Kräften. 
<£tnen elenben "Dichter tabelt man gar nidjt; mit einem mittel» 
mäßigen oerfäijrt man gelinbe; gegen einen großen ifl man 
unerbittlich ". ... „<Es ift eben bie ^fatlidjfeit bes (ßeifles, 
weldje bie Sdjönfyeit einer Sadje füljlt, unb welche bie 2Hängel 
berfelben empfmbet. Cabeln unb loben, was 3U tabeln unb 
3U loben iß, muß alfo gleidj rütjmlidi fein. Vflan tue nur 
Beibes mit (Befdjmacf". Das ftnb Säfee pon bleibenber Be- 
beutung, unb ber ZHamt, ber fte ausfpradj, war nidjt piel über 
3wan3ig 3<*ty* <*lt! <£s ©errät ftd? in i^nen eine Heinfyeit ber 
21uffaffung, wie fte bamals in 3)eutfdilanb unerhört war, eine 
5reöjeit ber Stellung, bie pon bem Staub unb Sdjmufe bes 



Hnabfyängigfeit im Urteil. 55 

Kampfes nidjts merfen lief}. l}ier fpradj eine Kraft, bie mit 
einem Hucf fcas literarifdje Hfoeau tjob, man befam einen 
Segriff von ber frifdjen freien £uft, bie fidj auf SergesfySfyen 
fo letdjt atmen lägt. Pergeffen mar bie bumpfe 21tmofptjäre 
ber Stubierfiuben; roer fo fpradj, mußte nidjt nur gelernt tjaben, 
ben Staub von ben (Semölben feines Silberfaales ab3unnfdien, 
fonbern audj aus feinen eigenen klugen bie trübenben Stäubten 
tjeraus3ufriegen. VLnb biefer Zttann war erfi breiunb3u>an3ig 
3aijre altl <£r 3eigte 5^f*tgfeit, Hlännlidjfeit in fo reichem 
2fta§e, n>ie fie fonfi nur im reiferen Filter errungen »erben» 
3)ie „Sriefe" boten in bunter Heilje bie mannigfaltigen 
(ßegenfiänbe, oertoeilten bei bem einen länger, triefen auf ben 
anbeten nur rafdj tjin. 21ltes unb Heues, Crnjies unb Weiteres, 
(£r3äljlenbes unb Kritifd?es »edifelte. 2lm auffaüenbjien aber 
u>ar bie Unbefangenheit unb Unabljängtgfeit bes Tutors. Wenn 
er im Dier3el)nten Sriefe ben Heim beijanbelt, ber bamals 
ben Stoff lebhafter Streitigfeiten bilbete, bann rief er nidjt 
wie bie einen: fort mit bem „finbifeften (ßeflimper" unb fa^ ™ 
ifym nidjt toie bie anbern bas ZDefen ber poefie. „3dj bringe 
aud? l^ier", fo fagt Cef fing, „auf eine republifanifdje 5*eiljeit, 
bie idj überall einführen u>ürbe, toenn id? fdnnte. Den Heim 
für ein notoenbiges Stücf ber beutfdjen ©idjtfunfi galten, fyeifct 
einen fefyr gotifdjen (ßefdjmacf »erraten, leugnen aber, bajj 
bie Heime oft eine bem Dichter unb Cefer porteilfjafte SdjSnljett 
fein fönnen, unb es aus feinem anbern (ßrunbe leugnen, als 
u>eit bie (ßriedjen unb Homer fidj tljrer nidjt bebient iiaben, 
Reifet bas Seifpiel ber Otiten mißbrauchen. TXlan laffe einem 
'tttdjter bie Waty" . Dann aber fdjliejjt er ben Srief, nadibem 
er ben (ßebanfen meiter ausgeführt tjat, mit ben XDorten: 
„Was meinen Sie, fottte idj tDoijt Hecftt ljaben? £s u>irb mir 
lieb fein, rnenn Sie 3<* fagen; unb idj werbe es nidjt ungerne 
fetjen, toenn Sie Hein fpreeften. Venn nichts fann mir an 
einem 5*eunbe angenehmer fein, als t>erfdjiebene HTeinungen 
in gleichgültigen Sadien" '. TXlan barf nidjt pergejfen, u>ie fidj 
bie (Seifter megen foldjer „gleichgültiger Saiten" erljifet Ratten, 
um bie gan3e (Sröße biefer fouperänen Deradjtung 3U erfennen. 
Cbenfo unbefangen fieHt fidj Ceffing 3U einer anberen brennenben 
5rage ber bamaligen Citeratur: 3U Klopfiodfs „Hleffias", bem; 
er fünf feiner „Srtefe" roibmet. Sfaifdien bie Scrjn>ei3er unb/ 
bie £eip3iger tritt er, oljne jeboctj einer partei Hed?t 3U geben. 



56 „Der berühmte £effmg". 

<£r rücft pietmeijr bas Streitobjeft in bie rein äftfyetifdie Be- 
leuchtung unb betrachtet por allem ben ©ngang bes JDerfs 
im fjinblicf auf bas (Epos alter Seiten. (Bottfdieb unb ben 
Seinen wibmet er ben faßlichen 5a%: „Der gemeine Solbat, 
ber bie meiften prügel befommen fyat, wirb ber Korporal, ber 
bie meijten prügel gibt", bodj aueft Klopftods ^In^änger muffen 
wegen üjrer <5robtjeit unb üjrer Übertreibung manches beuttidi 
ober ironifdj fyören. ©nboljrenb, aber ftnnpoH beurteilt Cef fing 
bie erflen Perfe bes ZHefftas, inbem er reiche Beobachtungen 
über bas <£pos anjieüt unb burdj feine unb feines Brubers 
gemeinfame lateintfdje Überfefeung bes Eingangs unterjiüfet. 

fiine 5üHe pon IDiffen iji in biefen „Briefen" gan3 beiläufig 
ausgebreitet; pfyilologifdj unb Epjiorifd? 3eigt jtdj Cefftngs Kritif. 
Salb greift fte 3urücf ins Altertum unb erflärt etoa eine Stelle 
bes Pergil burdj eine bes £}ora3, balb ergebt fte ftdi 3um 
£pos unb berücfftdjtigt neben ber 2lntife aueft Dante, um für 
bm „ZlTefftas" bm richtigen ^Stanbpunft 3U gewinnen; balb 
wiberlegt fte einen beutfdjen SjHjetifer, inbem fte einen fran35» 
jtfdjen anruft. 3*fe* tft Cefftng im fedtfetjnten 3«^^»«bert 
batjetm nnb jefet im ad^efynten, aber überall perrät er bie 
gleiche Kenntnis, Sidjertjeit unb Vertrautheit mit Sachen unb 
ZlTenfdien. Das war lein Kritifer, ber ftdi feine Sacfte leicftt 
machte, in fo leichtem Brief ftil, mit fo gelungenen Sd\oc$en er 
feine Hefultate vorträgt. Das war ein ZTTann, ber weiß, was 
er will, weil er fet)r t>ie! weiß unb alles begreifen möchte. 
XDar Canges Semerfung pon bem Kunjhridjter, ber bermaleinft 
was Xtüfeltdjes werbe leiften fönnen, aud\ nur ironifdj unb 
boshaft, fte traf boeft 3U; bas ftanb balb bei jebem ©nftdjtigen 
fefi unb würbe fogar offen ausgefprodjen, ja ein ttjeologifdjer 
(ßegner rühmte gerabe3u feine (ßelefyrfamfett, feinen ibife, feinen 
lebhaften unb angenehmen Portrag unb feine Befcfyeibenljeit, 
Cefpng iji üjm bas ZHufter eines Scftriftftellers, ber pernünftig 
wiberfpricftt. Der neugebaefene ZTlagtfter ber freien Künjle 
fyie§ von nun an „ber berühmte Cefftng". 

„Die Slufridjtigf eit ift . . . bas fir jte, was idi von einem Xüelt- 
weifen perlange", fagt er einmal, unb mit einer gewiffen, i^n 
fo gut Meibenben flogen Befcfyeibenljeit fdjreibt er in ber Dor* 
rebe 3um britten Banbe feiner Schriften über fein nädjfies 
ZDerf, was aber ger abe fo gut pon ben „Briefen" gelten 
fonnte: „<£s iji fdjabe, ba% idj mit biefem Bänbcften nieftt 



Seine Dtelfettigfett. 57 

einige 3wan3ig 3<*fyr por meiner <5eburt, in tatemifdjer Sprache, 
fyabe erfdieinen fönnen! Die wenigen 2lbf}anb(ungen besfelben 
ftnb alle, Hettungen, fiberfdirieben. Unb wen glaubt man 
wofyl, bafc idt barinnen gerettet fyabe? Cauter perflorbene 
ZHänner, bie mir es ntdjt banfen fSnnen. Unb gegen wen? 
5aft gegen lauter Cebenbige, bie mir pielleidtf ein fauer (Beftcftt 
bafür machen werben. Wenn bas (lug iß, fo wetjj idi nidjt, 
was unbefonnen fein foH ..." Hein, flug in biefem Sinne 
war Cef fing mdjt; fein Streben ging f eines wegs nadi einem 
warmen piäfedjen in ber Weit, wo es ii|m Proteftion unb 
Perbinbungen redjt beljaglidj machen fotlten, fonbern nadi 
Unabljängigfeit im Beidje ber (ßeifler, nadi ber 21Töglidifeit, 
feine aufteilten frei unb offen ausfpredjen 3U fönnen, nadi bem 
XOege 3ur ZDafjrtieit. TXlan füllte balb, ijier trete nidjt etwa 
ein Streber auf, ben es nadi guten Stellen gelüftet, tnelmef^r 
etwas XTeues, eigentlich Unbefanntes: ber freie Sdiriftfieüer. 
Unb nodi eines fiel auf: Ceffmgs ©ielfeitigfeit. £r beginnt 
mit bem „3ungen (Seletjrten" feine literarifdje Caufbatjn, mit 
(ßebiditen unb Säbeln, aber unerwartet feljrt er ftets neue 
Seiten tjerpor. <2r fagt felbft: „ . . . wie \efyc Ijabe idj bie 
39at}n peränbertl 2tnfiatt Heime, bie ftdj burdj itjre Ceidjtigfeit 
unb burdj einen iDife empfehlen, ber beswegen feine Xleiber 
erweeft, weil jeber Cefer iljn eben fo gut als ber poet 3U traben 
glaubt, anftatt foldjer Heime bringe idj lange profaifdje 2luf« 
fäfee, bie 3um Ceil nodi ba3u eine gelehrte 2Tliene machen 
wollen". Seine Sdirtftfietlerei blieb eben nidjt auf ben ge- 
wohnten Sahnen, folgte nidjt bem ZlTufter anberer literarifdjer 
Ceute, bei benen man aus jeber Sdjrift auf bie folgenbe 
fdiließen, ja ans bem <£rftlingswerf auf bas gan$e weitere 
ZDirfen folgern tonn; eine Uberrafdiung fommt auf bie anbere; 
wenn er in einem (Sebiete pergraben fdjeint, taucht er gewiß 
nadi fur3er &eit an einem gan3 anberen Punfte wieber auf. 
Dies perlest itjm ben großen <§>ug erfrifdjenben Cebens. €r 
ift fein Sdjadjfpieler, beffen Eröffnungen, beffen Spielmetfjobe 
man genau fennt, fonbern ein teuerer, ber jefct biefe, jefet 
eine gan3 anbere ZDetfe perfudjt: mag er bas Spiel audj per« 
lieren, er fyat bodi einen neuen XDeg 3um Siele eröffnet. 

3m 3al|re J75^ brachte bas britte Sänbdjen ber Schriften u 
brei „Hettungen", gar merfwürbige fleine IDerfe; fte bemänteln 
gelehrte Stoffe, aber feineswegs mit jener (Ejrfluftpität, bie 



58 „Hettungeu" j75<*. 

man in gelehrten Kreifen für felbjtoerjtänblidj Ijielt. <£r toanbte 
ftdj an ein größeres publifum, bem er bie Sadie erleidjtern 
miH. gittert er lateinifdje Stellen, bann nimmt er ftcft bie 
Znüfye, jte ins Deutfcfte 3U überfefeen, bamit jte jebermann »er» 
fielen tonne, roäijrenb es bis baijin Sitte getoefen u>ar, 
(Belehrtes nur ben (Belehrten 3U bieten. 3>a ftnbet ftdj bie 
Rettung eines ungenannten Tutors, beffen Sdjrift aus bem 
3a^re \652 pajlor Dogt als „ein fyödjft feltenes, aber böfes 
unb gottlofes Südjeldien" beseicftnet fyatte. Cefjtng überfefet jte 
unb toeijl nadi, ba% j!e eine Satire fei, ironifcft gemeint unb 
baljer nidjt nadj bem ZDorttaut, fonbern nadf bem Sinn 3U 
perftefyen; alfo roie in ben Rettungen bes Eioxas bie ZDicfttigfett 
ber 3ronie. 2lber Cefjtng fällt über Dogt nidjt etwa ijer, toie 
über ben (ßerngroß Cange, fagt tnelmeljr bef efteiben: „(Es ijt 
nidit allen gegeben, Sdiet$ 3U »erflehen, befonbers toenn er 
auf etoas fällt, tooran unfere ©genliebe Ceti nimmt". €r 
brang in ben <5eijl bes Sdjriftjletlers ein, obiooljt biefer (ßeijt 
fein groger roar, mit berfelben Sorgfalt, toie bei einem be» 
bentenben. 

Die „Rettung bes <£od?läus, aber nur in einer Kleinigfeit" 
gefyt oon bem Safy ans, „bajj man audj bem (Teufel nicfyt 3U 
oief tun muffe", unb reinigt ben »erfaßten (Begner Cutters 
oon bem Dorwurfe bes Dr. Krafft, ba% er 3uerft nadi Cutters 
Cobe behauptet Ijabe, bie Reformation fei nur burd? ben Zteib 
ber Dominifaner unb 2lugujttner wegen bes 3(bla§geu>inns 
hervorgerufen morben. lieber legt er in Überfefeung 3t»ei 
Sriefe t>or, in benen fdjon früher biefelbe Behauptung aus» 
gefprocfyen rourbe, unb oerfdjajft bem Codjläus bort Redjt, wo 
man iijm Unrecht tut. 

Xlodt weiter ging bie „Rettung bes ^ieronymus Carbanus". 
TXlan warf biefem Sdjriftjieller vor, er Ijabe „bie oier I}aupt» 
religionen" — bie tjetbnifdie, jübtfcfte, dirijHidje nnb mofjanv 
mebanifdje — „für3ltdi untereinanber »erglidien, unb nadjbem 
er eine gegen bie anbre fyabe jhreiten laffen, gefdjloffen, ofyte 
jtdj für eine 3U erMären, mit biefen unbebadjtfamen XDorten: 
igitur his arbitrio victoriae relictis, bas fyetjjt auf gut Deutfdj, 
er tsolle es bem &tfaüe überlaffen, auf welche Seite ftdi ber 
Sieg toenben u>erbe". Cefjtng überfefct bie angefochtene Stelle, 
bricht mit bramatifefter Spannung vov bem entfeftetbenben Sa% 
ab, um 3uerft bas RTatertal 3U unterfudjen, »erteibigt ben 



Heltgiöfes. 59 

Carbanus t>or allem gegen ben Dorumrf, baß er überhaupt 
bie i>ier Heligionen miteinanber perglic^en t{a6e: „IDas ift 
nötiger, als ftd? pon feinem (ßlauben 3U über$eugen, unb 
tpas ift unmöglicher als Hber$eugung oijne vorhergegangene 
Prüfung?" IDir fennen biefen (Bebanfen fefton aus Cefjtngs 
Srief an feinen Dater (»gl. Seite 30* Vann füijrt er aus, 
Carbanus ijabe nur bie dirijllidie Heltgton aufrichtig perteibigt, 
bie anberen bagegen „mit ben aUerfdiledjtejten (ßrünben unter- 
jtfifet unb mit nod? fdjleditem nnberlegt". Vinb nun erteilt 
Cefjtng ben Heligionen felbji bas XDort unb lägt lebhaft einen 
rechtgläubigen 3f*<*etiten ; noef? lebhafter einen ZTtufelmann 
fpredjen, um fdjließlidj Carbanus burdj eine richtige 3nter» 
pretatton unb Öberfefeung ber bean^tanbeten D?orte 3U entlajten. 
2lber bie Überfeftung im Sinne ber (Segner: „3cfy n>iH es auf 
bas gute (Sind anfommen taffen, meiere von ben Pier Heligionen 
ben Por3ug behaupten nrirb?" barf man nidit pergeffen, benn im 
„Ztatfjan" fyat Cefjtng biefe $rage, freiließ in leerem Sinne, 
tpiefcerfjolt unb beantwortet. 

2lber auefy jefet fcfjon tpäre iijm bie 2lntu>ort nidtf fdjtper 
gefallen, benn wie im Srief an ben Vater gibt er fte in 
fragmentarifdjen „(ßebanfen über bie Qermiiuter" (J750): 
„Der ZHenfcf? warb 3um Cun unb nieftt 3um bernünfteln er» 
fdjaffen". Zlxdit bas Cfyrtjlentum als Cefyrfafc im ZITunbe 
führen, fonbern tugenbijaft fein, ijt, fo Ijeißt es jefet nodj, bas 
<§eidien bes C^rificn, im Xtatiian bann tiefer: bas Seidien bes 
bejten 2Henfdjen. Ztodj ijat Cefjtng nid?t bie freiefte Sluffaffung, 
obwohl er bas (Eiirijtentum feinestpegs meljr als eine Konfef jton 
anfte^t. (Efyrijlentum unb Humanität fdieinen für xfyx immer 
mefyr 3ufammen3ufaHen, aber nidjt bas (Eijriftentum, roie er es 
beobachten fann, tpoijl aber bas, nne es gebaut ift. Xüir be- 
ftfeen aus bem 3al|re J753 ein 5*<*gment „Das Cijriftentum 
ber Vernunft" in 27 Paragraphen, beffen porlefeter ben tiefen 
Sa$ aufteilt, moralifdje XDefen müßten bem aus tijrer eigenen 
Ztatur genommenen (ßefefee folgen: „Qanble ©einen inbteibuali« 
fcfyen DoHfommeniieiten gemäß!" Kann ein (Srunbfafe ijerrlidjer 
ober für Cefjtngs XDefen be3eicfynenber fein, als biefer. 2lber 
nod? fefet Cefjtng ber Heligion ber Dernunft bas (Efyrijtentum 
ber Dernunft entgegen unb 3eigt baburdi bie 5*ffel/ bie «r mit* 
fdjleppte, um jte erjt aHmä^lidj ab3ujhreifen. Cefjtng fyatte in 
Ceip3ig fleißig bie Kollegien ber Cljeologie gefdiu>än3t, ba er 



/ 



60 groetter Berliner 2lnfentljalt J752— *755. 

als stud. theol. immatrifuliert war, er fjatte bann ber (Eijeotogte 
poüfiänbig ben Hücfen gefeljrt unb war ZITagiffer ber freien 
Künftc geworben: aber rote siele ber jungen Ceute, bie mit 
(Eifer b^n gan3en Kurfus burdifdimaru3t Ratten, »erfianben es, 
fo tief in bie 3&e* bes <£ljriflentums eht3ubringen, fo rein 
feinen Kern auf3ufaffen, wie biefer abtrünnige. £s liattc itjn 
Ttidjt gelobt, einer anbäcfttigen (Semeinbe von ber Kartei bas 
IDort (ßottes 3U perffinbtgen, es festen ifyn erhabener, t>or ber 
gan3en XDelt ein (Cfyriflentum ber Cat 3U prebigen, um fdiltefjlidi 
bie Beligion ber Znenfdilidtfeit 3U preifen. Cefftng ber an* 
gefyenbe Cuftfpielbtdjter iqattt bie (Torheiten ber ZHenfdien oer- 
fpottet, Cefftng ber 2htafreontifer ftdi bes Cebens gefreut, Cefftng 
ber 5abelbicrjter ZDeisfyeitsfäfee in 3ierlicrjes (S^xvanb gefüllt, 
Cefftng ber angeijenbe ©jeologe fdjwtngt ftcrj auf 311m tätigen 
Cljriften, 3U reiner Zllenfdilicrjfeit. Cr befdjreitet einen einfamen 
JDeg, aber er weiß ftdi eins mit ben erljabenften JDeifen, mit 
bem „prebtger ber ZDatjrijeit" Sofrates, mit bem „von (Sott 
erleuchteten Celjrer" (Eijriftus, audj er berufen, „bie Beligion 
in tljrer Cauterfeit wieberije^uftetlen". Das fdjwebt bemfelben 
Zltanne vor, ber gan3 in literarifdjen ttnterfudjungen per« 
funfen fdjien. 

3tn Ztopember J752 feierte Cefftng nadi faft einjähriger 
2tbwefenijeit, gefdimficft mit bem ZTCagiftertitel, fdjwer belaben 
mit flbiffen unb angefangenen arbeiten aus XOittenberg auf 
feinen Bebafteurpoften bei ber Dofftfdien Leitung 3urücf. Die 
ZlTonatsbeilage „Vas Zteuefie" lebte nxd\t wieber auf, bafür 
würbe bas Feuilleton mit um fo mefjr Cufi gefdjrieben unb 
lieg feine bebeutenbere ZIeuigfeit ber frönen Citeratur un« 
beachtet. ZlTancries fyatte ftdi peränbert: Cefftng war älter 
geworben, freilief? nur um ein 3<*fy*/ ober bei feiner rafeften 
(Entwicfetung bebeutete bas meijr als 53 JDodjen. Zlidit mefjr 
wie 3um erjien ZfLal tarn er auf ber $ludit vor feinen 
<5(äubigem im abgetragenen Bocfe, fonbern mit wotjlgefuQter 
Cafcrje; Hang es in xfyc aixdj nidjt pon gülbenen 5üdifen, fo 
rafdjelten bodj Zltanuffripte barin, bie in (Solb umgefefet werben 
fomtten. Cefftng war audj etwas geworben; nidjt ber afabemifdje 
Citel gab iijm feine Stellung, obwohl aud? er bamals etwas 
ausmachte, fonbern feine Sdjriftftetterei. Don TXlylixxs gerufen 
unb geförbert war er, ein angeljenber Citerat, ber erfl fudjen 



„Permtfdjte Sänften \>es fyttn CIj. XXlyiins" \?5<k. 61 

mußte, ftdj einen IPeg 3U bahnen, damals gefommen, jefet 
fonnte er als angefeljener Sdiriftjteller auftreten, t>on bem ftdi 
Kenner nodi x>tel Derfpradjen. TXlyüns war im Segriff, eine 
wiffenfdtaftlidie £gpebition naef} Surinam an3utreten, um fpäter 
in (öötttngen eine profeffur 3U erhalten; aber in feinem Ceidjt* 
ftnn oerbummelte er Seit mü ®e(b in Deutfdtfanb unb äEnglanb 
unb jtarb 175^ in Conbon. Ztodi im felben 3afy* 9«b Cef fing 
bie „Permtfdjten Schriften bes Ijerrn (Cfyrijtlob ZlTylius" 
mit einer fefyr objeftfoen Porrebe heraus; er oermieb ben (Eon 
bes tobrebners, ber in feieren 5&Hen Sitte war, 30g aber mit 
fejter %anb bie Umriffe ber literarifdjen unb perfSnlidjen 
pljYftognomie, bie ZDafjrfyeit fyöfyer jteDenb als bie freunbfdjaft, 
unb Ifitete ftdi, „bemjenigen im (Cobe 3U fdimeidjeln, welcher 
midi nie in feinem {.eben als einen Schmeichler gefunben Ijat". 
Die Porrebe madjte manchen fdjarfen 2lusfaH gegen ben ZtTann, 
ben Cef fing für bie Perirrungen feines 5reunbes »erantwortlidj 
Itfelt, gegen — <5ottfdjeb, „auf welchen alle feine Schüler itjre 
Vergebungen bürben unb xfyi tote ben Perf3f{nungsbocf in bie 
IPüjte fdfiefen fottten". Überhaupt erging es bem ZlXanne „von 
3weibeutigen Perbienjten" unter Ceffhtgs 5*ber fdjledtf, fdtfedjter 
fogar, als er es oerbiente. 2lber für ben jungen Krittfer unb 
jorfdjer würbe (Sottfdieb immer mefyr ber Pertreter einer 
geijilofen öjeorie, bie ftdj fHaüifdj an frembe Zltufter tyelt, 
nicfyt an bie bejlen, fonbern an feljr bebenflidje. IPir erfennen 
<5ottfdjebs Sebeutung jefct woty richtiger, n>ir wijfen, ba% er 
bie beutfdje Citeratnr ein Stücf weiter förberte. Der Per» 
wilberung unb Stilloftgfeit ber Sdilefter gab er ben <Snabenfk>§, 
er wies ben Weg 3U reinerer 5orm, 3U gefdjloffenerer Darjtettung. 
Seinem Slicf bot ftdi bie formell fo ooQenbete fran$öjtfd]e 
Dramatif bar, ijier falf er, ber in einer gan3 rijetorifdjen 
Seit aufgewadjfen toar, nidjt wie im Coifenjleinifdjen Drama 
eine jebes ZlTafjes fpottenbe, wilb überwudjembe Beberei mit 
Sdjwuljl unb Sombaji, fonbem Marere Cinien, eine Hljetorif, 
bie nadi grasiöfem 5fo§, nad\ ijarmonifdiem Cauf unb fhrengerer 
(Befdilojfenfyeit {hebte; \\xex fanb er bem Unbanb bes beutfdjen 
Dramas gegenüber ZTCag. £r war eine falte Zlatur, geleitet 
burd} einen formalen Perjtanb, ben er in ber IPolfftfdien 
pijilofopljie gefdjult fyatte, besitatb füllte er bie Kälte bes 
fran3dfifd}en Dramas md]t; üjm war ZlTangel an 5^1ern fdjon 
ein Por3ug, bas 5eljlen bes ftberjttegenen fd?on Sdiönfyett. Se- 



t * - 



62 <Sottfd?eb vmb SäfSnaidf. 

wnnbexnb, aber mit bem Derjlanbe, mdjt mit bem (Sefüfyl, 
ftanb er ben 5ran3ofen gegenüber: roas er bei innert las, was 
er itjrert tijeoretifdjen Auseinanberfefeungen entnahm, bas galt 
tljm als <£t>angelium, beriefen fte ftdj bod? auf bie Antife, bedien 
bodj J)ora3 unb Arijtoteles angeblich tfyre teuren mit ben 
©ereijrten Hamen, (ßottfdjeb felbjl jlanb in einem ettoas 

/ platonifcfyen Perljältnis 3ur Antife, benn bas (ßriecfyifdie war 
iijm nicftt fo geläufig rote bas Cateintfdje. 3mmerfym aber (ag 
auf bem (ßebiete bes Dramas bie IDiditigfeit feines Auftretens. 
3m Streite mit ben Sdiwet3ern Ijanbelte es ftdj jebodf nidjt 
um biefes Spe3ialgebiet (ßottfdjebs, fonbern Ijauptfädilidi ums 
<£pos, bei bem it)n feine 5ran3ofen im Stidj liegen, Ratten 
fte bodj in neuerer Seit fein fyen>orragenbes XDerf biefer 2lrt 
ijeroorgebradit. Von ber Anttfe bot pdf i^m nur üergil, mdtf 
ber nocfj um>erftanbene Corner bar. Unb nodj ärger (ag bie 
Sacfye bei ber tyxit, bie balb einen weiteren ganfapfel ber 
Parteien bilbete. So fiel ein Blätteren nadt bem anberen ans 
bem Huf)tnesfran3e, ben bie Seit, bie Schüler unb er felbji 
(ßottfcfyeb aufgefegt Ratten. Vev Streit enbete mit einer lieber» 
läge bes £eip3iger Diftators, unb bie lefete Blamage, bie über« 

. mäßige Sdjäfeung Sdionaidis als (ßegenfafe 3ur Verurteilung 
Klopftocfs vernichtete fein tfyeoretifdies Anfeilen auf biefem 
(ßebiete ooDenbs. ZTCit fouoeräner Deradjtung beijanbelte Cefftng 
ben „wenbifdien Corner", wie ftdj Sdjönaidj felbji genannt 
flotte. Üjofyt unb Spott go§ er über bejfen marflofe probufte 
ans, madjte ftdj etwa ben Spajj, bie „iljttjettf in einer Xtu§", 
bie Sdjönaidi mit geringem ZDife St Klopjlocfen unb Sobmern 
wibmete, mit einer tobpreifenben Kritif 3U begrüßen, tote fte 
woijl nädiftens in (ßottfcfyebs geitfdjrift erfdieinen werbe. 
Sdjonaid? rädjte ftdj mit feinen „poffen im Cafdienformat", 
burdj ben (Eitel fdjon, wie Cange, auf Cefftngs Schriften an- 
fpielenb. Aber Cefftng bruefte mit Anbeutung ifyres Urfprungs 
eine lobenbe Befpredjung ab, bie von Sdiönaicfys Seite ber 
©offtfdjen Leitung eingefcfyicft worben war, unb teilte mit, ber 
Verleger Po§ werbe bie „poffen", bie mit brei (ßrofdien 3U 
teuer angefefet feien, „für iijren innerlichen XDert ©erlaufen, b. i. 
umfonjt abgeben". Hafdi lieg SdjSnaid? ben Citel umbruden 
unb ©erfdjicfte biefe britte Auflage mit einem groben Sudjbrucfer« 
ftodf. Cefftng erwiberte, Z?o§ wolle auefj baoon eine neue per« 
befferte »ierte Auflage anfertigen unb fte umfonft abgeben, bod? 



„<D}eatraltfäe Bibltotyef" 175<*— J758. 63 

muffe man barauf fubffribieren, bamit er überseugt fein Knne, 
ba% man fte umfonft nehmen werbe; wer ftdj mit 3wei Exemplaren 
betätigen wolle, ber folle nodi bas Silbnis bes Perfaffers in 
Q0I3 gefdjnitten, aber gleichfalls perbeffert unb pergrößert nadi 
bem tEitelblatte ba3u erhalten — es fyatte einen mit Keule 
unb Sdtwett bewaffneten Satyr nebft einem etwas rdtfeßjaften 
Ciere bargeftellt unb trug bie Überfdjrift „(Tölpel". Sdjönatdi 
verflieg ftdi fdjließlidi nodi 3U einer Satire mit bem wohlfeilen 
Citelanagramm „Die Xluß ober <5nißel, ein fjelbengebidjt . . bem 
großen HeHalj 3ugeeignet", für bas er von Nicolai abge- 
fertigt würbe. 

Diefe Keulenfdjläge ber (Bottfdiebianifdien Sefte fauflen 
in bie Cuft, offne 3U treffen, unb augenfdieinlidi war bargetan, 
ba% auf bem (ßebiete bes €pos ber Streit entfdjieben fei. Das 
(Eljeater war in Cfjeorie unb Praxis etwas in Dergejfenljeit 
geraten. Da naijm Cefftng feinen alten plan einer geitfdjrift 
wieber auf, ben er ärgerlich über ZlTylius por wenigen 3atjren 
fallen gelaffen hatte, fdjränfte tijn einigermaßen ein unb ließ 
\75^ bis J758 bie wichtigen oier Stücfe feiner „Ctjeatralif dien > 
Sibliotfyef" erf cremen. <£r gebadete barin eine (Befdiidjte 
bes ©jeaters 3U liefern, wie es ftcf? bei ben perfdiiebenen Oölfem 
ausgebilbet ijatte, ben Portrag aber ntdjt fvflematifdi 3U 
machen, erfl ber Schluß foQte burdj ein Hegifter bie ein3e(nen 
Seiträge 3ufammenfaffen. Das erfte Stücf naljm por allem in 
ber 5rage ber comedie larmoyante Stellung, wofür bas Wort 
„weiner liebes Cuflfpiel" geprägt würbe. Cefftng erteilte 3uerjt 
einem (ßegner bas ZDort, beffen fran3Öftfdje Schrift er ebenfo 
überfeftte, wie bas lateinifdje Programm <5etlerts, in bem bie j 
(Battnng perteibigt würbe, bann 3ieijt Cefftng mit fieserer %anb 
bas 5«3it: er erfennt bie JDidjtigfeit ber $rage, f Reibet jebodi l r 
pom poffenfpiel, bas nur 3um £ad\en bewegt, unb bem weiner« \ 
liefen Cufifpiel, bas nur rühren will, bie waljre Komöbie, bie f 
beibes anjhrebt. Die poffenfpiele ftnb für ben pöbel, bas ' 
weinerliche Cufifptel für bie Zärtlinge unter ben Ceuten pon ■ 
Stanb, bie wallte Komobie für bas Z?olf . J^ier ifl alfo (ßottfdiebs < 
(tiieorie perlaffen, unb Cefftng burdjbridjt fte nodi on. einem 
anberen punfte, bie Einleitung fpridit nämlidj pon ben Zlene» 
rungen, burdj bie pon 3wei Seiten Örefdje in bie allgemein 
gebilligte Cfyeorie gelegt würbe: bie $ran3ofen gaben bas alt 
geworbene Cuftfpiel auf unb fdjufen bie comedie larmoyante, 



'.s 



y 



64 Sentca. 

bie £nglänber bagegen pertparfen ben jlänbifcfyen £fyarafter 
ber Cragöbte unb riefen bas bürgerliche Crauerfpiel tjerpor. 
Sdjon nrirb mit aller Schärfe 3n>ifdjen $ran3ofen unb Cnglänbem 
unterfdfieben, unb auf tpeldjer Seite Cefftng fleljt, bas fagten 
Säfee tote: „Steuerungen machen, fann fotoofyl ber Ctjarafter 
eines grogen <5eijles als eines fleinen fein. 3ener perlägt bas 
Tüte, tpeil es mt3ulänglidi ober gar falfcfy ift, biefer, tpeil es 
alt iji. Was bei jenem bie £htftd}t peranlagt, peranlagt bei 
biefem ber £fel. Das (ßenie uoiü metjr tun als fein Por« 
ganger, ber 2lffe bes (Senies nur ettoas 2lnberes". Was 
mochte tpofyl f(err prof. (Kottfdjeb für ein (Seftcfft machen, ba 
er biefe Säfee an ber Sptfee bes neuen Unternehmens las? 
€r mußte ben Soben unter feinen 5ügen fcfctpanfen füllen, 
es mußte xfyn unijeimlicfy 3U ZHute tperben, tote bem Carmen, 
bem man bie Krüdfe nimmt. VLnb Cefftngs 3tpeiter Beitrag be- 
] ijanbelte nidjt einen 5^an3ofen, fonbem ben €nglänber Cfyomfon, 
tpieber rollte untertrbifcfyer Donner gegen bie fran3Öjtfdje ZTCanier; 
bann folgte ein Spanier, HTontiano mit feiner Pirginia, an 
pierter Stelle ein 5*<xn3ofe, aber fein Dramatiker, fonbern 
Hemonb pon Saxnte Tübine, aus beffen ZDerf „Der Sdjaufpieler" 
ein 2tus3ug geboten n>irb; erjl barnaefy ein fran3Öftfdier Drama« 
tifer, ber repolutionäre Destoudjes, ber ftdj ben Hegeln ber 
Sütjeorie nidjt gefügt \mb fogar eine CragifomSbie gebietet 
tjatte. ZDidjtfger noefy war bas zweite Stücf, bas gleichfalls 
J75^ erfdjien; es würbe eröffnet burd? ben 2luffafc „Don ben 
(ateinifdien Crauerfpielen, tpeldje unter bem Hamen bes Seneca 
befannt ftnb" nnb bot auger bem wichtige Seiträge 3ur (Befdiidite 
ber italienifdjen Sdiaubüljne. Was Cefftng 3U Seneca führte, 
fagt er ausbrücflidj: beffen 3efyt Dramen ftnb eben bie ewigen 
Überrefle, nadi benen man bie tragifefte Süfyne ber Homer 
einigermaßen beurteilen tann. £(aHe plautus mit bem römifcfyen 
Cuftfpiel im Htittelpunft ber „Seyträge" gefianben, t^ter nun 
bie römifc^e Cragöbie, bie fo piel üertpanbtfdiaft mit ber 
fran3Öftfdjen fyat Cefftng betont por allem bie feineren Unter» 
fdjiebe, um bann erft redtf urirffam bie Hljetorif fo toeit fle 
i^ol|l unb unpaffenb ifi, bei bem antifen Homer u>ie bei ben 
5tan3ofen 3U pertperfen. Der Senecaaüffafe, ber leiber nur 3tpet 
Cragöbien einget^enb befprieftt, intereffiert riodi weiter. Cefftng 
gefyt fo por: er gibt 3unädtft einen Uberblicf über ben 3n^alt 
bes Stücfs, inbem er eht3elne djaraftertfttfdie Stellen in fefyr 



<5egenfat$ 311 (Sottfdjeb. 65 

gute profa überfefct, bann beurteilt er bas Drama Fur3, wobei 
er ferjarf 3wifdten ber XDirfung auf bie (Segenwart unb auf 
bie Seit Senecas unterfdjeibet unb baburdj eigentlich fefton bie 
Hadjalimungen bes antifijterenben Dramas 3urücfweift. hierauf 
»ergleidjt er bie Dramen mit Bearbeitungen besfelben Stoffes 
in alter unb neuer Seit, wobei 3. S. Seneca an £uripibes ge» 
meffen u>irb; es folgen Porfctyäge für einen heutigen Dichter, 
wie er bm Stoff be^anbeln müßte, unb fdiliejjlidi perwirft 
Cefftng im bireften (Segenfafee 3U (Sottfcfyeb ben moralifcfcen K 
(Ojarafter ber (EragSbie. Seneca unb £uripibes Ratten es für \ 
„gan$ unnötig gehalten, an bie ZTToral bzs <&an$en 3U benfen, ^ 
unb . . . if?re (Eragöbien nidtf fo gemacht . . ., rote fte uns eine 
fogenannte Critifcfye Didjtfunfi 3U machen lehret. £r{l eine 
ZDafyrfyett flcf? por3u{leIIen unb tjernadi eine Begebenheit ba3U 
3U fudjen ober 3U erbidjten, u>ar bie 2trt iijres Verfahrens 
gar nid?t. Sie mußten, ba% bei jeber Begebenheit un3ät)(ige 
2£>afyrt?etten an3ubringen wären unb überliegen es bem Strome 
ttjrer (Sebanfen, weldje fiel? befonbers barinne ausnehmen 
würben". Öberbies Ijebt Cef fing bie größere 5reit|eit ber 
Heueren ben alten (Sefdiidjten gegenüber fyeroor unb prälubiert 
audi babuxdt ber Qamburgifdien Dramaturgie in ben wichtigen 
2(useinanberfefeungen über bas Verhältnis pon Drama unb 
Ijiftorie. 

2lusgefprodien, nodj meijr aber unausgefprodien lag in 
biefem 2luffafc ber entfdjiebenfte (Segenfafe 3U (Sottfdjeb. 3«buf* 
tise, fruchtbare Kritif würbe geübt, bas ZTCaterial barauf geprüft, 
was es für bie tOjeorie ergebe, nidjt aber bie Cetjrfäfce be- ^ 
buftuo entwicfelt. Keine (Sattung würbe verworfen, weil fte 
mit ben tfyeoretifcften (Erwägungen a priori nidit fttmmt, fogar 
ber rafenbe ^erfules für eine moberne — ©per empfohlen, 
unb biefe 2lftergattung ftatte (Sottfdjeb für immer ans ber 
präzis fynaussuweifen geglaubt. IVeiter ergab pdf, ba% bie 
2tntife erforfdjt werben muffe, bei ben Standen bürfe man 
nidtf £}alt machen. Cefftng lenft ben Schritt 3U Seneca, »on 
Seneca 3U £uripibes, unb fdjon bentt er an SopljoFIes, beffen 1 
leben er ettoas fpäter ((760 rjat ber Drucf begonnen) fdjrieb. 
2luf feinem eigenften (Sebiete wirb alfo (Sottfdjeb angegriffen 
unb fein (Segner erweift ftdj überlegen an umfaffenber Kennt* 
nis ber bramatifdjen Citeratur unb an inniger Vertrautheit 
mit ber 2lntife. (Sottfcfyeb t^atte mür/fam „mit Kleifter unb 

Werner, $ottf}oft Cpfpaim Cefftng. 5 



66 (Cragifdje Anfänge: „<5tangir" (?^8. 

Schere" feinen „Sterbenben <£ato" 3ujianbe gebracht, Cefftng 
entwirft mit ffiljnen Strichen eine ©per „Der jierbenbe Her- 
cules", um fo bem antifen Drama ein mobernes entgegen- 
3UJleHen, ein „regelmäßiges Stücf", wie er nidjt oijne Eiofyi 
fagte. <£r begnügte fidj niemals mit bem Stubium allein, ifym 
fdjrpebte fofort feine Seit por unb ber Gewinn, ber ftdj für 
jte aus ber Öefcfyäftigung mit alten ober fremben fingen er- 
3ielen ließe. 3™m** lodt es ifjn von ben Suchern 3U (Eaten, 
bie reine Sefdjaulidtfeit genügte feiner Hatur nidjt, bas an- 
häufen von IDiffen l\atte nur bann Wert, wenn es fidi für 
bie (Segenroart ausnufeen ließ, wenn es einen Schritt, unb fei 
er nodj fo Mein, in ber (Entoicfelung förberte. Das bemerft 
man audi bei bem 2luffafe über Seneca. Die KritiF, bie Cefjtng 
fpäter als feine eigentliche ZTTufe pries, blieb beim dergleichen 
nidjt flehen, jte wanbelte jtcfy unperfeljens in probuftion; unb 
.wie fte plöfeltdi bie Seobacfttungen unterbricht xxnb ben Slidf 
pom Dorljanbenen auf bas nodi 3U Ceijtenbe wirft, fo taucht 
aud? Cef fing, ber gan3 in tfjeofogifdien unb ptjilotogifcfien Unter- 
teilungen, in joumalijtifdjen Arbeiten perfunFen fdjien, unver- 
mutet nadi längerem StiUfdjweigen als Dichter wieber auf, 
aber fo gan3 anbets als früher, ba% er Staunen erregen mußte. 
Am Sdjluffe iijres erjlen Stücfes Ijatte bie „tnjeatralifdje Siblio- 
tljeF" eine Derteibigung bes Cujifpiels „Die 3uben" gebracht, 
bas $weite StücF ben plan 3U einer ©per, aber Cefßng trat 
nun mit einem UTale als CragiFer auf unb bot etwas fo 
Kühnes, ja Hepotutionäres, ba% erjt pon ba an bas mobeme 
beutfeile Drama batiert. Cefjtng erfcfyetnt als ein Zteuerer, toie 
fpäter etwa — (ßoetije. 

Aber £effmg war audi auf biefem (Bebiete langfam burdj 
mancherlei Derfucfte gereift unb erji 3um ^teuerer geworben, 
ba er falj, ba^ er mit ben ijerfömmlidien UTitteln fein ^icl 
mdjt erreichen Fönne. (Er i^atte mit Überfefeungen begonnen, 
aus bem $ran3Öftfdien UTaripaus' „Ijannibal", (CrebiUons „Ca- 
ttlina", aus bem <2nglifdjen Ojomfons „Cancreb" unb „Aga- 
memnon" porgenommen unb Selbjiänbiges angefangen, Uom 
A9- 2tpril H7^8 batiert ber (Eingang eines (Erauerfpiels 
„(ßiangir ober ber perfdimäfyte Cfyron"; aus ^Lfyxans <ße- 
fd)id]tsmemoiren unb SusbecFs CürFifdjen Sriefen war ein 
Stoff gefeftöpft, u>ie tfjn bie Sdjlejter liebten, eine palajlrepo- 
lution, bie uns bireft an Cofyenjleins „3brai|im Saffa" er« 



„Samuel Reitst" l 7 t9- 67 

innert. Itur brei 53enen ber dEjrpofttion in reimlofen 2Hejan* 
brinern jtnb erhalten. Hogalana l^at fldj burdi weibliche Künfie 
3ur 3weiten 5^au bes Sultans Soliman aufgefdiwungen unb 
udjt im 3ntereffe iljrer Söfyte Saja3et unb (Biangtr ben Stief- 
bi|n ZHufiap^a 3U x>erberben. Sie enthüllt eine Derfdiwörung 
gegen Solimans teben, Bei ber Znuftaplja bie Hauptrolle ge« 
fpielt ljaben fotl, unb 3eüjt üjn fiberbies ber Slbftdjt, fte in ein 
Ciebesperfyältnis 3U x>erjhri<f en. Znuflaplja n>irb in ben Kerfer 
geworfen, ift aber unfdjulbig ; er foO getötet werben, otjne bag 
ü?n fein Dater noefy einmal fälje, fein <£r3iet}er (Eemir erhält 
ben Befehl, bie (Tötung 3U t>oH3iet}en. Hojalana, fo foHte bas 
Stücf weiter gelten, will üjren Sotjn (Siangir 3um l^errfdier 
machen, bodj bringt er fte burdi feinen Perjidjt auf ben Cljron, 
— er ift ZTluflaplias 5^eunb — um ben Cotjn i^rer 3«trige. 
Crofe ber intereffanten Derwicfelung bradj Cefftng bie Arbeit ab, 
benn ber Sllejanbriner erwies jtdj als Ijemmenbe 5*ff*l unb 
feftien bod? bamals für bie (Cragöbie unerläßlich 

©n 3^r fpäter wagte ftcf? Cefftng nodj weiter unb be« 
gann feinen „Samuel Etensx" \74&; faf* 3«>ei 2Hte ftnb doB* ^ 
enbet unb J753 in ben „Briefen" »eröffentlidjt. i>et Stoff 
war bem Cag entnommen, benn am \7. 3uK \74$ \oMte ber 
Serner Patriot £ien$i wegen einer Perfdjwörung gegen bie 
artftofratifdje D?illffirf|errfdiaft in Sern nadj Folterungen fein 
Ceben laffen muffen. Diefer <5ewaltfhreidi, von bem Cefftng 
burdj ein3elne Sdiwei3er in Serlin Xtäijeres erfuhr, ^atte überall 
€ntrfiffamg hervorgerufen unb ben jugenblidjen Dtd?ter gelocft, 
ben Stoff tragifdj 3U bewältigen. Das war ein fütptes ret>o« 
lutionäres Unternehmen unb widj nodt ftärfer als 2lnbreas 
(ßrYP^ius' emjttger „Carolus Stuarbus" ©on ber (Erabition 
ber Cragöbie ab; freiließ tarn Cefftng bamit nidjt 3uredjt, benn 
auef? E|ier tjinberte iijn bas Persmaß. Vas Fragment 3eigt 
bas XPerben ber Perfdjwörung, ben Kontraft 3wifd{en bem 
felbjttofen, für bas (ßefamtwotjl begeiferten Patrioten fje^i / 
unb bem <£goifien Ducret, ber nur eigenen Porteil ober bodj 
Hadje für erfahrene §urficffefeung anflrebt. ZPermer ift ein 
^ifefopf, ein paar anbere Perfcftwörer, Fuetter, Sicftarb, XDy% 
fhtb wenigftens untermalt, unb im Qintergrunbe fieigt ber eble 
Steiger auf, bas waljre Qaupt ber Hepublif, ein 2lnbreas 
Doria »on Sern. Die 53enen rüden nidjt rafdj genug vor- 
wärts unb ergeben fiel? in einer alfcubreiten Bljetorif. Von 



68 „ttlfg Sara Sampfon" J755. 

3wei Stücfen in profa „(graclio" unb „5enif", bie tnelleidjt 
aus bem 5panifd?cn Rammen, beftfeen wir 311 wenig, um uns 
eine genauere DorfleHung 3U machen unb aud? 00m „ZlTafa- 
niello", ber ZlTobernifterung bes „rafenben I}erfules" nadj 
Seneca, fyören wir nur gelegentlich, wie Cefftng fpäter baran 
backte, bas tragifdje &nbe Karls bes <£rjlen von Cnglanb in 
ftameftfdiem Koftfim 3U befyanbeln. 

Don folgen Anfängen, planen unb (Entwürfen FSnnen 
wir barauf fdtfiefjen, bafj Cefftng nad\ bem Biestigen fudtfe, 
aber wartete, bis bie Stunbe tarn, ifyn bie reife $rudit in ben 
Sd?o§ 3U werfen. 3efet war biefe Stunbe erfdjienen unb nid?t 
als Hwale ber Sdjlefter ober ber 5*<nt3ofen, nidjt mit einer 
mobemen 2llefanbrinertrag8bie als falber Heuerer, fonbern 
mit einem bürgerlichen (Erauerfpiel in profa trat er auf. Wäty 
renb bes erften Vierteljahres J755 ©ottenbete er in ruhiger 
2lbgefditoffenfieit 3U potsbam feine „ZlTijj Sara Sampfon" 
unb ließ fte hu* barauf J755 im fedjsten &anbe feiner „Schriften" 
oor bem „ZKifogYne" erfdjeinen. Sdjon am \0. 2ul\ J755 er- 
3ielte fte auf bem ©jeater in 5*anffurt a. ©. einen ungewöhn- 
lichen (Erfolg, bem Cefftng beiwohnte. 

Den »erfdjtebenen Anregungen, bie Cefftng 3ur £rftnbung 
ber 5«bel führten, wollen wir nidjt nadigeijen, nidjt fpredien 
oon Citlos „(ßeorge SarnweH ober ber Kaufmann oon Conbon" 
/"'£// (IZQI)/ xx>0 e * n * ZHÜIwoob einen Kaufmannsbiener 3U Sctyedi- 
tigfeiten »erführt, nidjt t>on Hidjarbfons berühmtem, oiel- 
beweintem Homan „ Ciariff a" (J7^8), wo ber ent3Ücf enbe Don 
3uan Cooetace ein junges TXläbdten ©erführt unb in ein 
fdlledjtes J^aus bringt, nieftt 00m Drama Congreoes „ZTlijj 
ZlTarwoob" ober feinem „Double-Dealer" (Ränfemad?er), wo 
ein ZlTeHefont oorfommt, nidjt i>on Swifts Ceben, bas burdj 
ein Doppefoertfältnis 3U Stella unb Paneffa nod? (ßoetffe bei 
feiner „Stella" leitete. XDir wollen uns an bas Drama felbft 
galten. 

ZlTetlefont Ijat TXlx% Sara Sampfon entführt unb wofynt 
neben itjr in einem Meinen (ßajtffofe; er ijatte früher fel|r un- 
regelmäßig gelebt unb fein Dermogen befonbers mit einer 5^«u 
ZlTarwoob burdfgebradjt. Hun 3Ögert er, Sara 3U heiraten, 
ba er 2lusftd?t auf eine firbfdjaft liat, wenn er ein bestimmtes 
ZlTäbdjen heiratet, bas er ebenfowenig mag, wie fte itjn, weshalb 
ein Ausgleich 3U erwarten ift; bies fdjüfet ZITeHefont feiner Sara 



3nljalt. 69 

als (ßrunb feiner <§ögerung vot. Die ZHarwoob aber tiat 
feinen 2tufentt}alt ausgefpäljt, fommt tfjm naefy, um itjn wieber 
in i^re Zlefee 3U locfen, fyat überdies ben alten Sir XDiDiam 
Sampfon auf bie Spur feiner tEodjter gebracht, fo bajj aud? 
er bem jungen paare folgt. 2hif engem Hemme ftnb nun bie 
brei (ßruppen beifammen: ffieKefont unb Sara, jener mit 
feinem Diener Horton, biefe mit 13etty; bie ZTCarwoob mit 
ttper £}annati, enblicfc Sir IPiQiam Sampfon mit feinem ge* 
treuen IDaitwett. Die ZlTarwoob traut iljren eigenen Hei3en 
nidjt mefyr genügenb ©nflujj auf ZlTeüefont 3U unb fyat bes» 
fyalb ttjre neunjährige Codjter 2lrabeHa mitgebracht, ZHeHefonts 
Kinb, bas er liebt unb ber Zflutter abgenommen fyat, um es 
in einer penfton er3iel|en 3U laffen; bie ZHarwoob Ijat es ©on 
bort entführt. Sie locft nun iljren ehemaligen Ciebfyaber wieber 
an ftdj unb erregt ifyn, n>enn er audj nichts meljr pon iljr 
wiffen will. Die 5urcf?t oor einem Cijebunbe, por einem Per« 
lujl feiner 5teil|eit, bie in feinem 3nnern fdjläft, wirb erweeft, 
bie Jlnwefenfyeit feiner Arabella bewegt iijn unb, ba iljm bie 
Zflarwoob broljt, an Arabella 3U einer neuen Zflebea 3U wer* 
ben, wenn er iijr nxdit eine Begegnung mit Sara gejlatte, lägt 
er ftdj 3U einer Komöbie bejHmmen: er felbjl füljrt bie 2ftar* 
woob als feine tEante £aby Solmes 3U Sara. Bei einer 21b« 
fdjiebspiftte wirb er bureti eine Kreatur ber ffiarwoob weg* 
gelocft, bie beiben Nebenbuhlerinnen ftnb (IV, 8) allein. (Eine 
grogartig angelegte S3ene enthüllt ber arglofen Sara, wen fte 
por ftdj ijabe; bie UTarwoob reicht ifyr (5ift, an bem fte im 
fünften 2lfte langfam 3U (ßrunbe geljt. ZlTeHefont erftidit fteft an 
iljrer £eid?e mit einem Dolcfoe, ben er ber ZTCarwoob ent* 
wunben f\at Der pe^eiljenbe Dater Sir lOilliam wirb 3um 
Sdjüfter Arabellas beftimmt. Die ZITarwoob aber fliegt nadj 
bem Kontinent unb nimmt bis in ben Ejafen Arabella als 
(Seifei mit. 

Das iji ber 3ni|alt biefes bürgerlichen tErauerfpiels. ZUo* 
berne Zflenfdien, moberne Der^ältniffe werben in moberner, bem 
teben nal}ebleibenber profa bet^anbelt. aufgegeben ift ber 
(Brunbfafe, ben (ßottfdjeb als Karbinalpunlt tyngejtettt fyatte, 
bajj nur bie <5rojjen ber £rbe, bie gelben ber Znenfdjljeit 
perfonen ber (Cragöbie fein bürfen; aufgegeben ift ber Ders, 
aufgegeben bie ftrenge <£in^eit bes ©rtes, nur bie (Einheit ber 
§eit unb bie ber Ejanblung gewahrt. 2llfo audi bie <Eed)nif, 



I 



70 UTobernes. — Die Cedftttf. 

wie ber Stoff unb bte gan$e Dureftfüftrung toeicftt pon ber 
(Erabttion ab. IDirflieftes Zehen pulftert in bem Drama, ein 
bis baftm unerhörter Healismus, ber faum in finglanb, gar 
nteftt in Deutfeftlanb befannt war. Kräftige, leibenfcftetftlicfte 
2l?3ente, ftmreigenbe (Kraben flehen neben ben alfou wetner* 
liefen Heben ber Sara mit iftrer fteute faum erträglichen, ba* 
mats aber aujjerorbentlicft wirffamen Sentimentalität. ZITaneftes 
mutet uns jefet in bem Drama frembartig an, bas meijle jeboeft 
erfefteint noeft immer mobern. £in feftwanfenber, leicht be- 
{Kmmbarer (Eftarafter wie ZITeDefont 3wifcften ber leibenfeftaft- 
Heften Qeroine ZITarwoob unb ber Sentimentalen Ciebftaberin 
Sara, ein tiefgelränfter unb boeft per3eiftenber Pater, ein treuer 
alter Diener, ber an feinem „Sardien" in alter Ciebe 
ftängt, ein burefttriebenener Sebtenter Horton als Pertrauter 
tflellefonts, 3u>ei fontrajtierte Kammerjungfern l&etty unb 
Ifannaft, enblicft — eine pollfiänbige Heuerung — ein Kinb 
Arabella, bas uns freilieft piel 3U altflug erfefteint, bamals 
trofebem ftärffie Hüftrung wirfte, waren bie (Cräger ber £}anb- 
lung, ein ftalb fomifefter IDirt eine gelungene <£pifobenfigur. 

Die äfcpofttion wirb noeft etwas ungefeftieft bureft bie 
(Bruppe bes alten Sampfon gegeben, maneftes in ber tCecftnif 
iß ünbeftolfen, befonbers baj$ jteft ZHeOefont oon ber Unter« 
rebung 3wifeften Sara unb ZlTarwoob weglocFen lägt. Tibet 
ber 5ortfcftritt ber Qanblung iji fräftig, anberes perrät fteftere 
Kunjt, fo bie anfefteinenbe ttngefefticflieftfett im 3weiten Tltt: 
bie boppelte S3ene 3wifcften ZUellefont nnb ber ZlTarwoob 
(II, 3 unb II, 7), bie jteft 3U einem fdftarfen Kontraji unb einer 
wunberbaren Steigerung auffeftwingt; fo ber boppelte Sefud? 
ber taby Solmes (ZlTarwoob) bei Sara (III, 5 unb IV, 6). 2tm 
unbeftolfenjlen erfefteint bas PerfiecFenfpielen bes alten Sampfon, 
ber feinen Diener immer wieber 3U Sara feftieft, wäftrenb er 
in einem anbeten §immer besfelben (Baftftofs perborgen bleibt; 
babureft tpirb freilieft bas wirffame (Eintreten Sir tDiüiams 
bei ber jierbenben Sara (V, 9) ermöglieftt. Die f$auptf3enen 
entfalten jteft mit poller Kraft unb ftelfen über bie etwas gefueftte 
(Eränenfeligfeit anberer ftinweg. 

Der gan3e Bau unb por allem bie 2lftfcftlfiffe jtnb por« 
trefflieft. Die Cjpofttion 3eieftnet mit wenigen Sfcicften bereits 
alle perfonen naeft iftren eftarafterifHfcften Seiten. Stimmungs» 
poK, mit einem leieftt fomifeften £ufafe, bas Eintreffen Sir 



Aufbau bes Dramas. 71 

Wxüiams unb Waitmtüs im (Baftyof, beffen Witt fdjon auf 
bie prächtige 5tgur in ber „ZlTinna" fyinweifi; aufflärenb unb 
porbereitenb bie 53enen bei ZITeHefont, befonbers bie mit Sara. 
Den Schluß bes erften Elftes bilbet ber 2lufbrudj ZlTeHefonts 
3um Sefudje ber ZTTariPoob. Diefer bilbet ben Stoff bes 
3tpeiten 2lftes, fü^rt bis 3um ZITorbperfudi ber Zflartpoob 
an ZTleOefont unb Hingt aus in bem geplanten Sefudje ber 
ZTlanpoob bei Sara. Der britte 2lft tft ein f^epunft unb 
fdjeint alles 3um (Suten 3U roenben: bie öe^eiljung bes Daters 
trifft ein, ber Sefudi ber ZTCartooob perläuft ungeftört, bas 
(ßefprädj Sir IDtHiams mit XX)aita>e(l (III, 7) perijeifjt einen 
glücflidjen Ausgang. 2lber ZHeDefont tft fcfctpanfenb geworben, 
bie $urd?t por ber ©je fleQt ftdi ein, ber Cibertin bangt t>or 
bem fpiefjbürgerlidien (ßlücf. Das £rfd)einen ber ZUarwoob 
3um 2Übfd?iebsbefudi, iljr 2IQeinb(eiben mit Sara, üjre S3ene 
bringen eine Steigerung, bie gerabe3U meifterijaft genannt 
werben mujj, weil fte über ben fdjwierigfien punft bes Dramas, 
ben vierten 2lft, ungeahntes (.eben perbreitet. Unb portrefflidj, 
bafj erfi Sara ber jeinbin ben <5ebanfen bes ZHorbes eingeben 
mufj. Sara fliegt unb fdjeint gerettet, aber ber Schluß 3eigt 
bie üjr tote bas Derijängnis folgenbe ZHarwoob. Thxdi bem 
fünften 2lft, ber nadj unferem (Befdjmacf etwas 3U rüijrenb 
geriet, fehlen bie Steigerungen md]t. £s tjerrfdjt wirflidje 
Cragif in bem Drama, fdion wirb neben bem ZTKtleib bie 
5urd}t, nidjt ber Sdjrecfen erregt. 2lHes ergibt ftdi natürlich 
unb folgerichtig aus bem einen punft: ber (Entführung Sacas. 
Das Kofiüm ift mobern, nur bie Flamen unb Derljältniffe nod? 
nidjt beutfdj, fonbern englifd?. 

Damit war für Deutfdjlanb ein neues (Bebtet bes Dramas 
erfdjloffen, bas reichen Gewinn perfpradj, freilieft aber audj 
eine große (ßefafyr barg: in Hüftrfeligfeit 3U perfallen. Unb 
wirflid? befterrfdjt bie „Sara" bie bramatifdje probuftion ber 
3aljre J755 bis J772, bis 3um (Erfcfceinen ber „€milia", ja 
iljre XDirfungen laffen ftdi nod? weiter bis in bie Kraftpftrafen 
ber jungen (ßeniemänner perfolgen. Seftr glücflidje IDenbungen 
ftnbet Cef fing, fo I, 7, ipo ZlTeHefont feine Sara fragt: „Wenn 
Sie ftdi felbfi mit fo graufamen 2tugen anfe^en, mit was für 
klugen muffen Sie midi betrachten 1" unb Sara antwortet: 
„ZHit ben itugen ber Ciebe, ZlMefont". Da l\at Cefftng, was 
leibet in ber tDettfdjweiftgfeit ber Heben nodi fo feiten ge- 






72 pcrfonen: ITtanpoob. 

fingt, jene epigrammatifdie Kür3e erreicht, bie üjn fpäter gan3 
befonbers aus3eidinet. IDenn aber bie ZTiarwoob ausruft 
(II, 7): „3d? will mit begieriger fjanb (Blieb ©ort (Blieb, 2tber 
von Tibet, Zteroe oon ZTerpe Idfen, unb bas Kleinjie berfelben 
audj ba nodi nidjt aufhören 3U fdjneiben unb 3U trennen, wenn 
es fd?on nichts meljr fein wirb als ein empftnbungslofes Has. 3d? 
— idl werbe wenigjiens babei empftnben, wie füg bie Radie 
J feil" fo fyören wir fdjon bie Hafereien bes Sturms unb Drangs. 
Überhaupt entfpridjt bie ZTlarwoob am jlärfjfen bem 
(ßefdjmacf ber (Senxeiext Das leibenfdjaftlidie ZlTaditweib, eine 
moberne Vflebea, wirb burdj üjren alles TXla% überfpringenben 
£E}arafter immer tiefer in furchtbare Sdjulb perwicfelt. 3n ifyr 
pulftert bas leben mit mächtigem Schlag, j!e betjerrfdtf alte 
mittel eines oerberbtenCDeibes: Derfleüung, äußerliche £iebens* 
würbigfeit, hinter ber ftd? tt^re bSfen (Ertebe perbergen tonnen, 
wilbe Hadjfudjt, feiges Begehren bei fatter Überlegung, fmn* 
lofe XDut, aber ße iß feine Konßruftion, fonbern ein IDefen 
$ von Sleifdj nnb Blut. 2111 ifyr Cun folgt mit Ztotwenbigfeit aus 
J^ fy*& tage. 3*1* fefytt ein wichtiger §ug, bas, was Cefjtng 
\\ I in ber Cerminologie feiner Seit „Cugenb" nennt. 3fc Cfjarafter 
fyat alles 2Xla% verloren, weil xfyn ein feßer £)alt mangelt. Be» 
3eicftnenb, was fte ZHeHefont in ber großen 53ene (II, 7) 3uruft: 
„IDas ge^t Didj meine Unfdjulb an, wann unb wie idi fte 
perloren ijabe? ^abe xdi Dir meine Cugenb nidjt preisgeben 
fönnen, fo ijabe \d\ bod? meinen guten Hamen für Didi in bie 
Sdtan$e gefd}tagen. 3*ne iß nichts faßbarer als biefer. Was 
fage idj? foßbarer? Sie iß oljne ifyt ein albernes £jirngefpimtß, 
bas weber rufyig nodj glüdflidj madit. <£r allein gibt ifyr nod? 
einigen XDert unb fann pollfommen ofyne jte befielen. ZTlodite idi 
bodj fein, wer idi wollte, e^e id? Didi, Sdjeufal, fernen lernte; 
genug, bajj id] in ben Thxgen ber XDelt für ein $rauen3immer 
ofyne Cabel galt. Durdj Did? nur Ijat jte es erfahren, bajj 
idl es nidjt fei; burdj meine Bereitwilligfeit bloß, Dein £}er3, 
wie xdi bamals glaubte, ofjne Deine fyanb a^unetpnen". Sie 
war XDitwe, ba jte iljn f ennen lernte, fte würbe feine (Beliebte 
fjalb aus Sinnlidjfeit, tjalb aus niebriger Berechnung; jte benUt 
it?n aus, bringt xfyx allmä^lid) um fein päterlidies £rbteil, aud) 
in Arabella, ber $rudit iljres Derljältniffes mit iljm, jte^t jte 
nur ein weiteres ZITittel, bie Qerrfc^aft über ben fdiwadien 
(Cljarafter 3U behalten. Die ZKutter fpridjt nidjt in il|r, Arabella 



Deren gntttricfelung. 73 

ijl tfjr nur ein (ßegenflanb bes Ejaffcs, roenn ftc ifyc nidjt 
2Tl^IIcfont ©on neuem feffeln fylft, benn pe fteljt in itjr nur 
bas 2lbbilb ZlTeHefonts. „Durdj langfame ZTlartern" roill pe 
in bem (Sepdjt bes Kinbes „jeben äfynlidjen §vlq, ben es ©on 
Dir fyat, pdi ©erjietten, r>er3erren unb ©erfdjroinben feijen". 
Tibet Cefpng tagt mit bidjterifdjer Kraft biefen £rjarafter pdf 
immer meijr fleigern. IDürbe ZHellefont, roie fdjon fo oft, 
nadi einem fw^en (ßetänbel mit Sara reumütig 3U iijr 3urücf* 
festen, bann fönnte pe itjre Holle roie bisher roeiterfptelen. 
Darum ffifyrt pe beim erjien gufammentreffen mit ZHeHefont 
eine Komöbie bes €belmuts auf (II, %), glaubt fte bodj 3U 
roijfen, roen jte ©or pd? rjat (II, 5); barum f djtägt pe ttöne 
ferjeinbar tiefen (ßefüfyls an unb ma^nt ben treulofen (Beliebten 
an bie gemeinfam ©erlebten Stunben (II, %). Sie fpielt bie 
5ütyenbe, roeil biefes ZITittel bei ZlMefont ©erfängt, unb roirfltdi 
lägt er pdf eine ^eit lang täufdjen, aber ba er 3ur Sepnnung 
fommt unb pd? trjrer Hanfe erinnert, fefjrt pe bie toarjre 
ZlTarrooob otjne Zllasfe ijer©or, bebrorjt iijn mit bem Dolche, roirb 
3ur „5urie", um aber nadj bem ZHifjlingen iijres Jlnfcrjlags fofort 
roieber eine neue Holle aufzuführen, biesmal bie einer ebelmütig 
Der3idjtenben. Sie roill pdi angeblich nur buretj ben 2lugenfdjein 
über3eugen, bafj pe roirf lidj feine Hoffnung metjr auf ZlTellef onts 
Ciebe l\abe; babei rechnet pe ijeimlidi auf bie I}ilfe bes alten 
Sit IDiUiam, fyat pe üftn boefj Saxas Aufenthaltsort ©erraten. 
Aber roieber gepaltet pdf alles anbets; beim Sufammentreffen 
mit Sara (III, 5) fyält pe pdi in ben 5ormen ber eleganten 
IDelt unb benimmt pcfj gan3 wie eine £ab\, ba pe jebodj ©on 
Sir IDiüiams Vergebung I^ört unb feinen ©er3eifyenben Srief 
liep, fommt pe ©öHig aijs bem Kon3ept: pe petjt einet ifyr \ 
burdjaus un©erftänblidjen ZlTad?t gegenüber, ber roaljren, tief 
füijlenben Siebe. Sie i^atte ©on pdi gefdiloffen nnb gebadet, 
in Sir IDittiam muffe nur bas Verlangen nadj Hadje leben; 
bajj ein ©erirrtes Kinb nodj immer bas geliebte Kinb bleibe, 
ja ein nodj tiefer geliebtes, ift etroas, roorauf pe niemals ©er* 
fallen roäre. Dem (Egoismus, ber pe erfüllt, gegenüber taucht 
ein iljr nnbetanntes prin3ip, ber Altruismus, bie roaijre Ciebe 
auf. Dies ©erroirrt pe fo ©ottpänbig, bajj pe ein ttnroorjlfein 
©orfeftüfet, um pdi roieber 3U faffen. Aber andi ber Unterfcrjieb 
3roifdjen ifyc unb Sara enthüllt pdi in biefem prin3ip unb 
roirb nocri beutlidjer in ber 3toeiten größeren £>3ene ber beiben 



74 Sara. 

Nebenbuhlerinnen (IV, 8). IDieber erfcfteint uns Cefftng als 
teuerer, unb biesmal auf einem viel bebeutfameren (Sebiete, 
auf bem ber ZlToraL Sara ift aus bem Paterljaufe geflogen, 
iljrem Perffiljrer gefolgt, bie Seine geworben oljne bas fefte 
Sanb ber <ßje; fie t^at alfo ben Sdjein ber Sctyedittgfeit unb 
Derberbtl^eit auf ftdj gelaben, weil fte tfleüefont tyngebenb 
liebt unb iljm barum vertrauen muß; an ü\v ift fein $alfdj, 
barum fann fte audj feinem anbete, am wenigjten bem innigji 
(Beliebten, einen 5<*lfd? 3utrauen. Cefjtng fyat ber lanbläufigen 
pljilijiermoral ins (ßeftdjt gefdjlagen unb ben fpäter fo oft 
variierten Sa% aufgehellt: ein UTäbdjen fann tugenbljaft fein, 
aud? wenn es in alles vergeffenber ßebe Unfdjulb unb 3ung< 
fräulidjfeit verloren fyat; nidjt auf ben Schein fommt es an, 
fonbern auf bie Seweggrflnbe. Sara leibet unter bem Schein, 
ber auf fte fällt, aber bie Ctebe 2TlelIefonts fieijt iljr tjötjer als 
bie fdjwerften perfönticfjen (Dpfer. Der Unterfdjieb 3wtfdjen üjr 
unb einer ZITarwoob fpridjt ftdj beutlidj aus in ben IDorten: 
„£s iß gan3 ehr>as 2lnberes, aus Unwiffenijeit auf bas Cafier 
treffen, unb gan3 etwas 2lnberes, es fennen unb bemungeadjtet 
mit üjm vertraulich werben", ober wie Sara etwas früher 
fagt, es fomme mdjt barauf an, „bie Sdjranfen 3U befiimmen, 
bie uns bie Cugenb bei ber £iebe feftt; fonbern bloß barauf, 
bie menfdjlidje Sdiwadifjeit 3U entfdjulbigen, wenn fte in biefen 
Sdjranfen nidjt geblieben tji". Sie fagt es, um ZlTeHefont 3U 
verteibigen, unbewußt verteibigt jte aber bamit ftdj felbfi. ©er 
ttlarwoob gelingt es nur für einen fur3en 2lugenblicf, biefen, 
einer liebevollen Perirrung 3um Crofe — bleiben wir beim 
bamaligen 2lusbrucf — tugenbljaften Ctjarafter 3U verwirren, 
balb aber faßt ftdj Sara wieber unb feiert ifjren Ijöcfifien 
Criumplf, ba fte jldj vor ber vermeintlichen Derwanbten iijres 
ZlteDefont auf bie Knie wirft, bittenb „um bie (Seredjtigfett 
wenigflens, midi unb ZRarwoob nidjt in einen Hang 3U fefeen". 
Sie afynt nidjt, ba% fte bie ZlTarwoob vor ftd] fyat unb biefe 
aufs tief fie trifft; 3 war tritt ZlTarwoob fiol3 3uräcf unb weibet 
ftdj an iljrem fdjeinbaren Sieg, aber fte füljtt, ba% in Sara 
etwas (Brößeres, Sejferes ifyr gegenüberfietjt, benft 3uerfl an 
Selbfhnorb burdj bas (ßift, bas fte immer bei ftdj füijrt, bann 
an bie <£rmorbung ZTleHefonts, bis fte — wovon wir nidjt mefyr 
geugen ftnb — bie Gelegenheit benufet unb ber ohnmächtigen 
Sara ^tatt bes Korbialpulvers bas (ßift einflößt. So entfaltet 



Henerungeii. 75 

ftdj bie ZlTarwoob vov uns unb wirb auf bem IDege bes 
Perbredjens immer weiter getrieben. 

Die übrigen Figuren fönnen wir flüchtiger ffareifen, obwohl 
audj jte im beutfcfyen Drama weiterwirf en; wie bie ZTCarwoob 
unb bie Sara fo fielen fid} nodj im „<B8fe" 2lbelfyeib unb 
ZUaria gegenüber, wäljrenb in „Kabale unb £iebe" ber Kontra]} 
bei Caby ZTTilfort unb £uife nod? weitergebilbet ift unb bie 
53ene 3wifdjen ZlTaria Sttxavt unb ©ifabetlj uns an ben 
KniefaD Saxas erinnert. Der fdjwanfenbe ZITeHefont, bzn wir 
in IDeislingen, <£la»igo, 5^nanbo, wieberfmben, würbe $um 
Cypus unb ber Pere noble Sir lOilliam bas ZUufler einer 
gan3en Heilte ebler (ßreife. Unb nocfy eines neuen gugs muffen 
wir gebenfen: in ber einen S3ene (III, 7) fagt Sampfon 3U 
feinem treuen JüaitoeD: „Betrachte Dicfy fcon nun an . . . 
nid]t mefyc als meinen Diener. Du ijaß es fd}on längjl um 
midi oerbient, ein anftönbiger 2Uter 3U genießen. 3<fc will 
Dir es audi fcftaffen, unb Du foHjl es nidtf fdjledjter l^aben, 
als id? es nodj in ber ZOelt Bjaben werbe. 3<ft will allen 
ttnterfcfyieb 3wifdjen uns aufgeben; in jener IDelt, weißt Du 
toofy, tft er oljnebies aufgehoben''. £}5ijer als ber Stanb unb 
Hang fielet ber Xt)ert bes tflenfdjenl Sruber fjumanus fprtdjt. 

So be3eid?net bie „Sara" einen IDenbepunft nidjt nur in 
ber Cntwicfelung bzs beutfd?en Dramas: ein füljnes Durdj« 
brechen ber bisherigen Sdjranfen, bie Proklamation bes 2111- 
gemeinmenfdilidjen gegenüber bem Stänbifdjen, einen Sieg bes 
ZlTobernen über bas S^tlofe ber ffaffoijttfdjen Cedinif. Bliebet 
fyatte Cefjtng einen Ceil ber Sanbe geldji, bie üjn an bem 
J^erFdmmlidjen fefttjielten. Der Schwärmer für republifanifdje 
5reit)eit auf allen (Sebieten Ijatte fyer auf einem bejHmmten 
(ßebiete ber 5**üieit eine (ßaffe gebahnt, ber 5reil}eit pon ben 
Porurteilen, mögen jte feigen, wie immer. 

Das (emt3eid)net aucfy bie rege Otigfeit, bie er als 
„S^itungsfdjr eiber bey einem Diepgen Sudifüljrer" entfaltete, 
inbem er beutfdje, fran3Öftfdie unb englifdje 03erfe befpracfy 
Drei 3aljre bauert ber 3weite Berliner 2lufentljalt, wäljrenb 
beffen er aud\ perfönlidj manchen anregenben Jhtfdjlufj fanb. 
£s 3eigt ftdj bei üjm, wie bei jebem <5enie, bie <5abe, 
an 5**unben unb Sefannten' ben punft 3U treffen, wo üjt 
Sefies liegt, es ijl, als fei ifym bie IDünfdielrute verliefen 
bie jebe nod? fo bixnm (ßolbaber an3eigt. Cefjtngs 3ntereffen 



76 Berliner (freunbe: Hamler, UTenbelsfolfn. 

waren freilieft fo reidj unb umfaffenb, ba§ er bie perfdtfebenen 
Steigungen feiner 5teunbe teilen unb babei ftdj unb jte be« 
reichern fonnte. 3"t Berliner ZlTontagsflub, urfprünglictj einer 
Schöpfung ber 5ctjmei3er partet, ttaten ifym einige ZTKtglieber 
näijer, fo Karl IDittjelm Hamler, ein etwas fteifer ZTadjaftmer 
ber 2lntife, ber mit groger Sorgfalt über bie $orm roaeftte 
unb ftdj als „Perbefferer" frember IDerfe nod] mancherlei 
j^erbrieglidjfeiten 3U3og. Cefjtng fanb jtcfc mit iftm 311 alt- 
N '^eutfdjen Stubien 3ufammen, bie bann_i759 audj literarifdj 
5rüd?te trugen. ibidjtiger tpar bie Perbinbung mit einem 
— eftrlicft jhebenben 3«ben ZHofes aus Deffau, ben er \75^ burdj 
bas Sdjadifpiel Fennen gelernt ijaben bürfte. ZTCofes ftatte ftd? 
müftfam 00m (Calmubfdjüler 3U europäifefter Bilbung bureft« 
gerungen unb befdjäftigte ftdi, troftbem er Budiftalter in einem 
Seibengefcfjäft tpar, mit pftilofopfyfdien Stubien. Ceffmg tourbe 
ber pate feiner erften fd?riftjiellerifdien Derfudje, inbem er J755 
y/ ;/ pt|ilofopftifdje (ßefprädje" bes balb liebgetporbenen 5*eunbes 
Verausgab. Der gleichaltrige Soijn eines jübifdjen Ceftrers 
ZtTenbel 30g Cefjtng burdj feine fritifdien pftilofopijifdjen Anlagen, 
burdj bie Pereinigung r>on (ßeiji unb (ßefcrjmacj an; er nennt 
iijn „einen grünblictjen Kopf unb fdjönen Seift" unb meint 
fdier3enb: „(Er toirb ftd? teilen muffen, um immer pon feinen 
fompetenten Hidjtern gelefen 3U toerben. <£r wirb es, roenn 
er benfen toitt, pergeffen muffen, bajj er fdjon fdireiben fann, 
unb tpenn er fefton fdjreiben wiü, pergeffen muffen, ba% er 
benfen fann". Ztxdtt ein gunftgelefyrter, tpie Sul3er, 3ieijt Cef fing 
an, moftl aber ber 2lutobibaft mit ben fdiarfblicfenben klugen, 
ber in Berlin nur gebulbete pertpadjfene 3^be ZHofes ZHen» 
belsfofjn. Sei Sul3er l\ätte felbftgefällige Syftematif, ftoeftmütiger 
©genbünfel, tpoftlgefdjloffene Kenntnis trjm nidjt bas geboten, 
u>as ber jüngere „Qatbgeteijrte" mit feinem gefunben Urteil, 
feiner fruchtbaren 3«^wftion, feiner glücflidjen befdjeibenen 
jreube am 5orfcften mefjr als am Hefultat iftm 3U geben 
permodite. ZlTofes roar xfyn ein (Sefmnungsperroanbter barin, 
ein lOerbenber, ftctj finttoicfelnber, fein $ertiger, 2lbgefcrjloffener, 
unb gerabe bie 5*eunbfdjaft Cefftngs locfte toie 5rüB|lings» 
fonnenfdjein bie erjien Blüten feiner Sdjriftjielleret fterpor. 
Balb jiafen bie Beiben tief in pftilofopftifdjen Disputen, bie 
^ ftauptfädjlidi pfyctjologie unb Kunft betrafen unb audj fofort 
3U einer gemeinfamen Arbeit führten. 



„Pope ein IXletaptytfihtl" \?55. 77 

3m 3<*fy* J753 fyatte bie Serliner 2lfabemie einen preis 
ausgetrieben für eine Unterfucfyung von popes Sa% „2lHes 
was ijt, ift gut", um fo ben gan3en (Optimismus 3U treffen, 
benn ber bamatige präftbent ZHaupertuis war eiferfüditig auf 
ben Stifter ber 21fabemie, ben ©ptimifien Ceibnife. Diefe preis- 
aufgäbe befcfyäftigte bie beiben Svwnbe, fte fingen gemeinfam 
eine Beantwortung an, bie jebesfalls Cef fing rebigierte; bie 
voüenbete Sdjrift würbe gar nidjt eingereicht, fonbem anonym 
3U Dan3tg im 3«fy* 1^55 veröffentlicht mit bem diarafterifHfdjen 
(Eitel „Pope ein ZlTetapliyfifer!" Sdjon bas 21usrufungs- 
3eid?en allein mar eine ©fyrfetge für bie 2lfabemie. TXlit 
prächtiger £aun* wirb bie Aufgabe 3erfafert; bie 21f abernte 
verlangt eine ttnterfucftung bes popifdjen Syftems, ba rufen 
bie Derfaffer: „3cfy Ijabe nidjt barüber nadjbenfen fSmten, 
oijne midi vorder mit einem 3iemlidien £rf!aunen befragt 3U 

Ijaben: 03er ijt pope? (Ein Dichter 

€in Dichter? Was madjt Saul unter ben Propheten? Was 
madtf ein Dichter unter ben ZUetapijyftfem?" Unb fte unter* 
fucfyen 3uerfi, „ob ein Dichter als ein Dichter ein Syjlem f}aben 
fönne?" Sie antworten: nein unb wieber nein! „£ucre3 unb 
feinesgleicften ftnb Persmadjer, aber feine Dichter", pope 
bagegen ifl ein Dichter unb tann als Dichter fein Syjiem 
machen, „©er pfyilofopij, welcher auf ben parnag hinauf jieiget, 
unb ber Dichter, welcher ftdj in bie (Edler ber ernfttjaften 
unb ruhigen XDeisljeit ijinabbegeben will, treffen einanber gleidj 
auf bem falben IDege, wo fte, fo 3U reben, iijre Kleibung 
verwed?feln unb wieber 3urücfgeijen. 3*&** bringt bes 2lnberen 
(Bejialt in feine XDofynungen mit ftdj, weiter aber audj nidjts 
als bie (ßefialt. ©er Dichter iß ein pf)ilofopf)ifd}er Dichter 
unb ber XDeltweife ein poetifdfer ZtMtweifer geworben, allein 
ein pfyilofopljifdier Dichter ijl barum nodj fein pfyilofoplj unb 
ein poetifdjer IDeltweife barum nodj fein poet". Der Dichter 
will aber auefy fein Syjlem fcfjaffen, benn „er fpricfct mit bem 
€pifur, wo er bie IDolluft ergeben wiH, unb mit ber Stoa, wo 
er bie Cugenb preifen foÖ". Dann wirb unter fudjt, ob pope 
vielleicht eine 2lusnaljme bilbe; 3U biefem ^weJe fammeln fte alle 
Stellen, bie man für ein Syflem verwerten fönnte, unb fommen 
3U bem Scfilußfafee, ben bie 2lfabemie herausgegriffen Itaüe: 
„Daß alles, was fei, gut fei", „que tout ce qui est, est bien a . 
Zimt eine gan3 Cefftngifdje bramatifdje IDenbung: „3dl brücfe 



78 gtpetter £etp3tger 2(ufertt^alt J755— *758. 

ljier (einen Sinn in ber Sprache feiner Überfefeer aus. 2lDein 
ifi es wofyl gut, j!dj auf biefe 3U perlaffen? IDie, roenn pope 
nidjt gefagt Blatte, ,ba% 2llles gut', fonbern nur, ,ba§ 2ÜIes 
redjt fei?' XDottte man mo^l redjt unb gut für (Einerlei 
nehmen? f}ier ftnb feine IDorte: — Whatever is, is right". 
Dos war ein nodj fräftigerer Sdjlag gegen bie 2lfabemie, bie 
n\d\t einmal bas (Original eingefeljen unb barum etwas gan3 
anberes aus pope Ijerausgelefen fyatte, als bei xfyn ftcB^t, Das 
Breitere war itjnen nun leidjt: pope mit Ceibnife 3U Dergleichen, 
3U 3eigen, bajj er ftdi in feinem (ßebicfcte felbft wiberfprodjen 
f}ätte, wenn er ein ZttetapiwfxUt fein wollte, auf Sijaftesbury 
als mutmaßliche Quelle fyin3uweifen unb mit ben föfUidjen 
IDorten 3U fdjliefjen: pope Ijabe an Swift gef ^rieben: ,„ZIur 
um (Eines bitte idj Sie, lachen Sie über meine €rnjttfaftigfeit 
nid?t, fonbern erlauben Sie mir, ben pijilofoptftfcfjen 23art fo 
lange 3U tragen, bis xdt xfyx felbfi ausrupfe unb ein (ßefpdtte 
baraus madje — '. t>as will siel fagen! D3ie feljr foDte er 
ftd? alfo wunbern, toenn er erfahren fönnte, ba§ g(eid}woE}t 
eine berühmte 2Ifabemie biefen falfdjen Sart für wert er- 
tarxrxt ijabe, ernjttjafte Unterfudjungen barüber an3ujiellen?" 
3« biefem Sdiriftdjen berührt bie Unbefangenheit unb Sidjer- 
Ijeit, bie gute Caune, bie (Erhabenheit über ben fleintidjen Sinn 
ber 2tfabemte fo wofyltuenb, bie Ünterfudiung war fo elegant 
geführt, bajj jte woijl ben preis pon fünf3ig Dufaten t>erbient 
fjätte. ZlTetljobifdi aber war widjtig, baß man ftdj nidjt auf 
bie Überfefeer perlaffen bürfe, fonbern bas ©riginal felbft ein- 
fetten muffe, wenn man 3rrtum »ermeiben will. Salb foHte 
Cefftng auf biefem IPeg eine rxodi widrigere, bleibenbere &nt» 
beefung machen. 

2lls Dritter im Sunbe gefeilte ftdi etwa um biefelbe Seit 
ein fdjriftfiellember Budffyänbler $riebricft Zticolai, gleichfalls 
ein 2tutobiba(t mit regen 3"tereffen, guter Kenntnis ber fremben 
Citeraturen, befonbers ber englifdjen, soll (Eifer unb Energie, 
nur weniger tief, als ZlTenbelsfoijn. Die Oerbinbung mit 
Cefftng u>ar woljl jefet noefy nietjt fo fefl, als biefer wieber für 
einige §ext Berlin t>er(ieg, trofebem nafym Nicolai einen gewiffen 
Anteil an bem wichtigen Sriefwedjfel, ber Cefftng für bie 
pfjilofopijifdien (ßefprddie mit Ztlenbelsfofin €rfafe bot. ZUitte 
©ftober J755 ging Cefftng rxadt Ceip3ig, um auf Supers 
£mpfef{lung £jofmeijier eines Sdiwei3ers 3U werben, überbies 



„Die glfitfK($e €rbm". — Hetfe mit IDinfler J756. 79 

30g ifyn bas tEI^eater an. Da eröffnete ftd? üjm aber eine 
beffere 2lusftdit: ein reicher junger ZITann in feinem 2Uter, 
Hamens IDinfler, gewarnt iijn als <5efeQfdiafter für eine mehr- 
jährige Heife burdi €uropa. Doli 3u&et teilt Ceffing am 
8. De3ember J755 btefe Xtadfridtf feinem 5**ttn&* ttlofes mit. 
IDinfler war unabhängig, funftbegeiftert, fdjien ftdi Cefftng 
unterordnen 3U wollen unb fo glaubte biefer, wie er mit einer 
^eiteren IDenbung fdjrieb, /; am &nbe wirb er mefyr mit mir 
als id? mit üjm gereifet fein". Den IDinter fyhtburd? wollten 
fte nodj in Ceip3ig bleiben, bann aber Berlin unb Hamburg 
nadj fjollanb, weiter nadj £nglanb reifen, wo Cefftng feinen 
„Sauft" 3U poüenben hoffte. Dorerft 30g Cefftng 3U IDinfler 
in bie „5euerfugel", wo ein ^ätnaüpnt fpäter audj <9oetE}e 
wohnte. XTatürlidj blieb er nidjt müßig: er vertiefte ftdi in 
bie Cnftfpiele bcs Italieners (Solboni, bu bamals in Deutfdj« 
lanb nod) unbefannt waren, unb serfudjte fogleidi eines „Die 
glücflidje £rbtn" 3U bearbeiten; 3ufäKig ftnb uns einige 
53enen erhalten, wäljrenb bas übrige 3um Ceti fdjon (Sebrucfte 
t>emidjtet würbe. Xtadi einer luftigen £^pofttion fdieint pdf 
ein tragifdjes ZlTotw Por3ubereiten: bie Ciebe 3wtfdjen Stief- 
mutter unb Stieffoijn, bod} bmM bie 5ortfefeung auf einen 
luftfpielmäßigen Ausgang itin. Kodi foHte bas 5tücf fpielen, 
bod) fdjetnt es Cefftng nidjt PoOenbet 3U ljaben. £r lernte 
perfdjiebene Sdjriftfieüer fennen, fo <ß eifert, ntadjte Heinere 
Seifen, fo genoß er in Dresben bie Kunftfdiäfte, traf aud? mit 
feinen filtern 3ufammen unb begleitete fte naii Kamen3. ZTlit 
IDetße, ber tfjm wieber nätjer trat, war er in 2lltenburg unb 
(ßera burdi längere Seit. Cnblidj im Zitat \756 verließ er 
mit IDinfler Ceip3ig, um bie große $afyrt an3utreten; fte ging 
befyaglidj weiter, unterwegs hielten fte ftdi an ben ein3elnen 
©rten „einige tEage ober IDodjen" auf, fammelten Kupfer* 
flicke, befugten (Belehrte, genoffen bas Öjeater unb tänbelten 
woljl aud? mit einer fdjönen Sd?aufpielerin; in Hamburg ent- 
3Ücfte Cefftng b^n Sdjaufpieler fifljof. &nbe 3*ili trafen fte 
in 2lmfterbam ein unb wollten £nbe September eben nadj 
£nglanb weiter, ba fam alles anbets: ber Krieg, bem erft 
fteben 3<*ijre fpäter ber ffubertusburger triebe ein finbe 
machte, bradi aus, £}als über Kopf eilte IDinfler Ijeim unb fo 
mußte Cef fing fdjon am \. ©ftober Zltofes melben: „3« freitidi 
bin xd\ wieber in Ceip3ig". 



80 £rieftr>ed?fet über Me (Eragöbte. 

£s war eine fefyr bemegte geit, bie nun Cefftng in Sadi^en 
perlebte. Der Krieg tobte, bas £anb gltd? einem Cager, bas 
(ßeflirr ber ZDaffen ertönte in Cef ftngs Umgebung. Der preufjifdie 
2Tlajor Cijriftian Cioalb oon Kleift txmrbe fein 5teunb, ber be« 
geijlerte preufjifdje Patriot (ßteim, ber bis nadj präg im <5e* 
folge bes Krieges gefommen war, 3äijlte u>ieberi|olt 3U feiner 
(Befellfdiaft. Die fd?u>ere Seit ber ZTot unb bk fdjtoere Xtot 
ber Seit machte ftdj audj im Ijauf e XDinHers fühlbar, mit bem 
Cefftng redjt unfreunblidj auseinanberfam, weit ber (Begenfaft 
3»ifdjen Sadjfen unb preußen iEjr Perljältnis ftörte. Cefftng 
ftanb auf Seite ber preußen, nidjt auf ber feiner Canbsleute. 
Seine 5**unbe »aren preujjen unb 2tn^änger 5^iebridjs, beffen 
Qelbengejlalt alles überftrafylte. 3eber rüftete bamals, wenn 
audf nur auf feinem (Sebiete. Hantier befang feinen König, 
Kleiß fdjuf bas Heine fipos bes Kriegs „ <Eif ftbes unb paedes", 
eine Dertjerrlidjung friegerifdjer Cugenben. IDie ein Huf ber 
Kriegstrompete Hang (ßleims (Srenabiergefang. Kraft, gelben* 
tum, Ijelbenleben unb ^elbentob, ein begeifertes Eingeben bes 
eigenen 3dj hn 3ntereffe bes Daterlanbes, bas toaren Cef ftngs 
«mbrücfe. 

Da3U vaftte fefyr gut, bafj er im Hooember J756 mit 
Xnenbelsfoijn unb Nicolai einen wichtigen (ßebanfenaustaufdj 
über bie (Eragöbie begonnen f\aite, ber an Unterfudiungen ber 
beiben freunbe ftdi anfdjloß. Nicolai fdjrieb in feiner n&x* 
begrünbeten 5eitfd?rift „Sibliotijef ber fdjönen B?iffenfdiaften 
unb freien Künjle" einen preis von 50 tCalern für bas befte 
Crauerfpiel aus unb gab 3ur Orientierung im erften Stficfe 
ber „Bibliotfjef" eine „2lbijanblung x>om Crauerfpiel" (Ceip3ig 
J757); fdjon £nbe 21uguft fdjrieb er Cefftng, ber mit einer 
Sdjrift über bas bürgerliche Crauerfpiel befd?äftigt tx>ar, einen 
2tus3ug, bod? befam rfyx Cefftng über 2lmfterbam erft nad? 
Ceip3ig 2TKtte ZTooember. Nicolai gibt mit Hedjt als §\x>td 
ber ttragöbie an, fte roolle „heftige Ceibenfdjaften in uns er* 
regen", 3ugleidj aber Hü^rung unb Setounberung nid?t oer« 
geffen. <£r fudjt bas Vergnügen an ber DarfleHung ber 
Ceibenfdjaften pfydiologifdi 3U erHären, ftellt mit Du Sos ben 
Sa§ au f/ ba% fdjon ber (Sebraud? unferer Kräfte Vergnügen 
biete, betont, bajj £rregung, nidjt Dämpfung ber Ceibenfdjaften 
gtoecF bes (Crauerfpieles fei, freist in ber Ijanblung bie Ijaupt- 
fadje, bie eigentliche „tragifdje (ßröjje", unb unterfdjetbet brei 



furcht, ntdjt Sdjretfen! 81 

2lrten von tEragöbien, \. bie rüfyrenbe, bie bloß Sdjrecfen unb 
Zllitteib erregt, ba3u rechnet er bas bürgerliche tErauerfpiel, 
2. bie fyeroifdje/ bie burd? Qilfe ©on ScfjrecJen unb ZHitteib 
Sewunberung über ben ^elbenmut ber »orgefülfrten perfonen 
erregt unb 3. bie permifdite, bereit gwecf tjl, Sdjrecfen unb 
ZHitleib 3U erregen, bie aber mit ber Sewunberung gewiffer/ 
<£tjaraftere pergefeUfdjaftet iß, unb baburdi Der mehret wirb., 
Cef fing wenbet jtdj 3uerji gegen „bas Sdjrecfen", bas er nur 
für überrafdjtes ZHitleib, gegen bie Sewunberung, bie er für 
bas entbehrlich geworbene ZITitleiben er Hart; er verwirft im 
weiteren Verlaufe ber Korrefponben3 bie Sewunberung für bie 
Crag5bie ooQfiänbig unb toetft ße bem €pos 3U, in bie 
Cragobie gehöre nidjt ber bewunberte, fonbem ber bebauerte 
f}elb, alfo ein (Öbipus, fein Olmas, wälpenb wieber ein \ 
©bipus für ein £pos nid?t paftte. ©nfeitig greift er bas \ 
ZTlitleib heraus unb verlangt oom gansen Perlaufe ber (Eragöbie 
Büljrung, benn bie tCragöbie fott üben im ItTitteib, fo bafj 
gan3 im Sinne ber Seit ber moralifdie gwecf ber Dichtung 
md?t aufgegeben iji. Da plofelidj fommt es Cefftng in ben 
Sinn, tote er mit Znenbetsfoijn bie Überfefeung bes pope per* 
(äffen unb ftdj 3um (Original gewenbet Ijatte, aud? bie Ürtjlote* 
lifdie poetif nidjt in ber von ifyn früher gelobten unb audi 
t>on Nicolai benufeten (Eurtiusfdien Überfefeung, fonbern im 
(Original 3U jhibieren, unb ben 2. 2lpril J757 f direibt er an 
Zticolai ooQ (Erjiaunen: „Können Sie mir nidjt fagen, warum 
fowofyl Dacier als Curtius Sdjrecfen unb 5u*djt für^gteidj 
bebeutenbe Xüorte nehmen?" <£r fyat nämltd? entbecft, baj$ 
ber (ßriedje „burdigängig" <poßog braucht unb $urdjt unb ^ 
Sdjrecfen 3wei »erfdjiebene Dinge ftnb. „VLnb wie, wenn fid? 
bas gan3e Sdjrecfen, wooon man nadt ben falfdj perfianbenen 
21rijlotelifdjen Segriffen früher fo piel gefdjwafet, auf weiter 
nichts als biefe fditoanfenbe Überfefeung grünbete?" (Er 3ieljt 
bie Hijetorif unb bie nifomadjifdie fitfjif 3um Dergleidje fyer* 
bei unb erflärt nun: „5urdjt muffe es überall feigen unb 
nidjt SdjrecFen". 5urdjt iji nadj 21rijioteles bas auf uns be* 
3ogene ZTCitteib, ZITitleib, bie auf anbere be3ogene $ntdit 
Unb fdjon ifl er ber Öbe^eugung, unfere £uß, erregt burdi 
bie jlärfere SejHmmung unferer Kräfte — bies bie IDirfung 
jeber erregten Ceibenfdjaft — überwiege bie Unluft, bie wir 
über bie (5egenfiänbe Itaben, fo weit, ba% wir uns ber 

Werner, <Soü!jott> Cffyraim Cefjfog. £ 



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82 Dramattfdfe plätte: „Das befreite Hom". 

Vttnlujl gar nidjt meijr bewußt fhtb (an ZTlofes, 2. Februar 
1 757). So f af$t er jefet bie Katfyar jts auf. Diefe Unterfud^ungen, 
bie ZITenbelsfoiin burdt CimoAttbe jiärfer fSrberte, als Hicolai 
burdj gelegentliche Semerfungen, tourben nad? allen Seiten 
fruchtbar: ZHofes würbe 311 2luffäfeen angeregt, tote „über bas 
Crlfabene unb Xtaipe in ben fdjSnen IDiffenfdiaften", Cefftng 
3u b^n 3be*n, bie er bann im Caofoon unb ber Dramaturgie 
weiter ausführte. Cefftng n>ar aber nidjt blojj Kunjttfyeoretifer 
n>ie ZHofes unb Zticolai, fonbern Künftler; er lebte bamals 

, trofe bem Krieg in einem Kreife von Dichtem. Der ZlTajor 
von Kletft, Kommanbant eines neugebilbeten preujjifdvfädjjv 
fd?en Regiments, fdjuf fein €pos unb fem jtoifdjes Drama 
„Seneca"; (ßleim fam von £}alberjiabt herüber unb fdjuf feine 
Cieber eines preujjifdjen (Brenabiers; (EijrijHan $elif IDetjJe, 
bie Beurteilung ber eingefanbten preisjtficfe, bie £eip3(3er 
öüfyne mit Kodjs Cruppe lenlten bie 2lufmerffamfeit aufs 
üjeater; ein junger Zflann ^oad\xm £Di(t|e(m von Brawe, ber 
gleichfalls bem Kreife angehörte, fdjuf feinen „$reYgeijl", eine 
Xtadjaijmung ber „iTlijj Sara Sampfon"; 2Tlort3 ilugujt von 
Cfyümmel, nachmals ein fruchtbarer Homanfdjriftjletter, unb 
Cijrijttan 2tugufi Clobius, fpäter Dramatifer, waren gleichfalls 
bid?terifdj angeregt. Vinb fo ftnben mir aud) £efftng balb 
wieber mit einer gan3en Heilje pon tragifdjen planen befdjäf* 
tigt, obwohl er ftdi vorgenommen baue, bas publifum fotte 
burdj brei 3<*fyre nichts pon \fyn 3U fe^en unb 3U Ijören be« 
fommen. $reilidi ijl pon allen nur ein einiger bis 3U &nbe 
gebieten. 

Der (Eljarafter aller biefer Derfudie war burdj bie Seit 

^ bejKmmt, frtegertfdjes 3beal, Kampf unb tEob fürs Daterlanb 
bilben bie ZITotipe. Dermutlidi gehört ber Entwurf „Das be« 
freite Hom" in biefe Hei^e; barin wollte Cefjtng nad? Cteius 
bie DerfleQung bes Brutus barfleüen, bm man in Hom für 
einen Unftnnigen Ijätt, bie 5tepe(tat bes tEarqumius an Cucretia, 
bie Hadie b^s Brutus, inbem er tEarquinius erjttdjt, bann 
aber auf bie Regierung per3id}tet, ba er jtdj iljrer burd} feine 
PerfleQung untüchtig gemacht Ijabe, wofür jpublicola, ber (Be- 
rnau Cucretias, berufen wirb. ZTle^r als biefen (Entwurf be- 
jtfeen wir nidit. Don ber „Dirginia" b^s £nglänbers Samuel 
Crisp überfefetejer bie <£^po{ttion, bie lange für fein eigenes 
IPerf galt; baraus gemattete ftdj fpäter feine bürgerliche Dir» 



„tobtus". — „Kleonms" J758. 83 

ginia „Cmtlia (Batotti". £in 3ur preisbeiverbung eingereichtes 
Stücf, Cronegfs ehpas jietfer Cobrus, veranlagte Cefftog 3U 
einer ftirjen Stifte eines eigenen Dramas Cobrus. Das 
©rafel I^at verffinbigt, baß im Kampfe ber Darier unb 
Sltfjener jenes Volt jtegen »erbe, beffen König burd? bie 
$einbe falle; ba fdfteidjt ftd? Cobrus ins borifdje Cager unb 
weiß es ba^in 3U bringen, ba% er erfd?lagen toirb. €r opfert 
ftdj alfo burd} PerfleQung abjtditltd?, um feinem Paterlanbe 
ben Sieg 3U verfdjaffen. Diefer plan beutet auf „Das be- 
freite Hont" 3urficf unb auf 3toei fpätere Dramen voraus. 
Dem Anfang bes 3afjres J758 entflammt ein vietverfjeißenbes 
5ragment „Kleonnis" in fünffüßigen, burdjaus männlidj aus- 
ge^enben 3<*mben, tveldjes Persmaß Cefjtng bamals audi Kleiji 
unb öraive empfohlen 3U l^aben fd?eint. Der meffenifdje 
KSnigsfoljn Demarat ifi mit bem unerbittlich garten 5«Ib^erm 
2lrijtobemus in feine erjie Sdjladtf ge3ogen, tväijrenb fein Dater 
£upl)aes fditverer ZDunben toegen 3urücf bleiben mußte; u>ir 
bürfen annehmen, ba% er gefangen tvirb ober fällt, u>oran 
Celles 2tnteil tjat, ber aber niemanb anberer iji als fein ver- 
fallener Sruber Kleonnis. IDir bejtfcen nur brei Auftritte 
bes erjlen Sluf^ugs mit einer tvirfungsvoDen CtjarafterijKf bes 
Paters fiupljaes; er, ein fjeraflibe, fyängt mit fditvärmerifdjer 
Särtlidjfeit an feinem Sofyne Demarat, ba ifym ber anbere 
Kleonnis geraubt tourbe. Ceibenfdjaftlidj tvilb unb rüfyrenb 
3ärtlidj iji biefer Pater eine Dor jhibte 3um ©boarbo ; er bangt 
vor bem „falten ZHörber feiner Codjter" 2trijlobem, ber jte 
mit eigener Stanb tötete, um bem Spruche bes (Dtatels 3U 
genügen unb bem Paterlanbe 3U nüfeen. Diefer tapfere Selb- 
er verlangt von jebem, was er felbjl 3U leiten vermag, roirb 
alfo aud\ im Königsfoljne nur ben Solbaten fetjen. Der 
(ßegenfafe 3tvifdjen €upljaes unb 2lrijiobem iji fo fdjarf ej* 
poniert, ba% er im Drama eine Holle gefpielt Ijaben müßte, 
bodj laffen audi bie erhaltenen fij^erpte nieftt erraten, tvie? 
Kleonms foltte jebesfaHs unter bem Ztamen Celles neben bem 
la3ebemonifdjen Königsfoijne Doryffus als vermeintliche* Spar- 
taner gefangen ins Cager fommen, bem Se^er Cifts toar An- 
teil an ber ^anblung 3ugebadjt, £>orn unb Sdjmer3 Ratten 
ben unbeftegten &xpl(aes bejtegt, wa^rfcfteinlidj inbem er ben 
unerfannten Sofyt Kleonnis tötete unb fo finberlos mürbe. 
Das 5ragment madjt trofe ber etwas epifdjen (Ejpojttion einen 

6* 



84 „pfylotas" J758. 

fräfttgen ©nbrucf ; ber Ders rollt in madjtpollem Klange baljin, 
um bann tpieber fur3 abgeriffen bie Aufregung bar3ujtellen unb 
plöfeltdj abbredjenb llngefagtes an3ubeuten. 3"i ijintergrunbe 
flehen bie ZlTeffenier, „<D bejles Pol!, Der ZKenfdjen unb ber 
(Briedjen tpürbigjlesl" Unb fdion Ijören u>ir ein IPort, bas 
bann in gan3 Deutfdilanb laut ertönte. Gwpliaes nennt ben 
2lrijlobem einen „falten ZKörber feiner Codier", tpesfyalb xfyi 
ber tpeniger weiche, roenn audj nidjt unerbittliche 5elbijerr 

pljiläus (orrigiert: 

Sprieß 

Per Codjter frommer ©pfererl Pas (Sebot 
Pes beutlidjen (DraFels — 
(Ettptjaes. Pas (Sebot 

Per oentlidjen Hatur mar älter I 

tPir E^aben leine £toti3, bie auf bas Porfommen einer grauen« 
gejialt in biefer £agerf3ene Ijimpiefe. IDirMidj erwuchs aus 
biefem plan ein gan3 männliches Crauerfpiel, aber nidjt in 
Perfen, fonbern in einer bem 3^mb öfter angenäherten profa, 
ber „pfyilotas", J758 gebidjtet, J759 anonym erfdjienen 
unb ein 3<*fy* fpäter pon (ßleim „perftfotert" ober, u>ie Cefftng 
toifeelte, „perifaiert". IPie Demarat iji p^ilotas in feine erfle 
Sdjladit ge3ogen, tpäfyrenb fein föniglidjer Dater einer IPunbe 
ipegen 3urücfbleiben mußte, ptjilotas ifl perumnbet unb ge* 
fangen tporben, gleichzeitig ifl audj polytimet, ber Soijn 
bes Königs 2lribäus, in <5efangenfdjaft geraten unb fo follen 
bie beiben prin3en ausgetauscht tperben. pfytotas aber, ber 
erjt feit fieben tEagen bie männliche Coga trägt, möchte feinem 
Staate ben Porteil wahren, ben ifyn bie (Befangenne^mung 
bes polytimet perfdjaffte, barum t&tet er ftdj felbji, ba er ein 
Sdjtpert ertjält, unb füE^rt burdj feinen Cob ben Rieben fyerbet. 
Ceibenfdiaftlidje Kriegsluji begegnet audj Ijier, aber bie 
Sterbensfreubigfeit nnrb nidjt 3um ZHärtyrerfanatismas, unter« 
brücft nidjt bie Dafeinsfreubigfeit unb lägt uns besbalb nidjt 
talt; fte ift Capferfeit unb toa^res Qelbentum, bie 3U mäch- 
tiger Beamnberung unb tiefem ZTIitleib fyinreijjen. Vas „tragifdie 
(Epigramm", u>ie man bas Sind genannt fyat, fpielt in einem 
Seite. Dem Qelbenfnaben pfylotas ftetjt ber eble König 2Xri- 
bäus gegenüber, bann beffen 5*lbt}err 5trato, ber 3t»ar am 
Cycus ben Pater bes ptjilotas fdjlug unb in ber €bene Ztle- 
tfyyrona pon iljm gefdjlagen tpurbe, aber Pater tote Sofyx 



Bedeutung bes St&ds. 85 

trofebem benmnbert. parmenio, ein gefangener Solbat aus 
bem l}eere oon ptylotas' X>ater, fördert bie fianblung. Wxt . 
Ijaben ein pfydiologifdies Drama oor uns: bie oerfdjiebenen / 
Dorgänge im 3nnem bts pijilotas, bie Übergänge im £iex$en ; 
bes Strato, bes 2lribäus, bes parmenio bilben, liebeooQ ge* 
3eidjnet unb entoiefett, ben 3nB^alt, tDätpenb bas äujjere <5e* 
fd?e^cn feinesmegs groß ift. Cafonifdj ijeißt bos Stücf mit 
Hedjt, unb bodi flnbet Cefftng' (Belegenfyeit, bie Heben 3U enU 
falten unb eine reidje Stufenfolge oon pfydiifdien IDanblungen 
in üjnen 3U burdifdjreiten. Die profa, fur3, prägnant, iji 
roeit entfernt ©on bem breiten Stile ber Sara, ftärmt leiben* 
fdjaftlidi ba^in, entbefyct aber, u>o es paßt, ber nötigen IDetdi- 
Ijeit nidjt, ftnbet ergreifenbe ZTlomente unb trofe itjrer Knapp* 
ijeü ooQe One. ptjilotas, ein 3üng(ing, nä^er bem "Knaben, 
aufgeroadjfen in friegerifdier £uft unb exogen von einem 
griediifdjen IDeifen, fyat bei au feiner 5rütjreife etwas 5rtfdies, 
Xtaioes; „eine umnberbare Permtfdjung i>on Kinb unb fjelb" 
aOerbmgs, aber feine blutlofe, fonbern eine lebenbige <Se* 
ftalt unb ein Cypus, roie er fpäter audi in ber beutfdjen (ße- 
fdjidjte einen bebeutfamen plafe einnahm. Wk ergreifenb 
3eigt ftd? bas (Bemifdj oon Kinblidjfeit unb J^elbentum in 
ber $reube über bas Sditoert, bas einige Spiel3eug, bas er 
fennt; n>ie ergreifenb audj in feiner Derjieüung, in bem / 
fingierten tüatjnfmn, in bem er fldj titet. Ceffhtg fbtbet 2lf3ente, l 
bie tief 3U Eiet$en fpreeften, manches Hingt fdjon an bie „Ctnilia 
(ßalottt" an. Überfein barf audi nidit »erben, ba% Cef fing \ 
nidjt ein ^elbentum als foldjes feiert; Ijöljer jiefyt ifjm ber 
&wed bes £}elbentums. (ßerabe wälixenb bes jtebenjäfjrigen ! 
Kriegs mar ein tüort bebeutfam, nrie er es feinen 21ribäus 
ausfpredien lägt, ber 3um fdieinbar toDfüf}nen ptjilotas fagt: 
„IDeldj eine fd?recflid?e gufunft enthüllt pdj mir! Du toirj* 
Dein X>olf mit Corbeern unb mit &Unb überhäufen. Du roirft 
meljr Siege als glücflidje Untertanen 3äfylen"; unb fpäter: 
„roas iji ein König, roenn er fein Pater ifl! Was ijt ein 
Ijelb ofyte ZTCenfdienliebel" 3"t „ptjilotas" fpürt man nidjt 
nur ben (ßeift bes bamaligen Krieges, fonbern meljr unb 
größeres, nidjt einen König unb feine Siege, fonbern ben Staat 
unb fein XDoijl, bas tüoijl ©ieler. So eröffnet bas Meine 
Stücf eine weitere perfpefth>e unb toetfl aus bem tüirrfal ber 
Kämpfe baljin, „wo alle Cugenbf|aften 5reunbe unb alle 



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86 „Das ^oroffop". — rr Dr - faufi". 

(tapferen ©lieber eines feiigen Staates fmb"; nodj fielet es 
Cefjtng brüben „im ©YJtum", balb foQte er es anberswo ent* 
beefen. 

Hodj einmal fyat er oerfudit einen Üjetbenjüngting 3U seidenen, 
in bem 5*<*gmente „Das X}oroffop" som 3<*ty* J758. 
Cucas ©palinsfi bejtegt bie Cartaren unb erfüllt baburefj bas 
ttjm geseilte fforoffop 3ur Hälfte; ben Sdjlug, ben er nadi 
langer 2Tlüf}e gleichfalls erfährt, "uriH er bnrd} Selbjhnorb um« 
gefyen, wirb aber von feinem Pater Petrus getynbert, babei 
get}t bas 5*uerroi}r los unb bie Kugel tötet ben Tüten; fo er« 
füllt fidi bie Propfye3eiung, ba% ber in biefem 2lugenblicf <Se* 
borene ein tapferer TXlann unb bann ein Patermörber fein 
»erbe. Vas Stficf fotlte mit bem Cobe bes Cucas im 3u>ei« 
fampf enben. Dies ber Stoff, beffen ijijtorifdje QueDe nodj 
nxdtt entbeeft tourbe. £effing wollte bie S3ene innerhalb ber 
Titte wedjfeln laffen unb, wie eine h\t$e probe ber Jlusffifjrung 
in fünffüßigen, nid?t meljr ausfcftließlidi jhunpfen 3amben 
3eigt, au& ijttmoriftifdie Hlotioe verwerten, bie ££pojttion er« 
innert an bie «Einführung bes Dertoifd) im „Hatten". 

Thn intereffantejten unter allen biefen planen ijl ber 
„Dr. 5 auf*". Sd?on J755 Ijatte Cef fing mit ZTIofes bei Sdtndt 
bas alte bolfsftücf gefeiten unb an einen bürgerlichen $aufi 
gan3 ofyte Ceufeleien gebadet; biefer plan, aus bem tnel* 
leicht ber junge Srawe feinen „ireygeiji" fdjSpfte, befdjäftigte 
Cefftng J758 wieber. Vaneben wollte er aber einen 3weiten 
5aujl gehalten, eine Umbilbung bes alten Polfsjtficfs, unb 
bapon fyat er eine 53ene im fteb3et)nten Citeraturbrief mitgeteilt. 
Seibe Dramen follen faji fertig gewefen fein, gingen aber J772 
in einer Kijte mit Ceffmgs Sachen ©erloren. tefjtng er- 
tx>eiterte bie (Eeufelsbefdiwörung fpifefmbig unb geiftretdj, was 
ifjm ben Spott ber 5*au (ßottfdjebin eintrug; er fdjuf eine 
Zitierung bes 2lrijloteles neu. <£r (nüpft mit biefem Perfudi 
beim alten beutfdjen Dolfsbrama an, wäfyrenb ifyn gleidfteitig 
immer jiärfer bie Cnglänber intereffteren unb er aHmäfylidi 3U 
Sfyafefpeare geleitet wirb. 

Unoermerft lenft Cefftng aus Kampfesluji unb Kriegsluft, 
bie er jtdj oorfibergeljenb gefallen lieg, 3urficf, benn fein Selb 
war nxdit bas Sdjladjtfelb, bas im 21uguji J759 feinen 5*eunb 
Kleift fallen faf}, fein Sdb wax bie Citeratur, nnb t)ier fyat er 
nun biefelbe Kampfeslufi, benfelben friegerifcfyen Sinn betätigt, 



Dritter Berliner 2lufentljalt J758— J760. 87 

ben er im Perfekte mit ben ©frieren ber preujjifdjen 2lrmee 
beobachten tonnte; fein Sdjladjtfelb, auf bem er Sieger blieb, 
Ijetfjt bie „Citeraturbriefe". 

Xiadt 3tDeiein^aIbjä^riger 2lbn>efeni|eit lehrte Cefftng an- 
fangs TXlax {758 mit bem Bud^änbler üofj roieber nactj Berlin 
3urücf, um abermals für längere Seit bort 3U bleiben. Die 
5reunbe traf er nodi an unb tonnte feine Be3ielpingen auf 
bem alten punfte aufnehmen, roo er fte {755 gelaufen fyatte. 
£r felbft freiließ mar in mancher £}inftdjt ein anberer ge< 
tüorben. Kur3 t>or feinem 2lbfdiieb tiatte er mit ber breiten 
bequemen Berebfamfeit ber „2X1%% Sara Sampfon" einen mäch- 
tigen (Eränenerfolg ehielt, mit bem plane 3U feinem tragifdjen 
£pigramrn, bem pfyilotas, lehrte er 3urücf unb 3eigte bann in 
biefem Stäcfe ftatt ber letbenfdjaftlicrjen Ztyetorif aufgefaßte 
prägnan3, einen £}elbenjüng(ing mit tobesperaditenber Dater- 
lanbsliebe im Eiex^en an Stelle bes fdjioanfenbeu roeibifdien Zärt- 
lings, bas £eben im Cager, Deradjtung ber roeiblidjen Bequem- 
lichkeiten für bas (Bajttjaustreiben in ber „Sara", Das fenn- 
leidinet entgegengefefete pole. Heuerltd] tiatte Cefftng ftcfj von 
einem trabitioneQen Übel feiner <§ett frei gemacht unb etwas 
Heues gefunben: bie £inf adrett. Damit ift ein wefentlicfjer 
5ortfcrjritt in feiner unb ber beutfdjen (Enturicfelung beseidinet. 
Vieüeidtt ging Cefftng barin anfangs 3U weit, tnelleidjt brofjfc 
mit bem $orhperfen alles unnötigen Beiu>erfs audi manche 
fdjöne gier verloren 3U gelten, aber bas machte nichts : es galt 
oorerjl, aus bem bequemen Sdilenbrian auf3urütteln. Der 
beutfetten Sprache mußten bie Knochen geftärft »erben, bie an- 
mutige Hunbung, bie 5feifd? unb 5ett gewähren, bie fonnte 
ftcrj balb nneber einteilen. Cefftng bat biefe Kräftigung bes 
Knodjengerüftes vorgenommen, nidjt nur für bas Drama. 

Denn parallel mit ben arbeiten auf ein frühes, einfaches 
Drama fyn gefyt ein anbeves Beftreben Cefpngs, bas eine Cieb» 
lingsgattung bes 3<*Wunberts betraf: bie 5<*bel. £r fyatte 
früher nadi ben beliebten ZTCuftern ber Seit fyübfdje gereimte 
Säbeln perfafjt. Seine tjiftorifcrjen arbeiten auf bem (Sebiete 
ber Citeratur legten es ifyn nafye, audj für bie 5abel, bie in 
(ßottfcfjcbs O^eorie 3U allerfyödjft fianb unb t>on ben Sd?toet3ern 
nid\t unbeachtet gelaffen tourbe, ben Weg ber (Befdudjte 3U 
betreten unb bie (Brunblagen bort aufsufudjen, roo er fte am 



l/ 



88 „fabeln" J759. 

reinjlen 311 fmben hoffen burfte: in ber 2lnttfe. IDieber gefeit 
{Theorie unb prafis neben einanber Ijer, unb im ^afyce J759 
legte er ab Hefultat feiner fdjon in £etp3ig begonnenen Arbeit 
por: „5abeln. Drey Südjer. Ttebjl 2lbfjanblungen mit biefer 
Dicfttungsart vetmanbten 3n^lts". Das Ä>ef entließe lägt fxdi 
arxdi Ijier burdj bas Schlagwort Pejemfadjung be3eidjnen. 3n 
ber Dorrebe jieijt ber 5a1& f er Ijabe jtctj oft gewunbert, ba% 
bie gerabe auf bie XDafyrfyeit füfyrenbe 23aljn bes Sfopus pon 
ben steueren für bie 2lbwege ber fdjwafefyaften <5abe 3U er« 
3äljlen fo feljr perlaffen worben fei. 2TKt füljnem Striche tilgt 
er alle feine früheren gereimten 5<*beln, nur bie fedjs profai* 
fdjen lägt er jiefyen unb fügt weitere nene in profa fyn3U, 
madjt aber auf ben Unterfcfyieb 3wifdjen feiner Ojeorie unb 
präzis fogleid? fyter aufmerffam; bas (Senie ijabe feinen (Eigen- 
jtnn, folge ben Hegeln feiten mit Dorfafe, befeftneibe 3tx>ar feine 
woQüfHgen 2luswücfyfe, oljne jte jebodi gan3 3U hemmen. <£r 
ge^t tfjeoretifdj in ber öereinfadjung weiter als praftifdj unb 
3eidjnet bamit bie Steige por, bie x>on ber weiteren 5<*bel- 
bidjtung Ratten befdjritten werben foDen* <£in Ceti feiner neuen 
fabeln ijl aus antifen Sdiriftfteßem gefcfcöpft, bei ifynen iiat 
Cefftng forgfältig bie Quellen angegeben, wie bies audj fjage- 
born getan fyatte; ein Ceil aber ijl frei pon ifym erfunben. <51eidj 
bie erfie fragt: „ID03U braucht bie 5abel bie 2lnmut ber Har- 
monie?" Das ijiege, „bas <ßewür3e würsen". Der Dichter 
möge erfmben, ber bortrag fei ber bes ungefünftelten <ße- 
fdlidjtsfdjreibers, ber Sinn ber bes IDeltweifen. Kur3, fdjmudP» 
los, aber oft mit ergreifenb tiefen XDenbungen er3äfylt £effmg 
feine einfachen (ßefdiidjten, immer einen ein3elnen prägnanten 
5aH; mitunter ein Wovt f ein Säfedjen, feiten ein 2tbfafe, um 
ben Sinn bes <5efdiid?td?ens im f}inblicf auf einen 3weiten 5<*H 
an3ubeuten, oft fefylt fogar bie „£eljre" PoUig, wirb aber trofe» 
bem Har. <£r nimmt bie bisherigen Definitionen ber 5<*bel 
ein3eln burdi, um bas .IDefen ber <5attung 3U ergrünben. 
(ßleid? ber erjie Sat& ber 2lbljanblung beutet auf ben boppelten 
(Bebraud? bes IDortes „$abel" fytn, 5<*bel im Drama unb <£pos 
3um Unterfdjieb pon ber äfopifcfyen 5<*bel; er lägt aljnen, 
bafc er, anbers als (Bottfdjeb, biefen wefentlidjen Unterfdjieb 
nidjt perfenne. fiinem Porgänger gegenüber perwirft er bie 
2lufnaljme ber 2lttegorie in bie Definition, fowie bie 5orberung, 
bie 5abel müjfe „eine £eljre" enthalten, er per langt pielmel^r 



£abettf{eorit. 89 

eine moralifdje Ceijre. (Segen einen anberen befämpft er bie 
21njtdit, bie Sabd fei ein Heines (ßebidjt unb leugnet, bag 
bie poetifdje Sprache unb bas metrifdje Silbenmag ein not« 
roenbiges <£rforbemis ber 5abel fei; audj bag bie 5<*bel nur 
eine „ Hegel" ausbrücfen folte, gibt er nidit 3U, ebenfot©enig, 
ba% fte unter einem aUegorifdjen Silb erfdjetnen foHe, benn 
fonft wäre jebes (Sleidjnis, jebes (Emblema eine 5abel. Xtot« 
roenbig fei für jebe 5<*bel „fjanblung"; barunter ©erfleht er 
„eine 5olge ©on Deränberungen, bie 3ufammen €tn (Bansen aus« 
machen. 3>iefe €inijeit bes (San^n beruhet auf ber Überein« 
fiimmnng aller (teile 3U (Einem £nb3t©ecfe, bei ber 5abel bem« 
nadj 3um moralifdjen Celjrfafe. Sie muß bemnaeft eine 5olge 
von Peränberungen fein, bie ba3U beitragen, b^n moralifdjen 
Cefyrfafe anfdjauenb erlennen 3U laffen". Unb fdjon begegnet 
ber Sai&, eine 5abel fei fdjledjt, beren ©ermeinte Üjanblung fid? 
gan3 malen (äffe; bas fei nur bei einer Hei^e, nidjt bei einer 
5olge von Peränberungen möglich (Segen anbere 5orfdjer 
madjt Cefjing geltenb, ba% in ber 5(*bel nxdtts „©erfleibet" 
ober „©erjlecft" werben foDe, fonbern „eingefleibet" ober nodj 
beffer 3ur anfdjauenben (Erfenntnis gebracht. Zlätyt getjt er 
bann, toieber in Kritif eines Dorbermannes, auf ben Unter« 
fdjieb 3tt)ifd]en ber £}anblung in £pos unb Vxama einer«, 
in ber äfopifdien 5<tbel anbererfeits ein; ©on jener ©erlangt 
er <£rregung ber Ceibenfdjaften burd) Xladiafimung ber Ceiben« 
fdjaften, bie ein beftimmtes giel ©erfolgen, ©on biefer nur (Er- 
kenntnis. 21us Hücfjtdjt auf b^n allgemeinen Sprachgebrauch 
erfefet Ceffhtg bm 2lusbrucf „^anblung" burdj „ein3etner 5gQ" 
unb ift fo auf bem IDege ber Kritif 3U bem Hefultate gelangt: 
in ber 5<*bel wirb ein allgemeiner moralifd?er Safe auf einen 
ein3e(nen 5aH fo 3urücfgefüljrt, bajj biefer moralifdje Sa$ gan3 
anfdjauenb barin erfannt wirb, Vamxt ifl aber Ceffhtg nod? 
nidjt 3U &nb*, benn ber ein3elne 5<*H tnug nidjt als mdgltdf,^ 
fonbern als wirflidj erfdjeinen, r©eil ftdj fonji ein Beifpiel,- 
eine parabel, aber feine $abel ergäbe. <£r fteljt baljer nur 
jene Crbidjtung für eine 5<*bet an, bie einen allgemeinen mo« 
ralifdien Sa§ auf einen befonberen 5<*ll 3urüdffiljrt, bem fte 
XDirflidtfeit erteilt, inbem man aus ber (ßefdjicfyte biefen all- 
gemeinen Sa§ anfdjauenb erfennt. 3n einem 3u>eiten 2luffafe 
u>enbet er jtd? bem (gebrauche ber (Eiere in ber 5abel 3U, be- 
freitet bie 2lnftdjt ber Sdjt©ei3er, ba% barin tt)unberbares ©er- 



90 „friebrid?s von £ogan Smngebtdjte" 4759. 

wenbet werbe, meint im <5egenteil, bie befannten (typen ber 
(Eierwelt erleichterten bem 5<*bulißen fein (ßefdjäft, weil ein 
Harne, wie ber $udis, nur eine unb 3war gan3 befKmmte X?or» 
fieltung weefe. Tbxdt werbe perfjinbert, bajj mir aB$u lebhaftes 
ZITitleib empfänben, wie es ftdj einteilen müjjte, wenn ZITenfcfcen 
ftatt ber (Eiere ©orgefüljrt würben, unb bas Ztlttleib folle burdf 
bie $abel nidjt fo erregt werben, toie burdj Drama unb <£pos. 
fiine 2lbi}anblung ift bem „Dortrage ber $abeln" gewtbmet 
unb fletlt bie IDeife bes Üfop als bie wefentlidje bar, fte fyeifjt 
üpn „äufjerfle präeifton", „Kür3e", ja er fagt ausbrücfltdi, 
{ rfia% bie Kür3e bie Seele ber 5<*bel fei", „ba% es iljr t>or« 
netjmfier Sdjmucf fei, gan3 unb gar feinen Sdjmucf 3U l^aben". 
„2lnfdjauenbe" firfenntnis fonnte ftdi nur einteilen, tüenn man 
bie 5abel auf einmal 3U überfein vermochte; barum bie Kür3e, 
bie er bei Sfop bemerkte unb bei pljäbrus 3um Xtadjteile 
feiner 5<*beln Perlaffen fanb; barum bie profa, »eil bie poe« 
tifdje $orm Breite unb 2lusfd?mfiching 3ur $olge liätte, wenig« 
jiens für üjn, bies fügt er befdjeiben I|in3U. So entjianben feine 
Jfabelepigramme, wie man fte glücflidj genannt fyat; er wollte 
mit ifynen nidjt belujligen, fonbern faij fte auf bem (ßren3raine 
3wifdjen poefte unb ZTloral. £ef jtng erreichte mit feiner 5abel« 
tfjeorie ^as ^iel nid?t, bie Xtadifolger berichtigten ober 3er« 
jidrten fte in wefentlidjen punften, J^erber, 3<*fob (Brimm, was 
aber als bleibenber (ßewinn feiner Arbeit betrachtet werben 
barf, ifl einmal ber Cafonismus einer feineswegs unftnnlidjen 
profa, ferner fein fdjarfes Sefämpfen ber überfföfftgen gier, 
burdi bie ^as JDefentlidje ©erfüllt wirb, unb bie üeradjtung 
aller Sefdjreibungen. Daburd? weift biefer öerfudj fdjon auf 
bm Caofoon tjin, wie buretj ^m Begriff fjanblung auf bie 
Dramaturgie. Zteben ben mobernen beutfdjen 5<*beln fyatte 
Cefftng nur bie antifen nrib bie fran38ftfdien berücfßdjtigt, ben 
Heinefe $udjs, &e n (Bottfdjeb \752 neu Verausgab, nur ge» 
fireift; erfi fpäter entbeefte er mit ftaunenber 5*eube 5<*beln 
aus bem Seitalter ber ZHinnefänger unb fdjenfte mittelalter- 
lichen Sammlungen 2lufmerffamfeit. 

(Er Überfall bie mittell|od?beutfdien IDerfe nid?t, bie Bobmers 
Bemühen 3ugänglidj machte, Seile b^s ZTibelungenliebes Q757), 
bie ZlTinnefänger (J758), aber er gewann fein näheres Der« 
fyältnis 3U ifynen, betrachtete fte fyauptfädjlid? als Philologe. 2(ls 
fold?er betätigte er ftdi mit Hamler unb lieg einem neueren 



„Briefe bte Heuere Ctteratnr betreffenb" {759— 176<*. 91 

2lutor pljitologifdie Beljanblung angebeifyen. &u Ceip3ig gaben 
fte \759: „Änebridjs pon Cogau Simtgebidjte. groölf Bücher. 
BTit 2(nmerhutgen über bte Sprache" heraus. Bamler be* y 
forgte bte Tlnswaiil unb bte ^erfieQung bes Cejrtes, oon Cefjtng 
rühren bte Zugaben fyer. Die Kür3e ber Sinngebicftte 30g 
Cefjtng 3U bem pergeffenen Dichter bes ßeb3eljnten 3^^unberts; 
bte £pigrammenbid?tung l^atte fdjon ben Schüler Käjhters 
tjauptfädflidi in Wittenberg interefjtert unb interefjterte \fyi 
weiter, fo ba% er fpäter feine Unterfudjungen ans Cidjt treten 
lieg« Don Cogaus Ceben permag er nur weniges 3U ermitteln, 
«richtig aber iji fein üorberid?t übet Cogaus Sprache roie bas 
beigegebene XDörterbudj. Cefjtng befdjäftigt jtdj mit ifyr nietet 
bloß als (Belehrter, ber vergangene Reiten unb einen Dialeft, 
ben fcrjlejtfdjen, jlubiert, fonbern audi als Sdiriftjieller; er 
möchte bie moberne Citeraturfpradje auffrifdjen, fdjaut barum 
na3i peralteten HWrtern aus, bie oon Dichtern unb^ Sdjrift» 
ftellern n>ieber eingeführt 3U werben perbienten. äßjnlicrjes 
wollte Cefjtng aucrj für anbere Dichter unternehmen, benn i^m 
fdjtpebte fdjon als tpünfdjenstpertes gtel ein großes beutfdjes 
XPörterbud} por. Ibxdi mit Bamler tparen nodj allerlei gemein* 
fame ZDerfe geplant, olpte ba% es 3U üjnen gelommen tpäre. 

Dafür veranlagte er ein joumalijlifdies Unternehmen, pon 
bem am ^. 3«nuar J759 bas erjie Stücf ausgegeben tpurbe, / 
bie „Briefe bie XTeuejte Citeratur betreffenb". 2lm 
%. 3»li \76% erfdiien ber lefete Sogen. Das Qan$e VOetl 
umfajjt 2\ (Eeile, beren Cttelblatt mit bem ^omerfopf unb feiner . 
griedjifdjen Umfcrjrift OMHPOC ge3iert ftnb. Nicolai, 3ugleid? 
Derleger, BTofes, fpäter nodj 2lbbt unb Sefetpife unb in 
geringem ZTlage 5ul3er unb (Srillo, arbeiteten neben Cefjtng 
mit. Die Briefe tparen nur mit ein3elnen Budijtoben unter« 
leidinet, fonft anonym; Cef fing perbarg ftd} hinter ben (Ctpffern 
21, €, <B, C, <D, unb 5H, was pon 2tnl}ängern als „5abullus", 
pon <5egnern als „5legel" gebeutet tpurbe. Pon ifym rührte 
ber plan unb bie Anlage ijer, er bejHmmte ben (Eon, ber 
pon ben übrigen Mitarbeitern, fo gut fte es permodtfen, nadi* 
gebilbet tpurbe. Einleitung, 5^ Briefe unb Hadjfdiriften rühren 
pon Cefjtng tjer, auf beffen Schultern bis 3um jtebenten teil 
bie Üjauptarbeitslaft ruljte; bann erfdjetnt er nur nodj vorüber« 
get^enb im ^. unb 23. tEeil, feine fjaupttätigfeit fällt in bie 
3aljre J759 unb J760. 



^ 



92 (Einfleibnng unb ^orm. 

Die Briefe ftnb angeblidj an einen ©ffoier £}errn »on H. 
gerichtet, ber, in ber Sdjladjt »on Sornborf (25. Jlugufl J758) 
©erwunbet, in 5t. (5*anffurt a. ©.) ber Hulje pflegen muß 
unb nun bie CücFen in ber Kenntnis ber neueren beutfdjen 
ßteratur burdj feine jreunbe gern ausgefüllt fäfje. 5H. wirb 
beauftragt, pdf ber 2lusfül|rung »ornefymlidi 3U unterstehen; 
bie Briefe werben aber bem publifum vorgelegt, u>eil „fte 
manchem fowoljt von bem fdjreibenben als (efenben Ceile ber 
fogenannten <5etel|rten nüfeltd? fein fönnen". Der leidjte Brief- 
ftil ifi burdjaus f ejlge^alten ; baburdj gewinnt Cefftng bin 
Porteil, manches Cijema fur3 abbrechen 3U fdnnen, über manches 
ftdi burd) eine Heitre von Briefen 3U ergeben. ©nigemale 
beginnt er fo, als muffe er ©nwenbungen bis 2tbreffaten 
n>iber(egen ober ^ufKmmungen banfbar quittieren. <£r be* 
fpridtf bie Bücher unb gibt vor, eines sunt Cefen 3U fdjicfen, 
bies allein fdjon eine Anerkennung, binn gar 3U günjiig benfen 
bie Brieffdjreiber nidjt über bie neuefle ßteratur. Die 3wei 
3afyre / bie ber ©fffoier bie €fyre Ijatte, „bem Könige unb bim 
Dater lanbe aufopfern 3U muffen", feien reidj „an IDunbern, 
nur nidjt an gelehrten IDunbern gewefen". ijunbert ja meljr 
Hamen oerbtenftooHer Reiben, taufenb Wiener ftatin gegenüber 
(äffe jldt fein ein3iges neues (Sinti unb nur wenige IDerfe 
fdjon befannter Derfaffer nennen, bie „mit jenen (Eaten ber 
ZTadiwelt aufbehalten 3U werben perbtenten". IDirflidi biaditen 
bte $reunbe befonbers jene Sdjriftftellen, bie bleibenbe Se* 
beutung fyaben, wä^renb fte bie anbeten fur3 niebermadjen. 

Der friegerifdie (Seift ber &i\t voi\\t audj burdj bie Blätter 
ber „Citeraturbriefe". ^uerfi beginnt ber Kampf mit ber un« 
gefdjulten HTaffe ber Überfefeer, bie „frifdi oon ber 5öuji weg 
arbeiten". Cef fing wirft ifynen t>or, fte t>erftünben feiten bie 
Sprache, aus ber fte überfefeten, wollten fte erfi verfielen lernen 
unb liegen ftdi, "Flug genug, tfyre Übungen be3aljlen. 2lm 
wenigflen gelinge es iijnen aber, i^rem Originale naefoubenfen. 
Cefftng ift fo empört über foldie Subelarbeit, ba% er am 
liebften ben weltlichen 21rm gegen bie Derleger in Bewegung 
fefete, um fte 3u 3wingen, für bie fd?led?ten: gute Überfefeungen 
3U liefern unb „jene ms HTafulatur 3U werfen". Had> biefen 
Hefruten gefyt es über bie leichten Heiter, bie fleinen Tutoren, 
t)er, wobei bie befd?reibenbe HTanier oerworfen wirb; £}err 
oon paltfyen male „ZITücfen, unb ber fjimmel gebe, ba% uns 



Jnfjalt. 93 

nun cmdi balb 3cmanb ZITücfenfüße male!" Diefer 3)idjter 
wirb wegen feiner £ujt „an fdtmufeigen unb eflen <5egenftänben" 
angegriffen unb wegen feines üorfdjlags »erfpottet, ben immer» 
wäljrenben 5neben burdi ein allgemeines Parlament ober 
Cribunal 311 erreichen, beffen Befdjlüffe von poüflrecJenben 
DSIfern als mititärifdjer fifefution burdjgefüljrt roerben follten. 
Cefftng madjt ben Sd?er3, ber ©ffaier fyabe Seit genug, weiter 
3U avancieren; „roerben Sie nur balb gefunb"l <£fyer (tege 
ßd? Ceffing Saint»pierres Gekernten gefallen, bie Kriegsljeere 
proportioniert fyerabjufefeen. 3™ ftebenten Briefe beginnt 
$H.: „Sie Reiben redjt, bergleidjen fdiledjte Überfefeer, als idi 
3t|nen befannt gemadjt Ijabe, ftnb unter ber Kritif. €s ifl 
aber bodi gut, wenn ftdi bie Kritif bann unb wann 3U tljnen 
fjer abläßt; benn ber Sdiabe, ben jte fliften, ijl unbefdjreiblidi". 
Wenn burd? einen gufall alle Citeraturen 3U (Srunbe gingen 
bis auf bie beutfdje, weldi „eine erbärmlidje 5igur würben bie 
üirgile unb £}orase, bie S^aftesburys unb Bolingbrofes bei 
ber XTadj weit madien"! ©ber oerbiente bie beutfdje Citeratur, 
mit unter3uget|en? Die fdjöne trielletdjt, aber bie IDeltweisljeit 
nidjt, übrigens ftnb audj auf bem (Bebtet ber fdjönen tüiffen» 
fdiaften einige Deutfdie ber großen 2luslänber würbig. Klopflocf 
fönnte Ijomer, Cramer pinbar, M3 lijora3, (ßletm 2lnafreon, 
(Beßner Ojeofrit, Wxelanb Cucre3 pertreten. VLnb bamit iji 
Cefftng bei IDielanb, ber einer gan3en Heitre von Briefen ge- 
würbigt wirb, wobei 5H* 3um (Eeil (ßebanfen bes lijerrn 3). 
wiebergibt, bas ijl JJTofes. 3efet fommen bie fdjweren Küraf ftere 
an bie Seifte. IDielanbs pfyilofopfjifdie (Sebidjte, feine päba* 
gogif dien ^been werben unbarmfyer3ig 3erpflficft; fdjarfe £}iebe 
unb Sticheleien, elegante tüenbungen unb fyöfyiifdie tüorte 
werben nieftt gefpart. 2Tlan merft, ba% Cefftng jefet erfi ber 
Kampf $teube madtf, ba er einen würbigen (Segner oor ftdi 
Ijat, oon bem er eine Sammlung, bie profaifdjen Schriften, fogar 
an ben $reunb 3um Cefen fcfyicfen fann. Cefftngs Porwürfe 
laffen ftdi in bem 5a%e 3ufammenfaffen, ber ben brei3ef|nten 
Brief fdjließt: „was geljt £{erm XÖielanben bas (Brünblidje 
an? £r if) ein er Härter 5einb t>on 2tKem, was einige 2fa« 
fhrengungen bes Perjianbes erforbert" unb wolle alle IDiffen- 
fdjaften „in ein artiges (ßefdjwäfee" ©erwanbeln. XDütenb ifl 
Cefftng über IDielanbs unaufrichtige Kampfesweife gegen U3, 
beffen 2lnafreontif er beim ©berfonftjlorialrat 5ad benun3iert 



94 Wxelanb. (gottfdjeb. 

ijatte. „Unb bie Sprache bes Herrn IDielanbs?" fyebt ein 
Brief an: „Qx per lernt feine Sprache in ber Sdiwt\$. Zlxdit 
blo§ bas <J5enie berfetben unb ben ifyr eigentümlichen Sdjtxmng, 
er mujj fogar eine beträchtliche 2ln3afyt pon IDorten pergeffen 
Reiben. Denn alle 2lugenblicfe lägt er feinen Cefer über ein 
fran3Öjtfdjes IDort jiolpern". Cefjtng rebet nidjt einem über* 
triebenen purismus bas VOoti, aber IDielanb gel^e 311 weit; 
E^ötte er bodj Heber gute XPörter aus bem fd?u>ei3erifdien 
Dialefte gerettet. So wirb ZDielanb auf allen Seiten ange- 
griffen unb mit manchem Denf3ettel entlajfen, aber immerhin 
aus ber ZTlaffe herausgehoben: „kenn toemt man einen 
IDielanb nieftt lefen tPoQte, tpeil man biefes unb jenes an xfyn 
aus3ufefeen fmbet, meieren pon unfern SdiriftjleHern tpürbe 
man bemt lefen wollen?" XPielanb fyat jtdj geumnben, aber 
balb bas nichtige ber Cefjingfcften Kritif eingefe^en unb feine 
XDanblung pol^ogen. 

3m fünfjefynten Briefe lägt Cef fing ben „preufjifdien 
(Brenabier" porrücfen, inbem er gefdjidJt (Sleims neuejie (Sabe 
analyftert, oljne jebodi einer PoDjiänbigen publifation ifyren Hei3 
3U nehmen; befonbers fdföne Stellen rüljmt er nur, gibt aber 
por, jtdj ttjren sollen IDortlaut nidjt gemerft 3U Ijaben. Dann 
folgt ein Sdjeinmanöper, inbem er ftd) gegen bie „Btbliotljef 
ber fdjönen üDiffenfdjaften unb freien Künjie" unb üjre Heraus- 
geber toenbet, beren XIamen Hicolai unb ZITofes laum meljr 
ein (ßefyetmms tparen. Cefjtng b&ianbdt fte tote £rembe, per- 
teibigt fte 3tt>ar gegen einen prtn3tpteHen Eingriff, bajj fte 
nämltdj nidjt bie ein3elnen Schönheiten ber befprodjenen XDerfe, 
fonbern bie 5*tyer fyerporljeben; er perlangt ein fdjönes (Sans*, 
nxdtt ein3etne Schönheiten; tpemt er merft, „ber Künßler fyat 
angefangen 3U arbeiten, ofyne felbfl 3U tpiffen, toas er machen 
mxü, als bemt mug man fo gutfyer3tg nid?t fein unb einer 
frönen fyanb tpegen ein ^äjjlidjes <ßejtd?t, ober eines rei3enben 
5uges tpegen einen Bucfel überfein". Billigt alfo Cef fing bie 
Strenge, fo fyat er £inu>enbungen gegen bie Bibltotfyefare: 
„ZHir ftnb fte nod? lange nidjt ffarenge genug". Damit beginnt 
er bas (ßeplänfel gegen (ßottfcfyeb burdj ein paar redjt flüchtige 
Bemerfungen über ben „nötigen Dorrat". 

Dann aber fefet ber (teb3e^nte Brief mit bem berühmten 

IDort ein: ,„ZTiemanb c , fagen bie Derfaffer ber Bibliotljef, ,u>irb 

v .. leugnen, ba% bie beutfd?e Sdiaubüljne einen großen (Eeil i^rer 



Sljafefpeare. 95 

erjlen Derbejferung bem I?erm (Bottfcfieb 3U banfen I|abc'. — 
3$ bin biefer Jftemanb; icfy leugne es gerabe3u. €s märe 
3U toünfdien, bag ftcf? f^err (ßottfdjeb niemals mit bem Ojeater 
©ermengt fjätte. Seine ©ermeinten Derbefferungen betreffen enb 
toeber entbehrliche Kleinigfeiten ober jtnb wdtyce Derfdjlimme- 
rungen". 3*fe* rücfen bie Kerntruppen t>or unb bie Sdjladjt 
beginnt. <5ottfdjebs öerbienjie, fyeifct es, jtnb feine, benn bie 
5el|ler bes beutfdjen Sweaters fall 3U feiner geit jeber, er traute 
jtdj nur bie Kräfte 3U, ifynen ab3u^elfen. 2tber toie? „€r ©er« 
jianb ein wenig 5ran3Öfifd? unb ftng an 3U überfefeen; er er* 
munterte Stiles, was reimen unb Oui, Monsieur üerjleljen fonnte, 
gleidtf aus 3U überfefeen". €r f cfjrieb felbft unb regte anbere 
3um Schreiben an, erreichte bamit aber nur ein fran3oftjterenbes 
Ctjeater, oljne 3U unterfudien, ob es ber beutfdjen Denfungsart 
angemeffen fei ober nidjt. VOxt fdjlagen mefyr in b^n (ßefdimacf 
ber (Engländer, toie man aus unferen alten Stücfen genugfam \l 
merfe: auf biefer Spur ijätte (ßottfcfteb bleiben follen! 2lber 
ftammt nidjt fein „<£ato" aus bem „<£ato" 2lbbifons? 2tHer« , 
bings, nur fyat <ßottfd?eb audj bie englifdje Citeratur „mit ben 
21ugen ber 5^«3ofen gefetjen", x>on Sfjafefpeare, ^}on\on t 
Seaumont unb 5fetdier Ijat er feine 2ttjnung. Die ZlTeijierjiücfe 
Sfjafefpeares waren „mit einigen befdjeibenen Peränberungen" 
3U überfein, bas Volt fjätte metjr <5efd?macf an itjnen ge- 
funben unb bie Deutfdjen wären burdj jte gan3 anbers ange* 
regt worben: „Denn ein <5enie fann nur an einem (ßenie ent- 
3Ünbet werben". 2ludi nad\ ben Ztluftern ber Tüten beurteilt ijl 
Sljafefpeare ein weit größerer tragifcfyer Dichter als (Corneille. 
„(Corneille fommt iljnen in ber medianifdjen €inriditung, Sfjafe* ! 
fpeare in bem tt)ef entließen näijer." 2ln ben (Öbipus reitjt jtdj x 
©ttjello, £ear, ^amlet ufu>. Corneille fann jtdi mit Doltaires 
,r&oy*e" nieftt vergleichen unb bodj jieljt biefe als fdjwacfie 
Kopie tief unter bem ©tfjetlo — ba Ijat audj Ooltaire feinen 
l}ieb. Vinb bann folgt bie Stelle aus Dr. 5<niji, um ben 
englifdjen <5efdjmacf ber alten beutfdjen Stücfe 3U erweifen. 
Diefer Brief ijl in ber fröijlid?ften Kampfesluj! unb »laune 
gefdjrieben ; bidjtgebrängt, wie im ^anbgemenge jtnb bie Dinge 
beifammen, Cefjtng fielet ba, ein Hiefe, unb fämpft nad? allen 
Seiten, fir weijj jtdi €ins mit bem <5eijle ber Slntife wie 
mit Sfyafefpeare, bem antifften unter ben ZTIobernen. IDie 
fonnte ftdj Sobmer freuen, Saft i^n 50. 3ujiimmenb 3itierte: er 



96 Klopjiotf. 

foflte nidjt al^ulange ladjen. &\x beachten bleibt, baj} Cefjtng 
fcfceinbar gegen bie Bibliotfyef anfämpft, bas vorbringt, tsas 
er an iljr aus3ufefeen ftnbet. Diefes bequeme ZlTittel behält 
er audj im folgenden bei, einer 21rt XDaffenfpiel, benn bie Der» 
faffer ber „Bibliotfjef" pnb feine lieben 5*eunbe Nicolai unb 
ZtTofes. Cefjtng ift nidjt 3ufrieben mit ber öefyanblung, bie 
Klopjlocf burdj Nicolai erfuhr; im (Segenfafee 3U biefem rütjmt 
Cefjtng mit feinem Derftänbnis Klopjlocfs 5ragment x>on ber 
XTadiafjmung ber griedjifdjen Silbenmafje, betounbert KlopjiodPs 
profa als 2Tlujier ffir bie Darftellung grammatifdjer Kleinigfeiten 
offne pebanterie unb trägt in einer Slbfcftroeifung mit einem 
Seitentjiebe gegen (ßottfdjeb feine CntbedPung älterer J^ejameter 
vor unb 3tr>ar in ber alten Habelaisüberfefeung, bie er mit 
Hedjt 5ifd?art 3ufdjreibt. Sann »erfenft er jtdj in bie Der« 
änberungen, bie Klopftorf am ZlTefjtas Dornafym, unb ftettt 
bw 5a% auf: „Der änberungen unb Derbejferungen . . ., bie 
ein Dichter nrie Klopjlocf in feinen tDerfen madit, t>erbienen 
nidtf allein angemerft, fonbern mit allem SM& jhibiert 3U 
roerben. TXlan ftubiert in iljnen bie feinjlen Hegeln ber Kunji; 
bcnn was bie ZTIeijler ber Kunjl 3U beobachten für gut be* 
ftnben, bas jtnb Hegeln". 2lber Cefjtng ijl aucfy Klopjlocf 
gegenüber nidjt blinb, fo tabdt er aufs fdjärffte bie Kon3efftonen, 
bie Klopjtocf ber ©rtfjobofie madjte. <£r billigt burcfyaus 
nidjt alle Deränberungen, aber toie föjllidj befdjeiben unb bocfy 
männlid? JI0I3 fpridjt er feinen Cabel aus, fo fyeigt es 3. B.: 
r/3cf? bemunbere biefen ©nfatt als eine Deränberung, 3U ber 
ifyn bie Xlot gebracht; an unb für ftd? felbj! aber l\at er meinen 
Seifatt nidtf\ 

3efet enblidj gönnt jtdj Cefjtng eine paufe, ZlTenbetsfofyt 
tritt mit 3etjn Briefen über pfyilofopBjifdje unb naturroiffen- 
fdjaftlidje tDerfe in bie Brefcfte, im breijjigften Briefe befdjliejjjt 
Cefjtng bas (ßeplänfel gegen bie Bibliotfjef unb oerfefet im 
2lnfd?lu§ an eine Ijebräifdje 5<*belfammlung u>ieber (ßottfdjebs 
Ceidjtfertigfeit einen Stid?. Damit enbet ber erße Ceti ber . 
„Briefe", ein H:ad?tx>ort fertigt einen Überfefeer ab, ber jtcfy 
redjt unglücflidj gegen 5H. oerteibigt fyatte, ber Dorberidft 3um 
3u>eiten Ceil einen anberen, ber aus bem f}interijatt Cefjtng 
an3ufpringen oerfudjte: beibe 3ogen mit neuen Wuxiben ab. 
Die erjte Scfyladjt mav glän3enb gewonnen. 

Den 3toeiten Ceil beginnt Cefjtng im einunbbreigigjlen Brief 



tlbnt^mtnbet Anteil £efftn^. 9? 

wiebet mit einer fiberfefeung, diesmal einer gelungenen Sd\we\$zx 
Cetftung, roenbet fld] bann einer angeblichen Überfefeung 
aus einem in fjerfukmeum gefundenen £>erfe bes 2llcipt}ron 
3u unb würbigt (ßerftenbergs „Cänbeleien", benen biefe probe 
entflammt; er rüfymt jte feljr, roenn er audj einjelnes $u be* 
mangeln tjat, unb ein weiter Blicf öffnet fidi auf bie Volts* 
poejte, ba er lappifdjer lieber gebenft unb aus Hu^igs ; 
Iitt^auifd^em XDörterbudie 3wei Dainos abbrucft mit ber aller* 
liebften Sdjlujjwenbung: „iter fromme 2Tlann entfdjulbigte jtcfy, 
bajj er bergleidjen ©telfeiten anführe; bei mir fyätt* er ßcfi 
entfdfulbigen mögen, ba% er ifjrer mdjt meljr angeführt". So 
wie in biefen Briefen wedjfelt £efjtng aucft in ben folgenben 
3wifdier früher 2ht3eige unb ausgiebigen Zitaten, ^tvoa bei feinem 
unb Hamlers £ogau, bei einer Sdiwei3er popeüberfefeung, 
bei Kteijl, bann aber, als fei er ^es Cobens fatt, nimmt er 
ein befdjreibenbes (Sebidit oon 3- 3- 3>ufdi x>or unb f^aut 
ben Dichter in bie Pfanne; mit föfllidiem XDife perfpottet er 
feine fraufe (Beletjrfamfeit, feine bebenflidjen (Erfmbungen unb 
3etd]net i^m fdiließlicft fein (Bebtet r>or, bas moralifdje £efjr» 
gebiegt, wo er etwas leiflen fönne. ZtXit bem £ogau enbet ber 
Sanb, an bem nur ZlTenbefsfofjn einigen tEeil itat 

Von nun ab fetjrt jtdj bas Derljältnis um: £efjtng erfcfyeint 
x>om brüten tEeil an nxdtt mefyr als ber ^auptmitarbeiter. 
& wibmet oier Briefe (^8. bis 5J.) bem „ZTorbifdjen 21uffetjer", 
einer geitfcfyrift aus Klopftods Kreis, unb 4 3ietjt gegen bk ; 
©rtfyobojrie 3U frlbe; Ijauptfädjlid? gegen einen anonymen,' 
2tuffafe, ben Cefjtng mit Zledit Klopjtocf 3ufdjrieb, Bestreitet er 
bie XTotwenbigfeit ber „geoffenbarten" Heligion 3ur Hedjt« 
cfcaffenljeit unb prälubiert fo feinen fpäteren Unterfudjungen, 
bnji tybt er nodi ein3elnes über bie Spxadie heraus, rüljmt 
Klopjlocfs freie Zttwttjmen unb verlangt audi fürs Vtama nidjt 
3>eflamation, fonbern djarafteriftifefte Sprache, wie man jte bei 
Sljafefpeare ftnbet. &xo*\ Briefe (53. unb 5^.) befdjäftigen 
jtdj mit portugieftfdjer (Befdiidjte, wobei £efjtng über bie 
Aufgabe ber (Befdjiditfdjreibung unb (ßefdiiditbarjlellung B^anbelt 
unb barlegt, wie eine ilnterfudfung nidjt nur elegant geführt, 
fonbern arxdt elegant gefdjrieben werben folle. 3m inerten 
(Eeile jiefyen nur fünf Briefe ©on Cefjtng, im 63. ruft er 
wieber einmal in feiner tüeife: „freuen Sie ftdi mit mirl 
£}err tüielanb fyat bie ätfyerifdjen Sphären t>erlaffen unb wanbelt 

Wtfrntx, ©ottfjott) Cpfpaim Cef fing. 7 



98 Witlcmb. 

unter beit 2Tlenfdienfinbern". Zinn befpricfyt er IDielanbs 
Crauerfpiel „3of}anna (ßray", fmbet bie (Djaraftere „moralifdj 
gut — poetifcfy böfe", weil alle liebe 5romme feien: „ber 2Tlann, 
ber jtdt fo lange unter (auter (Cherubim unb Seraphim auf- 
gehalten, f{at ben gutfjer3tgen S*klw, <*udi unter uns fdjwadjen 
Sterblichen eine ZTCenge (Cherubim unb Seraphim, befonbers 
weiblichen (Sefdiledtfs, 3U fmben . . . toenn Qerr IDietanb 
wieber lange genug wirb unter ben UTenfcften gewefen fein, 
fo wirb jtdj biefer 5ef)ler feines (ßejtdjts fdjon perlieren. fir 
wirb bie ZHenfdjen in ifyrer wahren (Seftalt u>ieber erblicfen". 
Ceidjt fdimun3elnb, als fei ZDielanb fein ernji 3U nefymenber 
Dramatifer, wirb fein IDerf burdjgenommen. Cefjtng liebt 
Ijerpor, wie ber Dichter ben Stoff frei nadj ber <5efdjid}te 
perteilt fyat, unterbricht jtdj aber felbft: „3>odi laffen Sie mieft 
nidjt wie ein (ßottfdjebianer fritijterenl Der Dichter ifl f}err 
über bie (Sefdjidjte, unb er fann bie Begebenheiten fo na&ie 
3ufammenrücfen, als er tottl". <£r unterfueftt nun, ob fl?ietanb 
biefe fjjerrfdjaft 3U behaupten gewußt fyabe, fommt aber 3U bem 
Hefultat, es liege ftdEj mefyr als ein Umftanb anführen, rf ben 
I}err IDielanb gan3 roij aus ber (Sefdiidjte genommen l(at, 
unb ber, fo wafyr er immer iji, bem 3ntere(fe feines Stücfs 
fdjnurftracfs 3uwiberläuft. J^eigt bas als ein (Senie arbeiten? 
3dj meinte, nur ber Perfaffer ber parififdjen Blutfjoctfteit 
((ßottfcfyeb) jieije in bem fehlerhaften XDafyne, baj$ ber Dieter 
an einer Begebenheit, bie er auf bie tragifcfye Büljne bringen 
wolle, weiter nichts önbern bürfe, als was mit ben (Einheiten 
nidjt bejieljen wolle, übrigens aber genau bei bm Cijarafteren, 
wie fte bie (ßefdiicftte pon feinem gelben entwirft, bleiben 
muffe"» „2Iber", fo wenbet jtdi Cefjtng ein, „W03U alle biefe 
2lnmerfungen"? XDielanbs Stücf muffe portreff lidj fein, weil 
es t>on einem Cngtänber geplünbert würbe unb bie englifdjen 
Bäuber nur reiche Beutel leeren. T>as war eine 2lnfpie(ung 
auf (Sottfcfyeb, ber über bm Xtadjweis triumphiert Ijatte, bajj 
ZTlilton ad^efyn Dichter für fein IDerf plünberte. <£r bietet ben 
neuen ttacfjweis, „wie gern jtdj bie englifdje Biene auf unfern 
blumenreichen beutfdjen 2luen treffen läßt" ; unb ungefcfjicft war 
ber £nglönber nicfyt, er fyat bie bejlen Stellen gefunben nrxb 
fte prächtig überfefet. Damit bridjt Cefjtng bas StücF, aber 
nidjt bm Brief ab; eine ZDocfte fpäter präfentiert er fur3 nur 
wieber eine Xteifye pon Stellen unb enbet nun auefy bm Brief mit 



<5otifäeb. 9y 

ben tüorten: „lernen Sie hieraus, n>ie bttannt wxv beutfdjen 
Didjter unter ben <£nglänbern jtnb". Der folgenbe 6^. Srief 
beginnt: „So? Permutf|en Sie, bajj hinter meinem £ng(änber, 
ber ben i^errn IDielanb foQ ausgefdjrieben fydben, eine Heine 
Sosijeit jieefe? Sie meinen bodj u>oi|l nidjt, bajj idf . . . bie 
englifdjen Perfe felbjl gemacht t^abt? JU^u piel ©pe für 
midj! XTein, nein, mein finglänber ejijliert unb fyeifct — 
Zlidjolas Hotpe. Was fann £jerr IDielanb bafür, bag TXxdiolas 
Home fdjon t>or pier3ig unb meljr 3<*t|i*« geftorben iß?" Jftun 
n>hrb Züielanb perteibigt; er madie ifym feinen Dorumrf aus 
einer folgen Benufeung, nur fyätte fte gefdjicfter fein fotlen. 
Cef fing tabelt an IDielanb, „baj$ er einen prächtigen Cempel 
eingeriffen, um eine Heine Eiütte bapon 3U bauen". Diefe 
Briefe jtnb ein wahres pradjtftücf ber Kritif, poll Saune, 
IDijfen unb gefunbem Urteil. IDielanb u>irb unbarm^er3ig 
porgenommen, fein „Sdjöpfergeijl" fdjarf beleuchtet, tpobet er 
jtdj allerdings perflüditigt; aber immerhin perfagt iijm Cefjtng 
eine getoiffe 2ld}tung nidit, benn er afynt, ba% er ftcfj toeiter 
enfcpicfeln tperbe. TXlan merft bas um fo mefyr, toeü ber nädijle / 
Srief roieber (Bottfdjeb betrifft unb über feine beutfdje (ßranu— . 
matif (Beridjt fyält. „3d? forge, idj forge", fagt Cefjtng, „man 
fängt audi fdjon auf flehten Schulen an, ben berühmten (Sott« 
fdjeb — aus3ulad}en". Diefer iji itjm ein „gelehrter öjarlatan", 
nid}t lädjerlidj allein, perädjtlid} nennt er ifyn, tpeil er mit ber 
XDibmung feiner <5rammatif an fämtlidje Cefyrer unperfdjämte 
Heflame trieb. Zinn liatte ein Cüneburger Heftor biefes ZDerf 
pernidjtenb befprodjen, worauf jtdi (ßottfdjeb aufs t^oC^e Hojj 
fefcte, iljn abfädelte unb nadi allen Seiten brofyte. Cefjtng per« 
tritt ^as Hedjt ber freien Kritif, bie nidjt auf ben JJIann, fonbem 
auf fein IDerf fei|e, unb fpottet über bie Drohungen. Xladt einem 
2)hupeis auf fein eigenes Sud? über bie $abel j m 70, Srief ent* 
nimmt er einer neuen gelehrten Srtefpublifation Stellen über bie« 
Kritif, bie pon Ceibnifc fyerrüijren, unb 3eigt uns, ba% er jtdj mit^ 
religionsgefd}id}tlid]en unb antiquarifcfyen 5ragen befdjäftigte. 

Den fünften, fdjon im 3<*fy* J760 erfdjienenen tEeil er- 
öffnet Cefjtng mit Dufdj, aber „Ijerr Dufdi Ijat gefdirieben, 
fdjreibt unb wirb fdjreiben, fo lange er nodj aus Hamburg 
Kiele befommen fann", er fdjreibt alles ZHöglidie burdjeinanber 
unb faji fürd^tet jtdj Cefjtng bapor, tt^n 3U fritijieren, u ^nn 
$ie Heinjie Kritif, bie man jtdi gegen il|n entfahren lägt, gibt 

" "7* 



100 <£fjr. f. tt>et§e. 

ü|m 2tnlajj unb Stoff 3U einem Sudie". Crofebem läßt er bie 
Öberfefeung x>on Dergils „Canbleben" nidjt unbeachtet unb 3er« 
fafert fte in einem Seitenftücfe 3um „Pabemecum"; audj ^ier 
IDifc auf ttttfe, Sdjlag auf Schlag, bamit Dufdj nidtf wieber 
einwenben fann, wegen 3wei ober brei 5efyk*n werbe bas 
<5an3e oerbammt. 3™ 8\. Sriefe toenbet ftdj Cefjtng 
feinem jremtbe XDeige 3U, ber eben ben Übergang t>on leidsten 
anafreontifdjen Ciebern 3ur Cragöbie x>o!l3og unb in ber Dor« 
rebe feines „Beitrags 3um beutfdjen Cfyeater" fagte, bas 
beutfdie Drama fyabe Unglücf mit feinen Diestern, bie einen 
— £efjtng beutet bas richtig auf Cronegf unb örawe — 
ftürben früfye, anbere fdjwiegen wäfyrenb ber 3<*fyre bes (Benies; 
Cef fing, auf ben biefe Stelle beutlidj gemüht war, meint: 
„3dl fann nidtf fagen, wer biefe 2lnbem jinb. Sinb es aber 
wtrflidi tragifdje (ßenies, fo t>erfpred?e id] mir oon ifjrer Per» 
3Ögerung mefyr (ßutes als Sdjlimmes. Die 3afy* &** 3ugenb 
ftnb bie 3<rfpc nidtt, von welchen wir tragifdje ZHeifterftücfe 
erwarten bürfen. 2IQes, was audj ber befte Kopf in biefer 
(Sattung unter bem breißigflen ^afyce leiflen fann, ftnb Per« 
fudje. 3* wtk* man uerfudit, je mei^r »erbirbt man jtdj oft. 
2Tlan fange nidjt efyer an 3U arbeiten, als bis man feiner 
Sadje 3um größten Ceile gewiß ift! Unb wenn tann man 
biefes fein? Wenn man bie Ztatur, wenn man bie eilten ge* 
nugfam fhibieret t(at Das aber ftnb lange Ceijrjafyre! (ßenug, 
ba% bie 3<*i|re ber ZHeifierfdjaft bafür audj beflo länger bauern." 
Das Unglücf bes beutfdjen Dramas ift nadi Cefftng: „Ö?ir 
^aben fein Cijeater. IDir fyaben feine Sdjaufpieler. XDir 
liaben feine S^orer." 2lus ber Kritif bes IPeißefdien „€buarb" 
feien nur bie Säfee fyerporgeljoben: „Die (Öfonomie ift bie ge« 
wöijnltdie (Öfonomie ber fran3Öftfdien Crauerfpiele, an weldjer 
wenig aus3ufefeen, aber feiten audi ©iel 3U rühmen ifi". €r 
fpridjt über ben ZPift in tragifdjen Situationen unb bas ift 
wichtig für feine eigene präzis; er fyanbelt über bie Sprache 
in ber tCragöbie: „(Ojaraftere unb Situationen ftnb bie Kontur 
bes (Semälbes, bie Sprache ift bie Kolorite, unb man bleibt 
oljne biefe nur immer bie Hälfte oon einem ZHaler, bie Hälfte 
©on einem Dichter". 

Ven fedjften tEeil 3iert eine Sriefreiife (\02 bis \\2), in 
ber ftdj £efftng mit einer Derteibigung bes „Ztorbifdjen 2bxf> 
fe^ers" burdj Safebow befdjäftigt unb fragen ber ©rtijobojie, 



ieffings Hfirftritt. 101 

ber (Dbenbidjtung, por allem aber ber Kritif bemäntelt. 3mmer 
roieber fämpft Cefftng bafür, baß bie Kritif gegen bie Sucher, 
nidjt gegen bie Derfaffer gerichtet fei; er fletlt ben <5runbfafe 
auf, es fei pfüdjt bes Kritif ers, „ftdj nur auf biefes JDerf 
allein eht3ufd}ränfen; an feinen Derfaffer babei 3U benfen; ftd? 
unbefümmert 3U laffen, ob ber üerfaffer nodi anbere Südier, 
ob er nodi fdjledjtere ober nodi beffere gefdjrteben fjabe; 
uns nur aufrichtig 3U fagen, toas für einen Segriff man 
ftdj aus biefem gegenwärtigen allein mit <5runbe pon iljm 
machen fonne". 3™ ftebenten Ceil tpirb Sobmer roegen feiner 
Parobie ber Cefftngfdjen 5<*betn tpifeig abgeführt, bamit enbet 
aber audi Cefftngs eigentlicher Anteil an ben Citeraturbriefen, 
nur nodi im \%. unb 26. Ceil ift er mit je einem 
Briefe pertreten; bort perteibigt er J762 fur3 Hamlers 
Korrigier erei frember Dichtungen, B|ier rütjmt er \765 ZTCein» 
Ijarbs Derfudje über bie italienifdjen 'Siebter, bas ftnb aber 
gan3 3ufättige Seiträge; im September \?60 Ijatte ftdj Cefftng 
pon ben Briefen 3urüdge3ogen. (Senau roiffen toir bie (ßrünbe 
ntdjt, fönnen fte aber vermuten. Die „Berliner" roaren eine 
Partei getporben ober eine Kttque, u>ie man tpoijl fagte, 
Cefftngs 5tol3 u>ar aber bisher getoefen, als freier unabhängiger 
SdjriftjleHer 3U fdjaffen, nun foHte er Hücfftdjten nehmen, bie 
üjm faum paßten. <£s fehlte nidjt an Heibungen, fo rourben 
Citeraturbriefe Cefftngs gegen (ßottfdjeb auf Nicolais JDunfdj 
3urüdge3ogen. Kaum bürfte Cefftng mit allem einoerftanben ge« 
u>efen fein, was gefdjaij. Durdj 3tx>ei3al}refafi fjatte er imDorber- 
treffen gejianben unb bie joumaüjiifdie Arbeit geleifiet. <£s 
30g iljn wieber hinaus, „um mefyr unter ZHenf djen als unter 
Südiern 3U leben", aus Stubierjtube, Hebaftions3immer unb 
bem Staube ber Bibltotfjefen ins frifdje Ceben: ein Sprung, 
unb aus bem 5«berfrieg tpar er brausen mitten im urirflidjen 
Kriege, aus bem Berliner Seitungsfdjreiber, ber ausgaben pon 
alten unb neuen Tutoren perglidjen, Sdjmöfer getx>äl3t unb 
fdjledjten Tutoren bie Hute gegeben liatte, u>irb ein <J5ou- 
pernementsfefretär in S^bxidts fjeer. 

3m ^erbfl J760 ging Cefftng nadj Breslau 3U (ßeneral 
Cauenfeien unb perfdjtpanb bamit für einige 3<*fy** *>on ber 
Bilbflädje ber Citeratur. \760 gab er nodi r^ as Cfjeater be& 
^errn Dtberot", bas fo nadjijaltig auf bie (Enturicfelung bes 
beutfdjen Dramas roirfen foKte, in gelungener Überfeftung 



102 Breslauer 2ittferttfjalt J760— *765. 

heraus, erjl \766 erfdjien tr>ieber ein neues XDerf von ifym, 
7 es führte ben Citel „Caofoon"; ein 3af|r barauf umrbe ein 
anderes gebrueft, es tjiej$ ^ZHinna t>on Sam^elm ober bas 
Solbatenglffcf" unb som J. ZlTai J767 iji bas erjte Stücf ber 
„Qambürgifdjen Dramaturgie" batiert. 2Us er Berlin jefet 
perliejj, lag t>on einem toeitausfdjauenben tPerf ein Ceti be* 
reits gebrueft t>or, x>on feinem auf x>ier TSätibe berechneten 
„S op fyofles"; er fam nidjt mefjr 3ur 5ortfefeung unb, roenn 
ifyn 5teunbe fpäter an fte mahnten, ernriberte er fcfterjenb, er 
muffe erft roieber (Sriedjifdj lernen. ^}m 3<*f}re J790 würbe 
bas (Erhaltene burdj (Efdjenburg »eröffentlidjt. Das IDerf 
fotlte alles Befannte über SoptjoHes jufammenfaffen, bie 
Dramen analyperen, n>of|l audi bas Verlorene refonftruieren, 
profaüberfefeungen follten beigegeben werben, ber Anfang bes 
2tjas Ijat fteft erhalten. XDie früher Stntca f\&ite Cefftng jefet 
bm griedjifdjen Cragifer beijanbelt, a(fo toaijrfdieinltd? neben 
ber ptjilotogifdjen unb literarfyijiorifd]en audi bie jfrage, nrie 
man bie 5toffe neuerlich benufeen fönnte. Die pfyilologifdje 
ausbeute fam bann bem Caofoon 3ugute. 

2lHer literarifdjen Arbeit feftien Cefftng entrücft, als er 
bem preußifdjen I}eer ins £ager folgte. XDenn toir aber nad\ 
einem TXlotto für biefe &*\t in feinem Ceben fudjen, fo toürbe 
feines beffer paffen als bas i^ebbelfdte: „im Stillen u>äd]ft 
ber Stein". <2s ift eine merftoürbige Beobachtung, baj$ felbft 
bie probuftioften Dichter Reiten ber Bradje nötig Ijaben, in 
benen fte bie Kraft 3U ben entfdjetbenben XDerfen itjres Cebens 
fammeln: (Boetfjes 3el|n erfte Xüeimarer 2<*h** f Sdjitters pfylo- 
bpfyfdi-fiijtorifdie periobe, Ceffmgs Breslauer 21uf enthalt jtnb 
bldje Reiten bes inneren <£rftarfens. 2Ils 3ü"9ß«9 *>on breifctg 
3<xt|ren 30g Cefftng naefy Breslau, als ZHann fe^rte er tjeim. 
<£s ift eine fipodje ber Kon3entration im 3nnem bei aller 
gerjhreuung nad\ außen, Vereinfachung nun audi im Ceben l 
Das ZTatureH Ceffmgs mit feiner Spannfraft unb Pielfeitigfeit 
barg (Befahren in ftd], oor allem bie ^ex\p\xttet\xnq t gerabe 
bas Ceben bes Sopijoffes beroeift bies: groß angelegt, rafdj 
begonnen, im Drucf angefangen, bleibt es liegen; unb roie 
vieles tjat Cefftng ergriffen nnb roieber fallen gelaffen! tDäljrenb 
bes 3erjhreuenben Cebens im Kreife ©on ©fft3ieren unb unge« 
lehrten lüeltleuten lernte Cefftng feine ^eit unb Kraft 3U Kate 
galten unb bas Jftötigfle 3uerft 3U leijten. Der fpdtere Cefjing, 



Umhieben. 103 

fo reid? feine 3ntetreffen immer bleiben, wirft ftdj bocft mit ©fer 
tjauptfädjlidi auf brei (ßebiete: Dichtung, Archäologie unb 
Heligionsgefdiidjte; I|ier Dereinigt er alle feine (gaben 511 
IDerfen »on bletbenbem XDert — in Breslau fyat er ben (ßrunb 
3U ben meinen biefer Arbeiten gelegt. 

£ef{mg ijat jtdj wäljrenb ber Breslauer ^cit felbft mit 
bem fyäfclidien ZDurm Derglidien, ber jtd? einfpinnt, um ab 
glän3enber Pogel wieber ans Cidtf fommen 3U Bnnen. 1>ie 
Stficfe feines (Behufes ftnb bie 3afylreidien Breslauer papiere, 
benn was bei £efjtng 5aulljeit genannt werben fonnte, bas 
wäre bei einem anberen immer nodj $tä% gewefen. (Segen 
fein mächtig arbeitenbes (ßebanfenleben bot iljm bie gerjhreuung 
in einem luftigen 3unggefellenleben ein ijeilfames (ßegengewidjt, 
rote (Boetfje t>or allem mit üoHer <£inftdit erfannte. Cefftngs 
Brestauer Derfefyr unterfdjieb jtdj t>om Berliner woijl feBjr 
flarf : in Berlin ein Kreis oon (Belehrten unb KünfHern, pfyilo* 
fopljifdie (Befprädie mit ZTCofes, ältere beutfdje Sdiriftfteller unb 
2(oxai bdiaribelt im Wetteifer mit Hamler, moberne Citeratur 
betrachtet mit XTicolai, woijl audj ferner fiegenbes im Aus- 
tauf dje mit ZtTujtfem unb ZTCalern; ba3u ein reges literarifcfees unb 
journalijüfdies Creiben. 3" Breslau eine AbenbgefeUfcftaft mit 
©ffoieren, eine ZlTittagstafel in Cauenfeiens X}aufe, bei (ße* 
lehrten, wie Arletius unb Klofe, Ejöc^flcns flüchtige (Bajlbefudje. 
3n Berlin Citeraturleben, in Breslau IDettleben, bort Sympolten, 
bei benen weiblidj „ge3anft" würbe, ijier Scfymaufereien unb 
Crinfgelage, bei ^mn man fdjlieglidi 3U ben Karten griff, um 
xdt im Pharao Aufregung 3U oerfdjaffen. Cefjtng aber ruinierte 
idj nidft, wie bie 5^eunbe fürchteten, er fyat jtctj ftnan3ieH 
erholt, bie Seinen bafyeim freigebig unterjlfifet unb eine fdjSne 
Biblioti|ef erworben. 

Unb an jenem Ufer brüben jtefjen 
^reunb' nnb Sieben, beben auf bem feften: 
Adj, warum ift er ntdjt l)ier geblieben! . . . 
Soll ber (5ute fo 3U <5rnnbe gelten? . . . 
Dodj er flehet männltdj an bem Steuer; 
IKtt bem Skiffe fptelen IDtnb unb Wellen, 
Wxnb unb Wellen ntdjt mit feinem fje^en; 
üjerrfd/ettb bütft er auf bie grimme (tiefe 
Unb vertrauet fajettewb ober lanbenb 
Seinen (Bötterm 



104 <5etPtmt. 

(Dtyxe 2tbfcf^icb von ben 5*eunben 3U nehmen, was er erjl 
©ort Srcslau fcfjrtftlidi tat, oljne feine Berliner XPofytung 311 
fünbigen, tpas bann Hantier beforgen mußte, mar Ceffing von 
Berlin fortgegangen. <£r fagt, felbft tpifie er nidjt, n?as üjn 
bapon getrieben ijabe; er beutet aber an, ba§ audj er einmal 
bürgerliches „<Slüd" gefudjt, jtdj nad? einer melfenben Kufy 
umgefdjaut fyabe. Der literarifdje €rn?erb burdj bie 5*ber 
war voofy nie redjt groß, bie Einforderungen bes Cebens, bie 
eeoigen Betteleien ber Seinen legten ifym bie Sorge um bie 
Sufunft naije, unb fo rourbe er (ßoupernementsfefretär. 5ür 
ein ruhiges gleichmäßiges Stubium roar fein poften freilidj 
ntdjt gefdjaffen, unb im 2tnfang feinte ftd? £efjtng fefjr oft 
nad? Berlin 3urücf, tpenn i^n bie S^P^^wngen ^s ÖLaqts 
nidjt 3ur Sammlung (ommen liegen. Breslau u>ar ijatb 3er« 
flört, alle Spuren ber ungtücflidfen Kämpfe jtdjtbar, roie fur3 
por Cefjtngs Sdjeiben audj Berlin pon Huffen unb (Öfter« 
reichern fyart geftraft tporben roar. Cauenfeien geborte 3U b^n 
tpidjtigjlen perfönlidtfetten b^s friebericianifdjen leeres unb 
feine Stellung in Breslau fyatte große Bebeutung. (Einen 
ZPinter perbradjte audj 5nebrid? IL in Breslau, oljne pon 
Cef jtng ZI0H3 3U nehmen, trofebem biefer fur3 porljer 3um aus- 
wärtigen ZHitgliebe ber preußifdjen 2lfabemie ernannt iporben 
u>ar. Die Unruhe b^s 5db3ugs fyat Cefftng fetjr ftarf 
empfunben, aber fein (Beftdjtsfreis erroeiterte ßdi, er faB} bas 
Creiben bes Krieges, ipar 5*uge ber lange tpäfyrenben Be- 
lagerung pon Sdjtpeibnife, nafym Ceil an <§ügen unb Per* 
fyanblungen, bie Klagen b^s bebrücften Polfes brangen 3U tijm. 
Unbemafelt blieb fein Ztame, obwohl er mit bem ZlTün3iuben 
(Ephraim 3U perfefyren fyatte, ber bei $riebridis (BeJ&per- 
fdjledjterung mithalf; Cefjtng folgte nidjt bem Beifpiel anberer, 
bie jtdj bereicherten. 

5reilidj, je länger feine ZTCifjton mährte, befto unleiblidjer 
würbe jte iijm; immer meljr feinte er jtdi 3urficf nad? feiner 
ttnabijängigfeit, feiner Sdjriftftellerfreifyeit. „<2s ifl Seit", 
fdjreibt er fdjon am 30. Ztopember ^763 feinem Pater, „ba% 
idj rpieber in mein (Bleis fomme. Stiles, tpas idj burdj meine 
ifeige £ebensart intenbiert \\abz, bas tyabz idj erreicht; idj fyabz 
meine (ßefunbljeit fo 3iemlidj unebener geftellt; idj Ijabe aus- 
geruhet unb mir pon bem IPenigen, tpas idj erfparen fönnen, 
eilte trefflidje Bibliotijef angefdjafft, bie id} mir nidjt umfonft 



2Jbfd}teb Don Breslau- 105 

angefdjafft ljaben toiH". €r fdje^te toot^I: „wenn idj jc%t aud? 
nod) fo oicl pergeffe, idi behalte bodi wenigjtens bie Bfidjer, 
too idi es wieberfinben fann". XXnb faß tote eine IDafyrfyeit 
Hingt bas parabojron: „(Beben Sie nur 2ldjt, je meijr idi per« 
geffe, befio gelehrter werbe idi werben!" £r mußte bas Klein* 
lidje pergeffen, um bann erfi redjt bas <5rojje, Bebeutenbe 3U 
behalten. ZHit 5^euben fonnte er im 3^re J763 3U Breslau 
ben 5tiebensfd?lu§ perfünben unb backte nun baran, ftd? wie« 
ber flügge 3U machen, aber allerlei ttmfiänbe üer3Ögerten ben 
austritt aus feiner „Bebienung". £igene Kranßjeit, bann eine 
Kranßjeit tEauenfeiens, bie 2lbwtc!elung ber (Sefdjäfte, ©rbnung 
ber Bedjnungen ufw. £ine Zeitlang war er mit feinem (Seneral 
in potsbam unb fatj feine Berliner 5*eunbe. Ztodimals fefyrte 
er nadi Breslau 3urficf, erfl nadi ZtTitte 2lpril \765 perliejj er 
feinen poßen, fudjte bie Seinen in Kamen3 auf, bie er gebrfieft, 
in Sorgen nnb Sdiulben fanb, wäfpenb fte iljn mit Staunen 
gan3 peränbert faljen, etwas fWrfer, nidjt meljr fo jugenblidj 
beweglidi, bafür außerorbentlidi toe(tgeu>anbt un^ ftdier. 

Thxdt nadi £eip3ig (am er wieber; bem glürflidj perforgten 
XDeijgc perriet er nidjt piel pon feinen literarifdien planen, 
nur pon einer Schrift gegen ZDindelmanns <5efdiidjte ber Kunft 
fpradi er ityn. IDäijrenb ber legten 3al)re fyattt ftdi Cefftng 
eifrig auf bie Jlrdjäologie geworfen, backte baran, nadi Bres- 
ben unb XDien, ja weiter nadi 3talten unb (Sriedienlanb 3U 
reifen, um bie 2lnttfe 3U ffatbieren. £r beqamx eine Heilte 
pon 2tuf3eidinungen, bie unter bem Otel „^ermaea" (jfunbe) er« 
fdieinen foHte, weil er fidi nidjt 3utraute, ein <5an3es baraus 
3u machen. Die Porrebe 3um erflen TSanbe, 3ufäüig erhalten, 
gibt folgenbe befdjeibene Selbjldjarafterijlif: „<£s ßnb Heidi« 
tümer, bie it)n ein glücflidier <§ufaH auf bem XPege, öfter auf 
bem Sdjleidjwege als auf ber fjeerfhrafce, ftnben laffen. Denn 
auf ^n ^eerjlrafcen ftnb ber 5inber 3U piel, unb was man auf 
biefen ftnbet, l^attm gemeiniglich 3eijn 2lnbre por uns fdion 
gefunben unb fdjon wieber aus bm l^änben geworfen." 2lls 
ein „gelehrter £anbjl3r3er" wollte er ftdj bem publifum por« 
fleKen, 3eigte ftdi aber allenthalben als glücHidjer pfabftnber. 

Xtxdits erfuhr IDeifce pon bem Cufifpiel, ^as Cefjtng fafi 
poQenbet ijatte, bamit foQte bie IPelt überrafdjt werben. Unter 
^n XX>affen Ratten iljm bie HTufen nidjt gefdjwiegen, audi 
fein 3tttoeffe am üjeater war nidtf erlahmt. 3« Breslau 



106 plStte. 

fpielte bte Sdiudjifdje (ßefeüfdiaft, oon ber Cefftng liebet bie 
fytupt- unb Staatsafttonen, bie Qansmurjtiaben als bie rege!« 
mäßigen Stücfe anfaij. 2tudi mit ein3elnen Sdjaufpielem mar 
er in 9e3iet)ung gefommen. £r plante »erfdtfebenes; 3toar 
ber €ntamrf 3U einer „5atime", oom 5. 2luguji J759 batiert, 
gehört 9ieQeid)t nur in feiner €ru>eiterung auf mehrere 2lfte 
in bie Öreslauer ^eit r bagegen ijl uns bie Arbeit an einem 
„2llcibiabes" ober „21lcibiabes in perßen", einem „Xtero", 
einem „ ptjtlof tet" unb einem Cujlfpiele „Die ZDifelinge" für 
Breslau be3eugt, mefyr als bie {Eitel unb 53enare flnb uns 
nidjt baoon erhalten; audj an bem „5auji" arbeitete er ge- 
legentlich. 

(Tiefer mar Cefftng in bie pfyilofopfyie eingebrungen, liattt 
jtdj in 5pino3a serfenft unb mit Cifer angefangen, bem Ur- 
dirijlentum nacfoufpüren, 3U meldiem ^mecf er bie Kirchen« 
päter fYflematifd? jhibierte. 2tuf allen (ßebieten feiner fünftigen 
arbeiten mürben in Breslau bie (ßrunblinien ge3ogen, unb fo 
fonnte Cefftng am 5. 2tuguji \76$ feinem 5?eunbe Hamlet 
fdireiben: „Die ernjHidje fipoctje meines ttbens naijet Ijeran; 
xd\ beginne ein ZTlann 3U merben". €r 3äl|lte nidjt 3U bm 
Hlenfdjen, bie jidi rafdj iljr „Sraoo"! 3urufen, ifym galten 
IDerfe nodi als üerfucfoe, bie ein anberer für ZTleiflerjlücf e ge- 
halten itäüe; wenn ein foldjer Kritifer oon ftdj felbjl fagt, er 
beginne ein ZITann 3U werben, bann bürfen mir getrojl fagen, 
er fei ein Ztlann geworben. Ceiber maren i^m bie ZHannes- 
jafyre atfoufarg 3ugemeffen. 



Sefflngs ZHannesjafjre* 



„3dj tvaxb Solbat .... aus ber ©rille, bajj es für 
jeben efyrlidjen Ztlann gut fei, ftdj in biefem Stan&e eine 5*ü* 
lang 3U »erfudjen, um jtdj mit allem, was (ßefaijr fyeifct, »er* 
traulidi 3U machen, um Kälte unb £ntfd}lof[enf}eit 3U lernen. 
Zlur bie äufcerjte Xlot l)ättt midi 3t»ingen fönnen, aus biefem 
üerfudje eine Sejiimmung, aus biefer gelegentlichen Se- 
fcfyäftigung ein f}anbu>erf 3U machen. 2lber nun, ia mieft 
nichts mefyr 3toingt, nun ifl mein gan3er ©jrget3 u>ieberum 
ein3ig unb allein, ein ruhiger vmb 3ufriebener ZlTenfdi 3U fein/' 
3wat würben biefe XDorte einem ZTlajor aus 5?iebridis Ijeer 
in ben ZTlunb gelegt, aber ber <&our>ernementsfefretär bes 
(Senerals (Eauenftien backte für jtd? nidtf anbers; trug er gteidj 
nidjt ben IDaffenrocf, es tx>ar bodj ber Krieg, bem er feine Kräfte 
getoibmet liaitt. 2üs nun ber König unb bie Kaiferin bes 
langen Qabers mübe 3U Qubertusburg Rieben fcfcloffen, ba 
fdjien es audj ifym richtig, feine £ette in Schießen ab3ubredjen 
unb anberstoo einen plafe 3U fudien, ber üjm mefyr But)e 3ur 
Durchführung feiner fdiriftjtellerifdien Pläne lieg. 3*n ijafyre 
\765 toar er uueber in Berlin. 

2llte Pläne erneuernb f^atte er in Breslau befonbers ber 
Sjttjetif feine freie geit gemibmet. Tbxs genauem Stubium ber v 
antuen Dichtung, 3uma( b^s antifen Sopfyofleifdjen Dramas - 
fdjöpfte er bie Anregung, benn bie (ebenbige 2lnfd?auung ber 
antifen bilbenben Kunjt ©ermodjte er jtdj nidjt 3U oerfdjaffen, 
nur Kupferroerfe jtanben ifym 3U (Sebote. Vor allem wollte 
Cefftng geitpfyrafen auf bm <5runb fommen, fo bem Safy, 
ba% bie poefie eine rebenbe ZlTalerei unb bie ZlTalerei eine 
jhimme poejte fei, fo bem Bemühen, t>^n Künften eine gereifte , 
Rangfolge 3U ©erleiden. Die ttnterfudjungen galten alfo all« ' 
gemeinen äft^etifd|en fragen unb würben nrieberfyott bureftge» 



108 Vierter Berliner 2lufentfjalt \?65—\t67. 

badjt, mit ben 5tcunbcn ZlTofes unb Nicolai überlegt, in <£nt« 
würfen fejigefyalten. Da erfdjien {76^ Xüincfelmanns lang er* 
toartete (Befdjidjte ber Kunji unb rief neue Entwürfe bei Ceffmg 
l^erpor, fo bajj fein JDerf nactj allen Seiten überlegt war, als 
er in Berlin eintraf, ^fyn fdjwebte woB|t ber Sibliotfyrfars- 
pojien in Sertin, feit 5*bruar {765 erlebigt, ober ein poften 
in Dresben por, mk er an feinen Dater fdjrieb, nnb besliatb 
wollte er etwas bruefen lajf en. XDie bem immer fei, 3ur Q>fter- 
meffe {766 erfdjien „Caofoon ober aber bie (Sre^en ber 
ZTlalerei unb Poefte". Das Sucft gab wieber ben Beweis, ba% 
audj ein Deutfdjer eine gelehrte Unterfudjung mit (BefdjmacF, 
prächtiger £aune, reifem (Efprit burdjfüljren fönne. Ztur 
nebenbei mit fd?einbar fpielenber £eidjtigfeit ©erriet es feinen 
Reichtum an «ßetefyrfamfett; glücflidje Kombination, Schärfe 
bes Urteils, Klarheit ber (Sebanfen merft man auf jeber Seite, 
ba3U eine £legan3 ies Stils, wie fte feinem anberen beutfdjen 
Sdjriftfteller jener tEage gegeben war. 2luf bem neuen XDege 
ber jnbuftion, faji o^ne ZTlülje, legte Cefftng feine Hefultate 
por, aixdt bort, wo er pon Vorgängern gelernt t^atte, burdi 
neue Derbinbungen förbernb. 

€r ging aus pon einem beliebten, fefton pon XDinrfelmann 
gebrauchten Dergleidj ber Caofoongruppe unb ber Stelle, in 
ber Dergil im Caofoon befyanbelt. 2lber er fudjt bie Sdjlüffe 
3U prüfen, bie tXttncfelmann ge3ogen tiatte, ob wirflid? bie 
I Silbljauer ben Dichter überträfen. Der Caofoon ies Diesters 
! fd?reit, jener ber Silbfyauer nxd\t; barin falj IDincfelmann 
1 etljifdie, Cefftng bagegen fünftlerifdje 2lbftd?t. 3nbem er an 
lehrreichen Seifpielen 3eigt, baj$ bem grieditfdjen Altertum bie 
Äußerung förderlichen Scrjmer3es feineswegs als unanftänbig 
galt, madjt er es waljrfd?einlidi, ba% bie Silbifauer ias 
Schreien nidjt barftellten, weil fte es für unbarfleHbar in iffrer 
Kunft hielten, nierjt aber, weil es iijnen etfjifdj perwerfüdj 
fdjien. 3*1* Stel war bie Darfteilung bes frönen Körpers 
unb bamit pertrug ftd} ias Sdjreien nidjt. Schritt für Stritt 
perfolgt Cefjtng biefen (ßebanfen, betrachtet ifyn pon allen 
Seiten unb gelangt fo allmäfylid? 3U ben Säfeen, bie feine 
Hefultate ausfpredjen, bajj bie bilbenbe Kunfl — bie ZTlalerei, 
wie er porerft allgemein fagt — Körper barftette, bie poefte 
aber ^anblungen; bafj bie ZTfalerei Qanblungen nur anbeutungs* 
wetfe burdi Körper, bie poefte umgefelpt Körper nur an« 



„£aofoon" \766. 109 

bcutenb burdj Qanblungen barftellen fönnc; baß bie ZTlalerei 
ifyrem £{aupt3tDec! entfpredjenb milbern muffe unb an ben 
fruchtbaren 2lugenblicf gebunben fei, ber einen Spielraum für 
bie pljantajte laffe. So 3iet|t er mit ftdierer S^anb bie (ßrenjeit: 
3«>ifd?en Ulalerei unb poejte, ofyne sorerji auf bie feineren f 
Unterfdjiebe innerhalb ber bilbenben Kunjt einsuge^en, bieg 
fpäterer ttnterfudjung sorbefyaltenb. Wol\l aber fagt er, voa$ 
für bie präzis baraus folgt, inbem er ber beliebten 2Utef ; 
gorijlerei ber bilbenben Kunjt, ber befdireibenben ZTCanier ber? 
poefte ein &nbe bereitet. ZlTit feinem Sinne für bie Cedjnif 
ber Künfie trägt er feine Beobachtungen t>or, t>ielteidit etwas 
3U feijr generalijterenb, im <£ifer für bas richtige prin3ip 
manches übertreibenb, im <San$m aber fo, ba% an feinen Sä$en 
grunbfäfetid} nidjt me! 3U dnbern mar. Durdj einen über* 
rafdienben Kunjlgriff fdjliefjt er fein Sud}, er madjt, als fei 
IDincfelmanns (Befditdjte foeben erß erfdjtenen unb er »olle 
feinen Schritt weiter ge^en, e^e er mit biefem XDerfe gan3 
vertraut geworben fei. 

Cefjtngs „Caofoon" wirfte in ©ielf adjer ^injidit erneuemb; 
er »erwarf bie bisherigen Autoritäten ber Deutfdjen unb 
beutete fyin auf bie magren ZHujIer, bie (ßriedjen, bie er in 
ÖbereinfUmmung mit bem XDefen berSadje fanb; er gab eine 
glän3enbe probe ber inbuftioen Sjttjetif, bie ttjre Hefultate 
forgfam ber genaueren Beobachtung, ber mtimßen Kenntnis 
bes 2Hateriats entnimmt; er gewann aus feinen tfjeorettfdjen 
2lnftd}ten einen ZUagftab für bie Kritif pon Kunftoerfen unb 
reinigte ben (ßefdjmacf r>on allerlei 3**tümem; er verlangte 
x>on ber poefte Änfdjaulidjfeit nnb ^anblung unb all bas trug 
er in einer Spradje »or, bie XDinrfelmann mit Xteib auf ben 
beutfcften ZHagijler blicfen lieg unb Cefftng nodj mefyc als bis« 
ijer 3um erften beutfdien Sdjriftfieller ber Seit machte. Den 
poften eines Berliner Bibliotljefars befam aQerbings weber 
Cefjtng nodj IDincfelmann, fonbern ein unbebeutenber $ran3ofe, 
ben man nodj ba3u mit einem anbeten ©erwedjfelt l\atte. Xlad\ 
einem Berichte Nicolais foll ftdi König Sri&vidi ben Ztamen 
Ceffings in Perbinbung mit Poltaire gemerft unb ify\ barum 
verworfen i)aben. 5i*>eifel an biefer ZTadjridjt ftnb geäußert 
worben, bodj jieijt feft, bajj Cefftng in Berlin lange auf etwas 
gehofft baue, worauf man iijn vertröfiete, ba% biefe Eröffnung 
aber fefylfdjlug unb er besfyalb Berlin verließ; nodj <£nbe \767 



110 „IRtnna von Bam^elm" J76?. 

fdjreibt er bies an feinen Dater. XDemt bie Xtadjridjt aber 
toafyc iji, bann gab Cef jtng bte fcfyönjie 2tntoort, bte jtd? benfen 
lägt, benn in einem neuen IDerfe ijeifjt es: „Der König fann 
mdjt alle perbienten ZlTänner fennen, unb toenn er fte fennt, 
fo fann er fte nid?t alle belohnen". 

3m 3<rf*re ^767 erfcftien „Zllinna »ort Barnfyelm 
ober bas Solbatenglücf", ein Cuftfpiet, bas \763 entoorfen, 
J76^ in Breslau geförbert, J765 »oDenbet unb mit Hantier 
genau burdigenommen roorben war, bas erfle beutfcfte Cujl- 
fpiel, bas Seichen einer neuen Seit. Ttts es 3um erften Xtlal 
in Ceip3tg gegeben würbe, ZTor>ember \767, faj$ anbädjtig 
unter ben Sparern ein junger Stubent, ber es fürs barauf 
im $reunbesfreife mitfpielen ijalf unb fdjon eigene poetifdie 
plane reifen ließ, er tjiej$ (Soetfye unb backte nod? als alter 
Wann mit £nt3Ücfen an bie g(än3enbe tEat Cefftngs 3urficf. 
Diefer felbft bagegen fdjrieb fur3 nadj ber publifation biefes 
XDerfes bie Behauptung nieber, er fei fein Dichter. XDer es 
aber üerfteijt, fo fdjarf beobachtete <0ejialten fo lieblidj in 
' Konflift 3U fteHen, aus einem fo Keinen Keim einen foldjen 
Beidjtum an poefte 3U entfalten, ber ift ein Dichter. 

£s ift fdjeinbar ein gan3 Heines ZITijjDerjWnbnts, um bas 
ftdj bas gan3e Drama breijt, aber es gibt Gelegenheit, bas 
tnnerfte XDefen ber perfonen 3U entfalten. £s greift hinein 
ins solle Ceben ber bamaligen Seit, aber bas Ztlomentbilb 
ergebt ftd? 3U bleibenber Bebeutung, fo bajj es audj ijeute, nadt 
faß anbertijalb 3<*fyrfjunberten, nichts t>on feiner 5nfdje unb 
(Biltigfeit oerloren l\at unb nodj ent3Ücft, als fei es eben er» 
fdjienen. Unb bodj fpielt es am 22. 2luguft J763 im Berliner 
Hotel König t>on Spanien. Die perfonen ftnb faß gar mdjt 
perftaubt, am elften nodj bte beiben Hauptfiguren Cellijeim 
unb ZKinna, gar nidjt bie föftlidje Hei^e ber ZIebenperfonen, 
ber parallel* unb Kontraftftguren: IDerner unb 3uft auf ber 
einen, Stan^ista auf ber anberen Seite, ber Witt, Riccaut de 
la Marliniere, bie Witwe ZHarloff in andftigen £pifoben. Die 
ZHifdiung t>on Sdi&cs unb €rnji, t>on tragifdjer Einlage unb 
fomtfdier Cöfung ergreift unb unterhält uns felbfl bei bilet* 
tantifdjer Darfteilung, unb bei jeber neuen 3luffiU;rung be- 
u>unbern mir bas fefte (Befuge unb bie wirffamen Bollen 
biefes älteften beutfdjen Cuftfpiels, fein gra3iöfes Spiel, ben 
tiefen Sinn, bie lebfrtfcfyen <5eftalten immer oon neuem. 



Der Konfltft. 111 

Ciebe unb <£l}re im Konflift iji bas (Omenta. JTlajor t>on K. 
(EelHteim tjat als glücflidjer Krieger in 5rtebridis 2lrmee burdi 
eine fdjSne menfdjlidte (Eat bas ^er3 ber Sädijtn ZTIimta üon 
öamijelnt gewonnen. XTadj bem 5ri*bensfdjluß »erwunbet, 
abgebanft wie fo viele feiner Kameraben unb in feiner 
ZTlannese^re wegen jener fdjönen <Lat tief gefränft, tjält er jtd? 
ifyrer nidjt meijr für würbig. Sie aber reift tfjm mit ü|rem 
(Dfyetm nadi, weil feine Xtadjridjten ausbleiben, ftnbet xfyi in 
trauriger Cage unb f\at bas (Befühl, bag tfyn feine <öjre ^ö^er 
jlefye als feine Ciebe. 2luf bas fyn fabelt jte eine 3«trtge ein, 
teils um itjn 3U prüfen, teils audi um ifyn 3U {trafen. Sie 
lägt iijm burdt 5rait3isfa bie falfcfye 2Üad{rid}t 3u!ommen, tx>egen 
ifyrer Ciebe fei fte enterbt unb t>erjto§en worben, benn fte 
trofft mit DoQem Hed)te, bajj fte bann tEeltt)eim ber gan3en 
ZDelt jhreittg madjen »erbe, ^at er früher Ulinnas angeblichen 
Cerlobungsring 3urücfgenommen unb ijt entfdilojfen gewefen, 
feine £{{rent{erftellung 3U entringen, fo überfommt itjn nun 
ZtTitleib mit ZITinna, er will feine $orberungen aufgeben unb 
anberswo unternommen fudfen. Da bringt ber jfelbjäger bas 
Ijanbfdjreiben 5riebridfs, bas (Eetttjetm nidjt nur fein Permögen, 
fonbem and) Cijre unb 2>ienjl 3itrücfgtbt. Da legt er ifyr 
alles nodi einmal 3U 5üfeen, aber fte lägt nodf nidjt von xfycev 
graufamen Komöbie, erflärt jtdj nun feiner nidtf meljr u>ert, 
benn man »erbe über bie entlaufene Sädijtn fpotten. ZRan fyat 
bies als 3U weitgel^enb getabelt, als peinlich unb unweiblidi 
empfunben unb bodj iß es nur (onfequent. CetUjeim ijat feiner 
€f|re bie Ciebe opfern wollen, ZlTinna fteQt ifyt auf bie probe, 
ob er and( bas Ümgefe^rte permödjte, unb bas erreicht fte. 
CelHteim l\at auf bie Hoffnung feiner Rehabilitierung, auf feinen 
2>ienji ©e^ic^ten wollen, ZTlimta bringt ifyt bal^in, ba% er auf 
feine ©pe Pet^idjt 3U leijien, ben (ßnabenbrief 3U 3erreigen be« 
abjtdttigt. 3*fet erfi fann fte bie PerjieQung fallen laffen, nun 
aber, unb bas iji ein prächtiger fiinfaH Cefjtngs, nun wirb ifyr 
bas graufame Spiel bitter Ijeimg^a^lt; benn burdj bie Sieben- 
perfonen, burdj 3uft unb inbireft burdj ben XDtrt, erfährt er, 
ba% ZKinna in ben Bejtfc jenes Derlobungsringes gefommen fei, 
ben er in feiner (ßelbflemme beim Witte »erfefet l\atte. Z)aburdi 
gerät ZMinna in ein fd)iefes Cidjt; CeWjeim muß bas f was Spiel 
war, für €rnft galten nnb barüber gerät er in furdftbare 2luf* 
regung, audj Ulinna, bie bei ber Cntbecfung nadj Cefjtngs 



112 Das Heifen ber perfonen. 

IPeifung „lädjefab" fpradj, tft nun „erfdjrocfen". IDieber fielet ein 
tragifcfyer Ausgang 3U befürchten, ba fdfiebt Cefftng getieft bie 
Hebenfiguren t>or: ZPerner fommt mit bem (Selbe für tEe!tt)eim 
unb ein (Ceti von Ccffi^ehns gom unb Schmers famt jtdj ent* 
laben, bie 23ebienten melben bie 2tnfunft bes ©Ijeims, baburd} 
gerät alles in Se&egung, fefyr rafdj polfyefyt ftdi bie „£rtennung" 
unb ber gute Ausgang tritt üoKftänbig ein. „© boshafter 
<£ngel!" nennt (EetUjeim feine ZTfinna, fte aber gibt uns einen 
ZPinf $um Perftänbnis ber garten 3ntrige burdj bie IDorte: „idf 
fann es nidjt bereuen, mir ben 2lnblicf 3l?res gansen Qe^ens 
perfdjafft 31t ijaben! — 21dj, u>as ftnb Sie für ein ZTlannl" 

Surdj bie 3ntrige wirb CeHfyehn bafyn gebracht, aus bem 
Stänbifdjen t}eraus3Utreten, bas Konventionelle ab3ufd}ütte(n unb 
bas menfdilidt Wafyce 3U entfalten. „T)as (ßebot ber beutlicfyen 
Xtatur" ftegt. ZTlinna, bie im 2Infang ben TXlann nidjt ©erfleht, 
u>eil er aus gefränfter ©jre feiner Ciebe entfagen txriH, fpielt 
Komdbie, lernt aber burd? bie oon tfyr eingefäbelte 3ntrige er* 
(ennen, u>eldjer (Cijarafter pdf gerabe in biefem üetsidjt aus* 
fpridjt, unb fo fmb Seibe burdj bie »eitgetriebene Komöbie nidft 
tariert von irgenb einer £igenfd}aft, n>ie bie frühere (Ct)eorie ber 
Komöbie »erlangt ijatte, fonbem gereift. Z>as tft bie u>efent* 
lid)e Steuerung biefes Cujlfpiels. Selbß bie Nebenfiguren machen 
einen äfynlidfen pro3e§ burd) : $ran3isfa beginnt als eine ZUober* 
nifterung unb XTattonalifterung bes Cifettentypus, aber in ber 
flehten Kofette, bie mit bem £}erm XDadftmeifier tänbeln woQte, 
reift bas Perfiältnis 3U biefem efyrltdjen ZtTanne bie frifdje natür* 
lidje XDeiblidjfeit. Unb IDemer, anfangs fdjwanfenb 3ix>ifd)en 
Bürger- unb Solbatenfkmb, enthüllt aQe Wfttidien ©genfdjaften 
feines treuen XDefens unb feiner Kemnatur, unb für 3eibe gipfelt 
bas ganze Stücf in ber prächtigen Sdjluffoene, bie in genialßer 
XPeife bas trabitioneKe &nbe ber fädjßfdfen Cufifpiele umbilbet; 
nidjt ein flüchtiges Ciebesgetänbel, u>ie bei ben Cifetten unb ben 
Sebienten, ein fejler e^rlidjer (ßjebunb roinft bem J}errn VOadtU 
meifier unb feiner 5rau IDadjtmeijierin. Selbft ber tCrogfnedjt 
3ujl toädijt unb enthüllt ben trefflidjen Kern feines rollen 
lOefens befonbers bann im 2. auftritt bes britten 2luf3ugs. 

Den ernflen £}intergrunb ber gan3en £}anblung aber bilben 
bie tatfädjltdjen Derffältniffe, bie befonbers nadi bem $riebens- 
fdjlug in ber preufcifdjen Tlrmee fyerrfdften. Die „ZITinna" iji 
nidjt auf bie Cufügfeit aufgebaut, toie etxx>a Cefßngs ^ugenbvev* 



Das Hamburger Hattonaltfyeater. 113 

fuche; neben ber Komif f pridjt jum erjien ZHal ber fjuntor von \ 
ber beutfehen Bühne, unb bas fefte Hücfgrat bes ernjien Ciefjtnus j 
feljlt nicht. Sie Sächjtn unb ber ©fföter aus 5rabrichs l}eer '. 
werben ein paar! 2>er fächjtfche (Edelmann <5raf von Bruch« 
faß umarmt auf ben Brettern ben preußifchen ZHajor, unb bas 
£ob 5n*brichs im 2flunbe ber Sächjtn iji in bie fdjlidjten ZDorte 
gef leibet: „bajj 3^ König, ber ein großer ZHann iji, auch wohl 
ein guter ZlTann fein mag". Hnsfreil ffi berufet es^ tgenartia r 

flTafor 



ba% nur ein (Snabenaft bem Zuafor (Berechtigfeit erfahren 
nur ber guf au, bajj bes Königs Bruber für (Eellheims ttnf chulb 
3eugt, ben ZTIajor vor bem fchimpflichen Schicffal rettet „Diefe 
probuftion war es, bie ben Blicf in eine Ijöljere, bebeutenbere 
ZDelt aus ber literarifchen unb bürgerlichen, in welcher jtch bie 
Dichtfunji bisher bewegt flotte, glücfltch eröffnete", fo fdjrieb 
bann (Boethe. ZTTerfwürbig auch/ ba§ biefes Cuftfpiel 3uerft in 
£eip3ig aufgeführt würbe, währenb in Hamburg ber preußifche 
Hejtbent einer 2>arfiellung Schwierigfeiten bereitete unb Berlin 
erji im 2tpril \768 nachfolgte, bann aber mit befonberem (Erfolg, 
ZDas uns fyeute wohl in bem Cujifptel veraltet erfcheint, iji ber 
Con ber Schwärmerei unb Sentimentalität, ben freilich bie 
X>arjieDerinnen ber Vame in Crauer unb ber HTtnna nicht 
übertreiben bürfen, ebenfowemg als ber DarjieHer bes Cell» 
hetm beffen Schwermut. 2luch ber gug fällt uns auf, ba% bie 
$rauen um bie ZKänner werben, ZTlimta um Cellheim, Stan* 
3tsfa um ZDerner, bas iji, wie in ber Dorbereitungs3eit bes 
beutfehen ZHinnefangs. Sonji aber fann jtch tynte lein &x* 
fchauer bem ©nbruefe biefes Cujifpiels ent3tehen. 

Diefes föjiliche IDerf l^ätte Cef jtng vielleicht ungebruef t im 
Pulte behalten, wenn nicht ein äußerer Umjianb bem in archäo» 
logifchen arbeiten Derfunfenen bie Sühne nahegerücft l(ätte. , 
Berlin war ihm wieber unleiblich geworben, 2lusjtchten boten j 
jtch ihm nicht: „3ch jianb eben am ZKarfte unb war müßig; 
niemanb wollte mich bingen, ohne Zweifel, weil mich niemanb 
3U brauchen muftte . . ." 3)iefe ZDorte jiehat in einem neuen 
IDerf unb 3eichnen feine Berliner Situation, aber er fann hin* 
3ufefeen: „niemanb . . ., bis gerabe auf biefe 5*eunbe". Diefe 
5reunbe lebten in Hamburg unb träumten bort ben fchönen 
Craum eines beutfehen Ztationaltheaters. 21m 2\. (Dftober 
\766 verpachtete 2lcfemtamt bas ihm gehörenbe Cheaterge- 
bäube an einen verfrachten Sanfter, ber aus einem großen 

Wexntt, <8ottf)oIb «Ephraim Cefflng. 3 



114 Hamburger 2Iufent^alt (?6?— (??o. 

Sanfrott einiges Permögen unb feine Cfyeaterleibenfdiaft ge* 
tätet Ijatte. €s folltc mit ber (eibigen prin3ipalfcliaft ge« 
brocken werben, um fo bie rein fflnjilerifdie €ntwicfelung ber 
Sfifjne 311 ermöglichen. Der Dichter Cötpen, beffen 5rau 
Scftaufpielerht war, würbe ber artijiifdje Ceiter, an Cefjtng 
backte man als (Eljeaterbiditer. 3tn De3ember J766 tocilte er 
in Hamburg, man unterljanbelte mit tljm unb gewann xfyn, 
3war nidjt als tEijeaterbiditer, aber als 3ourna(iften unb Hlit» 
glieb bes Ofeaterfornitees. <£s würbe ifyn ein (Se^alt t>on 
3200 Zttaxt heutigen (Selbes 3ugeftdjert; n>as er an brama* 
ttfdjen Werfen ©ollenbete, foDte er bem Hamburger Cfyeater 
3ur Perfügung {teilen. „Tbxf ber ©e^weifelten (5 alere" in ber 
„Königin ber Stäbte" f\atte er nichts mefyr 3U fudjen, in Ham- 
burg locfte U^n „auf einige 3<*fy* sin ruhiges unb angenehmes 
Ceben", barum entfdjlojj er ftdj, bem Hufe 311 folgen. Den 
IDinter blieb er nodj in Berlin, oeröffentlidjte feine „Cujtfpiele", 
aus beren 3wettem Sanbe bie „HZmna" audj als Sonberbrucf 
erfdiien, gleidjfam als Seglaubigungsfdirift, wenn es einer 
folcfyen in fjamburg andt nidjt beburft i(ätte. „XTodj jtnb mir 
in meinem {.eben alle Sefdjäftigungen fefyr gleichgültig ge* 
wefen; idj fyabe midi nie 3U einer gebrungen ober nur erboten, 
aber audj bie geringfügigjie nidjt von ber £}anb gewtefen, 
3U ber id\ midi aus einer JUrt pon präbileftton erlefen 3U fein 
glauben fonnte. <Db tdj 3ur 2lufnaijme bes Epeftgen Cljeaters 
tonfurrieren wolle? barauf war alfo leicht geantwortet. 2lHe 
SebenHidjfeiten waren nur bie: ob idj es fönne? unb wie tdj 
es am bejien fönne?" Xtun fommt bas (ßejiänbnis, er fei 
weber Sdiaufpieler nodi Dieter, feine <5öttin fei bie Kritif, 
unb biefe fyabe man nufeen wollen. „Diefe ^bee gefiel mir." 
So entßanb bie „Üjamburgifdje Dramaturgie". 2lm 22. 
2lpril J767 begannen bie DorjleHungen in Hamburg, am felben 
tEag erfdiien Cefftngs 2lnfünbigung feiner Seitfdirift, beren 
erjle brei Hummern am 8. ffiai ausgegeben würben, wäfyrenb 
bie anberen bis 3um \8. 2tugujl regelmäßig 3weimal in ber 
IDodje folgten; bann traten paufen ein, bie Stficfe würben 
3ufammen, bann ein3eln, ber Heft von 3wan3ig Stücfen crft 3U 
©(lern J769 3ugleidi mit einer 3weibänbigen (Sefamtausgabe 
©eröffentlidjt, nadjbem ftdj bie Xtadibrucfer fdjon bes Wettes 
bemächtigt unb Cefftng bie £uß benommen Ratten. 

Unb er war mit folgern Seuet an fein neues journaltfKfdies 



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„J?amlmrgtfefje Dramaturgie" \74k— *?69. ' 115 

Unternehmen gegangen, war es ifyn bodi burdjaus ftinpatfiifdi, 
galt bodi feine Steigung ben Dichtern wie ben Sdjaufpielern 
gletdi lebhaft. Ztun tjatte er „jeben Schritt 3U begleiten, ben 
bie Kunjl, fowofyl bes Diesters als bes Sdjaufpielers" tun 
wirb ; es war tljm 3war von 2lnf ang an Kar, baj} nidtf immer 
DTeifierjlücfe würben aufgeführt werben, benn er weiß, ba% bie 
Waffi feine Kleinigfeit ift unb ZITenge eorausfefet, aber er will 
bas mittelmäßige für nichts mefyr ausgeben, als es ift unb 
baran wenigjiens ben unbefriebigten Sufdjauer urteilen lehren. 
Was er in ^lusftdjt jteHte, war alfo 3nbuftion, gleich ber im 
„Caofoon" geübten. Von ber ein3elnen Ceijiung bes Drama- 
tifers wie bes DarjteDers will er ftdj 3um IDefentlidien er« 
Ijeben. „Dodj idj will bie firwartung bes publifums nidjt 
l^er jiimmen. 'Bexbe fdjaben ftdj felbß: ber 3U viel verfpridit, 
nnb ber 3U t>iel erwartet!" €s ift, als l(äüe er vorausgeahnt, 
weldje Sdjwierigfeiten er finben fottte; 3war fannte er bie 
Scftaufpieler von lange fyer, aber er tannte fte bodi nidjt ge- 
nug. €r woüte jebesmal bem Dichter wie bem Scftaufpieler 
gerecht werben. „Den einen um etwas tabeln, was ber anbere 
verfemen fyat, fteißt beibe verberben. 3enem wirb ber IHut 
benommen, unb biefer wirb jtdjer gemacht." Befonbers ber 
Scftaufpieler bürfe größte Strenge unb ttnparteilicftfeit ver- 
langen, benn bas Wett bes Dicftters bleibe, „bie Kunjt bes 
Scftaufpielers tft in iftren IDerfen tranjttorifcft. Sein <5utes 
unb Schlimmes raufcftet gleicft fd?ncH vorbei." Diefe» tranft- 
torifcfte ZTlalerei wollte er fhibteren, aber er bebacftte nicftt, 
ba% es ben Ztlimen meftr um bas raufcftenbe ficfto bes Cages 
als um bas Zlacftleben 3U tun fei, ba% fte SeifaH, mcftt Kritif 
verlangten. 

(Es waren tücfttige Künjtler beifammen, vor allem <£fftof, l 
ein ZTleijier ber Hebe, ein füftner Sieger über bie ttnvoD- 
fommenfteiten feines verwacftfenen Körpers unb feines ungünjügen 
Süßeren, ein Künfller mit tiefer 2luffaffung, wunberbarer Ge- 
walt über ftcft felbft, ber 3U wacftfen fcftien, wenn er bie Süftne 
betrat; nur wollte er meftr fpielen, als iftm lag, bilbete ficft 
mancfte HoHe ein, für bie er eben gar mcftt gefcftaffen war. 
2lber er fügte ftcft bocft wenigjiens ins finfemble, wäftrenb 
Zttabame i^enfel, ein pracfttweib mit mächtiger Ceibenfdjaft, 
fcfedner Bewegung unb großer Begabung, in iljrer Sudjt 3U 
glän3en, in ifyrem Dirtuofentum hervortreten, bie St&de be- 

8* 



1 16 Sdfaufpieler. 

fyerrfdjen »otlte; fte fprengte mitunter bas <ßan3e, inbem fte 
3U gut fpielte, wofyl aud] nnllfürlidier 2luffaffung folgte. 
Sie ließ feine Nebenbuhlerin auffommen unb, ba 2lbel Seyler, 
ber eigentliche Unternehmer, ifyr (ßalan u>ar, übte fte mit 
itpen 3ntrigen einen unheilvollen ©nfhtfc auf bas <Ban3e. 
Borchers, ber jugenbüdje JEjelb, mar eine tüchtige Kraft, 2ldfer» 
mann [teilte nodi immer feinen ZITann, Rubere, andt bie Damen, 
gruppierten ftdj um biefen Kern. Cefftng fonnte von i^nen 
lernen nnb ©erftanb es gefdficft, von ifyrer präzis bas 
IDef entließe für bie (Theorie 3U genrinnen; man benfe feiner 
Bemerfungen Aber bas Sprechen ©on Sentenzen, man benfe 
an bas Betonen bes Realismus in ber 5arat>orjleHung, XDir 
perfolgen nod? fyeute mit regem 3ntereffe biefe gelegentlichen 
£r!enntniffe unb beamnbern tefftngs (5abe, burdi ZDorte bie 
fdiaufpielerifdje Ceiftung 3U 3etdjnen. Jlber bie bamaligen 
Sdjaufpieler backten anbers über bie Kritif; eine ber Künß* 
(erinnen, bie ZTTabame ZITecour, l(aite ftdj gleich 3um Doraus 
audj nur bas firtoäfynen üjres Itamen verbeten, bie anberen 
folgten, unb fo gab Cefftng leiber mit bem fünfunb3»an3igften 
Stüdfe ben unbanfbaren Sdjaufpielern ben Caufpajj, um ftdi 
an bie Dichter allein 3U galten. IPieuiel fyat ftdj bodf feitbem 
geänbert! Die Sdiaufpieler ftnb roafyrfdieinttdi nidjt weniger 
empftnblidi als einft, aber fte muffen ftd? bie Kritif gefallen 
(äffen, bie oft ausführlicher bei i^nen als bei ben Stücfen 
©erwetlt, 

TXlan barf bei ber Beurteilung ber „Qamburgifdien Drama« 
turgte" nidjt ©ergeffen, bajj fte ftücfioeife er fernen unb gef trieben 
mürbe, wenn pdf Cefjtng audj nidjt in ber unangenehmen 
Sroangslage ber heutigen tEfyeaterreferenten befanb, nodi in 
ber Xladit ben erfien €inbruj einer 2luffüljrung feftjleDen 3U 
muffen. Dafür begleitete er toenigfiens lange geit jebe Thxf* 
füljrung mit feiner oft erft fpät folgenben Kritif. Die 
„Dramaturgie" ift fein U)erf, fonbern eine Sammlung unb als 
(Sefamtleijhmg unausgeglichen, es feljlt nidjt an Partien, bie 
meijr ben Haum füllen, als nrirfltdj förbern: 2lus3Üge, 3nljalts« 
ausgaben entlegener IDerfe, aber bas iß nebenfädjlidf. Diefe 
Seitfdjrift toav bodt eine befreienbe (tat, eine Streitfdjrift, 
bei ber es ftd] um IDefentlidjes, nidjt um bie gufäHigfeiten 
einer porübergeljenben fintreprife Ijanbelte. Das Hamburger 
tOjeater als nationales Unternehmen ging rafdi 3U (Srunbe, 



Komdbte ttnb Cragöbte. 117 

bie Dramaturgie blieb cht nationales IDerf, bemt Cefftng 
betrachtete bas beutfdje Drama, (Eragöbie mie Komöbte, 
im X}inblicf auf bie fremben ZlTufier, um 3U erfaffen, mos 
fünftig geleiftet merben muffe. Sein Slicf mar in bie gufunft 
gerichtet, mie im „Caofoon", er mar nidjt nur Kritifer im 
ljöd?flen Sintis bes XDortes, er mar Patriot, unb bie €nfc 
mtefetung feines Pottes 3U einer Station, bes beutfdjen Dramas 
3U einem XIationalbrama fdjmebte iljm als bas Siel t>or, 
inbem er 3ugleid? Reifen mollte, bas Drama fetbji weiter 3U 
bilben. Das er Hart audi bas burdjaus perfdjiebene üerfyältms, 
bas Cefftng auf ben perfdjiebenen <5ebieten ben ein3e(nen 
fremben Literaturen gegenüber einnahm. 3n ber Komöbie 
fai> Cefftng bie 5tan3ofen ben Deutfdjen meit überlegen, ein 
ZTlarfeauf , ein Destoudies mürbe pon niemanbem in Deutfdj» 
lanb erreicht; fie boten im Spielplan bes Hamburger Cljeaters 
burdj ifyre (Sra3ie unb Saune, burdj bas freie Spiel, bas aus 
bem Ceben einer großen Stabt 3U fdjöpfen permodite, bem 
Dramaturgien mefyr Gelegenheit, ftcf? mit ifynen 3U befdjäftigen, 
als ber ungleich bebeutenbere ZtToliere. <5emi§ überfdjäfete 
Cefftng bie ZlTaripauj: unb Destoudjes, aber er fonnte fte als 
ZHufter empfehlen, um bas beutfefte Cuftfpiel aus feiner Klein» 
lidjfeit 3U reinerer 5orm unb tieferem (Behalte 3U e^ietien. 
IDas er ©erlangt: bas beutfdje Cufifptel foHe national, nidjt » 
pro©in3ial fein, bas tjatte er burdj feine „JTftnna" fdjon als v 
mdglidj erliefen. 

2lnbers mar Cefftngs Stellung ber (Eragöbie gegenüber. 
€r Ijatte ftdj burd} ben fra^öftfdjen Klaffoismus Ijinburd)- 
gerungen 3U reineren Quellen, 3ur edjten 2lntife; er fyatte ftdj 
in bas Phänomen Sfyafefpeare mit Ciebe perfenft; nun fanb er nidjt 
blofc bie beutfd?en mobemen Cragöbien fcftal, fonbern audi i^r 
fran3Öftfdjes IHufter permerflidi ober bodj permirrenb. Cefftng 
befämpfte ben (ßottfdjebianifdjen <5efdjmacf, aber er ift bodj 
nur ber t onfequente 5ortfefcer ber (Bottfdjebianifdien Seftrebungen. 
Vas barf man meber perfennen nod? mißperftetjen. (ßottfdjebs 
Derbtenfte mürben fdjon geftreift (pgl. S. 60* <£s galt 3ur Seit 
feines «Eingreifens r>or allem, bie formelle Strenge burdftufüijren, 
um einen Anfang 3U madjen unb aus bem IDirrfal ^eraus3u« 
fommen; bes^alb mar ber fjinmets auf bas flaffifdje Drama 
ber 5*an3ofen gerechtfertigt unb fyeilfam. 5**ilidi aber erftarrte 
(ßottfdjeb ganj, machte feine Jortfdirttte unb mürbe emfeittg. 



118 (Segen bte ^rart3ofen. 

€s Hege jtd? ber Safe ber Cefjtngfdjen 2lnfünbigung auf iljn 
ampenben: „ZtTan I^at feinen (ßefdimaef, toenn man nur einen 
einfeitigen (Befdimadf Ijat". Der Hauptfehler (Bottfdiebs n>ar 
geroefen, bafc er nidit an bas in Deutfdilanb Dorljanbene an« 
fnüpfte, fonbern bas fran35jtfdie Drama fdileditfjin ab mujler- 
gültig anfalj unb mit Eiaut unb paaren ijerübematim, oljne 
3U fragen, ob es nadi Deutfdilanb paffe. 5o einfeitig toar 
Cefftng allerdings nidit, bei iijm ftanb neben ber äntife bas 
Silb Sljafefpeares unb ber ZHann, ber ftdj befdjeiben ben Flamen 
eines Dichters abfpradj, tpeil er nidit in notoenbigem Schaffen 
feine ZDerfe Ijerporbradjte, fonbern nur mit I}ilfe ber Kritif 
burdj pumpen unb Höijren, perlangte pom Dichter mit 2ted)t 
(Benie, angeborene Begabung, heftigen inneren (Trieb 3U bidjte* 
rifdjer Betätigung, (ßeroig mar Cefftng bidjterifdi piel ^ö^er 
peranlagt als (Bottfdjeb, trofebem fpradi er rufjig aus: „idj 
bin fein Dichter", ipäijrenb (ßottfdjeb bei pdi felbji unb bei 
einen Schülern bie leicht 3U erlernenbe TXladie bes flafföifH« 
dien Dramas fdjon für genügenb anfafy, um bas beutfdje 
Sweater 3U reformieren. Ceffing aber perljalf feine (ßöttin 
Kritif 3U einem riditigeren^SErfennen bes fran35jifdien wie bes 
griediifdjen Crauerfpiels ; ffle lehrte iljn fdjeiben 3n>ifdien ben 
v 3ufdQigen Crforberniffen ber griediifdjen Süi^ne unb ben not« 
tpenbigen ©genfdjaften einer (EragSbie) So penparf er bas 
rein formelle, toeil er es nidit für bas IDefentlidje Ijielt. 
XDidjtig erfdjien il|m bie Kaufalität im Drama, barum per» 
langte er bie ©nljeit ber fjanblung, tpäljrenb bie pielum« 
jhrittenen £int)eiten bes ©rtes unb ber Seit nur aus ber €in« 
ridjtung bes griediifdjen Sweaters folgten unb bat^er nidit not« 
wenbige Sejtanbteile bes Dramas bilbeten, er permarf fte 
tljeoretifdi unb machte jtdi über bie 2lrt luftig, in ber jtdi bie 
5ran3ofen mit il^nen abfanben. <£r befämpfte bie fdjöne Sptadie, 
ben pattjetifdjen Ders ber 5*an3ofen, nidit tpeil er ifyce Dor« 
3Üge perfannte, tpoljl aber tpeil er in iijnen eine ijemmenbe 
ieffel fall, bie jtdi auf Koflen bes 3«neren fühlbar machte. 
Die Seilet erblicfte er nidit im Stil, fonbem im übermäßigen 
Stilifteren, in ber ZITanier. £r bleibt bei 2lrtjtoteles nidit 
fielen, toeil biefer bie berühmte Autorität ifl, fonbern n>ei( er er« 
fennt, ba% 2lrijioteles aus ber antifen prajis unb biefe 
aus ber Ztatur iB^re Erfahrungen fdjSpfte, unb bies er- 
reicht er, inbem er auf ben ttrtejt 3urücfgelit, jtdi mit ben 



„Briefe anttqnariföen Jnljalts" ^768— ^69. 119 

fran3Öjtfd)cn Überfefeungen nidit begnügt- €r betont, bafj 
im Drama Cetbenfdiaften enturicfelt »erben müßten, bafc bie 
IDirfung ber Cragöbie fei: alles in uns nadigef diesen 3U 
machen. Daburdj tarn er 3ixr 5ormulierung von 5urdjt unb 
ZTlitleib, bie ftdj n>efentlidj ergäben, baburdi fam er 3ur £r- 
faffung ber „Katljarfts", ber Reinigung ber Ceibenfdjaften, 
wobei ftdj ifyn freilief] nodi nidjt bas abfdjließenbe Derftönbnis 
eröffnete. Folgerungen im ei^ehten ergaben ftd? fofort, nadi- 
bem er auf inbufttoem XDege 3ur Klarheit gefommen iß, fo 
für bas Perf}ältnis von (Cragöbie unb <ßcf djidjtc, fo gegen 
bie ZITärtYrerfrimmung ber „tragedie sainte", fo bos Perlangen 
Don menfd?lidfen, b. Ij. aus gut unb böfe gemtfdjten (Eijarafteren, 
roeil toir $urdjt unb ZTKtleib nidit mit (Engeln unb (Teufel, 
fonbern nur mit ZlTenfdien füllen fönnen. Die 2tbredjnung 
mit (Bottfdjeb, mit Doltaire, bas eintreten für \ Sljafefpeare 
jtnb berühmt geworbene ©nselfyeiten, bie aber mit bem 
(Seifie bes (Sanken 3ufammenr|ängen. 

Sidjtlidj ermübet Cefftng im taufe ber Arbeit unb rafft 
ftdi nur mitunter 3um früheren Anteil urieber auf. £r verlor 
infolge ber unliebfamen Derljältniffe am Hamburger I^eater 
unb bes Xladibvuds aDmäijtidf bie Cufi. Das Unternehmen 
Franfte im tieften Kern, es ging abw&xts, bas publifom blieb 
aus, bie Sdjaufpieler waren burdj Kabalen serriffen, ber 
fdtfne (Eraum war 3U €nbe: „Ober ben gutfyer3igen ChtfaO, 
ben Deutfdjen ein Ztationalt^eater 3U ©erfdiaffen, ba toir 
Deutfdje nodj feine Nation finb! 3dl rebe nidjt ©on ber 
politifdjen Derfaffung, fonbern bloß ©on bem ftttlidien Cljarafter. 
5a jl follte man fagen, biefer fei: feinen eigenen r^aben 3U 
wollen". Diefe mißmutigen unb mutlofen ZDorte fprad? Cef fing 
3um 2Ibfdjieb aus. Bejtgmert fyattz er ftdi fdion früher unb 
in neuerlicher Beschäftigung mit ardiäologifdjen Dingen ftdj 
3u erfrifdien gef udjt. Die 2(ufnaE}me bes „Caofoon" lieg, was 
Cob unb 2lnerfennung betrifft, nichts 3U wünfeben übrig, aber 
Cefftng permigte tieferes «Eingeben unb nadjfdjaffenbe Kritif; 
por allem ärgerte iljn bie unwahre fc^iUernbe litt bes fjaQenfer 
Philologen, (5ei{eimberat Klofe, unb balb ftaf er tief in ben 
Klofeifdjen üjänbeln, bie fogar fdjon in ben Sdjluf} ber ^am« 
burgifdjen Dramaturgie fyineinflingen. 3m 3aljre J768 erfdjien 
ber erfle, J769 ber 3weite Ceil feiner „Briefe antiquarifdjen 
3nljalts // , einer Kampffdjrift oon dfytlidier Caune unb nodj 



1 



120 (EftrifKan tfbolf Kiofc. 

größerer IDicfttigfeit als bas „üabemecum". Statte Cefftng 
im pajlor fange bas gelehrte }3anaufentum getroffen, einen 
jener Vertreter geifilofer XDiffenfdjaffp ' bie, oöff" allen IHufen 
perlaffen, trofebem einen Dichter 3um (ßegenjtanb ifyrer €£peri* 
mente machen, fo traf er in Klofe ben (Begenfafe ba3u: bas 
fofette, flüchtig unreblidje (Sele^rttun. Klofe fucfyte por allem 
311 glasen unb 3U perblüffen, er ©ertrat bie fogenannte 
gefdjmacfpolle Sdjongeijiigfeit, bie, nirgenbs grünblid?, bocfy 
über alles tfinfyufcbfc Cefjtng Itatte fxd\ mit bem größten 
fiufolg bemüht, in fdjöner, gra3iöfer Sovm 3U fagen, a>as er 
portrug, aber als efyrlidjer $orfdjer fyatte er 3uer(i forgfältig 
geprüft unb unterfudjt, elje er fdjrieb. Darum toar xfyn ein 
gefcfyma cf lof er pebant vok £ange mefjr t omifdj, ein großtuerifdjer 
Scfytpäfeer tpie Klofe bire!t roiberlidi; jenem gegenüber fonnte 
er fidj mit 3*onie begnügen unb fein XDerf einfadj lädierlicfy 
machen, einem Klofe gegenüber füllte er fittlidie £ntrü{tung 
unb branbmarfte barum beffen jeben ettjifdien Kern, jebe 
2ld?tung por tpatjrer IDiffenfcftaft ermangelnbes Sdieintpefen. 
Ceffing ging aus von einer Schrift Klofeens über bie 
gefdjnittenen Steine, erEjob jtdj aber balb 3U einer Verurteilung 
bes gan3en ZITannes unb befe^bete nicftt fo fefyr bas etn3e(ne 
x 3nbipibuum, als ^en tEypus bes leichtfertigen Strebers, bem 
/ es um ben 2lnfyang 3U tun ifl, nicfyt um bie tt>a^rB^eit. Diefe 
Briefe ftnb glän3enb; großartige Silber, föjHidje fomifdje 
IDenbungen, geijtreidje (Einfälle, brillante Ausfälle, blenbenber 
Stil 3eid?nen bie Streitfdjrift mefyr als jebe anbere pon Cefjtng 
aus. ZtTeijt befyanbelt er ben (Segner mit einer 2lrt grimmen 
Behagens, bann aber fdjlägt er tpieber Cöne tiefer (iEntrüjlung 
an, 3um Beifpiel bas berühmte breimalige: „€s ifi nidjt rpafyr" 
bes 5. Briefes, ober er jteigert feine Hebe 3U einem 
broütgen patfyos nrie bas nictjt toeniger berühmte: „© Cogif 
unb alle neue ZHufen" bes 9« Briefes. 21usge3eidinet per» 
ftefyt er es 3U überrafcfyen, tpenn er ehpa ruft (\2. Brief): 
,,^err Klofe ijl ber <£rfie, ber biefes fagt — unb aud? ber 
Cefete, ^off* idj", ober: „unb u>ie piele meinen Sie, ba% er . . . 
anführt? 3" 2lHem, Summa Summarum, richtig gerechnet — 
einen" ober befonbers ber Schluß bes 53. Briefes unb ber 
Beginn bes 5^., ipo Klofe aufgeforbert toirb, Cefjtngs 7>anl* 
fdjreiben für bie glän3enbe He3enfton Por3ulegen, unb bann bie 
21ufflärung, ^a% Cefjtng überhaupt nidjt gebanft ijabe. Bleibenb 



„Wie bie eilten ben (Eob gebifoct" ^69. 121 

ijt bie ttnterfdjetbung oon Kritif unb pasquitt ober bie Conleiter, 
für ben Kunftridjter (x>gl. oben 5. 5^): „(ßelinbe unb fdjmeidielnb* 
gegen ben Anfänger; mit Benmnberung 3n>eifelnb, mit Zweifel 
bemunbernb gegen ben DTeijler; abfdjrecfenb unb pojttip gegen 
ben Stümper; fySfynifdj gegen ben praller unb fo bitter als 
möglich gegen ben Kabalenrnadjer". Über jtdj felbji aber 
fdjreibt Cefjtng bie ergreifenben tt>orte: ,,3d} bin waijrltd? 
nur eine Znfitjle unb fein Hiefe. Va jleije idi auf meinem 
Piafee, gan3 außer bem Voxfe, auf einem Sanbfyügel allein 
unb fomme 3U Jfliemanben unb fyelfe Ztiemanben unb laffe mir 
von Ztiemanben Reifen. Wenn idi meinen Steinen etwas auf* 
3ufd]ütten fyabe, fo matfle tdj es ob, es mag fein, mit n>eld?em 
IDinbe es «riß. Title 3toeiunbbreijjig IDinbe ftnb meine 5teunbe. 
Von bet gan3en toeiten 2ttmofptjäre verlange idi nidjt einen 
5ingerbreit meijr, als gerabe meine 51ügel 3U iljrem Umlaufe 
brauchen. Ztur biefen Umlauf laffe man itjnen frei, ZHücfen 
Knnen ba3u>tfdien ijin fdjioärmen; aber muttoiQige Suben 
muffen nidjt alle 21ugenblicfe ftdj barunter burdj jagen wollen; 
nodj weniger muß fte eine fjanb Ijemmen wollen, bie nidjt 
fiärfer ijl als ber IDinb, ber midi umtreibt. Wen meine 
5lügel mit in bie Cuft fdjleubem, ber Ijat es ftdi felbji 3U- 
3uf treiben; and} tann idi iljn nidjt fanfter nieberfefeen, als er 
fällt". 

Die Briefe bringen 3um Ceil £rgän3ungen, 3um Ceil 
Crflärungen unb ©nfdjränfungen 3um „Caofoon" unb werben 
burdj einen ©erfStjnenben 2lfforb oon umnberfamer Klarheit 
ergäbt, burdj bie audi aus bem XDiberftreit gegen Klofe I^er- 
porgewadifene fdjöne Heine Stubie (J769): „Wie bie Otiten 
ben VI ob gebilbet". 211s Zttotto ber Safe: „Keinem erfdjeint 
biefes 23ilb traurig", im 3nljalt ber Zladixvexs, bajj bie 2tn» 
tife ben Cob als SnriHingsbruber bes Sdjlafes, nidjt als 
(ßerippe barftetlte, ba% bie auf antifen Denfmälern begegnenben 
(ßerippe nur „krvae" ((ßefpenjler) feien. 3>iefe Sdirift erregte bas 
allgemeine <£nt3Ücfen, wie uns (ßoetfje be3eugt, aber audi 
Sd?iHer in befannten Derfen feiner „(Sötter (Briedienlanbs". 
Vie „Briefe" follten fortgefefet »erben, Sfi33en 3U nodi weiteren 
oie^ig ftnb erhalten, bodi lieg Cefjing bie 2trbeit liegen, er 
ijatte genug Dorn „Klofeianismus". 

Das 3afyr3efytt \76? bis J777 3eigt uns in Cefjtngs J 
ieben ben merfwürbigen pro3eß aümäljlidjen Sidieinfpinnens. ^ 



l 



122 Hamburger Derfefyr. 

„Der freie Dogel auf bem Dadje", tote er ftdi felbjt nannte, 
fam bodj in bie 3<*fy*/ &<* es mit ^ >em forglofen Umtje^ieljen 
nidjt me^r gei^t toie früher, ba ftdi ber §ug jur Sefföaftigfeit 
regt. Cefftng näherte ftd? ben Diesig, audj an tfyn trat bie 
5rage fyeran, bie fdjon fo t>ie(e ZTlenfdien mit bebenben Cippen 
ausgefprodien fyaben: n>as ifl (Blfidf? Ceffings Stellung in 
Hamburg an einem 3wjlitute, bas fo redtf bie Unruhe reprä« 
fentiert, befanb pd? von Anfang an in einem auffaüenben 
(Begenfafte 3U feinem prbaten Ceben; er nafyn IDofynung bei 
einem fdjrtftfietlernben Kaufmann, Kommifftonsrat Sdjmibt, trat 
in Derbinbung mit einer traulichen £}Aus(idifeit unb tarn in 
Derfeijr mit einer Betfye von Kaufmannsfamilien, unter benen 
befonbers bie eines Setbenfabrifanten König ©on fyödifier 33e* 
beutung für ifyn mürbe, ZtTit Sobe, einem ausge3etdpteten 
Überfefeer aus bem fingltfdjen unb Spanifdjen, Blatte ftd? Cefftng in 
ein gefdjäftlidjes Unternehmen eingeladen, eine Drucferei, bie 
audi Perlag übernehmen foQte; bie Dramaturgie tourbe fyier ge« 
brucft unb eine große ^citfdjrift „Deutfdjes ZlTufeum", für bas 
(ßerjlenberg feinen „ttgolino", Klopfiocf, gadjariae unb anbere 
neue IDerfe beijieuern toollten, toar geplant. ©ijne (5efdjäfts- 
fenntnis, ofyne einen fo erfahrenen 5reunb rrte Nicolai aud? 
nur um Rat 3U w fragen, würbe ©erfdjiebenes unternommen: 
bie 5oIge roaren Srger, Derlufie, unliebfame Seifen unb, u>ot>on 
tdj Cefftng faum meljr erholen fomtte, Sdjulben. lüieber be» 
djäftigten ifyn allerlei plane, toieber, befonbers nadj WxndeU 
manns furchtbarem &nbt, taudjte bas italienifdje projeft auf, 
aber immer fdjob er bie 21breife toeiter hinaus. £r lernte 
Klopftod fennen, trat in Be3iefyung 3U Claubius, ©erlebte 
fyerrlidje tEage mit bem geififprüfyenben fjerber unb gewann 
in ÖraunfdjtDeig 5*«unbe, oor allem ben feinftnnigen €bert, 
ber es ftdj 3ur Aufgabe fefete, Cefftng für Sraunfdjtoeig 3U 
gewinnen. Die leitenben Kretfe bes Canbes, befonbers ber 
<£rbprin3, würben auf Cefftng aufmerffam gemacht, unb fo fam 
es 3U einem ehrenvollen Antrag bes Sibliot^efarpofiens in 
tt>olf enbüttel fdion im ©f tober \76<). Cefftng nafyn an, bann 
aber 3Ögerte er, 3um erften ZITale in feinem Ceben unentfdjtoffen. 
Vas Sangen x>or bem Perlufie feiner 5teüjeit, bie 21ngft t>or 
ber Meinen Stabt t am meijten aber fein Perwadjfen mit Ham- 
burg erfdjwerten üjm ben ZDedjfel. Sein 5*eunb König ijatte 
mit al|nungsfd}u>eren (Befüllen eine <Sefd)äftsreife angetreten unb 



3n tDolfenbfittel \i7o—\78\. 123 

Cefftng, beut paten feines jüngften Sofynes, bie Sorge für bie 
5atmlie übertragen, wenn üjm ettpas sujioßen foHte. 3m 
3anuar J770 erlag er in Denebig einer pldfelidjen Kr anfielt 
nnb feine Ö?itwe £oa König fyatte nun bie fdjwere Aufgabe, 
bie weitausgebefjnten, perwicfelten (ßefdjäfte 311 orbnen. Crcu 
fianb i^r Cefftng 3ur Seite, per3dgerte feine 2lbretfe bis über 
mitte 2lpril J770, bann aber mußte er bem Drängen ber 
Sraunfdjweiger folgen unb ftdj im füllen XDolfenbüttel be- 
graben. 

£s war ein fdjneibenber Kontraft 3wifdjen ber reichen 
großen Ijanbelsfiabt unb bem oerlaffenen CanbfWbtdien, 
feftneibenber als 3wifdien 5*anffurt nnb XDeimar, bie fünf 3afy* 
fpäter <5oett}e miteinanber pertauf d}te; einmal übertraf £}am* 
bürg burdj bie ZWfye ber See unb ben mächtigen Qanbel an 
uniperfeHem (Beiße jranffurt bebeutenb, bann aber reichte bie 
perlaffene Heftben3 ZDolfenbüttel mit ifyrer fleinltdjen Bepdlferung 
an ben aufblühenden Sife eines jungen ftrebfamen Qerrfdjers 
nidjt ijeran. (ßoettfe geriet in ein reges £}ofleben mit all feiner 
Unruhe unb ben mannigfaltigen Stufgaben, Cefftng in ein gott- 
perlaffenes ZTeft, wo fein einiger Umgang bie aUerbings über« 
aus reichen Sdtäi^e ber Bibliotfyef waren; wollte er ffienfdien 
fe^en, bann mußte er nadi Sraunfdjweig eilen, wo ifyx bie 
5reunbe freilidj fiets mit offenen 2trmen aufnahmen unb er ftd) 
balb ein fejles 2tbfieigequartier einrichtete, wo ifyn aber trofe- 
bem fetjr pieles fehlte. Die Sibliotljef fonnte für manches 
entfdjäbigen unb Cefftng war pon 3**genb auf ein Büdjerfreunb 
gewefen, ifym Ratten bie Werfe Seelen unb portrefflid] perjianb 
er es, fte 3um Sprechen 3U bringen. 2lm ^. ZtTai J770 traf 
er in ODolfenbüttel ein, übernahm brei läge barauf bas ifym 
unterfie^enbe 3nfKtut unb befdjäftigte ftdj fofort mit beffen 
Sdjäfeen; nodj in bemfelben 3^** perSffentlidjte er 3U Braun« 
fdjweig ben (Eraftat über bas 2tbenbmal|( r>on Serengar ius 
Curonenjts, beffen ZtTanuffript er in ber Sibliotfyef aufgefunben 
tjatte, J77J folgten bie (ßebidtfe bes 2lnbreas Scultetus unb 
3eigten Cefftngs alte Xteigung, ben Dichtern bes fteb3etjnten 
3afyrfyunberts feine pfylologenarbeit 3U3Uwenben. 

Tfbev Sraunfdjweig befaß eine gute Süfyne; gewiß 
backten ftdi bie Sraunfdjweiger ben angefefyenen Dichter nidjt 
bloß als Sibliotljefar in XDolfenbüttel. 3" Hamburg fyatte er 
nidjt, wie man erwarten mußte, ein neues Drama podenbet; 



124 „(EmlUa (Salottt" *772. 

atterbings förberte er verfdjiebene ältere plane, arbeitete an 
feinen 3wei 5<nififaffungen, machte &en Derfudj, ben weitge- 
wanberten Stoff von ber trofHofen JPitwe, bie ifyrem TXlanne 
nad?jterben will unb balb barauf fogar b^n Ceicftnam opfert, 
um einen neuen Ctebfyaber 3U retten, in einem Cujtfpiel „Die 
y ZlXatrone oon fipijefos" 3U neuem Ceben 3U erwecfen, fdjrieb 
fein Cujtfpiel „Der Sdjlaftrunf", bas aus einer berliner 
IDette hervorgegangen war unb einen 3erjhreuten Kaufmann 
burdi einen Sdjlaftrunf, tijm unb bm Seinen 3um J^eil, einen 
pro3e§ verlieren laffen follte; bavon waren in 8obe»Ceffmgs 
Drudferei brei Sogen fogar 3weimal gebrucft u>orben, bod? 
ging bas IDeitere verloren unb I^ätte ben Dramatiker wofyl 
audj von feiner neuen Seite ge3eigt. Den Ceip3iger plan, ben 
fdjon ber „junge Cragicus" für Xltcolais preisausfdjreibung 
tfatte beljanbeln wollen, bie „bürgerliche" Dirginia, nafyn er 
wteber vor unb gejialtete bie ältere breiaftige Bearbeitung 3U 
einer fünfaftigen um, ofyte mit iEjr fd?on in fjamburg gan3 
3ured]t 3U fommen. TXun verfpradi er biefe feine „€milta 
(ßalotti" bem Sraunfdjroeiger Ctjeaterbireftor Döbbelin, gab 
fie iljm wirHidj, aber mit fe^lenbem Sdjlug, 3U bem er jtdi 
nidjt entfdjliefjen fonnte. Die 2tuffüfyrung war bereits für ben 
(ßeburtstag ber J^er3ogin, b^n \3. Vflävi, bejiimmt, bodi Cef fing 
3Ögerte nod? immer mit bem Slbfcfylufj; erjt bie Drohung, man 
würbe einen foldjen in Sraunfdjwetg felbflänbig madjen, foH 
Cefftng enblid? bewogen Ijaben, am \. Vfläti \712 ben Schlug 
an Döbbelin ab3ufenben unb bie 2luffüljrung am J3. 3U er* 
möglichen, ber er ebenfotvenig als b^n IDieberljolungen bei- 
wohnte. Der (Erfolg war überrafdjenb günflig, obwohl 
Döbbelins (Cruppe nidjt auf ber fjöfye jianb; fogleidi aber 
3ifdjelte man in Sraunfdjweig, Cefftng fyabe bie gufiänbc bes 
Ijofes im Sinne gehabt, ber prht3 von (ßuajlaDa fei ber €rb* 
prin3 unb ©rftna bie fd?öne, audi von <5oetI|e bewunberte 
Sranconi. Das war Heinlidier Klatfd?, bem Cef fing am bejlen 
begegnete, inbem er ein (Exemplar bes StiXdes an ben (Erb- 
prin3en gelangen lieg, Ijettore <5on3agas, ZJlarinellis unb 
©rftnas gab es mit verfdjiebenen 2lbjhifungen bamals nidjt 
nur in <5uajlaHa unb Sraunfdjweig, alle bie un3äfyligen 
Meinen üjöfe Ratten ifyre chronique scandaleuse unb man er« 
fdjraf audi „vor einem Keinen Derbrecfyen nidft. Ztur . . ♦ muß 
es ein Meines jiilles Derbredjen, ein Meines fyeilfames Der* 



Das pfydfologtfdje problem. 125 

brechen fem". £s waren traurige, leiber typifcfye Derfyältniffe, 
bie Cefjtng befyanbelte. Was es aber nidjt gab, waren bie 
©boarbos: „fifyebem woljl gab es einen Dater, ber, feine 
Coditer pon ber Sdjcmbe 311 retten, ifyr ben erjien ben befien 
Sta^I in bas £{er3 fünfte — iljr 3um 3weiten ZHale bas Ceben 
gab. 2tber aQe folcfce tEaten fmb von efyebeml Solcher Pater 
gibt es (eine metjr". (Serabe bas jebodj rei3te £efftng am alten 
Stoffe. „<£r Ijat geglaubt, bag bas Sdjicffal einer tEoditer, 
bie von üjrem Dater umgebracht wirb, bem ifyre Cugenb 
werter tft als ifyc £eben, für ßdj fdjon tragtfdj genug unb 
fdt)ig genug fei, bie gan3e Seele 3U erfdjüttem, wenn aueft 
gleich lein Umftur3 ber gan3en Staatsperfaffung barauf folgte". 
€r perfudjte, vielleicht pon Diberot bejiimmt, ben Stoff ponr 
alle bem ab3ulöfen, was ifyt für ben gan3en Staat von 3nter- 
effe machte; bas menfdjlidie, nid?t bas politifdje TXlotiv trieb 
iljn 3ur Sefyanblung. "* 

„Das Sdjicffal einer (Eodfter, bie pon ttjrem Dater um* 
gebracht wirb, bem \fyce Cugenb werter ift als iljr Ceben", Ijat 
Cef fing tragifdj bar3ujleKen gefudjt; ifym feft webte alfo ein 
pfycftologif cfye§ „ 5i*l *>or, bas in ber 7. S3ene bes 5. 2lfts er* 
retdjt wirb, $urdjt unb DTitleib muffen pon bem Derfjältnis 
3wifcften Dater unb tEodjter ausgeben, auf bas alle £>3enen 
als auf ifyren f}öljepunft Einarbeiten. ZDoUle Cefjtng biefes 
Siel erreichen, bann galt es natürlich por allem, bie pfvcfcolo« 
gifdje £ntwicfe(ung bes Daters unb ber (Eod}ter fo por3u* 
führen, bamit bie entfdjeibenbe Cat begrünbet unb menfdilicfi 
faßbar wirb. Hun behaupten bie Kritifer entweber, Cefftng 
\\cbe biefe poetifdje Aufgabe nid?t gclöfi, ober fte fagen, er 
Ijabe bas <5an$e 3U fefyr (onfhruiert, unb Ceffing felbft be- 
hauptete ja, er muffe alles mit Pumpen unb Höfjren aus jtd? 
fdiöpfen, es quelle mdjt lebenbig wie beim (Seme aus ifyn. 
(ßewiß iiat bas Sewugtfein an ber Arbeit einen fiarfen Tln* 
teil, gerabe bem bewujjt probu3ierenben gegenüber wirb man 
pon ben 2lbjtd}ten fpredjen muffen, nur barf man ntdjt per« 
geffen, bajj Cef fing 3war nidjt naip, aber immerhin als Dichter 
fdjuf, ba$ 2lbjtcftt waltet, aber Kunftabftdjt. €r griff ein 
Problem auf, bas itpn bie <5efditdjte bot, entfleibete es aller 
fyijiorifdjen gufäüigfeiten, fteQte ben menfdjlidien Kern heraus 
unb tat baburdf einen Schritt in ber €ntwicfe(ung ber beutfdjen 
Cragdbie porwärts, beffen IDidjttgf eit nid?t perfannt werben barf. 



V 



126 Die f}tfätortfd?e tfnefbote. 

<£r ergebt bie Ijiftorifdie 2lnefbote 3U einem ffinfMerifcfcen ZTCottP, 
bos 3ug(etd) weite faiale perfpeftipen eröffnete. Diefer pro3eß 
perrät, tote t>iel tiefer Cefftng bas ZDefen ber (Eragöbte auf« 
faßte als feine mobernen Vorgänger, felbft als bie fran35ftfdien 
Klafftfer, unb ba% er aud? bas Derljältnis von (Eragöbie unb 
(Sefdiidtfe richtiger unb tiefftnniger erfannte, als man bem 
bloßen IDortlaute ber „Dramaturgie" nadi glauben fSnnte. 
3n biefem Crfdjauen b^s IDefentlidjen fieeft bas Kemt3eidien 
b^s wahren poeten, ber bann aüerbings bei ber wirflidjen 
2lusfüfyrung feines planes bewußter vorging, als bie Drama« 
titer, bie auf feinen Schultern fielen. 2lber er gab nod\ mefyr, 
er feftuf als (träger feiner Stanbltmg feineswegs bloße Kon« 
fhruftionen, fonbern eigenartige, faßbare unb perfiänblicfoe 
Itlenfc^en, beren XDefen nidjt burdi einfache 5ormeln ausge« 
brücft werben famt. 

2lus ber <5efd)id}te behielt Ceffhtg bas Verhältnis ber 
perfonen 3U einanber im gan3en bei; an bie Stelle bes De« 
3emi>irs 2lppius Claubtus trat ein moberner unfyifiorifcijer prin3 
fjettore <£>onsaga von (BuaftaHa, Virginias würbe 311m ©berfien 
©boarbo (Balotti, Virginia 3ur fimilta, ttjr Bräutigam 3ctlius 
3um (Srafen 2lppiani, ber Klient, beffen fidi Claubius bebient, 
3um Kammerl)errn ZTlarinelli. (Sani neu fdjaffen mußte Cefftng 
bie weibliche Qauptftgur, benn bie Virginia ber Ejtftorie bleibt 
unperfSnlidj, eine Sa&i*, um bie gejhritten wirb, pou üjren 
(Befüllen, pon tfyrem Anteil an ben £reigniffen ifl feine Hebe. 
2lber audi bie anbeten perfonen fonnte er nidtf einfach fyer« 
übernehmen. Uppxus (tlaubius entfpradj bem tLypvis jener 
graufamen Cyrannen, bie 3. 3. im fdjleftfdjen Drama fo gerne 
gefdiilbert würben; nun fyatte jebodi Cefftng in ber „Drama« 
turgie" aus ber Ojeorie, wie ans ber prajis ber beften tEra« 
gifer gefolgert, bajß wir ZTCenfdien, niefet (Eeufel im Drama 
fefyen follten, bal)er mußte ber (Oaubius im Qettore umgebilbet 
erfdjeinen. 2lnbererfeits ijatte ftd) Cefftng audj gegen bie Vor« 
fü^rung pon fingein ausgefprodjen, barum mußte bie Dir« 
gmia«£mi(ia gleichfalls in bie menfdjlidie Sphäre gerücft 
werben. (Bemifc^te (Eljaraftere perlangt bas Drama, barum 
milbert Ceffing bie Claubiusnatur, perlest ifyr menfdiltd] faß« 
bare, freunblidjere, por allem liebenswürbigere <§üge, barum 
gibt er ber Virginia einen ©nfdjlag pon menfd?lidjer Sdiwäd?e, 
eine Seite b^s 5et}lenfönnens. Cetbenfdjaften Ijatte Cefftng für 



<Emilta ttnb ber prinj. 127 

bas Drama gefordert, Entwicklung ber Cfyaraftere war ifyn 
als wefentlidi erfcfyienen, bas fefet er nun in bie Cat um. 

Ccfftrtg badtfe ftdj bie Cmilia naef? feinem eigenen ttttnf 
als ein junges, natürliches unb naives ZHäbdjen; unerfahren, 
unbetannt mit bem tEon ber <5alanterie, aufgelaufen in 
Höjierlid?er 3urüdge3ogenI|eit neben einem leid?t aufbraufenben 
Pater nnb einer fcfywadien, etwas eitlen UTutter tft pe bie Braut 
bes (Srafen 2fppiani geworben, olme ba% babei bie Ceiben* 
fdjaft mitgefprodien fyabm fann. 2lppiani, ein burdjaus 
forrefter, ehrenwerter junger UTann poD pttlidjen fernfies unb 
Prenger (Srunbfäfee pel|t ifyr nal)e wie ein älterer Sruber 
ober ein pertrauter jjugenbgefptele, gemeffen wie er felbft ift 
ifyr Perljältnis. £milia fyegt ein (Befühl leibenfdjaftslofen <ßut- 
feins für ilm, bas aber nidjt in bie (tiefen eines weiblichen 
£jer3ens bringt. Sie würbe feine forrefte, woljl audf glücf* 
tiefte 5tau werben, wenn iftr nidjt ber Prin3 in ben Weg träte. 
Diefem ©erlief Cefjlng einen Soften (ßrab perföntiefter Ciebens* 
würbigfeit unb ent3Ücfenber 2lnmut; feftr jung, perwölmt burdi 
eine Umgebung, perftätfcftelt pon gefälligen XDeibern, ange« 
ault nnb teicfttpnnig, aber nidtf gan3 perberbt, §at er etwas 
5af3inierenbes, bas jeben Einreißt, fogar in einem entfefteiben- 
ben 2lugenblicf (V, 5) ©boarbo. 1)iefer be3aubembe UTann 
tritt ber unerfahrenen (Jhnilia gegenüber unb ent3Ücft pdi an 
iftrem ZDefen, unterhält pdi lange mit tftr, be3aubert von iftrer 
ZHunterfeit unb iljrem IDife, bajj fogar ZUama Claubia $euer 
unb 51<tmme ifl nnb auefj (Jhnilia nidjt gan3 gleichgültig bleiben 
lann. (Ein iftr bisher unbefanntes (Sefüftl wirb burdj itm 
hervorgerufen, iftre (Bleidjmäjjigfeit nnb Hüfte ftnb baftm, pe 
wirb bureft it^n gegen iftren U)iHen erregt, fann tftm nfcftt ent- 
gegentreten, wie pe mScftte. H>as in iBjr noeft fcftlummert unb 
bureft tftre Verlobung nieftt geweeft war, iftr XDeibemppnben, 
feftlägt bie 21ugen auf unb bas erfeftreeft pe. Weit bapon entfernt, 
ben prin3en 3U lieben, I|a§t, perabfefteut pe ittn pielmeftr, aber 
gleichgültig ip er iftr nieftt. Die frembe Ceibenfcftaft, bie iftr 
fogar an geweifter Stätte ins ©ftr flüpert, ent$&nbet aueft in 
iftr ein leibenfcftaftlicftes 5üftlen unb entbeeft iftr eine <5ewalt 
in iftrem eigenen 3nnem, bie pe bisher nieftt afyxte» Unter 
ben feigen, faum perpanbenen IDorten bes prüfen reift bas 
unerfahrene UTäbcften 3um IPeib nnb bebt im erpen 2tugen« 
blief por pdi felbp 3urü(J. Ceiber Ijat CefPng in feiner 



v 



12& Der prtn3 nnb (D&oarbo. 

bramatifdjen Kurse einen bebeutenben (Eeil pon Cmilias Grit* 
xvxd elung nur afyten laffen unb hinter bie 53ene perlegt, audj 
pon ber entfdjeibenben Unterredung 3roifdien bem prüfen unb 
<£milia (III, 5) nur ^rx Seginn porgefüljrt; roenn fte (V, 7) 
nrieber auftritt, muffen roir aus ber Peränberung äpes XDefens 
auf bas 3urücffdiließen, roas fte erlebt rjat. jfö* gingen 
poäenbs bie 2lugen auf über bie Seftie im ZTtenfdien, über bie 
unbewußten Strömungen ifyres 3nnern. „3cft Ijabe Blut . . . 
fo jugenblidjes, fo warmes Blut als eine. 2ludj meine Sinne 
ftnb Sinne." Vas ift iljr Har gerporben; nidit x>or ber rotten 
(ßeroalt bangt fte: „Derfüfyrung ift bie roarjre <ßen>alt". Vas 
ftörjnt in ber großen S3ene mit ifyrem Pater itjr gepreßtes 
^er3; eigentlich pom Ceben fefton losgelöfi, fpridjt fte offen 
als XDeib, nidit als 3agfyaftes 2Tläbcr}en. Sie füljlt ftdj 
fdjulbig*; fdjon bei bem §ufammentreffen in ber Kirche glaubt 
te burdj xfyc Benehmen bes prin3en ZTtitfdiulbige geroorben 3U 
ein unb jefet nodi melfr. Sie roeiß, was ifyr beporfleijt, pe 
ift nidit blinb geroefen unb fyat als XDeib rafdj begriffen, 
roas irjr brorjt, barum erferjnt fte berx (Cob, benn „XTidjts 
Schlimmeres 3U Permeiben, fprangen Caufenbe in bie jfluten 
unb ftnb Qeiligel" Diefer Übergang ifi perflänblidj, natürlich, 
es fragt ftdi nur, ob Cefftng nidit beffer ^avarx getan rjätte, 
t>^rx prin3en feine Derfüljrungsfünfte (Emiita gegenüber 
por unferen 2tugen fpielen $u laffen? Vas t|ätte jebodi roarjr* 
fdieinltdj anbere <£inroenbungen hervorgerufen unb barum per* 
fiel er auf einen <£rfafe, ber nur roieber pielleidjt 3U fein, 3U 
tpenig augenfällig ifi: er 3eigte (V, 5) bie tjinretßenbe per» 
füijrerifdie Ciebensrpürbigfeit ^es prin$en bem alten ©boarbo 
gegenüber; roenn fdjon biefer, im Segriff, b^rx prht3en allein 
ober xfyx unb ZTtarinelti mit bem Dolche 3U burdjboljren, ftdi 
burdi tpenige XDorte b^s pri^en umftimmen läßt, roie piel ge- 
fäljrlidier muß bie tage bes jungen ZlTäbdjens fein! 2)urdi 
biefen Kunftgriff fudjte Cefftng audj bie <Eat ©boarbos tpaljr- 
fdjeinlidj 3U machen, bie Cötung ber (Eoditer ftatt ^cs ffiorbes 
am prin3en 3U begrünben; bas roar ja ber 21usgangspunft 
^s gan3en planes, roar bie 2tufgabe, bie ftdi Cefftng gefteQt 
fyatte. £s mußte iljm barauf anfommen, alle ZDege 3U per« 
rammeln, bie aus bem XDirrfal Ratten herausführen fönnen, 
unb bie furchtbare 1Lat als ben alleinigen 21usroeg roaffrfcfjem- 
lidi 3U machen. Da3U bebient ftdi Cefftng ber (BrAftn (Drfhta, 



Die Katafftopfje. 129 

bte er nidjt fofort, fonbern erft Bei ber Überarbeitung in ber ■ 
jefeigen (Beftalt verwertete. Sie [teilt bem Dater bie Cage bar, 
tote fte bem Unbeteiligten erfdieinen wirb, unb erregt wenigftens 
sorübergefyenb feine gweifel an ber ttnfdjulb fimilias. 
i Das Drama gipfelt in ber 53ene 3wifdjen Dater unb 
<Eod)ter; jener muß erfahren, rote es um fte ftefyt, ob fte beffen 
u>ert ift, was er für fte tun will. Zinn prüft er fte; troefen 
fagt er ifyr, bag 2lppiam tot fei. fimtlia erwibert: „ttnb 
warum er tot iftl IDaruml" Sie ffityt ftdj fdjulbig an feinem 
(Eobe, benn ifyc Veralten fyat bie verwerflichen IDünfdie bes 
prt^en nicfyt unterbrücft, barum, nur barum ift ber (Braf tot 
Zinn teilt iljr ©boarbo mit, bag fte allein in ber (Sewalt bes 
pri^en bleiben foQ, ba brauft fte auf, ifyre Huije ift verflogen: 
„Ceiben, was man nidtf fotlte? Dulben, was man mdjt 
bürfte?" Daran erfennt er, bag fimilia mit ben 2lnfdjlägen 
bes prin3en unb ZTlarineQis nichts gemein Ijabe, audj feine 
Ceibenfdjaft ent3Ünbet ftdj, er gefte^t, bag er tüütenb über bie 
Zliebertradjt, im Segriff gewefen fei, einem pon Beiben ober 
Seiben bas Stets 3U burdjbofyren. Zlun bettelt fimtlia um ben 
Doldi, fte Bertolt nidtf, bag fte ftdj vor ben bunflen <5ewalten 
ttpes 3nnern fürchtet, fyienieben gibt es feine Hettung 
mefyr, ber Dater felbft tonnte an tfp 3toeifeIn, £mi(ia verab- 
fdjeut ftd) felbft wegen tfyrer Sdiwädie unb will ftdj titen; 
biefe Sünbe nimmt iB^r ber Dater nad\ ifprer rü^renben 
ZHafymmg an ben alten Dirginius ab, burdiftidjt fte unb liefert 
ftdi ber (ßeredjtigfeit aus, ben pri^en oor ben ewigen Hinter 
forbernb. So Ijat Cefftng bas Znöglidjfte getan, um ber 
fyiftorifdien Slnefbote biditerifcfje IDa^r^eit 311 verteilten, aber 
wenn aud? unfer Derftanb über3eugt wirb, folgt unfer (Befühl 
nidjt willig, unb barum u>irft ber Schlug bes Dramas erfältenb. 
gwar gefyen bie eigentlich Sdjulbigen, ber prin3 unb ZHartneHi, 
feineswegs ftraflos aus, benn Cefftng fyat angebeutet, bag für 
ben prin3en bie Ciebe 3U <£mitia Hettung aus bem Derberben ^ 
bebeaten fönnte, bag er ftdi befter werben füllte, nun ift i^m 
fein 3beal entriften, bodj rafft er ftd? auf, weift ZTfarinelli von 
pdf unb lägt fvmboltfdi baburdj afyten, bag er mit feiner Der« 
gangen^eit brechen unb feinen jürftenberuf in eblerem Sinne 
auffaffen u>iH. ZnarmeDi bagegen erfdjeint fo burdjaus als 
£}offcf|ran3e, als Kreatur, bie nur im 2lbglan3 ber ffirftlic^en 
Ijulb ejiftieren fann, bag bie Derbannung feinem fosialen (Eobe 

Werner, <Botti?oR> <Z?!jraim Cefflng. g 



130 „gnr <5efdpd}te unb üteratur" 1773—178*. 

gleidjfommt. Das leuchtet bem Perjianbe ein, unfer (Befühl 
allerdings gibt jtdj mit biefem Ausgange nidjt 3ufrieben. 

Den jlärfften (Einbrucf auf bie geitgenoffen machte bie 
y (ßeftalt ber Orfina, in ber Cef ftng eine bebeutfame ttmbilbung 
* feiner ZlTanpoob fdjuf. Die „pfylofopljin", ein IDeib, bas 
benft, bie letbenfdtaftlidje tflätreffe, ber man ZITitleib nidjt 
perfagen fann, bie perlaffene (Beliebte, bas ZUaditweib, eine 
Hatur, bie tpofyl einer Gewalttat, aber feiner flemlidien 
Sdiledjtigfett fällig iß, bejiadj por allem bie Didjter, fo ba% 
eine ganse (ßalerie foldier (Drftnas bis 3ur £aby ZlTilforb in 
Schillers „Kabale unb Ciebe" begegnet. Überhaupt machte 
bie „«milia" äfytlidi wie „ZTCfc Sara" «inbruef auf bie 
bramatifdje Citeratur, felbjl bie jungen (Seniemönner, trofebem 
jte ftd? pielfad} gegen Cef fing unb feine Dramaturgie auflehnten, 
ifonnten jtdi biefem ©nflujfe nidjt ent3iefyen. Die fafl un^eim* 
ltdie Kon3entration bes gan3en Dramas, ber überaus getiefte 
2lufbau mit feiner jttmmungspollen fiypojttion, feiner Ijin* 
reißenben Steigerung, feinen wirffamen 2lftfd}lüjfen, feiner 
unbesminglic^en Konfequen3 imponierte befonbers bem jungen 
(ßoettje, fo bajj er feine „(ßefdjidjte (ßottfriebens pon 8er* 
lidjingen" mit Aufopferung ber iljm liebjien (teile 3um „(ßöfe 
pon Serlidjingen" perbidjtete unb bas bramatifdj Ztottoenbige 
fdjärfer herausarbeitete. 2ln ber Sc^toeDe bes Sturms unb 
Drangs ijatte Cefftng nodj einmal ge3eigt, ba% er, wenn fdjon 
fein genialer, fo bod? ein benfenber Dichter unb ein portrejf- 
lieber tEEjeatralifer fei. Unb bie fo3iale Sebeutung bes Stücfs 
wat nidjt 3U perfennen, jte bereitete bie Hepolution t>or, be- 
leuchtete bie furchtbaren gujlänbe ber (ßefetlfdiaft mit grellem 
Cidjt unb xvax ein protejl bes Bürgertums gegen bie IDidfür« 
fyerrfdjaft im beutfdien Daterlanb. 

€ftpas pon ber 2lrt, rote launenhafte 5&rften mit it)ren 
Beamten umfprangen, erlebte Ceffmg felbft als Sibliott^efar, 
obwohl er fein 2lmt ernjl unb getoiffenfyaft perfal}. £r begann 
eine Heitje pon publifationen, bie unter bem (Befamttitel „§ur 
(ßefdiidjte unb Citeratur. 2Ius ben Sdjäfeen ber fyv$OQÜd}m 
Sibliot^ef 3U XDolfenbüttel" in ben 3a^ren J773 bis J78J 
3U fedjs 33änben anwuchs. C^arafter unb 3n^alt ftnb mannig- 
faltig; feijr oft ent3Ücft uns audj fyeute nod? bie anmutige 
DarfieDung, wenn uns ber 3n^alt audj gleichgültig bleibt. 
Da läßt uns Cefjtng 3. S. an feiner Seite bie Sibliotfief burdj« 



$tau <&>a. 131 

n>anbern, u>ir burdjtDÜtjlen mit il^tn eine pergejfene Ktjte, fudjen 
pergebens in alten ZlTanuffrtpten, bis uns ein glücHtdjer 5unb 
roeiterfüljrt ©ber aber er gaufeit uns bte Qerrlidjfeit ber 
ehemaligen 5^nfiergemä(be bes Klojlers fjtrfdjau por, 3eigt uns 
ben gufammenlfang biefer praeftt mit ber „biblia pauperum" 
(Silberbibel), aber alles fhtb „vitrea fraeta", Sdjerben, benn längjt 
ftnb bie 5«nji^g«ntälbe bafyin, öbe £}öljlen bliefen uns an, — 
bas Ktofter ijl 3erfiört, bie Stätte vieler reblidj fdjaffenber <Be« 
lehrten eine Huine geworben, ©ft entjücft uns ein fonniger^umor 
unb fann uns glauben machen, Cefftng Ijabe fteft tpoty gefüllt 
unter alle ben Scfcäfcen, über benen er nidjt lag, tote ber 
Dradje im ZTtördien, bie er pielmetir möglichem Xtufeen 3U 
eröffnen fudjte, bas 3beal eines gefälligen Btbliotljefars. 

21ber feine Stimmung tpedifelte. Thxdt in feiner Brujl 
rpoljnten 3u>ei Seelen; bie eine ijielt xfyi bei ben iiüdietn fejl, 
bie anbere 30g ifyn 3U ben ZTtenfdien ins leben hinaus. Unb 
ber männlidffte 2lutor unferer Citeratur ijatte eine tiefe £)er3ens» 
neigung gefaßt. S^an <£pa König, bie tatfräftige, flarbltcfenbe 
Hamburger 5*eunbin, itatte es iijm angetan. So feinte er jtd? 
balb hinaus aus feiner IDolfenbüttler (Einfamfeit, aber er toar 
nidtf mefyr frei, fonnte jtdj nid?t mefyr, roenn bie Cuji 3U 
manbern fam, aufmachen, um in einer anberen Stabt fein 
(Sind 3U perfudjen. IPir lernen aus feinen Briefen bas 
Sdiwanfen feiner Stimmungen fennen. Wenn es galt, ber 
5reunbin, bie fc^toer genug um bas (Erbteil ifyrer Kinber 
fämpfen mußte, ZlTut ein3uflö§en, bann roar er ber mutige, 
fyoff enbe ZITann; bann roieber — unb bas fyat gerabe in feinem 
ZTCunbe etwas außerorbentlidj (Ergreifenbes — toirb es audi 
feiner Kraft 3U piel unb ben immer offener werbenben Briefen 
an <£va vertraut er betoegenbe Klagen ; &er3agtt}eit überf ommt 
xfyx unb er feljnt tpofyl bas £nbe aller Qual herbei. firfdjüttert 
lefen tpir folcfte Blätter, mit Sdimer3 unb 3ngrimm fe^en nrir 
biefen Maren Kopf, biefes efyrltdie (5emüt im Kampfe mit ber 
gemeinen Ztot bes Dafeins, ijören roir von ber unerträglichen 
£aß ber Sc^ulben nnb erblicfen ben mutigen, eifernen Cljarafter 
gebrücft, 3ermürbt. Sein ^tnfprud} an bas <5lücf mar fo 
gering, nnb aud? biefes (Sind festen xfyn perfagt. Hur »erben 
bie Briefe an 5*<ui <£va immer tje^lidjer, immer beutlidjer, 
es reift ber Tinnb iwexev fdjtper geprüfter UTenfctjen, beren 
Pflichtgefühl größer ijl als ber £goismus, bie praftifdj bie 5orbe* 

9* 






132 3« Wxtn ^75. 

rungen bes fategorifdjen 3mp^^tios erfüllten, beoor Kant 
bie liefe btefer fitfyif ausgefproefcen Blatte. 5tau €r>a rang 
mit toeiblidier Sd({tgMt unb männlichem Scfcarfjtnn um ben 
Xladtfaj} iijres oerfiorbenen ZHannes; lange »eilte fte in ZDien, 
too er eine Setbenfabrif tynterlaffen baue. <3uerj* galt es 
für bie 3ft?*n 3U forgen, bann erft burfte fie an ifyr eigenes 
<5lücf benfen. 3m September J77J gab fie Cef fing üjr 3<»w>ort, 
aber an bie Perbinbung roar nodj lange nidjt 3U benfen. 3™ 
$ebruar {772 »eilte fie mit it)rem S ruber in 33raunfdfu>eig, 
im Begriff, neuerlich nadi tOien 3U reifen, aueft Cefftng badjte 
mit Sefytfudit an biefe Stobt Qier fdfienen Hoffnungen nid}t 
getDöfynlidjer Ztatur 3U toinfen, benn ZHaria Oierefia unb 
3ofepI{ II. eröffneten burdj eine Heü*e von Heiformen bie 
ilusftdjt auf eine neue Slüte nationalen beutfdjen Cebens. 
Unenblicfy lange roä^ren bie Per^anblungen un^ Überlegungen; 
balb fdjeint alles günfiig 3u flehen, balb ©erfeftiebt ftdj aDes 
tx>ieber trofilos. Vflan hoffte bie <5rö§en ber beutfdjen Citeratur, 
Klopfiocf, Cefftng, (Berflenberg, in XX>ten eine fegensretdje 
(Eätigfett entfalten 3U fefyen, tourbe jebod? immer urieber znt* 
täufdjt. Cefftng wat IDolfenbüttcI perleibet, ia tfjm nidjt 
einmal Heine Derfpredjungen erfüllt mürben, nur rotberrDtHig 
ijielt er es in feiner einfamen SdjlofjtDofytung aus; barum 
»aren feine Slicfe fefynfüdjtig nadi Wien gerichtet, unh enblicfc 
i im früljjaitr J775 nafym er rafd? entfd?loffen Urlaub unb 
reifte über Berlin, Dresben unb präg nadt Wien, wo üjm 
ein unerhört glän3enber fmpfang 3uteil tourbe. Hlan n>ett« 
eiferte mit Ciebenstpürbigfeit unb Segeiflerung, bem berühmten 
(ßafle ben 2lufentijalt fo serlocfenb als möglich 3U machen. 
„XTie nod\ ifi ein beutfdjer (Belehrter Ijier mit foldjer 3)ifiinftion 
aufgenommen toorben, als unfer vortrefflicher gememfdiaftlidier 
5reunb", fo fdjreibt ber Staatsrat 5?etljerr oon (Bebler an 
XTicolat, „unb bies oon unfern Souperdns angefangen, bis 
auf bas allgemeine publifum ^erab. 2Us fimilta (ßalotti in 
feiner (ßegenmart porgefleQt tx>urbe, erfd)aOte ber (oute Huf: 
Viva Lessing! Unperftänbige, bie glauben mochten, ber 2Iutor 
befhtbe jtdi auf bem C^eater, fügen fytn3u: Fora! 3<fe ^offe, 
unfer 5*eunb »erbe eben fo 3ufrieben mit tDien fein, als 
XDten ent3Ücft über feine <5egett»art mar.' 1 Die Kaiferin unb 
ber Kaifer »ürbigten Cefftng bef onbers fyxlbvoüet 2lufmerffamf eit, 
aber t>or allem freute ftd] Cefftng ber fingen Sxan £pa, bie 



Die Hetfe nad) Italien *7?5. 183 

mit unermüblidier (Energie bas IDiener (Befdjäft leitete unb ab* 
»riefelte. (Er freute jtdi barauf, mit ifyc über Kamen3 3urüc?3u» 
reifen, ba erhielt er ben Auftrag, ben jungen braunfdiweigifdjen 
prin3en Ceopolb unb feinen militärifcften <5ouoerneur t>on 
tt>arnjiebt auf einer italienif djen Silbungsreife 3U begleiten; jie 
follte nur bis Denebig ge^en unb ntdjt viel Seit beanfprudfen, 
befynU ftdj bann immer weiter aus unb bauerte brei Diertet* 
jafyre. Vas Canb feiner Sefynfudjt mußte Ceffmg befudjen, ba 
üpi alles nadi bem Horben 30g; fo brachte ifym bie Seife 
weber ben <Benu§, nodi ben (Bewinn, ben er früher von öjr 
erhofft ijatte. XTidtf tote IDincfelmann cor ifyn ober (Boetfje 
nadi tfjm fdjtoelgte er in 3talien, vergrämt unb ijalb teil- 
nahmslos u>ie fpäter fjerber 30g er burdj bie Canbe. 21m 
25. 2tpril J775 bradi bie (BefeUfdjaft auf, traf Gnbe September 
3u meljrmonatltdiem Jtufentfjalt in Born ein, ging bann nadi 
ZTeapel unb fefyrte im XTopember nadi Born 3urücf. 2llles 
gleitet an Ceffing porüber, oljne ba% wir erführen, weldjen 
(Einbrucf es auf üpi machte. i)urdi einen unglücflidien gufatl 
gelangten bie 3wifdjen iljm unb £oa gewedifelten Sriefe 3um 
(teil nidjt an, was iljm bie Stimmung pottenbs perbarb, gan3 
woijl füllte er ftdj gleichfalls nidjt, bas Seifen im Sommer 
nafym üjn {{er, bie Ungewißheit Aber giel unb 2tusbeljnung 
ber Seife lieg ein Belagen nidjt auffommen, fo atmcU er auf, 
als er ftdj bei ber Hücfreife t>om pri^en in ZHündjen tv^nnen 
unb nadi IDien eilen fonnte, u>o er bie erhofften Sriefe feiner 
Sraut wtrflidj porfanb. €r traf ftuq por (Enbe 3)e3ember J775 
in H)ien ein, perlteß es voreilig fdjon am 5. 3anuar \776, 
weil er alle Hoffnungen aufgab unb ftdj in IDolfenbüttel, wenn 
es Ijalbwegs ginge, befdjeiben wollte, bes Kämpfens um 
eine neue <Ejijien3 mübe. (Er Ehielt ftdi auf ber Sücfreife 
in Bresben auf, wo üjm wieber ilusftdjten eröffnet würben, 
befudite feine ZlTutter in Kamen3, bie feit bem 20. 2luguji J770 
perwttwet, einfam unb fümmerlidi lebte, am \7. XTopember \776 
ift bann audj fte geftorben unb nur bie perfauerte Salome 
blieb als unbehagliche Korrefponbentin übrig. Über Berlin 
lehrte er nadi öraunfdjweig 3urücf, wo er am 23. 5*bruar 
anlangte unb nadi wieberljoltem Drängen enblidi fo geftellt 
würbe, bafj er am 8. ©ftober \776 auf bem Sdjubacfr 
fdjen Canbgute EJorf 3wifdjen Hamburg unb Stab^ heiraten 
fonnte. 



134 'Qaosltdres (glfitf nnb UnglficF. 

Spät, aber um fo reidjer festen bas (ßlücf mit £t>a in 
fein Ceben eingebrungen 3U fein. Cefjtng füllte fid? unenblidj 
woljl unb ent3Ücfte alle $reunbe burdj bie gleichmäßige fjeitcr- 
feit feines XDefens; feine Stieffinber fingen an xfyn, tote er an 
iljnen, Unanneijmlidifeiten liegen jtdi mit fjilfe ber geliebten 
5tau leidster ertragen. Ztodj fdjwangen bie Derbienjilidjfeiten 
in ifpn nadj, bie üjm bas hinterhältige ©orgeijen bes €rbprin3en 
pon Sraunfdjweig bereitet fyatte, als ifym von Hlann^eim 
neue bas Ceben vergällen wollten. TXlan fyatte jtdi mit locfenben 
Einträgen an ifyn gexvanbt, bamit er bem 2luffdiwung bes 
ZlTann^eimer (Djeaters unb ber 2Ifabemie feine Kräfte wibme, 
t)atte iijm penjton unb Reifeentfdjäbigung perfprodjen, coenn 
er wenigjlens porübergeijenb nadj ZlTannljeim fomme. Dann 
aber tyelt man nichts von alle bem, ber DTinifter fjompefdj 
machte U)infel3Üge, (Eaftlojigfeiten würben begangen, bis enblidj 
Cefjtng in einem feljr unumwunbenen Srief an £}ompefdi feinem 
berechtigten ärger Cuft machte. IDielanb Ijat bann in feinen 
„2lbberiten" Cefjtngs 2ftannl)eimer Sefud) unter leidster biegte» 
rif djer I}ülle beijanbelt: (Euripibes tjl Cefftng. Vodt foldie3ntrigen 
fochten iljn nun weniger an, benn in feiner befdjeibenen Qäns* 
lidtfeit blühte ifym bas <5lücf. Seine $tan unb er fallen mit 
5reube unb Sangen ber 2lnfunft eines Kinbes entgegen. 2ln 
einem ber XDeifynaditsfeiertage (777 genag £t>a eines gefunben 
Knaben, ber aber fdion t>ierunb3wan3ig Stnnb^n fpäter an bm 
5olgen ber fdjweren £ntbinbung jlarb, wätprenb bie Stau ge- 
fäfyrltdj franf barnieberlag. 2lm Sifoejierabenb J777 fdjrieb 
Cefjtng mit fdjneibenbem VD&{ an Cfdjenburg: „3d? ergreife 
ben 2lugenblicf, ba meine 5^au gan3 oijne Sefonnenfyeit liegt, 
um 3ljnen für 3fyren gütigen Anteil 3U banfen. UTeine 5^eube 
war fur3. Unb id) oerlor üjn fo ungern, biefen Sofytl Denn 
er liatte fo ©iel Öerjlanbl fo oiel Perjlanb! — (ßlauben Sie 
nidit, ba% bie wenigen Stunben meiner Daterfdjaft midi fdion 
3U fo einem Riffen oon Pater gemacht ijaben! 3dj weiß, was 
idj fage. — IDar es nidjt Perjlanb, ba% man üjn mit eifernen 
fangen auf bie Welt 3ieljen mußte? ba% er fobalb Unrat 
merfte? — Wax es nidit Derjlanb, ba% er bie erjle (Belegen» 
Ijcit ergriff, jtdi wieber baoon 3U madjen? — 5reilidj 3errt 
mir ber f leine Hufdjelfopf aud? bie ZHutter mit fort! — Vznn 
nod? iji wenig Hoffnung, ba§ idi jte behalten werbe. — 3di 
wollte es audi einmal fo gut ijaben wie anbere ZTCenfdien. 



Der IPolfettbfittler Ungenannte. 135 

2Iber es ift mir fdjledjt befommen." 21m \0. 3<*nuar J778 
toar 5rau <£oa tot. Cefftng melbet es fifdjenburg mit ben 
IDorten: „HTeme 5*cm iji tot, unb biefe (Erfahrung \\abz idj 
nun audj gemacht. 3d? freue midi, bafj mir tnel bergleidjen 
(Erfahrungen ntdjt mefyr übrig fein formen 3U machen, unb bin 
gans leidjt." 3)rei Cage barauf, nadj bem Segräbnis, faßt er 
fein (Befühl in bem Safae 3ufammen: „id? mu§ nur nrieber 
anfangen, meinen IDeg allein fo fort 3U bufeln." <Er blieft 
nadj einem mittel aus, um 3U »ergeffen: „(Ein guter üorrat 
oom Caubano litterarifcfyer unb tfyeologifdjer gerjlreuungen wirb 
mir einen (Eag nad? bem anbern fdjon gan3 leiblich über» 
ftefyen Reifen." 

Vtex 3^re nodj fyat Cefjtng bie (Einfamfeit getragen; jte 
jtnb ausgefüllt mit einer ZHaffe x>on Sdjriften unb arbeiten, 
planen unb Kämpfen, beren Ciefjtnn unb (Erhabenheit Cefjtng 
u>ie f}ienieben fdjon x>erHärt erfdjeinen laffen. <£r jleigt por 
unferen Stugen immer fyöfyer unb i}8ijer hinauf, etnfam unb 
r>telf ad) mifpoerjlanben; aus bem rüjltgen Kämpen für <5eijies» 
freiljeit nrirb aümäijlidi ein Se^er, ein propijet, fo bajj 
ZHenbelsfoiin fagen burfte: „(Er fonnte nidjt fyöfyer jieigen, 
oljne in eine Hegion 3U fommen, bie jtdj unfern jtnnlidien 
2tugen odQig entsteht; unb bies tat er. Zlun jleljen roir ba, 
wie bie 3^nger bes Propheten, unb jlaunen ben ©rt an, too 
er in bie l}öfye fufyr unb perfdiroanb". 

3n Hamburg fyatte Cefjtng mit ber SamMe Heimarus 
5reunbfd?aft gefdjloffen, unb befonbers bie fluge, energifdje 
€life Heimarus jlanb üjm in ben lefeten Cebensjafyren näfyer 
als irgenb jemanb anberer. 3n ber Familie rourben bie 
papiere gehütet, in ^nen ber Öater, profejfor ^ermann 
5amuel Heimarus jahrelange innere Kämpfe fejlge^alten ijatte. 
3n 3u>ei ©erfdjiebenen 5<*ffungen lag eine Kritif bes <£fyrijien« 
tums unb feiner (Srunblagen ©or: „2(potogie ober Sdjufefdjrift 
für bie vernünftigen Derefyrer (ßottes", tief einfdjneibenb im 
Sinne ber 2tufflärung, <3tx>eifel auf gwetfel fyäufenb unb ber 
biblifdjen (E^äfylung fdjarf, ja überfdjarf 3U Cetbe rücfenb. 
Cefjtng tjatte biefe ttieberfdjriften fennen gelernt unb bas 
(5an3e beumnbert, toemt er audj burdjaus nidjt mit allem ein» 
perjlanben tr>ar; er Ehielt eine Deröffentlidjung für ange3eigt. 
(Elife brängte ba3U, itjr Sruber, ein 2lr3t, tr>ar ängftlidjer unb 
fo jlanb Cefjtng nidjt alles 3ur Verfügung; aud? erachtete er 



136 £efj?ngs Stellung. 

felbfi es nidjt für ange3eigt, 3U tnel auf einmal »oblegen. 
3m brttten Settrag, „§ur (Befdiidjte unb Citeratur" lieg er 
fdjon ^77^> als probe: „Pott Dulbung ber Deijien. Fragment 
eines Ungenannten" erfdjeinen, oijne ba% fte tieferen ©nbruef 
machte. Der vierte Seitrag brachte J777 „<2tn niedreres aus 
ben papieren bes Ungenannten, bie Offenbarung betreff enb. 
(Erfies 5*agment. öon Derfdjroeigung ber Dernunft auf ben 
Kabeln, ^weites 5tagment. Unmöglidrfeit einer Offenbarung, 
bie alle HTenfdten auf eine gegrünbete 2trt glauben fönnten. 
Drittes 5tagment. Durchgang ber 3frealiten burdjs rote 
ZHeer. Viertes 5tagment. Dag bie Sücfcer bes alten Cejta- 
mentes nidjt gefdjrieben toorben, eine Heligion 3U offenbaren, 
fünftes Fragment. Über bie 2luferjiefyungsgefdiidite." €s folgte 
bann nod? felbflänbig J778: „Öon bem §we<Se 3*fa unb 
feiner 3ünger". 

Cef fing fonnte jtdj mit bem „Ungenannten" mdjt ibenti» 
ft3ieren, benn er ftanb fcfyon feit feinen Sreslauer Stubien ber 
Kirdjenoäter unb Spmo3as auf einem toefentlicfy anberen 
Stanbpunfte; barum nafym er fofort in Xladjtoorten unb Dor* 
reben Stellung gegen manches unb betonte, ba% er bie Fragmente 
nur oer3ffentlidje, um hinflog 3ur Derteibigung bes <£fyriflentums 
3U geben, in bie <5elet}rfamfeit Ceben 3U bringen unb baburd? 
IDiffenfcftaft unb firfenntnis 3U förbern. Der Ungenannte, ben 
Cefftng ablenfenb im fogenannten IDolfenbüttler Sdjmibt, einem 
oom braunfdin>eigifdjen ijofe gegen geifUidie Verfolgung ge* 
fdjüfeten Kritifer, 3U vermuten porgab, rücfte ben (Brunblagen 
bes djrifilicften (ßlaubens 3U Ceibe; er »ertoarf bie IPunber, 
3eigte bie IDiberfprüdie in ben (Evangelien, nannte bie (ßottes» 
fdjaft CijrifH einen Setrug ber 3flng**> unterfdjieb 3«>ifd?en 
ber Heligion Cljrifli unb ber Heligion ber Kircfye unb tx>iber« 
legte bie 2lnnaljme, bag bie (Evangelien auf Offenbarung be- 
rufen. Cefftngs 2lnftdjten roidjen von benen ber ©rtfyobofie 
ebenfo ab, roie von benen ber 2lufflärung: am (Blauben als 
einer perf3nlid?en inneren (Erfahrung bes <Ein3elnen rüttelt er 
nidjt, aber er toilt bie (ßebiete bes (Slaubens unb bes 5orfcftens 
auseinanbergeljalten fetjen; bas Cfjriflentum bleibt unerfdjüttert, 
wenn audj bie Sibel vor ber Kritif ntdtf befielen famt unb 
als ZlTenfd?enu>erf, nidjt als Offenbarung 3U gelten fyat. Die 
tDatjrljeit bes £ljrijlentums toirb empfunben, u>iffenfd?aftlidj naeft- 
weifen lägt fte ftcfy nidtf; bie Offenbarung fpridjt nid?t aus 



glteoiogiföe Strettigfetten. 187 

ben Suchern bes alten unb bes neuen Ceftaments, roo^l aber 
aus ber <£r3iel}ung bes ZHenf dien gef djledjts, bie einen au« 
mäljlidien 5ortfdjritt barfteHt. Heligion ijl Sadje bes <5efüljls, 
baraus folgt (Blaubensfreitjeit nadi allen Seiten, forooty ber 
©rttjobojne als ber 2lufflärung; ^ntoletani ifi bei beiben mdg* 
lidj unb bei beiben gleidi pertoerflidi. 5o tritt Cefftng voxebet 
3toifdien bie Parteien, oljne ftdj einer 3U perfdjretben, fte^t er 
auf einer {{öderen tDarte, barum einfamer als je. ZDie einem 
Srief an feinen Sruber Karl 3U entnehmen ift, entartete 
Cefftng bie Angriffe gegen ben Ungenannten nidjt von ber 
©rtfjoboyte, aber er ijatte ftdi getäufdjt, balb begann es ftd? 
3U regen: Schumann, Heg, Döberlein, £übertx>alb, Kleufer, 
Silberfdjlag, ZlTafdjo, Ce§ unb anbere erfdjienen auf bem plan, 
am eifrigjlen aber pertrat 3of?ann ZlTeldiior <ßoe3e, ber fjaupt* 
paftor von Hamburg, bie Sadje ber ©rtfjobojie u>ie feine 
eigene. Diefer „papß ^ammoniens", roie man ü\n fpöttifdi 
nannte, fämpfte unermüblidi für ftrengfie, ja fiarrfle Ziedit* 
gläubigfeit, verfolgte jeben 21nbersgläubigen mit allen ifym 
3ur Perfügung fieljenben ZTKtteln, aber mit efyrlidjer Öberseugung. 
Cefftng fyatte mit tljnt in Hamburg nidjt ungern perfeljrt, benn 
er befaß reidjes ZDtffen unb fammelte eifrig 3ur <ßcfd?id?tc ber 
nieberfädijtfdien Bibeln. <5oe3e füllte ftd? aber verpflichtet, ju 
reben, ba es fiel) um Dinge fyanbelte, bie iljm 3U E^dd^ft fianben. 
21n iljn benfen wir 3uerjt, wenn uns Cefftngs tfjeologifdje 
Schriften in ben Sinn fommen, benn er erfdjeint als ber (5egner 
fd}led}tf}in. ^mrnex ttrieber, unermübet, aber ermübenb, bringt 
er biefelben (Brünbe gegen ben Ungenannten unb Cefftng &or, 
fditoer 3U fajfen, u>eit er jtefe breljt nnb roenbet unb nidit bei 
ben entfdieibenben puntten fefttjalten lägt. öefonbers oft u>irb 
Cefftng ans üjeater gemannt, t>or bem (Soe^e ben größten 
2lbfdjeu Ijatte: (Efyeaterlogif, {Efyeaterpliantafte rt>tH ßoe$e in 
ben tfyeologifdien arbeiten Cefftngs entbeeft traben. Cefftng 
naljm ftdi vov, alle Heplifen 3U beantworten, unb tat es, fo 
lang als möglidj. guerfi fdjrieb er gegen ben 3aljmen Schumann 
J777 „Über ben Seroeis bes (ßeifles unb ber Kraft", bann 
folgte nodj im gleiten 3<*fy* !&** tEeflament 3ofyamtis", 
beibe aus Cefftngs glücflidjfier ^cit. Dort tjanbelte ftdj's um 
bie XDunber unb bie XDeisfagungen unb roar ber Kern oon 
Cefftngs (Bebanfen in bem fdjönen Silb ausgef prodien: „Diefe 
5rüdite (ber VOnnbex unb erfüllten ZPeisfagungen) fälje \d\ vov 



•/ 



138 „Cejiament Jofymnts 1 ' nnb „Dupltf" \7??—{??8. 

mir reifen unb gereift, unb idj follte midi bamxt nidjt fättigen 
bürfen, weil idj bie alte fromme Sage, bag bie £}anb, bie ben 
Samen ba3U ausgebreitet, ftdj flebenmal bei jebem IDurfe in 
Sdjnecfenblute wafdjen mflffen — nidjt etwa leugnete, nidtf 
etwa be3ix>eifelte — fonbern bloß an ifyren ©rt gejleHt fein 
liege? — Was fümmert es midf, ob bie Sage falfdi ober 
waijr iji: bie 5rüdjte ftnb trefflid?". 3fyt lägt es gleichgültig, 
ob bie (Srunblagen bes (Eijrifientums göttliche Offenbarung 
feien, was ber Ungenannte beftritt, wenn nur bas (Efyriflentum 
gottlidj tft; „mödjte bodf 2Kle, weldje bas fipangelium 3^' 
iiannis trennt", fo f daliegt er, „bas (Eefiament3ofy*nnis wieber 
»ereinigen 1 £s ifi freilieft apofrvpftifdf, biefes Cefiament, aber 
barum nidjt weniger göttlidj." Unb von biefem tEeflament 
ftanbelt bann bas föfilidie <5efpräd? 3wifdien <£r unb 3d?, 
in bem er nadi fjieronymus bas (Befdfiditdjen pom alternben 
3oftannes in Cpftefus e^ä^tt; beffen prebigten würben immer 
fürjer, „bis er fte enblidj gar auf bie IDorte eut3og — ,Kinber« 
d?en, liebt €udj'l" Das gefiel 3uerft, ba es 3ofyannes aber 
in jeber KoHefte wieberftolte, tonnten fte es „faum ofyxe £fel 
meftr anhören" unb fragten enblidj: „2lber, ZHeijier, warum 
fagfi Du benn immer bas XTämlidje? . . . ^oiiannes antwortete: 
, Darum, weil es ber £}err befohlen. XDeil bas allein, bas 
allein, wenn es gefdfieftt, genug, ftinlänglidj genug tft.' " Cef fing 
möchte bies 2üort: „Kinberdjen, liebt fiudj!" in allen Kircften 
mit golbenen 23ud}fiaben auftreiben; aber feine (Begner hielten 
ftdj lieber an bas (Evangelium 3oftannis, unb „im anfange 
war bas XDort" veranlagte fte, Sudjjiabenglauben 3U perlangen. 
(Segen Heg fdjrieb bann Cefftng „fiine Duplif" (778, bie 
erft nadj <£pas Cobe pollenbet würbe. Darin fielet ber Sai&: 
„idl perfpredje — mir es nie wieber audj nur ponuneftmen, 
bei gewiffen Dingen falt unb gleichgültig 3u bleiben. IDenn 
ber ZHenfdj bei bem, was er beutlidj für ffiigftanblung ber Per* 
nunft unb Sdjrift erfennet, nidjt warm unb tfteilneftmenb werben 
barf, wenn unb wo barf er es bann?" Darin aber fteftt 
audj bas berühmte <5eftänbnis: „XTidjt bie tDaftrfteit, in beren 
Beftfe irgenb ein ZtTenfd? ifi ober 3U fein permeinet, fonbern 
bie aufrichtige ZtTüfte, bie er angewanbt fyat, hinter bie tDatjr* 
fteit 3U fommen, madtf ben Wext bes Zllenfdjen. Venn nidjt 
burd] ben öeftfc, fonbern burd? bie XTadjforfdjung ber Waty* 
fteit erweitern ftdi feine Kräfte, worin allein feine immer« 



„(Eine Parabel 11 J778. 139 

toacftfenbe PoHfommenijeit Befielet. Der Sefifc madjt ruljig, 
träge, JI0I3. — IDenn (Sott in feiner Hedjten alle XDafyrljeit 
unb in [einer Cinfen ben emsigen immer regen Crieb nadj 
XDatjrljeit, obfdjon mit bem gjufafee, midi immer unb ewig 311 
irren, perfdjloffen hielte unb fprädje 3U mir: ,£>äi|lel' idi fiele 
iijm mit Demut in feine Cinfe unb fagte: ,Pater, giebl bie 
reine IDa^r^eit ift ja bod? nur für Did? allein!"' Diefe Streit» 
fdjrift breite jtdj um bie 2luferjiel|ung Cljriftt unb bie n>iber* 
fpredjenben Seridjte ber <£t>angelien, über bie Cefftng fidj fdjon 
bamals feine 2tnfidjt gebilbet fyatte, bie erft in feinem Xladila% 
befannt tmirbe. 

hierauf folgte „(Eine parabel", J778 als gufdjrift an / 
(5oe3e gerietet, fjatte er in ber „Duplif" ben (Tempel ber 
Diana 3U £pl)efos unb feine (Erbauung auf Konten als Silb 
ausgeführt, fo er3äfylt er jefet von einem palajle mit fonber- 
barer 2lrdjiteftur, von äugen „ein toemg unaerfiänblid}, von 
innen überall Cidjt nnb gufammenfyang" . & a5 £{^t fommt 
von oben. Die Kenner ber 2lrdfiteftur aber jtritten über ben 
<5runbrifj, ber in oerfdjiebenen (Exemplaren unperjianben oorlag. 
2lls nun einmal ein Sranb ausgebrochen fdjien, ba lief jeber 
mit feinem (Srunbrijj gerbet unb bemonjtrierte baran, tx>o es 
brenne, ofyne aber 3U lofdjen; ber palajl ijätte abbrennen 
fönnen, wenn er unrflidi gebrannt ijätte, bie VO&ditet Ratten 
aber nur ein ZTorblidjt für eine 5*uersbrunft gehalten. Cefftng 
begrünbet fein Hedjt, ja feine pfttdjt 3ur publifation ber Frag- 
mente, inbem er <Soe$e f treibt: „(Ein Stnberes ifl ein paftor, 
ein 2lnberes ein Sibliotfyefar"; jte serbelten ftcfj roie Sdjäfer 
unb Kräuterfenner. „3dl bin 2luffefjer von Südjerfdjäfeen 
unb möchte nidit gern ber £)unb fein, ber bas £jeu bexvadit, 
ob id? fdjon freilidi audj nidjt ber 5tatlfned?t fein mag, ber 
jebem hungrigen pferbe bas fjeu in bie Haufe trägt." $inbet 
er Sdjäfee, fo madjt er jte berannt, ob jte bem (Einen frommen 
ober bem 2lnbern fcfyaben. (Boe^e fyatte gefdjrieben, er toürbe 
t>or feiner Cobesftunbe 3Ütern, roenn er an ber Sefannt» 
madjung ber 5*agmente ben geringflen 2lnteil fyätte; barauf 
eruribert Cefftng: „3d? werbe t>ielleid?t in meiner (Eobesfhinbe 
3ittem, aber »or meiner Cobesjhtnbe toerbe id? nie 3ittern". 
Dann aber ruft er im „2Ibfagungsf djreiben" bem £jauptpa jlor 
3U, er fyxbe mdjt „ben aQergeringften 5un!en bes tut^erifdien 
©eijles", »eil er ben TXlann ©erfolgt, ber ben fdjriftlidj ge* 



140 „tfntt.ßoeje 1 ' *778. 

gebenen Hat eines ungenannten Saumeijters n\d\t unter« 
fdjlagen wollte. „O saneta simplicitasl — 2lber nodj bin idj 
nidjt ba, fjerr pajior, roo ber gute UTamt, ber biefes ausrief, 
nur nodj biefes ausrufen fonnte. — £rji [oll uns lj3ren, erji 
foQ über uns urteilen, teer frören unb urteilen fann unb unUl" 
„<D, ba% ex es fönnte, er, ben idj am liebjien ju meinem 
Hidjter Ijaben möditel — Cutter, Du! — ißroßer, oerfannter 
UTannl Unb oon Ztiemanben mefyr ©erfannt, als von ben 
fur3pditigen Starrföpfen, bie, Deine Pantoffeln in ber I$anb, 
ben pon Dir gebahnten XDeg fdjretenb, aber gleichgültig ba^er« 
fcfylenbern! — Du fyaji uns t>on bem 3od?e ber (Crabition er« 
löfet, u>er aber erlöfet uns son bem unerträglichem 3od?e bes 
Sudjjiabens! XOer bringt uns enblidj ein Cfyriftentum, tote 
Du es ifet lehren toürbefl, wie es (Optflus felbft lehren toürbel 

«)er " 

Vinb Cefjtng fdfltefjt mit ben IDorten: „Wenn idj 3^n*n 
in bem geringjien Dinge, toas mtdj ober meinen Ungenannten 
angebt, Bedit laffe, roo Sie nieftt iledit bähen, bann tonn ieft 
bie $ebet nicfyt mefyc rühren", ©n anbexes TXlal meint Cefjhtg, 
überfeftreien fönne tt^tt ber pajior, „überfdjreiben" folle er ifyn 
nidjt; roirflidi folgt Sogen auf Sogen, Cefjtng t^at jte nume« 
/ riert, es jtnb brei3efyn Stficf. Xtadi ber „ Parabel " famen bie 
■ „Sl^iomata, n>emt es beren in bergteidfen Dingen giebt". 3" 
ftu^en Saiden faßte Cefjtng feine Befultate 3ufammen, um jte 
3U erläutern unb gegen (Soe^es £inroürfe 3U t>erteibigen. 
„3d? neunte für eine große Selefyrung eine Heine Sefdjämung 
gern t>orlieb"; biefer (Bebanfe leitet xfyt, aber er ffotbet bei 
(ßoe3e feine Seleijrung. UTit unenblidjem Sarfasmus, mit ber 
g!än3enbfien Caune f treibt er bann bie Heitre „2lnti-<Boe3e", 
elf Seiträge, ber 3tr>olfte burfte nidtf meijr erfdjeinen. ßoe^e 
reifyt jtd? burdj biefe Schriften bem pajior Cange unb bem 
<5et}eimrat Klofe an, aber in biefem Streit ijl ber (Segenjlanb 
nriditiger unb tjat allgemeineres 3ntereffe. <2s l^anbelt jtdj 
nidjt um bie Sdjnifeer eines unbeholfenen fiberfefeers, nidtf um 
bie Crbärmlidjfeit einer flehten <Beleljrtene};ijlen3, ber Kampf 
breljt jtdj um <5etx>ijfensfreilieit, um Sudijlabenglauben ober 
(Semütscftrijientum, um 5teiljeit ber 5orfdtung ober geijHidje 
Knechtung, um bie fyödjjien <5üter ber UTenfdtäeit, unb barum 
tx>erben bie Schriften gegen <Boe3e immer ben Dorrang be* 
Raupten, immer wieber bas €nt3Ücfen, ben Anteil, bas UTit« 



Bebentnng ber Schriften. 141 

gefüfyl erregen, fo lange es Unbulbfamfett unb freie Hetigtojttät 
geben wirb, tbirfte bas „l?abemecum" reinigenb auf bem 
(Bebiete ber Cyrif, bie „Sriefe antiquarifdjen 'Sv&ialts" reini- 
genb in ber gelehrten 3"trigenwelt: ber „2lnti'(ßoe3e" pertreibt 
bie IDolfen, bie bzn Qimmel perbunfeln wollen unb baf}nt ben 
XDeg über bie tErümmer ber (Soften 3U (Sott, über bie Sud?« 
ftaben 3um Sinn, über ben Dogmenwuft 3um (Sefüfyl, burdj 
bie Schalen 3um Kern, burdj ben (Stauben 3um ZlTenfdientum, 
3um XDirfen, 3ur f}umamtas unb (Caritas. Zlidit was einer 
glaubt, ifi maßgebenb, fonbem wie er fyanbelt: in bm Sternen 
fann man bas (Ceflament 3o^annis lefen: „Kinberdjen, liebet 
<2ud?"! 

2lHe Künjfe feines Stils, alle Sdjleufen feines IDifees, alle 
ZHittet feines Sarfasmus unb feines fjumors entfaltet Cefftng, 
unb fo gleichen bie notgebrungenen Seiträge bes „2lnti-(ßoe3e" 
einem föjilid?en (Sefdjmeibe, beffen ein3elne (teile forgfältigjie 
Sifelierarbett aufweifen, mit fibeljieinen befefet jtnb unb leuchten 
unb funfein mit bem (Slan3e echter Steine, nidjt mit bem 
(Slan3e bes tEfyeaterfdimucfes. 

„3*ber ZlTenfdi l\at feinen eigenen Stil", fdjreibt er, „fo 
wie feine eigne Xtafe; unb es ijt u>eber artig nodj djriftlidf, 
einen efyrlidien UTann mit feiner Ztafe 3um bejien 3U I|aben, 
wenn fte aud? nodj fo fonberbar ift. Was tarnt id? bafür, 
bafj xdt nun einmal feinen anberen Stil fyxbe? Va% idi üjn 
nidjt erfünftle, bin idi mir bewußt. 2ludi bin idi mir bewußt, 
bajj er gerabe bann bie ungewöhnlichen Kasfaben 3U machen 
geneigt iß, roemt id? ber Sadje am reiften nadigebadjt tjabe. 
£r fpielt mit ber ZtTaterie oft um fo mutwilliger, je meljr tdj 
erft burdi faltes Ziadtbmlen berfelben mächtig 3U werben ge- 
fudjt ijabe." 

„£s fommt wenig barauf an f wie wir f djreiben, aber 
triel, wie wir benfen« . . . 3dl fenne feinen blenbenben Stil, 
ber feinen (Blani nxdit von ber XDa^r^eit meljr ober weniger 
entlehnet. IDafyrfyett allein gibt eckten (51an3 unb mujj audj 
bei Spötterei unb poffe, wenigflens als 5olie, unterliegen." 

(5oe3e fyat üjm Cljeaterlogif vorgeworfen: „2lber fagen 
Sie, was Sie wollen, bie gute £ogif ift immer bie nämliche, 
man mag fte anwenden, worauf man will. Sogar bie 2lrt, 
fte an^uwenben, ift überall bie nämltdie. B?er £ogif in einer 
Komöbie 3eigt, bem würbe fte gewig audi 3U einer prebigt 



142 Komöbtettfdjretber uttb prebtger. 

xxidit entjfef)en; fo tote ber, bem fte in einer prebigt mangelt, 
nimmermehr mit ifyrer fjilfe audj eine nur erträgliche Komöbie 
3uftanbe bringen mürbe, unb memt er ber unerfdiöpflidjjie 
Spaßpoget unter ber Sonne märe." Cefftng nennt 2lbrat}am 
a Sta. Clara. „2lber mer 3meifelt mofyl, ba§ ZHoliere unb 
Sfyafefpeare portrefflidje prebtgten gemacht unb gehalten 
Ratten, menn fte anjlatt bes Cfyeaters bie Kan3el Ratten be« 
fteigen motten." 2luf bie 5rage: „barf ein prebiger Komöbien 
madjen?" antwortet er: „&>arum nidtf, wenn er fann?" 
auf bie 3toeite: „barf ein Komöbienfdjreiber prebigten machen?" 
aber: „IDarum nidjt, tt>enn er mill?" tefftng felbft ijatte 
J770 in Hamburg eine prebigt über 3mei Cejte gefd?rieben 
unb 3um Ceti als Sd\ex$ bruefen laffen, (eiber ift fte perloren 
gegangen; fte gab ftdj als Überfefeung aus bem finglifdjen 
von l)orif unb enthielt bie ergreif enbe (Einleitung, mie ttrim, 
©berft Stiaribys Sebienter, einem fran3Öftfdien 3npaliben penn? 
um penny gibt, aber bas French dog (5ran3Öftfdfer I$unb) 
nidtf unterlagen fann; er fya%t bie gan3e fernbliebe Station, 
aber er liebt ias ein3e(ne 3nbit)ibuum, bas biefe £iebe perbient. 
Don einer foldjen Dulbfamfeit mar <Soe3e fo meit entfernt, 
ba% xfyn Cefjtng pormerfen fonnte, er perbamme jeben, ber 
„nidjt glaubt, nidjt gerabe bas Zlämlidie glaubt, mos er 
glaubt". 

2lls Cefftng fo redjt im &ug mar, festen es bie braun* 
fdjmeigifdien ©rtfyobojren burdj, ba% ifym bie Senfurfreüjeit 
ent3ogen, ifyn fogar perboten mürbe, meiteres ofyne (Erlaubnis 
ausmärts bruefen 3U laffen. Wxxtlidt fcfymieg Cefftng, menn 
man t>on ben Keinen Seridjtigungen „nötige 2lntmort auf 
eine fefyr unnötige 5rage" nnb ifyrer „Crften 5olge" (J778) 
abfielt. Der „Cfyeologifdie Xladflajj" enthüllte jebodj bm 
gan3en Heidjtum ber Cefftngfdjen Arbeit auf biefem (ßebiete, 
bie nun audi fyerporragenben Slufflärem, mie Waldt unb 
Semmler, 2lntmort nidtf fdjulbig bleiben moQte. 2tber fdjon 
Porter ijatte er einmal nadits „einen närrifdjen ©nfalt", 
naefcbem er am Sage 3UPor ftdi fo redjt perlaffen gefüllt unb 
feiner 5reunbin filife gefdirieben Blatte: „3d? ijabe feinen 
einigen 5reunb, bem idi mid? gan3 anpertrauen fönnte. 3d? 
merbe täglidj pon Ijunbert Derbrießlidifeiten beftürmt. 3d? 
muß ein einiges 3<*fo bas id? mit einer pemünftigen 5rau 
gelebt fyabe, teuer be3a^len. . . . Wie oft möchte idi es per* 



„Ztattytn ber ttJetfe" {779. 143 

wünfdjen, bafj idj audj einmal fo glücflid? fein wollen, als 
anbere ZHenfdien ! . . . Dodj td? bin 3U JI0I3, midi unglücflidj 
3U benfen, — fnirfdje eins mit ben gäfyten, — unb laffe ben 
Kafyt ge^en, tote XDinb unb Wettet wollen. <5nug, bag idj 
itjn nidit felbfi umführen will! — " 3" &er XTadit 311m 
U. Sluguft J778 fafjte Cefftng ben plan, ein fdjon por Dielen 
jähren entworfenes Sdjaufpiel, beffen 3«^ölt eine 2trt von 
Analogie mit feinen gegenwärtigen Streitigfeiten fyatte, aus« 
3ufüfyren unb auf Subffription brurfen 3U laffen; er glaubte, 
batnit ben Geologen einen ärgeren Poffen 3U fpielen als nod? 
mit 3eljn 5*agmenten. ZHit ber „Ünfünbigung" erhielt <£life 
Heimarus ben Wxnt: „3dj mujj perfudjen, ob man midi auf 
meiner alten Kan3el, auf bem (Efyeater, wenigjlens nod? nn» 
gejiort roill prebigen laffen". <$5oe3e mit feinen ewigen Dor» 
würfen pon ©jeaterlogif, ©jeaterpfyantajte, feinem Cabel pon 
Cefftngs ungehöriger Silblidjfett foBte nun mit feiner ganzen 
Kompagnie pon ber Sfifyne fyerab unb im Silbe weiteres er- 
fahren; aber nidjt, wie Karl Cef fing permutete, ;/ um ben Kampf 
mit Jjotjngelädjter 3U perlaffen" unb mit einem fatirifdjen 
Stücfe 3U fdjliefjen, fonbern mit einem „rüijrenben" Drama, 
in bem alle Diffonan3en bes Kampfes perfhnnmt ftnb unb bas 
Siel bes gan3en Streites perflärt erfdjeint, befdjritt Cefftng 
biefen XDeg. 

<£r nafym ben alten plan wieber por, bearbeitete unb 
gefialtete itjn aus, J779 erfdjien bas bramatifdje (5ebidjt 
„XTatljan ber XDeife", auf bas über J200 Subffriptionen 
eingelaufen waren. Ceffing ging pon ber britten ZtopeDe bes 
erfien Cages in Socaccios „Decamerone" aus, inbem er bie 
pietbefjanbette parabel pon ben brei Bingen tiefftnnig um« 
bilbete. £r legte bem ©pal bes Ztinges bie ge^etmnispoQe 
Kraft bei, „por (Sott unb ZlTenfdjen angenehm 3U machen, 
wer in biefer ^uperftdit üjn trug". Der öater, ber alle brei 
Söfyte gleid? liebt, lägt nadi bem HTufierring 3wei anbere 
fyerftellen, fo PoHfommen gleid}, bajj er felbjl ben eckten mdjt 
erfennen fann. Zladi bem tEobe fommt es 3um pro3e§, weil 
jeber Sofyt efyer bie Srüber falfdjen Spiels 3etljen, als glauben 
will, ba% ber Pater gegen iijn falfdi gewefen fein fönne. Dem 
Hidjter fommt ber erleudjtenbe (Sebante, ber edjte Hing beftfte 
bie XOunberfraft, beliebt 3U machen, bas würben bie falfdjen 
Hinge bodj nidjt fönitenj barum mögen ft$ um bie Weite 



144 Religion nrtb lUenfdjentum. 

jhreben, ber Kraft bes Steins „mit Sanftmut, mit fye^lidjer 
üerträgltdifeit, mit Wohltun, mit mnigjler Ergebenheit in <Bott" 
3U l}ilf 3U fommen, bamit über taufenb 3<tf}i* «n weifrer 
2Tlann ben Kinbes-Kinbes-Kinbern Hecfot fprecfye« fSnne. IDir 
l$ren uneber bas tEeftament 3otjannis: „Kinberdjen, liebet 
Cudj!", ©ernennten als Ztadjflang bes 5*agmentenjhretts: auf 
&ie IDerftätigfeit, mdjt auf bie "Dogmen fommt es an; bie 
bejte Hetigion ift jene, bie es am beflen perjte^t, gute Jttenfdien 
3U bilben. 3" biefem Sinne fyat Cefftng bie 5abel feines 
Dramas erfunben. 

2lls (Erdger ber £}anb(ung flehen einanber Vertreter 
ber brei fjauptreligionen gegenüber, aber cfyarafterijtifdi abge* 
/ ftuft, mos 3um Dorrourf 21nlaj$ gab, bajj Cefftng gegen bas 
£f)rfßentum für bas 3ubentum partei genommen liabe. Dem 
ift aber feinestoegs fo, tote jebem fofort einleuchtet, ber ftdj 
an bie einfdjlägigen Paragraphen ber Cefjtngfdjen Sdjrift „Die 
fi^ietjung bes 2ttenfdjengefcfiledits" erinnert. Ztadj §. \S er3og 
(ßott im 3»bentum „bie fünftigen (E^ie^er bes ZlTenfdjen» 
gefdjledjts", barum fonnte nur ein 3»be bie Vertreter ber 
anbeten Religionen in feinem fortgefdjritteneren Sinne weiter* 
bilben. Xüeil aber nadj Cefftngs 2lnftd?t (§. 20 unb 20, un- 
abhängig oon ben 3*iben ein3elne fyeibnifdie PSlfer, nur ge* 
leitet pon ber Dernunft, ifpten in ber (Erfenntnis 3ut>orfamen, 
otjne jebodj für bas gan3e 2ttenfdiengefdiled}t baburdj etwas 
3U erreichen, jiellte Cefjtng ben Derurifd? 3unäd# neben ben 
3uben, lieg ifyn aber feinen Ceil an ber (Bemetnfdjaft mit 
ben übrigen. Das Siel ber gan3en fi^ietjung ifi (§. 85), 
„bas <5ute tun, u>eil es bas (ßute ifi"; biefem Siele 3U ent» 
uucfelt jtd? nxdtt nur bas $an$e 2Tlenfd?engefdEiledjt, fonbern 
ebenfo jeber ein3elne ZHenfdi, „ber früher, ber fpäter" (§. 93), 
inbem er bie allmähliche (Entroicfelung bes (ßefdjledjtes burdj- 
laufen mu§. Hatljan fyat bie 5^ffeln feiner „Heligion" gan3 
abgejiretft, mit Öeumgtfem abgejhreift unb ftdj 3U jener 2fi\\e 
bes „neuen, eisigen €t>angeliums" (§. 86) burcfygerungen, bem 
jtdj bie Vertreter bes Cfyriftentums unb bes ZTCofyammebamsmus 
erfi nähern, »eil jte ©on ben 5*ff*ln triebt frei jtnb. Ztat^an 
fletjt auf bem Stanbpunft ber Humanität, bie ba fagt, „alle 
2ttenfdjen toerben Srüber"; er übt bas (ßute nieftt um irbifdjen 
Colones toiHen, nidft im fjinblicf auf bie einzige Pergeltung, 
fonbern in jener reinen (Erfenntnis, bie jtcfy xfyn unter feftroeren 



Heligion nnb Pfafcntum. 145 

Cetben erfdtfoffen ijat. Den ifem lieben, xfyn geiftesperroanbten 
Derwifdi fpridjt er an: „£ajj Dtdj umarmen, ZTlcnfcfi" 1 Dtefes 
ZHenfcfeentum aber ben ein3e(nen Religionen, biefe wafere He- 
ligion, bie roeit entfernt ifl vom Sudjjtabenglauben, erfdjliefct 
ftd? im taufe ber ^anblung audj ben Vertretern ber anberen 
Religionen. 

2lber Cefjtngs (ßegner freiten ifen tx>egen bts Patriarchen, 
in bem fte ben Vertreter bes (Eferiftentums fefeen; L& ifl es 
ebenfotx>enig, als Hatfean Vertreter bes 3ubentutns» 3111er* 
bings äufcerlid? tjt er Cfertfi, aber t>om (Eferifientum ifl nichts 
in ifem. Der einfältige Klofierbruber tounbert jidj, „u>ie bodi 
ein ^eiliger, ber fonfl fo gan3 im £jimmel lebt, 3ugleidi fo 
unterrichtet »on Dingen biefer XVelt 3U fein feerab ftdj lajfen 
fann". Diefer Patriarch nufet bas (Etjrifientum nur 3U feinen 
tDeltlidjen Sroecfen, egotfiifdi auf bas Wofy feiner Kirche, bie 
üjm üjre ZlTadjt gab, bebaut. €r repräfentiert nidjt bas 
(E^rijientum, fonbem jene „ILyvannei" (§. 78), jenes unbulb« 
fame pfaffentum, bas bie Cntoicfelung 3U hemmen fdjetnt, 
aber troftbem ben „unmerflidfen Schritt" ber „Vorfefeung" 
nid?t aufhält (§. 90; « »iH &*n *Men Sultan erboldjen lajfen, mit 
bem ein XVaffenftiOftanb gefdfloffen ift, er toieberfeolt d^nltd? 
toie (5oe3e: „tut nichts, ber 3ube wirb ©erbrannt!", benn ifem 
iß ber (Blaube alles, nidjt ber innere Seweggrunb, nidit 
bie (Eat; aber er bient burdi biefes fein gelotentum, ofene es 
3U uriffen, ben fedfeeren gtoeefen, öffnet bem Klofierbruber unb 
por allem bem ttempeltjerrn, bie 2lugen, fo bafj fie ben rechten 
XVeg einklagen. XTidjt bie Cferiften ftnb im Patriarchen ge* 
troffen, fonbern bie „(Theologen", benen Cefftng bamit einen y 
ärgeren poffen fpielte, als nodj mit 3etjn Fragmenten. © n 
CB?rtft, bem ber ZDiKe, nidit bie (Babe ben (ßeber madjt, ifi 
ber Klofierbruber Sonafibes; in feiner fdjlidjten (Einfalt unb 
jrdmmigfeit, unbetougt, leifiet er als Ztatur bas, vooixx Xtatltan 
burdi p^tIofopB^ifci?e €rf enntriis geführt n>arb. „Xtatljan! 
Zlatfeanl 3^* M& ^ n Cferiji!" fann er rufen, „Sei (Sott, 
3fyt feib ein (Eferijil ©n beff'rer (Etjrifi »ar niel" 23atf}an 
freiliefe enoibert ifem nidit „tag Didj umarmen, ZKenfdi", n>ie 
bem Derunfdi, ba3U ifi ber Klofierbruber nodi 3U „fdjroadi" 
(§. 68), fonbern in ber finblidjeren Sprache: „IDofel uns! 
Denn u>as midi £udi 3um (Cferifien maefet, bas madtt €ud? mir 
3um 3wben!" Der tCempelfeerr burefefefereitet im Stixd beutlid) 

IPerntv, ©ottljoß» €pf)rahn Cefftng. IQ 



V 



146 Die £fjrtfhm im Stfitf- 

bie finhpicfelung pont 3nbiffercitti5mii5 3ur Heligion im Sinne 
Hakans, anfangs $eigt er jtdi als tapferer Rittet gan$ 
gleichgültig gegen ben (Blauben; er peradjtet bte Pfaffen 
unb bie 3wben, ber gute Kern feines ZDefens flecft nodj in 
rauher Schale. 2Us (Tempelherr äußert er ftdj suerjt, aber 
fein ZlTenfdientum ifl nidit gan3 frei von 2ttenfdjenperaditung 
(II, 5); unter bem ©nflujj ber £iebe fommt er 3U einer 2lrt 
egoifttfdjer Sulbfamfett (III, 8), unb ba Hin Zlatl(an nidit fofort 
3um Sdjtpiegerfolpt annimmt, Daja 3ubem mit iljrer Xtadfridtf 
fommt, Hedja fei Cfyrifiin, u>hrb er tpanfenb: ber f Combaren 
ttnbulbfamfeit Hakans gegenüber regt ftdj bie ifym aner« 
' 3ogene Unbulbfamfeit (III, \0) unb er gel^t 3um Patriarchen, 
por bem er eine geheime Sdieu unb berechtigte Deracfttung 
fyat, wollte er ifyn bodj 3um Spion, ja 3um ZITeudielmSrber 
an feinem Wohltäter Salabin bingeu. Was üjn leitet, toie 
Upit Heligion nodi partei ijt, bas fpridjt er IV, \ aus, aber 
in ber Unterrebung mit bem Patriarchen regt ftdj u>ieber feine 
etjrlidje XTatur, ttjn fdimer3t fein Ärgtpofyn gegen Hatten 
(IV, 4); bie Ceibenfdjaft fyat iijn Ijingeriffen, unentfdjloffen ge- 
macht, ber Umfdjnmng bereitet fldi in ber S3ene mit bem 
Klojlerbruber (IV, por, beginnt in jener mit bem patri» 
ardjen, perftärft ftdj beim Sultan (IV, fy unb pot^ieijt pdj in 
bem ZTConolog (V, 3) enbgültig, toas er Hat^an gegenüber 
(V, 5) offen ausfpridjt unb begrünbet 5teilid? fjat er gan3 
feinem Cfyarafter entfpredjenb nodi einen HücffaD, ba er t>on 
T&edias Sruber ijört, unb erft beim Sultan (V, 8) nadj bem 
fdjtperen Ztieberringen feiner Ciebe 3U bem ZTCäbdjen Hedja 
unb nadi feiner 2Inerfennung ber Sdjtpejler Slanba seigt er 
burdj bas ©erßänbnis für Zlatfyans (Bröjje, ba% er ftd} burdf- 
gerungen fyat 2ludj für ifyn unb feine €nttPtcfelung gibt §. 38 
ber „C^ieljung" einen ZDinf: „bas in bie $rembe gefdjicfte 
Kinb" roirb burdj ben 2tnbltcf „anberer Kinber" er3ogen unb 
„ZlTettfdi". 

IDie Kurt reift Hec^a, bie aDerbhtgs burdj Hatten fdjon 
tpetter gebracht u>ar, als jener; gan3 frei tß aber audj fte 
nid}t, ber Aberglaube Dajas übt in poetifdjer Derflärung 
feinen £influg unb madtf fte 3ur Schwärmerin; bas „IDunber" 
toctt fte unb barin perrät ftdj nodi eine getpiffe „KinbKdi« 
feit", bis xfyc Ration bas toa^re ZDefen bes IDunbers tiefftnnig 
enhpicfelt (1, 2) unb fte barauf pertpeift, u>ie fte Ptelletdit burdj 



Die ITCotjammebaner. 147 

ifyr „anbädiüges S dito armen" bar an Derljinbert werbe, „gut 
3U Ijanbeln". 3« biefer S3ene fdjen wir audj, wie er feine . 
Codjter er3og, benn er liebt „bie falte Öudigelefyrfamfeit" nieftt, l 
in münblicfter Hebe füi^rt er Schritt für Stritt 3ur Crfenntnis; 
er wiQ über3eugen, nidit Überreben, er reicht ZTTebijin, mdjt 
(Sift, lägt aber ba5 Unfraut nidit wuchern. Dann fommt für 
Hedja bie erfdjütternbe Zladjridit, Ztatljan fei nidjt xfyc Pater, 
bas bringt fie auger ftdj unb nur langfam beruhigt jte fteft 
in bem (Bebanfen, bag es eine l^ere Derwanbtfdjaft gibt, 
als bie „bas Blut madjt", jene Derwanbtfdjaft, bie fie fdjon 
Dörfer in Sittalj üjre „Sdjwejler" ftnben lieg. Hedja iji 3war 
£f)rijtin i^rcr (Eaufe nadt, aber ifyrem XDefen nadt ifl fie bie 
Schülerin 3Xatl\ans. 

gum Klofterbruber bilbet Daja, bie gutmütige fdjwacfye, 
ein (Segen jiücf; fie fyält 3war an iljrem Cljrijienglauben fejt, 
„iji eine oon ben Schwärmerinnen, bie ben allgemeinen, etnjig 
magren IDeg nadt (Sott 3U wijfen wäfyien" (V, 6), tarnt audj, 
an Hatfjan irre geworben, etwas tun, was gefätjrlid} 3U 
u>erben permSdite, ba fie aber ber Siebe Etat, fefylt fie audi 
nur aus Ciebe, fyanbelt im Sinne bes Cejtamentes 3oE)annis 
unb erfüllt bas (Sebot bes Cfyrijientums in iljrer XDeife. 

Salabin unb feine Sdjwejler Sittalj, jener mit weiterem 
Slidt unb leerer jluffajfung, biefe mit eblerer Hetnfyeit, jtnb 
3war 2Tlofyammebaner unb ntdjt gan3 frei oon gewiffen ©gen- 
f^eiten, aber aud\ jte füllen ftdj ergaben über bie fonfeffioneKen 
ttnterfdjiebe, begegnen jtdj mit Xtatl)an, Hec^a, bem (Eempel* 
ijerm in ber Jttenfdilidifeit, wenn audj ©erfdn'eben „an 5arb', 
an Kleibung, an (Behalt". Ceffmg betont wiebertyolt, überein* 
jKmmenb mit feinen tfjeologtfdjen Schriften, ben ©nfltog ber 
£r3iel)ung, bes Klimas, fur3 ber Crabition auf ben ©feinen, 
was aber bas gufammenfhtben in einer teeren (Einheit nidit 
©erljinbert. 

T>as Drama als folcfjes f^at t>ielletdit barunter gelitten, 
bag es Cefftng ausführte, ba er feinen Streit auf tfjeolo- 
gifdjem Soben nidjt weiter ausfegten burfte. Vxe fymbolifdje 
Sdiluggruppe, bie alle fjauptperfonen 3u einer einigen 5a* 
milie unb fo bie guten ZTCenfdien oijne Hüdtftdjt auf t^re 
„Heligion" pereinigt, fyat für bas Drama ben Xtadjteil, bag ber 
nadt ber £gpofttion 3u oermutenbe 23unb ber Ciebenben nidit 
im gebräuchlichen Sinne 3u{tanbe fommt unb bie an feinet 

10* 



148 ,r<2ntji mtb $a\t u J778— 1780. 

Statt eintretenbe Derbmbung poetifdj woljl weniger wirft. 
2lber gerabe burdi biefes aufgeben ber tfyeatralifdien (Dra* 
bition rücft bas <$5an3e in eine fyoljere Sphäre; nidjt „ein 
Spiel bes IDifees" tfi ber porgetragene $atl, „«idtf bloß mit 
einer tfjeatrarfdjen Schnurre" »erben wir abgefpeifi, Cefftng 
betrat bie Sütjne wirflidj rote feine Kan$el, um fein £pan* 
gelinm ber Ctebe 3U perbreiten. So erfüllte Cefftng bie 5orbe* 
rung feiner „Dramaturgie" : „auf bem ttfyeater foDen wir nidjt 
lernen, was biefer ober jener RTenfdi getan Ijat, fonbern was 
ein jeber ZHenfdi pon einem gewiffen (Etjarafter unter gewiffen 
Umjlänben tun werbe" ober pielleidjt ^ier aud? „tun fotle". 
Das „bramatifdje <5ebidjt" burfte mit Redjt bas TXlotto be» 
fommen: „tEretet ein, benn aud? f}ier ftnb <58tter", es ge- 
winnt weltfjifiorifdie Sebeutung, fymboltfdjen (Behalt unb ge* 
fyört 3ur Reilje ber bebeutfamen IDerfe, mit benen Cefftng 
feine Cebensarbeit fo grogartig abfdjlofc. 2tuf ben „Ztatljan" 
folgten nodj „(Ernfi unb Salt. (Befprädje für $reimäurer" 
(J778 unb J780, fünf <5efprädje) unb „Die «nietjung bes 
Znenfd?engefdjled?ts" (J777 unb J780). 3fyten allen liegt 
eine Ijerrlidje, tiefetfjifdje 3bee 3U (ßrunbe. Die eigentlichen tfjeo« 
togifdjen Schriften machen nur innerhalb ber ö?iffenfdjaft £podje. 
3m „Ztatijan" wirb über ben Religionen bie Seligion 
ge3eigt, b. fy. bargetan, welche 3bee alle Religionen traben 
müßten unb foKten: bie (Staubigen 3u guten RTenfdien 3U 
e^ieljen. 3« ^^ anregenben $retmaurergefprädfen 3wifdjen 
Salt unb €rnfi wirb aufgebest, welche 3bee bie RTauerei traben 
fottte, über ben Staaten erfdjeint aber nidjt fo feljr ber Staat, 
als bie 2Henfd]fyeit, ba% ftd? bie ZHenf djen nidjt als foldje 
RTenfdjen, als €nglänber, $ran3ofen, Deutfdje, fonbern als 
bloße RTenfdjen begegnen f ollen, nidit als foldje ZHenf djen, 
als (Cljrifien, 3uben, fonbern als btojje ZlTenfdjen, RTänner in 
jebem Staate, „bie bem Porurteile ifyrer angeborenen Religion 
(itjrer Station, ifyres Staates, itjres Stanbes) nidjt unterlägen, 
nidjt glaubten, ba% alles notwenbig gut unb wafyr fein mfiffe, 
was fte für gut unb wafyc erf ennen". ttnb als (Brunbfafe 
ber $reimauerei formuliert Cefftng bie 5orberung, „jeben 
würbigen RTamte pon gehöriger Einlage, oljne Unterfdiieb bes 
Vatevlaribes, oljne ttnterfdjieb ber Religion, ofyxe ttnterfdfieb 
feines bürgerlichen Statines, in ifyren ©rben auf3unetjmen". 
IDie er im 5*agmentenjhreit unb im „Ztattjan" 3wifdjen (ßlauben 



„Die (Erstehung bes tnenfdjettgefdjledjts" j?77— J780. 149 

unb Kirche unterfc^tcb, fo fdjeibet er jeftt 5retmaueret unb 
Coge. „2lus bem äußeren tt>ofylftanbe ber Kirdje ifi für 
ben (Blauben ber ©lieber nichts, gar nichts 3U fdtftegen. 
Pielmefyr gibt es einen geuriffen äußerlichen IDofylftanb ber« 
felben, pon bem es ein ZDunber u>äre, wenn er mit bem 
wahren (ßlauben befielen fönnte. 2ludi traben ftdj beibe nodj 
nie vertragen, fonbern fyat (Eins bas 2lnbere, wie bie (Befdiidite 
leljrt, immer 3U (Brunbe gerichtet." IDieber betont er bie 
Dulbfamfett in bem frönen Silbe: „Der Freimaurer erwartet 
rut}ig ben Aufgang ber Sonne unb lägt bie Cidjter brennen, 
fo lange fte wollen unb fönnen — Die Siebter ausldfcfcen unb, 
wenn fte ausgelöst ftnb, erji walpnefpnen, baß man bie 
Stümpfe bodj wieber an3Ünben ober woljl gar anbre Cidjter 
wieber auffieefen muß, bas tfl ber Freimaurer Sa&i* nidjt". 
3n biefem Sinn ifl nun audj bie großartige Schrift „Die 
fi^ieijung bes HTenfdiengefdjledits" x>erfa§t. Der (ßebanfe^ 
einer jletigen Solution wirb auf bie Heligionen angewenbet^ 
3n ber Porrebe Tüetßt es: „ZDarum wollen u>ir in alle«; 
pojttwen Heligionen nid?t lieber weiter nichts als ben (Bang 
erblicfen, nad) welchem ftdi ber menfdilidie Cerjtanb jebes (Drts 
ein3ig unb allein entoicfeln fönnen unb nodj ferner entoicfeln 
foH, als über eine ber felben entoeber lächeln ober 3Ürnen? 
Diefen unfern fjofyt, biefen unfern Unwillen uerbiente in ber 
beflen IDelt nichts; unb nur bie Heligionen f outen ifyn oerbienen? ; 
(Bott tjätte feine fjanb bei 2tQem im Spiele, nur bei unfern 
3rrtümern nidit"? Die ijunbert Paragraphen geben unter 
bem Silbe ber £r3ieE}ung eine Cntoicfelung ber HTenfdjfyeit 
unb enthalten in tnt$en gebrängten Safari of^ne ein EDort ber 
Erläuterung Cefftngs Slnftdjten, 3um Ceil audj feine polemif 
gegen ben „5*agmentiften". Das IDef entließe feiner 2tuffaffung y 
lägt ftdj bem §. 4 entnehmen: „fe^ieljung gibt bem HTenfd)en 
nichts, mos er nid?t aw&i aus ftd? felbfl traben fSnnte; fte gibt 
ifyn bas, was er aus ftd} f eiber fyaben fSnnte; nur gefdjwinber 
unb leidster. 2llfo gibt audj bie Offenbarung bem HTenfdien- 
gefdiledjte nichts, worauf bie menfdiltdje Dernunft, ftcf? felbfl , 
überlaffen, nidjt audj fommen würbe, fonbern fte gab unb 
gibt iljm bie toidjtigfien biefer Dinge nur früher." 3fyn pnb 
bie biblifdjen Sucher €r3ief)ungsfd}riften für bie gan3e Hlenfdj- 
fyeit, aber nidjt oon bleibenber, fonbern t>on »orüberge^enber 
Sebeutung, pon XPidjtigfeit nur für bie jedesmalige <£nt« 



150 Sptno3<u 

wicfelungsjtufe ber ZITenfdtäett. Dos 21B<£-Budi bes alten 
(Eeftamentes mit feiner Derijeijjung irbifdjen £of)ns für bie gute 
ÜJanblung fyat ebenfo feine Jttifjton erfüllt, wie bas Cefyrbudj 
bes neuen, in bem bie ttnjterbltdifeit ber Seele 3ut>er(äfftg unb 
praftifdj gelehrt, bie innere Seinigfeit bes ffe^ens in J^inftdjt 
auf ein anbexes leben empfohlen würbe. Die nädjjie Stufe 
mu§ fein, bie Heinigfett bes J£}er3ens, bie nun bie Cugenb 
nur um Ujrer felbji willen 3U lieben fällig madjt (§. 80). „Hein, 
fte wirb fommen, fte wirb gewig fommen, bie Seit ber PoQ« 
enbung, ba ber ZlTenfdi, je überjeugter fein ©erftanb einer 
immer bejfern Sufunft ftdj füllet, oon biefer gufunft gleidjwotfl 
Bewegungsgrünbe 3U feinen £}anblungen 3u erborgen nidjt 
nötig traben u>irb; ba er bas (Sute tan u>irb, weil es bas 
(Sute tft, nidft weil wiüfürlidje Belohnungen barauf gefegt ftnb, 
bie feinen flatterhaften Blicf efyebem bloß heften unb jiärfen 
fottten, bie Innern beffern Belohnungen besfetben 3U erfennen" 
(§. 85). Das wirb nidtf fo rafdj ge^en, wie bie Schwärmer 
meinen, aber es wirb fommen. „(Bei} Deinen unmerflidien 
Schritt, ewige Porfeljung ! Xlux lag midi biefer Unmerf lidjf eit 
wegen an Dir ntdjt Bezweifeln l — £ag midi an Dir nidjt 
Bezweifeln, wenn felbft Deine Schritte mir fdjetnen foHten 
3urücf3ugefyenl — €s iji nidtf wafyr, bag bie fünfte Cinie immer 
bie gerabe ijl" (§. 90- tefftng ergebt pdf 3ur 3bee einer über- 
aus poetifdjen Seelenwanberung, einer €wtgfeit poK Deränbe« 
rung. Denn rote im 5a1&e von ber XDatjrfjeit unb bem Streben 
nad) XDafyxt)ät fagt Cefftng audi bie Unßerblidtfeit nur als 
eine ewige Deränberung auf. &r x>erbanb mit ber 3bee eines 
perfSnltdjen, fdiledjterbings unenblidjen XDefens, im um>er« 
änberlidjen <5enug aüer^öcrifter Pollfommcn^eit, eine foldje 
Porfleüung t>on unenblidjer Cangewetle, bag ifym angjt unb 
weif babei würbe. Darum audi für bie Seele feine Hu^e, 
fonbern eine immerwäljrenbe (Entfaltung (§. 98 bis J00). Die 
Seele ifl iljnt finteledjie, Kraft, unb er füllte bie Crfjaltung 
ber Kraft, benn Spino3as „2ülehtliett" erfeftien tljm als bie 
bisher bejte Cöfung bes Bätfels. Das erfuhren bie 5**unbe 
fretltdi erji nadj feinem tEobe burdj 5*ife 3«cobi, ber J780 
bei einem Befudie jtdj mit Cefftng im 2tnfditug an <5oett}es 
„Prometheus" über ben Spino3ismus einge^enb befprodjen 
ijatte. TXadt Cefftng war ber ZRenfdi 3um Stanbeln geboren, 
3um Cun bes (Buten um bes (Srxten willen, ber IDert jebes 



(Euigteit smb (EnMt^feit 151 

ZTlenfdien liegt in biefem (Eun, bas er nur mit Überwinbung j 
ber Ceibenfdjaften erreichen lann f wie Zlatfyan ftdj bes fremben / 
(Eljriftenfinbes annimmt, ba i^m Cljrifien feine fteben Sötjne | 
getötet ^aben. Der ZDiUe bes ZHenfdfen iß beterminiert, aber ' 
tote fldj bie ZTCenfdiljeit mit Ztotwenbigfett immer n>eiter ent- 
wickelt, fo audi ber ein3elne ZHenfdj, ber ifyre Script burdj* 
laufen mu§ (§. 93); ba3U reicht bas einmalige Dafein ntdjt 
aus, warum foHte man nidjt eine XPiebcrfe^r annehmen, bie 
fo oft eintritt, als bas 3"bnribuum gefdjicft ijl, nmc Kenntniffe, 
ntnt 5ertigfetten $u erlangen? (§. 98). 

Ztlit biefem 2tusblidt in bie tx>eite{len 5^rnen natyn Cefftng 
Jlbfdjteb pon biefer IDelt. Sie würbe bem (Sequälten immer 
trauriger. Sein Körper verfiel, feine Sdjwädje, bas ZTadjlajfen 
einer geifligen Kräfte würben tfpn felbjt wie bcn Jamben 
dimevilidi flar; mitten im (Sefprädj fonnte er plöfelidj ein* 
fdilafen, fein unermübltdj fdjemenber (Seift war ermattet. 
(Semieben, von ber törichten ZHaffe als 5retgeij! unb (Softes* 
leugner gesagt unb betrogen, t>on elenben Perleumbern, bie 
üjm gern feine lefete St&fa, feine Stieftochter 2ttaldjen, geraubt 
Ifittm, bie üjm burdj bas ZlTärdien, er Ijabe von ber 2lmjierbamer 
3ubenfdjaft 1000 Dufaten für bie publifation ber „$ragmente" 
gegen bas Ctjrijtentum unb ttnterbrüdfung ber (teile gegen bas 
3ubentum erhalten, um feinen efyrtidjen Hamen bringen wollten, 
bis 3um Schlug gepeinigt, pon feinem aufflärertfdjen (Segner 
Semler als reif fürs (Eottttaus be3eid}net, unglücHidj unb per« 
einfamt lebte Cefjtng bie (efete Seit. Sein (Sefüfy faßte er in 
bem XDunfdi für ben €rflgeborenen feines Srubers Karl 3u- 
fammen: „£r werbe beffer unb glücflidjer als alle feines 
Hamens!" 7>as (Slücf Ijafte (Sottfjolb £pt)raim nidtf per* 
wölptt; im Hücfblidt auf bie Berliner Seit fdjrteb er am 
J9- 2>e3ember J780 bem alten 5teunbe UTofes: „Thxdi idi war 
bamals ein gefunbes fdjlanfes Säumten nnb bin tfet ein fo 
fauler unb fnorridjter Stamm I 2ldj, lieber 5reunb, biefe S3ene 
ift aus". Die IDelt erfdjten i^m woljl als bas „große (Coli* 
l^aus". Sefonbers litt er an bm 2tugen unb war fo gut wie 
blinb; wie räfpenb tjl 3U lefen, was er fur3 por feinem Cobe 
ber treuen €life Heimarus fdjreibt: „es ifl ein außerordentlich 
geller (Eag, unb xd\ \\abe eine mm Jjerrlidje Brille I" <£r freut 
ftcf? über eine neue Brille, bie es ttpn wenigßens möglich mad)t, 
ben Brief 3U poüenben! 



152 Dos (Enbe. 

anfangs J78J roar er in Sraunfdjioetg 3U Befudj, immer 
franf; am 3. 5ebruar befiel \i\n ein Scftlagfluf, 3»ar erholte 
er jteft u>ieber, fo bafj er am \5, nodj einmal ausgeben tonnte, 
Bei ber fjeimfelir aber mußte er ftcf? mit (Eobesfdiiüeijj auf 6er 
Stinte an ben Orpfojien anlehnen. £in ilberlaf} brachte 
feine fjilfe mefyr, er cntfdjlief rufyig um 7 Uf^r abenbs. £ine 
Srufhx>afferfud}t unb jtarfe Öerfnöcfyerung ergab bte Seftion. 
Sein immer warmes £}er3 — perfnödiertl 

Cef fing jiarb als ZDeifer. €r baue audi in ber Cobes- 
fhmbe nxdtt gesittertl Von ifym gilt bas Sdilugtoort ber 
„firsie^ung": „3ft "t^t bie gan3e €u>igfeit mein?" €r jleljt 
vor uns als ber nimmer mübe Kämpfer für bas EDafyre unb 
<5ute, als ber männlidifle Dichter ber beutfdjen Citeratur unb 
von feinen tippen ertönt bas Ceftament 3ofyannis: „Kinberdjen, 
liebet «udj'M 



Ctterartfctje 2inmerftm$ett 

ausgaben: <5ottfyoJb (Ephraim £effings fämtlwfje Schrif- 
ten, herausgegeben von Karl £ad|mann. Dritte, anfs neue burd?* 
gef eigene unb t>ermefyrte Auflage, beforgt von $ran$ Htuncfer. 
Stuttgart, <5. 3. (Söföenföe Derlagsljanblttng (886 bis (908. 2\ Bänbe. 
fjter finbet man ben reinften unb gefiederteren Cejt unb bie grögte 
PolljlänbigFeit. XPer fia) uriffenfäaftlid} mit £effing befajäftigt, mu§ 
biefe Ausgabe berficfficfytigen. 

£effings XDerfe. Berlin, <5uftat> Qempel, 0.3. 20 BSnbe, von 
otnen bie erften fünf nnb ber fiebente unbrauchbar, bie übrigen aber 
wegen ber mistigen (Einleitungen nnb ber reichen 2lnmerfnngen nod? 
immer unentbehrlich finb. 2lußerbem äafjllofe populäre 7lnsg,aben, and} 
mit erl&uternben Untaten. 

Biographien. Die älteren: von £effings Bruber Karl 
(Sottljelf (megen bes Htaterials 3U berütfftdjtigen) (793 bis (795, jefct 
herausgegeben von <D. £. £adjmann in Heciams Üntoerfalbibliotfyef 
2^08 f., von Clj. VO. Dan3el unb <5. (E. (Sufyrauer (853 f. (neue 
Auflage von Bojberger nnb Htaltjaljn (880) von 2XboIf Sta^r 
(^859), Qeinria> Dfinfcer (*882) ufro. finb überholt bura> <Eric$ 
Sdjmibts „£effing. (Sefdjidfte feines Hebens nnb feiner Schriften", 
Berlin (88^ bis (892, 3n>eite umgearbeitete Auflage, (899. 3 n biefem 
glän3enb gefdfriebenen ZDerfe finbet man befonbers ausführliche £i\atah 
terifHfen ber perfönlidjfetten, bie mit £efjing in Be3iefynng fianben ober 
auf um einurirften, 2lusbli<fe nad) allen Seiten, oft fo reidj, ba% fEe faft 
pernrirren fdnnen, nnb bnxdfans cerläfjlidje pofitioe eingaben. — Vftand^es 
lernen lann man ans jran3 ITC elj rings einfeitiger, t>ieles über» 
treibenber, aber floffreidfer polemif „Die £effing-£egenbe 1 ' ({893, 2. 2Jnf« 
läge (906), bie freilief? oft weit von tfyrem eigentlichen (Efyema ab* 
fcr>u>ctft unb burdj t^ren fLon verlebt. — 2lusge3eidmet r^at es Wilhelm 
DitH{ey in einem 2luffafce feines Buches „Das (Erlebnis nnb bie 
Dichtung" (Berlin (906, 2. Auflage (907) oerftanben, bie (Entn>icPelung 
ber pfylofopfyfdjen nnb religiöfen 2Infid?ten £effings fla^ulegen nnb in 
ifyren tyanvt$ng,en fur3 3U fd?ilbem. — Und) in ben ©erfdjiebenen 
£iteraturgefdjidjten rnirb £effing meift eingeljenb nnb fdrbernb befyanbelt. 
(Ein Peräeidmis ber arbeiten über £effing finbet man in <5oebefes 
cSrunbrif, 2. Auflage, IV, S. \52 ff., bei (Ericfy Sfynibt unb feit (890 



154 £iterarifdje 2lnmerfungen. 

in ben unentbehrlichen „Jahresberichten ffir neuere beutfdje £iteratur- 
gefc^id^te" (Berlin). — über bie Dramen sergleidje jefct (Snftao 
Kettner „£efftngs Dramen im £idjte ifjrer unb unferer geit". 
Berlin J90<t. 

S. \5 übet bas fftdtffa)e £ufrfpiel r*gL IP. <£rei3enaa) „gnr €nt» 
fteljnngsgefdjidjte bes neueren beutfdfen £ujrfpiels" {879. 

5. 30 unten« 3n biefelbe geit gehört £efflngs bibaftifa^es <5ebia)t 
„Die Heligion", von beffen fedjs (Befangen nur ber erjte erhalten ift 
unb bie gweifel an ber <E$tjien3 eines (Softes auf <5runb einer pefjl- 
mijHfdjen ZPeltanfdjauung ansfpridft £effing fua)t bas pfylofopfnfdje 
(Efyema 3U beleben, fdftlbert fein gimmer, n>o ber £n$us fef^lt, aber 
„Begriffner Bücher gafjl auf (Eifd? unb Dielen liegt", feine inneren 
Kämpfe, fein Hingen um Klarheit in einem ITConolog. 

S. ^0. <9an3 gefl&rt finb bie perfönltdfen Bedienungen Poltaires 
unb £efßngs nodj ntdft, befonbers iTCefyring $at Derfudjt, bie Haajridjten 
Karl £efftngs als unma^rfd^einlid? ^^ujteüen, boa) mdjt Pöllig über« 
3eugenb. 

S. *n. Pgl. „(5. (E. £efftngs Überfefcungen aus bem £ran3öftfa>en 
friebridjs bts (Srofen unb Poltaires. 3 m auftrage ber (Sefcllfdjaft 
für beutfdje £iteratur in Berlin herausgegeben von €ridj Sdfmibt, M 
Berlin ^892; barin auger ben (Effafs Poltaires brei Schreiben friebriajs 
bes (Brofien aus bem 3aljre J753. 

S. ^2. Pgl. „Bibliograpfyifdfes Hepertorium II. Peröffentlidjungen 
ber Deurfdfen Bibliograpljifdjen (Befellfdfaft. 2. Banb", herausgegeben 
von Dr. §. $7. ^ouben (Berlin *90<t); barin S. IX ff. eine O^araf. 
terifüf bes „Heueften" oon £ran3 Ittnntfer unb 5p. j bis *2 eine genaue 
Inhaltsangabe mit gelungener ZJadjbilbung ber erften Hummer. 3m 
„neueren" fielet bas (Bebidft „Die Heligion", r>gl oben. 

5. 4fc5. (Ein (Ejemplar oon ^öc^ers (Seleljrtenlejifon mit £effings 
Hanbbemerfungen fyat <S. Htinbe-pouet in ber Bromberger Stabtbibliotljef 
entberft, vgl. §ifiorifa>e Hlonatsblätter für bie pror»in3 pofen 6, 
S. w f. (^m). 

S. 7\. Über ben (Einfing ber „Miß Sara Sampfon" a.uf bas 
beutfdje Drama fjanbelt 21. Sauer in feinem Bndje „3 oaci ?* m VOü^tlm 
von Brame, ber Schüler £efflngs", Quellen unb <forfdjungen XXX. 
Strasburg J878. 

S. 75. Den 2lnsbrn<f „geitungsfdjreiber bey einem Ijieflgen TSnty 
fiterer 11 brauet Su^er in einem Briefe an Bobmer J75^ (Briefe ber 
Sa)me\$ex S. 227) beim (Erf feinen ber beiben erflen &&nbe von £effings 
Schriften. Pon Anfang an mifdfte fia) in Supers Urteilen über ben 
jungen Dieter unb Kritifer Abneigung unb 2lnerfennung; einmal (1755) 
nennt er iljn „ein IRifdjmafdj von (gutem unb Sdfledjtem". 

S. 9*. *Ne Umfajrift auf bem Titelblatt OMHPOG lafen in 
<&dttingen bie (Srafen Stolberg, weil fie bes ßriedftfdjen nidjt mädjttg 



£iterarifdje 2ltrmerfungen. 155 

waren, „Ompoc a nnb besfjalb erfdjeint biefer Harne bamals n>teberl)olt 
in ben Briefen ber ^reunbe. 

5. 99. Hicfyolas Home (( 67 3 bis ( 7(8) fjatte ^7^5 bie „Tragedy of 
the lady Jane Gray*' erfahrnen laffen. 

5. (00. 3°*) ann friebridj von (Lronegf ((73( bis (758) bietete 
ben ,,(£obrus" (pgl. S. 83), Joadfim WxVt\. von Brau>e ((738 bis (758) 
ben „Brutus" unb ben „jfreigeift". 

S. (03. Die 3tüerten Perfe flammen aus (Boetlfes (Sebidft „Seefahrt". 

S. 104 unten. Die Bibltotijef mugte £effing bann in Hamburg 
urieber verlaufen. 

S. (08. Dortrefflidf iß bie von Qngo Blümner beforgte Tins^abe 
bes „£aoroon*, Berlin (876. 2. Auflage (880* DgL and} 21. (f rcy, 
„Die Kunfrform bes £efffogfd?en £aofoon" (905. — (Einen gelungenen 
Derfudj, ben Kern bes XDerfes olme bas gelehrte BetroerF 3U geben, 
madjte 2luguft 5djmarfou>, £eip3ig (907, er f djrieb gleidfteitig uriH* 
fommene „(Erläuterungen nnb Kommentar 3U £effings taotoon". — 
€tu?as anbexs als £effing fagt bie £aofoongruppe 3. ID. fyente in 
einem anregenben Qefte, £eip3ig nnb Qeibelberg (862. 

S. ((<*. Da woljl bie ITCel^alil ber oon £ef fing befprocfyenen Dramen 
Ifeute faum mefyr allgemein befannt tft, empfiehlt fidj ein Kommentar, 
rote itm IDittjelm <£ofacf in feinem Bnctye „Materialien 3U <S. (E. £effings 
Dramaturgie" (paberborn (876) unb 3iemltd? gleidtfeittg frteb. Schröter 
nnb Hidj. (Elf tele in it^rer TXns^abe (^alle (877) gegeben fjaben. 

5. (2^. Über bie (Emilia (Salotti l^abe idj ausführlicher ge- 
fyanbelt in einem Büchlein w £efflngs (Emilia (Salotti. Hebjt einem 
ilnfyang: Die breiaftige ^Seaxbeitnn^". Berlin (882. 

5. (32. Der Brief (ßeblers an Xlicolai fielet in meinem Bucfye 
„21ns bem 3ofefmifa)en IDien" (Berlin (888), S. 67 f. 

S. (33. £effings „(Eagebna) ber italienifdjen Keife" bietet fafl 
nichts als troefene Hoti3en, fein IDort über feine (Einbrütfe; and) bie 
Briefe fpiegeln nur feine DerfHmmung. 

S. (3*. Val B. Seufferts $eft „tt>ielanbs 2lbberiten\ Berlin (878. 

5- (35. Über ben ^ragmentenfireit orientiert fur3 Dilt^ey im oben 
genannten 2luffafc. Über Heimarns vgl. Strang, <8ef. Schriften 5, 229 ff. 

S. (37. Pgl. „<Soe$ts Streitfdfriften gegen £efßng". heraus- 
gegeben von (Eridj Sdjmibt Berlin (893. Deutfdje £iteraturbenfmale 
bts adfoelmten unb neu^elmten 3al{rl)unberts Hr. 43 bis 45. Über 
<Soe$e bas Bndj von <5. £j. Tloeve (860. m 

S. (50. friebria) ^einridj 3acoby „Über bie £et>re bes 5pino3a 
in Briefen an fyxxn tttofes Ülenbelsfolm". Breslau (785. XPer!e IV, 
5. ( ff., befonbers barin S. 5( ff. bie (Sefpräa^e 3acobys mit £effing über 
ben Spino3ismus; bnxa) biefen Beriet rourbe ber Spinosafrreit hervor- 
gerufen. 

Drtirf Pon Wbttt Cimbadf ©. m. b. §., Bronnf djweig.