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Full text of "Grammatik der neuhochdeutschen Sprache nach Jacob Grimms deutscher Grammatik"

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A 


1 


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Kehrein's Grammatik 
der 


nenhochdeutſchen Sprache. 


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Panne, Jan el ⸗ rt 
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Srammatif 

Der neuhochdeutſchen Sprade 





nad) 
Jacob Grimms 


| deutſcher Grammatik 


bearbeitet 


von 


Sofepb Kebrein, 


ofeffor am herzoglich naſſauiſchen Gymnaſium zu Hadamar, des Bereins zur Erforſchun 
* en 5 ide a Altethümer ' Ma N oo refponbirendem und Der Geſellſcha 
für deutſche Sprache zu Berlin aüswärtigem Mitgliede. 


Erfier Theil 


Grammatif. 


Zeipzig, 1852. 
Berlag von Otto Wigand. 


[2 


* 





Erſte Abtheilung: 


Laut: uud Flerionslehre. 





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vum I 


Vorrede. 


7-/74-37 MER 


— — — — 


Nach langem Zögern lafſe ich vorliegendes Baͤndchen 
meiner Grammatik, das die Laut- und Flexionslehre um- 
faßt, erſcheinen. Am 16. Sept. 1843 hatte ich die Vorrede 
zur 2. Abtheilung des 1. Theiles mit den Worten gefchloffen: 
„Indem ich vorliegend: Baͤndchen der. Nachſicht Der Leſer 
‚empfehle, bemerke ich noch, daß ich, ſobald die 2. Abtheilung 
bed 1. Theile von Grimm erfchienen ift, die 1. Abtheilung 
be 1. Theiles meiner Arbeit möglichft fchnell werde nach- 
folgen lafien, was um fo eher wird gefchehen Fünnen, als ich 
bereitö die Bocallehre bearbeitet habe.“ 

Die betreffende Abtheilung von Grimmd Grammatif 
ift zwar noch nicht erjchienen; aber der bewährte Altmeifter 
hat in feiner „Geſchichte der deutfchen Sprache” (Xeipz. 1848. 
2 Bde. 8.) über die Lehre von den Conſonanten, Declina= 
tionen und Conjugationen jo viele Winke und Aufichlüffe ge- 
geben, daß ich es wagen zu dürfen: glaubte, vorliegendes 
Bändchen darnach audzuarbeiten und den Freunden unferer 
Sprache mit der Bitte um Nachficht zu übergeben. 

Auch bei diefem Theil meiner Grammatik habe ich, wie 
früher bei den andern, einerjeitö beftändig den Bli auf bie 

- * 


WV 








N 


geichichtliche Entwidelung unferer Sprache gerichtet, anderer 
feit3 ſowol unſere neuhochdeutſchen Schriftfteller (wobei ich 
dankend der reichen Nachweiſungen von Teipel in Jahns 


Jahrh. Suppl. 6, 188 f. 7,285 f. 385 f. 610f. 8, 207 f. 


503 f. und Gortiga im Programm des Gymnafiumd zu 
Lyck 1843 erwähne) ald auch die Volksſprache berückfichtigt. 
Die Sprache des Lebens und die Sprache ver Bücher ergänzen 
einander. 

Der neue Auffchwung des flaatlichen Lebens in unferem 
Baterlande laͤßt die Hoffnung wol als begründet erjcheinen, 


daß dem Studium ber reichen Schäße, welche die deutſche 


Sprache und Literatur in’ einem faft zweitaufenbjährigen Ent- 
wickelungsgang gejammelt hat, immer mehr Freunde werben 
getvonnen werden. Und die Zahl derjelben durch meine Büch- 
lein auch nur um einige zu vermehren, wünfche ich aufrichtig. 


Hadamar, ben 31. October 1849. 
we: 2 Kehrein. 


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Einleitun . 
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Sweites Capitel: umiaute art 
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Dritteg € ; Gapitel: Brechung 
Vieries Capitel: Diphthonge . 
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Erfter Abfchnitt. 


Bon den Bocalen überhaupt 
Erſtes Capitel: Einfache Bocale 


Dergleichung aller Bocale . 
Der Apoſtroph, Stellvertreter ber Wocale 


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Zweiter Abſchnitt. 


on den Conſonanten überhaupt 
Capitel: Flüſſi ige — 


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“Deittes Capitel: Seht oder Saumenbushtaben 


VI 


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Verboppelung ber flüffigen Eonfonanten . 
Verbindung derfelben mit andern . 
Zweites Capitel: kippenbuchſtaben 


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Verbindung der Eippenbuchflaben mit andern 


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Verbindung | der Kehl: oder Saumenbuchftaben mit andern 
Viertes Gapitel: Bahn: oder Zungenbuchftaben 


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Verbindung der Zahn: oder Zungenbuchfiaben 5 mit ander 
Einzelne Bemerkungen über die ®onfonanten: 


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a) Wegmwerfung von Sonfonanten 


b) Zautabftufung . 
c) Lautverfhiebung . 


Dritter Abfehnitt. 


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L 2 


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Sylben, Wörter, Wortarten . 
Erftes Capitels Syiben, Wörter . 


Stamm:, 
Wort .. 


Sylbentheilung 
Wurzelmörter . 


Abgeleitete Wörter. 


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Lebende, abgeftorbene- Wurzeln 


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Vor⸗ und Rachfpiben . 


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Zweites Capitel: Wwortarten oder Hedetheile 
| Vierter Abſchnitt. 


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rſtes Capitel: Declination . .. 
Declination der Subſtantiva. 
A. Starke Deelination. 


a) Starke Mafeulina (männliche). 


Erfte Declination . . 
. Aufzählung ber darnach gehenden Subflantiva . RF 


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1 — 





gweite Declination .. 
- Aufzählung der darnach gegenben —R 
Dritte Declination . .. 
Pp) Starke Feminina (weibliche). 
Erſte Deelination.. . . 
-Aufzählung der darnach gehenden Subftantiva . 
Zweite Declination . . 
Aufzählung der darnach gehenden Subftantiva . 
Dritte Declination . . . . . 
c) Starke Reutra (fachliche). 
Erfte-Deeclination . . . 
Aufzählung der barnach gehenden Subſtantiva 
Zweite Declinatign . . 
Aufzählung der darnach gepenben Subtantiva . 
Dritte Deelination . . 
B. Schwache Declination.. . 
a) Schwache Mafculina (männliche) . 
Aufzählung der ſchwachen Mafeulina . 
b) Schwache Feminina (weibliche) . . 
Aufzählung der ſchwachen Seminina (Opien) | 
c) Schwache Neutra (Jächliche). . . 
Anomala (unregelmäßige) . rn 
Declination ber fremden Subftantiva . 
a) Starke Declination . oo. 
b) Schwadye Declination 
c) Gemifchte Formen . 
E. Declination ber Eigennamen . 
4, Eigennamen männlicher perfonen. 
a) Starke Declination . . . na 
‚ b) Schwadhe Declinatiin - » 2 2 2 2. 
2. Eigennamen weiblicher Perfonen, 
a) Starke Declination . » . 2 2 2 2 0. 


on 


b) Schwadhe Declination . . on 


3. Plural der perfönlichen Gigennamen . 
4, Ortsnamen . . . 
8. Einzelne Bemerkungen . . 
1. Declination der Abjectiva 
A. Starke Declination . 
B. Schwache Declination . . 
II. Declination ber Zahlwörter . 
IV. Declination ber Juͤrwoͤrter. 
a) Perfönliche (personalia). . 
b) Befiganzeigende (possessiva) 
c) Hinweiſende (demonstrativa) 
d) Fragende (interrogativa) 
e) Rücbezügliche (relativa) 
f) Unbeftimmtes (jemand, niemand) 
Zweites Capitel: Gonjugation 
Starte Gonjugationen . 
Derfonenendungen der flarfen Gonjugationen . 
Die einzelnen ſtarken Gonjugationen Bocbemerkungen 
1. CSonjugation . . .» .. 
2. Conjugation .. 
3. Conjugation 
4. Conjugation 


5. Sonjugation 8. 178 


6. Soniugatin org ER, 
7. Gonjugation j j " [2 1} ‘ 0 ‘ ‘ 4 [2 y “ 99 4179 
8. Gonjugation . . . » + 
9. Sonjugation . . » rererer orig 
10, Gonjugation j L . 2 ‘ ®. ‘ « ‘ ‘ [ ‘ 97 182 
B. Samace Goniugationen . . Ihnen rn 
nenendungen ber ſchwachen Conju Den 
Paradigmen der ſchwachen — nn 
C. Anomala (unregelmäßige) . . 33:331 
a) Hilfsverbum (ſein)... en 108 
b) Verba zweiter Anomalie . irren 
‘ 1) ® o ® 0 0 o..0 „ 196 


A; 


— 


— — — — — — — —— 


Einleitung., 


5. 1. 

Verſchiedene Volksſtaͤmme bewohnten theils mit, theils nach 
einander in unſerm Welttheil den Raum zwiſchen Kelten, Roͤmern, 
Slaven, Letten und Finnen, d. h. Deutſchland, das jedoch zu ver: 
ſchiedenen Zeiten verſchiedene Grenzen hatte. Die Sprache dieſes 
Bolkes koͤnnte man die germaniſche, beffer aber und genauer wird 


‚man fie die’deutfche nennen, welcher Ausdrud althergebracht iſt 


und dabei den lauterſten Sinn und die bequemften Eintheilungen 


‚gewährt. 


Anm. Zehn Bölker find es, von denen alle Hauptſprachen unfers Welt- 
theils abſtammen: Iberer, Kelten, Römer, Griechen, Thraker, Germanen, 
eitthauer, Slaven, Finnen, Stythen, bie legten als bloß hinuͤberweichend 
nad) Europa und eigentlich in Aſien eingefeffen. S. weiter 3. Grimms 
Geſchichte der deutſchen Sprache, Leipzig 1848. S. f. 


8. 2. 
- Die öftlichen Stämme, die ſich jugendlich und nicht ohne Glanz 
ausgebreitet hatten, find erlofchen. Mit vollem Recht wird ihre Sprache 


‚nach den. Gothen benannt, aus deren Zeit und Mitte uns noch ge⸗ 
nuͤgende Reſte einer unfterblichen Arbeit erhalten find, wenn wir auch 


den ebeln Reichthum des gothifchen Wortvorrathes vielleidyt nicht zur _ 


‚Hälfte überfhauen. Der gothifhen Mundart verfchwiftert war ohne 


Zweifel die der Gepiden, Bandalen, Herulen, vielleiht der Bas 
ftarnen, obfhon BVerfchiedenheiten eingetreten fein muͤſſen, wie fie 
felbft nocd) an wenigen Eigennamen zu erkennen find. Alte Helden: 
lieder der Gothen gehen ung ab, und daß ihre Dichter, nach der Be⸗ 
Fehrung, chriftliche Stoffe behanbelt hätten, wird nirgend verfichert. - 


$. 3. 


- "Auf ber entgegengefegten Weftfeite haben andere Auswanderer, 
die Angelſachſen, fehr bedeutende, freilich um vier und mehr Jahr⸗ 
hunderte jüngere Denkmäler ihrer Sprache, in Poefie wie in Profa, 


hinterlafſen. Die Gedichte, wenn audy in chriftlicher Zeit aufgefchries 
ben oder abgefaßt, enthalten doch noch Anklänge an feühere heidnifche 


Schrein Grammatik. I. 1. 


— 9 — 


Darftellung, vorzüglih Beovulf, Cädmon und Andreas und 
Elene. Später, durch den Zutritt eines eomanifchen Elements, gieng 
die angelfähfifche Sprache, die man im 9. Jahrh. die anglifche 
geheißen zu haben fcheint, in die englifche über. 


§. A. 

Im Norden dauert der eingeborne Volksſtamm bis heute fort, 
der Sprachquell hat fih da mächtig und in ungetrübter Lauterkeit ers 
halten. Sind die Aufzeichnungen noch fpäter als die angelfächfifchen 
erfolgt, fo geht die Faſſung der meiſten eddiſchen Lieder der Grund: 
lage nach doch ungezweifelt in das Heidenthum felbft zuruͤck, und zeigt 
Dichtung und Rede faft ungeflört. Dies ift die altnordiſche 
Sprache, beren Kraft aus Norwegen nad Island flüchtete. Die 
ſchwediſche und daͤniſche Sprade kann man unter ber Benennung 
der neunordiſchen zufammenbegreifen. 


8.5. 
Suͤdlich ift die Mundart der Langobarden und Burgunben 
bis auf geringe Spuren verſchwunden, jene grenzend an bie bairifche, 
diefe an die alemannifche und fraͤnkiſche. Die Sprache des 
eigentlichen, inneren Deutfchlands ift nach den einzelnen Stänsmen 
vielfach verſchieden. Im Norden begegnen uns bier die Sprachen ber 
Frieſen und Niederländer. Was nad Ausfheldung dieſer zwi⸗ 
fchen Rhein und Wefer, Wefer und Elbe an Gebiet übrig blelbt, fällt 
der fähftfhen Sprache zu, ohne daß es thunlich wäre Weſtfalen 
und Sachſen rein zu fheiden. Alle Quellen altſaͤchſiſcher Sprache 
aus dem heibnifchen Zeitraum find verfiegt; in den erften Sahrh. nach 
bar Bekehrung entiprangen unter ben Sachſen wol nad) größere Dich⸗ 
gungen, von melden fi nur noch eine einzige (Evangelienharmonie) 
bewahrt dat. Dies Altſaͤchſiſche mag etwa zwifchen Muͤnſter, Eſſen 
und Cleve zu Haus geweſen fein; es hat Anklaͤnge an das Miedess 
laͤndiſche und eatferat ſich, bei manchen Aehnlichkeiten, doch dedeutend 
von Argelſaͤchſiſchen. Fuͤr die jüngere Zeit ſcheint bie Benennung 
giederdeutfcd angemeſſen. 
6. 6. 


Seltdem umter den Karolingen Einheit und Zuſammenhang ber 
Innern drutfchen Bolksſtaͤmme fich feftigten, konnte eine Wirkung diefer 
lebhafter als vorher gefählten Gemeinfhaft auch für unfere Sprache 
nicht außsbleiben. Im 6. und 7. Jahrh. mußten die Sprachen ber 
Franken, YZurgunden, Alemannen, Baiern und Thüringer merkbar 
don einander abflehen; auch im 8. und 9. Jahch. Laffen fid) einzelne 
Unterfchiede grammatiſch erfaſſen, ohne daß ſich die auf ung gefams 
menen einzelnen Denkmäler bucchgreifend nad ihnen fondern laflen. 
Man gewahrt bloß, daß die alemannifhe Mundart zu übermiegen 


beginnt, die bairifche ihr fehr wahe tritt, wie fchon die gefchriebenen 
—— Staͤmme in vielen Beſtimmungen zuſammentreffen. 

ie fortſchreitend entfaltete Bildung unſerer Poeſie und Literatur hob 
% von nun an auf dem Grunde der drei ungertrennlich gewordenen 

Rundarten, ber alemanniſchen (am Oberrhein bis zum Main, 
in einem heile der Schweiz, im Elſaß und in einem Theile von 
Lothringen), der bairifchen und fraͤnkiſchen (am Rhein und Neckar 
bis gegen Thüringen) empor, melde für das 12. und 13, Jahrh. 
paffender die ſchwaͤbiſche, bairiſchoͤſterreichiſche und fraͤnkiſche 
ne und rheinfränkifche) genannt werden. Ohne völlig bag 

rovinziefle aufzugeben, theilen fig ſich in lebendigſter Anregung dag 
Allgemeine mit, und prägen die Kennzeichen der über dem landſchaft⸗ 
fichen Gebrauch in ber Höhe ſchwebenden deutſchen Schriftfprache noch 
veiner aus. 


$. 7. 


Zur Unterfcheldung der fähftfhen Mundart, die im Norden 
bes Reiche, wiewol auf engerem Boden, jenen füdlichen gegenuͤder 
fand, fcheint die hergebrachte Ausdrucksweiſe nieberdeutfh und 
hochdeutſch die gefügſte, nit bio im oͤrtlichen Sinn, der das 
höhere Gebirgsland den flachen Nirberungen entgesenfegt, ſondern 
auch geiftig genommen, weil Die hochdeutſche Sprache und. Dichtkunſt 
aufflieg, bie niederbautfihe ſank. Dean felbft im Glanze ber ſaͤchfiſchen 
Könige (918-4024) hatte Die niederdautſche Mundart nicht wieder 
sur Blüte gelangen Finnen; unter dem fränkifchen (1024-1125) 
und ſchwaͤbiſchen (137 1254) ſammelte ſich die hochdeutſche mit 
aneuter Stärke, und begann ſchon ihren Einfluß über dan Mittelchein, 
Heffen uns Thüringen auszudehnen. Im 16. Zahrh. wurde der ein 
getresene Verfall ber Poeſſe durch Rräftigung der Preſa erfagt, und 
der hochdentfche Diedert in Kirchen und Schulen eingeführt, ſo baf er 
von da an in der Poefie des 17. und noch herrlicher im ber bes 18. 
Jahrh. veredelt als deutſche Schriftfprache herrſchte. Sie kann aus 
ben lebendigen Volksmundarten durch die Läuterung der Dichter und 
Schriftſteller erfriſcht, nicht aber abgeändert werden. 


4.8. 


Somit ergeben ſich die der Grammatik nothwendigen und ig bez 
hiftorifchen Unterfuhung gerechtfertigten Benennungen einer alts 
hochdeutſchen, mittelbochdeutfhen und neuhochdeutſchen 
Sprahe. Das Gothiſche finden wir gegen das Ende bes 4. Jahrh., 
das Althochdeutfche vom 8. bis zum 11. Jahrh., das Mittelhoch⸗ 
heutiche non. ber Miste des 12. bis zur Mitte des 14. Jaheh., das 
Meuhochdeutſche nom 16. Jahrh. bis jene, Dawwiſchen liegen jeden⸗ 
mol bie Ushrrgangsjeiten. . 


— 4 — 


8. 9. 

Allgemein betrachtet laͤßt ſich aufſtellen, was auch durch raͤum⸗ 
liche Beziehungen beſtaͤtigt wird, und wobei die zeitliche Verſchiedenheit 
nicht außer Acht zu laſſen iſt: die gothiſche Sprache ſteht in inniger 
Verwandtſchaft zur hochdeutſchen, doch verbleibt jener zugleich noch 
ein gewiſſer Anſchluß an die nordiſche. Hochdeutſch, Niederdeutſch, 
Niederlaͤndiſch, Angelſaͤchſiſch liegen gegenſeitig in engem Band, allein 
wiederum ſo, daß das Saͤchſiſche, Angelſaͤchſiſche und Engliſche außer⸗ 
dem eine merkliche Berührung mit dem Nordifchen haben. Hochdeutfch 
und Niederdeutfch vermittelten fich ehemals in dem Fräntifchen; einige 
ſchwache Spuren diefer Vermittlung laͤßt noch heute das Niederlän- 
difche gewahren. Das Friefifche fchlägt die Brüde aus dem Dänifchen 
in das Sächfifche; von dern hochdeutfchen Ufer auf das gothifche Gebiet 
tft fie uns abgebrochen. Wie von den Baiern aus zu den Langos 
barden, hätte man von ihnen wahrſcheinlich zu den Herulen, Rügen, 
unmittelbar von da zu den Gothen und ihrem Anhang gelangen 
fönnen. 

$. 10, 

‚Die Geſchichte macht uns mit den Eigenthuͤmlichkeiten der alten 
wie der neuen Sprache bekannt. Je weiter wir zuruͤckgehen, deſto 
groͤßer iſt noch ihre finnliche Gewalt. Die alte Sprache iſt rein, voll 
und wohltoͤnend in ihren Lauten; ohne das Rauhe und Harte irgend 
zu. ſcheuen, hat fie Milde und Weichheit; ihre Biegungen und Ge: 
lenke find manigfatt, frifh und ſchwungkraͤftig; in der Syntax zeigt fie 
freie, leichte Bewegungen, deren Anmuth und Kühnheit überrafchen ; 
ein außerordentlicher Wortvorrath bietet unabgenugte Wurzeln dar tn 
faft vollftändiger Entfaltung. Mau kann diefe innere, leibliche Stärke 
der alten Sprache vergleichen dem fcharfen Geſicht, Gehör, Geruch der 
Wilden, die einfach in der Natur leben und fich gefunder, behenber 
Btiedmaßen erfreuen. 

. | $. 11. 

In der neuen Sprache rinnt das Blut ſchon ſchwerer; ber Wohl⸗ 
laut iſt nicht mehr ſo ungeſucht da, ſondern wird durch ſorgſame Ver⸗ 
meidung der Haͤrten gewahrt; die Flexionen erſcheinen abgeſchliffen 
und muͤſſen durch allerhand Kuͤnſte erſetzt werden; die Bewegung er⸗ 
folgt ſteifer und genau gemeſſen; betraͤchtlich hat ſich die Zahl der 
Wurzeln gemindert, weshalb haͤufigere Umgeſtaltungen und Zuſam⸗ 
menfegungen unvermeidlich werben. 


8. 12. 


‚Allein jene Borzüge wie diefe Mängel find auch von eignen 
Nachtheilen und Bortheilen begleitet: der geiflige Kortfchritt der 
Sprache fcheint Abnahme ihres finnlichen Lebens nach ſich gezogen, 


(GERERSEEEREEERE ß — — 


wo nicht gefordert zu haben. Mitten in aller Formenfuͤlle des Alter⸗ 
thums herrſcht oft Unbeholfenheit oder Verſchwendung; ſparſames 
Haushalten mit geringeren, aber deſto gewiſſeren Mitteln gab auf die 
Länge größere Befriedigung. Dort gebricht es dem Anmuthigen nicht 
felten an Würde, dem Kühnen an Gefchid, zumal dem Gdnzen an 
Einſtimmung. Weit fi Licht und Schatten gegenfeitig nicht ers 
mäßigen, pielen lebhafte Farben allzu greli nebeneinander. Die neue 
Speache verſteht e8 gelinder aufzutragen, Eindruͤcke zu berechnen und 
von dem Zufälligen das Nothwendige zu ſcheiden. Sie iſt jegt in ihr 
männliches Alter eingerückt, welches weiß, was es will und vermag. 
Die Vollkommenheiten des ehemaligen Zuftandes find beneidenswertb, 
aber unwiederbringlich ; den Gewinn, den die heutige Sprache, indem fie 
jenen allmaͤlich entfagte, errungen hat, dürfen wir nicht für zu thener 
gekauft halten. Ein Dauptvortheil, die durch Nieberfchlagung der 
Diglecte gegründete Herefchaft größerer vaterländifcher Spracheinhett, 
Fonnte eben nur in der Dämpfung finnlicher Beftandtheile errungen 
werden. nn 


g. 13. 


| Da unfere Vorfahren fhon, bevor noch die Sothen Hand an 
Ueberfegung der heiligen Bücher legten, der Schreibkunſt pflagen, ift 
aus der Belchaffenheit des gothifchen Alphabets wahrfcheintih, in 
welchem griehifche und Lateinifche Buchftaben unter runifche genom; 
men werden. Truͤgt nicht vieles, fo war der Gebraud der Runen 


wenigſtens einzelnen deutfchen und auch flavifchen Stämmen vor ihrer. 


Belehrung aus dem Heidentbum kund. Den übertriebenen Vorwurf 
der Rohheit und Barbarei der Deutfchen in den erflen Jahrhunderten, 
wie ihn ſchon die Befchaffenheit der alten Sprache abwendet, tilgt auch 
das frühe Vorhandenfein der Runen. Die Runen, denen etwas Heid⸗ 
nifches anklebte, verichwanden unter den Chriften. 


$. 14. 


Das ganze Mittelalter hindurch bis auf den heutigen Tag währt 
die fateinifhe Schrift unter allen Bölkern deutfcher und romanis 
[her Zunge, auch bei den meiften Staven, bei den Letten, Binnen und 
Ungern; nur daß fich im Laufe der Tahrhunderte verfchiedentlich die 
ſchoͤnen runden Züge der Iateinifchen Minuskel (Kleinfcheift) in Eden 
gefchärft, die der Majuskel (Großſchrift) in Schnörkel verunſtaltet 
haben. Es gefchieht ohne vernünftigen Grund, daß man dieje ver: 
dorbene Schrift, wie fie zur Zeit der Erfindung der Buchdruderkunft 
ſich gerade gebildet Hatte, eine gothiſche oder deutſche nennt — 
Doch hat dieje Schrift fih einmal feflgelegt, fie iſt gewiſſermaßen 
deutfchznational geworden, und wird nicht jo leicht aus ihrem Beſitze 
weichen. 


8 — 
— — — — — 


8. 18. 

Die Majuskel (dev große Anfangsbuchſtabe) dient zunaͤchſt dazu, 
den Veginn der Säge und Reihen, dann aber Eigennamen hervotzu⸗ 
heben. So wird fie allenthalben in griechifchen oder lateiniſchen Bis 
thern, aamentlich auch in deutfehen Handfchriften des 15., zum Theil 
des 16. Jahrh. gebraucht. Der Majuskel andere Ausdehnung eine 
räumen heiße im Grunde die Würbe der Sprache verletzen, welche ber 
Schrift keinen Borrang geftatten, fondern völlige Neutralität von ihr 
fordern darf. Wozu follen Subftantiva, die in ber Rede nicht ſtaͤtker 
betont find als Adjectiva und Verba, vor diefen ausgezeichnet werden? 
Spuren des Mißbrauchs zeigen ſich bis ins 14. und 13. Jahrh. hin⸗ 
auf bei Urkundenfehreibern, denen geringere Sprachlunde beimohnte 
als den Abfchreibern der Bücher Sm Laufe des 16. Jahth. dringt 
In unfere Deude diefe ſchwankende Erweiterung des Rechts der großen 
Buhkaden: aufer den Eigennamen verlich man fie erfi den Appella⸗ 
tiven, allmaͤlich ſaͤchlichen und abfirarten, endlich allen und jeden Sub⸗ 


ſtantiven. Seitdem hat man öfter, fo no im 18.— 19. Jahrh. (WB. - 


Brodes 1740, Damm 1764, Wieland 1785, Voß 1802, Baggefen 
1808 u. A.) diefen Gebrauch wieder beſchraͤnken und In feine früheren 
Grenzen verweifen wollen. Sn neuefter Zeit trat 3. Grimm auf und 
fagte, „wer geoße Buchftaben für den Antaut der Subftantive braucht, 
fchreibt pedantifh.” — Ob es nicht zu fpät und leicht genug ift, 
biefe Schreibweife zu verbannen, möchte eher gefagt als allgemein aus: 
geführt fein. Auch ber große Anfangsbuchftabe ift, wie die deutſche 
Schrift, gemiffermaßen deutfchnationat geworden. Go viel bärfte 
jedoch leichter zu erreichen fein, dag man .diefen Gebrauch, manche 
Kanzlelformen abgerechnet, auf die eigentlihen Subftantive ein: 
fhränkte, und biefe nur da groß fchriebe, wo fie ſubſtantiviſch 
fiehen, fonft nicht, 5. B. nicht in adverbialen Ausdrüden: aufs befte, 
abends, dagegen: meines Weges, diefer Tage, weit hier die Erinnerung 
mehr bewahrt ift. 
8. 16. 


Aemberungen der grammatifchen Terminologie, wo es ge: 
naue in ganz Europa verfländfihe Ausdrüde gibt, liche fih au 


. einiges gegen Ihren urfprünglichen Sinn einwenden, find zu vermeiden. 


Beſonders muß man eine Art der Bezeichnungen vwerwerfen, jene 
nämlich, die bloß zählen will, flatt zu benennen. Nichts iſt unficherer, 
als wenn Einige 3. B. vierter Fall für Accufativ fagen, weil Andere 
bie Stellung der Eafus verändern, und einzelne Sprachen mehr oder 
weniger Caſus barbieten. Sobald es eigenthuͤmlichen Verhaͤltniſſen 
der deutſchen Sprache gilt, ſolchen, die ihr beſonders gelaͤufig blei⸗ 
ben (tie z. B. Ablaut, Umlaut, Brechung, kautverſchiebung), ſcheint 
os rathſam auch einheimiſche Benennungen gu verſuchen. 


- 


Zautlebre. 


$. 17. 

Die einfachen Schriftzeichen, die einer jeden Sprache zum 
Grunde liegen, im die fi jedes Wort zeriegen läßt, nennt man, in fo 
fern man auf bie Ausſprache merkt, Sprachlaute, bagegen Buch: 
flaben, wenn man bloß die Schreibung derfelben berüdfichtigt. 

Anm. Gtab beißt ber Schriftzug aus der Runenſchrift, deren Züge ſtab⸗ 
artiq waren. Buchſtab ift and. puchstap, mhd. buochstap und buoch- 
stabe. Man benfe bei dem Ramen nicht, was einige gethan, an bie 
Buchenſtaͤbchen Gutenbergs. — Duck die Buchflaben unterjcheiben wir 
zunächſt Laute und deren Verhäftniß. 


6. 18. 


Alle Laute ber Sprache, die als folche articulierte d. h. Laute 
von einer beftimmten Gliederung find, zerfallen in VBocale (Stimms 
laute, Selbſtlaute) und Conſonanten (Mitlaute); jene find flüffiger, 
biefe feftee. 3. B. Vater, Väter; Berg, Gebirg; laufe, liefj 
ward, werbe, wird, geworden, wurde, würde, — verlieren, 
Verluſt; erkiefen, erkoren; Schenkel, Schinken; Knabe, 
Knappe; Thmeide, ſchaitt; ſchlagen, Schlacht. 

Anm. 1. Man Bann die GSonfonanten Knochen und Muskeln der Sprache 
nennen; die Vocale find mas bie feften Theile durchſtroͤmt und belebt, 
Blut und Athem. Conſonanten fcheinen gleihfam den Leib, KBocale 
die Seele herzugeben; auf den Sonfonanten beruht die Geſtalt, auf 
ben Boralen bie Färbung. Ohne Bocale würbe bie Sprache bes 
Lichts und Schattens, ohne Komfonanten des Stoffes ermangeln, an ben 
Licht und Schatten fich fegt. Im den Vocalen hauptfächlich iſt die Weich⸗ 
heit, in den Gonfonäanten die Kraft der Sprache gelegen; aus ber unend⸗ 
lich manigfalten Berbindung beider geht der Wohltaut hervor. 

Anm. 2. Be nachdem Bocale oder Sonfonanten ein Wort beginnen, in 
der Mitte erfüllen, ober fchließen, beißen fie Anlaut, Iylaut, Aus: 
laut. In der Dichelunft ftügt fich das Gefeg des Reimes auf ben 
Auslaut, 3.8. heben: abgegeben; aus: Vaterhaus; das ber 
Altiteration aufden Anlaut, 3. B. Wo Liebe labt und Iebt, tft Lieb 
das Leben; Quantität und Accent beherrſchen ben Inlaut. 


Erfter Abſchnitt. 
Bon den Vocalen überhaupt. 


$. 19. 
Die Vocale können einzeln, ohne Beihilfe eines Confonanten, 
Hae und deutlich ausgefprochen werden, bie Conſonanten dagegen nicht 
ohne Beihilfe eines Bocals. | 





U nn] 8 ERS 

Anm. 1. Wenn man bie Sonfonanten nad ber Leſemethode Oliviers 
ausfpricht, fo wird einestheils ber Conſonant nicht Elar und deutlich aus⸗ 
gefprochen, anberestheils ift Hinter b’, d’, f’, g’ wie vor 'l,'m, 'n, 'r nod 
ein abgeriffener Zon hörbar. 

Anm. 2. Der Ton, den wir Vocal nennen, entfteht burch eine ſchwingende 
Bewegung ber Stimmbänder, welche die Stimmrige bilden, und wird beim 
Durchzuge durch die oberen Stimmorgane, befonders im Munde, nur noch 
je nach der Verfchiedenheit der ihm vergönnten Deffnung eigenthümlid) 
geftaltet. Das Geräufch, welches wir Conſonant nennen, entfleht Dagegen 
durch eine öffnende Bewegung des vorher gefchloffenen Mundes. Die 
unteren Stimmorgane geben ber Luft freien Durchzug, oder tragen höch⸗ 
ftens (bei intonierten Sonfonanten) zu einer eigenen Geitaltung der im 
Munde gebildeten Laute bei. Doch find die Gefchäfte der Organe bei ben 
‚beiden Arten von Buchftaben trog aller Verfchiedenheit jo, daß fie noth⸗ 
wendig in einander übergehen, Vocal und Eonfonant fich alfo wechfelfeitig 
hervorrufen undeng an einander fchließen. Vgl. weiter Dr. Th. Jacobi: 
Beiträge zur dbeutfchen Grammatik. Berlin. 1843. 8. ©. 35 f. 


$. 20. 


Die Vocale find entweder kurz (gefchärft) oder Lang (gebehnt), 
ein Unterfchted, der ſich auf die Zeit bezieht, binnen welcher fie ausge: 
fprochen werden. Der lange Vocal hat im Allgemeinen das doppelte 
Maß des kurzen, 3. B. Knabe, Knappe; lefen, effen; wir, wirt; 
fhone, Sonne; Krume, krumm. Den Eurzen Voralen, als den 
einfacheren, älteren, gebührt der Rang vor den langen. 

Anm. 1. Soll jedoch der kurze Vocal wirkfam fein, fo muß ihm ein eins 
faher Sonfonant folgen; doppelter Gonfonant, wie langer Vocal, zeugt 
lange Sylbe. Im goth. hana (Hahn), halja (Hölle), im lat. cano (ich 
finge), caleo (ich bin warm), galea (Helm) hat die Wurzel kurzen Vocal 
und kurze Sylbe; im goth. manna (Mann), hallus (Feld), lat. canna 
(Rohr), callus (Schwiele), gallus (Hahn) kurzen Vocal in langer Spibe. 
Profobifch gilt manna gleichviel mit mena (Mond), canna mit cAnus (alt, 
grau). . 

Anm. 2, Die Eintheilung in kurze und lange Vocale gilt in ihrer 
Strenge nur für die ältere Zeit; in ber Folge wurbe fie durch Mifchung 
des Accents (Zone) mit dem Grundfag der Quantität (Länge, Kürze) 
geftärt und bis auf einzelne Nachwirkungen getilgt. Der kurze Vocal ift 
das einfache, urfprüngliche Element, und ber Begriff jedes langen Vocals 
fegt zwei Eurge voraus, bie ihn hervorbringen. In der älteren deutfchen 
Sprache find die Kürzen, in der neueren die Längen zahlreicher, — 
M. Wocher, ber fich auf den „„Bequemlaut im Kontert, d.h. auf Sym⸗ 
phonismus“ viel zu gut thut, fucht in einer Abhandlung: „Die Entwids 
lung ber deutſchen Sprache vom vierten Zahrh. her bis auf unfere Zeit,” 
Ulm. 1843, 8, im Widerſpruch mit allen Ergebnifjen der Hiftorifchen 

: Grammatik zu erweiſen, daß deu Vocalismus im Gothifchen breit, gedehnt 
gewefen und durch das Althd. und Mittelhd. zu der neueren Kürze, 
Gefhmeidigkeit und Beweglichfeit, zu einem raſcheren Tempo 
fortgefchritten fei._ Darin erkennt er, wie in vielem andern, eine orga= 
nifhe, phonologifhe Kortbildung ber Sprade. 


$. 21, 


Es gibt urfprünglih nur drei kurze Vocale, aus denen fi 
durch Brechung ($. 36.) bie übrigen Furzen, duch Verbindung!) 





— 9 — 


die langen hervorthun. Die drei kurzen Vocale (auch Urlaute, Haupt: 
laute genannt) find A, J, U, oder um fie richtiger aufzufaſſen, fo daß 
aus dem A ſals der Quelle und Mitte aller Vocallaute einerfeits der 
Tiefpunct U, andrerfeits der hoͤchſte Gipfel J entſpringt 
s ı u 


_ was noch) finnlicher dargeſtellt ifl 
. 4 


N 
J u 


Anm. 1. Früher nahm Grimm neben Berbindung auch Verdoppelung 
kurzer Vocale zur Hervorbringung von langen an. Run fagt er (Be: 
Thichte der deutfchen Sprache ©. 845): „Irre ich nicht, fo wird nunmehr 
die Annahme geminierter Vocale von der urfprünglichen Einrichtung 
unfrer Sprache auögefchloffen. Wie goth. e und 6 erft durch Verdich⸗ 
tung aus Diphthongen (ia, ua) erwachfen, ſind auch die dem Gothen ab⸗ 

/ gehenden ahd. und altn. &, 1, a nur auf biefe Weife begreiflih. Abd. a ift 
goth. &, ahb. 1 goth. ei, ahd. a entweder goth. iu oder unorganifch. Both. 
e und 6 erfcheinen im ahd. ia, ua noch diphthongifch (3.3. goth. för lautet 
ahd. bei Otfried fuar, goth. bloma ahd. biuama, goth. m&s ahd. mias, goth. 
her ahd. hiar, -goth. kreks ahd. chriah); wie könnten fie gefaßt werben ale 
ee und 00, da es Fein kurzes e und o gibt? Ahd. e und o führen ſich auf 
goth.ai und au zurüd, welche umgebrehtes ia und ua find und diefelbe Ver: 
dichtung erfahren haben.’ 

Anm. 2. a ergibt fich als die Mitte aller Vocale fhon aus feiner Lage im 
Munde bei der Ausfprache; i liegt mehr nach der Kehle, u mehr nad 
den Lippen zu. Zwiſchen a unb i Ticgt e, zwifchen a und u liegt o im 
Munde; a erfordert die größte, aber ungezwungenfte, u die Heinfte Deff⸗ 
nung bes Mundes, i liegt in der Mitte. Die Stellungen für v und € 
als mittlere zwifchen denen von a und u, a und i ergeben fich im Allges 
meinen von felbfl. Wal. weiter Jacobi a. a. O. S. 39 f., ber fih auf 
Cempelens Beobachtungen bezieht. 


N 


g. 22, ’ 


Aus der Brechung zwifchen A und J wird E, zwifchen X und 
U wird O, und das Verhältniß erfüllt fich 
A 


€ O 

J u 

E und J ſind die hohen, hellen, O und U die tiefen, dunkeln Vocale, 
zwiſchen welchen X die Mitte hält, unrein geſprochen aber dort in A, 
bier in A ausweicht. Auf feinen beiden Enden, dem Gipfel 3 und 
dem Abgrund U, grenzt der Vocalismus an den Gonfonantismus: 
die Halbvocale j und v entwideln fi, bei der Mitte A ift Eein folcher 
Halbvocal denkbar. 

Anm. 1. In Farben ausgedrüdt ift a weiß, i roth, u ſchwarz, e gelb, 
o blau; orange und violet fcheinen prächtige Diphthonge (ei, in), ai 
wäre cofa, an himmelblau. — Flörke ftellt die Vocale mit den muſica⸗ 
lifchen Noten, zufammen und gibt folgende Zonleiter: u = bem Heinen c, 
g==bem einmal geflrichenen g, a = dem einmal geftrichenen c, D == bem 


— {0 
zweimal gefteichenen ea, & und iĩ ⸗ dem zweimal geftrichenen g, a u Dem 
zweimal geftrichenen a, i — dem zweimal geftrichenen c. 

Anm. 2. Setgt man bie drei Urlaute in Verbindung untereinauber, fo daß 
jedem berfelben bie beiden andern vorangeftellt, d. h. neben dem kinfachen 
Satze jedes Lauts noch zwei diphthongiſche Säge moͤglich werben; fo ers 
geben fi) für das Gefammtgebiet ber Bocale folgende neun Laute: 

a 1a ua 

i wa 

u id au 
welche Kormel alle möglichen beutfchen Vocallaute erfhöpft, aber bloß 
nad) der Theorie entworfen ift, von ber alle einzelnen Sprachen, und ſchon 
bie gotbhifche, mehr ober minder abweidhen. Die gothiſchen Vocale ent⸗ 
ſprechen folgendergeftalt: 





a 28 6 
ie ai 
u um au 


Die ahd., mhd., ahd. ergeben fich aus ben nachfolgenden Paragraphen. 
Anm. 3. Aus ber Munböffnung ergibt fich die Urfache ber Verwandtſchaft 
von u mit bem Lippenbuchflaben v, und die von i mit bem Gaumbuch⸗ 
ftaben j, und warum nicht bem a, wie jenen beiden, ein entipeechenber 
Sonfonant zur Seite fleht: weil nämlich die ihm eigne Stellung des 
Mundes auf Zeinerlei Weife dur eine geringe Weränderung zu einem 
Verfchluffe des Mundes führen kann, wie bie des 1 in der Gaumen⸗ unb 
die bes in der Lippengegenb. . 


8. 23. 


Mir haben zur Bezeihnung der kurzen und langen Vocale 
keine befondern Schriftzeihen. Die urfprünglihen Kürzen, fobald 
ihnen einfacher Confonant folgt, find bis auf wenige Spuren ver; 
fhwunden. Kurz ift 3. B. der Boral noch in: bin, man, mit, gibt). 
Bor zwei Confonanten, gleihen wie ungleichen, bat fid meiften- 
theils, der kurze Vocal erhalten: Natter, Elle, Wille, Sonne, 
Summe; Gewalt, Berg, Wird, Wort, Bruftd). Einige For: 
men auf vd, rt, rth haben die alte Kürze eingebüßt: Erde, Herb, 
Herde (Deerd, Heerde), Pferd, Schwert, werth, Art, Bart, 
Fahrt, zart?) 

Anm. 1. Man hört keinen Unterfchieb des Vocals mehr in Wörtern wie: 
Strahl, Zahl (ahd. sträla, zala); Jahr, Haar, Aar, war (ahb. 
jar, här, aro, war); nahm, fam, Same, Name (ahd. nam, quam, 
samo, namo); Heer, mehr (ahd. heri, mer); Ichren, [deren 
(ahd. leran, sceran); vor, Ohr (ahd. fora, Ora); Sohn, Kohn (ahb. 
sunu, lon): Lob, Tod (abd. lop, töd); Moor, los (ahd. mos, lös). 
Diefe Wörter erfahren gleiche Behandlung in ber Ausſprache, fo ſchwan⸗ 
tend auch bie Schreibung abweicht. — Außer den angeführten: bin, 
man, mit, gib behalten die urfprüngliche Kürze noch: an, ab, in, 
bin, ob, von, um, un, boch werben an, hin, von (zumeilen auch 
ab, un) ſchon oft dieſes Vorzugs beraubt; andern, wie Lob, gat, 
wol, Glas, Eras verleiht ihn nur landſchaftliche Ausſprache. In 
eingelnen wenigen Iufammenfegungen, beren erſter Theil ein kurzſylbiges 
Wort enthält, ſchuͤhte fich die alte Kürze, namentlich in: Bortheil, Ur⸗ 
theil, Herberge, Herzog, barfuß, Wol luſt, da außerdem lange ſchon 
vor, Saat, bar, wol mit kangem Boeal gefprochen wırede. Man vgl. 


damit Vorzag, Vorbild, Heer bann. Ya Eigemamen, bie noch cher 
geneigt waren, fi) bem Strom ber übrigen Worte zu entziehen, wirb 
man nocd andere Beifpiele entbedten fünnen. Die erfte Sylbe von Herz 
mann, Hanftein, Dal wig behauptet ihren alten kurzen Bocal. Auch 
in Wermut, wenn ed eine Zufammenfegung ift (ab. werimeota), klingt 
die erfte Sylbe karz. 

Anm. 2. Hier kommt Gemination (Berboppdung) gleicher und Werbins 
dung ungleicher Gonfonanten in Betracht. Die Semination ift entweder 
fcbon in der alten Sprache begründet, wie in: fallen, Wille, Sonne 
(ahb. fallan, willo, sunna), ober fie fcheint gerabe zur Auftechthaltung ber 
organifchen Märze beliebt worden, wis in: fatt, Hammer, Kell, 
Wetter, Sinn, Himmel, voll, genommen, Ruß (abb. sat, 
hamar, fel, wötar, sin, himil, fol, kinomsa, chus). — Wörter mit ungleis 
cher Conſonanz hegen gleichfalls bie vorausgehende Bocalkürze: Halm, 
bald, Hals, Arm, Helm, Stern, Ring, Linde, Ort, Sumpf. 
— Das zutretenbe € ber Flexion vermag in Werbts, beren von sinfachhen 
Gonfonanten begleiteter Vocal die Kürze verloren bat, fie nicht herzu⸗ 
fielen: bewahrt, ſpart, zehrt, fährt, Lähmt, ahnt, bahnt. 

In gibt (fehlerhaft giebt) iR das i kurz. 

Anm. 3. Die oben angegebenen Wörter hatten ohne Zweifel früher gleiche 
Ausſprache mit den übrigen, waram follte Art, zart anders als hart, 
Sarten, ober Herde anders ald Hirte gelautet haben? Ahd. lauten 
fie: örda, bört, hörta, pherit, swört, werd, art, part, fart, zart, hart, karte, 
bırti. Vielleicht find diefe fcheinbaren Wocalverlängerungen aus einer 
nachempfundenen Brechung zu erklären? — Manche Grammatiker, nas 
mentlih K. F. Becker, rechnen noch: Arzt, Harz, Warze, Magd, Mont, 
Obſt, Vogt hierher, bei denen die Ausſptache jedoch ſchwankend iſt. 


8. 24. 


Eine große Zahl von Vocalen hat ihre organifche (d. h. anf bes 
flimmten Gefegen der Lautentwidelung beruhende) Kürze verforen und 
dafür einen ſchweren, gebehnten, verlängerten Laut angenommen, 
deſſen Bezeichnung in der Schrift fehr ſchwankend iſt. Häufig bleibt 
bie Länge, Dehnung (unorganifche Verlängerung, frühere Kürze) ganz 
unbezeichnet, 3.8. in: aber, haben, Bater, malen {auf der 
Mühle), Schwan, kam, war, geben, heben, legen, Segen, 
mir, dir, wir, Bogen, Vote; oft wird der Vocal verdoppelt, 3.8. 
in: Saal, baar, Meer, Heer, Beere, Beet, Moorz ober ein 
dehnendes h eingefchoben, 3. 3. in: Wahl, fahl, befahl, fahre, 
nahm, lahm, Bahn, Hahn, Fahne, mahne, Zahn, Wehr, 
befehlen, nehmen, dehnen, ihre, ihm, ihn, wohl, bohren, 
Sogn, gewohnt Endlich galt für das Eurze i eine befondere Be⸗ 
zeichnung des verlängerten Lauts durch te, 3. B. in: Ziel, viel, ge: 
biert, ſchmiert, langwierig, ziemt, Sieb, geblieben, liegen, 
geihwiegen, Sieg, nieder, wieder, gemieden, ſchmieden, 
Wied, fieht. 

Anm. 1. Keine diefer Schreibimgen konnte durchgreifen, fonbern wurbe 
und wird in einzelnen Faͤllen fchwantend gehandhabt. Man findet z. B. 
wer neben wahr (jenes iſt ahd. zi wära d. h. zu wahr, biefes wär), 
malen und mahlen (auf ber Mühle), geboren und gebohren, 


- 








13 — 


” Segen und Seegen (gebobren, Seegen, Schaar werben immer ſeltner), 


ja nach ausgeſonnenen Unterſchieden der Bedeutung wider und wie— 
ber, Bett und Beet (ahd. nur widar, petti) geſchrieben. — Nur vor 
ben flüffigen Gonfonanten (l, m, n, r) wird h eingefchaftet, vor ben flum: 
men entweder der einfache Vocal gelaffen, oder, wenn er i war, in ie ver: 
wandelt. — Der Volksdialect bewahrt noch oft bie alte Kürze und fpricht 
z. B. Bater, Spiel,Bote, als wären fie Batter, Spill, Bott 
geſchrieben. In ber Schriftfprache haben wir Better und Gevatter 
(ahd. fataro, kefatero, mhb. vetere, gevatere) neben Vater (ahd. fatar, 
mh, vater). . 


Anm. 2. Es fcheint nicht rathſam, diefen nhd. Entftelungen des kurze 


Bocals das Zeichen der alten organifchen Länge, ben.Gircumfler, zu ver: 
leihen. Bequemer ſchiene, bie laͤſtige Verdoppelung und dag fehleppende 
h zu tilgen, und ben Bocal überall mit dem einfachen Buchftaben auszu⸗ 
drüden. Die gebehnte Ausfprache verftände fich von felbft da, wo doppelte 
Gonfonaenz ein Verharren der wahren Kürze nicht anzeigt. Weber das ie 


‘ [2 ‘ 


§. 25. 
Die organifche Lange des Vocals wird oft ganz unbezeichnet ge= 


laſſen, z. B. in: Elar, waren, Span, Schlaf, gaben, baten, 
Gnade, fragen, lagen, nah, Sprache, faßen, aßen, lafen, 
(der) Thor, Krone, ſchon, Roſe, groß, bloß, hoch; oder durch 
Verdoppelung des Vocals, 3. B. in: Aal, Maal, Haar, Paar, 
Saame, Schaaf, Saat, See, Schnee, Seele, leer, ſchweer, 
(008; oder durch Einfchaltung eines h bezeichnet, 5. B. in: Strahl, 
Sahr, wahr, Bahre, nahmen, Wahn, eh, weh, fehle, mehr, 


hehr, Ehre, lehre, ſehr, gehn, flehn, Lohn, Bohne, Ohr, 
Rohr. 
Anm. 1. Das Gehör maht keinen Unterfchieb zwiſchen biefen (organi⸗ 


A 


« 


ſchen) Längen und jenen (unorganifhen) Dehnungen. — Aber auch hier 
herrſcht großes Schwanten in Bezug auf die Verdoppelung bed Vocals ; 
biefe unterbleibt nun meift in: Mal, Same, Schaf, ſchwer, los. 
— Statt bes organifch langen Vocals tritt. fchon ahd. nicht felten Ver⸗ 
boppelung ein, 3. B. root, eera, neben röt, era. 

nm. 2. In einigen Sällen erleidet umgekehrt die organifche Länge jest 
eine Kürzung, 3. B. in: immer, Sammer, Mutter, Rahe, muß, 
müffen, laß, laffen (mhd. iemer, jämer, muoter, räche, muos, 
müejen, 183, lägen). Es gefchieht unter den Einflüffen jener Conſo⸗ 
nantverdoppelung und Afpiration. Die Quantität der mhd. vater und 
muster wird im nhd. Vater (= Vaater) und Mutter faft um: 
gedreht. 

nm. 3. Auch ben zufammengegogenen Formen haft, hat bereitete der 
häufige Gebrauch kurzes a, während das in Habe gebehnt wird (mhb. 
han, häst, hät). Die erfte Perfon Habe durchläuft, das mhd. n beibes 
haltend, den Vocal aber fehärfend, im Volksdialect die Vocalreihe a, e, 
eo, u (hann, henn, bonn, hunn). — Andrer Art fiheint die dem 
erften Theil einiger Compoſita widerfahrende Entziehung der Länge, 
4 B. Hochzeit, Nachbar, Lorbeer, Gehor ſam (mhd. höchgezit, 
nächgehüre, lörber , gehörsam); das gemahnt an Herberge, barfuß 
($. 23. Anm. 1.), wo jedoch die alte Kürze gefchügt blieb, während hier 
bie alte Länge verloren gebt, 


Erftes Sapitel. 
Einfache Bocale. 


$. 26. Ä 


U bat einen reinen, weder in E nod In O ausmeichenden Klang, 
ſowol da wo die Kürze fortdauert, wie in: ab, man, Hand, Wald, 
als wo fie Dehnung erfährt, wie in: laben, Bater, Dafe, Sage, 
“und wo organifche Länge ftattfindet, wie In: Gnade, Straße, 
Schlaf, far, That, Rath, gethan. 

Anm. 1. Die Nähe des o=Lautes bezeugen einzelne wirklich eingetretene 
Hebergänge: ohne, Mond, Monat, Woge, Koth, mhd. Ane, 
mäne, mänet, wäc, quät und chot, bei Fiſchart im 3. 1582 fat; ja wir 
Iprechen und fchreiben Argwohn neben Wahn (mhd. wän, arcwan, 

- bei Fifhart won, argmwonen), Athem neben Othem (Odem ahd. 
atum, mhd. Atem). Ein Hinneigen bed a zum e muß erkannt werben in: 
Emeße (Ameiße, Ameife) und Erbfe (ahd. ameija, araweiz). Die 
Syibe. bar lautet im Volksdialect ber. In Schriften bes 15-— 16. 
Jahrh. finden fih häufig: erber, dankper, Faufber, unfidhber, 
fihperlih, erberlich. 

Aum. 2. Einige Ableitungen und Zufammenfegungen haben in zweiter 
Sylbe ein helles, faft kurzes a flatt des früheren a, o, u, uo, A, &: 
Eidam, Heimat, Monat, Nachbar, ahd. eidum, prütigomo, 
heimuot, mänd, nähkipüro, mhd. eidem, briutegam (für briutegom), hei- 
muot, mänet, nächgebüre. Volksausſprache ift gleichfalls Eidem, He i⸗ 
met (und Hamet), Monet, Nachber (und Nochber). In Büchern 
bes 16. Jahrh. findet man Eiden, Heimt, Mont, Nakhpauer. 

Anm. 3.. Es ift ein Vorzug der nho. Sprache, daß fie das a, mit gang 
wenigen Ausnahmen, rein erhält. Im Ahd. und Mhd. werben a und o, 
a und e öfter mit einander verwechfelt, z. V. wal, wol; erhalen, erholen; 
bar, her; karte, kerte. | 

Anm, 4. Bloß landfchaftlihe Ausfprache neigt fich bei der organifchen 

Länge bes a zu o hin und verleiht dem Vocal in Elar, wahr einen 
Mittelton zwifchen a und o. Wörter, welche mhd. ein kurzes a hatten, 
nun aber (nach $. 24.) meift langes a haben, verwandeln baffelbe im 
mittelchein. Volksdialect (in der Nähe von Mainz) hoͤchſt felten in o, 
während das organifch lange a meift in o verwandelt wird, fomol im 
Auslaut als vor-faft allen Conſonanten. Die weftfäl.sniederb. Mundart 
‚hat in biefem Fall den Mittellaut I, dagegen a flatt des mhd. Fürzen a. 


$. 27. 

E hat in unferer Ausfprache einen zweifahen Laut, den des 
eigentlichen (dem J näher liegenden) E und einen dem # nahe kom⸗ 
menden: gefchlofjenes und offenen E (ahd. und mhd. 8 und e), jene 
z. B. in: Regen (goth. rigns, ahd. rögan, mhd. rögen), geben, 
lefen, nehmen, fterben; bdiefes in: Ende (goth. andi, ahd. anti, 
mhd. ende), Menge, Engel, regen, Erbe, preifen. Den Unter: 
ſchied organifcher Kürze und Fänge nimmt die Ausſprache nicht wahr: 
Ehre, Lehre, hehe, mehr (ahd. Ara, lera, hera, mer) lauten ung 


wie: Deere, Heer, Meer (ahd. ber; heri, mer)... -  - 


Anm. 1. Genaue mhb. Dichter bes 13. Jahrh. geftatten regelmäßig keinen 
Reim zwifchen Wörtgen, in deren Wurgel e und & vorkommt, alſo z. B. 
nicht rögen unb legen (goth. lagjan). Seit dem 14. Jahrh. warb bad Ge⸗ 
hör flumpfer und die Sprache größer; die heutigen Dichter find harthoͤrig 

ı ober nadıgibig genug, um beide Vocale (z. B. Regen und legen) im Reim 
zu verbinden, — Etwas zu eng iſt die Baflung, wenn Beder (Schulgr. 
4, Ausg. & 31.) fagt: „Dieſe Unterſcheidung (in gefchloffene und offene e) 
wirb jegt in ber Ausfprache wenig mehr geachtet: fie finder ſich noch unter 
andern ins lefen, nehmen, geben, gerecht, Geſell, bequem, in denen bie 
exſte Sylbe das geſchloſſene, und die laute das offene e bat.’ 

Anm. 2. Die goth. Giprache hat Fein kurzes e, ſondern gebraucht bafür 
ben gebrochenen (aber Eurgen) Laut ai. Dies gefchieht vor r und. h, z. B. 
stairnd (&tern), tafhun (zehn). Im Ahd. haben wir e (Umlaut bes a) 
und 2, das ays ı hervorgegangen ift und ber goth. Brechung ai entfpricht, 
als deren Verdichtung es betrachtet werben darf. Dasfelde gilt im Allge⸗ 
meinen für das Myd. Wei bem mittelch. Volksbialect gemmahren wir hier 
eine eigenthämliche Erfchelnung, bie an $. 37. Anm. 2. erinnert. Das 
kurze (gefchärfte) & (nicht bas e) wirb, mit wenigen Ausnahmen, vor r in 
a verwandelt (in Weflfalen in ea), z. B. in: Zwerg, Perle, Ernft, 
Stern,fterben, Wert, Erde, Schwert, Herz, Gerfte, Herr. 
Bor andern Sonfonanten tritt a nicht für & ein, doch Hört man zumeilen 
quad für qued und quid (mbb. quec). Kür e ift a hoͤchſt felten, 
doch Hört man garben, Arn (für gerben, Ernte, ahd. karawan, arnöt, 
mbb. gerwen, erne). Das (add. und mhd.) organifdy Lange & wird vor 
x nit in a verwandelt verwandelt, 5. 8. in: ed ehr. 
Die organiſch Eurzen, mun gebehnten Wörter: Beere, Heer, Meer 
behalten gleichfalls gebehntes e. 

Anm. 3. Beiden Ybleitungen mit m und g (am, um, ag, ac) iſt ber nhd. 
(wie auch mhd.) Schriftfprache der Ableitumgsvocal meift geſchwunden, 
befonbers bei vorgusgehendem I, x, z. B. arm, arg, karg (ahb. aram, 
arac, karg, wol aus charac). Der mittelrhein. Volksdialect Hat bort ein 
ſchwachlautendes e, bier i: arem, arig, karig. — In Zuſammen⸗ 
fegungen wirb oft dem zweiten Worte der Zon entzogen, ber Vocal in ein 
ſchwachtoͤnendes e verwandelt und fo der Schein einer Ableitung herpors 
gebracht, 2.8. WBingert (Weingarten), Kirmes (Kirchmeffe), Henfche 
(Handſchuh), wolfer (wolfeit), erber (ehrbar $. 26. Anm, 1.), Ge⸗ 
wohnet, Wohret (Gewohnheit, Wahrheit), Lebte (Lebtag). 


5. 28. 


J hat eine reine, nicht in ü abweichende Ausſprache. Die ur: 
ſpruͤngliche Kürze erhält fih nur noch vor doppelten Gonfonanten, 
gleichen, wie in: ftill, nimm, Sinn, Sitte, ober ungleihen, wie 
in: wild, find, wird. Bor einfachen wird e8 gedehnt, wie in: 
mir, dir, ihm, ihn, ihr, Igel, oder in ie nerwanbelt, wie in: 
Spiel, viel, Sieg ($. 37.). 

Anm. 1. Beachtenswerth ift das heile, Eurze Kin den Bufammenfegungen 
Bräutigam (8. 36. Anm. 2.) und Nachtigall (ahd. nahtikala, mhb, 
‚nahtegale), bad nom Kon gehoben und gehegt wurde. 

Anm. 3. Die organiiche Länge 1 ift übergegangen in ei, 2.8, Beil, 
Leim,f. 642, Ausgenommen find etwa Friedhof, eigentlih Freit⸗ 
hof (ahb. vrithof, umfchloffener Raum, Hof) und die Eigennamen Wie⸗ 
sand und Weigand, Wieland und Weiland (mhd. wigant, wilant). 

Anm. 3. Der mhd. FSechſel zwiſcher E unb i baum. fort: werben, 


— 1 — 


wairdz goben, gett acbären, gehterk; ſehon, ſiohtz wäßr 
—ãA erg, Gebirge, Erde, irden, Shwehsg 
efhwifter. 

Anm. 4 ZFehlerhaft if i in widhfen für wehfen, wädhfen, d, $. 
mit Wachs ühenziehen, ahd. wahren, mhd. wahsen, kei Fiſchart (1582 
und Stieler (1691) noch wächſen und wächßen. 

Anm. 5. Der mittelrhein, Volksdialeet verwandelt das organisch Euuge i 
vor 2 (nit vor andern Gonfonanten) in e, auch bei den ungorganifchhen 
Debhnungen mir, bir, ihr; ber weflfäl. in gebrochenes ie, mit ſchwach 
nahtönendem e. 

8. 29. 


O, obwol Brechung zwifhen A unb U, bat Dennech eine aigene 
Ausfprache, die weder im A noch in U ausweicht, alfe verſchleden von 
bem zweifach lautenden E. Es bewahrt vor doppelten Sonfonanten 
die unverfehrte organifche Kürze, 3. B. in: voll, Stolle, Knorre, 
fromm, genommen, Sonne, gewonnen, Gott, Gold, Wort; 
vor einfachen iſt es gedehnt, 3. B. in: hohl, Sohn, bohren, 
Lob, oben, Bogen, Vogel, Bote; ober urfprünglich lang, 3. B. 
in: Ohr, Rohr, Bahne, Lohn, los, 309, bat, Ted, roth. 

Anm, 1. Ihrem Urſprung nad gibt es auch zweierlei @, je nachbum 
darin eine Schwächung des a ober bes u ($. 22.) enthalten ift; die Zahl 
der erftern iſt jedoch ſchon ahd. und mhd. gering. Während e und 2 im. 
Mhd. an Umfang fi beinahe gleich ftehen und ihre Ausfprache wahren 
Eonnten, verlieren fich bie wenigen o aus a unter ber Menge der o aus 
u, und 06 {ft wicht wahrſcheinlich, daß fie ihren eigenthämlichen Laut, 
dee fchon in der ahd. Zeit gelitten haben wird, behanpteten. Auch heuts 
zutage unterfcheiben wir den Vocal in Holen (ahd. halon, mhd. holn 
für haln), mochte (ahb. mahta, mbd. mohte für ınahte) nit von bem 
in hohl (ahd. mhb. hol), Toch ter (ahd. tobtar, mh. tohter). Hierzu 
kommt, daß e mus a fühlbar durch Umlaut entfprang, bei dem o aus a 
keine folche Urfache nachzuweiſen, vielmehr ü ber parallele Umlaut bes 


ua 

Anm.2. Dee mittelch, wie wertfät. Volkedialect Hat in eintgen Wörtern bas 
früßere kurze u bewahrt, ats in: fromm, famme, gelommen, ges 
fdwommen, Sommer, Ronne, Donner, gulonnen, gewonnen, 
alfo nur vor em, un, wie im Mho., wo gletchfalld vor mm, nn nicht 
o, fonbern = ſteht. — Gier und ba Hört man, jedoch weniger im Munde 
der jüngeren Generation und nach einzelnen Drten verfchieben,, gebehntes 
u flatt des früheren 0, z. B. m: Boch, froh, Bohne, bloß, groß, 
Schoß, Schloße, Stoß, felten für o, 3.8. in: Hohl, hobeln, — 
An andern Orten wird ſelbſt in der gebitbeten Umgangsfpradhe das kurze 
vo, z. B. Rotte, Spott, oft mehr nach a, das lange, 4. B. in: 
Rom, Bohne, fo mehr nah us Hin gefprochen. 

Anm, 3. Das mhb. tor (porta) und töre (stultus) klingen uns beide gang 
gleich (das, der) Shar. — Ausnahmsweiſe ſteht o für a in Argwohn, 
ohne, Mond, f. 8.26. Anm, 1. — Bei Fifchart ſteht o für u in: 
Ankonfft, Pompe, Kommeır, Mommerei. 


$. 30. 


U. Ain reine; Tiefton, behält feine alte Klızze vor doppelten Con⸗ 
fasten, glaichan wie unglsichen, 4. B. m: WButle, Icumm, 


» 


. — 15 — 


Beunnen, [hnurren, Muff, Shuppe, Mund, Huld, Burg, 
Luft, Kunft; vor einfachen tritt entweder Dehnung ein, 3. B. in: 
Flug, Bug, Zugend, oder Schwächung des alten Diphthonges uo, 
& B. in: Buhle, fuhr, Ruhm, Huhn, Grube, fhuf, klug, 
fuhe, Blut, Fuß. 

Anm. 1. Spur iſt das mhd. spor (noch im Volksdialect erhalten), Zuber 


das ahd. zuipar, was an zwei Ohren getragen wirb, wie das entftellte. 


Eimer, ahb. einpar, eimpar, Gefäß mit einem Griff. 

Anm. 2. Oben ($. 29. Anm. 2.) haben wir gefehen, wie ber mittelchein. 
Volksdialect in gewiffen Källen ftatt bes o der nhd. Schriftſprache das 
frühere u beibehalten hat. Als Gegenfag dazu verwandelt er das orga⸗ 

. nmniiſch kurze u der früheren Sprache, das die nhd. Schriftfprache beibehalten, 

in gefhärftes 0, 3.8. in: Sturm, Wurm, Furcht, kurz, Wur—⸗ 

. gel, Durſt, Wurf, [hnurren, Enurren, Butter, Mutter, 
Schulden. Kenpvorng, nt, nd, ut, ns, nz; auch mhd. bleibt 

“vor biefen Buchftaben kurzes u. , 

, ’ " §. 31. " 

- . Yift.in deutſchen Woͤrtern unnüg und barbarifch, wird ſelbſt in 
fremden, wo man die Schreibung beibehalten mag, wie J, nicht 
affeetiert und gezwungen wie Ü ausgefprochen: Syntar, Syftem 
(auten uns Sintar, Siftem, nicht Süntar, Süftem. 

Anm. 1. Hartnaͤckiger haftet y in ben Diphthongen ay, ey, wo es doch 
-auch beffer mit ai, ei vertaufcht wird, wie man längft dem ye für ie 
entfagt hat. Was ift damit für das Ohr, oder für das Verftänhniß des 
Satzes gewonnen, wenn man fein (suus) von feyn (esse) zu unter: 
ſcheiden ſucht? ine Zeit lang fchrieb man auch meinen (meis) und 
meynen (putare). Die noch zuweilen erfcheinenden Kormen Zuny 
und July find entflanden aus Junij und Juli) für Junii und Juli. 

Anm. 2. ecker fcheint dem y, je nachdem es in beutfchen ober fremden 
Mörtern fteht, eine doppelte Ausſprache zu geben, wenn er (Schulgr. 
4. Ausg. $. 301.) fagt: „Da ber Buchftabe y in deutſchen Wörtern 
benfelben Laut bezeichnet, den wir auch durch i bezeichnen,‘ (daf. $. 302. 


Anm. 2.): „Die deutfhe Sprache hat um diefer Unterfiheidbung willen 


(d. h. die fremden Wörter duch Ton und Schrift ale fremde zu unter- 
cheiden) y aufgenommen, obgleich fie das griechifche y durch deutfches üi 
ezeichnen könnte.’ — Letztere Bezeichnung ift neuerdings wieder verfucht 

worden: Süftem. Alle Europäer, die Reugriechen ausgenommen, haben 

das griech. v (y) mitivertaufcht: Italiener und Spanier fchreiben sistema, 
“  sintassi, sintaxe. 
Anm. 3. In verfchiebenen, namentlich fübdeutfchen und fchmeizerifchen 

Duden bes 15 — 16. Jahrh. vertritt 9 das lange i, z. Batryben, 

blyben. 


Zweites Capitel. 
Umlaute. 


8. 32. 
Die Vocale A, O, U können in der Wurzel getruͤbt, ihres reinen 


Toms ‚beraubt werben durch ein J (E) der nachfolgenden Flexons⸗ 





— 11 — 


oder Ableitungsſylbe. Dies nennen wir Umlaut. Bei der Aus: 
fprache des Umlautes werden die zwei Vocale zu einem Laut verbun- 
den und aud als ein Laut ausgefproden, z.B. Väter, Söhne, 
Stühle zweiſylbig, nicht Va⸗eter, Sozehne, Stu⸗ehle drei: 
ſplbig. 

Anm. 1. Der Umlaut wird eigentlich bewirkt durch ein nachfolgendes i 
(im Altnord. auch durch u), iſt der älteften deutſchen (goth.) Sprache 
fremd, zeigt ſich zuerſt (7. Jahrh.) an den kurzen Vocalen und hier zuerſt 
bei a, ſpäter (etwa in der erſten Hälfte des 12. Jahrh.) auch un den 
langen. Myhd. und Nhd. vervielfachen fich die Umlaute, indem, von den 
Längen abgefehen, neben a auch u und das gebrochene o in A und ö um: 
lautbar geworben find. An den Wortſtamm trat urfprünglich ein i ber 
Bildung oder Biegung, das hernach wegfallen fonnte, ohne daß der an⸗ 
geregte Umlaut aufhört: aus ast wird esti, aus sat wird seil (Sättigung). 
An die Stelle des i trat allmälich das umlautende e, was felbft eine 
Schwächung von iifl. Nur bei m fagen wir noch häufig: Mache ein ui, 
d.h. ü. Dan denke hier an das aı flatt ae in der 1. Dect. der älteren lat. 
Sprache und an das «s ber griechiichen. — Das Streben, die auf einander 
folgenden Syiben eines Wortes, von der flarfbetonten Stammiylbe aus⸗ 
gehend, mit gleichen Vocalen ‚auszuftatten, bewirkt, nah 'Reimnig 
($. 36. Anm.) den Umlaut und hat auch Einfluß auf die Brechung. 

Anm. 2. A. Holtzmann (Ueber den Umlaut. Zwei Abhandlungen. 
Carlsruhe. 1843. 8.) fucht gegen Grimm zu erweijen, daß vor allen 
und am allermeiften a den Umlaut (in der älteren Sprade) wirkte, und 
dag alle Vocale, alio auch das i den Umlaut erleiden. (Er gibt dabei dem 
Umlaut einen weiteren Begriff und dehnt ihn audy auf die Brechung aus. 

Anm. 3. Der Umlaut wird auch Auflaut genannt, weil der Laut 
höher ſteigt. Schottel nennt ihn (Bon der teutſchen Haubt = Sprache 
1663. ©. 202.) Kleinlaut, ‚weil &, ö, ü etwas zufammen graogen, 
und alfo Heinlicher, fubtiler und mit einem gefchöbrltem Wunde (wie 
Ikkelſamer fpricht) ausgefprochen werden.” — Verſchieden davon ift der 
Ablaut (zumeilen auch Umlaut genannt), der vorhanden ift, wenn der 
Vocal in einen ganz andern abipringt, ohne daß ſich dafür beftimmte 
äußere Gründe angeben laffen, wie in: band, binoe, gebunden. 


$. 33. 


A, in der Ausfprache bald gedehnt, bald gefchärft und dem offes 
nen E fehr nahe kommend ($. 27.), ift größtentheils Umlaut von X, 
ſowol in der Zlerion, 3. B. Väter, fande, als in der Ableitung, 
z. B. mächtig, fällen. Das frühere kurze A lauter bald in A, bald 
in & um, je nachdem der Umlaut nicht mehr, oder noch gefühlt wird. 
So ift z. B. in: Heer, Erbe, Elle, fremd, Hemd, Erde, 
Engel, Tenne, legen, fegen die Erinnerung an das frühere A 
erloſchen; in: wählen, zählen, zaͤhmen, Ställe, Laͤmmer, 
färben, Hände, Schläge, Väter, Blätter, Äfte, Haͤrte ſteht 
das U lebendig daneben. , 

Anm. 1. Das and. A lautet mhd. in æ, nhd. in ä um, daher die Gonjunctive 
were, gabe, name, wäre, gäbe, nähme In leer, Scheere 
fcheint die Semination den Umlaut des ahd. A auszudrüden, mhd. lere, 
schere, ahd. lari, scari. Diefes Schwanfen bei der organifchen Ränge 
bat ſich ebenfo aus dem erftorbenen oder noch wachen Bewußtſein des 

Kehrein Brammanıl. 1. 1. 2 


18 


Umlauts zu verftändigen., Man fehte Teer, weil das alte A Tängft be- 
feitigt war, behielt aber wäre, gäbe, jährig, Schäfer, denn 
war, gab, Jahr, Schaf galten unmittelbar daneben fort. Unfer 
ſchwer, ahd. suari, mhd. swæere ift im 16. Jahrh. noch oft ſchwär. — 
Fiſchart fagt am Ende des 16. Jahrh. Stäler, Häler, entbären, 
außgelärt, Zähe. In bequem, ſelig ſteht e für ä. 

Anm. 2. Viele aus intranſitiven gebildete tranſitive Verba lauten um, 
bald in & bald in e, ohne daß die frühere Quantität des Vocals entſchei⸗ 
det, 4. B. fällen, tränten, wärmen, dämpfen, zählen, 
wägen; [hellen, ſchwenken, ſenken; braten, f[hlagenu.a. 
behalten in beiden Bedeutungen einerlei Schreibmweife. | 

Anm. 3. Die Somparative befommen in ber Regel auch A, 3. B. älter, 
fälter, härter, ärmer, wärmer. Bei Eltern (bo) auch Ältern) 
und dem aus Vater gebildeten Better ($. 24. Anm. 1.) war man ber 
Abkunft vergefjen. — Gottfcheb (F 1766) fchreibt noch Vaͤtter und 
verwägen für unfer Vetter und verwegen (mhd. verwögen). 

Anm. 4 Weil der Umlaut nicht überall mehr gefühlt wird, zeigt fich 
(16.—17. Jahrh. noch mehr als jegt) in mehreren Wörtern ein 
Schwanten zwiihen & und e. Bu meiden fcheint & in: echt (von 
ahd. diu Eht d. H. das Eigenwefen), Elfter, emfig (eigentlich emßig), 
Bengel, Brezel, einhellig, gellen, medern, mergeln 
(mhd. Agelster, emjic, bengel, pricella, mecke = Bod, Schimpfwort, 
mergel). Für e bat der neuere Sprachgebrauch, fich fo ziemlich ent: 
fhieden in: Ente, Erfer, Efpe (ahd. anut, anit, archare, aspa). 
Beffer ſchiene & ald e in: Ärmel (ahd. armilo), Ärnte (ahd. ara, 
arnöt, mhd. ern, ernet), ätzen (ahd. azjan, mhd. etzen), Gebärbe 
(ahd. kipärida, mhd. gehserde und geberde), Gränze (vielleiht aus dem 
flav. graniza, im 16. Jahrg. Greng und Gränige), Häring (ahd. harinc 
und berinc), näntlich (mhd. namlich, namelichen, ſchon im 18. Sahrh. 
nemlih), Schämel (ahd. scamal, mhd. schamel), ftäts (mhd. stäte 
und stete, in der 1. Hälfte des 18, Jahrh. Häufig ſtetig neben fterts), 
widerfpänftig (mhd. widerspenig und widerspänec): doch kommt bie 
Schreibung mit e immer mehr in Aufnahme, etwa Armel, äßen, 
Häring ausgenommen. Für Lerm ift Lärm (franz. alarıne, ital, 
alarme aus all’ arıne, lat. ad arma) zu fchreiben, . 

Anm. 5. Einigemal fchreiben wir A für mhd. €, namentlih in: Bär, 
gebären, gähren, Gewähr, wärts, Käfer, [hämen, bäm- 
pfen, dämmern, rächen (früher vechen) neben fprechen (ahd. 
r£hhan, sprehhan). Hier ift kein Gefühl vom Umlaut, aber Berührung 
aut ber Ausſprache bes Vocals in wäre, gäbe, läfe Unſer Bir 
ift im Anfang des 16. Jahrh. z. B. bei Eyb (1511) und im Theuerdank 
(1517) noch pere, Bere, Ber. 


$. 34. 


5, bei deffen Ausfprache man ſich vor einem Abweichen in E 
hüten muß, ift bald gefchärft, bald gedehnt und meift Umlaut des 
„z. B. im: völlig, froͤmmer, Götter, Wörter, Söhne, 
löslich, Vögel, Röhre, Löfen, tödtlich, Röthe; manchmal aber 
auch des U, wo es in der Ausſprache von E abgewiefen ift, wie z. B. 
in: Hölle, ſchwoͤren, [höpfen, Schöpfer, Geſchoͤpf, Schöffe, 

Löffel, ergoͤtzen, zwölf, börcen, Löwe, woͤlben. 
Aum. 1. Im 15, mehr noch im 16. Jahrh. findet man auch verſchiedent⸗ 
ug Moͤnſch, Mör, Opfel, frömd, Wörd, Weinbdre, Hölen 











— 11 — 


für Menſch, Meer, Epfel (Apfel), fremd, Werd (Werber), Weinbeere, 
gellen; andere Spuren desſelben Lauts enthalten heutige Eigennamen, 
wie Mörsburg, Gdttling. Letzteres Wort wäre genau des ahd. 
gatulinc, altf. gaduling, mhd. geteline. — Hölle ift guth. halja, ahd. hellia, 
mhd. helle, bei Opitz (T 1639) und Lohenftein (+ 4683) meift noch 
Helle, von helan d, fi. verbergen, verhehlen. Schwören iſt goth. 
‘ sraran, ahd. suerjan (aus suarıan), bei Eyb (1511) und Stieler (der 
teutfhen Sprade Stammbaum und Fortwachs 1691) no fhweren 
und ſchweeren, doch aub fhwören. Schöpfer, Gefhöpf 
kommt ber von Thaffen (goth. skapan, ahd. scuffön, mhd. schepfen, 
scheffen. Stieler fchreibt Schöpfer, leitet das Wort aber vom 
fühl. ſche ppen ad. Schöffe ift mittellat. scabinus, ahd. scephin, 
mhd. scheffe u. schepfe, zu fhöpfen (fchöpfen, fehaffen, Rechtsurtheil - 
finden), ahd. scephjan, scepphan, mhd. schepfen, gehörig. Löffel ift 
ahd. lephil, leffil, mhd. lefel, bei Stteler Leffel, und hängt mit 
Laffe vom ahd. laffan, mhd. laffen d. h. lecken, und Lefze (für Keffe 
vom ahd. lefse) zufammen. Ergöken iſt ahd. ergezan [eigentlich ir-, 
ergazjan), mhd. ergetzen,, weldye richfigere Schreibweife wieder in Auf⸗ 
nahme zu kommen fcheint, namentlich fchreibt Goethe faft durchgängig 
ergegen. Das ahd. u. mhd. verfchollene Wurzelwort ift kezan, gäzan, 
angelf. gẽtan d, i. erlangen, irgazjan, erlangen madyen, wofür entſchaͤdi⸗ 
gen, wogegen aufwiegen. Der Grundbegriff ift eines Dinges vergeſſen 
machen. Daher auch vergeflen, ahd. vergegan. Zwölf ift goth. twalif, 
ahd. zuuelif; dörren goth. thafrsan (troden fein), ahd. derran (trod: 
nen); Löwe lat. leo, ahd. leo und lewo; wolben iſt abd. walbon, 
mhd. welben. 

Anm. 2, Köder fleht für Kerder, ahd. quätdar, mid. kerder. 

Anm. 3, In Pöbel foheint ö gar Fein Umlaut, fondern der Klang bes 
franz. peuple (mhd. pofel, noch im 417. Jahth. Pöfel) zu fein. Mönd 
ſteht für Münch (ahd. munih, mhd. münech, bei Kohenftein noch 
Münch); München lat. Monachium. König fleht füt Kühig (ahd. 
chuninc, mhd. künic, künec). In Trödel fcdreint ö für ik zu flehen, 
Zrudel d. h. alte, gebrauchte Sachen. Stieler führt Trödel und 
Treudel und bie Verba trödelen, ereudelen, treibeln an. — 
Sm 16— 17. Zahrh. jegen Fiſchart u. A. öfters DH für d: NRörnberg, 
Mönfter, bedörffen, . 


$. 35, 


Ü, bald lang bald Eurz, in der Ausfprache von JE zu fcheiden, 
ift Umlaut des U aller drei Arten, z. B. in: frümmen, Bütger, 
Getüfte, kuͤnſtlich, Flüge, führe, rühmen, Hühner, EG 
fhüfe, Elüger, Füße. — In einigen Wörtern ſchwankt der Sprach⸗ 
gebrauch zwifhen Ü und J, namentlich in: Gebürge, Gebirge; 
Hülfe, Hilfe; würken, wirfen; gältig, giltig; Spruͤchwort, 
Sprichwortz doch möchte die Schreibweiſe mit i vorzuziehen ſein. 
Fuͤr Kiſſen und ſpitzfindig ſteht beſſer Kuͤſſen und ſpitfündig. 
Anm. 1. Gebirge (ahd. kipirki) und Hilfe (ahd. hilfa und helfa vom 
gdth hilpan, ahd. hälpan) find der älteren Sprache gemäß. Die wol dus 

dem Rheinifchen und Riederbeutfchen eingedrungene Form Hülfe ift auf 
....055. hulfumes (wir halfen) zurückzuführen, aber darum nicht beizube: 
- Jalten. Würken fcheint dem goth. vaurkjan näher, dach wechſeln [don 
ahd. wurchan und wirkan. Giltig (mhd. geltic von gelten, göth. gildan) 
verdient den Vorzug vor gültig, ba ſchwerlich das Kußflantiv gülte 

oo. 2* 





— 30 


zum Grunde liegt.. Sprihwort (mhd. sprichwort, aus dem vom 
ahd. praes. sprihhu, fpreche, abgeleiteten mhd. sprich = Wort und aus 
wort) fteht für Sprechwort. Stieler fchreibt Gebirge, gültig, 
wirken, Sprüchwort, Hülfe Wenn er aber behauptet, Hülfe 
habe auch ehemals Olf geheißen und nun weiter Adolf und Rudolf 
ale Adelhülfe und Ruhehütfe erklärt; fo ift er im Irrthum, da 
bier eine Zufammenfegung mit Wolf im Spiel ift. — Den Ortsnamen 
Wirzburg und Würzburg gewährt fehon die ahd. Schreibung mit 
beiden Vocalen. Küffen ift ahd. kussi, kussin, mhd. küssin, küssen. 
Spisfündig erklärt fi) aus älternhd. spitzfund = liflig ausgedachter 
Kunftgriff und aus mhd. vündec = erfindungsreih. Kür betrügen 
ftände beffer betriegen, wie noch vielfach im 18. Jahrh., nament⸗ 

lich bei Goethe (ahd. pitriugan: und pitröogan, mhd. betriegen), analog 
dem Worte fliegen .(ahd. fliugan, mhd. vliegen); auch lügen ift, 
um es von liegen (jacere, ahd. ligan, mhd. ligen) zu unterjcheiden, 
irrthümlich für Liegen (ahd. liugan, mhd. liegen) eingetreten. Für 
bezüdhtigen, Eügeln, Küttel, verdrüßlid iſt bezichtigen 
(von ahd. zihan, zeihen), Tigeln (ahd. kizilön), Kittel (mhd. kıttel), 
verdrießlich (mhd. verdriegen) ; für Knittel dagegen Knüttel (ahd. 
ehnutil, kinuttil) zu fchreiben. 

Anm. 2. Der mhd. Wechfel zwifchen o und ü hört nunmehr faſt ganz 
auf, wir bilden von Bogel, Dorn, Holz, Gold, Wolle nun 
Gevdögel, dörnen (und dörnern), hölzern, golden, wollen 
(mhd. gevügel, dürotn, hülzin, guldin, wällin). Nyd. Dichter, befonders 
um die Mitte des 18. Jahrh. (auch mitunter Goethe und Schiller) haben 
noch die Form gülden. Günther (F 1723) und Haller (F 1777) haben 
golden, gölden und gülden. — Etwas von dem atten Wechfel 
findet fih noh in: vor und für, Thor und Thüre, Kohlen und 
Füllen, Loch und Lüde Höfiſch und hübfch (mhd. hövesch, 
hofsch , hübesch) fcheiden ſich nun in der Bedeutung. 

Anm. 3, Im mittelchein. Volksdialect gebt ü vor r in e über, als: 
her, berr, ſtermen, Werfel, Kerft. 


Drittes Eapitel. 
Brechung. 


$. 36. 

Zwar erwaͤchſt langer Vocal aus zwei kurzen ($. 20. 21.), aber 
nicht immer wirkt Zufammenfluß zweier Kürzen eine Länge. Binden 
ſich nemlich zwei Eurze Vocale dergeflult, daß ihre Zeitmaß nicht ver: 
doppelt wird, fondern einfach bleibt; fo geben fie vielmehr einen 
Theil ihrer vollen, natürlichen Kürze auf, und haben vereint nur dag 
Maß der einfachen Kürze. Diefes nennt man Brehung Sie 
‚finder ſich zuerft im Gothifchen ($. 27. Anm. 2.), wo vor r und h die 
Vocale i und u, ihrer Reinheit verluftig gehend, in einen gemifchten 
Laut überteeten, der durch ein ihnen vorgefchobenes a kenntlich gemacht 
wird: af, ad, 3. B. bafrga, vafriha, saihva, raibts, daur, kaürno, 
daühtar, athsus (berge, werde, fehe, recht, Thor, Korn, Tochter, 
Ochſe). An die Stelle von af und at traten fpäter & und o, d. h. 
kurzes E und D, die der gothifchen Sprache abgehen. 





— 21 — 


Anm. Die Brechung beruht auf dem Einfluß der Conſonanten und geht 
nur bie Vocale an, wo ſich zwei Vocale zu einer Kürze verbinden, und 
tft fo aufs deutlichfte von dem Umlauf gefchieden, welcher ganz auf vocas 
liſchem Einfluß beruht. Zur Verbeutlihung der Ausfpradhe von ai und 
au (verfchieden von den Diphthongen äi und Au) mag man an das franz. 
ai und au denken, nur darf man dieſe Laute nicht dehnen. — Viel Beach 
tenswerthes über die Brechung der Vocale i, u, iu im (Alt-) Hochdeut- 
ſchen findet fih im Ofterprogramm 1843 von Reimnig, Director des 
Gymnaſiums zu Guben. Dafelbft find auch die vier andern Arten des 
Vocalwechſels in der hochdeutfchen Svrache: Ablaut, Umlaut, Afjimilas 
tion und Schwädung kurz, aber lichtvoll erörtert. 


$. 37. . 


Im Ahd. nimmt der Umfang der gebrochenen Vocale &, o zu; 
fie weichen nicht felten vom Gothiſchen ab und können im Allgemei⸗ 
nen vor allen und jeden Confonanten erfcheinen, während die goth. 
Laute ai, ati durch r und h bedingt find. Dies dauert im Mhd. fort, 
wo fih noch die Spur einer andern Brechung zeigt, nemlidy des i 
inie. Miele nhd. E und D find aus früheren i und u entfprungen 
($. 27. 29.) An das mhd. ie (ahd. ia) fchließt fih das nhd. ZE 
ſtatt des organifh kurzen J ($. 28.) vor einfachen Gonfonanten, 
z. B. in: Spiel, Stiel, viel, Biel; ſchmiere, lang wierig, 
gebier; ziemen; Biene, ſchiene; Bieber, bliebe, riebe, 
teiebe, Sieb, fieben; Stiefel, Schiefer, Ungeziefer; liege, 
triege, Biege, Wiege, fhwiege, Sieg, Siegel, Riegel, 
Stiege, Striegel, Ziegel, Schwieger; ſieh, Vieh, liche; 
Glied, Schmied, Friede, wieder, Öefieder; lies, Kies, Kie: 
fel, Wiefe, Riefe. — Bor doppelten Gonfonanten erfheint JE 
nur, wenn ber zweite durch die Flexion hinzutritt, 3. B. fliehtt, 
zielt, ſchmiert, ziemt, fiebt, fiegt, fieht. 

Anm. 1. Man hat bisher darin bloße Dehnung gefehn, mogegen fchon 
einzuwenden wäre, daß fie fonft vor den flummen @onfonanten (mutis) 
unbezeichnet bleibt, gleih aber, Rabe, haben, fage, Wagen, 
Lade, Faden, Glaſe; eben, leben, heben, Segel, Segen, 
ledig, lefen, Wefen; oben, loben, Bogen, zogen, Boden, 
Hofen konnte Biber, fiben, blibe u. f. w. gelaffen werden, wie 
auch allgemein Igel (nicht Zegel) und von Einigen Biber geichrieben 
wird. Es fcheint alfo noch etwas Eignes in dem te enthalten. Hierzu 
tritt die einleuchtende Analogie des angelfächf. eo faft in den nemlichen 
Wörtern: beofor, seofon, feuh, freodho (Bieber, fie en, Vieh, Friede). 
Diefe nhd. ie erwerben ſich hierdurch Anfprüce auf Duldung und Des 
gung, obichon fie der mhd.. und ahd. Mundart viel fremder waren und 
niederb.- Einfluß und geben. In der Aussprache feheinen fie von dem 
organifchen Diphthong ie ($. 44.) nicht abzumeichen. — Dan erinnere 
fih dabei an das roman, ie in niego, piedra, pierre;, daß franz. bievre 
(fpan. bevaro) flimmt fogar zu Bieber, nicht zum lat. fiber. 

Anm. 2. Einige Volksmundarten (namentlich die ſchwäb., öfterreich., 
weſtfäl.) pflegen den Urlaut des kurzen i in zwei Vocale zu fpalten. Man- 
fagt in Schwaben 5. B. eaba, neaba, geaba, leaba, Deaga, 
ſeahn, reacht, Weafa, leafa, Weatter,ear,gearn, Stearn, 


22 


wearba füreben, neben, geben, leben, Degen, fehn, weht, 
Befen, Iefen, Wetter, er, gern, Stern, werden; In Öfters 
reich: gearn, Schtearn, Bearg, Hearz, Schmearz, Järbag, 
wiärd, Wirt, Hiärfh für gern, Stern, Berg, Herz, 
Schmerz, Erhtag (Dienstag), wird, Wirt, Hirfh; in wei 
fätifchen Gegenden: täven, iäten, Miälkfür eben, effen, Mil. 
Wie nahe liegen die goth. Formen gairns, stairnd,, hairtö, rafhts, vafrthan 
(gern, Stern, Herz, rechts, werben), oder die angelf. geofa, leofian, 
heprot, geurn, beprg, veordhan, heorte (Geber, leben, Hirfch, gern, Berg, 
werben, Herz), ober bie altnorb. iafa, giarn, stiarna, hiarta, hiörtr, miolk 
(eben, gern, Stern, Herz, Hicfh, Milh). 


Viertes Gapitel. 
Dipbthonge. 
s. 38. 


Mmlays und Diphthong (Monpellaut) unterfcheiden ſich ($. 32.) 
in der Ausſprache weſentlich darin, dab hei dem Umlaut die zwei Vo— 
sale au einem Laut verbunden und auch als ein Laut ausgeſprochen 
werden, waͤhrend bei dom Dipkthang bie zwei Laute zwar mit einer 
Deffnung bes Mundeg, alſo einfyLbig, aber fo ausgeſprochen wer: 
dep, daß man dig zwei Paute wirklich hoͤrt. . 

Anm. In ber Ausſprache haben beide Laute nicht gleiche Stärke, ſonſt 
müßte ber Diphthong zweifylbig lauten. Kaifer tft nothwendig Käis 
fer, nicht Kälfer. Streng genommen ift in ber Ausfprache weder a 
noch e, fondern nun ber Uebergang von a zu i. Die Bewegung bed 
Bundes {ft dahej nicht eine Dffnendg, fordern eine fchliegende, jeboch wich 
diefer Schlus nicht fo weit fortgeführt, um ſtumm zu werden und ein 

örbares Öffnen folgen zu Laffen, wie dies bei ben Gonfonanten der Bag 
S. Jacobi a.a.D. S. 49. 


8. 30. 

Ai hat ſich bloß in der Schreibung einiger Woͤrttr erhalten, 
namentlich in: Bal, Br Mai, Laie, Baier, Maier, Laib, 
Kai, Maid, Waid, Haide, Getraide, Saite, Hain, Krain, 
Rein, Rain, Main, Mainz, Mais, Seife, Waiſe, Kaifer, 
Waize. Mean fchreibt aber auch Getreide, Weize, was aud) in 
ben andern gefihehen £önnte, da wir Ei — Ai ausfprehen. 

x 2" g Hat fich der Grundfag der Berftände 
er unterſcheidet nan ° — 
eide; La ei 
u —— 
rin, rein. Das X 
n einerfeits ergibt fi 
anbererfeits reiht n 
aid (Bärbepflanze) 
de nun noch zwei Bebeutungen hat. Wei 
mehreren ber oben genannten gibt es keine ähnlich) lautenden Wörter mit 
ai und ei. — Maier, als häufiger Eigenname auh Majer, Mayer, 
Meier, Meyer, geſchrieben, hat immer biefelbe Ausſprache. 





nm 2, Hain tft aus dem alten hagin, hervorgegangen, wie Rein- 
bard, Meinfried aus Raginhart, Maginfrit, und Maid aus maget 
(fchon frühe meit). Ahnlich verhält es fi) mit dem Namen Mainz, 
ahd. Magenza, Maginza, Magenz, mhd. Megenze, ſchon im 12. Zahrh. 
Menze, im 14. Jahrh. Mäntz, Mentz, Mencz, Meintz, fpäter Meyns, 
Meynz, Mainz Laie und Mai find aus dem lat. laicus, majus 
entlehnt. , 

Anm. 3, Im Goth. findet fich der Diphthong &i häufig, geht aber in der 
fpäteren Sprache vielfach in andere Laute über, z. B. säia, väla, säivs, 
säivala, säil, hräins, stäins, bäit, snäith, bäitrs (fäe, wehe, See, Seele, 
Seil, rein, Stein, big, fchnitt, bitter). Im Ahd. iſt diefer Diphthong 
minder zahlreich und da meift dem goth. gleich, gemeinmhd. erfcheint ai 
nur in einigen fremden Wörtern, z. 3. faile, foilieren. — Es ift ein 
verfehrtes Streben, wenn mande neuere Grammatiker (wie 8. Wid⸗ 
mann, 3. Eifelein u. A.) das goth. ai wieder einführen wollen, 
und rain, Verain, zwai, aigen, Gotthait, Kraißlauf 
ſchreiben. 





$. 40. 


Au ſteht jetzt für die organiſch verſchiedenen mhd. Laute ü, ou, 
zum Theil auch Aw, wodurch die frühere Reinheit geteubt iſt. Jenem 
a entfpriht Au in: Bau, Sau; faul, Saul, Maul; faum, 
Raum, Schaum, Daume, Saum, Pflaume; braun, Zaun, 
Laune, raunen; Bauer, Lauer (Nahwein), Mauer, fauer, 
Schauer, Trauer, f[haurig, traurig; Staub, Haube, Trau—⸗ 
be, klaube; auf, Haufe, faufe; fauge; Bauch, Braud, 
Hauch, Straub, Schlau, tauche; rauh; Braut, traut 
(lieb), Laut, Laute; aus (für auf), Strauß; Braus, Haus, 
Laus, Maus, Saus, Klaufe!). — Dem ou entfpriht Au in: 
Hau, Verhau, Thau, Frau, Aue, trauen, hauen, verbauen, 
(hauen; Baum, Saum, Traum, Baum; Laub, taub, Raub, 
Schaub, Glaube, Zauber; Kauf, raufen; Auge, Lauge, 
taugt (für taug); auh, Gauch, Lauch, Rauh2). — Dem mhb. 
a, das Inlautend Aw wird, aus welchem Aw ſich der Uebergang in Au 
begreift, entfpricht Au in: blau, grau, lau, flau, Pfau, Klaue, 
Augbraue?). 

Anm. 1. Die mhd. Auslaute da und nü bleiben gedehntes du und nun; 
fo wirft noch die organifhe Kürze nach (goth. thu, nu), nur härtere 
Bolksdialecte haben nau, dau, bauzen. Im Volksdialect hat a fich 
noch erhalten in uf (auf, mhd. af) und in Iuern, d. h. lauern (ahd. 
wol hlären), woher auch eine Burg an ber Lahn die Lurenburg hieß. 

Anm. 2. Das mhd. ou ift größtentheild aus einem Älteren au heryorge⸗ 
gangen. Kür ou hat die norbifche Sprade 6, 3. B. dröm, ge, ber 
mitfelchein. VBolksbialect a, 3.8. Fra, Bam, Lab. Das voltämd- 
ige Stab (für Staub) weilt auf ein früheres ou hin, ahd. und mhd. 
der stoup, neben ahd. daz stuppi, stubbi, bairiſch Stupp, Stubb, 
von ftieben, ahd. stiopan, abgeleitet. — Das nhd. Strom für 
Straum, Scheint fi aus mhd. stram neben stroum zu verftändigen. 
3m 16—17. Jahrh. findet man noch oft firam, z. B. bei Fiſchart 
und Franck. 


— Hu — 


Anm. 3. Dieſe Formen haben im mittelrhein. Volksbdialect gebehntes 9 
ſtatt an, was aus den älteren Formen ſich leicht erklärt, ahd. pläo, kraöo, 
ao, pſfao (lat. pavo), ehlawa (und chloa,, prawa. Alberus führt in 
feinem Wörterbuch (1841) Klo, gro neben Klaw, graw, blaw, 
Pfaw an. Lau (bei Alberus gelaw) ift mhd. la (gen. lawes), læwe 
und Ieawerlich (daraus laulih). lau fcheint niederl. Korm für lau, 
doch verwandt dem mhd. viewen (lat. lavare, wafchen), wie felbft [au ben 
Begriff des warmen Wafchens enthält, alio zu luo, levo gehört. — 

Anm. 4 Bor Gonjonanten entfpriht au feinem mhd. A, man müßte 
denn beraumen, anberaumen für das mhd. hberamen (fo aud im 
mittelrhein. Volksdialect), aus der Gewohnheit A in au zu verwandeln, 

‘erklären. 

Anm. 3. Vielleicht kommt auch noch mhd. iu in Betracht für brauen, 
bauen, trauen, injefern die umgelautete Korm breuen, keuen 
(bei Fiſchart käwen), treuen auf au zurüdgeführt worden wäre; 
aber ber mbd. Übergang iuw, Aw, ouw (briuwen, kiuwen, küwen, kouwen, 
kräwen, krunwen) läßt fih auch unter 1 oder 2 bringen. — Es iſt eine 
der orthogr. Unregelmäßigfeiten des 16.—17. Zahrh., wenn Opig u. A. 
ftatt des mhd. vu ein eu fegen und teufft, leufft, überheufft, 
gleuben, erleuben fagen. Fiichart fagt am Ende des 16. Jahrh. 
gerauen, f[hlaudern, frau und glauben. Unfer Adj. genau (im 
mittelrh. Volkadialect gena, bei Alberus genaw) ift das mittelniedert. 
nauwe und ſcheint mit nahe (goth. nchw, nehwa) eher ald mit ahd. niuwan, 
mhd. niuwen (flogen) verwandt, j 


8. Al. 


Hu ift Umtaut des Au aller drei Arten, 5. B. Säue, Räume, 
Däumling, Gemäuer, bäuerlih, fauern, Stäublein, hau: 
fen, Schlaude, Haute, Haͤuſer, Mäufe; (jungs) fraͤulich, 
Baͤume, Träume, zäumen, Käufer, Äuglein, räudeen; 
Blaue, graͤulich. 

Anm. 1. Glauben (abd. galauljan, mhd. gerlonhen) lautet nicht um, 
doch gläubig (mhd. gelvuber) und Gläubiger. 

Anm. 2. Bu eu verhält fih än faft wie zu e das ä; wo ber Umlaut 
unfühlbar ift, wird em, fonft äu gefchrieben, 3.8. Bräute, Leute 
(mhd. briute, liute). — Für verläumbden (in böjen Leumund bringen) 
ſteht beſſer verleum den (ahd. kaunbliumunteön, fpäter mhd. verliumen, 
vor hliumunt, liumunt, mhd. liument, liumde, liumet, älternhd. leumut, 
leumet); für bläuen (fchlagen), bleuen (goth. bliggvan, ahd. bliuwan, 
mhb. bliuwen). 


[4 


8. 42. 


Ei mengt mh. t und ei, gerade wie Au mhb. A und ou, um fo 
nachtheiliger, da es uns ganz wie Ai ($. 39.) fautet. Für das mhb. 
wſteht e8 z. B. in: fei, Brei, frei, Schrei; Beil, Eile, Meite, 
Weite; Feier, Keier; Leim, Reim; mein, bein, fein, Lein, 
Schein, Schwein, Wein; Leib, Weib, Eibe, fchreibe, treibe; 
reif, Meif, keife, ſchweife, Pfeife; neige, ſchweigez reich, 
ftreihe, Leiche; Leibe, weihe, zeihe; Neid, Seide; weit, 
Scheit, gleite, Seite, flreite; Fleiß, reiße, ſchmeiße; Eis, 


Pu 





Eiſen, Reis, weife, Weife, Breiſach; ſeiſt, Leiſte (Streif, 


Einfaſſung), Leiſte (Flachskaute, Kiachsbäfchel) ; feind!). — Für 
mhd. ei ſteht es z. B. in: Ei, eiz feil, heil, Seil, Theil; 
Meier, heim, Leim (Lehm), Seim; ein, Bein, rein, Stein, 
- Elein, gemein, meinen; Reif (am Faß), Seife; eigen, Feige, 
Teig; bleih, Eiche, weich, Zeichen; beide, Eid, Eidam, 
Leid, Kleid, Weide (Futterplag); Arbeit, breit, bereit; Geiß, 
heiß, Schweiß, weiß; Gleis, Reiſe, Meile; feift, Geiſt, 
Leifte, Leiften (der Schuhmacher), meifte, Heiſter (Buchenftab) ?). 
— Einigemal f[hwanten Ei und Eu (mhd. 1 und iu): Heirat, 
Heurat; Reiter, Reuter; heint, heunt, dech verdient Ei den 
Vorzug ?). - 

Anm. 4. Unſer ei gibt dem mbb. I eine breitere Ausfprache, als das goth. 
ei bat. Ohne Zweifel unterfchied der Mund des Gothen genau zwifchen 
gamäins und meins (mhd. gemeine und min), bie noch heute in oberd. und 
mittelrh. Volksſprache richtig gefondert werben, im nhb. gemein und 
mein der Schriftfprade zuſammenfallen. 

Anm. 2. Dad Norbifche kann bier wieder zum Probſtein dienen, wo 
gemen und ınin, lein (Lehm) und lim (Reim), rep (Neif am Kak) und 
rip (veif) von einander abfteben. Der mittelrbh. Bolksdialect gibt den 
unter 2 angeführten Beifpielen, fo weit fie vorfommen, ftatt des mhd. ei 
(abd. ei, goth. At) Jen Vocal a (in Mainz und Franken ä) und läßt nur 
bei den vocalauslautigen, und wenn g oder eh folgt, ein ſchwaches i (j) 
nachtönen. Das Wort Meife hört man häufig in dem entftellten 
Mafelar (mit balbhörbarem n nah a), aus gath. kar, ahd. char, 
mbd. kar, d. b. Gefäß, Behälter. Das Wort findet ſich noch in dem 
beim Bol: gebräudlihen Leichkar (ahd. Iihchar) für Sarg. 


Anm. 3. Den ſchwankenden Laut in Heirat und Heurat zeigt fhon 
das mhd. hirät, hiurät. Heint ift mhd. bint, abgekürzt aus hinaht, 
d. h. diefe Rabt. Die Korm Reuter (ahd. ritari, mid. riter), fchon im 
16. Jahrh. Häufig, ift entfchieden falfch, wie auch Niemand reuten 
(ahb. ritan, mhd. riten) für reiten fchreibt. 

Anm. 4. Neben eilf (goth. ainlif, ahd. einlif, mhd. einlef, altn. ellifn, 
dän. elleve) ift eif gebräuchlich. 

Anm. 5. Entſchieden fehlerhaft ift ereignen und Ereigniß für er⸗ 
äugnen (mie noch don vielen am Ende des vorigen Sahrh. gefihrieben 
ward) ober eigentlih eräugen (goth. äugjan, ahd. augjan, araugjın, 
mbb. ougen, erougen, d. h. zeigen, vor Augen ftellen) und Eräugniß, 
welche Mörter nichts gemein haben mit eigen und aneignen. Das 
feblerhafte n in ereignen iſt wahrfcheinlich durch das Subſt. Ereig> 
niß (ahd. araucnissi, arougonessi, bei manchen der neueften GSchriftfteller 

- mitunter wieber richtig Eräugniß) hineingebracht. Opitz (T 1639) 
fagt noch richtig: In denen alle Ziehr und Ausbund fih eräugt. Sim. 
Dach (F 1689) fagt: Zur Rechten um die Wink erauget (zeigt) fich 
die Stadt. In Weichmanns Poeſie der Niederſachſen (1732) Thl. 2, 
79. 183. 4, 202. ftebt: Was in den Augen fih eräugt, iſt mehr, als 
tönigliches Wefen. Bei dir eräugte fich die Sanftmuth. Wie herrlich 
pflegte fib ihr Wefen zu eräugen. $ifchart hat im 3. 1382: Da ſich 
feine würdung nimmer meher ereyget. — Stieler fhhreibt ereigenen 
und leitet das Wort von eigen (singulare), fügt aber hinzu, Andere 
fheieben ereugen und lciteten ed von Augen ab. 


— HM — 


2 5.4. 

Eu, in der Ausfprache kaum von Ku, wol aber von Ei zu uns 
terfcheiden, erfegt uns die zwei mıhd. Laute in und öu, fleht jedoch am 
meiften für ia, 3. B. in: neu, treu; Treue, Reue, heuer, 
Steuer; Teufel; euh, meudlings; Zeug; heute, Leute; 
keuſch; zumal in der (befonders bei Dichtern gebräuchlichen) Flexion 
fleugt, kreucht, gebeut, geußt, fleußt!). — Fuͤr du fteht Eu 
in: Deu, Streu; Leue, freuen; erfreulih; Freude, ver: 
geuden, in welchen. allen mhd. duw und ew wechſelten 2). 

nm. 1. Rur da wo der Umlaut von am fühlbar ift, mieb dm vorges 
zogen: Braut, Bräute; Laut, läuten; Haut, häuten; Kraut, 
Kräuter. $.41. Anm. 2, Für den aus iu gebildeten Diphthong eu 
findet man in verjchiedenen Druden bes 16. Zahrh., z. B. in ©. Strand 
et, doch ſchwankend. — Biegen und beugen (ah. nur biugan, mhd. 
biegen) haben nun verfchledene Bedeutungen. Statt vorbeugen fagt 
man oberd. auch vorbiegen. 

Anm. 2. Die hier genannten Wörter haben, fo weit fie vorkommen, im 
mittelrh. Volksdialect a; bei Heu und freuen (nicht bei flreuen, ſträe) 
“ wird nach dem a ein ſchwaches i (j) gehört. $. 42. Anm. 2. In ber 
älteren Sprache fteht bier av, z. B. Heu, goth. havi, ahd. houwi, mhd. 
höuwe; ſtreuen, goth. stravjan, ahd. strawian, mhb. ströuwen ; freuen, 
ahd. vrawjan, vrewan, vrowjan, mhd. vreuen, vröuwen, wöun. — Läug⸗ 
nen (auc,leugnen) tft mhd. lougen ftatt lougenen. Rimmt man an, 
da im mihd. lougen ou bleibt und nicht in öu umlautet, fo wird man fich 
für läugnen (oberd. und mittelrh. laugnen) entfcheiben. — Frau 
bildet (jung=) fräulich, nicht freulich (mhd. vröulich u, vrouwelich). 
Stieler bat jungfreulich; Rückert (Gef. Ged. A, 282, 310.) fagt: 
Fräulchen und Ammenfrälein. 


8. 4A. 


Se, das und in der Ausfprache deutfcher Wörter wie ein ge= 
dehntes J lautet, hat jegt mehrfache frühere Laute zu vertreten. Es 
iſt hauptſaͤchlich· 

1) der organiſche Diphthong (iu, io), z. B..in: dienen, 
Dienft; Bier, Bier, frieren, verlieren; Lieb, Dieb; ficd, 
rieche; ziehe; Lied; biete; gieße, fliege). 

2) Diphthong-der Reduplication beim Präteritum flarfer Verba, 
z. B. in: fiel; gieng, hieng, fieng; hiebz lief, vief, ſchliefz 
hieß, tie, ſtieß; bliesz briet, hielt, rieth®). 

3) Steht es für kurzes J in: viel, Spiel, Bieber u. a. 
$. 28. 37.9). 

4) Steht es für mb. i (nhd. ei) in Paradies und in romani⸗ 
ſchen weiblichen Subſtantiven, wie Koketterie, Pedanterie, Ca— 
vallerie, wo mhd. -ie geſprochen wurde. Daran ſchließen ſich die 
fremden und deutſchen Verba auf -ieren und die Subſtantiva Fal⸗— 
fenier, Suwelier, Banier, Revier, Turnier‘). 

Anm. 1. Ebenſo in einigen andern Wällen, denen fchen mhd. ie gebüßrte: 
wie, nie, bien. — Unfes je iſt mhd. ie, ahd. ja, do, to, goth.’äir. 


- 


— 27 


Das j iſt unorganiſch ſtatt i. Fiſchart (1582) reimt je auf fie; 
Zeſen (7 1689) ordnet im Reim noch ie unter die, fie. Lohen— 
ftein (+ 1683) feaveibt je, jeder und reimt Gtieder: jeder (Cleo⸗ 
patra 1, 171). Zahariä (+ 1777) reimt jeder; wie der (Menomift 
1, 186.). Wieland (* 1813) reimt je, fie, Knie, Harmanie 
(Oberon. 3, 57.). Bei Zachariä ift es vielleicht nur ein ‚gewagter Keim; 
Wieland fuchte manches Beraltete des Reimes wegen wieder einzuführen 
und nahm auch ie (je) nur als dichterifche Kreiheit in Anſpruch. Für 
und if ie und jeder dem je und jeder gewichen. In nie, niemand 
hat ie wegen des anlautenden n Dh rein alten. Zur jemayd fagt 
der mittelrh. Volksdialect iemand, imand. 

Anm. 2. Wenn Beder (Schulgr. 4. Ausg. ©. 420) fagt: „Da in 
gibt, ging, fing der Vocal kurz ift, fo * das Dehnungszeichen un⸗ 

pafſend;“ fo muß dagegen bemerkt werben, daß in gieng, hieng, fieng 
has e kein Dehnungsgeicen ift, Kür giebt if gibt, zu ſchreibeng. 

Anm. 3. Eins her aͤlteſten Beiſpiele des Hehnmpungs- ie bietet eine Ur⸗ 
kunde von 1323 (urk. d. Stadt Obermoſchei, —* v. K. Roth, 
München 1848): diesen brief. 


Anm. 4. Die Ableitungsform -ier findet fi erſt felt dem 13. Jahrh. 


und zwar bipfi in fremden Wörtern, Subftantiven und Verben, 4.83. 
bapier, resjer; barrieren, parlieren, formieren, turnierey. Spaͤter verfah 

an auch deutishe Stämme mit der fremden Ableitungsform: buch: 
— ſchattieren, halbieren, hauſieren, ſtolzieren; 
iſdete auch, offenbar nach dem frarg. -iser (tyran, tyranniser) ein 
-jfiexen, „BB. tgrannifieren, geillifieren (Goethe 27, 256.), 
jungfrauifieren (Stieler), pindarifigren (Opitz). — Mandıe 
wollen die fremden Wörter mit -fren, bie beutffben mit -teren fchreis 
ben, wofür fich ein Grund denen lͤßt, da die ganze Form eine fremde 
iſt, auch die fremden Wörter in ihrer Sprache meiſt a ober e, nicht i 
haben. Wollen win die fremben Verba mit -iven ſchreiben, ſo koͤnnen 
wir auch den Subttantiven koin -ier geben. 

Anm. 8. Jenem ie für i (3) entgegengefent iſt die Kürzung deu alten ie 
in i, wenn mehrere Confonanten felgen: Dirne (ahh. dieroa, mhd. 
dierne), mährend Dienft (ahd. dionust, mhd. dienest) bleibt; Licht, 
nicht (ahd. licht, niowiht, mh». lieht, nieht, aber auch ſchon niht). 
Hierher gehört auch int für jest, jeht. 

Anm. 6. Für mhd. uo, üe ftehbt ie in Mieder (mhd, inuoder), lieder— 
lich et lüederltch) ; doch die der Ableitung von Luder (mhd. luoder, 
Löckfpeife) eingeden® find, ſchreiben Lüderlih. Sn der Redensart 
niet und nagelfeft‘” ift niet bas mhd. nuot (compages , Zufammen: 


ügung). 

Aum. 7. Roc iſt ie auf andere Weiſe durch Zufammenziehung ent 
Iprungen: Briefter, franz. prötre, prestre, lat. presbyter; ober bloß 
aus vom. e: Brief, Spiegel, Sieber, Biegel, franz. brief, spiegle, 
fievre, tuile, lat, breve, speculum, fehris, tegula. 

Anm. 8. Manche neuere Grammatifer (wie Reimnig, Widmann, Eiſe⸗ 
lein) wollen für das ie in Nr. 3 das frühere i wieder einführen. "Reim: 
nie verfährt bei feinen vielfachen Änderungsverfuchen wiffenfchaftlih und 
behutfam, Widmann und ‚Eifelein meift eigenmächtig und übereilt. 

Anm. 9. Wie das ghd. j vor » im mittelxh. Wolfshialect Känfg zu e 
wird ($. 28. Anm. B.): fp verwandelt fih de nor r im rin gehe —* 
aber nicht durchgängig, am feltenften bei organ. ‚Diphthong, wenn herz 
felbe in der lebten ulbe ſteht. Zritt hinter -ier noch eine Sylbe, fo 

wird ier in er verwandelt, -ier mag organ, Diphthong oder aus der 
Fremde entlehnt ſein. 


— 28 — 


8. 48. 

ui iſt unorganiſch und findet ſich etwa nur in but und pfui 
für mbd. hoi, hei, hi, pft, pfei. 

Anm. Grasmus Alberus (F 1883) fagt noch: Pfey dich, du groffer 
Böfewiht. 3.8. Michaelis (F 1772) fagt in d. Ged. „Die Laune“: 
Shriftina pfuit in Schweden Weltgetümnnel. | 

. 46. 

Am Schluß dieſer ganzen Eroͤrterung mag es nicht unzweck⸗ 
mäßig fein, der vergleichenden überſichtlichkeit wegen die Vocalreihen 
aus den vier Dauptepochen unferer Sprache zufammenzuftellen, wobei - 
natürlich nicht auf jede einzelne. Abweihung NRüdflicht genommen 
werden kann. Die ſechs (goth.) Rängen bilden folgende Tabelle: 

Bor. & 8 äi du ei iu 

Ah. A vo Sei d,ou ft iu,ie 
Mb. 4 vo Sei 6,ou 1 imie 
N. a u vd o, au ei en, ie 

Anm. 1. Die nhd. Umlaute ä, ö, ü, Au, ferner bie Baute at, ui, y können 
mit der goth. Sprache nicht verglichen werden, wo fie entweder fehlen, 
wie ut, y ($. 31. AB.) und bie Umlaute ($. 32.), ober ſich ganz anders 
herauefteilen, wie ai ($. 39.). Unſere Eurzen Vocale flimmen nicht mehr 
zu den früheren Kürzen ($.24.). Im Allgemeinen läßt ſich noch aufſtellen: 

Soth. a  i(@f) uc(as) 

Ar, a i, ẽ u, 0 

hp. a i, € u,0 

Nhd. a,&ä i,i,e,e u, uͤ, o, d 
Der ahd. und mhd. Umlaut e iſt nd. e, &; ber mbb. umlaut ü iſt uͤ, 
ö iſt b. — Gine Zuſammenſtellung bes mittelrh. Volksdialects mit der 
nhd. Schriftſprache wire folgende Rebe bilden: 


Schriftfpr. a - i u & ü 
Bolksfpr. a,0,8,e na i, e, (ei) u 1,0 e(a) HR u) i,e(o,u) 
Schriftſpr. at au du ei un go wi 
Bolksſpr. a (aj, ei,e) au,a,o eila) ei, a (aj)) ei,a(aj) i,e wi 
Anm. 2. Rüdfichtlic des Reuhochd. und des Weſtfäliſch-Riederd. ſtellt 
Doncamp im „Archiv f. d. Stud. d. neueren Sprachen u. Literaturen“ 
IV, 2. folgende Bergleihung auf: a=a,&, 8; e () — e, ä, &, ea, 
ie, ei; i (ie) —i, fe, e, ei; 9 — o, de, O, au, iu; 83,60, 
aü, u; N == u, uͤe, 9 au, in; di, de, ö, aü, dü; au =ih, d, 


su, äu; en, än — ü,di,d, aü,au; ei — e, öi,t, ef. 


Der Apoftroph, Stellvertreter der Vocale. 
$. 47. 

In der nbd. Sprache hat ſich der Grundfag der Verſtaͤndlich⸗ 
keit geltend gemadıt ($. 39. Anm. 1.), und man unterfcheidet für 
bas Auge manches Wort durch äufere Zeichen, das dem Ohre ohne 
ſolche überlafien wird. Diefem Streben nah Deutlichkeit verdankt 
auch der Apoſtroph Ginterſtrich, Oberſtrich) feine Einführung. 





8. 48. 

Bei älteren Grammatikern (3.38. Schottel im $. 1663, Stieler 
im 3. 1691) vertritt der Apoftroph bloß die Stelle eines auslautens 
den e vor einem mit einem Vocal oder h anlautenden Worte; bei 
neueren Schriftftelleen wird auch das anlautende e (zumeilen auch 
ei), fo wie (doc felten) das inlautende i weggelaffen und dafür der 
Apoftcoph gefegt, und zwar vor den meiſten (befonder® den weicheren) 
Gonfonanten, 3. B. Ich lieb’ die Stil’ im oͤden Saale nicht, wenn's 
draußen ſtuͤrmt. Muͤllner. — 's ift (da8 Vieh) meines gnaͤd'gen 
Heren ... Die (Genmſen) flellen Hug, wo fie zue Weide gehn, 'ne 
Borhut aus. Schiller (Zell). 


8. 49, 


Im Mpd. wird, metrifcher Gründe wegen, oft das anlautende d 
des Artikels weggeworfen und der Vocal zugleich geſchwaͤcht oder 
(obwol felten) ausgeftoßen, 3. B. vonme Rine, vome hove, umben 
stein, inz münster,. wie &r3 harnasch gewan, sktinges, zes küneges 
hulden, e3 swert Er gein d&m hörzen böt. Daraus entftanden unfere 
Formen: am, ans, ins, vom, unterm, 's Bad (mit der Art hab 
ih ihm 's Bad gefegnet. Schiller, Tel) u. a., wobei jedoch die 
Schriftfprache gegen den früheren Gebrauch befchränkter ift, indem fie 
viele Formen, z. B. aufm, zun, übern u. a. nicht mehr gelten 
laſſen will, obgleich fie in aller Munde find. 


$. 50. 


Vor dem 17. Zahrh. war der Apoftreph im Deutfchen wenig 
oder gar nicht im Gebrauch. Won da an begegnet er zuerft am Ende 
der. Haupts, Bei: und Zeitwörter, um ben Ausfall des e vor einem 
vocalifc oder mit h anlautenden Wort anzudeuten, 3. B. hab’ ich, 
Kich’ ein, das heilig’ Dfterlamb, der ftreitbar” Held bei Dig 
(7 1639). Etwas fpäter (nad) ber Mitte des 17. Jahrh.) wird der 
Apoftroph auch gebraudt, um den Ausfall eines inlautenden e (der 
Slerion) anzuzeigen, 3. B. Reich's, Fußfall's, hoͤr'n bei Lohenflein 
(t 1683). Sn diefer Zeit findet fi) auch zuerft der Apoſtroph für 
den Ausfall des inlautenden i, 3. B. Eneche’fch bei Kohenftein. Der 
Ausfall des anlautenden e (und et) wird erft im 18. Jahrh. durch den 
Apoftroph bezeichnet, 3.8. 's ift, ’8 kommt, 'ne Vorhut bei Schiller. 

Anm. Bei keiner diefer Formen verfuhr man folgereht. Wie Lohenftein 
Fußfall's neben Königs, hör'n neben führen hat, fo finden fich 
ähnliche Abweichungen bis in die neuefte Zeit. 


6.3. 


Mehr noch als in den genannten Sälfen zeigt ſich ein unficheres 
Schwanken im Segen oder Auslaffen bes Apoſtrophs bei der Decli⸗ 


nation der Eigennamen, vorzüglich fm Genitiv, weniger im Dativ 
und Xecufativ, wo er meiſt wegbleibt. Am auffallendſten und durch 
Überfeger eingeführt iſt der Apoſtroph bei griechifchen und roͤmiſchen 
Eigennamen, die im Genitiv die unveranderte Form des Nominativs 
beibehalten, wie Aeſchylos' Zragödien, Plautus’ Komödien, we 
der Apoftroph das Fehlen der ganzen Genlitivendung andeuten foll. — 
Um beften wird man mit Grimm ber früheren Weife folgen und den 
Apofteoph Überall weglaſſen, dabei fi) aber vor Sprachverſtuͤmme⸗ 
kungen hüten, wie deren fich bei manchen neueren Dichteen finden, die 
durch den Apoftoph erft recht in die Augen fallen, z. B. Kön’g’, bill'g', 
wechſ'l', mäß’g’, müff’n, bring’n, woll’n, bräng'n, geklomm'n, Will'n, 
Staͤll'n, Vett'r, Klamm’r, Stuͤck'n, Waff'n Rel’g’on, alle bei W. 
v. Schuͤtz (Karl d. Kühne, Graf von Schwarzenberg. Leipzig 1821). 


"Anm. Crtfehuldigt mag ber Apoſtroph werben in Formen wie da's, 
wie's zum Unterfchied von das, wies, 


Zweiter Abſchnitt. 
Bon den Gonfonanten überhaupt. 


6. 82, 


Die Eonfonanten (Mitlaute) unterfcheiden fih von den Vo⸗ 
ealen in zweifacher Hinſicht ($. 18. 19.): fie Eönnien erftens nicht 
ohne Beihilfe eines Vocals Elar ausgefprochen werden, find alfo, an 
fich betrachtet, weniger articuliert (gegliedert) al$ die Becale, Dagegen 
vollkommener articuliert, wenn ihnen in der Ausſprache ein Vocal zur 
Seite ſteht; fie find zweitens fefter, nicht fo Leicht veränderlich als die 
Vocale. 


$. 58. 


Die Confonanten zerfallen zunaͤchſt in einfache und Doppelte. 
Die einfachen zerfallen fodann in flüffige Cliquidae) und ſtumme 
oder ſtarre (mutae). Jener find vier I, m, n, vr. Die ftummen 
theilen ſich nach den Werkzeugen ihrer Hervorbringung, Lippe, Zahn 
(Zunge), Kehle (Gaumen) in drei Reihen: - 
1) Lippenbuchftaben (labiales): b, p, v; 
2) Zahn⸗ ober Zungenbudftaben (dentales, liaguales): 
d, t, ſz 
3) Kehl: - oder Gaumenbuchſtaben (gutturales, palatinae) : 
k, h. 
Anm. — ber Ausführung des Einzelnen werben wir jabe biefer drei 
Reihen noch um mehrere Gonfonanten vermehrt fehen; hier find bloß die 
wichtigſten aufgeſtellt. 


—1 — 


v 


$. 54, 


Den Iegten Gonfonanten jeder der drei Reiben, das wehende 

» (w), das faufende f und das hauchende & kayn man [hidlich Spi⸗ 

ranten Sauſelaute) ‚heißen. Dem v aber ſteht noch ein eigener 

Gonfgnant, das j, zur Seite; beide vermitteln den übertritt der Vo⸗ 

cale u und i in die Confonantenreihe ($. 22.) und verdienen deshalb 

den Namen Halbvocale. 

Anm. Grimm nennt bh, ſ, j, v hauchende, faufende, iehenbe, wehende; 
jehende von ahd. jehan, mhd. jähen, was ein fanftes,"gelindes Sagen 
(lat. ajo, goth. aika) ansdruct. f iR der ſtärkſte, an ihn reiht ih 6; 
gelinder find j, v (mw). Ahr ben Saufelsut haben daher alle Sprachen 
einen Buchftaben ; die drei andern begeichpen einige Sprachen gar nicht, 
oder nur durch halbe Buchftaben, vor= oder nachgejehte und überfihries 
bene Zeichen und Yunete. 


'6. 565. 


Nach der Eigenfhaft der Ausſprache und der Verſchieden⸗ 
heit des bei ihrer Hervorbringung thätigen Sprachwerkzeuges bilden 
Wie ſtummen oder ſtarren Confonanten folgende Reihen: 

1) Harte (tenues); p, £, tt; 
2) Weiche (media): b,g, Bd; 
3) Gehauchte (aspiratae): w, fl (#, 3). 

Anm. 1. Die ienues enthalten den fefteften und Zlieich dünnſten, die 
mediae den weicheren, die aspiratae den mit einer Spirans verſetzten Laut. 
Die Grundlage der Conſonanten bilden die (im griech. und goth. Alpha⸗ 
det unmittelbar auf a, den edelſten aller Laute, folgenden) mediae, wes⸗ 
hats eigentlich aufgeſtellt werben ſollte b, d, 9; p, t, kz Pb, — ch. 
Doch obige Namen und Reihenfolge ſind final hergebracht. 

Anm. 2., Die gehauchten Conſonanten find urſprünglich durch wirklichen 
Zuſatz eines h nad dem einfachen Conſonanten gebildet, beide Conſo⸗ 
nanten find aber ſchon in der älteften bekannten Zeit der deutfchen Sprache 
zu Einem Laut verſchmolzen. 

Anm. 3. Die griech. Sprache befigt die genannten drei Reihen am voll⸗ 
kommenſten; im Niederländ. und Latein. mangeln th und ch; dem Lit⸗ 
thauifchen entgeht die aspirata ganz; bem Slaviſchen if nur ch eigen; 
das Kinnifche hat weder media noch aspirata. 

Anm. 4 Der Aipttation if ein weiterer Spielraum zu geftatten, als ihn- 
bie qufgeftellte Lautordnung (ph, th, ch) angewiefen hat. Warum foll: 
ten dee Spiritus bloß die temues fähig erfcheinen? Auch die mediae 
> fügen fich ihm in ber altjächfifchen, theilweife noch ber niederländiſchen 
Sprade, im Keltifhen nicht allein mediae, fonbern auch die liquidae, 
was beachtenswerthe Analogie zwifchen Kelten und Weftdeutichen gründet, 

Anm 8. Über die @igenheiten ber nhd. aspirata n und & (3) f. $. 74: 93. 


4 


s. 56. 


Die doppelten Confonanten find, gleich den Vocalen, entweber 
doppelt durch ſich felbft (geminiert, geminatae), z. B. Stille, Gott, 
Stimme, oder durch Verbindung verjchiedenartiger ‚(somposilae). 





— 32 — 


In beiden Fällen verwaͤchſt auch wieder ber Laut in derſelben Sylbe, 
und wenn Gonfonanten aus verfchiedenen Sylben zufammenftoßen, 
fo ift keine Doppelung vorhanden. Unfer Ohr unterfcheidet z. B. 
annehmen, zerrinnen, ausfenden von Mannes, zerren, 
miffen: bort ift bloße Affimilation (Anaͤhnlichung), bier eigentficher 
Doppellaut. Dasfelbe gilt von der Compofition, vgl. Stand mit 
Haustenne. Ä 


8. 57. 


Seminationen, in der älteren Sprache felten, werben in ber 
neueren häufig (vgl. 6. 23.)1). Übrigens geminieren nur einfache 
Confonanten, nicht zufammengefegte, daher das hochdeutfche ff (d. i. 
pbpb) gewiffermaßen unorganifch ift, da f ein Doppelconfonant ift 
($. 71.)9). 

Anm. 1. Es erſcheint in ben Geminationen alfo zwar etwas Gebilbetes, 
zugleich aber eine Entftellung des früheren proſodiſchen Wohllauts. 

Anm. 2. Früher gehörte hierher auch noch das unorganiſche z3, z. B. 
ahd. wazzar ſtatt wazur, goth. vald == Waſſer. 


$. 58. 


Unter den componierten Gonfonanten find im Allgemeinen bie 
mit den Spiranten ($. 54.) die woichtigften; bei ihnen gefchieht die 
Vermiſchung beider Laute am innigften. Entweder fteht der Spirant 
vor oder nach, jenes 5. B. in den Doppellauten der frühern Sprache: 
hi, hn, hr, hy; sl, sın, sn, sk, sp, sv; vr, diefeg in: Ih, w, x, z. Es 
mifchen fidy auch drei, wovon skr (goth. skreitan, ahd. scerötan, mhd. 
schröten, nhd. fchroten) das Altefte und wichtigfte Beifpiel iſt. Spaͤ⸗ 
terhin nehmen biefe dreifachen zu, und zweifache verwandeln ſich in 
fie, wie unfer fh, ſchl, Ihm, ſchn, fchr; einige finden ſich bleß 
in der Ausſprache, nicht in der Schrift, wie ſchp, ſcht, tich u. a. 

Anm. 1. Beifpiele find: goth. hlaupan, hneivan, hräinis, hveila, siepan, 
smeitan, sneithan, skeidan, spinnun, svailra, vrikan, theihan, tveifls ; 
ahd. hloufan, hnigan, hreini, hutla (auch ſchon loufan, nigan, reini, 
wila), släfan, smijen, snidan, sceidan, spinnan, swehur, wrehhan (und 
rehlan), dihan, zvival; mhd. loufen, nigen, reine, wile, släfen, smizen, 

soliden, sceiden, spinnen, swäher, rächen, dihen, zwivel; nüb. laufen, 
neigen, rein, Weile, fchlafen, ſchmeißen, fchneiden, ſcheiden, ſpinnen, 
Schwäher, rächen, gedeihen, Zweifel. — Das Gewicht ber Ausſprache 
ruhte auf der Liquida, das h fiel darum weg; fo auch das v (w) in vrikan, 
wröhban. 

Anm. 2. Der häufige Gebrauch einiger zweifachen, namentlich bes f und 
I bewirkte, daß man fie allmälich für einfache gelten ließ, daher fie zum 

heil geminiert werden ($. 87.). Das Unorganifche ergibt fi) am deut⸗ 
lichften aus der abweichenden Sitte verfchiedener Sprachen in biefem 
Punct. Dem Griechen z. B. galt fein y fo gut einfach als fein p, dem 
Hochdeutſchen ift F einfad), eh aber nicht. 

Anm. 3. In allen coman. Sprachen wird der Kehls und Zungenlaut vers 
fehrt, wenn die feinen oder dünnen Wocale nachfolgen ($. 78.). Am 








— 3 


weiteſten dorgeſchritten ift darin bie franz. Sprache, indem fie c in ch 
mit ber Ausfprade sch wandelt. Solches zifchenden, fchmelzenden 
Drangs haben fich auch die deutſchen Sprachzweige nicht ganz erwehren 
innen. Das organliche s gieng in sc, fpäter in sch, bie Aſpiration th 
in zum ts über, Die Anlaute tfch, Bf und vollends ſchtſch wider⸗ 
ſtehen uns, inlautend dulden wir Elatfhen, plätfhern, glits 
ſchen, rutſchen. 





8. 89. 


In der fruͤheren Sprache hatte die Stellung des Conſonanten 
im Anz, In⸗ oder Auslaut Einfluß auf deſſen Gebrauch ($. 96.); 
Inhd. hoͤrt alles Schwanken zwifhen an=, ins und ausfautender Te: 
nuis, Media und Afpirata auf, der einmal im Wort angenommene 
Laut bleibt darin feſt, z. B. gab, gaben; Zag, Tages; Wolf, 
Wolfes (mhd. gap, gäben; tac, tages; wolf, wolves). Bloß in 
empfangen, empfehlen, empfinden bat fih pf flatt-f erhal⸗ 
ten!), Im Zungenlaut dauert die ſtrengalthochdeutſche Tenuis fort, 
z. DB. tragen, bat, baten (niederdeutſch dragen, bad, bäden); nicht 
im Lippen: und Kehllaut, z. B. Bein, gab, geben, Geift, liegen, 
‚lag (ahd. pein, kap, k&pan, keist, Hikan, lak)2), — Die Gentinas 
tion, die im Ganzen gegen bie frühere Sprache zugenommen ($. 23. 
57.), gilt in der Regel auch auslautend ($..23.), früher nur in: 
lautend. | 
Anm. 1. Empfangen, empfehlen, empfinden lauten mhd. enpf- 
hen, enpfelen, enpfnden; ahd. antfaban (auch intphähan, intfähan), ant- 
findan (auch intfindan, -inphindan); empfehlen ift ahd. nicht aufzu⸗ 
weifen (goth. anaßlhan). 
Anm. 2. Durch die Ungleichheit diefes Grundfages gerathen bie Laut⸗ 
reihen oft in Mißverhältniß. 


Erſtes Eapitel. 


Slüffige Confonanten. 
({,m, a, re.) 


8. 60. 


Die flüffigen Eonfonanten find im Ganzen weniger articuliert 
(gegliedert) als die ftummen oder flarcen; daher wechfeln fie öfters 
mit einander ab. Lund R haben wie J und B halbvocalifche Na: 
tur!), während M und N wie S und:H unvocalifh erfcheinen. 
MM fcheint feiner und fefter zu fein als N, R ifl am veränderlichften. 

Anm. Im Sanfkrit heißen fie fogar Halbvocale und werben ben Spiranten 
j und v an bie Seite geſetzt. 


$. 61. 


£, ein Zungenbuchſtabe, wird mit Anſtoß der Zunge an den 
Gaumen und die obere Reihe Zähne ausgeſprochen. 2, milder und 
Kehrein Grammatil. J. 1. 3 


weicher als N, ift bisweilen aus R entflanden, mechfelt nach ben 
Mundarten und in der Volksſprache einigemal mit RN ab, z.B. 
Kiche und Kilche (fhon ahd. bei Notker chilicha für chiribha), 
Zunder und Zundeli); aud in entlehnten Wörtern, 5. B. Kly⸗ 
ftier und Kryſtier, Pflaume (mundartlih Praume aus lat. 
pruna), Pilgrim, Pilger (ſchon ahd. pilikrim und pilikrin au$ lat. 
. peregrinus). — Wo in Einer Mundart L und Ran denfelben Wur⸗ 
zein vorkommen, wird ein Unterſchied der Bedeutung fühlbar fein, 
z. B. wandeln, fafeln, lächeln, ſchuͤtteln unterfchieden von 
wandern, fafern, laͤchern, ſchuͤttern; ſtammeln iſt einerlei mit 


ſtammern, doch ſind beide nicht gleich gebraͤuchlich. 

Anm. 1. Bol. noch Tändelei, Tölpelei, mhd. tenterte, dörperle; 
ſchweizeriſch Bilacha für Birke. Auch ahd. murmuron und murmulon; 
mhd. marterære und martelære. 

Anm. 2. Welt iſt entſtanden aus ahd. weralt, mhd. wöärlt, altſ. werold, 


angelſ. veorold; Elend ſteht für Ellend (ahd. alilanti, mhd. ellende, 


altſ. elilendi) eigentlich anderes, fremdes Land. 

Anm. 5. In der ſüuddeutſchen Volksſprache wird I oft (in= und auslau⸗ 
tend) wie i, j geſprochen, z. B. wolfi, Hajs (mwolfeil, Hals). 

Anm. 4 Dem italienifchen Organ fchmilzt 1 in i vor a, o, u: bianco, 
fiato für blanco, flat. Die franzöſiſche Sprache fegt gern, wenn auf I 
ein Confonant folgt, u für l: chaume, paume aus calamus, palma. Die 
niederländifche Mundart bildet au aus al, ou aus al und ol, wobei Ein⸗ 
fluß franzöſiſcher Nachbarfchaft angefchlagen werden muß, 3. B. yraut 
(altfr. heraut, herold),, miroude (franz. esmeraud, ital. smeraldo), outare 
(lat. altare). — Bon ben flavifchen Sprachen ift es die füblichfte und 
mweichfte, die ferbiiche, welche das 1 der übrigen vocalifiert: im Auslaut 
macht fie o, im Inlaut vor anrührendem Conſonanten u daraus: mo, 
pun (mein, voll). 


$. 62. 


M, ein Lippenbudftabe, wird durch eine leichte Ausftoßung bes 
Hauches, wobei man die Lippen fchließt, hervorgebraht. In ben 
Flerionen EN für M fhon mhd. durchgedrungen !), aber aud oft 
in Wurzeln, 5. B. öhein für öheim und oeheim (ſchweizeriſch Ehni). 
Inlautend wird diefes unorganifhe N wieder in DM verwandelt: lein, 
Gen. leimes. Das hat nhd. aufgehört, d.h. wir fagen Leim, Leimes. 

Anm. 1. Xus den Formen der Declination und Gonjugation erfieht man, 
dag in den Flerionen n oft auf urfprüngliches m zurüdgeführt wer: 
den muß. 

Anm. 2. Die Volksfprache fagt noch nach alter Form Fadem, Befem, 
Bufem, Bodem, Schwadem (ahd. fadum, p&ösamo, puosum, podum; 
mhd. vadem und vaden, beseme und besme, buosem und buosen, bodem 
und boden, swadem) ; die Schriftfpradhe hat Brodem und Broben 
(ahd. pradam, mhd. bradem und brodem) und einfädmen neben dem 
anders abgeleiteten einfäbeln (ahd. fadamdn, mhd. vedemen). Umge⸗ 
kehrt heißt es in ber Volksſprache Thurn (fo auch in Goethes Goͤtz v. 
Berl. 4. Ausg.) für Thurm (ahd. turri, mhd. turn, angelf. torr, engl. 
tower, lat. turris). — Wafem (in der Schriftfprache Wafen) ift nhd. 
Bildung (ahd. waso, mhd. wase). 


⸗ 











35 


Anm. 3. Statt Himbeere (ahb. hintperi, mhd. hintber) fagt man in 
DOftpreugen noch altertyümlid Hindbeere; im „Kreutterbuch“ des 
3. Camerarius, Frankf. 1600, Hindtbeer, Hindbeer und Him: 

beer. In feltfam fteht m fürn, ahd. seltsäni, mhd. selisene. 

Anm. 4 In BZufammenfegungen und, verfehrumpften Eigennamen fteht 
oft m fürn, z. B. Amboß, Imbiß, ahd. anapoz, inbiz und imbiz; 
Bamberg, Lampert, Gumpert, Limburg aus Babenberc, Lant- 
perht, Guntperbt, Lintpurc. 

Anm. 5. Statt wm fest die Volksfprache me in mir (mer) ftatt wir, 
und in ben abgekürzten Kormen tragemer, lefemer, habemer 
(tragen, lefen, haben wir) u. a. 


$. 63. 


N, ein Nafenlaut, wird mit Anftoßung ber Zunge an den Gau: 
men und bie obere Zahnreihe und Ausftoßung der Luft durch den 
Mund und die Nafe ausgefprochen. Bor G und 8 wird N mit einem 
ftärkeren durch die Nafe gelaffenen Hauche ausgefprochen, was jedoch 
in noch fühlbaren Zufammenfegungen nicht der Fall ift, val. bange, 
finken, angeben, hinkegeln, Wingert flatt Weingarten (goth. 
veinagarts, ahd. wingarto, mhd. wingarte). Bor Eh, J wird N 
mit einem gelindern Hauche durch die Naſe ausgefprochen, 3. B. 
maniger, mancher. Auslautend ſteht N für R in fern); ange: 
hängt ift es in albern, einzeln, fondern und vielen ſchwachen 
Subftantiven. N geht in M über in empor, empfangen, empfeh— 
len, empfinden?). Statt des früheren MD fleht N in Kunft (Ab: 
kunft ıc.), Vernunft, Zunft, Ranft, fanft, fünf?). Ausgefallen 
iſt Nin Pfennig, vertheidigen, Waffe, Wolke und fchon frühe 
in König). In Knobelauch gieng N aus L hervor), 

Anm, 1. Goth, fairra, ahd. ferro, mhd. verre, alwere, einzel, sunder. 

Anm. 2. Ahd. inpor, mhd. enbor; die andern f. $. 59. Ann. 1. 

Anm. 3. Bon kommen, nehmen, ziemen (ahd. chumft, vernumlft, 
zumft); ahd. ramft, samft, fimf. 

Anm. & Ahd. phantince und phenninc, mhd. phenninc, in der Volksſprache 
Penning; mhd. verteidingen (aus tagadinc), das wäfen, wolken; ahd. 
chunince und ſchon chunic, angelf,. eyning und cynig, altn. konungr und 
köngr., mhd. künic und künec, von chuni, kuni = Geſchlecht, Adel. 

Anm. 5. Knobelauch (ahd. chlobilouch, mh. klobelouch und knobe- 
louch) ift gefpaltener (getlobener) Lauch. 

Anm. 6. Scheune und Scheuer find verfchiedene, fehon fehr frühe 
vorkommende Bildungen, ahd. sciura, scuginna, 'mhbd. schiure, schiune. 

Anm. 7. In dem volksthümlichen Naft, Naffel ift das m von bem 
Artikel genommen, 

8. 64. 


N, ein Zungenbuchftabe, wird mit einer zitternden Bewegung 
ber Zungenfpige gegen den Gaumen ausgefprochen, jedoch nicht in 
ganz Deutfchland auf ganz gleiche Weife. — In der mhd. Sprache 
werfen viele Partikeln das auslautende R weg, das nhd. bei einigen 
wieder hergeftellt ift, 3. B. hier und hie!). An die Stelle des frühe: 
ven S ift oft R getreten, vgl. erkiefen und erkoren, Frieſel und 

- . 3* 








— 36 


frieren, Verluft und veriteren, war und gemwefen (9. 473.72). 
— Megen der ſchwierigen Ausfprache wechfelt N zumelten feine 
Stelle, vgl. Born und Brunnen, Bernftein und brennen?). 
Ausgefallen ift R in Köder ($. 34. Anm. 2.) und Ekel 9; an die 
Stelle vor N getreten in dem mer für man der Volksſprache. — 
Auf die Doppelvocale an, eu, ei (mhd. u, iu, kann nhd. nicht 
unmittelbar ein R folgen (es fei denn, daß nach dem R nod) ein 
Bocal folge, wo es denn in der Ausfprache zur folgenden Spyibe ge: 
zogen wird); hier wird vor dem R ein E eingefhoben, 5. B. Bauer, 
Feuer, Geier (mhd. büre, viur, gir). — Rh fchreiben wir nur in 
fremden Wörtern: Rhodos, Rhodope, laſſen aber das h gegen: 
wärtig oft weg’). 

Anm. 1. Starke Kürzungen mit hier find Hunten, hoben, hüben 
der Volksſprache (huͤben auch öfters bei Goethe). Wir fagen nhd. dba 
und dar, jedoch ohne feſte Regel, im Allgemeinen bar vor Bocalen: 
daran, darauf, daraus, darin, darob, barüber, barum, 
darunter; da vor Konfonanten: dabei, dadurch, damit, da= 
neben, davon, dazwiſchen; einige Schriftfteller verfuchten dar⸗ 
bei, dardurch zc. zu fehreiben, wie noch im 416. Jahrh. häufig iſt. 

Anm. 2. Einige (namentlich fübdeutjche Schriftfteller) fchreiden Ber⸗ 
lurft, aber, nicht folgerichtig, Froſt. — Kiefen iſt goth. kiusan, 
ahd. chiusan (und abgeleitet chorön), mhd. kiesen (und Abgeleitet kürn) ; 
frieren fehlt goth. (aber frius = Froft), ahd. friusan, mhd. vriesen; ver⸗ 
lieren ift goth. fraliusan, ahd. farliusan, mhd. verliesen und verlieren. 
Auch im Sanffrit entfaltet fich r vor v aus s. Im Goth. hat die Wand⸗ 
lung des s in r noch gar nicht Statt, fie bereitet fi) aber dadurch vor, 
daß s inlautend bei zutretenben Flerionen ober Anhängen Schwächung in 
z erfährt ($.90.), das nicht gleich dem ahd. z, fondern als biöderes, 
dickeres ſchwirrendes s auszufprechen if. In der ahd. Sprache fohreitet 
biefes r fort: goth. basi, kasi, nazjan, dius, Auso, raus find ahd. zu 
peri, char, nerjan, tior, Ord, rör (Beere, Kar — Behälter, nähren, Thier, 
Ohr, Rohr) geworben. Die nordifche Sprache hat dem r noch mehr nach⸗ 
gegeben. — Im Auslaut kann fein s in r verwandelt werden. — In der 
Wandlung des s zu r hat die griech. Sprache geringe (lakoniſch & im Aus⸗ 
laut für s), bie latein. große Neigung: foedus, genus, latus, munus, 
onus, opus, Pondus, scelus, sidus, ulcus, vellus, viscus, vulnus, vetus, 
Venus verwandeln im Gen. das us in eris; corpus, decus, dedecus, faci- 
nus, fenus, frigus, littus, nemus, pectus, pecus, penus, pignus, stercus, 
tempus, tergus, lepus in oris; os, flos, glos, mos, ros, honos, labos, 
lepos (mit den Rebenformen honor, labor, leper) das 8 in oris. Noch 
andere Kormen bieten Eigennamen und mehrere alte Eomparativ= und 
Guperlatiobildungen:: majoses, plusima. 

Anm. 3. Val, ahd. prunno, mhd. brunne, angelf. burne, altfrtef. burna ; 
ahd. prinnan, mhd. brinnen und burnen, bernen, niederl. brennen und 
bernen, holländ. harnen, altfrief. berna, angelf. byrnan, engl. burn. 

Anm. 4. Mhd. und älternhd. Erkel von Erken — widrige, unwillig Em: 
pfindung über etwas mit Reiz zum Erbrechen haben. 

Anm. 5. Dahin gehören Rhabarber, Rhetorik, Rheims, Rhi— 
noceroß, Rhodope, Rhodos, Rhön, Rhone. — Rhede 
(niederd.) follte eigentlich Reede gefchrieben werden. Bei dem wahr: 
ſcheinlich altgallifhen (Eeltifchen) Rhein haben wir die alte Korm Rein 
(Rin) verlaffen und bie roͤm. Schreibung angenommen, 


— 37 — 


Aum. 6. Sn einigen Gegenden Südbdeutſchlands wird r im Anlaut mit 
Ele ſtarken Ajpiration gefprochen, was ſich an das frühere hr ($. 58.) 
anlehnt. 

Anm. 7. Die mittelchein. Volksſprache fegt oft r, vr für d, t, tt: 
wirre (und werte) für wider und wieder; fpere für fpäter, 
Werre für Wetter, Far'm für Faden. Bol. 6.-87. Anm. 6. 


$. 65. 


Gothiſch tritt die (inlautende) Verdoppelung (Gemination) 
mm, nn, ll nur nad) den Furzen Vocalen a, i, wein, 1 ift überhaupt 
felten, rr ift wol nicht wurzelhaft, fondern durch Affimilation aus rn 
entfprungen: swamm, brinnan, vullö, fairra (Schwamm, brennen, 
Wolle, fen). — Ahd. find inlantend Il, mm, nn, rr häufiger, obwol 
auch nicht immer wurzelhaft, was auch mhd. gilt ($. 23. Anm. 2.). 
— Rhd. findet ſich die Verdoppelung der flüffigen Gonfonanten in: 
und auslautend, befonders dann, wenn der Eurze Vocal dadurch ge- 
hegt werden foll ($. 24.). Auch nhd. ift wie früher der zweite Con: 
fonant oft aus einem andern entftanden, z. B. in Stimme, nen: 
nen, itr, dire (neben Durft), Hölle, Wille, Lamm, Zimmer, 
Pfennig {$. 63. Anm. 1.) Fremd find Amme, Flamme, 
Summe, Pfarre, Karren. 

Anm. Bol. die älteren Formen: goth. stibna, namnjan, airzjs, thaörsus, 
halja, vilja, lamb; ahd. stimna und stimma, namnjan und nannjan, irri, 
durri, hella, willo, lamp, zimpar; mhd. stimne und stimme, nemnen und 
nennen, irre, durr, helle, wille, lamp, zimber. Die Volksſprache fagt 
hier und da noch Lamb, Kamb, - 


$. 66. . 


In der Verbindung (Compofition) der flüffigen Confonanten - 
mit andern find goth. die wichtigflen Faͤlle Ib, Id, Ikh, It, Iz; mb, mf, 
mp, mth, ms; nt, nd, nth, ng, nk, np, ns; rn, rs, rz, rd, rt, von 
denen fpäterhin viele affimilieren ($. 65.) Ahd. finden ſich in= und 
auslautend die Verbindungen Im, Ib, If, Ip, Id, It, Is, Ist, Iz, Ig; Ik; 
mb, mf, mft, mp3 ng, nk, nd, nt, ns, nst, nz; rm, rn, rb, rf, rp, 
rd, rt, rs, rst, rz, rg, rk. Mhd. finden ſich auslautend Ip, It, Ic, 
rp, rt, re, inlautend Ib, rb, mb, ig, rg, ng, Ik, rk, nk. Im Zungen: 
laut zeige fih Schwanken zwifchen Id und It, rd un® rt, nd und nt; 
fonft finden fi) noch Is, ns, iz, M, iv, nf, nv, az, rz; rch, leh, nft, 
Ist, nst, rest. — Nhd. herrſcht hier große Unbeſtimmtheit, befonders 
bet ID, dt, nd, nt. Diefe Unbeftimmtheit, ſchon mıhb. vorhanden, 
bat befonders im 16.— 17. Jahrh. um fich gegriffen, weil man das 
Verhättniß des mhd. In⸗ und Auslautes nicht kannte und überhaupt bie 
Confonanten über Gebühr häufte. So finden fih 5.8. im 16. Sahrh. 
bet Fiſchare: fürder und fürter, ftand und flant, Geld und 
Gelt; im 17. Jahrh. bei Opig: Ward und Waldt, Geld und 





— 38 — 


Geldt, Bild und Bildt, Gold und Goldt, Schuld und 
Schuldt, Hand und Handt, End und Endt, Kind und Kindt, 
Mund und Mundt. — Wir ſchreiben Geld neben gelten, hinter 
neben hindern, Schuld neben Schultheiß. 


3Z3weites Capitel. 
Lippenbuchſtaben. 
(b, p, f, pf, ph, v, w.) 
$. 67. | 
Die Eippenbuchftaben find theils weich (B), theild hart (P). 
Dem B ſteht das gehauchte B (= Bh) und dem P das gehauchte 
$ (= Ph) zur Seite. Am Anfang einer Spibe oder eines Wortes, 
befonders vor Vocalen, unterfcheiden fih B und P in der Ausſprache 
genau, vgl. baden und paden, Bein und Pein, Bille und 
Pille, Bohlen und Pohlen, Bulle und Puls. Im Auslaut 
und vor einem Confonanten im Anlaut tritt der Unterfchied nicht fo 
fcharf hervor, vgl. Lob, Abt, Blatt, platt. — Ph, F und V find 
anlautend in der Ausfprache kaum, V inlautend etwas zu unters 
fheiden, vgl. Philofoph, fiel, viel; Hafer, Stave, helfen, 
Pulver, 


$. 68. 


B fteht goth. im An und Inlaut haufig, im Auslaut regel: 
mäßig nur nach flüffigen Confonanten; geht dem auslautenden b ein 


‚ Vocal voran, fo geht b in f über, das inlautend wieder zu b wird, 


3. B. hläibs, Acc. hläif (Raid), tvalif, Gen. tvalibe (zwölf). — Dem 


goth. b entfpricht bei (dem feinhärigen) Notker im In⸗ und Auslaut 


das ahd. b, fo wie dem umlautenden (abgeftuften) ſ das ahd. p. Der 
Anlaut richtet fi nad) dem Auslaut des vorhergehenden Wortes: ift 
diefer ein Vocal oder eine Kiquida, fo hat das naͤchſte Wort im An⸗ 
laut b; iſt derfelbe eine Spirans oder Muta, oder beginnt ein neuer 
Sag, fo Steht p. gl. diu bluoma, dü bist, dero boumo, jungen 
boumes, min bruoder, er begrifet mit ih pin, des poumes, sines 
pruoder, üf poume, sundig pluot I). — In andern ahd. Denkmälern 
fteht inlautend b, an- ynd auslautend p; Dtfried und Zatian haben 
überall b, andern überall p. — Myhd. p ift im Ans und Inlaut durch 
b verdrängt, findet fi hier nur noch ausnahmsweiſe, dagegen ſteht 
e8 regelmäßig im Auslaut, 3. B. gap, gäben. — Üiternhd (15.—16, 


Jahrh.) herefcht großes Schwanken, z. B. pald, pluome, prott, 


auch bald, Blume, Brot. Nhd. fteht B im An, In: und Aus: 
laut, ohne daß die Stellung darauf Einfluß hat. Steht B nach 
einem kurzen Vocal im Inlaut vor X (in der Ableitung), fo geht +6 


— 39 — 


% 

oft in da8 abgeftufte F über, z. B. fchreiben, Schrift; treiben, - 
Trift; geben, Gift; graben, Gruft; Elieben, Kluft?) Sn 
Haber und Hube ſchwankt B und (das mehr niederdeutfche) F: 
Hafer, Hufed). In Pabſt, bagig und Bausbaden ſchwankt 
B und P (Papft, pagig, Pausbaden), doch ſcheint B den Vorzug zu 
verdienen, — B geht in P über: erflens, fobald ein S der Bildung 
vor dasfelbe tritt, 3.8. breiten, fpreiten (aber ausbreiten) und 
zweitens bei Verdoppelung, obwol nicht durchgehende, z. B. Knabe, 
Knappe; Rabe, Rappe; Schnabel, fhnappen‘) Bür das 
alte I fteht B in gerben, Milde, Narbe, Farbe, Schwalbe). 
— Gemination bes B ift goth. nicht vorhanden, mhd. und nhb. 
feltner: sibba, libba (neben sippa, lippa); abbet, ubbic; Ebbe, 
Krabbe, Robbe), 

Anm. 1. Daß Notkers Gefes nicht aus der Luft gegriffen war, ſondern 
auf feiner Beobachtung der wirklihen Sprache beruhte, ergibt fich daher, 
daß es noch zwei Jahrhunderte fpäter bei Wolfram, dem fprachgemwaltig- 
ften aller mhd. Dichter, alfo nicht einmal in Schwaben, fondern in 
Baiern unverkennbar ift. 

Anm. 2. Goth. wandeln fich vor bem t der zweiten Perfon Präter. p unb 
binf, 3.8. graba, gröft; hlaupa, blaihlauft. Analog mit biefen Formen 
laufen die Subftantive auf -A: gifts von giba; gaskafts von skapja. In 
ben fpätern Mundarten (ahd. mhd. nhd.) herrſcht im Ganzen biefelbe 
Regel, 

Anm. 3, Ahd. hap(b)aro, huop(b)a; mhd. habere, huobe; altf. havoro, 
höva. Nhd. gehören Haber und Hube mehr der Sprache des gemeinen 
Lebens an. 

Anm. 4 Neben traben und z3abeln finden ſich auch (jebody mehr ber 
Sprache des gemeinen Lebens angehörend) trappen und zappeln. — 
Rippen kommt von reiben; klappen, Rebenform von Elaffen, 
wol von klieben. 

‚Anm. 5. Die angeführten Wörter lauten ahd. karawan, miliwa, närwa, 
farawa, swalawa, mhd. gerwen, milwe, narwe, varwe, swalewe. “Der 
baier. und öfterr. Mundart ift b für w und ww für b geläufig, beides im 
Anz und Inlaut. Albrecht von Eyb (15. Jahrh.) ſchreibt fhwantend 
beinen, bebaren, verbefen, erbeihen für weinen, bewah— 
ren, vermwefen, erweiden; dagegen wereiten, weſcheyden— 
heit, wegeben für bereiten, Befcheidenheit, begeben. Es 
ift dies eigentlich eine Hemmung der Lautverfchiebung ($. 101.). — Lat. 
wird zu ferveo das Präter. ferbui gebildet, aus lat. rapa, ripa, faba, 
faber, habere, debere wird franz. rave, rive, feve, fevre, avoir, devoir. 

Anm. 6. Mehr der Volksiprache gehören an: Flabbe (Schlag), Knubbe 
(Klot), ſchlabbern, ſchrubben, ſchwabbern, ſchwabbeln u. a. 


8. 69. 


P ſteht goth. an⸗, ins nnd auslautend, anlautend nur in weni⸗ 
gen Woͤrtern, die meiſtens fremd ſind. Das Verhaͤltniß im Ahd. und 
Mhd. ergibt ſich aus J. 68. — Nhd. ſteht P an-, in- und (doch 
ſeltner) auslautend, z. B. packen, paffen, plagen; Stapel, ka⸗ 
pern, Kiepe; Julep, Salep. — Verdoppelung iſt goth. nicht 


Ze ö— TTTT 


— 40 — 
vorhanden, ahd. ſchwankend (9. 68.), mhb. inlautend, nhd. ins und 
auslautend ziemlich zahlreich, 3. B. Kappe, Lappen, plappern; 
Schleppe, Eppih, Klepper; Rippe, Krippe, trippein; 
Schoppen, foppen, Koppel; Puppe, Kuppe, firuppis; 
Grapp, Bärlapp, trapp! Krepp, Geflepp, hepp! Tipp, 
Schnipp, knipp! Galopp, Zopp, hopp! Schupp, Krupp, 
ſchupp! 
8. 70. 


PH kommt goth. nicht vor; ahd. fleht e8 felten im Anlaut, und 
da meiftens in fremden Wörtern, in denen aber ſchon fehr frühe dafür 
bärteres pf eintrat, 3. ®. phorta und pforta; in manden wird das 
lat. p beibehalten, z. B. pina, purpara; im In- und Auslaut wird 
ahd. am Liebfien f gefchrieben und ph gefprochen, oft auch gefchrieben, 
3. B. phifa und pfifa. — Mhd. ſteht ph im Anlaut, wechfelt aber mit 
pf, 3. B. phlanze, pflanze; in- und auslautend ift, wenn ein langer 
Vocal vorhergeht, f Regel, 3. 3. släfen (zuweilen släphen), tief. — 
Nhd, ſteht Ph nur noch in fremden Wörtern und Eigennamen. 

Anm. 1. Auch nhd. ift das fremde p oft anlautendb geblieben, 3. 2. 
Hein, Purpur, Palaſt, Patron ua, 

Anm. 2, Aus den fremden (griech.) Wörtern hat man ph zu verbrängen 
und f dafür zu fegen gefucht, 3. B. Geografie, Kilofofte. Dies ift 
weder den Gefegen ber Lautnerfchiebung ($. 101.), noch der griechifchen 
Sprache gemäß. — Die beutichen Namen Abolf, Rudolf (zufammen: 
gefegt mit Wolf, ahd. Adalolf, Hruodolf) und Weſtfalen (ahd. West- 
falun) ſchreibt man richtiger mit f als mit ph. 

Anm. 3, Epheu (lat. apiam, angelf. eilig) lautet ahd. ebowe, ehihewe, 
ephowi, älternhd. Ephew, Ebhew, als wenn dad Wort Bufammenfehung 
wäre aud Heu (bew) und einem unbelannten ep, eb. 


$. 71. 


5 iſt goth. als Anlaut häufig, als Inlaut ſeltner. Ahd. find 
swei f anzunehmen: das eine entfpricht der goth. Tenuis (p), oder es 
ift mit andern Worten das afpiriert gewordene goth. p, folglich 
Doppelbuchſtabe und jederzeit feharf wie ph auszufpeechen und häufig 
auch fo gefchrieben ($. 70.); über das zweite ahd. f fiehe 9. 73. — 
Myd. ſteht f nad) langen Vocalen in: und auslautend (8. 70.), ans 
lautend fteht v, 3. B. vinden, varwe. — Xiternhd. (15.—16. Jahrh.) 
großes Schwanken, bis ins 17. Jahrh. hinein. Später fleht F bald 
für das ditere f, bald für das ältere v, anlautend vorm, Gi (fie mögen 
kurz oder lang fein), ei, en, I, r: Furcht, Fuͤrſt, Fuß, führen, 


Feile, feucht, Fleiß, Freund Bora, e, i, o ſchwanken F und 


V, mitunter in denfelben Wörtern, z. B. fangen, befehlen, fel: 
ken, füllen, folgen; Bater, viel, voll, Vogel!) — Die um 
organifche Gemination ($. 57.) finder fick ſchon ahd. und mhh., und 
tritt nhd. ina und auslautend nach kurzem Vocal ein, z. M. Affe, 





4 — 


treffen, fohiffen, offen, ſchnuffeln; Haff, Kaff, Schiff, 
Stoff, Puff. 

Anm. 1. Beffer ftände wol überall f, befonbers da auch das inlautende v 

' verftoßen ift, 3. 8. Grafen, Zweifel, Wölfe, mit Ausnahme etwa 

von Frevel und dee fremden Sclave, Yulver u.a. — Veilchen, 

Veit, Vrints, Vließ Zönnen, ald fremd ober Eigennamen, bie 
Hegel nicht umfloßen. | 

Anm. 2. Einige vereinfachen das ff inlautenb bei nachfolgendem Con⸗ 

fonanten, als: treffen, trift; Hoffen, Hofnung; ziemlich allges 

mein it Geſchäft von Thaffen. — Im 16.—17. Jahrh. ſchrieb man 

ins und auslautend faft überall ff, 3. 8. auff, Lauff, ſchlaffen, 





Skhaffen (d. h. fhlafen, Schafen), Eigenjhafft, lauffen, _ 


ergreiffen. \ 

Anm. 3. Munbertifh wird in Dfen, Schwefel, Teufel, Unges 
ziefer, in Oſtpreußen auch in Briefe, eife, zwölfe, fünfe, 
Strafen, Hofe, fteife, Wölfe des f wie v (10) gefprohen. Man 
Fönnte barin eine unbewußte Nachwirkung der früheren Sprache erkennen, 
val, $. 73, 


8. 78, 
Pf, ein verflärkter Blafelaut, bei deffen Ausfprache beide Buch: 
ftaben gehört werden follen (aber nicht immer gehört werden), hat fich 


anlautend im Add. fehr frühe aus ph ($. 70.) entwidelt, was auch 
“mb. gilt. Im In: und Auslaut fteht mhd. nad) kurzem Vocal bald 


ff, bald pf, nady Liquida, befonders m, fteht in der Regel pf, nad. 


andern Gonfonanten f, 3 3. kapfen, kaflen; schupfen, schufen; 
krempfen, kampf; helfen, wärfen, hanfes; (abweichend) schimf, 
scharpf. — Nyd. ſteht Pf anlautend nur in fremden Worten: Pfau, 
Dfaffe, Pfingften, Pfund, Pflanze 1. In⸗ und auslau: 
tend flieht Pf nah kurzem Vocal und nah M umd (felten) R, 
z. B. Apfel, Schnepfe, Gipfel, Zropfen, Kupfer; Napf, 
Kopf, Schlupf; ffampfen, fhimpfen, trumpfen; Kampf, 
Schimpf, Trumpf; Karpfen. _ 
Anm. 1. Eine Ausnahme fcheinen zu machen pflegen unb Pflug, 
beren Wurgeln übrigens nicht Bar find. Pflug fcheint entlehnt aus 
flav. ploug”, ruſſ. plug”, böhm. pluh, poln. plug, litt. plugag. al. 
Srimm: „Geſchichte der deutfchen Sprache” ©, 55 f. x 
Anm.2. Inder Bolköfprache hört man kein pf, meift p ober f allein. — 
Hier und da findet man auch in uhd. Schriftftellern f flatt pf, fo z. B. 
. bei Rüdert (im Reim): Rumfe, bumfe, Sumfe, Triumfe, ver⸗ 
fhrumfe, erftumfe, gef. Ged. A, 180. 


8. 73. 


V, urfpeünglich die Afpication des weichern Lippenlautes (kh), 
darum ohne Zweifel weicher gefprochen als f (wie noch heute in nieder: 
deutſchen Mundarten, $. 71. Anm. 3.), ift nhd. in der Ausſprache 
dem F faſt ganz gleich ($. 67.) und hat fi) als Schriftzeichen nur im, 
gewiſſen Woͤrtern erhalten (8. 74,), — Both. ſteht van⸗, in= und 


* 


— 4e — 


auslautend; ahd. und mhd. anlautend vor Conſonanten und Vocalen 
(ahd. öfter fals v) 1), inlautend vor Vocalen, auslautend ſteht (wei⸗ 
cheres) ſ, das inlautend zu v (w) wird (9. 71.), z. B. ahd. fatar und 
vatar; fridu und vridu; wolf Gen. wolves; mhd. vater, vridu, wolf, 
wolves. 

Anm. 1. Ahd. kann flatt bes anlautenden v in allen Wö:’crn f gefeßt wer: 
den, nicht aber umgekehrt v für f. In Wegzug auf den Anlaut gilt das 
F. 68. über b und p entwidelte Gefe&, vgl. den vater, aber nie des vater, 
fondern dös fater. — Kero, Dtfried, Zatian enthalten fi) ganz dee an⸗ 
lautenden v und fchreiben beftänbig f. 

Anm. 2. In fremden Wörtern: brav, Indicativ, Lavendel, 
Nerve, Pulver, Sclave, Malve, Salve, Schoverfegel, 
Klüper u. a. fprechen wir im Auslaut härteres, im Inlaut weicheres f, 
beinahe w. Vgl. $. 71. Anm. 3. 


$. 7A. 


W, im Norden näher dem F (DB), im Süden näher bem U ge: 
fpeochen, iſt der weichſte Lippenbuchftabe. Gothiſch fteht w (v ges 
fchrieben, wie hw zu ſprechen) an⸗, in: und auslautend. Ahd. fleht 
w (früher uu, dann vv, fpäter vu, uv, w gefchtieben) an: und inlau= 
tend; der Auslaut w verwandelte fih in den Vocal u, fpäter o und 
ward allmälich ganz weggeworfen ($. 40.). Mhd. ſteht w an= und 
infautend, felten auslautend,. z. B. gerouw, hiew von geriuwen, 
houwen, was man bier und da noch im 15.— 16. Jahrh. findet. — 
Nhd. fteht W im Anlaut, ift dagegen im Auslaut ganz, im Inlaut 
geößtentheild aufgegeben; erhalten in Löwe, Möwe, ewig; nad 8 
und R hat ſich B eingedrängt ($. 68.); Wittib gilt neben Wittwe. 

Anm. 1. W ift nhd. in= und auslautend theils in m übergegangen 
($. 40.), theils ganz weggefallen, 3. B. Sehne, fihneien, ahd. 
senawa, sniwan; in Seele (goth. söivala) ift v fchon fehr Frühe ausgefallen, 
angelf. savel, ahd. seola, sela, mhbd, sale, engl. soul, ſchwed. säl, dän. stäl. 

Anm. 3 Wittwe, auh Witwe ift goth. viduvd und vidovö, ahd. 
witawa, mbd. witewe und witwe. 

Anm. 3. B in der Anrede Emwer, abgekürzt Em. ſtatt Euer iſt durch 
die Formel erhaltene alte Schreibweiſe iwar, iuwer 6, 189, 


$. 75. 


Bon ber Verdoppelung (Gemination) ber Lippenbuchftaben ift 
das Möthige bereits ($, 68. 69. 71.) gefagt. — Die wichtigften Ver: 
bindungen der Lippenbuchflaben mit andern Confonanten find goth. 
anlautend: bl, bn, br; fl, fr; vi; inlautend bl, br, bn; fi; ahd. an: 
lautend bl, br; pl, pr; fl, fr; vl, vr; inlautend [s ; auslautend ft; 
mhd. anlautend pl, pr (nur in fremden Woͤrtern); bl, br (häufig); 
pfl, pfr, pfo (felten); in= und auslautend fs, ft; nhd. anlautend bi, 
br; pfl, pfu (Volksſprache), pfr; pl, pr; fl, fr; in: und aus⸗ 
lautend ft. 

Anm. Das frühere fs ift und f3 geworden In Lefze, mhd. löise. — Der 





3 —— 


Jagerausdruck Schwefzen (bei Stieler ſchwefzen und ſchwaäfzen) 
diejenigen Seile (bei Stieler Steine), vermittelſt welcher das Vogelgarn 
zum Zuſammenſchlagen in Schwung gebracht wird, ſcheint ein nieder⸗ 
deutſches ſchwefezen (von ſchweben) vorauszuſetzen. 


Drittes Tapitel. 
Kehl- und Gaumenbuchſtaben. 
(g, k,c, chtck, j, h, q, x.) 

§. 76. 


Die Buchſtaben G, K, Ch ſind Gaumen: und Kehlbuchſtaben 
zugleich: daher das Schwankende in der Ausſprache derſelben, indem 
nad) der rtlichkeit bald der Kehl- bald der Gaumenlaut vorwiegt. 
Nicht überall find darum weg: keck; Dank: Gefang unreine Reime. 


$. 77. 


& wird an: und inlautend am richtigften etwas härter als J 
und etwas gelinder als K ausgeſprochen; auslautend kommt e6 dem 
K näher. Man wird alfo in: Der gute Hönig der Juden die drei 
Buchftaben in der Ausſprache unterfcheiden. — Goth. fteht g ans, 
in= und auslautend, wechfelt zumeilen mit h. Abd. fteht g an:, in: 
und auslautend, entfprechend der alten Media g, einigemal aber 
(namentlich bei Kero, Dtfried und Zatian vor & und i), dem goth. j, 
3. B. göhan (9. 54.), gähen ($. 160.) Im Anlaut gilt bei Notker 
in Bezug auf g und k (c) das oben ($. 68.) über b und p Gefagte. 
Vgl. diu geba, dü gibest, demo golde, din guot, Er gehaltet; hin=- 
gegen il kesiho, d&s coldes, ward kebote, da3 cold, üf kuldinemo. — 
Mhd. fleht g der Regel nach nur im Ans und Inlaut, während der 
Auslaut c hat, 3. B. tac, tages; (ich) birge, (idy) barc, (wir) burgen. 
Aud mh. ſteht wie ahd. g nicht felten für j, 3. B. gihe, gihst, giht 
von jehan; biüegende für blüejende. — Nhd. fieht & an, in⸗ und 
auslautend, vertritt dabei mitunter ein früheres h. Dal. fchlagen, 
ziehen (ahd. slahan, ziohan); ja wir haben gediegen, gezogen 
neben gebichen, ziehen. Abftufung bes G.in H vor X ift gleich 
der des Bin ($.68.), vgl. mögen, Macht; [hlagen, Schladt; 
tragen, Tracht. — Gemination ift goth. häufig, aber gg wird 
fpäter ng (und fo auch goth. gefprochen), 3. B. gaggs, briggan (Gang, 
bringen); ahd., mhd. und nhd. ift die Gemination felten und da mit: 
unter ſchwankend, 3.8. Egge, Flagge (neben fladern), Dogge, 
Roggen, flügge (neben Dode, Rocken, flüde). 

nm. 1. © wechfelt landfchaftlich feine Ausfprache, wie faft Fein anderer 

 Busftabe Als Inlaut tönt es nach dunkeln Vocalen, auh nad r 


weniger nach I, in vielen Gegenden ganz weich vom Hintergaumen ver 
($. 82. Anm. 7.), nad hellen Vocalen dagegen wie j; im Auslaut in 


⸗ 








— 44 
beiden $ähen gang dem ch gleih. So tm mittleren Deutſchland; im 
noͤrdlichen wechſeln landſchaftlich ſelbſt im Anlaut mindeftens vier Laute: 
der reine Laut, ber tiefe Kehllaut des dh, der genannte tiefe Gaumen⸗ 
laut, ber Laut bes j. 

Anm. 2. Einen Wechſel des alten g und j fehen wir noch in gabe, ijähe; 
gäten, jäten. In Ferge und Scherge iff j ganz geihmunden, 
ahd. fergo, scarjo,, miht. verge, scherge. 

Anm. 3. Der Lautabftufung widerftreitet mogte für mochte. Fehler⸗ 
haft ift die Werkleinerungsform gen fir hen, die noch @oethe in feinen 
fruͤheſten Erzeugniffen, 3. B. „Liederbuch“ (Berlin 1844) braucht. 


8. 78, 


K, ſtreng von allen übrigen Kehllanten unterfchieden, wird 
durch das Andrüden bes hintern Theiles der Zunge an den Gaumen 
hervorgebracht. — Both. ſteht k anlautend in deutſchen und ent: 
lehnten Wörtern, ferner in= und auslautend, in griechiſchen Wörtern 
ſowol x als x ausdrüdend. — In ahd. Handſchriften wechſeln anz, 
und, ausfautend k und c; im Änlaut tritt auch noch g mit in dem 
Wechſel ein (9. 77.) — Mhd. fleht k in der Regel im An und 
Inlaut, c im Auslaut. — Nyd. ſteht in deutfchen Wörtern K im 
Anz, In: und Auslaut, z. B. können, Elimmen, lenken, krank; 
in fremden ſchwankt der Gebrauch zwifhen K und E, z.B. Punet, 
Punkt; in einigen andern zwiſchen K und Ch, 5. B. Kurfürft, 
Karwoche, Karfreitag und (minder gut) Churfürft, Char: 
woche, Charfreitag. | 

Anm. 1. In Junker ift k aus gh (Iung= Herr) entitanden, Für g 
fteht Fin Kots Blig, d. i. Gottes Blitz. 
Anm. 2. Gothen und Griechen hatten kein c, Roͤmer kein k, fie alle 

fprachen aber c und k auf gleiche (harte) Weife vor allen VBocalen und 
Bonfonanten. Später ſprachen die Lateiner c vor e, i weicher (mie unfer 
ze, zi), und biefe Neigung aller romanifchen Sprachen etwa feit dem 
7. Jahrh. brachte auh Schwanken in die deutfhe Sprache. Entbehren 
Laßt fi im Deutfchen das c nicht, weil es zur Bildung der Afpiration ch 
und der Gemination ck dient. 

Anm. 3. Nhd. haben mande Schriftfteller (4. B. 3. Paul) ſtatt des lat. 
©, wo es wie z lautet, tin z geſetzt, 3.8. Bäfar, fonft überall k, 
z. B. Kurtius, Kafus. Dies führt jedoch zu manchen Unzutraͤglich⸗ 
teiten in Eigennamen, welche am beften in der fremden Schreibweife. 
herübergenommen werben, ald: Cäfar, Cicero, Sophofles, Thu— 
kydides. — In andern fremden Wörtern fchreibt man bei eingebürger⸗ 
ten je nach ber Ausſprache k oder c, z. B. Kalender, Ceremonie, 
bei andern lat. mit der harten Ausfprache c, bei griech. k, z. B. Punct, 
Declination, Conjugation. Am Auslaut fteht immer k, z. B. 
Phyſik, Republik. — Da die frühere Regel einmal verjcherzt ift, fo 
ſchriebe man wol am einfachiten bei harter Ausfprache überall [die Eigen⸗ 
namen ausgenommen) $, bei weicher c. 


$. 79. 


CH, eigentlich eine Afpiration des Kehllauts, ſteht anlautend in 
fisengastgochdeutichen, beſonders frankifchen Denkmaͤlern, wich dann 


. ‘ , 
— —— “ U 2 
[3 


in der Farolingifchen Zeit dem h; inlautend entfpricht ahd. ch (ofte 


auch hh gefchrieben) dem goth. Inlaut k; in Auslaut wird immer h 
efchrieben. — Myhd. fteht an:, in= und auslautend ch, fällt aber im 
uslaut, wenn es für h fleht, oft weg. — Im 15.— 16. Jahrh. 

ſteht Ch häufig für Gund 9, 3. B. traͤchet, ziecht, ficht (trägt, 

zieht, fieht); auch für ck, z. B. gebachen. Nhd. ſteht Ch anlautend 

nur in fremden, in= und auslautend auch in beutfchen Wörtern, z. B. 

Charakter, wachen, doch. Nach kurzen Vocalen vor X geht H 

in Eh über (vgl. $. 68. 77.), 2 DB. fliehen, Fluchtz ziehen, 

Zudt; feben, Gefiht; gefhehen,- Gefhichte. Für das frühere 

ht und hs ſteht nun Cht, Chs, z.B. Naht, Wachs (ahd. naht, wahs). 

Anm. 1. Die Schreibweife Karakter ıc. wirft griech. z und x durch 
einander. 

Anm. 2. Die mhd. Formen sach, geschach haben ſich wieder in fah, 
geſchah verwandelt; body) ift nicht bei allen Rüdwanddung eingetreten; 
wir fchreiben hoch, höher, höchſt; ſchmähen, Schmach; nad, 
nahe, nädfl. 

—8 3. Fi 5 chlucht und Richte ſtehtſch nach niederdeutſcher Welfe 
für f; in Hoffahrt (neben hochfahrend) iſt ch dem f aſſimiliert; in 
Hochzeit (ahd. höhgertt) hat o ſeine frühere Länge verloren. 


$. 80. 


GE ift Semination für FE und ſteht nhd. in- und auslautend 
nach Eurzem Vocal, im 16.— 17. Jahrh. faft durchgängig für in: 


‚und auslautendes k, ck nad) Vocalen und Eonfonaaten. — Altnorbifch 


und goth. fleht kk, ahd. nach den verfchiedenen Dentmälern fchwan- 
kend cch, ck, ce, kk, mhd. cch und ck, felten kk. 


Anm. In fremden Wörtern ift nach kurzem Vocal EP zu meiden: Php: 
fit, Katholik, nicht Phyſick, Katholid, 


8. 81. 
J (j0d), der weichſte Kehllaut, vermittelt hier ben Übergang aus 


"dee Meihe ber Vocale in die Reihe der Conſonanten. Goth. fteht j 


nur anlantend vor einem Vocal, nie auslautend; inlautend in der 
Flexion vor Bocalen. Abb. fteht j anlautend nur in wenigen Woͤt⸗ 
tern; flatt feiner vor € und i bei Kero, Otfried und Zatian g ($. 77.); 
inlautend gebührt j den Altern an das Both. ftreifenden Flexions⸗ 
endungen, die es bald nachher ausſtoßen, z. B. gröjjiu, nennjan, 
hörjan. Mhd. fleht j an: und inlautend, nie auslautend; nhd. nur 
anlautend, 3. B. jagen, Sahr, jener, Joch, jung. | 
Anm. 1. Das mhd. mlautende j wirb ndd. oft h, oder fällt gang aus, 
z. B. nähen, krähen, drehen, wehen, glüähen, blühen, 
brühen, fäen, mhd. nejen, krejen, drajen, wæejen, glüejen, blüejen, 
brüejen, sejen. 
Anm. 2. Unorganiſch ift j in je und jest (9.44) Immer fleht für 
iemer (ahd. iomer, mbd. iemer) d. h. jesmehr. 
Anm. 3. Die Freiheit Lilje für Lilie ift ein Mißbrauch, erinnert jeboch 
an das mbb. lilge. Bgl. $. 77, Ann. 2, 





— 46 — 


$. 82. 


H, ein weicher Haudjlaut, ſteht goth. an⸗, inz und auslautend. 
Ahd. ift im Anlaut ein doppelte h zu unterfcheiden: eine echte, in 
die Lautverfehlebung gar nicht fallende Spirans, die keine Veraͤnde⸗ 
rung in ch oder g erleidet, aber zumeilen wegfällt, 3. B. Hermanfrid, 
Hercanbert und Irminfrid, Ercanbert, und ein aus fraͤnkiſchem ch ent: 
flandenes h ($. 79.); in: und auslautend iſt ebenfalls Mifchung 
zweier h (goth. h, k) eingetreten, weshalb inlautend nach Eurzem 
Vocal zumeilen hh oder ch (79.) dafür fleht. — Mhd. fleht h anz, 
in- und auslautend, fo auch nhd. Statt des mhd. ch ($. 79.) ift 9 
wieder hergeftellt in den Auslauten fah, gefhah; für j in nähen, 


‚ blühen u. a. ($.81.); auch für w in roh, froh, ruhen, drohen!), 


wogegen e8 mit Unrecht in ſcheuen (mhd. schiuwen. und schiuhen) 
verbannt iſt, da doch ſcheuchen beibehalten wurde. In den früher 
ſchwankenden Wörtern früh, Kuh fleht nun H feft?). In den Aus: 
lauten feh (buntfarbig), loh, Vieh, Schup, weih (in Weihnad): 
ten) ſtand fhon goth. h?), ebenfo in den Inlauten fehen, fahen, 
ziehen u. In Muhme und Weihert) ift H wol durch Zuſam⸗ 
menklemmung der früheren Formen hereingebradht. — Als Deb: 
nungszeichen, feit dem 16. Sahrh., vielleicht ſchon etwas früher 
bier und da, auch in der erflen Hälfte des 16. Jahrh. nicht von allen 
Schriftſtellern angewandt, ift H in unzähligen Wörtern nach allen 
Vocalen eingetreten ($. 24.), von denen auch fchon mehrere wieder 
ohne H gefchrieben werden. Nicht als Dehnungszeichen, fondern ur: 
fprünglic darin erfcheinend und darum nicht auszuftoßen fleht H in: 
Fehde, Mahl (Gerichtsmahl), Gemahl, Stahl, Befehl, Buͤhl, 
nachahmen, Böhmen, Ahne, Lahn, lehnen, erwähnen, Ähre, 
Mähre, Zähre, Foͤhre, Möhre>). Der Ableitungsvocal ift aus: 
gefallen, bei einigen find noch andere Kürzungen eingetreten, bei eini⸗ 
gen ift das H aus feiner urfprünglihen Stelle gerüdt. — Hoheit 
läßt immer, Roheit, Rauheit zumeilen das H weg, das ihnen ge: 
bührte. Abftufung des H in Ch (gleich der des Bin F, © in Ch 
$. 68. 77.) fehen wir in Geſicht, Geſchichte von fehen, ge= 
fhehen ($. 79.). 

“Anm. 1. Ahd. raw (rou), fraw (fr6), raäwen (ruowjan), drawjan; mhd. ra 

(Gen. räwes) , vrö (®en. vrouwes) , ruowen,, dröuwen (dröun, drön). 

Anm. 2. Ahd. fruoh u. fruh, chua (Pl. chuawi, choi); mhd. vruo, vruowe 
(u. vrüeje),, kuo (Pl. wüeje u, küege). 

Anm. 3, Goth. fäihus, läuhs, faihu, sköh, veihs; ahd. feh, 16h? (vgl. 
löhjan = Flammen, löhazan = blißen), fihu, scuoh, wih; mhd. vech 
(Sen. vehes) , 16h? (vgl. löhe = Lohe, Flamme, löhen — lohen, glühen, 
leuchten), vihe, schuoch (®en. schuohes), wich (Gen. wihes). 

Anm. 4. Ahd. muoma, wiwäri (u. wiarſ); mhd. muome, wiwsre (wiher), 
lat. vivarium. 

Anm. 5. Abd. fehida, mahal, kimahal, stahal, puhil (goth. ahma — &eift), 
Behema, akana (goth, ahana), Loganaha, lehanon, kiwahanen, ahar (abir), 





— 41 — 


meriha (u. marah), 2abar (zabir), foraha, moraha (morha); mihb. vebede, 
mal, gemahel, stahel, bevälch (Gen. bevelhes, von bivelehen, ahd. pife- 
lahan), bühel, agene, lehnen, wahenen (u. wahen), aher (eher), merhe, 
zaher, vorhe, morhe. 

Anm. 6. Nicht mehr allgemein üblih ift Mahlfchloß (mhd. malhen 
slög — Kaftenfchloß). Der erfte Theil bes Wortes ift erhalten in bem 
entftellten Mallepoft. 

Anm. 7. In manchen Gegenden Süddeutfchlands und Weftfalens wird 
hinter dem g, E, ck noch ein vernehmbarer Hauch gefprochen ($. 77.), in 
früherer Zeit auch gefchrieben, z. 3. fehr oft in den Translationen 
des Nikolaus von Wile (wol 1478) und im Theuerdank, 5.3. Bergh, 
Rockh, verſteckhen. Vgl. noch die niebercheinifch = weftfälifchen Lieder 
in Uhlands Sammlung ber beutfchen Volkslieder, und die Bemers 
tungen Schmellers in den Dundarten Bayerns Nr. 515 — 517. 


$. 83. 


Q, ftets in Verbindung mit U und zufammen wie Pin gefpro- 
hen, im 17. Jahrh. bei Lohenſtein auch kw gefchrieben, finder ſich 
goth., ahd., mhd. und nhd.. aber überall nicht zahlreich und nur im 
Anlaut: Quirl, Quelle, quid. 

Anm. 1. Wir haben übrigens nhd. in manchen Wörtern qu, in bemen 
früher diefer Buchftabe nicht fand, dagegen fegen wir zuweilen E flatt 
bes frühern qu, vgl. Qualm (ahd. mhd. walm), Quitte (ahd. chut- 
tina, mhd. quette). Man beachte noh: Quelle und Welle; ahd. 
quödan (fagen) und kodern; ahd. quäman und Fommen, dagegen 
bequem (ahd. piquami). — Die fremden Quader, Qualität, 
Quinte ꝛc. kommen bier nicht in Betracht. Nähere Beachtung verdient 
der Übergang in 3 in Zwetſche, 3wetſchke, Quetſche (vielleicht 
aus Quitfche von Quitte) und quer neben Zwerch (ahd. twer, 
dwerch, mhd. twer, twerch, dwörch, quert, quärch). 

Anm. 1. Grimm und Bopp erklären qu = kw für einen Doppellaut, 
Sraff erklärt q, qu für eine mehr den Gaumen s als Kehliauten anges’ 
hörige einfache Zenuis mit labialer wehender Afpiration. 


$. 84. ’ 


XR, ein Doppelbuchftabe, hat mit gs, chs, ks, As gleichen 
Laut, wird jedoch nur Im In: und Auslaut fremder Wörter gebraucht, 
felten und ſchwankend in eigentlich deutfchen: Zare, Text, Borar, 
Storar, lar, Art, Here. 

Anm. Einige wollen x gang verbannen, darum fhwanten Buchs baum 
und Burbaum, Fachſen und Karen, Achſe und Are, Eidechſe 
und Eidere u.a. Hexe ift ahd. hazus, hazusa, verfürgt aus hagazus, 
hagazusa , angelf. hägtesse, mhd. hegæse, hexse, hecse. 


$. 85. 


Als Verbindungen ber Gaumenbuchſtaben mit andern Gonfos 
nanten Eennt die goth. Sprache im Anlaut: gl, gr; kl, kn, kr; hl, 
hr, hy; qv; im Inlaut: gl, gn, gr, gv; kl, kn, kr; qv; ggv, ggkz 
gqv; hm, hn, hs, ht, hv. Die ahd. Sprache hat im Anlaut: gl, gr; 





— 49 — 


‚ki, ka, kr; chl; bl, ha, hr, hv; qv; im Is und Auslaut: he, ht. 
Die mhd. Sprache hat im Anlaut: gl, gn, gr; kl, kn, kr; qv; im 
In- und Auslaut: hs, ht (chs, cht). — Die nhd. Sprache hat im 
Anlaut: gl, en, gr, qu; 8, En, Er; Stud, Gnade, Grab, 
Quelle; Klage, Knabe, Kraft; im In: und Auslaut gd, chs, 
At: Magd, Mägde; Flachs, flaͤchſen; Wide, Fuchs; Acht, 
Hecht, Licht, Docht, Zucht; achten, flechten, Fichten, moch⸗ 
ten, fruchten. \ 

Anm. Durch Ausfloßung bes Bilbungs= und Compofitionsvocals treten 

noch andere Gonfonanten an einander, z. B,rvehnen, lechzen. 


Miertes ECapitel. 
Zahn- oder Zungenbudftaben. 
(d, t, th, ſ,s, ß, 3, 8.) 


8. 86. 


Bon der Ausſprache des weicheren D und des haͤrteren X gilt 
das uͤber B und P ($. 67.) Geſagte. Eine genaue Ausſprache wird 
. Dattel und Tadel, Deich und Zeich, Dieb und tirf, Dorfund 
Torf, Durft und Turſt (der wilde Jäger) unterfcheiden; weniger 
fharf Drang und Trank, drüden und troden, Rad und Rath, 
Stied und Gebiet. 


$. 87, 


D fteht goth. an⸗, in: und auslautend; ahd. zeigt fih nach den 
einzelnen Denktmälern großes Schwanken zwifchen d und t. Die 
Anatogie der Rippen» und Gaumbuchſtaben b und g ($. 68. 77.) ift 
bier nicht ducchgedrungen!). Mhd. gilt d in der Regel nur im An: 
und Inlaut, und wird im Auslaut durch t vertreten?). Nhd. ſteht 
D oan:, in- und auslautend, 3. B. Dieb, beide, Schaden, Bad, 
Lied. Nah kurzem gefchärftem Vocal tritt flatt D öfter TE ein, 
z. B. fhneiden, leiden, fieden, fohnitt, litt, fott?). Gemi- 
nation (DD) findet fi goth., ahd. und nhd. felten (md. gar nicht), 
3. B. Widder, Kladde, Troddel. Die Verbindung Dt wird regel: 
mäßig nur dann gebraucht, wenn fie aus Det zufammengezogen ift, 
z. B. gefande!) Ein Schwanten zwifhen D und % zeigt fi in 
einigen Wörtern, 3. B. Brod, Brot; Dinte, Tinte; deutſch, 
teutfdh). | 

Anm. 1. Im Ganzen entfpricht inlautend dem goth. d Otfrieds d, Ta⸗ 

tions und Keros t, Notkers t, d; dem goth. ih Otfrieds und Tatians th, 

x Kerod d, Notkers t, d; in= und auslautenb dem goth. d ahd. t, bem 

goth. th ahd. d. Iſidor fegt t nie im Anlaut, felten im Inlaut, häufiger 

im Auslaut, d an= und inlautend, feltner auslautend; fein d ift überall 

das alte d, nur daß er im Auslauf t dafür fest, z. B. wort, wordes, 
nicht aben wenn t für Das alte ih ficht, 3. IB. got, gotes. 


— % | 


J 133 Red a Apr nimmt nicht felten bie Stelle von iein, nament⸗ 
acher Verba nad) Kiquida, z. B. mande. Im Anlaut 
BR Ai vor w öfters d ſtatt des ſpaͤter Häufigeren t erhalten, 3. 8. dwanc, 
—— 
"Anm, 3. Dieſe Anomalie zeigt fſich ſchon ahd. und mhd. 
Anm. 4. Über geſandt, gewandt ꝛc. f. F. 190. Fühlbar 1) Mrie 
find uns beredt und berebet. — Geſcheid (mhd. geschtde) iſt rich⸗ 
tiger als geſcheidt, geſcheut (dgl. gelenk). — Erndte; Schwerdt, 
Fſchreibt man richtiger Ernte, Schwert (Emhd. ernet, swert). n 
Stadt wollte man ben Unterfhieb von Statt durch die Schreibung 
hervorheben, fo auch in tobt und Tod. Todt (goth. däuhts, ahd. 
mb. töt) iſt eigentlich bas Partic. Präter. von goth. divan, ah, !öuuan 
u, tOuujan, mhd. töuwen = ableben, wirb aber nur adjectivifch RAR 
"Fat: 5. Brot wol richtiger als Brod, ahd. pröt, mhb. brot, altf, 

„ bitid, angelf, breod, engl. bread, altn. braad, achört wahrſcheimich zu 
oh bhausn. — Deutfd ift richtiger ale teutfc.. . bie Berrede. 

... 1 Gramm, I, 2. — Dinte und Tinte (fchon Ai dincta ‚gab tinctz, 

jedoch ohne unterſchied der Bedeutung) ſind nun, wenn auch nicht allge⸗ 
mein, nach ber Bedeutung unterſchieden: Dinte sum Schreiben, Tinte 
2. dm Farbengebung. 

Anm. 6.. Singelne Mundarten begümfligen. bie Eyncope bes inlontenben 
„A, namentlich bie franzöfiiche und nieberländifche, 3, B. (nieberländifrh) 
pian (der Blätter), befin (beladen), var (Vater), schauw (Schatten), 

& (edel), be (Bitten), bö (Bote), lien (Laute) für bladen, beladen, 
vader,, schaduw, edel, hede, bede, lieden. — Eine Menge lat. terweich⸗ 
.: ten, Rh in roman, d und ſchwanden bann im Franzbſ. gaͤnzlich; man wird 
* ſichrer dazu bie ital. oder ſpan. Form, als die lat. halten, & B. pere, 
sı..zmöre, frère, roir, eroire, rire, proie, soie, seif, louer, muer ; ital. padro, 
. maälre ‚.fratre ‚ vedere, credere,, ridere ,.preta x seta , sehe, lodare, matare. 
Vedere, credere, ridere, lodare lauten auf fpan, ver, creer,-reir, loar, u. seta, 

.. , .sete bereit seda, sed, woraus ſich die. franz. Tilgun begreift: Zuwellen 

: fäut bie Lingualis: nit weg, fondern affimiliert eh. dem folgenden r, 
©; 8,.parrein fpaw. padrino, marraine fpan. madrina, pierre fpan. piedra. 
a2 Hieraus laͤßt fich: vieleicht der Übergang des d, t, tt ine, re im 

„ .„meittelehein." und. untermainifchen Volksdialect erklären ($. 64. Anm. 7.), 
5 so nicht immer ein im Wort. Bgl. auch Schmeller: bie Mund⸗ 
vn arten Bayerns Nr, 442, 673, 


8. 88. 


.. & fteht goth. ans, in: und auslautend. Das Verhaͤltniß von t 
aim Ahd. und Mh. ergibt fich aus $. 87. Nhid. ſteht & im 
An⸗/ In: und Auslaut. Für D ſteht es in den nicht mehr gefühlten. 
Participien eigentlich, flehentlich, hoffentlich, vermeffent- 
ich, wefentlich, wiſſentlich); in gefliffentlich, gelegent=. 
lich, verſchiedentlich, oͤffentlich, namentlich, ordentlich, 
wöchentlich iſt Taus Nachgiebigkeit gegen die gefuͤge Verbindung 
des Ymte N eingetreten. Eingeſchoben iſt T ferner in: meinet⸗ 
deinet⸗, ſeinetwegen (zhalb, =haben, ⸗halber); allenthalben, 
and ershalb, entzwei, entgegen .u..9.; angeſchoben in; Obſt, 
Drebigt. 2. a..; Bemination (RR) findet ſich im In⸗ und Arciaut: 
Bon, {pesten®), “ 
Schrein Grammatik. I. 1, 4 





nn 


— 40 — 


Anm. gr das — Kö) gas WO zu fallen: ee vermöganlich, 
piꝑganſich. e whb, Form begegnet uns noch in HB tbeubihen Giften 
Be 18.17, Ya 8 — offenlich, orbenlich, vers 
gebenlich, hoffenlich, vermeſſenlich. 
Anm. 2. Die Lusſprache und ſomit auch bie Schreibung iſt ſchwankend 
in Bret und Brett (ahb. pri, kiprätta, mhd. brẽt m, brẽue 
Kaum. 3. Sn latein, Wörtern Sprechen wie ti por sinem Vocal wie zi: 
Soratiys; daher vie Khngung Horaz Yriflofratie, Demos 
Tratie, Diplomafie, die nach griech, Form gebildet find, ſchwankt 
bie Ausſprache zwiſchen li und zi. 


8. 3. ' 


V fleht goth. anz, in⸗ und auslautend. Idm entſpricht hoch⸗ 
deutſch d, das aher ahd. und mhd. hier und da, fraͤnkiſch an⸗ und 
inlautent mit ih ausgedruͤckt wird, z. DB. gech. tiuda, fruͤnk. theuda, 
ahd. diota, mhd. diet = Wort, Rhd. iſt Th wieder zum Vorſchein 
ind im Ühermaf zur Anwendung gelommen, und zwar ans, Inz und 
auslautend. Es ift nhd. weder in Ausfprache nach Abkunft ber ges 
hauchte Kaut zu X, fondeen gilt als bleßes TI). Die wahrſcheinllche 
Urſache dieſes tadelhaften Th HE wol, daß ein behnendes D feine Stelle 
gewechſelt hat und zu # getreten if), In neueſter Zeit zeigt fich 
tin Straben, das einfache T wieder zurüdzuführen 9). 

AInm. 4. Zus Unterſcheidung ſol ch dienen in Shan uud Tom, Thau 
und Zaun. Inden Ableitungen Armut, Heimat, unb in dem frem⸗ 
ben Partei jhreibt man ebenfalls heſſer einfaches 4. Das Schwan⸗ 
kendo geigt recht in gut, Muth, goth. gate, mods, abb, kuot, 
mauot, mhzd. gut, must, + j 

Sam 2. Alſo iuhn, Tahs, worms than, Thalz fa Bluͤthe (u. 
Blüte) von Hlähen, Drebt und Rah (aud mei Drath und 
ath) ae drehen und nähen. Go finden fih in Mädern bes 
1], FSahrh. Ehen, whe, jhener, Ipün, MI, Mhu, Rhum, 
Aufrhur, frbu, fhur, gewhönlich, Jhar, ghen, khlein u. a. 
Anm. 3. GG mich freilich wech einige Itat Koften, bie ſich unſer Auge an 
Rat, Zat, Zier, Träne, At, Reihbtum, int, Wut, 

Miete, Not, rot u. a. gewöhnt hat. 


$. 90. 


SL, im Auslaut 6 geſchrieben), ein einfacher heller Saufelaut, 
der mit einem Anfloßen der Zunge vorn an die Zähne und mit einem- 
zifhenden Laut ausgefprochen wird, ſteht goth. an=, In: und auslau⸗ 
tend. Im Ins, noch mehr im Auslaut geht allmälih s in anhers 
Buchladen, namentlih r und z über ($. 64.) — Ahd., mhb. und 
hd. fleht S im Anz, In: und Auslaut. Die Gemination wich 
inlautend ſſ, auslautend ſs (ß) gefchrieben, 3. B. Kreffe, Eſſe, 
Roß (Rofs), | 

Anm. 1, Die Schrefbweife lösſt, Liest, erldst für Löft, Liekt, 
erloͤſt hat aechte für fi; denn man wird 1bſt eben fo wenig mit 
Sg a, ala Tchabt mit Zurgem a prechen. Wal $. 23. Anm. 3, - 

Anm. 2. Erbfe, emfig, Ameife, Gemfe, Samstag, Bisig 


= 


— Ho — 


Luis, Bere, Brink, Gornaie, Kürbis, Arebe, Kretis, ans, 
Sie, Jeih, Et, weisfagen, yarwelfen MWätbch mas ber 
hen Sprache richtiger mit @ geſchrirben. Ganz verwerflich ift $ in 
Mans (fast Map), Sthobe (far Sag), —* (fat bloß). 
Ahd. lauten dieſe Woͤrter araweiz, emajic, ameija, ‚gamz, #ämtlajdag, 
pinuz, hlöz, geiz, kriog, hornuz, churpiz, chrepiz, kreiz, 03, biz, feizit, 
&jich, wizagon, farwizan, mäzd, scöd (mhb. bloy). Die unterſcheidung 
u Beimworts bloß unb des Abverbiums blos wil nichts heißen. — 
. i# in biefem nhb. in= und auslautenden f (3) für dad abe 
* mung ber Sautverfhiebung, per gleich bar jener 8 m fich ſtatt der 
| Itata Ph umb ch —* fund h entfaltet eten. Bst. 6.7 
3. Wie unterfcheidung bon der Geißel ind sie Bi el, bdet 
Ve en Geiſel und die Seißel iſt zu vetwerfen und in beiden Wöorr 
teen | gu ſchaeiben (ahd, bie geisila, ber gisal, wihb- bis gäisel, ber Nisel). 
Anm. 4 Das fremde Preis (gunächk aus ver franz. pris, vom latein. 
pretium) wird minder gut Preiß gefchriebe 
Zum. 5: Die Bübungen mit -nib kann Mmah dad) -nte ſchreiben nach 
Analogie bir Bildungen auf -Ini Königin, Königinnen; Hins 
dernie, Hinderniſſe. 


8. 91. 

Der Ziſchlaut hat zwei Stufen, z (2) und 8 (2). Beide find 
Afpication von T, jenes Älter und härter gefprochen ts, dieſes jünger 
und weicher gefprochen as, z in dera Sinn bes griech. &, goth. 2, nicht 
in dem das hochd. z, weil dann za bie falfche Ausſprache us gäbe, 
während die richtige das verlangte. 


Anni. Im Grunde muß z als ein Zriphthong (Dreilaut) und etwas härter 
als dus goth. 2 ober griech. £ (ds, ds) dettachtet werden. 


$. 9. 
3 (27 che ahd. anlautend; im In: und Aucaut dankt, wenſt 
AAne viquida vorängeht, z. B. Barz, hörza, alſo eigentlich nur in den 
Sehen Iz, im, ra, ober wenn es einem fruͤheren gemiinlerten t (IE) 
mtſpricht, 4. B . acanes (goth. shatis), do dann ſtets einfachet 
Mocal vorausgehen muß Z und 3 koͤnnen in denſelben Wörtern na 
Umſtaͤndan der Flexton wechſeln, z. B. dizan, 3, säzun1). — Mhd 
Geht 2 ana, is und auslautend durchgaͤngig und haͤnfig in der Ver⸗ 
hisbentg. iz, wu, vz. Mach kurzen Wocaten ſteht z in der Regel mitt 
augslauteid, gebt inlautend in tw (ſtate 22) Über; nach langen Vocalen 
iſt tz unmöglich (wie ans gletchen Grund Pr und), am u if 
höchft felten. Statt der Gemination (ahd. zz) tritt mhd. inlautend, 
zuweilen auch auslautend tz ein, z. B. schaz, schatz, Gen. schatzes 2). 
— Nyhd. fleht 3 an-, in: und auslautend; nad Furzen Vocalen fteht 
in: und auslautend 8. Das tz naͤch I, m, r, wie ed im 15.— 17. 
Zube). faft bucchgängig in Gebrauch mar, ift wieder aufgegeben. 
atlon (39 wird —* burch tz ausgedruͤckt. Die Verbindung 

z vertritt Ya bee bret frühere Formen 9). 


—* 2. ßeſtge, ſaß. Unorganife (öreibeh wie beizen, 
: Neiglen, Velen, en mihd. keiten, breitet‘, ehe: 


el — 


Anm. 3. In fünfzig, zwanzig (mhb. fünfsie, zweinzic) ift z kein 
wahrer Sulaut. In breißig (mh. drigec) ift ſchon frühe ß eingetreten. 

Anm 3 3.8. zwei, zwingen, Zwerch, ahd. zutne, dwingan, 
(twingan), dwörch; mhb. zwene, zwingen (nod) ſchweiz. Twing), twärch, 
dwörch. 


8. 93. 


Ahd. ſteht 3 (6) ins und auslautend, wenn ber Bifchlaut bei 
vorausgehendem einfachen oder doppeltem Vocal einem früheren eins 
fachen t entfpricht, 3. B. ſuoz, fuozes, wazar, goth. fötus, vato. Mhd. 
ſteht 3 in und auslautend, nach Confonanten feltner und zwar un= 
arganifc durch Ausftoßung eines Vocals, nad) Vocalen häufig; nad 
langem Vocal fteht in: und auslautend 3, nie 33, nach- kurzem aus: 
lautend 3, inlautend 33, 3. B. hirz (flatt hire3); a3, ä3en; beiz, bizzen; 
gruoz, grüegen, — Nhd. herrfcht feit lange großes Schwanten, indem 
man $ und ſs (d. i. den mweicheren Zifchlaut und den verboppelten 
heilen Saufelaut) im Auslaut duch Ein Zeichen ($), im Inlaut 
bald durch ſz bald duch ff ausdrüdte. Die Gemination des $ (Bf) 
ift und nicht gebrauhlih. Man betrachtete allmaͤlich ſz als Verdop⸗ 
pelung und legte ihm tie anderen Verboppelungen Vocalverkürzung 
bei, und wandelte lägen, müezen in Laffen, müffen, doch nicht in allen 
Mörtern, 5. B. Fuß, grüßen. Es gilt nhd. die (falfche) Regel: aus: 
lautend fteht B, inlautend zwifchen zwei Vocalen, deren erfter Eurz ift, 
ſſ, fonft B, z. B. Roß, Stoß, Roffes, Fluſſes, Grußes, läßt. 
— Da wir der wirklichen ff (f8) verhältnigmäßig nur wenige haben, 
die theils deutfch, theils fremd find, etwa: Affel, Bafs, Bläffe, 
braffen, beffen, Effe, gewifs, Heffen, aufhiſſen, Yurifs, 
Kiffen (beſſer Küffen), Kufs, Kafferotle, Kreffe, Maſſe, 
Meſſe, Meffing, mils (Mifferhat), miffen, -nifs, paffen, 
piffen, Poffe, praffen, preffen, Rofe, weffen und die gerabezu 
entiehnten Adreffe, Caſſe, Chauffee, Claſſe, Compreſs, Con: 
grefs, Stoffe, Intereffe, Kareffe, Karoffe, Koloſs, Mätreffe, 
Paſſion, Procefs, Profeffor, Zaffe; fo [hriebe man am: beften 
diefe mit ff (f8), die Übrigen aber, denen früher 3 ober 33 zukommt, 
mit $, und überliefie der Betonung bie richtige Ausfprace, die j ja auch 
Fuß und Fluß, goß und groß unterſcheidet. 


8. 94. 


Die wichtigſten Lingualverbindungen find anlautend goth. tr, tv; 
dr, dv; ihl, thr, ihv; sk, sl, sm, sn, sp, spr, str, sv; ahd. tr, tv (tu); 
dr, dv, (du); zv (zu); sl, sm, sn, sc (sch), scr, sp, spr, st, str, 
sv (u); mhd. tw; dr, dw; zw; sl, sm, sn, sp, spr, st, str, sw (felten), 
sch, schr; nhb. tr; dr; zo; ſch/ (el, fh, ſchu, ſchr, ip, fpr, ° 
ft, ftr; in: und auslantend goth. il, trz thl, tkm, ihr; sl,:sk, sn, 


— 1z3 — 
sqv, st; zd, zg, zu, zv; ahb. sk, sp, st; mbb. sch, tisch (ſelten), sp, 
sw, st; nhd. DE, tſch, ft, % 


Einzelne -Bemerfungen über die Gonfonanten. 


a) Wegmwerfung von Eonfonanten. 
$. 9. 


Die Sprache ändert, außer dem bei dem Vocalismus Gefagten. 
unb dem bei der Declination und Conjugation zu Erwähnenden, auch. 
vielfach durch Wegwerfung .einzelner Confonanten in Wurzel und. 
Endung. Hauptfähle. find: 

4) Wegwerfung des anlautenden h (Aphaͤreſe) $. 58. 

2) Wegwerfung des Inlautes (Zuſammenziehung). Dieſe iſt haͤufig 
und manigfaltig; beſonders zu beachten: 

a) Ausſtoß eines Conſonanten, und zwar ſowol eines bei einem 
Vocal ſtehenden: sol für scal; ſollen neben ſchuldig, 
als zwifchen zwei Vocalen: Reinhard aus Reginhart;; 

b) Ausfloß eines Voeals und Gonfonanten, vielleicht nicht 
gleichzeitig, fondeen Übergangsmeife: goth. säivala, ahd. 
seula, mbd. sele, Seele. 

3) Wegwerfung des. Auslauts (Apokope). Bier ift das wegge⸗ 
worfene t von der 3. Perſon PL. zu beachten: ſagen aus 
sagent, und das der Volksſprache (früher in manchen Kormen 
auch der Schriftfprache) angehörige Wegwerfen bes m im In⸗ 
finitiv und Plural: babe für haben. 

4) Wegwerfung zwifchen zufammengefegten Wörtern: Steg: 
mund, Abdelbert, Albert aus Sigismunt, Adalböraht. 


b) Zautabftufung. 
8. 96. 


Der Wechſel der Conſonanten iſt vielfach durch ihre Stellung 
bedingt ($. 59.). Anlaut hält die Stufen jedes Organs am reinſten 
und treueſten, Inlaut ift geneigt es zu erweichen, Auslaut zu erhär« 
ten.. Gonfonantwechfel wird in der Regel durch anftoßende Conſo⸗ 
nanten, zumellen auch durch Vocale bewirkt. Bei der beutfchen Con: 
ſonantverſtufung müffen Inlaut und Auslaut gefondert werben von 
dem Anlaut. Der Inlaut huͤtet, wenn nicht andere Confonanzen 
anrühren, die echte Korm, der Auslaut pflegt fie aber häufig aufzu⸗ 
geben. Diefer Wechfel betrifft bloß die Media (b, d, 9). Über den 
Übergang. des B in & vgl.'$. 68.5 des G in CH $. 77.5 des Hin Ch 
$. 82.5 des Din $. 87. 


__- — — — 


— — 5% — 


e) Lautverſchiebung. 
$. 97. 


Bei der Gefchichte der Bildung aller Sprachen darf die ber 
Völker ſelbſt nienrald außer Acht gelafien werden: beide üben unbe⸗ 
ftreitbaren Einfluß auf einander. Seit dem Schluß dee erften Jahrh. 
hatte fich die Ohnmacht bes römifchen Reiches, wenn auch feine 
Flamme einigemal noch aufleuchtete, entfchieden, und in den unbe 
fiegbaren Germanen war das Gefühl ihres unaufhaltfamen Bor: 
ruͤckens in alle Theile wen Europa immer wacher geworden; jest 
euhob fich ſtatt des langfawmen umb verweilenden Zuge, den fir von 
Afien ber unvordenkliche Jahrhunderte hindurch eingehaften battem, 
ein vafcherer Sturm, den die Gefchichte vorzugsweiſe Voͤlkerwande⸗ 
rung nennt. Nur die wenisflen Stämme blieben In Ihrem Sie 
haften. Win’ follte es anders. fein, als daß ein fo heftige Aufbruch 
bed Volkes nicht auch feine Sprache orregt hätte, ſie zugloich aus her: 
gebaochte Fuge rieckend und — 


988. 


Es iſt anzunehmen, daß Lautftufen in den urverwandten 
Woͤrtern unſerer Schwefterfpzachen (F. 1. Anm) ſich gleichmaͤßig er: 
halten; die deutſche Sprache tritt in der Zeit von den andern ab und 
geht fuͤr ſich, ja fie gruͤndet unter ihren eignen Stämmen weſentliche 
Unterſchiede, die mir Lautverſchiebung nennen. Das Geſeht lautet: 
Die Media jedes. deu dret Organe gebt über in Tennis, die Tenuis in 
Aſnirata und die Afpirata wioder in Media. 


4. 90. 


Diefe dreifache Verſchiebung erfolgte aber nicht zu gleicher Zeit. 
Unter-den ofldeutfhen Stämmen begann die (goth.) Lautverfchiebung 
ungefähr im der zweiten Hälfte des arſten Jahrhunderts einzureißen, 
und fegte fich im zweiten und britten feſt. Weftlich Vorgedrungnen 


"könnte fie aber fchon früher eingetretem fein, und darum reifte fie dort 


zu einer neun (bay althochd.) Stufa hesan, deren Beginw ſchwerer zu 
baſtimmen fällt, kaum nor dem fünften Sinhrhunbert angunchmen If 
Im fiebenten Jahrhundert ſchaint auch dieſe entfaltetz doch haͤngen im 
achten, neunten Jahrhundert fortwährend ginzelne Woͤrger ber: erſten 
Verfchlehnnug an. Neue Zeityamcte hildet das Eintreten dee whb, wuabı 
nhd. Sprachforman ($. 6 f.); doch zerfällt die Ragalmaßſgkeit immer 
mahr, je näher wir ber Gegenwart ruͤcen. 


5. 1. 


Nur die ſtumman Gonfsaanten, unterliegen bem —2 
Lautverſchiebung. Dieſe waltet am ſtaͤrkſten im Arnanc, di h. dem. 


— 88 — 


empfindlichſten Theil der Wurzel, der Ihre Eigenheit vorzuͤglich bes 
gruͤndet; am auffallendſten wirkt fie, werrn fie außer dem Anlaut auch 
in⸗ und auslautend wahrgenommen wird. Das Lautverſchiebungs⸗ 
gefeg Hilft wilbe Erpmologie bändigen, und iſt für fie zum Pruͤfſtein 


geworden, 

Anm. Steht z.B. die Muta eines urvetwandten Worte zu dem deutfchen 
auf unrechter Stufe, To entſpringt Verdacht gegen ihre Verleihung; 
flimmen .beibe völlig, fo iſt ihre Verwandtſchaft fogar abzuichken,, ober 
wirklihe Entlehnung anzunehmen, 4. B. lat. calidus und goth. kalds 
(kalt) find einander allzu gleih, um verwandt zu feinen, ober griech. 
Bowtds deutfh Brot; katdı gehört zu lat. gelldus, Brot tft deutich 
($. 87, An. 8). 


$. 101. 
Bei nachfolgender Tabelle iſt die griechiſche und Die ihr meift 
entſprechende lateiniſche Sprache (beide als urverwandt) mit berüd: 


ſichtigt. An Abweichungen fehlt es nicht, body wird die Richtigkeit 
ins Allgemeinen buch die nachfolgenben zahlreichen Beifpiele dar: 


Geh. of u ı“ Tr 2 $ o s 
Eatein. 6 b p h(g) 8 c(g) d(f) d t 
Gr te rk dr th 
Strengahd. p ph fi k ch h N s d 
Aber: aul. b ph $ g ch. h d x dh 
inl. $ v e kb h d zs (3) dh 
up eh bb dt zs (3) dh 
Otfried: anl. b ph f ge ı h d 2 th 
inl. ff e bb 5 t z,3 0 
Mi hr E nı 4 
Zatian: au. b hf E k bh od x th 
in. b ph v g hi b t 2,3 d 

aus. h ph S & h h t 3, d 
Mhd.: anl. ff) g K h t 2 d 
is. b f v(b) 8 ch(ch) k t 2(tz)3 d 

aus. p Sf f c ch ch t- 23 t 

Nhd.: an. b ifo) g h t(th) 3 d 


vv— 
in. ff f(G) gcch HE) bl) t(cth) FE d,t 
(7. Ru ff gcchch h(ceh) t(th) 77 077 Bu 72 


3) Belfptete füc den Anlaut, nad; ben Linpen:, Gaumen⸗, 
Bungenlauten. Ä | . 
1. b, p, ph. Diefe Gleichung mangelt tm Anlaut, und iſt nur 
füe den Inlaut nachzuweiſen. Alle goth. Anlaute p, alle ah. 
Anteute ph oder pf verrathen aufgenommene fremde Wörter, 


welche ſich in dieſe Lucke bes deutſchen Lancihfterrs geworfen ° 


haben ($. 89. 70.). 


— — 2—— — 


— — 588 — 


p,f, f, gr. zarte, lat. pater, goth. ‚fadar, ahb. fatar, mhb, 

vater, nhd. Vater; gr. wodg (Trodos), lat. pes (pedis), goth. 

fötus, ahd. fuoz, mhd. vuoz, nhd. Zuß; gr. mar, lat, pecu, 

goth. faihu, ahd. fihu, mhd. vihe, nhd. Vieh; gr. m@los, lat. 

pullus, goth. fula, ahd. folo, mhd. vole, nhd. Fohlen; gr. nAE- 

xsıv, Lat. plectere (und plicare), goth. flaihtan, ahd. Nöhlan, 
mhd. vlöchten, nhd. flechten. 


. ph, b, p, gt. Pyyoç, lat. fagus, goth. böka, ahd. puocha, 


mhd. buoche, nhd. Buche; gr. yvw, lat. fio (fuo), goth. baua, 
ahd. pim, mhd. bin, nhd. bin; gr. Yeow, lat. fero, goth. balra, 
ahd. piru, mhd. gebir, nhd. gebäre; gr. Yeurne, lat. frater, 
goth. bröthar, ahd. pruodar, mhd. bruoder, nhd. Bruder. 


. 8, k, ch, gr. yavoums (yeVoouas), lat. gusto, goth. kiusa, 


ahd. chiusu, mıhd. kiuse, nhd. kiefe; gr. yo’vv, lat. genu, goth. 
kniu, ahd. chniu, mhd. knie, nhd. Knie; gr. yevos, lat. genus, 
goth. kuni, ahd. chunni, mhd. künne, abb. Kuni-gunde; lat: 
gelidus, goth. kalds, ahd. chalt, mhd. kalt, nhd. kalt; lat. glu⸗ 
bere, goth. kliuban, ahd. chliopan, mhd. klieben, nhd. klieben. 


. K, h, h, gr. zatawos, lat. calamus (culmus), ahd. halam, mhd. 


halm, nhd. Halm) ‘gr. x0sA0'c, lat. coelum (das Gewölbe des 
Himmels), goth. huls, ahd. hol, mhd. hol, nhd. hohl; gr. 
xuodie, lat. cor (cordis), goth. hairto, ahd. hörza, mhb. hörze, 
nhd. Herz; gr. zum», lat. canis, goth, hunds; ahd. hunt, mhd. 
haat, nhd. Hund; gr. xdwvußıs, lat. cannabis, .ahd. hanaf, 
mhde hanef, nhd. Hanf; ge. xeyadn, lat. caput, goch. haubith, 
ahd. houpit, mhd. houbet, nhd. Haupt. 


. chi; g; k, ge. z0gr0G, lat. hortus, goth. gards,. ahd. karto, 


mbb. garte, nhd. Garten; lat. homo, goth. guma, ahd. komo, 
mhd. briute-gome, uhd. Bräutigam ; lat. hoedus, goth. gaitei, 
ahd. .kei3, mhd. geiz, nhd. Geis (flatt Geiß); gr. 29&, lat. 
heri (für hesi, hesternus), goth. gistra, ahd. köstre, mhd. 
gösten, nhd. geftern. 


. d, t, z, gt. deix-vuus, lat. dico (indico), goth. teiha, ahd. 


zeigiu, mhd. zeige, nhd. zeige; gr. dexu, lat. decem, goth. 
taihun, ahd. zehan, mhd. zehen, nhd. zehn; gr. dauaw, lat. 


: domo; goth. tamja, ahd. zemiu, mhd. zeme, nhd. zähme; gr. 


daxpv, lat. lacryma (ftatt dacryma), goth. tagr, ahd. zahar, 


mbd. zaher, nhd. Zaͤhre; gr. dvo, lat. duo, goth. tva, ahd. zuei, 


mhd. zwei, nhd. zwei. 
. t, th, d, gr. zo, lat. tu, goth. thu, ahd. da, mhd. da, nhd. du; 


gr. Ayvos (Erü)- oa), lat. tuli (für tetuli), tol-ero, goth. 
thulan, ahd. dultan, mhd. dulden, nhd. dulden; gr. zeivem, 
lat. tendere, goth. thanjan, ahd. .denan, mhd. denen, nhb. 
behnen; gr. zoeis, lat. tres, goth. threis, ahd. dri, mhd. dri, 


BT — 


nah. brei; lat. triturare, goth. thriskan, ahd. drtseam, mhb. 
dröschen, nhd. drefchen. 

ih, d, t, gt. Suiutoc, goth. dauthus, ahd. tod, mhd. tot, nbb. 
Tod; gr. Ro (dol. Yo), lat. fora, goth. dius (diuzis), ahd. tior, 
mhd. tier, nhd, Thier; gr. Ivom, lat, fores, goth. dauro, ahd. 
turt, mhd. tür, nhd. Thür; gr. MRyccyo, goth. daubfar, ahd. 
tohtar, mhd. tohter, nhd. Tochter. 





b) Beifpiele für den In: und Autlaut, nach ben Lippen⸗, 


Saumen:, Zungenlauten, wobei von der feengen Regel eher abges 
wichen wird, 


1. 


2. 


b, P, ph, gr. zawvaßıs, lat. gannabis, ahd. hanaf, mhd, hanef, 
nhd. Hanf; lat. labium, ahd. leſs, mhd. läfse, uhd. Lefze (für 
Leffe); ahd. lepfil. (u. leffil), mhd. lefel, nhd. Loͤffel (ſtatt Leffel) ; 
lat. stabulum, ahd. staphol (u. staphil), mhò. stafel.(u. staffel), 
nhd. Staffel (dazu auch Stapfe); goth. diups, ahd. tiof, mhd. 
tief, nhd. tief; lat. turba (Menge), goth. thaurp, ahd. dorf, 
mhd. dorf, nhd. Dorf. 

p, f, f. Hier zeigt fi) großes Schwanken. Aus bem das 
organifche ph vertretenden ſſchwankt die goth. Mundart in b, 
die ahd., welcher hier eigentlich b angemefjen wäre, hat baflır 
entweder p (nach goth..b) oder v3 geht Liquida voraus, fo fteht 
immer £, wie im Anlaut. Mhd. u. nhd. ſchwanken b und f. — 
Gr. Asino, goth. leiba (laif), ahd. pi-Iipu, mhd. blibe, nhd. 
bliebe; fat. capio, goth. hafja, ahd. heffu, mhd. hebe, nhd. 
hebe; lat. aper, ahd. Epar, mhd. eber, ahd. Eber; gr. umeg, 
(at. super, goth. ufar, ahd. upar, mhd. über, nhd. Über; gr. 
inte, lat. septem, goth. sibun, ahd. sipun, mhbd. siben, nbb. 
fieben ; lat. nepos. ahd. n&vo, mhd. növe, nhd. Neffe; gr. .xizmwos, 
ahd. mhd. hof (hoves), nhd. Hof; goth. diups, ahd. tiof, 
mhd. tief, nhd. tief; an vulpes (Suche), goth. vulfs, ahd. mbb. 
wolf (wolves), nhd. Wolf. 


3. ph, b, p. Hier ſtehn nur gr. Woͤrter in Vergleich, da inlau⸗ 


tendes lat. ph oder f faft nicht vorkommt, body entſpricht einige: 
mal lat. b; ahd. fleht meift p, mhd. und nhd. b. — Gr. AAeypus, 
lat. elephas, goth. ulbandus, ahd. olpenta, mhb. olbente (in 
ber deutfchen Sprache bedeutet das Wort mehr Kamel); gr. - 
xeyparr, lat. caput, goth. haubith, ahd. houpit, mıhd. houbet, 


nbd. Haupt; ge. vepsAn, lat. nebula,.goth. nibls? ahd. näpal, 


mhd. nebel, nhd. Nebel; gr. ygaysır, goth. graban, ahd. kra- 
pan, mhd. graben, nbd. graben. (der Anlaut ſtimmt ‚nicht) ; 
Bon. silubr, ahd. silupar (silapar), mhd. silber, uhb. Silber. 


4. g,k, ch, „gr. &yo, .lat. ego, goth. ik, ahd. ih, mhd. ich, nhd. 


ih; gr. ereds, lat. ager, goth. akrs, ahd. achar, mhd. acker, 


7 


8 


£ 8 
— rae'r — 8 — — — 
— 


ab. Acker; gr. Toro'v, lat. jugum, goth. juk, ahd. joh, mhp. 
joch, nhd. Joch; gr. aueAyeıv, lat. mulgere, goth. milkan, 


- abd. milchen, mbb. mälchen (melken), ntb. melden meben 
- Milch, goth. wilcis, ahb. mikuh, mıhd. milich (milch). 


5, b, 5. Goch. h flieht für ch, ahd. h für g, welches nicht 


fetten, auch ſchon im Gothiſchen erfchefne, Regel aber iſt h. — 
Gr. röv, lat. pecu, goth. faihu, add. ſihu, mhb. vihe, nhd. 
Vieh; lat. precari, goth. fraihnan, ahd. fragen, mhd. vragen, 
nhb. fragen; lat. securis, ahd. sch, mhd. sech, nhd. Sech; 
gr. dexa, lat. decem, goth. taihun, ahd. zöhan, mhd. zehen, 


Inhd. zehn; lat. ducere, goth. tiuhan, ahd. ziohan, mhd. ziehen, 
td. ziehen (Jucht); Eat. lux (lucis), goth. liuhath, ahd. licht, 


mb. Hieht, nhd. Licht; ar. devode, fat. socer, goth. svaihra, 
ahb. sußhor, mhd. sweher, uhd. Schwäher (ſtatt Schtweher) ; 
gr. oxrtob, ‚bat. octo, goth. ahtau, ahd. ahtd, inhd. ahte, nhd. 
acht; gr. &rus, bat. acas, goth. ahana, ahd. agana, mh. agene, 
nhd. Ahne; ge. oxog, lat. oculus, goth. augb, ahb. ouga, mhd. 
se. nhd. Auge; gr. ujxor, ahd. mägo, mhd. mäge, nhd. 


. ch, 8 k. Das Lateinifche erfegt die mangelnde Aſpircta durch h, 


% 


% 


ober wirft audy dies weg. — Gr. Eyes, goth. aigan, ahd. eikan, 
mb. eigen, hd. eignen; ge. Askyeıv, goth. laigon, ab. lecchön, 

mhb. lecken, nhd. lecken; gr. Adyos, fat. lectas, goth. ligr, 
add. lekar, mbb. leger, nhb. Augerz; Iat. trahere, goth. dragan, 
ahd. trakan, mihd. tragen, uhb. fragenz gr. ezen (von &reos), 
geth. ögr? ahb. ogar, md. ocker, uhd. Ocker 

d,t,2(3), gr. 2dew, fat. edere, gorh. item, ahb. esan, mhd. 
xzzzen, nÄb. eſſen ſtart eßen); 3 ge. Feoſoa, lat. sedere, goth. 
siten, ahd. siran, mhb. sitzen, nhd. ſitzen; gr. Fowo, goth. 
veto, ahb. wazar, mhd. wozzer, nhd. Waffer; lat. hoedus, 
goth gantei, ahd. keiʒ, mhd. geiz, nhd. Geis (ſtatt Gef); gr. 
roũc (mod), lat. pes (pedis), goth. ſotus, ahd. faoʒz, mho. 
vuoʒ, nhb. Fuß; ge. xorsdec, Fat. lendes, ahd. hnizi, mhb. mie, 
nd. Niſſe; gr. werde, ahb. sn&lzau, mhd. smälzen, nhd. 
ſchmelzen; gr. xapdie, kat. cor (cerdis), goth. hafrtö, ahd. 
hörza, mhd. hörze, nhd. Herz. 

t, th, de. Manche gorb. th find [don zu d, folglich ahd. d zu 
1 geworden. — Pat. caput, goth. haubish, add. houpit, mhd. 
hoabet, nhd. Haupt; Tat. ratio, goth. ratkjo, ahd. redia, mhd. 
rede, nhd. Rede; gr. gosıne, fat. frater, geth. brötkar, ahd. 
preodar, mhb. bruoder, nhd. Bruder; gr. werd, goth. milh, 
ahb. miti, md. mit, nhd. mit; lat. iterum, goth. vithra, ahd. 
wider, mh. wider, nhbd. wider; lat. ‚satur, geth. salhs (sadis), 


adb. sat, mihb. wat, old. fatt. 





% 


9. th, d,t. Solcher Inlausg find nur wenige, ba ſich Feine lat., 
nur einzelne griech. Wörter darbieten. — Gr. uedv, ahb. mötu, 
mhd. mite, uhd. Mech; ar. Kos, goth sidus, ahd. situ, mhd. 
site, uhd. Sitte; gr. medupdc, ahd. heitar, wehb. heiter, nhbd, 
heiter; gr. wsoHos, goth. mirdo, ahb. miels, miyb: miete, ahd. 
Miethe. 


Dritter Abſchnitt. 
Sylben, Wörter, Wortarten. 


Erſtes Capitel. 
Sybben, Wörter, 
§. 102. 


Salbat), auch Sypelle), Wortglied, iſt ein articulierter (ges 
gliederter) Laut, der wit Einer Hffaung des Mundes ausgeſprechm 
wish, und mutweher aus einem (einfachen oder doppelten) Voeot, ader 
aus einen Verbindung won Vocalen und Canſenanten beſteht, z. B. 
arber, ei⸗-büg, lie-ben, ſter ben?). 
Anm. 4. Das Wart euch 34. auch Silbe geſchrieben) if griechi ſh 
—— und bedeutet das Zuſammenfaſſen, wie das Aufammengefaßte, 
aelhnder s im Eyprechen, Leſen, Schreiben zufammengenommene Buch⸗ 


Anm. i Due weht alone engeuowasene Wort ift des soth. spiB, 
angel,. epqt, altnorb, apiell, a ah mbh. apẽl u Srrählumg, Ne, 
erhalten in Beifntet, mhd. bisp 
nm. 3. Wefentuͤcher —BB einer Sylbe iſt ein Vocal. Da nım 
Bocale gedehnt je gefhärft fein können (523 f.), fo find auch bie 
Bylben gebehnt oder geſchaͤrft. 


8. 103. 


Stammſylbe nennen wir den Haupt: und Grupdbeſtandtheil 
eines Wertes; Bor: ua Nadefuibens aber diejenigan Theite, die 
fig vor ober hinter der Stammſylbe anhängen, z. B. be-mer-ten. 

Anm. Hier find die Sonfonanten der Wargel mit bem dazu gehärigen 
Vocal aufemmengefaßt, unter ben. Nachſykden find Ableitungen und 
Flexion mitbegriffen, 


8. 204, 


Mehrere mit einander verbundene Laute machen ein Wort aus, 
fobalb ſich damit eine klare Vorſtellung verbindet, z. B. Mann, 
groß, effen, trinken. 

Anm. In der ger beutfden Sprache haben mir Fein Wort, welches nicht aus 
mehreren Lauten Beflände. Die Interfectton ot dritte Feine Hart Vor⸗ 
flelung aus; anders ift es mit bem lat. A (gehe). 


— 60 — 


8, 108. , 


Die Wörter fi nd ihrer Form nach entweder einfylbig oben mehr: 
ſolbig, ‚dabei einfach, :abgeleitet. ober zufammengefest, z. B. Gott, 
Haus, Kunft, Bater, Himmelreich. 

Anm. 1. Das einfylbige Dort unterfcheibet fich von ber. bloßen Sylbe 
duch den Sinn ($. 102. 104.). 

Anm. 2. Einfylbige Pabrter find nicht immer einfache, fondern oft 
abgeleitete, was aber oft nur an den Altern Kormen erfichtlich iſt, z. 8. 
Stahl, Arm, Hirfch (ftatt Hirk), Bild, Held, Haupt, Fels, 
Kelch, arg, Herbft, ahd. stahal, aram, hirug , piladi , helid, houpit, 
fälis, chelich, arac, herpist. Deutlicher tritt bie Ablleitung in Kunſt 
und Sunft (tönnen, gönnen) hervor. 


§. 106. 


Mehrſylbige Woͤrter muͤſſen zuweilen, wenn der Raum der 
Zeile dazu noͤthigt, getrennt werden 1). Allgemeine Regel iſt: Theile 
wie du ſprichſt)y. — Am Beſondern gelten, dem angenommenen 
Gebrauche gemäß, folgende Regeln. Iſt das Wort zufammengefegt 
und die Zuſammenſetzung noch fühlbar, fo wird getheilt, wie zuſam⸗ 
mengeſetzt ift, 3.8. Be-fhluß, Tiſch- tuch, trag-bar; Steht: 
ſonſt ein Confonant zwifchen zwei Vocalen, fo gehört er in ber Tren⸗ 
‚nung zur nachfolgenden Sylbe, 3. B. lie-ben, gü-tig, Ba-ter. 
Stehen zwei Eonfonanten, fo vertheilen fie ſich an die beiden Sylben, 
z. B. Mef-fer, Städ-te, Ar-mut. Die Doppelconfonanten ck 
und 8 werden aufgelöft in FR und 33 und darnach getrennt, z. B. 
drük-ken, fez-zen?). Die Lautgruppenſch, ſch (nit Sch), Pb, 
pf, 8; ft, fp, Ch fallen der zweiten Sylbe zu, z. B. Bü-Ger, 
täu-[hen (aber Haͤus-chen), E-pheu, em- -pfehlen, ſchie-ßen, 
We-fte, We-fpe*), ra-then. 

Anm. 1. In Büchern bes 15.— 16. Jahrh. findet man au tinfglbige 
Wörter getrennt, z. B. Men-fh, un-b. 

Anm. 2. Nichtiger wäre die Regel: Theile nah Sprachſylben, 
d. h. nach den urfprünglich verfchiedenen Beſtandtheilen eines Wortes, 
alfo: Ver-mand-el-ung-en. Dem aber wiberfpricht häufig nicht 
nur. Mangel oder überfluß des Raumes, fondern auch die Verwiſchung 

: ber urfprünglihen Worttheile in Beroußtfein und Ausfprache bes Reben: 
den unb Schreibenden, z. B. Dünf-te, Kün-fle, wie nad ber frühern 
Sprade verlangt wwürke. 

Anm. 3. Andere (3. B. Heyſe) theilen drü-den, fe-gen, d. i. 
brü-Efen, fe-zzen, was nicht nahanahmen ift (ogl. 6. 78. 92), 

Anm. A. Man Kader auch tap-fer, Ap-fel, Knof-pe, lif-peln, 
Wef-te; in reif-ten (reifeten) ift ber Ausfall de e fihtbar. 


.$. 107. 


In Hinfiht auf frühere oder fpätere Entftehung find bie 
Woͤrter Wurzelwoͤrter, z. 8. ‚binden, liegen, ſchneiden, oder 
abgeleitete. 


— *51 — 


8. 108. 


Die abgeleiteten Wörter find zweffacher Art, entwederiStaͤmme, 
welche ducch eine innere Lautveränderung von Wurzelwoͤrtern gebildet 
find (abgelautete), z. B. Band, Bund, Lage, Schnitt, oder 
Sproßformen, welche durch Endungen insgemein von Stämmen 
gebildet find (abgeleitete im engern Sinne), z. B. bündig, Buͤnd⸗ 
wiß, Luger, Schneider. Ze 


8 109, ‘ = “ u . j 


Die einheimischen (beutfchen) Wörter find doppelter Azt, je nach⸗ 
dem fich ihre Wurzel in Kraft und Fuͤlle frifch erhalten hat, was am 
Permoͤgen abzulauten erkannt wisd, z. B. Bund, Schuß, Lauf, 
von binden, fchießen, laufen, oder ‚abgeflorben iſt und nur nod) in 
einzelnen Sormen fortdanert,. z. B. Beichte, entſtellt aus bijihta von 
ahd. jehan, mihd. jehen = fagen, geſtehen ($. 54. Anm). _ 

Anm. Bol. befonders: „Die abgeftoebenen Wortformen der deutſchen 

Sprache.“ . Bon 5. Zinnow. Berlin 1843.. 8. ' 


sg. 11. 


iNicht alle Wörter der deutſchen Sprache find urfprängliche 
und ehtdeutfhe. "Das Beduͤrfniß, die Verbindung mit fremden 
Voͤlkern und ein verkehrter Geſchmack haben viele Ausdrüde aus ans 
dern Sprachen, namentlich aus der Lateinifchen (Latinismen), grierhi- 
fhen (Graͤcismen) und franzöftihen (Gallicismen) entlehnt. 
Anm. 1. Es ift weder. Schande, noch verlegt ed das vaterländijche Bes 
fühl, Wörter aus fremden Sprachen zu gebrauchen, wenn dad Bes 
bürfwtiß dazu: drängt; aber ſalche Ausbrüde find zu ‚melben, deren 
‚ » Sinn wir eben fo gut durch .echtdeutfche wiedergeben. fönnen, z. B. Bis 
"fite, Bratulation. Die Zahl der durch VBornehmthuerei und Ges 
ſchmackloſigkeit in die deutfche Sprache, befonbers in bie f. g. vornehme 
Umgangsſprache und in die Sprache. ber Zeitungen und Tagesblätter, 
eingeführten Fremdwoͤrter ift ins Maßloſe gewachſen, wir jedes Fremde 
vwoͤrterbuch“ zeigt. — In den Fremdwoͤrterbuͤchern wird übrigens. auch 
manches Wort als fremd angeführt, das in feiner Wurzel deutſch iſt. 
Mehrere folcher: vermeintlichen Fremdlinge find aus Deutſchland in- bie 
Fremde, beſonders nach Frankreich gewandert. und dann in- veranderter 
.Ausſprache und Schreibung zu uns .zurüdgelommen, z. B. Breſche 
“don breben), Chemiſe (von Hemd), Sergeant (flatt Scherge), 
":Diefe und einige andere habe ich befprochen im „Archiv für das Stubium 
 » der neueren Sprachen und Literaturen,‘ Yerdusg. von 8 Hevrig und 
. BeBichoft. 2.4. ©1847 f. BEE n. 
Anm. Zur, Se genannte fremde Kunſtausdrücke, 5 B. hie Benen⸗ 
nungen in der Grammatik, zu verdraͤngen und dafür deutſche einzuführen, 
iſt nicht tathſam (F. 16.). Die bis jegt vorgeſchlagenen haben ſich weder 
durch · Deutlichkeit, noch durch Kürze: vor den fremden empfohlen und 
darum auch wenig Eingang gefunden. 


4 


—  —— 


 a)g&borchie des Ortes:: da, dort; - 
b)3 Abverbia ber Zeit: bald, heute; 
‚ 6). Abveobla der Weile: ſchnell, fhon; _ 
4) Adverbia der Ausfageweife: Freilich, gewiß; 
.0): Adverbia ber Stärke: fehr, faſt; 
f) Abverbia der Wiederholung: einmal, oft. 


HN Präpofition (Vorwort, Verhältnißwort) bezeichnet in 
einem Sage das Verhältniß dei Perfonen und Dinge zu einander und 
zu der Thaͤtigkeit. Hauptarten find: 

a) Praͤpoſitionen des Ortes: an, auf, in; 

HMugßgraͤpoſitionen der Beit: binnen, während, in; 
.c) Präpofitionen der Weiſe: mit, zu 

d) Präpofitionen des Grundes, —*8 Mittels, Stoſſeeh at: 

don, vermoͤge, für, duch, aus. 


9) Conjunction (Bindewort) dient bald zur Verbindung der 
Worte. zu. einem Sage, bald der Säge zu einem Sapgeflge: Die 
Sonne leuchtet und erwärmt. Bedenke daß Ende, che du etwas 
unternimmfl.. 


10) Interjection (Empfindungswort) delt ei eine Smpfindiis 


aus, des Mufes, der Freude, des Schmerzes ıc.:-hedar heifa! ach! 


Anm.! Es if feit- einigen Jahren wieder mehrfach über Kaffung und Ans 
..orhuung. ber Medetheile, dev fo genannten grammatifchen Katego⸗ 
rien, gefchrieben und geftritten, die Sache aber; bis jetzt nicht zu einer 
. alfeitig befriedigenden Löfung gebracht worben. 


ur 


“7 5 Mierter Abfehnitt.  °, 
| Flexion. 
Erſtes Capitel. 


Declination. 


8§. 112. 
Die Declination geſchieht in allen deutſchen Sprachen weſentlich 


durch dem. Worte hinten eingefugte Endungen. Das Wort kann 


fowot in feiner nadten Wurzel, als in einer abgeleiteten, d. h. fhon 
durch eine Bildungsendung vermehrten Geſtalt deelinieren. Unweſent⸗ 
lich zur Declination ſind: 1) der Umlaut und 2) der vorgeſetzte Arti⸗ 
kel, d. h. ein ſyſtematiſch angewandtes Mittel, der Unvollkommenheit 
de Cafus zu Hilfe zu kommen oder feinen Abgang völlig zu eifegen. 
Anm. Aus dem Umlaut läßt fich die fpätere abgefchliffene Endung ſchlie⸗ 
fen; für die nhd. Declination ift der Umlauf vom Bedeutung. 





—6 — 


$. 113, " 
Die Flerionen der Caſus beftehen aus Vocalen (nhd. €) und aus 
Confonanten: 8, m, n, 21). Alle deutfhen Sprachen unterfcheiden 
zwei Zahlen: Singularis und Pluralis (Einzahl, Einheit, Mehrzahl, 
Mehrheit) 2) und vier Cafus (Fälle): Nominativ, Genitiv, Dativ, 
Accuſativ2). Mit den Kormen des Nominativs fallen die des Voca⸗ 
tivs®), mit denen bed Dativs bie des Ablativsd) zufammen. 


Anm. 1. Hiftorifch ergibt fi, daß r in der Declination allmälich aus &, 
und a in den meiften Zällen aus früherem m entfprungen fei, was bie 
Vergleichung ber Flexion lehrt. 

Anm. 2. Das Sanffrit, Griechifche, Litthauifche und Altflavifche find 
auch des Duals (der Zweizahl) im Nomen und Verbum allenthalben 

maͤchtig, während berfelbe im Altdeutfchen erfticbt, im Lateinifchen bei- 
nahe, im Keltifchen völlig erlofchen iſt. Bei ung fleht unter den Schriftz 
Sprachen der Verbaldualismus bloß der gothifchen zu Gebote; ben nomi= 
nalen befigt fie, gleich allen übrigen, weder im Subftantiv noch Abjectiv, 
bloß im perfönlihen Pronomen; einzelne Volksmundarten bewahren 
merkwürdige Spuren von beiden. 

Anm. 3. Diefe Benennungen, für melde man verfchiedene, mitunter 
etwas wunderliche beutfche Namen vorgefchlagen, auch angewendet hat, 
bedeuten: 1) Nennfall; 2) Zeugefall; 3) Gebefall; 4) Klagefall. Die 
Namen drüden, wie auch bie beliebten beutfchen, nur einzelne Bes 
ziehungen ber Gafus aus, 

Anm, 4 Dies ift im gothiſchen ſtarken Mafeutinum nicht ber Kal: Rom, 
fisl<s , dags, harjis, hairdeis, sunus, oc, fisk, dag, hari, hafrdi, sunau. 

Anm. 5. Die Spuren bes alten Inftrumentalis (Ablativs) find fehr bes 
fhräntt, und nur im Sing., ja faft nur in einer einzigen (ahd.) Declis 
nation wahrnehmbar, dem Plur., wie dem Femininum ganz entzogen. 
Auch der latein. Unterfchied zwifchen Dativ und Ablativ ſchwindet im 
Plur. und haftet bloß im Sing., und da nicht einmal duch alle Declina⸗ 
tionen. Ahd. Beifpiele find: sperü, gheista = mit dem Speer, in (oder 
mit) Geiſt. 

Anm. 6. NHd. zuckt der Inflrumentalis nur noch in befto — ahd. des 
diu, mhd. däste. 


$. 114, 


Der Unterfchied der drei Gefchlechter ift bei der Declination 
zu beobadhten. Das männliche Geſchlecht befigt deutlichere und dauers 
haftere Form, das weibliche milbere, weichere, das neutrale (fächliche) 
eine der männlichen meift ähnliche, nur ſtumpfere. j 


$. 115. 


Durch die gefammte beutfche Zunge waltet eine Unterfcheidung 
zwifchen ſtarker und ſchwacher Flexion. Erftere iſt die ältere!) und 
(innerlich) einfachere; die ſchwache ift durch Einfhaltung eines zur 

Kehrein Grammatik. 1. 1. 5 


66 


Declination anfangs unmefentlichen Bildungs: N entflanden, zeigt 
fi) demzufolge niemals an reinen Wurzeln. Diefes Bildungs: N 
fühste ſchnellere Abſchleifung der wahren Caſus herbei und aſchien 
dann als eigene, der Declination weſentliche Form. 


Anm. 1. Darum gebrauchen Andere (z. B. K. F. Becker) bie Ramen 
alte und neue Form. 





§. 116. 


Alle Subſtantiva gehen entweder nach der ſtarken oder ſchwachen 
Declination, bie Abdjectiva haben beide Formen ). Im Lauf ber 
Zeit find jedoch einzelne Wörter ausgeftorben, andere haben ihr Ge⸗ 
ſchlecht und ihre Declination veraͤndert, woraus mancherlei in der 
hiſtoriſchen Grammatik wichtige Abweichungen entſtanden ſind. 


Anm 1. Subftantiva, ihrem Begriff. zufolge, „beftimmten Gegenftänden 
/ zugetheilt, müſſen ein feſteres Weſen haben als Adjectiva, die eine allge⸗ 
meinere, mehreren Gegenſtaͤnden gebührende Eigenſchaft ausdrücken. 


8. 117. 


Die Eintheilung der Declinationen tft, abgefehen von 
ftarker und ſchwacher Form, verfchiedentlicd verfucht worden. Ein 
Blick auf die Älteften Formen lehrt, daß die Trilogie (Dreiheit) der 
Bocale A, 3, U, auf deren Grundlage alle Ablaute ruhen, auch die 
Slerion meiftere: e8 entfpringen nach ihr jedesmal drei Declinationen 
des Nomens, ſowol bed ſubſtantiviſchen als adjectiviſchen, die jedoch 
ſchon im Gothiſchen nicht mehr ganz rein erfcheinen 1). 


Anm. 1. Sie laſſen ſich aber theoretifch, nach der Analogie ber Ablaute, 
in ihrer urfpränglichen Flexion herſtellen. Die Bocale ber (urfprüng- 
- lichen) Flexion unfrer Declinationen treffen mit den Ablauten der (flarfen) 
Ä Conjugationen zufammen, die 2, und 3, Deck. beider Gefchlechter mit 
bem Ablaut der A, und 5. Gonj.; in die 2, und 3, theilen fih Maſcul. 
= und Femin. der 1. Declination, 


Anm. 2, Geht man von unferem abgefchwächten Klerionsvocalee rück⸗ 
wärts zu den volleren Formen des Ahd. und Goth., und bedenkt, daß 
das Goth., wie es uns vorliegt, aus dem 4. Jahrh. ſtammt; fo täßt ſich 
daraus wol ein Schluß auf noch aͤltere Formen ziehen. — Darnach ſtellt 
Grimm (Geſchichte der deutſchen Sprache ©. 914 f.) mit großem 
Scharfſinn, den gothiſchen Formen, wie ſie uns erhalten ſind, die volle 
und urſprüngliche Flexion zur Seite, nämlich $. 118, dagas, dagis, dagi, 
dagan, dages, dage, dagam, dagans; $. 120, gastis, gastais, gastai, 
gastin; gasteis, gastije, gastim , gastins; 6, 122, sunus, sunaus, sunau, ' 
SURUB; sumius, sunivèé, sunum, sununs; $, 123, giba, gibös, gibd, giba; 
gibös, gibö, giböm, gibös, $, 125, mahtis, mahtais, mahtai, mahtin; 
mahteis, mahtijö, mahtim, mahtins; $. 127. handus, handaus, handau, 
handun; handius, handive, handum, handuns. 





1. Declinstion der Subſtantiva. 
A. Starke Deelination, 
%) Starte Maſeculina. 
Erſte Deelinntion. 


8. 118, 
| Bothifg, | Althochdeutfſch. 
Sing. N. dag 73 hafrd - eis tac hirt-i 
G. dag-is haird - eig takes hirtr es 
D. dagra haird- ja tak=a birt-a 
4. dag hafrd - i te hirt-i 
Dur, N. dag- os haird - jös tak -4 hirt-4 
©. dag-& haird -je- t3k»4 hirt-4 
D. dag-am haird -jam tak-um hirt-um 
A. dag-ans haird - jans tak-4 hirt-4 
Mittelhochdeutſch. Neuhochdeutſch. 
Bing. X. tac kil hirt-e Tag Kaͤſ⸗ 
G. tag-es kil-s hirtres Tag -es RU-W 
D. tag-e Kl hirt-e - Rag-e Ri -ı 
%. tac kil hirt-e Tag Kil-e 
Yan. M. ugre kil hirt»e Zuge  Bäfl-e 
'@. tagre kil hirt-e Zogre SKöfme 
D. ttg-en kim hirt-en Rog-ın Kaͤf- en 
A. tag-e kil hirt · Tagre Käf-e 


Anm. 1. Die goth. Ableitungen mit i verwandeln nah dem Lautgefeg 
biefes i vor dem Flexionsvocal in j, alfo EN (Heer). Geht bei diefen 
eine lange, sder mehrere Sylben voraus, fo haben fie im Nom. und 
Gen. Sing, eis, alſo hafrdeis. 

Auen 2. Nach Verſchiedenheit dee Denkmäler bilden einige ahd. Wörter 
der 1, Decl. ihren Plur. nad der 2. z. B. wintä, wind; fuoza, fuagl. 
Difried und Zatian haben Im Inftrumentalis ($. 113. Anm. 8.) u, im 
Dat. e, im Plur. a ſtatt d. Im Dat. Blur. tritt feit dem 9. Jahrh. n 
ſtatt a ein (on ftett um, om). Robker feht im Dat. Sing. und im In⸗ 
Krum, e, im Dot. Plur. en, behält aber & im Rom. und Acc. Plur., 
d im Gen. Plur. bei. Otfried und Tatian geben ben Ableitungen auf -i 
fm Dat. Blur, -in: hirtin. 

Anm. 3, M6d. ſchwanken viele Wörter zwifchen ber 4. und 2, Deel., ber 
Amlaut ift bei umlautsfähigen ein Senngeichen der 2. Dos flummer 
füllt nach einfacher Liquida auf kurzen Vocal nothwendig aus, auch bei 
ben Bildungen mit -el, -em, -en, -es, deren Bildungspacal Jange 
Wurzelſylbe voranfteht, z. B. kils, nicht kiles; Plur. kil, nicht kile; 
sugel, dem, meiden (Henaft), aoker, im Gen. engels, Atems, meidens, 
schera, im Pur. engel, Atem, meiden, acker. Die mit wurgelhaftem A 

5 


u — — — — — — — 


— 68 


behalten im Dat. Plur. das ſtumme e, z. B. manen ſtatt man, die mit 
abgeleitetem en werfen es ſammt dem e fort, z. B. meiden ſtatt meidenen. 
Die Bildungen mit -el, -em, -en, -er mit kurzer Wurzelſylbe behalten 
das tonlofe Gafus=e, da ihr Bildungsvocal ſtumm ift, z. 3. nagel, 
kradem (Lärm, Gefchrei), segen, über, im Gen, nageles, krademes, 
segenes, äberes, im Plur. nagele, krademe, segene, äbere. 

Anm. 4 Nhd. fällt das ſtumme e nach Liquiden weg, das Wort mag 
ein= oder mehrſylbig fein, organifch Tange Wurzel haben, wie Engel, 
Reigen, Kinger, oder organifch kurze (unorganifch verlängerte $.24.), 
wie Efel, Regen, Eber. Im 16.—17. Jahrh. findet man noch die 
Pluralformen Adere, Dienere, Rihtere, Jungere, Urteil: 
fprehere, Engele u. a. — Das tönlofe e bleibt im ganzen Plur.: 
Zage, Tagen, Tann aber im Gen. und Dat. Sing. wegfallen: Tags, 
ag; bei den Bildungen -ig, -Ting, -at gilt ber Wegfall: Königs, 
Zünglings, Monats. — Aus einer nicht zu entichuldigenden Nach⸗ 
Läffigkeit fehlt in manchen Sägen das genitivifche Flexions? es männlicher 
und fächlicher Wörter, z. B. des Cherub, Leffing; im Antlig Jehova. 
Klopftod, des Bräutigam Vater, Leutner; des öſtlichen Ende, 





Bechftein. Weitere Beifpiele hat gefammelt Borgisa im Progr. des 


Gymnafiums zu Lyck 1843, 
$. 119, 


Nach der erften Declination gehen nhd. nur unumlautende Wör- 


ter, und zwar 1) einfache, auch folche, deren Ableitung wir nicht 
mehr fühlen: Arm, Berg, Herbſt; 2) Bildungen mit -el, -em, 
-en, er: Engel, Athem, Regen, Eber; 3) Bildungen mit -ig, 
-ich, ing, ling: König, Bottich, Hering, Süngling; A) Blldungen 
mit -at: Monat; 5) Bildungen mit -e: Käfe (iſt das einzige noch 
vorhandene Wort); 6) vocalauslautige: Thau, Klee, Schrei; 7) mit 
der Vorſylbe ge: Gewinn, Glimpf. — Folgende (morunter auch 
fremde) dürften die gebräuchlichften fein: War, Abend, Abfcheu, Ab⸗ 
fchied, Accent, Abel, Adler, After, Ahorn, Alabafter, Alant, Alaun, 
Almanach, Altaun, Amber, Amboß, Ampfer, Ananas, Angel, Anger, 
Anis, Anker, Anwachs, Anwalt, Apoftel, April, ÄArger, Argwohn, 
Arm, Ärmel, Arfenit, Artikel, Afant (barziger Saft), Athem, Atlaß, 
Attich, Aufruhr, Auguft, Ballaſt, Baffam, Bann, Bantert, Bard) 
(auch Boch, Borg), Barchent, Barfh, Befland, Becher, Bedacht, 
Beding, Befehl, Beginn, Behuf, Belang, Beleg, Bengel, Berg, 
Bericht, Befcheid, Beſen, Befig, Beſuch, Betracht, Betreff, Beutel, 
Beweis, Bewerb, Bezirk, Biber, Billing (Zifh), Bifam, Big, 
Blaffert, Blick, Blig, Bofiſt (Schwamm), Bolz, Boch, Bord, 
Borg, Born, Bottih, Bräutigam, Brei, Brief, Büding, Büffel, 


Bügel, Bumpf (Pelzwert), Bunzel (ftählernes Werkzeug), Bürger, 


Bürzel, Bufen, Büttel, Charakter, Compaf, Comthur, Chryfam, 
Gzaar, Dank, December, Dedel, Degen, Dei, Demant (u. Dia⸗ 
mant), Delphin, Deut, Dialect, Dieb, Diebftahl, Dienft, Dingel 
(Pflanze), Döbel (Fifh), Docht, Dolch, Dom, Donner, Dorf 
(Fiſch), Doſt (Pflanze), Drall (auch die Dralle bei Buͤchſenmachern), 


DEE — — — — 


— — 69 — 


Dreck, Drempel (Schwellengeruͤſt im Waſſerbau), Drift (Reif bei 
den Faͤrbern), Drilling, Druck, Durſt, Dutzend, Eber, Egel (Blut⸗ 
egeh), Eid, Eidam, Eifer, Eimer, Eiter, Ekel, Emberitz, Engel, Enkel, 
Epheu, Eppich, Ernſt, Erwerb, Eſel, Eſſel (Klotz in Buchdruckertien), 
Eſſig, Fächer, Balz, Sant (Juͤngling), Farn (-Eraut), Faſer (ſelten 
Phafer), Faſch (Stuͤck Sohlleder), Februar, Fehl, Fehler, Feind, 
Felbel, Fench (Hirſe), Fenchel, Fetiſch, Filz, Fimmel, Finger, Firniß, 
Fiſch, Fittich, Flachs, Flanell, Flaum, Flaus, Fleck, Flegel, Fleiß, 
Flins (Stein, woher Flinte), Flitter (auch die), Fluͤgel, Flur, Forſt, 
Froſt, Freund, Frevel, Fries, Fund, Gaden, Galmei (Zinkerz), Ga⸗ 
lopp, Gaͤſcht, Gaukel, Gaumer, Geck (Naht ber Hirnſchale, Eidechſen⸗ 
art), Gehalt, Gehorſam, Geier, Geifer, Geiſel, Geiſt, Geiz, Ge⸗ 
mahl, Genieß (gebraͤuchlicher iſt Genuß), Gerſch (Gewaͤchs), Geſpann, 
Gevatter, Gewinn, Gewinnſt, Giebel, Gimpel, Gipfel, Gips, Giſcht, 
Gletſcher, Glimmer, Glimpf, Grad, Gram, Grapp (auch die Grappe, 
Mark der Faͤrberroͤthe, auch die Pflanze ſelbſt), Grat (Felſengrat), 
Graͤuel, Graus, Greis, Grendel (auch Gruͤndel am Pfluge, in der 
Volksſprache auch das Gr.), Grengel (Ringel), Grenſel (Pflanze), 
Grieß, Griff, Griffel, Grimm, Grind, Groben, Groll, Gurt, Guͤrtel, 
Habicht, Hack, Hafer, Haft, Hag, Hagel, Hai, Hain, Hall, Halm, 
Halt, Hamſter, Hanf, Hanswurſt, Harlekin, Harm, Harn, Harniſch, 
Harz, Haſpel, Haß, Hauch, Hebel, Hecht, Hederich, Heiland, Heller, 
Helm, Hengft; Henkel, Herbſt, Herb, Hering, Herold, Hieb, Himmel, 
Hirſch, Hobel, Höder, Hohn, Holm, Holunder, Honig, Hornung, 
Horft, Hort, Hügel, Hummer, Hund, Hunger, Igel, Steig, Imbiß, 
Smpuls, Indig, Ingwer, Sammer, Januar (aud) Sinner u. Jenner), 
Jasmin, Jaspiß, Jaſt (Eite), Jubel, Jude, Juli, Juni, Junker, 
Kabeljau, Käfer, Kaffee, Kaͤfich, Kag (Schiff), Kaifer, Kalender, 
Kalt, Kalmank, Kamin, Kampfer, Kapaun, Kaper, Karfunkel, Kas 
(Tafel in Papiermühlen), Käfe, Kater, Kattun, Kaviar, Kegel, Keil, 
Keim, Kelch, Keller, Kerbel, Kerker, Kerl, Kern, Keffel, Keger, Kibig, 
Kiefer, Kiel, Kien, Kies, Kiefel, Kink (Kalte im hartgebrehten Zaue), 
Kitt, Kigel, Klappe, Kleid, Klee, Kleifter, Klepper, Klitſch, Ktöppel, 
Klunker, Klüver (Segel), Knall, Knafter, Knebel, Knecht, Kneif, 
Knick, Knicks, Kniff, Knipps, Knirps, Knorpel, Knüppel, Kuüttel, 
Kobalt, Kober (Behaͤltniß), Kobold, Köder, Köder, Koffer, Kohl, 
Koller, König, Kork, Körper, Koth, Köther, Kraak (kleines Schiff), 
Krach, Krahn, Kranich, Kräuel (Gabel), Krebs, Kreis, Kreifel, Krepp, 
Krieg, Krokodil (auch das Kr.), Krumms (Werkzeug im Bergbau), 
Kruͤppel, Kryſtall, Kübel, Kuͤfer, Kukuk, Kümmel, Kummer, Kums 
par, Küraf, Kuͤrbiß, Küfter, Kutfcher, Kutter (Schiff), Kur (Theil 
im Bergbau), Lachs, Lad, Laken, Lattih, Lauch, Lauer, Laut, Las 
vondel, Leck, Lehm, Leib, Leih, Leichnam, Leim, Lein, Lemming 
(Thier), Lenz, Leumund, Lifpel, Löffel, Log (Schiffewerkzeug), Lolch, 


— 7170 — 


/ 

Eiche, Luͤmmel, Mader (Erdart im Bergbau), Mager (Fiſch, Kraus 
beit der Bäume), Magiſtrat, Magnet, Mahr, Mai, Makel, Makns 
(auch Melm = Staub), Mammon, Mangold, Marder, Marmor, 
März, Mafer, Mag, Meier, Meifch, Meißel, Meifter, Mergel, 
Mech, Metzger, Mezler, Miſchmaſch, Miſt, Moder, Mohn, Moich, 
Moll, Moment, Monat, Minh, Mond; Mops, Mord, Morgen, 
Mörfer, Mörtel, Moft, Muͤndel, Muth, Mebel, Neger, Neid, Nord, 
November, Dbelist, Deckdent, Deean, Detober, Odem, Oheim, 
Oberſter, Onkel, Orden, Orkan, Drient, Oſt, Pacht, Palatin, Pan⸗ 
ther, Panzer, Pardel, Part, Paſch (im Würfelfpiel), Pelz, Pfab, 
Pfarrer, Pfeffer, Pfeil, Pfeiler, Pfennig, Pferch, Pfiff, Pfriem, 
Propf (auch Pfeopfen), Philifter, Phoͤnix, Bil, Pilger, Pilgelm, 

Pilz, Pinfel, Pipe, Pifang, Plimm (Stein), Plog, Plunder, Pluͤſch, 
Poͤbel, Pocal, Poͤkel (Salzwaſſer), Pol, Pomp, Popanz, Porſch 
(Danze), Port, Prahm (plattes Fahrzeug), Prall, Praß, Preis, 
Prieſter, Profoß, Prudel, Pruͤgel, Prunk, Pſalm, Pudel, Puder, 
Puls, Punet, Punſch, Purpur, Quark, Quarz, Quaſt (auch bie 
Duafte), Quell (auch die Duelle), Quendel, Querl (Staͤbchen), 
Rader, Räder (auch Reuter — Sieb), Radieß, Raff (ſchmaler 
Körper), Rain, Rat (Rabe), Rapps (bei den Muͤllern), Raſch 
(Wollenzeug), Raub, Rauch, Raufbold, Regen, Reif, Reigen, 
Meinen, Neiher, Reim, Reiß, Reitel (Stod), Reiz, Ne, Kettich, 
Riegel, Riffel, Ring, Riß, Ritt, Ritz (auch die Ritze), Rogen, 
Roman, Rosmarin, Roß, Roft, Röthel, Rog, Ruck, Ruf, Ruhm, 
Ruin, Rummel, Ruß, Rüffel, Rüfter (am Schuh), Sabbat, Säbel, 
Sand, Sarraß, Satan, Saus, Schächer, Schädel, Schaffner, Schals 
tee, Schämel, Schatlah, Schauder, Schauer, Scheffel, Schein, 
Scheitel (auch die Scheitel), Schenkel, Scherz, Schi, Schiefer, 
Schierling, Schild, Schilling, Schimmel, Schimmer, Schimpf, 
Schirm, Schläge, Schleter, Schleim, Schlender, Schlendrian, 
Schlich, Schlick, Schlief (am Boot), Schliff, Schliffel, Schlinge, 
Schlitz, Schlot, Schlud, Schlummer, Schlüffel, Schmant, Schmauch, 
Schmelz, Schmergel, Schmerl (auch bie Schmerle — Lerchenfalbe), 
Schmetterling, Schmied, Schmiß, Schmis, Schmud, Schmutz, 
Schnee, Schnitt, Schnig, Schnörkel, Schober, Schoner (Schiff), 
Schoͤps, Schorf, Schdel (Steinart im Bergbau), Schoß (Schoͤß⸗ 
ling), Schreck (en), Schrei, Schrein, Schritt, Schrull (Werkzeug 
der Tuchſcherer), Schuft, Schub, Schüler, Schund, Schupp, 
Schurz, Schuſter, Schwaben, Schwach, Schwall, Schwefel, 
Schweif, Schweiß, Schwengei, Schwindel, Schwingel, Scorpion, 
Serupel, Sedel, See, Segen, Seifer (Geifer), Seiger (Beiger), 
Sem, Seneſchall, Senf, Senkel, Senner, September, Setaph, 
Seſſel, Seufzer, Sieg, Sims, Sinn, Sinter (Stein), Sittich 
(Papagei), Sig, Smaragd, Sodel, Sob (au die Soda), Seff,. 


— 71 


Sog (das Saugen, Spur eines Schiffes), Sold, Soͤller, Sommer, 
Spalt (auch die Spalte), Spargel, Spark (Viehfutter), Spatef 
( Werkzeug der Wundaͤrzte), Spath, Specht, Sped, Speichel, Speis 
Ger, Specter (fpiges Holz), Speit und Spelz, Sperber, Sperling, 
Spiegel, Spieß, Spint, Spion, Splint (Span), Splitter, Spott, 
Sprengel, Sprenkel, Springel, Spring (Drt einer Quelle), Sprinz 
(Bergfalke), Sprudel, Spuk, Stapel, Staub, Steg, Steig, Stein, 
Steiß, Stempel, Stendel (Pflanze), Stengel, Stenzel (Werkzeug 
der Tuchſcherer), Stein, Sterz (auch die Sterze am Pflug), Stich, 
Stiefel, Stieglig, Stiel, Stier, Stift, Stine (Eidechfe), Stint 
Giſch), Stoff, Stolz, Stöpfel (auch Stöpfel und Stopfen), Stör, 
Stößel, Strahl, Strähn (und bie Strähne, Garn), Strand, Strauß 
(Vogel), Streih, Streif (und Streifen), Streit, Strich, Strid, 
Striegel, Strobel, Stromer, Stropp (Tau), Ströter (Straßen: 
räuber), Steud (Woltenzeug), Strudel, Stüber, Stud (Arbeit in 
Mörtel), Stuͤmmel (und Stümpel), Stug, Stuger, Sud, Süb, 
Sultan, Sund, Tabak, Tact, Tadel, Taffet, Tag, Talg, Tand, 
Tang (Meergras), Taß (Haufen Stroh, Raum in der Tenne), Tau⸗ 
mel, Tauſch, Teich, Teig, Teim (ſtumpfer Nagel), Teller, Tempel, 
Teppich, Termin, Terpentin, Teufel, Text, Thaler, Thau, Thee, 
Theer, Theil, Thon, Thran, Thron, Tiegel, Tiger, Till, Tingel 
(Latte im Schiff), Tipp (Spitze, Punct), Tiſch, Tiß (Bruſt der 
ſaͤugenden Mutter), Titel, Tod, Tof (und Tuf — Tufſtein), Toͤlpel, 
Toͤpfer, Jorp (bat Oberſte eines Dinges), Torf, Toſt (Buͤſchel, 
Quaſt), Trab, Trapp (Gebirgsart), Traß, Tribun, Tribut, Trichter, 
Trieb, Triebel (Werkzeug), Triller, Trippel (auch Tripel, Erdart), 

Tritt, Triumph, Troͤdel, Troß, Trott, Trotz, Trunkenbold, Tuf 
(was Tof), Tummel, Tuͤmpel, Tumpf (Einbug in eine Fläche), 
Tunnel, Twiel (Hanfwiſch auf Schiffen), Uhu, Unhold, Ur, Urian, 
Urin, Urlaub, Vampir, Verdacht, Verhau, Verluſt, Verweis, Ver⸗ 
zicht, Vetter, Vieifraß, Vitriol, Wachholder, Wahn, Waid (Pflanze), 
Wallach, Walm, Wandel, Wardein, Warf (Eintrag beim Gewebe), 
Wart, Wechſel, Weck, Weg, Wegeruh, Weiher, Wein, Weiſel, 
Werder, Werth, Wermut, Weſt, Wibel, Wicht GBoͤſewicht), Widder, 
Wiedehopf, Wimpel, Wind, Wink, Winkel, Winter, Wipfel, Wir⸗ 
bel, Wirrwarr, Wirt, Wiſch, Wismut, Wiſpel, Wittwer, Witz, 
Witzbold, Wucher, Wuͤrfel, Wuſt, Zain (Metallſtab), Zauber, Zeiſig, 
Zelter, Zettel, Zeug, Zickzack, Ziegel, Zierat (auch Zierath, Zierrath), 
Zimmet, Zink, Zins, Zipfel, Zirkel, Ziſch, Big, Zobel, Zoll (Laͤngen⸗ 
maß), Zorn, Zuber, Zuck, Zucker, Zuͤgel, Zunder, Zupf, Zwang, 
Zweck, Zweifel, Zweig, Zwerg, Zwick (Beruͤhrung, Nagel), Zwidel 
Zwieback, Zwilling, Zwirn, Zwiſt, Zwitter. — Die Verbalſubſtantiva 
auf -er: Leſer, Hörer ꝛc. und bie Bildungen auf — liug: Juͤngling, 
Buͤckling, Daumling, Drilling, Engerling, Findling, Fiuſterling, 





— 13) — 


Fremdling, Friſchling, Fruͤhling, Froͤmmling, Gruͤndling, Haͤcker⸗ 
ling, Guͤnſtling, Haͤuptling, Hoͤfling, Lehrling, Liebling u. a. 


Anm. 1. In dem Verzeichniß ſind auch jene Woͤrter angeführt, welche 
den Umlaut ſchon im Sing. haben. Dieſe, wie jene, deren Plur. nicht 
gebräuchlich iſt, können zur 1. wie zur 2. Declin. gerechnet werden. — | 
Die umgelauteten Plur. Fläuſche (W. Aleris, Schag d. Temp. 132), 

Pächte (W, Aleris, Roland 2, 297; Immermann, Münchh. 1, 126; | 
auch bei Campe), Arme (König, Brautf. 1, 265), Ausrüfe (Goethe, | 
W. 22, 61), Zwiebäde (Eichel., Über], v. Axel 1,226), Rolbfpäthe 
(Goethe, W.43, 110), Berlüfte (Heine, Reifeb.2,68), Seburtstäge 
(Immermann, Mündh. 4, 243), Körke (Laube, N. Reifen. 3, 101; 
J. Paul, Leben Fibeld 2. Nachcap.), Schlüde (Nehfues, Sc. Cic. 2,224), 
Quäfte (Schüge, Unf. Pr. 2, 103), Krähne (Stefjens, V. Norw. 1, 
417), Dörfche (Daf. 1, 218) weichen von dem gewöhnlichen Sprachges 
braudy) ab. — Der Plur. Züber (Fr. Mrüller 1, 367) gehört mehr der 
Volksſprache an. — Mord hat nhd. im Plur. Morde, bei Zincgref im 
17. Jahrh., ja ſchon in einem Freiburg. Rundfchreiben aus dem 14. Jahrh. 
(Wadernagel II. 944,4) Mörde. — Seltene Pluralformen find Munde 

. (md. munde nad) 1. und münde nad} 2. Decl.), Hafſe. Ic zeig’ Euch 
des geliebten Gäfars Wunden, die armen ftummen Munde, heiße bie 
flatt meiner reden, Shaffpeare, Zul. Cäfar 3,2. Geiler von Keiferöberg 
fagt im 16. Zahrh.: Vns flinden die münde. Künftig follen vereint 
ſtehn alle die Haffe als Gränghut gegen den Feind, daß er davor erblaffe, 
Rückert, gef. Ged. 3, 236. Der Plur. Knalle findet fich bei X. Grün, 
Ged. ©. 90; Strande daf. 153, (Schmitthenner verlangt den Plur. 
Strände); Zorne bei &h. Huber, EU. Perc. 2, 30 (Ausg. v. 1822); 
Flure bei W. Aleris, Wold. 2,258; Rufe bei Klopftod, Meſſ. 19,457; 
Mohne bei Goethe (Vened. Epigr. 84). Bon Schlot hat X. Grün 
(ed. 240) den PL. Schlötte, W. Aleris, Wold. 2,2 u.0., Schlotte, 
Luchs hat nah Campe im Plur. Luchfe, Hoffmann v. Fallersl. hat 
(Sed, 1, 41, Ausg. 1834) Tüchfe. 

Anm. 2. Einige Subft. haben im Plur. das neutrale -er: Geift, Leib, | 
— Ort (mhd. gemöhnlicd) das, zuweilen der DO.) hat einen doppelten 
Plur. Drte und Oerter. E38 hat fi) allmälich ein Unterfchieb der 
Bedeutung feftgefegt, der aber nicht immer beobachtet wird; Orte ift 
alterthümlicher und edler: Auf den Hügeln liegen Orte, Schlöffer, 
Häufer, Goethe, ital. Reife. — Wicht (Böfewicht) hat Wichter und 
(edler) Wichte: In drei Häufern kamen biefe Böfewichter zufammen. 
Goethe, Leben 5.8. Bon Ealten Böfewihten .„.. den Böfe- 
wichtern. Rüdert, — Die Volksſprache hat noch mehrere foldher -er 
bei Wörtern männlichen und fächlidyen Gefchlechtes, und vermehrt ihre 
Zahl fortwährend. Der Ausdrucksweiſe des Volkes fcheinen auch anzuge⸗ 
hören, oder doch daran zu gränzen: Münder bei KI. Schmidt und 
W. Aleris (öfters z. B. Schlacht bei Torgau 70), Radiefer bei. | 
W. Aleris (Roland 3, 166), Refter bei Laube (N. Reifenov. 1, 14). | 


Anm. 3. Das Wort Greis follte, ald urfprüngliches Adjectiv, ſchwach 
biegen, und fo findet es fich zumeilen auch: Eh’ mich Greifen ergreift 
im Moore Nebelduft. Goethe, an Schwager Kronos. Es flarrt, von 
taufendjähr'gem Eis umfangen bes Greifen fchauervoller Bart, Shi: | 
ler, Aeneis &, 47, | 
/ Anm, 3, Manche Wörter ſchwanken zwifchen ftarker und fchwacher Form, 
. was theils in veränderter Flexion (früher ſchwach nun flark, oder umges 
kehrt), £heils in verändertem Gefchlecht, theils in falfcher Analogie feinen 
Grund hat. Ahn (mhd. an fhw.), Dorn (mhd. dorn f,), Flitter, 








— 73 


Borft (mbb. forst fl.), Sau (der u. das, mbd. das göu, göuwe fl.), 
Gevatter (mhd. gevatere ſchw.), Lorbeer (mhd. das lörber ft.), Maft 
(mhd. mast fl.), Nach bar (mhd. nächgebüre ſchw.), Pfau (mhd. pfäwe 
ſchw.), See (mhd. der se, Gen. sewes ſt., fpäter auch sewe, Gen, sewen 
fhw.), Stachel (mhd. die stachel), Strahl! (mhd. ber sträl, Plur. 
strele und bie sträle, Plur, strälen), Strauß (mhd. strüz ſt., strüje 
Ihw.), Better (mhd. vetere fhw.), Untertban und Zierat follen 
nah Beder im Sing. ſtark, im Plur. ſchwach biegen. Die Schrift: 
ftellee weichen mehrfach ab, wie nachfolgende Beifpiele zeigen. Wie 
König Saul nah Eurem Ahn (wirft) den Spieß. Uhland, das Stänb- 
hen. Des Ahnen Aberwis wird auch bes Entels fein. Haller. Des 
falfhen Kranzes Dornen rigen Deine Hand. Goethe, Eugenie 1, 6. 
Richt Rofen bloß, auch Dornen hat ber Himmel. Schiller, Piccolo: 
mini 3,4 Sch will ber Erde Dorne Dir aus dem Wege thun. 
NRüdert, gef. Geb. 4, 184. Den wader im Adler zerflochen die Dörner. 
3. Klay. Wie leicht vergißt, wer ftill beim nahen 3iele fit, die Dör⸗ 
ner, bie vielleicht ihn auf dem Weg gewitzt. Cronegk. Die Flittern 
der Stadt. Kofegarten. Und fol ich beichauen ... bie grünenden 
‚Bauen. Goethe, Idylle. Zwei wunderlihe Gevattern. Rückert, 
gef. Geb. 4, 233. Blühende Lorbeer’ ummindet des Sängers Stirne. 
Klopftod, Meſſias A, 610. (In der Quartausg. v. 1755 fteht richtiger 
Lorbern.) Die ſtarken Maften ftehn bereit. Goethe, Kauft2. Immer 
lockt der Hoffnung Wind unverfudte Maften. Rüdert, gef. Ged. 4,211. 
(Steffens und Pyrker gebrauhen den Plur. Mafte.) Einen freien 
Rahbar... Freundfhaft ber Nachbarn. Goethe, Bög v. Berl. 3. 
Des Nachbars Ungewinn. Rückert, gef. Geb. 4, 61. Der eine flich . 
an feines Nachbarn Perüde. Daf. 4, 229. Uns befchäftigt nicht der 
Pfauen, nur der Gänfe Lebenslauf. Goethe, Mufen und Grazien in 
der Mark, Die Herzen alle diejes biedern Volkes erregt ich mit dem 
Stachel meiner Worte. Schiller, Zel 2,2. Kannft Du ihm mit einer 
Stachel die Backen durchbohren? Luther, Bibelüberf. Hiob AO, 21. 
Früh am Morgenftrahl, Schiller, Zell 3,1. Alſo fprah er und 
wandte fein Strahlen werfendes Antlid. Sonnenberg. Sch bin ein 
Gefelle der Straußen. Luther, Bibelüberf. Hiob 30, 29. Im Solde 
meines Vettern. Rüdert, gef. Ged. 1, 171. Nach meines Vettern 
- Haufe. Goethe, Samont 5. Den Better zu weden. Goethe, R. Fuchs 
11,407. Die Bettern waren anfangs auch bei der Gefellichaft. Goethe, 
Leben 5.38. Daß in Wäldern, noch fo groß, ich mein Haupt Tann kühn⸗ 
lich legen jedem Unterthan in Scheß. 3. Kerner, der reichfte Kürft. 
Ich bin nicht vorbereitet, was ich ald Bürger diefer Welt gedacht, in 
Worte Ihres Unterthans zu kleiden. Schiller, Don Karlos 3, 10. 
(Der Katfer) wird um fo viel Unterthanen ärmer! Schiller, Piccol. 1,2. 
Anm. 5. Außer den in Anm. 4. genannten ſchwanken: Aar, Bär, 
- Bauer, Burfche, Fels, Halm, Mond, Papagei, Keif, 
Schalter, Shelm, Schiefer, Schild, Sinn, Staat, Stie— 
fel, Shmerz, Angel, Ziegel, Muskel, Nerv. — Aar (mbb. 
ar fhw.) gebrauchen Ramler (der Karen Beute), M. Beer (Geb. 1835. 
879) und Gutzkow (Blaf. 1, 330) ſchwach. — Bär (mhd bör ſchw.): 
Der Löwe winkt dem Bär. Pfeffel. Die Bäre wollen nur burd 
Strenge heilig machen. Leſſing. Wer Dir wol ben Bären angebunden 
haben mag. Wieland. — In Bauer haben fich zwei Kormen gemifcht: 
Der Bauende (überall flard) und der Wohnende (ſchwach, erhalten in 
KRahbar): Dem Bauer eine Laft. Goethe, Kriegsglüd. Sie mochten 
ale Bauern erfcheinen. Goethe, Meiſters Lehrj. 7,6. Es fteden noch 
piele. Häufer drin, die nur beg Bauers warten. Rüdert. Der Landflurm 


[4 


— 71741 — 


rief ben Bauer. Derſ., gef. Ged. 3, 208. — Das Wort Burſche (ahd. 
mhb. nicht vorhanden) findet ſich bei Goethe ſtark und Schwach, im Plur. 
vorherrſchend ſtark. Wenn man einen treuen Burjchen findet. Goethe, 
Jery u. Bätely. Wie fich die platten Burfche freuen! Goethe, Fauſt 1. 
— Fels (ahd. der fälis und bie feltsa, mhd. ber vels fl.) lautet nhd. ber 
(in der Volksſprache auch die) Fels, Ben. Kelfes und Kelfen, und 
bee Felſen, Gm. Felſens. — Halm (mhd. halm ft.) foll nach Beder 
und Schmitthenner im Plur. nur Halme haben. Nüdert (gef. Geb. 
1, 373) reimt die Halmen auf Palmen. Auch Schiller (8. Räthfel) 
fagt im Heim: Sie bricht wie dünne Halmen ben ftärkflen Baum ent= 
zwei. — Mond (mhd. mäne ſchw. f. $. 26.) und Thron, im Ging. 
ftart, ſchwanken im Plur.: Da gingen andre Sonnen und andre Mon⸗ 
den auf, Goethe, die glüdlihen Gatten. Ehre das Geſetz ber Zeiten 
und der Monde heiligen Gang. Schiller, das eleuſ. Feſt. An bem Fuß 
der feften Thronen. Goethe, Eugenie 2, 4 Wie man Thronen 
vorzuftellen pflegt. Goethe, Meifters Lehrj. 1, 15. Gerne läßt er feine 
Throne, niedert fich zum Erbenfohne. Schiller. Die in ber Bibel 
vorfommenden höheren Wefen (Xihronen) biegen nur ſchwach. — Paz 
pagei (mhd. popegan ft., im 17. Zahrh. 3. 3. im Efellönig Bappegey 
ſchwach) gebraucht Goethe im Sing. ſchwach, Rüdert im Ging. ftark, 
im Plur. ſchwach, Gaudy u. A. überall ſtark: Sie fragt den daͤmoniſch⸗ 
weifen Haus: Papageien. Goethe, nachgel. W. 6, 289. Es wohnt’ 
ein Franzmann nah dabei; ber hatt’ auch einen Papagei, Rückert, 
gef. Geb. 3, 448. Dort find nicht grau bie Papageien. Daf. 4, 301. 
Reif (mhd. reif ft.) in Oberdeutfchland Reifen. Aber als der geiftliche 
Herr den goldenen Reif nun ſteckt' an die Hand bes Mädchens. Goethe, 
Herm. u. Dor. 9, 2850. Noch einmal fei der goldenen Reifen Beſtim⸗ 
mung, feft ein Band zu knüpfen. Daf. 9, 243. — Schalter (mhd. der 
und die schalte = flaches dünnes Holzfcheit, Schiebeftange der Schiffer) 
gebraucht Goethe (dev Goldfchmiedsgefelle) im Plur. ſchwach: Und thut 
fie erft die Schaltern auf. — Schelm (mhd. schelme ſchw.) wird 
ſtark und ſchwach (meift ftark) gebraucht: Dein Vater ift zum Schelm 
an mir geworden, Schiller, W. Tod 3, 18. Es gibt Schelme neben: 
bei. Goethe, zahme Kenien V. Wo jeber fich für einen Schelmen gibt, 
und feines Gleichen auch für Schelmen nimmt. Goethe, Zaflo 8,5. — . 
Schiefer (mhd. schivere fchw.) wird von Abdelung der ſtarken Form zu⸗ 
gewiefen; MRüdert (gef. Ged. 3, 194) fagt mit ſchwacher: Die Schie⸗ 
fern Enattern am Kirchenthurm. — Schild (mhd. schilt ft.) ſoll im 
Sinne von Schußwaffe im Plur. Schilde haben; bei Goethe findet fich 
auch Schilder: Schilde, fogar Harnifche wurben gemacht. Goethe, 
Meifters Lehrj. 1, 7. Sonſt waren Schwerte, undurchdringliche Schil⸗ 
der und bal. ihre berühmteften Arbeiten. Goethe, Meiftere Wander]. 
3, 6. — Sinn findet ſich ſchon mhd. ſtark (meift) und ſchwach; fo aud) 
bei Opitz, Fr. Spee und 9. Gerhardt im 17. Jahrh. Stieler in feinem 
Wörterbud (vom 3. 1691) gibt im Plur. nur die ſchw. Form (Sinnen) 
an; Goethe, Wieland, Bürger, Ubland gebrauchen neben der (gewoͤhn⸗ 
Vicheren) flarken auch die ſchwache Hluralform. — Staat (mhd. stat ſt., 
vom lat. status) hat ſtarken Sing. und fhwahen Plur, — Stiefel 
(mhd. der stival ft. aus mittellat. aestivale, Sommerfußbekleidbung) bat im 
Sing. ftarke, im Pur. flarke und ſchwache Form: In fpanifhe Stie⸗ 
fein eingefchnärt. Goethe, Kauft 1. — Schmerz (mäb. smörze ſchw. 
männl. u. ft. weibl.) bat im Gen, Shmerges und Schmerzens, 
im Plur, ſchw. Schmergen: Wo ich meinen Schmerzen enden will. 
Saller. Des Schmerzens. Ruckert, gef. Geb. 85, 280. Was, zum 
Beh au, mir zum Schmerzen, Daſ. $, 805, Ich denke für den 


> 


1 — 


Schmerzen.” Daſ. 4, 148. Doch war ihm bas verfagt zu feinem 
Schmerze Daf. 4, 145. Zagebed... EB hmerzens folgten darauf. 
Goethe, Meiſters Lehrj. 2, 4. Alsdann ſollt ihr in das Heiligthum des 
Schmerzes eingeweiht werben. Goethe, Meifters Wander. 2, 2. — 
Bei Angel (mhd. der angel fl.), Ziegel (mhd. die zigel fl.) unb ben 
fremden Muskel und Nerv (und Rerve) erklären fih bie abweichen: 
den Formen aus bem verfchiedenen Gejchlecht, da fie männlich und weibs 
lid vordommen. — Er (der Fifcher) ſah nach dem Angel. Goethe, der 

iſcher. Daß des Erdballe Angeln ſchwanken. Campe Daß kein 

tegel durch Feuchtigkeit angegriffen fei. Goethe, ital, Reife. Solche 
Biegeln kenne ich gar nicht. Daf. — Hierzu bient auch wohl ein küm⸗ 
merliber Mus kel. Goethe, ital. Reife. Indem des Tobes Gefühl ihm 
jede Rerve befihleicht. Klopitod. 

Anm. 6. Die Beitbenennungen März, April, Mai, Auguft, Lenz 
(mhd. mörze, aberölle, meie und meige, ougeste, lenze) giengen früher‘ 
nach ſchwacher, nun nach ftarker Form; boch bat fi die Ihwache Form 
von einigen noch mehrfach erhalten, namentlich bei Rüdert: Im frühen 
Märzen. Wieland, Idris 3, 114. Im Merzen. Rückert, gef. Geb. 
2,251. Dem Maien. Bürger, NRacdıtfeier der Venus. Des Mai’s. 
Rüdert, gef. Ged. 6, 229. Unter bed Maien Zhau. Daf. 6, 139. 
Im fhönen Maien. Daf. 3, 23. So kommt ein Mai im andern Mai. 
Daf. 6, 265. Es kommen zufammen der Maie zwei. Da. 6, 265. 
Aller Schmud bed Lenzen. Daf. 6, 392. 

Anm. 7. Donig (mhd. der und das honec, honic) gebraucht Goethe in 
doppeltem Gefchlecht: Verfhmähet ihr fo den Honig, ben mancher be= 
gehret? R. Fuchs 2, 61. Sparet das Honig für Andre, Daf. 3, Ai. 

Anm. 8. Dadurch, daß bie Bezeichnungen ber Weltgegenden mit denen 
ber Winde vermengt wurden und werben, finden wir jene ganz willfürs 
lich declintert, Die ahd. Formen west, Ost, sund, nort find aus den 
urfprünglich adjectiven gleichbedeutenden bas wästan, Östan, sundan, 
nordan gekürzt. — Aus dem Weſt und Dfte. Kückert, gef. Ged. 2, 19. 
Nah Süden, Weft und Norden. Daf. 3, 332. Nah Dft und 
Weſten, nah Süd und Norden. Daf. 2, 148. Gegen Nord und 
Oft. Daf. 8,401. Schau zum Oft. Daf. 8, 337. Bei bes erglühten 
Dften Stralenbrand. Daf. 2, 3231. Gegen Norden ... in Nordweſt 
... gegen Weften.... gegen Südoft. Goethe, ital. Reife, 

Anm. 9. Bei Subftantiven aller Gefchlechter und allee Declinationen 
findet fich bei vielen Schriftftellern die fremde Pluralform -8, die eigents 
lich nur folhen Wörtern zukommt, die mit unveränderter Pluralform in 
die deutfche Sprache aufgenommen find, ſich dann aber auch auf andere 
fremdes und endlich (gang verwerflih) auf rein deutfche Wörter ausges 
dehnt hat, jedoch meiſt nur in der Redeweiſe des gemeinen Lebens, oder 
einer falfchen Vornehmthuerei. Bei mehreren fcheint die Korm darum 
gewaͤhlt, meit die deutfche mißlautend, oder Sing. und Plur. gleichlautend 
wäre. Man vgl. 3.8. den Mamfells. Goethe, 25,352. (Den) raus 
teins. Goethe 12, 156. Die Meubels. Goethe 3,853. Doktors. 
Shiller 3, 43. Meine Generals. Schiller 6, 129. Die Hatſchiers 
.. dreißig bandfefte Kerle. Daf. 6, 409. Mit den Uhus. Goethe 
8, 129. Da gibt's „guten Tags‘ und „guten Abends’, daß kein 
Ende if. Goethe 44, 98. " Den Mädels. Schiller 3, 15. uern 
Bräutigamd. Goethe8,37. — Zahlreiche Beiſpiele (meift aus neueren 
Schriftfielern) bat gefammelt Gortzitza im Progr. des Gymnafiums 
zu Lyck 1843. — Schon im 17. Jahrh. heißt es im 4. Geſicht Philanders 
von Sittewald: „etlidre mürrifhe unmillige Kerle.” Im Cimpli- 
tiſſimus (Nurnb. 1688, 1, 9) kommt auch der Sing. Keris vor. 








— 1 — 


Zweite Deelination. 


$. 120. 

—Gothiſch. Althochd. Mittelhochd. Neuhochd. 
Sing N. gast-s kast gast a 

G. gast-is kast-es gast- es Saft - e8 

D. gast-a. kast-a gast-e Saft-e 

A. gast kast gast Saft 
Pur. N. gast-eis kest-i gest-e Säft-e 
— G. gast- kest- jo gest-e BSäft-e 
D. gast-im kest- im gest- en Säft- en 
A. gast- ins kest-i gest-e BSäft-e 


Anm. 1. Wörter mit unbelegtem Plur. können goth. auch zur 1. Deck. 
gehören; auch im Plur.' findet fi neben dem Acc. äivins (nach der 
2. Decl.) der Dat. äivam (nad) der 1. Decl.). 

Anm. 2. Im Plur. hat Notker ſchon e für 1. Das jo (eo) des Sen. 
Plur. wird allmälich zu 6, wie im goth. & (geste) für je fleht. Einige 
Wörter ſchwanken in bie 1. "Declination, f. $. 119. Anm. 2. 

Anm. 3. Die Weglaffung des Safus=e ift mh». wie beit ber 4. Decl. 

Anm. 4 Die Weglaffung bes Gafus:e ift nhd. wie bei der 1. Deck. 


$. 121. 


Nach der zweiten Declination gehen nhd. nur umlautsfähige 
Mörter (die mhd. zum Theil nicht umlauteten und darum nad) der 
1. Dec. giengen), und zwar 1) einfache: Aft, Bach; 2) Bildungen 
mit -el, -en, -er: Apfel, Hafen, Ader; 3) Bildungen auf 
-thum: Irrthum, Reihthum; ; 4) Blldungen mit der Vorſylbe ge: 
Sefang, Geruch. — Folgende (morunter auch fremde) dürften die 
gebräudjlichften fein: Aal, Abt, Ab⸗, Anz, Aus:, Bei:, Ein:, Ver: 
trag, Acer, Ader-, Anlaß, Altar, Anfang, Apfel, Arzt, Aft, Bach, 
Balg, Ball, Band, Bart, Baft, Bag, Bau, Bau, Baum, Baufd, 
Bifhof, Block, Bol, Boden, Brand, Brauch, Bruch, Bruder, 
Budel, Bug, Bund, Buſch, Chor, Choral, Dachs, Damm, Dampf, 
Darm, Draht, Drang, Drud (Ab⸗, Ausdrud), Duft, Dung, Dunft, 
Einwand, Faden, Fall, Fang, Floh, Flor, Fluch, Stug, Fluß, Froſch, 
Froſt, Fuchs, Zug, Gang (Ab-, Ausgang), Gaft, Gauch, Gaul, 
Genuß, Geruch, Sefang, Geſchmack, Seftant, Glanz, Gott, Grund, 
Gruß, Guß, Hader, Hafen, Hahn, Hals, Hammel, Hammer, Han 
del, Hang, Hans (Prahlhans), Herzog, Hof, Huf, Hut, Kamm, 
Kamp (umzäuntes Feld), Kampf, Kahn, Kanal, Kauf, Kauz, Klang, 
Kloß, Klog, Knauf, Knopf, Koh, Kopf, Korb, Koth, Krach), Kram, 
Krampf, Kranz, Kropf, Krug, Kuß, Laden, Lab, Lauch, Lauf, Lauft 
(Zeitläufte), Lahn, Lug, Mangel, Mantel, Markt, Marfh, Mar: 
(hal, Moraft, Muff, Nabel, Nagel, Napf, Dfen, Ort, Pabft, 


— 1 — 


— 

Palaſt (minder gut Pallaſt), Paß, Pfahl, Pflug, Pfuhl, Plan, 
Platz, Probſt, Puff, Qualm, Rahm (mhd. Pl. ræme), Rand, Ranft, 
Rang, Rank, Rath, Raum, Rauſch, Rock, Roſt, Ruch, Rumpf, 
Ruſch (in Nordd. Binſe, in Suͤdd. die Ruͤſter), Saat, Sad, Saft, 
Sang, Sarg, Sattel, Sag, Saum, Schacht, Schaft, Schalt, Schall, 
Schag, Schaum, Schlaf, Schlag, Schlauch, Schlund, Schlunk, 
Schlupf, Schluß, Shmad, Schmag, Schmaus, Schnabel, Schopf, 
Schoß (Schon), Schub, Schuß, Schutt, Schutz, Schwager, Shwamm, 
Schwan, Schwank, Schwanz, Schwarm, Schwulft (auch die Schw.), 
Schwung, Schwur, Sohn, Span, Spaß, Sprud, Sprung, Spund, 
Stab, Stahl, Stall, Stamm, Stand, Stank, Stod, Storch, Stoß, 
Strang, Strauch, Strauß (Blumenftr.), Strom, Strumpf, Strunk, 
Stuhl, Stumpf, Sturm, Sturz, Sumpf, Tanz, Thurm, Ton, 
Topf, Trank, Traum, Trog, Tropf, Trug, Zrumm, Trumpf, Teupp, 
Vater, Verdruß, Vogel, Vogt, Vormund, Vorwand, Magen, Ward, 
Wal, Wanft, Was, Wolf, Wurf, Wunfh, Wurf, Wurm, Zagel, 
Bahn, Bank, Zaum, Zaun, Zoll (Abgabe), Zopf, Zug. 

Anm. 1. Über die ſchwankenden Formen f. $. 119. Anm. 1. 

Anm. 2, Auch bei der 2. Declin. finden ſich Pluralbildungen auf -er 
($. 1419. Anm. 2.): Gott, Mann, Hundsfott, Rand, Wald, 
Straub, Wurm und die Bildungen auf -thnm: Jrrthum, 
Reichthum; neben Sträucher, Brüder (Sümpfe) und Würmer 
finden fih auh noh Sträuche, Brühe und Würme (mhd. strüch, 
Plur. strüche nah 4. und wurm, Plur, würme nach 2. Declin.): Du 
ruheſt zwifchen Rohre und Sträudhen. Hagedorn. Blumen und 
Sträude.- Goethe, W. 28, 10. Auf Sträudern und Bäumen, 
Schiller, Wallenſteins Lager 7. An ben Gebirgen flechten ſich Eleine 
Sträucher durcheinander. Goethe, Briefw. mit Schiller. Brüder, 
Laube, NR. Reifenov. 1, 337. Pückler, Briefe 1, 217. Brüche. Daf. 
4, 218. Beichräntt von dieſem Bücherhauf, den Würmer nagen, 
Goethe, Fauſt 1. (Ich ziehe) den Burfchen leicht bie Würmer aus der 
Naſe. Daf. — Strauß Hat im Plur. Sträuße; Rüdert (gef. Geb, 
4, 312) fagt: Mit der Leinah Blütenfiräugern. Trumm (mhd. 
das drum = Ende) ift nhd. im Sing. nicht fehr gebräuchlich (Voß fagt 
ber Kelstrumm), bafür ſteht meift die aus dem Plur, genommene 
Form die (auch) der) Trümmer, woher der Plur. Trümmer und 
Trümmern. Auf biefem Trümmer. Zachariä. Eine große Trüm⸗ 
met. Klopftod. 

Anm. 3, Einige Woͤrter find ſchwankend in Bezug auf den Umlauf, ober 
werben von Grammatitern beftimmt ber 1. oder 2. Declination zuge⸗ 
wiefen, aber von den Schriftftellern nicht immer darnach angewendet; 
Alp, Ball, Bau, Boden, Fund, Bund, Gau, Gaul, Hahn, 
Hammer, Herzog, Huf, Karft, Laden, Lohn, Pfad, Plan, 
Qualm, Ruß, Schaht, Sturz, Vormund, Wagen. — Alp 
(mhd. alp, Plur. elbe) lautete früher im Plur. Elbe und Elben, fpäter 
(nad) dem Englifhen) Elfen. — Bon Baft (mhd. hast, Pl. beste nach 
2. Deck.) ift der Plur, nicht gebräuchlih. — Bau (mhd. bu, Plur. bue 
nach 1. Decl.) hat in ber Volksſprache die Bäue, und auch Kieiſt fagt: 
Laßt ihr nur darum ew'ge Bäue gleipen, um ſchnell biefelben wieder 
einzureigen? Sonſt ift der Plur. Bauten in Gebrauh. — Boben 

‚(abd. podum 3 mhd. bodem u, boden) und. Baden (ahd. fadum, mhd. 
er a Pe a 
% a .” N . 





1 — | 


vadem u, vaden) früher ahne, jept meift mit Umlaut; Gig Faß it papier⸗ 
nen Böden. Goethe, Meiſters Lehri. 2,4. Die Scheunen und Bö⸗ 
den. Daf. 7,6. Die Fußboden waren getäfelt. Goethe, Kampagne 
: m Frankr., Zrier 29. Det. Die vielen verfchränkten Faäden. Goethe, 
Meiſters Wanberj. 2, 5. Mit ber Linken faßte er bie Inden zuſammen. 
Dof. 3,4, — Bund (mhd. vont, Plur, vände), nad Sampe im Plur, 
ünde, bat bei Rehfues (Se. Cic. 1.8. Einl, 39. 4, 6, 109) im Plur, 
unde, — Bon Bund (mhd. bunt, Plur. bunde) gebraucht Schiller 
(Tel 1, 4.) den Pur. Bünde, 8. Alexis (Wold. 2, 358) Bunde — 
Gauch (mbb. gouch, Plus. gouche nad 4. Decl.) ſchwankt, doch ſteht 
meift Gäuche, zuweilen (ſchwach) Gauchen: Wie würden Dorf und 
Staͤdte voll loſer Gauchen ſein. Opiz. — Gaul (mdh. gol, Plur, 
güle, in urgat = Eber nach 1. Decl.) Hat gewoͤhnlich Gaͤule, zuweilen 
Saule: Die Gäule ſtuürzen und noch vor dieſer Schlacht! Klopftock, 
Hermann und bie Fürſten 1. Sie ſteigen von den Gaulen. Uhland, 
bie Döffinger Schlacht. H. v. Kleiſt (Gef. Schriften 1826. Thl. 3. ©. 9 
u. 19 u. o.) hat Gaule und Gäule. — Hahn (mhd. han ſchwach) 
ſchwankt zwiſchen ſtarker und ſchwacher Form, doch iſt Hähne die ge⸗ 
bräuchlichere x Als wie von des Hahnen Frau Henneberg und Henne⸗ 
gau; und die meift fih Höhne nannten, unfre Nachbarn, die galons 
ten, die auf Münzen und auf Fahnen eine Zeitlang führten Hahnen. 
. Rüdert, gef. Geb. 5, 363. — Hammer (mhd. hamer nach 1. Deck.) hat 
im Plur, meift den Umlaut, Mahlmann (6, 48) fagt Hammer, Pyrker 
(Makkabäer 1) Hämmer. — Herzog (mhd. herzoge ſchm., fo noch 
im 16. Jahrh.) hat im Plur, Herzoge und (öfter) Herzöge: Von 
unfern alten Herzogen und Helden. Uhland, norm. Brauch. — Huf 
(mbd. huof, Plur. hüeve nach 2. Deck.) follte im Plur. Hüfe haben, 
doch ift Hufe gebräulicher: Als wie von Roſſes hufen. Bürger, Lenore, 
— Karft (mhd. karst, Plur.?) Scheint nach der Volksſprache im Plur. 
den Umlauf zu verlangen (fo hat auch Muſäus, Volksm. 2, 79); Stieler 
gibt im Plur. Kärſte, Campe und Schmittbenner Karfte an. — 
Laden (mhd. nicht vorhanden) hat im Blur. Laden und Läden, ohne 
daß dabei die Bedeutung immer gefchieden wird, Die Senflerladen. 
Dpis. Geh, ſchließ die Thür zu und die Laden. Rückert. Wir be: 
fuchten fogleich die namentlich gerühmten Läden. Goethe, Sampagne in 
Frankreich. — Kohn (mhd. lön, Blur, Joene nach 2. Deck.) ift im Plur. 
nicht gebräuchlich. — Plan hat bei Goethe und Schiller im Plur. meift 
Plane, felten Pläng, bei andern Schriftjtelleen öfter Pläne als 
Plane — Qualm, nah Schmitthenner im Plur. Qualme, nad 
Sampe Duälme, fo auch bei Goethe: Der feuchten Duälme Nacht. — 
Ruß (mhd. ruog, Plur. rüeze nach 2. Deck.) ift nhd. im Plur, nicht ges 
braͤuchlich — Schacht (mhd. schaht, Plur. schabte?) hat im Plur, 
Schachte und Schächte. Haller fagt mit ſchwacher Form: Du haft der 
Schachten Erz aus Salz gefchmelzt. — Sturz hat nach Gampe im 
Plur. Stürze; Gorthe fagt (Kauft 2, 7): Bon Sturz zu Sturzen. — —— 
Bormund (ahd. foramundo, mhd. vormunt, von diu munt = Schug) 
hat bei Lufher Bormünde, fpäter Vormünder: Zu den Aslteften 
und Vormünden Ahabs. Luther, Bibelüberſ. 2. Kön. 10, 1.5. — 
Wagen (mhd. wagen, Plur, wagen nach 1. Decl., im 15. Jahrh., 3.2. 
bei D. Schilling im Plur. Wagen und Mägen, bei Geiler von Keiferss 
berg im 16, Jahrh. im Plur. Wegen) gebraucht Goethe im Plur, ohne, 
andere Schriftfteller mit Umlaut. — Sattel (mhd. satel, Plur. setele) 
gebraudt Mügge (Chev. 2, 10) abweichend im Plur. ohne Umlaut. 
Anm. 4 Seltene Pluralformen find: Ein Genuß auf zwei Berdrüffe, 


g 2 5. Fu ext, 39 ed. &, 202. Wie fih ihrem dunkeln Schatten lichte 













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lan n. Dah, 6, 198, Haͤder und Bänd thatft 
Du —ãâ— Sachs, d. rn Laß fie fih winden wier. 
Aele in er Renfje. Goethe, Sög v. Berl, 4. (mhd. al, Plur. aeie, nhb. 
nach vielen im Plur. Aale). Gefhmäde Schillers und Goethes 

Zenien: Neuefte Schule. Stähle. Goethe, Leben 15.8. (26, 336.). Vf 
Andränge. Derf., ital, Reife (27, 27). Abdrücke. Derf., daf. 29, Wurm. 

96). Hoſenlaͤtze. Gutzkow, Blaf. 1,446. Ränge Hoffmann 323 
Fallersl. Unpolit. Lieder 2, 13, Schwän ge. Klopftod, Meſſ. 13, IT Gel 0 
837, Stürze Laube, Siebesbr. Einl. 27. 





Dritte Declination. \ 
6. 122, 
Gothiſch. Althochdeutſch. 
Sing. NR. sun-us sun -u 
G. sun-ans sun-es 
D. sun-au sun -ju 
A. sun-u sun-u 
Plur. N. sun-jus ı sun-t 
G. sun-ive sun-e6 . 
D. sun-um sun - im ' 
A. sun-ung sun-t 


Anm. Diefe-Declination ift im Laufe der Zeit allmälich ausgeftorben. 
Gothiſch finden fich etwa vierzig, althochd. etwa zehn Wörter, bie nad 
diefer Declination gehen; mittelhochd. find noch mäte, schate, sige, site, 
vride vorhanden, die ganz wie hirte nach ber 1. Del, gehen, aber auch 
Thon mitunter bag e verlieren. — Neuhochd. haben bie hierhin gehörigen 
Wörter ihr e ganz abgeworfen (Meth, Sieg) und gehen nah Zag, 
theils gehen nach fie ber 2. Deck. und erhalten ben Umlaut, der aber un⸗ 
organiſch tft, ba das mittelhochd. e Hier Fein altes i ‚ fondern u war, alfo 
keinen Umlaut wirken kann: Sohn, Buß, Sad, Bahn; theils gehen 
fie nach der Schwachen Declination, wie Friede, Schatte. — Luft 
und Sitte find nur weiblich. 


b) Starte Feminina 
Erfte Declination. 


6, 123, 
\ Gothiſch. Althochdeutſch. 
—— — —— 
Sing N. gib-a kunth-i köp-a chund -i 
©. gib- ös kunth - jös köp-6 chund-t 
D. gib-ai kunth -jai kep-6 chund -t 
A. gib-a kunth-i ° köp-a chund -t 
Pur. N. gib - os kunth - jös köp -6 ehund-i 
G. gib-6 kunth - jö köp-0nö chund-ono 
D. gib - öm kunth -jöm köp - öm chund- im 
4. gib - ös kunth -jös köp - 6 chund -1 


. Nam. 
88 N 
Mittelhochdeutſch. Neuhochdeutſch. 

N en " 
Sing. N. geb-e zal Sab-e 
G. geb-e zal Gab-e 
D. geb-e zal Sab-e 
4. geb-e zal . Sab-e 
Pur N. geb-e zal Gab-en 
G. geb- en zal-n ®ab-en 
D. geb-en - zal-n Sab-en 
U. göb-e zal Gab-en 


Anm. 1. Das zweite Paradigma kunthi (das im Acc. Sing. ausnahms⸗ 
weife kunthi flatt kunthja hat, alfo das a abwirft), verhält ſich zu dieſer 
Declination, wie bei ber 1. männl, Decl. das Paradigma hairdeis, harjis. 

Anm. 2. Kero gibt dem Gen, Sing, A, dem Dat. Ging. u, dem Nom. 
und Acc, Plur. 6: kepa, köpa, köpu, köpa; köpd, köpönd, kepom, kepd. 
Die weichere Mundart bei Iſidor, Otfried, Zatian bildet den Gen. 
wie Kero, führt aber auch im Nom., Acc. Plur. & flatt ö ein: gäba, 
gebä, gebu, geba; gebA, gäbönd, gäböm- (gEbön), geb. Notker decli⸗ 
niert: keba, kebö, kebo, köba; keba, käbon (ftatt kebono), kebon 
(flatt köböm), köba. — Das Paradigma chundi, das nicht redht zum 
goth. kunthi paßt, bietet weniger eine Declination dar, als vielmehr Auf⸗ 
löfung früherer Caſus, für den Sing. Erflarrung in einem einzigen. 

Anm. 3. Myhd. fällt das flumme e nach Liquiden weg; einige vocalifch 
auslautende find im Sing. ohne alle Gafusendung: bra, kla (ftatt bräe, 
kläc), der Plur. ſchwankt: bra, klA und bran, klän, zumeilen noch in 
vollerer Form brawen, kläwen. — Die goth. und ahd. Bildungen auf -t 
fehlen mhd. und nhb., d. h. fie fallen mit gebe, Gabe zufammen, z. B. 
herte, kelte, milte, roete, bürde, decke, ribte; Härte, Kälte, Milde, 
Röthe, Bürde, Dede, Richte, 

Anm. 4 Aus dem frühern Schwanken zwifchen ſtarker und ſchwacher 
Borm hat fich nhd. eine gemifchte in der Weife feftgefest, daß alle orga= 
nifch ftarfen Wörter der 1. Deck. den Plur. nun ſchwach, alle organifch 
ſchwachen den Ging. ſtark bilden: folglich gehen mhd. gäbe und zunge 
nhd. einftimmig. — Die Bildungen auf -el, er werfen das ftumme e 


weg: Gabeln, Federn; das tonlofe e bleibt: Zahlen, Shladhten. 


$. 124, 


Nach der erften Declination gehen nur unumlautende Wörter, 
und folche, die den Umlaut ſchon im Sing. haben und zwar: 1) einfache: 
Amme, Bitte; 2) Bildungen mit -el, -er: Mufchel, Natter; 
3) Bildungen mit -de: Freude, Zierde; 4) Bildungen mit -in, -ung: 
Königin, Hoffnung; 5) Bildungen mit - ei, -beit, - Eeit, - fchaft: 
Druderei, Schönheit, Herrlichkeit, Leidenfhaft; 6) Bildungen mit -be: 
Farbe, Schwalbe; 7) Bildungen mit -e: Krippe; 8) Bildungen mit 
-e von Adjeetiven und Verben: Güte, Größe, Dede; 9) Bildungen 
mit ge-: Geſchichte, Gnade. — Folgende (darunter auch fremde) 
bürften die gebräuchlichften fein: Abtei, Achfe, Achfel, Acht, Ader, 
Adreffe, Ahle, Ahm (auch Ohm), Ahne, Ähre, Aloe, Alpe, Ameife, 


— 81 — 


Amme, Amnier, Ampel, Amſel, Andacht, Angel (auch ber Angel), 
Anke, Anleihe, Anftalt, Antwort, Aprikofe, Arbeit, Acche, Arie, 
Armut, Art, Arznei, Alche, Afpe, Aſſel, Atzel, Au, Aufter, Bache, 
Bachftelze, Bade (auch der Baden), Bahn, Bahre, Vai, Bale 
(Zeichen der Seefahrer), Balche (Kifh), Ballade, Balz (Begattung 
und Begattuingögeit größerer Vögel), Bande, Bank (Spielb.), Barke, 
Bafe, Baufe (Entwurf bei Malern und Bildhauern), Beere, Begier, 
Begierde, Behörde, Beichte, Beſchwerde, Beuche (Waͤſche, Handlung 
des Beuchens), Beuge, Beule, Beute, Bibel, Biege, Biene, Bihne 
(in Hüttenwerden), Bille, Bitfe, Binde, Birke, Birne, Bitte, Blanke 
und Blaͤnke, Blafe, Blatter, Bleiche, Blende, Blindfchleiche, Blume, 
Blüte, Bohle, Bohne, Bombe, Borke, Börfe, Borfte, Brache, 
Braffe (Seit auf Schiffen), Breche, Bremfe, Brille, Brofame, 
Brüde, Brühe, Brunft, Brut, Büchfe, Bucht, Budel, Bude, 
Bühne, Bühre (Bettüberzug), Bulle, Bürde, Burg, Buͤrſte, Buße, 
Bütte, Butter, Geder, Gitrone, Cypreſſe, Dame, Darre, Dattel, 
Daube, Dauer, Dede, Deichfel, Diele, Diefe (Rohe in Hüttenwer⸗ 
een), Dille (Pflanze, Röhre), Dinte, Dirne, Diftel, Dode, Dohle, 
Dohne, Dolde, Dofe, Drachme, Drefhe, Drohne, Drommete, Droffe 
(Takelwerk, Haufe gleichartiger Dinge), Droffel, Drufe (Geftein, 
vermwittertes Erz), Drüfe, Dune, Düne, Dufel (Weibchen einer 
Vögel), Düte (auch Tüte), Ede, Eder, Egge, Ehe, Ehre, Eiche, 
Eichel, Eidechſe, Eile, Elegie, Elle, Eirige, Eifter, Ente, Epoche, 
Erbfe, Erde, Erle, Ernte, Erve (Pflanze), Efche, Efpe, Efie, Eule, 
- Kabel, Fackel, Faͤhe, Sahne, Fahre (Furche), Fähre, Fahrt, Fährte 
(Spur), Falbel (Beſatz an Kleidern ꝛc.), Falle, Falte, Familie, Färbe, 
Faſe, Faſer, Faſte, Feder, Fee, Fege (Werkzeug), Fehde, Fehe (Fell 
bei Kuͤrſchnern), Fehm, Feifel (bei Pferden), Feige, Feile, Felbe 
(Weidenart), Felge, Ferſe, Feſſel, Fiber, Fichte, Fiedel, Finanz, 
Finne, Firſte, Fiſche (Theil eines Fiſchbandes bei Schloſſern, auf 
Schiffen Hoͤlzer zur Befeſtigung des Maſtes), Fiſtel, Fitze (Band, 
Faden), Flabbe (Maul), Flagge, Flamme, Flanke, Flaſche, Flatſche 
Fladen) Flauſe (leere Ausflucht), Flechſe, Flechte, Fliege, Flieſe 
(dünne Platte), Flinte, Flitſche, Flitter, Flocke, Floͤße, Floͤte, Flucht, 
Fluhe (in der Schweiz eine Steinmaſſe), Flur, Flut, Focke (Segel, 
Reiher), Fohre (Fiſch), Foͤhre und Fohre (Kiefer), Folge, Folter, 
Form, Fracht, Frage, Franſe, Fratze, Frau, Fregatte, Freſſe, Freude, 
Friſt, Fritte (Menge, Gemenge, beſonders in Glashuͤtten), Frohne, 
Fuge, Fuhre, Furche, Furcht, Gabe, Gabel, Gaͤhre, Galle, Gallerte, 
Gant, Garbe, Garde, Gaſſe, Gebaͤrde, Gebuͤhr, Geburt, Geduld, 
Gefahr, Gefaͤhrde, Gegend, Gehre (ſchraͤge Richtung), Geige, Geile 
(Hode), Geiß, Geiſel, Gemeinde, Gemſe, Gerechtſame, Gerſte, Gerte, 
Geſchichte, Geſtalt, Gewaͤhr, Gewahrſam, Gewalt, Gicht, Giebe 
(Winde bei den Nadlern), Gier, Gierde, Gilde, Glatze, reihe (Gifts 


Kehrein Grammatik. 1. 1. 


— #8 — 


ꝓflanac), Stade, Stofle, Glut, Gnade, Goſſe, Sranate, Granne, 
Srappe (quch der Grapp), Graͤte, Graupe, Grenze, Griebe, Grille, 
Grotte, Grube, Gruͤtze, Guͤlte, Guyſt, Gurgel, Gurke, Habe, Hacke, 
Haft, Halde, Hälfte, Halfter, Halle, Hanſe, Harfe, Harke (Werke 
zeug), Haſel, Haſpe und Haſpe (Daten), Haſt, Has, Daube, Haue, 
‚Debe, Hechel, Dede, Hefe, Heide, Heimat, Heirat, Heiſter (junger 
Baum), Hellebarde, Henne, Derberge, Herde, Hetze, Deufchrede, 
Der, Hilfe, Himbeere, Hippe, Hitze, Hode, Hoͤlle, Horde, Dur 
Hufe, Hüfte, Huld, Hülle, Hülje, Hummel, Hürde, Hure, Huf, 
Hütte, Hugel, Dpacinthe, Hymne, Imme, Inſel, Inzicht, Jude, 
Jagd, Sugend, Jungfer, Kabel (Strid, Theil), Kachel, Kamille, 
Kammer, Kanne, Kanone, Kante, Kanzel, Kapelle, Kappe, Kapſel, 
Karauſche (Fiſch), Kurdärfhe (Werkzeug zum Reinigen), Karde 
Dife), Kardufe (Papierrolle, Patrone), Kartaͤtſche (Kugel), Karte, 
Karthauſe, Kartoffel, Kaſtanie, Katze, Kehle, Kehre, Kelle, Kelter, 
Kerbe, Kerze, Kette, Keule, Kiefer, Kieme, Kippe, Kirche, Kirſche, 
RKuͤſte, Kige (Kahe, junge Ziege), Kladde (Schmug, Schmubbuch), 
‚Klappe, Klapper, Klatſche, Klaue, Klauſel, Kleie, Klemme, Kette, 
Klinge, Klingel, Klinke, Klippe, Klopfe, Ktunfe, Kluppe, Kluͤſe 
(Löcher an Schiffen), Kneipe, Anopper (Gallapfel), Knoſpe, Anute, 
Kogel (Kopfputz), Kohle, Kolbe, Koppe (Gipfel), Koppel, Koralle, 
Koſt, Köche (Höhlung), Krabbe (Seekrebs, Eleines Kind), Kräbe, 
Kralle, Kraͤmpe, Krämpel, Krappe (Krapfen bei Büchfenmacsen), 
Krate, Krauſe, Kreide, Kreſſe, Krieche (Kriechente, Pflaumenart), 
Krinne (Rinne), Krippe, Krone, Kroͤte, Kruͤcke, Krume, Kuppe 
iſen bei Windenmachern), Kıufle, Kruͤtze (Werkzeug im Bergbau), 
"gübe (Hafpel der Tuchmacher), Küche, Kufe, Kugel, Runde, Kunfel, 
‚Küpe (Rufe), Kuppel, Sur, Kür, Kurbel, Küfe, Kutſche, Kutte, 
‚Kae, Lade, Lage, Lampe, Lanze, Larve, Sof, Laterne, Latte, Laube, 
Lauer, Laufel (Laufdohne, Spur der Hühner und des Vicheg), Lange, 
Laune, Lawine, Leber, Lee, Leene (Ahorn), Lefze, Fehde (ungebautes 
Sand), Lehne, Lehre, Leiche, Leier, Leifte, Leiter, Lende, Lerche, Leſe, 
Lege, (Erquidung, Wehre), Leuchte, Liebde (bloß in Titulaturen), 
‚Liebe, Litie, Linde, Linie, Linſe, Lippe, Lift, Lifte, Lige (Schnur), 
Lok, Lode (herabhangendes Ding, Schößling), Lohe, Lohme (Kous 
"herart), Lorche (Pilz), Löfche (Kübel, Kohlenftaub, Hammerſchlag), 
Lotte (Röhre im Bergbau), Lüde, Lüge, Luke (Öffnung), Lunge, 
Luͤnſe Achſennagel), Lunte, Lurde (getheerter Strick auf Schiffen), 
"Burke (Knoten im Garn), Luth (Werkzeug auf Schiffen), Luste 
(Schlammherd in Goldbergwerken), Made, Mahd (das Gemaͤhete), 
Maͤhne, Mähre, Mabrele, Matve, Mämme (Bruft), Mandel, Man: 
tel, Mark, Marke, Marſch, Marter, Maſche, Mafer, Maske, Maße, 
Mafie, Map, Matte, Mauer, Mauke (Nferdekrankheit, Ungeziefer, 
- geheimer Aufbemahrungsort), Mauth, Meile, Meife, Meide, Mes 





— 3 


lone, Menge, Meffe, Meteo, Metze, Mewe (Moͤwe), Mieke (gabei: 
foͤrmiges Werkzeug beim Schiffbau), Miene, Miethe, Milbe, Milch, 
Minion, Milz, Mine, Minne, Minute, Minze, Miſpel, Mifket, 
Mitgift, Mode, Moͤhre, Molke, Morchel, Moſchee, Motte, Muckr 
(Laune), Muͤcke, Mühe, Muͤhle, Mulde, Mumme, Münze, Muſchel, 
Muskel (auch der Musket), Muſe, Muskete, Muße, Muͤtze, Muth 
-in Ans, De⸗, Groß-, Lang⸗, Sanft-, Schwer⸗, Wehmuth, Mytthe, 
Mythe, Nabe, Machtigall, Radel, Nahme in Ab⸗, Anz, Aus⸗, Ein⸗, 
Zunahme, Narbe, Narciſſe, Narde, Nafe, Natter, Natur, Neer 
(Bewegung des Waſfers), Reige, Netke, Nerve (auch der Nerv), 
Meſſel, Niere, Niete, Nixe, Note, Nothdurft, Müde (auch Mucke), 
Nudel, Null, Nummer, Nuͤſter, Rymphe, Obacht, Oblate, Ode, 
Orgel, Oſtern, Otter, Pacht, Palme, Pappe, Pappel, Partel, Partie, 
Bartifane, Paftete, Patſche, Pauke, Paufe, Pein, Peitfche, Perte, 
Perſon, Peruͤcke, Peſt, Peterfilie, Pfatz, Pfanne, Pfarre, Pfebe 
(Kuͤrbiß), Pfeife, Phngften, Pflanze, Pflaume, Pflege, Pflicht, 
Pforte, Pfoſte, Pfote, Pfruͤnde, Pfüge, Pide (fpiges Werkzeug), 
Pieke, Pille, Pinge (Bersiefung im Bergbau), Pinte, Pinke (Schiff, 
Lachs), Pinne (fpiger Nagel, Hammer), Piftazie (Pflanze), Piſtole, 
Page, Plampe (kurzer Degen), Plane (Dedtuh), Planke, Piärre, 
Placte, Plinte (glatter Unterfag in der Baukunſt), Plöge (Weißſiſch), 
Pole, Pomeranze, Pofaune, Polfe, Pop, Pracht, Prämie, Predigt, 
Peeile, Preſſe, Pritſche, Probe, Pucht (Boden in Salzwerken, Block 
ins Forſtweſen), Pumpe, Puppe, Putze, Quat, Quappe (Eich, 
Froſch), Quecke, Quelle, Quitte, Raa u. Rahe (Segelſtange), Rache, 
Kaffel, Rakoete, Ralle (Vogel), Ramme (Werkzeug), Range, Hanke, 
Rappe (Kraͤtze, Pferdekrankheit), Raſpe (Flughafer), Rafpel, Raſſet, 
Waft, Ratte, Rage, Raude, Raufe, Rauke (Schotengemaͤchs), Raupe, 
Raute, Rebe, Recke, Rede, Rege (Handlung, Werkzeug), Regel, 
Neibe, Reihe, Reife, Religion, Rente, Neue, Reuſe, Richte, Klefo 
Rinne), Riefel, Riffe und Riffel (Werkzeug), Rinde, Rinne, Rippe, 
Mifpe, Rise, Röhre, Rote, Romanze, Roͤſche (Waſſergraben), Rofe, 
Roſine, Roffe, Rüde, Rüge, Ruhe, Ruhr, Ruine, Rune, Runge 
(kurzer dicker Körper), Runkel (Runkelruͤbe), Runfe, Runzel, Rüfe, 
Rüſter, Ruthe, Rutſche, Saat, Sache, Sage, Säge, Sahne, Saite, 
Salbe, Salve, Sänfte, Saripe (Strauß, Buͤſchel Fruͤchte), Sarbelle, 
Saͤule, Schabe, Schachtel, Schale, Schäle, Schalte, Scham, 
Schande, Schanze, Schar, Schärpe, Schare, Schaste, Schau, 
Schaube, Schaufel, Schaukel, Schede, Scheibe, Scheide, Schelfe, 
Schelle, Schelte, Schenke, Scherbe, Schere, Scheu, Scheuer, Scheune, 
Schicht, Schiebe, Schiene, Schindel, Schacht, Schlacke, Schläfe, 
Schlange, Schlappe, Schlauder (auch Schtaͤuder u. Schlender), Schlehe, 
Schleife, Schleihe, Schleiße (geſchlißnes Ding), Schleppe, Schleuße, 
Schlichte, Schließe, Schlinge, Schlippe, Schloße, Schlote (Pflanze), 
6 % 





— 3 


Schlucht, Schluft, Schluͤpfe, Schmach, Shmade Schiff), Schmarre, 
Schmelze, Schmerle, Schmiede, Schmiege, Schmiele (Grasart), 
Schmiere, Schmiete (Seit auf Schiffen), Schmilbe (mas Schmicele), 
Schminke, Schnake, Schnalle, Schnappe (Maul, bei Jaͤgern ein 
Zub), Schnarre, Schnauze, Schnede, Schneide, Schnepfe, Schnigge 
(Kahrzeug auf der Nordfee), Schnitte, Schnuppe, Schnurre, Scholle, 
Schoͤpfe, Shore (Stüge im Schiffbau), Schote, Schramme, 
Schranke, Schraube, Schrift, Schuld, Schule, Schulter, Schuppe, 
Schur, Schürze, Schüffel, Schütt, Schwalbe, Schwalpe (Stüde 
am Maft), Schwarte, Schwebe, Schwefze (Seit bei den Jaͤgern), 
Schwelche u. Schwelte (Pflanze), Schwelle, Schwemme, Schwefter, 
Schwiele, Schwinge, Schwippe (langes biegfames Ding), See, 
Seele, Sehe, Sehne, Seide, Seife, Seige u. Seihe, Seite, Se: 
Eunde, Semmel, Senke, Senne, Senfe, Sente (Latte im Schiffbau), 
Sege, Seuche, Sichel, Sicht (Ab=, An-, Ausſicht ıc.), Siede, Siele 
(Theil des Pferdegefhires), Sitte, Sode, Sode, Sohle, Sonne, 
Sorge, Spache (Pfahlſtuͤck), Spake Chölzerner Hebebaum auf Schif⸗ 
fen), Spange, Spanne, Specerei, Speiche, Speife, Epelle, Spelze 
(ipiges Ding), Spende, Sperre, Spiere (Stange auf Schiffen), 
Spille (langes, Tpiges Ding), Spindel, Spinne, Spleiße, Sponde 
GBettgeſtell), Sportel, Sprache, Sprehe (Vogel), Spreu, Eprenge; 
Sprige, Sproffe, Sprüde (Grasſtuͤck), Spule, Spur, Staffel, 
Stampfe, Standarte, Stange, Stapfe, Stätte, Staude, Steige, 
Stelle, Stelze, Stenge (Üverfag des Maſtes im Schiffvau), Steppe; 
Sterze, Steuer, Stimme, Stirne, Stolle, Stoppel, Storze (Wolle); 
Strafe, Straße, Straube (ftraubiges Haar, Backwerk, abgeſchlagene 
Stuͤckchen von eifernen Werkzeugen), Strecke, Streihe, Streu, 
Striegel, Strieme, Strippe (an Stiefeln), Stropp (Schlinge am 
Stropptau), Streoffe (Stufe im Bergbau), Strupfe und Struppe 
(rauhe Rinde an den Füßen der Pferde), Struppe (an Eätteln und 
Burten), Stube, Studel (Säule bei Handwerkern), Stufe, Stülpe 
und Stulpe, Stunde, Stürze (Dre im Bergbau, Dedel), Stute, 
Stüge, Sucht, Sühne, Sülze, Summe, Sünde, Suppe, Tafel, 
Zalje, Zamarinde, Zange (Nadel der Fichte ıc.), Tenne, Zante, 
Tapete, Zarantel, Zuppe, Tartane (Fahrzeug), Tartſche, Taſche, 
Zaffe, Taſte, Zage, Zaube, Taufe, Zare, That, Thrane, Thüre, 
Ziene (Gefäß), Tilke (enges That), Tille (Nöhre), Zinte, Zonne, 
Torte, Tracht, Zrage, Trampe (Stange), Zranke, Zrappe (Spur der 
Tritte), Zeappel (bei den Papiermachern Bret mit Löchern), Traube, 
Trauer, Zraufe, Treber, Zrenfe, Treppe, Zrefpe (Grasare), Zreffe, 
Trefter, Treue, Trift, Troddel, Trommel, Trude (Here), Trüffel, 
Truhe, Truppe, Tüde, Tugend, Zulpe, Zünde, Tunke, Zufche, 
Tüte, Twaͤſe (Querlatte am Webftuhl der Leindumaftweber), Uhr, 
Ulme, Urne, Beiper, Biole, Viper, Waare, Wube, Wache, Wacht, 








% 
j 85 
— — — — 


Wachtel, Wacke, Wade, Waffe, Waffel, Wage, Wahl, Walke, 
Walze, Wamme, Wampe, Wange, Wanke, Wanze, Warte, Warze, 
Waͤſche, Watte, Webe, Wehr, Weiche, Weide, Weiſe, Weihe (auch 
der Weih), Weile, Weiſe, Welle, Welt, Wende, Weſpe, Wette, 
Wicke, Wieche, Wiede, Wiege, Wieſe, Wieſel (auch das Wieſel), 
Winde, Windel, Wippe, Witſche, Witwe, Woche, Woge, Wolke, 
Wolle, Wonne, Wucht, Wunde, Wuͤrde, Wurzel, Wuͤſte, Wuth, 
Zahl, Zaͤhre, Zange, Zarge (Zaun), Zaſer, Zaſpel (Maß), Zaucke u. 
Zaunke u. Zaupe (Hündin), Zeche, Zecke, Zehe, Zeile. Zeit, Zelle, 
Zenge (Kohlenmag in Hüttenwerken), Zieche u. Züge (Bettüberzug), 
Ziege, Bier, Bierde, Ziffer, Zinne, Zone, Bote, Zotte, Zunge, 
Zwetſchke, Zwiebel, Zwinge. — Die zahlreichen Bildungen von 4, 
5, 8 anzuführen fcheint ganz überflüffig. 


Anm. 1. Wörter, deren Blur. nicht gebräuchlich ift, können auch nach ber 
2. Decl gehen. — Seltne Pluralformen find: Den fchärferen Peinen 
folgten nun größere Hulden. Görres, Myſtik 1, 484. Ihr ſollt nicht 
bereuen eures Lebens Kür zen. Rückert, gef. Ged.2, 55. Ale Schma⸗ 
hen. Dai. 2, 11. 


Anm. 2. Die Bildungen auf -niß bilden ihren Plur. noch nad älterer 

Form auf e, alio nach der 2. Decl., jedoch ohne Umlaut: Finfterniffe, 
Kenhtniffe. — Das Wort Niß (Lausei, angelj. hnitu, altn. nit, ahd. 
mhd. ni3) iſt im Sing. nicht gebräuchlich (die Voiksſprache ſagt im 
Sing. Nuß). 


Anm. 3. Früher hatten den Umlaut und giengen nach der 2. Deelin.: 
Brut, Bucht, Burg, Fahrt, Flut, Geburt, Glut, Saat, Suddt, 
Schlucht, That, Jugend, Tugend, Geduld, Armut, Sunft, Haft ıc. 
Daraus erklären fih die Blur. Waldfhlüchte bei Mügge (Zouff. 3 
195) und Schlüfte bei Eichendorff (ed. 35 u. 0.). 


Anm. 4 Zehe (ahd. zeha, angelſ. altn. tä, engl. tae, überall wefblich, 
mhd. die, zumeilen der zehe) ift nhd. weiblich, wird jedoch auch männtlid) 
gefunden. Weihe (abd. wiwo. wie, mhd. wie, überall männlich) ift 
nhd. weiblih und (Weih) männlich. Wiefel (ahd. wisela, mbb. 
wisele, überall weiblich) ift nd. weiblich und fählih. Pracht (frühre 
männlich, fräter weiblich) wird noch von Opitz (F 1639) und Gotticheb 
(+ 1769) mitunter männlich aebrauct, 3. B. mit dunklem Wörters 
pracht. Gottſched, auf 3. 3. Rohdens Hochzeitfift. — Bis zum Nagel 
des Kleinen Zehs. Goethe, Götz dv. Berl. 1. Mit meinem großen 
Zehen (alio fhw. Form). Shakeipcare, K. Heinrich IV. 2. Thl. 1, 2. 
König ift der Weih. Schiller, Tell 3,1. Vor dem Weib. Nüdert, 
gef. Ged. 5, 330. eine Freunde waren nun auch der Marder, die 
Wieſel. Gocthe, R. Fuchs 12, 212, 


Anm. 8. Fahne (ahd. ſano, mhd. van) war früher männlich. Haller 
gebraucht das Wort ſächlich: Der das erhaltene Kahn mit feinem Blute 


hass mahtze. + —2 4, A In; Bhsfh, W 


- 


— 


— s60 — 


Zweite Declination. 


$. 125. 
Gothiſch. Althochd. Mittelhd. Neuhochd. 

Sing. N. mant-s maht maht Macht 

G. maht-ais melıt -1- meht-e Macht 

D. maht-ai medt -t meht-e Madıt 

%. maht maht mahıt Macht 
Plur. N. maht- eis meht-i meht-e Maͤcht- e 

G. maht-& meht-jo (eo) meht-e Maͤcht -e 

D. maht- im meht - im meht - en Maͤcht - en 

%. maht- ins meht-t meht- e Mädht-e 


nm. 1. Einige goth. Wörter fcheinen den Plur. nach der 1., den Ging. 
nach der 2, Deck. zu machen. &o findet fih Luc. 15,12. dail (portionem), 
Suc. 19, 13, dsilös (portiones), fo auch haim (vicum), häimai (vico), 
häimös (vicos), häimö (vicorum). = 

Anm. 2 Der ahd. Gen. Plur. nimmt bei den fpäteren Schriftſtellern 
Thon -6 ftatt eo, jo an; im Dat. Plur. zuweilen -um, -un, -on ftatt 
-im, -in; der Umlaut ift noch nidyt überall dDurchgebrungen. 

Anm. 3 Alle Wörter diefer Deck. koͤnnen mhd. im Ben. und Dat. Sing, 
das e ablegen, alfo beide Gafus dem Nom. und Acc, gänzlich gleich 
machen; feltner geſchieht es im Gen., häufiger im Dat, 


8. 126, 


Diefe Declination umfaßt nbd. nur umlautsfählge Wörter; die 
ebehuattften find: Angft, Ausfluht, Art, Bank, Braut, Brunſt, 
ruft, Fauſt, Feucht, Gans, Geſchwulſt, Gruft, Hand, Haut, 
Kluft, Kraft, Kuh, Kunft, Kunft (Einkünfte, Zukünfte, Laube, 
M. Ch. 1, 182), Laus, Luft, Luft, Macht, Magd, Maus, Mutter, 
Naht, Naht, Noth, Nuß, Nuch (Buge, Zapfen bei Handwerkern), 
Sau, Schnur, Stadt, Tochter, Vernunft, Wand, Wucht, Wurſt, 
Zucht, Zunft. 
Anm. 1. Bei Sau und Schnur (mhd. sü, siuwe; snuor, snüere) 
ſchwankt der Gebrauch, doch find die Kormen mit bem Umlaut richtiger. 
— 53. G. Förfter (im Briefwechfel) nennt Leute ſolche Sauen, daß man 
davor erſchrecken werde. Daß ich nicht eine der grünen Schnuren er: 
greife. „gosse, Leben 2. B. Geiler von Keifersberg im 16. Jahrh. fagt 
hnüre, 
Anm. 2. In Weihnachten (mhd. ze wihen nahten) hat fich bie alte 
Form erhalten. — Nacht ift ſchon mhd. vielfach unregelmäßig. 
Anm. 38. Geltne (gam Theil fehlerhafte) Pluralformen find: In Bahr 
und Röthen. Ruͤckert, gef. Geb. 4, 351. Durch ber Bretter Kinften 
. und Risen drang ein Summen. Daf. 5, 427. Ic, feh es an ben Na: 
then „die find nicht von deutſchen Faden. Daf. 3, 240..: Auf -leichten 
Handen trägt er ihn zu ebnen Landen. Daf. 3, 55. Mit foldhen 
Machten. Daf. 3, 432, Wie die vereinten Machten in ftätem Gleichs 
gewicht fich felbft zu halten trachten, Galler, verborbene Sitten. Gibt 
es verfchiedene Bernünfte oder nur eine? W. Jordan, Ihr träumt! 





— 87 — 


Weckeruf an das Rongeberauſchte Deutſchland. — Der Ontiv Handen 
{ab, bei, mit, gu) findet ſich öfters, 4. B. Goethe, W. 25, 83. 28, 120, 
Schiller, W. 6, 322. Der %cc. fteht bei Goethe, W. 25, 346: Ging der 
Mutter in allem an Handen. Die angeführten Wörter lauten mhd. 
nöt, noete; Kluft, klüfte (ahd. chlaft, Plur. chlufti); nat, nete; hant, 
bende; maht, mehte; vernunft, vernünfte (nad) sigenunft, sigenünfte). 


Dritte Declination. 
8. 127, 


| Gothiſch. 
Sing. N. hand-us Pur. N. hand-jus 
G. hand- aus G. hand- ive 
D. hand- au D. hand-um 
%. hand-u A. hand-uns 


Anm. 1. Goth. find nur vorhanden: handus (and), asilus (Efelin), 
kinnus (Kinn), vaddjus (Wall), vritus (Herde). 

Anm. 2. Ahd., mhd. und nhd. mangelt biefe Declination ganz, indem 
die wenigen goth. Wörter in andere Detlinationen üßergegangen oder 
ganz ausgeftorben find. 


co)» Starte Neutra. 
Erfte Declination. 


8. 128, 
Gothiſch. Althochdeutſch. 
Sing. N. vaurd arb-i wort arp-i 
G. vaürd- is arb - jis wort- es arp - es 
D. vaürd-a arb - ja wort-a arp-e 
A. vaürd arb-i wort arp-i 
Dur. N. valrd-a arb-ja wort arp-i 
G. vaurd-2 arb - je wort=6 arp-jö (ed) 
D. vaurd-am ° arb-jam wort - um arp- um 
A. vaurd-a arb -ja wort arp-i 
Mittelhochdeutſch. Neuhochdeutſch. 
Sing. N. wort zil erb- e Wort Erb-e 
G. wort-es zil-s erb-es MWort-ed Erbe es 
D. wort-e zil erb-e Wort-e Erb-e 
A. wort zil erb-« Wort Erb-e 
Plur. N. wort zil erb-e MWort-e Etb-e 
G. wart-e zil erb-e Wort-e  Erb-t 
D. wort-en zil-n erb-en Worteen Erb—en 
A. wort il erb-e Wert-e Erbe 





— — 88, — 
Anm. 1. Zu goth. taurd und arbi vgl. $. 148. Anm. 1. 


. Anm. 2. Abd. wirft der Dat. Sing. zumeilen feine Endung ab, z. B. 
hüs ftatt hasa (hüse). 


Anm. 3. Rom mhd. flummen e gilt das bei dem Mafculinum $. 118. 
Anm. 2. Sefagte. Das tonlofe e wird ausnahmsweiſe in einigen Woͤr⸗ 
tern gekürzt, z. B. vel. ros, pferd, har, wip, lant für välle, rosse, 
pferde, häre, wibe, lande. 


Anm. 4 Dieſe Decl. ift nhd. völlig der erfien männlichen gleich; Wegfall 
des Caſus⸗e wie beim männlichen Geſchlecht, folglich a) des ſtummen in 
ben zwei⸗ und mehrſylbigen Bildungen auf -el, -en, -er: Siegel, 
Zeichen, Laſter. Die mit -en laffen im Dat. Plur. das n weg: Zeichen 
(ftatt Zeichenn) ; die einfylbigen: Zhal, Mahl, Spiel, Ziel, Heer, Meer 
haben durch die Bertängerung wieder ein unflummes e befommen: Spiele. 
b) Das unftumme e haftet in der Regel überall im Pl.: Beile, Bande; 
im Gen. und Dat. Sing. kann es wegfallen: Heiles, Heils; bie mit 
-Iein laffen e8 aus: Kindleins, Plur. Kindlein, 


g. 129. 


Nach diefer Declination gehen nur unumlautende Mörter, und 
zwar 1) einfahe: Beil, Brot; 2) Bildungen mit -el, -en, -er: 
Siegel, Eifen, Lafter; 3) Lingualbildungen: Pferd, Obſt; A) Bil: 
dungen mit -niß: Hinderniß; 5) vocalauslautige: Knie, Blei; 
6) Bildungen mit -e: Gemälde, Semüfe, Gefinde, Gewölbe (andere 
haben ihr e verloren: Gemaͤuer, Getäfel, Gluͤck, Stuͤck, Reich ıc.); 
7) Bildungen mit -de (te): Gebäude, Gebraͤude, Gehöfte; 8) Bil: 
dungen mit (dem verkleinernden) -fein: Kindlein; 9) Bildungen 
mit ge: Gefühl, Gewerk. — Folgende dürften die gebraͤuchlichſten 
fein: Abenteuer, Almofen, Alter, Antlig, Ab, Auge, Band, Banier 
u. Banner, Barometer, Bauer, Beden, Beet, Begehr, Beil, Bein, Bei⸗ 
fpiet, Beſchlaͤg, Beſteck, Bett, Bier, Biet, Blech, Blei, Blut, Boot, 
Bord, Brot, Bund, Bündel (aud) der Bündel), Chor, Ded (Berded), 
Didiht, Ding, Dornicht, Driet (Meſſerklinge bei Sammetwebern), 
Ed, Eis, Eifen, Ende, Erbe, Erz, Eftrih, Euter, Fardel (Tuch⸗ 
maß), Sell, Senfter, Ferkel, Feſt, Fett, Feuer, Fieber, Fteifh, Floß 
und (gebräuchlicher) Floͤtz (Rage der Erd: und Steinmaffen), Fluder 
(Serinne), Fohlen und Züllen, Fuder, Futter, Garn, Gat (Loc, 
Hintertheil des Schiffes), Gatter, Gebaͤu, Gebäude, Gebet, Gebirg, 
Gebinde, Gebiß, Gebtäfe, Geblüt, Gebot, Gebräude, Gebraufe, Ge: 
bruͤll, Gebrüte, Gebüfch, Gedicht, Gedärme, Geding, Gedoͤrn, Ge 
drang, Gefäll, Gefäß, Gefecht, Gefieder, Gefilde, Geflecht, Geflimmer, 
Geflügel, Geflüfter, Gefolge, Gefüge, Gefühl, Gehalt, Gehämmer, 
Behänge, Gehäus, Gehege, Geheiß, Geheul, Gehirn, Gehoͤfte, Ge: 
hoͤlz, Gehör, Gehören, Gekling, Geklippe, Gektüft, Gekräg, Ges 
kraͤuſel, Gekroͤſe, Gelächter, Gelände, Geländer, Geläut, Geleit, 
Selen, Geliſpel, Gelock, Gelübde, Geluft, Gemach, Gemaͤchte 
(Ehegemaͤchte), Gemaͤlde, Gemaͤß, Gemaͤuer, Gemenge, Gemuͤll, 





- — s89 —— 


Gemuͤſe, Genebel, Genie (auch der Genie), Geniſt, Geplaͤrr, Ge⸗ 
praͤnge, Geraͤth, Geraͤuſch, Gerede, Gericht, Geriem, Gerieſel, Ge⸗ 
ringel, Gerinne, Gerippe, Geroll, Geruͤcht, Geruͤſt, Gefäß. Geſaͤuſel, 
Geſchaͤft, Geſchick, Geſchiebe, Geſchirr, Geſchmeide, Geſchmeiß, Ge⸗ 
ſchnatter, Geſchoͤpf, Geſchoß, Geſchrei, Geſchuͤtz, Geſchwaͤrme, Ge⸗ 
ſchwaͤtz, Geſchwirr, Geſchwiſter, Geſchwuͤr, Geſenk, Geſetz, Geſeufze, 
Geſicht, Geſims, Geſinde, Geſindel, Geſpann, Geſpinnſt, Geſpoͤtt, 
Geſpraͤch, Geſtade, Geſtaͤude, Geſtein, Geſtell, Geſtirn, Geſtoͤber, 
Geſtraͤuch, Geſtuͤck, Geſtuͤhl, Geſtuͤte, Getaͤfel, Getaͤndel, Getaͤuſche, 
Getoͤn, Getoͤſe, Getrappel, Getraͤufel, Getreide, Getriebe, Getuͤmmel, 
Gevoͤgel, Gewaͤchs, Gewand, Gewaͤſch, Gewebe, Gewehr, Geweih, 
Gewende, Gewerbe, Gewerk, Gewicht, Gewimmel, Gewinde, Ge: 
winſel, Gewirbel, Gewirk, Gewirr, Gewitter, Gewitzel, Gewoͤlbe, 
Gewoͤlk, Gewuͤrm, Gewuͤrz, Gezaͤnke, Gezaͤun, Geziefer, Gezimmer, 
Gezuͤcht, Gezuͤngel, Gezweig, Gift, Gitter, Gleis, Gluͤck, Gold, 
Grummet, Haar, Haff, Haft, Herz, Heer, Haft, Hehl, Heil, Heu, 
Hirn, Holz, Horn, Jahr, Joch, Kameel, Karat, Kardeel (Tau), 
Karnieß (Theil des Geſimſes), Kehricht, Kinn, Kiſſen, Klafter (auch 
die Klafter), Kleinod, Knick (Zaun, Gehoͤlz), Knie, Koller, Korn, Koth 
(ſchlechtes Haus), Kreuz, Kupfer, Kuppel, Lab, Labſal, Lager, Laken, 
Land, Laſter, Laub, Leder, Lee (vom Wind abgewendete Seite des 
Schiffes), Leg’(Gemifd von Kupfer, Eifen und Arfenik), Leid, Lineal, 
Lob, Lohn, Loß (Loos), Loth, Luder, Mahl, Malter, Malz, Mandel, 
Mark, Map, Meer, Mehl, Merk (Augenmerk), Meſſer, Meffing, 
Metall, Mieder, Mittel, Moor, Moos, Münfter (auch der M.), 
Muß, Mufter, Netz, Noß (zahmes Vieh), Nößel (Mag), Obſt, Ohr, 
SL, Opfer, Paar, Pal, Panier (Banier), Panfter (Wafferrad), 
Papier, Paradies, Pech, Pergament, Pferd, Pflafter, Pfund, Peifter, 
Poreellan, Pult, Pulver, Rat (Strede in einem Fluß, Werkzeug), 
Raͤthſel, Recht, Neff, Regifter, Reh, Reich, Reifig, Revier, Rick (Latte, 
Zaun), Rind, Riff, Rimm (Holz im Wafferbau), Rohr, Roß, Rudel, 
Ruder, Salz, Schaf, Scheit, Schiff, Schild, Schilf, Schleep (Werkzeug 
auf Schiffen), Schmalz, Schmeer, Schmier (die Schmiere), Schod, 
Schoff (Vordertheil eines Elbkahnes), Schrot, Schwein, Echmert, 
Sch, Segel, Seidel, Seil, Sieb, Siegel, Siel (Schleuße in Marfch: 
laͤndern), Silber, Simmer, Spiel, ‚Spilt (Samenftengel mancher 
Kuͤchengewaͤchſe), Spriet, Stadet, Steuer; Stift, Stroh, Stüd, 
Takel, Talent, Tau, Teff (Grasart), Thermometer, Teftamente, 
Thal, Thier, Thor, Tockel (Debezeug auf Schiffen), Troß (Tau), 
Tuch, Zurnier, Ufer, Ungeziefer, Urtheil, Verde, Verdienft, Ber: 
lies, Vieh, Wahs, Wappen, Waffer, Wehr, Werft, Werg, Werk, 
MWefen, Wetter, Wied, MWiefel (auch die W.), Wild, Wort, Wrad, 
Wunder, Zeichen, Zelt, Zeug (auch der 3.), Ziel, Zimmer, Zinf, 
Zinn. — Die Bildungen von A und 8 anzuführen fcheint überflüffig. 








* 


— s0 — 


Anm. 1. Auge, Ohr, Hemd, Bett, Leib bilden ben Plur. ſchwach: 
Augen, Ohren, Hemden (auh Hemder, befondere in der Volkes 
fprahe, auch bei Gutzkow, Blafed. 3, 157; Hembde in Arndts Abent. 
bes Zungen Deutfchland), Betten (in der Volksſprache Better), 
Leiden. 

Anm. 2. Mehrere unumlautende haben im Blur. -er: Bild, Bret 
(Brett), Et, Feld, Geld, Gemüth, Geſchlecht, Geſpenſt, 
Glied, Kind, Kleid, Licht, Lied, Neft, Regiment, Reis, 
Rind, Weib. — Das Menſch, im Plur. Menſcher, hat noch 
nicht überall den böfen Nebenbegriff. Die Menfcher, die noch jest 
faſt Römiſch Muſter tragen. Opitz. Im ganzen Dorf ift Eein Geficht 
ber flinfen Hanne gleih. Das Menfch gefällt auch ungepugt, id) jag 
ed ohne Scheu, trotz mancher, die in Flittern ſtuzt. Hagedorn, ber ver: 
liebte Bauer. 

Anm. 3, Die Pluralbildungen auf -er nehmen immer mehr zu; die 
Bolksſprache geht hierin voran, bie Schriftfprache folgt nah. — Auch 
bei Schriftftelleen finden fich einzelne folcher Kormen, 3. B. Ungethüs 
mer (W. Aleris, Zw. Ncht. 3, 296), Feſtungswerker (Drollinger, 
Ged. 68), Gewichter (Eichendorff, Ged. 347), Gebilder (Klopftod, 
Od. 1,206), Beiner (Leutner, T. Brefp. 1, 66), Gewoͤlber (Mus 
fäus, Volksm. 3, 255). 

Anm. 4 Mehrere Wörter haben neben dem Plur. nach der 1. Deck. aud 
einen nach der 2. Decl., ohne fefte WVerfchiedenheit der Bedeutung, die 
man bi Wort, Ding, Gefiht, Liht, Band, Tuch jedoch meift 
beobachtet findet. — Wir haben über unfere Anbeter gezankt, ich will die 
Dinger noch immer fo nennen. Leſſing. Er verzerrte feine Gebärbe 
und machte bie häßlichften Gefichter feines Gefichts. Goethe, Benv. 
Gellini 4,5. So ummallten uns manche Sefichte ber grauenden Vor: 
zeit. Stollberg. Sanfter, rührender Schmerz deckt ihre Geſichte. 
Klopftod, Meif. 3, 107. Sch habe feit einigen Nächten fchredliche Ges 
fihter gehabt. Klinger 3, 93. — Holze, Horne, Korne, Kraute, 
Tuche unterfcheiden fich alö Arten von Hölzer, Hörner, Körner, 
Kräuter, Tücher, welche mehrere Stüde bezeichnen. — Wo beide 
Pluralformeln gebräuchlich find, ift die auf -e alterthümlicher und edler: 
Gemwande, Lande, Male, Thale, Stüde, Seile, Sceite, 
Siebe, Stifte Die feltnere Pluralform Schwerte gebraucht 
Goethe, Meifterse Wanderj. 3,6. Geſchlechte findet ſich fehr oft in 
Klopſtocks Meifias, z. B. 1, 110; 2, A62. 848; A, 1112; 5, 383, auch 
bei Goethe (3, 3. Hegira), NRüdert (gef. Bed. 2, 10. 3, 236. 6, 327) 
u. A. Nüdert fagt auch: Zu des Himmeld Felden (gef. Geb. 2, 163); 
den müben Augenlieden (gef. Geb. 8, 378). — Der Plur. Röhre 
(%. Grün, Spazierg. 48) ift minder gut ald Rohre (Schiller 3, 383; 
Goethe 1, 291. 292 u. 6.); Chöre erklärt fich aus dem männl. Chor; 
ebenfo Flöße, das auch männlid vorfommt, z. B. Voß, Odyſſee 8, 
248; Läger kommt oft vor, hat aber etwas Unregelmäßiges; noch aufs 
fallender find Spitäle (Duller, Loyol. 2, 184), Wämfe (Rebfues, 
Sc. Sic. 1, 107), Butterbröde (Spindler, Kön. v. Zion 3, 367), 
Häupte (zu Häupten, Bechftein, Fahrt. 2, 310, Zobrent. 93; zu 
Deinen Häupten, Wesel, Ged. 89; über unfern Häupten, Leutner, 
3. Brefp. 2, 136). Neben bem regelmäßigen Plur, Waffer finder ſich 
auch oft Wäffer, befonders bei neueren Schriftftellern. 

Anm. 5. Einige Wörter haben ein doppeltes Geſchlecht, doch herrſcht das 
neutrale vor: (Sr hat) ihm den Bündel abgepadt ... Sie raubten 
nun das Kieidberbündel, Goethe, der Müllerin Verrath. Geh, hole 
Dir einen der Raken, Goethe, Todtentanz. Man gibt mis einen Pad 








— 91 


Briefe. Goethe, Meiſters Wanderj. 1,6. Wie man ein Pad Zeitungen 
lief. Goethe, Meifters Lehrj. 6. Ich habe felbft den Gift an Zaufende 
gegeben, Goethe, Kauft 1. Den ftärkften Gift Eochen. 3. Paul, Titan 
4,262. Sie dradıte mir in das weißefte Zeug gewidelt den fchönften 
Knaben, Goethe, Meilters Wanberj. 1, 1._ Die nad und nach das 
Mark des fihern Landes fäulen. Haller, verdorbene Sitten. Wie 
eitler Fürften Pracht den Mark der Länder frißt. Haller, die Alpen. 

Anm. 6. Die fremden Barometer, Thermometer, Genie, Kro: 
todil, find gewöhnlich neutral, doch finden fid) auch Abmeichungen. 
Barometer und Thermometer gebrauden Lichtenberg und GI. 
Brentano männlihd; Genie Schiller (in. d. Künftl.) und Wieland (im 
Merkur) männlih; Krokodil Opitz männlich; Katheder gebraucht 
Herder neutral, Rüdert männlid, Rabener weiblich. 

Anm. 7. Leute kommt nhd. nur im Plur, vor, mhd. auch im Sing.: 


‘ 


Zweite Declination. 


$. 130. 
Althochd. Mittelhochd. Neuhochd. 
Sing. N. lamp lamp Lamm 
G. lamp-es lamb - es Lımm - 08 
D. lamp-a lamb - e Lamm-e 
%. lamp lamp Lamm _ 
Pur. N. lemp-ir lemb - er Lämm-er 
6. lamp-6 lemb- er Lämn- er 
D. lamp- um lemb - ern Lamm - ern 
%. lemp-ir lemb - er Limm-er 


Anm. 1. „Das goth. Reutrum zeigt nur zwei Declinationen, bie erfle 
und britte, d. h. Wörter mit der A und U-Flexion; nichts aber mas der 
zweiten männlichen und weiblichen entfpräde, aljo Feine J⸗Flexton. 
Wahrſcheinlich war diefe früher dennoch vorhanden und nur ausgeftors 
ben, wie auch bie neutrale U-Flexion im Ausfterben begriffen, auf wenige 
Wörter eingefhräntt und für den Pluralis nicht mehr gang erkennbar 
iſt.“ Grimm, Gefchichte der deutfchen Sprade ©. 917. 

Anm. 2. Das ahd. lamp geht eigentlid nach der erften Deel., wie wort. 
„Die Syibe -ir (niemals -ar, fpäterhin -er) ift eigentlich ein Bildungs 
mittel, und der Detl. mwefentlidy fremd, baher auch diefem erweiterten 
Plur, die gewöhnlichen Genitive und Dativendungen zutreten: küsir, 
hosiro, hasirum, hösir. Practifch läßt fich indeffen von dem Sing. hüs 
ein Plur. häsir, hasirö, hasirum, hüsir annehmen. Grimm, Gramm. 
1, 622. — Graff (IV, 1051.) führt aus dem Plur. an: Nom. hiuser, 
Gen. hüso, büsero, hüsiro, hiusero, huisero; Dat, hüsom, hüson, 
hüsun, hüseren, hiuseren, hiusern; Acc. hüs, hüsir, hüser. 

Anm. 3. Myhyd. gehört lamp im Sing. wie ahd. zur erften Decl., im Pl. 
bat es mit vielen andern bas ben Umlaut wirkende er. 

Anm. 4 Zum Behufe des Red. Habe ich eben ein eigenes Paradigma der 
zweiten Declination aufgeftellt, wohl wiffend, daß es ber ältern 
Sprache nicht gemäß ift. Diefe Declination mit dem pluralifchem -er 
laͤßt fih in mander Hinfiht mit dem Bildungs sm der Schwachen Decli⸗ 
natlon ($, 118, 133.) vergleichen, 





| 8. 131. 

Nach diefer Declination gehen nhd. nur umlautbare Wörter mit 
dem Pur. auf -er. Die gebräudlichften find: Aas, Amt, Bad, 
Band, Blatt, Buh, Dad, Daus, Dorf, Fach, Faß, Gemach, Glas, 
Grab, Gras, Gut, Haupt, Haus, Holz, Horn, Huhn, Kalb, Korn, 
Kraut, Lamm, Koh, Maul, Pfand, Rad, Schloß, Volt, Wamms; 
ferner Bildungen auf - mal und -thum: Denkmal, Fürftenthum. 

"Anm. 1: Auch hier nehmen die Plur. auf -er zu, 3. B. Läuber (Im: 
mermann, Epig. 2, 368), Eiländer (Dehlenfchläger, Infelr. 1, 23), 
Röſſer (Spindler, Bogely. 3, 212), Jöcher (Daf. 4, 35). — Zu diefer 
Pluralform gehören auch die der Volksſprache angehörenden Gen. Plur. 
Stüder, Maler, unb die männl. und weibl. Zager und Tagner, 
Wagner vor einem Zahlwort, die ſich auch bei einzelnen Schriftftellern 
finden, 3. B. Ein Stüder fieben bis acht Keris. Deblenfchläger, Infelr, 
2, 367. Ein Maler dreigig. Elsholg, Schip. 2, 124. 'n Wagner 
fechfe Holz. Fr. Müller 1,242, In Zagner drei bis acht. 9. v. Kleift 
2 


‚9. 
Anm. 2. Die Bildungen mit -mal ziehen oft die Ältere Pluralform 
-male vor: Merkmale, Denkmale (bei Goethe), Wundenmale 
(bei Uhland). — Die auf thum haben gewöhnlich den Plur. -er; dod 
fagt Rüdert Heiligthume, gef. Ged. 1, 7. 2, 184. 6, 162. 223. 262, 


Dritte Declination 


8. 132. 

Hierhin gehoͤrt, nah Grimm, goth. bloß ſaihn (Vermögen), 
Sen. faihaus, Dat. faihau, Acc. faihu ; der Plur. kommt nicht vor. — 
Die ahd. britte Declination enthält bloß fihu (Vieh) und witn (Hals), 
welche wie sunu (Sohn) declinieren (nach 3. ft. m. Decl.), außer daß 
der Nom. und Acc. Plur. (wenn ein Plur. vorkommt) dem Nom., 
Acc. Sing. gleich fein würde. — Mhd. zeigen fih noh Spuren in 
vihe und wite, welches legtere Wort meiftens maͤnnlich erfcheint, auch 
in wit apokopiert wird. — Nhd. ift jede Spur diefer Declination 
verfhwunden. Die etwa hierher zu rechnenden Bildungen auf -e 


mit vorgefegtem Ge- find oben $. 129. Nr. 6 genannt. 
Anm. Graff führt (I, 746) die ahd. Plur. Nom. und Acc. witn, Gen. 
Plur. wito und (III, 430) von fihu die Plur. Nom. f(v)öho, feo, Gen. 
fieho, Dat. fiehen, Acc. fihiu, feho; fieo, vähe an, 


B. Schwache Declination. 


8. 133. 


Die ſtarke Declination läßt Subſtantiven und Adjectiven eine 
zwar ähnliche, abet mwefentlic abweichende Form angedeihen, Die 
ſchwache vereinigt beide unter einer und derſelben Korm. Sin der 
Flexion der erſten ſchwachen Declination waltet der Vocal A vor, in 
der zweiten (mweiblih) 3. Althochd. ift der reine Vocal A ganz aus 
der ſchwachen Declination gefchwunden, und durch O erfegt worden. 





93 


Mittelhochd. find (tie nhbd.) alle Flexionsvocale in E verbünnt, doch 
befteht (mie nhd.) die Gleichheit der fubftantivifchen und adjectivifchen. 
Neuhochd. iſt vielfache Verderbniß eingeriffen, namentlich in Bezug 





auf den Sterionseonfonanten, der eigentlich N ift. 


2) Shwahe Mafculina. 


8. 134. 
- Sothifcd. Althochdeutſch. 
— — — — 
Sing: N. han-a vil- ja han -o will -jo 
G. han-ins vil-jins han-in will-jen 
D. han-in vil- jın han-in will-jen 
%. han-an vil-jan han-on(un) will-jun 
Pur. N. han- ans vil - jans han-on(un) will-jua 
G. han-ane vil- jane han - 8n6 will- jond 
D. han-am . vil- jam han - öm will-jom . 
%. Iran - ans vil - jans han-on(un) will-jun 
Mittelhochdeutſch. Neuhochd. 
— — — 
Sing. N. has-e hör nam Haf-e 
G. has-en bör-n nam-en Daf-en 
D. has-en ber-n nam-en Haf-en 
%. has- en bör-n nam- en Haf-en 
Pur. N. has-en bör-n nam-en Haf-en 
G. has-en ber-n nam-en -Haf-en 
D. has-en ber-n nam-en Haf-ın 
X. has-en bör-n nam-en Haf-en 


Anm. 1. Bon dem goth. hana und vilja gilt das $. 118. Anm. 1. Sefagte. 

Anm. 2. Ahd. ift im Ace. Sing. hanon, im Ylur. hanon, handnd, banom, 
hanon ältere und beffere Korm; in andern Denkmälern fteht die fpätere 
Sorm hanun. Rotfer hat im Gen. und Dat. Plur. hanön, fonft überall 
banen. — Das Puradigma willjo läßt ſich nur nach den älteften Denk⸗ 
mätern aufftıllen ; fpäter fiel das i (j) aus, und die Wörter gehen gang 
nad) bano, als: willo, willin etc. 

Anm. 3. Myhd. fällt bas ftumme e nad 1, r gänzlich weg (ber); nach m 
und n fällt es nur im Nom, Sing. weg (nam); das tonloje e bleibt: 
buole, buulen (Buhle). 


Anm. 4. Die zu diefer Deck, gehörigen nhd. Wörter haben theils das e 
im Rom. Sing. beibehalten: Affe, Bürge; theild weggeworfen: Bär, 
Held; theils (durch Verwechjelung der ſchwachen Flexion -en mit ber 
Bildung -en) dem Nom. Sing. ein nm angefchoben (doch-nur bei einigen 
Schriftftellern, während andere richtiger Yriede, Boge, Daume gebraus 
chen); dieſe legteren haben im Gen. Sing, -ens, fonft überall -en: bes 
Bogend, dem Bogen, 


— HH — 


8. 138. 


Die gebraͤuchlichſten nhd. Wörter dieſer Declination ſind: Affe, 
Backen, Balken, Ballen, Baͤr, Barbar, Barde, Batzen, Bauer, Be⸗ 
diente, Biſſen, Boge, Bolz und Bolzen, Bote, Brack, Braten, 
Brocken, Brunnen, Bube, Buhle, Bulle, Buͤrge, Burſch, Chriſt, 
Daume, Dolmetſch (neben Dolmetſcher), Drache, Dronte (Vogel), 
Droſt, Drude, Druide, Elephant, Elfe, Enke (junger Knecht), Erbe, 
Falke, Farre, Faſen (auch die Faſe), Ferge (auch — Fetzen, 
Fink, Fladen, Flecken, Friede, Funken, Fuͤrſt, Galgen, Garten, Gatte, 
Gaumen, Bed, Gedanke, Gefaͤhrte, Gehilfe, Genoſſe, Geſell, Ge 
ſpiele, Glauben, Goͤtze, Graben, Graf, Greif, Groſchen, Gulden, 
Hageſtolz, Haken, Damen, Haſe, Haufen, Haufe (Fiſch), Heide, 
Held, Herr, Hirſe, Hirte, Hopfen, Huſar, Huſten, Jude, Junge, 
Kaͤmpe (Kaͤmpfe, Kaͤmpfer), Karpfen, Karren, Kaſten, Kloben, 
Klumpen, Knabe, Knappe, Knochen, Knollen, Knoten, Knorren, 
Knubben, Kober, Kolben, Kragen, Krapfen, Kuchen, Kunde, Laie, 
Lappen, Leopard, Letten, Leu, Loͤwe, Lump, Magen, Matroſe, Menſch, 
Mohr, Motzen, Nacken, Name, Narr, Neffe, Nutzen, Ochſe, Pathe, 
Pfaffe, Pfau, Poſten, Prinz, Rabe, Raden, Rantfe, Ranze, Rappe, 
Raſen, Rechen, Rede, Reigen und Reihen, Roineke, Riemen, Rieſe, 
Robbe, Roche, Roden, Rüden, Rüde, Runke (Stud), Same, Saffe, 
Schaden, Schatten, Schelm, Schenke, Scherge, Schlaraffe, Schlit: 
ten, Schöffe, Schöppe, Schote, Schragen, Schranz, Schultheiß, 
Schulze, Schüge, Schurke, Schwaͤr, Sctave, Senne, Sippe, Skalde, 
Soldat, Sparten, Spaten, Sproffe, Staar, Stähr, Steden, Stine 
mes, Stoffen, Thor, Zrappe, Tropfen, Truchſeß, Vagabund, Vor: 
fahr, Waife, Wafen, Weizen, Wille, Woden, Zaden, Bapfen, Zeuge, 

inken. 
s Anm. 1. Schon bei der ſtarken Deck. (F. 119. Anm. A— 5.) wurden bie 

Wörter angeführt, die zwifchen flarker und ſchwacher Ferm. ſchwanken. 

Anm. 2. Hat der Plur. den Umlaut, fo gehören die Bildungen mit -en 
zur ftarken Declination; gber es herrfcht auch hier Schwanfen: Gäͤr⸗ 
ten, Gräben, Mägen, mihd. garte, grabe, mage; Kragen hat 
ſchon mbb. doppelte Form krage ſchwach und kragen ſtark. — Der Plur. 
Kaſten (von mhd. kaste ſchw.) iſt richtiger als Käſten; in Bogen 


(mhd. boge = Schießbogen, ſchw.) haben ſich zwar die Bedeutungen ge⸗ 


ſchieden, werden aber nicht immer beobachtet. — Ich beſah Käſten, 
Säcke, Schachteln. Goethe, Meiſters Lehrj. 1,5, Später ſtuͤrzten die 
Kaften. Goethe, Hermann u. Dorothea ft, 1M. — Georg Fam mit ben 
gewöhnlichen Bogen herobr, deren fich die koͤnigliche Druckerei bediente. 
Goethe, Hadert,. In die Wände waren verhältnigmäßige Bogen vers 
tieft, in denen größere Sarkophagen flanden. Goethe, Meifters Lehrj. 
8,5. Die zehn Bogen, welche über das Thal reichen. Goethe, ital, 
Reife. Triumphbögen und Säuten. Daf. 

Anm. 3. Schwache Forn ftatt der alten ſtarken haben angenommen: 
Held, Gedanke, Hirte, Hirfe, Friede, Rüden, Schatten, 
Weizen; daher erklären fich die noch zuweilen vorkommenden flarken 





9 


ormen. Nicht errettet den göttlihen Held die unſterbliche Mutter. 

chiller, Ränie. Daß mich als blanken Hirt bie Morgenröthe jähe. 
Rückert, gef. Ged. 2, 102. Ihr Tollt Ruhe und Friede wieder her⸗ 
ſtellen. Goethe, Egmont 1. Er bleibt im Friede figen. Lappe 1, 20. — 
Fürſt, Prinz und Kalte waren mhd. nur ſchwach (vurste, prinze, 
valke), finden jich nhd. zuweilen ftarl. Won Navarras Fürſt gefandt. 
Stolberg, die Büßende. Dem Prinz von Wales. Shakſpeare, Kön. 
Heinrich IV. 1. Thl. 4,1. Den Falk erkenn’ ich in den höchften Lüften. 
Schiller, Jungfrau v. D. 5, 11. 

Anm. 4 Gaumen (mhd. goume), Haufen (mhd. houfe ſchw. und 
houf fl.), erfcheinen zuweilen in flarker Borm. Nur für deinen zarten 
Gaum. Bürger, Huldigungslied. Die den Saum mir lezte. NRüdert, 
gef. Ged. 4, 173. Daß den Gaumen lez' ein Dritter. Daf. 4, 201. 
Beſchränkt von diefem Büherhauf. Goethe, Kauft 1. Da folgt der 
ganze Herenhau f. Daf. 

Anm. 5. Bon einigen Wörtern find doppelte Kormen mehr ober weniger 
im Gebrauh: Brunn, Brunnen (mhd. brunne); Nutz, Nugen 
(mhd. fhon nutz ft. und nutze ſchw.); Schreck, Schreden (mhd. 
schric); Fleck, Flecken (mhd. vlöc) in derfchiedenen Bedeutungen. 
Als wie ein Brunn. Rückert, gef. Ged. 1, 176. Indem fie trank vom 
Brunn. Daf. 1,161. Wo Dein Bronn der Liebe quillt. Daf. 1, 
423. Aus meinem Bronne Daf. 1, 141. Zu gemeinem Nup. 
Daf. 4, 278. Im Schred. Daf. 3, 125. Ein Zub des Schreds 
durchfuhr fie. Daf. 1, 207. Einen Schreden werd’ es euch ermweden. 
Daf. 4, 298. Welch ein Fled im Fall ich traf. Daf. 3, 108. Kamen 
die Pferde an ein eben Fleck, fo ging ed defto langſamer. Goethe, ital, 
Reife. 

Anm. 6. Staar (mh. star ſchw. masc. u. ft. fem.) und Spaß (älter: 
nhd. spacz, spatz, goth. sparva, ahd. sparo, mhd. spar u. sparwe, woher 
Sperling) folten nur ſchwach biegen, ſchwanken aber auch in bie ftarke 
Deckitatign. Einen Staar. Rüdert, gef. Geb. 3.404. Und Staas 
ren plappern weit und breit. Daf. 3, 01. Gleih dem Spage. Daſ. 
2,9. Zwei Spagen und ein Schneider die fielen von dem Schuß. 
Goethe, Schneider = Courage. 

Anm. 7. Aus dem mhd. spor, Gen. sporn follte folgereht Spore, 
Sporen ober (nad) Bogen) Spüren, Spörens, auh wol ®porn, 
Sporns geworden fein; es hat fi & aber die anomale Mifchform 
A Spornes, Plur. Spornen (doch auch Sporen) ent 
wickelt. 





b) Schwache Feminina. 


8. 136. 
Gothiſch. 
Sing N. tugg-6 rath -jö manag- ei 
G. rugg-Ons rath - jöns manag- eins 
D. tugg- on rath - jön manag- ein 
U. tugg- on rath- jön manag-ein 
Plur. N. tugg- ons rath- jons manag - eins 
G. tugg- önd rath - jönd manag - eind 
D. tugg-06m rath -j6m manag-eim 
A. tugg- Ons rath -jöns manag - eins 


AN TR AR a BI LER. 


Althochdeutſch. Mittelhochd. Neuhochd. 
— — — 
Sing. N. zunk-A(a) red-ja zung-e Zung-e 
G. zunk-ün rel-jün zung- en Bung-en 
D. zunk-ün red -jün zung-cn Zung-en 
%. zunk - ün red -jün zung-en Zung-en 
Pur. N. zunk-ün ro -jün zung-en Zung-en 
G. zunk-önd red-jönd zung- en ‚ ung -en 
D. zunk-öm red-jöm zung-en Zung-en. 
U. zunk-ün red - jün zung-en Zung-en 


6 — 


Anm. 1. -3u Goth. tuggd und rathjd, wie ahd. zunk& und redja, vgl, 
6. 134. Anm. 1. 2. 


Anm. 2, Den goth. weiblichen Wörtern ber 2. Decl. auf -ei (managei) 
entfprechen ahd. auf -1, die zahlreich vorhanden find, aber einen doppels 
ten Ausweg nehmen: entweder führen fie das ſchwache n auch in dem 
Nom. Sing. und laſſen alle Gafus gleich lauten (manaktn), oder ftreifen 
umgedreht überall das n ab und bilden ein fcheinbar ſtarkes manakt (wie 
chundi $. 123. Anm. 2.). j 


Anm. 3. Myd. regelmäßiger Wegfall des ſtummen e nach Liquiden, wie 
beim Maic. z. B. kel, köln ete. — Bon 2, Deck. finden fish nody Spuren, 
3. 3. mengin (multitudo) Flore 49c. menigin (multitudine) MS. 1, 38b. 
bürden (unus) Frib. 21b. bürden (oneris) Flore Sb. 


- 


8. 137. 


Neuhochdeutſch ift der ſchwache Plural mit dem der ftarken De: 
clination vermifht ($. 123. Anm. A). Vom ſchwachen Singular 
haben fich viele (meift mit Prapofitionen verbundene, mhd. nicht alfe 
nach der ſchw. Deck. gehende) Formen erhalten; ihre Zahl fleigt, je 
weiter man zurüdgeht. — Opitz (} 1639) ſagt: Mit Afhen; auf 
Erden; mit einer Flaſchen; der Sramen; mit fhwarger Galten; 
eine Gaßen; gegen der Grotten; auf grüner Heiden; der Hölten; 
eine Hütten; in der Kirchen; einer Ketten; deine Krippen; einer 
Kröten; in der Küchen; zu der Lauten; feine Keichen; bei einer 
Linden; in der Mitten; bei der Naſen; mit feiner Bodpfeiffen; 
aus der Pforten; zu einer Pfügenz eine Rippen; mit eine Ru: 
ten; von der Sachen; in einer Schalen; der Schanden; mit der 
Schlangen; der Seelen; an der Seiten; auf einer Seulen; 
der Sonnen; in meiner Sprachen; an der Spigen; der Stirnen; 
von der Stellen; zu der Stunden; zu der Sünden; in einer 
Summen; zu einer Tannen; der Tinten; auf ber Weiden; von 
erfler Wiegen; in der Wüften; meiner Zungen. — Beiſpiele aus 
neuerer und neuefter Zeit find, aus Bürger: deiner Seelen!); nus 
Mieland: mit gefhwungner Klingen?); an ihrer Seiten); an 
der Eugen Nafend); auf der Haubens); aus Goethe: auf der 
Heiden); zur Erden?); aus der Nafend); bis zur Nafen?); 


977° — 


in dee Wüften10); mit der Frauen!; auf der Saffen12); in 
eine Eden!3); auf der Straßen!2); aus Schiller: in ber Son: 
nen 15); auf ber Meffen 1%); aus Rüdert: mit Staub und 
Alhen!”); an der Srauen1P); in der Geigen 19; der Spielmann 
feiner Geigen?0); in einer Schmieden®!); in der dunkeln Stu: 
ben 22); aus feiner Wiegen 23); auf deiner Zungen 24); zu nah der 
Nafen?); an feiner Seiten 26); von der Scheitel bis zur Soh⸗ 
len 2); ‘auf einer Eichen?®); in ihrer Mitten29); in der See- 
fen 3%; verurtheilt aud fie zu der Summen ); an naͤchſter 
Eden 2). 

Anm. 1) Lenore. — 2) Idris u. Benide 1, 87. — 3) Daf. 1, 76. — - 
4) Daf. 4, 16. — 5) Oberon 2, 15. — 6) Heidenröslein. — 5 Will⸗ 
kommen u. Abſchied. — 8) Lilis Park, — 9) Fauft 2. — 10) Legende. — 
11) Eugenie 1, 1. — 12) Fauft 1. — 13) Daf. — 14) Legende. — 
45) Wallenft. Lager 3. — 16) Daſ. 5. — 17) Geſ. Ged. 2, 113. — 
418) Daf. 2, 85. — 19) Daf. A, 214. — 20) Daf. 1, 491. — 21) Daſ. 
3, 313. — 22) Daf. 4, 288. — 23) Daf. 3, 382. — 24) Daf. 6, 148. — 
25) Daf. 6, 16. — 26) Daf. 3, 355. — 27) Daf. 2, 103. — 28) Daf, 
3, 322, — 29) Daf. 3, 425. — 9) Daf. 3, 50% — 31) Daf. 3, 467, — 
32) Daf. 2, 308, 


co) Shwahe Neutra. 


$. 138, 


\ Gothiſch. Althochd. Mittelhochd. Neuhochd. 


Sing. N. hairt- o herz-A(a) hörz-e Herz 
G. hairt- ins hörz - in hörz- en Herz- end 
D. hafrt-in hörz - in hörz- en Herz-en 
A. halrt-6 herz-A(a) hörz-e Herz 
Plur. N. hafrt- Ona hörz - ün herz- en Herz-en 
.&. hafrt - an herz-ondo. herz-en Herz-en 
D. hafrt-am hörz - öm herz- en Herz - en 
4. hafrt- Ona hörz - ün hörz- en Herz-en 


Anm. 1. Goth. findet fich der abweichende Plur. namna für namöna (bie 
Namen) und der Dat. Plur. vatnam für vatönam (den Waffern). 

Anm. 2. Ahd. hörza und hörzond find älter als herza und hörzönd. Es 
gehören hierher herza, ouga, Ora, wanka. 

Anm. 3. Myd. gehören hierher hörze, ouge, Öre, wange. 

Anm. 4 Nhd. gehört hierher nur Herz; dann bie Plur. von Auge, 
Ohr, Bett, Leid ($. 129. Anm. 1.) — Statt Herzens fagt 
Rückert oft Herzen: diefes Herzen Einfamkeit, gef. Geb. 1, 474; 
biefes Herzen Innigkeit, daf. 1, 473; bes Herzen Wunden, daf. 
4, 117; foU reines Herzen fein, daſ. 4, BA; des Herzen Haus. 
des Herzen Bitte, daf. A, 105; aus meines Herzen Grund, daf. 
4, 387, — In des Herzens wahrem Dort, daf. A, 416. In des 

Herzens Hut, daſ. 4, 382. 

Kehrein Grammatik. I. 1. 7 


C. Anomala. 
6, 139, 


Arnomalien der Declination überhaupt gründen fi theils auf 
Abfchleifung und Zufammenziehung der gewöhnlichen Formen, theilg 
auf Vermifhung zweier Declinationen ($. 119. Anm. 1. 126. Anm. 1. 
129. Anm. 3. 135. Anm. 3. 6.), theils auf Vermiſchung ftarker und 
ſchwacher Formen ($. 119. Anm. 3— 6. 123. Anm. 4. 129. Anm. 1.). _ 
Hier find befonders einige Wörter zu erwähnen, die auf die naͤchſten 
Famitienverhältnijje fi) beziehen und fo durch den öftern Gebraud) 
unregelmäßige Zlerionen angenommen haben: ihre Zahl fleigt, je 
weiter man in der Zeit zurüdgeht, indem die jüngere Sprache bierin 
nach größerer Regelmaͤßigkeit ftrebt. 


. 4. 


3. 


4. 


Gothiſch. Ging. bröthar, bröthrs, bröthr, bröthar; Pur. 
bröihrjus, bröthrive, bröthrum, bröthruns.. So aud) die weib: 
lichen dauthar und svistar. — Das männliche mendihs (Mo: 
nat) und die weiblichen alhs (Zempel), baürgs (Burg), brusts 
(Beuft), nahts (Nacht), mitaths (Maß) werfen im Gen. und 


. Dat. Sing. die Cafusvocale aus: baurgs, baurgs, baurg, baürg; 


Pur. baurgs, batırge, baurgim, baüurgs. nahts hat im Dat. 
Pur. nahtam. In mann find manderlei Formen gemifdht; 
Sing. manna, mans, mann, mannan; Plur. mans (u. mannans), 
wanne, mannam, mans. 

Althochdeutſch. fatar, pruodar, muotar, suöstar, tekter 
pflegen im Sing. unverändert zu bleiben; im Plur. lauten 
Nom. und Ace. ebenfalls denen des Sing. gleich, der Gen. und 
Dat. Plur. lauten faterö, faterum etc. — Man hat im Gen. 
Sing. mannes und man, im. Dat. manne, Ace. mangan ab 
man, Nom. und Tec. Plur. man, Gen. wannd, Det. man- 
num. — nabt und puruc haben im Gen. und Dat, Sing. 
nahit, puruki, aber auch unverändert naht, puruc. 
Mittelbochdeutfch. vater, bruoder, muoter, swäster, tohter 
bleiben im Sing. unveränbert;.den Plur. lauten einzelne Hand⸗ 


' fchriften um: veter, briüeder, müeler, töhter, doc) fcheint das 


fpätere VBerderbnig. — man iſt ſowol yanz unveränderlich für 
alle Caſus des Sing. und Plur., als nach ber 1. fi. Deet. 
Sing. Gen. mannes, Dat. manne, Plur. Nom. u. Acc. immer 
man, Gen. manne, Dat. mannen. — naht hat im Gen. u. 
Dat. Sing. nehte, nahte und (zumeilen) naht. 

Neuhochdeutſch. Vater, Bruder, Schwager gehen regel: 
mäßig nach der 2, ftarken Declination;, Mutter und Zochter, 
im Sing. unverändert, lauten im Plur. um: Mütter, Töchter; 
Schwefter und Schwieger, im Sing. unverändert, im Pl. 


— MW — 


wach: Schweſtern, Schwiegern. — Mann hat im Sing. 
Gen. Mannes, Dat. Manne uns Mann, Ic. Mann; 
Mur. Nom. Gen. und Acc. Männer und Mannen (dies im 
Sinn von Vaſallen), Dat. Männern und Mannen. — Sft 
yon Heerestheilen bie Rede, fo ſteht nach mhd. Weiſe im Plur. 
unveraͤndertes Mann; Zwanzig Mann ſind gefallen. — 
H. Sachs bat öfters den Plur. Männder, die tirol. Volks: 
mundart Mannder. . 


D. Declination der fremden Subftantiva. 
8. 140. 


Die fremden Subflantino, die als foldye noch erfennbar find, 
gehen alle nach der ſtarken oder ſchhwachen Deciinstion, ſchwanken 
jedoch auch mitunter aus der einen in die andere. Der Umlaut 
kowmt ihnen eigentlich nicht zu. 


a) Starke Deelination. 
g 141. 


Nach der ſtarken Declination gehen: 

1) die meiſten maͤnnlichen und neutralen Sachnamen: Tempel, 
Inſtinct, Meteor, Problem, Diadem, Majorat, Do— 
cument, Theater; 

2) Diejenigen maͤnnlichen Perſonennamen, welche die aus den 
lateinifhen Endungen alis, arius, anus, inus hervorgegangenen 
Endungen gl, ar, är, au, de, auer, iner haben; ferner 
ſolche, die fih auf fer, enr, on, or endigen, fämmtlich (mit 
Ausnahme der auf aner, imer) mit betonter Iegter Spyibe: 
Kardinal, Admiral, Bicar, Notar), Kaftellan, 
Kaplan, Dominicaner, Benedictiner, Dfficter, 
Acteur, Spion, Major. 

3) Den Plur. auf -er haben Hofpital, Spital, Kamifot, 
Klofter, Regiment, Parlament, die drei erften haben auch 
den Umlaut. — Schiller dat auch die mehr der Volksſprache 
angehörigen PL. Billeter (Kabale u. Liebe 1, 1), Prafenter 
(daf.), Kolleter (MWallenft. Lager 11). Bon Capitäl hat 
Goethe (W. 29, 94. 99) den Plur. Capitäler. 

4) Den Umlaut haben im Plur. Abt, Altar?), Bifhof, Chor, 

Choral, Kanal, Kaplan, General, Kardinal?), Klo: 

fer, Marſch, Moraft, Palaft, Pabſt, Probft. 

Anm. 1. Man findet auch die Ptur. Bicarien, Rotarien. 

Anm. 2. Dpis hat noch den Altaren; Aoentinus fagt ſchwankend: die 
AYltäre, dan Altaren; die Klofter, die Klöfter; bie Biſchoffe, 
die Bifchoͤffez ben Bäpſten; die Abten; die Spitau die Paläſt; 


bie Saplahen; den Gardinälen; H. Sachs fagt bie Altar; ber 
Biichöfen. B. Alexis (Woldemar 1, 253) fagt die Caplane. 


Anm. 3. Bei General, Admiral und Kardinal (wol aud bei 


Zribunal) ſchwankt der Gebrauh. — Um den König verfammelten 
fi) viele Seneräle. Goethe, Sampagne in Sranfreih. Adıt Gene: 
rale. Sciller,-Piccol, A. (Scene), Admiräle Bechſtein, Fahrt 2, 
123. In Gegenwart dreier Cardinäle. Goethe, ital. Reife. 

Anm. ug, Ganz ungewöhnlich ift der Plur. Poltröne bei Immermann, 
Verkl.8 


b) Schwache Declination. 


8. 142. 


Darnach gehen: 
1) alle weiblichen Subſtantiva: Tinctur, Facultaͤt, Zonen; 
2) die meiſten maͤnnlichen Perſonennamen, naͤmlich: 

a) die mit den Endungen at, ant, ent, iP (aus lat. atus, 
‚ars, ens, icus), aft, ift, oft, et, it, ot, e: Advocat, 
Prälat, Adjutant, Proteftant, Student, Katho⸗ 
lik, Phantaſt, Pietiſt, Evangeliſt, Juriſt, Statoſt 
(polniſcher AÄlteſter, Statthalter), Poet, Prophet, Se: 
ſuit, Idiot, Eleve, Alumne, Antipodez 

b) die mit log, ſoph, nom und aͤhnlichen griechiſchen 
Woͤrtern zuſammengeſetzten: Theolog, Philoſoph, 
Aſtronom, Geograph, Patriarch; 

c) die maͤnnlichen Subſtantiva Tyrann, Elephant, Con: 
fonant, Quotient, Ducat, Planet, Komet, Koloß. 

Anm. 1. Mande behalten die fremde Form des Nom. Sing. für den 
ganzen Sing., des Nom. Plur, für den ganzen Plur.: Caſus, Mobus, 

0 

Anm. 2. Bon Kolo$ jagt Rüdert (gef. Geb.2, 164) in fchwacher Form: 
Gleich dem rhodifhen Koloffen; Wieland (Oberon 2, 15): Zween 
hochgemwaltige metallene Koloffen; Goethe (Fauſt 2): Den lebendigen 


ia nun, fen führ’ ich; und (ital. Reife): Die beiden Koloffen erblickt' 
nun 


c) Semifhte Formen. 
$. 143. 


Den Sing. ſtark, den Pur. ſchwach bilden: 

1) die männlichen Perfonennamen auf ein tonlofes or (lat. or): 
Doctor, Profeffor; 

2) folgende männlihen: Diamant, Faſan, Kapaun, Smpoft, 
Conful, Pantoffel, Muskel ($. 119. Anm. 5.), Praͤ⸗ 
fect, Pfalm, Rubin, Staat, Thron ($. 119. Anm. 5.), 
Tractat, Zribun, Zins; 

3) die fähhlichen auf um, al, il (lat. ium, uum, ale, ile); fie 
haben im Plur. -ien (nen): Studium, Evangelium, 


-|ö-—-—ö;-__ 


! 


— 101 — 


Adverbium, Participium, Sndividuum, Gapital, 
Regal, Bahanal, Foſſil; aud die nur im Plur. Jebraͤuch⸗ 
lihen: Kurialien, Formalien, Naturalien, Mobi: 
lien u. a. 

Die ſaͤchlichen auf tiv (lat. ivum): Adjectiv, Subſtantiv, 
Motiv u. a. ſchwanken im Plur. zwiſchen ſtarker und ſchwacher 
Form: doch wiegt nach dem Sprachgebrauch die ſtarke Form vor: 
Adjective, Motive. 

Anm.1. Gzaar, Palatin und Magnet ſchwanken. — Des Czaars 
...des Szaaren. Schiller, Demetrius 1. Im Haus des Palatins 
... Ruhmreihe Palatin' und Kaſtellane ... Mächtige Bijchöfe und 
Halatinen. Schiller, Demetrius. Dieſes Magneten Mufäus. 
Der Magnete Haffen und Lieben. Schiller, Spaztergang. 

‚Anm. 2. Einige aus neueren Sprachen dufgenommene männl. und fächl, 
Subft. behalten oft mit der ausländifchen Form und Betonung zugleich 
die ausländifhe Pluralform auf -$: die Genies, Fonds, Metal: 
liks, Lords, Puddings, Solos, Kafinos. _ 


E. Delination der Eigennamen. 


g. 141. 


In der früheren beutfchen Sprache verfuhr man mit der Decli⸗ 
nation der inländifchen wie ausländifchen Eigennamen etwas freier 
als jest; man behandelte fie im Allgemeinen wie andere Subftantive 
nach der ſtarken oder ſchwachen Declination, wobei jedody einzelne 
Abweichungen vorkommen. — Die neuhochdeutfche Declination der 
Eigennamen ift fehr verworren. Die beiten Schriftfteler weichen oft 
von einander ab, ja ein und derfelbe Schriftfteller deckiniert mitunter 
einen und benfelben Eigennamen auf verfchiedene Weife. in auf: 
fallender Unterfchied zeigt fi dabei noch zwiſchen den Schriftftellern 
des nördlichen und füdlichen Deutfchlande. Während jene die einzelnen 
Caſus der Declination durch beftimmte Flerionen bezeichnen, Laffen 
diefe die Flexion meiſt aus, den Genitiv ausgenommen. Jene haben 
für ihr Verfahren, außer den Vorbildern der Griechen und Roͤmer, 
auch einen geichichtlichen Grund in der deutfhen Spradhe. — Man 


muß zwifchen deutfhen und fremden Eigennamen unterfcheiden; 


legtere können in ihrer fremden Form, oder in einer ſolchen erfchei: 
nen, welche der deutichen Declination nicht miderfirebt: in diefem 
Salle declinieren fie wie die deutfhen. — Die Ioteinifche Declination 


ift nicht mehr gebräuchlich, außer etge in; Cheifti Geburt, Mariaͤ 
Lichtmeß. fe er Ws For . — —— 

Anm. In nachfolgender Darſtellung beſchränke ich mich, um eine Grund⸗ 

lage und Auctorität zu haben, auf den Gebrauch bei Goethe und 

Schiller. Ich gebe hier nur einen Auszug aus einer groͤßeren Abhand⸗ 

lung über dieſen Theil der Grammatik, welche ich 1843 im „Archiv für 

ben Unterricht im Deutſchen,“ herausg. v. 9. Biehoff, 1. Jahrg. 3.9. 

©, 86—100.habe abbruden Taffen. . \ 


— 18 — 


1. Eigennamen männliher Werfonen ohne Weitere 


Beſtimmungswoͤrter. 
a) Starke Declination. 
8. 145. 
Sing. Pur. 
N. (gegeben -e, oder wie d. Mom. Sing. 
8-6 - -e, oder wie d. Nom. Sing. 
D. -en (n) -en (n) 
%. -en (n) -e,. oder wie d. Nom. Sing. 


Die auf I,.m, n, r und auf einen flarflautigen Vocal aus: 
gehenden Eigennamen werfen das Biegungs:e, bie auf -u mit uns 
betonter Sylbe ausgehenden das -en ab. Bei diefen iſt Nom. Gen., 
Ace. Pur. gleih dem Nom. Sing.; die auf - om nehmen jedoch in 
biefem Caſus ein -e an: Newtone. — Nach diefer Declination 
gehen die auf Vocale, auf flüffige und Starrlaute ausgehenden 
Eigennamen: Melina, Abraham, Hermann, Hanntbal, Fried: 
land, Gellert, Schiller, Sternberg ꝛc. 

Anm, 1. Mehrere declinieren ftark und ſchwach zugleich, befonders bie in 
beutfcher Form erfcheinenden fremden, deren legte Sylbe Ben Bon hat, 
wenn auch nicht überall: Arioſts, Arioftens. 

Anm. 2. Die Völkernamen find mhd. meift ſtark: swäp, Pl. swäbe, 
doch treten Thon fhmahe Formen ein. Neuhochd. find ber ſchwachen 
noch mehr: Deutfche, Däne, Heffe, Preuße, Safe, Schwabe; 
Baier und Pommer haben den Plur. ſchwach, ſchwanken aber Sen. 
Sing.: Baiers, Baiern. Bildungen mit -er behaupten bie ſtarke 


Korm: Öfterreicher, Würtemberger. Für Bade hört man meift 
bie fonderbare Form Babenf er. 


b) Shwahe Declination. 


§. 146. 
Sing. Pur. 
N. (gegeben) 
®. -ens _ 
D. -ın en 
A. -en 


Nach diefem Paradigma gehen alle Eigennamen, bie fi Auf 
einen Sauſe- oder Zifchlaut endigen, fo wie die meiften fremden, bie 
auf einen Starrlaut ausgehen, und den Ton auf der lepten Sylbe 
haben, mobei die Endungen a8, es, u8 häufig in verwandelt 
werden: Hanſens, Goͤtzens, Horazens, Aeneens, Ulpffens, 
Lyaͤens. Bleiben die fremden Endungen a8, es, is, 08, u8, 
ans, fo bleibt der Eigenname ganz unverändert, 


Anm. Die Namen auf -e ſchwanken zwiſchen ftarker und ſchwacher dorm: 
Goethes und Goethens, doch wiegt bis ſtarke vor. 


— 103 — 


2. Eigennamen weiblicher Derfonen ohne weitere 


Beflimmungswörter. 
a) Starte Declination. 
$. 147, 
Sing. Pur. 
N. (gegeben) 
— Sr 5 
a -n 


Darnach gehen alle Eigennamen, die fi nicht auf ein unbe 
tontes e endigenz aber es find deren im Ganzen wenige, unb ihre 
Zahl ſchmilzt durch die Abſchwaͤchung des a in e täglich mehr zu: 
fammen: Leda, Porcia, Thekla, Mignon u. a. 

Anm. 1. Im Plur. fallen wie bei ben weiblichen Subftantiven ($. 124. 
Anm. 4.) ftarke und fhwace Declination zufammen, 

Anm. 2. Dat. und Acc. Sing. bleiben meift unverändert ;, Gries (Calde⸗ 
ron 6, 44. 96) hat den Dat. und Acc. Blancan. Lautet ber Name 
fhon im Rom. auf-& aus, fo bleiben alle Safus unverändert: Pallas, 
Gered, Thetis. 


p) Schwache Declination. 


8. 148, 
Sing. Pur. 
N. (gegeben) 
G. —ens (-n$) en 
D. -en (-n) 
4. -en (-n) 


Darnach gehen die meiften meiblichen Eigennamen, befonders 
die auf ein unbetontes -e auslautenden: Mariane, Dttilie, 
Minerva; Marianens, Dttiliens, Minervens; Marianen, 
Ottilien, Minerven. 


3. Plural der perfönlichen Eigennamen. 


$. 149. 


Die Eigennamen können vermöge. ihrer Natur nur felten im 
Dur. gebraucht werden. Hauptregel ift bei ihrer Pluralbildung, dag 
der Umlaut nicht eintreten darf, alfo: Wolfe, niht Wölfe. 

Anm. Boethe und Schiller gebrauchen oft die nach neueren fremben 


Sprachen gebildeten Pluralformen auf- -S: bie Bourbong, Terzkys, 
Sleifhers. Vgl. $. 143, Anm, 2 


— 44 — 
$. 135. 


Die gebraͤuchlichſten nhd. Wörter diefer Declination fink: Affe, 
Baden, Balken, Ballen, Bär, Barbar, Barde, Batzen, Bauer, Bes 
diente, - Biffen, Boge, Bolz und Bolzen, Bote, Brad, Braten, 
Broken, Brunnen, Bube, Buhle, Bulle, Bürge, Burſch, Chriſt, 
Daume, Dolmetfch (neben Dolmetfher), Drache, Dronte (Vogel), 
Droft, Drude, Druide, Elephant, Elfe, Enke (junger Knecht), Erbe, 
Falke, Farre, Faſen (au die Safe), Ferge (auch Ferger), Fetzen, 
Fink, Fladen, Steden, Friede, Funken, Fuͤrſt, Galgen, Garten, Gatte, 
Gaumen, Bed, Gedanke, Gefährte, Gehilfe, Genoſſe, Gefell, Ger 
fpiele, Glauben, Göge, Graben, Graf, Greif, Groſchen, Gulden, 
Hageflolz, Haken, Damen, Hafe, Haufen, Haufe (Fiſch), Heide, 
Held, Herr, Dirfe, Hirte, Hopfen, Hufar, Huften, Jude, Junge, 
Kampe (Kämpfe, Kämpfer), Karpfen, Karren, Kaften, Kloben, 
Klumpen, Knabe, Knappe, Knochen, Knollen, Knoten, Knorren, 
Knubben, Kober, Kolben, Kragen, Krapfen, Kuchen, Kunde, Laie, 


Lappen, Leopard, Ketten, Leu, Löwe, Lump, Magen, Matrofe, Menfh, 


Mohr, Mogen, Naden, Name, Narr, Neffe, Nugen, Ochſe, Pathe, 
Pfaffe, Pfau, Poften, Prinz, Rabe, Raden, Rantke, Nanze, Rappe, 
Raſen, Rechen, Rede, Reigen und Reihen, Reineke, Riemen, Rieſe, 
Robbe, Roche, Roden, Rüden, Rüde, Runke (Stüd), Same, Saffe, 
Schaden, Schatten, Schelm, Schenke, Scherge, Schlaraffe, Schlit⸗ 
ten, Schöffe, Schöppe, Schote, Schragen, Schranz, Schuitheiß, 
Schulze, Schüge, Schurke, Schwär, Schave, Senme, Sippe, Skalde, 
Soldat, Sparten, Spaten, Sproffe, Staar, Stähr, Steden, Stein⸗ 
mes, Stoffen, Thor, Zrappe, Tropfen, Truchſeß, Bagabund, Vor: 
fahr, Waife, Wafen, Weizen, Wille, Woden, Zaden, Zapfen, Zeuge, 
Zinfen. 
Anm. 1. Schon bei der ftarfen Deck. (6. 119. Anm. A— 5.) wurben bie 
Wörter angeführt, die zwifchen ftarker und ſchwacher Ferm. ſchwanken. 
Anm. 2. Hat der Plur. den Umlaut, fo gehören die Bildungen mit -en 
zur ftarken Declination; gber es herrſcht auch hier Schwanken: Gär⸗ 
ten, Gräben, Mägen, mhd. garte, grabe, mage; Kragen hat 
ſchon mhd. boppelte Form krage ſchwach und kragen ftarf. — Der Plur. 
Kaften (von mhd. kaste ſchw.) ift richtiger als Käften; in Bogen 


(mhd. hoge = Schiegbogen, ſchw.) haben fich zwar die Bedeutungen ges - 


fchieden, werben aber nicht immer beobachtet. — Ich beſah Käften, 
Säcke, Schachteln. Goethe, Meifters Lehrj. 1,5. Später ſtürzten bie 
Kaften. Goethe, Hermann u. Dorothea 1, 141. — Georg kam mit den 
gewöhnlichen Bogen hervdr, deren fich die Fönigliche Druckerei bediente. 
Goethe, Hadert. In die Wände waren verhältnigmäßige Bogen ver: 
tieft, in denen größere Sarkophagen ſtanden. Goethe, Meifters Lehr. 
8,5. Die zehn Bogen, welche über das Thal reichen, Goethe, ital, 
Reife. Triumphbögen und Säulen. Daf. 

Anm. 3. Schwache Forn flatt der alten ſtarken haben angenommen: 
Held, Gedanke, Hirte, Hirfe, Friede, Rüden, Schatten, 
Weizen; daher erklären fich die noch zumeiten vorkommenden flarken 








9 


ormen. Nicht errettet den göttlichen Held bie unſterbliche Mutter. 

chiller, Ränie. Daß mich als blanken Hirt die Morgenröthe fähe. 
Rückert, gef. Ged. 2, 102. Ihr follt Ruhe und Friede wieder ber: 
ſtellen. Goethe, Egmont 1. Er bleibt im Friede figen. Lappe 1, 20.— 
Sürft, Prinz und Kalle waren mhd. nur ſchwach (vurste, prinze, 
valke), finden jich nhd. zuweilen ftarl, Bon Navarras Fürſt gefandt. 
Stolberg, die Büßende. Dem Prinz von Wales. Shakſpeare, Kön. 
Heinrich IV. 1. Thl. 4,1. Den Falk erkenn' ich in den höchften Lüften. 
Schiller, Jungfrau v. O. 5, 11. 

Anm. 4 Gaumen (mhd. goume), Haufen (mhd. houfe ſchw. und 
houf fl.), erfcheinen zuweilen in flarfer Form, Nur für deinen zarten 
Saum. Bürger, Huldigungslied. Die den Gaum mir legte. NRüdert, 
gef. Geb. &, 173. Daß den Gaumen lez' ein Dritter. Daf. 4, 201. 
Beihränkt von biefem Bücher hauf. Goethe, Kauft 1. Da folgt ber 
ganze Herenhauf. Daf. 

Anm. 5. Bon einigen Wörtern find doppelte Kormen mehr ober weniger 
im Gebrauh: Brunn, Brunnen (mhd. brunne); Nutz, Nugen 
(mhd. ſchon nutz ft. und nutze [hw.); Schred, Schreden (mb. 
schric); $led, Flecken (mhd. vlec) in verfciedenen Bedeutungen. 
Als wie ein Brunn. NRüdert, gef. Geb. 1, 176. Indem fie trank vom 
Brunn. Daf. 1,161. Wo Dein Bronn ber Liebe quillt. Daf. 1, 
423. Aus meinem Bronne Daf. 1, 141. Zu gemeinem Nuß. 
Daf. 4, 278. Im Schred. Daf. 3, 125. Ein Zub des Schreds 
durchfuhr fie. Daf. 1, 207. Einen Schreden werd’ es euch ermweden. 
Dat. 4, 298. Welch ein Fled im Fall ich traf. Daf. 3, 108. Kamen 
die Pferde an ein eben Fleck, fo ging es defto langſamer. Goethe, ital, 
Reife. 

Anm. 6. Staar (mhb. star ſchw. masc. u. ft. fem.) und Spas (älter: 
nhd. spacz, spatz, goth. sparva, ahd. sparo,, mhd. spar u. sparwe, woher 
Sperling) follten nur ſchwach biegen, ſchwanken aber auch in bie ſtarke 
Dechination, Einen Staar. Rüdert, gef. Geb. 3. 404. Und Staas 
ren plappern weit und breit. Daf. 3, 01. Gleich dem Spape. Daf. 
2,99. Zwei Spagen und ein Schneider die fielen von dem Schuß. 
Goethe, Schneider = Courage. 

Anm. 7. Aus dem mhd. sper, Gen, spora follte folgereht Spore, 
Sporen ober (nad) Bogen) Spören, Spörens, aud wol Sporn, 
Sporns geworden fein; ed bat fih aber die anomale Mifchform 
Sarn, Spornes, Plur. Spornen (doch auch Sporen) ent: 
wickelt. 


b) Schwache Feminina. 


8. 136. 
Gothiſch. 
— ⸗ 
Sing N. tugg-0 rath -j6 manag- ei 
©. rugg-Öns rath -jöns manag - eins 
D. tugg-ön rath - jon manag - ein 
U. tugg- on rath- jon manag-ein 
Pur. N. tugg- ôns rath - jons manag- eins 
G. tugg- önd rath - jono manag- eind 
D. tugg- om rath- jom manag- eim 
A. tugg- Ons rath -jöns manag - eins 


AN SE EL. 


— dh — 


Althochdeutſch. Mittelhochd. Neuhochd. 
— — — 
Sing. N. zunk-A(a) red-ja zung - € Zung-e 
G. zunk-ün rei-jün zung- cu Zung - en 
D. zunk-ün red -jün zung-cn Zung-en 
%. zunk- ün rel -jün zung-en Zung-en 
Pur. N. zunk-ün ro -jün zung-en Zung-en 
G. zunk-önd red-jönö zung-en ‚ Zung-en 
D. zunk -öm red-jöm zung-en Zung-en. 
A. zunk -ün red-jün . zung-en Zung-en 


Anm. 1. - 3u Goth. tuggd und rathjdö, wie ahd. zunk& und redja, vgl, 
$. 134. Anm. 1.2. 


Anm. 2. Den goth. weiblichen Wörtern ber 2. Decl. auf -ei (managei) 
entfprechen ahd. auf -1, die zahlreich vorhanden find, aber einen doppels 
ten Ausweg nehmen: entweder führen fie das jchwache n auch in dem 
Nom. Sing. und laffen alle Gafus gleich lauten (manaktn), oder ftreifen 
umgedreht überall dad n ab und bilden ein fcheinbar ftarkes manakt (mie 
chundi $. 123. Anm. 2.). j 


Anm. 3. Myd. regelmäßiger Wegfall des flummen e nad) Liquiden, wie 
beim Maſc. 3.8. kel, köln etc. — Bon 2, Deck. finden ſich nody Spuren, 
3. B. mengin (multitudo) Flore 49c. menigin (multitudine) MS. 1, 38b. 
bürden (onus) Frib. 21b. bürden (oneris) Flore 5b. 


- 


$. 137, 


Neuhochdeutſch ift der ſchwache Plural mit dem der ftarken De: 
clination vermifht ($. 123. Anm. A). Vom ſchwachen Singular 
haben fich viele (meift mit Präapofitionen verbundene, mhd. nicht alle 
nach der ſchw. Deck. gehende) Formen echalten; ihre Zahl fleigt, je 
weiter man zurüdgeht. — Opitz (+ 1639) fagt: Mit Afchen; auf 
Erden; mit einer Flaſchen; der Frawen; mit ſchwartzer Gallen; 
eine Gaßen; gegen der Grotten; auf grüner Heiden; der Hoͤllen; 
eine Hütten; in der Kirchen; einer Ketten; deine Krippen; einer 
Kröten; in der Küchen; zu der Lauten; feine Leichen; bei einer 
Linden; in der Mitten; bei der Nafen; mit feiner Bodpfeiffen; 
aus der Pforten; zu einer Pfügen;z eine Rippen; mit eine Ru: 
ten; von dee Sachen; in einer Schalen; der Schanden; mit der 
Schlangen; der Seelen; an der Seiten; auf einer Seulen; 


dee Sonnen; in meiner Sprachen; an der Spigen; ber Stirnenz 


von der Stellen; zu der Stunden; zu der Sünden; in einer 
Summen; zu einer Zannen;z der Zinten; auf der Weiden; von 
erfier Wiegen; in der Wüften; meiner Zungen. — Beiſpiele au 
neuerer und neuefter Zeit find, aus Bürger: deiner Seelen!); nu$ 
Wieland: mit gefhmwungner Klingen?); an ihrer Seiten’); an 
der Elugen Nafen?); auf der Haubens); aus Goethe: auf der 
Heiden); zur Erden’); aus der Nafen®); bis zur Nafen?); 








97° — 


in dee Wuͤſten 10); mit der Frauen 19); auf der Gaffen12); in 
eine Eden!2); auf der Straßen); aus Schiller: in der Son: 
nen 15); auf der Meffen 1%); aus Rüdert: mit Staub und 
Albhen?!”); an der Frauen); in der Geigen1?); der Spielmann 
feiner Geigen 2%); in einer Schmieden?!); in der dunkeln Stu: 
ben 22); aus feiner Wiegen?2?); auf beiner Zungen 24); zu nah der 
Nafen?); an feiner Seiten 26); von der Scheitel bis zur Soh⸗ 
len Mz auf einer Eichen); in ihrer Mitten29); in der See⸗ 
fen 3%); verurtheilt auch fie zu der Summen 1); an naͤchſter 
Eden 2). 

Anm. 1) Eenore. — 2) Idris u. Zenide 1, 87. — 3) Daf. 1,76. — - 
4) Daſ. &, 16. — 5) Oberon 2, 18. — 6) Heidenröslein. — 7) Wille 
kommen u. Abſchied. — 8) Lilis Park, — 9) Fauft 2, — 10) Legende. — 
14) Eugenie 1, 1. — 12) Fauft 1. — 13) Daf. — 14) Legende, — 
45) Wallenft. Lager 3. — 16) Daf. 5. — 17) Gef. Geb. 2, 113. — 
418) Daf. 2, 85. —-19) Daf. 4, 214. — 20) Daf. 1,491. — 21) Daf. 
3, 313. — 22) Daf. &, 288. — 23) Daf. 3, 382. — 24) Daf. 6, 148, — 
25) Daf. 6, 16. — 26) Daf. 3, 355. — 27) Daf. 2, 103. — 28) Daf, 
3, 322, — 29) Daf. 3, 428. — - #0) Daf. 3, 50% — 31) Daf. 3, 467. — 
32) Daf. 2, 308. 


ce) Shwahe Neutra. 


$. 138, 
Gothiſch. Althochd. Mittelhochd. Neuhochd. 
Sing. N. hafrt-0 hörz-A(a) härz-e Herz 
©. hairt- ins hörz - in hörz- en Herz - ens 
D. hafrt-in hörz - in hörz- en Herz-en 
A. hafrt-6 hörz-A(a) hörz-e Herz 
Pur. N. hairt- Ona herz - io herz- en Herz- en 
G. hairt- and herz-ondO. häörz-en Herz-en 
D. hafrt-am herz - Om hörz- en Herz - en 
A. hafrt - Ona hörz - ün herz- en Herz-en 


Anm. 1. Goth. findet fi) der abweichende Plur. namna für namöna (bie 
Namen) und der Dat. Plur. vatnam für vatönam (den Waflern). 

Anm. 2. Ahd. herza und hörzond find älter als hörza und herzönd. Es 
gehören hierher herza, ouga, Ora, wanka. 

Anm. 3. Mhd. gehören hierher herze, ouge, Öre, wange. 

Anm. 4 Nhd. gehört hierher nur Herz; bann bie Plur, von Auge, 
Ohr, Bett, Leid ($. 129. Anm. 1.). — Statt Herzens fagt 
Rückert oft Herzen: biefes Herzen Einfamfeit, gef. Ged. 1, 474; 
biefeg Herzen Innigkeit, daſ. 1, 473; des Herzen Wunden, baſ 
4, 117; ſoll reines Herzen ſein, daſ. i, 94; des Herzen Haus. 
des Herzen Bitte, baf. 4, 105, aus meines Herzen Grund, daf. 

4, 387. — In dee Herzens wahrem Dort, baf. A, 416. In des 
Berzens Hut, daf. A, 352, 
Kehrein Srammatit. I. 1. 7 


— 98 — 


c. Anomala. 
8. 139. 


Anomalien der Declination uͤberhaupt gruͤnden ſich theils auf 


Abſchleifung und Zuſammenziehung der gewoͤhnlichen Formen, theils 
auf Vermiſchung zweier Declinationen ($. 119. Anm. 1. 126. Anm. 1. 
129. Anm. 3. 135. Anm. 3. 6.), theils auf Vermiſchung ſtarker und 
ſchwacher Formen ($. 119. Anm. 3— 6. 123. Anm. 4. 129. Anm. 1.). 
Hier find befonders einige Wörter zu erwähnen, die auf die naͤchſten 
Famitienverhältniffe ficy beziehen und fo durch den öftern Gebraud) 
unregelmäßige Zlerionen angenommen haben: ihre Zahl fleigt, je 
weiter man in der Zeit zurüdgeht, indem die jüngere Syrache hierin 
nad) größerer Negelmäßigkeit ftrebt. 


. 1. 


2. 


3. 


4. 


Gothiſch. Sing. bröthar, bröthrs, bröthr, bröthar; Pur. 
bröthrjus, bröthrive, bröthrum, bröthruns. &o aud) die weib: 
lichen dauthar und svistar. — Das männliche mendths (Mo 
nat) und die weiblichen alhs (Tempel), baurgs (Burg), brusts 
(Bruft), nahts (Naht), mitaths (Mag) werfen im Gen. und 


- Dat. Sing. die Cafusvocale aus: baurgs, baurgs, baurg, baürg; 


Pur. baurgs, batrge, baurgim, baurgs. nahls hat im Dat. 
Pur. nahtam. In mann find mancdherlei Formen gemiſcht; 
Sing. manna, mans, mann, mannan; Plur. mans (u. mannans), 
wanne, mannam, mans. 

Althochdeutſch. fatar, pruodar, muotar, suästar, tahter 
pflegen im Sing. unverändert zu bleiben; im Plur. lauten 
Nom. und Ace. ebenfalls denen des Sing. gleich, der Gen. und 
Dat. Plur. lauten faterö, faterum etc. — Man hat im Gen. 
Sing. mannes und man, im Dat. manne, Xcc. manpan ab 
man, Nom. und ce. Pur. man, Gen. mannd, Dat. man- 
num. — nabt und puruc haben im Gen. und Dat. Sing. 
naht, puruki, aber auch unverändert naht, puruc. 
Mittelhochdeutſch. vater, bruoder, muoler, swäster, tohter 
bleiben im Sing. unverändert; den Plur. lauten einzelne Hand: 


ſchriften um: veter, brüeder, müeler, töhter, doch fcheint das 


fpätere Verderbnif. — man iſt ſowol ganz unveränderlich für 
alte Caſus des Sing. und Plur., als nad ber 1. fl. Deet. 
Sing. Gen. mannes, Dat. manne, Plur. Nom. u, Acc. immer 
man, Gen. manne, Dat. mannen. — naht hat im Gen. u. 
Dat. Sing. nehte, nahte und (zuweilen) naht. 

Neuhochdeutſch. Vater, Bruder, Schwager gehen regel: 
mäßig nach der 2. ſtarken Declination; Mutter und Tochter, 
im Sing. unverändert, lauten im Plur, um: Mütter, Töchter; 
Schwefter und Schwieger, im Sing. unverändert, im PL. 


— 60 — 


war: Schweſtern, Schwiegern. — Mann bat im Sing. 
Gen. Mannes, Dat. Manne und Mann, Jec. Mann; 
Plur. Nom. Gen. und Acc. Männer und Mannen (dies im 
Sinn von Vaſallen), Dat. Männern und Mannen. — Sft 
von Heerestheilen Die Mede, fo ſteht nad) mhd. Weife im Pur. 
unveränderted Mann; Zwanzig Wann find gefallen. — 
H. Sachs hat öfters den Pur. Maͤnn der, die tirol. Volks⸗ 
mundart Mannder. 


D. Declination der fremden Subſtantiva. 
8. 140. 


Die fremden Subſtantiva, die als foldye noch erkennbar find, 
gehen alte nach ber ſtarken oder ſchwachen Declination, ſchwanken 
jedoch auch mitunter aus der einen in die andere. Der Umlaut 
Boramt ihnen eigentlidy nicht zu. 


a) Starte Destination. 
8. 141. 


Nach ber ftarken Declination gehen: 

1) die meiften männlichen und neutralen Sachnamm: Tempel, 
Inftinet, Meteor, Problem, Diadem, Mojorat, Do: 
cument, Xheater; 

2) Diejenigen männlichen Perfonennamen, welche die aus ben 
lateiniſchen Endungen alis, arius, anus, inus hervorgegangenen 
Eudungen el, ar, är, au, ds, aner, iner haben; ferner 
ſolche, die fih auf ier, eur, on, or endigen, fämmtlidy (mit 
Ausnahme der aufaner, iner) mit betonter legter Sylbe: 
Kardinaf, Admiral, PBicar, Notar‘), Kaftellan, 
Koplan, Dominicaner, Benedictiner, Dfficier, 
Acteur, Spion, Major. 

3) Den Plur. auf -er haben Hofpital, Spital, Kamifot, 
Klofter, Regiment, Parlament, die drei erften haben auch 
den Umlaut. — Schiller hat audy die mehr der Volksſprache 
angehörigen Pl. Billeter (Rabale u. Liebe 1, 1), Prafenter 
(daf.), Kolleter (Wallenft. Lager 11). Bon Capitäl hat 
Goethe (MW. 29, 94. 99) den Plur. Capitäler. 

4) Den Umlaut haben im Plur. Abt, Altar?), Bifhof, Chor, 
Choral, Kanal, Kaplan, General, Kardinal?), Klo: 
fter, Marſch, Moraft, Palaſt, Pabſt, Probft. 

Anm. 1. Man findet auch bie Plur, Bicarien, Notarien. 

Anm. 2. Dpis hat noch den Altaren; Apentinus fagt ſchwankend: bie 

Altäre, ham Altaren; bie Klofter, die Kloͤſter; bie Bifchoffe, 
hie Birhöffe; ben Bäpften; bie Abten; bie Britäl; die Paläft; 


— 100 — 


bie Caplanen; ben Cardinälen; H. Sachs ſagt bie Altar; ber 

Biſchoͤfen. B. Aleris (Woldemar 1, 253) fagt bie Caplane. 
Anm. 3. Bei General, Admiral "und Kardinal (wol aud bei 

Tribunal) ſchwankt der Gebrauh. — Um ben König verfammelten 

fih viele Generäle. Goethe, Campagne in Frankreich. Acht Gene⸗ 

tale, Sciller,-Piccol. 4. (Scene). Admiräle. Vechſtein, Fahrt 2, 
1233. In Gegenwart dreier Sarbinäle. Goethe, ital. Reife. 

Anm. 4 ans ungewöhnlich ift der Plur. Poltröne bei Immermann, 
Verkl. 6 


b) Schwache Declination. 


8. 142. 
Darnach gehen: 
1) alle weiblichen Subſtantiva: Tinctur, Facultaͤt, Zonen; 
2) die meiften männlichen Perfonennamen, nämlich: | 
a) die mit, den Endungen at, ant, ent, ik (aus lat. atus, 
ars, ens, icus), aft, ift, oft, et, it, ot, e: Advocat, 
Prälat, Adjutant, Proteftant, Student, Katho⸗ 
Lit, Phantaſt, Pietiſt, Evangeliſt, Juriſt, Staroft 
(polnifcher Älteſter, Statthalter), Poet, Prophet, Se: 
fuit, Idiot, Eleve, Alumne, Antipodez 
b) die mit log, ſoph, nom und aͤhnlichen griechiſchen 
Woͤrtern zuſammengeſetzten: Theolog, Philoſoph, 
Aſtronom, Geograph, Patriarch; 
c) die maͤnnlichen Subftantiva Tyrann, Elephant, Con⸗ 
fonant, Quotient, Ducat, Planet, Komet, Koloß. 
Anm. 1. Manche behalten die fremde Form bes Nom. Sing. für ben 
gungen Sing., bed Nom. Plur, für den ganzen Plur.: Caſus, Modus, 
odi 
Anm. 2. Bon Koloß ſagt Rückert (gef. Geb.2, 164) in ſchwacher Form: 
Gleich dem rhodiſchen Koloſſen; Wieland (Oberon 2, 15): Zmween 
hochgemwaltige metallene Koloffen; Goethe (Kauft 2): Den lebendigen 


I ufien führ’ ih; und (ital. Reife): Die beiden Koloffen erblickt 
ih nun 


c) Semifhte Formen. 
$. 143, 


Den Sing. flark, den Plur. ſchwach bilden: 

1) die männlichen Perfonennamen auf ein tonlofes or (lat. or): 
Doctor, Profeffor;z | 

2) folgende männlihen: Diamant, Faſan, Kapaun, Impoft, 
Gonful, Pantoffel, Muster ($. 119. Anm. 5.), Praͤ⸗ 
fect, Pſalm, Rubin, Staat, Thron ($. 119. Anm. 5.), 
Tractat, Zribun, Zins; 

3) die fähhlihen auf um, al, il (lat. ium, uum, ale, ile); fie 
haben im Plur. -ien (sen): Studium, Evangelium, 


— — 10t — 


Adverbium, Participium, Individuum, Gapital, 
Regal, Bachanal, Foſſil; auch die nur im Plur. Jebraͤuch⸗ 
lichen: Kurialien, Formalien, Naturalien, Mobi: 
lien u. a. 

Die fachlichen auf tiv (lat. tivum): Adjectiv, Subſtantiv, 
Motiv u. a. ſchwanken im Plur. zwiſchen ſtarker und ſchwacher 
Form: doc wiegt nach dem Sprachgebrauch die ſtarke Form vor: 
Adjective, Motive. 

Anm.1. Czaar, Palatin und Magnet fhwanten. — Des Czaars 
...des Czaaren. Schiller, Demetrius 1. Im Haus bed Palatins 
... Ruhmreihe Palatin' und Kaftellane... Mächtige Bifchöfe und 
Palatinen. Schiller, Demetrius. Dieſes Magneten. Mufäus. 
Der Magnete Haffen und Lieben. Schiller, Spaziergang. 

‚Anm. 2. Einige aus neueren Sprachen aufgenommene männl. und fädhl. 
Subft. behalten oft mit der ausländifchen Form und Betonung zugleich 
die ausländifche Pluralform auf -8: die Genies, Fonds, Metal: 
lite, Lords, Puddings, Solos, Kafinoe. 


E. Delination der Eigennamen. 


g. 144. 


In der früheren bdeutfchen Sprache verfuhr man mit der Decli⸗ 
nation der inländifchen wie ausländifchen Eigennamen etwas freier 
als jest; man behandelte fie im Allgemeinen wie andere Subftantive 
nad) der flurfen oder ſchwachen Declinstion, wobei jedoch einzelne 
Abweihungen vorfommen. — Die neuhochdeurfche Declination der 
Eigennamen ift fehr verworren. Die beften Schriftfteler weichen oft 
von einander ab, ja ein und derfelbe Schriftfteller decliniert mitunter 
einen und denfelben Eigennamen auf verfchiedene Weiſe. in auf: 
fallender Unterfchied zeigt fih dabei noch zwiichen den Schriftſtellern 
des nördlichen und füdlichen Deutfchlande. Während jene die einzelnen 
Caſus der Declination durch beftimmte Flexionen bezeichnen, laffen 
diefe die Slerion meift aus, den Genitiv ausgenommen. Jene haben 
für ihr Verfahren, außer den Vorbildern der Griechen und Römer, 
auch einen geichichtlichen Grund in ber deutfchen Sprahe. — Man 
muß zwifchen deutfchen und fremden Eigennamen unterfcheiden; 
legtere Eönnen in ihrer fremden Form, oder in einer folchen erfchei: 
nen, welche der deutichen Declination nicht widerfirebt: in diefem 
Salle declinieren fie wie die deurfhen. — Die Lateinifche Declination 
ift nicht mehr gehraͤuchlich, außer etwa in; Chrifti Geburt, Marid 
— PAR Ba % ri ehe Yu Fbei ſu pr mkuin, 

Anm. Sn 8— — beſchraͤnke ich mich, um eine Grund⸗ 
lage und Auctorität zu haben, auf den Gebrauch bei Goethe und 

Schiller. Ich gebe hier nur einen Auszug aus einer groͤßeren Abhand⸗ 

lung über dieſen Theil der Grammatik, welche ich 1843 im „Archiv für 


den Unterricht im Deutſchen,“ herausg. v. H. Vieboff ‚1. Jahrg. 3.9. 
S. 86—100 habe abdrucken laffen. 


— 102 — 


1. Eigennamen maͤnnlicher Perſonen ohne weitere 


Bellimmungswörter. 
a) Starke Declination. 
8. 145. 

Sing. Plur. 
N. (gegeben) -e, oder wie d. Mom. Sing. 
G. -8 -e, oder wie d. Nom. Sing. 
D. -en (n) -en (n) 
A. -en (n) -e,. oder wie d. Nom. Sing. ° 


Die auf I,.m, n, 2 und auf einen flarflautigen Vocal aus: 
gehenden Eigennamen werfen das Biegungs:e, die auf -u mit uns 
betonter Sylbe ausgehenden das -en ab. Bei diefen iſt Nom., Gen., 
Ace. Plur. gleih dem Nom. Sing.; die auf -om nehmen jedoch in 
biefem Caſus ein -e an: Newtone. — Nach diefer Derlination 
gehen die auf Vocale, auf flüffige und Starrlaute ausgehenden 
Eigennamen: Melina, Abraham, Hermann, Hannibal, Sried= 
land, Sellert, Schiller, Sternberg ꝛc. 

Anm. 1.. Mehrere declinieren ſtark und ſchwach zugleich, beſonders bie in 
deutſcher Form erſcheinenden fremden, deren letzte Sylbe den Bon bat, 
wenn auch nicht überall: Ariofls, Arioſtens. 

Anm. 2. Die Böllternamen find mhd. meift ſtark: swäp, Pl. swäbe, 
doch treten ſchon ES Sormen ein. Neuhochd. find ber fchwachen 
noch mehr: Deutfche, Düne, Heffe, Preuße, Safe, Schwabe; 
Bater und Pommer haben den Plur. ſchwach, ſchwanken aber Sen. 
Sing.: Baiers, Baiern. Bildungen mit -er behaupten die ſtarke 
Korm: Öfterreicher, Würtemberger. Kür Bade hört man meiſt 
die fonderbare Form Babenf er. 


b) Schwache Declinatton. 


$. 146. 
Sing. Pur. 
N. (gegeben) 
G. -ens J 
D. -en en 
A. - en 


Nach dieſem Paradigma gehen alle Eigennamen, die ſich auf 
einen Sauſe⸗- oder Ziſchlaut endigen, fo wie die meiſten fremden, bie 
auf einen Starrlaut ausgehen, und den Ton auf der legten Sylbe 
haben, wobei die Endungen a8, es, us häufig in Eeits verwandelt 
werden: Hanſens, Goͤtzens, Horazens, Aeneens, Ulpffens, 
Lypaͤens. Bleiben die fremden Enbungen as, es, is, 08, us, 
ans, fo bleibt der Eigenname ganz unverändert, 


Anm. Die Namen auf -e ſchwanken zwifchen flarker und ſchwacher Borm: 
Goethes und Goethens, doc wiegt bie ſtarke vor. ’ 





— — — — 


— 103 — 


2. Eigennamen weiblicher Perſonen ohne weitere 


Beflimmungswörter. 
3) Starke Declination. 
$. 147. 
Sing. Pur. 
N. (gegeben) 
— 34 5 
A. -n 


Darnach gehen alle Eigennamen, die ſich nicht auf ein unbe 
tontes e endigenz aber es find deren im Ganzen wenige, und ihre 
Zahl fhmilze durch die Abſchwaͤchung des a in e täglich mehr zus 
fammen: Leda, Porcia, Thekla, Mignon u. a. 

Anm. 1. Im Blur. fallen wie bei ben weiblichen Subſtantiven ($. 124. 
Anm. 4.) ftarke und fhwace Declination zufammen, 

Anm. 2. Dat. und Acc. Sing. bleiben meift unverändert ; Gries (Calde⸗ 
ron 6, 44. 96) hat den Dat. und Acc. Blancan, Lautet der Name 
fhon im Rom. auf-& aus, fo bleiben alle Caſus unverändert: Pallas, 
Ceres, Thetis. 


b) Schwache Deelination. 


$. 148, 
Sing. Pur. 
N. (gegeben) 
G. -ens (-n#) _ en 
D. -en (-n) 
%. -en (-n) 


Darnach gehen die meiften weiblichen Eigennamen, befonders 

. bie auf ein unbetonted -e audlautenden: Mariane, Dttilie, 

Minerva; Marianens, Ottiliens, Minervens; Marianen, 
Ottilien, Minerven. 


3. Plural der perfäönlichen Eigennamen. 
g. 149. 


Die Eigennamen können vermöge. ihrer Natur nur felten im 
Pur. gebrauht werden. Hauptregel ift bei ihrer Piuralbildung, daß 
der Umlaut nicht eintreten darf, alfo: Wolfe, nicht Wölfe. 

Anm. Goethe und Schiller gebrauchen oft die nach neueren fremben 


Sprachen gebildeten Pluralformen auf- -S: die Bourbong, Terzkys, 
Fleiſchers. Vgl. $. 143, Anm, 2, 


— 104 — 


4. Detsnamen. 


6. 150. 

Neuhochdeutſch gehören alle Ortsnamen dem Neutrum an, ohne 
Ruͤckſicht auf das männliche oder weibliche Gefchlecht eines Beifages, 
wie Berg, Burg, Stadt, Zurt, 3. B. Königsberg, Freiburg, 
Neuftadt, Frankfurt. Die Dichter, befonders die Überfeger griechi- 
fher und römifher Dichtungen, fagen wol bie gewaltige Roma, 
die heilige Slios. — Auch die Landernamen find meift neutral, 
nur einige weibliche haben ſich erhalten, die aber mit dem beftimmten 


Artikel decliniert werden: Lombardei, Türkei, Bulgarei, Mon: 


golei, Barbarei, Wallachei, Schweiz, Krimm und einige 
feanzöfifche Provinzen: Picardie, Bretagne, Champagne. Als 
männlich findet fi der Elſaͤß, von Einigen das Elſaß genannt. 
Alle Eigennamen der Orte und Länder, mit Ausnahme der auf 
einen Saufe: und Zifchlaut auslautenden, die gar Feiner Declination 
fähig find, gehen nach ber ftarfen Declination ber neutralen Sub: 
ftantive, wobei jedody das Dativ⸗e fehlt, d. h. fie bleiben unverändert 
mit Ausnahme des Senitivs, der ein 8 annimmt. 
Anm. Die bei Schiller vorkommenden feltenen Dative Mycenen (Aeneis 
2,4) und Europen (Hero u. Leander) find wol daher zu erflären, daß 
im MHd. viele Ortsnamen im Dativ Plur. vorkommen, fid) alfo auf -en 
enbdigen, welche Endung man unorganifch dann auch foldhen gab, denen 
nur ber Sing. gebührte. Dean Eönnte vielleicht auch eine bloße Schwä: 
hung bes a ine ($. 147. 148.) annehmen. 


5. Einzelne Bemerkungen. 


$. 151. 


1) Stehen mehrere Perfonennamen hinter einander, fo gilt 
das Ganze ald ein einziger Name, und nur der legte wird becliniert 
nad) den oben gegebenen Regeln: Johann Georges, Friedrich 
Schillers. — Bei weiblihen Perfonennamen kann diefe Ver: 
fahrungsart nicht eintreten, fobald nach dem Vornamen der Ge: 
ſchlechtsname folgt; hier wird der Vorname beeliniert: Marien 
Stuart. Gewöhnlich hilft man ſich durch Vorfegung des Artikels 
oder irgend eines andern Beifages. 

2) Bei den adeligen Eigennamen, die fruͤher durch den Ort 
der Herkunft oder des Beſitzes und die Praͤpoſition von beſtimmt 
wurden, haben ſich allmaͤlich durch den perſoͤnlichen Adel Formen 
entwickelt, die allen Sprachſinn verletzen, aber ſich ſchwerlich mehr 
verdraͤngen laſſen. Man decliniert am beſten den vor der Praͤpoſition 
von ſtehenden Namen, wenn das den Caſus beſtimmende Wort vor⸗ 
angeht, dagegen den nach von ſtehenden, ſobald jene Beſtimmung 
nachfolgt: Die Werke Wolfgangs von Goethe; Wolfgang 
von Goethes Werke. 


— A — 


3) Gehen vor den Eigennamen noch andere Beſtimmungswoͤrter 
ohne Artikel voran, z. B. Amtsbenennungen, fo berrachtet man am 
beften Alles zufammen als ein Banzes und decliniert nur den zulegt 
ftehenden Namen: Kaifer Karls; Herzog Hanfen. — Steht das 
Beflimmungswort mit dem Artifel nad, fo werden beide decliniert: 
Karls des Großen; Kaifer Karls des Großen. 


4) Gehen dem Eigennamen noch andere Beflimmungen mit dem 
Artikel voraus, fo läßt man den Eigennamen am beften unverändert: 
des Herzogs Alerander von Parma; dem Meifter Ludwig; 
den Srafen Dlivaz der Kaiferin Maria Therefia. — Steht 
das Wort Herr ohne Artikel vor dem Eigennamen, fo merden beide 
decliniert: Deren Schröbers; fteht der Artikel dabei, fo.bleibt der 
Eigenname- am beften unverändert: des Herrn Schröder. 


5) Als Benennungen felbftftändiger Einzelweien bedürfen Eigen: 
namen feines Artikels. Werden aber folhe Eigennamen als Sat: 
tungsnamen gebraucht, ober bei einer befondern Vertraulichkeit oder 
Verachtkichkeit angewendet, oder wird der Name eines Schriftftellers 
ftatt feiner Werke gefegt, oder tritt endlich ein Eigenfchaftswort vor 
den Eigennamen; fo erfardert legterer den Artikel. Dasfelbe tritt ein, 
wenn man eine harte Biegungsfplbe vermeiden will. Da durch den 
Artikel jeder Cafus erkannt werden kann, fo bleibt der Eigenname am 
beiten yanz unverändert. 


6) Stehen Präpofitionen vor dem Eigennamen, fo kann er der 
Flerion entbehren. Goethe und Schiller ſchwanken hier bei männ: 
lihen Eigennamen: Goethe folgt mehr dem norddeutfchen, Schiller 
mehr dem füddeutfchen Sprachgebrauch ($. 144.). Bei weiblichen 
Eigennamen fehlt hier bie Flexion felten. 


I. Declination der Adjectiva. 


$. 152. 


Alte Adjectiva find der ſtarken und der ſchwachen Flexion fähig 
($. 116.). . Die Vocale A, 3, U bildeten auch hier wie bei der 
- Declinationen der Subftantiva die Grundlage, doch find die Declina⸗ 
tionen aus Mangel an Belegen nicht mehr alle aufzuftellen. | 
Anm. 1. Goth. blinds, blinda, blindata; midis, midja, midjata giengen 
nach der 1. Decl. mit dem Vocal a wie dags, hairdeis, giba; hardus, 
“ hardus, hardu nach der 3. mit dem Vocal u wie sunus, handus; aber von 
diefer 3. laffen fich die übrigen Gafus nicht aufftellen. Die 2. Det. mit 
bem Vocal i nad) gastis, mahts mifchte fich mit den Ableitungen auf -i 
ber 1. Declination. 
Anm. 2. Diefe manigfalten, der Syntar und dem Wollaut förderlichen 
Adjectivgeftalten bilden ein unterfcheidendes Merkmal deutfcher Sprache 
gegenüber ben meiften urverwanbdten, 


106 °—— 


A. Starte Declinatiom 





8. 153, 
Gothiſch. 
Masc. Fem. Neutr. 
Sing. N. blind-s blind-a blind-ata 
G. blind-is blind-aizös blind-is _ 
D. blind-amma blind-ai blind- amma 
%. blind-ana blind-a blind-ata 
Pur. N. blind-ai blind - ös blind-& 
G. blind-aize blind-aizö blind-aize 
D. blind-aim blind-aiım blind-aim 
4. blind-ans blind - os blind-a 
Sing. N. mid-is mid-ja mid-jata 
G. mid-jis mid-jaizös mid-jis 
D. mid-jamma mid-jai mid-jamma | 
%. mid-jana mid-ja mid-jata 
Pur. N. mid-jai mid-jös mid-ja 
G. mid-jaize mid-jaiz6 mid-jaize 
D. mid-jaim mid-jaim mid-jaim 
%. mid-jans mid-jös mid-ja 
Althochdeutſch. 
Masc. Fem. Neutr. 
Sing. N. plint-er plint-u plint-a3 
&. plint-es plint-erä 'pliat-es 
D. plint-emu plint- ru plint-emu 
%. plint-an plint-a plint- a3 
Pur. N. plint-2 plint-ö plint-u 
G. plint- rd plint- &r6 plint- erö 
D. plint-&m plint- &m plint-&m 
%. plint-&(?-a)  plint-6 plint-u 
Sing N. mit-jer mit-ju mit-ja3 
G. mit-jes mit-jerä mit-jes 
D. mit-jemu mit-jeru mit-jemu 
A. mit-jan mit-ja mit-ja3 
Pur. N. mit-je mil-j0 mit-ju 
| G. mit-jerd mit-jerd “ mit-jerd 
D. mil-jem mit-jöm mit-jem 
A. mit-ja mit-j6 mit-ju 


— tn — 


Mittelhochdeutſch. 
Masc. Fem. Neutr. 
Bing. N. blind-er blind-iu blind-e3 
G. blind-es blind-er blind-es 
D. blind-em blind-er blind-em 
%. blind-en blind-e blind-e3 
Pur N. blind-e blind-e blind-iu 
G. blind-er blind-er blind-er 
D. blind-en »lind-en blind-en 
%. blind-e blind-e blind-iu 
Sing N. hol-r hol- iu hol-3) 
G. hol-s hol-re hol-s 
D. hol-me hol -re hol-me 
%. hol-n hol hol-3 
Pur. N. hol hol hol-iu 
&. hol-re hol»re hol-re 
D. hoel-n hol-n hol-n 
%. hol hol hol-iu 
Sing. N. grob-er grob-iu grob-e3 
G. grob-es grob-ere grob-es 
D. grob-eme grob-ere grob-eme 
4. grob-en grob -e grob - e3 
Pur. N. grob-e grob-e grob-iu 
G. grob-ere grob-ere grob-ere 
D. grob-en grob-en grob-en 
A. grob-e grob-e grob-iu 
Neuhochdeutſch. 
Maͤnnl. Weibl. Saͤchl. 
Sing. N. blind- er blind-e blind- es 
G. blind-es blind-er blind- es 
D. blind-em blind-er blind · em 
A. blind- en biind-e blind-e6 
Dur. N. blind-e blind-e blind-e 
G. blind-er blind-er blind-er 
D. blind-en blind-en blind- en 
4. blind-e blind e blind-e 
Anm. 1. Die neutrale Endung des goth. Nom, und Acc. Sina. Tann 


fliehen oder wegbleiben: blindata, blind; midjata, midi. 

Anm. 2. Der ahd. Anfteumentalis Eing. {m masc. und neutr. heißt 
pintt (a), midja (u); Rom. Sing. und Blur. mase. und fem. und Rom. _ 
und Act, Bing. und Plur. neutr. Binnen auch pliht, mitt lauten; Dat, 


1 — 


Sing. masc. und neutr. haben plintemo neben plintemu; Rom. Sing. fem. 
und Nom. und Acc. Plur. neutr. haben plintju neben plintu. 


Anm. 3. Ablegung aller Flexion Tann mhð. in jedem Caſus Sing. und 
Plur. und in jedem Geflecht vorkommen. Der Gen. und Dat. Sing. 
fem. und der Gen. Plur. aller Gefchlechter bat neben blinder zuweilen 
blindere ; ber Dat. Sing. masc. hat neben blindem zumeilen blindeme. 
Einfylbig lange Wurzeln gehen nach blinder; fie alle behalten den vorde⸗ 
ren Flexionsvocal, ſtoßen aber den hinteren ab. Die einſylbig kurzen 
werfen ben vorderen nach 1 und r beſtändig aus (ho!, bar), nad m und n 
fhwantt der Gebrauch (lam, zam, wan = leer, gewon): nach andern 
Gonfonanten bleiben die Bocale (grober). Mehrſylbige Bildungen mit 
-el, -en, -er gehen, wenn bie Wurzelfylbe kurz ift, ganz nach blinder 
(gogeler = geil, äbener, magerer), wenn lang, nach holr (michelr, 
eigenr,, heiter ſtatt heiter'r). Adjective auf -in (Isenin) gehen nach blin- 
der; fobald aber ein unbetontes in entfpringt (glesin) beclinieren fie gleich 
denen mit der Bildung -en. — Adjective mit dem Bildungs -e find nur 
im flerionslofen Zuftand zu erkennen; fie haben bei feiner fühigen Wurzel 
in allen Caſus den Umlauf, 


$. 154. 


Neuhochdeutſch erhätt fi das Bildungsze nur im unbeftimmten. 
Zuftand weniger Wörter: blöde, böfe, enge, irre, jähe, firre, 


müde, öde, ſchnoͤde, träge, weiſe, zähe, die es jedoch auch ſchon 
zumeilen wegwerfen; in dünn, dürr, früh, grün, kuͤhl, kuͤhn, 
füß, wüſt, nüchtern ift es ganz geſchwunden, fein früheres Dafein 
aber am Umlaut erkennbar. Da die Comparative und Participien 
nhd. ſtark und ſchwach (goth. nur ſchwach) declinieren; fo fallen nhd. 
alle ſtarken Adjective und Participien dem Paradigma blind zu, 
mögen fie nun 1) einfach fein: arg, blau; 2) gebildet mit der Vor: 
ſylbe ge: gleich, gemein, gelehrt; 3) VBildungen mit -el, -em, 
-er: eitel, eigen, heiter; A) Bildungen mit -ig: ewig, finnig; 
5) Bildungen mit - iſch: hoͤfiſch, irdiſch; 6) Bildungen mit icht: 
ſteinichtz 7) Bildungen mit -t: nackt. 


Anm. 1. Im Acc. Sing. männl. und im Dat. Plur. aller Gefchlechter 


bei mehrſylbigen Bildungen auf -el, -er kann das Gafus=e vor dem n 
herausfallen: dunkeln, magern: die übrigen Gafus werfen Lieber 
das Bildungs=e weg: dunkler, dunkles, dunklem, doch aud 


dunkelm. Beiden Bildungen auf -en Tann das Bildungs = e bleiben 


oder wegfallen: ebenen, ebnen. 


Anm. 2. Die Flerion des Comparativs ift ahd. gänzlich mit der bes 
ſchwachen Pofitivs einftimmend (plintöro, plintöra, plintöra; pittaröro, 
pittaröra,, pittaröra declinieren wie hano, zunka, herza). — Mhd. kommt 
neben ber fchwachen bie ſtarke Flexion auf (blinder, schoener, bezjer ftatt 
blindere, schoenere, beyjere; fo die mehriglbigen magerer, ebener ftatt 
magerere , henere). — Nhd. ift der Comparativ, gleich dem Pofitiv und 
Superlativ, ftarker und fchwacher Form fähig. Bei mehrfulbigen Bil: 
dungen auf -er pflegt man Mißlaut flarker Form durch Syncope zu 
mildern: bittrerer, bittreres flatt bittererer, bittereres. 


A _ — N EEE 


— 10 — 


B. Schwache Declination, 


8. 155. 
Gothiſch. 
Masc. Fem. Neutr. 
Sing N. blind-a blind-ö blind-6 
G. blind- ins blind-öns blind-ins 
D. blind-in blind-6n blind-in 
%. blind-an blind-6n blind-ö 
Pur. N. blind-ans blind- öns blind-öna 
G. blind-ane blind-6n6 blind-ane 
D. blind-am blind- om blind-am 
A. blind-ans blind-öns blind-öna 
Sing. N. mid-ja mid-;ö mid-j6 
©. mid-jins mid-jöns mid-jins 
D. mid-jin mid-jön  mid-jin 
%. mwid-jan mid-jön mid-jö 
Pur, N. mid-jans mid-jöns mid-jöna 
G. mid-jand mid-jönd mid-jane 
D. mid-jam mid-jöom mid-jam 
A. mid-jans "mid-jöns mid-jöna 
Althochdeutſch. 
Masc. Fem, Neutr. 
Sing. N. plint-o pliat-a plint-a 
G. plint-in plint-ün plint-in 
D. plint-in plini- un plint-in 
%. plint- un plint-ün plint-a 
Pur N. plint-un plint-ün plint-ün 
G. plint-ön6 plint-ön6 plint-önd 
D. plint-öm plint- om plint-öm 
%. plint-un plint-ün plint-üa 
Mittelhochdeutſch. | 
Masc. Fem. Neuir. 
Sing. N. blind-e blind-e blind-e 
G. blind-en blind-en blind-en 
D. blind-en blind-en blind-en 
%. blind-en blind-en blind-e 
Plur. N. blind-en blind-en blind-en 
G. blind-en blind-en blind-en 
D. blind-en blind-en blind-en 
A. blind-en blind-en blind-en 


— 4 — 


Neuhochdeutſch. 

Maͤnnl. Weibl. Saͤchl. 

Sing N. blind-e btind-e blind-e 
G. blind-en blind-en biind-en 
D. blind-en blind-en blind-en 

%. blind-en blind-e blind-e 
Pur. N. blind-en blind-en blind-en 
G. blind-en blind-en blind-en 
D. blind-en blind-en blind-en 
%. blind-en blind-en blind-en , 


Anm. 1. Die Syntar lehrt, daß wir die ſchwache Form bed Abjectivs 
befonders dann gebrauchen, wenn ber Artißel vor demſelben ſteht. Vom 
unbeftimmten den beffimmten Begriff des Adjectivs zu unterfcheiden, 
fagte dem fortfchreitenden Sprachgeift zu, gleichviel ob er es durch eigne 
fhwache Form oder, wie iu den romanifchen Sprachen, durch vorange⸗ 
flellten Artikel erreichte. . Unfere Sprache häufte ſogar beide Mittel. 

Anm. 2. Abd. ftimmen alle Klerionen mit denen ber fchwachen fubftanti: 
vifhen Declination. Go erklären fidy die Formen plinten für plintin, 
plinton und plinten für plintun, plintöno und plintön für plintönö, plintön 
für plintom. — Die Adjeetive mit dem Bildungs si (e) gehen wie plinto: 
mitto, mitta ftatt mittjo, mittja. 

Anm. 3. Bei der mhd. ſchwachen Declination gilt über das ſtumme e das 
bei den Subſtantiven ($. 134. Anm. 3.) Geſagte: Die ſchwache Form hol; 
bar, lam (oder lame) ſtimmt zu ber, nam; grobe geht wie blinde. Ebenfo 
bei den mehriyibigen, es heißt: gogele, Ebene, magere; Gen. gogelen, 
öbenen , mageren etc. allein: michel, eigen, heiter; ®en. micheln, eigen, 
heitern. - 


8. 156. 


Neuhochdeutſch ift im Verhättniß zum Mhd. die einzige wichtige 
Abmweihung eingetreten, daß der Acc. Sing. weibl. dem Nom. gleich 
kautet. Das flimmt zwar zum Acc. Sing. Zunge (flatt Zungen), 
allein der fubftantivifhe Gen. hat ebenfalld Zunge, mährend bier 
das Adjectiv die ſchwache Form läßt: blinden. 

Anm. Der Nom. Eing. aller Gefchlehter fammt dem Ace. Sing. weibl, 
und neutr. kuͤrzen bei mehrſylbigen Büldungen auf -el, -en, -er ent⸗ 
weder gar nichts: dunkele, ebene, magere, oder den Bildungs⸗ 
vocal: dunkle, ehne, magre, Die übrigen Caſus, folglich alle mit 
ber Flexion -n, dürfen den Klerionsoocal fyncopieren: Dunkeln, ma= 
gern, oder auch ftehen laffen: dunfelen, mageren. Die auf -en 
Kun entweder lesteres: ebenen, ober werfen das e her Flexion aus: 
ebnen, 


IU. Declination der Zahlwörter. 
g. 187. 


Als Gardinalzahlen (Grundzahlen) derlinieren entweder gar 
nicht, oder ſtark (bald adjectiviſch, bald ſubſtantiviſch), niemals 


— tt — 


ſchwach. Die Einzahl decliniert in allen Mundarten regelmaͤßig als 
Adiectiv der ſtarken Declination: goth. äins, Sina, äinata; ahd. einer, 
einu, eina3; mhd. einer, einiu, eines; nhd. einer, eine, eines i). 

Die goth. Zweizahl bildet Nom., Dat., Ace. tväi, tvös, va; 
tväim, tväim, tväim; tvans, tvos, tva ganz adjeetivifh nach blindai; 
Sen. kommt nur vom männl. vor und lautet tvaddje. Ahd. lautet 
der Nom. und Acc. zu&ne, zud, zuei, en. fubftantivifch zueijo 
(fpäter zueiö), daneben auch adjectivifch zueierö; ber Dat. adjectivifdy 
zuöm. Mhd. lautet der Nom. und. Acc. zwene (fpäter zwen), zwö, 
zwei; Gen. zweier, zuweilen zweiger; Dat. zwein. Nhd. lautet der 
Nom. und Acc. aller Gefchlechter zwei; Gen. zweier; Dat. zweien 
(zwein)?). 

Don der goth. Dreizahl ift nur der Acc. männl. und weibl. 
thrins; Dat. thrim; Sen. thrija zu belegen; der Nom. lautete wol 
threis, thrijös, thrija. Ahd. lautet der Nom. und Acc. drie (dri), 
drid, driu; Gen. drio; Dat. drim. Mhd. lautet der Nom. und Ace. 
dri, dri, driu; Gen. drier; Dat. bald drin, bald drin. Nhd. lautet 
der Rom. und Acc. ‚allee Geſchlechter drei; Gen. dreier; Dat. 
dreien (dreihn). 

Don den übrinen Zahlen bis zehn werden in der früheren 
Sprache noch verſchiedene flectiert gefunden; nhd. flectieren fie nur 
dann, wenn fie ohne Subftantiv, dabei mit oder ohne Präpofition 
ftehen: Alte viere von fich ftreden; mit ſechſen fahren. 

Die Drdinatzahlen (Drdnungszahlen) beckinieren früher 
ſchwach, neuhochd. ſchwach und ſtark wie gewoͤhnliche Adjective: der 
zweite, ein zweiter?). 

Bon den Diftributivzahlen (Einthellungszahlen) iſt neuhb. 
nur beide zu erwähnen, das ftarfe und ſchwache Form geftattet. 

Anm. 1. Die nhd. Schriftfprade verzichtet auf den Plur. von ein (goth., 
ahd. fommt er vor im Sinn von allein), duldet aber außer bem Mom, 
männl, und Nom. und Acc. fühl keine Kürzung (mbb. kann im Rom, 
und Acc. aller Geſchlechter die Klerion wegfallen). Die Bollemundarten 
kürzen und lehnen an mit großer Freiheit und wanbeln ei in e und q: 
eim, am flatt einem; mitem, miter flatt mit einem, mit 
einer ꝛc. 

Anm. 2. Unfere Dichter haben noch mehrfach bie alten Kormen zween, 
zwo, namentlich Klopftod und Uhland. Doc, fehlt es auch nicht an 
fehlerhafter Verwechſelung der drei Formen, 3. B.: Für eine dunkle 
Stunde, oder zween. Gchiller, Macbeth 3,2. 3wo Mädchen. 3. ©. 
Jatobi (3, 180. Ausg. von 1778.). Bm Paters. Urfinus, Balladen 
8.39. Mit zween guten Gerichten. I. Möfer. — Schon im Lieders 
buch der Clara Häplerin aus ber 2. Hälfte des 18. Jahrh. (herausgeg. 
von Haltaus. Leipzig 1840. ©. 163) fteht: Ain vitter hatt zween jung 
doͤchter fchön. 

Anm. 3. Die goth. Sprache hat für zweiter das ftarkbiegende anthar, 
anthara , antbar; ahd. andar (u. andarer), andaru, andar (u. andaraz); 
mhd. ander, anderiu, ander (u, anderz), was man auch nhd. noch zus 
weilen findet, 





— 112 — 


IV. Declination der Fürwörter. 
a) Berfönliche (personalia). 


6. 158, 
Gothiſch. Althochdeutſch. 
J. Sing k meina mis mik ih mn mir mih 


Dual. vit ugkara ugkis ugkis wiz? unchar unch unch 


Pur. veis unsara unsis unsis wir unsar uns unsih 


I. Sing. ihu theina thus ihuk dü din dir dih 
Dual. jut? igqvara igqvis igqvis jiz,iz? inchar inch inch 


Ä Mur. jus izvara izvis izvis ir iwar iu iwih 
III. M.Sing. is 15 imma ina ir (&) imu inan 
Pur. eis izE m ins sie irä im sie 
MW. Sing. si Izös zei Ha siu ir iru sia 
Pur. jös zö im jös sid irod im  siö 
N. Sing. ita is imma ia 3 es imu i3 
Pur. ja ze im ha sin ird im siu 


Mittelhochdeutſch. Neuhochdeutſch. 
— — — — — — —— 
J. Sing. ch mn mir mich ih mein mir mid 
Pur. wir unser uns . unsich wir unſer und ung 
1. Sing da du dir dich du dein bie Did 


Plur ir iuwer iu. iuch ihr euer euch eud 

III. M. Sing. — m in er — ihm ihn 
| Pur, sie ir in : se. fie. ihrer ihnen - fie 
W. Sing. sie ir ir sie fie ihrer ihr fie 
Pur. sie ir in sie fie ihrer ihnen fie 
N, Sin. &s im 8 es — ihm es 
Plur. sie ir in sie fie ihrer ihnen fie 


Anm. 1. Vom Reflerivum (rüdbezügl.) Eommen vor: goth. Sing. und 
Plur. Gen. seina, Dat. sis, Acc. sik; ahd. Gen. Sing. sin, Acc. Sing. 
und Plur. sih; mhd. Gen. Sing, sin, Acc. Sing. und Plur, sich; nhd. 
Gen. Sing. fein (feiner), Dat. und Acc. Ging. und Plur. fich. 

- Anm. 2. Neben mein, bein,.fein gilt auch eine erweiterte (unedlere) 
Form meiner, deiner, feiner. — Im Plur. I. hat bie Dativform 


den Acc., in I. die Accufafivform den Dativ eingenommen. Die adjectis ‘ 


vifche Flerion ihrer ift ebenfo unorganifch, als der Dativ Pur. ihnen, 
deſſen Form an den ahd. Acc. Sing. inan erinnert. 


b) Befiganzeigende (possessiva). 
$. 159. 


Sie haben fid) aus ben Genitiven der perfönlichen entwickelt, 
gehen goth. und ahd. nach der flarken, nhd. und theitweife ſchon mhd. 


. . 
- — — — — 


— 113 — 


nach der ſtarken und, fſchmachen Detlinetiem der Adjective und find: 
goth. meins, ugkar, upgar; theins, jgqvar, Izvar; seins; ahd. miner, 
uncharör, unsarer (unser); diner, incharer, iwarer; stadr; mhd. 
min’-(miger), unser; din (diner), iuwer; sin (siner); nhd, mein, 


unſerz dein, euer; fein, ihr. 
Anm. 1. Dan merke, daß goth. ugkar, unsar, igqvar, izyar im Rom, 
masc. u. neutr. ftetd das -s und -ata weglaffen; im Rum. fem. bleibf -a. 
- Anm. 8, Otfried hat ahd. unserer, unseru, unserar; iwezer, iweru, iwera} 
und unser, unsu, unsaz; iwer, iu, iwaz. 

Anm. 3. Myd. gehen unser und iuwer regelmäßig nach heiter: unser (für 
unser’r), unseriu (oder unser), unserz (oder unser); Gen. unsers, unserre, 
unsers etc. 

Anm. 4 Nhd. mird in unfer, euer bas -ey beibehalten; bei mein 

dein, fein tritt dag -er in feltnen Fällen an, z. B.: De ift bein wu 
wo iſt meiner? — Das ihr ift feit dem 13. Zahrh. aus dem Kieder⸗ 
deutfchen allmälich ins Hochbeutfche übergegangen, 


c) Hinweifende (demonstratiya). 


$. 160, 


Es find hier drei Begriffe zu unterfcheiden: der, diefer, jener. 
Neuhochdeutſch ift ein unorganiſcher Unterſchied zwifchen Artikel und 
alleinſtehendem Demonſtrativ eingetreten: erſterer iſt unbetont, legte: 
res betont und hat erweiterte Flexion. 


1. Gothiſch. 


Maͤnnl. Sing. sa this ihamma thana 
Nur. Uri thize thäim thans 
Belt. Sing. so tlizös thizäi mo 
Plur. ihos thizö thäim 4hös 
Meute. Sing. thata dis mManvpa Yıata 
- Blur. Ihe thize {him thö 
2. Althochdeutſceh. 
Maͤnnl. Sing. der des demu(0) dem 
Plur. die därd dam die 
Weibl. Sing. diu därd (a) deru dia 
Pur. dis der6 dem die 
Meute. Sing. day des dömu(o) day 
Pur. diu derd dam diu 
Minnl. Sing. deser deses dösemu(o) desan 
Dur. dest deserd däsdm däse 
Weibl. Sing. däsiu döserä deseru dösa 
| Pur. dEsd deserd des em deso 
Meute. Sing. di- (dizi) deses desemu(o) diz 


Plur. desiu döserd desom ‚dis 
Kehrein Srammatik. 1. 1. . 8 


— da — 


3. Mittelhochdeutſch. 


Maͤnnl. Sing. der des dem den 
Pur. die der den die 
Weibl. Sing. diu der der die 
Pur. die der den die 
- Meute. Sing. das des dm day 
Plur. diu der den diu 
Männl. Sing. dirre dises diseme disen 
Pur. dise dirre disen dise 
Weibl. Sing. disiu dirre dirre dise 
Pur. dise dirre disen dise 
Neutr. Sing. diz(ditze) dises diseme diz 
Pur. disiu dirre disen disiu 
4. Neuhochdeutſch. 
Maͤnnl. Sing. ber des (deffen) bem den 
Pur. die ber (derer) den (denen) die 
Weibl. Sing. die ber (deren) der bie 
Pur. die der (derer) den (denen) die 
Neutr. Sing. das bes (defien) dem das 
Pur. die der (derer) den (denen) die 
Maͤnnl. Sing. diefer diefes biefem biefen 
Plur. dieſe dieſer dieſen dieſe 
Weibl. Sing. dieſe dieſer - dieſer biefe- 
Dur. diefe diefer diefen biefe 
Neutr. Sing. diefes (die) dieſes diefem dieſes (dies) 
Plur. dieſe dieſer dieſen dieſe 


Anm. 1. Das goth. Pron. sa, sd, tbata vertritt zugleich den Begriff von 
biefer. Reſte eines alten Pronomens his find erhalten in den Abverbien 
himmadago = heute, hinadag = bis heut. 

Anm. 2. Im ahd. däser gibt es bei Otfried und Notker mancherlei Abs 
weichungen von obigem Paradigma, bie fi auf die Setzung von i flatt 
ẽ und die Affimilation des s zu r, wenn bie Klerion ein r hat, befchränten. 

Anm. 3. Die eingellammerten Kormen find die des Demonſtrativs. Unſer 
deffen und weffen find unorganifch verlängert, Wenn fie nun in ber 
Zufammenfegung wieber verkürzt werden; fo fällt der Grund, weshalb ff 
ftatt f eintrat, weg, und man ſchreibt darum am natürlichften: deshalb, 
deswegen, besfalls, desgleichen, weshalb, weswegen. 
Vgl. etwa Hindernis, -niß; Königin, -inn. 

Anm. 4 Iener, jene, jenes; goth. jöins, jäina, iinata ; ahd. gener, 
genu, génaz; mhd. jener, jeniu, jenes; ſolcher, folche, foldhes; 
jeber, jedweder, jeglicher beclinieren ganz wie blinds, plinter, 
blinder, blinder. Aventinus fagt im Dat. einem jeden u. jebern; 
Tſchudi hat jedwederer; im Simpliciffimus kommt oft einem jeds 
wedern und jebwederen' vor, — Derjenige decliniert ſchwach: 
desjenigen, demjenigen zc, (wie ber jenige), fo auch berfelbe 
und derſelbise— 


— ib — 


d) Fragende (interrogativa). 
$, 161. 


"Deren gibt e8 eigentlich vier: wer überhaupt; mer von meh: 
reren; wer von zweien; wie befchaffen (weicher). 


1. 


2. 


3. 


4, 


Gothiſch. 1) Männt. Sing. hvas, hvis, hvamma, hvana; 
Plur. hväi, hvize, hvaäim, hvans; Weibl. Sing. hvö, hvizös, 
hvizäi, hvö; Pur. hvös, hvizö, hyäim, hvos; Neutr. Sing. 
hva, hvis, hvamma, hva; Plur. hvö, hvize, hväim, hvö. -— 
2) hvarjis, hvarja, hvarjata (wer von mehreren) folgt ganz der 
abdjectiv. Declination midis. — 3) hvatbar (wer von zweien) 


becliniert wie anthar ($. 157. Anm. 3.) — 4) hveleiks (wel: . 


her) decliniert wie blinds. 

Althochdeutſch. 1) Sf nur belesbar im Nom. und Acc. 
huer, hu&n (huönan), huaz; im Anlaut gift meift w für hu. — 
2) Fehlt. — 3) huedar (wedar) wie andar ($. 157. Anm. 3.). — 
4) huelihher (bei Notker weler) wie plinter. 
Mittelbohdeutfh. 1) Männt. Sing. wer, wes, wem 
(wöme), wen; Neutr. Sing. wa3, wös, wem (wöme), wa3. — 
2) Fehlt. — 3) weder ift felten und decliniert nach mager. — 
4) w£lcher wie blinder. 
Neuhochdeutſch. 1) Männl. Sing. wer, weffen (mes, 
weg), wem, wen; Neutr. Sing. was, weſſen (wes, weß), 
wem. — 2) Fehlt. — 3) Fehlt, nur in einigen Volksdialecten, 


3. B. in der Schweiz, noch vorhanden). — 4) weicher nad 


blinder. 


Anm. 1. In Werken fchweizerifher Schriftfleller findet fi biefes Pros 


nomen auch ziemlich lang, z. B. in Zwinglis „Zuſchrift der Antwurt 
über Dr. M. Luthers Buch, Belenntnuß genannt” fteht: ‚Sehe man 
bemnad zu wedre (d. i. Luthers oder Zwinglis) leer zum erflen von 
allen vechtverftändigen angenommen werd.” Tſchudi hat wäderer 
(mer von beiden) u. bwäberer (feiner von beiden). 


e) Rüdbezüglicdye (relativa). 
8. 162. 


Der Begriff der Rüdbezüglichkeit wird auf verfchiedene Weiſe 


ausgebrüdt: theils duch das Demonftrativpronomen ber, die, das, 

theils durch das erfle und vierte Snterrogativpronomen wer, was; 

welcher, welche, welches, theils durch die Partikeln fo und wo. 
Anm 1. Rah Beder (Schulgrammatil A. Ausg. $. 277.) fol der Ges 


brauch des fo jegt veraltet fein; dem ift aber nicht fo, wie folgende 

Beifpiele beweifen: Da kommt die Estorte, fo uns der Kaifer entgegens 

ſchickt. Schiller, Denkwürbigkeiten a, d. Leben des Marfchalls Vieilleville. 

Der Verfaſſer und ber, fo bie Depefchen überbringen follte, wurden 
8 


— 


| 





- fogleich fortgefchafft. Daf, Wie ihm Vieilleville ben Brief zeigte, fo er 
von feinem Spion tn Suremdurg erhalten. Daſ. An einer Stunde kam 
Schon ihr Vortrab, fo aus ungefähr jehzig Dann beftand. Daf. Das 
Haupt, fo er ihm abgehauen. Uhland, Roland Schildträger. — Klop⸗ 


d biefgs t, 3. B. Meffias 2, 474, 3, 24. 89, 
a abe ieſes fo ſehr oft, z. B. Meſſias 2, 474. 9, 


Anm. 2. Das telativiſche wo iſt ſehr im Gebrauch, aber nicht (wie 
manche Srammatiker Iehren) auf Drt, Zeit und Weife eingefchräntt. 
Bol. folgende WBeifpiele aus Schiller und Gerthe: Straße, worauf. 
Schiller, Piseol 4,4. Formel, worin. Daſ. 3, 1. Biyrige, worauf. 
Def. 3, 4. Act Benerale, worunter. Dat. 4. (Scene). Augenblide, 
wo. Wallenft. Tod 2,5. — An jedem Orte, wo. Goethe, Slavigo 2, 
Nach Aranjuez, wo. Daſ. 2. Ein Katarıh, woraus eine Bruſtkrank⸗ 
heit wird. Goethe, Meifkens Lchrj. 6. Die Doutlickeit, womit. Daf. 


Anm. 3, Was für etwas und wer für irgend jemand findet fi 
öfter, 3. B. Bilde mir nicht ein was vechte zu willen ... Milde mir 
wicht ein, ih Wannte was lehren. Goethe, Fauſt 1. — Bo Hat bie Sonne 
nicht Verftand, weiß nicht, was fich gebührt, drum mug wer fein, ber 
an ber Haud gleich wie "ein Lamm fie führt. Claudius, Sonnengufgang. 
Es fchien ihn fo zu plagen, als hätt er wen erfdylagen. Bürger, bie 
Entführung. 


f) Unbeftimmted Pronomen. 


_ 8. 163. 
Althochd. Mittelhochd. Neuhochd. 
Sing. N. aoman ieman jemand 
G. somannes iemannes (iemans) jemandes (6) 
D. eomanne iemanne (ieman) jemandem (n) 
A. eomannan ieman jemanden 


Anm. 1. Wie eoman (wofür auch ioman feht) geht auch meoman 
"7 Kaahomatır). 

- Hnm. 2. Mhb. findet fich auch iemen, jemens, iemen, iemen. Mile ieman 
(iemen) geht auch nieman (niemen). — Im 14. — 18. Jahrh. findet ſich 
bier und da der Rom. iemant, yemans; memant, niemants (Wackernagels 
Lefeb. 1015, 13; 1062, 23; 937, 47; 981, 13); feit bem 16. Jahrh. 
macht fi die Form iemand(t), niemanb(t) immer mehr geltend, 
doch findet fih noch oft ieman, nieman; iemang, niemand, 


Anm. 1. Die nhd. Form iemand (und niemand) ift verberbt, bie 

Declination im Dat. und Acc. ſchwankend, wie aus folgenden Beifpielen 

- erdelt. Weil ich nicht gern mich, Jemandem in den Weg flellen mag. 
Reffing, Ernſt und Kalt, Wenn ich mich einmal nad) jemandem ie: 
ten fol. Goethe, Stella 1. Weil wir feft entfchloffen find zu ſterben eh’, 
ale jemanden die Luft zu verdanken, außer Gott. Goethe. Will 
man datum Jemanden ungefund machen. Gellert, Zroftgründe. Go 
tft e8 Niemand zu verbenfen, am allerwenigfien aber Jemandem, 
der ... Lichtenberg. In der Unterrebung niemand zu wiberfprecen. 
Goethe, Meifters Lehrj. 6, Ihr Hörtet niemand? Gosthe, Claudine 
von Billa Bella 2, 











Au hu fe KA Wine, 
2. Zweites &apitel, 
| Conjugation. 
8. 164, 


In der Conjugation erfährt ein Wort vielfältigere und bedeu: 
tendere Beltimmungen, als in der Declination. Außer dem Vers 
bättniß der Perfon und des Nümerus (der Zahl) maß and) das 
des Modus (der Art) und des Genus (des Geſchlechts) ausgedruͤckt 
werben. Die Sterionsfähigkeit des deutfchen Verbums ift im Laufe 
ber Zeit geſunken; alle Sterionsvgcate find nhd. in unbetontes e ge: 
ſchwaͤcht. | 

| 8. 165. 
Das Wichtigfte in dar deutfchen Conjugation und wodurch ſich 


nicht nur die Scheidung zweier Hauptformen, ber ſtarken und ſchwa⸗ 


hen, hauptfächlich, fondern aud) die Abtheilung der einzelnen ſtarken 
Conjugationen ergibt, ift die Bildung des Praͤteritums. 


| 8. 166. 

Bei den ftarken Verben wird das Präterlium' in der früheren 
Beit auf eine doppelte Weife gebildet: entwebei wird ber Vocal ber 
Wurzel (fei er anz oder inlautend) in einen andern verwandelt (Ab⸗ 
laut) 1—6. Conjugation, oder der Anlaut der Wutzel wird vor 
berfelben twiederholt (Rebuplication) 7— 10. Conjugatign. Die 
gothifche Sprache Eennt noch beide Mittel; in den übrigen Mund: 
arten iſt die eigentliche Neduplication untergegangen, b. h. flatt ihrer 
hat ſich ein unorganifcher Diphthong gebildet, und auf bie Doppelung 
des Confonanten wird kein Bedadt mehr genommen. — Dis Con: 
fonanten erleiden bei den ſtarken Conjugationen im Präteritum Eeine 
Veränderung, hoͤchſtens tritt Schärfung ein: [hneiden, ſchnitt; 
reiten, ritt. — Bei der [wachen Gonjugation bleibt die Wurzel 
im Präteritum unverändert, und hinter diefelbe tritt -te (ete). 


8. 167. 
Auch im Participfum Präteriti zeigt fich ein Unterfchied zwiſchen 
ſtarken und ſchwachen Verben; jene endigen fih auf -ew und er 


leiden dabei noch häufig eine meltere Veränderung des Wurzelvocals, 
diefe Laffen den Wurzelvocal unverändert und lauten auf —t (et) aus. - 


A. Starke Conjugationen. 


§. 168. 
Die ſtarke Conjugation iſt die urſpruͤngliche, ihre Bemegungen 


n freier, volftä 18 die der ſchwochen Tuch Da bewaͤhrt 

— 
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fan ruhen] ruuh, — 





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ihr hoͤheres Alterthum, daß die ſtarke Flerion ſtufenweiſe verfinkt und ” ’ 
ausftirht, die ſchwache, die ja eigentlich nur abgeleitete Verba umfaßt, 
um ſich greift; daß fremdher eingeführte Verba beftändig der ſchwachen 
unterworfen werden, wovon einige [pätere eine Ausnahme machen. 


Perfonenendungen der ſtarken Sonjugationen. 


8, 169, 
Gothiſch. 
1 I. In. 
Indic. Praͤſ. Sing. -a -is -ith 
Dual. -ös -ats — 
Plur. -am -ith -and 
Conj. Präf. Sing. — au -äis -äi 
Dual. -äiva? -äits — 
Plur. -äima -äith -äina 
Indic. Praͤt. Sing ... -t 
Dual. -u? -uts — 
Plur. -um -uth -un 
Conj. Prät. Sing. -jäu -eis -i 
Dual. -eiva -eils — 
Plur. -eima '=eith -eina 
Impet. Sing. — ... — 
Dual. — - ats — 
Pur. -am -ith — 
Part. Prſ. Prt. Inf. -ands -ans -an 
Althochdeutſch. 
J. II. III. 
Indic. Praͤſ. Sing. -u(o) -is (est) -it (et) 
Pur. -ames(en) -at(ent) -ant (ent) 
Conj. Präf. Sing. -e -&s(öt) -e 
Plur. -&mes (en) -et(önt) -En 
Indie. Prät. Sing. ... _ -i(e) ... 
Plur. -umös(en) -ut(et) -un (en) 
Conj. Prät. Sing. -i(e) -15 (ist) -i(e) 
Plur. -imes(tn) -it(ist) -in 
Imper. Sing — ... — 
Plur. — -at — 
DR. Prſ. rt, Se -antör -aner -an 





— 119 — 
Mittelhochdeutſch. Neuhochdeutſch. 
— — — 


— —— 
J. II. ul. 1. II. II. 
Indic. Praͤſ. Sing. -e —est -ed —-e (ft —et 
Pur. -en -et -nt -m -e · en 
Conj. Praͤſ. Sing -e -est -e -t -ft —e 
Pur. -en -et -en Jen -e -en 
Indic. Prät. Sing ...  -e ... | Ge 
Mur. -en -et -en -n -e -en 
Gonj. Prät. Sing. -e -est -0 -t -ft  -e 
Pur. -en - et -en -n -e -en 
Imper. Sinn. — . ... — — ... — 
Plur. — -et — — - et — 


Part. Prſ. Prt. Inf. -ende -en -en end -n —en 


Die einzelnen ſtarken Conjugationen. 


Vorbemerkungen. 
$. 170. 


Gothiſch wandelt fi) vor dem r und h der Wurzel (1., 2., 5. 
6. Conj.) iin ai, uin alu, 5. B. teiha ich verfünde, täih ich verfün- 
dete, taihum wir verfündeten; tiuha ich ziehe, täuh ich zog, taubum 
wir zogen. — Für i zeigt u im Präf. und Prät. ber 3. Conj. trudan, 
gatrudans (treten). — Das & ſchmankt in ei nicht bloß im Präf. der 
12. Conj. leitan, greitan für lötan, gretan (klagen), fondern auch im 
Plur. Prät. der 3. Conj.; veisun, veisjäu für vesun, vesjäu (bleiben, 
weſen). . iu befleht nur in- oder auslautend vor Confonanten, vor 
Vocalen wird es inlautend zu iv: sniva, snivis, snivith; Praͤt. snau, 
snäut, snäu, snivun flatt snuun; Imper. sniu nad) 6. Conj. (fchneien). 
— Lingualiſch auslautende Wurzeln wandeln ihre t, d, th vor dem -t 
der I. Prät. Sing. Indic. in s: mäimäist (du fehnitteft ab), fäifalet 
(du falteteft) für die übelflingenden mäimäitt, fäifallht. — standan 
(4. Gonj.) behält im Präf. nd, wirft aber im Prät. n aus und afpi- 
tiert die Media: stöth, stöthun für stönd, stöndun. — Folgende 
Verba bilden das Präf. durch alle Modos ſchwach, d. h. fie fchalten i 
ein, während das Prät. flark bleibt: aus der A. Conj. hafjan (heben), 
frathjan (ſchmecken), skathjan (ſchaden), vahsjan Wechen); aus der 
3. * Son) bidjan (bitten). 


g. 171. 


Althochdeutſch weihen von den obigen, ben diteffen Quellen 
gemaͤßen, Paradigma Otfried und Notker mehrfach ab und nähern 
fi) dem Mittelhochdeutſchen. Die eingeflammerten Formen find die 


5 





— 120 — 


von Natker, hier moͤgen die von Defriad ſtehen: Ind. Praͤſ. u, is, it, 
omös {oder en), et, ent; Conj. Praͤf. &, &s, €, &m&s (oder En), &t, An; 
Ind. Prät. ..., i, ..., umes (oder un), ut, un; Gonj. Prät. i, is, 
ij, mes (oder in), ft, in. — Aus der nun erlofchenen gothifchen Me 
duplication entwickelte ſich ber unorganifche Ablaut ta, hieraus [pÄter 
ia, dann ie. — Das kurze i geht nicht bloß vor r und h (mie goth. i 
in af), fondern au vor allen andern Confonanten ber 1., 2., 3. Conj. 
(außer vor m und n der 1.) im & über; nur im Praͤf. Sing. Inb. und 
Imper. bleibt i (während ed im Goth. vor r und h auch da in al vermans 
beit wird), z. B. Präf. Ind. kipu, kipis, kipit, köpames, kepat, köpant; 
Peäf. Conj. kepe, kepes, köpe, köpemes, köpet, köpen. — Das kurze 
i im Prät. der 5. Conj. unterliegt keiner Schwächung in &, z. B. 
serirum&s, eben fo wenig das i der 12. vor m und n, z. B. prinnan, 
prianu, prinnam&s. — In der 1. Conj. hat das Part. Prät. vor 1 
und r den Ablaut o, vor m und n den Ablaut u. Im Prät. Plur. 
der 1. und 6. Conj. ſteht u, felbft vor r. Vgl. holfaner, kozaner, 
. worfaner mit goth. hulpans, gutans, vaurpans und die Plur. Prät. 
ahd. wurfun, goth. vaurpan. — Des Sting. Ind. und Smper. der 
6. Conj. hat iu, der Plur. Ind. und Imper., ſowie der Sing. und 
Pur. Conj. haben io (mundartifch &o, ia), 3. B. Ind. kiuzu, kiuzis, 
kiuzit, kiogames, kiozat, kiogant; Conj. kioje, kio3es, kioge, kioʒemèês, 
kio3et, kiogen; Imper. kius, kiozat. — Verba, deren Wurzel auf on 
und in endigt, pflegen bei vocalifch anftoßender Sterion des ou in bw 
ober ouw, das iu in im der iuw zu wandeln, alfo aus der 10. Conj. 
houwan, howan, Praͤt. Sing. hd, Plur. hiöwun, Imper. hou. — 
Bon Umlaute kann bloß in I. und II. Sing. Präf. Ind. der 4. und 
1. Conj. die Rede fein, doch haben ihn bie dlteften Denkmaͤler noch 
nicht, 3. B. haltis, faris, fpäter heltis, feris. — Geminierte Liquida 
wird auslautend einfach, 3. B. spinna, span. Geminata vereinfacht 
ieh, fobatd dee ihr vorftchende kurze Vocal durch Ablaut Lang wird, 
nicht bloß aus⸗, fonbern auch inlautend, z. B. fallu,"fial. — Der 
Spirans s geht im Pur. Prät. der 6. Conj., wo der vorausgehende 
Vocal kurz wird, inr über, z. B. risan, reis, rirun. — Im Pur, 
und Part. Prät. ber 4., 5., 6. Conj. geht hin g fiber, 3. B. stahan, 
sinch, sluogun, slaganer. Die dem goth. th parallele ahd. Media 
wird im Plur. Prät. und Part. zur Tenuis, z. B. snfdan, snitan, 
sultaner. — Das Dräf. ſchwach bei ſtarkem Praͤt. bilden: aus bee 
4. Con. suerran (ſchwoͤren), heffan, seffan (einfehen); aus der 3. Conj. 
piltan, sizan. — Stoͤßt in II. und IN. Sing. das i der Flexion ar, 


‘ 
/ 


fo wird die Conſonanz vereinfacht, 3. B. sueris, suerit; Plur. suer-. 


ramös. — Meben staniu, stentis, stentit, stantamös, stanlat, stan- 
tant gift atam, stäs, siät, glamäs, alät, atänt und atem, steis, steit. 
Analog neben kanku, kankis, kenkit ein gam, gAs, gät und Hi: 
goeis, geh. 


— 11 — 


8. 172. 


Mittelhoch deutſch find alle Flexionen in einfsrmiges unbe 
tontes e verwandeit. Das tonlofe e wird ſtumm, ſobald Furzer Vocal 
und einfacher Conſonant vorſteht; ſtummes e wird ganz unterdruckt 
4) nothwendig nad | amd r in 3. Sing. Praͤſ. Ind. und I. und IL 
Sing. Präf. Conj. der 2. und A. Conjugation, 5. B. stil, var; ferner 
in 1. Sing. Prät. Ind. und I. und IH. Sing. Prät. Conj. der 5. und 
6. Gomiugütion, z. B. rir (ich fiete, er ſiele, bu biſt gefallen), kur (id) 
wählte, er wähle, bu haſt gewählt). — ‚Die Syncope tritt ein. wer 
dem st, t, n, ni alker Tempora, welche apocopieren, ſodaun im af. 
und Part. Praͤt. beider Formen, z. B. meist (du mahlfl), melt (er 
mahlt), hela (wir hehlen); 2) weniger durchgreeifend nach m und m 
in benfelben Faͤllen, z. B. nim (nehme), zem (zaͤhme), schw (id 
fhiene, du Haft geichienen); 3) nad s und Iı faͤllt ſtummes e weg vor 
den Flexionen st, t, nicht aber austautend, auch nicht vor n, nt, z. B. 
het (du ließ, er lieſt), lest (ihr leſet), sihst (du ſiehſt), seht (ige 
fehet), hingegen lisa (idy fefe), lösen (leſen); 4) nah b, d, g keine 
Apocope, alſo ich gibe, lade, pfliges auch Feine Syncope nach d, alfo 
ladet, laden; nad b und g gleichfalls nicht por n, nt, alſo laben, 
aagen; zuweilen aber vor st, L ber H. IH. Peäf. Ind. Sing, nament⸗ 
lich nad o umd i der Wurzel, 3. B. grebt, tregt. — Das toniofe e 
darf nicht wegfallen. — Die thuͤringiſche Mundart ſchneidet haͤufig 
dem Inf. fein n ab: bevil, meine. Die ſchweizeriſche Mundart ge 
braucht ent für et in II. Pur. Praͤſ. Praͤt. Ind., Conj. und Imper., 
3 B. tuont, ritent. Bei Anlehnung des Pronomens wir fällt das n 
der I. Plur. oft weg, z. DB. heisewir. Die Il. Sing. Praͤſ. und Prät. 
Conj. behält zuweilen das ältere s flatt'st, 5. B. rites, ‚velles (du 
reiteſt, faͤllſt). — Die Vocale i und &, u und o verhalten fich wie im 
Ahd. In der 6. Conjug. heißt es, dem ahd. ia, io parallel, giuze, 
glujest, ginzet, giegen, giejet, giejent; Conj. gieje; Imper. giny; 


“ Inf. giezen. Das auslautende u in biu, brou ete. wird inlautend 


jaw, 3. B. hiuwen, briuwen. Sin der 5. Conjug. verhält fich & zu ei, 
6 gu ou wie ahd, — Umlaut gilt 4) in 11. IN. Sing. Präf. Ind. des 
aine tn der 4. und 7. Conjug., 3. B. var, verst, vert; valle, vellest, 
vellet; 2) des 4 in ae In der 8. Conjug., 3. B. släfe, slaefet; 3) die 
Diphthonge on, uo lauten in Il. IN. Sing. der 10. Conjug. nicht um: 
houwe, heuwet; ruefe, ruofet; dagegen in 1. Sing, Präter. Ind, 
und im ganzen Präter. Conj. gilt Umlaut des uo in üe, u in u, Lie 
ae, J. B. vuoren, vüere; kurn, kürn; lasen, laese. — Geminterter 
Gonfenant wird auslaufend einfady, 3. B. span, spin. Geminata 
vereinfacht ſich inlautend nach langem Vocal, z. B. valle, viel, vielen. 
Nach allgemeiner Regel wird Media auslautend zu Jenuis, z. B. 
tnibe, Jreip; ha ol, z. WB, se, sach. — Die Entwicelung des r 





— m — 


aus s begreift jest aus der 3. Conjug. wären; aus der 5. rirn; aus 


der 6, kurn, verlurn, vrurn. — g hat fih im Verhältniß zu hermeis. 


tert: Ithe, l&ch; vliuhe, vloch; sihe, sach; aber slahe, sluoc. — 
Schwache Formen haben fih nody mehr eingedrängt, als im Abb. ; 
gan und stän erfcheinen im einer Neihe von Formen: gän, gäst, gät, 
gan, gäl, gänt; gen, göst, get, gen, get, gent; gienc, giengen ete. 


$. 173. 


Neuhochdeutſch iſt im Präter. die bedeutende Abweichung 
vom Mhd., daß I. Sing. nicht mehr auf e mit Umlaut, fondern auf 
eft ohne Umlaut ausgeht, z. B. mhb. sang, senge, jest fang, fangeft. 
Sm Verhältniß des e zu i im Präf. Sud. Sing. die wichtige Ver: 
änderung, daß I. e, Bein i befommt, folglich mit 1. des Präf. Conj. 
sufammenfällt, z. B. gebe, nehme; Il. und III. behalten i, z. B. 
gibft, nimmt. Im 16. Jahrh. findet man noc oft ih gib, 
ſprich, iß u.a. — Bitten, liegen, figen bewahren das i (ie) 
überall, ebenfo Plur. Prät. der 5. Conjug. und Praͤſ. Ind. und Con. 
der 1. Gonjug. vor m und u, 3. B. griffen, f[hwimmen, fpin: 
nen. — Das iſt vorgeruͤckt und gilt nicht bloß im Part. Präter., 
fondern auch im Pur. Präter. dee 6. Sonjug., 3:8. flohen, ge: 
flohen; ferner im Part. Präter. der 1. Conjug. vor umm, 1m, 
3.8. gefhwommen, geronnen. Das u bleibt nur vor nd, ng, 
mE, z. B. gebunden, gefungen, gefunfen. — Das en für ie 
in der 6. Conjug. ift nun befchräntter als früher, f. $. 179. — ‚Um: 
laut gilt 1) in IL und III. Präf. Sing. Ind. der 4., 7., 8. Conjug. des 
a in ä, z. B. fahre, fährft, fährt; falle, faͤllſt, faͤllt; ſchlafe, 
ſchlaͤfſt, ſchlaͤft (doch nicht bei allen); 2) au und u der 10. Conjug. 
meiden den Umlaut, z. B. baue, baut; rufe, rufſt; o hingegen 
hat ihn, 3. B. ftoße, ftößt; 3) das Präter. Conj. lautet das a, 9, 
u des Indic. um in ä, ö, ü, 3. B. baͤnde, böte, würde. — 
Aumaͤlich ift Gteichheit der Ablaute im Sing. und Plur. Prät. Indie. 
eingetreten, 3. B. fang, fangen; bot. boten; fuhr, fuhren. 
Ward, wurden ift die einzige, von Manchem nicht verflandene, 
Auswahme 1). — Feüher wurde das Präter. Conj. vom Plur. Präter. 
Ind. gebildet, daher die Formen gölte, ſchoͤlte, huͤlfe, tränke u.a, 
die fich bei manchen Schrifsftellern finden. Beſſer fliehen die aller: 
dings Manchem auffallenden Formen gälte, [hälte, haͤlfe, 
teänfe, da uns Sing. und Plur. Präter. Indic. gleichen Ablaut 
haben. — Der Imper. hat die Bocale ber entfprechenden Perfonen 
des Praͤſ. Indic., 3. B. hilf, Helfer). — In gilt, ſchilt, fit, 
flicht, brät, väth, hält, tritt, birft ifE das wurzelhafte t und 
das Fleriöns:t.(et) in Einem Laut verfehmolzen. — In einigen 
Fallen Hat inlautende Gemination bie alte Vocalkuͤrze gerettet: 
nimmt, gefotten. — Das r flatt f dringt aus den Plur. waren, 


—1B — 


froren, toren, verloren in die Ging. war, fror, tor, verlor 
. et, von da in die Präf. friere, verliere, aber nach kieſe. 

Anm. 1. Hier und ba finden fich noch andere Beifpiele Sie fturben. 
Leſſing. Als ihm die Ohren fungen. Wieland, Dberon 3, 48. In 
Schriftftelleen bes 17. — 18. Sahrh. findet man: fie ſchwunden, 
derungen, lungen, rungen. Unfer Volk fagt noch immer: Wie 
die Alten fungen, fo zwitſchern die Jungen. 

Anm. 2, Fehlerhaft fagt Boethe (Euphrofgne): Aber bu, vergeife 
mich niht! (Und Kauft 2, 181) Betrete das Fürftenhaus, 


1. Conjugation. 
‘ 8. 174. 


Die nhd. Verba der 1. Conjugation haben zwei Confonanten 
nach dem Wurzelvocal, entweder doppelte Liquida, oder Liquida mit 
Muta, und zerfallen in verfchiedene Elaffen; fie haben 1) im Präf. 
2, i, im Präter. a, im Part. Präter. o, u: helfe, half, gehol— 
fen; ſchwimme, ſchwamm, gefhmwommen; finge, fang, ge: 
ſungen; 2) im Präf. e, i, im Präter. und im Part. Präter. e: 
ſchwelle, ſchwoll, geſchwollen; 3) im Praͤſ. i, im Präter. und 
Part. Präter. u: dinge, dung, gedbungen. 


1.Praͤſ. Sg. 1. Praͤt. Sg. 1. Praͤt. Pl. Part. Praͤt. 


Goth | Ablaut i(aſ) a u(aü) u (au) 
Form hilpa halp hulpum hulpans 
Ahd Ablaut i a u u, o 
Form hilfu half hulfumes holfaner 
Myd Ablaut i a u u,0 
Form hilfe half hulfen geholfen 
Nhd | Ablaut e,i a, o, u a, o, u o, u 
Form helfe half halfen geholfen 


Die einzelnen Verba dieſer Conjugation. 


(Wegen des gleichen Ablauts im Sing. und Plur. des Praͤteritums iſt nur die 
Form des Sing. angeführt.) 


1. Praͤſ. Sg. 1. Praͤt. Sg. Part. Prät. Beſondere Bemerkungen. 


helfe half geholfen 

gelte galt gegolten 

ſchelte ſchalt geſcholten 

verderbe verdarb verdorben Im Sinn von ſchlechter ma⸗ 
ſterbe ſtarb geſtorben chen biegt es ſchwach. 
werbe warb geworben 

werfe warf geworfen 

werde wacuh)rd(e) geworden In der 2. Perſ. wirſt ſtatt 
berge barg geborgen wirdſt; Imper. werde ſtatt 


ſchwinme ſchwamm geſchwemmen wird. 


N 
1 


1. Praͤſ. Sg. 


glimme 
ktimme 


beginne 
rinne 
ſpinne 
ſinne 
gewinne 
binde 
finde 
ſchwinde 
winde 
ſchinde 
ſchrinde 
inke 
ſtinke 
trinke 
hinke 
winke 
dringe 
klinge 
gelinge 
ringe 
ſinge 
ſpringe 
ſchlinge 
ſchwinge 
zwinge 
dinge 
witre 


quelle 
belle 


ſchwelle 


— — —* 


124 


1. Praͤt. Sg. Part. Praͤt. 


glomm 
klomm 


begann 


rann 


4 


ſchalle (ſtatt 


ſchelle) 


ſchmelze 
melke 


Anm. 1. 
ſchandt. Gchmeller, bayer. Wörterb. 3, 
tinus, Chronik 1580, BI. 286, wi bat fie gefunden Bock, 


ſpann 
ſann 
gewann 
band 
fand 
ſchwand 
wand 
ſchand 
ſchrand 
ſank 
ſtank 
trank 
hinkte 
winkte 
drang 
klang 
gelang 
rang 
ſang 
ſprang 
ſchlang 
ſchwang 
zwang 
dung 
wirrte 


quoll 


bellte 


ſchwoll 
ſcholl 


ſchmolz 
molk 


geglommen 


| geflommen 


begonnen 
geronnen 
gefponnen 
gefonnen 
gewonnen 
gebunden 
gefunden 
geſchwunden 
gewunden 
geſchunden 
geſchrunden 
geſunken 
geſtunken 
getrunken 
gehinkt 
gewinkt 
gedrungen 
geklungen 
gelungen 
gerungen 
geſungen 
geſprungen 
geſchlungen 
geſchwungen 
gezwungen 
gedungen 
gewirrt 


gequollen 
gebellt 
geſchwollen 
geſchollen 


gefchmolgen 
gemolten 


x 


Belondere Bemerkungen, 
Auch ſchwach: glimmte, ge 
glimmt. 
Auch ſchwach: klimmte, ge— 
klimmt. 
Auch ſchwach: begunnte, be⸗ 
gonnte; beginnt, begunnt. 
Die Verba ſchwimmen — ge⸗ 
winnen haben in d. Volks⸗ 
ſprache noch das alte Part. 
mit dem Ablaut u: ge⸗ 


ſchwumme(n) 


Die Praͤt. von beiden Verben 
find ſelten. 


Beide Verba haben noch im 
17. Jahrh., in der Volks⸗ 
ſprache noch heute (win: 
ken auch bei Uhland: auf 
Gangolfs Tod) im Partie. 
Die ſtarke Form: gehunken, 
gewunken. 


Auch ſchw.: dingte, gedingt. 

Jetzt ſchwach; nur verwirren 
hat noch ein ſtarkes Part. 
verworren. 

Meiſt ſchwach; bei Goethe m. 
Stimm auch ſtark. 

Im activ. Sinn biegt es ſchu 


Auch ſchw.: ſchallte, geſchallt. 


Im activ. Sinn biegt es ſchw 
Auch ſchw.: melkte, gemellt 


Einige ſeltene Beiſpiele: Trajanus ſeim Richter die Haut abs 


371. Ste ſchunden. Avens 


- 


IB — 





—* — Die Haut beginnt mich ſchrinden. Boners Fab. 51. 
* entſchrunt. Aventinus BE. 20, In ber Finſterniß zu⸗ 

ummengt Funden. wird dein Auge vom Licht entbunden. Goethe, 
vtt, Gemäth und — Der Röigyand... Ber König hat ge: 


bunden. — ‚56, DU — Don ummer Bft es hinterher 

und bELIt aus allen Kräften. Goethe, Kläffer. Der Jagdhund boll. 

Goethe, Leben 1141. B. Die Hunden bollen. Grimm, d. Mythologie 

2. Ausg. ©. 877. Der hunt het gebollen. Geiler von Kaiſersberg. 
Er bel. Del. 

Anm. 2. Brennen ift nun gamg in die ſchwache Form übergetretsn, 
findet ſich im 16. Jahrh., z. 2. bei H. Sachs, noch ſtark: Sechs Tag 
und ſieben Racht fie brann. In Liebe fie ghen jen entbrun. — 
Hallen u, Enallen finden ſich noch im 16. Zahrh. flark: Die fchleg 
begumbten Hilfen. Heldenbuch v. 1800. 81.113. Das Berg und Thal 
erpall Def. Bi. 114. Das jw in dem Leibe bad Berge fein erknall. 
Daf, BL dit. — Gelfen ift in her Schriftfprache ausgeftorben. Zu 
bie ih gilf. Zwingli. Ich ſchrey, o Kunft, zu dir ich gilff. H. Sachs. 
Thu bein Weib und Kindes angelffen. H. Sachs. — Auch ſchlin⸗ 
ben tft aus geſtorben. Sie verfhlandt prinnende Eolen. A. v. Eyb. 
Wie die Fiſch im Meer, da jmmer einer den andern verſchlind. 
8. Sachs. So heit wich diefer Krach verfhlunden H. Sache, — 
Bon dinſen if nur noch das flarke Partic. gedunfen übrig. 


2. Eonjugation. 
$. 175. 


Die Verda der 2. Conjug. hatten fruͤher kurzſylbige Wurzeln, 
deren Vocal von einfacher Conſonanz geleitet wird. Im Goth. muß 
man ihr, wie es ſcheint, zwei Arten einraͤumen, je nachdem das Praͤſ. 
i oder u zeigt. Die ahd. Sprache hat das goth. u in i oder & ges 
ſchwaͤcht und folgerichtig dem Prät. a, Plur. A verliehen, fie dadurch 
‚aber zum Theil (wie treten, goth. wahrſcheinlich iruda, trad, trödum) 
"der forgenden Konjugation zugemwiefen. — Die nhd. Verba biefer 
Conjug. gerfalfen. in zwei Claſſen: 1) ſolche, die im Praf. &e (9), 
im Prät. A, a, im Part. Prät. 6, o haben: fehle, ſtahl, geſtohlen; 


berfte, barft, geborften; 2) folche, die, aus 3. und 4. Gonjug. In Be 


2. eingedrungen, im Präf. &, e, te, &, 8, im Prät. 6, o (u), im 
Dart. Prät. 6, © haben: fechte, focht, gefochten; wiege, wog, ge= 
wogen; gähre, gohr, gegohren; loͤſche, loſch, ge(er)10ſchen. 


1. Praͤſ.Sg. 1. Praͤt. Sg. 1 mo Pl. Part. Prät. 


Goth. IE i (u) a & (6) u (i) 
' Form  stila stal stelum stulans 
Ahd Ablaut &,i a a o 
Foem sulu stal stälumes stolaner 
77 (dom sl stal stälen gestoln 


Nhd rg 8,0,d,8,ie &,0,6,0 8,0,06,0 0,0 
Adeem ſtahble ſtahl ſtahlen geſtohlen 


— 125 — 
Die einzeinen Verba dieſer Conjugation. 


1.Prdf.Sg. 1.Prät.Sg. Part. Praͤt. Beſondere Bemerkungen. 


hehle 


be(emp)fehle beCermp)faht be(emp)fohlen 
hehlt 


gehehlt 


Fruͤher ſtark: hahl, gehohlen; 
verhehlen hat mitunter 


ftehle ſtahl geſtohlen noch verhohlen, z. B. bei 

nehme nahm genommen Goethe 

komme kam gekommen In der 2. u. 3. Perſ. oberd. 
kommſt, kommt, niederd. 

gebaͤre gebar geboren koͤmmſt, koͤmmt. 

berſte barſt geborſten Fuͤr barſt hat Bürger (Lieb 

treffe traf getroffen v. Br. M.) borſt. 

droſch Geht fruͤher nach 1. Conjug. 

dreſche draſch) gedroſchen J. Paul (Titan 16.) hat 

. noch das richtige drafch. 

brechen brach gebrochen Radbrechen, als abgeleitet, ift 

ſpreche ſprach geſprochen ſchwach. 

ſteche ſtach geſtochen 

ſtecke ſteckte geſteckt Ahd. u. mhd. ſchwach: nhd. in 
der Volksſprache, auch bei 
manchen Schriftſt., z. B. 

Goethe u. Rabener, ſtark. 

raͤche rach (raͤchte) gerochen Die Form rach findet ſich noch 
im 16. Jahrh., z. B. bei 
Fiſchart; Goethe hat ge⸗ 
rochen (Herm. u. Dor. 4, 
164), u. geraͤcht (Clav. 2). 

ſchrecke ſchrack(ſchrak) geſchrocken Das active V. biegt ſchwach. 

gaͤhre gohr gegohren 

ſchere ſchor geſchoren 

ſchwaͤre ſchwor geſchworen 

webe wob gewoben Auch ſchwach: weben, gewebt. 

wiege wog gewogen Weben und wiegen gehen 

erwaͤge erwog erwogen ahd. u. mhd. nach 3. Conj. 

verwaͤge verwog verwogen 

bewege bewog bewogen Im Sinne „Jemanden zu 

fechte faocht gefochten ein. Entſchluß beſtimmen“ 

flechte flocht geflochten biegt es ſtark, ſonſt ſchw. 

pflege pflog gepflogen Gieng ahd. nach 3., mhd. 


ſchwankend nach 2. u. 3. 
Conjug.; nhd. finden ſich 
pflag, pflog, pflegte; ge⸗ 
pflogen, gepflegt. 


127 — 


1.Praͤſ. Sg. 1.Praͤt. Sg. Part. Praͤt. Beſondere Bemerkungen. 

loͤſche loſch geloſchen Im 17. Jahrh., z. B. bei 
Lohenſtein (Cleop. 1,514) 
noch laſch. Schiller (Hero 
u. Leander) hat fehlerhaft 
es loͤſcht (f. liſcht) das Licht. 
Im activen Sinne biegt es 





ſchwach. 
hebe hob (hub) gehoben Beide giengen ahd. u. mbb, 
ſchwor nach 4. Conj., in die ſie 
ſchwoͤre (ſchwur) geſchworen auch nhd. ſchwanken. 


Anm. 1. Einige ſeltene Beiſpiele: Wer die Schaͤtze Berborgen, es bleibt 
fein Mörder verhohlen. Goethe, R. Fuchs 10, 260. Bey der Nacht 
. fie berzu flalen Und das in dem Leihhauß verbalen. H. Sad. — 
Wenn ich in dem jungen Menfchen ftäde, Goethe, Benv. Gellini 1, 4. 
Unter der Bank ftad ein großes Packet fchlechter Tücher. Rabener, Kleis 
der machen Leute, 

Anm 2 Sihverwägen (verwegen) = etwas fahren laſſen, auf etwas 


verzichten, ift nun nicht mehr im Gebrauch. H. Sachs fagt noch: Der 


ſich glei Ehr und Guts verwag. — Im Sinne von ſich einer Sadıe 
unterziehen findet fi das Wort noch: Der jedes Frevels fih verwäget. 
Wieland, Oberon 12, 6, Der fi) verwog der Chriften Gott zu läftern, 
Daf. 9 36, Hat fi ich der Landmann ſolcher That verwogen?! Schiller, 
Zell 4, 2. 


3. Conjugation. 


8. 176. 
ı Praͤſ. Sg. .Praͤt. Sg. 1. Dei DI. Part. Praͤt. 
Goth | Ablaut i (u) 
Form giba gab —* gibans 
Ahd Ablaut é, i a ä & 
Form  kipu kap käpumös kepaner 
MH m i a a € 
Form  gibe gap gäben gegeben 
| Ph Fo e,e,d,i,ie A, a a, a e, e 
Form gebe gab gaben gegeben 


Die einzelnen Verba dieſer Conjugation. 


1.Praͤſ.Sg. 1. Prat Sg. Part. Praͤt. Beſondere Bemerkungen. 
gebe - gab gegeben 


gefchehe geſchah geſchehen 


ſehe ſah geſehen 

leſe las geleſen 

geneſe genas geneſen 

(weſe) war geweſen ©. unten $. 195, 


eife aß gegefjen 


. 





1. Praͤſ. Og. 1.Praͤt. Sg. Part. Prät. 
weſſe ¶froßſgefreſſen 
vergeſſe vergaß vergeſſen 
meile maß gemeſſen 
twete trat getreten 
gMaͤte g6aͤtete geg(aͤtet 
knete knetete geknetet 
liege lag gelegen 
bitte bat gebeten 
fige faf gefeffen 
Anm. 1. 


au — 
Beſondaro Bemepksugen, : 


(4 


Hat noch in der Volksſprache 
ein flarkes Part. Prät. 
Sm 16. Jahrh. nod Enat; 
in der Bolkeiprache noch 

heute gekneten (gefnern), 


Einige feltene Beifpiele find: Durchyetten vnd durchreutent 


fein Herze was (war). Suchenwirt 6. — Sie knat und machet Küchlach. 
P. Aemil Ingolft. in feinen Heimen von 1962. Er knidt. S. Franck. 


- Anm. 2. Geben 


(mbd 


. gihe, jach, jahen, gejehen, jehen, $, $4. Anm.) 


iſt nhd. auögeftorben, findet ſich noch oft bei H. Sachs: (Sie) wunderten 


fih des, zufammen jahen. 


Das ich die Warheit Hab gejehen. — 


Das nun ſchwache verwefen (verwalten) gieng ahd. mhd. flark; fo 
findet es fih no im 16. Jahrh., z. B. bei Aventinus: Er hat alle 


Empter verwefen; bei ©, 


Franck: Abrianus verwaß das keyſer⸗ 


tyumb ... Das fie das Kaiſerthumb verweſen haben. 


% 


au | 
on ji 
Mhb. (Som 
— 


4. Conjugation. 


8. 177. 
1. Praͤſ.Sg. 1. Praͤt. Sg. 
a 6 
fara för 
q %o 
f(v)aru f(vJuor 
a yo 
var vuor 
4,0 ü, u 
fahre fuhr 


1.Praͤt. Pl. Part. Prät. | 
1 a 


forum farans 

uo a 
f(vJuorumes f(v)aranedr 
un a 

vuoren gevarın 

u, u a, 
fuhren gefahren 


Die einzelnen Berba diefer Konjugation. 
1.Praͤſ. Sg. 1. Praͤt. Sg. Part. Prät. - 


grabe grub 
ſchabe ſchabte 
backe 

laden lud 


gegraben 
geſchabt 


buck (backte) gebacken 


geladen 


Beſondere Bemerkungen. 


Sm 17. Jahrh, in der Valké⸗⸗ 
ſprache noch hier mad de 
gefchaben, 

In der Bedeut. berufen follte 
das V. ſchwmach gehen, wie 
goth., ahd. au. mhd.; aber 
fhon mhd. ſchwankt es, 





— 439 — 
1.Präf.Sp,. A, Praͤt. Sg. ‚Part Praͤt.  Befanbere. Bemerkungen. 


wate watete gewatet In der Volksſprache noch hier 
EP . und da gemwaten. 

ſchaffe ſchuf geſchaffen Im Sinne von arbeiten, her⸗ 

Shlage:: ſchlug geſchlagen -- : beibringen biegt es ſchw. 

trage trug getragen 

mahle . . mahlte "gemahlen Stieler führe noch in feinem 

fahre. ... .: fuhr gefahren Woͤrterb. von 1691 das 

wahl ... wuchs gewachſen Praͤt. ich mul an. 

waſche wuſch gewaſchen 

Hehe ſtand geſtanden Richtiger iſt das immer mehr 


veraltende ſtund. 

. Anm. 4. Einige feten Beifpiele: Ein abgefhaben tafel, Schmeller, 

bayer. Wörterb. 9 — Was unfere Lenette anlangt, fo bud fie 
pon jeher. fo. J. Saul —— 3 Ohne Zweifel buden bie Heiden 
zu ihren Gelagen und Opfern nicht anders als bie Shriften, Grimm, 
d. Mythologie 2. Ausg. ©. 1002. Note 1, Man bäckt im Lande das 
Brot mit Butter und Eiern. Goethe, R. Fuchs 6, 226. — Er wäth 
in feiner trundenheit daher. H. Sachs. Er wu th mit einem Baumen 
ber. 9. Sachs. Sie ober die Pegnig wuten. H. Sachs. Er wolt 
durch den Bach gewaten fin. A. Tſchudi. 

Anm.2. Nagen geht nun flark; twagen (zwagen == wafchen) ift aus: 
geftorben. H. Sache hat noch: Dann fein gewiſſen jn hart nug. Der 
Hunger jn vmb ben Magen nug. DaB er wirbt genagen vnd gebiffen, 
— Am Sambftag hab id ja gezwagen. 


5. Conjugation 
' $. 178, 


Die Derba diefer Conjugation zerfallen in zwei Glaffen: 1) vor 
Zenuis und Afpicata haben Prät. und Part. Praͤt. i und geminierte 
Confonanz: greife, geiff, gegeiffen; 2) bei vocaliſch fchließender Wurzel, 
fodann vor Liquida, Media und Spirans (d. h. ie): fchreie, fchrie, 
geſchrien (gefchrieen); fcheine, ſchien, gefchienen; bleibe, blieb, gebtie: 
ben; weiſe, wies, gewiefen; leihe, lieh, geliehen. — Es dauerte lange, 
bis die heutigen Ablautsformen ſich feftfegten. Im 16.—17. Jahrh. 
findet man: er fehrei, treib, trib u. a. 


1 Deif. Se. 1 pPrut Ss. Praͤt. Pl. Part. Praͤt. 
Goth Fo ei 


" (&oım greipa rip gripum gripans 
| Ahd Ablaut 1 ei i i 
| (form  krtfu kreif krifumes krifaner: 
Myd m ı. ei i i 
\. SForm greife . greif . .grffen - gegriffen. 
Rh ng ei i, te i, ie i, ie 
Form greife griff griffen gegriffen 
XF 


Kehrein Graͤmmatik. I. 1. 


⸗ 


— iu — 


Die etnzelnen Verba biefee Eonfug atkon. 


1. Praͤſ. Sg. 1. Praͤt. Sg. Part. Prät. 


geeife . 
keife 


Aneife . 


pfeife 
ſchleiße 


gleite 
reite 
fchreite 
ſtreite 
leide 
ſchneide 
beiße 
beſleiße 
reiße 
ſcheiße 
gleiße 
ſchleiße 
ſpleiße 


ſchmeiße 


bleiche 
gkeiche 
fchleiche 
ſtreiche 
weiche 


kreiſche 


ef... Kegriffem.... . 
MN... gefiffem. 
. Ani, .. gekniffen 
pfiff gepfiffen 

- u... geſchliffen 
glitt geglitten 
cite - geritten 
ſchritt geſchritten 
ſtritt geſtritten 

KB. gelitten 

ſchnitt geſchnitden 
biß genen 
befliß efliſſen 
riß geriſſen 
ſchiß geſchifſen 
gliß gegliſſen 
ſchliß geſchliſſen 
ſpliß gefpliffen 
ſchmiß geſchmiſſen 
btich geblichen 
glich geglichen 
ſchlich geſchlichen 
ſtrich geſtrichen 
wich gewichen 
kreiſchte gekreiſcht 
ſchrie geſchriee m 
ſpie geſpie(e)n 
freiete -gefreiet 
es ſchtwiete get 


| » 
[2 


Beſondere Bemerkungen. 


JZetzt mei. ſchwach: zeifie, 
gekeift. 


. Nuͤbuhr u. Keffi ing haben nem 


dieſem, ahd u. mhd.. noch 
nicht verkommenden Ver⸗ 


bum gekmiffen. 


Im Sinne: etwas fortzichen 
u. niederreißen biegt das 
Verbum ſchwach. 

Bei Goethe u. Sciuer meiſt 
ſchwach: gieitete, gegleitet. 


Alle vier ſelten. @- 


Im Sinne von weiß machen 
biegt es ſchwach. 


Im Sinne von weich wer 


den, weich machen, biegt 
es ſchwach. 

In der Volksſprache ſtark: 
ll, gekriſchen. 

Fiſchart (16. Jahrh.) hat: er 
fpei; Opig (17. Saheh.) 
fie ſpeyten 

In deu Voltsſprache ſtark: 
frie, geftiefe)n.. 


In ber Volksſprache ſtark: 


ſchnie, geſchulen und ge⸗ 
ſchnauen. 
. 





— 3181 


—R 1: ‚Peitbg: Partei Beſondere Vemerkungen. 

fein: chun geſchlenen Inder Volkoſpr. oft ſchwach: 

Dieie . blieb geblieben geſcheint. 

Hehe. tich geklieben Veraltet; bekleiben (= be 

peibe. rieb gerieben . . fees) ſindet ſich oft. 

ſchreibe ſchriel geſchrieben Sollte als Fremden Wort 

weite trieb getrieben ſchwach biegen. 

seite: mied gemieden 

ſchein⸗ ſchiet suihieten Gieng früher aach 9. Eonj.; 

WU on daher noch im 7. Jahrh., 
jo nech bei Nuckert (gef, 
Ge. 1, 215) im Yartı 

preife pries geprifen : Gollte aba frentheh Meſchw. 

biegen; daher die nicht 
feltnen Formen: preifte, 
j gepveift. 
weiße. wies: gewieſen Add: u. mhd. ſchw.; nihd. mit 
dem folgenden vermiſcht. 
verweiſe verwiee verwieſen· Statt verweißen, ahd. larwi- 
zan, mhd. verwißen, aber 
| | ſchon 1428 werwisen. 

ſchweige ſchwieg geſchwmiegen Das active ſchurigen machen 

ſteige ſtieg geſtiegen biegt ſchwuch 

gedeihe gedieh gediehen Die Volksſpr. hat noch das 

leihe lieh geliehen einfache deihen. 

ſeihe ſieh geſiehen In der Volksſpr. oft ſchwach: 

zeihe zieh geziehen gefeiht. 


Anm, 1. Einige feltene Beifpiele: Aber Thon zu viel eine Seite ge: 


iniffen, die ich gar 


nicht woltte, 


Leſſing. Das Inſtrument wird mit 


dem Bingen getniffen. Niebuhr. — un war auch dieſe Frift dahin 


gefhliffen. Michaeler. 


Sobakk der. Mantel gang unb gar ners 


ſchliſſen. Leſſing, NR. d. Weiſe 2,8. — Daß durch ſtolzen Wahn im 


Wiſſen das arme Ehriſtenthum in Stüde iſt gefpliffen. Opis. Das 
en zerriß und zerfpliß fih mit Sinnen, Bürger, der Abt von 
allen. 


Anm. 2” Greinen (mhd. grine, grein, grinen, gegrinen) biegf nun 
ſchwach und gehört der Volksſprache an, Rückert (gef. Ged. 2, 48) ſagt: 
Sie hätten geflennt und gegrinnen. H. Sachs: Diemweil das Kindt 
da lag ond grein. 


6. Conjugatten. 
$. 179. 


.Die Berbe diefer Gomugation gefallen in zwei Glaſſen: 1) wor 
Afpiranıi haben Praͤt und Part. Pruaͤt. a und gemintutte Conſonanz 
- 9* 


14 


— 182 — 


triefe, troff, getroffen; 2) vor Mebla und Spirans 3: ſchicbe ſchob, 
geſchoben; fliehe, floh, geflohen. — Einige haben im Praͤſ. ü, au: 
truͤge, ſaufe. — Nach $. 43. erſetzt em uns den mhd. Laut iu, daher 
kommt es, daß in der Conjug. die Laute ie und eu mitunter wechſeln. 
Sm 17. Jahrh. indet.man (bei Opig) beut, leuget, betreuget, fleugs, 
‚fleug, reucht, kreucht, zeucht, geußt, geuffeſt, fleucht, ſchleußt, ſchleuß, 
geneußt, geneuß, ſcheubet, ſcheubeſt, verleuret. In neuerer Zeit iſt 
dieſe Vertauſchung eingeſchraͤnkter: bei bieten, fließen, gießen, ges 
nießen, ſchliaßen, verdrießen, kriechen, fliegen, fliehen geſtatten ſich 
unſere Dichten im Impetativ und in der 2. und 3. Perf. Praͤſ. Indic. 
Die Vertauſchung, wobei bieten die Flexion et verliert: beut, fleuß, 
fleuft u — In’ Scheiften des 16. Jahrh. findet man mit alter 
Pluralform fie verluren, butten, fluhen; aber auch die fatſchen 
Singularſoem er auf, verluru a. 


1.Praͤſ.Sg. 1. Praͤt. Sg. Praͤt. Pl. * Praͤt. 
aͤu 


Both (un iu 
7 7; tom.  giuta gäut . zutun. gutans Fr 
Ahd Ablaut iu (io) ö u u 
Form . kiuzu. boz kuzumes koʒantr 
Myd Hi iu(ü) ö, ou u 0 
Korn ginge 803 guʒʒen gegoʒʒen 
"N — ie, u,au o, o o,o 0,6 . 
Form siehe 908 gofien gegoffen 


Die einzelnen Verba dieſer Conjugation. 


1. 1.Deif, Sp. 1 Praͤt. Sg. Part. Praͤt. Beſondere Bemerkungen. 
ſiede ſott geſotten 


ſchliefe ſchloff geſchloffen Gebraͤuchlicher iſt jetzt das 
triefe troff getroffen verſtaͤrkte ſchluͤpfen. 

ſaufe ſoff geſoffen 
fließe floß gefloſſen 
gieße goß gegoſſen | 
genieße genoß genoſſen 


ſchieße ſchoß geſchoſſen 
ſchließe ſchloß geſchloſſen 


ſprieße ſproß geſproſſen - 
verdrieße verdroß veedroſſen 

rieche roch gerochen 

krieche kroch gekrochen 

biete bot geboten 

Ötiebe Mob :. gekloben Meraltet; Mringer (Doolin 


fhiebe. . hob .  gefihoben. ... . 8, 53) ſagt kliebt. 


1.Prdf.Sg. 


fliebe 


ſchniebe 
ſchraube 


tiefe 


friere 


verliere 
biege 
fliege 


luͤge 


trie(A)ge 


| fauge | 
fliede 
ziehe 


Anm. 1. 


fen. ©. 
(fpaltet) bis an den Nabel. Alxinger, Doolin von Mainz 8, Bi, 


1.Prät.Sg. Part. Prät. 


ftob geſtoben 
ſchnob gfänben 
ſchrob beſceoben 
fer gekoren 
fror gefroren 
verler verloren 
bog gebogen 
flog geflogen 
log gelogen 
trog getrogen 
ſog geſogen 
floh geflohen 
zog gezogen 


Beſondere Bemerkungen. 
Zum. ſchwach: Wie Nebel zer: 
ftiebte teubfinniger Wahn. 
Goethe, Pandora. 
Gebraͤuchl. ift nun, befonders 
im Präf., fchnauben. 
Gebraͤuchlicher find nun bie 
ſchw. Formen: fchraubte, 
geſchraubt. 
Die einfachen Formen tieſen 
und kor find ſelten. 


Sollte eig. liegen heißen, wie 
noch im 17. Jahrh. Eine 
falſche Ruͤckſicht auf das 
Subft. Lüge. u. die unrich⸗ 
tige Unterfcheidbung von 
liegen (flatt ligen) haben 
die Schreibw. lügen her: 
vorgebracht, — Nach luͤ⸗ 
gen bildete man, aber viel 
fpäter, trügen, wozu man 
um fo weniger genöthigt 
ift, da bier Eeine ſolche Un: 
terfheidung wie bei lügen 
eintritt. Goethes Werke 
bieten faft durchgängig be: 
triegen, Betrleger ıc. 

Hier u. da ſchwach: faugte, 
gefaugt. 


Einige eeitene Beipiele: Sch wil mid in die Heck verſchlief⸗ 
Sad. — Nun Roboafters Schwert entzwey ihn kliebt 


Das 


ihn (ihnen) die Beuche (Bäuche) wolten auffklieben. 9. Sachs. — 
Wollten wir indgefammt bie Bürger Ilions Tiefen. Bürger, Ilias 2, 
128, Da Bott) zu ber Stätte via ber r Verrlichkeit kor. — 
Meſſias 1, 266 
Anm. 2. Sämiegen Caht. smiuge, amouc, smugen, gesmugen, smie- 
gen) geht nun ſchwach; H. Sachs ſagt noeh: Er ſchmug fich zu den 


Küfen fein. — Diesen (mhd. diuge, do}, digen, gedo 
run en Im Heldenbuch (1868) heißt es noch: 
erdoß. 


en, diezen) iſt 
ad er gar laut 


—* 


— m — 


T. Sonjugation. 


$. 180, 
1. 1 Peif Ss. 1 rit Ss. 1.Praͤt. Pl. Part. Praͤt. 
R oth ——8 ai 
For halda Ma haihaldum haldans 
Ahd an 2 la ta a 
"Abe. haktu . ht — ° htaltumes haltan&r 
Mh (et 8 ie. ie a 
Form halte hielten hieltem gehalte 
Nhd | Ablaut a te ie a 
Form halte hielt hielten gehalten 


Die einzelnen Verba dieſer Conjugation. 
—* Sg. 4. Peine Part. Praͤt. Beſondere Bemerkungen. 
fiel 


. gefallen 

9*— hielt gehalten 
falte faltete gefalten(t) ) Dieſe 3 Verba giengen früher 
—* fpaltete gefpalten(t) nad) ſtarker Conjug.; nhd. 
alze ſalzte geſalzen(t) bat ſich nur noch das Karls 
Part. neben dem ſchwachen 
erhalten; geſalzet iſt ſehr 

ſelten. 
fange fieng : gefangen Die falfche Anfiht, ie wäre 
— hieng gehangen Dehnung, ſtatt i ($. Por 
gehe (ſtatt hat die fprahwidrigen For⸗ 
gange) ieng | gegangen men fing. Bing, ging ers 


"zeugt. Goth. fahan, hahan 
werden ahd. ſahan, hahan, 
nhd. wieder gekürzt fan: 
gen, bangen. 


Anm. 1, Ginige fetten Beiſpiele: De priet Tobias ein kud des — 
das andere tall das Tielgen ſy. Schmeller, bayern. Woͤrterb. 
a an fie (bie Kalbskoaͤpfe) denn Maden gewonnen, fiel4 er en ein. 
‚a 


Anm. 1. Walten, fpannen und bannen giengen Früher flard, nun 
ſchwach. Aller Kurzmeil+z wicht, H. Sachs. Hat er wicht: ewers 
Vatters handel ein Zeit orbenlih verwalten? Derſ. Die zeiten 
fpien er uff den plan, RB. Weber, An den Gionntagen und anndern 
gebanngn und gebotten Jeirtagen. Schweller 1, 116. 





— 1 


8, Konjugation. 


$. 181. 


Diefe Gonjugation unterkhelbit ſich nhd. von ber vorhergehen: 
den nur durch die Länge bed Vocals, ber aber bei Laffen unorganifch 
verkürzt ift: ahd. lazan, mhd. lägen (län). 


Priſ Sg. 1. Peät. Sg. 1.Prit.M. ya Prät. 


Ablaꝛtt 
Ahd * 
Mi. Fe 


Ablaut 
Nhd. Sm 


din 
F säiz$ep 
4 1 
al Aſu sliaf 
| ie 
släfe slief- 
2,4 e 
ſchuͤfen ſchlief 


ai 

säislepum eltpans 
ba 4 
sliafumes 'släfaner 
ie a 

sliefen gesläfen 
te 4,0 
ſchliefen geſchlafen 


Die ecuzelnen Verba dieſer Conjugation 
1.Praͤſ. Sg. 1. Praͤt. Sg. Part. Prät. 


ſchlafe ſchlief 
brate briet 
rath rieth 
blaſe blies 
laffe ließ 


geſchlafen 
gebraten 


gerathen 


geblaſen 
gelaſſen 


— 
us 


Befondere Bemerkungen. 


Zumellen ſtark: du brateft, 


er bratete. 


Jin Praͤſ. 2. u. 
u. kaͤßſt, laͤß 


9. Conjugation. 


5. 182, 


8. Perftäffft 
Le 


Da ſcheiden nach irriger Analogie in die 5. Kohjkh: uberge⸗ 
gangen iſt, ſo bleibt fuͤr die 9. Conjug. nur noch das einzige Verbum 


heißen. 
Ablaut 
Goth. (dem 
blaut 
Ahd om 
a. [ji 
Rp. — 


heiße 


äi-ä 
haihäit 


ü-ä 
häihäitum 
ia 
hiazumöds 
ie 


hiezen 
ie 
biegen 


1.Praͤſ. Ss. 1Drie.Sg. 1. Praͤt. Pl. Part Praͤt. 


heizauer 
ei 


aeheijen 
gebeten 


"Anm, Hab Verbum heifſichen Enhbd. heischen ſtutk m. ſHwach) geht ie 
ad: dorh 


üben a0; Fehr 


un auch heute nech 


erdeutſch ſtart 


— 136 — 


Formen, 3. B. Darnach hieſch im der fuͤrſprech die vier gulden. 
G. aidcam (17. Zahrh.). Haft zu brav geheiſchen? Goethe, Götz 
v. Berl. 8. 


> 


J 


10, Conjugation. 


8. 183. 
1.Praͤſ.Sg. 1. Praͤt. Sg. 1. Praͤt. Pl. Part. Praͤt. 
Goth Pong au ai- an .di-äu au 
Form hläupa hläihläup bläihläupum hläupans 
Ahd Ablaut O, ou a ta 6, ou 
Form (h)loufa (h)iaf (h)itafumes . (h)loufaner 
Mhd Pi ou,ü,6,uo ie, iu je, iu ou, ü, 6, uo 
" ($orm loufe lief liefen geloufen 
Nyd m au,d,0 de te au,ü,6 
" tom Taufe tief liefen ' gelaufen . 


Die einzelnen Verba biefer Conjugation. 
1.Praͤſ.Sg. 1.Prät.Sg. Part. Praͤt. Beſondere Bemerkungen. 


baue hieb gehauen - 

laufe lief - gelaufen 
rufe rief gerufen 
ſchrote ſchriet geſchroten Das Praͤt.ſchriet finder ſich in 
ſtoße ſtieß geſtoßen Schriften des 16. Jahrh. 


Anm. Goth, gibt es noch einige ſtarke Conjugationen, welche aber ſchon 
ahd. u. mbb. mangeln; goth. waren fie rebuplicierend, fpäter find bie 
dahin gehörigen Verba theild ausgeftorben, theils in andere Conjuga⸗ 
tionen übergegangen. gl. väia, väivö, väivöum, väians (wehen); flcka, 
fäiflök, fäiflökum, flekans (Mehen); bäua, bäibd, bäibdum, bäuans (bauen). 
Im 16. Jahrh. 3. 8. bei H. Sache, Aventinus, Tſchudi u. a. findet man 
noch bie flarken PYartic, gebuwen, gerumen, aber aud) bie ſchwachen 
gebumet, gerumwet, 


B. Schwade Goniugationen. 
8. 11. 


Die ſchwachen Verba find fämmtlich abgeleitet ($. 168.) und 
unablautend, und werden nicht nur aus ſtarken Verben gebildet, fondern 
auch aus Nominalftämmen. Verba der 1. ſchwachen Gonjugation 
werden von Abdjectiven, Subflantiven und ſtarken Verben gebildet; 
doc) find der Zahl nach die Bildungen aus Abjectiven Überwiegend; die 
Verba find meift Zranfitiva. Bei ber 2. Conjugation hat die Ab: 
leitung aus Subftantiven bei weitem das Übergewicht; Ableitungen 
aus flarken Verben find felten, die aus Abdjectiven noch feltener. Die 
Berba der 3. Conjugation, mit denen der 2. meift von intranfitiver 
und neutraler Bedeutung, find, je weiter hinauf, deſto weniger zahlreich, 


m 





— 137 — 


8. 185. 
Der Flexion nach ſind gothiſch und althochdeutſch drei Conjuga⸗ 

tionen genau geſchieden; mittelhochdeutſch fallen die 2. und 3., neu⸗ 
hochdeutſch alle drei zuſammen. Nhd. erkennt man viele Verba der 
urſpuͤnglichen 1. Conjugation noch am Umlaut: fällen, naͤſſen, 
zaͤhmen, naͤhren; erhoͤhen, hoͤren, toͤdten; fuͤllen, huͤllen, 
fuͤrchten, dürften; in andern iſt der Umlaut nicht mehr erkennbar 
(vgl. J. 33.): dehnen, ſetzen, wecken, brennen; wieder in andern 
iſt er uͤberhaupt nicht moͤglich: theilen, neigen. 


Perſonenendungen der ſchwachen Conjugationen. 
§. 186. 


Wie vom Ablaut des Sing. Praͤt. gewoͤhnlich zu einem andern 
des (alten Dual und) Plural uͤbergegangen wird, welcher ſich hernach 
im ganzen Conjunctiv behauptet: ſo muß die geſammte ſchwache 
Conjugation, weil ihr ein ſtarkes Verbum Hilfe leiſtet, dasſelbe 
Gepraͤge an ſich tragen, es werden beſtimmte Endungen angehaͤngt. 
Dieſe angehaͤngten Endungen enthalten offenbar unſer Verbum thun 
($. 198.), wie es ehemals noch vor Eintritt der Lautverſchiebung bes 
Ihaffen war, und buchſtaͤblich dem ‚lat. dare entfpriht. Es lautete 
goth. fiher: dada, dast, dada; dedum, deduth, dedum. Angelf. lautet 
es: dide, didest, dide; didon, didon. Unfere Endungen haben große 
Abftumpfungen erlitten. Man vgl. lat. do (abgeftumpt aus dedo) 


dedi, in Zuſetzungen -didi: addidi. 
Seit ch. 
II. III. 
Ind. Praͤſ. Sing. Woeah -8. -th 
Dual. -68 -18 — 
Plur. -ma -ih -nd 
Goni. praſ Sing. (Vocal) -8 . (Vocal) 
Dual. — -18 — 
Plur. -ma -th -na 
Ind. Prät. Sing. -da -des -da 
Dual. (-dedu) -deduts — 
Plur. -dedum- - d£duth - dedun 
Conj. Prät. Sing. -dedjäu - dedeis - dedi 
Dual. (-dedeina) -dedeis — 
Plur. -dedeima -dödeith -dedeina 
Imper. Sing. — (VBocal) — 
Dual. — e1tis — * 
Plur. -m -th — 
Infinit. 


.:1* 


Part. Praͤſ. Part. Praͤt. 
* ads -ths 





m — 


Althochdeutſch. 
1. 1. In. 
Ind. Praͤſ. Sing -ul-m) - -s t 
Dur. -mös -t m 
Son. Prif: Sing. (Boca) ET Gocal) 
Pkur. - mis . -t -n 
Ind. Praͤt. Sing. -ta "tds ta 
Dur -tumds -tut -tun 
Eonj. Praͤt. Sing. -ti ts tu 
Nur. -times -1tt · tin 
Imper. Sing — (Bocal) — 
Pur — -t 
Infinit. rn Part. Präf. Dart Praͤt 
“ner ., ter 
Mittelhochdeutſch. 
| 1. U. IH. 
Ind. Praͤſ. Sing. -e -est -et 
Ä Plur. -en re -ent 
Conj. Praͤſ. Sing -e -est 8 
Pur. -en -et un 
Ind. Prät. Sing. -te -test te 
Dur. -ten -tet -ten 
Conj. Prät. Sing. -te test „te 
Pur. -ten -tet - -ten 
Imper. Sing. — -e — 
Plur. ⸗ ed 
Infinit. -en Part. Praͤf. Part. Se 
-eirde ee - 
Meuhochdeutſch. 
l. II. : 1. 
Sad. Praͤſ. Sing. -e - et -et 
- Nun “en et sen 
Conj. Präf. Sing -e ef. -t 
Nur. -en- et -en 
Ind. Pruͤt. Sing. Aun teſt -te 


- Dur een tet -ten: 


\ 


L. L . .m. 
Conj. Prät. Sing. — te -teſt -te 
Dur. -ten tet -ten 
Imper. Sing. — r — 
Plur. — 
Infinit. en Hart Praͤf. Part. Praͤt. 
end u 


Die aidzelnen Conjugattonen ſcheiden ſich nach dem zwiſchen 
Wurzel und Flexion tretenden Ableitungsvocal: Pa und ahd. in der 
erften i, in der zweiten 0, in der dritten goth. Ai, ahd. 21). Später 
falten alte biefe Vocale in zufamnien, datum ift eine Unterſcheidung 
der einzelnen Conjugationen nicht miete möglich, 


Paradigmen der ſchwachen Conjugartlunen. 


$. 187. 
1. Gothiſqhe beriugation 
I. N. IM. 
Ind. Praͤſß Sing. nas-ja nas-jis nas-jith 
- Dual, nas-jüs nas-jalg — 
Plur. nas · jam n38-jülh nas-jand. 
Conj. Bräf. Sing. nas-jäu Das» jis nas-jäi 
Mu — nase i 07058 — 
Pur. nas-jäma ns-äülh was-jäina 
Ind. Praͤt. Bing. naa-ida naa-idee _ - nas-ida 
Dual, (s- idadu) naa-idoduus — 
Plur. aas-idiedem mms-idäduih -mas-idedun 
Can Praͤt. Sing, aag-jdedigu mag-idedeis  mas-idedi 
. Dual, (meidedeina) nas-idädeits — 
Plur. neuridädeima nas- idâêdeitn mas-idedeina 
Dmyer. Sing m nas- ei — 
Dual. — nas-jats — 
Plur. nas-jam ° nas-jith — 
Infinit. nas-jan Part, Praͤſ. Dart. Prät. 
nasmjand | —zas-iths 


4) Man vgl. damit af. ivi, avi, en? ver, vesfivi; dicto, dictavi ; 
deleo , Jelevi (habut fieht für haberf); — &; de: vuden, Teriunge 
(für zeriuexe) ; ; yılla, neplännas. Den — *2 


— 102 — 


2. Gothifche Conjuigatton. 


L j 1, . I. 
Ind. Präf. Sing. salb-5 salb-ös ⸗alh⸗· d 
Dual. salb-082 salb- ois? — 
Plur. salb- Om salb-· oin · ,  salb-önd 
Conj. Praͤſ. Sing. salb-6? salb· os salb-6 
Dual. — salb-öts _ 
Pur, salb-Oma? salb-öth °  salb-öna? 
Ind, Prät. Sing. s salb- oda 
Dual. ( 8 [3 — 
Pur s 8 h  salb-ödedun. 
Conj. Prät. Sing. s 8 s  salb-ödedi 
Dual, ( 8 Is _ 
Pur. salb-Odedeima salb-ödedeith salb-ddedeina 
Imper. Sing. — salb-6 _ 
Dual, — salb-öt8? _ 
Plur. salb-Om salb-öth 


Snfinit. salb-ön Part. Präf. Part. prat. 
salh-Onds salb-öths 


3. Gothiſche Conjugation. 


15 1. m. 
Ind. Präf. Sing. hab-a hab-&is hab-äith 
Dual. hab- os? hab-ats? _ 
Pur. hab-am hab-äith hab-and , 
Gonj. Präf. Sing. hab-4u - hab-äis hab-äi 
Dual — hab-sits — 
Plur. hab-aima hab-äith hab-&ina 
Ind. Prät: Sing. hab-Aida * habe äides hab-äida 


Dual. (habaidedu)  hab-äideduts - — 

Plur. hab-Aidedum hab-äideduth hab-äidedun 
Gonj. Praͤt. Sing, 'hab-äidedjäu -hab-äidedeis hab-äidedi 

‘Dual. (habaidedeina) hab-äidedeits — 

Pur. hab-didedeima hab-äidedeith - hab-Aidedeina 


Imper. Sing. — hab-äi j _ 

Du. — habtats? — 

Plur. hab-am ° hab-äith — 
Infinit. hab+an Part. Praͤſ. Part. Praͤt. 
hab- -ands hab-äiths 


In Bezug auf die. 1. Conjug. AM zu bemerken, daß die Verba 
mit langer Wurzelſylbe die Flexion eis, eilh Pati sr an va lt, 
sökeis, sökeith (von a0kjanı zer fügen)... - Be , 


— GE — 


747 .. t 


..: : $. 188. 
l 
.. 1. Althochdeutſche Conjugation. 
ho. L. uul. 
Ind. Praͤſ. Sing. ‚ner-ju ‘ ner-is ner-it 
Plur. ner-james : ner-jat ner-jant 
Coni. Praͤſ. Sing. ner-je aor- jes  ner-je- 
(ur, ner-jemßs , „ . ner-jit ner-jen _ 
Ind. "Prät, Sing, ner-ita  ° ner-itös ° ner-ila 
Pur. ner- ilumes ner-itut -  ner-ilun 
„.Conj. Prät, Sing. ner-ii , mer-ilis naor⸗ iti 
Plur. ner- itimè  ner-itit ner⸗⸗ itin 
Imper. Sing. —— ner-i — 
| Pur. — . ner-jadl — 
Infinit. ner-jan Part. Praf. Part. Praͤt. 
ner-jantör Der-iter 


2. . Athogdeutfgr Gonjugation 


1. IL III. 
Ind. Peäf. Sing. salp- m salp--ös - salp-öt 
Mlur. salp-ömis salp-öt salp- ont 
Conj. Präf. Sing. salp-dee salp-öds salp-öe 
Pur. salp-ödmes salp - oet salp-Öen 
Ind. Prät. Sing. salp-öta salp- ölös salp-öta 
Pur. salp-ötumds salp-ötut salp- Stun 
-Conj. Prät. Sing. salp- du ‘ salp-ötis salp - Öti 
Pur. salp-6limes salp - Ötit salp-Ölin 
Imper. Sinn. — salp-ö — 
Plur. — salp- ot 


Sufinit. salp-on Part. Präf. Part. Praͤt. 
salp- Önter ki-salp- oler 


3. Althochdeutſche Conjugation. 


1. N. -: MM 
Sm. Praͤſ. Sing. hap-em - hap-&s hap-et 
Plur. hap-&mes hap-& -  hap-ent 
Conj. Präf, Sing. hap-£e hap-&&s hap-de 
Pur. hap-eemes- hap-eet hap-een 
Inde Prit. Sing. hap-sta hap- dios hiap.- ta 


Pur. hap-ötumes hape etut hap-£tun 


I II. IM. 


Gonj. Prät. Sing. hap-eti- -- hap-Etis hap-eti j 
Plur. hap-ettmes , hap-aıtı hap-eifn 
Imper. in. — ⸗ hap-& — — 
Plur. — hap-&t 


. Infinit. hap-n “ Part. Maͤſ. Part. Prät. 
hap-&ntir " hap-&ter 


Die Verba mit langer Wurzeifplbe haben das j fi ber Ablettung) 
in ber Flexion nicht, dagegen haben fie ts, it, wo die mit kurzer Wur⸗ 
zelſylbe is, it haben, aufs prennu, prennfs, prennit; im mp. premat. 
Sn der 1. Conjug. findet fich ftatt nerjan, herjamts, nerjat aud) 
nerjen, herjem&s, nerjet. Das j (i) geht nady r zumelfen in g, zu: 
weilen In ig Über: nergän, nerige; häuflg fällt e6 ganz aus, und ber 
vorſtehende Confonant geminiert: quellan für queljan (quälen, töbten), 
alfo quellu, quelis, quelit, quellames etc, Da bag i der Ableitung 
bei den langſytdigen (ih dee Regel) ausfällt, fo teitt Am Präteritum 
Rüdumlaut des e in a ein: pranta, kipranter; geminierte Sonfonanz 
wird vor ta, tös etc. einfach: pranta; fchließt die Wurzel mit Id, It, 
nd, nt, rd, rt, fi, st, ia, ſo füllt vor 1a, ton sic das wurzelhafte d 
und t weg: dultan, im Präter. dulta (duldete). Auch bier findet fi 
prennen, prennet, prennemös flatt (neben) prennan, prennat, pren- 
nam&s. — In ber 2, Eonjug. tritt ſeit dem 9. Jahrh. allmaͤlich im 
Präf. on ſtatt om und sms ein, fo auch in dee 3. En flatt em, mes; 
hapen ſchwankt zwifchen 8. und 1. Conjugation: haper, hebit.:: 


‘ 


8. 189, 
1. Mittethochdeutſche Conjugation. 
J. Il. 1l: 
Ind. Praͤſ. Sing. ner, leg-e ner-st, Jeg-st aer-t, leg-t 
| Pur. ner-n, legen ner-t, leg-et ner-nt, leg-ent 
Conj. Präf. Sing. ner, leg-e ner-st, leg-est ner, leg-e 
Plur. ner-n, leg-en ner-t, leg-et ner-n, leg-en 


Ind. Prät. Sing. ner-te, leg-te ner-test, leg-test ner-te, leg-te 
Pur. ner-ten,keg-ten ner-tet, leg-tet ner-ten, leg-ten 
Goni. Praͤt. Sing. ner-ie, leg-te ner-test, leg-tesk ner-ie, leg-te 


Pur. ner-ten,lagrten ner-tet, leg-tet  ner-ten, leg-ten 


Smper. Sing. — ner, dag-e u 
Mur. — næer-t, leg-et — 
Jafinit. nern, lagen Part. Pi . Part. Praͤt. 
| ner-nde, lag-enda gener-t, geleg-t 


— 11 — 


2. Mittelhochdeutſche Conjugation. 


J. I. II. 
Ind. Praͤß, Sing. salb-e salb- est salb- et, 
Pur. salb-en salb-et _ salb-ent 
Conj. Praſ Sing. salb-e . salb-est salb-& 
Pur. salb-en salb-et salb-en 
Ind. Praͤt. Sing. selb-ete salb- etest salb- eie 
Pur. salb-eten galb-eiet .. salb-eten 
Conj. Prät. Sing. salb-ete salb-etest .. salb-ete 
Plur. salb-eten salb-ete.  salb-eten 
Super. Sin. — salb-e — 
Plur. — salb-et — 
Snfinit. selb-en Dart. Praͤſ. Part. Prät. 
| salb- ende gesalb- et 


Die kurzſolbigen der 4. Gonjugation Ämcopieren bas e ber Ab⸗ 
leitung ohne Ausnahme, das ber Flexion nothmendig nach 1, Tr, ge 
woͤhnlich aach.m, m, t, b, 85 Ihr Wurzellaut iſt e oder a, welcher im 
Präteritum nicht ruͤckumlautet: lege, legst, legen, legte. Langſylbige 
bulden Bein Ableitunge-i im Praͤteritum, baher 1) Ruͤckumlaut fhr 
ade Umlaute im Präteritum Indic., felbft in wird zu a, 2) Verein⸗ 
fadsung. bes Semination vor anfleßenden te, test, ten, tet; iz, ok 
werben gu z, c; lite, ndte, atte, Me, site, site, hie werfen ein t 
heraus; tte wird meiſt zu te: luite, ahd. leitta; 3) vor dem te want 
bein fh meiſtens g, Ig, ng im c, Ic, no. — Bei den langſylbigen 
mangelt ber Umlaut benem auf uld, ung, allen auf ou, einigen auf ua, 
Ruͤckumlaut mangelt denen auf elt, ert, urt; die auf end, erb, ett, 
ust fihwanden nach ben Mundarten. Spwcope des Ableitungsvoeals 
vor te des Präterhtums iſt Weges: brante, hörte, neigie. Bei ben 
kurzſylbigen der 2. Gonjugation fällt das flumme e nad) I, r weth: 
wenbig.au6: ich zal, spar; zälte, sparte, d. h. fie gehen wie bie kurz⸗ 
ſolbigen des 1, Conjugation; nadı m, m bleibt e vor n, nt; wenen, 
wunent, nicht vor t: wonte; ſchwankend im Auslaut: won, wene; 
wach b, u, d darf es uͤberall bleiben: lobe, lobete, nicht ‚nad te: 
gestätte, nicht gestatete; im ausfantenben Bartidpium vereinfacht 
Sicht: gestat. — Das tonuloſe e bei tangſylbigen bleibt: mälg, malest, 
mälet; im Praͤteritum mälste mit ſtummen e vor t, Daher auch make, 
erte (flat werte). Nach t, It, re iſt die Syncope des e (und mir Im 
bes eisen. t) nothwendig: arten ins Praͤteritum arte fhatt artete. Vom 
ben Bildangen auf l, n, x gehen. bie Aurzfuibigen wie Iangfhlbige ein 
fache, die langſylbigen we kurzſocbege einfache: rigele, wigeket, rigeltes 
klingel, klingelt, Klingelle; en 


— il — 


u re) s. IR. nr. ty 
Neupogbeutice Goniugation. 
oo. l. “ I. . I. 
Ind, Sei, Sing. niet naͤhr- et naͤhr⸗et — 
Rlur. nähr-en naͤhr ttmnaͤhren. 
Conj. Praͤſ. Sing. naͤhr⸗e nähr-eft ° °  nähr-e * 
Pur. nähtzen nähr- ze naͤhr-en 
Ind. Praͤt. Sing. naͤhr⸗te naͤhr-teſt naͤhr-te 
Pur. nähr-ten naͤhr- Atet naͤhr- ten 
Conj. Praͤt. Sing. nähr-ete naͤhr-eteſt naͤhr-ete 
Plur. nähr-eten naͤhr etet nmaͤhr-eten 
Imper. Sing. — Nnnaͤhre-e — 
Plur. — nähr-et " — 
Infinit. nähre-en -» Bart. Prüf. ° Part. Brät. 
| | nähr-end genähr-et 


- Die Endungen -eft und -et im Präfens Indicativ, im Impe⸗ 
rativ und im Partieipium Präteriti werden haufig. in ft, -E gekürzt: 
nährfi, naͤhrt, genaͤhrt; bies gefchieht aber nicht,. wenn vor. -eft 
irgend ein auslautender Zungenlaut, und wenn vor -et ein auslau⸗ 
tendes D oder £ fleht: weideſt, fpeifeft, fiſcheſt, tanzeſt; Keiter, 
beneibet, gekleidet, geblutet. — Im Präteritum Indicativ und 
im Participium Präteriti ſollte Ruͤckumlaut des e in a eintreten, was 
jebocy nur bei wenigen dee Fall iſt: kannte, nannte, brannte, 
fandte, wandte; aber ſchon gelten (nicht Eennte, aber) nennte, 
. brennte, fendete, wendete daneben, und die analogen trannte, 
pfandte, ſchwandte, ſchandte find unzuläffig 1). — Das. Bräter 
ritum Indicativ wird im bee Regel ſyncopiert: nährte, legt, 
ſalbte; Die volle Form: mährete, Legete, falbete klingt gezwungen 
feierlih. Eine gahlreiche Ausnahme machen aber die Berba, deren 
Wurzel mit £, d, tt, lt, nt, xt, ft, ft, bt, Dt,.1d, nd, rd 
ſchließt; fie flellen den Ableitungsvocal wieder ber, gleichviel ob fie 
früher der erflen oder zweiten Gonjugation angehörten, als: waten, 
swatete; hüten, huͤtete; leiten, leitete; reden redete); rette, 
rettete; fchütten, ſchuͤttete; ſchalten, ſchaltete; renten, reu— 
tete; haͤrten, haͤrtete; heften, heftete; leiſten, leiſtete; lichten, 
lichtetez toͤdten, tödtete; melden, meldete; verwunden, ver⸗ 
wundete; morden, mordete. — Bildungen mit -el, -er, -ig 
ſtoßen e vor dem -te regelmaͤßig aus: ſchmeicheln, ſchmeichelte; 
wundern, wunderte; ſchaͤdigen, ſchaͤdigte; die mit -em, en 
lieber das Bildungs-e und behalten jenes: athmen, athmetez 
regnen, regnete. — Das Präteritum. Conjunctivi ſchwe cher Serm 
lautet niemals um, außer in den Anomalien. . 


— 


145 

Anm..i1ı Bon rennen fagt Goethe rannte, gerannt und ges 
rennt; im Prät. findet füch Öfter rannte ale renutke, was 3. WB, 
Gleim hat. Voß (Luife 2, 260) Inst: Da er über bie Bra anrens 
nete. — Bon trennen hat Haller (bie Kalfchheit menſchlicher Tugen⸗ 
ben) : vom beffern Theil getrannt (gereimt auf Vaterland). — Im der 
Voilefprache Hört man auch gefaut, gelagt u.a. 

Anm. 2. Die Form redte ift noch nicht fo lange außer Gehrauch; 
Gellert gebraucht fie öfters, auch Goethe z. B. im R. Fuchs 4, 42. 








C. Unregelmäßige Berba (Anomalien), 

- $. 191. j 

Die unregelmäßigen Verba arlınden fi theils auf Mifchung 

verfchiedener Wortfiämme und Ableitungen, theil® auf Anwendung 

ſtarker und ſchwacher Flexion nebeneinander. Hilfsverba, welche fehr 

häufig gebraucht werden, tnd flatt ihrer lebendigen Bedeutung all⸗ 

mälich abfkracte Begriffe annehmen, tragen faft in alfen Spraden 
folche Untegelmäßigkeiten an fich. 


ir 
a) Bilfsverbum. 
6. 192, 
1. Gothiſch. 
l. N. HL 
Ind. Praͤſ. Sing Ya is tt 
Dual. siju sijuts? — 
Plur. sijum sijuth sind 
Conj. Präf. Sing. sijäu sijäis sijäi 
Dual. sijäiva sijäits — 
Plur. sijaima sijäith sijäina. 
And. Praͤt. Sing. vas vast vas 
Dual. vesu vesuts — 
Plur. vesum vesuth: vesun 
Conj. Praͤt. Sing. vwasjäu veseis vesi 
Dual. veseiva vöseits — 
Plur. veseima veseith vasoiga 
Infinit. vis Part. Praͤſ. visamds 
6. 193. 
2. “endete 
II. 1. 
* Praſ. Simg. by. p(b)in  peb)ist ist 
p(b)irume&s | . ° 
Pur. pCb)irun ptivut unt 
Sal prol Sing is af: 
Plur. stmts, sin: stt sin 


Kehrein Orammatik. 1. 1. 10 


Sud. Praͤt. Sing. 
Pur. 
Conj. Prat. Sing. 
Pur. 

Imper. Sing. 
Infinit. 


= 


Ind. Praf. Sing. 
Plur. 

Conj. Praͤſ. Sing. 
Plur. 

Ind. Praͤt. Sing. 
Plur. 

Conj. Praͤt. Sing. 
Plur. 

Imper. Sing. 
Infinit. 


Ind. Praͤſ. Sing. 
Plur. 

Conj. Praͤſ. Sing. 
Plur. 

Ind. Praͤt. Sing. 
Plur. 

Conj. Praͤt. Sing. 
Plur. 

Imper. Sing. 
Plur. 

Infinit. 


146 


J. H. m. — 
was wäri was 
wärumds, wärun wärut _ wärun 
wärl wäris wäri 
wärimes wärit wäria 

— wis — 
sin, wösan Part. Praͤſ. wesanter 
$. 194. . 
3. Mittelhochdeutſch. 
l. Il. III. 
bin bist (bis) ist 
sin (birn). ' sit (birt) sint 
st sist (sis) st 
sin sit sin 
was waere was 
wären . wäret wären 
waere “  waerest ' waere 
waeren waeret waere 
— wis — 


sin, wesen Part. Praͤſ. gesin, gewesen 


$. 195. 
4. Neuhochdeutſch. 
I. u II. III. 
bin biſt iſt 
ſind ſeid ſind 
ſei ſeieſt (feift)- ſei 
ſeien ſeiet ſeien F 
war wareſt (warſt) war 
waren waret (wart) waren 
waͤre waͤreſt waͤre 
waͤren waͤret waͤren 
— ſei — 
— ſeid — 
fein Part. Praͤſ. ſeiend Part. Praͤt. geweſen 


Anm. Die alte Imperativform bis findet ſich zuweilen noch, z. B. bei 
Görres (Myſtik 1, 218): Bis willlommen, Zochter!; bei Bürger (bie 
Entführung, des Schäfers Liebeswerb.): Bis wohlgemuth und tummle 
bih! Komm, bis mein Liebchen, bis. mein Weib! . 


> 


\V 


14770 — 


b) Verba zweiter Anomalie. 
6, 196. 


Die hierher gehönigen Verba, deren Zahl im Kaufe der Zeit 
immer abgenommen hat, da einige ausgeflorben, andere in Die regel: 
mäßige ſchwache Conjugation übergetreten find, haben keine Präfen:. 
tialflerion; fie nehmen, um aus dem Infin. ins Prafens zu Fommen, 
einen Ablaut an (der eigentlich nur dem Präteritum zukommt), ver: 
leihen diefer ablautenden Form des Präteritums die Bedeutung des 
Präfens und bilden dann für die Bedeutung des Präteritums eins 
nad) ſchwacher Form, einige zugleich mit neuem Ablaut. — Solche 
Präteritopräfentia entfpringen hauptfächlich für die Alteften, einfach: 


ſten Abflractionen und erlangen In der Sprache fehr bald hilfszeit- 
woͤrtliche Verwendung, fo daß fie allenthalben wiederfehren und ber 


Rede durch ihren unter Prafen®formen gemengten Ablaut Klang und 
Manigfaltigkeit bereiten. — Die hierher gehörigen Verba erftreden 


"fi durch alle fünf Reihen des Ablauts, begegnen aber nicht in den 


Reduplicationsreihen, d. h. nie zeigt eine unfter Reduplicationen fi) 
ins Präfens zuruͤckgeſchoben. — Aus der älteren find nur die wichtig: 
ſten angeführt, doch nicht mit allen Nebenformen. 
$. 197. 
1. Gothiſch. 
Indic. Präf. Indic. Drät. 


— — — — —— — — —— 
I.Sg. Pl. II.Sg.Pl. III.Sg.Pl. I. Sg. Pl. II.Sg. Pl. IN. Sg. Pl. 


I. kann kant kann kuntha kunthös kuntha 
kunnum kunnuth kunnun kunthädum kuntheduth kunthödun _ 
tharf tharft tharf thaurfta thaurfies thaürfta 


thaürbum thaürbuth thairbun thaurfiädum'thaürfteduth thatrfl&dun 


dars darst dars daürsta daürstös daürsta 
daürsum daürsuth daursun daürstöädum daurst@äduth daurstedun 
Il. skal skalt skal skulda skuldes skulda 
skulum skuluth skulun skuld&dum skuld&duth skuld&dun 
man mant man  munda * mundes munda 
munum munuth munun mundödum mund£duth munde£dun 
.. mag maht mag mahta mahtes mahta 
magum maguth magun mahtedum mahteduth malıt&dun 
nah naht nah naühta nauhtös naühta 
naühum naühuth nadhun naühtliedum naühtöduth nadlilddun 
II. og öht ög öhta öhtes ohta 
&gum guihn ogun Ghteêèdum onhtéduth Hhtedun 
möt möst ° 'möt ' mösta möstes mösta 
niötum mötuth mötun möstedum mösiödutli “möstedun 


10* 








— 48 — 
Indic. Praͤſ. Indic. Praͤt. 
I.Sg. Pl. II.Sg.Pl.III.Sg.Yi. ĩ.Sg.Pl. II.Sg. Pl. III. Sg. Pi. 


IV. aih äiht aih aihta aihtes afhte 
aihutn aihuth aihun aibtöedum aihteduth aihtedum 
vat *  väist vait vissa visses vissa 
vitum vituin vitun vissedum vissedulh vissedun 
läis Jäist läis Jista listes lista 
lisum lisuth lisun listedum listeduth listedun 


V. däug - däuht däug daühta dauhtes daühta 
dugum duguth dugun dauhtedum dauhtöduth dauhtedun 


Die Dualformen ergeben fich leicht aus ben Plur., zè. B. kunnn, 
kunputs; skulu, skuluts; ögu, öguls. — Der Gonjunctiv jeder Zeit 
wird aus dem Pur. Indic. derſelben Zeit gebildet, alſo: kunnjda, 
kunneis, kupni, kunneima, kunneith, kunneina; kunthödjäu, kunthe- 
deis,. kunthödi; kunthödeima, kunthedeith, kunthödeina. Darnach: 
thaurbjäu, thaurftödjäu; daursjäu, daurstädjau; skuljäu, skuldädjän; 
munjäu, mundödjäu; magjäu, mahtödjäu; nauhjäu, wauhtädjäu; Ogjdu, 
öhtedjäu; möljäu, möstedjäu; aihjäu, aihtèêdjau; viljäu, visaddjäu ; 
lisjäu, listödjäu; dugjäu, dadihtedjau. — Die inf. lauten: kunnan 
(tennen), .thatrban (bedürfen), daursan (wagen), skulan (follen), 
munan (fich erinnern), magan (vermögen), nauhan (genügen), ogan 
(fürchten), mötan (fafjen, müffen), afhan (zu eigen haben), vitan (ges 
fehen haben, reifen), Yisan (gleihfam mit den Shen abgetreten haben, 
willen), dugan (urfprünglid) wol zeugen, dann taugen, nügen). 

Viljan (wollen) hat im Praͤſ. für Indic. und Gonj.: viljäu, 
vileis, vili; vileima, vileith, vileina; im Gonf. Prät.: vildödjäu, 
vildödeis, vildedi etc. Das Praͤt. Indic. lautet: vilda, vildds, vilda, 
vild&dum, vildeduth, vildodun. 


$. 198. 
| 2. Althochdeutſch. 
Indic. Praͤf. Indie. Praͤt. 

l.ẽc .G vi. ILS. 1.89. Pr, 1. Ssg. Pl. I. Sg. Pi. 
I. an angst an onda ondös onda 

unnumqs unnut URBUR ondumes ondut ondun 

darf darft darf durfta durftös durfta 

durfumts durfut durfun durftumds durſtut durftun 

tar tarst tar torsta „torstös torsia 


terrwnds input turrun  torsinmöa toratut tarsiun 





I — 


Indic. Präf. Indic. Prät. 
— — —— — — — — — — — 
1.89.91. Il.Sg. Pl. III.Sg.Pl. ĩ Sg. Pl. 1. Sg. Pi. I. Sg. Pi. 


II. scal scalt scal scolta scoltös scolta - 
sculum&s sculut seulun scoltumds scoltut scoltun 
mac . maht mac mahla mahtös mahta 
makumeês makut "makım mahtum&s mahlut mahlun 

"IH. muo3 muost wmuo3 muosa muosös muosa 
muo3um&s muojut muo3jun muosumdäs muosös muosun 

IV. weiʒ weist weiz wissa wissös wissa 
wi3zumes wizut wizun wissumès wissut wissun 

V. touc töht touc tohta tohtös tohta 


tukumds tukut tukun tohtumes tohtut tohtun 


Die Endungen für den Conj. Praͤſ. und Prät. find bie der 
ſchwachen Conjugation ($. 155.) und werden (mie goth.) aus dem 
Pur. gebildet, darnach: unni, ondi; durf, durfüi; turri, torsti; sculi, 
scolti; mani, mahti; muo3ji, muosi; wiji (wi3ji), wissi; tuki, 
tohti etc. — Die Inf. lauten unnan, durfan, turran, scolan (sculan), 
makan, muojan, wizan (wijan), tukan. — Wie unnan gehen aud) 
arpunnan (beneiden), chunnan (fennen), inchunnan (befhuldigen). — 
Den goth. man, ög, läis entfpricht Eeirt ahd. man, uok, leis mehr, 
und zwet andere nah und Eh fiheinen im Husfterben begriffen, da von 
jenem nichts übrig tft, als pinah (es ift nöthig und ginah (es gentigt), 
von &h bloß der Pur. eigum, eigut, eigun im Gebrauch. 

Tuon, tuan, tön, duon, duan lautet im Praͤſ. Indic.: tuom 
(tuon), tuos, tuot, tuomês (tuom), tuot, tuont; Praͤſ. Indit.: tuoe, 
tuods, tuoe, tuo&mds (luodm), not, tuoen; Prät. Indic.: teta, täti, 
teta, tätumds (tätum), tätut, fätun; Praͤt. Conj.: tätt (tati), tätfs, 
täti, tatimês (tatim), tätit, tätin. — Imperat. tuo, tuot. — Paxtic. 
tuonter, kitändr. 


‘ Wellan (wollan). 
Praͤſ. Ind. - I. Sing. Pl. II. Sing. Po. III Sing. Bi. 


Kero: willu wili wili (wölle) 
welldmös - wellet ° wellant 

Notker: wile (wéölle) wile (wellèst) wile (wélle) 
wellen wällent wellen 

Otfried:  willu (wolle) wili (woll&s) ‚wilit (wolle) 
wollem&s wollet wollent 

Zatian:  willu (wolle) wilis (wolle) wili (wolle) 

wollemö&s wollet wollen (wollent) 


Der Gonj, lautet weile eie.; das Prät. ‚Ink. wolta ete.; Gonf. 
wolti ete. 


— 14150 — 


$. 199. 
3. Mittelbohdeutfd. 


Präf. Indie. Prtaͤt. Indic. 
— nn — — — u — — 
I.Sg. Pl. II.Sg.Pl. III.Sg.Pl. J. Sg. Pl. II. Sg. Pl. Ill.Sg. Pl. 

‚I kan kanst kan’ ku(o)nde ku(o)ndest ku(o)nde 
ku(ü)nnen ku(ü)nnet ku(ü)nnen(t) ku(o)nden ku(o)ndet ku(o)nden 
darf darf(s)t darf dorfte dorftest dorfte 
du(ü)rfen du(ü)rfet du(ü)rfen dorften dorftete dorften 
tar tarst tar torsie torstest torste 
tu(ü)rren tu(ü)rret tu(ü)rren torsten torstet torsten 

Il. sol sot © sol solte soltest solte 
süln sült zülo(t) solten soltet solten 
mohte j 
mac maht mac mohtest mohte 
(mahte) 
mu(ü)gen mu(ü)get mu(ü)gent mohten mohtet mohten 
Il. muoʒ muost muo3 muoste muoslest inuaste 
müejen miüejet müe3en muosten muostel muosien 
IV. wei3 ‚weist weiz wiste wistest wiste 
wij3jen wizzet wizzen wisten wistet wiste 
V. touc töht touc tohte tohtest tohte 


tu(ü)gen tu(ü)get tu(ü)gen tohten tohtet tohten 


" Die Endungen für den Conj. Präf. und Prät. find die ber 
ſchwachen Gonjugation ($. 186.) und werden aus dem Plur. gebildet, 
darnach: künne, kü(lö)nde; dürfe, dörfte etc. — Die Snfin. lauten: 
ku(ü)nnen, du(ü)rfen, tu(ü)rren, su(ü)In, mu(ü)gen, müezen, wi3jen, 
tu(ü)gen. — Bon wizzen lautet das Prät. neben wiste aud) wäste, 
weste, wisse, wösse, wesse. — Wie ku(u)nnen gehen gunnen (goͤn⸗ 
nen) und erbunnen. 


Wellen hat im Praͤſ. Indic.: wil (welle), wil (wilt, wellest), 
wil, wellen (weln), wället (welt), wellent (wällen); Conj.: welle 
(wolle), wellest etc.; Praͤt. Indie. und Conj. wolte; Imper. welle, 
wellet. 

Tuon hat im Präf. Indic.: tuon (tuo), tuost, tuot, tuon, 
tuot, tuont; Conj.: tuo, tuost, tuo, tuon, tuot, tuon; Prät. Indic.: 
töte (tät), taete, t&te (t&l), täten, tätet, läten; Prät. Coni. taele eis; .; 
Part. getan. 

Hän bat im Präf. Indie: han, häst, hät, han (haben), hät 
(habet), hänt (habent); Gonj.: habe, habest eic.; Prät. Indic.: häte 
(häte), hätest etc.; Conj. haete etc. 


— 161 — 


— Bringen und denken haben im Mraͤſ. Indic. und Conj.: 
bringe, denke etc.; Prät. Indic.: brähte, dähte (2. Perf. brachte, 
daehte) etc.; Conj.: braehte, daehte etc. ; Part.: bräht, gedäht. 

Dunken hat im Praf. Indic. und Conj.: dunke ete; Präter. 
Indic.: dühte etc.; Gonj.: diuhte und dühte etc.; Part. gedüht. 

Würken und vürhten haben im Präf. Indie. und Gonj.: 
würke, vürhte ete.; Prät. Indic.: worhte, vorhte etc.; Gonj.: wörhte, 
vörhte etc.; Part: geworht (gewürket), gevorht (gevorhten, ge- 
vürhtet). 


\ 
8. 200, ° 
4 Neuhochdeutſch. 
Praͤſens. Praͤteritum. 
— — — — B — — — — —— 
J. Sg. Ind. J. Pl. Ind. J. Sg. Conj. I. Sg. Ind. J. Sg. Conj. 
l. kann koͤnnen koͤnne konnte koͤnnte 
darf duͤrfen duͤrfe durfte bürfte 
1. mag mögen möge mochte möchte 
IH. muß muͤſſen muͤſſe mußte muͤßte 
IV. weiß wiſſen wiſſe wußte wuͤßte 
will wollen wolle wollte wollte 


Goͤnnen, ſollen und taugen find nun ganz in die ſchwache 
Conjugation übergetreten; wollen hat fi mehr feſtgeſtellt, ohne 
jedoch einer beflimmten Ablautsform ganz zuzufallen. 

Thun bat im Prät. Indie. that, Eonj. thäte, im Part, ge: 
than, geht fonft nad) der fchmachen Conjugation. 

Haben hat im Präf. Indic.: babe, haft, hat, haben, habet 
(habt), haben; Coni. habe 2.5 Praͤt. Indie. hatte ꝛc.; Conj. 
hätte ıc. 

Bringen und denken haben im Prät.: brachte, braͤchte; 
dachte, dDächte, gehen dann nach der ſchwachen Conjugation. 
Dünten hat im Prät. duͤnkte und daͤuchte; fehlerhaft fegen 
Einige (3. B. Schiller, befonders im Briefwechfel-mit Goethe) im 
Praͤſ. daͤucht flatt bünkt. 


Nachtrag. 


Bu $. 150. Anm. Für die Annahme, daß in Mycenen und Europen 
das a in e geſchwaͤcht fei, Tpricht auch die Korm Europens bei Goethe 
(Bauft * 224): Mit leichter Hügelkette Guropens letztem Bergaſt an⸗ 
geknüpft. 

Zu $. 188. Anm. 2. Die volleren nhd. Formen des 3. Mon. haben ſich all: 
mälich gebildet. Im 16. Jahrh., felbſt noch im 17. wich h ſchwankend 
geſetzt und ausgetaſſen: jm, ihm; jn, ihn (für Ace. Sing. u. Dat. M.); 
inen, jhnen (Dat. PL); Aventinus, Tſchudi u. A. brauden au den 
Dat. Sing. jme, jhme; Tſchudi hat auch fehr oft den Ace. Sing. jne 
(zuweilen auch inne), neben in; er gebraucht auch oft die an das Ahd. 
erinnernden Formen jro, jra (vgl. uufer Dero bes Ganzleiſtyls); für dem 
Gen. Sing. mein und fein fagt er (I, 131. 188): Si woltend fi finen 
nicht beladen ... Daß Siall miner gelachet. 


Borrede. 


Vorliegendes Bändchen meiner Grammatik, ein Auszug aus 
dem dritten Buche des Geſammtwerkes von J. Grimm, 
umfaßt die Wortbildungslehre, Etymologie, der neu= 


bochdeutſchen Sprache. Weber diefen Theil der Grammatik 


hat Grimm durch feine Forſchungen ein vorher nicht 
geahntes Licht verbreitet. Wer verfteht e8 aber auch wie 


er die dunkeln Gefete des Sprachgeiſtes aufzufpüren, bie 


oft nur in einzelnen, fparfamen Erfcheinungen vorbliden? 
Ich fuchte die wichtigften Ergebniffe der Forfchungen dieſes 
Gelehrten über die Wortbildungslehre (vie bei ihm in 
zwei Bänden abgehandelt ift und mehr als 1800 Geiten 
umfaßt) überfichtlicher und einfacher zufammenzuftellen und 
befolgte dabei im Allgemeinen ven Weg, den ich in dem 
frühern Bändchen über die „Syntax des einfachen Satzes“ 
eingefchlagen, “ 

Es ift geradezu unmöglih, in der neuhochdeutſchen 
Sprahe Ableitung und Zufammenfegung, über 
haupt die ganze Wortbildungslehre in ihrer Wefenheit zu 
verftehen, wenn man nicht mehrfach, ja faſt beftändig auf 
den frühern Stand der Sprache Nüdficht nimmt. Darum 
wird es Niemanden befremden, daß ich in diefem Bänden 
meit mehr gothiſche, alt= und mittelhochdeutſche Formen 
anführte als in dem früher erſchienenen. Die Natur der 
Sache nöthigte dazu; doch hoffe ich das richtige Maß nicht 


⸗ 


— IV _— 


allzu fehr überfehritten zu haben. Wenn bei dem frühern 
Bändchen. die zahlreichen Belege aus unfern beffern neus 
hochveutfchen Dichtern von nachfichtigen Beurtheilern als 
etwas befonders Empfehlenswerthes hervorgehoben wurden; 
fo ſah ih bei der Wortbildungslehre die Nothwendigkeit 
folder, von mir gefammelten Belege nicht ein, und zwar 
- aus dem einfachen Grunde, weil Grimm felbft faft durch⸗ 
gängig fo zahlreiche Beifpiele aus der neuhochdeutſchen 
Sprache gibt, daß ich des Raumes wegen fie oft nicht 
. alle anführen konnte. Webrigens habe ih, wie ein Blick 
in mein Bud) zeigt, .auch bei dieſem Abfchnitt der Grams 
matif eignes Lefen unfrer Schriftfteller nicht verabfäumt 
und dabei abfihtlih auch ſolche Werfe in den Kreis ber 
Betrachtung gezogen, welche bis jegt fchwerlich von Andern 
zum grammatifchen Behufe gelefen wurden. Auch aus 
Abhandlungen und Bemerkungen in Zeitfchriften, befonders 
aus dem „Archiv für den Unterricht im Deutſchen“, heraus⸗ 
- gegeben von H. Viehoff, wurde Einzelnes gefhöpft. 
‘ Desgleihen ward aud auf Volksdialekte, befonderd den 
mittelcheinifchen, fo weit ed in meiner Kraft lag, Rückſicht 
genommen. Gerade bei ver Etymologie bieten. die Volks⸗ 
dialefte dem Forfcher oft überrafchende Refultate. Das 
bier Fehlende wird fid) dann vollſtändiger ergänzen Taffen, 
wenn das von J. M. Firmenich heramsgegebene Werk, 
„Sermaniens Völferftimmen”, beendigt fein wird. 

Daß ih die weitern Erörterungen vielfad in die An⸗ 
merkungen verwies und im Text nur die Regeln und 
Hauptergebniffe aufftellte, möge nicht als Mißgriff gedeutet 
werden. Sch hatte neben überfichtlicher Cinfachheit auch 
die Schule der Gymnafien und höhern Biltungsanftalten 
im Auge; und daß -gerade an manchen Öymnafien dem 
deutſchen Unterricht der Umfang noch nicht gegönnt ift, 
den er in Anfpruch zu nehmen verdient, kann nur" dem 


— Y _— 


unbefannt fein, der mit offnen Augen nicht ſehen will. Ich 
bin übrigens Feineswegs der Anficht, daß ver Schüler das 
vorliegende Bändchen wörtlich auswendig lernen 
fol (was fo Mancher deutſchen Unterricht nennt!), 
am 'wenigften die SS. 173, 174, 189, 190, 225, 226, . 
232, 233. — Dod es ift hier der Ort nicht, die Frage 
über die Methode des deutſchen Unterrichts zu erörtern, 
befonders da Diefelbe feit einigen Jahren, vorzüglich aber 
in der Gegenwart nad) vielen Seiten hin beiprochen wird, 
wobei man jedoch, wie es fiheint, Theorie und Praris 
nicht immer harmonifch zu verbinden verfteht. So viel ifl 
big jegt gewiß, daß der alte Schlendrian allmälich ausfticht, 
und ein mehr wiffenfchaftlicher Geift emportaudt. 

Es möge, da gegenwärtige Bändchen ber Etymologie 
gewidmet ift, hier ein Furzer Auszug aus Grimme Ab» 
handlung über das Wort deutſch flehen, das wider den 
Sprachgeiſt immer noch von Bielen teutfch gefchrieben 
wird, wie fie, fo fiheint es, die Ableitung von Teut 
und Zeutonen einmal nicht aufgeben können. Nachdem 
das goth. thiudisk6 (EIvıxWs) Galat. 2, 14 aufgefunden 
ift, darf an der Ableitung von thiudisks (EIvı205) aus 
thiuda (E9vos) nicht -gezmweifelt werden, folglih ſtammt 
auch das althochd. diutisc aus diot (mittelhochd. diet), 
das angel. theodise aus theöd. Der Sinn .ves Wortes 
iſt gentilis, gentilitius, popularis, vulgaris, was dem 
gefammten Volk im Gegenfaß zu den einzelnen Stämmen 
gilt, heimathlih, eingeboren, allgemein ver- 
ſtändlich. Aber‘ auch den Nebenfinn von heidniſch, 
barbariſch, den thiudisks wie &9vıxos, ebenfo E9vos, 

thiuda, vulgus (Volk), im Munde der geiftlihen Schrift⸗ 
fieller an fich tragen, darf man nicht abweiſen. Hierin 
flimmt es zu germanicus: beide Ausdrücke auf die Sprache 
bezogen beveuten bie gemeine, robe Bulgarfprade 


\ 
—NWN — 


gegenüber der gebilveten, verfeinerten der Gelehrten, was 
wir noch jebt Volksſprache nennen. 

Ob die Gothen ihr thiudisk bereits von der Sprache, 
und ihrer eignen Sprache in jener umfafjenden Bedeutung 
gebrauchten, wilfen wir nicht; Doch fteht zu erwarten, 
wenn fie das Gemeinfame zwifchen ihrer und 3.38. der 
fränfifchen Zunge hätten ausprüden wollen, daß ihnen 
"gerecht gewefen wäre zu fagen: wir Gothen und die Franken 
reden thiudisk6. Nannten fie ſich felbft Doch gutthiuda. 
Das Wort war bei den Gothen des 4, oder 5. Jahrh., 
und gewiß aud früher überall vorhanden, warum hätte - 
es nicht für den Begriff gelten follen, ven die Latein 
Schreibenden durch ein vulgo, rustice, sermone barbaro, 
barbarico illius gentis sermone, juxta rustieitatem vor» 
nehm bezeichneten ? 

Theotiscus galt von den Gothen, Franken, Sachſen 
und Alamannen; bloß das kann man zugeftehen, daß nach 
dem fefteren Abſchluß des hauptveutfchen Reihe, des 
fränfifhen, die außer ihm ſtehenden Stämme fich des 
allgemeineren Ausdrucks mehr enthalten haben, eben weil 
er eine gewiſſe Einfchränfung und Beftimmtheit empfangen 
mußte, wobei auch der früher obwaltende Bezug auf den 
Niederrhein vielleicht nachhielt, Notker denkt fih bei feinem 
in diutischn fein Alamanniſch, fondern Allgemeindeutfch, 
Gemeindeutſch. Durch die Poefie des 12, und 13. Jahrh. 
wurde die Benennung gehoben und veredelt. Als nach ver 
Trennung Frankreichs der Begriff der Deutfchheit wieder 
auf den Kern des inneren Landes wies, mußten Die über- 
rheinifchen Franken aufhören Deutfche zu heißen, | 

Wir verbinden heute mit deutſch Die Vorftellung ver 
angeftammten Sprache in voller Reinheit und Allgemeinheit 
des Ausdrucks, die Grammatif hat ihn noch über vie 
Grenzen des Landes, Das gegenwärtig Deutfches heißt, aus⸗ 


—— VI — 


zudehnen, und jenes frühere Verhältnis, wonach deutſch 
minder edel erfcheinen Fonnte als fränkiſch oder ſächſiſch, 
dreht fih um, Da uns deutſch die allgemeine Ausbil 
bung unferer Sprache, die vom einzelnen Stämmen her⸗ 
genommme „Benennung nur den fortdauernden örtlichen 
Zuftand. bezeichnet. 

Lateiniſche Quellen des 9. Jahrh. haben theodiscus, 
theotiscus, bie des 10, und ver folgenden Jahrh. faft 
durchgehends teutonious ganz in gleihem Sinne. Aber - 
teutonicus- Hang gelehrter als theodisous, denn dies war 
Doch aus unferer Sprache gefchöpft, jenes aus der elaffifchen, 
und im Wahn, unfer Bolfsname rühre von den Teutonen 
‚ ber. Das Adjectiv teutonicus hatten Die Römer felbft ſchon 
nach den ZTeutonen, und im’ frühen Verkehr mit ihnen, 
gebildet: teutonico ritu Virg. Aen. 7, 741; teutonicus 
furor Lucan. 1, 256; teutonicos triumphos Lucan. 2, 69; 
und das iſt ung wichtig, daß, wenn auch Cäſar und 
Tacitus teutonicus nie in ber allgemeinen Bedeutung 
von germanicus oder germanus verwenden, Andere es 
ohne Zweifel thun: teutonici capilli Martial. 14, 26, und 
zumal ſpäterhin teutonicus vomer Claudian. in Eutrop. 
1, 406; teutonicum hostem Merobaudes (ed. Nieb. p. 19) 
geben nicht mehr auf die Teutonen, fondern drüden das 
allgemein Deutfche aus. 

Das Wort thiuda Teitet, unabhängig von der Ableitung 
-isk, auf den Begriff der Sprache. Wir haben ein altz 
hochdeutſches Adverbium githiuti, mittelhochd. ze diute, be 
diute, welche zwar gewöhnlich ven Begriff der einheimifchen 
Sprache enthielten, doch nicht nothwendig; fie wurden auch 
angewandt, wenn z. B. ein bebräifches Wort durch ein 
Iateinifches ausgelegt werden follte. Daraus ergibt fich, 
Daß auch das althochd. diutan, mittelhochd. diuten, neu- 
hochd. deuten mit dem Begriff verdeutfchen zufammen- 


— VI — 


falle. Die deutſche Sprache heißt nicht fo, meil fie 
deutet und Deutlich iſt, ſondern deuten und Deutlich if} 
uns das durch die Sprache, in der Sprache, Verſtändliche. 
Deutſch reven gebrauchen wir noch heute für verſtändlich, 
frei, unummunden reden. Es Tiegt wenig ab von dem 
mittelhochd. ze diute, be diute sagen, dem mittelniederländ. 
in dietsco spreken. Das Unverftänpliche iſt dem Volt 
welfch over Tatein (oder fpanifh). 

Indem ih vorliegendes Bändchen der Nachſicht ver 
Lefer empfehle, bemerke ich noch, daß ich, ſobald Die 2. Abs 
tbeilung des 1. Theiles von Grimm erfchlenen ift, vie 
1. Abtheilung des 1. Theiles meiner Arbeit möglichft fehnell 
werde nachfolgen laſſen, was um fo eher wird gefchehen 
Können, als ich bereits Die Vocallehre bearbeitet habe. 


Mainz 16. September 1843. 


Der Vorf. | 


Inhalt 
Einleitung................. 6. 1 
Burzel, Soon. „2 
Erftes Capitel. Silvung durch daut und Ablaut, ... „ 7 

Starte Verba... .......... » 9 
Bedeutung der Form in Beziehung auf den Ablaut. . » .... „ 0 
Zweites Capitel. Ableitung - - 2 222200 nee „15 
I. Reinvocalifche Ableitungen. - ©» 2 2 2222er. „ 19 
⸗ ⸗ mite......... 519 
⸗ ⸗ mit ei. -.- 22220000. „20 
II. Confonantifche Ableitungen. - ». 2. 22200 „23 
Ableitungen mit L (al). - > 2 2 2er „25 
a) Subflantive. - - - 2 2200. „26 
b) Abjective. . .... . res ey2l 
c) Berba. - » 2... ee „ 28 
⸗ Mal re „29 
a) Subſtantive........ .„30 
b) Adfective (felig). - - - - - +. „ 31 
. 0) Baba. .. 2220. „ 32 
ud 3 il oe. ee. 0 2 0.0 0° EL 8 2 2 RR 0100 „ 
a) Subflntioe. . - - » 2.20. „ 3 
b) Apfective. -. - » - 22. . .... „35 
c) Verba.......... „36 
⸗ ul. ... ..... 
a) Subflantive. -» » - 2.000. „ 38 
b) Berba, .. 2: 2 20 een „39 
Anmerkungen. „2 
⸗ Rcar)... ..... ....... „41 
a) Subſtantive... „ 43 
b) Adjective. .. „44 
co) Berba. ». 2. 2 2 2 0er. „8 
s s {ir Tr Tr LT nn „ 
⸗ —Ur.. .547 
⸗ ⸗ier...8* „ 





Nachtrag. 


Zu $. 150. Anm. Für die Annahme, daß in Mycenen und Europen 
das a in e geſchwaͤcht fei, fpricht auch die Form Europens bei Goethe 
fe 224): Mit leichter Hügelkette GEuropens letztem Bergaft ans 
geknüpft. 

Zu $. 158. Anm. 2, Die volleren nhd. Formen bes 3, Yron. haben ſich all= 
mälich gebilket, Im 16. Jahrh., ſelbſt noch im 17. wich h ſchwankend 

geſetzt und ausgelaffen: jm, ibm; in, ihn (für Acc. Sing. u. Dat, M.); 
inen, jhnen (Dat. PL); Aventinus, Tſchudi u. A. brauchen auch ben 
Dat. Sing. jme, jhme; Tſchudi hat auch fehr oft den Ace. Sing. ine 
(zuweiten ne inne), neben jn; er gebraucht auch oft die an das Ahd. 
erinnernden Formen jro, jra (vgl. uufer Dero bes Ganzleiſtyls); für dem 
Gen. Sing. mein und fein fagt er (I, 131. 188): Si woltend fick finen 
nicht beladen ... Daß Siall miner gelacdet. 


— 





Zweite Abtheilung: 


Wortbildungslehre. 


— — — — — — 





Borrede. 


Vorliegendes Bändchen meiner Grammatik, ein Auszug aus 
dem britten Buche des Geſammtwerkes von J. Grimm, 
umfaßt die Wortbildungslehre, Etymologie, der neu⸗ 


hochdeutſchen Sprache, Ueber viefen Theil ver Grammatif 


bat Grimm durch feine Forfohungen ein vorher nicht 
geahntes Licht verbreitet. Wer verfteht es aber auch wie 
er bie Dunkeln Gefete des Sprachgeiftes aufzufpüren, die 
oft nur in einzelnen, fparfamen Erfeheinungen vorbliden? 
Ich fuchte die wichtigften Ergebniffe der Forfchungen dieſes 
Gelehrten über die Wortbildungslehre (tie bei ihm in 
zwei Bänden abgehandelt ift und mehr als 1800 Geiten 
umfaßt) überfichtlicher und einfacher zufammenzuftellen und 
befolgte dabei im Allgemeinen ven Weg, den ich in dem 
frühern Bändchen über die „Syntax des einfachen Satzes “ 
eingeſchlagen.“ 

Es iſt geradezu unmöglich, in der neuhochdeutſchen 
Sprache Ableitung und Zuſammenſetzung, über 
haupt die ganze Wortbilvungslehre in ihrer Wefenheit zu 
verfteben, wenn man nicht mehrfach, ja faſt beftändig auf 
den frühern Stand der Sprache Nücficht nimmt. Darum 
wird e8 Niemanden befremden, daß ich in diefem Bänden 
weit mehr gothiſche, alt= und mittelhochveutfche Formen 
anführte als in dem früher erfchienenen. Die Natur ber 
Sache nöthigte dazu; doch hoffe ich Das richtige Maß nicht 


— 1“9“ — 


allzu ſehr überſchritten zu haben. Wenn bei dem frühern 
Bändchen die zahlreichen Belege aus unſern beſſern neu— 
hochdeutſchen Dichtern von nachſichtigen Beurtheilern als 
etwas beſonders Empfehlenswerthes hervorgehoben wurden; 
ſo ſah ich bei der Wortbildungslehre die Nothwendigkeit 
ſolcher, von mir geſammelten Belege nicht ein, und zwar 
aus dem einfachen Grunde, weil Grimm felbft faſt durd» 
gängig fo zahlreiche Beifpiele aus der neuhochdeutfchen 
Sprache gibt, daß ich des Raumes wegen fie oft nicht 
. alle anführen konnte. Webrigens habe ih, wie ein Blid 
in mein Buch zeigt, .auch bei dieſem Abſchnitt der Gram⸗ 
matif eignes Lefen unfrer Schriftfteller nicht verabfäumt 
und dabei abfihtlih auch ſolche Werfe in den Kreis der 
Betrachtung gezogen, welche bis jet fchwerlich von Andern 
zum grammatifchen Behufe gelefen wurden. Auch aus 
Abhandlungen und Bemerkungen in Zeitfchriften, beſonders 
aus dem „Archiv für den Unterricht im Deutſchen“, heraus- 
- gegeben von H. Viehoff, wurde Einzelnes gefhöpft. 
‘ Desgleihen ward auch auf Volksdialekte, befonders den 
mittelcheinifchen, jo weit ed in meiner Kraft lag, Nüdfiht - 
genommen. Gerade bei der Etymologie bieten. Die Volks⸗ 
dinlefte dem Forſcher oft überrafchende Reſultate. Das 
bier Fehlende wird fi) dann vollftändiger ergänzen laſſen, 
wenn das von J. M. Firmenich herausgegebene Werk, 
„Germaniens Völkerſtimmen“, beendigt fein wird. 

Daß ich die mweitern Crörterungen vielfach in die Ans 
merkungen verwies und im Text nur die Regeln und 
Hauptergebniſſe aufftellte, möge nicht als Mißgriff gedeutet 
werden. Ich hatte neben überfichtlicher Einfachheit auch 
die Schule der Gymnaſien und höhern Biltungsanftalten 
im Auge, und daß -gerade an manden Gymnafien dem 
deutſchen Unterricht der Umfang noch nicht gegönnt ift, 
den er in Anfpruch zu nehmen verdient, kann nur" dem 





— v — 


unbekannt ſein, der mit offnen Augen nicht ſehen will. Ich 
bin übrigens keineswegs der Anſicht, daß der Schüler das 
vorliegende Bändchen wörtlich auswendig lernen 
ſoll (was ſo Mancher deutſchen Unterricht nennt!), 
am wenigſten die SS. 173, 174, 189, 190, 225, 226, 
232, 233. | ie Frage 
über bie Methode des deutſchen Unterrichts zu erörtern, 
beſonders da dieſelbe feit einigen Jahren, vorzüglich aber 
in der Gegenwart nach vielen Seiten hin befprochen wird, 
wobei man jedoch, mie es fcheint, Theorie und Praris 
nicht immer harmonifch zu verbinden verſteht. So viel ift 
bis jeßt gewiß, daß der alte Schlendrian allmälich ausfticht, 
und ein mehr wiffenfchaftlicher Geift emportaucht. 

Es möge, da gegenwärtige Bändchen der Etymologie 
gewidmet if, hier ein Furzer Auszug aus Grimme Ab» 
handlung über das Wort deutfch ftehen, das wider ben 
Sprachgeift immer noch von Bielen teutſch gefchrieben 
wird, mie fie, fo ſcheint es, Die Ableitung von Teut 
und Teutonen einmal nicht aufgeben Fünnen. Nachdem 
das goth. thiudisk6 (EIvızWös) Salat. 2, 14 aufgefunden 
iſt, darf an der Ableitung von thiudisks (EIVı205) aus 
thiuda (E9vos) nicht -gezweifelt werden, folglih ſtammt 
auch das althochd. diutisc aus diot (mittelhochd. diet), 
das angelſ. theodisc aus theödd. Der Sinn des Wortes 

iſt gentilis, gentilitius, popularis, vulgaris, wad dem 
gefammten Volk im Gegenfaß zu den einzelnen Stämmen 
gilt, heimathlich, eingeboren, allgemein ver- 
ſtändlich. Aber‘ auh ven Nebenfinn von heidniſch, 
barbariſch, den thiudisks wie &Ivıxos, ebenfo E9vos, 

thiuda, vulgus (Volk), im Munde der geiftlichen Schrift⸗ 
fteller an ſich tragen, darf man nicht abweifen. Hierin 
flimmt es zu germanicus: beive Ausdrücke auf die Sprache 
bezogen beveuten die gemeine, vobe Vulgarſprache 





\ 
— N 


gegenüber der gebildeten, verfeinerten der Gelehrten, was 
wir noch jeßt Volksſprache nennen. 

Ob die Gothen ihr thiudisk bereits von der Sprache, 
und ihrer eignen Sprache in jener umfaffenden Bedeutung 
gebrauchten, wiſſen wir nicht; Doch ſteht zu erwarten, 
wenn fie das Gemeinfame zwifchen ihrer und 3.3. Der 
fränfifchen Zunge hätten ausvrüden wollen, daß ihnen 
gerecht gewefen wäre zu jagen: wir Gothen und die Franken 
reden thiudisk6. Nannten fie fich felbft Doch gutthiuda. 
Das Wort war bei ven Gothen des 4, oder 5. Jahrh., 
und gewiß auch früher überall vorhanden, warum hätte - 
ed nicht für den Begriff gelten follen, ven die Latein 
Schreibenvden durch ein vulgo, rustice, sermone barbaro, 
barbarico illius gentis sermone, juxta rustieitatern vor⸗ 
nehm bezeichneten? 

Theotiscus galt von den Gothen, Franken, Sachſen 
und Alamannen; bloß das kann man zugeſtehen, daß nach 
dem feſteren Abſchluß des hauptdeutſchen Reichs, des 
fränkiſchen, die außer ihm ſtehenden Stämme ſich des 
allgemeineren Ausdrucks mehr enthalten haben, eben weil 
er eine gewiſſe Einſchränkung und Beſtimmtheit empfangen 
mußte, wobei auch der früher obwaltende Bezug auf den 
Niederrhein vielleicht nachhielt. Notker denkt ſich bei ſeinem 
in diutischn fein Alamanniſch, ſondern Allgemeindeutſch, 
Gemeindeutſch. Durch die Poeſie des 12. und 13. Jahrh. 
wurde die Benennung gehoben und veredelt. Als nach der 
Trennung Frankreichs der Begriff der Deutſchheit wieder 
auf den Kern des inneren Landes wies, mußten bie über⸗ 
rheinifchen Franken aufhören Deutfche zu heißen. J 

Wir verbinden heute mit deutſch die Vorſtellung der 
angeſtammten Sprache in voller Reinheit und Allgemeinheit 
des Ausdrucks, die Grammatik hat ihn noch über die 
Grenzen des Landes, Das gegenwärtig deutſches heißt, aus⸗ 


—— VI — 


zubehnen, und jenes frühere Verhältnis, wonach deutſch 
minder edel erfcheinen Fonnte als fränkiſch oder ſächſiſch, 
dreht fih um, da uns deutſch Die allgemeine Ausbil: 
dung unferer Sprache, Die vor einzelnen Stämmen her» 
genommne Benennung nur den fortdauernden örtlichen 
Zuftand bezeichnet. 

Lateinifche Quellen des 9. Jahrh. haben theodiscus, 
theotiscus, bie bes 10, und der folgenden Jahrh. faft 
durchgehend teutonious ganz in gleichem Sinne. Aber - 
teutonicus- Hang gelehrter als theodisous, denn Died war 
doch aus unferer Sprache gefchöpft, jenes aus Der elaffifchen, 
und im Wahn, unfer Volksname rühre von den Teutonen 
‚ bee. Das Adjectiv teutonicus hatten die Römer felbft fchon 
nach den ZTeutonen, und im‘ frühen Verkehr mit ihnen, 
gebilpet: teutonico ritu Virg. Aen. 7, 741; teutonicus 
furor Lucan. 1, 256; teutonicos triumphos Lucan. 2, 69; 
und das ift ung wichtig, daß, wenn auch Cäſar und 
Tacitus teutonicus nie in der allgemeinen Bedeutung 
von germanicus oder germanus verwenden, Andere es 
ohne Zweifel thun: teutonici capilli Martial. 14, 26, und 
zumal ſpäterhin teutonicus vomer Claudian. in Eutrop. 
1, 406; teutonicum hostem Merobaudes (ed. Nieb. p. 19) 
gehen nicht mehr auf die Teutonen, fondern drücken das 
allgemein Deutfche aus. . 

Das Wort thiuda leitet, unabhängig von der Ableitung 
-isk, auf den Begriff der Sprade. Wir haben ein alt- 
hochdeutſches Adverbium githiuti, mittelhochd. ze diute, be 
diute, welche zwar gewöhnlich den Begriff ver einheimifchen 
Sprache enthielten, doch nicht nothwendig; fie wurden auch 
angewandt, wenn 3. DB. ein hebräifches Wort durch ein 
Iateinifches ausgelegt werden follte. Daraus ergibt fich, 
Daß auch das althochd. diutan, mittelhochd. diuten, neu- 
hochd. deuten mit dem Begriff verdeutfhen zufammen- 


— m — 


falle. Die deutſche Sprache heißt nicht fo, meil fie 
deutet und Deutlich ift, fonvern Deuten und Deutlich if} 
ung das durch die Sprache, in der Sprache, Verſtändliche. 
Deutfeh reden gebrauchen wir noch heute für verſtändlich, 
frei, unummunden reden. Es liegt wenig ab von dem 
mittelhochd. ze diute, be diute sagen, dem mittelniederländ. 
in dietsce spreken. Das Unverftänpliche iſt dem Volk 
welfch over Tatein (over ſpaniſch). 

Indem ich vorliegendes Bändchen der Nachſicht der 
Lefer empfehle, bemerke ich noch, daß ich, ſobald die 2. Abs 
theilung des 1. Theiles von Grimm erfchlenen ift, die 
1. Abtheilung des 1. Theiles meiner Arbeit möglichft fehnell 
werde nachfolgen laſſen, was um fo eher wird gefchehen 
Können, als ich bereits die Bocallehre bearbeitet habe. 


Mainz 16. September 1843. 


Der Verf, | | 





.e er 8 [Tr Tr Tr Tr TE 1 1 8 8 EL L EL EL ı . —. 


Erftes Eapitl Bildung durch daut und Ablaut. 


s89⏑—⏑ 8 8 Lehr Tr 8 ee. 4 


Zweites Capitel, Ableitung © - 2 2222er 
I. Reinoocalifche Ableitungen. - - - > 2 222 nennen 


s mit ei. ren un 


H. Confonantifhe Ableitungen. - 2 2 222er ne 
Ableitungen mit EL (aD. - > 22 2er. 


a) Subflantive. - - - > 2220. 

b) Adjective. ...... ren. 

c) Berba. . » . 2... En 
iſall......... 
a) Subſtantive. ....... 

b) Adfeetive (ſeli).......... 

0) Baba... 2220 nne 
il......... ......... 
a) Sublntive - - - 2-2 2220. 
b) Adfective. -. - » 2.2... En Fa 

c) Berba. - > 2 2 2 2 2 0 ne 

|} En 
a) Subflntiee. - - - 2: 2000. 

b) Berba. . . 22 2 ren. 
Anmerkungen. 
Klar). -- 22222. nee ne 
a) Subflantive.. . . - 20. 0. 

b) Adjective.. 

6) Verba.... 





— x — 


Ableitungen mit M(a m))J............ g. 
a) Subſtantive......... » 

‚b) Übjective. 200er » 

c) Berba. 2: 2 200 e. ri 

s »s IM 000 0 0 0 1 LE 1 1. 8 - 3 
a) Subflantive. . . 2.2... ey 

b) Berba. 2.2 2 20 n ee » 

⸗ ⸗Mcean).....-. op 
a) Subflantive. -. . 2200202. » 

b) Adfieetive. . 2. 22202000. » 

co) Verba....... » 

s s in. C..... „ 
a) Subftantive. . - 2 2200.20 „ 

b) Berba. . 2 2 2 02 0 0000 » 

⸗ ein (en)...... Fa a a Er BE „ 
. =» BB Seren. „ 
. = dla). »- 2: 2er . 
a) Subflantive. .. 2.2.0... ..n 

b) Rdjective. - © 2 20000 » 

0) Berba. 2: 2 2200er ne. » 

s s iv, uUV. „ 
® s T. . ER ". „ 
Il. = TC(D.. 
f—t. .......... „ 
a) Subftantive, en » 

b) Abfective. > 22 onen. „ 

0) Berba. 2:2 220er „ 

. SA 2.22 een „ 
a) Subflantive. -. 22000. » 

b) Berba. 2. 2 2 2020er. » 

. Pi 12 ER „ 
a) Subflantive. . 2 2 2 2 2 20. „ 

b) Andjective. . 2 2 2 200 ne. » 

" 0) Verba.............. n 
IL. » =» TO. rennen „ 
⸗ = at la) Sen » 
a) Subflntive. . . 2 2. 22200. „ 

b) Adjective., 22 220000. „ 

0) Berbd, 2 2 002er nen » 

. s tt Giß, ij)..... ern. » 
’ ut (uß)................ 
⸗ æD (D, ). ....... F 
a) Subſtantive... 
b) Adiective...........,; 


c) Verba. a . 








— KM — 


Ableitungen mit TH (D, T, Ü) - : 2 2 2 2 era. $. 9 
Ath.. ....... “eo... 9 
a) Subflantive. .. . -. 2 22... »„ 95 

b) Adjective. ...... „ 96 

0) Baba 2220. „ 9 

s -ith........ ren „ 8 
a) Subflantive, . . - 222... „ 9 

b) Berba. . 2... 2222200. „ 100 

⸗ rn „ 101 
⸗ ⸗v0ooth. .. .... „ 102 
⸗ u = Fe „ 103 
⸗ as............... „ 104 
a) Subftantive. - » » > > 22 2.2. „ 105 

b) Berba. 2 2 20 m 2 2 22a. „ 106 

. u 1: Ve „ 107 
a) Subflantive. - - - - 2 22.2.0. „ 107 

b) Beba. 2» 2 2 2 2 ee nn „ 108 

. SD. ren „ 109 
I. = =» KH). 22er „110 
a) Subflantive. . - » - 2 2 2 20% „ 111 

b) Adjective... .. ... „112 

0) Verba........ „113 

I. = . & (8, Ch). er ren „ 114 
⸗ akk.. „ 115 
\ a) Subflantive. - - - - 2 222.0. „ 116 
b) Adjective........ „ 117 

0) Berba. -» 2 2 2 2020er. „ 118 

⸗ ⸗ik............ „119 
⸗ Fe | 1 Pe .... „ 1% 
. » SE laO)l nen „ 121 
a) Subflntive. - - 2 2 2 220% „ 122 

b) Anfective (I). - - 222220 „ 1233 

0) Brba. 222 0er nen 124 

Pi ” ig. er 0 0 2 „ 125 
s s eig. . 00 Re er 2% „ 126 
a) Üdiective., 2 200er „ 126 

b) Berba . 2 2 2 2 2020. 127 

. Pe» VE ‚; 138 
⸗ ⸗NN (in) .... „ 129 
s ⸗ SS (nis). Fa EEE y ‚130 
- Pie |: VE „ 132 
. > LD. or rer eren „ 133 
. u NN ...... „134 
- NT. ER „ 135 
- > MD .............. „ 136 
. = NO... : 2: Were .. „ 137 


Ableitungen it RO. .» - - rer... 


ING (ling) - -» 2... 
UNG........... . 
Sz (af, ik, uf). - - - - - 
SKÜb. -: . .... 


a) Subfantive und Berba, . 


b) Adiective (if). - - - - 
s s HT (it). ee. 2 82, 0. . 


Drittes Capitel. Zufammenfegung .... 
1. Subflantivifche Eompofition. » » 0... 
A. Eigenilihe Compofltion. - ©... 2... . 
a) Subftantiv mit Subflantiv. . .» ..... 

1) Sräpofitionenverhältniffe. - - - .... 

a) Auhiges in. - - - 220000. 

b) Bewegendes in. - - 220000. 

c) Bewegendes auf (von). -. » .. -.» 

d) Rubiges an. - - 222000. . 

e) Bewegendes an. 200... . 

f) Bewegenvdes von, ab. -..... 

g) Ruhiges auf. - - 2 222000. 

h) Bewegenves auf... - 2... 0 0. 

i) Bewegendes und ruhiges zu. - - - - 

k)bei. 2.2.2222 .. 

I) über, unten... . ...... 


n) durch, um, neben...... 

0) mit.... 

2) Appofitionelle Berbältniffe. - » ... 

3) Safusverhältniffe. - - 2 00... 
«) Berzeihnis nach dem erften Wort. . 

ß) ⸗ =» ‚weiten Wort. . 
Anmerkungen. - » 2.2... Deren. 
b) Subflantin mit Adjediv. - ©» 2.0. . 
eo) Verzeichnis nach dem erften Wort, . 


⸗ „= zweiten Wort. ...... 


6) 
c) Subſtantiv mit Verbum........ 
1) des wirklichen Verbums mit Subſtantiven. 
2) mit dem Partie. Präfentis. -. . .... 
3) mit vem Partic. Präterit. -. 2... . 
4) mit dem Infinitiv. - 2 020000. 
B. Uneigentliche Compofltion. - 2 2 2 222020 
a) Subflantiv mit Subflantv. - . ..... 
1) Genitioifche, © » 2 0000000. 
Bemerkungen. - - 2» 22220000. 
‚ 2) Accuſativifche. ..... . 


. 00. 08 8 


. ee... 0° 


- ’ 
— {7 KH — — 


b) Subſtantiv mit Adjectiv. er. .... 
c) Subſtantiv mit Verbum.. 2..... 
II. Adijectiviſche Compofitioon. ne 
A. Eigentliche Compoſitionn. rn ee 
a) Adjectiv mit Subſtantiv.. 
«) Verzeichnis nach dem erfien Bert. ren. 
P) ⸗ =» zweiten Wort... 
Bemerkungeen. . 
b) Adijeetiv mit Adjectirss.. 
a) Verzeichnis nah dem erſten Wort.. . 
ß) ⸗ «zweiten Wort.. 
Anmerkungen.. * 
c) Adjectiv mit Berbum. . - - -. » rer nee 
B. Uneigentlihe Compofition. - ».- » re .. ... 
II. Berbale Compoſition. . .. 
a) Berbum mit Subflantiv. - - - «oo ce .. .. 
DD) = s Adjectid, 000 n 0. FE 
0) = ⸗Verbum.2 
1) Participialzuſammenſetzung.. * 
2) Infinitisgufammenfegung. - » een. . 
IV. Partitelcompofition. - » - . en. ‚ 
A. Partitel mit Rome. . -....- Fe 
Trennbare und untrennbare Partikeln mit Nomen.. 
à (a, o).....- ...... 
af (abh. ** 
. alar (aber) »- 2. 00000. oe. 
aftıra (after) -. 2... nen 
ana (AN) » 2er ne 
and (anf) » » 0200. |.‘ 
ano (ohne) . .. 2... oo... 
bi (bei, be) 220er n nn 
du (Ü) 2.200000. 
dis ger) - 20000. |... 
fair (ver... 
faura (vor. .. 
fauri (für)..... nenn 
faurth (fort) . . .- » Pe 
faurthr. (vordet) - oe. 
filu (Viel). 0000. ... 
galt) »-- ren n ee .o.. 
kakan (gegen) - - «2... on. 
häim (heim) .- een 0. .. 
hera (der) - - -.... ine. 
hiva (fin) «rec. ne 
bindar (hinter) - - - 0... ... 


In (in, en) ».: 000.0. |. 


— xv — 


mith (mit)....... 
nehva (nad) : >» >»: 20er 
neben (neben) -.. » » 2.2.2200. 


nidar (nieder) - - - 220000. 


samana (zufammen) - - - «2... . 
thar (bat) . ». 2 2200. li... 
thairh mh) . ... 2.000. 
oba (06) -. - -.» 2200er. 
ufar (Über) - - - > 000000. 
umpi (UM) -. -. 2.2 2000. 
un (iM) .. 2222er 
undar (unter) -. » » 22220000 
iup (af) - - 2 > 2er 
us (uU) . .... 2.2. 20200000 
u (lau) . 2220000 eh 
utana (aufen) - - 2 220m 
vaila (wohl)... 2 2200. 0.0. 
vithra (wider, wieder), . x. 0.0.0.» 


B. Partikel mit Berbum. - 200er er een ne 
a) Untrennbare Partikeln mit Verbis. ...... ... 


zer......... ... ..... 


b) Trennbare Partikeln mit Verbis.. 


V. Detompoſita. 


durch, hinter, über, um, unter, wider.. 


A. Compoſition von drei Wörtern. ne. 
a) Decompofita, beivemal eigentlih. . - 


b) Gemiſchte Decompofita. - > rennen. 
c) Decompofita, beivemal uneigentlih. - - « - 0... « . 
B. Eompofitton von mehr als drei Wörtern. - » . 
VI. Unflerivifches Eompofltionds-S. . . een 0. 
VII. Eompofita mit Zahlwörten. - . 2 2000er. 
A. Eompofition der Zahlwörter ſelbſt.. 0 re. 
a) Cardinalzahlen verbunden. . » «see ee .c . 
b) Ordinalgahlen verbunden. -. » - + . 
B. Eompofition der Zahlen mit andern Wörtern. nn 

a) Cardinalzahlen. . oo. 22000. ren. 
b) Orbinalgaplen. . 0000er. ... 
Viertes Capitel. Pronominalbildungen. ern . 
A. Anlaut. ern ne 


B. Einfahe Stämme, - - 2: 86 rn 


— — x — 


C. Abgeleitete Pronomina...... ern. 6. 346 
D. Zufammengefegte Pronomina. - -» » : 2: 220 ne... „ 47 
I. Suffüre. 2 2 0 nr ren er ın. „» 8 

U. Prüfe 2000 rn „ 353 
III. Umfchreibungen. . » 2 2» 2 2 2 02 nenn. ‚„ 358 
Fünftes Eapitel. Adverbia -....:- 200er une „ 362 
A. Adjectiviſche Adverbia. .... .„363 
a) Genitiviſche Adverbia............ „ 364 

b) Aceufativifhe Anverbla. - . 2... een . u 365 

c) Präpofitionale Adverbia. - - - 2.2.0. ee... „» 366 

d) Abgeleitete Abvverbia............ ... „367 

e) Suffigierte Adverbia. - - 2 m 00 nennen. „» 369 

B. Subflantivifche Adorrbia. - - 2 2 20er nen „ 370 
a) Genitivifche Adverbia. - » «222 nenne „ 371 

b) Dativifche Adverbia. -. . 2.22.20. ...... „372 

c) Accuſativiſche Adverbia........ „ 373 

d) Präpofitionale Adverbia. -» - 2: 2222000 ;, 374 

e) Suffigierte Adverbia. - : 2 0 0 er ren „ 376 

C. Pronominale Apverbia -. . 2-20. EEE 7 «| 
D. Befonvere Ableitungeen.. . „ 379 
a) Localadverbia.. „ 380 

b) Localſuffirer. . „ 382 

c) Befondere Bildungn. . » 22 0.. ren „ 383 

E. Zahladverbiaa.. . ‚„ 384 
FE. Bildungen auf inG. > > > Ce nenn ‚385 
G. Berbale Anverbia. . . 2... . EEE „ 386 
Präpoſitionennn.. ne „ 389 
a) Einfache Präpofitionen. - © - > > 2 22er. „ 3 

‚b) Abgeleitete Bräpofitionen - - 22200 nen „ 392 

ce) Zufammengefegte Präpofitionen. - - 22-2200. „ 393 

d) Rominalpräpofitionen. © = 2 22 2m 0 ren „ 394 

1) Subflantiopräpofitionen. 2. . „ 395 

2) Anfeetivpräpofitionen. - - - = > 2 2 20 een „» 396 
Conjunctionen „200er „ 397 
Snteriectionen. 2 oo een „» 398 
a) Interfectionen der Empfinbung ren „ 399 

b) ⸗ ⸗Nachahmung eines Raturlautes..„A400 

c) „ als Lock⸗ und Scheuchworte für Thiere. . , 401 
Sechſtes Capitel. Genus der Wörter. ...... .. „402 
A. Natürliches Geſchlecht.. ne „» 206 
I. Gefchlecht durch Berfpiedendeit der Wurzel... ..... „ 407 

1) Benennungen des Menfhen. . 22.022000. „ 407 

2) ⸗ der Thiere. ..... „A408 

II. Geſchlecht durch Motion........... „409 


1) Einfache Motion. - - > 2 2 ver nn „410 


2) Abgeleitete Motion. - - - 2: . 


3) Motion buch Zufammenfebng - . - -. +. « .. 

B. Grammatiſches Geſchlecht.. nen 
| I. Geſchlecht finnlider Segenflände. -» . . 2... rn 
a) Thiere. een. . 

b) Bäume und Pflanzen. 

c) Erve, Steine, Metalle, ». » . 0... ..... 

a) Fließendes Element.... ..2. 

e) Wehendes Element. . . . - Seren nne 

) Leuchtendes Element. - - ver... RER 

g) Welt, Erde, Land.. ee errenn 
by Leib und feine Theile: - - - 2000. .... 

II. Geſchlecht abſtracter Gegenflände. - . - - - ren 

A. Unabgeleitete Subflantive. . ». 2... — 
B. Abgeleitete Subſtantive.... Fe 

1) Ableitende einfache Bocale. » » 2 oe ee nen. 

2) Sonfonantifche Ableitungen. . » - 200. * 


C. Geſchlecht zuſammengeſetzter abſtracter Subſtantive. .. 
- D. Abſtracteſte Neutra. .... 


III. Geſchlecht fremder Subftantive. - - ... re 
A. Beibehaltenes Geſchlecht.. eir en. 
B. Abweichendes Geſchlecht. ne. 
Anhang.... 6 . 
Siebentes Capitel. Eomparation. - .- vun 0. " 
I. Adjectiveomparation. 20000. rel erne. 
1. Steigerung der Adverbien.. 8 Pe 
III. Anomale Comparation.. 20... rennen 
IV. Gemination der Steigerung. © - - +. 0 nn. 
V. Steigerung der Zablwörte. - - 22 een. 
Achtes Capitel. Diminution. - - .. 2220. . eo. 
1. Subftantivifhe Diminution. - ... >22: 020er 0 ne 
a) Diminution mit &, .... 2000. rend 
b) ⸗ —KK.... 
c) ⸗ a und K.......... ... 
II. Adjectiviſche Diminution. ...... ren 
UL Berbaloiminution. 2. 200er ern. . ... 


IV. Diminntion zufammengefebter Eigennamen. ern ne 


Neuntes Capitel. Negation. 
I. Einfache Negatioen.. ren ne 


II. Berftärkende Negation. . . - . . ern ne ... 
| IM. Propibitionegätion. - © oo 0 on een ne. 
Zehntes Capitel. Frage und Autwort. ... 

1) Frage........ ...... rl... 


2) Antwort, © 22 22000 er nne nen 


LEARN IT wind W. ee er ee 


Bon der Wortbildung. 





Einleitung. 

| .$.1 M 

Woribildungslehre (Etymologie) will die Manigfaltigfeit ber ge⸗ 
reiften Sprache auf anfängliche Einfachheit der Formen und Begriffe 
zurüdführen. Wortbildung gefchieht entweder durch innere Aenderung 
oder durch äußere Mehrung der Wurzel. Die Wurzel ſelbſt iſt der 
einfachfte beveutfame Beftandtheil der Sprache, ber einer ganzen 
Wortfamilie zum Grunde liegt. Innere Wortbildung hebt die Ein- 
fachheit des Wortes nicht auf, 3.8. binde, band, Band, Bundz 
ſpreche, fprad, Sprud, Sprade; ein Wort, dem außen et- 
was binzumächft, ift Fein einfaches mehr, 3. B. Bund, bünd-ig. 


§. 2, 


Diefer Zuwachs, nachdem er aus einer anderen beutlichen Wur⸗ 
zel befteht, oder aus bloßen dunkelen Buchſtaben, beißt Zufam- 
menfegung 3. B. Haus-vater, ober Ableitung 3.3. gut, 
güt-ig. Zufammenfeung kann vornen ober hinten an der Wur⸗ 
zel eintreten, 3.3. Hausvater, Vaterhaus; Ableitung nur 
hinten. Bon der Ableitung unterfcheivet fih die Flexion, d. 5. 
das einfachen fowol, als abgeleiteten Wörtern zufländige Allgemeine, 
3. B. des Tand-es, des Vaterland-es; bind-e, bind-efl. | 


$. 3 


Jede Wurzel gründet fih auf Vereinigung von Eonfonanten und 
Vocalen; die Conſonanz geftaltet, der Vocal beſtimmt und belench⸗ 
tet das Wort. Durch weſentliche Aenderung ihrer Conſonanz würde 
die Wurzel zerſtört werden, z. B. die Wurzel brik gehört zum goth. 
brika, ahd. prihhu, mhd. briche, uhd. breche; die Wurzel vrik 
zum goth. vrika, ahd. rihhu, mhd. riche, nhd. räche. Alle innere 
Wortbildung Tann demnach nur in dem Bocalismus gefucht werben, 
wobei: aber Umlaute und andere unwefentliche Vocalwechfel in kei⸗ 
nen Betracht kommen. Die ganze innere Wortbildung beruht auf 
dem Berhältniffe des Lauts und Ablauts. 


$. 4, 


Auf bloßem Bocal berubt Feine beutfche Wurzel; wo etwa Ian- 
"ger Vocal das ganze Wort zu machen fcheint, iſt er ans aufgelöften 
Kehrein Grammatik, 1. 2. | 1 


— 2 — 


oder abgefallenen Conſonanten zu erflären!). Der Vocal darf bie 
Wurzel anheben ?), befchließen nur in unablautbaren Partikeln, Pro⸗ 
nominal= und Zahlwortsformen?), nicht im eigentlichen Berbum und 
Nomen, db. h. höchſtens fcheinbar, bei abgefallenen Konfonanten *). 
Anm. 1) Man vgl. z. B. ahd. ei (Ei) mit altnord. egg; altn. A’ (Fluß) 
mit ahd. ähaz nyd. Aue mit ahd, owe und awe, — 2) Goth. ab-a 
(Mann), and-i (Ende). — 3) Goth. bi (bei), ni (Berneinungspartifel), 
thu (bu), tra (zwei, duo neutr.). — 4) gl. mhd. se (See) mit gotp. 


säivs. 
| $. 5. 


Die Confonanz der Wurzel Tann einfach fein, oder Verbindung 
mehrerer. Der eine Conſonant, den fie im geringften Kalle hat, ſteht 
im Nomen und Derbum nothwendig hinten ?!), weit häuflger wird der 
Bocal von zwei Eonfonanten eingefchloffen?). Es dürfen aber aud 
zwei anheben und zwei fhliegen?); zwei anheben und einer fhlie- 
Ben*); einer anheben und zwei fchließen®). Drei heben an), ſchlie⸗ 
Ben aber niemals, d. 5. jeder auf den Vocal folgende dritte Confo- 
nant gehört der Ableitung”). Mithin ˖ find fünf Confonanten das 
Höchfte, was einer beutfchen Wurzel gebührt); gewöhnlich zählt fie 


deren zwei, brei, vier, felten fünf umd einen. 

"Anm. 1) Bol. goth. aus-d6 (Or, Ohr). — 2) Goth. gib-an (geben), 
— 3) Goth. blind (blind). — 4) Goth. trud-an (treten). — 5) Goth. 

bind-an (binden). — 6) Goth. sprautö (plötzlich); ahd. strit (Streit). 

— 7 Kunſt if nothwendig Kunf-t — 8) Ahd. streng-i (fireng). 

* 
$. 6. 

Die Reihen ſtarker Conjugation ordnen ſich nach dem einfachen 
oder doppelten Confonanten, welcher die Wurzel ſchließt; anf die an- 
Iautende Conſonanz kommt dabei nichts an. Auch die Wortbildungs- 
Iehre fcheint der Eonfonantenlant wenig anzugehen, weil die Ablei- 
tung hinten, nicht vornen, zugefügt wird und Anlaute insgemein dauer⸗ 
hafter, als Auslaute find. 

Anm. 1. Der neuefte Stand umferer Sprache entblößt eine Menge von 
Wurzeln, d. 8 er ftellt fie uns dar ohne Flexions⸗- und Ableitungszei- 
chen, 3. B. Dan, dug Fluß u. a. Je höher wir aufſteigen, deſto 
häufiger erfcheinen die Wurzeln bevedt. Deshalb müſſen wir befutfam 
fein, wenn bavon bie Rede ift, die Bedeutung der Wurzeln einer 
fpäteren Sprache auszumitteln, da ver jeßige Sprachgebraudy die ur⸗ 
Mrüngtise Bedeutung nicht überall feftgehalten hat. So bezeichnet & B. 
die Wurzel Hand ſchwerlich das, was wir jeßt unter dieſem Worte 

verftehen, weil Hand für hand-u, hand-us ſteht und die verlorene Ab« 

leitung -u und Flexion -s den Begriff fenes Subſt. aus der Wurzel 
beſtimmen. Unſer Berbum fcheeren (ahd. sceran) beveutete-urfprüng«- 

lid ganz allgemein fo viel als fihneiden, trennen. 

Anm. 2, Die wurzelreiche ältefte Sprache erfreut fich Iebendiger Namen 
und Wörter, für deren nothwendige und geheime Draiehungen ihr eine 
Fülle von Ablauten und Flerionen zu Gebote fliehen. ie fpätere, in⸗ 
dem fle Wurzeln aufgibt, Ablaute fahren läßt, firebt durch Förderun 
der Ableitungen und Sujammenfegun en Beweglichkeit und Deutlichkeit 
des Danzen zu vervollkommnen. Man kann fagen, daß die frühere 
Leichtigkeil der Form oft ven Gedanken erſchwert und neben glücklicher 





— 3 — 


Manigfaltigteit ber Benennungen Sinfetigeit Tau hermeibet. Um die⸗ 
fer auszumweichen, um den Gedanken überall u Iöfen, pflegt die jun · 
gere Sprache fogar lieber zu umfchreiben, als Ableitungen und Bilvun⸗ 
gen beizubehalten, mit denen fie nicht mehr ausreicht. 


Erftes Eapitel. 


"Bon ber Bildung durch Laut und Ablaut, 
$. 7. 


Verba fheinen Grundlage aller Wörter, In ber deutſchen Sprache 
tritt dieſer Urfprung oft noch handgreiflich vor Augen, und daß der 
Ablaut bis auf ihren Grund und Boden reiht, fließt ſchon aus 
einer einfachen Beobachtung: Ableitungen, Zufammenjegungen neh⸗ 
men zu, ja laſſen fih nach nüchterner Analogie fortfeßen, d. h. Wr 
diefem Wege neu gefchaffene Formen würden, wenn mitunter auı 
mißfungen und Täftig, doch an fi felbft verflänblich fein‘). Die 
.eihten Ablaute hingegen nehmen ab?), neu erfundene würben fehl- 
ſchlagen 3), weil fie geradezu Niemand verfiehen könnte. Weil alfo 
bie fpätere Sprache feine Macht mehr über die Ablante Hat, weil 
fie diefelben nur verlieren, nicht erweitern kann, eben deshalb müffen 
fie als ihr aͤlteſtes Princip betrachtet werben. 

a 


- $. 8. 
Da bie anlautende Sonfonan, unberücffichtigt bleibt, dem Vocal 
der Wurzel aber Höchftens zwei Confonanten folgen ($. 4.), fo zer⸗ 
Tegen ſich ale deutſchen Wurzeln in zwei Claſſen: 1) folge, wo 
ein Eonjonant und 2) folde, wo zwei Eonfonanten auslauten. Die 
erſte, zahlreichſte und mächtigfte Claffe umfaßt zugleich die ſcheinbar 
auf Iangen Bocal ausgehenden Wurzeln mit abgeworfener Eonfonanz. 


$. 9. 
Um das Verhältnis des Ablants zur Wurzel, als ein Princip 


"innerer Wortbilbung, keunen zu lernen, mag. eine Reihe ſtarker Verba 


1* 


— 4 — - 


angeführt werben, die gegenwärtig noch fortbefiehen. Hierbei iſt je- 
doch nur auf die vier Hauptformen ber bochbeutfchen Sprache Rück⸗ 
fiht genommen, bie Aufzählung der einzelnen Bildungen burch den 
Ablaut, z. B. binde, band, baͤnde, gebunden, Band, Bund, 
Binde; fahren, Fahrt, führen, Fuhr, (Zufuhr); graben, 


Grab, © 


rube u. f. w. 


Anm Dean erwarte hier nicht alle nhd. arten Verba; die vollſtändig 
Aufzählung verfelben gehört in die Lehre von den flarten Conjugationen. 
Das Weitere über die Le 
mologie anheim. 





Kormeln 


der ablautenden 






Alt⸗ 
Gothiſch. hochdeutſch. 


—— Neuhochdeutſch. 


hre von den Wurzeln fällt der höheren Ety⸗ 








Conjugationen. 
ar, oͤr fara varu var fahre 
svara suerju swer ſchwoͤre 
ap, oͤp skapa scafu schaffe (cer⸗)ſchaffe 
ab; öb graba krapu grabe grabe 
hafja heffu hebe hebe (erhaben) 
ad, öd hlatu lade lade 
ag, ög Ä traku trage trage 
ah, öh slaha slahu slahe ſchlage 
‚ ahs, öohs vahsja wahsu wahse wachſe 
ein, din, In skeina scinu schine ſcheine 
eip, äip, Ip greipa krifu -  |grife reife 
slifu slife chleife 
eib, äib, ib dreiba dripu tribe treibe 
leiba pilipu blibe bleibe 
scripu schribe ſſchreibe 
ripu ribe reibe 
eit, dit, It beita pizu bize beiße 
smeita |smizu smi3e fchmeiße 
Ä (beſchmutze) 
viizu vlize (be)fleiße 
rizu rize reiße 
slizu slize fchleiße 
eid, äid, Yd ritu rite reite 
stritu strite ftreite 
soritu schrite ſchreite 
eith, äith, th jleitha lidu ltde leide 
sneitha |snidu sntde ſchneide 
eik, dik, Yk slihhu sliche ſchleiche 
eig, aig, ig steiga stiku stige fleige 
eih, äih, ah lleihva |lihu lihe ieihe 
teiha zihu zihe zeihe 








Formeln 


. der ablautenden 
Eonjugationen, 


Alt⸗ 









Mittel 
Gotbiſch. gochdeutſch. beeanb. Reuhochdeutſch. 








iup, äup, up 
iub, dub, 
Yut, aut, ut 


Yud, dud, ud 


juth, äuth, uth 


“Yus, dus, us 


iuk, äuk, uk 


jug, äug, ug 


“ Yuh, Auh, auh 
ib, ab, eb 


it, at, &t 


id, ad, &d 


is, as, es 


M, ak, &k (u. uk) 


Yg, ag, eg 


- alh, ah, &h 
yl, al, el, ul 


im, am, &m, um 


theiha 


giuta 
niuta 
thriuta 


biuda 


kiusa 
liusa 


biuga 


tiuha 
thliuha 
giba 


ita 
frita 
mita 
sita 
bidja 
truda 
lisa 
ganisa 
brika 
vrika 


liga 
viga 
saihva 
stila 
nima 
quima 


air, ar, er, aur |baira 


Al, all, ull 


X 


dihu 
süfu 
sciupu 
kiuzu 
niuzu ' 
driuzu 
sliuzu 
vliuze 
piutu. 
siudu 
chiusu 
liusu 
vriusu 
riuhhu 
piuku 
süku 
triuku 
ziuhu 
vliuhu 
kipu 
wipu 
izu 
vriʒu 
mizu 
sizu 
pittu 
tritu 
lisu 
kanisu 
prihhu 
rihhu 
sprihhu 
stihhu 
liku 
wiku 
sihu 
stilu 
nimu 
quimu 
piru 
sciru 
scillu 


dihe 
süfe 


schiube 


giu3e 
niuze 
driuze 
sliuʒe 
vliuze 
biete 
siude 
kiuse 
liuse 
vriese 
riuche 
biuge 
süge 
triuge 
ziuhe 
vliuhe 
gibe 
wibe 
i33e 
vri33e 
mi33e 
sitze 
bite 
trite 


lise 


genise 
briche 
riche 
spriche 
stiche 
lige 
wige 
sihe 
stil 
nim 
kom 
bir - 
schir 
schille 


(ge)beihe 
faufe 
fchiebe 
ide 
(neiniefe 
(ver)drieße 
Schließe 


fließe 


biete 
fiede 


(er)kieſe 









| Formeln 


ver ablautenden Alt 





Gothiſch. 








Mittel⸗ 
hochdeniſch. hochdeutſch. 





Neuhochdeutſch. 


Conjugationen. 
suillu swille ſchwelle 
ilp, alp, ulp hilpa hilfu hilfe helfe 
jlt, alt, ult smilzu smilze Schmelze 
ild, ald, uld gilda kiltu gilte gelte 
ilh, alh, ulh filha vilhu bevilhe befehle 
imm, amm, umm summu |swimme |fchwimme 
inn, ann, unn |duginna |pikinnu |beginne |beginne 
rinna rinnu rinne rinne _ 
spinna spinnu |spinne |fpinne 
|vinna winnu winne (ge)winne 
ind, and, und |binda pintu binde binde 
vinda wintu winde winde 
| slintu slinde ſchlinge 
inth, anth, unth |fintha vindu vinde finde 
ink, ank, unk drigka trinhu trinke trinfe 
sigqva |sinhu sinke finfe 
ing, ang, ung |siggqva sinku singe ‘finge 
duinku |twinge zwinge 
airth, arth, aurth|vairtha |wirdu wirde werde 
airg, arg, aürg |bairga pirku birge berge 
ist, ast, ust pristu briste berfte 
isk, ask, usk drisku drische, |drefche 
| lisku lische (er) löſche 
aiht, aht, auht vihtu vihte fehte 
| vlihtu vlihte flechte 
Bedeutung der Form in Bezug auf den Ablaut, 
$. 10, 


Der Laut, d. h. das Präſens iſt wefentlich Alter als der Ab- 
laut, d. 5. das Präteritum, Das lehrt fihon die Form des 
Ablauts. Der kurze Vocal lautet erft in kurzen, dann auch in lan⸗ 
gen ab, 4. B. niman, nam, n&mun (nehmen, ich nahm, wir nahmen) 5 
oder gleich in Tangen, 3. DB. Taran, för (fahren, ich fuhr). Nur 
wenn das Präfens bereits langen Vocal hat, muß auch das Präte- 
ritum lang ablauten, 3. B. friusan, fräus (frieren, ih fror). Das 
Präfens ift überall erfte, Präteritum Singular zweite und Prätert- 
tum Plural dritte Stufe, Das Präfens ift die feſteſte, urfprüng- 
lichſte Geftalt der Wurzel, gleichfam ihr Kern und ergibt fich der 
Zerflörung und Verderbnis zuletzt. \ 

Anm. 1. Ahd. vriosan, vrös, vrurun; ziohan, zöh, zugun; nhd. frie= 
ven, (ih) fror, (wir) frorenz ziehen, Cich) zog, (mir) zogen. Npd. iſt 





| 

G 7 \ 
vom Sing. Präter, feine Stufe mehr zum Pier. Prkter,, beide haben 
denselben Vocal. Etwas bat fi noch erhalten in: ih werde, iS 

"ward, wir wurden; aber wir fagen auch: ich wurde. 

Anm. 2. Für die Anficht einiger Sprachforfcher, nicht das Präf., ſon⸗ 
dern das Präter. fet als ver Figentliche —805 aufzuftellen,, lafſen fi 
wenigſtens aus der deutſchen Sprache feine haltbaren Grünbe gewin⸗ 
nen. In der Form iſt das Präf. einfach, das Präter. manigfalt und 
abgemiden; dad Manipfalte und Zufammengefehte ift aber immer das 

pätere. 
§. 11. 


Im Präteritum Tann eine Abänderung der Urbedeutung zu ſu⸗ 
chen fein. Am fichtbarften erfolgt fie dann, wann ber Satz des Prä- 
fens im Präteritum verneint wird. Mehrere aus dem Präteritum 
gebildete Nomina find ungezwungen durch folche Negation zu beu- 
ten. 3.8. altnordiſch kala (frieren), goth. kalds, ahd. chalt (kalt), 
davon chuoli (fühl) das, was kalt war, alfo etwas neue Wärme 
erhalten hat, nicht mehr Falt iſt y. Zumeilen, jedoch felten, 
ftellt das Präteritum nicht eigentlich das Gegentheil, fondern nur 
die Abnahme und Verkleinerung der Wurzelbebeutung auf, 
Ko an (fingen), davon ahd. hano (der Hahn), huon (der junge 
abn). 

Anm. 1) Bol. noch angelf. blican (bfinten, glänzen), bläc (bfeich), add. 
pleih, was gefchienen, die Farbe verloren hat; goth.spairan (fuchen), 
ahd. spor, nd, Spur, das, wo man gefuhht hat; leisan (folgen), ahd. 
leisa, mp. leise, nhd. Ge-Leife, das vom Gehen Hinterbliebene. 


§. 12. 


Sn der Regel gibt der Ablaut Nichts als das Geſchehene, 
d. h. den erfolgten und bleibenden Eintritt des unveränderten Wur⸗ 
zelbegriffs. 3. B. aus goth. bairan (gebären, vffenbaren) bildet 
fich der ahd. Ablaut par (offenbar) das fihtbar Geworbene !), Es 
kann daher in Fällen, wo es nicht daran Tag, das Geſchehende 
von dem Gefhehenen merklich zu unterfcheiden, biefelbe Sache 
gleichgiltig mit dem Laut oder Ablaut bezeichnet werben, 3. B. mhd. 
'singer, uhd. Sänger ?). 

Anm. 1. Bol. noch: goth. graban (graben), gröba (Grube) dad Ge» 
grabene, _ 

Anm. 2. Sind Laut und Ablaut beive nebeneinander zu einer Wortart 
gebraucht, fo beruhen darauf meiſtens feine Unterfcheivungen ; vgl. 3. B. 
angelf. r&öd (rubicundus, röthlich) mit angelf. reäd (ruber, roth)z die= 
fes bezeichnet ſtehende, rothe Farbe, jenes auffteigenve, blühende Röthe. 


u $. 13, 


Aus dem Wefen der Bedeutung ſelbſt folgt der Grundfag: In 
ber Wurzel erfcheint die finnliche Bedeutung früher, die geiftige 
fpäter, obgleich beide Durch einen geheimen Zug verbunden waren, 
Ohne ihre Wechſelwirkung wäre nicht wol urlprüngliche Bedeut⸗ 
famfeit der Wurzeln denkbar, Namen ſchafft der Sprachgeiſt in 


— 8 — 


glücklichem Wurf durch kühne und kurze Beſchreibung ber Sachen. 
iernach wird man leicht beobachten, daß in allen Sprachen z. B. 
“jeder einfachere Thier-, Stein- und Pflanzennamen aus einem Ber- 
bum flammt und eine Iebendige Eigenfchaft des Thieres oder der 
Pflanze ausprüdt, 3. B. Kliege vom ahd. vliokan (fliegen); Hahn 
vom ahd. hanan (fingen); Gold, gelb von gilan (gelb fein, glänzen). 
Anm. Die meiften folder Ramen laſſen fich im Deutſchen, ihres Hohen 
Alters halben, aus verlornen und verbuntelten Wurzeln nicht mehr deu⸗ 

ten. Bgl. übrigens noch Froſſch von friskan (Hüpfen, auch grün fein); 
Eifter (ahd. agalastra) von galan (fingen, woher noch gellen) und 

der Endung astra, welche eiwas Schlechtes bezeichnet. Glas gewiß 

von gleisan, gleitan (gleißen, glänzen). 


N 


$. 14, ” 


Man pflegt ſämmtliche Berba, nach ihrer entweder bloß inner- 
lichen oder außenhin gerichteten Thätigkeit, einzutheilen in intran- 
fitive und tranfitive: eine Unterfcheidung, bie in fo allgemei- 
ner Faffung für die deutſche Wortbilpungslehre ohne alle Bedeutung 
tt. Wie die Urbedeutung der Wurzel fchon Keime intranfitiver und 
teanfitiver Bedeutungen in fich trägt, ebenfo Liegen in ihr beide, die 
active und paffive Bedeutung. eingefhloffen. | 


Zweites Capitel. 


Bon der Ableitung. 
\ 6. 15. 


Ableitung heißt die zwifchen Wurzel und Flexion eingefchal- 
tete, an fich felbft punfele Diehrung des Wortes, kraft welcher ber 
Degriff der Wurzel weiter geleitet und beflimmt wird. Sprachver- 
derbnis pflegt aber häufig bald die Ableitung, bald die Flexion, zu- 
weilen beide mit einander zu zerflören. Ohne fie in folchen Fällen 
Hiftorifch herzuftellen, laͤßt fih die ſpaͤtere Wortform nicht gehörig 
verfiehen. 3. B. das ahd. sunu (Sohn) muß ergänzt werben sun-u-s, 
- wie e8 goth. heißt. Praktifch findet fich die Ableitung, bei vernich- 
-teter Flexion, freilich oft zu Ende des Wortes, 3. B. ahd. mah-t 
(Macht), goth. mah-t-s. Auf die Ableitung folgt aber thenretifch 
immer noch die Flexion, auf die Flexion folgt Nichts mehr. 


$. 16. 


Dean Tann die Flexion, d. h. die bem Verbum anwachſende 
Pronominalform, die dem Nomen anwachſenden Gefchlechtsjeichen 
und Partifeln, flreng genommen, nicht vom Begriffe der Wortbil- 





— 9d — 
bung ausſchließen ). Auch durch fie wird bie Wurzel gebildet umb 
beſtimmt; ſtarke Berba 3. B., in fofern fie fchon das Princin ber 
Flexion erfahren, find Feine einfachen Wurzeln mehr. Einfache Wur⸗ 
zelbildungen over Wörter Fönnen alle folhe heißen, in denen 
feine Ableitung waltet, 3. B. Band, Binde, Bund von ber 
Wurzelform Binde, _ , 


Anm, 1. Die Flexion des Nomens oder die Deckinationsform enthält 
im Nom. das bloße Geſchlechtskennzeichen, das fich in den obliquen 
Caſus mit Partikeln mengt. 


$. 17. 


Die Ableitung unterfcheidet fih vonder Zufammenfegung 
in mehreren Punkten: 

.. a) Zufammenfeßung verbindet zwei lebendige ober doch deutliche 
Wurzeln miteinander, 3. B. Wein-flod, pfeil-[ohnell; bie 
ableitende Bermehrung iſt zwar nicht bedeutungslos, aber für 
fi betrachtet unfelbftändig, unbeutlih, 3. B. Warn-ung, 
Er-de, ihwar-z, Thmel-zen. 

b) Ableitung tritt unmittelbar an die Wurzel ober an eine vor⸗ 
ausgehende Ableitung, z. B. Hirt-e, Gauf-el-ei, niemals 
hinter eine Flexion; Zufammenfegung kann zuweilen die Flexion 
ber erfien Wurzel ganz ober theilweiſe flehen Yaffen und daran 
eine zweite Wurzel fügen, d. 5. die Flexion Tann in ber Mitte 
bleiben, 3. B. Land-S-mann. 

c) Die zweite componierte Wurzel macht immer eine Sylbe; bie 

Ableitung häufig nicht, z. B. Kunf-t. 


$. 18, 


Die Ableitung iſt reinvocaliſch, wenn bloß Vocale, rein- 
eonfonantifh, wenn bloß Conſonanzen, oder endlih gemifcht, 
wenn beiberlei Binzutreten, 3. B. eng-e, Natt-er. Die rein. 
eonfonantifche erfcheint urfprünglih, d. h. ſyncopierte Vocale 
vorausſetzend; ſie bildet keine Sylbe, ſondern fügt ſich zur Wurzel⸗ 
ſylbe, nicht zur folgenden Flexionsſylbe, z. B. goth. as-t-s, Gen. 
as-t-is, d. i. ast-is, Af-t, Gen. Af-t-es, d. i. Aſt es. Die 
‚ reinpocalifche und gemiſchte, fo lange ihr Vocal nicht ans 
allgemeinen Gründen wegfällt oder ſich mit der Flexion miſcht, ge⸗ 
währen eine neue Sylbe. Die Ableitung Tann, vorausgeſetzt, daß 
vor dem Conſonanten ber reinconfonantifchen ein früherer Bocal aus- 
gefallen fei, weſentlich nur vocaliſch beginnen, nie confonantifc, d. 
h. Sar-be, Schwal-be iſt ahd. var-a-wa, swal-a-wa; fie darf aber 
mit einem ober zwei Confonanten fchließen, z. B. Ar-m, Men-ih, 
Tug-end. Die Ableitung bildet höchſtens eine Sylbe; ſcheinbar 
mehrſylbige beruhen auf Häufung mehrerer, z. B. Prüg-el-ei, 


L 





— 10 — 


L Reinvocaliſche Ableitungen. 
$. 19. 


Die reinvocaliſche Ableitung iſt neuhochb. vielfach anders und 
enger als in der früheren Sprache, wo wir i, u, 6, ai, weder a 
noch & (A), fehwerlich ei finden, während neuhochd. gerade biefes 
‘et (flatt eie) übermäßig fih gemehrt hat. Die Ableitung durch 
kurzes i (fpäter e) iſt in ber früheren Sprache ziemlich zahlreich. 
Die Unterdrüfung dieſes -i erfolgt ftufenweife, im Goth. Tchwindet 
88 beinahe nie?), im Neuhochd. faft überall ?),. kaum daß es aus⸗ 
Jautend in einzelnen Wörtern der ſchwachen Declination, 3. 3. 
Hirt-e (ahd. hirt-i) und in einigen Adjectiven, 3. B. müd-e, 
bIöd-e, öd-e, [hnöd-e, bdf-e, eng-e, irr-e, träge, 
weif-e, zäh-e gelitten ift, wo es mitunter auch ſchon ausgelaflen 
wird, während es in: füß, fühl, Fühn u. a.,. die es früher hatten, 
ganz geſchwunden ıfl°). 

Anm, 1. Im Goth, ift es geſchwunden z. B. in mahta (Mag, Maid) 
für mag-i-da, 

Anm. 2. Bgl. z.B. nhd. fuh-en (goth. sök-j-an); nähren (goth. 
ner-j-an), nährte (got. ner-i-ta); Tehren (goth. läis-j-an); 

Lehrer (ahd. ler-Ar-i); reden (ahd. red-i-ön); Wille (goth. 


vil-j-a P} 
Anm. 3. Obige Adi. heißen ahd.: muödi, plödi, Ödi, snödi, pösi, 
angi, irri, traki, wisi, zähi; suozi, chuoli, chuoni.— Sr. Schlegel 


(Carl u. Roland) hat au frohe, alleine Uhland u. Goethe 
haben noch mande, fonft minder gebräuchliche Form, 3. 8. fefte, 
ſpröde, trübe, belle u. a. 


$. 20, 


Die Sylbe ei (goth. ei, ahd. 1) iſt Feine organiiche einfache Ab⸗ 
Yeitung. Die mhd. weibliche Endung -i-e, nhd. -ei (mit abgelegtem 
-e der Flexion flatt -eie), iſt aus romanifchem -ia, -ie entfprungen, 
folglich undeutſch (daher feinen Umlaut wirkend, aber fogar tiefbetont), 
auch den älteren Mundarten fremd. Anfangs findet fie nur flatt bei 
ausländischen Namen, als: prophezie t), astronomie u. a. Als 
aber diefe Formen im 13: Jahrh. gangbar geworden waren, fügte 
fih -ie auch zu einigen deutſchen, meift folchen Wörtern, bie ein 
Bildungs -en oder -er hatten, als: arzen-ie (Arznei), tenter-ie 
Tändelet). " 

Anm. 1. Görres (Myſtik 1, 240) fagt noch: Die Gabe ver Heiluns 
gen und ber Prophetie, 


$. 21. 


Das Neuhochveutfche Hat diefe Bildungen auf -ei übermäßig 
und wider die Natur der Sprache gemehrt, indem nicht nur: Umt-et, 
Bogt-ei, Wüften-ei, Zauber-ei u. a, gelten, fondern auch 
Bildungen mit -el das -ei zugefügt wird: Gaufel-ei, Tän- 
bel-ei, Tölpel-ei, Andächtel-ei u a,, ferien nun Berba 


’ 











— 11 


oder Subflantive Stamm!). Der häufige Ausgang n-ei, r-ei 
veranlaßte - aber den Mißbrauch, Daß man von den bloßen Plural« 
formen Länder, Bücher, Kinder nun Tänder-ei, Büdher-er, 
Rinder-ei bildete?); ja endlich -rei für den Bildungstrieb neh⸗ 
mend, es an einfache Wörter, wo gar Fein -r-ei denkbar ifl, fügte: 
ee Rafe-rei, Bübe-rei, Säme-rei, Sclave- 
rei’). 

Anm. 1. Belonders werben Subſt. auf -ei von vertleinernden 
und nahahmenden Berben auf -elm gebildet, die alsdann den dem 
Verbum anhängenven Nebenbegriff behalten: Tändelei, Dichtelet, 
a elei u.a. — Gdethe (1, S. 156) gebrauht au Kümme⸗ 
Te en. ‘ ⸗ 

Anm 2 Dur die meiften diefer Formen fucht man Sammelnamen 
zu bilden, | \ 

Anm. 3. Beſonders Häufig ift diefe Bildung auf-et bei perfönlichen 
Berbalfubfl., um daburd die Thätigkeit vesfelben als für fich beſtehend 
zu bezeihnen: Bäder-ei, Driuder-et, Bildner-ei. Viele 
davon bezeichnen angleich den Ort, wo das im Stammworte benannte 
Subject ſich befindet over thätig it; Bäder-ei, Abt-ei, Pfarr-ei. 


$. 22, 


In fremden Wörtern wurde bald tieftoniges -ei gelaffen: 
Part-ei, Shalm-ei, Barbar-ei, Türl-ei; bald bie 
franzöfifche Ausſprache hergeflellt: Aftronom-ie, Theor-ie, 
Poef-ie; einigen Ländernamen hingegen — i en gegeben: Jtal-ien, 
Span-ien, Seltner find Berba auf -ien gebildet worden: mhd. 
bened-ien, verketzer-ien; nhd. -eien: bened-eien, pro— 
phez-eien; ein uhd. -reien iſt unftatthaft, alſo nicht ver- 
feßereien, dafür fleht verketzern. 

Anm. Die Dichter, namentlich Wieland, wechfeln öfters zwiſchen 

gi und te nach Erfordernis des Reimes, doch nicht in allen Wörtern, 
am. meiften in Phantafei und Phantafie, Kitanei und Lita— 
nie. — Einige machen noch einen Unterfchied zwifchen Partei (pars) 
und Partie (im Spiel), befonvers in der Comp, Luflpartie. 





1. Eonfonantifhe Ableitungen. 


$. 23, 


Alle einzelnen Eonfonanten jedes Organs befigen ableitende Kraft, 
doch vor-allen thätig find die liquiden (flüffigen) I, m,n, r. Jedem 
Ahbleitungseonfonanten geht ein Vocal voraus, oder frheint ihm ur- 
fprünglich vorausgegangen zu fein. Die Ableitung felbft bewegt fich 
vorzüglih in den Urlauten a,i,u. Allmälich aber trat Abſchwaͤchung 
und Berbünnung jener Urlaute ein, befonders in e. Fragt man nad) 
der charafteriftiichen Bedeutung, fo deutet im Allgemeinen a vorzugs⸗ 
weife auf das Ruhige, i und u auf das Bewegte hin; I bezeichnet 
mehr das Liebliche, Weiche; r mehr das Harte; für das Widrige 
werben nicht felten zwei Confonanten angewendet. 


$. 24. 


Es iſt eine unverfennbare Richtung der fpäteren Sprache, die 
Ableitungen aufzugeben und durch Compofition zu erfegen. Die 
Zufammenfegung fagt ber ſchaͤrferen Beflimmung der Begriffe zu, 
bie Ableitung war ein poetifcheres Prineip. — Da die neuhochbentiche 
Sprache die Declinations- und Conjugationsformen gegen die frühere 
Sprache fo vielfach geändert hat, daß die Ableitungsformen oft nur 
mit Mühe zu erfennen find; fo muß in den nachfolgenden Paragraphen 
die Anordnung im Allgemeinen nach dem früheren Stande der Sprache 
getroffen und darauf mehrfache Nüdficht genommen werben. 

Anm. Biele Declinations- und Eonjugationsformen fehlen uns jetzt ganz 
over fallen mit andern fo zufammen, daß eine Scheidung unmöglich ift, 
wie aus ver Flexionslehre fih eraibt. Nicht wenige Wörter find aus 
einer Dechination in die andere übergetreten. Zum Icipteren Verſtaͤnd⸗ 
nis der nachfolgenden Darſtellung der conſonantiſchen Ableitungen möge 
hier bemerkt werden; Bei den Subſt. iſt uns (mit ganz wenigen Aus⸗ 
nahen) bie 2. und 3. der männlichen, die 2. der fächlichen, die 3. der 
weiblichen flarten Declinat. geſchwunden; die 2. ſtarke weibliche hat fich 
mit def 1. vermifht. Die ſchwache weibliche fällt pleispfalie mit der 
1. flarten vielfach zufammen. — Zur 2. flarten Declinat. der Adf. ges 
hören nur noch etwa die 6.19. angeführten auf -e. — Was die Endun⸗ 

en der ſchwachen Conjugat. betrifft, fo ftellen fich viefelben nach dem 
nfinitio folgendermaßen : 


Goth. Althochd. Mittelhochd. Neuhochd. 
1) nas-jan ner-jan ner-n näfr-en 
2) salb-Ön salp-ön salb-en falb-en 


3) hab-an hap-en hab-en bab-en. 
d. h. mhd. fallen 2. u. 3., nhd. fallen 1., 2. u. 3. zuſammen. 


Ableitungen mit L, (al, il, W).' 
Ar, 
$. 29, 


Bei al iſt das a im Gothiſchen faft überall, im Althochd. faft 
nie gewichen; im Mittelhochd. verdünnt ſich in e, was im Neu» 
hochd. fortdauert. Hier begegnen uns nun, wie bei faft allen folgen- 

‚ben Formeln, Subflantive, Adjective und Verba. 


a) Subftantive, 


$. 26. 


1) Starke masc.: Vog-el (goth. fug-Is, ahd. vo-kal, mhd. 
vog-el), ®eif-el, Hag-el, Hatp-el, Neb-el, Stah-I (ahd. stah-al), - 
Seg-el, Nag-el, Wanp-el u. a. 

. 2) Starle fem.: Nad-el (gotf.näth-Ia, ahd. näd-ala, mhd. 
näd-el), Haf-el, Fadt-el, Gab-el, Per-Ie (add, pör-ala), See-Ie (goth. 
säivala, ahd. söola, s&ula, sela, mhb. sele), Wacht-el, Wiel-el. 

3) Starfe neutra: Sind ſchon mhd. nicht zahlreich, nhd. fehlen 
fie ganz, wenn man nicht etwa noch Mahl (ahd. mah-al, befonders 


— 13 — 


in der Vedentung Gerichtsverſammlung) hierher rechnen will. 
Tempel, Adel, Seffel (ahd. temp-al, ad-al, sed-al) find jetzt 
masc., da fie früber neutra waren. 

4) Starte fem. auf -ali Tönnen ahd. von jedem Adjectiv auf 
„al geleitet werben, 3. B. tunh-al-i d. i. die Dunkelheit, wofür 
wir wol, aber doch felten fagen: die Dunt-Ie, 

5) Starte neut. auf -ali, Collectiva, die theoretifch jedem 
Subftantiv auf -al entfprechen, gerne aber in -ili affimilieren, wor⸗ 
ans mhd. der Umlaut erwuchs, ber uhd. fortbauert, oft jedoch 
ſchwankend erfcheint, wobei das frühere i in e, das u in o ſich ver 
bännt: Gevög-el (ahd. kivuk-ali, mhd. gevüg-ele), Geneb-el 
(ahd. kinib-ali, mhb. ‘genib-ele), Gefind-el, Gezüng-el. 

6) Schwache masc. find ansgeftorben, da das Wort Nab-eIl 
(ahd. nap-alo, mhb. nab-ele) jet, fehlerhaft, ſtark derliniert. 

7 Shwadhe fem. Dahin gehören: Semm-el (ahd. sömm- 
ala, mhd. semm-el), Papp-el, Bud-el, Schanf-el, Wurz-el, die aber 
im Singul. ſtark declinieren. 

b) Adjective, 
§. 27. ' 

1) Erſte Declination. Die ahd. Sprache iſt hier ziemlich 
reichz die mho. Adi. -el find ſchon in geringer Zahl; nho. nur noch 
Dunf-el und eit-el (ahd. tunh-al, it-al, mhd. tunk-el, it-el). 

2) Zweite Deel. Hier weifet die goth. Sprache Feine, bie ahd. 
drei, bie nbd. nur ed-el und frev-el auf (ahb. ad-al-i, vrav-al-i, 
mbd. ed-ele, vrev-ele, aber auch fchon ed-el, frev-el). 

co) Verba. 
628. 


1) Erfte ſchwache Konjugation. Dahin gehören nhb. 


näg-el-n (ahd. nak-al-jan, mhd. neg-el-en), fläh-I-en, feg-el-n, 
fhwef-el-n, vermäh-I-en. Der Umlaut ift dur das i ver Ab- 
leitung erregt, wird aber in nägelIn (nageln) oft ausgelaffen. 
2) Zweite fhw. Conj. Hier bieten die drei hochd. Mund⸗ 
arten ziemlich zahlreiche Beitpiele. Das -al-ön der ahd. Mundart 
eht mhd. in -el-en und -el-n, nhd. in -el-n über: famm-el-n 
Cor. stam-al-ön, mhd. stamm-el-n), zapp-el-n (mhd. zab-el-en), 
faf-el-n, gab-el-n, hand-el-n, mang-el-n, praff-el-n, fatt-el-n, 
fhaufsel-n, tromm-el-n, wand-el-n, zweif-el-n, und andere unum⸗ 
lautende. 
3) Dritte ſchw. Conj. Da bier auch Fein Umlant ſtattfindet, 
fo find diefe Verba in allen Sprachen, denen der Unterfchieb zwi⸗ 
fhen bem ö und & zweiter und dritter Conjugation erlofchen iſt, wenn 


nicht die frühere volle Flexion dabei Yeitet, nicht mehr auszumitteln. 


Nah dem ahd. ar-it-al-En, tunh-al-En muß freilich ein mhb. und 
uhd. ver-eit-el⸗n, bund-el-n hierher gezaͤhlt werben, 


— 14 — 


JISAL. 
g. 20. 


Im Gothiſchen erſcheint nur -s-1, im Ahd. -is-al; im Mbhd. 
wird a bald beibehalten, bald in e verdünnt, das i vor s jedoch 
ausgeftoßen; das Nho. fiimmt mit dem ‘Dihd. vielfach überein. 


a) Subſtantive. 
$. 30, 


1) Starfe masc. find in allen Munbarten felten: Wed -f-el 
(ahd. weh-s-al, mhd. weh-s-el). 

2) Starfe fem. find ebenfalls felten: Am-f-el (ah. am- 
is-ala, mbd. am-s-el), Ad-f-el. 

3) Starfe neutra. Im Myd. haben faft alle hierher gehörigen 
Wortbildungen, zum Vortheil des Wollauts, aber gegen ben Dr- 
ganismus der Sprache, das a behalten, nicht in e verbünntz ja fie 
laſſen ihm vollen Tiefton, weil man -s-al vielleicht fchon im 
10. Jahrh. farfchlih für die Wurzel -sal nahm. Merkwürdig be- 
ſtehen im Nhd. beiverlei Formen neben einander; viele -fal dauern 
in der Schriftfprache fort, viele -f-el haben ſich, vielleicht Durch 
die Bolfsfprache, wieder geltend gemacht. Man vgl. Irr-fal(mpb. 
irre-sal, ir-sal), Drang-fal, —* Müh—- ſal, Schi-fal, Schen-fal, 
Trüb-falu.a.mit Räath-f-el (mhd. ret-sal), Ueberbleib-ſ-el, Füll⸗ 
f-el, Anhaͤng-ſ-el, Gemeng-ſ-el, Heck-ſ-el, Schnit-ſ-el (d. i. Schnitzel), 
Gewin⸗ſa-el, Geſchreib-ſ-el; dieſe ſcheinen gemeiner, jene durch ihren 
Wollaut edler, Doch ſchließen ſich beide ab, und weder Drang-f-el 
ift zuläffig noch Ueberbleib-f-al.' 


b) Adjective, 
$. 31. 


Adjective dieſer Form frheinen infeinem Dialeft vorhanden. Dagegen 
find bereits im Abd. aus der vermeinten Compofition -sal Abjective 
auf -selig entiprungen, nicht -salig (mhd. sælic, beatus, dives), 
obgleich ım Nhd. feind-felig, arm-felig (mhd. vient-selic, arm- 
selic) mit arbeit-felig (mbb. arbeit-selic), glück-ſelig, gott-felig 
untereinander rinnen. (Bgl. unten $. 190 unter der Form selis.) 

Anm. In Büchern des 16. Jahrh. findet fih armutfälig, TZrüb- 


fäligteit. 
0) Verba. 
$. 32, | 
. Die hierher gehörigen Berba find nicht zahlreich; es find dem 
Begriffe nach wiederholende (frequentativa) und zwar verkleinernde 
(diminutiva) berer auf -is-ön. Nhd. wech-f-el-n (ahd. weh- 
s-al-Ön, mh. wöh-s-el-n), win-[-el-n (ahd. win-is-al-Ön, abge⸗ 


— 13 — 


feitet: von wrinison), breii-f-el-n, enträth-[-el-n, fhnid-ed-n, - 
meb-el-n. . Je 


- 93. 


Der Vocal fchwindet weder im Gothiſchen, noch im Althochd.; 
in den übrigen Dialekten allgemeine Verdünnung bes i in 6, um⸗ 
lautbare Wurzelvocale jedoch ſtets umgelautet. 


a) Subſtantive. 
§. 34. 


1) Starke masc. find im Abd, zahlreich, nehmen im Mhd. 
ab, desgleichen auch im Nhd., obwol ihre Anzahl noch ziemlich be- 
deutend tft: Eng-el (goth. agg-il-us, alfo doppelt abgeleitet, ahd. 
enk-il, mbd. eng-el), Beut-el, Bütt-el, Dint-el, Ej-el, Flüg-el, 
Gürt-el, Heb-el, Himm-el, Ig-el, Reg-el, Rneb-el, Rüb-el, Rrüpp-el, 
Löff-el, Mind-el, Prüg-el, Rüff-el, Shäd-el, Winf-el, Züg-el u. a. m. 

2) Starke fem. und neutra find nuhd. nicht vorhanden, fehlen 
größtentheils auch in den andern Dialelten, 

3) Starfe neutra auf -ili und -ili mangeln im Goth., im 
Althochd. find beide von einander zu ſcheiden. Zu jenen auf -ili, 
bie fpäter in -ele, -el fich verbünnen und ben Begriff der Verklei⸗ 
nerung nicht haben, gehört nhd. Infteg-el (ahd. insig-ili, mhd. insig- 
ele). Die auf -ili find ahd. zahlreicher, drücken eine Verkleinerung aus 
und fcheinen von jedem Subftantiv moͤglich. Diefe Diminutiva ha⸗ 
ben mhd. zuweilen -el, 3. B. schiff-el (Schifflein), nhd. -Tein, 
wo fie außerordentlich zahlreich find: Vogel, Dögelein, Voͤglein 
(abd. vokal, vogal, vugal-ili, vugilili und vugili) ?). 

4) Schwache fem. find felten verfleinernd, ſchwanken ſchon 
mhd. zwilchen flarfer und ſchwacher Form: Er-Ie (ah. er-ila, 
mhd. er-le), Geif-el, Neff-el, Schüff-el, Sich-el, Wind-el?). 

Anm. 1. Die nhd. Form auf -el finvet fich zumellen noch, 3. B. Sag 
bein © prüg el. Schiller (MWallenft. Lag. 1.). Das Kränzel reißen 
die Buben ihr. Goethe (Fauf 1, S. 188.). Ganz gebräuchlich find 

Ränzel und Bündel. Lepteres ſteht bei Goethe (Zauft 1, 102 und 

Werte 18, 177) männlich, dagegen an a.D. (3. B. 21, 79. 80. 18,13) 

neutral. Auch andere Schriftfieller (3. B. Stolberg, Leben bes HI. 

inc, v. Paula, Wien 1819, S. 132, El. Brentano u. Schiller) 
genau hen bad Wort männlich. — Weiteres über dieſe Diminutiva 


Anm. 2. Scheitel (ahd. sceitila, mbd. scheitel), früher weiblich, {fl 
jegt männlich. Das Wort findet fih jedoch auch nor weiblih, 3. B. 
bet Thümmel (ſämmtl. W. Lpzg. 1839. Bd. 2, ©. 46), Schlegel 
(Pygmal, Str. 25), Knebel (Hymn. an d. Erde), Rückert (4, 177). 

b) Adjective, 
$. 35, 


Sinb in feinem Dialekt: zahlreich und. ſelbſt ba zuweilen noch 


n 


— 16 — 


unſicher. Nho. gehört hierher: üͤb-el (goth. ub-is, ahd. wp-i, 
mhd. üb-el), und wol auch einz-el, einz-eln (F. 86). 


co) Verba. 
$. 36. 


Da die Berbabder erfien ſchwachen Conjugation aus Ad⸗ 
jectiven auf -il gebildet werben, fo Di aus $.35., daß wir hier. 
etwa nur ver-üb-eln haben, das felbft in den früheren Dialeften 
fehlt; vielleicht gehört hierher auch ver-einz-eln. 

Die Berba der zweiten ſchwachen Conjugation entiprin- 

en aus Subftantiven auf -il, und es gibt deren in ben früheren 
ialeften mehrere. Nhd. Kat fich ihre Zahl fehr gemehrt, zumal 
erfcheinen viele wiederholende (frequentativa), die fih im Ahd. 
und Mhd. noch nicht aufgefunden haben und auch im Nhd. nicht 
immer von Adjectiven berfommen: Grüb-eln (ahd. kruop-ilön), 
fcheit-eln (ahd. zi-sceit-ilön, mhd. scheit-eln), kitz-eln, Aug-eln, 
frömm-eln, fröft-ein, gäng-eln, beuh-eln, kränk-eln, Träuf-eln, 
füg-eln, Yifp-eln, Täch-eln, meuch-eln, näf-eln, rief-eln, rütt-eln, 
ſchuͤtt⸗eln, fohnis-eln, träuf-eln, züng-en u. a. m. j 
Anm. So ausprudsvol für die Begriffe ver Aehnlichkeit, Wiederholung 
und Wenigkeit viefe Berba unleugbar find; feheint doch ihr -I, wo es 


fih auf kein fubftantivifches -el zurüdführt, unorganifcpes, der älteren 
Sprache wenigſtens unbefanntes Bildungsimittel. 


ug, | 
6. 37. 

Diefe Bilbungsform iſt im Ganzen von geringem Umfang. Go⸗ 
thifches -ul iſt fehr ſelten; ahd. ſchwanken -ul und -ol, auch gehen 
beide in -al und -il über, zumal um fich dem folgenden Flexions⸗ 
vocal zu affimilierenz; mhd. und nhb. fleht bloß -el und hier bes 
gegnen und nur Subftantive und einige Verba. 


a) Subftantive, 
.$. 38, . 

Starfe masc. Apf-el (ahd. aph-ul und apf-ol, mhd. 
apf-el), Gieb-el, Mang-el, Satt-el, Schnab-el, Teuf-el (goth. 
diabaulus, ahd. tiuv-al, mhd. tiuv-el). 

Schwache fem. etwa Fid-el (ahd. vid-ula, mhd. vid-ele). 
Anm. Ang-el (ahd. ank-ul, mhd. ang-el) ift jet weiblich. 

bp) Berba. 
$. 39. . 
Die Berba find fchon im Ahd. Tchwer zu beflimmen, da burch 


bie Affimilation die Formeln -al und -ul vermengt werben. Zur 
erſten ſchwachen Conjugation gehören bie aus Subſtantiven 


—1 — 


gebilpeten: neb-e In (ah. nib-ulen für nib-uljan) md fhnäb-eln. 
Zur zweiten Conj. gehören die gleichfalls aus Subflantiven ge⸗ 
bildeten: mang-elIn (ahd. mang-olön), ang-eln, fid-eln. 


Anmerfungen zu den L-Ableitungen. 
$. 40. ’ 


1) Das ableitende I verleugnet fich felten; da es in wurzel- 
hafter, ablautsfähiger Conſonanzverbindung nie auslantet, kann es 
nur einfach, Hinter langem Vocal ftehend, bisweilen Schein der Wur⸗ 
zel gewinnen. Alsdann iſt eine Spirand vor ihm unterbrüdt, z. B. 
Bläul, Bläuel (ahd. plüil für pläw-il). 

2) Zuweilen wechfelt I mit r nach den Mundarten, z. B. mart- 
ern (ahd. mart-elön, mhd. mart-eln), aber ſchon mhd. gebrauchten 
Einige mart-elere, Andere mart-erere; QTändelei, Tölpelei 
(mb. tenterie, dörperie). Die Bedeutung in den fremden Wör- 
tern bfeibt die nämliche und die Abweichung iſt bloßes Kennzeichen 
der Mundart. Wo aber in einer Mundart I und r an benfelben 
Wurzeln vorkommen, wird ein Unterfchied der Bedeutung fühlbar 
fein: Wandeln, fafeln, Täheln, ſchütteln iſt etwas Ande⸗ 
res als: wandern, fafern, lächern, ſchüttern; flammeln 

iſt jedoch einerlei mit fammern. 
3) Den Umlaut in den fpäteren Mundarten muß man vorſichtig 
beurtheilen, er fann oft einen Doppelten Grund haben; 3. B. nhd.. ver⸗ 
übeln kann umlanten wegen bes i in ubil oder in -jan (ubiljan). 
Ein umlautendes Verbum erfler Conjugation gehört darum doch ber 
A-Form an, 3. B. vermählen. . 

4) Es ift Schwer und gewagt, über die Bedeutung ber drei For⸗ 
men zu entfcheiven. Im Ganzen genommen mag al, ul etwas Ru⸗ 

igeres, il etwas Negeres ausprüden, daher befchreibende Thier⸗ und 

anzennamen in -al, thätige Menfchen und Werkzeuge in -il: 

artal, wahtal (der ſtille Wächter) ſtehen dem unruhigen pitil, 
putil (Büttel) gegenüber. Dan muß es nur nicht zu genau bamit 
nehmen. Nyd. koͤnnen wir, da uns faft alle Formen in „el abge- 
ſchwächt find, den Unterfchted noch weniger wahrnehmen. Vgl. übrir 
gens mehrere Beifpiele in ben $$. 26 und 34. _ . 
Ableitungen mit R (ar, ir, ur, ier). - 
| 6. 41. 


Auch Hier findet fich die Eintheilung nad den Urvocalen a, i, u, 
die jedoch mit den Ableitungen al, il, ul nicht gleichen Schritt halten, 
indem gerade die Bildungen. auf ir, wenn fie ſich überhaupt. nur 
finden, von ganz geringem Umfang find. Noch gefellt fir) die Form 
ier bazu und geftattet befonders viele neuhochdeutſche Ableitungen 
von fremden Wörtern. - 

Kehrein Grammatik. .. 2 


- 





— 18 — 


UN. 
$. 42, 


Im Gothifchen tritt der Vocal meiftens zuräd, außer in Woͤr⸗ 
tern, deren Nom. Singul. das -s. entbehrt, 3. B. broth-ar (Bru- 
der); im Althochd. verhält ſich -ar gerade wie -al; mittelhochd. und 
nenhochd. tritt die Berbünnung in -er ein. Auch hier begegnen un 
wieder Subflantive, Adjective und Verba. 


a) Subflantive. 
68, 


1) Starfe maso.: Ad-er (gotb. ak-rs, ahd. ahh-ar, mhd. 
‚ack-er), Aug-er, Bech⸗er, Brat-er, Donn-ar, Eif-er, Eit-er, Eb-er, 
bi-er, Fing-er, Geif-er, Hab-er, Hamm-er, Jamm-er, Kaif-er, 
at-er, Maw-er, Köd-er, Rumm-er, Maf-er, Schlumm-er, Somm-er, 
Splitter, Bat-er, Widd-er, Wud-er, Zaub-er. 

2) Starte fem. find in feinem Dialekt zahlreih: Ad-er 
(ab. Ad-ara, mho. Ad-er), Leit-er, Keb-er, KRamm-er, Schult-er, 
Schweft-er, Torht-er, Mutt-er, — die nun ſtark declinieren und 
tHeilweife auch umlanten. . 

3) Starfe neutra find zahlreicher: Silb-er (goth. silub-r, 
ahd. silup-ar, mhd. silb-er), Alt-er, Eut-er, Fen-er, Fud-er, Futt-er, 
Bupf-er, Yag-er, Lafl-er, Led-er, Tud-er, Malt-er, Mied-er, Poifl-er, 
And-er, Wafl-er, Wund-er, Zimm-er’). 

4) Starfe mase. auf -art. Im Both. find 2 Fälle: 1) wo 
dem ſchon vorhandnen -r (=ar) die vocalifche Ableitımg -ei zu⸗ 
tritt, 3.3. blöst-r-eis (einer, der bebaut); 2) wo das -ar (nicht -r) 
mit dem -ei nen Binzutritt, 3. B. bök-areis (Buchführer). Ahd. 
findet die 1. goth. Art nicht mehr flatt. Hier wird dem ſchon vor⸗ 
bannen -ar noch ein vollfländiges -ari oder -Art angefügt; mhb. 
eht diefes -ari (mas bald in ari ſich verlürzte) in -ere über. 

bb. find alle - are aufgegeben, und, gleichviel was vorausgehe, 
in -er gekürzt. Lehr-er (goth. Ikis-areis, ahd. IEr-ari, md, 
ier-ere), Böll-er, Fifch-er, Geb-er, Yäg-er, Werk-er, Mörb-er, 

üll-er, Pfänd-er, Säng-er, Schöpf-er, Wähl-er u. a. m.?). 

5) Starfe fem. auf -ari lönnen aus jedem Adjectiv auf -ar 
entfliehen, dem nur das 1 zugefügt wird. Mhd. nimmt ihre Zahl 
ab; uhd. find fie noch feltner, und nım bei Dichtern finden fich: 
" Zinf-re (ahd. vinst-ari und finst-ri, mhd. vinst-er), Heit-re, 

Bitt-re, nicht aber die Säub-re (ahd. süp-ari), Mäg-re, Täpf-re, 
Läut-re. (Bol. $. 26. 4.) 

6) Starte neutra auf -ari, Collectiva, von Subflantiven 
auf -ar flammend, find uhd. ziemlich zahlreih: Gefied-er (ah. 
kivid-ari, mhd. gevid-ere), Gewitt-er, Gehämm-er, Gelaͤcht-er 


u. a. 
7) Schwache masc. Nhd. declinieren: Mörd-er (gothiſch 


maurth-rja, ahd. murd-arjo, mhd. mord-&re), Vett-er, Gevatt-er, 
Hab-er, Hamft-er ſtark, ahd. mıd mhd. ſchwach. 

8) Schwache fem.: Natt-er (ahd. nat-ara, mhd. nat-ere), 
Amm-er, Auft-er, Eift-er, Blatt-er; Oft-en iſt nur im Plural 
gebraͤuchlich *). S 


. Anm. 1. Zimmer wit Tempel auf eine Wurzel zuriüdzafähren, 
wird nie gelin en. Zimmer (ahd. zimpar, mhd. zimber, agf. timber, 
altn. timbr) beveutet zunäipR materia (Stoff) im weiteßen Sinnez 
Tempet (lat. templum, ahd. tempal, mpd. iempel) beveutet ein abges 
fehnittenes Stüd Land. Bol, weiter Weigand: Woͤrterb. d. deutſchen 
Spnonymen.. 


Anm. 2. Die meiſten Ableitungen auf -ari drücken handelnde masc. 
aus, doch nicht nothwendig alle, — Die Zahl der hierher gehörigen 
Wörter iſt nhd. größer und Heiner als früherpin. Größer, weil man 
ben Grunvfaß aufftellt, daß ſich aus jedem inf. ein ſolches masc. 
gen Taffe, wiewol das Gefühl Ableitungen ie: N ließer, Lieber, 

renner (nicht Morbdrenner) von fließen, lieben, brennen 
verwirft. Goethe fagt auch (1, Lo Bo vom kühnſten Wager die 
Bahn dir nicht vorgegraben bu ſiehſt. Nach vem inf. regelt man auch 
den ſchwankenden Umlaut, es heißt: Stammler, Zauberer, 
Suder uf. w. Läſterer, Münzer m. f. f. Allein es pinter- 
bleiben Ausnahmen, welche jenes Princips Unhaltbarkeit zeigen: Er⸗ 
halter, Handlanger, Behälter, Empfänger. — Die häufige 
Ableitung -en- re pflegt ſchon mhd. eine unorganifche Einfchiebung 
bes on zu verurfachen. Diefer unorganifhen -ner find nhd. mehr 
geworben, neben Lügner (mdd. lüg-en-zre), Bärtner, Wagner 
gelten: Bildner, Gleifner, Yarfner, Glödner, Kürfd- 
ner, Söldner u.a., in Eigennamen fogar: Müllner, Käſtner. 
Noch unrichtiger iR Schil derer nad dem inf, fhildern (mhd. 
sciltiere)., — Nicht allgemein angenommen ift das von Einigen ge⸗ 
braudte Wort Schriftner für Schriftfteller. 
Anm. 3. Unrtichtig fehlt der Umlaut in: Gedonner, Geſchnatter. 
Anm. 4. Mande find der Anfiht, Dftern ſei von der alten ſächſiſchen 
und engliſchen Göttin Ostara, Eostra, welche man mit ver Benus ver⸗ 
feicht, entlehnt. Weigand fagt rishtiger: „Oft (anflatt SR, ahd. 
st, agf. eäst) =Bimmelsgegend, wo die Sonne über unfern Gefihte- 
kreis kommt (daher agf. Eästre, ahd. Ostarä, die Göttin des neuen 
uͤhlingslichtes, — der Nominativ d. Mehrz. davon IR ahd. Östarün 


flern).” 


b) Adjective. 
$, 44, N 


Die hierher gehörigen Adjective erfier Declination find 
ziemlich zahlreich: And-er (goth. anth-ar, ahd. and-ar, mhd. and-er), 
* hag-er, heiſ-er, heit-er, laut-er, Iecl-ex, mag-er, munt-er,. 
aub-er, fih-er, Ishwang-er, tapf-er, war-er. 

Anm. Das ahd. bäßer ifi nicht hochdeutſchz das Wort heißt -angelf. 
Ihyst-re, altf. thiust-ri,. mittelnieverl, demsi-er, ahd. diustar (au 
himstar), mittelh. dimsi-er. — Das ahb, thimstar und diustar deuten 
Pi zwei verſchiedne Wurzeln; dim = trübe, vunlel, und du =nieber, 


2% 


— 1 — 


co) Berba. 
§. 49, 


1) Erfie ſchwache Eonjugation, Die hierher gehörigen 
 Berba find ziemlich zahlreich und haben den Umlauf: Hung-er-n 
(f. hüngern, goth. hugg-r-jan, ahd. hunk-ar-jan, mhd. hung-er-n 
für hüng-er-n), änd-er-n, fütt-er-n, hBämm-er-n, hind-er-n, kümm- 
er-n, läut-er-n, .plünd-er-n, erfhütt-er-n, räufp-er-n, fäub-er-n, 
wäfl-er-n, zög-er-n u. a. 

2) Zweite fhw. Conj. iſt nicht minder zahlreich. Dahin ge- 
hören: Zimm-er-n (ahd. zimp-ar-Ön, mhd. zimb-er-n), ad-er-n, 
anf-er-n, verbitt-er-n, dämm-er-n (für demmern, d. 1. deͤmmern, 
das ä alſo fein Umlaut), donn-er-n, eif-er-n, fer-er-n, fing-er-n, 
ford-er-n, geif-er-n, had-er-n, jamm-er-n, erinn-er-n, Flett-er-n, 
. erob-er-n, plaud-er-n, rud-er-n, fplitt-er-n, wand-er-n, zud-er-n. 
Anm. Es gibt auch einige, deren -er nicht in dem zu Grunde liegen⸗ 

den Wort, fei dies nun Subft., Adj., over Partikel, enthalten if, 3.3. 
folg-er-n, das die frühere Sprache nicht Tennt. Sodann ſcheint 
das eingefchobne -r bidweilen den Hang nah etwas auszudrücken, 
3. 3. in den faſt nur unperfönlich gebrauchten: mich durſtert, 
trinkert, fohläfert, lächert, läüſtert u. a. Die Bildung iſt 
—X alt, ſchon mhd. durstert, ahd. durslit. Man vgl. damit die 
at. Formen esurio, dormiturio u, a. 


J N. 
$. 46. 


Dieſes Bildungsprincip, wenn es überhaupt ſtatt findet, iſt von 
ganz geringem Umfang. Dahin gehören vielleicht: Käf-er (ahd. 
chev-iro, mho. kev-ere), Reih-er (ahd. hreig-iro, mhd. reig-er); 
das Zeitwort fürb-er-n (ahd. vurd-r-jan von vurd-ir fürder, 
mhd. vürd-or⸗·n), verſchieden von ford-er-n (ahd. vord-ar-ön, mhd. 
vord-er-n). 

Anm. Bel fördern Tann auch vurdi, vurdiri dur Affimilation aus 


vurdari zum Grunde liegen, wodurch dann viefes Wort ber ar- Form 
anheimfällt. 


UN. 
"64. Ä 


- Bilbungen diefer Form. find wirklich vorhanden, obgleich Ihre Zahl 
nicht groß ifl, und in einigen Dialeften ein Schwanfen in -ar fi 
findet. (Vergl. $. 43.) Bon flarfen masc. merke man etiva: 


Kaif-er (ahd. cheis-ur, auch keis-ar), Cb-er (ahd. Eb-ur ſtatt 


eb-ar), Mei-er (ahd. möj-ur), Shwäh-er, Schwiegervater (ahb. 
su&h-ur); von Adjectiven etwa: ſich-er (ahd. sihh-ur); — 
fhlüpf-er-fg (ahd. slöf-ur) hat jebt eine doppelte Ableitung. 





— 21 — 


SEN. 
$. 48. 


Diefe Form findet fi bloß in fremden Wörtern nnd bier erft 
feit dem 13. Jahrh., die ältere Sprache Fennt ſolche Bildungen 
nicht. NED. gilt diefes -ier flatt des deutſchen -er in: Falken— 
tier (mb. valkenere, d. 1. Falfner), Juwelier. Starfe 
neutra find: Ban-ier (auh Banner), Rev-ier, Turn-ier. 
Schwache Berba auf -ieren eine Menge fremder, ja man verfah 
deutfhe Stämme mit der fremden Form: bucftab-ieren,. 


fhatt-ieren, halb-ieren, hauf-ieren, folz-ieren nm a. 


Anm. Die Endung folder Berba wird häufig mit — ir en gefchrieben, 
wofür fich kein rechter Grund denken Täßt. Die Ableitungsformel ift 
-ter, niht -irz der Ältere Gebrauch in ber deutſchen Form ſtimmt 

- für -ier, wie auch die wirklich veutfchen 3. B. frieren, ſchmie— 
ren, fieren, verlieren, zieren und das ſchon längfi eingebür⸗ 
ger regieren gefchrieben werden, wenn auch aus andern Grimben. 

ie fremden Verba haben in ihrer Sprache meift a oder e, nicht i, 
alfo ik auch von biefer Seite das i für ie ungegründet. 


Ableitungen mit M (am, um). 


AmM. 
$. 49. 


Der Bocal ift im Goth. gewichen, im Althochd. nur noch nad 
r- geduldet, bald auch unterdrücdt; im Mittelhochd. und Neuhochd. 
fehlt er. In den meiften Ableitungen diefer Form, zumal bei vor⸗ 
ausgebendem 1, r und langem Vocal, fügt fi das m fo nahe an 
die Wurzel, daß es felbft neue Ablautsformen zeugt. 


a) Subftantive. 
$. 50. 


1) Starfe masc. Dahin gehören: Ar-m (goth. ar-ms, ahd. 
ar-am, mhd. ar-m), Bau-m, Dar-m, Hal-m, Har-m, Hel-m, Dual-m, 
Schir-m, Schwar-m, Stro-m, Stir-m, Trau-m, Wur-m, Zau-m. 

2) Starfe neutra. Dahin gehören: Gedär-me, Gefhwär- 
me, Gewür-me, _ 

3) Schwache masc. (mit Uebergängen in flarfe Form, auch 
in das fem.): Bef-en für Bei-em (ahd. pös-amo, mhd. bäs-eme); 
Rie-men, Blu-me (goth. blö-am, ahd. pluo-mo, mhd. bluo-me, 
fhon ahd. mitunter weiblih). Die Beibehaltung des tieftonigen a 
in Brof-am (ahb. pros-amo, mhd. bros-eme, bros-me) vergleicht 
fi dem nhb. —B Irrſal ($. 30.). Fremden Urſprungs 


find-Balf-am, Bif-am (beide ſchon md.) und Chrif-am. 








—.M — 
b) Abjective, 
. §. 51, 


Sind in feinem Dialekt zahlreich: Ar-m (ab. ar-am) und 
war-m (afd. war-am), 


0) Berba. 
$. 22. 


4) Erfte fhwade Konjugation. Hierhin gehören uhd. 
RBär-m-en (goth. var-m-jan, ahd. war-am-jan, mhd. wer-m-en), 
bäu-m-en, bebli-m-en, här-m-en, fäu-m-en (suere), fwär-m-em, 
träu.m-en, zäu-m-en. 

2) Zweite ſchw. Conj. Hierhin gehört das der früheren Sprache 
unbefannte nah-ah-m-en?). Für (mhd Jbalf-em- en fagen wir 
jest balfamieren. 

3) Dritte ſchw. Conj. Er-bar-m-en (goth. ar-m-an, 
ahd. ar-par-m-En); wol auch das nicht fehr gebräugliche intranfi- 
tive erwar-m-en (ahd. ar-war-m-ön). 


Anm. 1. Das Wort bängt mit goth. ah-ma (Geif), ahd. wol ab-amo, 
mhd. ach-me zufammen, 


um. 
§. 53. 


Der Vocal bleibt im YA wie im Althochd., doch ſchwankt 
in letzterem das u in a; bie ſpateren Dialekte verbännen meiftens 
u in e. 


a) Subſtantive. 
$. 54, 


Starte masc. find goth. nicht arhanben; die andern Dialelte 
bieten deren, nur nicht in großer Zahl: Ath-em (ahd. At-um, 
mhd. ät-em) mit ber Nebenform Od-em (ahd. Ad-um), Brob-em, 
und mit Verwandlung des m in n: Sad-en (ahd. vad-um, mhd. 
vad-em), Schwad-en, Bod-en, Buf-en; mit Tiefton noch 

Eid-am (ahd. eid-um, mhb. eid-em). 


Anm. Hierin gehört noch das ſcheinbare Compoſ. Wit-thum 
Bin ap. — en. m ' (8 


bh) Berba, 
$. 99. 
1) Erfie ſchwache Conjugetion: Fad-m-en (ahd. vad- 
um-jan, mho. ved-em-en), einfäd-m-en, wid-m-en. 
2) Zweite ſchw. Eonj.: Ath-m-en (ahd. Ad-um-Ön, med. 
ät-em-en), btd-m-en {exbeßen), eine fekten gebrauchte Form. 


Anm. Wechfel des m mit andern Confonanten iſt felten; mit I 8. 
in einfäbmen und einfädeln. Die Verdünnung in n ik kei 


Ä 
“ - 
— 28 — 


Wechfel, fonvern Serberbuis: Faden, Befen, Bufen für Jadem, 
Befem, Buſem, wie der Volksdialekt noch richtig fagt. 


Ableitungen mit WE Can, in, ein). 
AR. 
§. 5%. 
- . Die allgemeine Regel über Wegwerfung des a iſt für die älteren 
: Dialekte höchſt ſchwierig. Das althochd. -an haftet weniger als 
-am, nämlih nad r fällt es weg, es gilt Fein r-an, ſondern 
r-n; bies ift auch im Neuhochd. ber Fall. | 


a) Subflantive. 
6. 57, 


1) Starte masc.: Deg-en, d. i. Held (ahd. dök-an und 
. dög-an, mfd. deg-en), Dor-n, Haf-en, Har-n, Merg-en, Ofen, 
Reg-en, Seg-en, Wag-en, Zor-n, Zwir-n. Biele andere find un- 
organifch, d. h. ihnen kommt das n eigentlich nicht zu: Balfe-n, 
Bade-n, Boge-n, Brate-n u. a. m, 

2) Starte fem. find nicht zahlreich und dabei fchwer zu erfen- 
nen: Ab-ne (ahd. ak-ana), Stim-me (ahd. stim-ana, stim-na, 
stim-ma), Stir-ne; für Ferf-en (ahb. vörs-ana, mhd. vörs-en) 
ſteht jetzt Kerf-e. 

3) Starke neutra. Ihre Zahl Hat nhd. abgenommen: Ror-n 
(goth. kaur-n, ahd. chor-n, mhd. kor-n), Eif-en, Ger-n, Hor-n, 
Lal-en!), Leh-en, Wapp-en (moneben weiblich Me Waff-e, fo wie 
bie Wolf-e ahd. neutra wäf-an, wolh-an),. Zeich-en. 

4) Shwadefem. auf-ant werben eigentlich nur von Adjectiven 
Geleitet, find aber nhd. nicht zahlreich: Eb-ne (ahd. Ep-ani, mhd. 
öb-ene) 2). 

5) Starfe neutra auf -ani, wobei Jedod das a oft ſchwin⸗ 
det: Hiren (ahd. hir-ni, mhd. hir-ne), Gehör-n, Gebör-z, 

Geftr-n?). 
Anm. 1. 2aten (ahd. lahban, nibd. lachen) ſteht bei Goethe (Tod⸗ 
—E anrga : Geh, Hole dir einen der Laken, was wol nur Pro⸗ 
i 
Anm. 2. Das aus ver Partikel gag-en, gog-on im 14. w. 15. Jahrh. 
gersgene Subſtantiv geg-ene lautet jegt Geg-end, $. 136: 
nm 3. Stern war ahd, ster-no, ein ſchw. masc.; das sub, ster-ne 
{ bei Einigen ſchon flarkformig ster-n. 


db) Adjeetive. 
$. 58. 

Die neuhochd. Adjective dieſer Ableitungsform find nicht zahlreich: 
Eb-en (got. ib-ns, ahd. Ep-an, mhb. Eb-en), eig-en, off-en, 
trocken. Zur zweiten Declination gehört das Adjectiv 
fir-n (got. fair-nis, ahd. vir-ni). 


— 4 — 


Anm Truuf-en (ahd. trunk-an, mho. trunk-en) ift kein eigentliches 
Adjeetiv, fondern ein Partic. Präter., wird aber als Adj. gebraumt. 


“ c) Berba. 
$. 99. 


1) Erſte ſchwache Konjugation. Hierhin gehören: Rech- 
nen (goth. rah-njan, ahd. rahh-anjan, mhd. rech-en), begeg-nen, 
- Ter-nen, Teug-nen, erwäh-nen, zür-nen, zwir-nen, 

2) Zweite ſchw. Conj. Berba diefer Eon. werben oft aus. 
Adjectiven diefer Form ($. 58) gebildet, wo dann das -en in der 
Ableitung bleibt: Eb-nen (goth. ib-njan, ahd. öp-anön, mhd. Eb- 
enen), Öff-nen, reg-nen, waff-nen, war-nen, trod-nen, aneig-nen, 
zeich-nen. | 

3) Dritte fhw. Eon. bietet nur Ler-nen (afd. lir-nEn, 
mbd. lör-nen). 

‚Anm. Die 3 Conj. giengen im Laufe der Zeit mehrfach in einander über. 
Im Goth. gehen ib-njan, laug-njan, rah-njan, rig-njan (eben, leug⸗ 
nen, rechnen, regnen) nach der 1. Conj.; im Abd. und Mpd. nur noch 
louk-anjan, rahh-anjan; loug-en, rech-en, während Ep-anön umd 
rek-anön, &b-enen und rög-enen in die 2. Eonf. übergegangen find. 


HR. 
$. 60. 


Im Goth. und frühern Althochd. fleht -in; das fpätere Alt- 
hochd. wie das Mittelhochd. haben die Verbännung in -en; uhd. 
gilt -en ober tieftoniges -im. nn 


a) Subflantive. ZZ 
0 6. 61. 


1) Starfe fem. find uhd. ſehr zahlreich, da fie durch Motion 
(Geſchlechtsabwandlung) von vielen masc., befonders denen auf -er 
($. 129) gebildet werden fünnen, wobei immer tieftoniges -in gift, 
das die gemeine Volfsausfprache zuweilen in tonlofes -en verän- 
dert: Bär-in (ahd. pir-in), Wirth-in, Rönig-in 20.) Die mit- 
telhochd. fem. 1. Deck. haben das -en ganz mweggeworfen: Rüge 
(ahd. lug-ina, mhd. lüg-ene), Kett-e, Küch-e, Mett-e, Schell-e u. a. 

2) Starfe neutra find in feinem Dialelt zahlreich: Bed-en 
(ahd. pecch-in, m$d. beck-en), Mäd-chen (ahd. makad-in). 

Anm. 1. Einige fchreiben -inn für -in ($. 129). Schon mhd. ſchwan⸗ 
ten fem. der 4. Deck. zwifchen -in und -in, ja gehen häufig in die 

Form -inne über. 


n 


b) Berba. 
$. 62, 


Zweite ſchwache Conjugation: Die-nen (ahd. dio-nön, - 
wol verfürzt aus diow-inön, mhd. die-nen), ordnen, 





s 
233 " 
—— — — — 
+ 


nm N ören hierher, die nm Das n vor en ausgefioßen haben: 
a pip-inön, mhd. bib-enen), bürp-en * purd- 
inön, mh. bürd-en), feft-en, befeftigen (ahd. vest-inon, mhd. vest- 
en), weid-en (ah. weid-inön). 
Ein. 

$. 63, 
Gotbiſch ſteht -ein, althochd. -In, fpäter -en, mittelhochd. -In, 
-en, neuhochd. -en; eine bauptfächlich im Adjectiv fruchtbare Ab» 
leitung, früber fehr wenigen Subflantiven und gar feinen Berbis 
eigen. Im Neuhochd. fehlen auch die Subflantive, da uns das go⸗ 
thiſche all-eina jeßt Elle lautet und fi felbft ein althochd. ell-ina 
nicht beweiſen läßt. | 


4 


Adijeetive. 
§. 64. 


Sie werden in der Regel von einem Subſtantivum geleitet und 
bezeichnen etwas daraus Beſtehendes oder Gemachtes; zuweilen tre⸗ 
ten jedoch auch andere Bedeutungen ein. Neuhochd. iſt dieſe Ablei- 
tung beſchränkt, auch formell geſunken; dem mittelhochd. -in ent⸗ 
ſpricht kein -ein, ſondern -en, bei vorausgehendem Bildungs - x 
bioßes -n. Derlimlaut Hört auf, Beifpiele find: Silber-n (goth. 
silubr-eins, ahd. silipar-in, mhd. silber-In), ei-en, tann-en, gold- 
en, eijer-n, eber-n, fupfer-n, metall-en, ird-en, woll-en, feid-en; 
Yein-en, lederen, banf-en u. a. — Mit paragogifchem (ablei enbem) 
Plural -er und davon abhängigem Umlaut find geleitet: Hölzer-n 
(ah. hulz-in, mhd. hülz-in), dörner-n, hörner-n, bretter-n gläfer-n. 
— Diefe -er-n fowol als die in filb-er-n, Eupf-er-n u. a. für 
„ern nehmend, bat man mißgegriffen und ein morganiſches: Stein- 
ern (ahd., mhd. stein-in), bein-ern, thön-ern, wächſ-ern, flädhf- 
ern, flähl-ern, für bein-en, flein-en ıc. eingefüßrt. 

. Anm. 1. Biele find abgeflorben, z. B. es läßt fih wicht mehr fagen: 
blumen (mhd. blIuem-in), rofen, linden, difteln, feuern 2€,, 
eben fo wenig von Thierfleifh und Pelzwerk ein ſolches Adi. brauchen, 
Nur oberveutiche Volksdialekte haben in dieſem Sinne: Iämmern, 
tälbern (mhd. kelber-in), ſchäfen (ahd. scäf-in, mhd. schz[-in) 
ſchweinern ıc. behalten. 

Anm. 2. Diefe materiellen Adj. find fo zu fagen fubftantinifcher, als an⸗ 
dere Adj., leiden deshalb feine eigentliche Steigerung und geftatten 
auch keine Apverbien. Wenn wir im Leben mitunter hören: ver Gol⸗ 
denfte, oder: fih Hölzernbenehmen, fo fönnen wir diefe Ausdruckswei⸗ 
fen nicht als gut veutfche anerkennen. Die fpätere Sprache läßt fie da⸗ 
ber als etwas zu Rohes nern fahren und bevient fih ſtatt ihrer einer 
Zufammenfetung; das mbr. vronwine hende, vrovwiniu schar brüden 
wir nhd. aus : Brauen- Hände, Frauen⸗Schaar. 


Ableitungen mit V, ahd. IR, nhd. B. 
§. 65. 


Ableitungen dieſer Form find in ber älteren Sprache gangbar 
und erfenntluh, in ber neueren verwilcht und abgeflorben; ſchon im 


Althochd. macht die vocafifche Aufldfung des w Schwierigkeiten. Das 
ablettende v falkt in der neueren Sprache haͤufig weg oder verfärtet 


fih in b. 
AR. 
$. 66. 

Im Goth. iſt der Bocal überall gewichen, ahd. oft erhalten, 
wenn auf Das w Flexionsvocale folgen, fonft mit dem w in o ver⸗ 
ſchmolzen. Neuhochd. verwandeln fih, wie bereits bemerkt, Pie ge⸗ 
bliebenen w im: b, (worüber die Lehre von den Buchſtaben weitere 
Auskunft gibt). 
a) Subftantive. 
$. 67. 


1) Starte fem. Hierhin gehören: Far-be (ahd. var-awa, 
mhd. var-we), Nar-be, Schwal-be ?). 

2) Starfe neutra find in feinem Dialekt zahlreich. Das 
der Ableitung nach hierher gehörende Mehl hat im Gen. Mehls, 
nicht a es (ahd. mel-o, mel-awes, mhd. mel, möl-ewes und 
möl-wes). 

3) Shwade fem. Dahin gehört nuhd. das Faum fo fehei- 
nende Sehn-e (ahb. sän-awa und sän-ewa, mhd. sön-ewe). 

Anm. 1. Früher gehörten auh Matt-e und Schatt-e Hierher (af. 
mat-0, gen. mat-awes, Scat-a, gen. scat-awes); ſchon mho. iſt die 

Ableitung verloren. ' 


b) Adjective 
| 6. 68. 
Bon der erften Declination gehören hierher: Jar-b (ahd. 


var-0, var-awer, mhd. var, var-wer), gel-b, fal-b (neben fahl), 
aber kahl (nicht Fal-b). oo 
c) Verba. 


6. 69. 

t) Erfie ſchwache Conjugation. Dahin kann man rech⸗ 
nen: Ger-ben (ahd. kar-awan, mhd. ger-wen), fär-ben, wöl-ben; 
aber fhatt-en, nicht ſchatt-ben (goth. skad-vjan, ahd. scat-awan, 
mhd. be-schat-wen). Ä - 

2) Zweite ſchw. Coni. Dahin gehört ver-nar-ben (ahd. 
nar-awön?) und vergel-ben (mbb. ver-göl-wen). 


“ AB und UV. 


$. 70. 


Dieſe Ableitungsformen find in allen Dialeften von ganz be- 
fepränftem Umfang. Zur erflen Form gehört das nhd. Mil-be 
(ahd. mil-iwa, md. mil-we); zur zweiten Bit-we, nicht Bit- 


1 


Ge, wol aber veraltenb Wittid (got. ſchwankend vid-uvö und vid- ° 
övö, ahd. wit-awa ober wit-owa? mhd. wit-ewe und wit-we). 


Anm. Die Form ev erfiheint wur im goth. al-Ev (Deh, dem aber 
her a beit entſpricht, da es ol-i, Gen. ol-jes, ol-es, mho. und 
nhd. Del Heißt. 


Ableitungen mit ©. 
, $. 71. 
Hier tritt der eigene Fall ein, daß ſich in gewiſſen Conſonanz⸗ 
verbindungen viele abfeitende t erhalten haben, die ber gewöhnlichen 
Fautverfchiebung widerftreben, d. h. dem lat. t entfprechen, nicht dem 
lat. d. Sie bleiben auch im allen beutfchen Dialeften unverrüdt, 
d. h. folche goth. t werden Feine hochdeutſchen z, 3. Bon ihnen find 
bie andern t, welche der Lautverfchiebung folgen, forgfältig zu trennen. 


. Goth. = ahd. T nhb. T. 
"872 


Die Ableitungen finden biex flatt in den Berbindungen fi, st, ht 
(uhd. ht), deren erſter Eonfonant offenbar zur Wurzel oder zu einer 
Pa Ableitung gehört. Das t bewirft aber eine Ablei- 


tung, jei e8 bie exfte oder bie zweite, und darf nie zur Wurzel ge- 
rechnet werben. 
—-%. 
a) Subflantise. 
6. 73. 


-4) Starte masc. Hierher gehören: Schaf-t (ab. scaf-t, mhb. 
schaf-t), Duf-t, Haf-t, Lauf-t (nurnoch im Plur. Zeitläufte und im 
Adjectiv weitläuftig), Manf-t (nur noch von ber Brotrinde), Sof-t, 
Syuf-t'). 

2) Starte fem. Hierher gehörn: Rotb-burf-t (gothiſch 
thaurf-ts, ahd. duruf-t, durf-t, m$d. durf-t), Brunf-t (neben dem 
‚üblicheren Brunf-t), Gif-t nur in den Zuſam. Abgif-t, Bitgif-t, 
Daf-t, Araf-t, Huf-t und endlich Hüf-te (flatt des ahd. und mhb. 
uf), Runf-t, Ab», An, Zu-tunf-t, Oruf-t, Klufet, Luf-t, Nunf-t 
(nur in Vernunft); Zufammenfegungen mit -fhaf-t5 Schrif-t, Ab⸗ 
JZu · ſchriſet, Trifet, Zunf-t. 

3) Starke neutra fehlen ahd. Aus dem Neuhochd. merke 
man: Gif-t (mhd. gif-t), Stif-t, Werf⸗t. 

4) Starke fem. auf -fti. Hierher gehört wol bie Sänf-te, 
(ahd. senf-ti, m$d. senf-te); das Wort ift in der Bedeutung Sanft- 
heit veraltet und bezeichnet jeßt nam noch einen verfchloffenen Stuhl, 
worin mas fanft getragen wird. 


5) Starfe neutra auf -fti: Def-t(mbb. koi-te), Geftüf-t. 


28 


Anm. 1. Schuftzfheint nit oentſs, fehlt im Ahd. und Myd., 
gehört vielleicht zu ſchuppen, ſtoßen. 


Anm. 2. Bei den Ableitungen dieſer Form fehlt nhd. oft das t, z. B. 
Sumpf, Ruf, Lauf (ahd. sumf-t, hruol-t, hloul-t), . iz 


b) Adjective, 
6.7 _ 


Deren find in allen Dialelten fehr wenige. Hierhin ‚gehören 
uhd. das in vielen Zufammenfeßungen vorlommende Haf-t (goth. 
haf-ts, ahd., mhd. haf-t), ferner fanf-t (ahd. samf-ti, mbd. senf-te). 


c) Berba. 
6. 795. 


1) Erfte ſchwache Eonjugation: Hef-ten (got. haf-tjan» 
ahd.uhef-tan), vergif-ten, Tüf-ten, fchäf-ten, flif-ten. 

2) Dritte ſchwache Conj. Hierhin gehören: Haf-ten (ad. 
haf-ten, mhd. haf-ten) und duf-ten. 


S-T. 
$. 76. 


Das s gehört zur Wurzel, ſei es nun ſchon rein in Ihr enthal⸗ 
ten, oder entwidele es ſich aus einer andern wirzelhaften Lingualis. 
Hiervon iſt -st zw unterfcheiden, wenn es burch einen Bocal von 
der Wurzel getrennt ifl, 3. DB. ern-ust (Ernſt), wovon weiter unten 
($. 139) die Rede fein wird. | 


a) Subflantive. 
$. 77. 


1) Starte masc. find ziemlich zahlreich: Af-t (goth. as-t-s, 
ahd., mhd. as-t), Baf-t, Dunf-t, Durf-t, Forf-t, Frof-t, Gaf-t, 
Geif-t, Horf-t, Berluf-t, Maf-t, Mif-t, Rof-t, Trof-t, Gewinf-t, 
(neben Gewinn), Banf-t, Wuf-t, Zwif-t. 

2) Starfe fem. Hierhin gehören: Bruf-t (goth. brus-t-s, 
ahd. prus-t, mhd. brus-t), Brunf-t, Fauf-t, Frif-t, Gunf-t, Haf-t, 
Koi-t, Uf-t, Luf-t, Raf-t, Schwulf-t, Wirf-tz Wüf-te (ahd. was-ti, 
mhd. was-te, wuos-te). 

3) Starfe neutra: Nef-t (ahb., mhd. näs-t), Fef-t. 

A) Starfe neutra auf -i: Gerüf-t (ah. kirus-ti), Geniſ-t 
(mhd. genis-te), Gefpenf-t, Gefpinf-t. 

5) Shwade masc.: Huf-te-n (ahd. huos-to, mhd. huos-te). 

6) Schwache fem.; Gerf-te (ahd. körs-ta). 


_ b) Adjective, | 
Diefe find in keinem Dialekt zahlreich. Nhd. gehört Hierher das 
Ani. fei-t (goth. fas-tis, ahd. vos-ti). 


⸗ 
⁊ 
x 
x 


0) Berba. 
Ä 6. 78. 
1) Erſte ſchwache Konjugation. Dazu gehören: Dürf- 
ten (ah. durs-tan), leij-ten, mäf-ten, ver-wüf-ten. 
2) Zweite ſchw. Eonj. Hierher. gehören: Nif-ten (abe. 
nis-tön, mhd. nis-ten), frij-ten, faf-ten, raf-ten, Iaf-ten, kof-ten. 


— — T. 
$. 79. 
Das h hat Grund in der Wurzel und geht uhd. in dh über. 
Von dem h-t iſt das ableitende, in ben früheren Mundarten noch 
durch einen Vocal getrennte ht zu unterfcheiven, 


a) Subflantive. 
§. 80, 


1) Starte maso. Kneh-t (ahd. chnäh-t, mhbd. kneh-t), 
Dod-t und Dad-t, Berih-t, Schad-t, Speh-t, Verdach⸗t, Wich . 

2) Starfe fem. (4. Dec) Machet (goth. mah-is, ahd., 
mhd. mah-t), Andach⸗t, Buh-t, Fluch⸗t, Frachet, Fruch-t, Gich-t, 
Rach-t, Pach-t, Pflih-t, Prad-t, Schlach⸗t, Schluh-t, Suh-t, 
Wuh-t, Inzih-t, Zuh-t. _ 

3) Starfe fem. (1. und 2. Deck.) mit notbwendiger Unter⸗ 
brüdung des e nah acht: Ach-t (ahd. ah-ta, mhd. ah-te), Ob» 
— Kanal Seuh-te, Leuh-te, Rih-te, Schlich-te, Trad-t, 

ah-t. 


4) Starke neutra find faſt nicht nachzuweifen, außer Reb-t 
(ahd., mhd. reh-t). - 
5) Starte neutra (2. Deck.) finden ſich in allen Diafekten, 
obwol nicht gerabe zahlreich: Gefeh-t (ahd. kiveh-ti, uud cafeh-t, 
mhd. geväh-te), Gedich⸗t, Gefleh-t, Gerih-t, Gerüh-t, Gefchleh-t, 

Gefih-t, Sewih-t, Gezüch⸗t. 

" Anm. In dem Worte Am-t (veraltet Amp-t erkennt man bie. alte 
Ableitung nicht mehr; das Wort Iautet ahd. am-pah-ti, mhb. am-Bah-t, 
am-beh-te, aber auch fon am-be-t. 

b) Adfective, 
$. 81. " , 
Zur erften Declination gehören: Rech-t (goth. ralh-ts, ahd., 


mhd. reh-t), geredh-t, eh-t1), geihlach-t, fchleh-t, fhlih-t. 
Zur zweiten gehören: Leich-it (ahd. Iih-ti, myd. Ih-te), dih-t, _ 


feuch⸗t, ſeich-t. 


Anm. 1. Echt (oft Acht: geſchrieben) gehört zu Ehe (ahd. Ewa, cha) 
und bebeutet gef — 5 | g, Ober Tus 3 ahd. Ar = Gubftanz, 
genwe en. 


— 3090 — 


c) Verba. 
§. 82. | 

1) Starke Coningation. Hierher gehören nur: Fech-ten 
(ad. veh-tan) und flech-ten (ahb. vish-tan). 

2) Erfie ſchwache Eon. Dahin gehören: Rich-ten (goth. 
ga-raih-Ljan, ahd. rih-tan, iihd. rih-ten), äch-ten, vernich-ten, fürd- 
ten, fchlih-ten. " 

3) Zweite ſchw. Conj. Ach-ten (ahd. ah-tön, mhd. ah- 
ten), dich-ten, befrach-ten, rech-ten, fih-ten, ſchlach⸗-ten, trach-ten. 


Anm. Dur Vertauſchung ver Confonanten haben wir ſachte neben 
fanft und Nichte (für Nifte) neben Neffe, 


U. Goth. &, = ahd. 8. = nhb, 3. 
$. 83. 


Hier müſſen die drei vorſtehenden Vocale unterſchieden werden; 
das Althochd. zeigt in der Regel, wenn der Ableitungsvocal ausge⸗ 
worfen ft, härteres z, wenn er vorſteht, weicheres 3; uhd. ſchwau⸗ 
Ien z, tz, ſ, ß, ſch. 


AT. 
§. 84. 


Der Vocal hat ſich im Goth. und Althochd. und in uhd. Volks⸗ 
mundarten hier und da erhalten. 


a) Subſtantive. 
$. 8. | 

1) Starte masc. find in allen Dialelten vorhanden, Hierher 
gehören: Glan-z (abe. klan-z, mhd. glan-z), Bol-z, Pil-z, Fil-z, 

von-z, Schmel-;, Schmer-39), Schwan-z, Stol-3, Stur-z, Tan-;. 

2) Starfe fem. etwa nur Wur-z (gotp. aur-ts, abd., mhd, 
wur-z) unterfchieven von Wur-zel (gofh. vaur-is, ahd. wur-za) ?). 

3) Starfe neutra: Sal-; (geth. sal-t, abd,, mhb. sal-z), 
Har-3, Hol-3, Mal⸗z, Schmalz; aber DIR ſtatt Db-8, Ob-F und 
Sam-s-tag flatt Sam-B-tag (ahd. op-a3, samb-az, mp. ob-e3, 
samb-e3-tac). . 

4) Starfe neutra auf -ati: Er-; (abd. Er-ezi, md. är-ze 
ed Gehöl⸗3. — Mil-z (afd. mil-zi, mho. mil-ze) ift jett 
weiblich. 

5) Shwade Tem. fnb: Min-ze (ahb. min-za, mfb. min-ze) 
Sen-je ‚ Lef-ze (unorganiſch für Lef-fe), Pflan-ze, Stel-ze, Sül-ze, 

an-ze, War-ze. M kur 

6) Schwane neutra. Slerher gehört bad einzige Wort Her, 
goth. hair-tö, ahd. hör-za, mhb. hör-ze). 


— 31° — 
® s & { 4 ẽr | “ y s 
Anm ds E merꝛ (imhd. emör-ze) geht tm Par ſchwach fruͤher 


Anm. 2. Vielleicht gehört hierher auch das num in Geſchlecht und Form 
abweidende Worm-8 für Worm-P, ahd. worm-as, mhd. worm-. 
03, wo dann fogar der ableitende Bocal ſich fände. 


b) Adjective. 
$, 86, 


Sind in feinem Dialekt zahlreich: Schwar-z (goth. svar-ts, 
ahd. suar-z, mbd. swar-z), gan-z, fur-3, flol-35 wol auch das dop⸗ 
pelte Ableitung bietende ein-z3-eln (mbb. ein-zel), oben $. 35. 


c) Berba. 
$. 87, 


1) Erſte ſchwache Konjugation: Schmel-zen (ahd. smel- 
zan, mhb. sm&l-zen), ergän-zen, glän-zen, für-zen, fchür-zen, ſchwän⸗ 
zen, ſchwaͤr⸗zen, wäl-zen, wür-jen, 

2) Intenfiva auf -atjan. Der organifche Ableitungsvocal 
ift a, geht aber althochd. oft fehlerhaft in i über; mittelhochd. neh⸗ 
men biefe Bildungen ab und find auch ohne ableitenden Vocal; neu- 
hoch. tritt oft unorganifcher Umlaut ein: Kräch-zen (ahd. krocc- 
azan), äcd-zen, bli-tzen (für blil-zen), du-gen, duf-fen (für bul- 
un en verhun-zen, jauch zen, lech zen, mal-fen (für mul- 
zen), Ichluch-gen )). ' Ä 
53) Zweite ſchwache Conjug.: Fal-zen, fal-zen, fihmal- 
zen, fchnal-zen, tan-zen. 

Anm. 1. Die Bollsmundart befigt weit mehrere, 3. B. gan-zen, ſpei— 
zen (fpuden, fpeien), namentlich pie bairifche, und zwar ohne Umlaut 
and mit erhaltenem Bocal: ach ezen, du-ezen, glud-ezen, 
himmel-ezeu u.a. Die öſterreichiſche braucht no -azen: ah -as 


en u. a. 

IT. 

§. 88. 

Dieſe Ableitungsform iſt von geringem Umfang. Dahin gehs⸗ 
ren wol die Subflantive: Kürb-iß (ahd. churp-iz3), ſtreb⸗ für 
Krebeß (ahd. chrep-iz), Bim-s für Büm-P (eutflellt aus dem 
Iatein. pumex, ahd. pum-i3), Pfip-s und Pip-s (afd. phiph-i3), 
Pel⸗z (latein. Urfprungs, mhb. pell-e3). 

Anm. Undeutfch iſt aup Mün-ye (add. mun-iza); Grenze (Gränze) 


{ft mhd. noch unerhört und flammt vielleicht aus dem ſlaviſchen gra- 
niza. Im 16. Jahrhundert findet man häufig die Form Gränitze. 


BR. - 

6. 89, 
Auch diefe Ableitungsform bietet aur einige Subflantive: Hir-Tch 
ſtatt Hir-B (goth. wol hair-uts, ahd. hir-uz, mhd. hir-3, fpäter 


— 32 — 


hir-z), Horn-if (ahd., mho. horn-uz), Bin-fe fir Bin-ße 
(ahd. pin-uʒ, mho. bin-3), Trib-ut (ahd. trib-u3 nach dem latein. 
tributum). — 
Anm. 1. Für Hirfch findet ſich noch in Büchern des 16. Jahrh. das 
richtige Hirß; fo findet ſich in denſelben auch wir ß (wirſch). 
an m 2. m Beif J ß rang, F arteimisia) re eine 
u enfetung mit Fuß, was nad dem . pip-v3 falſch iſt; das 
a heine. übeigene undeutſch zu fein. ade. PIP-D3 1 da 
- Anm. 3. Wabrſcheinlich gehört Hierher auch der Fifchname Elr- itze, 
yon einer alten (angeli.) Form äler-uta. 


Anm. 4. Die Ableitungsform ait ift noch problematifch, da nur drei 
Wörter als Stüße dienen, wovon zwei nhd. find: Am-eitfe für 
Am-eiße (ahd. am-eiza, mhd. am-eize), im Volksdialekt zumellen 
Em-e$e, und Erb-fe (ahv. araw-eis), im Volksdialekt Arb-eis 
(fo ui Zůchern des 16. Jahrh.) Erb-eis, Arb-es, Erb-es 
und r = 


Ableitungen mit goth. D, ahd. T, nhd. D, X. 
| $. 90. U 
Die voransftehenden Voeale find a, i, u. Für die uhd. Sprache 
ft jedoch nur bie erſte Form (ad) von Bedeutung und hier fällt 
überall, ſelbſt im Althochd. der Vocal heraus. Im Neuhochd. haben 


ſich die mittelhochd. inlautenden nd, Id auch der Auslaute bemäch- 
tigt, doch dauern noch einige -It und die meiflen -rt. 


a) Subftantive. 
U u 6. 91, _ 

1) Starfe masc. find: Hun-b (goth. han-ds, ahd., mhd. 
hun-t), Bar-t, Bran-d, Grm-d, Her-d, Hir-t, Hor-t, Or-t, Ran-d, 
San-d, Schil-d, Spal-t, Stran-d, Tan-d, Wal-d, Win-d, Wir-t. 

2) Starte fem. find: Ger-te (ahd. ker-ta, mhd. ger-te), 
Her-ve, Schan-de, Schar-te, Stun-de, Sün-de, War-te, Wun-de, 
Han-d, Ar-t, Schul-d, Gewal-t. 

3) Starfe neutra find: Wor-t (goth. vadr-d, ahd., mhr. 
wor-t), Ban-d, Gel-d, Kin-d, Lan-d, Schwer-t, Zel-t. 

4) Shwahe masc. nur: Gar-ten flatt Gar-te (got. 
gar-da, ahd. kar-tu, mhd. gar-te). | 

5) Shwade fem. find: Bin-de (ahd. pin-ta, mhd. bin-de), 
Lin-de, Rin-de, Win-de, 


b) Abjectiye. 
$. 92. 


Sind in keinem Dialekt zahlreich: Blin-b (goth. blin-ds, 
ehr. plin-t, mhd. 'blin-t), al-t, bun⸗t, bar-t, kal⸗t, wun-b, zar-t. 


S. 83. 


1) Starke Conjugation. Hier beſitzt die frühere Sprache 
mehrere, die nhd. verloren find. Wir haben noch: Hal-ten (goth. 
hal-dan, ahd. hal-tan, mhd. hal-ten), gel-ten, bin-ben, fin-ben, 
ſchwin⸗den !). 

2) Erfie ſchwache Konjugation. Dahin gehören: blen- 
ben (gotb. ga-blin-djan, ahd. plen-tan, mhd. blen-den), gür-ten, 
här-ten, jchän-den, verfihwen-den, wen-ben, zün-ben. 

3) Zweite und dritte fhw. Conj. Ber-wun-den (goth. 
vun-dön, ahd. wun-tön, mhd. verwun-den), al-ten, ahn-den, en-den, 
erbar-ten, fün-den, war-ten. " 

Anm. 1. Hierhin gehört auch unfer im Präf. ganz veränvertes fliehen 

(goth. stan-dan, ahd. stan-tan, mhd. stän). 

Anm. 2. Zur Ableitungsform id gehört wol. das Wort Hech—t (ahd. 
hehh-it, hech-it, mhv. hech-et). — Zur Form ud gehört wahrſchein⸗ 

lich das Adj. nad-t (ahd. nahh-ut, mhd. nack-et flatt nach-et); im 

Goth. gehört das mit dem Ableitungspocal verfehene naqv-aths zur fol« 

genden Form ath. 


Ableitungen mit goth. Th, ahd. D, nhd. D, T (Th). 


ATS. 
$. 94. 


Das a ift im Both. noch erhalten nad Lingualen und Gultn- 
ralen, im Althochd. nach Outturalen und zuweilen nad) 1, n; mhd. 
ſteht mitunter e, oft fehlt aber auch dieſes; nhd. iſt der Vocal ganz 
geſchwunden. 


a) Subſtantive. 
$. 9. 


1) Starte masc. Dahin gehören: Mun-d (goth. mun-Ihs, 
ahd. mun-d, mhd. mun-t), Dra-t (Draht), Marl-t, Diu-th, Schlo-t 
(und Shlo-t), To-d, Vog-t1). Zahn (ohne Lingualableitung, ahd. 
zan-d, mhd. zan-t und zan). 

2) Starke fem. find: Er-de (goth. air-tha, ahd. Er-da, 
mbd. ör-de), Ona-de; Mag-b (goth. mag-aths, ahd. mak-ad, fpäter 
mag-at, mbd. mag-et, mei-de, mei-t), Brau-t, Bru-t, Gebur-t, 
Flu-t, Glu-t, Na-th, No-th,. Sa-t (Saa-t), Tha-t, Zei-t. 

3) Starfe neutra find: BIu-t (goth. blö-th für bloh-ath ? 
ahd. pluo-t, mhd. bluo-t), Gol-d, NRin-d, Lich-t (goth. liuh-ath). 

4) Starke fem. auf -athi: Hei-de (goth. häi-thi, ahd. 
hei-di, mhd. hei-de), Bür-be, Yul-b. 

5) Starfe neutra auf -athi: Bil-d (ad. pil-adi und 
affım. pil-idi, mhd. bil-de). 

Kebrein Srammatit, I. 2. 3 


—s 34 ——' ⸗ 


b) Adjective. 
$. 96. 


1) Erſte Deelination: Kungd (goth. kun-ths, ahd. chun-t 
für chun-d, mhd. kun-t), fal-t (in manigfalt), Tau-t, geſchwin-d, 
to-dt, wer-th. on : 

2) Zweite Deck: Frem-d er: fram-athis, ahd. vrem-idi . 
affım. für vram-adi, mbd. vrem-ede), Iin-b, wil-b, mü-be, 


co) Verba. 
$. 97. 


Dabin gehören etwa: Kun-ben und Fün-ben in Zuſammen⸗ 
fegungen (goth. ga-sv&-kun-thjan, ahd. chun-dan, mhd. kun-den), 
brü-ten, nö-then (jet mehr nö-thigen), ſen-den. 


. ITS. 
$. 98. 


Der Vocal haftet im Both. und Althochd.; uhd. if er geſchwun⸗ 
ben. Der Umlaut tritt in Wurzeln ein, die feiner fähig find. 


a) Subftantive. . 
689. 


1) Starfe masc. Dahin gehört nur Hel-d (ahd. hal-id, 
hei-id, mhd. hel-et). 

2) Starte fem. find goth. zahlreich; ahd. fleigt ihre Zahl 
noch, mhd. nimmt fie ab, nhd. noch mehr: Gebär-de (althochd. 
kipär-ida, mhd. geber-de), Sreu-be, Gier-be, Begier-be, Bemein-de, 
Behör-de, Lieb-de (bloß in Titulaturen), Befchwer-be, Zier-be ). 

3) Starfe neutra. Dahin gehört nur Haup-t (gothiſch 
häub-ith, ahd. hovp-it für hovb-id, mhd. hovb-et) ?). 

4) Starfe neutra auf -ithi fehlen im Goth. Hierher ge⸗ 
hören: Hem-d (ahd.hem-idi, mhd. hem-ede), Gebäu-de, Gebräu-de, 
Geböf-te (für Geböf-be), Gelüb-de, Gemäch-te (für Gemäch-de), Eh⸗ 
gemäcdh-te nur provinziell (aber das ahd. Wort ki-mahh-idi), Ge- 
mäl-be, Gefchäf-t (Gefchäf-te für Gefchäf-be), Getrei-be, 

Anm. 1. Bücher des 16., 17. Jahrh. gewähren no andere: Erbärm- 
de, Wärmbaede, Krümb-de u. a. Heutige Bollsmundarten ente 
alten ihr gehen, Die niederheſſ. z. B. Breiti-ede, Höch-be, 

Anm. 2. Haupt fieht für aub-ed, im 16., 17. Jahrh. zumeilen 
unit —X — — des Umlauts. Sr 


b) Verba. 
| F. 10. 
Verba diefer Form find fehr ſpaͤrlich: Be⸗, enthbaupten vom 
ahd. hovp-itön (für houp-idön), d. h. ein Haupt Haben. 


— 48 — 


AITS. 
810. 


Diefe Ableitungsform iſt fchon in der älteren Sprache von ganz 
geringem Umfang. Nhd. gehört Hierher nur Arb-eit (goth. wol 
arb-äiths, ahd. arap-eit für arap-eid, mhd. areb-eit). In Bolle- 
dialekten heißt es mit richtigem Gefühl des Wurzel- und Ableitungs- . 
vocales Arb-et und Erb-et.: Vgl. Ameife und Emeße oben 
$. 89. Aum. 4. 


OOTG. 
Subſtantive. 
$. 102. 


1) Starfe maso.: Mon-at (goth. men-öths, ahd. män-öd, 
mhd. män-öt), Zter-at!).. . 

2) Starfe fem.: Arm-ut (nicht mit Muth aufammengefegt) 
ift aufdem Fuß von De-muth, Groß-muth geblieben ?); Heim- 
uth iſt wieder aufgegeben und dafür Heim-at?) eingeführt, wie 
“ Zier-at. Zur zweiten Dec. gehört Einö-de (ahd. ein-Ööti 
(neutr.) für ein-ödi, mhd. ein-oete). 

3) Starte neutra. Dahin gehört Klein-od (ahd. chlein- 
ödi? mhd. klein-oede). 

Anm. 1. Ein abo. zior-öd ift nicht nachzuweiſen. Bielleicht dachte 
man R9 Zier-rath wie SHaus-ratp? Mhd. führt Ziemann 
zier j 

Anm. 2. Das Wort Armut (wofür man in ver Volksſprache oft das 
richtigere Arm-et, Erm-et, Arm-ebei, Erm-edei hört) Yautet althochv. 
aram-Ödi (neutr.), mhb. arm-uot, gen. arn-uetes (masc.), gen. arm- 
nete (fem.). Schon ahd. zeigt fich zumeilen die fehlerhafte Form ara- 
mödi, ara-möti, als ein Compof. mit muot, da ſich doch kein Ani. 
ara findet. Im Mhd. dachte man ebenfalls an eine Compoſ. mit muot, 
was Manche auch im Nyhd. thun. Man fieht den Unterſchied deutlich, 
wenn man Armut und Demuth, ahd. aram-Ödi und dio-muoti, mit 
einander vergleicht, — Leffing (NR... 3, 3.) fagt: das Armut = 

e Armen. . 

Anm, 3. Die Bolksiprache fagt Heim-et und Ham-et. Goth. lautet 
das Wort wol häim-öthi (neutr.), ahd. heim-ödi, mhd. heim-öde, 
—5 heim-uete, woraus ſich das fem. heim-uot, hein-muot ent⸗ 
wickelte. 


Ableitungen mit S. 
$. 103. 


Das goth. s geht inlautend über in z, bleibt jedoch mitunter 
auch. In den übrigen Dialeften hat fich s häufig in r gefchwächt, 
welches r von der organifchen Liquida ($. 41 f.) forgfam zu trennen 
if. Neuhochd. wird ſ nach x in mehreren Wörtern zu ſch. Hier 
finden ſich mehrfache Berührungen mit der Ableitungsform %, 3 _ 


2 
3* 


$. 104. 


Nur im Both. und Althochd., doch felten, taucht der Vocal -vor; 
in den übrigen Mundarten ift er ganz verwifcht. 


a) Subflantive. 

$. 109. | 
. R\ Starfe masc. Hierbin gehören: Hal-8 (goth.,. ahd. 
"hal-s), Fuh-8 (ahd., mhb. vuh-s), Bar-ſch, Bim-s8 ($.88), Buch-$, 
Br-Ih, Flah-s, Flin-8, Gip-8, Lach⸗s, Luch⸗s, Stn-s, Zin-$ 5 
Schöp-s (undeutfch, aus dem böhm. skopec). 

2) Starfe fem. find: Ach-ſe (ahd. ah-sa, mhd. ah-se), 
Drem-fe, Civeh-je (ahd. egidäh-sa), Far-fe, Fleh-je, Gem-fe, 
Han-fe, Kir-Iche (undeutfh, vom latein. cerasum), Lef-ze ($. 85), 

an-6. . 
2 Starte neutra. Nhd. nur noch Wah-s (ahd., mhd. 
wah-s). 

4) Starfe masc. zweiter Deel. Hir-jen (ahd. hir-si); 
Volksausſprache ift öir-Iüe und Her-Iche. 

5) Starfe fem. zweiter Deel. Lin-fe (ahd. lin-si). 

6) Starfe neutra zweiter Deck, Öefim-fe, Gewäd-fe. 


7) Schwache masc. nur Och-ſe (goth. auh-sa, ahd. oh-so, 


mhd. oh-se). 
b) Berba 


$. 106, 


1) Erfie ſchwache Eoningation. Nhd. dör-ren für 


derren (abd. der-rjan für der-sjan, mhd. derren), ir-ren, 

2) Zweite ſchw. Conj. R ap-fen (Bolfsausfprache rap- 
fen), fum-fen. In gemeinen Dialeften noh: Bam-fcden, 
ram-fhenu. a. 


Anm. Adfective finden ſich nhd. kaum;: mor-fch (früher murfch 
und fo noch in manchen Bolfspialekten) ift undeutſch, Tat. marcidus, 
ital, marcio, hol. mors. Doc find Hierher zu nehmen, mit Uebergang 
des 8 in r, die Adj. ir-re (goth. air-zis, ahd. ir-ri für ir-si) und 
dür-re (goth. thaür-sus, ahd. dur-ri für dur-si). 


IS, 
a) Subftantive 
$. 107, 

Fehlen faft durchgängig: Fel-s (ahd. völ-is, mhd. v&l-s), 
SIt-is (ahd. ulitiso) „Pip-s ($. 88) iſt latein. Urfprungs 
(pituita);5 KReb-8 nur noch in der Zufammenfegung Reb-8-weirb 
(ahd. chep-isa, mhd. keb-ese). — Apjective fehlen ganz. 

Anm. Hierher gehören auch, die Flußnamen: Em-$ (ahb. em-isa), 

En-$ (add. en-isa), Et-fch (ahv. et-isa); vielleicht auch einzelne 

Pflanzennamen, wie Bil-fen (ahd, pil-isa), Hül-fe : 


— 37 — 


b) Verba. 
$. 108, 


Sind ahd. zahlreich, vermindern ſich mhd.; uhd. find etwa noch 
vorhanden: Herr-ſchen (ahd. hörr-isön), glei-fen (für gleid- 
fen, ahd. ka-lihh-isön, mhd. ge-lich-esen, glich-sen, d. h. gleich 
tfun, ganz verſchieden von gleiß-en, glänzen, mbb. glizen), 
grin-fen (für grim-fen oder grin-zen), win? en übrig im weiter 
abgeleiteten win-feln, feil-Ihen; benam-fen iſt fein Schrift 
deutſch. — 
Anm. Unabhängig von dieſen Verbis auf -isön, -esen, deren s nie in r 

übertritt, Teitet zumal die mhd. und nhd. Mundart theild von Compara⸗ 
tiven, .theild von dem Plur. neutr. (mit der Einfchiebung) Verba ab, 
deren -irön, -ern dem -isön, begegnen würbe, wenn in ver älteren 
Sprade ſolche Ableitungen ftattbaft wären. Nhv. aus Comparativen 
und_fletS umlautend: Beff-ern (ahd. pe3-irön, mp. be33-ern), 
ärg-ern, verfein-ern, Iind-ern, näh-ern u. a. Doch nicht aus fedem 
Eomparativ Iaffen fie fich ziehen, 3. B. kein: fänft-ern, quagẽ 
ern, verfüß-ern, zähm-ern. Aus Plur. neutr. (die ahd. und mhd. ſich 
nicht finden) find gebildet: Bild-ern, bebänd-ern, blätt-ern, be= 
geift-ern, räd-ern, beyöll-ern. 


Ableitungen mit ®. 
$. 109, 
Nach der Tautverfihiebung eniſpricht dem goth. k ein latein. g, 


dem latein. c aber ein goth.h oder g; in gewilfen Wörtern flimmen 
jedoch goth. k, ahd. c und lat. c überein. 


. Goth. K= ah. C = nhd. ES. 
$. 110. 


- Diefe Ableitungsform findet fich bloß in der Verbindung sk, wo 
s ber Wurzel gehört, k die Ableitung macht. Ableitender Vocal 
wifchen s und k findet fi) niemals. Im Neuhochd. gilt in ver 
* Wörtern unorganiſches -fch für -s ($. 105.), of für -3 
($. 89.), welchem durchaus Fein ahd. s-c eutfpricht. 


a) Subflantive. 
$. 111. 


1) Starte masec. find: Fiſ-ch (goth. fisk-s, ahd. vis-c, mhd. 
vis-ch), Bauſech, Buſech, Froj-h, Miſ-ch⸗maſ-ch, Tiſ-ch, Wild. 
2) Starke neutra, nhd. nur Fleiſach (ahd. vleis-c, mhd. 
vleis-ch). 
3) Shwadhe fem. find: Af-che (goth. az-gö flatt as-ko, 
ahd. as-ca, mhb. as-che, es-che), Flaſ-che, Taf-che. 














— 38 — 


b) Adjective. 
§. II2. 


— gehören: Frif-ch (ahd. vris-c, mhd. vris-ch), falf-ch, 

enf-b, ral- 

Anm. Die Ay. morſch ($. 106.), barſch, Harfch gehörm wol zu 
fd, alfo mor ſch, bar-ſch, har-ſch. 


c) Verba. 
§. 113. 


1) Starke Conjugation. Hierher gehören: Waſachen 
Goth vas-kan), dreſ-chen (goth. thris-kan). 
2) Erſte ſchwache Conjugation. Ihr fallen anheim: Löf- 
chen (ahd. les-can, mon. les-chen), mif-chen, wif-chen, wünf-cden. 
3) Zweite ſchw. Conj. Zu ihr gehören: Fif-den (ahd. 
vis-cön), baf-chen, lauſ-chen, naf-hen, rauf-chen, tauf-Ken, auf 
tif-chen, vertuf-den. 


I. Goth. K= ahd. CH = uhd. PB md CH. 
$. 114. 


Statt der naturgemäßen ahd. Afpirata ch wird auslautend 
überall, inlautend, fobald die Ableitungsoocale ausgeftoßen find, -h 
gefchrieben, das nicht zu verwechleln ift mit dem organifchen h. 
Mittelhochd. und neuhochd. häufiger Mebertritt biefes ch in k, nad 
n immer, nach I und r meifl. 


Aus. 
$. 115, 


Der Vocal haftet mitunter im Goth., im Althochd. mehren- 
theils, außer nach Iumd nz nhd. findet ſich einigemal -ich für —ech. 


a) Subſtantive. 
§. 116. 


| 1) Starfe masec. find: Bott-ich (ahd. pot-ah, bb, bot- 
ech), Dan-f, Epp-ih 1), Fitt-ih, Schal-f, Schran-f, Schwan-H, 
Geftan-f, Stor-d, © Strun-!, Tran-f, Trun-f, Win⸗k. 

2) Starfe fem. find: Ar-fe und Arche (undeutfh, aus 
latein. arca, goth. ar-ka, ahd. ar-ha, mhd. ar-ke), Bar-ke, Mar-Fe, 
Trän-fe, Ban-f (ahd. pan-h, mhd. ban-c). 

3) Starfe neutra nur; Bol-f (ahd. vol-h) und Wer-f? 
(ahd. wer-ah, mhd. wer-c). 

4) Schwade masc. find: Bal- Fe (app. pal-ho, mhp. bal-ke)ı 
dal-le, Fin-ke. Fun⸗ke. 





x 


— 39 — 


5) Schwache fem. nur: Ler-che (ahd. lèr-ahha, fpäter ler- 
ıhha, mihd. lör-che). 
Anm. 1. Daß — ich für -ech fiehe, zeigt der Unumlaut in Bott-ich, 
denn Epp- ich entfpringt nicht aus app-ich, fondern Epp-ech, Die 
Schriftſprache zieht das Compoſ. Epheu, d. i. Ep-beu, früher 
ep-hovwe, vor. . 


b) Adjective, 
$. 117. , 


Hierher gehören: Blan-F (ah. plan-h, mhd. blan-c), flin-t, 
fran-f, Fran-f, Iin-F, Schlan-E, ſchwanek, flar-F,. wel⸗k. 


co) Berba. 
$. 118, 


1) Starfe Eonjugation, Hierher fallen: Trin-Len (got. 
‚ drig-kan, ahd. trin-han), fin-fen, ſtin-ken. 

2) Erſte ſchwache Coniugation. Zu ihr gehören: Tran- 
fen (goth. drag-kjan, ahd. tren-han, mhd. tren-ken), den-ken, 
dün-fen, Frän-Een, Ien-fen, mer-Fen, verren-Een, fchen-fen, fen-Een, 
ftär-fen, wir-fen, Ä 
3) Zweite ſchw. Conj. hr fallen anheim: Dan-fen 
(abd.dan-hön, mhd. dan-ken), hor-chen, tun-fen, wan-fen, win-fen, 
bin-fen, blin-fen, zan-Een. " 


IR. 
= Subftantive. 
-$. 119. 


1) Starfe masc. find: Kel-d (ahd. chel-ih), Eſſ-ich 
een Effig, ahd. ez-ih, mhd. e33-ich), Mön-d, Rett-ic, 
epp-Ich. 

‚2) Starte neutra. Die Hierher fallenden Diminutiva auf - 

-ihen, -hen fiehe $. 423. 
3) Shwade fem. etwa: Kir-che (ahd. chir-ihha, mhd. 
kir-che) ?), Bir-fe, Tün-che. 

Anm. 1. Ueber die Bildung dieſes Wortes hat man gar verſchiedene 
Ableitungen geltend zu machen gefuht. Grimm hält vie Ableitung 
des chirihha aus chirc (fatein. circus) für vorzüglicher als die von 
xrgraxn. Ausführlich fpricht über dieſes Wort eigand in feinem 
Wörterbuch d. deutſch. Synonymen, der fir bie Ableitung aus xugıaxn 


flimmt. . 
Anm. 2. Apdfective fehlen ganz; von Berben bemerfe man etwa tün- 
hen (ahd. tun-ihhön). 
ur. 


$. 120. “ 
Diefe Ableitungsform, die ahd. in -uh, fpäter in -ich und 





— 40 — 


-ech ſchwankt, iſt von geringem Umfang. Zu ihr gehören uhd. | 


wol: Rran-ich (ahd. chran-uh, chran-oh, mhd. kran-ech, kran-ch), 
Hab-icht (ahd. hap-uh) für Hab-ich; Mil-h (ahd. mil-uh) 
und das Adjeetio mel-E (abd. möl-h) m frifhmel-E. Don 
Berben gehört hierher: mel-Fen (goth. mil-kan). 





Ableitungen mit & (ahd. x). 
AS. 
$. 121. | 


Der Vocal haftet da, wo fich die Ableitung verbunfelt hat, felten, 
und nur bisweilen im Althochd. nach r; im Adfectio aber, wo bie 
Ableitung fühlbar iſt, meiftentheils; mhd. erfcheint in folchen Ad⸗ 
jectiven die Schwädhung -oc, die nhd. -ig geworben. 


a) Subftantive. 
$. 122, 


1) Starte masc. find: Bal-g (goth. bal-gs, ahd. pal-c, 
mhd. bal-c), Ber-g, Dran-g, Anfan-g, Gan-g, Han-g, Klan-g, 
—— San-g, Sprun-g, —5 Stran-g, Schwun-g, Zwan-g, 
Fwer-g. 

2) Starfe fem. find: Sor-ge (goth.saur-ga, ahd. sor-aka, 
mhd. sor-ge), Bur-g, Fol-ge '). 

3) Starfes neutrum nur Din-g (ahd., mhd. din-c). 

4) Shwadhe masc. find: Bür-ge (ahd. pur-igo, mhd. 
bür-ge), Öal-gen. - | Ä 

5) Schwache fom. find: Zun-ge (goth. tug-gö, ahd. zun-ka, 
mbd. zun-ge), Lun-ge, Schlan-ge, Stan-ge, Wan-ge, Zan-ge. 

Anm. 1. Das Subfl. Boyr-g (ahd. por-aka) iſt nur noch in einzel- 
nen Redensarten gebräuchlich, 3. B. auf Borg geben. 


b) Adjective. 
$. 123. 


Dunfler Ableitung find: Ar-g (ahd. ar-ac, mhd. ar-c), 


. ban-g, en-g, jun-g, far-g, lan-g, firen-g. 

Adjective der fühlbaren Ableitung -ag, die den Ableitungs- 
voeal nicht fo Teicht wegwerfen, gibt e8 eine Dienge. Im Neuhochd. 
bat fi, da fonft organifches i in vielen Ableitungen zu e verdünnt 
if, diefer Vocal in den Ableitungen -ig (wie in Sich, -icht, 
- in des Subſt.) erhalten, und ſelbſt in die -og, welche urfprüng- 
lih -ao waren, eingebrängt, ohne jedoch bier den Umlaut nach ſich 
zu ziehen. Kennzeichen find der Unumlaut und die Analogie des 
Abd. und Mhd., wiewol diefe oft abgeht, der Umlaut aber von 
ben Neuern willfürlih oder gar nach eingebildeten Gründen 1): gefeßt 
und nicht gefett zu werden pflegt. Blut-ig (ahd. pluot-ac, mhd. 


— 4 — 


. 


biuot-ec), art-ig, born-ig, buft-ig, burfi-ig, eifer-ig, falt-ig, farb-ig, 

froft-ig, geiz-ig, grauf-ig, gehalt-ig, Heil-ig, Hunger-ig, klotz-ig, 

laub-ig, Iufi-ig, mafl-ig, mann-ig (und manig, verkürzt man), 

mutb-1g, ren-ig, fchatt-ig, traur-ig, wald-ig, zoru-ig u, a. m.?). 

- Anm. 1. Es kann 3. B. nichts verfchlagen, ob das Subfl., von Wels 
chem das Adj. hergeleitet wird, im Pl. umlaute oder nicht, und doch 
Kr deshalb, fehlerhaft, Tangarmig, neben langhänpig 
aufgeftellt. 

Anm 2. Goethe fagt au Herzig, wohlig, unholdig (1. ©. 
180. 185. 226.). Den offenbar neuen Bildungen aus Partikeln, wie 
dort-ig, ob-ig, vor-ig, albt man feinen Umlautz; doc können 
weder fie, noch alle ähnlichen unumlautbaren, z. B. bief-ig, auch 
nicht die von den Pofleffiven geleiteten mein-ig, dein-ig ıc. a 
organifhe ec» oder ic-Korm Anſpruch machen. — Ganz zu ver⸗ 
werfen iſt das Adj. ſchlechthinig, das fih bier und da, 3. B. bei 
eh Framer:; „zur klafſſ. Walpurgisnacht“ (Zürih 1843) S. 13 

ndet.. 

Anm. 3. 2. Tieck (Shakeſpeare's K. Richard 1, 2) fagt: Dein Aug’ 
erpreßte meinen (Augen) ſalze Thränen, was nicht nachzuahmen iſt. 


co) Verba. 
$. 124. 


1) Starfe Eonjugation. Ihr fallen zu: Sin-gen (goth. 
sig-gvan, ahd. sin-kan), drin-gen, zwin-gen, — —8W 
— bin-gen, Fin-gen, ge-lin-gen, rin⸗-gen, ber-gen, fan-gen, 
an-gen. 

.2) Erfte ſchwache Conjugation bietet nur [hür-gen 
(abd. scur-akan und scur-kan) d. i. floßen, herumftoßen. 

3) Zweite fhw. Conf. zeigt die von Adi. flammenden: 
Heil-igen (ahd. heil-akön), ein-igen, befleiß-igen, beleib-igen, 
erlufi-igen, ermuth-igen, berub-igen, vergewalt-igen. 


AG. 
$. 12%. 

Diefe Ableitungeform ıft nicht organifch. Falſches -ig entfpringt 
aus organiſchem -ac, -ic, fo das nhd. Eff-ig (8.119); aus 
organifhem -ang, -ing durch Auswerfung des n, fo Rön-ig 
. (ahd. chun-inc, mhd. kün-ec), Hon-ig, Pfenn-ig neben dem 
vichtigeren Pfenning. 

EIG. 
a) Adjective. 
$. 126. 

Ahd. -tc, mhd. ſchwanken -ic und -ec, uhd. -ig. Die Zahl 

ber hierher gehörigen Adj. iſt fehr groß; verſchiedene kommen mhd. 


noch nicht vor, z. B. bärt-ig, freud-ig, fäh-ig, güt-ig, präcdt-ig, 
ſchmaͤcht⸗ig. fihmier-ig, fohwier-ig, wäfler-ig u. a. Umgedreht find 


— 42 — 


aber auch manche mhd. erloſchen: Bier-ig (mhd. bier-eo, latein. 
ferax), frucht- ig, grüß-ig, rein-ig, züund-ig. — Umlaut fehlt no 
in glaub-ig (doch au gläub-ig), geduld-ig, fehuld-ig, durchlaucht-⸗ 
ig, Eund-ig, falt-ig (auch fält-ig); mit dem Partic. Präſ. gebildet 
it nur Iebend-ig, aber feiner echten Betonung beraubt. — Un⸗ 
prganifch, d. h. aus der Compofition -Lich entfprungen find: Adel- 
-ig, bill-ig, allmäl⸗ig (beffer allmälih), völ-ig, unzähl-ig. — 
Organiſch find: Macht-i 8 ( goth. maht-eigs, ahd. maht-ſe, mhd. 
meht-ec), kraft-ig, dürft-ig, jähr-ig, eil-ig, witz-ig, zeit-ig u. a. 


b) Berba. 
§. 127. 


Sind uhd. fehr zahlreich: Kreuz-igen (ahd. chriuz-igön), er= 
led-igen, fchäd-igen, fhuld-igen u. a, — Für: Beeid-igen, 
beend-igen, beerb-igen, befäh-igen, befehl-igen, beglaub-igen, ftein- 
igen, wiß-igen, würb-igen, zeit-igen u. a. fagte die frühere Sprache: 
beenden, vereinen, hulden, künden, reinen, beſchönen, fleinen, fün- 
den u. a. wie wir noch heute fagen: Beeiden, befaiten, vernichten, 
vereinen u. a. 

Anm, 1. Mander Schriftfteller, 3.8. Görres, in feiner Myſtik Tiebt 
pie älteren Formen, wie: Ste reint und befreit (1, 220); fie fieht fi 

ereint (1, 294). Einen, vereinen findet ſich ſehr oft bei ihn; 

7 auch feften ftatt befeftigen.. 

Anm. % Die Wichtigkeit ver Ableitungsvocale zeigt fich einleuchtend bet 
den Anj. auf -ag ($. 123) und -eig. Zu denjelben Wurzeln fügen 
fich einigemal beide Ableitungen mit verfepledener Bedeutung; wir übe 

* en ven ünterſchied zwifchen blutig und vollblütig (pluotac, -pluo- 
tic), muthig und demüthig (muotag, - muotic), luflig und wol⸗ 
füftig (lustac, - lustig), weil ihn ver Umlaut in ſolchen Zällen ſicherte. 
Nebrigens fügt die alte Sprache ven Adj. zumeilen ein ableitenves -i 
hinzu, d. h. fie bildet lanc-muoti aus lanc-muot, Aug foldem -i 
fönnte vie Ableitung -ig in vollblütig, warmblütig, weiß— 
händig, De eh Tangmüthig, Heinmüthig, wahnwigig 
entftanven fein, in welchem Falle dann der Umlauf auf eine andere Weife 
erflärt werden müßte. 


Ableitungen mit H. 
. G. 128, 


| Ihrer find nicht viel. Starkes masc. iſt Befehl (ahd. pi- 
vel-ah), im 16. und 17. Jahrh. noch Befelch; flarfes fem. 
Furche (ahd. vur-aha?). Starte neutra auf -ahi hat die 
ah. Schriftfprahe — ich und -icht gebilpet: Dorn-ich, Dorn-icht 
(ahd. dorn-ahi, mhd. dorn-ach), Reiſ-icht, Weib-iht, Röhr-icht ) 
1. a. Der Begriff iſt nicht auf Gewächſe einzufchränfen, fondern 
drüct auch Fülle und Anhäufung von andern Dingen aus, 3. B. 
Rehr-icht. — Bon Adi. gehört hierher: ſcheel (mhd. schöl-ch), 
zwer-ch (ahd. daör-ah, mbd. dwörch, twerch?); von Berbis 


x 


— 43 — 


fhtel-en (mhd. sehtl-hen), wofür das Volk richtiger ſchil⸗-chen 
ſagt, [hwel-gen (mhd. swel-hen), befehl-en. 
Anm. 1. Oberdeutſche Volksidiome in Baiern, Salzburg ꝛe. behalten 
das volle —ach, z. B. Erl-ach, Birk-ach, Weid-ach u. a. 
Anm. 2. Vielleicht gehört hierher auch welt (wel-ch), wenn nicht zur 
Ableitung mit K. Gar nicht hierher fallen wa und Zwilch, de» 
ne eida it, aus der Eompof. Dri-lich, Zwi⸗ lich ent 


Ableitungen mit MN. 
§. 129. 


Bildungen diefer Art fcheinen unorganifch, find goth. unerhört, 
haben fich ahd., mhd. ziemlich verbreitet. Es find Tauter fem., theils 
- auf -unna, theils auf -inna. Die ahd. -inna find wol alle aus 
einfachem -in entfprungen. Neuhochd. haben fich beide Formen fo 
getheilt und verfchmolzen, daß -inne aus dem Sing., -in aus dem 
Plur. verbannt ift ($. 61), der Plur. aber ſchwach decliniert. Ihre 
Menge ift faft unüberfehbar. Wenn fie ans masc. auf -erer ges 
leitet werben, fällt ein -er weg, z. B. Zauberin, nicht Zau- 

ererim, 


Anm U Grün (D. Deferteur) Teitet von Senne das fem. Sennin 
und Sennertn. 


Ableitungen mit &&, 
§. 130. 


Im Althochd. herrſcht bei diefer Ableitungsform viel Verfchieden- 
beit; die mittelhochd. Dichter bedienen fi) der Ableitungen mit -nis, 
-nisse äußerft felten, und, da man fie. in der Profa der Urkunden 
des 13. und 14. Sahrh. häufiger antrifft, firhtbar ungern. Die 
Form mag ihnen metrifch unbequem, der abftracte Begriff zu unle- 
bendig geweſen fein. Der neuhochd. Sprache find die Ableitungen 
-nis zwar geläufiger, als ber mittelhochd., doch läßt fie ihnen weit 
geringern Umfang, als 3. B. die englifche. 

Anm. Wie bei ver Form -in ($. 61, 129), fo fchreiben Viele auch die 
Form - nis mit poppeltem Confonanten, alfo -niß, wogegen nur ein- 
zuwenden fein möchte, daß man unfere ohnehin fehr ungeregelte Ortho⸗ 
graphie möglichft zu vereinfachen fuchen fol. — In — nis darf feine 
Wurzel gefucht werden, fonft wären unfere Ableitungen wahre Compoſita. 


$. 131. 


Die hierher gehörigen Wörter zerfallen in fem. und neutra; allein 

jetzt überwiegen Ießtere, während früher die fem. überwogen. 

1) Fem. auf -nis, im Sing. infleribel, im Pur. -niffe, find: 
Finfter-nis (ah. finstarnisse neut?., mhd. finsternisse neufr., 
und vinsternisse fem.), VBerdamm-nis, Bedräng-nis, Fäul-nis, 
Befug-nis, Rennt-nis, Erfennt-nis, Erlaud-nis, Empfäng-nis, 
Beforg-nis, Beträb-nis, Bewandt-nie, Wild-nis, 


l 


— 44 — 


2) Neutra auf is, Gen. -niffes, Pur. -niffe, ſind: Ver⸗ 
fländ-nie (ahd. firstant-nissi und furstant-nesse neutr.), Aer- 
ger-nis, Bild-nis, Bind-nis, . Gedächt-nis, Verberb-nid, Bes 


dürf-nis, Ereig-nis (für Eräugnis) 1), Gefäng-nis, Erforder- . 


nis, Leichenbegäng-nis, Ergeb-nis, Begeg-uis, Gleich-nis, Bes 
gräb-nis, DVerhält-nis, Berhäng-nis, Geheim-nis, Hinder- 
nis?), Berlöb-nis, Vermächt-nis, VBerfäum-nis, Gefländ-nis, 
Einverfländ-nis, Verzeich-nis, Zeug-nie. 

. 3) Beiderlei Gefchlecht Ieiven wol: Empfäng-nis, Verfäum- 
nis, Berderb-nis, Erfpar-nis, Erfennt-nie, doch mit einigem 


Unterfchied der Bedeutung, indem bei den weiblichen mehr ber . 


Begriff der Thätigfeit vorwaltet. 


Anm. 1. Das goth. Zeitwort heißt araugjan, ahd. araugian, d. h. vor 
Augen ftellen. I unferm Zeitw. ereignen {fl auch das erfie n falſch 
und wol durch das ahd. arauc-nissi hineingebradt. Opitz (+ 1639) 

hat noch eräugt. 

Anm. 2. Goethe (Hermann und Dorothea 4, 149) braucht Hinder⸗ 
als fem. Und die Hindernis treibt die Heftigen leicht von dem 

ege. 

Anm. 3. Unerträglich find einige von ſchlechten Schriftftellern neu er- 
fundene: Berfenntnis, Labnis, Steilnis, Trodnis. Görres (Myſtik) 
hat noch die ſonſt minder gebräuchlichen: Schiednis (1, 32), Vorkomm⸗ 
nis (1, 415), Geftaltnis (2, 38), Betaflnis (2, 84). Schmitthen- 
ner (Saßzeihnung S. 14) nennt das Prädicat das Sagnis. Cramer 
a . Walpurgisnacht, Zürich 1843, ©. 17) fagt Entflänpnis für 

ntftehung. 


Ableitungen mit LE. 
§. 132, 


Ahd. eine Menge Eigennamen, die mhd. oſich verringern; nuhd. 
noch etwa: Ad-olf und Rud-olf. Hier waltet eigentlich Zuſam⸗ 
menfebung mit dem goth. vulfs, ahd. wolf. In nhd. Zufammen- 
ſetzungen taucht das IB wieder hervor: Schöne-wolf, Heide-wolf, 
"Bienen-wolf. Schon ahd. ging das w verloren und Niemand dachte 
mehr an den Begriff Wolf. | 

Anm. Damit vergleichen fich einige nhd. Ableitungen auf rd, die gleichfalls 

Compoftta find, als: Bant-hart, Neid-hart. In der Gauner- 

ſprache hört man: Spitz-ert (Thurm), Rauſch-ert (Strob) u.a, 


Ableitungen mit LD. 
$. 133, 


Dahin weifen: Maßholder (ahd. mazoltera), Wacholder 
und die mit dem organischen -wald und unorganifchen -bHoLd und 
—Sold gebildeten nhd. Eigennamen: Rein-wald, Rein-hold, zu- 
weilen Rein-old wie Arn-old. Beider Namen Quelle iſt das- 
ſelbe regin-oald. | 





Ableitungen mit AR. 
$. 134. 


Die hierher gehörigen Wörter find nicht zahlreih. Bon Sub- 
- flantiven merfe man: Ah-orn, Die-rne (ahd. dio-rna), Eck- 
ern (wie ein Plural don Eder gebraudht) ); nücht-ern (ahd. 
nuoht-urn), alb-ern, lüſt-ern, ſchücht-ern?). 
Anm, 1. Genau genommen, gehört auch das nhd. entſtellte Wort Eifen 
cahd. eis-arn) bierher. . 
Anm. 2. Albern, lüſtern, ſchüchtern find in ver ältern Sprache 
‚ nicht zu finden. Albern iſt entſtellt aus myd. al-ware. Gar nicht 
bierher gehören die unorganifhen bein-ern ıc. 6. 64; zweidentig if 
eif-ern, entweder von Eifer, eifer-n, over für eifern-en (goth. 
eisarn-eins), 


Ableitungen mit ME. 
7815, 


Die Ableitungen find nicht zahlreich. Zu bemerken find: Mai-n;z 
(mag-anza, meg-inze), Cobl-enz, Breg-enz u. a. Stäbtena- 
men, die auf fremden Urfprung hinweifen. In nhd. Dialeften find 
Berba auf -enzen üblich, um bie Aehnlichkeit des Gefchmads und 
Geruchs auszubrüden: bod-enzen, Fupfer-enzen, rauch-en⸗ 
zen, wild-enzen. Die Schriftfprache hat bloß faul-enzen und- 
Davon Faul-enzer. 

Anm. Mainz lautet in Tatein. Schriften des 11. Jahrh. gewöhnlich 
Maguntia. Die Sylbe Gonz und Günz (Gons, Sins) bewahren noch 
mande Orte in der Umgegend: Gonſenheim, Sinsheim, Geinsheim. 
Weber die Entfiehung des Namens Mainz wurden mande Bermuthuns 

en laut. Nicht weit von ver Stadt entfpringt ein Heiner Bach, Zet, 
y, Cia, Sia, Teia genannt. Darauf fußend fagt 8.4. Schaab in 
feiner „Geſchichte ver Stadt Mainz’ I., S. 432: „Wahrſcheinlich gab 
der Iatein. Namen Cia, vereint mit dem des Maind Mogon, der Stabt 

Mainz ihren Namen Mogoncia, Moguncia, Magunciacum.’ Diefe Hy» 

potheſe ruht auf ſchwachen Füßen. 


Ableitungen mit ND. 
6. 136. 


‚Hierher gehören bie fuhftantivifch gebrauchten Participia Präf. 
. als: Freu-nd (goth. frij-önds, ahd. vri-unt), Fei-nd, Heil 
and), ferner die zu -und gehörigen fem. Jug-end und Tug- 
end (ahd. jag-und, tug-und, mhd. jug-ent, tug-ent) und das mit 
alter, tieftoniger Ableitung verfehene Leum-und?). 

Anm. 1. Andere dauern nur in Eigennamen, als: Weigand, Bie 

and. 
Anm. 2. Gegend, was hierher zu paſſen feheint, iſt eigentlich Ge⸗ 
gened —8 gan te, — De. RL N 7. ° 





— 46 — 
Ableitungen mit NS. 


§. 137. 


Hierher gehört das zuſammengezogene Wort Senſe (ahd. sög- 
ansa, mhd. seg-ense, bet Geiler v. K. segesse), Dem nhd. Wort 


N 


Ahle fieht man diefe Ableitungsform nicht mehr an; es lautet ahd. 


al-ansa. 
Ableitungen mit NG. 
‘ $. 138, 
Eine in allen deutſchen Sprachen, die goth. abgerechnet, frucht- 
bare Form, wobei die vorftehenden Vocale a, i, u gefondert werben 
müffen, nhd. aber nur die Formen -ing und -ung in Betracht fom- 
men. Es liegt in diefen Bildungen ein Begriff der Abflammung, 
oder Fieber der Verwandtſchaft; Tpäter geſellt fich zu vielen der Begriff 


des Verächtlichen, z. B. der Witzling, und des Verfleinernven, z. B. 


ver Neftling. 
ING. 


Subſtantive. 
§. 139. 


Grundſatz iſt -ing; weil aber dieſes -ing häufig zu abgeleite⸗ 
ten Wörtern mit —al, —il, -ul gefügt wurde, erzeugte ſich ſehr 
frühe ein fehlerhaftes -Ling flatt -ing. 

1) Echte -ing haben gegen die frühere Sprache abgenommen. 
Außer vielen Kamiliennamen wie Dör-ing, Jlemm-ing 
u. a. nur noch: Der-ing (ahd. her-inc, mhd. her-inc), Pfenn- 
ing ($. 125), Büd-ing, Schill-ing, Zwill-ing (affimiliert ans 
Zwinling, ahd. zuinel-inc). 

2) Die -Ting haben nhd. zugenommen; die meiſten davon find 
in der älteren Sprache unerhört: Jüng-ling (ahd. junki- 
linc, mhd. junge-linc), Büd-Ing, Däum-ling, Dichter-ling, 
Dril-ling, Enger-ling, Find-ling, Sinfter-Ing, Fremd-ling, 
Friſch⸗ling, Fruͤh ling, Frömm-ling, Gründ-ling, Häcker-ling, 
Hanf-ling, Haͤupt-ling, Höf-ling, LTehr-Ting, Lieb-ling, Säug- 
ling, Schmetter-Ting, Täuf-Iing u. a. 


Anm. Bei Bürger (Borrede zu f. Ged. 1778) findet fih das Wort 


Dünkling, ver fih etwas dünkt zu fein. 


UNG. 
Subftantive. 
$. 140, 


Bon masc. ift uns nur erhalten das feiner Bedeutung nach noch 
nicht ganz aufgehellte Wort Horn-ung (ahd. horn-unc), Fem. 


— 17 — 

find zahlreicher und zwar fowol von flarfen einfachen Verbis ge- 
bildet, wie: Lad-ung (ahd. lad-unga), Halt-ung, Reib-ung, 
Scheid-ung, Werf-ung, Schreib-ung, Bieg-ung, Zieh-ung, Sit-ung, 
Lef-ung, Heb-ung, Gelt-ung, Schwing-ung, Werb-ung, als auch 
von ſchwachen einfahen, wie: Warn-ung (ahd. warn-unga), 
Lähm-ung, Leg-ung, Reg-ung, Stell-ung u. a. Diefe Bildungen ha- 
ben abftraete, unfinnliche Bedeutung; fie brüden eine Handlung, 
einen Zuftand, nie etwas Perfönliches aus. 


Ableitungen mit ST. 
$. 141. ’ 


Hier kommen die drei Ableitungsformen -ast, -ist, -ust in 
Betracht, aber feine iſt reich an Beitpiefen. Bei einzelnen Wörtern 
iſt die Örenze zwifchen -st und -s-t ($. 76) fehwer zu beſtimmen. 
Zur Form -ast”gehört das verfürzte EI-fter (ahd. A-gal-astra, 
mhd. ä-gel-ster, $. 13); zur Form -ist gehören Herb-ft (ah. 
herp-ist), das ſchon oben ($. 43, 7) erwähnte Ham-fter (ahd. 
ham-ist-aro) und Heng-ft (ahd. heng-ist). Zur Form -ust ge 
hören Ang-ft (ahd. ang-ust), Dien-ſt und Ern-ft. 


Ableitungen mit SR. 
a) Subftantive und Berba. 
6. 142, 


‚Sind in keinem Dialekt zahlreich. Nyd. gehört hierher das ſchwache 
masc. Men-fch (ahd. menn-isco, mbd. menn-esche und men-sche), 
u. die Berba entmen-fchen, verbeut-fchen, fauderwel-f[chen. 


b) Adjective. 
$. 143. 


Adjective diefer Ableitung gibt es fchon ahd. ziemlich viele; mhd. 
feheint fih ihre Zahl zu vermindern, nhd. hat fie fich dagegen wie⸗ 
der fehe vermehrt. Außer den ſchon mhd. vorhandenen: Bäur-ifc 
(mbb. ge-biur-sch), häm-ifch, heidn-iſch (mhd. heiden-sch), heim- 
ich, himml-iſch, Höf-fch, ird-iſch, kind iſch, närr-Ich, und den aus 
Volls- und Ortsnamen gebildeten: Arab-ifch, deut-Ich, engl-ifch, 
fränt-ich, jün-ifch, götting-ifch 2c. gibt es eine Menge anderer: - 

a) Büb-ifch, dieb-ifch, abergläub-ifch, abgött-iſch, herr-iſch, höll- 
iſch, höhn-iſch, neht-ifch, Täpp-ifch, ausländ-Ich, Faufmänn-ifch, 
muͤrr-iſch, thier⸗-iſch, zänkiſch u. a., von welchen höchftens 
Einige noch in der älteren Sprache aufgefunden werden bürf- 
ten, am wenigften bie mit böfer Bedeutung. 

b) Zumal gern gebildet werben fie aus Subſt. mit -er: Ver⸗ 
brecher- iſch, dichter-iſch, erfinder-ich, heuchler-ich, Trieger- 
ich u. a., wiewol fie nicht, von allen ſolchen Subft. bildbar 








— 4 — 


ſind, z. B. nicht: Verächter- iſch, büßer⸗-iſch, jaäger-iſch, rit⸗ 
ter⸗iſch u. dal. 

c) Die Beliebtheit diefer -er-ifch hat einige unorganifche Bild» 
ungen erzeugt, wie: Regner-ifch, frei«, fchöngeifter-ifch, wie» 
ner-iſch, ſchweizer⸗iſch. 

d) Man leitet auch aus Mannsnamen, was bie ältere Sprache 
nie Fr Ad. auf -iſch: Schmidt- iſch, Wieland-iſch, Schil⸗ 
ler-iſch. | 

e) Fremde lat. oder roman. Adj. auf -anus, -aticus etc. neh⸗ 
men das deutfhe -ifch an: African-ifch, aſiat-iſch, hanfeat- 
ifch, romant-ifch. 

Anm. Die nhd. Sprache Tegt in viele Adj. diefer Ableitungsform etwas 
Verächtliches. Diefes liegt aber nicht in dem -ifch, fondern in dem 


Wurzelbegriff an fich, over in einer Wendung desſelben; ahd. chind-isc- 


3 B. dat tie Nebenbeveutung des nhd. Eind-ifch nicht, 


Ableitungen mit HT. 
$. 144. 


Neuhochd. Subftantive diefer Form find aus organifchem -ich 
erwacfen, wie Hab-icht, Dorn-icht, Kehr-iht u. a. Vgl. $. 120 
und 128. — Die Ableitingsform für die Adjective ift abd. -oht, 
mhd. -oht, zuweilen -aht, allmälih -Eht, woraus nuhd. — icht, 
wol als Nebenform der Endung -ig mit angehängten t, alſo im 
Ganzen auch mit berfelben Bedeutung; nur hat der Sprachgebraud 
den Bildungen auf -icht allmälich die Bedeutung einer gewiffen 
Aehnlichkeit mit dem im Stammwort ausgedrückten Ding bei- 
gelegt. Die Adj. diefer Form find in der Regel ohne Umlaut: 
. Bein-iht, berg-iht, fett-icht, felf-iht, graf-iht, Haar-icht, 
höder-icht, Holz-icht, Hofper-icht, Fahn-icht, Fropf-icht, mehl-icht, 
nero-icht, fchwefel-icht, fein-icht, thör-icht u. a. m. 

Anm. 1. Die Schriftfprache ſchwankt mitunter zwiſchen biefem -icht 
und -ig (ahd;-ac): bein-ig (hochbein-ig, dreibein-ig wie vierfüß-ig), 
berg-ig, graf-ig, ftein-ig u. a., feltner -ig (ahd. -ic): bärt-ig, här- 
ig, (kaum tbör-ig). 

Anm. 2. Die Volksſprache kürzt zuweilen das — icht in -et: norr-et, 
Happer-et, ftinf-et, fagt mitunter auh noch -echt, 3. B. thor-edht. 

Anm. 3. Anderemal fügt fie ven Zufamf. mit -lidh der Schriftfprache, 
welche Geftalt, Farbe oder Gefchmad anzeigen, ein ſcheinbar ungehöri- 
ges -t hinzu: Läng⸗-licht, grün-Lct, gelb-licht, ſüß-licht flattläng- 
li ꝛc. Allein hier feheint der Irrthum faft auf Seiten der Schrifte 
fprache, nemlih grünlicht nicht zu nehmen für grün -Tlidh-t, fon 
dern für grünl-icht von einem Berbum grüneln, weißeln, 
füßeln, welde, wenn auch unorganifch ($. 36), ven Begriff ver Farb» 
ähnlichkeit, des Beigeſchmacks enthalten. 





— — — — — 


cd rasge 9, Zupayer uf 20 
| — 7 — 


Drittes Capitel. 


Von der Zuſammenſetzung. 
$. 145. 


Zuſammenſetzung (compositio) iſt das Aneinanderfügen zweier 
Wörter. Werben mehr als zwei verbunden, fo heißen fie Decom- 
pofita. Es Fönnen einfache mit einfachen, einfache mit abgeleite- 
ten unb abgeleitete mit abgeleiteten componiert werben, 3.3. Land- 
mann, land-flüht-ig, jüng-Ings-jähr-ig. Auch laſſen fih Nomen 
mit Nomen, Nomen mit Verbum, Partikel mit beiden, Partifel mit 
Partifel, nicht aber Verbum mit Berbum in ECompofition ein, 3. B. 
Haus⸗Thüre, rathefchlagen, Ab-grund, begraben, hin⸗weg. 


S. 146. 


In der Regel feben fi nur verſchiedne Wörter zufammen. 
Verſchiedenheit des Begriffs ift nicht gerade erforderlich, vielmehr 
bürfen nahverwandte oder gleiche mit einander verbunden werben, 
3.8. Dieb-fiahl, Brunn-quell, Raud-bampf?). 

Anm. 1. Die beiden ledtern finden fi bei Görres, Myſtik 1, 241: 

Ein köſtlicher Salbengeruch verſcheuchte den üblen Rauch dampf des 

Feuers. Brunnquell gebraucht er öfters. 


$. 147, 


Dem Begriffe nach iſt jedes Compofitum mindeflens zweiſylbig, 
ober beſtimmter ausgebrüdt, da, wo die Anfügung gefcheben iſt, 
Spalten fich auch zwei Sylben. Einfylbige und ſolche Eompofita, 
wo die zufammengefügten Sylben in eine verwachſen find, feben 
Aphärefe und Synkope voraus, z. B. W-elt aus ahd. wer-alt, 
®-Lürf aus mhd. ge-lücke. 


$. 148, 


Die Deutlichleit der beiven Wörter leidet aber nicht bloß 
durch diefe Verminderung der Sylbenzahl, d. 5. Auslaffung von Vo⸗ 
calen, fonvern auch durch die damit zugleich oder allein für fich er= . 
gehende Unterdrüdung und Entftelung der Conſonanten. Borzüg- 
Sich trifft dies die Spiranten ſ, 5, v. Man Löfe 3. B. Leid 
nam, Schulz, Arolſen auf in die volleren Formen lichhame, 
. schultheie, aröldesheim, um ſolche Entflellung zu begreifen, 


$. 149, 


Zufammenfegung und Ableitung unterfiheiden fich da- 
rin, daß bei der Ableitung ber erfte Theil das Hauptfächlichere 

und Deutlichere ift, worauf auch der flärfere Ton fällt, bei der Zu- 
Kehrein Grammatik, I. 2, 4 





— x0 — 


ſammenſetzung iſt das zweite Wort Hauptſache (Grundwort); beide 
ſind deutlich und betont. Löſ't man die Ableitung ab, ſo hinter⸗ 
bleibt oft eine dunfle Wurzel; das aufgeloͤſ'te Compoſitum gewährt 
zwei beutlihe Wurzeln. — Zwifchen Wurzel und Ableitung darf - 
fich feine Flexion drängen ($. 17); eine ganze Elaffe von Zuſam⸗ 
menfeßungen aber beruht auf der Flerion des Wortes, 

Anm. Diefer Berfchievenheit ungeachtet berühren fi) dennoch Ablei⸗ 
tung und Compofition, wenn in einzelnen Wörtern dem Testen Theile 
der Ton entzogen wird. Drittel, Biertel, Fünftel x. ift nicht 
Dritt-el, fondern Drit-teil, Mehr vergleichen erlauben fich vie 
Boltspialette, 3. B. wolfel (f. wol-feil), Rachber (f. Nach-bar), 

enſche —8 Wingert (f. Wein-garten), Kirmes (f. 
irch⸗—meſſe). — Andere geläufige Compofitionsformeln geben ihre le⸗ 
bendige Bedeutung auf, z. B. die -fhaft, -beit, -Li® ($. 180). 


$. 150. 


Hauptangenmer? in der Lehre von der Compofition ift-es, die 
eigentliche von der uneigentlihen zu unterſcheiden. Zweck 
der Zufammenfegung fcheint zu fein, daß dadurch Begriffe Teichter 
und fchöner, ale es fonft gefchehen fan, ausgebrücdt werben. Die 
eigentlihe Compoſition nun findet dann ihre Stelle, wenn das, 
wofür e8 der Sprahe an einem Wort, an einer "Ableitung. fehlt, 
oder was durch Anjective, Präpofitionen und andere Partikeln um- 
fohrieben werben müßte, zu bezeichnen iſt, z. B. Wein-flod, 
gras-grün. Allmälich erzeugt und verbreitet fich die uneigent«- 
liche, die nemlich, welche unmittelbar anftoßende Caſus und Parti- 
keln, wie fie der alten freien Conftruction gemäß waren, gleichlam 
aus biefer zieht umb mit dem zweiten Worte verbindet, 3. B. Ta- 
ges-licht. | 

$. 151. 

Der im Goth. und Althochd. bei ver eigentlichen Zufammen- 
feßung vorhandene Compoſitionsvocal verfchwindet fpäter faft 
ganz, und man erfennt die Compofition nur noch daran, daß das 
erfte Wort derfelben für fich ſelbſt unconftruierbar iſt; kann es aber 
gefondert conſtruiert werben, fo ift keine Eompofition vorhauden. 


l. Subftantivifhe Compoſition. 


A. Eigentlige, 
6. 152, 

Das Mittel, deſſen fig unfere Sprache bebient, um eine Bezie- 
Bung des Subftantivs auf ein zweites Wort auszubrüden, gewährt 
ihr der Vocal a. Diefer wird an das von feiner Flexion entblößte 
Wort gefügt und dann verbindet es fih mit dem zweiten, 3. B. 
. vein-a-gards (Weingarten). Diefes a verdünnt fih fpäter in e, 
3. B. spinn-e-wöppi. Im Mittelhochd. bat ſich dieſes verbünnte 





— 51 — 


o hinter einigen kurzſylbigen Wörtern erhalten, 3. B. got-e-heit, 
bot-e-schaft. Neuhochd. hören feit Verlängerung jener Sylben, 
welche den Compoſitionsvocal noch zulängft bewahrten, bie meiften 
Fälle besfelben auf, d. h. wir fagen: Gott-heit, Hof-mann. 
Gleichwol hat fih in einzelnen Zufammenfegungen und gerne nach 
db, 9, ſ das e erhalten: Bad-e-gaft, Hund-e-Ich, Hag-e-flolz, 
Reif-e-Feid u. a. 


Anm. Ableitende -i find ſchon früher nicht zahlreich. Ableitendes -—e und 
terbft verhärtetes -I dauert nod in: Mäuf-e-falle, Nacht-i-gall, Bräut- 
= -gam, 


a. Subftantiv mit Subfantiv. 
$. 153. 


„Der Sinn dieſer Zufammenfegungen laͤßt fih auf drei Berhält- 
niffe Des erften zu dem zweiten Worte zurücführen: 1) auf ein prä- 
pofitionelles, 2) auf ein appofitionelles und 3) auf ein 
eafuelles, abgefehen von folchen, die ganz verbunfelt worden find. 


1) Bräppfitionenverhältniffe. 
$. 154. 


Sehr viele Subftantiozufammenfetungen werben erflärt, went 
man fich eine Präpofition zu dem erften Worte und diefes in dem 
davon abhängigen Caſus venft!),, Da num urfprünglich die Präpo- 
fitionen räumliche Begriffe enthalten, fann man auch fagen, daß 
das erſte Wort den Raum beftimmt, der dem zweiten zufleht, z. B. 
DBerg-Ihlof iſt ein auf dem Berge erbautes Schloß. Das Ver- 
bum mag, wie bei Bergſchloß, hinzugedacht werben, oder in der 
verbalen Natur des zweiten Wortes begründet fein, 4. B. Berg- 
fprung iſt ein Sprung vom Berge. Es Tönnen aber auch, wie 
die Präpofition felbft auf andere Zuftände, Cauſal⸗ und Zeitverhält- 
niffe angewendet wird, Compoſita im Sinne biefer Anwendungen flatt- 
finden, 3. B. Geld-noth iſt Noth an Geld, Handb-arbeit. bie 
mit der Hand gemachte Arbeit. 

Anm. 1. Mebrigens find ſolche Zufammenfegungen nicht aus Präpof. 
entflanden, oder ihnen in der Bedeutung vollig gleich Haushund 

{ft keineswegs einerlet mit Hund im Haufe, da lepterer ja auch ein 

Jagdhund fein, erfierer auch Hinauslaufen kann, ohne daß er 

deshalb aufhört, ein Haushund zu fein. 


$. 155. 


Im Allgemeinen bemerfe man noch. Die Hauptpräpofitionen 
zerfallen in zwei einander entgegengefegte Reihen, pofitive und 


negative. Jene brüdt für das Verhältnis, das bezeichnet werben , 


fol, Nähe oder Näherung, biefe Yerne oder Entfernung aus, Weil 
nun ‚die Sompofition eine Verbindung und nicht Trennung ziveier 
Begriffe enthält, fo Teuchtet ein, daß fie vorzüglich durch die pofiti« 


ven Prapofitionen der Nähe, felten durch bie ber Nayerung, noch 


— 82 — 


ſeltner durch die ber Entfernung, nie durch die ber wirklichen Ferne 
erflärt werden könne. Aus diefem Grunde greifen die Präpofit. aus, 
ab, von (infofern fie die bereits vollendete Trennung anzeigen) und 
ohne (welches nur gänzliche Entäußerung bedeutet) hier nicht ein. 
Anm. Uebrigens verfieht es fich, daß durch vie Auflöfung in Präpo⸗ 
fittonenverhältniffe nur der Begriff einer Reihe von Zufammenfeßun- 
„gen erörtert werben foll, nicht daß fie gerade dieſer Auflöfung völlig ent⸗ 
prechen und überall damit verwechfelt werben dürfen, 


a) Ruhiges im. 
$. 156. 


1) Raumverhältnis. Dahin gehören nhd. Haus-genof 
(ad. hüs-kinö3, mhd. hüs-genö3), Aug-apfel, Berg-höhle, Blut- 
ad, Burg-graf, Ei-dotter, Erd-beben, Feld-maus, Fluß-gott, Herze- 
leid, Himmel-reih, Rammer-frau, Rorn-blume, Land-recht, Leib- 
. weh, Luft-ſchloß, Deer-gras, Nuß-tern, Schul-banl, Wald-taube, 
Wafler-mann, Zahn-fchmerz u. a. m. 

2) Zeitverhältnis. Da fih die Sprache Hierzu der beiden 
Präpof. in und an bedient, fo tft es gleichgiltig, ob man die Com⸗ 
pofita mit Jahr, Sommer, Tag ꝛc. durch die eine oder bie andere 
erflärt: Abend-ftern’(ahb. Abint-störro, mhd. äbent-störne), Herbfi- 
blume, Zahr-marft, Zohannis-wurm, DMlorgen-Tied, Nacht-herberge, 
Spommer-forn, Sommer-vogel, Tag-Ichn, Winter-rod u. a. m. 

3) Dur ein in für Umflände, Zuflände und Cauſalverhältniſſe 
auflösbare Compoſita fcheint die alte Sprache noch nicht zu kennen. 
Nhd. Beifpiele find: Angfi-fhhrei!), Blut-zeuge, Gleichnis-rebe, 
Gewalt-that, Noth-ruf, Räthfel-fprache. 

Anm. 1. Goethe fagt mit uneigentlicher Compoſ. im Fauſt 1, S. 106: 

Sie thät gar manchen Aengſteſprung. 


b) Bewegendes im, 
$. 157, 


Nur wenige Beifpiele, darunter aber ſchon altes bei allen iſt 

im zweiten Wort der Verbalbegriff deutlich rege, auch beziehen fich 

ale auf das reine NRaumverhältnis: Hand-geld (mhd. kommt 

dor hant-gift), Feld-zug, Feld-ruf, Schladht-ruf, Grab-Tegung, Him⸗ 

„mel-fahrt, Kirch⸗gang, Thier-verwandlung; Höllen-fahrt (fehlerhaft 
für Höfe-fahrt, mhd. helle-vart). 


0) Bewegendes and (von). 

6. 158 

1) Raumverbältnis. Hier find viele Compoſita denkbar, 
deren zweites Wort den Begriff von fallen, fpringen, gießen, 


fließen, ſchöpfen u. a. enthält, ober wo ein folches Berbum hin⸗ 
zugebacht werben muß. Einerlei iſt es, ihnen bie Präpof, aus ober 





— 33 — 


von unterzuſchieben. Hierher gehören: Donner-keil (mhd. findet 
fi donre-sträle, d. ti. Strahl, der aus dem Donner fährt), Bauch 
fiimme, Berg-fprung, Senfter-fprung, Himmel-regen, Mond-fein, 
Stern-[hhnupfe u. a. 

2) Berhältnis des Stoffe, aus dem etwas gemacht if, 
wobet wieder die Präpof. aus und von abwechſeln: Feder-bett 
(ahd. feder-bette), Eifen-flange (ſchon goth. eisarna-bandi d. i. 
Eifen-band), Eifen-bahn, Gold-netz, Gold-ſchnalle, Stahl-degen, 
Stein-haus und viele ähnliche, die erft fpäter häufiger geworden find. 


d) Ruhiges am. 
$. 159. 


1) Raumverhältnis. Beifpiele find zahlreich: Müpl-flein 
(ahd. muole-stein, mhd. mül-stein), Alp-rofe, Arm-band, Berg- 
Fräuter, Blatt-laus, Erd-nähe, Fuß-eifen (fchon goth. fötu-bandi 
d. i. Fuß-band), Hand-fchuh, Hals-band, Hirn-fchaale, Obr-ring, 
Rthein-wein, Schwert-Fnopf, Thür-angel, Zahn-fleifh u. a. 

2) Zeitverhältnis. Beifpiele ſiehe $. 156, 2.- 

3) Bei Umftänden, Zuſtänden sc. ($. 156, 3) kennt bie ältere 
Sprache noch feine Compoſita. Nhd. Beifpiele find: Geld-noth 
©elo-Flemme, Geld-mangel, Mord-luſt, Land-verluft, Wafler-noth 
(verfchieden von dem uneigentl. Compof. Waffers-noth, d. h. Gefahr, 
die übertretendes Waffer bringt), 


! 


e) Bewegendes am. 
$. 160, 

Hierhin gehören: Ohr-ſchlag (Ofr-feige, ahd. ör-slac), Heim- 
gang"), Heim-fahrt, Heim-kunft, Diaul-Ichlag, Maul-Ichelle, Stubl- 
gang (Gang auf den Stuhl, hernach mit Euphemismus Ererement). 
— In allen Beifpielen ift der Verbalbegriff des zweiten Wortes un⸗ 
verfennbar oder ein ausgelaffenes Verbum naheliegend, 3. B. Maul- 
fchelle ein ans Maul fchallender Schlag. 


Anm. 1. Uns if Heim kein Subfl. mehr, es war es aber früher. Das 
Wort heißt goth. haims und beveutet Haus, Dorf, kurz das, was . 
wir jegt duch Heimat austrüden ($. 284). 


f) Bewegendes von, ab. 
$. 161. 
Auch hier berühren fich die Beiſpiele mit den beim ans gege- 
enen. 
1) Raumverhältnig. Dach-traufe, Erb-ferne, Alp-Iufl, 


Berg-Iuft, See-Iuft, die vom Berge, von ber See her weht, 
kann aber auch die auf dem Berge oder ber See wehende 


MM — 


bedenten. Zuweilen iſt das zweite Wort mit ber Präpof. ſelbſt 
compontert, 3. B. Kreuz-ab-nahme. 
2) Stoffverhältnis, fiehe $. 158, 2. 


ge) Ruhiges auf. 
§. 162, 


Die heutige Präpoſ. auf iſt urſprünglich eine Conjunction, die 
mit den Präpof. in und am; verbunden den Begriff der Ober 
flaͤche hervorhebt: Diftel-finf (ahd. distila-vincho und distil- 
vinko, mhd. distel-vinke), Buch-finf, Berg-predigt, Dach-fahne, 
Dach- ſtroh, Eis-bär, Grab-Ihrift, Grab-flein, Heu-ſchrecke, Seil- 
tänzer, Schoß-find, Thurme waͤchter. 

Anm. Thiernamen kommen befonvers in den Bollsmundarten vor, 3.8. 
un üen heißt das Huhn Miſt-kratzerl; die Zaube Dab- 
eißerl. 


h) Bewegendes anf. 
$. 163. 


Dahin gehören nhd. wol nur: Fuß-fall (mhd. vuoz-val), Knie- 
al, Rüd-fall; in letzterem ift Rück fchon partifelhaft, 


i) Bewegendes und ruhiges zum. 
$. 164, 


Diefe Präpof. kann im reinen Raumverhältniffe bei verſchiednen 
Zufammenfegungen an die Stelle des bewegenden in, an, auf ge 
dacht werden, 3. B. Rirh-gang auh ein Gang zur Kirche fein. 
Ebenfo vertritt fie ruhiges in, bei, 3.8. Daus-andaht, Haus-got- 
tesdienſt. Ungleich häufiger erläutert aber ihr caufaler Gebrauch das 
Verhältnis der Beftimmung und des Nutzens, worin das erfle Wort 
zu dem zweiten ſteht. Das zweite pflegt dann ein Geräth, einen 
Behälter, ein Kleidungsſtück, Nahrungsmittel u. a, m. auszudrüden. 
Dean fann auch caufales für dabei annehmen, 

1) Geräthſchaft: Bier-faß (ahd. pöor-faz), Rauch-faß, MWein- 
faß,; Teig-trog, Feuer-eimer, Feuer-Ieiter, Geld-beutel, Del- 
flaſche, Tauf-napf, Effig-frug, Mift-gabel, Mebl-fad, Wün⸗ 
fchel-ruthe, Hand-feile u. v. a. 

2) Behälter: Gaft-Haus, Vogel-haus, Vogel-bauer u. a. 

3) Kleid und Tuch: Schweiß-tuch (ahd. sueiz-lahhan), Hand- 
tuch, Haupt-binde, Achfel-binde. — Hierher Tönnen auch ein- 
zelne von ben unter $. 159, 1 angeführten gerechnet werben, 
h B. Arm-band iſt fowol Band an dem Arm, als für ben 

rm. 

4) Speife, Getränfe, Arznei: Leib-fpeife (ahd. ſchon 

lip-nara), Schlaf-trunk, Brufl-thee, Magen-tropfen. 








— BE — 


) Bei 
$. 165. 


Diefe Präpof. berüßrt fih mit den räumlichen Begriffen an, 
um, neben und fann gleich ihnen für einzelne Zufammenfegungen 
gedacht werben, 3. B. Kirh-hof, Haus-garten; Shilb- 
wache (mhd. schilt-wahte) ift die Wache bei dem aufgehangnen 
Schild, ver Grab-wächter wacht bei dem Grabe. Im Zeitver- 
pätnis wechjelt bei mit in, an, 3. B. Nadht-arbeit, Tage- 
werk. 


h Weber, nuter. 
§. 166. 


Hiervon kommen wenige Beifpiele vor. Bett-bede kann ſowol 
durch auf und Bettvorhang durch vor erklärt werden, als durch 
über. — Erd-feuer und Dach- kammer erläutern ſich durch 
unter wie durch im. 


m) Bor, nach. 
6. 167. 


Räumliches vor drücken aus: Her-z0g (ahd. heri-zoho, der 
vor dem Heer zieht), Dfen-Ihirm, Regen-ſchirm, RT — 
Räumliches nach (Hinter) fehen wir in Wagen-leiſe (ahd. wa- 
gan-leisa), die hinter dem Wagen zurückbleibt. on 
n) Dur, um, neben. 

6. 168. 


Einige bei in und an aufgezählte Compoſita fallen auch hier- 
ber, 3. B. Land-fahrt, Tand-reife (durch das Land), Arm-band, 
Arm-gürtel, Leib-gürtel, Feld-zaun, Haus-mauer (um ben Arm, 
Leib, das Feld und Haus), Luft-flug, Wafler-gang, hal 
(durch die Luft, das Waffer, die Wolfe), Kegel-ſchnitt. Caujales 
burch fünnte in den-Eompofitionen angenommen werben, welde 
cauſales mit erflärt, z. B. Feuer-probe, Waffer-taufe. 


0) Mit. 
$. 169. 


Die finnlihe Bedeutung von mit (zufammen) herrſcht wol in 
wenigen Eompofitis, 3. B. Raub-mord ift ein zugleich mit Raub 
vollführter Mord, Dienfl-ehre die mit dem Dienft verbundene, 
ihn begleitende Ehre. Deſto häufiger gilt das caufale mit, von 
Mittel und Zuftand. 

H Im zweiten Wort iſt die Handlung, im erflen das, womit fie 

verrichtet wird, enthalten: Hand-fchlag (ahd. hant-slac), 

Beil-hieb, Fauft-Tampf, Finger-zeig, Flügel-ſchlag, Zuß-tritt, 


> 


. — 56 — 


Hand⸗ſchrift, Hand-werf, Meffer-[chnitt, Nadel-ſtich, Pfeil- 
ſchuß, Stein-wurf u. a. 

2) Das zweite Wort drüdt eine Sache aus, die das erfle näher 
beftimmt; bier muß das DVerbum meift hinzugevacht werben, 
während bei den unter 1) erwähnten der Verbalbegriff des zwei⸗ 

ten Wortes. unverkennbar iſt. Hierher gehören: Feder-hut 
(geſchmückt mit F.), Pelz-rock (gefüttert mit P.), Oras- 
Hügel (bewachfen mit G.), Leim-ruthe (beftrichen mit L.), 
Schild-kröte (gevedt mit S.), Strob-far (gefüllt mit ©.), 
Tinger-Handfchuh (verfehen mit F.). 


2) Appofitionelle Verhältniffe, 
S. 170, 


Viele Compoſita fügen fich theils gar nicht, theils nur gezwun⸗ 
gen in die Erklärung durch Präpofitionen; die Begriffe ihrer beiden 
Wörter fcheinen bloß neben einander geftellt und etwa durch ausge- 
laſſene Conjunetionen in Verbindung gebracht. Hierbei find mehrere 
einzelne Fälle zu fondern: 

a) Vergleichung. Diefe Deutung ift vorzüglich auf adjeeti⸗ 
viſche Zufammenfetung anwendbar und findet fich feltner bei 
fubftantivifcher. Das erſte Wort enthält die Sache, der das 
zweite gleicht: Raub-frofch (grün wie Laub), Bifam-Fä- 
fer (wie Bifam riehend), Krebs-gang (wie eines Krebfes), 
Staub-regen (fein wie Staub), Mann-weib (wie ein 
Mann), Feuer-Eopf (roth, hitzig wie Feuer). | 

b) Art und Gefhleht, Species und Eeuus. In Thier-, 
Pflanzen» und Steinnamen erfcheinen oft zwei verwandte Wör⸗ 
ter neben einander, das erfte gibt die Art zu dem Gefchlecht 
an: Neh-Falb, Reh—-kuh, Hirfch-Euh, Gems-thier, Maul-thier, 
Schaf-bock, Rind-vieh, Wah-fih u. a. Eine Menge Zufam- 
menfegungen mit -baum, -beere, -gras, -fraut, -laud, 
-kohl, -wurz: Apfel-baum, DMaul-beere, Ried-gras, Kobl- 
fraut, KRnob-Taud, Sommer-kohl, Haus-wurz u. a. 

c) Befonderes und Allgemeines bei abfiracten Begrif- 
fen. Noch mehr zeigt fich eine folhe Berührung mit Abkei- 
tungen, wenn das zweite Wort ber Compofition die an fich leere 
Idee von status, classis, indoles u. dgl. enthält, welche durch 
das erfte Wort ausgefüllt werben muß. Hierhin gehören. alle 

 Zufammenfegungen mit -art, -beit, -[haft, -thum x. 
Auch bier flehen beide Wörter appofitionell aneinander: Fifch- 
art, Menfh-heit, Freund-fchaft, Herzog-thum u. v. a. 

d) Es ftehen aber auch Begriffe in Appofitionsbeziehung, auf bie 
das Verhältnis des Befonderen zum Allgemeinen nicht anwend⸗ 
bar ift: Fifh-waffer, Milch-ſtraße, Sturm-wind, Yeuer- 


— »ꝛ? — 


regen, Wetter-bahn, Speck maus, Chriſt-kind, Gott-menfch, 
Fuͤrſt⸗biſchof u. v. a., wo Sache zu Sache, Sache zu Perſon, 
Perſon zu Sache, auch wol Perſon zu Perſon geſetzt wird. 

Anm. Beſonders kühn in Bildung ſolcher Zuſammenſetzungen iſt die 
Volksſprache und nutzt alle Merkmale zur Unterſcheidung: Zopf-meier 
(weil er einen Zopf trägt), Löffel-meier (weil er einen Löffel geſtohlen 
—— Ber (weil er mit Bieh handelt); Eier-jule, Butter-han⸗ 
ned u. a. dgl. 


3) Safusverhältniffe. 


$. 171, 


Die eigentliche Zufammenfehung enthält freilich) etwas anderes, 
als den Begriff des bloßen Caſus. Allein zwifchen beiven findet 
fih doch eine gewiffe Aehnlichkeit oder Annäherung. Die bier in 
Erwägung kommenden Eafus find Genitiv und Accuſativ. 

a) Genitivifch nehmen fi aus verſchiedne Zufammenfeßungen, 
beren zweites Wort die Begriffe Laut, Stimme, Gefang 
enthält; das erſte beftimmt, von wo fie ausgehen: Natur- 
laut, Thier-flimme, VBogel-fimme, Bogel-fang!). — All 
gemeinere Zeitbeftimmungen lieben eigentliche Zufammenfegung, 
obgleich fie fich auch durch den beftimmteren Genitiv ausdrüden 
laſſen: Regen-zeit, Winter-zeit, Ernte-zeit, beinahe gleich“ 

bedeutig mit: Zeit des Regens ıc. 

b) Acenfativifhen Begriff hat das erfie Wort einer Menge 
von Zufammenfetungen, in deren zweitem Wort ein den Accu⸗ 
fativ regierendes Verbum Iebt. Es find meiftens handelnde Per- 
fonen, bisweilen die Handlung felbfi: Land-bauer, Minne- 
fänger, Wein-trinfer, Gott-gebärerin, Gott-verföhner, Welt- 
richter, Gefchicht-fchreiber, Gefchicht-fchreibung u. v. a. 

Anm. 1. Hier ift präpofitionelle oder appofitionelle Deutung unpaflend, 
Uneigentliche Compofttion Tiegt ganz nahe, aber die eigentliche wird 
angewandt, um bei häufig vorfommenver Verbindung folcher Wörter 
dem Ausdruck alle Beftimmtheit zu benehmen. 


S. 172, 


Nach diefen Orundzügen ($.145—171) wird ſich die Bedeutung 
aller eigentlihen Zufammenfegungen beurtheilen laffen, infofern 
jedes der beiven Wörter an fich verſtändlich iſt. Es gibt aber nicht 
wenige Compofita, vorzüglich der frühern Sprache, deren erftes ober 
zweites Wort entftellt oder im Sinn verbunfelt worben ift, z. B. 
Dräuti-gam, wo ung gam heutzutage unverfländlich if. - Der 
Gang folder Zufammenfegungen fann erft, und ba nicht immer, 
durch Vergleichung der älteren Formen ausgemittelt werden. Auf 
ſolche dunkele Wörter find die nachfolgenden Verzeichniſſe von Sub- 
ftantiozufammenfegungen bauptfächlich gerichtet; doch konnten dabei 
die Grenzen nicht allzu weit geſteckt werben. 


- 
n 


— 38 — 


ao. Verzeichnis nach dem erſten Wort, 
§. 173. 


ampaht für antpaht, goth. andbahts, Diener: Amt-mann, 
Amt-Leute. ' 

andi, ahd. enti, Ende: End-zwed, der letzte Zweck. 

adal (goth. athal?), Geſchlecht, davon die Eigennamen: Adel- 
beid, Adel-inde, Adel-bert (verfürzt in Al-bert), Al-fons (ahd. 
adal-[uns). 

brunjä, ahd. pruni, Bruſtharniſch, davon: Brun-hilde. 

vridu (ahd.), Friede, davon: Fried-rich, Fried-berg. 

gäis, abd, ker, Wurfgefhoß, davon: Ger-trud, Ger-harb. 

kisal (ahd.) Geifel, davon: Gtfel-bert, Geifel-bredt. 

gunths? ahd. kund, Schlacht, davon: Gund-helm, Öum-pert 
(für Gund-bert), Günde-robe. ' 

hag? ahd. haga, wol Bedingung, das Latein. conditio, auch 
FAR mit dem bazu gehörigen But, davon: Hage-dborn, 

age-flolz. 

heiv, ahd. ht, Familie, davon: Hei-rath (ahd. hi-rät).- 

hröths? ahd. hruod, mhd. ruede, Lob, davon: Rüdi-ger, 
Rup-pert, Rub-oif (ahd. hruodi-kEr, hruod-perht, hruod-olf): 

- Ibrs? ahd. öpar, &pur, Eber, davon: Eber-hard, Eber-wein. 

kuni, ahd. chunni, Geſchlecht, Adel, davon: Runi-gunde. 


land, ahd. lant, and, davon, außer den zahlreichen Zufammen- _ 


fesungen: Land-friede, Land-recht u. dgl. der entflellte Eigen⸗ 
name Lam-bert (ahd. lant-päraht). 

leib, ahd. lip, Leben, Körper, davon: Leib-arzt, Leib-pferb, 
Leib-Ipeife, Leib-wacht, alfo immer in der Bedeutung von Kör- 
per, nicht in der älteren von Leben. 

leik, ahd. Ith, Fleifch, Leib, davon: Keih-dorn, Leich-huhn, 
Leih-nam, Leich-beftattung und das beim Volk gehörte Leich-kar 
(ahd. lih-char), wofür die Schriftſprache Sarg hat. | 

liut (ahd.), das lat. gens, davon: Leut-priefter, Leut-gericht, 
Leut-betrüger und der aus dem ahd. liut-pald entftellte Eigen⸗ 
name Leo-pold. 

magan? ahd. makan, mekin, Gewalt, davon die Eigennamen: 
Mein-hart, Mein-fried (ahd.megin-hart, megin-frit), Mein-werk. 

mäin, abd. mein, Mangel, Falſchheit, Schaden, davon: 
Mein-eid. 

miss? miss6? VBerfhiedenheit, Mangel, davın: Mis- 
geburt (Miß-geburt), Mis-griff, Mis-gunft, Mis-jahr u. a. 

misse nur noch in Miffe-that. 
näuths, ahd. nöt, Band, davon: Noth-durft, Notb-fall, 
Notb-heifer, Noth-taufe, Noth-wehr. 

ragin, ahd. rakin, An ſehen, Rathſchluß, davon vie entflellten 
Eigennamen: Reim-bot (ahd.regin-poto), Reim-bold, Rei-mer, 
Rein-hard, 


u { 


—3 — 


sib (angf.), Friede, Blutsfreundp haft, davon: Sipp-Ihaft. 

siku, sigu (ahd.) Sieg, davon: Sigis-mund, Sigi-mer, 
Sig-bert, Sig-fried (Siegfried). 

skatts, ahd. scaz, Münze, Geld, davon: Schas-meifter. 

thigns? ah. dekan, dögan, Diener, Soldat, davon: Degen- 

hard, Den-hard, Dein-hard, 

thiuda, ahd. diot, Geſchlecht, davon: Diet-helm, Diet-ricd, 
Theude-Iinde. _ 

vals? ahd. wala, Kampf, Niederlage, davon: Wal-plaß, 
Wal-flatt, Wal-ram. | 

walah (ahd.) fremd, davon: Wall-nuß. 

vair, ahd. wer, Mann, davon: Währ-wolf, Wehr-gelv. 

wöralt (ahd.) Welt, davon: Welt-bau, Welt-bürger, Welt- 
geift, Welt-find, Welt-Lörper, Welt-Tauf, Welt-mann, Velt-menfch, 
Welt-theil, Welt-weife. — Die Bedeutung ift bald die des blo⸗ 
Ben Genitios, bald die von weltlich, irdiſch, bald eine verflärfende, 
wie Welt-[hande; unter Weltweisheit wird urſprünglich 
die Weisheit biefer Melt verſtanden. 

veig? ahd. wic, Kampf, Mord, davon: Wil-ram (aus 
wiki-hraban). 

vilja, abd. wili, Wille, davon: Will-kür, Wil-belm, Wilfi-balp, 

vinjis? ahd. wini, Freund, davon: Win-fried. 

vulfs, ahd. wolf, Wolf, davon: Wolf-gang, Wolf-ram. 


8. Verzeichnis nach dem zweiten Wort. 
| §. 174. 


basi, ahd. peri, Beere, davon: Erd-beere, Him-beere u. a. 

ahd. börgä, pergä, Bededung, Zufluchtsort, davon: 

er-berge, 

baurgs, ahd. purc, Stadt; damit werben viele Ortsnamen com⸗ 
poniert: Straß-burg, Wirz-burg u. a. " 

buda? ahd. poto, Bote, davon: Wal-bot, Rat-bot, Braut. 
bote (Freiersmann). 

dags, ahd. tao, auf breierlei Weife: 1) Licht, Glanz; 2) Tag; 
3) in abftracter Bedeutung, auf Zuflände oder Handlungen anger 
wandt. Die erfte, frühe ſchon verflüchtigte Bedeutung findet fich 
in mehreren alten Eigennamen, 3. B. hölm-tac u. a. Die zweite 
ift uns noch in vielen Zufammenfeßungen erhalten; die dritte findet 
fih noch in: Leb-tag (für Leben) und Webh-tag (fürSchmerz), 
aber nur in der Bollsfprade. 

deds, ahd. tät, That, davon: Miffe-that, Wunder-that; un« 
‚eigentlich ceomponiert ift Delden-that. 

.do ms? ahd. tuom, wird 1) an perfönliche masc. gefügt und be- 
deutet dann Stand, Würde, davon: Bis-thum, Burggraf- 
tum, Herzog-thum, König-thum, Kaiſer-thum, Pabft-thum, 
Priefter-tHum, Chriſten⸗thum, Heiden-tHum; man hat auch im 


— 60 — 


16., 17. Jahrh. Euther-tHum, Mönh-thum und, wol fehlerhaft, 
Alter-thum gebildet; neuerdings erft und unorganifch: Bolfs-thum, 
Fürften-thum, gilt aber allgemein für Fürſtethum. 2) Seltner 
an perfönliche fem. und neutra, wie Witwen-thbum, Mäbchen- 
thum (8. Ziel). 3) Erweitern fih die Bedentungen zum Theil 
in denfelben Wörtern: Ehriften-thbum, Heiden-thum nicht 
nur der Stand eines Ehriften, Heiden, fondern auch bie chriſt⸗ 
liche, heibnifche Lehre. 

et ahd. viät, Reinlichkeit, Glanz, noch übrig in: 
Un-flat. 

vluot (ahd.), Flut, davon das fehlerhafte: Sünd-flut (ahd., 
mhd. sin-vluot, d. 8. große Flut). 

gäis, ahd. kör, Wurfgeſchoß, davon: Rübi-ger, Not-Ier. 

guma, ahd. gomo, Menfh, Mann, davon: Bräuti-gam. 

hama, ahd. hamo, Haut, Anzug, davon das entflellte Leich- 
nam (ahd. lih-hamo). 

häims, Haus, Dorf, davon eine Menge ahd. und uhd. Orts⸗ 
namen, . 

haids? ahd. heit, Ordnung, Befhaffenheit. Es binden fi 
‚damit a) in der Regel perfönlihe Wörter: Kindheit, Chri— 
fien-beit u. a. b) Seltner beveutet das erfle Wort einen 
Zuftand: Gefund-heit, Gewohn-heit. — Vielleicht hängt 
das heid in Adel-heid mit diefem heit zufammen? 

häitja, ahd. heizo, Befehler, davon: Schult-heif, Schult- 
heß, Schulze. 

hilds, ahd. hilt, Kampf, davon im Ahd. eine Menge weiblicher 
Eigennamen, den Begriff von bellona vorausfeßend; nhd. noch: 
Mat-bilde (ahd. maht-hilt), Brun-hilde, Grim-hilde, Clot- 
bilde, Mecht-hilbe, 

läifs, ahd. ip, mhd. leip, überlebend, davon die entflelften 
Eigennamen: Diet-Tieb, Gott-lieb, Ort-Tieb (auch der Eigen 
name Ort-Iepp?) 

liuds? ahd. liut, Volk, davon: Amt-Teute, Berg-Ieute u. a. 

marka, ahd. marcha, Grenze, Bezeichnung (limes), davon: 
Feld-marf, Grenz-marf, Land-marf, 

paths? ahd. pfad, Weg, davon: Fuß-pfab. 

säip, ahd. reif, Strid, davon ın etwas weiterer Bedeutung: 
Faß-reif, Steg-reif (Reif, Ring zum Steigen). 

reiks, ahd. rih, Fürft, der Erfie, davon Kigennamen, wie: 
Diet-rich, Fried-rih, Hein-rih (f. Heim-r.), Helf-rih, Ul-rich 
(uodil-r.). Außerdem gibt es andere Wörter, Perfonen, Thiere, 
Sachen bezeichnend, welche mit -rich zufammengefeht werben. 
Hauptfächlich wird das Männden von einigen Thieren dadurch 
ausgevrüdt: Ente-rih, Täube-rih, Gänfe-rih. Noch gehören 
hierher: Wüthe-rih, Hebe-rih, Eſt-rich. 

BG ahd. suht, Krankheit, davon: Schlaf-fuht, Wafler- 
ucht. 


— 61 — 


setja? abe. sä30, fowol ein Angefeffener, als einer, ber etwas 
hinfest, davon: Tand- faffe, aber Truch-ſeß. 

gasinthja, ahd. kasindo, Begleiter, Gefährte, - davon: 
Haus-gefinde, Hof-gefinde, 

skafts? skap? ahd. scaf, Anlage, Befchaffenheit (indoles, 
ratio), davon: Bot-f ch aft, Brüder-ſch., Bürger-[ch., Diener-ſch., 
Dorf ſch. u. v. a. 

skallks, ahd. scalh, Diener, davon: Mar-fchall (von mar, 
Pferd, wie Mar-Rall, Mar-burg), und bie. Eigennamen Engel- 
Shall, Gott-ſchalk. 

slahs, abd, släc, Schlag, davon fehr viele eigentliche Comp., 
wie: Donner- ſchlag, Fauft-hlag u. a. Uneigentlih: Ru- 
then- ſch. Nerven-Ich. 

slahta, add. slahta, Öefhleht, davon: Baum-Ihlag (ein 
jöine Schlag Bäume); uneigentlich componiert iſt Menſchen- 


Yla 
spil(ab. ), Scherz, Freude, davon viele Comp., wie: Brett- 
fpiel, Regel-fp. u. a. (Sonderbar ift Kirch-Ipiel für Pfarrei.) 
iR: 1 2. spel, Rede, Erzählung, davon das entftellte Bei- 


stars? ahd. stap, Stab, wird auch von allen Handlungen ge» 
braucht, hei denen der Stab vorkommt, und geht in abflracte 
Begriffe über. Nhd. Buh-flab, Bettel-flab, General-flab. 

a ahd. zoho, Führer, davon: Her-30g und der Eigenname 

abn-z0g 

triu, aa dauert verhärtet fort in: Holun-ber, Mafhol- 
der, Wachhol-ber (ahd. holan-tar, mazal-tera, wöhhal-tar, 
wechul-der). 

vahtvö, ahd. wahta, uhd. Feld-wacht, Schilv-w,, aber Nadıt- 
wade; Wade hebeutet das Wahen, Wacht das Bewachen. 

valda? ahd. walto, Lenker, davon: Sach-walter. 

vaggs? ahd. wanc, Feld, davon Ortsnamen mit - -mangen, z.B. 
Ell⸗wangen. 

vards, ahd. wart, Wächter, Hüter, davon: Thür-wärter, 
aber die Eigennamen Sieg-wart, Marg-uart, 

väitha? ahd. weida, Stätte, wo man raftet und weibet: Kugen- 
weide, Vieh-weide, Strich-weide. 

veds? ahd. wät, Kleid, davon: Lein-wat und gein- wand, 

vinjis? ahd. wini, Freunm d, davon ber Kigenname: DOrt-wein. 


vökr, ahd. wuochar, Frucht, davon: Geld-wuher, Korm- 
wucher. 


— a — 


Anmerkungen zu den eigentlichen Zuſammenſetzungen 
ber Subſtantive mit Subſtantiven. ' 


$. 175, Ä 


Das erfte Wort Hat in der Conftruction des Sages nichts zu 
thun und durch die Verbindung mit dem zweiten feine Gelbfländig- 
feit verloren. Es hat deshalb auch Feine Deelinatiouszeichen, und 
es ift alſo feinem. erften Worte in einer Zufammenfegung anzufehen, 
welcherlei Flexion ihm gebühre, ob flarfe oder ſchwache. 


$. 176. 


Es findet Feine eigentliche Compofition flatt, deren erftes 
Wort ein Pluralis wäre, denn die Kennzeichen des Plurals ge- 
borr zur Flexion, wie die des Singulars. In Beziehung auf die 

ahl verhaͤlt ſich daher jede eigentliche Compoſition ganz neutral, 
fie hebt weder den Sing., noch ben Plur. hervor. ir fagen 
Feder-bett, nicht Federn-bett, das doch aus einer Menge 
von Federn gemaht if. Die nuhd. Sprache befigt freilich viele 
Compofita, deren erfies Wort umlautend, oder auf -en, -er endis 
gend pluralifches Kennzeichen an fih trägt: Roften-verzeichnig, 
Sachen-recht, Götzen-dienſt, Hörner-fhall m. a.,_die 
aber lauter uneigentlihe Compofita find, aus wirklichen Gen. 
Pur. erwachſen. 

$. 177. 


Seine Ableitungszelchen gibt das erfle Wort nicht anf, es 
fel dann, daß fie, wie bie reinvocalifchen, noch außerhalb der Com⸗ 
pofition verfchwinden, z. B. Sieg-fried flatt sig-u-frid. — 
Die Diminntiva auf -Tein und —chen flräuben fi gegen die Zu- 
fammenfehung, ausgenommen Mädchen, weil es uns faum als 
Diminutio von Maid gilt. 


$. 178, 


Neben der eigentlichen Compofition hat fih sft eine un- 
eigentliche entwidelt, Der Hauptfalf ſolcher unorganifchen Bils 
bungen ift, wenn bas erfle Wort ein emaafizzioiiges Sen an⸗ 
nimmt, ohne daß ihm ein ſchwacher Gen. Sing. oder Plur. zu 
Grunde liegt, wie in: Blumen-korb, Dinten-faß (mhd. tint- 
horn), Dornen-frone, Fürſten-thum (ahd. vurist-tuom), Gerten- 
fhlag, Linden-baum, Dienfchen-opfer, Ruthen-ſtreich, Tannen-baum, 
Trauben-fern n. a, m. 


$. 179, 


Das zweite Wort jeder Zufammenfegung gehört in die Con⸗ 
firuction des Satzes und kann fi) der Flexionszeichen fo wenig als 
irgend ein einfaches Subflantiv begeben. 








. 180, 


Wie das erfle Wort, fo geht auch das zweite in einigen Fällen 
ans feiner finnlihen Bedeutung in eine allgemeine, abftracte 
über. Dahin gehören -beit, —ſchaft, — hum. Thum bezeichnet 
mehr die Würde, das Gut, heit den biofen Namen, fchaft den 
bioßen Zuftand. Es läßt fih Ehriftenheit und Chriſtenthum 
fagen, nicht Chriftenfhaft, dagegen Heidenthum und Hei« 
denfchaft, nicht Heidenheit. Mit allen drei zufammenfehbar 
iſt Eigen: Eigenthum (dominium), Eigenheit (proprietas), 
Eigenfhaft (qualitas), beftimmt gefonderte Bedeutungen. 

Anm. Zeichen diefer drei Wörter if, daß Fe höchſt felten, zumal in 
ber alten Sprache, uneigentliche Compofition eingeben; begreiflid, va ein 
ſelbſt leblos gewordenes Wort keinen Genitiv au regieren vermag. Ver⸗ 
werfih find daher: Brüpderfhaft, Bd terihaft, Kürften 
tpum, Volksthum. Schmitthenner (Lehre von ver Sapzeich- 
nung ©. 8.) gebraucht vie eigentlihe Compofition Bolfthüm- 


lichkeit, 
8. 181. 


Wenn in einem Sab zwei Compoſita hinter einander flchen, 
deren zweites Wort dasjelbe ift, fo pflegt es die uhd. Sprache, zus 
mal der Canzleiſtyl, das erfle.Mal wegzulaffen: Fifh- und 
Krebs-fang, Freund- und Verwandtſchaft. Im Mhd. 
und Abd. zeigt fih dieſe Freiheit noch nicht. Das erfle Wort 
einer eigentlichen Compoſition Täßt fih nicht auf diefe Weife fpa- 
ren, alfo nicht: Land-recht und -fitte, wol aber uneigentlich : 
Landes-reht und -fitte, indem dann Landes nichts als der 
vorſtehende Genitiv if. 


b) Subflantiv mit Adjeectiv. 
$. 182, 


Auch hier darf, wie bei den Subflantiven mit Subflantiven, 
das erfie Wort Feine flerivifchen Beſtandtheile haben, wenn 
eigentliche Compoſita vorhanden fein follen. In vielen nhd. Bei⸗ 
fpielen mit -er darf uneigentliche Compoſition angenommen, 
folglich das -er aus dem Genitiv Plur. gedeutet werben, 3. B. 
blätter-Ios, Tinder-Ios, büher-Ieer. Ein foldes -er 
bindet fich nicht mit den abftracten -Tich, -fam, -bar, wol aber 
mit -baft, -Ins, -mäßig, -feft. 


$. 183. 


Die uleinmg componieren ſich in der Regel wie die einfachen 
Subftantive, 3. B. ſugend-lich, tugend-fam. bien-bar, 
Nur verfagen -Iih, -fam, -bar den Subflantiven auf -ung, 
-n18 und ben Diminutiven; mädchen-haft iſt uhd. erlaubt 
(ögl. $. 177.)5 fein ung-haft, dagegen find viele ungs-Los 
eingeführt worben. | 


- 


— 64 — 


6. 184. 


Uml aut tritt nur bei der Formel -Tich ein, aber nicht überall. — 
- 2eblos werdende zweite Wörter -Tih, -jam, -bar, -Baft, 
-felig, -mäßig bieten immer noch feine Unterſchiede. So find 
bie Begriffe von -Ith und -fam einander nahe liegend, ba fie 
beide eine Aebhnlichfeit ausbrüden; genauer genommen geht -fam 
mehr auf Siun und Charakter, -Iich mehr auf die äußere Natur 
der Sache. Ein Menſch kann friedfam, ein Thal aber nur 
friedlich heißen. | 

Anm Klopſtock (Mefflas 2, 27 in ber Quartausg. von 1755) hat 

friepfame Laube. | 


$. 185. 


Die Zufammenfebung von Subftantiven mit Adjectiven erläu- 
tert fich wiederum 1) durch ein Präpofitionenverhältnis;z 
2) durch ein appofitionelles; 3) durch ein cafuelles. Diefe 
Deutungen der Eompofition bezeichnen übrigens durchaus nicht ben 
wirflichen Urfprung derjelben aus ſolchen Verhältniffen, fondern follen 
gerade die Bielfeitigfeit und Gewalt des überall zu Grund liegenden 
Tompoſitionsvocals zu erfennen geben, was auch fchon oben 
bei den Subftantiven ($. 154) bemerkt wurde, 


$. 156, 


Bei dem Präpofitionenverhältnts kommen hauptfächlich 
die Präpof. in ober an, aus ober von in Betracht, jene bei allen 
Compoſitis, deren zweites Wort den Begriff von Haft und Feftige 
feit enthält, 3. DB. grund-fefl. Umgefehrt werden Ablöfung 
und Trennung durch die negativen Präpof. aus oder von beut- 
lich, z. B. freund-los; andere durch andere Präpof., je nachdem 
fie ſchon bei den einfachen Adjectiven zu flehen pflegen, 3.3, fugel- 
feft (wider), geld-gierig (nad), reife-mübe (von) !), bienft- 
willig (u). Maulfaul fagt Goethe (Bd. 1, ©. 140). 

Anm. 1. Fehlerhaft if die unechte Compoſ.todes müde bei A. Grün 

(d. Unbelannte): Müde, todes müde finkt er unter einen Blüthen⸗ 

baum. So fagt auch gleich fehlerhaft Zedlitz (d. flerbende Krieger) : 

In diefem Wäldchen warb ih todeswund. 


$. 187, 


Ein appofitionelles Verhältnis findet fih vorzüglich beider 
Bergleihung und Beſchreibung. Diefe Erklärung iſt hier 
weit anwenbbarer, als bei den Subftantiven ($. 170.), und findet. 
fih in zahlreichen Beifpielen, namentlich in Abjectiven für bie. Farbe, 
j. B. gras-grün, himmel-blau (wie das Gras, wie der Him⸗ 
mel), licht-hell, filber-blanf, eis-Falt u. a. 


R) 


x 
. . 
65 ’ 
. * 
* 


8 


- 


$. 188. 


Ein cafnelles Verhaltnis findet ſich wol minder oft als ein 
appofitionelles. Verſchiedne Adjective haben den Genitiv 
bei fih; werben fie nun mit einem Subftantiv eigentlich zufammen- 
geſetzt, ſo kann diefes-auch genitivifch gedeutet werden, z. B. leid- 
voll; andere regieren den Dativ, z. B. gleich, ähnlich, z. B. 
ahd. gota-lih, gottgleich, gottaͤhnlich. Den Accuſativ vermag 
kein Adjectiv an ſich zu regieren; ein zuſammengeſetztes aber, in dem 
noch die verbale Abkunft fortlebt, läßt accuſativiſche Deutung des 
vorſtehenden Subſtantivs zu, z. B. die mit -bar zuſammengeſetzten 
Subſtantive, wie fruchtbar u. a. 


vo. Verzeichnis nach dem erſten Wort. 


$. 189. 


atpauns, ahd. arapeit, Arbeit, davon: arbeit-fam, arbeit- 

voll. 

äiza? ahd. Era, Ehre, davon: ehr-bar, ehr-ſam; uneigentlich 
ehren-feft, ehren-voll. 

äugö, ahd. auka, Ange, nhb. nur uneigentlih: augen-Flar, 
augen-fcheinlich. 

Daur? ahd. bora, Gipfel, Höhe, iſt uhd. ansgeftorben und findet 
fih nur noh in: Bor-bühne, Bor-Firdhe für den obern 
Theil ver Bühne, Kirche, worin übrigens das zweite Wort ein 
Subftantiv if. Abd. und mhd. kommt es mit Adj. ver und 
entfpricht dann bem lat, nimis, d. 1. allzu, 3. B. bore-nütze, 
‚bor-senfte. u 

blöth, ahd. pluot, Blut. Nhd. flieht Blut bei verfchiebnen 
Adi. bloß verftärfend (intenfiv), d. h. an die eigentliche Beben- 
tung wird nicht mehr gedacht: blut-arm, biut-jung, blut-wenig. 

dags, ahd. taka, Tag, davon: täg-Tich. 

- däuthus, mhd. töt, Tod, davon: tod-krank, tob-reif. 

handus, Abd. hant, Hand, davon: hHand-feft, hand-greiflich, 
band-gemein. 

himing, abd.himil, Himmel, davon: Himmel-Blau, himmel- 


och. 

liut (abb.), Volk, davon: leut-kund. 

lithus, ahd. lida, Glieb, davbn: glied-lähm, glied Jaug, 
glied weich (Iychnis silvestris, Lichtnelke). 

man, ahd. mana, Menſch, Mann, davon: mann-bar, mann- 
haft, männ-Lich, mann⸗toll. 

maurthr, ahd. mört, Mord, davon: mord-böſe, mord-ſihwer. 

ragin, Maiht, Anfeben, davon: rein-taub, rein-tol, tein- 
en ſrũher noch regen-blind, d. h. ganz blind, auch Yegeh- 

rei) " 

Kehrein Grammatik. I. 2. 5. 


— 66 — 
stäins, ahd. stain, stein, Stein, davon: ſtein-alt, flein-reich 
(bei dem Gold wie Steine Tiegt?), flein-hart. In der Bolks- 
prache auch flein-müb (öftr.), flein-weh (fchweiz.) und 
flein-bein-treu, mutter-flein-allein. 
stock ift nhd. ſtock blind, flod-bürr, fiod-fremd, ftod-fleif, 
ock-ſtill, fioc-finfter (wie ein Stocd, Gefängnis). " Das Bolt 
I noch verftärkter fod-mauer-finfter. Ber einigen diefer 
Zufammenfeßungen muß auch an Stud, Stab gedacht werben. 
vundr? ahd. wuntar, Wunder, davon: wuander-groß, 
-berrlih, Hein u. a. 


6) Verzeichnis nach dem zweiten Wort. 


$. 190. 


dina, allein, aus der ältern Sprache feine eigentliche Compoſition 
mit diefem Adj. Nhd. mutter-allein und verflärft mutter- 
menfhen-allein, mutter-feelen-allein, mutter-felig- 
allein, mutter-flein-allein (ja öſtr. flein - bein-mutter- 
feliger-allein). Selig ift verberbt aus Seelen und die Redensart 
drüdt aus: Don Yedermann verlaffen, von jeder Seele, jedem 

Menſchen, den die Mutter geboren hat, folglich uneigentlihe Com- 
pofition mit dem Gen. Pur. Seelen. 


. arms, abd. arm, elend, davon: bettel-arm, biut-arm, kreuz- 


arm. 
bäitrs, bitter, davon: gall-bitter (uneigentlich gaflen-bitter), 
eiter-beifig. 


"beris? ahb. päri C-fer), meift abflracter Bedeutung, hervorbrin⸗ 


gend, davon: acht-bar, dank-bar, ehr-bar u. a., bezeichnet 
alfo die Möglichkeit einer Handlung. 

pläo (ahb.), blau, davon: blis-blau, himmel-blau. 

pleih-(ahb.), bleich, davon: afh-bleich, tod-bleich (fehlerhaft 
tobten-bleih), warhs-bleich. 

blinds, ahd. plint, blind, davon: ffaar-bIind, fiod-biind und 
verftärft ſtaar-ſtock-blind. 

bruns? braun, davon: nuß-braun (öſtr. Feflen-braun), | 

däuths, todt, davon: maus-todt, rader-todt, verflärft maus- 
rader-todt (und umgefeßt rader-maus-todt). 

farvs? ahd. varo, farb, davon: blut-farb, gras-farb u. a., doch 
in befchränfterem Gebrauch als mhd. 

fäst (angelf.), fefl, davon: baum-feft, bein-f., boden-f., ehren-f. 
(für ebr-f.), eifen-f., fauft-f., felfen-f. (für fels-f.), - grund-f., 
band-f., Fern-f., mauer-f., pickel-f., flein-f., wurzel-f. | 

feitr (altnord.), fett, davon; fped-fett, fihnede-f., fchlotter-f. 

mis, fremd, davon: land-fremd, Teut-fr., flod-fr., 
we — v 


— 67 — 


fris? frei, davon: vogel-frei (wie ein Vogel in ber Luft, den 

jeder ſchießen darf). | 

fulls, ahd. fol, voll, davon: gram-voll, jammer-v., pein-v., 
finn-v., verhängnis-v. Zur finnlichen Verftärfung dienen im 
Bolfspialeft: blind -voll, hagel-v., ſack⸗v., fpund-v., flern-v., 
ftern-hagel-v., bliß-flern-hagel-v. u. a. m. 

gilvs? ahd. kölo, gelb, davon: butter-gelb, ei-g., gallen-g. 
(für gall-g.), gold-g., honig-g., fafran-g., wachs-g. 

göds, gut, davon: grund-g., herz-g., fern-g., Freug-g., feelen-g. 
(für Be), wunder-g. - 

grä(ahd.), gran, davon: alter-gram, afch-gr., apfel-gr., efel-gr., 
eis-gr., Taß-gr. (Der Volksdialekt bietet noch kritzegrau und 

britzegrau.) 

.kruoni (ahd.), grün, davon: gras-grün, finn-gr., fban-gr. 

hafts, ahd. haft, Haft, angeheftet, davon: fehler-haft, frevel-h,, 

herz.eh., Tafter-h., glaub-b. u. a. In einigen nimmt-baft noch 
-ein ableitendes -ig an: Teib-haftig, theil-haftig. — Diefes 
-baft bezeichnet die Art und Weife eines Dinges als die Eigen- 
Kat ee andern: fohäler-haftz dann fo viel als befitend: 
erz3-baft. 

. hardus, ahd. hart, hart, davon: boden-hart, Fiefel-h., pickel-h., 
ftein-. — Aus dem Adi. entfprangen die ahd. und nhd. Eigen- 
namen: Engel-bard, Eber-barb, Geb-harb, Bern-hard (engil-h., 

“epur-h., köpa-h., pörn-h.), in denen fich das t in d erweicht hat. 
(Einige Gelehrte glauben, die Sylbe hard fei aus er entiprungen, . 
woran man ein t gefügt und endlich hard daraus gebildet habe, 
alfo Geber, Gebert, Gebhard.) 

häits? heiß, davon: glut-heiß, ofen-heiß. 

häuhs, hoch, davon: baumhoch, berg-b., himmel-h., thurm-b,, 
baus-b.; — zur Berflärfung, Abmeffung aber: baums-b. (mhd. 
diu sunne stät wol bovmes höh). 

hills? hell, leuchtend, davon: licht-hell, mond-b., flern-b;, 
fpiegel-b., tag-b., wafler-H. 5 tadelhaft: ferzen-h., ſonnen-h. 

hveits,ahd. huiz, weiß, davon: kreide-weiß, mebl-w., mild-w., 
ſchloſſenw., ſchnee⸗w., filber-w.; verſtärkt: fdhnee-milch-w., 
ſchnee⸗hagel⸗w. u. a. 

kalds, falt, davon: eis-Falt, fihnee-k., ſchweiz. gletih-H., 
befiiich eis-zapfen-E. 

kunths, fund, bekannt, davon: gau-Fund, Iand-E., ftabt-F., welt-F. _ 

läus, ahd. lös, los, befreit, davon: boden-los, ehr-L., end-L., 
grundel., herz-I., bilf-L. u. a. Unorganifh find: freuden-L, 
berrn-I., obren-L., fitten-I., und neben nam-los, forg-T. 
fogar. namen-I., forgen-IL. — Wieland (Ober. 1, 68) fagt 
auch noth-los (für unndthig). Ä 

‚leiks, ahd. lih, gleich, ähnlich, davon: ängſt-lich, bilp-L., 

brüber-I,, eid-L., eb-L., ehr-I.u.v.a. Der urfprüngliche Begriff 

ber Achnlichkeit Hat fih ſchon in der alten Sprache verloren 
’ | 5% 


U .68 — — — 


in bie mehrbeutige Allgemeinheit faſt einer bloßen Ableitungsſylbe; 
daher in einzelnen Fällen dialektiſches Schwanken zwiſchen Com- 
pofition mit -Tich und Ableitung mit -iſch. Nyd. feheiden ſich 
beive in der Bedentung; -ifch iſt dabei noch gehaltiofer als -Tich. 

- amb wol jenes, nicht diefes dient zu genitiviſchem Begriff. — 
Des nuhd. -ig für -Tih iſt $. 126 gedacht worden. — Das 
nbd. -Iich weckt in dem erxften einfylbigen Wort den Umlaut 
(augen, gaft-I., bei Fr. Schlegel, Karl und Roland, auch 
mannlich ftatt mannhaft); in zweiſylbigen zumellen: müt« 
ter-L., väter-I., jämmer-L., nicht überall: wunber-T., jugend-I., 
abend-I. — Goethe (1, 195) fagt auch: bie mondliche Helle 
ftatt die Helle des Mondſcheines. 

lihti (ahd.), Leicht, davon: feder-Teicht, vogel—-leicht. 

gamäinis, gemein, davon: hand-gemein. 

mötis? ahd. mäzi, angemeffen, mäßig, davon: funft-mäßig, 
pfliht-m., vedht-m., regel-m., gelet-m., fchrift-m., zunft-m.; in 
tabelhafter uneigentlicher Compofition: beiden-m., riefen-m,, 

volksem. m. a. 

möthis? ahd. muodi, mübe, davon: fampf-mübe, flret- 
müde. 

naqvaths, nadt, bavon: finger-nadt, mutter-n., pubel-n., 
puttel-n., fplitter-n.; früher noch: faben-n., fafel-n., fplinter-n., 
—— und verſtaͤrkt: fplitter-fafel-n., pudel-ſtabe⸗n. mutter- 
eele-n: 

nivis, neu, bavon: nagel-neu, niet-n., fpan-n.; verflärft: 
funfel-nagel-n., feuer-nagel-n., fplitter-nagel-n. (entflellt in 
fplitter-hagel-n.). — Der Dialekt zwifhen Mainz und Worms 

bat auch funkelreßneu. ’ 

garaihts, gerecht, paffend, davon: hand-gerecht, fchul-ge- 
recht, fchuß-gerecht. 

räuds, roth, davon: biut-roth, feuer-r., fuchs-r., glut-r., 
Hatich-r., platzer., fham-r., ziegel-r. Uneigentlich componiert find: 
firfhen-r,, rofen-r., feiden-r.; gefteigert: fuchs-feuer,r., 
plaß-feuer-r., blas-feuer-r, (von blas, Feuerbrand). 

sads, fatt, bavou: Haut-fatt (bis an die Haut). 

sams?ahd.sam, ähnlich, davon: acht-ſam, ehr-ſ., arbeit-f., fried-ſ., 
beil-f., lobe⸗ſ. (in lobe-ſan entſtellt), müb-f. u. a. — Ueber bie 
Bedeutung fiehe $. 184. 

sölis, mhb. swlec, gut, glücklich. Nhd. fcheinen alle Zufammen- 
feßungen mit ſelig gerecht, denen Fein Subftantivo auf -fal ent- 
fpricht, folglih: feinp-felig, fried-f., gott-f., glüd-f., Tent-f., 
red-|.; desgl. die adjectiviihen arm-f., bold-f.; tadelhaft aber 
bie aus fubftant. -fal entfpringenden: müh-f., ſaum-ſ., trüb-f. 

l. $. 31 


skarps? fcharf, davon: Haar-fharf, mefler-ih., morb-Tch. 
Kr (altf.), Ihön, davon: bild-fhön, engel-fd., wunder- 
n. 


⸗ 


—6 — 


snill Wr ſchn ell, davon: pferl-Fohnert, ſporn-ſch, vogel-ſch., 
wind- 

starh(ahd.), ſtark, kräftig, davon: baum- ſtark, glied-ſt., ftein-fl. 5 
uneigentlich find: bären-fl., riefen-fl. 

stille, ſtill, davon: feder-ſtill, grab-fl., mutter-R., mans-fl., 
nk ftod-fl.,wind-fl. Steigerungen find : mutter-maus-fl., bickel- 

aum-ft. 

stum (mhd.), ſtumm, davon: fiſch-ſtumm, ftod-flumm. 

gesunt (mhd.), gefund, davon: fifh-gefund, fern-gefund. 

sür (mhd.), fauer, davon: blut-fauer, eflig-f., mord-ſ., fren-f. 
(öfterr.). 

8varts, mhd. swarz, ſchwarz, davon: brand-ſchwarz, Feflel- 

ſchw., kohl-ſchw., peh-[hw., raben-ſchw.; gefteigert: Tohl-raben- 
ſchw., fobl-beer-raben-[hw., Eohl-pech-raben-[hw. 

suäri (abd.), [hwer, davon: berg-fchwer, blei-fchw., blut-fchw., 
centner-[hw., frucht-[hw., Frenz-[hw., gemwitter-[hw. 

suuosi, suozi (ahd.), füß, davon: Bonig-füß, meth-f., ſchlaf-ſ., 
zuder-f. 

triggvs, treu, zuderläffig, davon: felfen-treu, grund-fr., 
fern-tr., ſtein⸗tr.; gefleigert: flein-bein-treu, 

thaursus, ahd. durri, Dürr, froden, davon: bem-bürr, hund-b., 
fand-v., flein-d., zaun-d. 

dicchi (ahd.), did, davon: arm-dick, brett-b., faufl-b., knüp⸗ 
per; uneigentlih: arms-b., fpanne-d., wenn gemefjen werden 
of. 

varms, warm, davon: bad-warm, brüb-w., fub-w. (lan, 
wie gemolfene Milch), milch-w. 

väiks? ahd. weih, weich, davon: brei-weich, butter-w., feder-w., 
glied-w., Teder-w., fammet-w., windel-w. 

veisis? weife, erfahren, davon: nafe- weis (feines Geruches). 

veids? ahd. wit, weit, breit, davon: angel-weit, ellen-w., 
himmel-w. ; uneigentlich.: meilen-w., flunden-w.; verftärkt: fperr- 
angel-w. 

wilthis, wild, davon: feder-wild, fuchs-w., teufel-w.; ge- 
ſteigert: fuchs-teufel-w. 


— 


c) Subſtantiv mit Verbum. 
$. 19], 


Hier ift eine vierfache Zuſammenſetzung möglih: 1) Zufam- 
menſetzung des wirklichen Verbums mit einem Subſtantiv; 2) Zu 

fummenfegung mit dem Barticipium Präf.; 3) Zufammenfesung mit 
dem Partie. Präter.; 4) Zufammenfegung mit dem Snfinitiv. Hier⸗ 
bei: find zuvörderſt die. freieren Zufammenfeßungen des Nomens mit 
— Participien und dem bloßen Infinitiv von der Hauptfrage zu 
ondern. 


. 
— —— 70 — — — 
% 


1) In wie fern Tann das wirkliche Verbum mit 
einem Subftantio componiert werben? 


’ | $. 192. 


Die Regel muß dahin feftgeftellt werben, daß eigentliche Com⸗ 
pofita, deren erftes Wort Nomen, das zweite Verbum wäre, uner- 
Iaubt find. Wahrhafte Compofition läßt fih hier prüfen: a) an 
ihrem Haften durch Tempora und Modos; b) daran, daß bie Par- 
tifel ge- vor dem Worte flehen. muß, womit fie ſich verbindet, fei 
es einfach oder zufammengefeßt. ‚Beides läßt fih 3.2. bei wein- 
teinfen, nacht⸗ſchwärmen u. a. nicht anwenden. 


§. 193, 


Es gibt zwar eine Anzahl zufammengefehter Verba, welde die. 
- aufgeftellten beiden Kennzeichen aushalten, 3. DB. rathſchlagen, 
davon unbedenklich flattfindet: rath-ſchlaget, vath-Ichlagte, 
ge-ratb-Tchlaget. Allein alle folche Fälle ſetzen ein bereits eigent- 
ih componiertes Nomen als früher vorhanden voraus und find le⸗ 
diglich daher abgeleitet. Nicht das Verbum ſchlagen hat fih mit 
Rath verbunden, fondern das Subftantiv Schlag, und aus Rath. 
ſchlag ift weiter ein Verbum gebildet worden. 


$. 194. 


Die wichtigfien auf dem bezeichneten Wege entfprungenen uhd. 
Verba find: 

a) Shwadhe Berba von componierten Subflantiven ab- 
geleitet: Sries-gramen (ahd. gris-cramön, mhd. gris- 
gramen), her-bergen, rad-brechen (aber nicht eh-brechen), ver» 
thei-bigen, wett-eifern, hand-haben, hohn-lachen, wetter-Teuch- 
ten (für -Ieichen von läiks d. i. Spiel), muth-maßen, hof-mei- 
ftern, fchul-meiftern, hei-ratben, rath-fchlagen, brand-ſchatzen, 
buch-ftabieren, finn-bilden, fuchs-[chwänzen ß 

b) Schwache von componierten Adjeetiven geleitete 
Verba: Ableitungen von Adjectiven auf -Tich: Verherr-li⸗ 
Ken, verfinn-Lichen, verwirk-lichen. 

Anm. 1. Görres (Myſtik 1, 16. 168. 227) Hat die fonft nicht ge⸗ 
bräuchlichen Formen: Sie grundfeftet in der Gottheit; fie wirb Ns 
Kg rundveRet und gerichtet finden; fie grundveftete im 

Unm. 2. Die Sprache frheint zur Ableitung ſolcher Berba wenig geneigt. 
Die Urſache muß 2 Ai —* des —X geſucht Werben 5 
anzes Wefen ift Thätigkeit, entgegengefeht der Ruhe des Nomens. 

ei dem Nomen foll eben die Sompofttion bleibende Zufände im Aus⸗ 
drug feffeln. Das Verbum, nad Zeit und Modus regfam und bewegt 
übt einen viel zu manigfaltigen Einfluß auf das Nomen aus, als va 
er nicht durch afanmenfegungen follte gehemmt werben, Es wi be- 


| ſtimmie Cafus regieren. Die vage Allgemeinheit fubflantivifcher Com⸗ 
| pofition fagt ihm wicht zu. se Aus beit ſubſ ſch 


71 — 





2) Zufammenſetzung mit dem Partic. Präſentis. 
§. 195. 


In feiner adjectiviſchen Eigenſchaft kann dieſes Partic., gleich 
jedem andern Adjectiv, eigentlich componiert werden; ſeiner verbalen 
Natur wegen hat es aber auch mehr Befugnis, wirkliche Caſus zu 
regieren, als irgend ein bloßes Nomen, dem noch verbaler Urſprung 
eingeprägt iſt. Es verſteht ſich aber von ſelbſt, daß Feine Zu- 
fammenfegung mit dem Partic, Präfent. auf andere Modos und 
Tempora zu fchließen berechtigt. NHd. Formeln find -bringend, 
-nährend, -Rillend, -tragend: Friede-br., frucht-br., heil- 
br., Iicht-br., qual-br., fegenbr., geifl-n., fhmerz-n., blut-ft., vurfi-ft., 
hungerft., frudht-tr., Teid-tr. u. a. Außerdem noch: Tiebe-ath- 
mend, hals-brechend, fleifch-freffend, nahrung-fproffend, Teben-buf- 
tend, rache⸗-glühend, rache-chnaubend, feuer-fangend, feuer-fpeiend, 
bfut-triefend, freude-tödtenn, herz-zerreißend; die Dichter wagen 
noch andere, 

Anm. Bürger (Borrede f. Ged. 1778) fagt: die verstünftelnden 

Zeitgenoſſen; A, Grün (Frühlingsgedanken) fagt heimatglühend. 


3) Zufammenfehung mit dem Partie. Präteriti. 
$. 19, 


Die hochd. Dialekte älterer Zeit (goth., abb., mhd.) kennen ber- 
gleichen Zufammenfetungen nicht oder doch nur in fehr geringer Zahl. 
Sm Neuhochd. haben wir daran einen großen Lieberfluß, den wir 
aber erft den Dichtern feit etwa 1750 verdanken; bie fchlefifchen 
wagten nach nicht fo zu componieren. (Bergebens fträubt ſich noch 
Adelung, Lehrgebäude 2, ©. 25 dagegen, obwol er einige aner- 
fennt.) Was der hochdeutfchen Mundart fremd geworden, nicht völ⸗ 
fig unbekaunt war, was fich in der Poefie der verfchwifterten Stämme 
(angelf., altnord.) deutlich entfaltet hatte, durfte auch unfrer neuge- 
Löten Zunge angemuthet werben, und heutzutage Flingen Zufam- 
menfeßungen wie folgende durchaus nicht undeutti: Staub-ge- 
boren, jchiff-befahren, born-geflochten, meer-umfloffen, gott-erge- 
ben, fluch-beladen, qual-entladen, gold-beichlagen, gold-verbramt, 
wonne-trunfen, gras-bewachfen, Iand-verwiefen, mons-bededt, ruhm- 
bedeckt, biut-befledt u. a. 

Anm. Gewöhnlich werben fie ſich durch die Präpof. von, mit, aus 
ertlären; felten vurh ein bewegendes an, in, wiewol an fih nichts 
dawider ftritte. — Es dürfen übrigens feine neue nüchtern erfunven 
werben, und ihre Anwendung muß überhaupt Maß halten. So werven 
fpurverlornes Wittern und stelbei@mingter Pfeil aus der 

„Maria von Medici“ von 3, 2. Klein (Berlin 1841. 42) in N. 30 

der ‚‚Zahrbücher für wiffenichaftliche Kritit’ Februar 1843 mit Redt 

gerügt. — Goethe (1, 52) fagt auch taaverfchloffen, Wieland 

(Ober. 1.) luſtvermengt. Zablreich find Beifpiele bei neuern Dich 

tern. In einigen Gevichten Freiligraths fleben: fhlafbefangen, 

fiywertbewaffnet, mondbeſitrahlt, fehlammgefüllt, fanpgeformt, ſchlacht⸗ 


- 


m — 


erüftet, goloumreift. — A. Grün fagt: Lampfaerbrochnes Schwert 
a und pfeilbefhwingter Lauf (Nartinsrwand). Tadels 
baft if es, das Partic. mit der Pluralform des Subflant. zu compo⸗ 
nieren, wie von Sprachunkundigen geſchieht, z. B. zuhne betwafinet, 
blumen⸗ bekränzt, wogen-umflutet. Höchſtens gienge das plurale -er 
in die Zuſammenſetzung ein ($. 182). Man bemerke, wie (mit Aus⸗ 
‚nahme von liebe-trunfen, wonne-trunten) alle dieſe Compoſita die Par⸗ 
titel ge -, oder eine andere, die das ganze Verbum zufammenfebt, 
vor dem zweiten Worte haben und wie fie fi dadurch von den aus 
zufammengefesten Subftantiven erwachfnen Berbis ($. 193) unterfchei- 
den, deren ge- feine Stelle vor dem erfien Worte nimmt, 


4) Zufammenfetung mit dem Jufinitiv. 
' S. 197. 


Wie der Infinitiv ſubſtantiviſch gefeht werbe, hat die Syntax. 
auszuführen, hier ift bloß von feiner, alsdann thunlichen Compoſi⸗ 
tion mit Subftantiven die Rede, Was von ıhm gilt (fe er nun 
Nominativ oder Aceufatio) muß auch von feiner Genitiv» und Da- 
tioform behauptet werden, d. h. dieſe Cafus nehmen eine Flexion 
an, die freilich nur am Genitiv Kar hervortritt. 


, $. 198, 


Dem wirflihen und ganzen Berbum wurde oben ($. 192) die 
eigentliche Compofitionsfähigfeit abgeſprochen. Dem Infinitiv feiner 
fubftantisifchen, wie den Participien ihrer adfectivifhen Natur bal- 
ben ($. 195), muß fie zuerfannt werben. Nur darf nicht (wie 
6. 195 bereits bemerft worden) aus jedem gangbaren Compofitum 
mit Participien auf analoge mit dem Infinitiv gefchloffen werden. 
Nhd. fagen wir: Eh-brechen, Blut-vergiefen, DBlei-giefen, Haus- 
halten, Athem-holen, Keder-Iefen, Feld-meffen, Theil-nehmen, Dank- 
fagen, Luft-[chöpfen, Waffer-tragen u. a., in welchen allen wirkliche 
Accufative ſich uneigentlih mit dem Infinitiv mögen verbunden ha⸗ 
ben, früher gar Feine Compofition ftattfand und noch jest öftere 
Auflöfung eintritt, 3. B. wenn ein Adjectiv vorgefebt wirb: Un⸗ 
ſchuldiges Blut vergießen, oder das Subftantiv Hinter das Verbum 
rückt: Ich vergieße Blut. 

Anm. Nur fleht nicht mit Beftimmißeit zu behaupten, daß hier Überall 

“teine eigentlihe Compofttion zu Grunde liege. Da wo veutlicke Acc. 

Plur. an das Berbum ftoßen, 3. B. Kränze-winden iſt höchſtens un“. 

eigentliche, nie eigentliche Compofition annehmbar. Präpofitionelle Com⸗ 


poftta laſſen fich wenige beibringen, 3.3. das Blatt-pfeifen (auf d. Bl.), 
des Blatt-pfeifens. ' 


B. Subſtantiviſche uneigentlide Compofition, 
$.. 199, 


Die uneigentlihe Zufammenfegung iſt nie urſpruͤnglich, viel 
mehr überall erfi aus einem dem zweiten Wort unmittelbar voran. 


v 


De Cu Ind 


N 73 m 


ſtehenden Caſus allmälich hervorgegangen (6. 150). Die uneigent- 
Iihen Compofita find ein völliger Gegenfab zu den eigeptlichen. 
Diefe zeigen Feine Flexign im erſten Wort, die umeigentlichen zeigen 
fie immer und nothwendig. Die eigentlichen gründen fich anf dem 
Compoſitionsvocal, der freilich in der fpätern Zeit verfrhwindet; bie 
umeigentlichen können ihn nie, ſelbſt in der älteften Zeit nicht haben. 


$. 200. 


Die eigentlihen Compoſita bringen eine allgemeine, vielfeitige, 
neue Bedeutung hervor, die uneigentlishen. beruhen auf dem engen 
und beflimmten Sinn, den die Conftruction enthält, aus welcher fie 
erwachſen find. Inſofern jedoch das erſte Wort nach und nad) der 
Conftruction entzogen wird und die Compofition zu Stande fommt, 
kann ſich auch fein Begriff einigermaßen ändern und die uneigentliche 
Compoſition nahe an die eigentliche treten. 

Anm. Im Goth. braucht noch böchſt felten uneigentliche Zufammenfebung 
angenommen zu werben; im Rhd. iſt fie weit gangbarer ale im Myd. 
und Ahd. Unter allen uneigentlihen Compofltionen fine vie genitivi⸗ 
ſchen die wichtigften und zahlreichſten. Manchmal ſteht die Wahl zwi⸗ 
fhen. Compofition und loſem Eafus frei. 3. DB. Görres (Myſtik 
1, 432, 434). fagt: Aus Waldes Dunkel Inmen dann. die. Vögch; 
— bald drangen. aus Waldesnunfel Tpiere auf fie ein, 


a) Subflantin mit Subflantiv. 
$. 201. 


Hier kommen zwei Caſus in Betracht, die ein Verhältnis des 


erſten Wortes zum zmeiten begründen, der Genitiv und der Arcufa- 
tiv. Der Nominativ kann überhaupt nicht von einem andern Sub- 
flantiv abhängen, der Dativ nur in wenigen Fällen, wo dem Sub⸗ 


Rantiv noch die Kraft eines Adjectivs oder Partieipiums beiwohut. 


1) Genitivifhe Zufammenfegung. 


$. 202, . 

Im Goth. ſteht der Genitiv faſt immer nad dem Subflantiv, 
das ihn regiert. Im Ahd. ift die Vorſetzung des Genitivs jo an 
ber Ordnung, baß beffere Ueberſetzer (namentlih Iſidor und Ta⸗ 
tian) die Stellung: des- Iateinifchen Textes umkehren Im MH, wird 
ber vorſtehende Genitiv zwar häufiger als im Ahd. vom Artifel be» 
gleitet, behanptet aber aush ohne diefen feine freiere Stellung und 
braucht nicht zum folgenden Subftantio gefchlagen zu merden, Im 


"Npd. darf der Genitiv in der Negel nur dann varausgehen, wenn 


er von. einem Adjectiv oder Pronomen (Artifel) begleitet iſt: Aller 
Menfchen Leben; des Geiftes Kraft; eines Engels Stimme. 


-_ 


— 74 — 


$. 203. 


8 
Ohne das eben bemerkte Geleit ſteht der Genitiv ausnahms⸗ 
weiſe voran: 

a) bei Eigennamen: Schillers Werke; 

b) bei einigen andern Subftantiven, welche gleich den Eigennamen 
feinen beflimmten Artikel vor ſich leiden, namentlih Gott: 
Gottes Sohn, Gottes Ehre. 

c) Bei den Subftantiven auf -er, welche aus Ortsnamen gebil- 
bet. werden, tritt der Genitiv Pur. (nicht Sing.) unzufammen- 
gefett vor das ihn regierende Wort: Frankfurter Geld, Nürn- 
berger Waaren. 

d) Für einzelne Redensarten: Frühlings Anfang. 

Anm. Zumellen ſteht auch ver Gen. vor dem durch eine Präpoſ. regier⸗ 
ten Worte, } B. Ob mir, durch Geiſtese Kraft und Mund, nidt 
manch Geheimniß würde fund, Goethe Kauft 1. 


$. 204. 


In allen andern Fällen ift der vorausgehende Genitiv an bas 
Subſtantiv gewachlen !), von welchem er abhängt, d. h. wirkliche 
(uneigentliche) Compofition eingetreten. Die Haupturfache der Com⸗ 
pofition liegt in dem Nomenwerden. Zwei Subflantive in ber 
bier abgehandelten Stellung, zur Benennung von Land, Leuten, Thie⸗ 
ren 2c. dienend, Tehren fo häufig wieder, daß ihre urfprünglich le⸗ 
bendige Bedeutung erbleicht, ihre urfprünglich freie Eonftruction in 
nneigentliche Zufammenfegung verwächft, d. h. der vorſtehende Geni- 
tiv Feine Stelle nicht mehr verlaffen kann. 

Beiſpiele, wo fie fhon im Ahd. und Mhd. möglich war: 

a) Länder u. Derter: Sranfen-Iand —S 
Däne-mark (mhd. tene-marke), Königs-berg (mhd. küniges-berc), 
Sranken-berg, Manns-feld, Thüringer-wald, Reinharts-wald. 

b) Perfonen: Winds-braut (ahb. windis-prüt, mhb. win- 
des-brüt), Kriegs⸗mann, Rönigs-john, Wirts-frau, Kriegs-gott, _ 
Stüds-Eind, Teufels-ferl, Himmels-bote, 

c) Benennungen ber Volksſprache, für manche Infecten, 
3. B. die Libelle heißt Drachen-hure, Pfaffen-köchin. 

d) Pflanzennamen, wiederum meift unter dem gemeinen Volk: 
Bären-Flau, Hahnen-fuß, Katzen-ſchwanz, Löwen-zahn, Pfaf- 
fen-but, Teufels-Mau, Wolfs-mild. - 

e).- Theile von Thieren: Wolfs-zahn (mhd. wolves-zan), 
Hahnmen-feder, Hahnen-kamm, Ralbs-fell, Hunds-nafe, Löwen- 
herz, Ochien-fel, Schwanen-feder, Schweins-Ieber, Gänfe-Ie- 
ber, Kalbs-füße, Enten-füße, Kalbs-braten u. a. 

f) Theile von Pflanzen: Kinden-blatt (mhd. linden-blat), 
Ta Samen-forn, Trauben-Lern, Trauben-faft, Schier- 
Iings-faft. ' 


— — —- 


— 7 — 


g) Bei Kleidungsſtücken waren uhd. bei fremden Stoffen 
ſolche Genitive zuläffig, 3. B. scharlaches-hosen, samttes-men- 
telin. Nhd. fagen wir: Sammet-rod, Scharlach-Meid, ver- 
muthlich weil diefe Wörter laͤngſt eingewohnt und wie andere 
deutſche zu behandeln find. 

h) Geräthe: Hoſen-ſchnalle (mb. hosen-nöstel), Pfannen- 
fiel (mhd. fagte man der pfannen stil). | 

i) Zeitverhältnis: Sommers-zeit (mittelhb. sumeres-ztt), 
Sahrs-tag, Gerihts-tag, Abſchieds-tag, Jahre-zeit, Tags-zeit. 

k) Vermifchte Fälle, in denen die Hänfigleit des Gebrauchs 
Eompofition fann gewirkt Haben: GTüds-rad (mhd. gelückes- . 
rat), Müpl-rad, Todten-kopf (Todten iſt Gen. Sing. von: ber 
Tobte), von Kinds-beinen, Harfen-Ihlag, Brüden-Ichlag, Bluts 
tropfe, Menfchen-heil, Helfers-helter, Henfers-hand, Rävels- 
führer, Narren-feil, Galgen-gefindel, Handwerks-knecht, Schiffs- 
a Geleits-mann, Teufels-Iärm, Dieeres-wogen, Lebens- 

pflicht u. a. 

Anm. gen davon ift, daß die alleinſtehend veraltete ſchwache Geni⸗ 
tioflerion fortdauert, fet es nun für einzelne Zälle des Genit. Singul. 
masc., ober für den Gen, Sing. fem. und neutr. insgemein, 3. B., 
Hahnen⸗ kamm, Sonnen-wärme, Augen-blid, da wir jet veclinieren: 
des Hahns, der Sonne, des Yuges. 

$. 208. 


Beifpiele nhd. Compofita, wo früher der Iofe Genitiv ſtattfand: 
Hungers-noth, (mhd. hungers nöt), Feuers-noth, Waflers-noth, 
Kriegs-noth, Todes-noth, Helvden-tHat, Weibs-bild, LBeibs-name, 
Manns-Fraft, Manns-perfon, Manns-bild, Manus-name, Engels- 
flimme, Wirts-haus, Rathe-here, Raths-Feller, Landes-fürft, Todes- 
firafe u. a. m. — Nur kann man auge nicht jedes mhd. Subflan- 
tiv mit feinem Genitiv voran in ein uhd. uneigentliches Compofi⸗ 
tum verwandeln. 


Bemerkungen 
zu der genitivifhen Compofition überhaupt. 
$. 206. 


Jede, ſtarke oder ſchwache, Genitioform Sing. ober Plur. kann 
dabei vorfommen. Aus der Unbeflimmtheit der Endung -en erflärt 
fih, warum fie gerade in manchen Wörtern an die Stelle eigentli- 
der Compoſition getreten ift ($. 178. 208, b). Uneigentlihe Com⸗ 
pofita mit dem Genitiv Sing. fem. lehrt der Umlaut nur dann er- 
Tonnen, wenn zugleich die Bedeutung Feine eigentliche geftattet, 3.2. 
Bänfe-fuß, Sante Sant, Mäufe-zahn, wogegen Bräuti-gam, Nachti- 
gall eigentlich zufammengefeht find. Compoſita mit pluralifhem -er 
ind meift für wmeigentliche zu halten, 3. B. Bilder-bienfl, Kier- 
ſchale, Geifter-befchwörung, da in ber Regel dieſes -er nicht im 
die Zufammenfetung mit eingeht ($. 176. 182). 


. — 1 — 
$.. 207. 


Der Unterſchied zwiſchen eigentlicher und nneigentlicher Zufam- 
- menfeßung berußt nicht allein in der Form, fonvern auch in der 
Beveutung beider, Die eigentliche foll- einen unbeftimmten, fonft 
‚nicht (mit zwei Worten allein) faßbaren Begriff ausprüden; die un- 
eigentliche, aus wörtlicher Genitivrection erwachfen, beſchränkt fich 
auf ihren beſtimmten Sinn ($. 200). Beide Arten flehen einander 
im denfelben Wörtern oft entgegen und dürfen nicht willfürlich ver⸗ 
taufcht werden. Bol. nhd.: Wind-mühle, Winds-braut; Lfel- 
tretber, Eſels⸗ohr; Donner-frahl, Donners-tag; Land-adel, Lan- 
des-herr; Rand-mann, Lands⸗mann; Tag-flern, Tags-licht; Feuer- 
taufe, Feuers⸗noth; Waffer-noth, Waflers-noth ($. 159, 3); Amt- 
mann, Amts-biener; König-reich, Königs-berg; Brunn-quell, Brun- 
Den rand; Thor-heit, Thoren-Heid; Kirch-hof, Rirchen-verfamm- 
ung: \ 
"Anm. Alle eigentlihen Zufammenfeßungen Taffen fih nur felten geni« 
tiviſch umfchreiben, faſt alle uneigentlichen geradezu in das Subftantiv 
mit- nachfiebenbem Gen. umfeben, 3. B. Zags-Tiht if gleichuiel 
mit Licht des Tages. — Durch den Eintritt wirklicher Compofltion - 
verliert ver. Begriff allerpings Einiges von feiner Beſtimmtheit und je 
mehr er die Natur eines Eigennamens anzieht, deſto weiter entfernt er 
fih aus dem genitiv. Verhältnis, z. B. für Königs-berg läßt fi 
nicht fagen Berg des Königs. — Daß vie uneigentlihe Zufams 
menfeßung bisweilen etwas Anderes austrüdt, als der loſe Gents 
tin, it leicht wahrzunehmen, 3. B. Herrn-tifeh beveutet den für 
Evelleute, der Zifh des Herrn aber den Altar, Die Pfarren, fagt. 
Lichtenberg, bauen den Ader Gottes, die Aerzte den Gottes-ader. Der 
freie Genit. ſcheint etwas Edleres an ſich zu haben (Bol. $. 333, 2). 


$. 208, 


Berührung und Mifchung beider Compofitionsarten, ber eigent-. 
lichen und uneigentlichen, erfolgt entweder auf natürliche Weife, da, 
wo ihre Grenzen aneinander floßen, oder unorganifch durch Ver⸗ 
wirrung ber Formen: 

a) In ber älteren Sprache wird zumeilen zwilchen beiben, d. h. 
eigentliher Compofition und freier Genitivſetzung (uneigentlicher 
Eompofition) die Wahl gelaffen ohne einen merflichen Unter 
fchteb der Form, 3. B. ahd. himil-rihhi und himilö rihli, mhd. 
stein-want- und steines want. Die geringere Freiheit des Ge⸗ 

. » nitios hindert nhd. feine Züge der Bedeutung und bie wirklich 
eingetretene uneigentliche Compofition bleibt auf die Fälle be⸗ 
fchräntt, für welche fie eingeführt wurde; nicht Leicht finden: 
ſich eigentliche und uneigentliche Compofition in den nämlicdren 
Wörtern neben einander, alfo nit Himmel-reih und Him⸗ 

. mels-reich; letzteres muß umgefegt werben in: das Reich 
des Himmels, 

"p) Unorganiſche Berwechflung beider Arten. Eigentliche 
flatt uneigentlicher ift felten,. weil gegen ben beflimmten 


‘ 


— 7 — 


Begriff der unbeflimmte kaum auffommt: Regen-tropfen, Waf- 
fer-tropfen für Regens-tr., Waffers-tr., wie ſchon das analoge 
Bluts-tropfen und das ahd. rögenes tropfo lehrt ). Un—⸗ 
eigentliche flatt eigentliher ift mbo. und uhd. ziemlich 
häufig, und es fcheint dabei ein formeller Grund gewirkt zu ha- 
ben. Seitdem die Flexion - en nicht bloß die Genitive -in, -ün, 
-nd, fondern auch die übrigen obliquen Caſus Schwacher Declina⸗ 
tion vertrat, verlor ſich immer mehr bie alte Beflimmtheit, und 
ba nur noch der Nominativ Sing. ohne — n vorkam, fo gewöhnte. 
man fi in dem -en weniger eine Flexion, ale einen Dekan» 
theil des ganzen Wortes zu erbliden?). Diefes -en hielt man 
nun aud in der Eompofition feR: Blumen-Forb, Sternen- 
himmel (Goethe 1, 60) neben Stern-himmel, Gnaden-pforte, 
Sreuden-fefl, Schneden-Lreis, Flammen-bildung, Gloden-ton, 
Dinten-faß, Fliegen-neb, Fürften-tum u. a. m. Cinige Fälle 
fönnen aber mit Recht uneigentlih componiert fen: Rofen- 
blatt, Linden-blatt ($. 204, f.), was durch Wein-blatt 

. wicht widerlegt wird, indem Roſe und Linde das Gewaͤchs anzei- 
gen, nicht Wein, daher Weinfods-blatt gefagt werden müßte’), 

Anm. 1. Andere Beifpiele eigentl. Comp. flatt uneigentL ſind 
noch: Feuer-flamme, Feuer-funlen (f. Feuers-fl.,.mhb. viu- 
res flamme, viures. vunke); Senf-korn (f, Senfs-t., abd. senefes- 
chorn). Tadelhafter find: Mond-fhein (neben Sonnen-fihein), 
Mond-tag, Sonn-tag (ahd. mänin tac, sunndn tac, mhd. ſchon 
män-tac), und gar Frant-furt, Frant-reih (f. Franten-f.) ne⸗ 
den’ der richtigen Form Sranten-berg, Franten-thatz gleich 
als dürfte man Heff-Iand, Sahes-Tand fagen. 

Anm. 2. Befätigt wird dies namentlich durch den nhd. theilweifen Ein- 
teitt des -en in den Rom. Sing. masc., wie bei: Bog-en, Bull- 
en, Funk-en u. a. 

Anm. 3. Sehlerhafte uneigentl. Comp. mit erftem flartem Subfl. find 
ebenfalls verfchiedentlich gangbar geworden, 3. B. die mit Bolts- 
flatt Bolt-: Bolts-thum, Bolts-lien; der Begriff iR wol weniger ein 
ed des Volkes, ald ein unter dem Volke umgehendes. | 


$. 209. 


Einzelner Verderbniffe ungeachtet dauert im Ganzen die richtige 
und notbwendige Unterfcheidung zwiſchen eigentlicher nnd uneigentli⸗ 
cher Zufammenfeßung bis auf den heutigen Tag fort. Mit Ben 
kennung jeder derfelben wurden umbefugte, hoffentlich erfolgloſe Ans 
griffe gegen das genitiviſche -8 gerichtet, eingebildeten Wollaut zu 
gefallen, befonders von Jean Paul, ber ung ein: Reich-forft, 
Zeufel-glieder, Zeitung-träger, einfhaltung-weife 
n. a. m. aufbringen wollte. (Bgl. 330 f.) 

2) Zufammenfegung mit bem Accufativ. 
$. 210, 


Bei oberflächlichen Betrachtung iſt man leicht darauf gerathen, 
bas erfle Wort vieler Compoſita, deren zweites aus activen, ben 


. 
— — — 70 — ——— 
% 


1) Zn wie fern Tann das wirkliche Verbum mit 
einem Subflantiv componiert werben? 


| $. 192, 


Die Regel muß dahin fefigeftellt werden, daß eigentliche Com⸗ 
poſita, deren erfles Wort Nomen, das zweite Verbum wäre, uner- 
Yaubt find. Wahrhafte Compofition läßt fih hier prüfen: a) an 
ihrem Haften durch Tempora und Modos; b) daran, daß die Par- 
tifel ge- vor dem Worte flehen. muß, womit fie fich verbinvet, fei 
es einfach over zuſammengeſetzt. Beides läßt fih 3.2. bei wein- 
trinfen, nacht-ſchwärmen u. a. nicht anwenden, 


§. 193, 


Es gibt zwar eine Anzahl zufammengefeßter Verba, welche die. 


aufgeſtellten beiden Kennzeichen aushalten, 3. B. rathſchlagen, 
davon unbedenklich flattfindet: rath-ſchlaget, rathaſchlagte, 
ge-ratb-[chlaget. Allein alle folche Fälle ſetzen ein bereits eigent- 
lich componiertes Nomen als früher vorhanden voraus und find le⸗ 
biglich daher abgeleitet. Nicht: das Verbum Schlagen hat fi mit 
Rath verbunden, fondern das Subftantiv Schlag, und aus Rath— 
flag ift weiter ein Verbum gebildet worden, 


$. 194. 


Die wichtigfien auf dem bezeichneten Wege entfprungenen uhd. 
Berba find: 

a) Shwahe Berba von componierten Subflantiven ab- 
geleitet: Ories-gramen (ahd. gris-cramön, mhd. gris- 
gramen), ber-bergen, rab-brechen (aber nicht eh-brechen), ver- 
thei-digen, wett-eifern, hand-haben, hohn-lachen, wetter-Teuch- 
ten (für -Teichen von läiks d. i. Spiel), muth-maßen, hof-mei- 
ftern, fchul-meiftern, hei-rathen, rath-Ichlagen, brand-chaten, 
buch-ftabieren, finn-bilven, —— 

b) Schwache von componierten Adjectiven geleitete 
Berba: Ableitungen von Adjectiven auf -Tich: Verherr-li⸗ 
Ken, verfinn-Lichen, verwirk-lichen. 

Unm. 1. Görres (Mpyfit 1, 16. 168. 227) Hat die fonft nicht ges 

bräuchlichen Formen: Sie grundfeftet in der Gottheit; fie wird ds 
won gegrundoeſter und gerichtet finden; fie grundveftete im 


Anm. 2. Die Sprache feheint zur Ableitung folder Berba wenig geneigt. 
Die Urſache muß in der Natur des. Berbums gefucht werben. Sein 
ganaee Weſen iſt Thätigkeit, entgegengefegt ver Ruhe des Nomens, 

ei dem Nomen ſoll eben die Compoſinion bleibende Zuſtände im Aus⸗ 
drud feſſeln. Das Berbum, nad Zeit und Modus regfam und bewegt 
übt einen viel zu manigfaltigen Einfluß auf das Nomen aus, als da 
er nicht durch fammenfeßungen folte gehemmt werden. Es will be= 
flimmte Cafus regieren. Die vage Allgemeinheit fubflantivifcher Com⸗ 
pofition fagt ihm nicht zu. 


‘ 


— — de — 


— 71 — 


2) Zuſammenſetzung mit dem Partic. Präſentis. 
§. 195. 


In ſeiner adjectiviſchen Eigenſchaft kann dieſes Partie., gleich 
jedem andern Adjectiv, eigentlich componiert werden; feiner verbalen 
Natur wegen hat es aber auch mehr Befugnis, wirkliche Caſus zu 
regieren, als irgend ein bloßes Nomen, dem noch verbaler Urſprung 
eingeprägt iſt. Es verſteht ſich aber von ſelbſt, daß keine Zu- 
ſammenſetzung mit dem Partic. Präfent. auf andere Modos und 
Tempora zu fchließen berechtigt. Nhd. Formeln find -bringenbd, 
-nährendp, -flilfend, -tragenb: Friede-br., frudht-br., heil- 
br., Ticht-br., qual-br., fegenbr., geif-n., fchmerz-n., blut-fl., vurft-fl., 
hungerfl., frucht-tr., leidetr. u. a. Außerdem noch: Tiebe-ath- 
mend, bals-bredend, fleifch-freffennd, nahrung-fproffend, Teben-buf- 
tend, vache-glüßend, rache-ſchnaubend, fener-fangend, feuer-fpeiend, 
bfut-triefend, freude-töbtend, herz-zerreißend; die Dichter wagen 
noch andere. Ä 

Anm, Bürger (Borreve f. Ged. 1778) fagt: die verstünftelnden 

Zeitgeioffen; A. Grün (Frühlingsgedanken) fagt heimatglühend. 


3) Zufammenfebung mit dem Partic, Präteriti, 
$. 196, 


Die hochd. Dialekte älterer Zeit (goth., ahd. mhd.) kennen der⸗ 
eichen Zufammenfegungen nicht oder doch nur in fehr geringer Zahl. 
Im Neuhochd. haben wir daran einen großen Ueberfluß, den wir 
aber erſt den Dichtern feit etwa 1750 verdanken; die fchlefiichen 
wagten noch nicht fo zu componieren, (Bergebens firäubt fich noch 
Adelung, Lehrgebäude 2, ©. 25 dagegen, obwol er einige aner- 
fennt.) Was der hochdeutfhen Mundart fremd geworden, nicht völ- 
fig unbefanut war, was fich in der Poefie der verjchwifterten Stämme 
(angelf., altnorb.) deutlich entfaltet hatte, durfte auch unfrer neuge- 
löften Zunge augemuthet werben, und bentzutage Elingen Zuſam⸗ 
menfeßungen wie folgende durchaus nicht undeutti: Staub-ge- 
boren, fhiff-befahren, dorn-geflochten, meer-umflofien, gott-erge- 
ben, fluch-beladen, qual-entladen, gold-beichlagen, gold-verbrämt, 
wonne-trunfen, gras-bewachfen, Iand-verwiefen, moos-bededt, ruhm- 
bedeckt, blut⸗befleckt u. a. 
Anm. Gemwöhnlih werben fie fih durch die Präpof. von, mit, aus 
erflären; felten vurh ein bewegendes an, in, wiewol an fi nichts 
- damwiver ftritte. — Es dürfen übrigens feine neue nüchtern erfunden 
werben, und ihre Anwendung muß überhaupt Maß halten. So werden 
fpurverlornes Wittern und zielbefhwingter Pfeil aus der 
„Maria von Medici’ von 3. %. Klein (Berlin 1841. 42) in R. 30 
der „Jahrbücher für wiffenfchaftlihe Kritik“ Februar 1843 mit Recht 
gerügt. — Goethe (1, 52) fagt au tagv erſchloſſen, Wieland 
(Ober. 1.) Juftvermengt. Zahlreich find Beifpiele bei neuern Dich 
tern. In einigen Gevihten Freiligraths fleben: fchlafbefangen, 
fihwertbewaffnet, monpbeftrahlt, fchlammgefüllt, ſandgeformt, ſchlacht⸗ 


- 


> — 
— 72 — 
x 


erü goldumreift. — A. Grün fagt: kampfzerbrochnes Schwert 

und pfeilbefhwingter Lauf Martinswand). Tadels 
haft ift es, das Partie. mit der Pluralform des Subftant. zu compo⸗ 
nieren, wie von Sprachunkundigen geſchieht, z. B. aäpne bewaffnet, 
blumen-befränzt, wogen-umflutet. Höchſtens gienge das plurale - er 
in die Zufammenfeßung ein ($. 182). Man bemerle, wie (mit Aus» 
nahme von liebe-trunfen, wonne-trunten) alle dieſe Compofita Die Par⸗ 
titel ge, oder eine andere, die das ganze Verbum zufammenfeßt, 
vor dem zweiten Worte haben und wie fie ſich dadurch von ben aus 
zufammengefegten Subftantiven erwachfnen Berbis ($. 193) unterfchei- 
den, deren ge- feine Stelle vor dem erfien Worte nimmt. 


4) Zufammenfetung mit dem Jufinitiv. 
' §. 197. 


Wie der Infinitiv ſubſtantiviſch gefeut werbe, bat die Syntax 


auszuführen, bier ift bloß von feiner, alsdann thunlichen Compofi- 
tion mit Subflantiven die Rede, Was von ihm gilt (fei er nun 
Nominativ oder Aceufatio) muß auch von feiner Genitiv- und Da⸗ 
tioform behauptet werden, d. h. dieſe Eafus nehmen eine Flexion 
an, die freilich nur am Genitiv Har hervortritt. 


$. 198, 


Dem wirklichen und ganzen Berbum wurbe oben ($. 192) bie 
eigentliche Eompofitionsfähigfeit abgefprochen. Dem Infinitiv feiner 
fubftantisifchen, wie den Participien ihrer adjectivifchen Natur hal 
ben ($.. 195), muß fie zuerfannt werden. Nur darf nicht (wie 
$. 195 bereits bemerkt worden) aus jedem gangbaren Compofitum 
mit Participien auf analoge mit dem Infinitiv gefchloffen werden. 
Nhd. fagen wir: Eh-brechen, Blut-vergießen, Blei-gießen, Haus- 
halten, Athem-bolen, Feder-Iefen, Keld-meffen, Theil-nehmen, Dank- 
fagen, Luft-fchöpfen, Waffer-tragen u. a., in welchen allen wirkliche 


Accufative fich uneigentlih mit dem Infinitiv mögen verbunden har | 


ben, früher gar Feine Compofition ftattfand und noch jetzt öftere 
Auflöfung eintritt, z. B. wenn ein Adjectiv vorgefegt wird: Un⸗ 
ſchuldiges Blut vergießen, oder das Subftantio Hinter das Berbum 
rückt: Ich vergieße Blut. 
Anm. Nur fteht nicht mit Beftimmißeit zu behaupten, daß hier Überall 
“feine eigentlihde Compofition zu Grunde liege. Da wo beutliche Acc. 


Plur. an das Berbum ftoßen, 3. B. Kränze-winden iſt höchſtens un⸗ 


eigentliche, nie eigentliche Compofition annehmbar. Präpofitionelle Com⸗ 
poftta laſſen fich wenige beibringen, 3.8. das Blatt-pfeifen (auf d. Bl.), 
des Blatt-pfeifens. 


B. Subſtantiviſche uneigentlide Eompofition. 
$.. 199, 


Die uneigentliche Zufammenfegung if nie urſpruͤnglich, viel 
mehr überall erſt aus einem dem zweiten Wort unmittelbar voran« 


— AR — 


ſtehenden Caſus allmaͤlich hervorgegangen (F. 150). Die uneigent⸗ 
lichen Compoſita find ein völliger Gegenſatz zu ben eigeptlichen. 
Diefe zeigen Feine Flexign im erflen Wort, Die umeigentlichen zeigen 
fie immer und nothwendig. Die eigentlichen gründen fi anf dem 
Compoſitionsvocal, der freilich in der fpätern Zeit verfihwindet; bie 
uneigentlichen können ihn nie, felbft in der Alteften Zeit nicht haben. 


$. 200. 


Die eigentlihen Compofitg bringen eine allgemeine, vielfeitige, 
neue Bedeutung beroor, die uneigentlichen. beruhen auf dem engen 
und beflimmten Sinn, den die Conſtruction enthält, aus welcher fie 
erwachſen find. Inſofern jedoch das erſte Wort nad und nach ber 
Conftruction entzogen wird und die Compofition zu Stande kommt, 
kann fih auch fein Begriff einigermaßen ändern und die uneigentliche 
Compofition nahe an die eigentlishe treten. 

Anm. Im Goth. braucht noch böchſt felten uneigentliche Zufammenfegung 
angenommen zu werden; im NRHd. iſt fie weit gangbarer als im Myd. 
und Ahd. Unter allen uneigentlichen Sompofitionen find bie genitivi⸗ 
fen die wichtigften und zahlreichiten. Manchmal lebt die Wahl zwi⸗ 
fhen. Compoſition und Iofem Eafus frei. 3. B. Görres (Myſtik 
1, 432, 434). fagt: Aus Waldes Dunkel Inmen dann, die. Vögel; 
— bald drangen aus. Waldes dunkel Tpiere auf fie ein, 


a) Subflantiv mit Subflantiv. 


$. 81. 


Hier fommen zwei Caſus in Betracht, die ein Verhältnis des 
erſten Wortes zum zweiten begründen, der Genitiv und der Accufa- 
tiv. Der Nominativ kann überhaupt nicht von einem andern Sub- 
flantio abhängen, der Dativ nur in wenigen Fällen, wo dem Sub» 
ſtantiv noch die Kraft eines Adjectivs oder Partieipiums beimohnt. 


1) Genitivifhe Zufammenfegung, 


$. 202. . 

Im Goth. flieht der. Genitiv faſt immer nach dem Subftantiv, 
das ihn regiert. Im Ahd. iſt die Vorſetzung des Genitios fo an 
der Ordnung, daß beffere Ueberfeger (namentlih Iſidor und Ta⸗ 
tian) bie Stellung: des lateiniſchen Textes umfehrem Im MHd, wird 
ber vorſtehende Genitiv zmar häufiger als: im Ahd. vom Artifel be- 
gleitet, behanptet aber- auch ohne diefen feine freiere Stellung und 
braucht nicht zum folgenden Subftantio gefchlagen zu merden, Im 
Nhd. darf der Genitiv in der Regel nur dann varausgehen, wenn 
er von. einem Adjectiv nder Pronomen (Artikel) begleitet iſt: Aller 
Menfchen Leben; des Geifles Kraft; eines Engels Stimme. 





— 74 — 


$. 203. 


Ohne das eben bemerkte Geleit ſteht der Genitiv ausnahms⸗ 
weiſe voran: 

a) bei Eigennamen: Schillers Werkes _ 

b) bei einigen andern Subftantiven, welche gleich den Eigennamen 
feinen beftimmten Artifel vor fich leiden, namentlich Gott: 
Gottes Sohn, Gottes Ehre. 

c) Bei den Subftantiven auf -er, weldhe aus Ortsnamen gebil- 
bet. werben, tritt der Genitio Pur. (nicht Sing.) unzufammen- 
gefett vor das ihn regierende Wort: Frankfurter Geld, Nürn- 
berger Waaren. 

d) Für einzelne Redensarten: Frühlings Anfang. 

Anm. Zuweilen flieht auch der Gen. vor dem durch eine Präpoſ. regier⸗ 
ten Worte, } B. Ob mir, durch Geiſtes Kraft und Mund, nicht 
manch Geheimniß würde fund. Goethe Kauft 1. 


$. 204. 


In allen andern Fällen ift der vorausgehende Genitiv an das 
Subſtantiv gewachen!), von welchem er abhängt, d. h. wirkliche 
(uneigentliche) Compofition eingetreten. Die Haupturfache der Com⸗ 
pofition Liegt in dem Nomenwerben. Zwei Subflantive in ber 
hier abgehandelten Stellung, zur Benennung von Land, Leuten, Thie⸗ 
ren ꝛe. dienend, ehren fo häufig wieder, daß ihre urfprünglich le⸗ 
bendige Bedeutung erbleicht, ihre urfprünglich freie Eonftruction in 
nneigentliche Zufammenfeßung verwächſt, d. h. der vorſtehende Geni- 
tiv Feine Stelle nicht mehr verlaffen kann. 

Deifpiele, wo fie fhon im Ahd. und Mhd. möglih war: 

a) Länder u. Derter: Franfen-Iand —S 
Däne-mark (mhd. tene-marke), Königs-berg (mhd. küniges-börc), 
Sranfen-berg, Manns-feld, Thüringer-wald, Reinharts-wald. 

b) Perfonen: Winds-braut (ahd. windis-prüt, mhd. win- 
des-brüt), Kriegs-mann, Königs-fohn, Wirts-frau, Kriegs-gott, 
Stürs-Eind, Teufels-Ferl, Himmels-bote. 

c) Benennungen der Volksſprache, für manche Inſecten, 
3. B. die Libelle Heißt Drachen-hure, Pfaffen-köchin. 

d) Pflanzennamen, wieberum meift unter dem gemeinen Volk: 
Bären-Elau, Hahnen-fuß, Katzen-ſchwanz, Löwen-zahn, Pfafe 
fen-hut, Zeufels-Mau, Wolfs-mild. 

e).-Theile von Thieren: Wolfs-zahn (mhd. wolves-zan), 

Hahnen-feder, Hahnen-kamm, Ralbs-fell, Hunds-nafe, Löwen- 

herz, Ochfen-fell, Schwanen-fever, Schweins-Ieber, Gänfe-Ie- 

ber, Kalbs-füße, Enten-füße, Ralbs-braten u. a. 

f) Theile von Pflanzen: Linden-blatt (mhd. linden-blat), 
—— Samen⸗korn, Trauben⸗kern, Trauben-faft, Schier⸗ 
ings-faft. 


—— 7 — 


g) Dei Kleidungsſtücken waren mhd. bei fremden Stoffen 
ſolche Genitive zuläffig, 3. B. scharlaches-hosen, samittes-men- 
telin. Nhd. fagen wir: Sammet-rod, Scharlach-kleid, ver⸗ 
muthlich weil diefe Wörter längſt eingewohnt und wie andere 
deutſche zu behandeln find. 

h) Geräthe: Hofen-[chnalle (mhd. hosen-nöstel), Pfannen- 
ftiel (mbb. fagte man der pfannen stil). 

i) Zeitverhältnis: Sommers-zeit (mittelhb. sumeres-zit), 
Yahrs-tag, Gerichts-tag, Abfchieds-tag, Jahrs zeit, Tags-zeit. 

k) Ver miſchte Zälle, ın denen bie Säufigteit bes Gebrauchs 
Eompofition kann gewirkt haben: Glücks-rad (mhd. gelückes- . 
rat), Mühl-rad, Todten-Fopf (Todten ift Gen. Sing. von: der 
Tobte), von Kinds-beinen, Harfen-fchlag, Brüden-Ichlag, Bluts- 
tropfe, Menfchen-heil, Helfers-helfer, Henfers-hand, Räbels- 
führer, Narren-feil, Galgen-gefindel, Handwerks-knecht, Schiffs. 
ae Oeleits-mann, Teufels-Tärm, Dieeres-wogen, Lebens- 

pflicht u. a. 

Anm. — davon iſt, daß die alleinſtehend veraltete ſchwache Geni⸗ 
tioflerion fortvauert, ſel es nun für einzeine Fälle des Genit. Gingul. 
masc., ober für den Gen. Sing, fem. und neutr. insgemein, 3. 3 , 
Hahnen⸗ kamm, Sonnen-wärme, Augen-blid, da wir jetzt declinieren 
des Hahns, der Sonne, des Auges. 

$. 205. 


Beifpiele nhd. Compofita, wo früher der Iofe Genitiv flattfand: 
Hungers-noth. (mhd. hungers nöt),' Feuers-noth, Waflers-noth, 
Kriege-noth, Todes-noth, Helvden-that, Weibs-bild, YWeibs-name, 
Manns-kraft, Manns-perfon, Manns-bild, Manns-name, Engels- 
fliimme, Wirtshaus, Raths-herr, Rathe-Feller, Landes-fürft, Todes- 
flrafe u. a. m. — Nur kann man Iange nicht jedes mhb. Subflan- 
tio mit feinem Genitiv voran in ein uhd. uneigentliches Eompofi« 
tum verwandeln. 


Bemerkungen 
zu der genitivifhen Compofition überhaupt. 
$. 206. 


Jede, ſtarke oder ſchwache, Genitioform Sing. ober Pur. kann 
dabei vorfommen. Aus der Unbeflimmtheit der Endung -en erflärt 
fih, warum fie gerade in manchen Wörtern an die Stelle eigentli- 
cher Eompofition getreten iſt ($. 178. 208, b). Uneigentlihe Com⸗ 
pofita mit dem Genitiv Sing. fem. lehrt der Umlaut nur dann er- 
Tonnen, wenn zugleich die Bedeutung Feine eigentliche geftattet, 3.8. 
GBänfe-fuß, Sonte-Saut, Mäufe-zahn, wogegen Bräauti-gam, Nachti- 
Hall eigentlich zufammengefebt find. Compoſita mit pinraliihem -er 
And meift für wneigentliche zn halten, 3. B. Bilder-bienft, Eier- 
ſchale, Geifter-befchwörung, da in der Regel dieles -er nicht in 
bie Zufammenfegung mit eingeht ($. 176. 182). 


ir 


| — 6 — 
$.. 297. 


Der Unterſchied zwiſchen eigentlicher und uneigentlicher Zufam- 
menſetzung beruht nicht allein. in der Form, fonvern auch in der 
Bedeutung beider, Die eigentliche ſoll einen unbeftimmten, fonft 
‚nicht (mit zwei Worten allein) faßbaren Begriff ausprüden; die un- 
eigentliche, aus wörtlicher Genitivrection erwachfen, beſchränkt fich 
auf ihren beftfinmten Sinn ($. 200). Beide Arten ftehen einander 
in benfelben Wörtern oft entgegen und dürfen nicht willfürlich ver- 
taufcht werden. Bol. nhd.: Wind-mühle, Winds-braut; Lfel- 
treiber, Efels-ohr; Donner-flrahl, Donners-tag; Land-adel, Lan⸗ 
des-berr; Land-manı, Yands-mann; Tag-flern, Tags-licht; Feuer- 
taufe, Feuers⸗noth; Waffer-noth, Waffers-noth‘ ($. 159, 3); Amt- 
mann, Amts-diener; Kömig-reich, Königs-berg; Brunn-quell, Brun- 
nen vanb; Thor-beit, Thoren-Heid; Kirch-hof, Kirchen-verfamm- 
ung: | . 
"Anm. Alle eigentlichen Zufammenfegungen Taffen fich nur felten geni- 
tiviſch umfchreiben, faſt alle uneigentlichen geradezu in das Subftantiv 
mit nachflebennem Gen. umfegen, 3. 8.  age-lict it gleichviel 
mit Licht des Tages. — Dur den Eintritt wirklicher Compofition - 
verliert ver Begriff allervings Einiges von feiner Beſtimmtheit und je 
mehr er die Natur eines Eigennamens anzieht, deſto weiter entfernt er 
fih aus dem genitiv. Verhältnis, z. B. für Königs-berg läßt fi 
nicht fagen Berg des Königs — Daß die uneigentlihe Zufam- 
en etwas Anderes ausprüdt, als ver loſe Gent« 
‚it, leicht wahrzunehmen, 3. B. Herrn-tifch bedeutet den für 
Edelleute, ver Tiſch des Herrn aber den Altar. Die Pfarrer, fagt. 
eithtenberg, bauen ven Acer Gottes, die Aerzte den Gottes-ader. Der 
freie Genit. foheint etwas Edleres an ſich zu haben (Bagl. 8. 333, 2). 


$. 208, 


Berührung und Mifchung beider Compofitionsarten, ber eigent-. 
Yichen und uneigentlichen, erfolgt entweder auf natürliche Weife, da, 
wo ihre Grenzen aneinander floßen, oder unorganifch durch Ver— 
wirrung ber Formen: 

a) In der älteren Sprache wirb zumeilen zwilchen beiten, d. h. 
eigentliher Compofition und freier Genitivſetzung (uneigemtlicher 
Compofition) die Wahl gelaffen ohne einen merflichen Unter- 
ſchied der Form, 3. B. ahd. himil-rihhi und himilö rihlti, mhd. 
stein-want und steines want. Die geringere Freiheit des Ge⸗ 

nitivs hindert nhd. feine Züge der Bedeutung und bie: wirklich 
eingetretene uneigentlihe Compofition bleibt auf die Fälle be⸗ 
fchräntt, für welche fie eingeführt wurde; nicht Teicht finden‘ 
ſich eigentliche und uneigentliche Compofition in den nämlicheü 
Wörtern neben einander, alfo nicht Himmel-reih und Him⸗ 
mels-reichz letzteres muß umgefebt werden in: bad. Reich 
des Himmels. 

'b) Unorganiſche Verwechſlung beider Arten. Eigentliche 
ſtatt uneigentlicher iſt ſelten, weil gegen ven beſtimmten 


‘ 


— 7 — 


Begriff ver ımbeftimmte kaum aufkommt: Regen-tropfen, Waf- 
fer-tropfen für Regens-tr., Waffers-ir., wie ſchon das analoge 
Dluts-tropfen und das ahd. rögenes tropfo lehrt !), Un⸗ 
eigentlide flatt eigentlicher iſt mhd. und uhd. ziemlich 
häufig, und es fcheint dabei ein formeller Grund gewirkt zu ha⸗ 
ben. Seitdem die Flexion - en nicht bloß die Genitive -in, -An, 
-Önd, fondern auch die übrigen obliquen Caſus ſchwacher Deelina⸗ 
tion vertrat, verlor fich immer mehr bie alte Beflimmtheit, und 
ba nur noch der Nominativ Sing. ohne -n vorfam, fo gewöhnte 
man fich in bem -en weniger eine Flexion, ale einen BeRanb- 
theil des ganzen Wortes zu erbliden?). Diefes -en hielt man 
nun auch in der Eompofition feR: Blumen-korb, Sternen- 
himmel (Goethe 1, 60) neben Stern-himmel, Gnaden-pforte, 
Hreuden-fefl, Schnecken⸗ kreis, Flammen-bildung, Gloden-ton, 
Dinten-faß, Fliegen-neg, Fürften-tpum u. a. m. Einige Fälle 
können aber mit Recht uneigentlich componiert fein: Rofen- 
blatt, Linden-blatt ($. 204, f.), was durch Wein-blatt 

. wicht widerlegt wird, indem Rofe und Linde das Gewaͤchs anzei- 
gen, nicht Wein, daher Weinftods-blatt gefagt werben müßte). 

Anm. 1. Andere Beifpiele eigentl. Comp. ſtatt uneigentl. fin» 
noch: Zeuer-flamme, Keuer-funten (f. Feuers-fl.,.mhd. viu- 
res flamme, viures vunke); Senf-korn (f. Senfs-t., abd. sänefes- 

chorn). Tadelhafter find: Mond-fhein (neben Sonnen-fhein), 
Mond-tag, Sonn-tag (ahd. mänin tac, Sunnän tac, mhd. ſchon 
män-tac), und gar Srant-furt, Frant-reich (f. Framten-f.) ne» 
ben’ der richtigen Form Sranten-berg, Franten-thal; gleich 
als dürfte man Heff-Iand, Sachs-land fagen. 

Anm, 2. Beftätigt wird dies namentlich durch den nhd. theilwelfen Ein- 
tritt des -en in den Rom. Sing. masc., wie bei: Bog-en, Ball- 
en, $unl-enu a. 

Anm. 3. Fehlerhafte uneigentl. Eomp. mit erftem flartem Subfl. find 
ebenfalls verfchiedentlih gangbar geworben, z. B. die mit Boltls- 
flatt Bolt-: Boltd-thum, Bolks-lied; der Begriff iR wol weniger ein 
Lied des Volkes, als ein unter dem Bolfe umgehendes. 


$. 209. 


Einzelner Verderbniſſe ungeachtet dauert im Ganzen bie richtige 
und notbwendige Unterfcheidung zwifchen eigentlicher und uneigentli- 
her Zuſammenſetzung bis auf den heutigen Tag fort. Mit Ber 
kennung jeder derfelben wurden unbefugte, hoffentlich erfolgiofe Ans 
Hriffe gegen das genitiviſche -8 gerichtet, eingebildetem Wollaut zu 
gefallen, befonders von Jean Paul, der uns ein: Reih-forft, 
Teufel-glieder, Zeitung-träger, einfhaltung-weife 
n. a. m. aufbringen wollte. (Vgl. 330 f.) 


2) Zufammenfegung mit dem Accufativ. 
$. 210. 


Bei oberflächliher Betrachtung iſt man leicht baranf gerathen, 
bas erfle Wort vieler Eompofita, deren zweites aus activen, den 


F 
\ - 


t —7 — 


Aceuſativ regierenden Verbis herſtammt, wirklich für dieſen Caſus 
zu halten. Namentlich kommen vie ſchwachen masc. und fem. in 


Betracht, denen, ohne Zwiſchentritt einer Ableitung, Verba zu Grunde 


liegen, bie aber fpäterhin ein ableitendes -ari, -er anzunehmen 
pflegen, wie: Traum-beuter, Bogel-fänger, Gefeg-ge- 
ber, Geſchicht-ſchreiber und alle ähnlichen; besgleichen die 
von einigen weiter gebildeten Abſtracta: Geſchicht-ſchreibung, 
Traum-beutung. Hier wäre dann bie verbale Kraft ver Cafus- 


rection gleihfam in dem Subſtantiv noch nicht erlofchen und Vogel⸗ 


fänger fo viel wie: den Vogel (die Vögel) fangend. 
| $. 211. 


. Alle dem Scheine nach accuſativiſchen Compofita find aber in 
der That eigentliche, nicht uneigentlihe (S. 171, b). Das 
zeigt ſowol ihre allgemeinere Bedeutung, als auch der Compofitions- 
vocal in der älteflen Sprache, ber freilich in ber fpäteren verloren 
gieng. — Die Täufhung entiprang dadurch, daß nach dem Verfchwin- 
den. des Compoſitionsvocals das erſte Wort dem meiftentheils fles 
zionslofen Accufativ Sing. ähnlih wurde. Wäre wirflich accufa 
tiviſche Compoſition eingetreten, fo müßten auch folche Accnfative, 
die Flexion an fih tragen, namentlich fchwachformige, in der Zu- 
fammenfegung erfiheinen, was aber nicht der Fall ift. 


Anm. Hier läßt fih aus dem Abd. und Myhd. fchwerlih ein Beifpiel 


beibringen. Goth. wäre Bogel-fänger wol fugla-faha (nicht fugl- 
faha, ober fuglans-faha), wie dulga-häitja (foenerator). Rho. Com 
pofita wie: Chriſten-bekehrer, Sahnen-träger, Lauten- 
Ichläger wird man noch weniger einwenden bürfen, Teßtere find ent“ 
weder genitivifch oder aus Fahn-tr., Laut-ſchl. verderbt; das -en in 
Chriſten ſcheint ver Ableitung gehörig. 


$. 212, 


In verfchiennen, ſaͤmmtlich neueren, Wortbifdungen laßt fich 
feine eigentliche Compoſition behaupten, in folchen nemlich, bie 
aus uneigentlich zufammengefehten Verbis abgeleitet find. An 
ben Inf. und das Partie. Praf. waͤchſt (6. 218) der Accuſativ 
wirklich an, und gilt einmal die Verbindung, fo hindert nichts, da 
man daraus auch masc. auf -er ober abflracte fem. auf -ung wei⸗ 
tee bilde. Sp darf aus blut-vergießen, haus-halten, theil- 
nehmen m. a. geleitet werden Blut-vergießer, Haus-hal- 
tung u. a. 


Anm. Hier wird übrigens fein Subſt. mit Subfl. zufammengefebt, ſon⸗ 
dern das bereitd vorhandne Snfinitiocompofitum ur Erzeugung von 
Subſt. genußt. Bgl. 5. 193. Zwiſchen folhen Wörtern und ben vor- 
pin ($. 210) genannten, welche für eigentliche Compoſita ji balten find, 
aßt fich keine fefte Grenze ziehen; Außerlih fallen fie in der heutigem 
Geftalt ganz zufammen, und es Tann nur davon die Rede fein, beide 
—* auf hiſtoriſchem Wege, ſo viel möglich iſt, von einander zu 
ondern. 





— 4 — — 


— 9 — 


b) Subftantiv mit Adjeetiv. 
$. 213. 
Auch Hier iſt in der frühern Sprache hauptfächlich von dem Ge⸗ 


. aitio, daneben auch von dem Dativ, kaum von dem Accufativ bie 


Rede, Neuhochd. fallen aber au Dating und Aceufativ weg, die fi 


in andern Dialelten, 3. B. im angelf., finden, wo fie in loſer 


Sebung dem Adjectiv zuweilen vortreten. 


$. 214. \ 


Gewiffe Adfeetive regieren den Genitiv. . Es find hauptfächlich 
die Adjective, welche Fülle und Leere, Haft und Losheit, 
Neigung und Fähigkeit oderein Maß anzeigen. Diefe relativen 
Adjertive gehen nun auch häufig eigentliche Compofition ein, wie das 
Berzeichnis $. 190 lehrt; allein durd die Anwendung bes wirklichen 
Genitios wird ber Begriff verflärft und finnlicher hervorgehoben, 
während eigentliche Zufammenfegung erſt an der Stelle iſt, wenn 


"das Adjectiv ſchon halb abſtract und den Iebendigen Caſus zu regie- 


ren unfähig geworben if. Sp iſt 3.8. voll des Ruhmes mehr 
als ruhm-voll; zumeilen darf beides gefagt werben. 


5.215. 


Eompofition wirb wieder durch den unmittelbaren Vortritt bes 
Genitios, der allmälich an das Adjectig wächft, bedingt. Im App, 
ift dieſe Compofition noch nicht, mhd. findet fie fi, doch iſt der 
Iofe Genitiv richtiger. Die uhd. Sprache ſetzt den Genitiv dem 
Adjectiv, wovon er abhängt, nicht ohne Begleitung eines Artikels 
oder andern Adjectivs voraus: des Todes fchuldig, alles 
Dankes werth, heiliges Geiſtes voll. 


§. 216. 
Uneigentlicher Compoſita, die aus dem freien (vom Pronomen 


unbegleiteten) Genitiv erwachſen wären, beſitzen wir wenige, z. B. 


fein tags-alt, wol aber geiftes-arm, Mit den meſſenden 
Apjeetiven breit, did, lang, hoch, weit binden ſich einige Ge⸗ 
nitive, namentlich: Daumens, fingers, fpannen, meilen, 
3.3. daumens-bidl, fingers-Iang, fpannen-breit, meilen-weit. Außer 


dem ſcheinen einige andere, namentlih: auspruds-voll, freu 


den-voll, forgen-frei, inhalts-Ieer, ſtaats-klug m- 
tabelbaft, infofern ihrem zweiten Wort Iebendige Bedeutung verblie- 
en iſt. " " 

Anm Der Genitiv vor -mäßt ß iſt zu tadeln (6. 190. unter moͤtis); 
gottes-fürchtig iſt bloße Ableitung von Gottes-furcht, das 
gegen gott "fardtig, das no Luther hat, eigentlich componiert 
goih. guda-faurhts. 


” 


N 





- 


— so — 


e) Subſtantiv mit Verbum. | 
§. 217. 


Das wirflihe Berbum Ieidet nicht, daß fich ber vorflehende 
Caſus eimes Subſtantivs fefter mit ihm verändes uneigentliche 
Compoſttivn findet hier fo wenig flatt als eigentliche ($. 192). 
Seldft aus uueigentlih zufammengefetten Subftantiven abgeleitete 
Berba kommen nicht vor, oder fünnen vieluwär nicht vorkommen, 
wenn man den beftimmten Begriff folder Subſtantive, die halbe 
Eigennamen find, erwägt. 





8. 218, 


Bei dem Partie. Präf. wäre uneigentlihe Compofition, zu 
mal mit vorfiehendem Accuſativ, denkbar, und ältere Quellen muͤß⸗ 
ten entfcheiden, od z. B. ein nhd. find-gebährend Aus einem 
ahd. chinta-peranti oder aus Yofem chint peranti entiprungen if. 
Es mag auch einzelnen ber oben ($. 195) angeführten Wortbildun« 
gen währer Yecufatio zu Grunde liegen, fo gut wie folgenden: 
‚ Bott-Tiebend, wahrheit-liebend, aderbau-treibend, handel-tr., 

gewerb-tr. . 
$. 219. 


Bei dem Partie. Präter. fann fih uneigentliche Jufammen- 
febung aus dem vorſtehenden Genitiv entwiceln, die ältere Sprache 
zieht aber eigentliche vor oder den Iofen Caſus, 3. DB. ahd. wines 
trunchen. Im Nhd. gelten die genitioifchen Compofita: Friegs- 
gefangen, gottes-vergeffen, gottes-delehrt, bluts-verwandt, Tandes- 
verwieſen. 

8. 220, 


Mit dem Infinitiv verbindet fih in der neueren Sprache 
erne ber vorausgehende, von ihm regierte Aecuſativ, zumal für ben. 
ubflantivifchen Gebrauch. Wir fagen: das Athem-bolen, Luft- 
ſchöpfen, Wein-trinfen, Theil-nehmen, Flachs-[pinnen u. a., wobei 
aber auch oft eigentliche Compofition walten Tann ($. 198). 


M. Adſectiviſche Compoſition. 
§. 221. 

Sie zerfaͤllt wiederum in eigentliche and uneigentlichez 
allein leßztere iſt von ganz beſchraͤnktem Umfang und tritt nur im 
einzelnen ſpateren und wicht regeltechten Fällen ein. In der Regel 
iſt alle adjectiviſche Zuſammenfehung eigentlich. 

A. Adjeectiviſche eigentliche Compoſition. 
| 6. 222. 

Bildungsmittel if, wie bei ber fubftantivifchen, der Compofi- 

tionsoocal ($.152), und zwar Iautet ex in den Alteften Eigennamen 





— 81 — 


0, z. B. lang-o-bardi. Im Goth. herrſcht a, nach kurz⸗ und lang⸗ 
ſylbiger Wurzel, z. B. arm-a-hairtei (Barmherzigkeit). Ahd. lautet 
der Compoſitionsvocal gleichfalls a, fpäter e, z. B. zag-a-heit (Zag⸗ 
heit). Myd. iſt dieſes e nur noch ſelten, z. B. zag-e-heit; nhv. 
mangelt der Compoſitionsvocal durchgehends, d. h. wir ſagen Zagheit. 


§. 223, 


Der Compoſitionsvocal hat mit der adjectiviſchen Flexion nichts 
zu fchaffen, diefe fällt vielmehr in allen Fällen weg, wo eigentliche 
Zufammenfehung eintritt. Nach erlofrhnem Vocal der Compofition 
unb Ableitung ftößt die bloße Wurzel an das zweite Wort, 3 B. 
janc-frovwa, Gen. junc-frovwün. Der flerionsiofe uhd. Nominativ 
Sing. hat nur zufällige Aehnlichkeit. 


$. 224, 


Zur Erklärung der Bedeutung adjectivifcher eigentlicher Com: 
pofita Fönnen weber Berhältniffe der Caſus noch der Praͤpoſitionen 
genommen werben. Wo das Apjectiv fubflantivifch fleht, d. h. wo 
e8 nicht zu einem andern Subflantiv gehört, hat es feine wahre 
Natur aufgegeben. Das gewöhnliche Aofectiv befindet fih alfo nur 
in einem appofitionsähnlihen Berhältniffe zu dem zweiten 
Worte der Zufammenfegung, fei diefes nun Subſtantiv, Adjectiv 
oder Participium. Allein die Zufammenfegung erzeugt freiere, viel- 
feitigere Begriffe, als das wirkliche Adjectiv, flünde es neben dem 
zweiten Wort, haben würde, 3.3. das nhd. FJung-fram bedeutet 
weber junge Frau noch die junge Fran: die Eompofition hat 
einen eigenthümlichen Sinn hervorgebracht. 


a) Adiertiv mit Subſtantiv. 


a. Berzeihnis nach dem erflen Wort. 

$. 225. 
alls, all, ganz. Die goth. Sprache unterfcheivet -in. der Compo⸗ 
fition ala- von all-, die ahd. ala- von al- (fürall-, alla-). 
Ala- gibt den Sinn des griech. navro-, Tat. omni- (all); all- 
ben des gr. 0Ao- (ganz). —*— iſt der Unterſchied verwiſcht, denn 
wir ſchreiben All⸗macht ſtatt Al-macht; bloß in dem unver- 
ſtandnen Volksnamen Ale-mannen dauert die echte Form, ſo⸗ 
gar mit dem Compoſitionsvocal. 

alis? anders, fremd. Davon das dem Sinn und der Schreibung 
nad undeutlich gewordne E-Iend für el-Iend (ahd. ali-lendi 
und el-lende d. i. fremdes Land, auch die Gefangenſchaft). 

alds? ahd. alt, alt, davon: Alt-vater (ahd. alt-fater), Alt- 
knecht, Alt-mutter, Alt-geſell; auch fagen wir noch: Alt-baier, 
Alt-heffe, Alt-fachfe im Gegenſatz zu Neu-baier ıc. 

Kehrein Grammatik, I. 2. 6 





— 82 0 — 


args? ahd. arc, böfe, faul, davon: Arg-wohn (mhd. arc-wän). 
airzis, ahd. irri, irr, davon: Irr-fahrt (mhd. irre-vart), 
Ser-Tehre, Irr-licht, Ier-thum, Irr-wiſch. | 
balths, ahd. pald, kühn, davon der Eigenname: Bald-nin (ahd. 
pald-win). 
bäitrs, ahd. bitter, bitter, davon: Bitter-holz, Bitter-klee, 
Bitter-Fraut, Bitter-falz, Bitter-waffer, Bitter-wur;. 
blinds, ahd. plint, blind, davon: Blind-heit, Blind-fchleiche. 
preit (ahd.), breit, davon: Breit-haupt, Breit-Fopf. 
diups, Kiel, davon: Tief-denker, Tief-finn, Tief-trunf (Eigen 
name). . 
drüds?ahd. trüt, traut, Iieb, davon bie Eigennamen: Traut- 
vetter, Traut-wein. 
duls? ahd. tola, toll, davon: Toll-heit (ahd. tola-heit), Toll- 
beere, Toll-wurm, Toll-wurz, Toll-fraut. 
fris, ahd. fri, frei, Davon: Frei-heit (mhd. vri-heit), Frei- 
denfer, Frei-frau, Frei-herr u. a. 
fulls, ahd. folla und fol, voll, davon: VBoll-mond (mhd. vol- 
mene), Boll-macht, Boll-genuß, Voll-glück, Vollblut. 
göds, ahd. kuot, gut, davon die Eigennanten: Gut-mann, 
Gut-gefell, Out-jahr. 
gravs?ahd. krä, grau, davon: Orau-bart, Grau-rod, Grau- 
ſchimmel. 
cro z (ahd.), groß, did, davon: Groß-fürft, Groß-herr, Orn$- 
mauls Groß-ſprecher; verfchiedne Eigennamen: Groß-mann, Groß- 
. Linden ꝛc. 
grönis? ahd. kruoni, davon: Grün-ſpecht (ahd. gruon-späht), 
Grün-jpan, Grün-fchnabel; Eigennanen: Grün-baum, Grüne- 
wald, Grün-berg. 
halbs, ahd. halp, halb, davon: Halb-gott (ahb. halp-cot), 
Halb-bruder, Halb-fcheid, Halb-fliefel u. a. (In der Compofition 
ift nicht gerade immer das Halbe, die Hälfte, fondern auch das 
Unganze, Gemifchte gemeint.) 
hardus, ahd. hart, hart, davon: Hart-riegel; die Eigen- 
namen: Hart-mann, Hart-mund. 
häilags, ahd. heilac, heilio, heilig, davon: Heilig-thum 
(ahd. heilic-tuom). 
häuhs, ahd. höh, hoch, davon mit ungleicher Betonung bes erften 
Worts: Hoch-muth (mhd. höch-muot), Hof-fahrt (f. Hoch-f.), 
Ho⸗heit (f. Hoch⸗h.), Hoch-Tand, Hoch-Tommer, Hoch-zeit; Eigen: 
namen wie: Hoch-apfel, Hoch-hut, Hoch-haus, Hoch-ſtadt u. a. 
hveits, ahd. wiz, weiß, davon: Weiß-dorn, Weiß-rod; 
"Eigennamen wie: Weiß-haupt, Weiß-Eopf, Weiß-hahn, Weiß- 
mann u. a. | 
ibns, ahd. öben, eben, gleich, davon: Eben-bild, Eben-maß; 
unorganifch mit der Partifel neben (= in eben): Neben-menſch 
(m$d. öben-mensche), Neben-buhler, Neben-mann. 








— 83 — 


juggs, abb. junc, jung, jung, davon: Sung-frau, verfürzt 
Sung-fer (ahd. janc-frouwa); nit Jung-herr (mhd. junc- 
herre), fondern bloß verkürztes Junker; Jung—-geſell; Eigen⸗ 
name: Jung—-kind. 

kalds, kalt, davon: KRalt-finn, Kalt-lager; Cigenname: 
Kalt-waffer. 

kläins, abb. chleini, Flein, fein, tavon: Rlein-bauer, 
Klein-heit, Klein-Fnecht, Klein-kraͤmer, Klein-ſchmid. 

laggs, ahd. lanc, Tang (nach Raum und Zeit), davon: Lang- 
hals, Lang-ohr, Lang-Ichläfer, Lang-wagen (provinciefl noch 
ng-wi „ ahd. lanc-wid); Eigennamen: Lang-bein, Lang- 


er. 

liubs, ahd. liob, lieb, theuer, davon: Lieb-frau; Eigemame: 
Lieb-mann. 

midis, ahd. mitti, mitten, davon: Mit-tag; auch ber Eigen- 
name: Mitt-Radt. ' 

nehvs? ahd. näh, nah, benachbart, davonr Nach-bar (ahd. 
näh-gipür, mhd. näch-gebür). 

nivis, ahd. niuwi, neu, davon: Neu-bruch, Neu-jahr, Neu- 
licht, Neu-mond, Neu-ftadt; Eigennamen: Neu-bauer (platto. 
Nie-buhr), Neu-gebauer, Neu-mann u. a. 

qvius, ahd. queh, qued, Iebhaft, davon; Dued-filber (ahd. 
queh-silipar); Cigenname: Dued-born, 

räuds, ahd. röt, roth, davon: Noth-ftein (ahd. röt-stein), 
Rotb-bart, Roth-brüftchen, Roth-Febfchen, Roth- ſtift u. a. 5 Eigen⸗ 
namen: Roth-mäller, Roth-weiler. 

reikis, ahd. rihhi, reich, mädtig, davon: Reih-thum (ahd. 
rih-tuom); Eigennamen: Reich mann, Reih-huber, Reich- 


winn, 
sihhur (ahd.), fiber, davon: Siher-heit (ahd. sihhur-heit). 
silba, ahd. selb, felbft, davon: Selbſtdünkel, Selbfi-herr- 
ſcher, Selbft-Tauter, Selbfl-mord, Selbſt-ſucht; gleich bedeutend 
damit ift eigen: Eigen-Iiebe, Eigen-finn, Eigen-wille. 
siuks, ahd. siuh, fiech, krank, davon: Sieh-heit, Siech-thum 
(ahd. siuh-tuom). 
scöni (ahd.), ſchoͤn, davon: Shön-färber, Schön-geifl, Schön- 
fchreiber; Eigennamen: Schön-feld, Schön-tag, Schöne-mann 


u. a. 
smal (ahd.), ſchmal, Hein, davon: Schmal-fleiſch (Bolfs- 
ausdruck Schmal-hans); Ortsnamen, wie Shmal-falben; 
Derfonennamen, wie Schmal-holz, Schmal-calder. 
svarts, fhwarz, davon: Schwarz-brot; Eigennamen: 
Shwarz-Ffopf, Schwarz-mann, Schwarz.ſchild; Schwarz- 
wald, yet male (kleiner Fluß). 
suozi(abd.), füß, davon: Süfß-heit, Süß-holz; Eigennamen: 
Süß-mild, Süß-mann. 
zeiz (ahd.), froh, freudig, davon der Eigenname: Zeif-berg. 
. 6* 


— 4 —. 


ubils, ahd. upil, übel, davon: Lebel-that. 
wär (abb.), wahr, davon: Wahr-heit (ahd. wär-heit), Wahr- 
zeichen (ahd. wort-zeichan, mhd. wort-zeichen, fpäter entſtellt 
in wär-zeichen). . 
veihs, heilig, davon: Weih-rauch (ahd. wih-rouh, mhd. wi- 
rouh), Weih-bifchof, Weih-nacht. 
vilthis, ahb. wild, wild, davon: Wilb-fang, Wild-graf; bei 
Thieren und Pflanzen ſteht Tieber Iofes Adjectiv, z. B. wildes 
Schwein (doch auch Wild-[hwein, ahd. wild-über), wilder 
Kümmel. Ä 
Anm. Ueber das zu grönis gehörige Wort Gründonnerstag be- 
merkt Weigand in f. Lex. d. deut. Synonymen: ,‚Im Mittelalter 
fam der Name dies viridium (Tag der Grünen) auf; viridis wird in 
mittellat. Bocab. erflärt durch ein grünender, der da öôn sunde ist, 
run. Sonſt flebt dafür antlägtac — Tag des Sündenerlaſſes.“ — 


ntlaßtag findet fih noch durchgängig flatt Gründonnerdtag in ber 
1573 erfchienenen Meberfeßung des Lebens d. Heiligen von L. Surius, 


B. Berzeihnid nah dem zweiten Wort. 
$. 226. | 


part (ahd.), Bart, davon: Roth-bart, Blau-bart, Grau-bart, 

- Schwarz-bart. | 

deds, ahd. tät, That, davon: Qut-that, Nebel-that. 

döms, ahd. tuom, Urt heil, davon: Heilig-thum (ahb.heilac- 
tuom), Srr-thum, Reih-thum, Sieh-thum. 

fötus, mhd. vuoz, Fuß, davon: Bar-fuß (mhd. bar-vuos), 

- Krumm-fuß, Platt-fuß. 

hals, ahd. hals, Hals, davon: Dick-hal s, Karg-hals, Starr- 

hals; Eigenname: Schön-hals, 

häubith, Haupt, davon: Breit-haupt, Schwarz-haupt. 

häids, ahd. heit, Ordnung, Befchaffenheit. Nhd. hat fi 
die Zahl der Hierher gehörigen Zufammenfegungen außerordentlich 
gemehrt; fie nehmen die Stelle veralteter Ableitung auf -i, mhd. 
-e ein, gelten daher nicht, wenn biefe Ableitung felbft fortvauert, 
3. B. nicht: Lieb heit, Schwarz-heit ꝛc., weil ung nod 
Liebe, Schwärze zu Gebote ſteht; hingegen: Kleinheit, 
Lieblich-Feit zc., ba wir fein abb. chleini, liuplihhi übrig ha⸗ 
ben. Wo beide Formen neben einander fortdauern, bezeichnen bie 
auf -e mehr das Sinnliche, die auf -heit mehr das Gei- 
ftige, 3. B. Höhe, Hoheit; Fläche, Flachheit; Leere, 
Leerheit; Shwäde, Schwachheit). — Die Form an- 
gehend, fo behalten 
1) heit folgende unabgeleitete oder reinvocaliſch abgeleitete: 

All-heit, Blind-h., Bos-h., Derb-b., Dumm-b., Fauleh., 


u BB — 


Fein⸗b., Beig-b., Zrei-h., Sanz-h., Grob-h., Grad-h., Halbeh., 

-Do-b. (für Hoch-h.), Klein-b., Klug-h., Keuſcheh., Krant-b., 
Küpn-b., Neu-b., Rein-b., Rob-d., Schlaff-H., Schön-b., 
Schwach-h., Starr-h., Geſund-h., Toll-h., Träg-h., Gewiß-h., 
Weis-h., Gewohn-b., Zag-b. (Kein Rüdumlaut in Kühnh., 
Trägh., Schönh., da diefe Adi. jetzt erfler Deelin. folgen, wol 
aber in Bosh. von böfe.) 

2) Die mit- ern abgeleiteten haben gleichfalls -heit: Albern-h., 
Lüftern-b., Nüchtern-h., Schüchtern-h. 

3) Zwifchen -heit und -Feit ſchwanken die Ableitungen -eI und 
-er: Dunkel-h., Finfter-b., Sicher-h.; Eitel-k., Bitter-k., 
Heifer-f. Theoretiſch gibt es keinen Grund für dieſen Unter⸗ 
ſchied, er läßt ſich bloß hiſtoriſch begreifen. 

4) keit bekommen alle mit den Adj. auf -bar, -Tih, -fam 
eomponierten: Braudh-bar-E., Freund⸗-lich⸗k., Bieg-fam-f. 

u. a. (Nah — lich iſt das E für he entfchieden falfch, hat fich 
aber einmal feftgefeßt.) 

5) keit alle auf -ig, welches aber daneben fliehen bleibt, fo 

daß das Ableitungsmittel unnöthigerweife Doppelt gebraucht wird, 

* einmal in Feit (= ig-heit), dann in dem Adj. felbft: Flüfſig-k., 
Freigebig-F. u. a. 

6) Unorganifches -ig-Eeit alle, die an fih zu 1. gehörten und 
dar nicht mit -ig abgeleitet find: Blödig-F., Bangig-F, 
Dreiſtig-k., Süßig-F. u. a., obgleich man einzelne Unterfchiede 
der Bedeutung davon abhängig macht, 3.8. Klein-h. (parvitas), 
Kleinig-F. (minutiae) ; Leicht-h. (levitas), Leichtig-F. (facilitas). — 
Die mit —los zufammengefesten nehmen gleichfalls -Feit an: 
Gott-Iof-ig-Feit, Treu-Iof-ig-F. Umlaut Tann das falfche 
-ig nicht zeugen: Bangig-k., Mattig-P.; bei Blödig-f., Sprö- 
big-F., Süfig-P. iſt er bereits im Adjectiv zu fuchen. 

mans, ahd. man, Mann, Menfh, davon Eigennamen: Gut- 
mann, Werth-mann, 
sinn. Na davon: Sroh-finn, Leiht-f., Scharf-f., Tief-f., 
rüb-f. 
skafts? ahd. scaf, Anlage, Befhaffenheit (indoles, ratio), 
davon: Gemein-ſchaft (ahd. kimein-scaf), Baar-ſch., Kund-ſch., 

Bereit-ſch. 

Anm. 1. Manche Schriftſteller haben eine gewiſſe Vorliebe für die Form 
auf -e; fo hat } 8. Goͤrres in feiner ‚‚hrifllihen Myſtik“ folgende, 
fonft weniger gebräuchliche Formen : -Die Schöne, Grüne Müpde, 
Reine, Süße, Trübe, Zärte, Weiße, Sanfte, dagegen fagt 
er auch vie Blosheit (2, 54). Statt Güte fagt Goethe (vie Ge- - 
ſchwiſter): Sch mißbrauche feine Gutheit nicht weiter; in Taffo (2, 1) _ 
fagt dertelbe: Sophroniens Großheit. 

Anm. 2. Eigen find dem mittelrheinifchen Volksdialekt die Formen: 

Kleinerpeit, Größerheit, Jüngerheit, Schönerheit. 


— 856 — 
Bemerkungen zu ber eigentlihen Eompofition des 
Adjertivs mit dem Sabſtantiv. 


$. 227, | " 


Das erfie Wort, d.h. das Adjectiv läßt fich zwar häufig, 
ber Bedeutung nach, in ein freies Adjectiv auflöfen und für einzelne 
Fälle mögen Zeit und Mundart das Eine oder das Andere vorzie⸗ 
ben. Sp Hagen wir z. B. Rurz-weile (niht-Burze Weile), Tange 
Weile (nicht gern Lang-weile, obwol Iang-weilig). Unfer Mit-tag 
war mhd. noch mitter tac!); flatt Hoch-zeit würde ung hohe 
Zeit (ahd. thiö hohün giziti) ganz unverftländfih fein. Aus ver 
Compofition entfpringt ein eigenthümlicher, fefterer, unfinnlicherer 
Begriff und die Zurüdführung in das loſe Adjectiv iſt meiftens 
unthunlich. Man vgl, Leicht-finn (mas beinahe Teichter Sinn 
if), Tief-finn (von tiefer Sinn ſehr verfchieden), oder verfuche 
eine abjectivifche Auflöfung von: Grof-vater, Alt-mutteru.a. 
Verſchiedne Inffen fich nicht einmal durch ein Adjertiv zum zweiten 
Worte deuten: Kranken-haus (ifl ein Haus für Kranfe, Fein 
Iranfes Haus), Grobeſchmied (der grobes Geräthe fchmiedet). 

‚ Anm. 1. -Die Eompof. erfolgt er, wenn ein häufiger Gebrauch gewiſſe 

Adjective mit gewiffen Subftantiven in Verhältnis geſetzt hat, 


$. 228, 


Formell betrachtet Tiegt alfo im erftien Wort weder Sing. noh 
Plural (wie dies auch von der Subflantivenmpofition $. 176 bereits 
bemerft wurbe), noch irgend ein Caſus, weder ſtarke noch Schwache 
Flexion, Nach dem Erlöfchen des Compoſitionsvocals fällt es äufer- 
Lich mit dem Nommativ Sing. (ohne Kennzeichen) zufammen und 
in einzelnen Fällen mag ungewiß fein, ob Compofition ober unge- 
bundnes Adjectiv flattfindet. 229 


Sein Ableitungselement behält das componierte Adjectiv bei: 
Dunf-el-beit, FSinft-er-beit, Eb-en-bil, — Gemwiffe 
Adjeetive verbinden fich feltner, 3. B. -iso (-Hh): Deutfd- 
Iand, Welſch-land; auh kommt in Eigennamen -mann mit 
biefen Adjectiven vor, 3.8. Deutfh-mann, Windifh-mann, 
die Abfunft zu bezeichnen. — Die materiellen Adjective ($.64) 
gehen heutzutage durchaus Feine Zuſammenſetzung ein; vor Alters 
ohne Zweifel, wie die noch übrigen Eigennamen: Bülden-apfel, 
Eichen-thal, Holzen-thal, Birken-feld, "Birkfen-flod 
u. a. darthun. \ 

Anm. Die ältere Sprache gewährt, wie ſchon öfter bemerkt, hierbei eine 
beffere Einficht. Aus der ahd. Sprache ift erhalten maszaltrina-berg, 
wo das loſe Adj. -ino hätte; pirchina-fäld. — So verbreitet fich Licht 
über die Form der befannten Eigennamen: Boine-burg, früher 
bömene-burg, bömine-b. = ahd. poumina-puruc (arx arboribus 


consita) und Eſch wege, früher eschene-wec = ahd, escina-wöc 
(via fraxinea). 


u Ze 


$. 230. 


Verſchiedne zweite Wörter, ber Form nad flarfe Subflantive, 
befommen, ohne zutretende Ableitung, adjectivifhe Bedeu— 
tung. Dahin gehören vorzüglich Benennungen, welche a) von Be⸗ 
fohreibung der aͤußerlichen Leibesgeftalt genommen find: Rang-bart, 
- Örau-bart, Lang-bein, Krumm-fuß, Schön-hals, Weif- 
band, Kraus-haar, Breit-Topf, Groß-maul u.a. b) von 
Kleidung und Waffen: Grün-rod, Rang-manteln. a. Der 
Sinn tft offenbar: Tang-bärtig.:cz ſolche Befchreibungen aber 
gehen in fubftantivifche Natur über. 


b) Adjeetiv mit Adjectiv. 
$. 231. 


Die Bedeutung diefer Zuſammenſetzung Täßt fich faffen theils a p⸗ 
pofitionelt, fo daß das erſte Wort eine nähere Befchreibung und 
Beflimmung des zweiten enthält, z. B. gelb-grün, ein Grün, das 
ins Gelbe fpielt; oder adverbialiſch, .B.all-mädtig, d.h. 
gänzlich mächtig (omni-potens $, 225), zumal wenn im zweiten 
Wort noch Verbalkraft rege ift, 3. B. weit-länftig (late ex- 
currens); oder endfih präpoſitionell, infofern fubftantivifche 
Bedentung bes zweiten Worts: vorwaltet, die Bildung des Adjectivs 
- faft nur der Compofition wegen geſchieht, 3. B. ahd. clein-stimme 
d. i. Klein von Stimme. 


o. Verzeichnis nad dem erfien Wort, 
| $. 232, 


alls, ahd. ala- und al-. Nyhd. fügt fih all- nit wi zu finn- 
lichen Begriffen wie Karben (3. B. mhd. al-gruene), nur zu 
einigen abftraeten: All-mächtig (ahd. ale-mahltig), al-mälid, 
all-gemein, all-täglih, all-gewaltig, all-gegenwärtig; all-ein wird . 
nicht flectiert. 

alis? ahd. eli, fremd, davon: e-Iend (f. el-Iend, fiehe $. 225 
unter alis). 

fruma, ahd. frami, früh, zuerft, davon: früh-reif (ahd. frumi- 
rifi). 

fulls, ahd. folla, voll, davon: voll-ährig, vol-blütig, voll- 
bürtig, voll⸗gliederig, voll-jährig, voll-fländig, voll-wichtig, voll- 
zählig. | | 

ibns, ahd. epan, eben, gleich, nhd. faft untergegangen: eben- 
bürtig, eben-drähtig; man fest mit gleich zufammen: gleih- 
alt (ahd. Epan-alt) u. a. 

kläinis? ahd. chlein, Fein, davon: klein-laut, Hein-müthig. 

laggs, ahd. lane, lang, davon: Tang-beinig (ahd. lanc-peinni), 
lang-füßig, Iang-händig, Tang-fam (nur tardus, nicht wie früher . 
auch diuturnus), lang-wierig. 


— s88 — 


silba, ahd. selb, ſelbſt, davon: felbfi-gefällig, fels-fländig. 

'silds? ahd. sölt, nhd. dag entſtellte ſelt-ſam f. felt-fan (ahd. 
selt-sani, felten, prächtig, ungewohnt, fremd, mhd. selt-sene). 

vans? ahd. wana, eitel, leer. Die nhd. wahn-finnig und 
wahbn-wißig find von den Subſt. Wahnſinn und Wahnwitz 
abgeleitet. 

veids? ahd. wit, weit, davon: weit-ſchweifig (ahd. wit- 

. sueifte, mhd. wit-sweife), weit-läuftig. 


B. Verzeichnis nad) dem zweiten Wort, 


$. 233. 


augis? ahd. ovgi, mit Augen verfehen, davon: roth-äugig, 
fcheel-Augig, Hlau-äugig, 
beris? mhb.bere, hervorbringend (fat. -fer), bavon: Fund - 
bar; laut-bar kann hierher, aber auch zu dem Subflantio 
Laut gehören $. 190. 
falths (-plex), ahd. -falt, davon: manig-falt (goth. manag- 
falths, ahd. manac-falt, mhd. manec-valt), manig-faltig. 
farvs, ahd. varo, mhd. gevar, farb, davon: bunt-farb (imhd. 
| bunt-gevar), grau-farb u.a. ; lieber jedoch mit -farbig, -fär- 
big, -gefärbt. 
"gairns, ahd. gem, gierig, davon: nen-gierig (ahd. niu- 
gern). 
hafts, ahd. haft, haft, angeheftet, davon: wahr-haft (mhd. 
wär-haft), wahr-haftig. 
hairts, ahd. herz, herzig, davon: barm-berzig (goth. arma- 
har, ahd. arm-härz), eng-h., gut-b., groß-b., hart-b., hoch-h., 
wei yo 
leiks, ahd. Iih, glei, ähnlich, davon: lieb-lich (ahd. liup-Iih, 
myd. liep-Jich) ält-lich, ärm-lich, bläu-lich, fröh-lich, güt-lich 
u. a. m. — 
1) Der ganz geringe Umfang, dieſer Wortbildungen im Goth. 
zeigt, daß erft die nachherige Sprade ihrer bevurfte. Abd. 
fcheint bie ſchon häufige Compofition mit -lih der Bedeutung 
des erfien Worts kaum etwas hinzuzuthun, chleinlih ift gleich- 
beveutend mit chleini. Dasfelbe gilt im Mio. Im Nyd. tritt 
‚eine Berminderung bes Begriffs ein: Tlein-Tich iſt we- 
niger als klein; was bläu-Tich if, fängt an blau zu wer- 
den, ift aber noch nicht blau. Kinzelne ſcheinen den unver- 
minderten, alten Begriff behalten zu haben: fröh-lich, reich— 
lich, treu-Tich, gewöhn-lich. - 
2) Aber auch in der frühern Sprache bewirft -lih mitunter eine 
Aenderung der Bedeutung, iuſoſern dieſelbe abfiraet wird. 


— so — 


| Da ſich nun jedes finnliche Wort abfiract gebrauchen läßt, 
nicht aber das abfiracte finnlich, fo folgt, daß man in vielen 
Fällen das einfache Adjectiv flatt des componierten mit 
lich verwenden könne, nicht umgekehrt: reichliche Gaben 
— amd reihe G., treuliche Hilfe und treue H. find gleich⸗ 
viel; allein für: reicher Mann, wildes Thier darf nicht 
fießen: reichlicher M., wildliches Th. 

3) Damit fcheint zufammenzuhängen, daß die verhandelten Compo⸗ 
fita gern in ber adverbialen Bedeutung, oder als abflracte 
daraus geleitete Sem. vorzufommen pflegen. Alle Adverbien 
find ihrer Natur nach abfracter als die Adjective. Bei vielen 

-ift nur noch das Aoverbium vorhanden, das formell doch das 
Adjectiv vorausſetzt, 3. B. frei-Tich, gemein-Kich, ledig-lich, 
ſchwer⸗lich, wahr-lich, weis-Kh u. a. 


4) Die Compofition mit -Tich Hat ihre Grenze und darf nicht 
an jevem Adjectiv verfucht werben; es gibt 3. B. Fein: Tind- 
lich, rafh-L., fchön-T., ftarf-1. Theoretiſch vertragen fich alle 
unabgeleiteten oder abgeleiteten Adjective damit. — Ueber die Ab- 
leitungen mit -g (ig-Lch) ift noch Folgendes zu bemerken. Die 
Formen -ac, -ic find ahd. organiſch; allein es hebt fchon ein tadel⸗ 
baftes -erlih an, welchem fein abgeleitetes -ec zu Grunde liegt. 
Myhd. wählt die Zahl der unorganifchen -ec-lich, ja fubftan« 
tiviſche Zufammenfegungen werden durch Kinfügung des -ec 
ſcheinbar zu adjectiviſchen. Nhd. find wenige -ig-Lich ge- 
blieben, die faſt nur ale Adverbien vorfommen: brünft-ig- 
y - Ti‘, ewig-T., einfältig-T., feftig-I., inn-ig-I., Tedig-I., wonnig-I. 
n.a. In der Regel feben wir fubftantisifche Compofition ohne 
-ig, alfo: pein-Tich, Köfl-T., künfl-L., oder Taffen von jenen 
Adjectiven das -Tich weg, alfp: Fünftig, ewig. 


5) Umlaut begleitet zwar das nhd. -Tih: ärm⸗lich, Ak-L., 
röb-T., güt-I. (vgl. 9.190 unter leiks), doch fcheint er ur- 
rüngiiä von ableitendem -i: füß-Tich (von suozi), vder 
affimiliertem Compofitionsvocal abzuhängen: ärm-Iich (ah. 
armi-lih für arma-l.), oder zufeßt durch überwiegende Analogie 
allgemein geworden zu ‚fein. — Das ableitende -i wird im 
Add. Häufig unterbrüdt, woraus mh. Rückumlaut entfieht, 
der aber nhd. aufhört, 3. B. ahd. kafuoc-lih für kafuoki-l., 
mhd. gevuoc-lich, nhd. füg-Iid. 

möds? mödis? abd. -muot, felten -muoti (-animis); nhd. alle 
mit -müthig: Hoch- mäthig (ahd. höh-muotig, mhd. höch- 
gemuot), de-müthig (ahd. deo-muot), gleih-m., groß-m., Flein-m., 

lang-m., Teid-m., fanft-m., fohwer-m. (vgl. $. 127.) 

sams, ahd. sam, ähnlich, davon: gemein-fam (ahd. kimein- 

sam), furcht-ſam, lang-f., felt-f. (fehlerhaft für felt-jan $. 232 

unter silds), fpar-f., wad-f. 


— 90 — 


Anmerkungen zu beiden Berzeichniffen. 
834. 


Eine Menge flattfindender Zuſammenſetzungen des Adjeetivs mit 
Adjeetiven find nicht angeführt worden. So componieren fich nament- 
lich die Far bverhältniſſe auf das manigfaltigfte, 3.8. mit den 
erften Wörtern bell-, dunkel-, matt-, bod-, tief-, rein-, 
fhmusig-: Hell-roth, dunfel-blau, matt-grün, hoch-roth, tief- 
gelb, rein-blau, fhmubig-weif ze. ; dann mit einander feldft: Roth- 
blau, grün-gelb, blaß-gelb zc., in welchem Fall immer das con- 
firuierende zweite Wort die Hauptfarbe ausdrückt ($. 231). Im ge- 
nauen Ausdruck dürfen daher beide Wörter die Stelle nicht wechfeln. 

$. 239, 

Zufammengefeßte Adjective verwandeln fih mitunter in Sub⸗ 
ftantive. Dahin gehört z. B. der Eigenname Wachs muth (ahd. 
wahs-muot), wo das aus dem Subftantiv muot entfprungene Ad⸗ 
jectio -muot felbft wieder Subftantiv geworben, da es fein allein 
ftehendes Adjectio muot gibt. Dann gehören hierhin bie unorgani- 
Shen Subftantive: Einfalt, Kleinmuth u. ähnl., welche für 
Einfälte, Kleinmüthe ſtehen. 

Anm. Das Ahd. kennt das Adj. ein-valt (simplex), woraus das ahd. Subſt. 
einvalti ſich erzeugte, wofür im Mhd. diu einvalte ſteht, ohne Umlaut, 
weil ihn die Formel alt vermeidet, Aus dieſem mhd. Subft, hätte 
nun ein nd. Einfälte werben können (mach Analogie von Kälte, 

Güte und nach dem Umlaut in einfältig, forgfältig), allein ver alte 


Unumlaut feste fih durch (mie in manigfaltig, ahd. manicvalt), und. 
man ſchnitt noch dazu den Abfeitungsvocal hinten weg. - 


c) Adjectiv mit Verbum. 
$. 256. 


Das wirflihe Berbum fann in der Regel nicht adjectivifch 
eomponiert werben, denn für den Ausbrud des näheren Verhält-⸗ 
niſſes, in dem fich das Adjectiv zum Verbum befinden könnte, iſt 
eine eigne Form vorhanden, das Adverbium. Das Adverbium 
aber flieht gewöhnlich 108 und ungebunden. . 


g§. 237. 


‚Scheinbar adjectiviſch zufammengefegte Verba find nichts ale 
Ableitungen von einem bereits componierten Subflantiv oder Ad- 
jectio, alfo nothwendig ſchwacher Confugation. Ze 

a) Schwache Verba aus componierten Subflantiven 

gebildet. Dahin gehören: frob-Inden, früh-flüden, furz- 
weilen, Iang-weilen, arg-wöhnen, lieb-koſen (bei Goethe 1, 181 
auch Tieb-berzen). 

b) Shwahe Verba aus componierten Adjectiven. 

Dahin gehört z. B. offen-baren (mhd. offen-beren). — 


N 


— 9A —— 


Das früher gebräuchliche abb. manec-faltön, mhb. manec- 
falten ift uns verloren, wir haben nur noch das Adjectiv. 


$. 238, 


Da, wo flarfe und fchwache Verba adjectivifcher Compofition 
‚unterworfen find, iſt fie ausnahbmsweife an den Berbis ſelbſt 
eingetreten. Hierher gehört das Adjectio voll (fulls) als: voll- - 
bringen, voll-enden, voll-führen, voll-ziehen; von voll-Fommen 
ift das Participium Bräter. übrig. 

Anm. In den frühern Dialekten noch andere Adjective: ahd. ẽ pan 
(ibns), 3.8. gi-öpan-mözön (temperare), sölp (silba), 3. B. selp- 
lazan (acquiescere), wana (vans), 3. B. wau-wesan (deesse), bie 
für die Gefchichte der Partikeln wichtig find. Sie maden offenbar 
nur darum eine Ausnahme von der Regel, daß fich fein Nomen mit 
dem Berbum componiert, weil fie, ihrer lebendigen Bedeutung verlufti 
geiborden, ſich dem Weſen der Partifeln nähern. Man fieht das dur 
Nebertragung dieſer Compoſita ins Lateiniſche: fulla- entfpricht dem per-, 
Epan- dem con-, co-, wana- dem de-, ab-. 


$. 239. 


Wo in dem Participium Präafentis adjectivifche Bedeutung 
vorberrfcht, fcheint es Feiner Zufammenfekung unfähig, die zwifchen 
Adjectiv und Adjectiv eintritt. So gut man füß-duftig, Hein- 
gläubig u. a. fagt, fagt man auch all-belehrend, all-erheiternd, 
al-wiffend, füß-duftend, roth-blühend u. a. “ 

Anm. Bürger (Borreve ſ. Ged. 1778) ſagt: in dünnethuender 
Demut. — Bei Klopſtock (Meſſ. 1. Geſang der Quartausg. von 
1755) fteben: ſanftthränend, füßbetäubend, ſanftwandelnd, fanftleuchtend, 
Veichtfehimmernd, langfamftarrend, ruhigſchweigend, furchtbarbraufend. 


$. 240, 


As Verbum betrachtet könnte das Participium entweder den _ 
Acenſ. neutr. eines Adfectios oder ein Adverbium vor fi haben und 
damit uneigentlich componiert fein. Der Accuſ. ift einzuräumen in 
Gallen, wo auch der Infinitiv gleiche Compofition zeigt, z. B. funb- 
machen, kund-machend (im Praͤſ. aber ich mache fund). Uneigent- 
liche Compoſition mit dem Adverbium faun nur für das Nyhd. zur 
Sprache kommen, feit die Korm des Adverbiums mit der des flexiong- 
Iofen Adjectivs zufammen fällt, z. B. füß-duftend, Iaut-fin- 
gend, tief-athmend läßt fi) aus dem Adverbium deuten, weil 
wir fagen: ich finge Taut, athme tief, die Blume buftet füß. 


$. 241. 


Adjectivifche Zufammenfegung mit bem Participium 
. $räter. findet fih in allen Hochbeutfchen Dialekten, nur nicht im- 
mer in denfelben Wörtern. Nyhd. gehören hierher: Nen-geboren 


(ahd. niwi-boran, mbb. niuwe-born), alt-baden, alt-hergebracht, 


bimd-geboren, frei-gelaffen, frifch-gefallen, hoch-gepriefen, los⸗gelaſſen, 





— — 92 — on 
N N - 
Ä 


fhwarz-gefärbt, grün-umgeben (Goethe, Fauſt 1.), finfterverwachfen 
(Klopfiod, Meſſ. 2, 102) u. a. m. 
Anm. Deutliches Zeichen, daß die Compofition nicht das ganze Berbum, 
bige bar „zart angeht, ift vie Stellung der Partikel ge- in ver Mitte 
eider er. 


$. 242, 


Die uhd. Compoſita wie: frei-fpredhen, boch-achten, hoch— 
ſchätzen, irr-führen, Ios-gehen, gleih-flelen, gering-achten, felig- 
machen u. a. m, betreffen bloß den Infinitiv, allenfalls noch die 
Participien. Im Präfens Indie. löſ't fih die Verbindung auf: Ich 
fpreche frei ꝛc, im Participium Bräter: tritt das ge- nicht voran: 
frei-ge-Iprochen, nicht gefreifprochen. 


B. Adjectivifhe uneigentlihe Compofition. 
$. 243. 


Die uneigentliche Eompofition tritt ein, wenn das erfte Wort 
abjectivifche Flexion zeigt, die mit in die Zufammenfehung aufgenom- 
men worden ift. 

1) Gefchieht dies organifcher Weife, d. h. ohne daß die Eon- 
firuetion widerftrebt, fo vertritt das Adjectiv die Stelle eines 
Subſtantivs. Dahin gehört befonders die häufige, vor 
dem Superlativ ſtehende Formel aller-, 3. B. aller-Liebft, 
alfer-[hönft. Das Subftantiv, von dem bie Rede ıft, wird 
hinzugedacht, ber aller-fleifigfte Schüler heißt: ber 


fleißigfte unter allen Schülern, oder der fleißigfte aller Schüler. - 


2) Die unorganifchen Fälle diefer Compofition gründen fih auf 
Berhärtung einer Flexion, die urfprünglich nur einen beflimmten 
Caſus bezeichnet und nun auch für andere mitgilt. Der uhd. 
Nominativ Mitter-nacht 9 entfpringt aus dem häufigen 
Gebrauch des Gen, und Dat, mitter Nacht (mhd. noch 
richtig umbe mitte naht, näch mitter naht). Das nd. Mit- 
tag, Gen. Mit-tages iſt untadelhaft, nemlich eigentliche 
Eompofition ($. 225 unter midis), In nhd. Eigennamen, 
wie: Lieber-mann, Liebes-find, begegnet diefefbe Ano⸗ 
malie ); desgleichen in örtlichen Namen, wie: Warm- 
brunn, Hohen-Iinden, Rangen-winfel?). 


Anm. 1. In Büchern des 16. Jahrh. findet ih Mitnacht, und noch 
mitten Zage. 
Anm. 2. Allgemein üblich ift das uneigentlihe Compofitum Feins- 
liebchen, Dat. dem Feins-Tebchen, Pur. die Feins-liebchen. 
Anm. 3. Die alte Syntax ftellt Ortsnamen meift in den Dativ mit 
ven Präpof. a3, zi, in; noch mhd. diu stat ze wormeze, nhd. bie 
Stadt Worms. Da nun gleichnamige Derter durch beigefügte Adjective 
unterfchieden werden mußten; fo entitand eine Menge von Benennun« 
gen, wie: gem heiligen Kreuz, hohen Berg, falten Born, langen Stein; 
zur alten Burg, heiligen Stavt, rothen Kirchen; zu reichen Sarhfen, 


\ 
| 





— 93 — 


hohen Linden n, a. Namen fligen ſich aber leicht in ein Ganzes zuſam⸗ 
men ($. 204) und das componierte Hohen-Iinden, Langen-winfel ıc, 
herrfcht nun auch für die übrigen Caſus. Bewohner der egend ſelbſt, 
die den Grund des Namens verſtanden, declinierten das Adjectiv ſicher 
am längſten: ver Fr Berg, des hohen Berges, dem hoben Berg; 
Entferntere hielten fi an die dativifche Form, in welcher der Name zu 
ihnen gelangt war. — Aus den örtlichen Namen entwidelten fih all« 
mälich perfönliche, wie: Alten-flein, Shwargen-berg u. dgl. 


It, Berbale Eompofition. 
$. 244, 

Das wirkliche Verbum componiert fi nicht anders als 
eigentlich ($. 192. 217). Die eigentlihe Verbalcompofition er- 
fordert den reinen (einfachen oder abgeleiteten) von aller Flexion 
entbundnen Stamm des Berbums. Weder ein Zeichen der Perfon, 
noch des Modus, noch des Xempus findet Eingang in die Zufam- 
menfegung. Hieraus folgt, daß jede verbale Jufammenfegung den 
Laut des Präſens Haben müſſe. Wir fagen: Grab-[eit, 
Schreib-feder, nie Orub-fcheit, Schrieb-feder. 

Anm Da übrigeng der Laut des Präf. in einigen ſtarken Conjugationen 

Veränderung erleidet, fo ift zu wiffen, baß in der Zufammenfeßung ver 

Laut des Präf. Indie. Plur. oder des Inf. gilt, z. B. EB-Iuft, eß-bar, 

Gieß-kanne, vergieß-bar. Ausnahme machen Sprichwort flatt 


Sprechwort (Sprühwort feheint ganz tapelhaft), und behilflich 
ftatt behel fläich (tadelhaft behülflich). 


§. 285. 


Der Verbalcompoſition liegt, gleich jeder andern eigentlichen, 
en Compoſitionsvocal zu Grunde ($. 152. 222). — Die 
Zahl der verbalen Compoſita tft weit geringer, als die der nomina⸗ 
fen!). Der Orund Tiegt in der Natur der Sache’ ſelbſt. Durch 
die nominale Compofition werben ganz geläufige Berhältniffe der 
Nomina untereinander feftgefest, das fchon Stätige gelangt in noch 
faßlichere Stätigfeit. Alle Beziehungen des Verbums find aber 
vegfam, wandelbar und zu finnlih, als daß fie fich feffeln ließen ?). 

Anm. 1. Selbſt im Nhd., das die meiften befißt, fommt etwa nur eine 
auf fünfzig nominale, im Mhd. und Ahd. erſcheinen noch wenigere, 

Anm. 2. Erf der geiftiger werdenden Spracde, fei es aus Mangel an. 
donnen oder aus Bedürfnis feinerer Abfkraction, fangen verbale Zu. 
ammenfeßungen an zuzufagen. Aus verwandten Grunde ift die Come 


pofition des Subſt. und Abi. mit Berbis felten, uneigentliche verbale 
ganz unmöglich. 


$. 246, 


Berbale Zufammenfetung drüdt auch in der Bedeutung we⸗ 
ber Genus, Modus, Tempus, Numerus, Perfon noch irgend was 
von der Conjugation aus !). — Dft bleibt ungewiß, ob dem erften 
Wort ein Verbum ober Subftantiv zu Grunde liege: Bet-haus, 


— 94 — 
Raub-vogel, Tanz-luſt, Schlummer-ftätte können zwar 


von beten, rauben, tanzen, ſchlummern, aber auch vom 
Subſtantiv Bet (Gebet), Raub, Tanz, Schlummer her—⸗ 


rühren?). 


Anm. 1. Schreib—feder z. B. iſt ſowol die welche ſchreibt, als wo⸗ 
mit geſchrieben wird, welche geſchrieben hat, womit ich ſchreibe oder er 


ſchreibt ꝛc. Ihre Erklärung kann demnach auf das freiſte und viel⸗ 


deutigſte gefaßt werben, meiſtens wird fie ſich in den ſubſtantiviſch ge- 
nommienen Inf. mit der Präpof. zu überfeßen laſſen: Schreib-fever, 
Drenn-glas, Löfch-papier = Feder, Glas, Papier zum Schreiben, 
Brennen, Löſchen. Bisweilen aber fehlt diefe Richtung auf den Zwed, 
z. B. Waſch-bär, Stint-flein find bloß befrhreibend. 

Anm. 2. Selbft ver fpätere Mangel eines folhen Subſt. beweiſt nicht 
gegen urfprünglich nominale Zufammenfeßung. Indeſſen darf man nicht 
zu weit gehen und alle verbale Ieugnen, d. h. jeder ein veraltetes Ro⸗ 
men unterfchieben, am wenigften den np. 


a) Berbum mit Subftantiv, 
$. 247, 
Gewöhnlich wird burch das erfte Wort bie Handlung ausgedrüdt, 
u welcher das zweite gereicht; dieſe Compoſita bebeuten daher vor⸗ 
zugsweife Geräth und Werkzeug, einigemal Aufenthaltsörter. oder 
dienende Perfonen. | 
$. 249, 
Die Formen foheinen fih am füglichften nach Verſchiedenheit ber 
ftarfen und ſchwachen Confugation zu ordnen. Formeln für das 


zweite Wort ergeben fich bloß beim Adjectiv. 
1) Bon ftarfen Verben: Stoß-eifen(ahd. stöz-isen), Stof- 


vogel, Fal-hut, Lauf-bahn, Schlaf-gemadh, Blas-balg, Brat-. 


yfanne, Grab-[cheit, Heb-amme, Lad-ſtock, Bad-ftube, Schlag- 
hammer, Wahs-thum, Schrei-hals, Spei-kaften, Reib-eifen, 
Schreib-feder, Schleif-flein, Runeip-zange, Scheide-Funft, Schnei- 
de-mühle, Beiß-zange, Reit-bahn, Streit-begier, Streich-holz, 
Leib-haus, Fließ-papier, Gieß-kanne, Schließ-korb, Zieb-brun- 
nen, Eh-luft, Freß-begier, Meß—-tiſch, Leje-buh, Seh-rohr, 
Drefch-tenne, Brech-eifen, Web-flube, Fecht-meifter u. a. m. 
2) Bon [hwahen Berben erfter Eonjugation: Kehr- 


befen (ahd. cheri-pesamo), Brenn-glas, Denk-fraft, Dreb-- 


orgel, Zege-feuer, Lehr-meifter, Löfch-papier, Nähr-fland, Nenn- 
wort, Duäl-geift, Nenn-bahn, Renn-zeihen, Schmelz-hütte, 
Schöpf-brumnen, Schnür-rieme, Schröpf-kopf, Send-bote, 
Streu-fand, Hemm-fette, Wehr-fland u. a. 

3) Bon ſchwachen Verben zweiter Conjugation: Rebe- 
mann, Lock-ſpeiſe, Mach⸗werk, Merk-zeihen, Flatter-finn, 
Bängel-band, Plage-geift, Wander-ftab (mhd. walle-stap), Zanf- 
apfel, Raub-vogel, Ruhe⸗bank, Schlummer-flätte, Schnupf-tuch, 
Tanz-bär, Wage-bals, Wohn-haus, Zeige-finger u. a. 


> Din 


— 95 — 


b) Verbum mit Adjectiv. 
§. 249, 


Dieſe Zuſammenſetzung iſt beinahe nur mit einigen abſtracten 
zweiten Wörtern ($. 182.) im Gebrauch. Was außerdem anzu⸗ 
führen wäre, beichränft fih auf das nhd. bIend-weiß (zum bien- 
den weiß) und freßlieb (zum freffen Tieb). on 


S. 250. 

Die hierher bezüglichen Formeln ſind: 

1) -bere, nhd. bar: Trag-bar (mhd. trage-bære), brauch- 
bar, eß-b:, ausführ-b., fühl-b., halt-b.,.hör-b., erflär-b., les-b., 
nenn-b., erreich-b., genieß-b., reiz-b. u. a. m., namentlich bei 
fremden Berbis: componier-b., declinter-b. 2c.; es dürfen auch 

. neue gebildet werden. Zumal paffend iſt diefe Compofition bei 
vorfiehendem un-, man fagt lieber unabfehb-b., als ab» 
eb-b,, ja von unleug-b. ift die pofitive Form leug-b. 
gar nicht erlaubt. Umlaut tritt bIoß ein, wenn er im Berbum 
begrünbet ıft?). . 

2) ahd. haft, nuhd. haft: Leb-haft (mhd. leb-haft), ſchwatz- 
haft, ſchmeichel-haft; unſicher find dauer-haft und zweifel- 
haft, die auch von den Subflantiven herrühren können. 

3) ahd. los, nhd. los: Leb-Ins (mhd. läbe-los). 

4) abd. lih, nho. Ti: Ziem-Lich (ahd. zimi-lih, mhd. zime- 

lich), erbitt-Tich, zerbrech-T., verbrenn-I., vervamm-I., verbau-T., 
bedenf-I. u. a. m. Berfchiedne find aber nicht ohne un- im 
Gebrauh: fäg-T., austöfh-L., entgelt-I.n. a.) Be- 
fondere Erwähnung erfordern hier noch die mit Verbis auf 
-ern zufammengeleßten, als: veränder-I., ärger-I., ver- 
beffer-T., hinder-I. u. a., nach denen fi andere Bildungen 
unorganifch gerichtet zu haben fcheinen. Deun wenn gleich 
lächer-T., weiner-I. auf mebitative Tächern, weinern 
($.-45. Anm.) zurückgeführt werden können; fo lehrt fchon die 
unmeditative Bedeutung, daß dem nhd. Lefer-L., fürdter-T. 
fein Tefern, fürchtern zur Grundlage gereichen. Sie flehen 
alfo für les-L., fürdt-L. Was den Umlaut betrifft, fo 
haben ihn die meiften®). 

5) sam, nhd. fam, ift in der frühern Sprache ſehr felten. 

Nyd. gehören hierher: Gehor-ſam (ahd. hör-sam), bieg-ſ., 
duld-f., erfind-f., folg-f., behut-ſ., reg-ſ., ſtreb-ſ., ſchweig-ſ., 
wah-f. u. a. m.?) 

Anm. 1. Obgleich verſchiedne fubftantivifch geveutet werben können, wie 
braud-b., halt-b., theil-b. ꝛc., ſo ſcheint Doch das Uebergewicht 
der verbalen Zufammenfegungen in ver heutigen Sprache, neben ihrer 
Seltenheit in der früheren, ven Ausfchlag zu geben. — Das bei Klop⸗ 

od » 2, 749 der Duartausg. von 1755) ſtehende weinbare 
Thränen ift mir fonft noch nicht vorgekommen. " 


— 


- 


—W 
— 96 — 


Anm. 2. Der Ukcberfluß dieſer nhd. Bildungen, verglichen mit ihrer 
frühern Seltenheit, iſt theils aus der vorſchreitenden Abſtraction der 
Sprache überhaupt, theils daher zu erklären, daß urſprüngliche Com= 
A mit dem Inf. und Partic. allmälih in bloß verbale übergegan- 
gen find, 

Anm. 3. Einigen gebriht er: verdamm-I,, verdau-[., uner- 
forfh-1., glaub-I., bedauer-I. ıc., vermuthlich aus Rückſicht 
auf die unumlautigen Berba, va doch erträg-I., Kräf-I. ebenfalls 
in ertragen, firafen ohne Umlaut find. Einzelne laſſen fih fubs 
ftantivifch deuten: wunder-L, jämmer-I. 

Anm. 4 RNhd. iſt diefe Compoſ. ziemlih im Gang; doch feheinen 
—A arbeit-f., heil-f., forg-f., ſpar-ſ. von Subſt. zu 
ommen. 


’ 


$. 231. 


Die Berührung dieſer Compofitionsmittel iſt faft nah dem 
6. 184 Erörterten zu beurtheilen: -bar und -Iich drüden mehr 
das Paſſivum, -haft und -fam mehr das Activum aus, oder jene 
find fächlicher, diefe perſönlicher. Jene dürfen häufig miteinander 
wecfeln: erflärbar und erflärlich, unvermeidhar nd un- 
vermeidlich, bezwingbar und bezwinglich. Zuweilen thun 
ſich aber feinere Unterfihiede fund, 3. B. Ieferlich gilt bloß von 
den Schriftzägen, lesbar von dem Buche felbft. Es fcheint, -Tich 
fei noch um einen Grab abflracter als -bar. 


c) Berbum mit Berbum. 
$. 232. | 
 Berbum fest fich nie mit Verbum zufammen ($.145), wol aber , 
fönnen aus verbal componierten Nominibus Verba abgeleitet 
werben, 3. B. aus Kenn-zeihen, WVall-fahrt ein fenn- 
zeichnen, wall-fahrten ($. 193). . 


1) Participialzufammenfegungen. 
$. 2583. 


Als Adjective betrachtet follten ſich Partieipia vielfältig wie 
andere Adjective componieren können, thun es aber nur in weit engern 
Schranfen. Offenbar tritt ihre zugleich verbale Natur und dag 
Element ihrer Flexion als ein Hindernis dazwifchen. 


§. 254, 


Das Participium Präf. bindet fih nur mit abflracten zwei- 
ten Wörtern!) und zwar: 

a) mit Subftantiven äußerft felten, wie: Allwiffen-heit, 
Unwiffen-heit (abd. finden fi wizent-heit, unwizent-heit, 
bie fi) mhd. nicht nachweifen laſſen). Auf gleiche Weife muß 
Wiffen-fhaft auf ein ahd. wizant-scaf, mhd. wizzen- 

- "schaft zurücgeführt werden. 


— 97 — 


b) Bon Adjectiven kommen —haft und -Iih in Betracht. Er⸗ 
ſteres laäͤßt ſich in der ältern Sprache nicht nachweiſen, letzteres 
iſt uralt und ausgebreitet. Nhyd. werden bie meiſten dieſer 
Participialzuſammenſetzungen durch bloß verbale vertreten, d. h. 
wir ſagen: unerbitt-Iih ſtatt unerbittent-lich (ahd. unar- 
pittent-lin). Nur folgende behalten die ahd. nt-form: Eigent- 
Tich, uneigent-I., flehent-I., boffent-I., Iciveut-I. (gewöhnlich 
feid-I.), vermeffent-L., weent-I., wiffent-I.2). Umgefehrt hat 
die Schriftfprache einigen -nt ertheilt, denen es als Partic,. 

- Präter. oder gar als Adj. und Subſt. nicht gebührt: Ge⸗ 
fliffent-L., gelegent-L., verfchiedent-T., Öffent-T., nament-I., - 
prbent-I. (ſchon mhd.), wöchent-I. aus Nachgiebigkeit gegen bie 
gefügige Verbindung des t mit n. Das Partie. Praͤſ. wird 
auch in jenen nicht gefühlt, die das -nt mit Recht haben, 
fonft würde man -nd ſchreiben 9). 

Anm. 1. Eine Ausnahme bilden die ver nhd. Volksſprache angebörigen : 
ſtickkende-wickende-voll, ffroßend-v., brüdend-p, 


Anm. 2. In gemeiner Volksſprache hin und wieder: vermuthent-T., 
untröfent-L u a. 

Anm..3. Myd. pflegt das t (d) wegzufallen: eigen-l., gruezen-l., 
verm&33en-|., wizzen-i. Diefe mhd. Zorm begegnet in oberbeutfchen 
Säriften des 15—17. Jahrh. z. B. vergeben-L., hoffen-I., vermeffen-I., 

wofür die heutige Schriftfprache andere Formen hat. 


$. 259. 


Das Participium Präter. bindet fih in der älteften dichte 
riſchen (angelfächfifchen) Sprache noch mit Tebendigen Wörtern, 5.2. 
vunden-loc, db. i. gewundene Locken habend (cirratus), welcher- 
Gebrauch fpäter aufhört. Länger im Gebrauh geblieben ift das. 
Partie. Präter. mit abfiracten Wörtern und zwar: 

a) Subftantiven; hier gelten bloß die Formeln — heit und 

-[haft: Trunfen-heit (ahb.trunchan-heit), Gebunden-h., 

WVerdroſſen-h., Begeben-b., Gelegen-b., Bolltommen-h., Be- 
ſchaffen-h., Beiheiden-h., Berfihwiegen-h., Gelehrt-⸗h., Be- 
liebt⸗ h., Gewandt-d. u. a. Berlaffen-[haft, Errungen-ſch., 
Bekannt-fch., Berwandt-[ch. 

b) Adfectiven, mit den Formeln -bar und -Tich. Erſteres iſt 
fihon früher felten, nhd. ganz verloren. Mit der zweiten Kor- 
mel bietet bie ahd. Sprache zahlreiche Beifpiele, die mhd. ab⸗ 
nehmen; uhd. find nur noch erkennt-lich und. unerfennt- 
lich (mhd. erkant-l., unerkant-l.) vorhanden. 


2) Infinitiviſche Compoſition. 


$. 256, 


Eigentlich Fann, wie es Scheint, im Ahd. mit dem ſubſtantiviſch 
- genommenen Infinitiv ohne Schwierigleit componiert werden, ob⸗ 
Kehrein Grammatik. I, 2, 7 








— 98 — 


ſchon die Beiſpiele ſelten ſind und nur mit dem Adjectiv -Iih vor⸗ 
kommen, z. B. prinkan-lih (d. i. fruchtbar). Aus dem Nhyhd. ſpricht 
dafür das Adjectiv thun-Tich (angelſ. dön-lic) und anſehn-lich. 
Uneigentliche Compoſition findet nhd. mit einzelnen Adjectiven, 
3. B. ſterbens⸗krank, hauptſächlich aber mit ben Adjectiven werth 
und würdig ſtatt: Danfens-wertb, erbarmens-w., fluchens-w., 
baffens-w. u. a., bebauerns-würdig, Tiebens-w., fehens-w., 
verabfcheuens-w. neben rein verbalem fluch würdig, Iob-mwürdig, 
merl-winbig, denf-würdig. !) Es gibt auh.nhd. Subftantive diefer 
uneigentlichen Zufammenfeßung: Redens-art, Lebens-zeichen, Le⸗ 
bens-bahn, Sterbens-wörtchen, Leivens-gefährte, Lebens-gefährte. 2) 
Anm. 1, Auch fagt man uncomponiert mit vorgeſetztem Artikel: des 
Nennens werth 2. In ver älteren Sprache überall ohne Zuſammen⸗ 
.feßung, 3.8. denchennes muodiu, und felbft in fpäteren Volksliedern: 


Es ift nun reitens werth (werth, daß darum geritten wird); das Lied 
ift fingens (lörens) werih. 


Anm. 2. Im Ahd. überall ungebunden, 3.9. Anagangönnes cot (Janus). 


— Uneigentlich gebunden auf andere Weife iſt das nhd. Hören-fagen, 


wo gewiffermaßen zwei Verba zuſammenwachfen; es entfpringt aus ber 
Redensart: Sch habe. fagen hören, 


m 


IV. Bartifeleompofition, 
§. 257. 


Alle Partifeleompofition ift uneigentlich, gefchieht 
folglich immer ohne ben Compofitionsvocal, Dieſer ſollte bei flectier- 
baren Wörtern vielfeitige, der Flexion unerreichliche Verhältniſſe faffen, 
zugleich das Band fein, wodurch Nomina und Verba, ihrer Flexion 
-entblößt, an andere Wörter geheftet würden. Die von Natur ein- 
feitige, unveränberliche Partifel bebarf, um fih näher an andere 
Wörter zu fügen, da fie nichts von fich abzulegen hat, Feines äußern, 
on die Stelle der abgelegten Form tretenden Mittels. _ 

Anm. Jedes Nomen, VBerbum befrhließt feine Wurzel ınit einem Con⸗ 
fonanten ($. 4), den aushaltenden hebt die Flerion hervor oder birgt 
eine zugefügte Ableitung. Unter den Partien, die ſich zumeift compo= 
nieren, gibt e8 viele einfylbige, vocalifch auslautenne, an welchen gar 
fein Bocal der Zufammenfeßung haften Tönnte, 


$. 258. - 


Iſt nun jedwede Eompofition mit Partifeln uneigentlih, fo muß 
fie auh unurfpränglich fein ($. 150), Die Partikeln find ent- 
weder trennbare, bie auch ungebunden, ober untrennbare, bie 
bloß gebunden vorfommen. Alle untrennbaren weifen auf einen frühe- 
ren Spracftand bin, in welchem fie gleichfalls als Iofe und freie 
Wörter erfchienen find, Partifelcompofita müffen aber unter allen 

uneigentlichen für die älteflen genommen werben, weil fie ſich ſchon 
in den älteften Denfmälern jeder Sprache finden. | 


— — — — — —— — — 


— s8s9 — 


$. 359. 

‚Hierbei muß Adverbium in weitem, Prapoſition in engerm 
Begriffe gefaßt werben, als dies gewöhnlich geſchieht. Inſofern jede 
meigentliche Zufammenfebung aus ber Gewohuhelt des Mebenein- 
anberfteffens zweier Wörter hervorgeht, haben die Partifeln anfäng- 
lich nicht allein vor dem Berbum, fondern auch vor dem Nomen 
ungebunden geflanden. Zur Präpofition gehört ein Yon ihr abhäugiger 
Caſus. Sie ift nichts als die Befähigung einer Partikel zur Caſus⸗ 
rection, d. h. biefer Präpofitionseigenfchaft iſt eine verbale voraus⸗ 
gegangen. In der Compoſition gilt die Aldverbialferm. 

Anm. Es gibt allervings Präpofitionen, deren adverbialer Gebrauch 
ausgekorben, Adverbia, deren Präpofitionsanwenbung wieder verfofchen 
it; häufig beheben beide zuſammen. Fällen, wo die Geſtalt des 

zu 


Adv. und der Prap. wicht — tann, find Die compo⸗ 
“ nierten Partikeln für Adv., nicht für Si erachten, 


$. 260, 
Zeichen eigentlicher Eompofition if, daß eine — 


Menge von Wörtern, uneigentlicher, daß nur eine beſchr 
Zahl dafür taugt. Die Partikelzuſammenſetzung begreift wur lebloſe, 
räumliche Abverbia, befonders ſolche, die zugleich auch Pra⸗ 
pofitiosnen werben. Die componierten Partilkeln, die keine wirklichen 
Praͤpoſitionen find, verdienen übrigens meiſtens präpoſitionale 
Abverbia zu beißen. 


$. 261. 


Durd die Compofition find untrennbare Partikeln vielfacher Ext 
flellung und Berbunflung unterworfen, wovon fi Hier im 
Allgemeinen Folgendes bemerken läßt: 

a) Der Eonfonant wandelt fih nah dem Anlaut bes zweiten 
Worts: Im-biß für In-bif, emp-fangen für ent-fangen, emp- 
finden für in-finden. 

p) Auch der Bocal ändert fih; nuhd. ein- für in-. 

c) Tonverluft tritt nach verfihiednen Stufen ein. 

d) Manche diefer Veränderungen treffen au die getrennten Par« 
tikeln, 3. 3. nhd. am für umbe, umpi. 


$. 262, 


Nicht felten gewöhnt fi die Wurzel fo an bie Partikel, mit 
welcher fie Compofition eingegangen ift, daß fie, wenigſtens bia- 
lektiſch, gar nicht mehr ungufammengelegt vorkommt. Iſt nan bie 
Partikel nach dazu verkürzt, jo tritt oft Compofition mit einem 
einzigen Eonfonanten ein. Hierdurch aber wirb eine Ber 

bunflung der Wurzel möglich, deren Dauptfälle folgende find: 

a) Bon dem ge- fällt vor I, u, x in gewifien uhd. Wörtern ber 

Boral weg: G-Iaube (ahd. ki-loupa), g-leich (ahd. ki-Iih), 
7% 





— 190 — | 


&-nade (ahd. gi-näda), g-rob (engl. gruff, aus ge-ruff), 
und gl, gu, gr gewinnen winzelhaften Schein. | 
. b) Bon dem be- feltner und.nur vor I: B-Iod (ahd. pi-loh, J 
mhd. b-loch), b-leiben (ahd. pi-lipan, mhd. — *8 | 
6) Bon dem ze- nur vor w in: 3-war (mhd. ze wäre ohne 
Compoſition). 
d) Der Vocal unterbleibt auch vor. vocaliſch anlautender Wurzel, 
3. B. g-Önnen (ahd. gi-onnan), b-armherzig (aus be- 
\ ormberzig), B-eicht (ahb. bi-giht, pi-giht, jehän d. i. be⸗ 
fennen, noch übrig in unferm bejahen). 
- .e) Die nbd. Partifel n-eben entfpringt aus mhd. En-Eben, ahd. 
in-Epau, | 


A. Partikel mit Nomen. 


$. 263. 


Diefe Eompofition ſcheint älter und ausgebreiteter als die mit 
dem Verbum, verledt die Form ber Partikeln in der Negel weniger 
und findet auch leichter ftatt mit unpräpofitionalen Adverbien. Da 
unſere Syntar feine freie, unverbundne Stellung der Partikel vor 
das Subflantiv, worauf fie fich bezieht, erlaubt, vor das Adjectiv 
nur bei belebten (3. B. unendlich lieb, ausgezeichnet fchön), nicht 
bei abfleacten Partikeln; fo muß nicht bloß für untrennbare, fondern 
auch für trennbare, überall wo fie fih an das Nomen fchließen, 
wirkliche Zufammenfegung angenommen werben. 

Anm. Wer die Partikel vor dem Nomen für ein Adv. des engern Sinnes 
halten, d. h. An-blid, Bor-fohritt aus an-bliden, vor- 
ſchreiten verfändigen wollte, ven widertegen unyäblige Eompofita, | 
beren zweites Wort aller Berbaltraft ermangelt, 3. B. Vor-hof. 


$. 264. 


Zur Beſtimmung der Grenze zwifchen wirfliger Compoſi— 
tion mit dem Nomen und bloßer Ableitung von Verbis 
dienen im Allgemeinen folgende Puncte: 

1) Wo gar fein Verbum dem Nomen entfpricht, hat fih natür- - 
lich die Partikel mit dem Nomen zufammengefeßt, 3. B. ahd. 
ap-krunti, Ab-grund. | 

2) Wenn das einfache Subſtantiv ohne die Partikel nicht beftehen | 
kann, fo ſcheint die Compofition mit dem Verbum eingegangen, 
3z.B. goth. af-löts, nhd. Ab-Taf, von af-lötan, ab-Iaffen, 
da es Fein Subfltantiv ldts, Laß gibt. 

3) Dffenbar verbale Ableitungen bezeugen Compofition mit bem 
Verbum, 3. B. Ein-rihtung, Ab-Haltung flanmen von 
ein-riäten, ab-halten, nicht hat fich die Partikel zu den 
Subftantiven Haltung, Richtung gefügt. 

4) Iſt gar feine Ableitung fichtbar, oder eine dunkle, oder eine 
bald nominale, bald verbale vorhanden, übrigens Verbum und 


Sn 


— 11 — 


Nomen gleich geläufig; fo laͤßt ſich nicht angeben, ob die Zu⸗ 
ſammenſetzung zuerſt mit dem einen oder dem andern vorge⸗ 
. nommen fei, dba beides möglich if. In An-blif, Unter- 
kunft kann die Partifel mit den Subflantiven Blid, Kunft 
componiert, oder aus an-bliden, unter-Fommen hernach 
das Subflantio geleitet fein. | 


$. 269. 


Die Partikeln find theils trennbar, theils untrennbar. Sene 
kommen außer der Zufammenfeßung auch noch, ungebunden vor, biefe 
nicht, da ihre echte Geſtalt durch Schwächung des Vocals oder Ent- 
ziehung des Tons gelitten hat. Alle untrennbaren Partifeln find - 
entweder fichtbar entſtellt oder der Entſtellung verdächtig. Mit dem 
Nomen componieren ſich nicht bloß untrennbare Partifeln, fondern 
auch trennbare, d. h. unentftelltere und lebendigere. Der untrenn- 
baren find weit wenigere. Als die vorzüglichflen merfe man: &-, 
aftra, and, fair, faurth, ga, oba, un, us (after, ant, ver, vorber, 
ge, ob, un, ur). 


Trennbare und untrennbare Partikeln mit dem Nomen, 


$. 266. | 


“äd-, aus, von. Diefe überall untrennbare Partikel iſt einerlei 
mit der ahd. Präpof, ar, or, goth. us u Im Ahd. finden 
fich zahlreiche Compofita, mhd. nehmen fie ab, nd. iſt nur das 
entftellte Elfter (ahd. A-kalastra und A-galastra, mhb. A-gelster, 
von galan fingen, noch übrig in gellen) vorhanden, | 
Anm. Die Bollsmundarten Tennen noch A-madht, D-madht, A 

name, D-name (Schimpfuame) u. a. Für Elfter fagt Opitz 
(+ 1639) noch Agelafter, 


$. 287. 


af-, ahd. ap, ab, ab ift in allen Dundarten trennbar. Die 

Bedeutung im Allgemeinen ft Entfernung, Befreiung, Schwäche, 

Widriges; fie fteht dem an- entgegen, . 

a) Subft. Ab-Iaf (goth. af-leis, ahd. ab-laz), Ab-bild, Ab- 

bitte, Ab-fall, Abefluß, Nd-gott, Ab-grund, Ab-rif, Ab- 
fohnitt, Ab-weg u. a. 

b) Adj. Ab-trüännig (ahd. ab-trunnic), ab-hängig, ab-holb, 
ab-wendig. . 


$. 268, 


afar, ahd. avar, aber iſt goth. noch Präpof. (mach), ahd. nur 
Ado., jedoch trennbar (wiederum). Aus dem Begriff nach 
entwickelte fih der des Böſen, Schlechten. 


023° 
U 00) Un cz 
1 ‘ 

J » J 


) Su. Aber glaube, Aber-witz Haben den Sin des 


Böfen, Mebermäßigen. Aber-Flane bedentet Hinter-klaue, 
wbvfuͤr and After-Iane geſagt wird. 

v) Abj. Aber-gläubig, aber-wigig, aber-weis 9). 

Anm. ſ. Goethe (33, S. 275): Das verdiente innige ahndungsvolle 
Ehrfurcht, der zwar euer ganzes aberweiſes Jahrhundert von Lit⸗ 
teratoren nicht faͤhig iſt. 

Anm. 2, Stalder (1, 86 f.) hat: aber-finnig (mahnfinnig) aber- 
fünig (launiſch), Aber-wahl (Wiederwahl), Aber-wille (Unw 


le). 
§. 269, 
afira, ab. aftar, after, bedeutet meiſtens das Nachfolgende, zu- 
weilen das Schlechtere, im Werth Nachflebende, Aftra ift goth. 
artifel, ahd. Praͤp., nhd. untrennbare Partikel, 
Subfl. After-geburt, After-heu (Grummet), After-kind, 
After-Ichn, After-rede, After-zins, After-fönig, After-Forn, 
After-Tiebe. = | 
$. 270, 


ana-, ahd. ana-, mb. ane-, an-, an, Diefe überall trennbare 
Bartifel iſt pas Gegentheil von af (ab); fie drückt das ſich Nähernde, 
Beginnende, Unternebmende, Natürliche, Gelingende, Gefällige aus. 
a) Subfl. An-dacht (ahd. ana-däht, mhb. ane-däht), An-bau, 


(fo bieß früher der Reif), An-höhe, An-Funft, An-laß, An- 
‚rede, An-Ihein, An-walt, An-zahl u. a. 
b) Adi: An-bächtig, an-beifchig, an-muthig, an-geblich. 
Anm Am-boB flebt für An-boß (ahd. ana-po3), Ahn-Lich für an- 
lich (ahd. ana-lih), zu 
$. 271. | 


and, ahd. ant, ant, Im Goth. Iautet bie trennbare Präpof. 
and, in der Eompofition and- und anda-. Ahd. ift diefe Par- 
tifel untrennbar und JYautet vor dem Nomen ant-, vor dem 
Verbuin gewöhnlith inf-; mhd. ant-, zuweilen ſchon unbetontes 
ent-. Dieſe Partikel bedeutet ſowol mildes Entgegenkommen, als 
ne Widerſtreben; fie druͤckt eine größere Nähe aus als 
ana (an). 
Subſt. Goth. und ahd. zahlreich, mho. weniger, uhd. nur noch: 
Ant-litz und Ant-wort (goth. anda-vleizn, anda-vaurdi, 
ahd. ant-Iuzi, Ant-warti). 
Anm. Kaum ertenntlich it Amt (gott. and-bahts Diener, ahd. am- 
baht, mhd. am-bet dv. Amt). In Em-pfang fehen wir das mhv, 


ent-pfanc. 
$. 272. 
ano, ohne. Diefe ahd. Partikel geht Feine Compofftion ein. Das 


nhd. Ohn-macht (add. A-maht), obn-mächtig, ſteht entweder . 





—— „ An⸗-blick, An-drang, An-fall, An-gabe, An-hang | 


| 





— 100 — 


für Un- macht oder A-marht ober wurde aus ber Redendart: 
Ohne Macht akmälih zum Subflantiv. 


Anm. Ohne if gleicher Beveutung mit un, baher obngefahr und 
ungefähr u. a. Vgl. un (un). 


$. 278. 


bi-, , ahd. pi, pi, be-, bei-. Im Goth. iſt noch Feine Spur, weder 
vaͤß dieſe Partikel im Fall der Compoſition ihren Bocal ſchwaͤche, 
noch im Fall der Präpofition verlängere. Im Ahd. gilt dreierlei: pi, 
betontes pi, unbetontes pi; pi ift trennbar und hat bie räum- 
liche Bedeutung bei (prope); vor dem Verbum und Allen, was 
daher abgeleitet wird, ſteht unbetontes pi; betontes pi fteht, wenn 
fih die Partikel mit dem Nomen componiert. Mhd. eniſprich bi- 
dem ahd. pi; be- (betuntes umd unbetontes abd. pi) iſt überall 
unbetont. Ryo. ſteht betontes bei- und unbetontes be-. 


1) Betontes bei-: 
a) Subſt. Bei-name (ahd. pi-namo), Bei-fall, Dei-lager, Bei- 
leid, Bei-fland, Bei-fpiel (mhd. bi-spel, $. 174) u, a 
b) Adi. Dei-fällig, bei-läufig. 
2) Unbetontes be-: 
a) Subſt. Be-dadht (ahd. pi-däht), Be-fehl, Be-ginn, Be- 
leg, Be-riht, Be-fib, Be-tug, Be-zug.u. a. 
b) Adi. Be⸗denklich, be-findlich‘, .be-greiflich, be-herzt, be- 
fchaffen u. a. 
Anm. 1. Unkenntlich geworben ift die Partikel in bieder (ahd. b, bi harpi, 
mhd. be-derbe, d. — nützlich, tüchtig); und Beichte ($. 26 2 
Anm. 2. Aus der anfänglihen Identität von bi- und be- en ben fi 
faft zu jeder Zeit Derügrungen beider, das lebendige Nabe ein (bi-) 
geht über in den abftracten Begriff von Einwirkung. Bgl. Bei-Tiß, 
Be-fih. Oft ſtehen auch beide Bildungen einander entgegen: Bei- 
ſchluß, Be-ſchluß; Bei-fland, Be-fland; Bei-trag, Be— 
rag. 
Anm. 3, Verwandie Partikeln find: miti-, pi: Bei-ſchlaf, ahd. mili- 
släf; und ana-, pi: Be-ginn, ahd. ana-gin. Doc find fie verſchieden: 
an- bezeichnet einfeitige,, de mehrfeitige Wirkung auf ben Gegenſtand. 


- $. 274. 


- du, ahd. zö, zuo, mhd. zuo, zu. Dieſe überall trennbare 

Partie erleibet eine dem bi- a analoge Veränderung dadurch, daß 

e theils den Vocal verlängert, theils ſchwächt. Im Abd. geben 

Nomen und Verbum Comppfition mit dem langen zö, zuo, nie- 

mals mit dem furzen zi, za ein. Mhd. und nbd. gilt gleichfalls 

nur langes zuo, zu. 

a) Subft. Zu- fludt (ahd. zuo-fluht), Zu-drang, Zu-fall, Zu- 
gang, Zu-kunft, Zu-lauf, Zu-ruf, Zu-ſatz, Zu-verfigt, Zu- 
tritt u. a. 

- b) Adi. Zu-bringlich, zu-fällig. 





— 104 — 


Anm. 1. Der Sinn von zuo beriſhrt ſich mit pi: zuo-namo, pi-namo 
Zu-name, Bri-name und mit ana: An-ruf, Zu-ruf; doc hat zuo nicht 
den Begriff von um, neben und Berringerung, der in pi lirgt, und 
drückt mehr das Volbringen aus, als ana, das fih auf vie Wirkung 
nach der Oberfläche und dem Aeußeren befrhränft. 


Anm, 2. Für keine Zufammenfeßung darf man halten weder das vor 
Adi. ſtehende Adv. zi, za (nimis), 3. B. zu bald, zu breit, noch die 
räpof. mit ihrem Gafus in ver Redensart: za leipu, zi leibe, zu 
Leibe u. a. In folchen Fällen ift zu tonlos, und veshalb find: zu—⸗ 
frieden, zuerfi u. a, feine wirklichen Zufammenfeßungen, 


§. 275. 


dis-, ahd. za, zi, z&, zar, zir, mhd. ze, zer, jer-. Diefe Par- 
tifel ıft überall untrennbar; aber aus zwei Partikeln zufammen- 
gefloffen, aus du, di und us, is, zi-ar, ze-ir. Mit dis-, zer 
eomponiert fich Fein Nomen. Wörter wie Zer-fall, Zer-rüt« 
tung, Jer-flörung und bie von Subſt. gebildeten Adj. zer- 

brechlich, zer-Enirfcht find immer von Verbis abgeleitet. 


u Zer ift mit dem folgenden fair (ver) verwandt, nur etwas 
ärker. 


$. 276. 
fair-, ahd. far-, fir-, fer-, mhd. ver-, ver-. Diefe Partikel iſt 


überall untrennbar und fleht nhd. in vielen Wörtern, die großen- 


ve aus Berbis abgeleitet werden fünnen. 

a 
dacht, Ver-hau, Ber-Fauf, Ver-Iuft, Ver-rath, Ver-ſchlag, Ver- 
weis u. a. - 

b) Adi. Ber-binblich, ver-bächtig, ver-dienftlich,, ver-brießlich, 
ver-rudt u. a. 

Anm 1. Niht Ber-wiß (ahd. fir-wizi, mhd. vir-wilze), fondern 
Bor-wiß, Sür-wiß. 

Anm. 2. Der Sinn diefer Partikel ift doppelt: a) bloß intenſiv, d.h. 
was fchon im einfachen Nomen Iiegt, hervorhebend, fo in Ver-luſt, 
Ber-band, Ber-dienft; mandes Simpler kommt gar nicht ohne 
bie Partikel vor, was eben ein Zeichen ihrer gelinden Bedeutung iſt; 
N privativ, Teugnend, Uebel und Verderbnis ausprüdend, fo in 

er-dart, Ber-ruf. Grunpberentung, worin fich beive Sinne be⸗ 

gegnen, ſcheint: vor, fort, vorüber, vorbei. Ber-braud 
iſt anhaltenner Brauch, Ver-kauf Weggeben ver Waare. 


$. 277. 


faura-, ahd. fora, mhd. uhd. vor-, eine trennbare Partikel, 
bie meiftens bie Bedeutung vor (prae, ante), felten für (pro) 
bat, ohne den privativen Nebenfinn des ahd. far-, fir-, und nie 
des Tons verluflig wird. 
a) Subfl. Bor-gang (ahd. fora-kanc), Vor-eltern, Vor-bild, 
Bor-fall, VBor-hang (goth. faura-hah), Vor-hand, Vor-mund, 


\ 





Subſt. Ber-nunft (ahd. far-nunft), Ber-band, Ber-bot, Ber- 





ee Can — 


—— 105 — 
Bor-name, Bor-rede, Bor-faß, Bor-hab, Bor-wand, Bor- 


zug u. a. \ 

b) Ad. Vor-bildlich, vor-geblih, vor-jährig, vor-Täufig, vor- 

ſätzlich u. a. 1 

Anm In Vor—theil Hat ſich die echte Vocalkürze bewährt; während 
die übrigen Compoſita, gleich der Präp., langvocäaliſch vör lauten, iſt 

jenes wie foheindare Wurzel BortH-eil (unter dem Bolte wirklich 

Bort-el) analog den Wörtern morden, Orden auszuſprechen. 


$. 278, 


fauri-, ahd. furi-, mhd. nhd. für, trennbare Partikel, die im 
Goth. mangelt, auch im Abd. und Myd. Feine zahlreichen Com- 
pofita bildet. Nhd. etwa: Für-bitte, Für-Iprade, Für-fprecher, 
| Für—-tuch, Für-wis, Für-wort. Der neuere Gebrauch neigt ſich 
, aber zu Bor-bitte, Vor-ſprache, Bor-wis; Vor-haus (ahd. 
— furi-hüs), Vor-holz (mhd. für-holz). 
Anm. "Schon in der frühern Sprache werben fora- und furi- (vor, für). 
vexrmengt. Das ahd. füri- hat weitern Umfang, als das nhp. für-, 
wie auch bie heutige Präp. befehränfter iſt. Ihrer räumlichen Bezichung 
allmälich entbunden, dient dieſe Partikel allein zu dem Caufalbegriff des 
Rutzens und der Stellvertretung. Das eomponierte ahd. fora- bezeich- 
nete mehr das zeitlihe, Turi- mehr das räumliche prae (vor), daher 
furi-hüs,, furi-zimpar ſtatt der nhd. Bor-haus, Bor-zimmer. 


$. 279, 


faurth, fort, ift weder goth. noch ahd. aufzuweiſen, obwol nicht 

"unmöglih. Das nuhd. fort (fatt ford) ift vielfach im Gebrauch, 

Ä dem Nomen verbunden- in: Fort-dauer, Fort-gang, Fort- 
ſchritt, Fort-zug, Fort-fall, Fort-reife. 

Zahlreich find die componierten Verba und verbalen Subſtantive. 


| S. 20, 
_ faürthr, ahd. fordar, furdir, mhd. vorder, vürder, vorder. Mit 
diefer untrennbaren Partikel finden ſich erſt mhd. und nhd. 
eomponierte Nomina: Vorder-achſel, Border-arm, Border- 


J bein u. a. und die Adf. vorder-ſam, förder-lich, wo nicht 
diefes von dem Verbum fördern gebildet. ift. 


$. 281. 


filu-, ahd. Ailu-, inhd. vil-, viel-. Mit dieſer trennbaren 
Dartifel componiert ſchon das Goth. 3.3. filu-vairdei d. 1. Viel- 
rednerei. | | 
a) Subft. VBiel-fraß (ahd. Nlo-vrezo), Viel-eck, Biel-göt- 
terei u. a. 
b) Adi. Biel-artig, viel-beutig, viel-fach, viel-jährig, viel- 
ſeitig u. a. J | 


— 106 — 


Anm. Bor dem Adj. kann in ber älteren Sprache ein freies Alu ange» 
nommen werben, z. DB. filu E33al d. i. viel eſſend; vor dem Subſt. 
geht dies nicht an. Seit das nhd. Adj. viel gilt, Tönnen auch einzelne 
nhd. Eompofita anders genommen werben, namentlich viel-falt, 

“wofür früher mit manag zufammtengefegt wurbe, 3. B. got. manag- 
falths, ahd. manac-falt, nhd. manig-faltig. i 


$. 282, 


ga-, ahd. ka, ki, ga, gi, ge. -Diefe untrennbare Partifel iſt 

in allen Dialeften vom größten Umfang. Sie gilt: _ . 

1), wenn aus ſächlichen Subftantiven perfönlihe Geſell— 
fhaftsbegriffe gebildet werden, wobei gewöhnlich ſchwache 
Form, oft auch ableitendes i miteintritt. Die Zahl diefer Wort» 
bildungen nimmt mhd. ſchon ab, nhd. noch mehr. Wir haben 
noch Ge-bauer (Eigenname) und entftellt in Nachbar (für 
Nach-ge-bauer, ahd. nah-ga-pür, mhd. nach-ge-bür), ®e- 
fährte, Ge-mahl, Ge-felle, Ge-Spiele, welche alle aufs masc. 
befchränft werben; die fem. befommen -in: Nachbarin, Ge⸗ 
fährtin, Gemahlin, Geſellin, Geſpielin. — Einigermaßen hier⸗ 
mit verwandt find die Berwandtfhaftswörter: Ge-vpat- 
ter (ahd. ka-vatero), Ge-brüder. ü 

2) Steht die Partifel, wenn aus perfönlichen oder färhlichen Sub- 
ftantiven Collectiva mit der Ableitung i gemacht werben; es 
find Tauter Neutra. Die zahlreichen nhd. Compofita haben den 

Ableitungsvocal meiftens abgelegt und dulden ihn nur nach d 
und g. Ge-birge (ahd. ki-pirki, mhd. ge-birge), Ge-äder, 
Ge-därm, Ge-fäß, Ge-häus, Ge-tächter, Ge-müth, Ge-nift, 
Ge-päd, Ge-räth, Ge-finde, Ge-tänt, Ge-wäfler, G®e- 
würm u. a. m. | 

3) ©eringe, faft unmerflihe Bedeutung fheint die Partikel zu 

befigen, wenn fie zu Subflantiven tritt, die one Ableitungs« 
mittel aus Berbis hervorgehen, d. h. reine (ablautsfähige) 
Wurzel an ſich tragen. | 
a) Masc. und neutra mit Lauten bes Präfens: Ge-bet (add. 
ka-pöt), Ge-back, Ge-biet, Ge-fecht, Ge-halt, Ge⸗heiß, 
Ge-laf, Ge-fpann, Ge-fhmeif, Ge-web, Gewinn u. a. 
b) Masc. und neutra mit Ablanten: Ge-bot (ahb. ki-pot), 
Ge-bi, Ge-bund, Ge-nof, ©-Iied (mhd. ge-lit), Ge-nuß, 
Ge-ruh, Ge-fang, Ge-Ihmad, Ge-Ihoß, Ge-fant, ©r- 
wand, 
c) Schwache masc. G-laube (ahd. ka-laupo, mhd. ge-loube). 


4) Steht die Partifel vor Subft. mit Tingualableitung, d.h. 


alter, von keinem Vocal begleiteter. Es find abftracte fem:, 
fpäter einige neutra: Ge-burt (goth. ga-baurths, ahd. ka- 
purt, gi-burt), Ge-duld, Ge-fhiigte, Ge-fiht. — Diefe haben 
zwar fichtbaren Zufammenhang mit Verbis, können aber bie 


— 10 — 


Vartikol erſt angenommen haben, nachdem bie Subſtantivbildung 
vollbracht war. - 

5) Noch verbafer find neutra mit der Partikel und der Ableitung 
-i, denen fi kein Subflantiv als Unterlage nachweifen Täßt, 
und die unmittelbar aus ſchwachen Berbis erwachſen. Diefe 
Compoſita zeigen fih in ber alten Sprache fparfam, in ber 
neuen häufig: ®e-rüfte (ahd. ki-rusti, mhd. ge-rüste), Ge- 
brüll, Ge⸗dicht, Ge-fühl, Ge-heul, Ge-Täute, Ge-räufh, Ge- 
fchent, Ge-fiell, Se-zifh u. a. — Ale ſollten umlauten, und 
es iſt zu große Nüdficht auf das Verbum, dag man bei der 
zweiten Conjugation ben umgefchwächten Bocal oft beftehen läßt, 
z. B. Ge-brumm, Ge-prahle, Ge-fumfe. — Borzäglid 
gern gebildet werben: folche Neutra von frequentativen Verbis 
auf-eln, -ern: Ge-bettel, Ge-Hingel, Ge-flatter, Ge-flim- 
mer u. a., aus welchen der Begriff anhaltender Hanblung auch 
auf andere übertragen worben fein mag. 

Anm. Zumeift unorganifh und neu feinen die, wol nar in gemeiner 
Sprache vorkommenden Eompofita von ſtarken Verbis: © e-fhreibe, 
Ge-finge, Ge-fiße. 

6) Gewiffe Adjective entfpringen aus Subflantiven jebed 
Gefchlechts und jeder Derlination durch Wegwerfung der fubs 
ftantivifchen Flexion, Anfügung der adjectivifchen und Borfeßung 
der Partifel. Das Adjectiv drückt dann aus, daß ihm bie 
Sache zu eigen, es damit verfehen ift, welche das Subſtantiv 
enthält. Nhd. find diefe Bildungen, mit Ausnahme von: ge- 
lenk, ge-mut (in wolgemut), ge-Ihlaht, ge-wahr ab» 
gekommen, man braucht dafür die Partic. Präter. ge-börnt 
(mhd. ge-horn), ge-zähmt, ge-[chnäbelt, be-haart (mb. ge- 
här) oder andere Bildungen. 


- 7,) Andere Adjective flammen ohne zutretende Ableitung aus 


dem Laut oder Ablaut flarler Verba, Fönnen aber, ba 
fie zum Theil einfach gelten, Compofition an ſich ſelbſt erfahren 
haben und brauchen nicht von componierten Verbis geleitet zu 
werben. Ge-nug (ahd. ka-nuoc, mhd. ge-nuoc), ge-mach, 
g-rob, ge-fund, ge-fchwind. 

8) Adjeetive der Ableitung -i fcheinen nicht nur aus ſchwa⸗ 
hen Berbis, fondern auch aus flarfen herzufließen. Ge-mein 
(ahd. ka-meini, mhd. ge-meine), ge-heuer, ge-Iind, ge-nehm, 
ge-ring, ge-fireng, ge-treu, ge-füg. | 

Was die Bedeutung biefer Partikel betrifft, fo ift biefelbe 

am ftärkften in den perfönlichen Gefelfchafts- und Berwanbtfchafte- 

wörtern, den Sollectioneutris und den Beſitzadjectiven (1. 2. 6.). 

Dffendbar drückt fie Bereinigung aus und begegnet andern Par- 

tifeln, namentlih dem miti-, pi- und saman-. In ben übrigen 

Fällen fchwächerer Bedeutung wechſelt ge- mit be-, 3.8. go- 

sceid, Be-fcheid; es ifl, wie be- und ver- zuweilen inhaltoleer 


— 108 —. 


geworben, wrfpränglich nicht geweien., Manche Wörter, zum Zei- 
chen feiner gelinden Bedeutung, pflegen es dann gar nicht von ſich 
zu laffen: g-rob, g-leih, ge-mein, ©-Iied, Ge-madh, ge-fund, 
ge-wis. Wo es Tebendiger ıfl, feheint e8 immer trennbarer, Auf 
der andern Seite erhellt feine geheime Kraft immer noch daraus, 
daß es nicht gleichgiltig allen Wörtern vorgefchoben werben barf. 
Sinnliche Wörter namentlich vertragen Fein gelindes, fondern nur ein 
ftärferes, die Bedeutung modificierendes, daher Fein ge-ſchwarz, 
ge-weiß. — Wo der ſchwächere Sinn gilt (3. 4. 5. 7. 8.) 
und fo Iange nicht Verhärtung eingetreten iſt, kann die Partifel 
nach Zeit und Ort wegbleiben, 4 B. nhd. G-lied, ahd. lid, nhd. 
Iind neben ge-Iind. Ä | 


$. 283. 


kakan, gagan, gegen, bald mit freundlicher, bald mit feindlicher 

Bedeutung. 

a) Subft. Gegen-wart (ahd. gagen-wärti, gagan-wurt), Ges 
gen-bild, Gegen-dienft, Gegen-befehl, Gegen-füfler, Gegen- 
wehr, Gegen-wind u. a, 

b) Adi. Gegen-wärtig (ahd. gagen-wertig), gegen-feitig. 


6. 284, 
häim, ahd. heim, urfprünglich Acc, des Subflantios haims (Haus), 
der zum Adverbium geworben uneigentlicher Compofition fähig wird. 
Nhd. Heim-gang, Heim-fahrt, Heim-fehr, Heim-weh. 
Anm. Die Adj. heim-lich und Heim-tüdifch gehören nicht zu 
diefer Partikel, fondern zu einem verlornen himan, d, i. bedecken, ver⸗ 
beblen, wozu auch Hemd (ahd. hemidi, mhd. hemede) gehört. 


$. 285, 
höra, mhd. hör, ber, davon: 
a) Fo Her-fahrt (ahd. hera-fart), Her-gang, Her-Funft, 
er⸗weg. 
b) Adj. Her-kömmlich. 


$. 286. 
hina, hin, Gegenſatz zu höra, davon: 
a) Subſt. Hin-fahrt (ahd. hina-fart), Hin-gang, Hinereife, 
-  Bin-weg, Hin-ficht. | 
b) Abi. Hin-fällig, bin-Länglih, bin-Iäffig (bei Luther für 
nach-läſſig). 


§. 337. | 


hindar, ahd. hintar, hinter. Die Verwendung für das finn- 
liche Hinter iſt der älteren Sprache fremd, 


| — 11 — | 
a) Subſt. Hinter-Tift (afb. hintar-list), Hinter-achſe, Hinter- 


bein, Hinter-fuß, Hinter-grund u. a. 
b). Adj. Hinter-Liftig (ahd. hintar-listic). 


$. 258, 


Yin, inn. Auch hier treten wie bei bi- und du- Schwächungen 
und Berflärfungen bes Vocals ein, ober auf ganz andere Weife. 


1). Die Partifel wird, als folche, nie des Tons beraubt, folglich 
auch nie im Bocal geſchwächt. Tonloſes ahd. in, mhd. En, 
findet nur für den Kal der wirklichen Präpofition flatt, wo 
diefe mit dem von ihr vegierten Nomen zufammenwachfend ein 
lebloſes Adv. bildet, 3. 3. ahd. in-bore (Dat. Sing. von 
bor die Spitze), mbb. En-bor, nhd. em-por; ahd. in-kakan, 
mbd, ön-gegen, uhd. ent-gegen, was aber feine wahre 
Compoſition iſt. 


2) Dre Partikel in wird für ben Präpoſitionsgebrauch nie ver- 
Tängert, unähnlich dem pi, bei. Als Partikel Teivet fie aller- 
dings Verlängerung, beren erfler Beginn unficher auszumitteln 
if. Das nhd. ein unterliegt feinem Zweifel, ahd. in Taßt 
fich nicht beweifen. — Nhd. haben nur wenige Nomina im, 
viele ein. 

In, a) Subſt. In-fiegel (ahd. in-sigili), Sn-brunft, In- 
begriff, In-halt, In-Iand, In-laut, In-[hrift, In-zicht, 
Sn-gefinde (bei Görres, Myſtik 1, 406). 
b) Adf. In-brünftig, in-Tändifch, in-fländig, in-wendig. 
Ein, a) Subfl. Ein-gang (ahd. in-kanc), Ein-band, Ein- 
fahrt, Ein-fall, Ein-halt, Ein-Fehr, Ein-lauf, Ein-nahme, 
- Ein-[hluß, Ein-hitt, Ein-geweide, Ein-zug. 

-b) Ay. Ein-gedent, ein-heimifch, ein-träglich. 

Anm. 1. Ein berührt fih nachipeilig mit vem Zahlwort: Ein-falt, 
Ein-Heit, ein-äugig 

Anm. 2. Man kann zivar fagen, daß überall, wo die Bedeutung hinein 
waltet, nho. ein fiche, aber beide erfireden fich weiter und gelten auch 


für das ruhige darin: ein heimiſch, Ein-wohner, ein-ge= 
dent, Zumweilen ſtehen fih ein und in entgegen: Einhalt, Anpalt, 


$. 289, 


mith, ahd. miti, mit, brüdt die Idee von Beifein, Gunft und 
Geſellſchaft aus. 
a) Subft. Mit-arbeiter, Mit-bürger, Mit-hrifi, Mit-erbe, 
Mit-glied, Mit-Teid u. a. ’ 
b) Ad. Mit-fohuldig, mit-Teibig. 
Anm. Erſetzt viele früher mit ge- und Eben- componierte; mande mit- . 


- find aber auch in ge übergegangen, 3.8. Ge-wiffen, goth. mith- 
vissei. Bol, no bi-, Anm. 3. | s 


— 10 — 
$. 290. 


nehva, ahd. näh, nad. Diefe trennbare Partikel bebeutete 
urfpränglic bei, nahe (prope), woraus ſich dann bie Bedeutung 
ach (secundum, post) entwidelte. Abd. damit gebildete Com⸗ 

boff ta find Selten, mhd. nehmen fie zu, uhd. noch mehr. 

a) Subfl. Nach-klang (mhd. näch-klanc), Nach-bild, Nah- - 
‚geburt, Nach-drud, Nach-folge, Nach-hall, Nach-herbſt, Nach- 
laß, Nach- mittag, Nach-rede u. a. 

b) Adj. Nach-druͤcklich, nach-läſſig, nah-fihtig, nach-theilig. 

Anm. Nach kam mehr in Gebrauch, als afıra (after) ſeltner wurde, 


$. 291. 


neben, biefe nhd. untrennbare Partikel entfpringt aus ahd. in- 
epan, mhd. en-üben, erfeßt die älteren eigentlichen Compofita 
mit &ben- ($. 225 anter ibns) und bildet neue wie: Neben- 
ftunde, Neben-weg, Reben-wort u. a. 
Anm. Die abo. und mhd. Sprache componiert nie mit ber Dart, 


§. 292, 


nidar, nieder. In den ‚add. Compofitis gift bloß ein bewegen- 
des nieder (herunter), in mbb. und nhb. zugleich ein ruhiges 
ra unter), namentlich wo es die Begriffe Gegend und Kleid 
immt. 
a) Subſt. Nieder-gang (mhd. nider-ganc), Nieder-fall, Nie⸗ 
der⸗kunft, Nieder-Iand, Nieder-ſchlag. 
b) Adj. Nieder-deutſch, nieder-laͤndiſch. 
Anm. ‚Kuther fagt no Rieder-kleid (mfd. nider-kleit), dafür fagen 
wir jetzt Unter-Eleid. Auch Herder ſagt im Cid: Schwarz’ und 
weiße Niederkleider. Auch Görres (Myflit 1, 405) hat nie 


derkleid. 
$. 293. 
samana, zugleich, verbunnen. Abd. und mhd. werben bamit 
feine Nomina componiert; nhd. gelten die fihleppenden Wörter: 
Zufammen-fluß, -hang, -Funft, -Tauf, -Foß, die freilich erfl . 
nach der Analogie von zufammen-fliefjen re. gebildet ſcheinen. 
$. 294, 
thar-, ahd. dar-, barz mit biefer trennbaren Partikel Finden fig: 
Sub ſ. Dar- [ehe n, und viele Verba und verbale Subftantive, 
als: Dar-bieten, dar-bringen, dar-legen, bar - Bellen; Dar- 
bringung, Dar-flellung u. a. 


$. 295. 


thairh-, ahd. durah-, durch. Davon 
a) Subfl. Durdh-f abrt (mhd. durch vart), Dunch⸗ beuch, Durqh- 
gang, Durch-⸗reiſe, Durch⸗-ſchuitt, Durd-zug u. a. 


% 


— 111 — 
b) Adj. Durch-ſichtig (mhd. dar-sihtic), durch⸗gaͤngig, durch 
lauchtig. 


Anm. Das verſtärkende durch vor Adj., welches grade in der frühern 
Sprache am häufigſten erſcheint, iſt meiſtens abgekommen, wiewol man 
noch durch ⸗naß, durch warm ſagen hört, wo die Bolksſprache 
mitunter noch verſtärkt durch und durch naß. 


$. 296. 


oba-, mhd. obe-, ob⸗-. Dieſe untrennbare, Partikel iſt aus 
dem folgenden ufar, obar, ubar durch unorganiſche Apokope des 
T hervorgegangen. Hierhin gehören: Ob-dach (ahd. ob-dach, 
mhd. obe-dach), Ob-hut, Obemacht, Ob⸗mann, Ob-fieg, Ob- 
acht, Ob-fland (Leſſing). 


$. 297. 


ufar-, ahd. ubar-, mhd. über-, über. Eine Nebenform von über 

ift ober, bas fchon mhd. vorkommt, aber niemals das lat. ni- 

mis ausdrückt, fondern bloß das Obere, Höhere, daher auch mit 
dem Adjectiv eomponiert ſcheint. 

Neber. a) Subft, Heber-mut (mhd. über-muot), Heber-bau, 
Veber-bruß, Veber-fahrt, Ueber-gabe, Ueber-hang, Ueber-Eunft, 
Veber-Taft, Ueber-reft, Lieber-fchlag, Meber-tritt, Veber-zahl u. a. 

b) Adi. Ueber-mütig (ahd. ubar-muodic), über-brüffig, über- 
flüffig, über-theuer, über-voll, über-zählig. , 

Ober. a) Subfl. Ober-hand (mhd. ober-hant), Ober-amt, 
Dber-befepl, Dber-baupt, Ober-Feid, Ober⸗knecht u. a. 

b) Adi. Ober-deutſch, ober-flaͤchlich, ober-Tändilch. 

Anm. In einzelnen ſchwankt der Gebrauch; Ueber-rockund Ober-rod. 


$. 298, 


umpi-, mhd. umbe-, um. Diefe trennbare Partifel mangelt 
im Goth., wo fie durch bi- vertreten wird, 

a) Subſt. Um-Iauf (ahd. umbi-hlauft, mhd. umbe-louf), Un. 
fall, Um-fang, Um-gang, Um-fehr, Um-rif, Um-fchlag, Um- 
weg, Um-zug u. a. 

b) Ad. Um-gänglih, um-fihtig, um-fländlich. 
Anm Die Partikel begält vor dem Nomen jederzeit den Ton, verliert 
ihn aber oft vor dem Berbum. 


1 


$. 299, 


. un-, un-. Formell ſcheint dieſe überall untrennbare, field bes 
tonte Partifel ſowol dem in als dem ana verwandt, ihrer priva⸗ 
tiven Bedeutung unbefchabet. Un- componiert ſich bloß mit dem 
Nomen, nie mit dem Berbum (abgefehen vom Participium), d. h. 
alle Fälle, wo es vor dem Verbum erfcheint, fegen Compofition 
mit dem Nomen, von welchem fie abgeleitet find, voraus. Die 


— 112! — 


Bedentung ıft privatio, ſchwaͤchend, keineswegs nein negativ. Zu- 
fammenfegung des un- mit Subflantiven erfolgt feltner als mit 
Adjeetiven. 

1) Subſtantive. 

a) Vor leibliche Subſt. (Perſonen, Thiere, Pflanzen) geſetzt, 
gibt es den Begriff des Unnatürlichen, Verkehrten, Böfen, 
aber meift für beflimmte Anwendungen, nur bisweilen als 
allgemeiner Gegenfab zu dem, was das Subſt. enthält: In- 
Hold, Un-fraut (mhd. un-fruht), Un-menfh, Un-thier, Un- 
gethüm. 

ib) Bor abflracten Begriffen drückt un- zwar oft das Gegentheil 
aus, oft aber mifcht fich eine eigenthümliche gelindere oder 
härtere, nah Mundart und Zeit ſchwankende Beflimmung 
bei: Un-dank (ahd. un-danch, mhd. un-danc), Yn-art, 
Un-gebühr, Un-ding, Un-gebuld, Un-ehre, Un-fall, Un- 
fleiß, Un-form, Un-frieve, Un-fug, Un-gunft, Un-heil, Un- 
foften, Un-glaube, Un-glimpf, Un-Iuft, Un-müt, Un-gnade, 
Un-redht, Un-finn, Un-treue, Un-wille, Un-zahl u. a. 

2) Adjective, 

Der mit un- componierten Adjechive gibt es eine große Menge, 
da (nach unferm heutigen Gefühl) theoretifch jedes Adj. durch 
ein vorgefegtes un- feiner Bedeutung beraubt werben kann. Aug 
diefem Grunde hat die Partifel Hier mehr den Sinn abftracter 
Berneinung. Un-rein (goth. un-hräinis), un-bändig, un-edht, 
un-[ohön, un-wahr u. v. a. 

3) Die Participia fcheinen als Adf. des un- vollkommen fühig, 
dies ift auch beim Partie. Präter. der Fall, weniger beim 
Partie. Praͤſ. Selbſt nhd. Haben dergleichen Zufammenfeßungen 
ihr Ungewohntes, man fagt eben nicht: Un-glaubende Heiden, 
un-tragender Ader 2c., eher fchon: Un-Tiebende Eltern, un-ver- 
mögende, un-wiffende Leute ?). 

4) Es gibt Feine flarfen Verba mit un- und alle damit zu— 
fammengefetst fiheinenden [wachen feßen Nomina voraus, 
in welchen bie Compofition bereits vorgegangen iſt. Nhd. find 
folhe Wörter ohne Vorſetzung einer weitern Vartifel- unge- 
bräuchlih, man fagt: Ver-un-ehren (ahd. un-Eran), be-un- 
ruhigen u. a. 

Anm. 1. Goethe fagt einmal (d. Wanderer 2, ©. 181): Frei baut 
die Schwalb’ an das Gefims, unfühlend, melden Zierrath fie verklebt. 


Anm. 2. Die Partitel ift zumeift gerecht für Adj., wo fie fih auch nicht 
{immer durch die gerade Negation übertragen läßt; fie enthält oft einen 
Euphemismus. Un-fhön, un-Lieb, un-Elug umgehen bie Härte 
des Ausdrucks von häßlich, verhaßt, thör icht. — Die ſchwan⸗ 
ende, flärfere Bedeutung vor Subft. kann ſich eben auf eine urfprüng= 
Yiche, gelindere gründen. Statt gewiffe Laſter baat zu nennen, wurden 
pie verhüllenden Ausprüde Un-that, Um-fitte u. dgl. angewandt, 
bis nach und nach felbft dieſe eine Schärfe annahmen, die nicht in ber 
eigentlichen Wortbedeutung liegt. 


— 113 — 


$. 300, 


undar-, unter. Sein goth. Beifpiel von Compofition, uhd. zahl⸗ 
reiche. "Wo räumliche Lage ausgebrüdt wird, Tönnte auch bas 

Adi. im Spiele fein. 

a) Subft. Unter-Ta$ (ahd. untar-lä3, mhd. under-läz), Unter- 
amt, Unter-bett, Unter-futter, Unter-gang, Unter-halt, Unter- 
leib, Unter-welt u. m. a. 

b) Adi. Unter-ſchiedlich, unter-thänig. 


$. 301. 


-Yup-, abd. üf, auf, trennbar und fpäterhin Präpofition. 

a) Subſt. Auf-gang (ahd. Gf-canc), Auf-bruch, Auf-fahrt, 
Auf-gufß, Auf-fauf, Auf-Tage, Auf-nahme, Auf-ruf, Auf- 
ſchrift, Auf-tritt, Auf-wand, Auf-zug. 

b) Adj. Auf-dringlih, auf-merffam, auf-reht, auf-richtig, 
auf-fäbig. 

Ann. Die frühere Sprade commponiert mehr mit der ruhigen Bedeutung 
der Partitel, als mit der bewegenten, umgekehrt findet fi im Npv. 
nur noch aufrecht (mhd. üf-räht), nicht mehr Auf-bimmel (adv. 
üf-himil der obere Himmel). Verſchiedne nhd. Compoftta mit bewegen- 
dem auf entfprechen älteren mit der Partikel ur, 3. B. ur-stende, 
Auf-fland,, in denen das her flatt des him berüdjichtigt wurde. 


$. 302, 


us-, abb. ur-, ur, früher trennbar und Präpofition, fpäter un- 
trennbare Partikel. 
a) Subft. Ur-Funde (ahd. ur-chundi, mhd. ur-kunde), Ur-abn, 
, Ne-eltern, Ur-bilb, Ur-heber, Ur-Ianb, Ur-fache, Ur-fprung u. a. 
b) Adi. Ur-alt (ahd. ur-alt), ur-bar, ur-kundlich, ur-fächlich. 
Anm. Die Partikel verliert niemals ven Ton. Der Sinn der Partikel 
ift fehr verſchieden: a) ſtärkend und erhöhend vor Adj., d B. uralt, 
urplötzlich; b) ſtärkend vor Subft. mit tem Begriff des Anfänglichen, 
Keinen, Erften, 3.8. Uran, Urbilo, Urquell, Uranfang. — Die na⸗ 
türliche Bedeutung (Bewegung aus dem Innern) herrfcht inlirfprung, 
eine gewiffe Abftraction derfelben in Urlaub. 


$. 303, 


ut-, ahd. üs-, aus, überall trennbare Partikel, fpäter auch 

Präpofition. 

a) Subſt. Aus-fahrt (ahd. üz-fart, mhd. üg-vart), Aus-beute, 
Aus-bruch, Aus-drud, Aus-fucht, Aus-gabe, Aus-hauch, Aus- 
funft, Aus-Tand, Aus-nahme, Aus-rede, Aus-[huß, Aus-taufch, 
Aus-wurf, Aus-zug u. a. 

b) Adj. Aus-bündig, aus-brüdiih, aus-findig, aus-führlich, 
aus-Tändifch, aus-wärtig, aus-wüchfig. 

Anm. Obgleich 43, uns allmälich präpofitional geworben, das ältere 
us, ur vertritt, bezeichnet e8 in der Zufammenfegung doch nur felten 
und erft viel fpäter ven Begriff her, meift den adoerbialen hinaus, 


Kehrein Grammatik. I. 2. 





— 114 — 


d. h. nicht den Anfang, ſondern das Ende. Der Begriff des her wird 
lieber mit auf oder auf-er gegeben: Auf-gang, Auf-erſtehung; nur 
einige, ſchwerlich alle Eompofita haben aus-: Aus-fluß (von innen her 
oder nach außen). 

§. 304. 


utana-, Jahd. uzan-, außen, davon: Außen-ſeite, Außen- 
werk, Außen-Iinie, Außen-wand. 


§. 305. 


väila-, ahd. wola-, wohl (wol), urſprünglich kurz, nbb. meiſt 
gebehnt. 
a) Subſt. Wohl-that (ad. wole-tät), Wohl-fahrt, MWohl- 
klang, Wohl-Iaut, Wohl-geruh u. a. 
b) Adi. WoHt-feil, wohl-thätig, wohl-anftändig, wohl-gemut. 
Anm. Die alte Kürze hat fih noch in Wol-Iuft bewahrt. Für wohl- 
feil fagt die Vollsſprache wol -fel, 


$. 306, 


viihra-, ahd. widar-, wider, wieder. Die Unterſcheidung ziwi- 
fchen wider und wieder, obgleich erft von den Grammatikern im 
verfloffenen Jahrh. eingeführt, iſt nicht rein erfunden, ſondern eben 
auf die Beobachtung gegründet, daß in der Zufammenfeßung das 
unbetonte wider von dem befonten wieder abfteht. Ganz redht- 
fertigt ſich übrigens dadurch die doppelte Schreibung doch nicht, 
and die Bedeutungen flreifen anemander: Wibder-Ichein (Abprall 
und Gegenwirkung), Wieder-fchein (Wiederholung des Lichts), fo 

Widerhall, Wiederhall, 

Wieder, Subftl. Wieder-fehr (ahd. wider-cher), Wieder- 

geburt, Wieder-hall, Wieder-Funft, Wieder-Ichein u. a. 

Wider, Subfl. Wider-rede (mhd. wider-rede), Wiber-facher, 

Wider-ſpiel, Wider-fpruh, Wiver-fland, Wider-wille u, a. 

Adj. nur mit wider: Wider-finnig, wider-wärftig, wiber- 

. „rechtlich, 

B. Partikel mit Berbum. 
$. 307, 

Dir jede Partifeleompofition eine unergentliche iſt ($. 257), 
d. h. weniger aus dem Bedürfnis, zwei Wörter mit einander zu ver- 
binden, hervorgeht, als aus einer Verhärtung der Wortftellung; fo 
muß, weil die Partikel (das Adverbium) neben Verbis ihre freie 


Stellung Yänger behauptet, als neben Nominibus, Zufammenfesung 
mit jenen fpäter und feltner eingetreten fein. | 


$. 308, 


Zuſammenſetzung tritt ein hauptfächlich und in der Negel nur bei 
folhen Partikeln, deren erbte Geflalt durd Schwächung des Vocals 


— 15 —— 
ober Entziefung des Tons gelitten Hat. — Diefslbe Partikel kaun 
als untrennbar und trennbar gedacht werden, in jenem Falle 
wird, wo nicht ihre Form entſtellt, wenigftens ihr Ton gefchwächt 


erſcheinen: wider-[prechen, wieder-fehen;, unter-brüden, unter-gehen ; 
be-feben, bei-fiehen; ver-fiehen, vor-fehen. 


a) Untrennbare Partikeln mit Verbis. 


$. 309. 


Es gibt ihrer nur ſechſe, nemlih die nhd. be-, ent-, er-, 
ge-, ver- und zer-, die aber fäntlih vor weitem Umfang find 


und nah Zeit und Mundart jn verfchievuen Gellalten umgeben. _ 


Zeichen wirklicher Zufammenfeßung find: 
1) Daß dieſe Partifeln vor flarfen oder ſchwachen Berbis in allen 
—* und ohne Rückſicht auf die Wortfügung des Satzes 
aften. 
2) Im Partie. Präter. niemals ge- hinter der Partikel aunehmen. 
3) Daß mit ihnen zuweilen und erft durch den Act der Compo⸗ 
fition aus Nominibus Verba gezeugt werben, welde als ein- 
fahe Berba nicht vorhanden find: be-mannen, ent-mannen, 
ver-nichten, zer-flüden. 

Anm. Die übrigen vorhin beim Nomen abgehandelten untrennbaren Par⸗ 
titeln gehen Teine Verbindung mit dem Berbum ein, fonvern feßen, wo 
fie davor erſcheinen, componierte Romina voraus, von welchen fie ab« 
geleitet find, wie z. B. un-. 


$. 310, 


* 5 hat meiſt verſtärkende Kraft, oft unmerkliche, ſelten be⸗ 
raubende. 

1) Gewöhnlich drückt es die Anwendung bes Begriffs bes 
Berbums auf einen Gegenflaud aus, ber dann im Accuſativ 
ſteht. Es Liegt in dem be- die viel- oder allfeitige Einwir- 
fung, die ganze und volle Bewältigung. Sch be-[hueide 
ben Baum noch nicht, wenn ich etwas davon abfchneide, ſon⸗ 
dern erft wenn ich es vingsherum thue. Alle folde Berba mit 
be- find tranfitiva, gleichviel ob das einfache Berbum in- 
tranfitio oder felbft ſchon tranfitio gewefen, uud bei allen muß 
das Inflrument, wodurd bie Handlung verrichtet wird, autge⸗ 
drückt fein. oder verſtanden werden dürfen, Nhd. Beifpiele find 
ſehr zahlreich: Be-graben (goth., ahd. bi-graban, mhb. be- 
graben), be-bauen, be-bauern, be-erben, be-fahren, be-Hauen, 
be-fritteln, be-Ieben, be-malen, be-neßen, be-rühren, be-Ichließen, 
be-treiben, be-wegen, be-zwingen u. v. a. 

2) Die neuere Sprache zeigt nicht wenige folder Tranſitiva, 
denen gar fein einfaches Berbum unterliegt, fondern bie un⸗ 
mittelbar aus Nominibus abgeleitet find: Be-raufden, 
be-mannen, be-faiten, be-fledfen, be-grenzen, be-iselen u. a. 

8* 


\ 
— 116 — 


— 
Selbſt das plurale -er aus Neutris wird beibehalten: be— 
bändern, be-geiflern, be-vöffern. Bei manchen ift es zwei- 
felhaft, ob fie aus Subflantiven oder Verben entfpringen: be- 
Schiffen, be-enven, be-Tagern, be-zäunen u.a. Bon Adjectiven 
ſtammen: be-feuchten, be-trüben, be-reichern, be-luſtigen n. a. 
Unorganifh ($, 127) find: be-herzigen, be-friedigen, be- 
fhönigen, be-fchätigen u.a. flatt be-frieden, be-fchönen u. ſ. w., 
da es nie ein Adi. herzig, friedig, ſchönig 2c. gegeben. 

3) Den Gegenfas zur vorfchreitenden Vermehrung der Tranfitive 

- anter 4. und 2. macht das allmäliche Ausfterben früherer In— 
tranfitive, die mit der Partifel bi-, ohne merkliche Ver⸗ 
änderung des Sinnes, bloß intenfivifch, zufammengefeht 
wurden. Diefe haben natürlich keinen Aceuſativ bei ſich, fon- 
dern meift Präpofitionen. NH. gibt es fehr wenige, etwa: 
B-Ieiber (ahd. pi-Iipan, mhd. be-liben), be-gegnen, be- 
— be-fommen (wol oder übel), be-ginnen, be-ruben, be— 

en. 

A) Biele Compofita haben den Begriff des Beithuns, Bergens 
und Bewahrens; deshalb wird zuweilen nhd. die trennbare Par- 
tifet bei- ſtatt be- geſetzt: Be-graben (ahd. pi-crapan, 
bi-graban), be-flatten, be-fchließen,, verftärft bei-fchließen, wie 
bei-Tegen, bei-thun. | 

5) Hieran grenzt die privative Bedeutung der Partikel, was 
beigethan wird, wird auch weggethan, folglich entzogen: Be- 
nehmen (ahd. pi-niman, mhd. be-nämen). 

6) Smperfonalia mit be- find nhd. felten: Mich er-b-armt, 
be-bünft, neben bünft, aber mid ver-drießt (ahd. pe- 
driuzet), ver-Jlangt (ahd. pe-langet), ge-reuet (mhd. be- 
riuwet). 

7) Einzelne nhd. be- gelten bIoß fürs Partic. Präter., wentgfiens 
in ihrer eignen Bedeutung: be-mittelt, be-fchaffen, be-Iefen 
en vom Inf. be-Iefen), be-redt (verfchieden von be- 
redet). 


$. 311. 


Ent- dat fchwanfende Formen ($. 271). Nhd. hat fih ent- 
allenthalben hergeftellt, nur bauern einige emp-f für ent-f. fort. 
Urbedeutung ift gegen (contra) und zurück (re) nach verfchiehnen 
Gefichtspuncten. 

1) Mit dem Begriff des Widerſtehenden, Widrigen, Bö—⸗ 
fen iſt uhd. nur noch ent-gelten (ahd. in-keltan, mhd. en- 
gelten). 

2) Ungleich haͤufiger drüdt ent- ein gelindes gegen aus: 
Ent-zünden (ahd. in-zundan, mhd. en-zünden), ent-bieten, 

 ent-blöbden, ent-blößen, ent-blühen, ent-brennen, ent-falten, em- 

pfangen, empfinden, enı-pfeblen, ent-fermen, ent-beben u. m. a. 


—— 117 — 


— Es ift Far, daß diefe Compoſita ſämtlich inchoativa find; 
ir ent- (and, gegenwärtig) brüdt das Werden, Hervor⸗ 


- fommen eines neuen Zuftandes oder bei tranfitivem Begriff das 


Verſetzen, Hineinbringen in einen foldhen aus. Go bie in- 
tranfitiven: ent-brennen, ent-blühen, ent-[hlummere, wie 
bie tranfitiven: ent-zünden, ent-flammen'). 


3) Die privative Bedeutung bes ent- iſt der vorigen ver- 


N 


wandt, fie legt nur auf das Austreten aus dem alten Zu⸗ 
ftand den Nachruf, nicht auf das Beginnen des neuen: 
Ent-binden (goth. and-bindan, ahd. ant-bindan, mhd, en- 
binden), ent-arten, ent-decken, ent-ehren, ent-fallen, ent-gehben, 
ent-haupten, ent-Fleiden, ent-Iaften, ent-maften, ent-reißen, 
ent-jeelen, ent-weichen, ent-ziehen u. a. 

Mit dem privativen ent- find, wie bie unter 3. gegebnen 
Beifpiele zum Theil zeigen, mande Tranfitiva aus No— 
minibus gebildet worden, und können ihrer täglich neue wer- 
den, während die ent- unten 1. und 2. fich der Fortbildung 
verfagen. Die heutige Sprache verführt dabei, wie mit dem 
be-: ent-blättern, ent-geiftern, ent-Tedigen, ent-muthigen, 
ent-Ichädigen. 


Anm. t. Als theilweife hierher gehörig, aber nicht ganz zu entſchuldigen 
ift es, wenn Rüdert (Leben und Tod) fagt: Da fah am Grund er 
einen Drachen aufgähnen mit entfperrtem Rachen. Einige Berfe 
fpäter heißt es richliger: Es ift der Drach' im Brunnengrund des Todes 
aufgefperrter Schlund. 


— 


$. 312, 


Er- Tautet goth. us- und nur vor anlautendem r affimiliert fie 
fih in ur; ahd. ſchwanken ur-, ar-, ir-, er- (er) ohne Unterfchied 
der Bedeutung; mhd. und nhd. einfaches er-. Die Bedeutungen 
find manigfaltig. " 


1) 


2) 


Zum Grund Tiegt die, welche das Belangen von innen nad 
außen, das her, ausdrückt, die Richtung des hin aber an- 
dern Partifeln oder dem Verbum felbft zu bezeichnen überläßt. 
Beifpiele find Hier felten: goth. us-gaggan lautet nhd. aus- 
gehen, nicht er-gehen. 

Bereits in ber älteflen Zeit fcheint in der componierten Par- 
tifel mehr zu Tiegen als in der bloßen Präpofition us, ar, 
nemlich die Bewegung von unten in die Höhe, das heranf. 
Daher auch gleichbeveutige neuere Compofita nicht mit aus-, 
fondern mit auf- gebildet werden, Der Begriff kann ſowol 
intranfitio fein als tranfitiv. Er-füllen (goth. us-fulljan, 
ahd. ar-fullan), er-bauen, er-blühen, er-hängen, er-heben, er- 
fingen, er-Ichallen, er-wachfen, er-[chwellen (Goethe, Fauſt 1.) 
u. a., obwol ihrer weniger find als im Ahd. Bei einigen ſteht 
auf: auf-fpringen (ahd. ar-springan), auf-geben, auf- 
fteigen u. a. zu 


— 18 —— 


3) Ans dem Begriff her und herauf erläutert fich ber des Be⸗ 
ginnens und Werdens, welder einer Menge von Compofita 
mit er- eigen if. Er-bleichen (afb. ir-pleihhen), er-blin- 
den, er-granen, er-gränen, er-Falten, er-Iahmen, er-müben, 
er-röthen, er-[hlaffen, er-warmen u. a. Einige haben ver-: 
Ber-alten (abd. ar-altön), ver-armen n. a, mit dem Neben- 
fiun des Berberbniffes, der in ver⸗ liegt. " 

4) Wie dem Begriff her die Idee des zurück und wieder 
nahe Liegt, fo entfpricht auch er- verſchiedentlich dem Tat. re- 

. (gurädl, wieder), felbft da, wo es eine kaum merkliche Be- 
deutung hat. Sich er-geben (gotb. us-giban, ahd. ar-ge- 

an), er-bolen, er-innern, er-laffen, er-Iöfen, er-quiden, er- 
Feen. Berwandt damit ift der Begriff des Erlangens, 
Zurückbringens, 3. B. er-Ioben, er-reiten, er-hoffen, er-pflegen. 


5) In fehr vielen Wörtern fcheint die Partifel bloß den fran- 
fitiven Begriff hervorzuheben, gleichfam ven Beginn der 
über einen Öegenftand ergebenden Handlung zu bezeichnen, Meiſten⸗ 
theils Tann das Verbum fihon ohne er- tranfitiv gebraucht wer- 
ten. Er-fehen (goth. us-säihvan), er-fiefen (ahd. ar- 
chiosan), er-achten, er-bieten, er-venfen, er-eilen, er-fahren, 
er-greifen, er-heitern, er-fälten, er-langen, er-morben, er- 
nennen, er-obern, er-retten, er-fohauen, er-träumen, er-wär- 
men, er-zielen u. a. : 


6) Intranfitiva, deren Partikel unmerfliche Bedeutung hat und 
den Beginn der Handlung leife anzeigt. Er-Töjhen (ahd. ir- 
löscan), er-beben, er-glühen, er-Flingen, er-feufzen, er-zittern 
n. a. Manche nehmen ver- an: Ver-drießen (ahd. ir- 
driazan), ver-fterben (ahb. ir-stärpan). 


7) Privative Bedeutungen des er- euntwickeln ſich auf mehr 
als einem Wege: 

a) Nach einer Identität der Begriffe Anfang und Ende brüdt 
die Partifel zuweilen nicht den Beginn, fondern den Schluß 
und Ausgang der Handlung aus, hauptſächlich bei den 
Wörtern gehen und ſchreiten, 3.3. ahd. ar-gangen, d. i. 
beenden. Nhd. fagt man: ver-gehen, ver-bluten, bod 
Könnte er-tragen (für aushalten), er-[höpfen (f. aus- 
ſchöpfen) dahin gerechnet werden. 

b) Die Bartikel drüdt Berderben oder Mißgriff aus, 5.2. 
ahd. er-Auohhan, d. i. er-fluchen, ver-fluchen. Mhd. und 
nhd. ver-: ver-bitten, ver-werfen. 

c) Die Partifel bedeutet ab, fort, weg, 3. 3. goth. us- 
niman, d. i. er-nehmen, weg-nehmen, ahd. ar-zivhan, d. i. - 
er-zieben, weg-ziehen, ur-wurzön, d. i. er-wurzeln, ent- 
wurzeln. Nyhd. fleht dafür ver-, aus-, ent-: ver-geffen, 
aus-fernen, ent-erben. 


—— 19 — 


Anm. 1. Berwandte Partiteln find be-: be-feben, exr-fehen; be-Rür- 
nen, er-flürmen: ent -: er-blühen, ent-blüben; oft ſtehen fie einander 
entgegen: ent-mannen, er-mannen; er-fliegen, ent-fliegen. Zwifchen 
er- und ver- iſt bisweilen der Gebrauch gleichgiltig: er-Töfchen, ver- 
löſchen; gewöhnlich findet fih ein Abſtand: er-taufen, ver-faufen; er- 
geben, vergeben. 

Anm. 2. Bei Gorres (Myſtik1, 314) ſteht er für ge, wenn er fagt: 
Wir haben das Werk gefaßt, und nachdem wir ihm irdiſchen Leib ge- 

. geben, es an ben Zag erboren. Die Form ift fonft nicht gebräuch⸗ 

lich, ſcheint aber zu Nro. 2. zu gehören. 


$. 313. 


Ge- iſt in der Form früher, beſonders im Abb. ſchwankend 
($. 282), die Bedeutungen find mehrfach, 

1) ®e- entfpricht dem Tat. com-, con-, co- und beftimmt gleich 
biefem den Sinn des einfachen Wortes. Nhd. ftehen ſich nur 
einige ‘gegenüber, indem hald das einfache, bald das zufammen- 
gefegte auegeftorben if. Bieten, ge-bieten (ahd. piolan, 
ka-piotan); brechen, ge-brechen; fallen, ge-falfen; frieren, pe- 
[rieren; rinnen, ge-rinnen; rathen, ge-rathen. Einigemal liegt 
Be der Begriff des Gedeihens? ge-Tingen, ge-rathen, ge- 
allen. ' 

2) Bor ſchwachen Verbis hat die Partikel weit feltner die her- 
oorgehobne Bedeutung von con-, ohne Zweifel, weil abgeleitete 
Berba an fich befchränftes, enges Sinnes find. Nhd. kaum 
einige: Ge-bahbren (mhd. gebären) zuweilen noch für; fi 
gebärben 5; ge-baben (ſich wol, übel), ge-langen, ge-ziemen; 
ge-währen (ahd. gi-würan), ge-bühren, ge-hören, g-Tauben. 
— Häufig fleht er- und ver-: er-Iernen, ver-fchulden (ahd. 
ki-lirnen, gi-sculdön). 

3) Einigemal fcheint der Sınn des Paffivums durch ge- 
zwar nicht hervorgerufen, doch gehoben zu werden: Öe-ras- 
then, ge-brechen (ahd. rätan, ka-rätan), aber heißen (vocari), 
heilen (sanari), wo ahd. heizan (vocare) und ka-heizan 
(vocari) ſteht. - 

4) Privative Bedeutung entwidelt ſich theils aus dem Be- 
griff cum (mit): ge-rinnen, d. 1. zufammenfließen, folglich 
aufhören au fließen, theils aus dem Begriff des Verbums, den 
die Partikel hervorbebt: ge-brechen. 

Anm. 1. Berwandt it ge- dem er-: er-freiten, gi-stritan. 

Anm. 2. Es gibt viele Berba, welche das ge- nie annehmen und an« 
dere, die es nie entbehren Fönnen: falten, finden, graben, greifen; 
g-lauben, ge-nefen, g-Önnen, ge-fchehen. 

Anm, 3. Urſprünglich gebührt vem einfachen Berbum au im Partic, 
Präter. einfache —* und die Partikel ge- kann nur dann in letzterm 
erfcheinen, wenn das ganze Verbum mit ihr componiert if. Allmäljich 
gewöhnte fi die Sprache, um ven Begriff des Vergangnen deutlicher 
vorwalten zu Taffen, auch einfache Berba mit diefem ge- zu verfehen, 


— 119 — 


fo daß von der Form des Partie. Präter. nicht met auf die übrigen 
Modos und Tempora gefchloffen werden darf: gefallen fann von 
fallen und gefallen kommen. 


6, 314, 


Ber- fcheint als Grundbedeutung die von fort, weg zu haben. 

1) Ber- drüdt das dem einfachen Verbum Entgegenſtehende, 
Derluft, Verderben aus, ſowol bei intranfitiven als tran- 
fitiven: Kommen, ver-fommen (goth. qviman, fra-yviman), 
leiten, ver-Ieiten (ahb. leitan, far-leitan), ver-achten, ver- 
bieten, ver-bilden, ver-bitten, ver-benfen, ver-bruden, ver- 
führen, ver-geben, ver-gehen (fich), ver-Faufen, ver-rüden, 
ver-thun, ver-wünfchen, ver-zieben u. a. 

2) Bisweilen gibt die Partikel den Sinn von zuviel ober zu— 
lange: Ber-alten (ahd. fir-altn), ver-bauern (fi), ver- 
beißen (fich zu feft b.), ver-heben (fih), ver-Taufen (fich), ver- 
folgen, ver-jauern u. a. 

3) Häufig wird Ende, Ausgang, Vollbringung, volle 
Verwendung dadurch bezeichnet; der Begriff liegt ſchon im 


 , einfachen Verbum, die Bartifel hebt ihn bloß hervor: Ber- 


‚zehren (ahd. far-zeran, mhd. ver-zern), ver-baden (das Mehl), 
ver-bleiben, ver-blühen, ver-bluten, ver-brauden (ganz br.), 
ver-brechen, ver-bringen (durchbr.), ver-füttern, ver-glühen, 
ver-rauchen, ver-[chießen (alfes Pulver), ver-fohütten u. a. 

4) Damit hängt die Bedeutung von ab, weg, fort, dahin 
zufammen: Ver-Iaufen (ahd. far-loufan), ver-drängen, ver- 
fliegen, ver-fließen, ver-geben (wegg.), ver-raufchen, ver-reifen, 
ver-[chwindenn. a. Bei Goethe (Jſ. S. 228) fleht au): Ver⸗ 
plaudern ift ſchaͤdlich, verſchweigen iſt gut. 

5) Oft fheint die Partifel bedeutungslos, das_zufammenge- 
feste Verbum hat den Sinn bes einfachen: Ver-leugnen 
(abd. far-Inugnan), ver-ändern, ver-bergen, ver-fluchen, ver- 
hehlen, ver-mehren, ver-taufchen, ver-wechfeln u. a. Unent⸗ 
behrlich iſt die Bartifel in: ver-beeren, ver-Öben, ver-mwüften 
u, a., weniger in: ver-ändern, ver-hehlen, ver-fünden u. a, 

6) Vorzügliche Aufmerkſamkeit verdient tie Bedeutung von Zu⸗ 
tbun, Bedecken, in den Weg flellen, die zwar in dem 
Berbum ruht, aber durch die Partikel fchärfer beftimmt wird: 
Ber-fiegeln (goth. faur-sigljan), ver-bauen, ver-binden, ver- 
halten (zurückh.), ver-harfihen, ver-Fleben, ver-mauern, ver- 
ſchließen u. a. 

7) Zumweilen erleidet der Begriff durch die Partıfel eine gelinde 
Intenſion; befonders gehören hierher mehrere Partie. Präter.: 
Ver—- haßt, ver-Tiebt, ver-picht (erp.), ver-[hämt, ver-Jchmißt, 
ver-feffen (auf etwas). 

8) Durch die Partikel find auch mehrere Verba aus Nominibus 
gezeugt und zwar: 


— — — —— — — — 


— 121 — 


a) aus Subſt., um eine wirkliche Verwandlung in den Stoff 
des Subſtantivs oder bloße Ueberziehung ‚ver Oberfläche damit 
(fcheinbare Verwandlung) auszubrücden: Ber-glafen, ver- 
falfen, ver-fleinern, ver-wäflern, ver-golden (bei Goethe 1. 
©. 100 vergulden) ; ver-göttern, ver-Feßern. 

b) aus Adi. Ber-beffern, ver-beutfchen, ver-bunnen, ver- 
größern u. a. 

Anm. 1. Oft flieht ver- vor demfelben Berbum mit ganz abweichen 
dem Sinn: ver-treten (die Stelle eines andern verfehen), etwas 

zertreten, fih den Fuß vertreten, ver-fehen (forgen), fih ver-fehen 
(einer Sache, nicht verht fehen) ; ver-fchießen, ver-wefen. 

Anm. 2. Biele ver- find an die Stelle von er- getreten: ver-alten 
(abd. ar-alten), ver-borren —8 ar-dorren). Häufig ſtehen fie einander 
entgegen; er-zichen, ver-ziehen; er-blühen, verblühen. 

Anm. 3. Manche Schriftfieller, beſonders Görres, laffen das ver 
ganz weg, wo es andere gebrauden; fo fagt verfelbe 3. B. meift 
wunden, wüften flatt verwunden, verwüften. — Klopflod 
(Meſſ. 1) fagt meift verneuen und verneuern flatt erneuern. 


$. 315. 


3er- fhwanft ahd. in za-, zö-, zi-. Nhd. hat fih durch⸗ 
gängig das vollſtändige zer- hergeſtellt. Diefe Partifel hat unter 
allen untrennbaren den geringften Umfang. Ste bezeichnet Son: 
derung, Trennung, Boneinanderreißen bes Vereinigten, iſt 
alfo von Natur privativ. 

1) Häufig bat ſchon das Verbum den Begriff der Schetbung, ben 
die Partifel dann noch mehr hervorhebt: Zer-theilen (goth. 
-dis-däiljan, ahd. za-teilan, mhd. zer-teilen), zer-berften, zer- 
brechen, zer-malmen, zer-reiben, zer-reißen u. a. 

2) Die Bartifel gibt den Trennungsbegriff: Zer-rinnen (ah. 
zi-rinnan), zer-falfen, zer-fließen, zer-glievern, zer-Fraßen, zsr- 
freuen u. a. 

Anm. Mit der Urbeveutung der Partikel vertvandt, doch nicht fehr ge: - 
bräuhlih find gergrämen und zerpreffen, deren Bürger (aud 
ein. Lied an den lieben Mond) fich bedient: Ich würde bis zum Kranken 
mich gergrämen; was für ein Web mein franfes Herz zerpreßt. 
— Klopſtock (Meif. 2, 656) hat zermartern, 


b) Trennbare Partikeln mit Verbis. 
$. 316. 


Trennbare Partikeln find folche, die auch getrennt erſcheinen, feien 
fie zugleich Präppfitionen oder nicht. Ihre Form iſt in der Regel 
unentftellt; ihre Bedeutung ift einfacher und ficherer geblieben. 


$. 317. 


Im Nhyd. gibt es nur ſechs trennbare Partikeln, die der wahren 
Eompofition theifhaft und alsdann untrennbar werden: über, unter, 


— 1232| ' 





hinter, wider, um, durchz; alle zugleich Präpofitionen, alle zu- 
gleih loſe Adverbia, mit Ausnahme von hinter, das nur als 
Präpofition und componiertes Adverbium vorkommt. 


$. 318, 


Die Kennzeichen der eingetretenen Compofition find: 

1) Die Partifel büßt den Ton ein. 

2 Sie haftet am Verbum durch alle feine Aeußerungen: ich über- 
treffe, über-triff, zu über-treffen, über-troffen. : 

3) Die (gewöhnlich tranfitive) Bedeutung hat eine gewiffe Schwä- 
hung und Abftraction erhalten: Er über-geht, unter-hält, iſt 
etwas anderes als: er geht über, Hält unter. 


$. 319. 
Beifpiele nhd. Zufammenfegungen mit jenen fechs Partifeln: 
Durd (mbd. durch, ahd. durah, goth. thairh): Durh-gehen 
(goth. thairh-gaggan, ahd. dhuruh-kankan, mhd. durch-gen), 
durch-beißen, -blättern, -bohren, -brecdhen, -benfen, -tringen, 
-fahren, fliegen, fließen, -irren, -Friechen, -Taufen, -nifchen, 
-näffen, -reifen, -waten, ziehen u. a.)) 


Hinter (mhd. hinder, ahd. hintar, goth. hindar): Hinter-gehen 
(mhb. hinder-gen), Hinter-bleiben, bringen, halten, -Iaffen, 
-fegen, -treiben. 


Weber (mhd. über, ahd. upar, goth. ufar): Meber-geben (goth. 
ufar-gaggan, ahd. upar-kankan, mhd. über-gen), über-adern, 
-antworten, -bauen, -bieten, -derfen, -eilen, -fallen, -geben, 
-häufen, Heiden, -Taufen, -machen, -nachten, -rafıhen, -Ichatten, 
treffen, -wintern, -ziehen u. a. ?). 

Um (mhd. umbe, ahd. umpi): Um-gürten (ahb. umbi-gurlan, 
mbd. umbe-gürten), um-armen, -duften, -fangen, -fahren, -gehen, 
-bängen, -FHammern, -Iagern, -mauern, -nebeln, -raufıhen, 
-Ichreiben, -winden, -zingeln u. a. 

Unter (mhd. under, abd. untar, goth. undar): Unter-nebmen 
(ahd. untar-nöman, mhd. under-nömen), unter-binden, -bleiben, 
-drüden, -fangen, -geben, handeln, -jochen, -Iaffen, -reden, 
-flüen, werfen, -zeichnen u. a. 

Wider (mhd. wider, ahd. widar, goth. vithra): Wider-ſtehen 


_ (mh. wider-stän), wiber-fahren, -Iegen, -ratben, rufen, -jegen, 


.jprecben u. a. 


Anm. 1. Bei Goethe (1. S. 246) fleht: Bon der Liebe Jugendkraft 
durhmannt. 
Anm. 2, Goethe liebt Zuf. mit über Wie er im Kauft Ueber- 
menſch, überluftig, übermäctig, Bd. 1, S. 142 überbunt, 
1o fast er Bd. 1, ©. 66 auch: Nun überfrheinft vu des Mondes 
anz. 


— 13 — 
§. 320, 


Behalten die eben beſprochenen Partikeln den Ton, ſo iſt ihre 
Compoſition noch nicht feſt, und ihre Bedeutung iſt oft nachdrück⸗ 
licher, oft verändert. Durch kann beinahe allen vorhin genannten 
auch betont vorgeſetzt werden, ich habe das Buch durchgeleſen 
ſagt mehr als: ich habe es durchleſen. Die betonten über ſind 
ſeltner als die unbetonten, weichen auch mehr ab in der Bedeutung, 
man kann ſie zumeiſt in ein hinüber, herüber, darüber er— 
weitern: über-gehen (die Stadt geht über). Die betonten um 
find gleichfalls feltner als die unbetonten und weichen im Sinn be: 
. deutend ab: um-fahren (ein Kind mit dem Rädern). Betontes 
unter vor wenigen Wörtern, hinunter, darunter ausprüdend: 
unter-adfern. Wider im Sinne von contra: wider-fahren 
(wider den Baum). 


$. 321, 


Alle übrigen nhd. Partifeln, fo wie für gewilfe Fälle die an- 
geführten durch, über, unter, um, wider (nicht hinter) leiden 
feine ſolche Compoſition. 

1) Sie bleiben jederzeit betont. 

2) Sie fügen fih nicht immer and Berbum: laß ab, ich.Taffe ab, 
ab-zu-Iaffen, ab-ge-Taffen (vgl. $. 318, 2). ' 

3) Ste nähern fih dagegen dem Verbum in einzelnen Fällen: 
ab-Iaffen, daß er ab-Iaffe, ob er ab-Täft, ab-Taffend. 


$. 322, 


Hiernach find (außer den fünf betonten durch, über, um, un- 
ter, wider) namentlich folgende nhd. Partikeln zu beurtheilen : 
Ab, an, auf, aus, bei, dar, ein, fort, heim, her, hin, 
mit,.nach, nieder, ob, vor, wohl, zu, fo wie bie zufamnten- 
gefebten: Entgegen, entzwei, zurück, zufammen, hinweg, 
weg. — Offenbar iſt in allen diefen Fällen Feine echte Compoſition 
vorhanden, fondern eine bloß fyntaftifche Beſtimmung der Wortfolge. 


- Anm Manche Schriftfieller gebrauchen RL LTE die 


’ 


von andern nicht gewagt werben. | 
Richard A, 4): Sie angeloben ihnen Heil und Sieg. 


v. Decompoſita. 
$. 323. 
Mehrfache Zufammenſetzung ift vorhanden, wenn über zwei Wörter 
mit einander verbunden find. Der gewöhnliche Fall iſt die Compo- 


fition von dreien; die”von vieren iſt nicht zahlreich, die von fünfen 
gehört zu den Seltenheiten, 


Tieck (Shakeſpeare's König - 


4 


— 124 —— 


A. Compoſition von drei Wörtern. 


$. 324, 


Die beypelte Compoſition geſchieht kaum zu gleicher Zeit, ſondern 
es ſind ſchon zwei Woͤrter früher mit einander verbunden, denen ſich 
hernach das dritte beigeſellt. Bloß von einigen beſchreibenden Farben-. 
zufanmenftellungen, 3. B. bie rotb-bIau-weiße Epcarde, Tiefe 
fih fagen, daß fie auf einmal gebildet ſeien; es iſt aber auch mehr 
Appofition als Compofition, 


$. 329. 


In der Negel tritt ein einfaches Wort zu einem zuſammengeſetz⸗ 
ten, z. B. Gpld-bergwerf, Zell-gewebe, oder ein zuſammengeſetztes 
zum einfachen, z. B. Erpbeer-flrauh, Gewinn-ſucht. Mit Hinſicht 
auf die Zuſammenſetzungsweiſe ſelbſt ſind entweder beide Compoſitionen 
eigentlich, z. B. Seber-mefler-fliel, oder beide uneigentlih, 3. B. 
Bundes-tags-fi isung, oder die eine eigentlich, die andere uneigent- 
lich, z. B. Kub-porfen-impfung. 


’ a) Decompofita, beibemal eigentlid. 
. §. 326, 
Hier Liegt ber Bindungsvocal zweimal zu Grunde und müßte in 


der älteren Sprache zweimal erſcheinen, allein es laſſen ſich im Goth. 


keine Decompoſita nachweiſen. 

a) Einfaches und zuſammengeſetztes: Gold-berg— 
werk, Hofrmar⸗-ſchall, Hnf-Ffüchen-meifter, Stadt - bau-meifter, 
Rhein -jchif-fahrt; hierher auch die adjectiviſchen Verftärfungen, 

. wie: funfel- nagel-neu, fplitter-fafel-nadt u. a. 

b) Zufammengefegtes und einfaches: Heibel-beer-ftaude, 
Holz-apfel- baum, Butter-milh=»faß u. a. 

Anm. Zwiſchen beiden Arten findet im Nhd. ein Unterfchied in der Be⸗ 
tonung flatt, die unter a. accentuieren das mittlere Wort ſtärker, bie 
unter _b. geringer. Man vergl. Stadt⸗vieh⸗ hirt (Viehhirt im Dienſte 
der Stadt) mit Feder-vieh-hirt; Goͤld-finger-ring mit Geld-finger⸗ring. 


b) Gemiſchte Decompoſita. 


$. 327, 


a) Nomina, das erfte eigentlich, das zweite undigentlich componiert, 
und wiederum. 

a. Einfaches und snfammengefebtes, ein feltner Fall: 
Grenz⸗wirts⸗haus (W. an der Grenze), Land-brunnen-meifter 
(Br. für das Land). 

ß. Zufammengefettes und einfadhes: Abend-fonnen-ftrahl, 
Buh-finfen-neft, Nachti-gallen⸗ſchlag, Hand-werks⸗mann u. a 


— 128 — 


Anm. Auch hier der vorhin gezeigte Unterſchied der Beionung: wirts 
in Grenzwirtshaus iſt ſtärker betont, als werks in Handwerksmann. 
b) Nomina, das erſte uneigentlich componiert, das zweite eigentlich. 

—a. Einfaches und zuſammengeſetztes: Cfels-finn-baden, 
Reichs-hof-rath, Landes⸗herr-ſchaft, Kriegs-fchau-plag, Stimmen- 
mehr-heit u.a. 

ß. Zuſammengeſetztes und einfaches: Gänſe—-leber-paſtete, 

Namens-vetter⸗ſchaft, Wirts-baussgarten u. a. 
Anm Der Accent des zweiten Worts wie 6. 326. 327. Anm. gezeigt. 


c) ne genitüge Sartifeleompofition neben eigentlicher Nominalcon- 
pofition. 

a. Die Partifel in der Mitte, d. h. das eigentlich componiert 
werbende Nomen an’ ber Spibe: Haus-ge-nof (ahd. hüs-ki- 
nö3), Schlaf-ge-fell, Zell-ge-webe, Anaft-ge-fchrer , bant-ge- 
mein u. v. a. — Erb-ver-brüderung, Dfliht-ver-Tebung, Kreuz- 
ab-nahme, Dienfi-ent-Taffung u. a. 

ß. Die Partikel voran, und zwar wiederum entweber einfaches 
und zufammtengefeßtes (d. h. fo, daß die Partifel zu einem be= 
reits vorhandnen eigentlichen Compoſitum tritt), vorzüglich mit 
un-: unfterb-Tich, unsglaub-haft, un-wandel-bar u. a., be- 
rathaſchlagen, Besrath-fchlagung, oder zufammengefettes und 
einfaches (d. h. ein mit ber Partifel bereits verbundnes No— 
men bindet ſich aufs neue und eigentlich mit einem andern) : 
Ge-winnsfucht, Ge-waltshaber, Be-reit-fchaft, Ber-nunft-fchluß, 
unter-ſchied⸗lich u. a. 


c) Decompoſita, beidenal uneigentlich. 
$. 328, 


a) Nomen mit Nomen: Bundes-tags-fipung, Neihe-fahnen- 
träger, Reihs-tags-[hluß, Manns-hemds-ärmel u. a. 

b) Nomen mit Partifel: Lebens-be-fchreibung, Sonnen-unter- 
gang, Frühlings-an-fang, Reihs-ab-[chied, Landes-ver-orbnung, 
Kriegs-er-Härung; Ab-Ichieds-tag, Ge-rihts-herr, Bor-raths- 
fammer u. a. 

c) Zwei Partikeln hintereinander: 
eo. Bor Nominibus, nhd. vor unbetonten ge-, be-, ver-, ent-: 
- Ab-g-unft, Aber-g-Iaube, Vor-be-riht, Zu-ver-fiht, Auf- 

ent-halt u. a. 

B. Bor Verbis; hier iſt zweierlei zu unterfcheiden: 

1). Die vier untrennbaren be-, er-, ge-, ver- (nicht ent-, 
zer-) Fönnen die Vorberftelle einnehmen, wenn Verba aus 
componierten Nominibus gebildet werden: Be-mit-Leiden, 
be-vor-munden, ver-ab-reden, ver-an-flalten u. a. Die mit 
ne- find veraltet, früher (mbd.) ge-ant-wurten '), - 


— 16 —— 


2) Iſt die vordere Partikel trennbar, oder find es beide, fo 
möffen zur Beurtheilung der Wortbifpdungen die $. 316 f. er- 
örterten Rüdfichten genommen werden. Im Nhd. wird daher 
bald der einen, bald beiten Partifeln Nachfeßung gebühren: 

- Ab-ver-Tangen, vor-be-halten, auf-er-fleben, ein-ver-Ieiben, 
mit-ent-behren: ich ver-Tange-ab, be-halte-vor, er-flehe-auf, 
ver-Ieibe-ein, ent-befre-mit; mit-an-ftehen, mit-ein-fiehen, 
vor-bei-gehen, bin-aus-jagen: ich ftehe-mit-an, flehe-mit-ein, 
gehe-vor-bei, jage-hin-aus. 

Anm. 1. Die mit er- find ſchon früher fehr felten; dahin gehören z. B. 
ahd. ir-un-ganzen (emarcescere), mhd, er-ite-niuwen (add, it-niu- 
wön) renovare. \ 


= 


B. Eompofition von mehr als drei Wörtern. 
$. 329, | 


Solche Eompofita Taffen fih aus unferer alten Sprade, ohne 
daß Partikeln im Spiele wären, nicht nachweiſen. Erſt im Nyd. 
finden ſich zuweilen folde Decompofita: Erd-beer-kalt-ſchale, 
Rirfch-Tor-beer-wafler, Ober-berg-haupt-mann, Rhein-[chif-fahrts- 
eentral-commiffion, General-feld-zeug-meifter, Ober-hof-mar-[hall- 
amt, gefhmadlofe Unformen, deren die Poefie und reine Profa ent- 
räth. Bei Adiectiven, welche Titel enthalten, geht die Eanzleifprache 
noch weiter: groß-hber-zog-Tih-mellen-burgifh ꝛc. Erträglich wird 
die Wortbildung, wenn eine uneigentlihe Compofition darunter tft: 
Geruh-finns-werf-zeng, Stein-Fohlen-berg-werf, fie zerfällt dann dem 
Gehör und der Ausfprache in zwei Theile, wie fie in der früheren 
Sprache gefchieden waren. Leichter find Compofitionen, wenn Par⸗ 
tifeln dabei find: Oüter-ge-mein-fchaft, Un-ver-ant-wort-Iih-Feit. 

Anm. Da jedes Deeompofitum nicht in einem Act gebilvet wird, fo 
fann und muß es feinem Ichten Act gemäß ale ein einfach zufammen- 
gefehtes Wort betrachtet werden, deſſen zweiter Theil die Sauptfache, 

veſſen erfier Theil die Beftimmung enthält ($. 149): Berg-hauptmann, 

Bor-gefühl; Hauptmann-ſchaft, Heraus-tritt; Gewitter-ableiter, kaiſer⸗ 

lich⸗-koͤniglich; un-wiederherfiellbar, un-abſehlich; Schwefeldampfbave- 

anftalt. — Andere Beiſpiele $. 7. Anm. 


VI. Unflexiviſches Compoſitions-S. 
Die nhd. Sprache gebraucht zur Verbindung gewiſſer weiblicher 
Nomina den Buchſtaben -8 in folgenden Fällen: 
1) Bei den einfachen Wörtern: Acht, Hilfe und Liebe: Achts- 
erffärung, Hilfe-truppen, Liebes-gott u. a. ?) 
2) Bei den zufammengejehten, auf t auslautenden: Andacht, 
Nothdurft, Einfalt, -Fahrt, Geburt, Geſchichte 


(für Gefhiht), Heirath, —Nacht, —Sicht, —Schrift, 
-Welt, -Zeit: Andachtsübung, Nothdurfts-fall, Kinfalts- 


— 1,7 —— 


pinfel, Himmelfabrts-tag, Geburts-tag, Gefchichts-freund, Hei- 
ratbs-gut, Weihnachte-abenn, Borfichts-maßregel, vorichrifts- 
mäßig, Allerwelts-wifler, Hochzeits-tag u. a. ?) 

3) Bei fämtlichen Ableitungen auf -ung und Zuſammenſetzungen 
mit -beit, -Schaft: Nahrungs-forge, Gewohnheits-menſch, 
Freundfchafts-dienft u. a. 

4) Bei fremden fem. auf -ion und -tät: Auctions-catalog, 
Majeftäts-verbrechen u. a. 

Anm. 1. Im gemeinen Leben hört man noch: Mieths-ſeute, Kinbtaufs- 
kuchen, Frauens-perſon u. a. 


Anm. 2. Auch die fheinbaren Compofita Arbeit und Armut gehören 
hierher: Arbeits-Iuft, Armuts-plage. — Gewöhnlich geht dem t noch 
ein anderer Confonant voraus, namentlich ch (früher d) und f; nur 
nad der Berbindung fi unterbleibt der Gompofitionsconfonant : Mip- 
put hen ‚Die einfachen haben ihn au nit: Nacht-zeit, Welt- 
find, Tehrift-mäßig. 


$. 331. 


Sm Mhd. findet fich Feine Spur folder Zufammenfegungen. 

a) Compofita auf täts-, heits-, Ihafts- finden fi vor dem 
18. Jahrh. nicht; man fagt: Majeftät-brief, Geſellſchaft-leiſtung. 

b) Die auf. ions- und ungs- find älter und bereits im 17, 
und 16. Jahrh. anzutreffen, doch weniger in ber fließenten Profa, 
als im Canzlei- und Geſchäftsſtyl: Wandlungs-korb (Fiſchart 
im Bienenkorb, alſo nach 1579), Einigungs-verwandten (in 
einer Urkunde von 1541 bei Hortl. p. 1601). 

c) Die unter 1. und 2. ($. 330) genannten Eompofita mit‘-8 
fiheinen über das 18. Jahrh. hinaufzureichen. 


$. 332, 


1) Diefes fpätere -8 iſt unflexiviſch, denn fein ahd. und mhd. fem. 
flectiert feinen Genitiv mehr auf -©. 

a. Im Goth. hat zwar der Gen. die Endung -8; allein damit 
fann das nhd. Compofitions-8 durchaus nicht verwandt fein, 
weit fich fonft im Mhd. und Abd. gerade diefelben Compofita 
zeigen müßten, welche die Flexion erhalten hätten. Solche Eom- 
poſita wären aber nothwendig uneigentliche (genitiviſche), die 
im Ahd. und Mhd. nur ausnahmsweiſe vorkommen. 

B. Das uhd. -8 in weiblichen Eigennamen z. B. Marien-6, Eli- 
fabeth-8 gleicht zwar. dem compofitionellen in Frauen-S-Ieute, 
fcheint aber ſelbſt Neuerung und ift in ber älteren Sprache nicht 
nachzuweiſen. In der Zufammenfekung fallt auch diefed -6 
wieder weg: Luifen-fift, Marien-Eind. Ä 

2) Wenn alfo feine weibliche Flexion, könnte es vielleicht mit ber 
männlichen oder neutralen des Genitivs zufammenhängen? 

a. Einige fem. ftehen adverbial, indem fie den Gen. auf -e6 
nach der männlichen oder neutralen Form annehmen: Nadıt-g 


— 128 — 


(ahd. mbb. naht-es); ein Rom. der Nacht, em Dat. dem 
Nacht ift unerhört. Daß aber in jenem Adv. das Subflantiv 
die Natur des fem. auszieht, folgt aus dem beigefügten Artikel: 
bes, eines Nachts. So Mittwochs, Seits. Diefe Adv. 
fönnten Einfluß gehabt haben auf mehrere der $. 330, 2. ge- 
nannten. 

ß. Manche Hier in Betracht kommende fem. waren früher männ- 
lich oder neutral, und die alte Genitivform konnte fich erhalten 
haben; fo waren 3. DB. nöt, rät, heit meift männlich. 

y. Endlich fünnte die im Nhd. entjchiepne Neigung, urfprünglich 

» weibliher Städte Namen ind Neutrum zu ſetzen, angefchlagen 
werden, wiewol feine Sompofita damit vorkommen. 


3) Durch die unter 2. verfuchte Deutung werden jedoch nur einzelne 
Fälle erledigt, das Ganze bleibt unanfgelöf’tz außerdem fleht ihr 
entgegen: 

a. Es würden dadurch Tauter uneigentliche (genitivifche) Come 
pofita entftehen; gewöhnlich aber ftehen ſolche Zufammenfegungen 
offenbar andern eigentlichen zur Seite: Hoffnungs-Ios, 
geld-Ios 5; vorfahrifts-mäßig, recht- mäßig; Nahrungs-forge, 
Geld-ſorge; Regierungs-rath, Hof-rath; Wahrheits-burft, Blut-. 
durft; Freiheits-taumel, Fieber-taumel, 

6. Barum kommt das -8 (nah $. 330, Anm. 2.) gern Hinter 
zufammengefegten Subft. zum Borfhein und unterbleibt Hinter 
einfahen? Ja ein gleiches Verhältnis blickt durch bei zufam- ” 
mengefegten masc. und neutris: Werf-zeug, Handwerfs-zeug ; 
Nod-Inopf, Ueberrocks-knopf. 


4) Es vertritt, wie es feheint, in mehrfylbigen Wörtern ben frühern 
Compofitionsoocal, obgleich man diefes Hilfsmittel nicht volfftän- 
dig auf alle Fälle anwendete. Zwei Geſichtspuncte Iciteten dabei, 

- einmal die Vielfylbigfeit und ſchwere Bewegung des erften Worte, 
dann fein Auslaut auf Lingualtenuig, zumal wenn ihr noch ein 
anderer Conſonant vorausgeht. 


§. 333. 


1) Das unflexiviſche -8 entſpricht in beſtimmten, Feiner Aus- 
dehnung fähigen Fällen dem alten Tängft vergangnen Compoſitionsvocal. 
Bei der Vermiſchung eigentlicher mit uneigentlicher Zufammenfegung ' 
($ 208) ift aber zu erwarten, daß es auch zumeilen uneigentliche 

ompofition erfeßt, folglih dem genitiviſchen -8 ber masc. und 
neutr. zur Seite ſteht. Ein Beiſpiel iſt Srauens-Teute verglichen 
mit Manns-leute. 

2) Diefes -8 hat allerdings etwas Barbarifches. Dei unfern 
heutigen Dicptern wird man nur felten auf bie $. 330, 2—4. ge- 
nannten unflerivifchen -8 fiofen. Sogar in feierlicher Profa darf 
der Redner für: die Stunde der Erbauung, der Troſt der Religion 


— 19 — 

kaum fagen: Erbanungsſtunde, Religionsteoft; noch weniger Liebes- 
geift für Geiſt der Liebe. Ri mod 

3) Gleichwol follen diefe -8 in Zufammenfeßungen, worin fie - 
einmal walten, nicht vertilgt werben. Sie gründen fich immer auf 
ein nicht verwerfliches Gefühl, die unternommene Compofition ſchwer⸗ 
faͤlliger und häufig fremder, fonft kaum zufammenfehlicher Wörter 
merkbar zu machen, oder berühren ſich hin und wieder mit einer 
‚ unorganijchen Slerionsweife. Ohnehin iſt das reine -8, wie es bier 
erfcheint, fein Mißlaut. 


VII. Compoſita mit Zahlwörtern. 


A. Compofition der Zahlwörter ferbf. 
$. 334. 


Es gibt in_ allen beutfchen Dialekten nur ich einfache Zahlen, 
alle weitern werben durch Zufammenfegung dieſer theils mit fich, 
theils mit andern Nominibus hervorgebracht. Die oft ganz vers 
wachfene und unfenntliche Zufammenfegung ift überall eine uneigent- 
liche und zwar aus wirklicher Appofition entfprungen. Aus der 
anfänglichen Freiheit beider Wörter fließt das Geſetz: dag ſich Car⸗ 
dinalzahlen nur mit Carbinalzahlen, Ordinalzahlen nur mit Ordinal⸗ 
zahlen zufammenfügen. Weil fich aber bald mehrere Carbinalcompofita 
verhärteten, wurde hernach bloß aus dem zweiten Wort die Ordinal- 
form entwidelt, das erfte in der Sarbinalform beibehalten, z. B. der 
drei-zehnte flatt britt-zehnte, 


a) Cardinalzahlen verbunden. 
$. 335. 


1) Bon 1—10 find fie durchgängig einfach, alle folgenden aber 
zufammengefeßt. 

2) Es iſt unfree Sprache eigenthämlich, die Zehner ungleich zu 
behandeln, nemlich 11 und 12 anders als bie übrigen, da doch im 
Lateinifchen, Griechifchen sc. alle auf einer Linie fliehen. Wir fagen nie 
ein-zehn, zwei-zehn, wie brei-zehn u. f. w., ſondern feßen mit -Lif 
oc leiban, übrig fein) zufammen und fagen e-If, ei-If, zwö-If 
goth. äin-lif, tva-lif, ahd. ein-lif, zue-lif, mhd. ein-lef, zwe-lef). 

3) Die übrigen Zehner von 13—19 ſetzen nhd. die unflectierte 
Einzahl voraus und zehn nad: drei-z., vier-z. u. f. w., richten 
ſich alfo nicht wie in der frühern Sprache nach dem Genus des fol 
geuden Subftantios. 

4) Bon 20—100 feßen wir mit -zig (goth. tigus, ahd. zuc) 
zufommen. Zwan-zig iſt vergröbert aus zwen-zig; im 16. Jahrh. 
findet man oft die Form zwaingig. Schon mhd. geht vach Boralen 
z gern in 3 über, daher drizec, dreißig. 

5) hund.ift ein Neutrum, ahd. hunt, mhd., uhd. Hundert. 

Kehrein Grammatik, I. 2. 9 





6) Des goth. thusundi iſt ein weibliches Subfl., fpäterhin wirb 
es neutral, ahd. düsunt, mhd. tüsent ein plur. Renirum, uhb, 
taufen». 

Anm. Der Umſlaut in zwölf gleicht dem in Hölle ( De 


hellia, . helle). — Das . 
re 


b) Orbinelzaplen verbunden. 
6. 336. 

1) Goth. und ad. wird von 13—19 auch die erfle Zahl in 
der Orbinalform genommen, jeboch nicht mitbecliniert, mhd. und 
ahd. hört Dies auf (6. 334). u 

2) Die Ordinalzahlen 20 — 90 mit fuperlatisifcher Endung aus 
ben Carbinalzahlen abgeleitet, drũcken in der alten Sprache die ge- 
ringere Zahl gleichfalls mit Ordinalzahl aus, 3. DB. ahd. finfto- 
drizugösto (35.); ud. fagen wir: ber ‚ein-und-zwanzigfle und nicht 
mehr: ber zwanzigfte und erſte, außer in poetifcher Umfchreibung. 


B. Eompofition der Zahlen mit anders Wörtern. 
a) Cardinalzahlen. 


$. 337. 

Ein- bezeichnet: 

1) finnlihe Einheit an Dingen, welche die Sache fonfl zwei- oder 
mehrmal haben, fo daß das Eompofitum Mangel oder Beran- 
bung ausprüdt: Ein-horn, Ein-ohr, vergleichen die alte 
Sprache noch nicht bildete. Früberhin entiprangen aus ein- 
und dem Subſtantis zuerft zufanımengefehte Adjective: ein- 
faoze, ein-füßig; uhd. viele Adi. auf -ig: ein-Angig, Ein- 
bändig u. a. 

2) Hänfiger find andere Adj. ver Einheit, ofme dieſen Begriff bes 
Behlens „ finulide oder abflzacte und nicht immer abgeleitete; 

in-fältig (goth. äin-falths, ahd. ein-falt), ein-brähtig, 
-förınig, -jährig, -müthig, -rächtig u. a, 

3) Zuweilen ficht auch ein- auf folde Weile vor Partie, 
Präter.: ein-geboren (ahd. ein-boran, mbb. ein-bom). 

4) Zuweilen gibt ein- nicht fowol den Begriff der Finheit alg 
des Einfamen, Vereinzelien an: ein-fam (ons ahd. und mıhb, 


fehlt). 
6) EubRantive nit ein- find: Ein-Torn, eine Art Dinkel (ahd. 
eina-chorno), Ein-falt, Ein-heit, Ein-Hang, Ein-muth u. g. 
- Eimer ift entſtellt (ahd. ein-par, Gefäß mit einem Griff), 
Zwei- und zwie-, drei, vier ꝛe. gewähren zaßlreiche Zu⸗ 
fammenfegungen, deren Sinn aus dem Zahlwort ſchon Mar iſt. 





— 131 — 


b) Ordinalzahlen. 
§. 338. 


Ordinalzahlen binden ſich mit den Adjertiven halb und ſelb, 
jenem voran», dieſem nachſtehend. 

1) Die einem Cardinalzahlbegriff hinzutretende Hälfte, z. B. ein 
und ein halb, zwei und ein halb u. f. f. pflegt durch die fol- 
gende Ordinalzahl und das nachgefehte Halb ausgebrüdt zu 
werben: Ander-balb (wofür wir unrichtig anbert-halb fagen, 
— F Analogie der übrigen verführt), dritt-halb, viert- 

alb u. ſ. w. 

2) Zu bezeichnen, in Geſellſchaft oder Begleitung von wie vielen 
fi) einer befinde, wird flatt ber Cardinalzahl für biefe Zahl 
Die folgende Ordinalzahl genommen und felb- vorausge- 
hit, 3.2. felb-ander, felb-britter u. f. f. bedeutet einer mit 

- dem andern, mit zweien u. f. f. 


VII. Compoſition ganzer Redensarten. 


$. 339, 


Die uneigentlihe Zufammenfebung überhaupt beruht darauf, daß 
zwei nebeneinander conftruierte Wörter verwachfen. Der gewöhn⸗ 
Tichfte Fall war die Verbindung des vorausgeſchickten Genitivs mit 
dem ihn regierenden Subſtantiv. Zuweilen aber gefchieht es, daß 
Präpofitionen und Verba mit den von ihnen abhängenden Nominibus 
in die Eompofition verwickelt werden. 


6. 340. 


Hier treten mancherlei Anomalien ein, von benen folgende am 
meiften zu billigen iſt: Lebendige Eigennamen für Sachen und 
Perſonen (Spitznamen) entipringen durch Ausrufungen; das Berbum 
und was daneben fteht, verhärtet fich in uneigentlihe Compofition, 
die aber freilich eine verbale heißen darf_($. 244). j 
1) Meiftentheils ıfl es der Ymperativ und zwar wieberum: 

a) Entweder mit einer bloßen Partikel: Kehr-aus, Hüpf- 
auf Namen von Tänzen), Reiß-aus (Flucht). Kerner 
die Mannsnamen: Rebe-vrecht, Halt-ans u.a. Hierher 
gehören auch die Hundenamen: Pad-an, Faß-an. 

b)- Over mit einem Subflantio (im Accuf.) daneben: Zeit- 
vertreib und die Mannsnamen: Trau-gott, Fürchte— 
gott, Schlichtegroll, Gieß-wein u.a. Die fpätere 
Sprache ſchiebt gern den Artikel den oder das, meifl ver- 
kürzt, vazwiſchen; vgl. die Eigennamen: Hebenftreit (Heb- 
bereit), Haſſenpflug (Haffe-den-pfing). Späterhin tritt 
auch ein dazwiſchen: Beit-ein-weil, Wart-ein-weil, 
erdichtete Ortsnamen. 

9% 


— 133 — 


c) Neben dem Imperativ ſteht eine Praͤpoſ. mit ihrem Sub⸗ 
flantio, meiftens Perfonennamen, zuweilen örtlide: Hüpf- 
ins-holz, Spring-ins-feld, Lug-ins-Iaud m. a. 

d) Oder es folgen andere Caſus und Partikeln: Bergiß- 
mein-nicht, Habe-bald, Halte-fef (Namen von Ge- 
waltigen bei Goethe, Fauſt 2, ©. 264), Hoffe-gut 
(Derfon in Goethes Bögel). 

2) Bisweilen fleht das Verbum im Eoniunctivo ober fehlt ganz 
und bloße Partikeln bilden den Ausruf und den Ramen: Der 
Gott-fei-bei-uns (für Teufel), Nimmer-fatt (für 
Geizhals), JZa-fo-mir-Gott (Zuname eines öftere. Herzogs). 

3) Auch mit dem Präfens Indie. werden Eigennamen gebildet: 
Tange-nichts für Taug-nichts (von dem organiſchen taug 
ſtatt des uhd. taugt). Die fanle Hausmagd heißt: Spät- 
es-tagt; ein fabelhafter König: Wie-bu-wilt. — Im 
weftöfllichen Divan von Goethe (5, S. 79) fommt ein Herr 
Kannicht⸗Willnicht vor. 

Anm. C. $. Adler gab (Leipzig 1843, 8.) Ovids ars amandi unter 
dem Titel Liebetunft heraus, Die Bildung dieſes Wortes läßt ſich 
nicht rechtfertigen. 


Viertes Eapitel. 


Sronominalbildungen 


$. 341. 


Die ältere Sprache, vorab die gothifche, iſt weit reicher als die 
heutige an Ausprüden und Zormen für bie Berhältuiffe und Be- 
ziehungen bes Pronomens. 


A. Anlaut. 


$. 342, 


In den urverwandten Sprachen (fanferit., griech., Tatein. ꝛc.) 
beginnt das Fragewort (Interrogativum) mit der Tennis bes Kehl⸗ 
lauts K, und das eigentliche Demonftrativ mit der des Zungenlauts 
T, was fehr naturgemäß iſt. Unter allen Lauten der Dienfchen- 
ſtimmen ift Feiner fo fähig, das Weſen der Frage, die gleich im 
Beginn des Wortes gefühlt fein will, auszubrüden, wie das K 
der vollfie Eonfonant, den die Kehle auszufprechen vermag. Das £ 
fann zwar mit gleicher Kraft hervorgebracht werben wie das K, allein 
e8 wird weniger ausgefloßen, als ausgefprochen und hat etwas Feſteres; 
es eignet fih daher zum Ausdruck der ruhigen, "flänbigen und vor 
fih Hinweifenden Antwort. 





—— 133 — 


Anm 8 forſcht, erkundigt, ruft; T geiet bedeutet, erwiedert. “An 
Ausnahmen fehlt es freilich bei dieſer Regel nicht, die übrigens durch 
folgende Beiſpiele klar wird. Frage, Tanferit: kas (wer), kataras 
(mer von zweien) ; altſlav., ruſſ. poln.: Kto (wer); griech. (jon. Dial.) : 
xöreoos (wer von beiden), xws (wie), xoios (was für einer, wie be⸗ 
fhaften) ; Tatein.: quis (er), quot (mie viele), quantus (ie groß). 
Antwort, fanfertt: tat (vie), tataras (einer von zweien); griech. : 
totog (fo beſchaffen), zws (fo); latein.: tot (fo viele), tantus (fo groß) ıc. 


6. 343. 


Nach der Regel der Lautverſchiebung follte in der Frage 
nun im Deutfchen ein H, in der Antwort ein goth. Th, in den 
andern deutſchen Dialeften ein D flehen. Hier aber erfcheint diefe 
Lautverfchiebung offenbar im Nachtheil, da fie flatt der Tenuis K 
ein afpirierted H eingeführt hat, das von geringerer Wirkung ifl. 
Im Goth. flieht hv, ahd. hu, was aber allmälich in das weichere 
w übertrat, das nhd. noch fortdauert. 

Anm. Die eigentliche Lehre von der Lautverfhiebung gehört nicht 
hierher; zur allgemeinen Ueberficht, wobei —X vie einzelnen Ab⸗ 
weichungen nicht bemerkt werben können, ftebe hier folgende Tabelle, 
woraus auch das Uebergreifen der einzelnen Clafien ſich ergibt. 

Aspiratae. Tenues 







Griech. ch 





th 

7 9 

Goth. g d 

Althd. k t 

Mittelpv. | g t 
Neuhd. g t, th 


Man vgl. z. B. zöoros (fat. hortus), gards, karto, garte, Garten; 
Ypodron, Poerola (lat, frater), bröthar, pruoder, bruoder, Bruver; 
Yio« (lat. lores), daur, tor, tor, Thor; xavraß-ıs (lat. cannab-is), 
6. fehlt, hanaf, hanef, Hanf; yo (lat. ego), ik, ih, ich, id; deizes» 
(lat. dicere), teihan, zeigön, zeigen, zeigen; ıwü (fat. pecus), faihu, 
vihu, vihe , Vieh; xdvvapıs u. f. w. reiveır (lat, tendere), thanjan, 
denen, denen, dehnen. 


B. Einfade Stämme. 
§. 344. 


Die einfachen perfönlichen und bemonftrativen Pronomina finden 
‚ihre Erörterung bei der Wortbiegungslehre (Declination). Hier 
"bleiben noch einige andere Wörter, theils Adjective, theils Sub- 
flantive, zu erwähnen, die entweder felbft als Pronomina gebraucht 
werden, oder fie in Zufammenfegungen bilden helfen. 


$. 343. 
Hierhin gehören: 
1) Die Cardinalzahl ein (goth. ains), die im Goth. ſtets ihre 
lebendige Bebentung behält und erft fpäter in den unbeſtimm⸗ 
ten Artifel ausartet, 


— m — 


2) Das Wort felbſt iſt goth. ner ſchwachformig: silba, silbo, 
silbö, ahd. ſtark⸗ und wachformig: sölper, sölpiu, selpa 
und selpo, sölpa, selpa; mhd. gelten beide Formen: selber 
und selbe. Die Einfade Geftalt des Wortes dauert uhd. in: 
derſelbe, biefelbe, bagfelbe. Sonft ſteht feldft and ſel⸗ 
ber, 3.8. Der Knecht wär’ feiber ein Ritter gern. Uhland. 
Selber geb’ ih und wilf mein Schidfal felber erfahren. 
Goethe. — verläßt ſie zur ſelben Stunde. Schiller N, 

3) Der Gothe wendet fein Subflantio man oder manna, im po: 
fitiven Saͤtzen, durchaus noch nicht abflract auf die heutige 
Weife au, es bebeutet ihm jederzeit das conerete Mann, 
Menſch. Im Ahd. kennen ſchon die frühften Denkmaͤler jenes 
unperfönliche man, mhd. und uhd. derſelbe Gebrauch. 

Anm. 1. Bon felbR find feine Beifpiele nöthig. Ueber die fuperfe« 
tivifche Form diefes nhd. felbfi fiefe S. 457. Das Wort it noch 


aufammengezogen aus siliba, si- d.h. von fih und liba d. 9. bleibend, 
ren das in ſich Bleibente. 
Anm, 2. Gewiß felten (und überhaupt anwendbar?) iſt die Som biefer 
felbe. So ftebt bei Tied (Shakeſpeares K. Richard 3, 2): Daß 
eure Teinde dieſen isiben Tag flerben. So bei Görres (Myſtik 


Aus diefer ſelben Mitte, dieſer felbe; 
diefem felben Manne, 


c. Abgeleitete Pronomina. 


$. 346. 


An Ableitungen iſt hier die Sprache arm; folgende Fälle find 
zu merken: 1FP 
1) Ableitendes eig ($. 126) iſt im Goth. ohne Beiſpiel. Ahd. 
begegnet einic, nhd. einig, das aber nicht allein bie Bedeu⸗ 
tung ir N jemand hat, fondern au Uebereinflimmung 
ausdrückt, was in ber frühern Sprache nicht ber Fall iſt. Späteres 
Urfprungs und ſelbſt noch ber mhd. Sprade fremd find bie 
nhd. Bildungen: jenig, meinig, beinig u. a. ($. 123. 
nm. 2.), die nur in ſchwacher Form mit vorſtehendem Artikel 
gebraucht werden und wol im 17. Jahrh. entſtanden ſind. Gleiches 
gilt von dem nicht ſehr gebräuchlichen ſelbig . 

2) Zu der Ableitung ag ($. 121) könnte das goth. manags, ahd. 
manaker,: mhd. manec, uhd. manch gerechnet werden). 

3) Ableitendes at $. 84) findet ſich im ahd. abverbial ſtehenden 
Dativ Pur. ainazdm (einzel, einſam „ singulatim), woraus auf 
ein nicht nachweisbares einazer gefehloffen werden kann. Später 
häufen fi die Ableitungen: einzel, einzeln ($. 35. 86), 
ernste: 

1. 3. 3. Philo hatte ſich indeſſen öfters in der Bibliothek auf⸗ 
Behalten, und führte mich nun auch in felbiger ein. Goethe (19, 344). 
Anm. 2. Goethe fagt neben manch auch noch mannig (1, S. 195). 





— 133 — 
D. Zuſammengeſetzte Pronomina. 


$. 347. 


Ihrer gibt es ſehr viele; überall aber iſt hier nur von sigent- 
licher Compofition die Rebe. Gewöhnlich heftet ſich eine Partikel 
an das Pronomen oder ein Pronomen an das andere. Hier kommen 
Suffixe (Nachfeßungen), Präfire (Vorſetzungen) nd Umſchrei⸗ 
bungen in Betracht. 


1. Suffise. 


$. 348. 


Dem wichtigeren, belebteren Wort hängt fi ein , un⸗ 
belebteres an; bie Flexion gefchieht m der Dritte der Zufammen- 
fesung und kann durch den Anhang entſtellt und beeinträchtigt 
werden. Je mehr Entitellung, deſto enger die Compoſition. Alle 
Suffire find Partifeln, die meiften ſcheinen urfprünglich felbft pro- 
nominaler Natur. Außer einigen Beftimmungen perföulicher Pro- 
nomina, werben dur das Suffix bauptfählih drei Begriffe 
gewirkt, der des Relativums (welcher), der von quisque (ein jeder) 
und ber von aliquis (irgend einer). 


$. 349, 


Das lateiniſche Suffte met drüden alle deutfchen Dialekte durch 
Das nachgefegte zurüdweifende Pronomen silba, sölpo, felber, 
ſelbſt aus, welches aber nicht wie das Tateinifche met dem per- 
fönlihen Pronomen fett anwächſt, da es in der Konftruction ihm 
zuweilen vorgefegt werden darf, z.B. Du felber follft uns fagen, 
was du vorhaſt. (Schiller) Selb du haft ihm nicht getraut. 

Anm. Bei dem engl. verderbien myself, thyself‘, Rimsefl eine 

Dhtlige Curprien Damm, ech, a. | 

6. 350. 
. Die älteften ahd. Denkmäler verwenden fen das Dempnfiratie 
der, diu, daz ohne weiters Zufab relativ, was auch mhd. und 

. iſt Die ahd. Sprade wendet aber organifcher 

eife jenes der, diu, daz nur in Bezug auf die äritte Perfon 
anz es heißt nicht der ih, der dü, die wir, die ir, ſondern bloß 
ih, dä, wir, ir. Im nhd. Schriftgebrauch ſcheint Nachwirkung jenes 
relativen ih, dü, wir, ir, daß diefe perfönlichen Pronomina un- 
mittelbar nach dem relativ gefeßten der wiederholt zu werben pflegen: 
Ich, der ich immer geneigt war, mit Altern Berfonen umzugehen, 
attachierte mich bald an ihn. (Goethe.) Er wird uns Alle, die 
wir an fein Glück befeſtigt find, in feinen Fall hinabziehn (Schiffer); 
während dies bei der dritten Perfon natürlich unterbleibt, alfo wicht: 
Er, der er glaudt. Allmälich durfte audy das zweite ich anb On 





— 136 — 


unterbleiben und geſagt werden: Ich ‚ der glaube; du, der glaubſt, 
befonders wenn noch ein anderes Wort dazwifchen gefchaltet wird. 


$. 391. 


Auf mhd. Art das Verbum in dritter Perfon auf ein ich und 
du folgen zu Taffen, ift unthunlich, wo nicht das Pronomen es, ein 
folder, ober das Subftantiv Mann vorher eingefihaltet wird: 
Sch bin’s, der das thut; du bift ein Mann, der das thut!). 
Uebrigens hat die nhd. Sprache für einige Cafus des. relativen der 
formelle Unterfcheidungen eingeführt, namentlich deſſen (def), de- 
ren, denen, flatt des bemonftrativen bes, der, den?). 

Anm. 1. Manche Schriftſteller Halten ſich jedoch nicht fireng daran, ' 

3. B. O du, der die Himmel ſchuf und der Thräne gebot, zu dir 


um Erbarmung u fleben! (Rlopfiod.) Du, der auf ven Wollen 
thront in ver Nacht. (Arndt.) 


Anm. 2. Z. B. Wo bift vu, Faufl, deß Stimme mir erflang? (Goethe, 
Sind's nicht diefelben, deren Namen man nur zu nennen braucht 
(Schiller.) Zungenprefher, denen Recht und Wahrheit feil iſt. GSchiller.) 


$ 0 352. 


Im Ahd. wird durch dar (mitunter dA) und dir (mitunter der) 
relative Bedentung hervorgebracht, welche Wörtchen jedoch nicht mit 
dem Pronomen zufammen gefchrieben, fondern demfelben getrennt 
nachgefegt werden. Mhd. fcheint dä faft ausgeflorben, während dir 
und der in ihrer relativen Anwendung fich noch finden, wenn auch felten. 
Das nuhd. ziemlich gangbare Der da, die da, das da fchräntt 
fih auf den bloßen Nominativ ein: Es gibt Leute, die da glauben, 


II. Prafixe. 
$. 358, 


Sp wie die Suffire dem declinierbaren Pronomen hinten ange- 
hängt werben, bergeflalt, daß feine Flexion in Die Mitte tritt, hängen 
- fih ibm die Präfixe vornen an, ohne alfo feine Flexion zu beein- 
traͤchtigen. Entweder find es wieder Pronomina oder Partifeln und 
auf diefe meift pronominalen Urſprungs. 

Anm. Dan kann annehmen, daß in der Pronominalbilpung die Suffixe 
älter, die Präfire jünger find. Sp zeigt die Wortbildung überhaupt 


früher mehr Neigung zu hinten anwachfenden Ableitungen, Tpäter mehr 
zu Compofition mit vornen eingefügten Wörtern. 


$. 354. 


Um die Befhaffenheit auszudrüden, dienen dem Gothen bie 
artikeln hve und sva. Jenes ift urfprünglich ein Caſus von hvas 
(um) und dient, mit den Präpofitionen du (zu) und bi (bei) ver- 
bunden, für die Fragepartifeln wozu, weshalb auszubrüden. 
Diefes hv& verbindet fich zugleich mit leiks (gleich $. 233), alfo 
hveleiks, hvileiks, d. 5. wie befchaffen. Diejes hv& lautet ahd. 


- 


% 


— 137 — 


huit und auch das Adjectiv I1h beſteht daneben: huzlih, huiolin; 

mhd. wird daraus welh, nhd. welch. — Dieſem wie beſchaffen 

ſteht ein fo beſchaffen gegenüber. Der Gothe -componiert bier 
mit sva, alfo svaleiks, was ahd. sölih (solih, sulih), mhd. solh 

- (zuweilen solich,. öfter s&öIh), nhd. folch wird. 

Anm. Die Partikeln hve und sva geben häu articipien Präter. vor» 
aus, —* Art und — has MA wirk⸗ 
liche Compofition entſteht: fo beſchaffen, eingerichtet, bewandt; beſonders 

gebräuchlich iſt gethan. Bir geiban ft nhd. abgekommen, foge- 
than, ſothan meift in der Schriftfprade veraltet. Es findet ſich 
3. DB. bei Görres (Myfit 1, 331. 337): Wie ih ifn fo gethan- 
anfrhaute ; fie gelangte zu einer Wiefe, einem Parapdiefesgarten gleich 


gethan. 
§. 355. 


Die gothiſche Partikel div (je, unquam) findet ſich nur in ver⸗ 
neinenden Sätzen, gehe ihr nun ein ni unmittelbar voraus oder nicht. 
Einigemal trifft es ſich ſchon, daß dieſes div vor Pronomina oder 
Pronominalpartifeln zu flehen fommt. Im Verlauf der Zeit fcheint 
die Partifel eine feflere Stellung vor dem Pronomen genommen, 
ben Begriff ver Unbeftimmtheit hervorgehoben zu haben und aud 
im pofitiven Sat gebraucht worden zu fein. Ahd. lautet fie &o, io, 
mhd. ie, nbd. jet). Folgende einzelne Fälle find hier zu merken: 

1) Abd. &oman, mhd. iemen, nhd. jemand. 

2) Abd. &owäht, &owiht — mhd. hat ſich ieht noch weiter 
in iht, verneinend niht, abgeſchliffen, nhd. das bloß negative 
nicht erhalten und zwar auf die Bedeutung der reinen Negation 
beſchraͤnkt, während der Begriff von nihil (nicht etwas) durch 
den urfprünglichen Genitiv nichts ausgebrüdt wird 2). Das 
pofitive doweht, iht ift uhd. ansgeftorben. 

3 &ohuädar, mhd. iewäder, nhd. jebweder (jeber von 


en). 
4) Treten beide Partifeln &o und gi verbunden vor, fo wird ber 
Begriff verflärft: dogalihher, mhd. iegelih, uhd. jeglicher. 
5) Verbindung mit hvathar (weder) findet fih im ahd. &ogahut- 
dar (jeder von beiden), mhd. iegewäder, verfürzt iewöäder, 
was nuhd. noch mehr verfürzt warb in jeder. 


Anm. 1. Die Bocallehre hat weiter auselnanderzufehen, wie das 
j hier unorganiſch if flatt des ritigern i. Der Febhler if noch nit 
alt, Zefen (+ 1689) in feinem Reimanzeiger ordnet noch ie (je) 
richtig unter die und fie; Wieland (Oberon 3, 57) reimt te (je), 
Harmonie, Knie, fie. Zachariä (Renommifl. 1.) reimt Jeder 
und wieder. i 

Anm. 2. Nichts if entfprungen aus nihtes niht (nihili nihil), mo 
dann das zweite niht ausgelaflen wurde und ver bloße Genitiv mit der 
Beveutung des ganzen fiehen ‚blieb. Andere Cafusformen des nicht 
find Nichte, Richten in ven Revensarten: Etwas zu Nichte maden; 
ich thue e8 mit Richten. — Die ältere Form ſteht noch bei TZauler 
arhfoigung Chriſti 2, 23): „Wer zumal barmhderzig iſt, der behält 
nichtes nicht.” Dafelbft (1, 156) ſteht auch das Gegentheil: „Wenn 


— 13 — 


gäbe Gott einem pelltenmenen willen nicht alle Dinge, daß ihm ichte® 
sch bliebe. — Bei Görres (Myſtik 2, 139) Reht: Die Seele wird, 
wie mehr in Gott geichtigt, fo färfer In fih genichtigt. 


6. 356. 


Die Form öta, Et (ali-) ſcheint erſt feit dem 9. Jahrh. zu ent» 
fpringen ftatt der Altern Etes. Dazu gehören: . 
1) Die ahd. Wörter ötawer, ötewör (eiwer, jemand) und be- 
fonders ötewaz, wovon uns nhd. noch etwas und bie Partileln 
etwa, etwann erhalten find. 
2) Die Eompofitionen mit lih, als Etalth, Ztilih, ätelih, mhd. 
ötelich, nhd. etlich. 


Anm. Zu der Form ta gehört aud noch das nho, etwelche, was 
aber zu veralten anfängt. 


6. 357, 


Die goth. Partikel ni, welche den reinen Begriff der Negation 
enthält, begleitet manche Pronomina, ohne fich fo daran zu ſchließen, 
daß fie als deren Fe betrachtet werden könnte. Das ahd. ni 
(nio) wächft fchon fefter an, nhd. haben wir nie. — Aus der goth. 
Partifel ni div ($. 355)- bildet ſich ahd. n&oman, nioman; ndo- 
wiht, niowiht; mhd. nieman, niemen; nieht, niht; nhd. niemand, 
nicht. — Dem goth. nih (latein. nec) hatte wahrfcheinlich in älterer 
Zeit ein ahd. nih genau entfprochen. Diefes nih geht nun Com⸗ 
pofition ein mit ein, alſo nihein, fpäter nehein, zuweilen nechein. 
Eine weitere Verkürzung ift mhd. chein, uhd. fein. 


MI. Umſchreibungen. 
$. 358. 
Zuweilen werben Subſtantive zur nähern Bezeichnung einiger Pro- 
nomina, meift ber unbeflimmten, gebraucht; aus der Gewohnheit ber 
Verbindung fann wiederum uneigentliche Compofition entfpringen, und 


zwar um fo eher, je mehr die ganze Nedensart ſich verfürzt und 
entftellt. > 


$. 339. 


Die Iatein. pronominale Revensart ejusmodi, ejus generis (biefer 
Art) drüft die mhd. Sprache neben dem (fihon ahd. beftehenven) 
slahta, slahte (Schlag) !) durch das faſt gleichbebeutige hande (Be- 
fchaffenheit) aus, was uhd. noch fortbefleht in allerhand, fonfl 
aber durch Lei verbrängt ift, 3. B. vielerlei, wofür noch Opitz 
(+ 1639) vielerband fagt ?). — Ein anderes mhd. Synonym 
ift leige, nhd. lei: allerlei, mancherlei 20.3), was aus dem roma⸗ 
nifchen ley, loi herzurühren fcheint und Art um Weife bezeichnet. 
Solcherlei, allerlei fünnen wir auch durch ſolcher Art, aller 
Art, folder Weife ausbraäden, nur daß wir biefen Subflantiven 


— 139 — 


nicht keicht Zahlworter im Genitiv Plur. vorfeßen, ſonbern pleo- 
naſtifch ſagen zweierlei Art, dreierlei Weiſe. 

Anm. 1. Got hät drier slahte kint, daz kristen, juden, heiden 
sint. Die hänt ouch drier hante lebn. Vridankes bescheidenheit. 
Das Wort slahta iſt und noch übrig in geſchlacht und ungeſchlacht, 
was freilich Feine pronom. Bildungen FR Sp ſteht auch bei Görres 
(Myſtik 1, 51): Zweiſchlächteg in feiner Art. j 

Anm 2 % Schlegel (Earl und Roland) fogt noch: 3a auch in dem 
Wagenrade fiehf vu dreierhande Stud: Rabe, Felge, Speiche. 

Anm. 3. Früher fagte man auch meinerlei, deinerlet, diefere 
lei, waferlei. Leffing (in ver Borreve zum Nathan 11, ©. 535 
bei Lachmann) fagt: Jenerlei Leute. 


.$. 360, 


Bir pflegen uhd. noch durch ein unveränberliches desgleichen, 
dergleichen ſowol ejusmodi als auch das relative cujusmodi aus- 
zeoräden: Desgleihen Mann fah ich nie, desgleichen ich mie 
ſah; dergleichen Dinge find unerbört, dergleichen oft geſehen 
werben. Analog wird gleichen nach dem Genit. Sing. der Poſ⸗ 
ſeſſiva geſetzt: Meinesgleihen, Deinesgleichen ꝛc. für Leute 
meiner Art, deiner Art. 

- Anm. In biefen Phrafen fledt etwas Ineorzectes, wie man fie nehme. 
Sind die Poffeffiva richtig, fo muß gleiben die oblique Form eines 
Subft. fein, wobei man an ahd. gilihho, mhd. geliche (par, aequalis) 
dent. Aber dann follte es im Nom. heißen: Seine Gleiche Icht 
nicht mehr; im Ace:: Seinen Gleichen findet er nit, wie mhd. 
sin geliche, sinen gelichen. Schon mhd. findet fih übrigens min 
geliche, sin geliche, wo geliche ein ſchwaches Subſt. iſt, von dem 
der Gen. min, sin abhängt. Hält man gleichen für ein Mi. (und 
meines, deines wc. für abmeichende Genitive), wozu die beigefügten 
Subft. Dann, Dinge, rathen; fo regiert gleich fonft den Datio und 
es müfite heißen: dem ich gelichez nie gesach. Ein dritter Erklärungs⸗ 

verſuch wäre, hinter vesgleichen einen ausgelaffenen Genit. Shlage 

und hinter vergleichen den ausgelaffenen Genit. Art zu vermuthen, 
f9 daß die volle Phrafe aelautet hätte: Desgleihen Schlags Mann, 
bergleihen Art Dinge. — In der Volksſprache hört man für gleichen 
das Wort gelichters, glichters, vorzüglich auf ven Stand fih 
beziehend: Seinsglichters, Unſersglichters. — Goethe 
(1, 155) fagt: Und ich kannte das Gelichterr. 


$. 361. 


Eine völlig anomale Zufammenfeßung if einander, bas auf 
zulöfen iſt in: einer dem andern, einer dem andem, einer die an= 
dern ꝛe., eine. das andere, eine die andern ꝛc. Es ifl der Nominativ 
mit einem obliquen Caſus verbunden. Das Verbum wird in ben 
Plural geſetzt, wobei die zu andern, anderm gehörige Präpofition 
vor ein zu fteben kommt. 

Anm. 1. Schon mh. findet ich das unveränderte einander, abe, gelten 
mehrfache Eonftruetionen. 


Anm. 2, Was die Schreibung des einander in Verbindung mit Präpof., 
betrifft, fo werven beive bald zufammen, bald getrennt gefihrieben, 
‚ jenes, wenn eine wirkliche Zufammenzichumg, bie ald ein Wort 


” . 


6) Das goth. thusundi «fl ein weibliches Subſt., ſpaͤlerhin wird 
es neutral, ahd. düsunt, mhd. tüsent ein plur. Neutrum, uhd, 
taufen®. | 

Anm. Der Umlaut in zwölf gleicht vem in Hölle (goth. halja, ahd. 
hellia, mhd. helle). — Das goth. tigus if} ei männliches Subfl., bes 
beutet zehn als Geſamtzahl, bie Zehn. ' 


b) Ordinalzahlen verbunden. 


$. 336, 


1) Goth. umd ahd. wirb von 13 — 19 auch bie erfle Zahl in 
der Ordinalform genommen, jedoch nicht mitbechiniert, mhd. und 
ab. hört Dies auf (6. 334). 

2) Die Ordinalzahlen 20— 90 mit fuperlativifcher Endung ans 
ben Cardinalzahlen abgeleitet, drücken in der alten Sprache die ge- 
zingere "Zahl gleichfalls mit Ordinalzahl aus, z. B. ahd. finfto- 
drizugösto (35.); nuhd. fagen wir: ber ein-und-zwanzigfte und nicht 
mehr: ber zwanzigfte und erfle, außer in poetifcher Umfchreibung. 


B. Eomppfition der Zahlen mit andern Wörtern. 
a) Cardinalzahlen. 


| $. 337. 

Ein- bezeichnet: 

1) ſinnliche Einheit an Dingen, welche die Sache fonft zwei⸗ ober 
mehrmal haben, fo daß das Compofitum Mangel oder Berau⸗ 
bung ausbrüdt: Ein-horn, Ein-ohr, bergleichen die alte 
Sprache noch nicht bildete. Früherhin entfprangen aus ein- 
und dem Subſtantis zuerft zufammengefebte Adjeetive: ein- 
fuoze, ein-füßig; nhd. viele Adj. auf -ig: ein-Augig, Ein-. 
haͤndig u. a. 

2) Häufiger find andere Adj. ver Einheit, ohne dieſen Begriff des 
Fhlens ſinnliche ober abſtracte una nicht immer abgeleitete; 

in-fältig (got. äin„faiths, ahd. ein-falt), ein-brähtig, 
-förmig, -jährig, -müthig, „hächtig u. 9, 

3) Zuweilen flieht auh ein- auf ſolche Weife vor Partie, 
Präter.: ein-geboren (ahd. ein-boran, mhd. ein-bomm). 
4) Zuweilen gibt ein- nicht fowol den Begriff der Einheit alg 
ben Einfamen, Bereinzelten an: eiu-fam (das ahd. und mhd. 


fehlt). 
5) Subftantive mit ein- find: Ein-Iorn, eine Art Dinkel (ah. 
eina-chorno), Ein-falt, Ein-beit, Ein-Hang, Ein⸗muth u. q, 
. Eimer iſt entſtellt (ahd. ein-par, Gefäß mit einem Griff), 
Zwei- und zwie-, drei, vier ꝛe. gewähren zahlreiche Zu⸗ 
fammenfeßungen, deren Sinn aus dem Zahlwort ſchon Mar iſt. 





— 131 — 


b) Ordinalzahlen. 
6. 338, 


Drbinalzahlen binden fi mit ben Apjertiven Halb unb felb, 
jenem voran», dieſem nachſtehend. 

1) Die einem Cardinalzahlbegriff hienutretende Haͤlfte, z. B. ein 
und ein halb, zwei und ein halb u. f. f. pflegt durch die fol⸗ 
gende Ordinalzahl und das nachgefeßte halb ausgebrüdt zu 
werden: Ander-halb (wofür wir unrichtig anbert-halb fagen, 
von der Analogie ber übrigen verführt), dritt-halb, viert- 

. halb u. ſ. w. 

2) Zu bezeichnen, in Geſellſchaft oder Begleitung von wie vielen 
fih einer befinde, wird ſtatt der Cardinalzahl für dieſe Zahl 
die folgende Ordinalzahl genommen nnd felb- vorausge- 
ſchickt, 3.2. felb-ander, felb-dritter n. f. f. bedeutet einer mit 

- dem andern, mit zweien u. f. f. 


vu. Compoſition ganzer Redensarten. 


$. 339. 


Die mmeigentliche Zufammenfebung überhaupt beruht darauf, daß 
zwei nebeneinander confiruierte Wörter verwachſen. Der gewöhn- 
lichfte Hall war die Verbindung des vorausgeſchickten Genitivs mit 
dem ihn regierenden Subſtantiv. Zuweilen aber geſchieht es, daß 

räpofitionen und Verba mit den von ihnen abhängenden Nominibus 
in die Compoſition verwickelt werben. 


6. 340. 


Hier treten mancherlei Anomalien ein, von benen folgende am 
meiften zu billigen ift: Lebendige Eigennamen für Sahen und 
Perfonen (Spitnamen) entipringen dur Ausrufungen; das Berbum 
und was daneben ſteht, verhärtet fich im uneigentliche Compoſition, 
bie aber freilich eine verbale heißen darf_($. 244). j 
1) Meiftentheils ifl es ver Imperativ und zwar wiederum: 

a) Entweder mit einer bloßen Partikel: Kebr-aus, Hüpf- 
auf Namen von Zänzen), Reiß-ans (Flucht). Kerner 
die Manntnamen: Lebe-reht, Halt-aus u.a. Hierher 
gehören auch die Hundenamen: Pad-an, Faß-an. 

b)- Dver mit einem Subflantio (im Accuf.) daneben: Zeit- 
vertreib und die Mannsnamen: Tran-gott, Fürdte- 
gott, Schlichtegroll, Gieß-wein u.a. Die fpätere 
Sprade fihiebt gern den Artilel den oder das, meiſt ver- 
kürzt, dazwiſchen; vgl. die Eigennamen: Hebenftreit (Heb- 
—— Haſſenpflug (Haffe-den-pfing). Spaͤterhin tritt 
auch ein dazwiſchen: Beit-ein-weil, BWart-ein-weil, 
erbichtete Ortsnamen. i 

9* 


— 133 — 


c) Neben dem Imperativ ſteht eine Praͤpoſ. mit ihrem Sub⸗ 
ftantio, meiftens Perfonennamen, zuweilen örtliche: Hüpf- 
ins-hol;, Spring-ins-feld, Tug-ins-Iand m. a. 

d) Oder es folgen andere Cafus und Partileln: Vergiß— 
mein-niht, HDabe-bald, Halte-feft (Namen von Ge- 
waltigen bei Goethe, Fauſt 2, ©. 264), Doffe-gut 
(Berfon in Gvethes Vögel). 

2) Bisweilen ſteht das Berbum im Conjunctiv oder fehlt ganz 
und bloße Partileln bilden den Ausruf und den Namen: Der 
Gott-fei-bei-uns (für Teufel), Nimmer-fatt (für 
Geizhals), Ja-ſo —mir-Gott (Zuname eines öſterr. Herzogs). 

3) Auch mit dem Präfens Indie. werden Eigennamen gebildet: 
Tange-nichts für Taug-nichts (von dem organifchen taug 
flatt des nhd. taugt). Die faule Hausmagd beißt: Spät- 
es-tagt; ein fabelhafter König: Wie-dn-wilt. — m 
weftöftlichen Divan von Goethe (5, S. 79) kommt ein Herr 
Kannicht-Willnicht vor. 

Anm. €, %. Adler gab (Leipzig 1843, 8.) Ovids ars amandi unter 


dem Titel Liebekunſt heraus, Die Bildung dieſes Wortes läßt ſich 
nicht rechtfertigen. 


Viertes Capitel. 


Pronominalbildungen. 


$. 341. 


Die aͤltere Sprache, vorab die gothiſche, iſt weit reicher als die 
heutige an Ausdrücken und Formen für bie Verhältniſſe und Be- 
ziehungen bes Pronomens. 


A. Anlaut, 


$. 342, 


In den urverwandten Sprachen (fanferit., griech., Yatein. ꝛc.) 
beginnt das Fragewort (Interrogativum) mit der Tenuid des Kehle 
lauts K, und das eigentliche Demonftrativ mit der des Zungenlauts 
T, was ſehr naturgemäß if. Unter allen Lauten der Dienfchen- 
ſtimmen ift feiner fo faͤhig, das Weſen der Frage, die gleich im 
Beginn des Wortes gefühlt fein will, auszubrüden, wie das K 
der vollfie Eonfonant, den die Kehle auszufprechen vermag. Das € 
kann zwar mit gleicher Kraft hervorgebracht werden wie das K, allein 
es wird weniger ausgeftoßen, als ausgefprochen und hat etwas Feſteres; 
es eignet fi) daher zum Ausdruck der ruhigen, "fländigen und vor 
fih Hinweifenden Antwort, 





—— 133 — 


Anm 8 forſcht, ertunbigt, vuftz T geist. beveutet, eriwiebert. “An 
Ausnahmen fehlt es freilich bei dieſer Regel nicht, die übrigens durch 
folgende Beifpiele Har wird. Frage, fanferit: kas (wer), kataras 
(mer von zweien); altflav., ruſſ. poln.: kto (wer); gried. (jon. Dial.) : 

xörspos (mer von beiden), xws (mie), xoios (was für einer, wie bes 

(haften); Iatein.: quis (er), quot (ie viele), quantus (mie groß). 

Antwort, fanferit: tat (dies), tataras (einer von zweien); gried.: 

vosog (fo befrhaffen), zws (fo); Iatein. : tot (fo viele), tantus (fo groß) ıc. 


6. 343. 

Nach der Regel der Lautverſchiebung follte in der Frage 
nun im Deutfchen ein H, in der Antwort ein goth. Th, in dem 
andern deutfchen Dialeften ein D flehen. Hier aber erfcheint diefe 
Lautverfchiebung offenbar im Nachtheil, da fie flatt der Tenuis K 
ein Ce H eingeführt hat, das von geringerer Wirkung fl. 
Sm Goth. flieht hv, ahd. hu, was aber allmälich in das weichere 
w übertrat, das nhd. noch fortdauert. 


Anm. Die eigentlihe Lehre von der Lautverſchiebung gehört nicht 
bierher; zur allgemeinen Ueberfiht, wobei 10 die einzelnen Ab» 
weichungen nicht bemerkt werben können, ftebe hier folgende Tabelle, 
woraus auch das lebergreifen der einzelnen Claſſen ſich ergibt. 


Aspiratae. Mediae Tenues 
Griech. ch th 
7 9 
Goth. g d 
Althd. k t 
Mittelhd.g t 
Neuhd. g t, th 





B. Einfache Stämme. 
§. 344, 


Die einfachen perfönlichen und demonſtrativen Pronomina finden 
‚ihre Erörterung bei der Wortbiegungslehre (Declination). Hier 
bleiben noch einige andere Wörter, theils Adjective, theils Sub» 
flantive, zu erwähnen, die entweder felbft als Pronomina gebraucht 
werben, oder fie in Zufammenfegungen bilden helfen. 


6. 349. 
Hierhin gehören: 
1) Die Cardinalzahl ein (goth. Ains), die im Goth. ſtets ihre 
lebendige Bedeutung behält und erft ſpäter in ben unbeſtimm⸗ 
ten Artikel ausartet. 


— 134 — 


2) Das Wort ſelbſt iſt goth. nr ſchwachformig: silba, silbs, 
silbö, ahd. ſtark⸗ und ſchwachformig: selpêr, selpiu, selpäz 

und selpo, selpa, sélpa; mhd. gelten beide Formen: selber 
und selbe. Die einfache Geftalt des Wortes dauert nhb. in: 
kerfelbe, biefelbe, dasſelbe. Sonft flieht felbfi und fel- 
ber, 3.2. Der Knecht wär’ felber ein Ritter gern. Uhland. 
Selber geh’ ih und will mein Schidfal felber erfahren. 
Goethe. (Er) verläßt fie zur felben Stunde. Schiller‘). 

3) Der Gothe wendet fein Subflantio man oder manna, im po: 
fitiven Säßen, durchaus noch nicht abftraet auf die heutige 
Weiſe au, es bedeutet ihm jederzeit das conerete Mann, 


Menſch. Im Ahd. kennen fchon die feühften Denkmäler jenes 


unperfönliche man, mhd. und nhd. derfelbe Gebrauch. 


Anm. 1. Bon ſelbſt find eine Beifpiele nöthig. Weber vie ſuperka⸗ 
tioifhe Form diefes nhd. felbft fiehe $. 457. Das Wort iR noch 
aufammengege en aus siliba, si- d.h. von fich und liba d. h. bleibeup, 
alfo das in ſich Bleibente. 

Anm. 2. Gewiß felten (und überhaupt anwendbar?) iſt die Form piefer 
felbe. So flebt bei TZied (Shakeſpeares 8. Richard 3, 2): Daß 


eure Feinde een felben Tag fterben. So bei Görres (Myſtik 


1, 379. 416. 430): Aus diefer felben Mitte; dieſer felbe; 
diefem felben Manne, 


€. Abgeleitete Sronomine, 
$. 346. 
An Ableitungen iſt hier die Sprade arm; folgende Fälle find 
zu werfen: F 
1) Ableitendes eig (F. 126) iſt im Goth. ohne Beiſpiel. Ahd. 
begegnet einic, uhd. einig, das aber nicht allein bie Bedeu⸗ 
tung irgend jemand bat, fondern auch Uebereinſtimmung 
ausdrüct, was in der frühern Sprache nicht der Fall iſt. Späteres 
Urfprungs und felbft noch der mhd. Sprache fremd find bie 
nhd. Bildungen: jenig, meinig, beinig u. a. ($. 123. 
Anm. 2.), die nur in fchwacher Form mit verfichendem Artifel 
‚gebraucht werben und wol im 17. Jahrh. entflanden find. Gleiches 
gilt von dem nicht fehr gebräuchlichen felbigt). 
2) Zu der Ableitung ag ($. 121) fönnte das goth. manags, ahd. 
manakör, mhd. manec, nhd. manch gerechnet werben ?). 


3) Ableitendes at ($. 84) findet fih im ahd. abverbial ſtehenden 


Dativ Pur. ainazem (einzel, einfam, singulatim), woraus auf 
ein nicht nachweisbares einazer gefchloffen werden kann. Später 
häufen fi) die Ableitungen: einzel, einzeln ($. 35. 86), 
einzig. 
Anm. 1. 3. B. Philo hatte fi indeſſen öfters in der Bibliothet auf- 
gehalten, und führte mich nun au in felbiger ein. Goethe (19, 344). 
Anm. 2. Goethe fagt neben manch au nah mannig (1, S. 195). 


— 13 —— 
D. Zuſammeugeſetzte Pronomina. 


§. 347. 


Ihrer gibt es ſehr viele; überall aber iſt hier nur von sigent- 
licher Eompofition die Rebe. Gewöhnlich heftet ſich eine Partikel 
an das Pronomen ober ein Pronomen an das andere. Hier kommen 
Suffixe (Nachfeßungen), Präfire (Borfeßungen) und Umſchrei⸗ 
bungen in Betracht. 


I. Suffise, 


6. 348. 


Dem wictigeren, belebteren Wort hängt ſich ein gert , un⸗ 
belebteres an; die Flexion geſchieht m der Mitte ver Zufammen- 
fesung und kann durch dem Anhang entſtellt und beeinträchtigt 
werden. Je mehr Entiteflung, deſto enger die Compofition. Alle 
Suffire find Partifeln, die meiften ſcheinen urfprünglich ſelbſt pro⸗ 
nominaler Natur. Außer einigen Beflimmungen perfönlidher Pro- 
nomina, werben durch das Suffir bauptfächlih drei Begriffe 
gewirft, der des Relativums (welcher), ber von quisque (ein jeder) 
und der von aliquis (irgend einer). 


$. 349. 


Das Iateinifche Suffie met drücken alfe deutfchen Dialekte durch 
das nachgefegte zurüdweifende Pronomen silba, sölpo, felber, 
ſelbſt aus, welches aber nicht wie das Yateinifche met dem per- 
ſönlichen Pronomen feft anwächſt, da es in der Eonftruction ihm 
zuweilen vorgefeßt werden darf, z.B. Du felber folft ung fagen, 
was du vorhaſt. (Schiller) Selb dn Haft ihm nicht getraut. - 

Anm. Bei denk engl. verderbten myself, thyseff, Kimse ; eine 

Iwirtlihe Sufkzion Defampten. ey a. | 

6. 350, 

. Die älteflen ahd. Denkmäler verwenden fon vas Demonſtrates 
der, diu, daz ohne weitern Zuſatz relativ, was auch mhd. und 

d. der Fall ik. Die ahd. Sprade wendet aber organifcher 
Weiſe fenes der, diu, daz nur in Bezug auf die Britte Perſon 
anz es heißt nicht der ih, der dü, did wir, die ir, fondern bloß 
ih, dü, wir, ir. Im nhd. Schriftgebrauch Scheint Nachwirkung jenes 
relativen ih, dü, wir, ir, daß diefe perfönlidhen Pronomina un⸗ 
mittelbar nach dem relativ gefeßten der wiederholt zu werden pflegen: 
Ich, der ich immer geneigt war, mit Altern Berfonen umzugehen, 
attachierte mich bald an ihn. (Gvethe) Er wird uns Alle, die 
wir an ſein Olüd befeftigt find, in feinen Fall hinabziehn (Schiller); 
wäßrend bies bei der dritten Perſon natürlich umterbleibt, alfo wicht: 
&r, der er glaudt. Allmätich durfte audy das zweite ich and du 


— 136 — 


unterbleiben und geſagt werden: Ich, der glaube; du, der glaubſt, 
beſonders wenn noch ein anderes Wort dazwiſchen geſchaltet wird. 


§. 351. 


Auf mhd. Art das Verbum in dritter Perſon auf ein ich und 
du folgen zu laſſen, iſt unthunlich, wo nicht das Pronomen es, ein 
folder, oder das Subflantiv Mann vorher eingefihaltet wird: 
Ich bin’s, der das thut; du bifl ein Mann, der das thut?!). 
Uebrigens hat die nhd. Sprache für einige Caſus des_relativen der 
formelle Unterfcheidungen eingeführt, namentlich deſſen (def), de- 
ren, denen, ftatt des demonflrativen des, der, den?). 

Anm. 1. Manche Schriftſteller halten ſich jedoch nicht fireng daran, 
. B. O du, der die Himmel ſchuf und der Thräne gebat, zu pi 


3 
um GErbarmung In fleben! (Klopfiod.) Du, der den 
thront in pus oeſ ne) Pod.) auf 


Anm. 2. Z. B. Wo biſt vu, Fauſt, deß Stimme mir erklang? (Goethe. 
Sind's nicht dieſelben, deren Namen man nur zu nennen braucht 
Schiller.) Zungendreſcher, de nen Recht und Wahrheit feil iſt. (Schiller.) 


$. 352. 


Im Ahd. wird durch dar (mitunter dA) und dir (mitunter der) 
relative Bedentung hervorgebracht, welche Wörtchen jedoch nicht mit 
dem Pronomen zufammen gefchrieben, fondern demfelben getrennt 
nachgefegt werden. Myd. fcheint dä faft ausgeftorben, während dir 
und der in ihrer relativen Anwendung fich noch finden, wenn auch felten. 
Das uhd. ziemlich gangbare der da, die da, das da fchränft 
fih auf den bloßen Nominativ ein: Es gibt Lente, die da glauben. 


I. Prafixe. 
$. 358. 


Sp wie die Suffire dem declinierbaren Pronomen hinten ange- 
hängt werben, bergeftalt, daß feine Flexion in die Mitte tritt, hängen 
ſich ihm die Präfiee vornen an, ohne alfo feine Flexion zu beein- 
trächtigen. Entweder find es wieder Pronomina ober Partifeln und 
auch diefe meift pronominalen Urfprungs. 

Anm. Dan kann annehmen, daß in der Pronominalbildung die Suffir 
älter, die Präfire fünger find. So zeigt die Wortbildung überhaupt 
früher mehr Neigung zu hinten anwachfenden Ableitungen, fpäter mehr 
zu Compofition mit vornen eingefügten Wörtern. 


$. 334, 


Um die Befchaffenheit auszudrüden, dienen dem Gothen die 
artifeln hv& und sva. Jenes ift urfpränglih ein Eafus von hvas 
(ve) und dient, mit den Präpofitionen du (zu) und bi (bei) ver- 
bunden, für die Sragepartifein wozu, weshalb auszubrüden, 
Diefes hv& verbindet fich zugleich mit leiks (gleih $. 233), alfo 
hveleiks, hvileiks, d. 5. wie befchaffen. Dieſes hv& lautet ahd. 


- 


Sn 


— 137 — 


huit und auch das Adjectiv Ith beſteht daneben: huzlih, huiolin; 
mhd. wirb daraus wälh, nfd. welch. — Dieſem wie beſchaffen 
ſteht ein fo beſchaffen gegenüber. Der Gothe -componiert hier 
mit sva, alfo svaleiks, was ab. sölih (solth, sulih), mhd. solh 
- (zuweilen solich,. öfter söIh), nd. ſolch wird, 


Anm. Die Partikeln hve un wticipien Präter. vor · 
aus, welche Art und Beft me daß dadurd wirk · 
liche Eompofition entfteht: | t, bewandt; befonders 

» gebräuglih if getban. 


abgelommen, ſo ge⸗ 
than, ſotban meiſt in raltet. Es findet 7 
3 B. bei Görres (Myf . eich ihn fo gethan- 
anfchaute ; fie gelangte zu einer Wiefe, einem Paradiefesgarten gleich 


gethan. 
$. 35. 


Die gothiſche Partifel div (je, unquam) findet fih nur in ver- 
neinenden Sägen, gehe ihr nun ein ni unmittelbar voraus ober nicht. 
Einigemal trifft es ſich ſchon, daß diefes div vor Pronomina oder 
Pronominalpartifeln zu ftehen Fommt. Im Berlauf der Zeit ſcheiut 
die Partifel eine There Stellung vor dem Pronomen genommen, 
den Begriff der Unbeftimmtpeit hervorgehoben zu Haben und auch 
im pofitiven Sag gebraucht worden zu fein. Abb. Tautet fie &o, io, 
mbhd. ie, nhd. je‘). Folgende einzelne Fälle find hier zu merken: 

4) Abd. &oman, mhd. iemen, uhd. jemand. 

2) Abd. &oweht, dowiht — mhd. hat fi icht noch weiter 
in iht, verneinend niht, abgefchliffen, uhd. das bloß negative 
nicht erhalten und zwar auf bie Bedeutung der reinen Negation 
befpränft, während der Begriff von nihil (nit etwas) durch 
den urfprünglichen Genitiv nichts ausgebrüdt wird). Das 
pofitive &owäht, iht tft uhd. ansgeflorben. 

aA &ohuedar, mhd. ieweder, nhb. jedweber (jeder von 


en). 

4) Treten beide Partifeln &o und gi verbunden vor, fo wirb ber 

„Begriff verflärkt: &ogalihher, mhb. iegelth, nfb. jeglicher. 

5) Verbindung mit hvathar (weder) findet fi) im ahd. &ogahue- 
dar (jeder von beiden), mhd. iegewöder, verkürzt iewöder, 
was uhd. noch mehr verfürzt warb in jeder. 


Anm. 1. Die Bocallepre hat weiter auseinanderzufehen, wie das 
3 hier unorganifch if fait des richtigern i. Der Zehler If noch nicht 
alt. Zefen (+ 1689) in feinem Reimanzeiger oronet no te (je) 
richtig unter die und fie; Wieland (Oberon 3, 57) reimt ie (je), 
Harmonie, Knie, fie. Zacharia (Renommift, 1.) reimt Jeder 
und wieber. 

Anm. 2. Nichts if entfprungen aus nihtes niht (nihili nihil), wo 
dann das zweite niht ausgelailen wurde und der bloße Genitiv mit der 
Bedeutung des ganzen ftehen blieb. Andere Cafusformen des nicht 
find Nichte, Richten in den Revensarten: Etwas zu Nichte maden; 
ich thue e8 mit Nihten. — Die ältere Form ſteht noch bei Tauler 
asfelgung Cprifi 2, 23): „Wer zumal barmperzig ift, ber behält 
michtes nicht.” Dafetoh (1,150) Acht auch das @egenifeil: „Wenn 


— 138 — 


gäbe Gott einem vollkommenen willen nicht alle Dinge, daß ihm ichte® 
ht bliebe. — Bei Görres (Myſtik 2, 139) ſteht: Die Seele wird, 
wie mehr in Gott geichtigt, fo ftärfer In fih genigtigt. 


§. 356, 


Die Form öta, Et (ali-) ſcheint erſt feit dem 9. Jahrh. zu ent⸗ 
fpringen flatt der Altern &tes. Dazu gehören: . 
1) Die ahd. Wörter ötawer, ötewör (etwer, jemand) und be 
fonders ötewaz, wovon und nhd. noch etwas und bie Partikeln 
etwa, etwann erhalten find. | | 
2) Die Eompofitionen mit lih, als Etalth, Ztilih, ätelih, mhb. 
ötelich, nhd. etlich. 


Anm. Zu der Form dla gehört au noch das nhd. etwelche, was 
aber zu veralten anfängt. 


§. 357, 


Die goth. Partikel ni, welche den reinen Begriff der Negation 
enthaͤlt, begleitet manche Pronomina, ohne ſich ſo daran zu ſchließen, 
daß fie als deren Praͤfir betrachtet werden könnte. Das ahd. ni 
(nio) wächft fchon fefter an, nhd. haben wir nie. — Aus der goth. 
Partifel ni äiv ($. 355) bildet ſich ahd. nöoman, nioman ; n&o- 
wiht, niowiht; mhd. nieman, niemen; nieht, niht; nhd. niemand, 
nicht. — Dem goth. nih (Tatein. nec) hatte wahrfcheinlich in älterer 
Zeit ein ahd. nih genau entſprochen. Diefes nih geht nun Com⸗ 
pofition ein mit ein, alfo nihein, fpäter nehein, zuweilen nechein. 
Eine weitere Verkürzung tft mhd. chein, uhd. kein. 


If. umſchreibungen. 
$. 358. 


Zuweilen werden Subſtantive zur nähern Bezeichnung einiger Pro⸗ 
nomina, meiſt der unbeſtimmten, gebraucht; aus der Gewohnheit der 
Verbindung kann wiederum uneigentliche Compoſition entſpringen, und 
Fa m fo eher, je mehr die ganze Redensart fich verfürzt und 
entſtellt. 


$. 359. 


Die latein. pronominale Redensart ejusmodi, ejus generis (dieſer 
Art) drückt die mhd. Sprache neben dem (ſchon ahd. beſtehenden) 
slahta, slahte (Schlag)) durch das faſt gleichbedeutige hande (Be⸗ 
fchaffenheit) aus, was nhd, noch fortbeſteht in allerhand, ſonſt 
aber durch Lei verdrängt iſt, 3. B. vielerlei, woflr noch Opitz 
(+ 1639) vielerband fagt ?). — Ein anderes mhd. Synonym 
ift leige, nhd. lei: allerlei, mandherlei 20.3), was aus dem roma⸗ 
nifchen ley, loi berzurühren fcheint und Art und Weiſe bezeichnet, 
Solcherlei, allerlei Tönnen wir auch duch ſolcher Art, aller 
Art, folder Weife ausdrücken, nur daß wir biefen Subflantiven 


u —— — — — — — — — 3 


. 


— 19 — 
wicht Leicht Zahlwörter im Genitiv Blur. vorfeßen, fonbern pleo- 


naftifch fagen zweierlei Art, dreierlei Weife. 


Anm. 1. Got hät drier slahte kint, daz kristen, juden, heiden 
sint. Die hänt ouch drier hante lebn. Vridankes bescheidenheit. 
Das Wort slahta iſt ung noch übrig in geſchlacht und ungeſchlacht, 
was freilich feine pronom. Bildungen Frag So fteht auch bei Görres 

—Myſtik 1, 51): Zweiſchlächtißg in feiner Art. j 

Anm. 2. F. Schlegel (Carl und Roland) ſagt noch: Ja auch in dem 
Wagenrade fiehft du dreierbande Stack: Nabe, Felge, Speiche. 

Anm. 3. Früher fagte man auh meinerlei, deinerlei, dieſer⸗ 
lei, waferlei. Leffing (in ver Vorrede zum Nathan 11, ©. 535 
bei Lachmann) fagt: Jenerlei Leute. 


.$. 360, 


Bir pflegen nhd. noch durch ein unveraͤnderliches desgleichen, 
bergleidhen ſowol ejusmodi als auch das relative cwjusmodi aus- 
zevrüden: Desgleiden Mann fah ich nie, desgleichen ich nie 
Jah; dergleichen Dinge find unerbört, dergleichen oft geſehen 
werden. Analog wird gleihen nah Dem Genit. Sing. der Poſ⸗ 
ſeſfiva gefegt: Meinesgleichen, Deinesgleichen ꝛc. für Leute 
meiner Art, deiner Art. 

- Anm. In diefen Phrafen ſtecht etwas neorzectes, wie man fie nehme. 
Sind die Poffeffiva richtig, fo muß gieinen die oblique Form eines 
Subft. fein, wobei man an ahd. gilihho, mhd. geliche (par, aequalis) 
dent. Aber bann follte es im Nom. beißen: Seine Gleiche Icht 
nicht mehr; im Acc.: Seinen Gleichen findet er nicht, wie mho. 
sin geliche, sinen gelichen. Schon mhd. findet fi übrigens min 
geliche, sin geliche, wo geliche ein ſchwaches Subſt. iſt, von dem 
der Gen. min, sin abhängt. Hält man gleichen für ein Adj. (und 
meines, deines 2c. für abweichende Genitive), wozu bie beigefügten 
Subft. Dann, Dinge, rathen; fo regiert gleich fenft den Dativ und 
es müfite heißen: dem ich gelichez nie gesach. Ein dritter Erklärungs⸗ 

verſuch wäre, hinter vesgleichen einen ausgelaffenen Genit. Schlag s 

und hinter vergleichen ven ausgelaffenen Gentt. Art zu vermuthen, 

fo daß die volle Phrafe gelautet hätte: Desgleihen Schlags Mann, 
vergleichen Art Dinge. — In der Volksſprache hört man für gleichen 
das Wort gelihters, glichters, vorzüglid auf ven Stanv fi 
beziebend : Seinsglichters, Unſersglichters. — Goethe 
(1, 155) fagt: Und ich kannte das Gelidhter. 


$. 361. 


Eine völlig anomale Zufammenfesung iſt einander, bas auf 
zuldfen if in: einer dem andern, einer dem andern, einer die an- 
dern ꝛc., eine. das andere, eine die andern ꝛc. Es ifl der Nominativ 
mit einem obliquen Caſus verbunden. Das Verbum wird in den 
Plural gefegt, wobei die zu andern, anderm gehörige Präpvfition 
vor ein zu ſtehen kommt. 

Anm. 1. Schon mo. findet ſich das unveränderte einander, abe, gelten 
mehrfache Eonfiruetionen. 

Anm. 2. Was die Schreibung des einander in Verbindung mit Präpoſ. 
betrifft, fo werben beive bald zufammen, bald getrennt gefihrieben, 
jenes, wenn eine wirflide Zufammenzicehung, vie ald ein Wort 


— 140 0 — 


zu ſprechen if, flattfindet, viefes, wo dies nit ver Ball, vie Präpoſ. 
alfo mehr betont ift: Sie flreiten untereinander, dreimal nad 
einander; betet für einander, fie verlaffen fih auf einander. 


* 


Fünftes Capitel. 
Adverbia. 


§. 362, 


Die meiſten Adverbien ſtammen aus Adjeetiven und Subſtantiven 
ab, theils indem oblique Caſus, für ſich oder mit Zuziehung von 
Prapoſitionen, adverbial gebraucht werden, theils durch Ableitung 
und Zufammenſetzung. Einige find pronominalen Urſprungs, ſehr 
wenige aus Verbis gebildet. Außerdem kommen noch beſondere Ab⸗ 
leitungen in Erwaͤgung. 


A. Adjeetiviſche Adverbia. 


§. 363. 


Gewöhnlich zeigen fie das wie, das wie beſchaffen an, zu- 
weilen Ort» und Zeitverhältniffe. Was ein ihnen entiprechenves 
Adjectio neben dem Subſtantiv präbiciert, fagen fie neben dem Ver⸗ 
bum, Participium oder Adjectiv aus. In der Regel Fönnen fie 
gleich dem Adjectiv felbft gefteigert werben. oo. 


a) Senitivifhe Adverbia. 


$. 364, 


Neuhochdeutſch mangeln die meiften ahd. und mhd. Adverbien 
biefer Art, Wir fagen noch: anders (ahd. anderes, mhd. anders),. 
firads, fchnurftrads und wärts (ahd. wertes, wartes) in: ab-, 
auf-, bin-, ber-, nieder-, unter-, vor-, heim-, thal-, feit-, rüd- 
wärts!). Neu entfprumgen find: rechts, Links, ftets (fläts), be= 
reits, befonders, übrigens, unverſehens, vergebens (ahd. fargäbeno, 
mbd. vergebene); dann die Participialapverbien: eilends, fchwei- 
gends, zufehends, durchgehends, nachgehends ; zulegt Ordinaladverbien: 
erftens, zweitens u. f. f., denen viele andere Superlativabverbien: 
höchſtens, nächftens, ſchönſtens u. a. entfprechen 2). 

Anm. 1. Goethe (1, 93) ſagt auch: wälderwärts. Biele Ältere find 
uns ausgeftorben, 3. B. twörhes (zwerg), niuwes (neulich), langes 
(lange) , tageliches (täglich), anawartes (morgen). | 

Anm. 2. Das n öiſt ſchwache Form und das zugetretene s iſt zu erflären 
wie 3. B. in Bogens, Namens u, a. W. 


- 


— U — 
b) Aeeuſativiſche Adverbia. 


§. 365. 


Hier iſt es beſonders ber Accuf. Sing. Neutr., der zum Ad⸗ 
verbium dient, und zwar ohne Kennzeichen des Cafus: viel 
(goth. filu, add. Alu, md. vil), wenig, genug, meift, allermeifl, 
früß 1). Uebrigens haben diefe uhd. Accufativadverbien einen andern 
Urfprung als die Maſſe der heutigen Adverbien, wie: recht (mhd. röhte), 
hart, lang, breit, füß u. f. w., deren e weggefallen ift ($. 367) 2). 

Anm. 1. Ehe (ahd. Er) und feit (goth. seithu, ahd. sid mit ver 

Bereutung postea, nachher) dienen jeßt nur noch zu Eonjunctionen, 

leßteres zur Präpofition. 

Anm. 2. Ein accufativ. Adverbium mit Kennzeichen if 3. B. das 


ahd. allaz, mh. allez (befländig, immer), das nhb. noch in dem al s⸗ 
fort ver Boltsfprache lebt. . 


Anm. 3. Kein aceuf. Adverb. auf wärt if uns übrig, wir haben 
überall ein genit. wärts (6.364); ahd. auch arcufat.: anawert (neben 
anawartes), uzwert, hinwert, 


0) Präpofitionale Adverbia. 
$. 366. 


Sp mögen folche Aoverbien genannt werden, die fich nicht mit 
dem bloßen Cqſus des Adjectivs begnügen, fondern noch eine Prä- 
pofition dazu nehmen. In allen Fällen ift eine wirkliche Präpofition 
vorhanden und ber darauf folgende Caſus als von ihr abhängig 
anzufehen. 

4) Dativ und zwar in ſchwacher Form: zum erflen, lebten; 
am längften, feltenften u. a‘) 

2) Accufatio und zwar: 

a. in flarfer Form: zu erſt, zuletzt, zuvorderſt, zumeiſt; Aberall, 
über fur; ober lang, überlaut, überein; fürwahr, fürbaß 2). 

ß. Schwache Form haben: insgemein, insgefammt 3); rid- 
tiger, wenigftens nach der Grammatik, find: insbefondere, 
inskünftige, infoferne. — Häufig wird vom Superlativ ein 
Adverbium mit auf gebildet: Auf das höchfte, aufs befte, 
aufs ſchönſte ꝛe., ein Gebrauch, den die ältere Sprache noch 
nicht Fennt?). 

Anm. 1. In der frühern Sprache fiehen zuweilen andere Präpofitionen ; 
ältere Beifp. find: az ristin, iz Eristin, zem örstem, an dem aller 
jungisten. . 

Anm. 2. Aeltere Beiſp. find: az Erist, zi furist (zuvorderſt), ze meist, 
ze lezest, ze vorderest, ubar al, ubar lanc, ubar lüt, fürbaz. — 
Das ahv. in Epan, in öben, mhd. inöben, neben iſt ſchon früher 
meift zur Präpoſ. geworben, wie auch noch uhd. 

Anm. 3. Es follte grammatifch heißen: insgefammte, insgemeine, 
oder ingeſammt, ingemein. . 


m 


— — 


Anm. 4. Dieſe dorm gebrandt man meiſt nur für vie Weiſe perſön— 
lich er Handlungen: Man ſpielt aufs ſchändlichſte mit dir. (Schiller.) 
Man ſagt nicht gut: Die Roſe blüht aufs ſchönſte. 


d) Abgeleitete Adverbia. 
$. 367. 


Im Ahd. werben aus Adjectiven Abverbia auf -o.gebilbet, 3.2. 
arg-o, foll-o; mhd. hat ſich dieſes -o in -e verwandelt, das aber 
in gewiffen Fällen wegfallen Ffann. Im Nyhd. nun bat fich dieſes 
adverbiale -e ganz verloren und das Adverbium ift dem Adjectivum 
(ohne Kennzeichen) formell gleih: bald (ahb. paldo, mhd. balde), 
gern, hoch, kurz, faum, lang, gleich, laut, recht, fchier, fehnell, 
jehr, gefhwind, tief, fern, eben, offen, bitter, ficher zc. find Ad⸗ 
verbia, wie fie, der Korm nach, Adjective fein können. Nur bei 
gern, fern, lang läßt fi das e zuweilen noch hören: gerne, 
ferne, lange. — Bei Adjeetiven zweiter Deelination fchwindet ver 
mhd. Vortheil des Rückumlauts und fie zeichnen ſich in nichts vor 
ben Adjectiven aus: eng (mhd. Adv. ange, Adj. enge), hart, feft, 
trüb, füß, kühn, ſchön. Das e haftet nur da, wo es auch noch. 
bie Adjectiven behalten haben, z. B. müde, träge ($. 19). . 

Anm. 8. Schlegel (Carl und Roland) Hat noch die Adverbien als⸗ 

-balde, ſchnöde, geheime, ſachte, milde. Auch Goethe hat 

deren noch mehrere, 3. B. balde, fefle, milde, dichte, be 


hende u. a. $. 368. 


Die Gleichſtellung des Adverbiums mit dem Adfectio erflärt, 
daß nun auch wieder die mhd. ungewöhnlichen Adverbien auf -ig 
im Gang find: ewig (ahd. Ewigo), gnädig, infländig, liſtig, 
ruhig u. a., und fo darf jedes Adjectiv auf ig abdverbial flehen. 
Ferner Teuchtet ein, warum die mhd. befondere Adverbialform -lich 
- als folche aufhört und nhd. Adverbien auf Tich faſt nur von fort- 
giftigen Adjectiven auf Tich gebraucht werben. Seitdem es durch⸗ 
geführt war, Aoverbium und Adjectivum auf einen und benfelben 
Fuß zu feßen, erfihien das abverbiale lich überflüffig und fchleppend; 
man fagt daher: kühn, ſchnell, tief, trüb, weife, und nicht: fühn- 
lich, ſchnellich, tieflich, trüblih, weistih. Als Ausnahmen find 
noch erhalten: freilich, wahrlich ($. 233), deren Adjertive aus- 
geftorben find. 

Anm. Die Dichter ſetzen mitunter noch das adverbiale ich, 3. B. 
3, Kerner (d. reihe Furt): Daß ich mein Haupt fann kühnliſch Iegen 
jedem Untertban in Schoß. — Sp finden fi auch die adverbialen: 

ewiglich, weistich ($. 233). 


e) Suffigierte Adverbia. 
6. 369, 


Durch den Anhang einiger Präpofitionen und vocaliſch anlanten- 
den Partifeln an Adjective werden uhd. ainzelne Adperbia gezeugt, 


— 143 — 


denen bie ältere Sprache nichts Aehnliches zum Seite ſtellen kann: 
vollauf, gradaus, ſtumpfab, kurzab, kurzum, rundum. Sie ſcheinen 
aus bloßer Anlehnung der anfänglich getrennten Partikel hervorge⸗ 
gangen. 


B. Subftantivifhe Adverbia. 


$. 370. 


Der Caſus des Subſtantios, als abſolut geſetzter Caſus, reicht 
ſchon hin, um als Adverbium aufzutreten; Häufig find noch Pro⸗ 
nomina und Adjective damit verknüpft. 


a) Genitiviſche Adverbia. 


6. 371. 

Hierher gehört: 

1) Genitiv Sing, männlich oder neutral und zwar 
in ſtarker Form. DBeifpiele find: tags (ahd. mhd. tages), 
(eines Tags, heutiges Tags), morgens, abends (des M., 
des A., eines M., eines A.), ſommers, winters, des Jahre, 

erades Weges, meines W., deines W., keineswegs, fporn- 

eichs, augenblids, theils, falls, großentheils, allenfalls, 
rings, anfangs, angefihts u. a.1). — Bollends ſcheint aus 
bem acewfativifchen mh. vollen verderbt,; vormittags, nach⸗ 
mittags find Compofita. — Der mho. Anomalie, d. h. der 
Berbindung eines Genitivs mit Präpof., die fonft feinen Ge- 
nitio regieren, entſprechen: unterwegs, ehmals, vormals, 
nachmals ?). 

2) Adverbia aus dem Genitiv Sing. weiblicher Wir 
ter find nicht ganz zu Teugnen, haben aber etwas Anomales. 
Hierhin pepirt nachts (ahd. mhd. nahtes), bes Nachts ?). 

3) Adverbia aus dem Genitiv Blur. find: Diefer Tage, 
füngfter Tage, letzter Tage, aller Dinge. Zür Iebteres hat 
die neuere Sprache, dem überwiegenden abverbiafen -8 des 
Benitios Sing. nachgebend, ohne auch das Adjectiv der Plural- 
form zu entbinden, die hoͤchſt anomalen Formen; allerdings, 
ſchlechterdings, platterdings, neuerdings eingeführt *). 

Anm, 1. Obgleih mande Adverb. Hier neu entflanden, fo find dod 
auch viele mh. verſchwunden, 3. 3. alters, dankes, heiles, unheiles 
stapfes, unmuotes. — Görres (Myfiif 1, 30) bat noch das fonft 
nicht gebräudplihe anbeginns, wofür wir lieber anfangs fagen, 

Anm. 2. Die Vollsſprache hat noch andere, 3. 3. oftmals, vidmals, 
überreds, überlands u. a. 

Anm. 3. Mhd. gieng man noch weiter und fagte auch eines nahtes, 
des selben nahtes. Auch Görres fagt (Myfit 1, 322): Eines 
Nachts Hatte er fein Geld verfpielt. 

Anm, 4 Leſſing (Nathan 3, 7) fagt auch freier Dinge: 39 
will nicht unterſuchen, ob vich nicht fonft ein Argwohn treibt, mir dies 
Erbieten freier Dinge zu thun. 


— 144 — 
b) Dativiſche Adverbia. 


$. 372, 


Hier kommen der Dativ Sing. und der Dativ Plur. in Betracht. 
Ein Dativ Sing. ift das ahd. heime (zu Haus), unterjchieven 
oon heim (nah Haus); mhd. fteht heime, gewöhnlich mit vorge⸗ 
fettem dä; nhd. fagen wir nicht mehr heime, bloß heim (nad 
Hans) und gebrauchen daneben daheim (zu Haus). 

Ein Dativ Plur. dauert vieleicht noch fort in traun?). Die 
Formen: maßen, malen, enden, halben, erhielten ſich in den uNn« 
organiſchen Verbindungen: dermaßen, ſolchermaßen, bermalen, 
allerenden, allenthalben, meinethalben ꝛc., als ſeien es Genitive. 


Weilen beſteht noch in: bisweilen, unterweilen, zuweilen; in 


mittlerweile zieht man den Genitiv Sing. vor. 


Anm Traun iſt ahd. triwo, mhd. triuwen. Man könnite verſucht ſein, 

das Wort aus der 1. Perf. des Verb. trauen zu deuten, da ver Ab» 
leitung von Treue der mangelnde Umlaut zu wiverſprechen ſcheint. 
Doch das ahd. Adv. triwo ſteht von ketrüen over trüen ih ab, ie 
md. Pluralform triuwen hat das nhd. traum hervorgebracht und irgend 
ein Zufall ven Umlaut bintertrieben. 


0) Acenfativifhe Adverbia. . 


$. 873, 


Hier Fommen in Betracht. 

1) Aceuf. Sing. männlider Wörter: Jeden Tag, ben 
ganzen Tag, feinen Tag, weg (mhd. den wöc), hinweg, den 
Augenbli, beim. 

2) Acceuf. Sing. neutraler Wörter: einmal, diesmal, 
manchmal. 

3) Aceuſ. Sing weiblicher Wörter: Dieſe Naht , 
alfeweit?2), allzeit, alle Zeit, lange Zeit, Zeitlebens, wechſels⸗ 
weile, beifpielsweife. | Ä 

Anm. 1. Diefe Nacht Iautet abo. hinaht, daraus unfer mehr ber 
Bollsfprache angehöriges Aoverbium heint. 


Anm. 2. Alleweil veraltet allmälih, dieweil und allvieweil 
(mb. alle die wile) find veraltet. 


Anm. 3. In unferm fe nimmt man ben Accuf. vom goth. äiv nicht 
mehr. wahr, Der Begriff it Lebenszeit (griech. «io», Tat. aevum), 


d) Präpnfitionale Adverbia. 


$. 374, 


Deren gibt es in allen deutfchen Diundarten eine große Menge. 
Denfbar Fann aus der Verbindung vieler finnlichen oder eines jed- 
weden abfiraeten Subflantivs mit Präpofitionen ein folches Adverbium 
entipringen, man wird es aber erſt dann annehmen, wenn es Durch 





— — — —— 


— i48 — 


wiederholten Gebrauch eingeführt worben if, und. am ſicherſten, wenn 
fih eine abftractere Bedeutung, als der Gehalt der Worte mitbringt, 
daneben einfindet. 3.2. bei zu Berg, zu Thal, zurüd brauden 
wir uns nit an die Begriffe Berg, Thal, Rüde zu erimern. 
$. 375. l 
Folgende Fälle kommen hier befonders in Betracht: 

1) Genitiv Sing. mit unter: unterwegs (mbd. Dativ 
Plur. underwägen). — 

2) Dativ Sing. mit in, zu, bei, aus, von, nach, hinter: 
Im Augenblick, in der That, in allem Ernſt, in Eile, 
empor (für entbor, mhd. in-bore $. 189), entgegen (mhb.. 
en-gegene) ?) u. a.; zu Berg, zurüd, zu Grund, zufammen, 
zugleich, zwar (ahd. zi wäre) u. a.; bei Licht (ad. pi löchte), 
beizeit, bei der Hand, bei Leibe nicht, befage u. a.; aus Liebe 
(mhd. ü3 liebe), aus Freundfhaft, aus der Maßen; „von 
Kind auf (ahd. fone chinde, mhd. von kinde), von Herzen; 
nach der Hand, nach Inhalt ?). 

3) Dativ Pur, mit zu, von, unter: Zu Zeiten, zuweilen; 
von freien Stürfen; unterwegen. 

4) Aceuſativ Sing. mit in, über, durch, für, ohne, 
fonder: In die Wette (mhd. enwette), in Zeit, in feine 
Weiſe, in die Länge; über Macht (ahd. ubar maht), über Ber- 
mögen, über Nacht, über’s Jahr, übermorgen, überhaupt u. a.; 
durch die Bank (mhd. durch die banc); fürwaßr (mfb. für 
wäre); ohne Zweifel (ahd. Ana zutval), ohne Streit, ohne 
Noth; fonder Streit (mhd. sunder strit), fonder Zweifel. 

Anm. 1. Entgegen if anch accufat. mfb. engegen. 

Anm. 2. Hinterräds ift uns gentt., ahd. dativ. hinder rukke. 


e) Suffigierte Adverbia. 


$. 376, 


Analog den $. 369 behandelten find wiederum einige nhd. Ad⸗ 
verbia, die aus nicht ungünftiger Anlehnung präpofitionaler und 
vocalanlautiger Partifeln an das Subſtantiv hervorgehen; nachgeſetzte 
. Präpofitionen darf man nicht dabei annehmen, denn der Cafus hängt 
nicht davon ab, ja zuweilen ſteht eine andere wirkliche Prapofition 
voraus: himmelan, bergan, bergauf, bergab, bergunter, ſtromauf, 
firomab, waldein, feldein, von Stund an, von Kind auf, jahrein, 
jahraus u.a. — Die vollere Phrafe: den Berg hinan ꝛc. zeigt, wie 
diefe Adverbien entiprungen find. In der älteren Sprache findet im 
ähnlichen Fall noch Feine Anlehnung ftatt, z. B. mhd. lief allez.den 
- walt in. Die Weglaffung des Artifels fcheint für dieſe nhd. Ad⸗ 
verbien entſcheidendes Kennzeichen. 

Kehrein Grammatik, I. 2. 10 


— 1460 — 


C. Pronominale Adverbia. 


$. 877. 


Hier müflen des Zufammenhangs wegen fun einzelne Präpo⸗ 
fitionen und Conjunctionen miterwähnt werden. Folgende Fälle find 
befonders zu bemerfen: 

1) Der goth. Accuſ. than lautet ah. bald denne, bald danne, 
mhd. danne, feltner denne. Nhd. hat ſich ein (unhiftorifcher) 
Unterfchied zwifchen dann (tum), das befonvers in der Zu- 
fammenfetung alsdann, fodann vorfommt, und dem ab» 
firacteren denn (nam) entwickelt. 

2) Das ahd. dd ift wol urfprünglich ein Accuf. (illam); mhd. dö, 
gefchieden von dä (ibi). Nhd. ift das mhd. dö, wahrfcheinlich 
durch nieberdeutfchen Einfluß, zu da geworden und mifcht fich 
mit der Ortspartifel da (ib)). Für die Bedeutung der Tatein. 
Zeitpartifel cum, quando concurriert mit ihm die Partifel als, 
die fich auch für das comparativifche quam neben Denn geltend 
gemacht Hat’). 

3) Das goth. thar (da, daſelbſt), ahd. där (dhär, thär), mhd. dä 
iſt nhd. da. Das ältere bar dauert nur in beftimmten Redens⸗ 
arten, 3. B. darbringen, darbieten, und wird als bloße Partikel 
erfegt durch daher, dahin. Dannen (mhr. dan) gilt nicht 
feicht ohne die Präpof. von, wird aber auch ausgebrüdt Durch 
von da, daher, von daher. 

4) Neben dem ahd. där (und dara) findet ſich darot, mhd. dort, 
uhd. dort. Die Richtung nach dem dort (latein. illuc) wird 
umfehrieben burch dorthin — dahin, unorganiſch aber ein 
dorten, von bortem gefchaffen. | 

5) Nyd. find alle inftrumentalen Abverbien der Art ausgeflorben 
und werden durch den präpofitionalen Dativ erfeßt: nachdem, 
indem, vordem, ehdem, feitdem, zudem, außerdem, näcfldem. 

6) Die Örtliche Beftimmung (der Localis) lautet goth. her, ahd. 
hiar, mhd. hie, uhd. hier; hieher, binnen, von binnen. 

7) Das goth. hvan (erflärt fi aus hvana, quem) ift ahd. hvenne,. 
wenne, huanne, wanne, mhd. faft burchgängig wenne. Nhd. 
ift ein Unterfchted zwifhen wann (quando) ımb wenn (si), 
analog dem zwifchen Dann und denn aufgefommen ?). 

8) Das goth. hvar (wo) entſpricht dem thar (da), ahd. huuär, 
mhd. wä, nhd. wo; wohin, von Wannen, von wo, woher. 
Die Form war beſteht noh in warum, neben worin, 
woraus, womit, 

Anm. 1. Mande Schriftfieller, 3.8. Görres in feiner hrift. Myſtik, 
ſetzen nach dem Comparativ nur denn. In Säben, welche fonft dop⸗ 
peltes als erforverten, braucht man überhaupt denn, 3. B. Als Mann 
war er erfabrner, denn ald Jüngling. ' 

Anm. 2. Luther Tennt noch Fein wann, er fagt wenn für beine Be⸗ 


beutungen, wie er oben (6) auch nur hie flatt hier hat, was 
. auch bei neuern Schriftfiellern findet. ’ j ſic 


— 147 — 


$. 378. 
Aus der Verbindung von Pronominaffornen mit Präpofitionen 


entfpringen folgende Partikeln: 

1) Mit dem Genitiv: ehdeffen (ahd. &des), indeffen, unter- 
deſſen, währenddeſſen. Sie gleichen den fubftantivifchen ($. 374); 
durch gewöhnliche Rection fcheint der Genitiv nicht von den 
Gräppfitionen abzuhängen. 

2) Mit dem Accufativ flieht überdies (ahd. upar daz, mhd. 
über da3). 


D. Befondere Ableitungen. 
$. 379. 


Alle Hier zu Befprechenden Adverbia, die fih auf Subftantiv, 
Adjectiv und Pronomen zugleich beziehen, auch theils Fortbildungen 
anderer Partifein find, denen man feinen pronominalen Urfprung 
- beifegen kann, drüden Verhältniffe des Raums und ber Jeit aus, 


a) Localadverbia. 
$. 30. 


Die Eorrelativpartifeln, welde in drei Reiben ben Begriff 
der Rufe und ber Bewegung nad und von einem Ort enthalten, 
find bereits einzeln genannt; fie fielen fich folgendermaßen einander 
gegenüber: | 

da . bar Dannen 
wo. wohin wannen 
bier ber binnen. 

Andere find: innen, außen, oben, unten, nieden, hinten. 
Obenan und untenan fcheinen eher aus dem mhd. obenän, ahd. 
opanano zu erffären, als aus einem Suffir der Partifel an, fo daß 
die Nedendart neben an entweder ganz etwas anders, oder falſch 
gebildet wäre. on 

In und ein unterfheiden fich, doch fleht Iebteres nur in Zu- 
fammenfegungen: hinein, herein. Fern (ahd. ferrana, mb». 
verren), vorn, fort haben fih erhalten, dagegen unterfcheiden wir 
nicht mehr often (ahd. Östana, mhd. üsten, d. i. von Oſten) und 
ofter (ahd. Östar, mhd. Öster, d. i. nach Oſten), fondern um⸗ 
ſchreiben: von Dften, nad Oſten, oflwärts, 


$. 381. 


Im NH. pflegen die Partifeln ber und Hin fehr Häufig als 
Praͤfixe anderer Partifeln Näherung und Entfernung zu be- 
flimmen: herein, heraus, herauf, herab, hernieder, herunter, 
berüber; hinein, hinaus, hinauf, hinab, hinunter, hinüber !). (Her- 
nach und hinwieder haben feine ‚Koealbebeutung,) Analog, find 

10 


— 148 — 


die Verbindungen mit bar, war (wor) und hier: Darin, daraus, 
worin, woraus, hierüber, hierunter u. a.2) — Bemerfenswerth iſt 
bie Umftellung einiger Compofita mit her, die ſchon im 15.16. Jahrh. 
wahrzunehmen if: abher für herab. Nachher und hernad 
find ung gleich gerecht und beinahe iventifh; umher und herum 
find fchon ein wenig mehr verfchieden. | 
Anm. 1. In der Volksſprache die Aphärefen: rein, raus, rauf, rab, 
runter; nein, naus, nauf, nab, nunter, nüber. 
Anm. 2, Die Verkürzungen: drin, draus, drüben, drunten, hüben, 
hunten geflattet zum Theil unfere ſpröde Schriftfprache, 


b) Localſuffixe. 
$. 382, 


Alle betreffen nur bie zweite Reihe, d. h. die Richtung wohin. 
1) Dem ahd. höra, hina wird der Adverbialcomparativ paz fuf- 
figiert, alſo harabaz3, hinabaz, was auch mhd. der Fall iſt. 
Nyd. wird Fein folches beffer angehängt, wol aber voraus- 
geſchickt: beffer fort, beffer Hierher, dagegen die Partikel 

. an angehängt: heran, hinan, fortan, . 

2) Analog find die nhd. Suffire fort, hin, ber felbft zu Her- 
vorhebung der zweiten Reihe: hinfort, weiterfort, dahin, wohin, 
hierhin, dorthin, weiterhin, forthin, obenhin, hierher, näher 
ber ꝛe., wiewol biefes Hex auch unorganifch bei Adverbien dritter 
Reihe gilt: woher, baher, dorther, untenher. 

Anm. 1. Dergleichen Häufungen und Mifchungen zeugen fänmtlich von 
dem Untergang ber älteren, einfacheren, almälich verdunkelten Formen. 

Anm. 2. Bol. die Zeitapverbien: Immerfort, fernerhin, fpäterhin, 
früherhin, ahhin immerhin. 


c) Beſondere Bildungen. 
§. 383. 


1) Die nhd. Mundart hängt häufig io bald an Subſtantive, bald 
an Imperative, um fo eine Snterfecton zu bilden: Feindio, 
Mordio, Feufiv, Diebio, Hilfio, Stilfio u. a. 

2) In gewiffen Partifeln, namentlich für die Begriffe irgendwo 
und immer, erfcheint das goth. div (ahd. &o, io) als Präftr 
fowol vor pronvminalen als auch vor antern Abverbien. Nhd. 
fann zwar zur Stärfung ber Begriffe je, nie emphatifch beigefügt 
werden in meinem Leben oder Nehnliches, doch erwächft daraus 
feine adverbiale Form. Dagegen iſt jemals, niemals im Ge- 
brauch; immer drückt nur semper (allzeit), nicht unquam (irgend) 
ans, nimmer aber nunquam (nirgend); nimmermehr iſt ein 

verftärktes nimmer. Je und nie gelten beibes für Vergangen- 
heit und Zufunft, und namentlih je mußte biefe Ausdehnung 
erhalten, feit immer auf bie Bedeutung von semper (allzeit, 
beftändig) befchränft wurde. 


* 


— 19 — 


3) Der Begriff immerbod wird ahd. durch iodah, iedoh, mhd. 
iedoch, abo. jedoch ausgedrückt. | 


E. Zahladverbia. 
§. 384, 


Wenn auf die Frage wie oft, wie vielmal geantwortet 
werben foll, zeigt fi) ein organifcher Unterfchied zwifchen den zwei 
(früher drei) eriten Zahlen und den übrign. Einmal ift ahd. 
eines, mbb. eines und einest; nhd. iſt eins Y veraltet und einft 
hat nur den abftracten Sinn von olim, aliquando. Zweimal iſt 
ahd. zuiro, mhd. zwis; uhd. Hört man zuweilen noch zwier?). 
Bon der Dreizahl an fegen wir mal nach den Grundzahlwörtern: 
dreimal, viermal, tauſendmal ıc, °) 

Anm. 1. In der Volksſprache Hört man noch zuweilen das alte eins, 

befonders wenn ein fo darauf folgt. So fagt auch noch Roft (+ 1765): 

Ich konnte gegen dich noch eins fo zärtlich fein. 

Anm. 2. Bet Opitz (+ 1639) findet fi: Und ölora beißet es hier zwei⸗ 


mal Frühling fein, beblümet zwier die Flur. So auf bei C. Simrod 


(der Rekrut vor Ppilippsburg): Bor der Mauer kauzte fchon wieder, 
den er zwier verjagt, der leiv’ge Schwarzgefchnaugte. Bei Fr. Kind 
(der große Chriſtoph): Offero flieht zwier gepulvig auf. 

Anm. 3. rüber wurde stunt, stunta im Dativ over Accufatio der Car⸗ 
dinalzahl beigefügt: ahd. thrin stuntön (preimal), mhd. täsent stunden, 
tüsent stunt (tauſendmal). ' 


F. Bildungen auf 3NG. 


$. 335. 


Die hierher gehörigen Adverbia, die den Uebergang zu den fol- 
genden verbalen Adverbien bilden, könnte man Abverbia der 
Handlung nennen, indem fie zwar eine Befchaffenheit, allein 
weniger wie etwas iſt, ald wie es gefchieht, anzeigen. Die 
uhd. Apverbien auf ing theilen mit den männlichen Subfltantiven 
biefer Ableitung ($. 137) die Eigenfchaft, aus urfprünglihem ing 
in ling verwandelt zu werben. Beifpiele find: blindlings, rüd: 
lings, haͤnptlings, Föpflings, meuchlings, gählings, rittlings, ſchrittlings. 

Anm. Die Bollsfprache Hat noch eilings, überwindlings u. a. 

In oberdeuifchen Schriften des 15. 16. Jahrh. findet man noch das 

richtigere ingen, 3.8. verflolingen, Bumpfelingen, sahlingen; 

für letzteres fagt der mittelrhein. Dialekt noch oft gäplinge. 


G. Verbale Adverbia. 
$. 386. 


Gegen die fremden urverwandten Sprachen (z. B. die griechiſche) 
ſteht die Bildungsfähigkeit der deutſchen darin bedeutend zurück, daß 
ſie aus ihren Verbis unmittelbar faſt keine Adverbien ziehen 








— 150. — 


kaun. Das Adverbium entwickelt ſich vielmehr erſt mittelbar ans 
dem Verbalſtamm, 'd. h. durch das von dieſem hergeleitete Nomen, 
wie aus dem Vorausgehenden erhellt. 
Anm. Davon handelt es ſich hier nicht, daß Participia, vermöge ihrer 
adjectivifchen Natur, Adverbia zu zeugen gefchidt find, bie ganz ber 
Weife aller übrigen Apverbien folgen, 


$. 337. 


Adverbia, welche aus wirflihen Berbalflexionen erwachſen, 
bat ein häufiger Gebrauch, für fi) pder mit andern Wörtern ver- 
bunden, abftract gemacht, und fie vertreten das Amt bloßer Partikeln. 
Ale müffen auf urfpränglich Lebendige Phrafen zurücgeführt werben. 
Hierher gehören befonders folgende Fälle: 

1) Die erfte Perfon verfchiedener Verba, welche die Begriffe 
fagen, meinen ausbrüden, wird von dem Redenden zur 
Erhöhung oder Schwähung des Sinnes eingefhoben und geht 
in Partifelbeveutung über. Hierhin gehört nhd. ich meine 
und meine ich mit der Bedeutung nemlih: Do, mein’ 
ich, gibt’s noch Mittel, zu Töfen folhes Erz. Ebert. (Schwer- 
ting.) Abd. fagte man auch noch ih halte, was die Bolfe- 
jprache noch hier und da bewahrt hat !). 

- 2) Unfer nhd. partifelhaftes gefchweige entipringt aus der erften 
Perfon des Verbums ?). | 

3) Mit der dritten Perfon von magan und einem hinzugefügten 
Infinitiv wird der Begriff vielleicht (forte) ausgedrückt, z. B. 
ahd. mag keskähen; mhd. fteht dafür vil lihte oder bloß lihte, 
nhd. Leicht, vielleicht, wobei ein fein, geſchehen fehlt 2). 

4) Für den Begriff fürwahr fleht mhd. gpt weiz und weis got, 
nhd. Gott weiß und weiß Gott. 

5) Eine bittende, anmahnende Form ift ahd. mhb. .wärd got (von 
weren, gewähren, Yeiften); nhd. jagen wir wollte Gott?), 
Gott behüte, oder au bloß behüte.! bewahrel . 

6) Abd. wäre (wäre) verbindet ſich mit einer Negation und brürkt 
dann es fei denn, aufer, aber (nisi, praeter, sed) aug, 
3. DB. newär, newäre; fpäter verfürzt und entſtellt niwer, nbb. 
nur, deſſen Anlaut n urfprünglich Negation war und neben 
welchem das eigentlich gleichbedentige, die verneinende Partikel 
ausftoßende, fubjunctive es wäre denn fortbefteht. 

7) Es gibt viele Imperative, die man fi) an die Stelle von 
Partikeln denken kann; mehrere werden unten bei den inter 
jectionen angeführt werben. Hier möge nur eine erwähnt werden, 
die von hohem Alter iſt, nemlih ſieh. Der Gothe fagt für 
den conereten Begriff saihv (vide), für den abftracteren säi 
(ecce); ahd. heißt jenes sih, gesih, dieſes se; mhd. ſteht sich, 
se. Die nhd. Schriftſprache Hat dieſen guten.Unterfchied fahren 
laffen und gebraucht ſieh für beide Bedentungen (für vide und 





— Bl — 


, ecce), allenfalls wirb ber Ießte Begriff durch ein angehängtes 
da, ſteh da, hervorgehoben. 

Anm. 1. Hierhin gehören auh dächt' ih, merkt’ ih, 3.8. die 
Gegenwart von einem ſchönen Knaben if, dächt' ich, immer auch 
| on was. Goethe. Fauſt, Borfpiel. Der faubern Dereen Dfufcheret 

‚ merkt’ ich, fchon bei euch Maxime. Goethe. Daſelbſt. — Sollte 
unfere heutige halb fragende, halb verwundernde Partilel mein! daher 
entfprungen fein? 

Anm. 2. Abo. mdd. iſt die Phraſe vollſtändiger; ahd. ih wile des 
suigen, mb. ich geswige danne. 

Anm. 3. Das maleicht, mogleicht ver Bollsfprache erinnert noch 
an die frühere Form. 

Anm. 4. In der Volksſprache hört man noch walte Gott, Gott 


walts. 
$. 388, 


Noch Hibt es zwei nhd. Adverbia, welde Zeitbegriffe aus- 
brüden, aber fo dunkles Urfprungs find, daß fie nicht wol unter 
einen der vorigen Abfchnitte gebracht werben. können. 

1) Goth. nu, ahd. nü (modo), mhd. nü (nunc), nhd. num (im 
gemeinen Leben nu), war wol urfpränglich ein Nomen oder 
Pronomen, wofür das nhd. im Nu zu —** ſcheint. 

2) Goth. nauh, ahd. noh, mhd. noch, nhd. noch. Schon ahd. 
entwickelte fih ein noh für nöh (= goth. nih, latein. nec) 

_ amd vermengte fih mit. noh (=> goth. nauh, latein. adhuc), _ 
was mhd. und nhd. fortdauert, indem uns noch ein Correlativ 
zu weder und zugleich eine Zeitpartifel ıfl. Das ahd. nohdanne 
und thanna noh mit der Bedeutung noch (adhuc) iſt mhd. noh 
dannoh und nochdan mit ber Bedeutung tamen, wie bas uhbd. 
dennod. 





Präpoeſitionen.“ 
§. 39. 

Präpoſitionen find Partikeln, die ſich auf ein Raums 
verhältnis beziehen, und von denen ein obliquer Caſus abhängt, 
dergeſtalt, daß dadurch eine unmittelbare Beziehung des Nomens, 
deſſen Caſus geſetzt iſt, ausgedrückt wird. Der in der Präpofition 
ruhende Begriff ſteht ſo nahe zu dem Nomen, daß er denkbarer 
Weiſe durch einen eignen Caſus des Nomens gefaßt werden koͤnnte, 
und dies heftätigt Pie ganze Sprachgefchichte auf das einleuchtendfte. 
Wo die Nominalflerion erloſchen ift, müffen faft alle Caſus durch 
Präpofitionen erfeßt, mo fie ſich reicher entfaltet hat, können ges 
wöhnliche Präpofitionsverhältniffe fchon in bloßen Caſus wieders 
gegeben werden. 

$. 390, 


In Abfiht auf die Form, welche bier vorzüglich ins Auge 
efaßt werden muß, kann man einfache, abgeleitete und zu- 
Tammengef edte Präpofitisnen unterfcheivden. 


— 152 — 


<a) Einfahe Präpofitionen. 
$. 391. 


Manche, die früher Präpofitionen waren, find jet Partikeln. 
Als einfache Präpofitionen dauern noch fort: Ab, an, auf, aus, 
bei, für, in, mit, nad), ob, feit, vor, um, zu. 


Anm. Als Partitein ſtehen: er, ehe, ent, ver ($. 311.312. 314. 365.). 


b) Abgeleitete Bräpofitionen. 
$. 392, 


Das gewöhnliche Mittel der Ableitung iſt R. Hierher gehören 
außer einigen Partikeln folgende Präpofitionen: durch, außer (oft 
Partifel), hinter (die Partifel Tautet Hinten), ohne, fonder 
(in meift adverbialen Redensarten $. 375, und unterfchievden von der 
Eonjunction fondern), über, unter. 

Anm. Partikeln find: aber (goth. afar Präpof. und Adv., ahd. avur, 


‘avar, mpd. aber, abur), after (goth. aftra, ahd. aftar), ober (goth. 
ufar, ahd. upar), hinten (goth. hindana, ahd. hintana). - 


c) Zufammengefegte Präpofitionen. 
$. 393. 


Sie werben gebildet durch Häufung zweier Präpofitiong 
partikeln. Aphärefis und Contraction können den Schein ein- 
facher Partileln hervorbringen. Hierher gehören: von (ahd. fona, 
wol aus afana), binnen; bie Subftantiopräpofitionen oberhalb, 
unterhalb, außerhalb, innerhalb ($. 395); während bevor, 
zuvor; vorab, voran, vorans, vorbei, vorüber; darum, 
herum, ringsum, rundum; durch und durch, nad und 
nah, um und um, über und über, für und für nun als 
Partikeln und Adverbien dienen. 





d Nominalpräpoſitionen. 
$. 394.» 

Sie find aus einem beftimmten Cafus einzelner Subftantive oder 
Adjective hervorgegangen und zerfallen demnach in Subſtantiv⸗ 
präpoſitionen und Adjectivpräpoſitionen. 

1) Subſtantivpräpoſitionen. 
§. 395. 

Hierher gehören: gegen, gen, (entgegen, zugegen), mit dem 

Sinn einer Berührung, Begegnung, muß noch ein Nomen ſein, da 


! 


⸗⸗ 


— 13 — 


ihm andere Präpoſitionen vorangehen können; wegen Jönnte durch 
den Dativ Plur. erläutert werden (der Canzleiſtyl hat von Wegen 
wie von Seiten); rings, willen (um-willen), kraft, laut, 
ftatt (anftatt), halben, halb (moneben die fchlechte Form halber 
eingeriffen if); oberhalb, unterhalb, innerhalb, außer 
balb; diesfeits, jenfeits (von Seiten), trotz, längs, zu— 
folge; vermöge fiheint eine, fihlechte, aus dem fubflantivifch ge⸗ 
brauchten Infinitiv Vermögen verberbte Form. 


2) Adjectivpräpofitionen. 
$. 396. . 


Nhd. if inzwifhen nur Adverbium, die Präpofition laut 
zwiſchen (ahd. zuiscen, Dativ Plur. von zuisc, d. i. zwiefach, 
doppelt) und kann bald den Dativ bald den Accuſativ regieren, ohne 
Rückſicht, vb von zweien oder mehrern Öegenfländen die Rede iſt. — 
Inmitten fann auch umgeftellt werden: mitten in, mitten unter; 


‘neben (ahd. Adv. in Epan, mhd. in Eben), nebſt; während (als 


Präpof. erft fpäter aufgefommen); ausgenommen, unweit, un- 
fern, ungeachtet. 


Conjunrtionen. 


$. 397, 


Die Confunctionen verbinden Gedanken mit einander, nehmen 
daher meift eine fefle Stelle des Sabes ein. Hierhin gehören: 
und, auch, ober; die Aoverfatiopartifen aber, hingegen, 
allein, fondern (deſſen n unorganiſch iſt); denn ($. 377), weit !), 
alſo ?), A ba ($. 377), als ($. 377), nachdem, feitdem, 
feit, wie (nach Eomparativen fehlerhaft für denn), fo, fowie, 
gleihfam, gleihwie; ob, wenn ($. 377), wo, wofern, 
falls, wenn nicht, wo nicht, doc, jedoch ($. 383), wie 


wol, obſchon, wennfhon, obgleich, wenngleich, gleid- 


wol, unerachtet. — Endlich gibt es noch eine Reihe enklitiſcher 
Partikeln, urfprünglicher Adverbien, die zugleich Conjunctionen werden, 
Ieife, oft kaum überfeßbare Verbindungen ausdrüdend, wie: wol, 
eben, gerade, freilid u. a. 


Anm. 1. Weil entfpringt aus dem ahd. wile, d. i. Weile, geht alfo 
auf eine Zeit; fo fommt e8 auch vor, & 8. Und weil (während) ich 
fern bin, führe vu mit Hugem Sinn das Regiment des Haufes. Schiller, 
(Tel 1, 2.) Weil dies der Knappe fpricht, fteht mit gefenkter Stirne 
der Ritter da. Wieland. (Oberon 4, 11.) 

Anm. 2. Die Bedeutung von itaque hat alfo erfi in fpäterer Zeit an- 
genommen, bezeichnet no bei Luther bloßes ita. 


— 1A — 


Snrerkeettonen 


$. 398, 


Die Interjection kann abgeriffen und los überall in der Rebe vor- 
fommen, ohne eine beftimmte Stelle im Sab einnehmen zu müffen. 
Entweder ift fie leidenſchaftlicher Ausbruch der Empfindung, 
oder Nachahmung eines Naturlautes oder endlich Lock- und 
Scheuchwort für Hausthiere. Vielen Interjectionen liegen 
offenbar Nomina und Verba zu Grund, mit mehreren verbinden ſich 
Nomina, nicht ſelten erfolgt zur Verflarkung des Ausdrucks Gemi- 
nation entweder der Interjection felbft, oder des Hauptwortes, welches 
fie begleitet. Einzelne Interjectionen laufen ineinander über, indem 
ihnen bald ein allgemeiner, bald ein beſonderer Sinn verliehen wird. 


J 


a) Interjeetionen der Empfindung. | 
$. 399, 

Die hierher gehörigen Interjectionen zerfallen in: 

1) Interj. des Rufes. Der bloße Anruf oder Ausruf, Fein 
beftimmtes Gefühl bezeichnend, daher oft erft durch Hinzutretende 
andere S$nterjeetionen belebt; namentlich iſt es die Partitel, 
welche den Vocativ zu begleiten pflegt: D! hela! be! heda! 
(mag aus dem franzöfiihen he! ho! eingeführt fein), holla! 
(ift das franzöf. ho läl), bft, pft ift der leiſeſte Anruf. 

2) Interj. des Leidens. Hier gibt es einfache und zuſammen⸗ 
gefegte: weh (goth. väi, ahd. mhd, we), o wehl ach! au! 
autſch! — Hervorgehoben werden muß, wie ſich an viele, 
hauptſächlich klagende Interjectionen der Name des höchſten 
Weſens Enüpft, welches gleichſam zum Zeugen, Helfer und 
Näcer des erduldeten Wehes angerufen wird, ohne daß eine 
birecte Anruſung darin Tiegt: O Gott! ach Gott! o Jefusl 
(verfürgt oje, aber unfer jemine iſt das ſlaviſche jojmene, 
d. h. ah mein!) o Himmel! o Heiland! Gott im 
Himmel! u. a. 

3) Juterj. des Hitze und Kälte Leidenden. Leibliches 
Weh ausdrückende Partikeln ſind die genaunten au! autſch! 
Es gibt nun noch eine andere für das Gefühl des Froſtes oder. 
der Hitze, und zwar für beide faft viefelbe, ihr Charakteriſtiſches 
liegt bloß in den Vocalen U und O. Bei der Kälte heißt fie: 
Thu fhul hu hu! ſchuck ſchuck! (daher das der Volfs- 
ſprache angehörige ſchuckern), bei ber Hige ſchoch! 

A) Interj. der Freude. Hier walten die hellen Voeale, wie 
bei dem Ausruf des Schmerzes die dunfeln: Hi! (mh. hei! | 
hi!) ahi! heiſa! um! iuchhei! juchhe! juchheiſa! | 
fafa! Heifafa! hurral 

5) Interj. des Lachens. Haha! für lautes Lachen, hihi! 


— — — — — 2.202 


4 


— 13 — 


für feines Kichern, find Feine wahren Juterjectionen, fonbern 
nur Behelfe der Schrift zur Bezeichnung des in Buchftaben 
ausdrückbaren Naturlautes, Ebenſo wenig gibt es eine wahre 
Interjection für das Weinen. 

6) Interf. des Bewunderns, Billigens, Mahnens, 
Schmeichelns. Berfchiedene Begriffe, die aber mehrfach in⸗ 

“einander laufen, und in einzelnen Partikeln faum zu trennen 
find. Interjectionen, welche Freude und Schmerz ausdrüden, 
pflegen au Berwunderung und Berlangen zu bezeichnen, 
namentlich o! ach! Berwundernd find: ei (mhd. eil eiäf), 
ei der tanfend! potztauſend! Ermunternd, oft auch glück- 
wünſchend: wolan! wolauf! (mhd. wuläf!) heil! glüd- 
auf! nu! (ahd. nul) no! frifh! munter! 

7) Interj. des Wunſches. Hierher gehören: o daß! ad 
daß! o hätte ich! ach wäre ih! wollte Gott! ge 
fiele es Gott! u.a. u 

8) Interj. des Zweifels: ei eil Han hm! hum hbum! 

9) Interj. des Berbietens. Hierher gehören: halt! balts 
ein! laß! laß ab! Gott behätel Bott bewahre! 
behütel bewahre! 

10) Interj. des Wegtreibens. Sie find: fort! weg! aud 
dem Weg! geb Ins! zieh ab! verlier vihl u.a. 

11) Snterj. des Verwünſchens: geh zum Teufel! u. a. 
Redensarten, die über die Grenze der Interiection hinaus flreifen. 

12) Interj. des Unwillens, der Verachtung: pfur! pfui 
dich an! (mhd. phiu! pfi, pfi dich!) 

12 Interj. des Auslachens. Hierhin gehört unfer ätſch! 

14) Interj. des Stille Gebietenden. Sie find: pfil fh! 
ſtill! ruhig! ſachte! 

15) Imperativinterjectionen. Eine Menge Imperative, zu- 
mal von Verbis, die einen ſinnlichen Begriff enthalten, können 
zu Interjectionen gebraucht werden, z. B. hol über! made 
fort! fpute dich! topp! fahr wol! fahr hin! Hilf! 
fhonet! u. a. Redensarten, die Feine Interjectionen find, ihnen 
aber gleichen. | 

16) Nominalinterjectionen find z. B. Dank! Gnade! 
alle Welt! potz Welt! Gott im Himmel! Teufel! 
Blitz! Donnerwetter! Element! u.a., denen der eigent- 
liche Ausruf fehlt. 


b) Interjectionen zur Nahahmung eines Naturlautes, 
| | $. 400. 

Einzelne Interfectionen ahmen den Schall nah, ber 'beim 

Fallen, Schwingen, Wegraffen, Zerbreden, Tönen gewiffer Gegen- 

fände entfteht, B. plump! platfep! patfch! Eatfch! witfch! huſch! 

bus! klappo! rips raps! ſchwupps! ſchwapps! ſchnapps! klingling! 


.  barbeil 


—— 156 — 


klinke Mantel winke wanle! pinfe panke! bim bam bum! zink! fick! 
fitſche! fatſche! ſtrip, ſtrap, ſtroll! zik, zak! klipp, klapp! piff, paff, 
puff! pardauzl u. a. m. — Verſchieden davon find längere und oft 
Zeilen füllende Ausrufungen, die zuweilen in den Geſang eingeſchaltet 
werden. Sie ſollen nicht etwas Beſtimmtes ausdrücken, vielmehr den 
lyriſchen Schwung ſteigern, oder wollautend abſchließen, oder auch 
was der Sänger nicht mit Worten ſagen mag, in undeutlichere Töne 
faſſen. Solche Ausrufe find z. B. tandaradei! deilidurei! falediran⸗ 
nurei! faladariturei! valerei! valara! ſolala, leralla! coucoul wille— 
waunwauwau! Juchhe! Juchheiſal Heiſa! He! Vallateritte vallala 
hopſaſa fa! und ein trallera fifallerallera! erſchallt heute wie vor 
Jahrhunderten. 


c) Interjectionen als Lock- und Scheuchworte für Thiere. 
§. 401. 


Endlich hat die Sprache Interjectionen für Thiere eingeführt, 
d. h. die jeder Mundart eigenthümlichen Ausdrücke, womit Thiere 
gelockt und geſcheucht werden. Es ſcheint oft eine Annäherung an 
den Naturlaut des Thieres felbft zum Grund zu liegen, doch mit fo 
verfchiepner Auffaffung und fo bedeutender Hinzufügung wiltfürlicher 
Laute, daß ſich in allen Ländern die Thiere an andere Wörter zu 
gewöhnen haben. Lockrufe find z. B. dada! wuzi wuzil minz 
minz! gis gis! wulle wullel wa. Scheuchrufe find 3. 2. 
huß dal Hufh Hufh! — Dem verfländigen Hunde, Pferde, 
Rinde werben rufende und antreibende Eigennamen beigelegt. 

Erwähnung verdienen noch die Fuhrmannswörter, welche 
eingefpanntem Vieh rechts und Links bezeichnen. Für rechts gilt 
am allgemeinften hott! hoit! für links har! her! harwiſt! 


’ 





Sechſtes Eapitel. 
Genus (Gefhledht) der Wörter. 


$. 402, 


Die deutfche Sprache zeigt, gleich der griechifchen und Iateinifchen, 
für alle und jeve Nomina ein dreifaches Geſchlecht, das männ- 
liche, weibliche und neutrale (fächliche, dingliche, ungewiſſe). 

Anm. Diefer Unterſchied der Gefchlechter greift fo tief in das Wefen des 

Nomens und feiner Formen wie der zwilchen Activum, Paflivum umd 

Medium in die des Berbums. Beide Eintheilungen laſſen fi in mehr 

als einer Hinficht vergleichen; das Activum erfcheint wie das männliche 

Geſchlecht als die wichtigfte und urfprünglichfie Form, das Paflivum 

wie das weibliche Sefchlecht als eine aus jenem abgeleitete, das Medium 


—— — —— 


— a — ee 


— 157 — 


wie das nentrafe Geſchlecht als eine Miſchung oder Verbindung activer 
und pofliver, männlicher und weiblicher Formen. 
S. 403, 


Das Gefchlechtsverhältnis haftet nirgends bauernder als am Pro⸗ 
nomen der dritten Perſon; nächſtdem hat ſich das Geſchlecht am 
Adjectiv weit Iebendiger ausgeprägt als am GSubflantiv. Jedes 


‚einzelne Subſtantiv ift nur einem Gefchlecht zugethan, dagegen alle 


Adjective drei Gefchlechter an ſich entwickeln. 


Anm. Wo männliche und weibliche Flerionen völlig einander gleich find, 

wie 4 B. 06, n ärtownos, dux, fortis, {ff von einem genus commune 
die Rede, was ahd., mhd. und nhd. nicht der Kal iſt. Eine Ausnahme 
foheinen zu machen: der (zuweilen die) Gau, die (zumeilen das) 
Klafter, der (zumeilen die) Wulf, der und das Zeugs; ver 
Duell, die Quelle; der Baden, vie Bade; der Diel, die 
Diele. Die Ausnahme ift jedoch nur fheinbar, da der gute Gebrauch 
der Sau, die Klafter, der Wulſt erfordert; die andern 4 Bei« 
ſpiele fallen an fich ſchon weg. . 


$. 404. 


Obgleich die drei Gefchlechter. ſchon in den älteſten Denkmälern 
deutſcher Sprache als etwas Tiefeingewurzeltes fich finden, fo ſtellt 
fih doch das männliche am lebendigften, Fräftigften und nrfprüng- 
lichſten unter allen dar !). Das Neutrum iſt eine Bereinigung beider 


Gecſchlechter, infofern es die Unentwidelung des Geſchlechts, 


nicht gerade Geſchlechtsloſigkeit bezeichnet 2). 


Anm. 1. Strenger Confonantismug, raſcher Boralgang und größere Bil. 
dungsthätigkeit beftimmen hiernach den Rang des masc. vor dem fem., 
das jenen Confonanten Bocale, jenen Turzen Vocalen lange entgegen- 
ſetzt und mehr leivenver Natur iſt. 


Anm. 2. Daher wird das Junge, deffen Geſchlecht ſowol männlich 


als weiblich fein kann, fih aber no unwirkſam darſtellt, oder dag 
Allgemeine, Collective dur das Reutrum ausgedrüdt. 


$. 405. 


Das Geſchlecht iſt nun entweder natürlich ober bloß gram- 
matifh N). Das natürliche Gefchlecht der Subftantive gründet 
ſich auf Beobachtung der Gefchlehtsverfchiedenheit an lebenden Wefen, 
d.h. dem Menfchen und den Thieren ?), Kennzeichen des natürlichen 


Geſchlechts ift, daß es die verſchiednen Verhältniffe entweder durch. 


eigne Wörter, 3.8. Bater, Mütter, Kind ausdrüdt, oder Motion 
des männlichen Namens in einen weiblichen zuläßt, 3. B. König, 
Königin. Das grammatifche Geflecht iſt eine, aber im frühften 
Zuftande der Sprache ſchon vorgegangne Anwendung oder Ueber—⸗ 
tragung des natürlichen auf alle und jede Nomina. 

Anm. 1. Bei dem unfelbfländigen, fich immer auf ein Subflantiv be- 


ziebenden Adjectiv und Pronomen Tann überall nur von dem grame 
matifchen Geſchlecht die Rede fein. 


n 


— 18 — 


Anm. 2. Gleichwol unterfcheldet wie Sprache Tange nit das Geſchlecht 
aller Thiere, fonvern wählt, wenn es fi finnlider Wahrnehmung ver⸗ 
pült, oder für fie feine Bedeutung bat, das bloß grammatifche, welches 
dann epicoenum wird, d. h. eben beide in fih flieht. Für Hausviep 
und große Säugethiere findet ſich meift pas natürliche Gefchlecht bezeichnet, 
für Bögel, Fiſche, Gewürm und Inſecten faft nur ein grammatifches. 


A. Natürliche Geſchlecht. " 


$. 406. 


Die vollkommenſte Art des Ausdrnucks if}, wenn für jedes Ge- 
ſchlecht Wörter ganz verfchiebner Wurzel gebraucht werden, 3. B. 
Mann, Frau, Kind. Kigentlihe Motion ift in der uhd. Sprache 
auf die Berwandlung des männlihen in das weibliche Gefchlecht 
beichränft und behält für diefes mwefentlich den Namen jenes bei, 
3.8. Gatte, Gattin; König, Königin. 


I. Geſchlecht durch Verfhiedenheit der Wurzel. 
1) Benennungen des Menſchen. 
$. 407. 


Männlih: Mann, Bater, Sohn, Bruder, Vetter, Jüngling, Herr, 
Knecht, und eine Reihe von Wörtern, die ven Mann nah Ber« 
richtungen zu Haus, im Feld, im Krieg u. |. w. bezeichnen. 

MWeiblih: Frau, Mutter, Tochter, Schwefter, Bafe, Jungfrau, 
Magd u.a. | 

Neutral: Kind. 

Anm. Schwerer zu erflären ift, warum Weib, das doch entfchlenen 
nur von weiblichen Perfonen gilt, im Ahd. Mhd. (wip) und Nhd. ein 
Neutrum if. Man müßte die Wurzel des im Goth. fehlenden Wortes 

enauer fennen, um zu beurtheilen, was dieſes Neutrum eigentlich 
eoeutet, habe. — Srauenzimmer gehört wicht dahin, veffen Genus 
in dem Wort Zimmer begründet und rein grammatifch iſt. 


2) Benennungen der Thiere. 
$. 408. 


Männlich: Hengft, Saul, Stier, Bulle, Ochs, Widder, Bod, 
Eher, Bord, Hirſch, Hund, Hahn u. a. 
Weiblich: Stutte, Mähre, Kuh, Geiß, Ziege, Sau, Mude, Hindin, 

Zaupe, Henne u. a. 
Neutral: Roß, Pferd, Füllen, Kalb, Rind, Lamm, Zidel, Ferkel, 
Huhn u.a. 

Anm. Diefe Art der Gefchlechtsbezeichnung feheint die ältefte und volle 
tommenfte, weil fle ver finnlichen Individualität das Meifte einräumt. 
Wir fehen dieſe wurzelhafte Auszeichnung der Gefchlechter daher auch 
bauptfächlich auf die verſchiednen Abſtufungen des Menfchen felbft oder 
auf die der befannteften, zumeiſt bernortretenden Hausthiere gerichtet. 


— 19 — 


II. Nakürliches Geſchlecht durch Motion. 
$. 409. 


Aus einem in beſtimmtem Geſchlecht beſtehenden Wort geht das 
andere Geſchlecht durch irgend eine Veränderung und Erweiterung 
hervor. Im Nhd. kommen hier drei Arten in Betracht: einfache 
Motion, abgeleitete Motion und Motion durch Zu— 
ſammenſetzung. 


1) Einfache Motion. 
$. 410. 


Hier tritt das bloße Deelinationszeichen zum männlichen Namen, 
3.9. goth. nithjis (der Verwandte), nithjö (die Verwandte); ahd. 
wini (der Freund), winia (die Freundin). Aus dem Nhd. gehören 
hierher die ung fehr gangbaren Motionen Auguft, Augufte; Emil, - 
Emilie; Ulrich, Ulrike; Friederich, Friederife u. a., die 
aber fämmtlich undeutfch find. Die weiblichen Formen find aus dem 
Franzöfifchen erborgt, wie in den letzten fchon das rife (rique) flatt 
riche lehrt. 


2) Abgeleitete Motion. 
$. 411. 


- Ein Genus wird aus dem andern duch Ableitangsbuchftaben 
gebildet; in der Regel werden nur weibliche Namen aus männ- 
Lichen abgeleitet, doc können auf biefem Wege zuweilen männ- 
liche aus weiblichen erwachfen. Folgende Formeln find befonders 
zu bemerfen: 

a) Ableitendes in (vgl. $. 61, 129) bildet weibliche aus männ- 
lichen und iſt ah. in und inn, mhd. in und in, nhd. nur im 
(inn): Gott, Goͤttin; König, Königin; Herr, Herrin, Wolf, 
Wölfin; Hafe, Häfin u.a. Namentlich werden alle männlichen 
Wörter auf er fo verwandelt: Gärtner, Gärtnern; Sieger, 
Siegerin; auch Volksnamen: Heffe, Heſſin; Sachſe, Sächſin; 
nicht aber andere Eigennamen, z. B. nicht Carlin, Wilhelmin, 
Friederichin von Carl, Wilhelm, Friederich 1), außer etwa, wenn 
fie fo viel wie Frau des Earl u, f. w. bebenten follen, wobei 
dann jedesmal ber Umlaut fehlt. 

b) Die feltnen Fälle, in denen männliche Namen aus weib- 
fihen abgeleitet werden, feben voraus, daß der weibliche 
Begriff überwiegt. Hierher gehören etwa: Wittwer aus 
Wittwe (goth. viduvairns, viduvairna aus viduvö), weil bie 
binterlaffene Ehefrau weit verlaffener und bedürftiger erfcheint 

. al8 der hinterlaffene Ehemann. Das mhd. und nhd. Kater 
und Kate mögen fi ohngefähr wie Wittwer und Wittwe 
verhalten. Die weiblihe Gans ft häufiger und nothwendiger, 


2 


— 10 — 


als die männliche, darum fcheint aus dem ahd. gans die männ- 
Iihe Form ganazzo hervorgegangen. Die uhd. Volksſprache 
bat für das männliche Gefchlecht die Formen Ganfer, Gans 
ferer, Ganfart, Sanfert, Gänſerich. Aehnlich ift es 
mit Ente (ahd. anit) und Enterich (ahd. anetröhho, an- 
tröhho), und Taube und Taubert, Täuberich?). 

Anm. 1. Weiblihe Namen, wie: Caroline, Wilhelmine, Bern 
hardine, Philippine, Louife, Charlotte, Henriette u.a. 
verratben ihre franzöfifche Motion; vollends undeutfh find die fonft 
wollautenven Kürzungen: Line, Mine, Dine, Pine, Lotte, Jette, 
in welden von der Wurzel nur der auslautende Confonant oder gar 
nichts übrig if. j 

Anm. 2. Die Formen Gänſerich, Enterih, Täuberich fcheinen 
jedoch mehr zufammengefegt ($. 174 unter reiks) ale bloß abgeleitet. — 
Spatz ift männlih; in der Volksſprache meift weiblich; der männliche 
Spatz heißt hier oft Spasgert. 


3) Motion durh Zufammenfesung. 
42. 


Sobald in der fpäteren Sprache das Vermögen gefhmwädt tft, 
wiewol es nie ganz erlifcht, die Bezeichnung des natürlichen Ge— 
fchlechts einfach oder durch bloße Ableitungsfylben zu bewirken; muß 
fie fich für den Fall, wo der Ausprud diefes Verhältniffes unerläß- 
lich iſt, umfchreibender Adjective oder Zufammenfegungen bedienen. 

Anm. Unſere Naturforfcher reden fogar Tieber von dem männlichen - 
und weiblichen Eleppanten, von dem Männchen und Weibchen 


des Adlers, als von dem Elephanten und der Elephantin, dem Adler 
und der Adlerin. 


6. 413. 


Nicht felten verwenden wir die Namen befannter, im Gefchlecht 
beflimmter Thiere, um dadurch das Gefchlecht anderer hervorzuheben, 
3. B. Rehbock, Rehkuh, Rehgeiß, Rehkalb; Hirſchkuh, 
Hirſchkalb; Auerhahn, Auerhuhn; Pfauhahn, Pfau— 
henne u. a. — Hierher können auch Compoſita mit Mann und 
Frau gerechnet werden, z. B. Bettelmann und Bettelfrau 
für Bettler und Bettlerin. — Zuweilen wird das beſtimmende 
Wort nicht angehängt, ſondern vorgeſetzt, z. B. Mutterpferd, 
Mutterſchwein, Hengſtpferd. 


B. Grammatiſches Geſchlecht. 


$. 414. 


Das natürliche Geſchlecht umfaßt eine, im Vergleich zu den 
übrigbleibenden, ſehr geringe Anzahl von Wörtern. Bei den meiſten 
und ben ihnen zum Grund Tiegenden Begriffen konnte die Sprache 


4 





. 


Mr 


gar Teime wirklichen Gefchiechtsverhättniffe wahrnehmen, 3. B. ber 
Ahorn, die Buche, oder es mußte ihr felbft da, vo fie noch wahr- 
nehmbar waren, wenig daran gelegen fein, fie phyſiſch hervorzuheben. 
Anm Indem Ahorn, inder Buche if an fih werer ein mänk- 
liches no ein weiblihes Priueip zu früren, uno wenn vem Wurm 
männliches, der Fliege weibliches Geſchlecht beigelegt wird, fo- kann 

ſich das nicht auf Beobachtung des natürlichen gründen. 


$. 415. 


Ohnue Rüdfiht auf naturhiftorifche Schärfe hat die Sprache dem - 
Wurm, ber Fliege ein beflimmtes Gefchleht gegeben, wie fie 
es dem Ahorn, der Buche zugetheilt hat. Sie dat dasfelbe nicht 
bloß bei allen lebenden, werbenben und wachfenden Wefen gethan, 
fondern auch bei tobten, unfinnlihen Gegenfländen,. bei ben, ab- 
ftracteften, überfinnlicäften Begriffen: der Arm, die Junge, das 
Ders; der Sinn, die Seele, das Wort; der Wind, bie 
Erde, das Waffer. 


. Anm. Der Grund hiervon if in dem Einbildungsvermögen der Sprache 
zu ſuchen. In ven Spraden herrſchen zwei Richtungen vor, die ver- 
tändige, auf reine Schärfe der Ideen gehende, und die ſinnliche, 
zu einer anſchaulichen Berbinvung des Gedankens mit der Wirklichteit 
geneigte, 


..$. 416. 


Das grammatifche Geflecht iſt eine in der Phantafle der 
menfchlichen Sprache entfprungene Ausdehnung und llebertragung bes 
natürlihen auf alle und jede Gegenflände ). Eine eigentliche 
Motion findet hier nicht flatt, d. h. jedes grammatifch männliche 
oder weibliche Wort ſteht für fich ſelbſt da, ohne Beziehung auf ein 
grammatifch weibliches oder männlihes Wort, weil auch da, wo in 

ei nebeneinander ftehenden Wörtern grammatiſches Geſchlechts die 
elbe Wurzel eintritt, das bei dem natürlichen Geſchlecht zu Grand 
liegende natürliche Verhältnis von Dann und Frau nothwendig 
mangelt ?). | 
Anm. 1. Das feiner ganzen Anlage nah naive Element des gram⸗ 
matifhen Geſchlechts bewährt ſich in unferer Boflöporfie und im ver 
beutfehen Sprache des Mittelalters am einem eigentpümlichen Zug. Den 

Dichtern genügt es nicht, lebloſen Gegenfländen ein Geſchlecht zu er- 

tpeilen, fie FR en es durch die förmliche Anrede Herr und Prau A 

weilen noch heraus. Wie die Nachtigall, Frau 9 aatigal (8 

Fauf), ver Wind, Herr Wind (Willamon) heißt, fo 

her stoc, her anger, frö (Frau) böne u. a. 

Anm. 2. Doc zeigt fich zuweilen ein jener Motion analoges Berfahren, 
er Bedeutung 34 z. B. Laub, Laube; Rohr, Röhre; Quell, 
elle. 


$. 417. 


Gleichſam in der Mitte zwifchen natürlichem und grammatifihem 
Geſchlecht ſteht die Berfonification. Die Sonne iſt uns weib- 
Kehrein Grammatik. I. 2. 11 


— 14 — 


lich, der Mond männlich, weil ſich unſer Belt urſprünglich beide 
als ein weibliches und männliches Weſen vorſtellte. Hierher gehören 
nun die Ausbrüde für das höchſte Welen, die Götter und güttlih 
verehrten und gefürchteten Elemente und Naturerfcheinungen:. Gott, 
Teufel, Sonne, Mond, Tag, Naht, Erde, Donner, 
Anm. Diefe Beifpiele, deren grammatifches Geſchlecht bloß durch die 
Annahme einer vorgegangenen Perfonificierung begreiflich wird, mögen 
enügen. Sie ließen ſich nad durch andere Benennungen ber Thiere, 
ewächfe, Elemente und Naturerfcheinungen leicht vermehren; pas Ges 
chlecht von Schwan, Eihe, Sommer, Winter, Schnee, 
egen, Binpshbraut u. a. könnte gleichfalls in jeder Sprache auf 
myothiſchen Borfiellungen ver Bölter berufen. — Unsere heutigen Dichter 
ofen alle Sapigteen der menfchlichen Seele, alle Tugenden und Lafer, 
alle Künfte und Wiffenfchaften weiblich vorzufiellen, und von Maleru 
oder Bildhauern werden folche Abftractionen Immer als Frauen ent 
warfen: Bernunft, Phantafie, Tugend, Liebe, Treue, 
Zwietradt, duge Poelie, Theologie; ja Verſtand, Glau- 
ben, Zorn, Reid, GLüd ericheinen in weiblidem Gewand, obfchon 
ihr grammatifches Gefchlecht nicht weiblich if. Die Urſache davon iſt 
wol in der Iateinifchen Sprache zu fuchen, die den Gebrauch des fem. 
für vergleichen allegorifche Begrife eingeführt hatte. ' 


$. 418, 


Dei der Unterfuhung und Darfiellung des grammatifchen Ge- 
fihlechts darf auf die Form der Subftantive, auf ihre Flexion 
und Ableitung weniger Rüdficht genommen werben ale auf bie 
Bedentung?). An die Spitze kann folgender Grundſatz geſtellt 
werden, der aber ſeiner Allgemeinheit wegen zur Entſcheidung einzelner 
Fälle nur behutſam gebraucht werben darf: Das masc. ſcheint das 
Brübere, Größere, Feſtere, Sprödere, Rafchere, das 
Thätige, Bewegliche, JZeugende zu bezeichnen; das fem. das 
Spätere, Kleinere, Weichere, Stillere, das Leidende, 
Empfangende; basneutr. das Erzeugte, Gewirfte, Stoff 
artige, Generelle, Unentwidelte, Coflective. 

Anm. In nachfolgenden 65. follen nicht ale Subfl. nach ihrem Ge⸗ 
ſchlecht erörtert, fondern nur einzelne Regeln negeben werden, nad 
welchen ſich das Gefchlecht ganzer Reihen von Wörtern richtet, 


I. Grammatifhes Geſchlecht finnliher Gegenflände. 
| a) Thiere. 


$. 419. 
Die allgemeine Benennung Thier (goth. diuz, ahd. tior) um 
Vieh (goth. faihu, ahd. vihu) iſt mit Het neutral. 
1) An den Säugetieren wirb meifl das natärlide Ge- 
ſchlecht ausgebrädt, und da, wo es nit der Fa iſt, gilt ein 


— 1643 — 
ẽ 
⸗ 


enicduifihes masc., 3. B. ber Hafe, Das, Hamfler, Igel, 

. Marder, Zltis, Zobel y. — Das Junge iſt neutral. 

2) Für die zweite Orbnung ber Thiere gilt der Gattungsname 
Vogel (goth. fugis, ahd. vokal). Unter ben Epicoenis der 
Bögel finden fih ſchon weit: mehr weibliche, als ber den Säuge- 
tieren, offenbar, ihrer Kleinheit und Zierkicgfeit wegen. Die - 
großen, bie Praflenden, Frimmenden find beinah affe mämnnlich: 
Strang, Stord, Reiger, Kranich, Schwan, Adler, 
Geier, Falle, Sperber, Habicht, Rabe, Würger, 
Specht, Kauz, KRufufna.”) Die Singvögel find in 
ber Regel weiblich: Lerche, Droffel, Amfel, Meife, 
Schwalbe, Nachtigall, Bachſtelze ). — Wie'ber den 
ſäugenden Thieren das erzeugte Junge, ſo iſt auch das von 
dem Vogel gelegte Ei neutral. 

3) Der Gattungsname Fiſch (goth. Asks, ahd. visc) iſt maͤnnlich. 
Unter den einzelnen Arten find die großen meißens männlich: 
Aal, Hecht, Labs, Haufe, Stör, Hering, Barſch; 
weiblich find: Rarpfe, Schleihe, Schmerle u.a. 

4) Dan kann Wurm für den Oattungsnamen aller Reptilien 

halten; ‘es ift gerecht auf den großen Lindwurm wie auf den 

Heinen Regenwurm und überall männlich. Schlange, 
Schnede, Blindſchleiche, Made, die ung jetzi weiblich 
find, waren früher mämticd *). 

5) Für eigentliche Inferten gilt die Regel, daß fie ihrer Kleinheit 

- amd Schwäche wegen weiblich find, doch fehlt es nit an 

Ausnahmen °). ⸗ 

Anm. 1. Ausgenommen find die ſem. Maus, Ratte, Otter und 
Wieſel. Bei Rüdert (2, 34) lebt dem Wirfel, wo es neutral_zu 

”" fein feheint, wie auh Beder (Schuler. 83) angibt. Befremdend find 
die neutra Einhorn, Eihhorn, Rashorn, wo das Geſchlecht 
nach dem letzten Wort der Bompofition ſich richtet. 

Anm. 2. Scheinbare Ausnahme maht die Weihe, das aber früher 
männlich war (abd. wiwo, wio, mhd. wie) und zuweilen noch fo vor⸗ 
tommt, 3.8. König tft ver Weih. Schiller. (Ben 3, 1.) Bon dem 

rößern iſt noch mweiblih die Eule, von den mittlern Die Dohle, 
rähe, Elſter, Wachtel. 
Anm. 3. Ausgenommen find: der Staar, Sperling, Spaß, Fink, 
Zeifig, Zaunkföni g (der bIoß der königl. Würde das männliche 
Gefchlecht verdankt). chnepfe war früher masc. (ahd. snepho); 
das Geſchlecht von Rothkehlchen, Rothſchwänzchen ergibt fi 
aus der Diminutivform. 

Anm. 4. Was die heutigen Naturforſcher in Amphibien, Inſecien und 
Gewürm unterſcheiden, vermengte das Alterihum vielfach, auch in den 
Benennungen, oder vielmehr dieſe giengen von dem finnlichen Eindruck 

"der Tpiergeftalt aus, nicht von einem gelehrten Syftem. Die Fleder⸗ 
mans wurde daher zu den Bögeln gezäpft und ein fliegenves Inſect 
durfſte Bogel, ein kriechendes Wurm genannt werden, das ahd. \ 
Wort für eruca (Raupe) iſt z. B. grasawurm. 

Anm. 5. Ausgenommen find 3.8. der Käfer, Wibel, Schmet⸗ 
terling, Floh; Biene und Imme find ahd. neutra; Horniß, 
Henfhrede, Deime (Brille, Beimchen) find abe. marc. 


— a — 
, u | b) Bäume und Pflanzen. 


$. 420. 


. Der generilche Name für alle großen Gewächfe iſt bas neutrale 
Holz; ſpecieller ft Baum (goth. bagms, ahd. poum), Dei den 
einzelnen Bäumen läßt fih der im XThierreih deutliche Grundſatz 
nicht gelteud machen, daß Größe und Stärke für männliches, Fleinere 
Geſtalt für weibliches Gefchlecht entfcheide; gerade bie höchften und 
mädhtigften Bäume find weibliches Geſchlechts). Männlich iſt z. B. 
Ahorn; Eiche war früher (ahd. asc, mhd. asch) männlich. — 

Dbftbäume haben in unfrer Sprache feine einfahe Namen, 
fondern zuſammengeſetzte, deren Gefchlecht ſich folglich nach dem 
zweiten Wort der Compofition, Baum, richtet, alfo männlich iſt. 

Unter den Gefträucden iſt Dorn (goth. thaurnus, ahd. dorn) 
männlih, Rohr (goth. raus, abd. rör) neutral, wie auch Ried 
und Schilf. " 

: Die Oetreide find meift männlich; weiblich find z. 2. 
Gerſte, Bohne, Linſe u.a. . 

Bon den kleinern Pflanzen find männlich: Dopfe, 
Mohn, Till, Schwamm, Beifuf (ahd. pipöz, mhd. bibö3), 
Klee, Schierling, Rettih, Wegerich, Hederich; Kreffe 
und Diftel, früher auch männlich, find nun weiblich. — Weiblich 
Ib: Rübe, Möhre, Morkel, Neffel, Klette, Bilfe u. a.) — 

euten find: Moos, Gras, Ried, Rohr, Wied, Kraut, 
Holz, weil diefe Gewächfe immer in Menge nebeneinander fleben, 
folglich ein Collectivbegriff eintritt. | 

Eine Menge Pflangennamen find umfchreibend, 3. B. Nacht⸗ 
hatten, Storchſchnabel; es find Feld- und Wielenblumen. 
Die edeln Gartenblumen, wie Rofe, Lilie, Biole, Tulpe, 
Hyaeinthe, Aurifeln.a. find uns mit ihren Namen ans ber 
Fremde zugeführt. 

Die Frucht des Baumes iſt Obſt, fächliches- Geſchlechts, was 
ſchon hei Junge und Ei wahrgenommen wurde. Die einzelnen 
Obſtarten find theils männlich theils weiblich, befonders find 
mehrere Aepfelarten und efbare Schwämme männlich, md 
Endigen fih durchgängig auf ling, z.B. Grünling, Streifling, 
Spätling u. a, Brätling, Süßling, Herbflling n.a. 
Anm. 1. Auch dem Griehen und Römer waren bie meiften .Bäune 

weiblig. Der Grund davon liegt entweder in der befchräntteren Lebens⸗ 

tpätigleit der unbeweglichen Bäume im Gegenfab zu den Thieren, oder 
wieder in Volksmythen, die Zuſammenhang der Bäume mit geifterhaften 

. weiblichen Wefen annahmen. Dan erinnere ſich ver Dryaden, ber 
deutfchen Holzweibchen und der heil, Frauenbilder aus Baumflämmen. 
Anm. 2. Es fheint, daß vorzugsweiſe die hoch und ſpitz auffihießen- 
den —A —— Hk Reiner (Som. Sir, —2 Sam — 

Hanf, Flachs, Hopfe, Till, Diſtel) männlich, die ind Breite ran- 

tenden (Bohne, Erbfe, Reffel,. Rübe) weiblich ſind. 


X 


x 


— U — 


c) Erbe, Steine, Metalle. 
8, 421, 


Hier wird man zur Bezeichnung ber todten, rufigen Stoffe haupt- 
fachlich Neutra erwarten dürfen. Wirklich find auch in allen beutfchen 


— Pundarten bie eigentlichen Metalle neutral: Gold, Silber, Eiſen, 


Kupfer, Blei u. a. 
Der Stein iſt männlich wie auch der Fels; die einzelnen 
Steinarten ſind großentheils männlih: Kieſel, Quarj, Spath, 
Schiefer, Marmor; die Wacke iſt weiblich. — Die Edel- 
feine haben meift ausländifche oder zufammengefeßte Namen, bie 
nicht hierher gehören. 

Erde iſt als Perfonifieation weiblich; die einzelnen Ervarten 
dagegen find meift männlih: Sand, Gries, tehm, tete; bie 
Kohle ift weiblih, das Glas neutral. 

Anm. Ueberſchlägt man die Wörter für Metalle, Steine und Erdarten, 


fo find die meiſten Reutra, viele männliche, wenige weibliche, und was 
die Idee des weiblichen anregt, feheint in ihnen faum enthalten. 


d) Fließendes Element. 
.$. 422. 


Oberſter Name ift das neutrale al ſer. ößte An⸗ 
häufung des Waſſers begreifen wir unter ben —88 eer und - 
See. Die allgemeinen Begriffe Waffer, Meer, Sund, Than, 
Regen, Wolfe, Eis find neutral, doch mit einzelnen Uebergängen 
in bie lebendigere männliche ober weibliche Reihe. Dagegen tpeilen 
fih die männlichen und weiblichen in die Individualität der Begriffe 
See, Fluß, Welle, Ebbe, Bach, Duelle, Schnee und 
‚Hagel in unſerer Sptashe dergeftalt, daß für Fluß⸗ und Wellen⸗ 


namen das weibliche Geſchlecht merklich überwiegt. 


e) Wehendes Element. 
. 423. 


Der allgemeine Name Luft, früher männlich, iſt nun weiblich. 
Der belebende Athem und Geiſt wird in allen bentfchen Zungen 
. faft nur durch männliche Subflantive bezeichnet. Seele ſcheint eine 
mildere Entfaltung des Geiftes. — Die Begriffe Wind und Better 
‚berühren fih, Sturm ift nur maͤnnlich. 


f) Leuchtendes Element. 


§. 424. 


Hier laufen bie Geſchlechter ſchon ineinander über, man n vergleche 
nur: Fener, Licht, Schein, Glanz, Blitz; übrigens ſcheinen 


— 166 — 


eigentliche Feminina zu ſehlen, wenn man von der Perſonification 
bei Sonne abfießt. Himmel ift männlich, wie auch Stern; 
"die Benennungen einzelner Sternbilder find uneigentliche Zufammen- 
- fegungen, deren Angabe nicht hierher gehört. 


5) Welt, Erbe, Laub. 
$. 425, 


Die Begriffe Welt und Erde fließen dem Altertum mehrfach . 
in einander. Die anf den beflimmten Begriff der Grundfläche be- 
zogen Wörter, als: Grund, Boden find männlich, Dagegen. das 
umfaffende Land neutral, vesgleichen auch Feld; das unbebantes 
Held bezeichnende Wort Heide iſt weiblich, männlich dagegen iſt 
Ader, wodurch beftelltes Feld bezeichnet wird. Berg iſt männ- 
lich, Thal, früher männlich, nur neutral. 


h) Leib und feine Theile. 
$. 426. 


In ber frübern Sprache bat Leib noch die Bedeutung von 
Leben, bie es fpäter verloren. — Drei, den Sie ber edelften 
Sinne ausdrückende Wörter find neutral: Herz, Auge, Ohr 
Das Neutrum fcheint die allgemeine Thätigfeit dieſer imern Organe 
am füglichften auszubrüden. Die übrigen Körpertheile find theils 
männlich, wie: Kopf, Scheitel, Mund, Zahn, Baden, Hals, 
Nade,Rahen, Schlund, Saumen, Arm, Finger, Daume, 
Nagel, Rüden, Bauch, Wanſt, Nabel, Schenfel, Fuß u. a., 
theils weiblih, wie: Wange, Lunge, Niere, Nafe, Zunge, 

Lippe, Stirne, Schulter, Achſel, Hand, Kauft, Kerle 

Wade, Rippe, Hüfte, Lende, Bruft u. a., theils neutral, 
wie: Haupt, Hirn, Antlis, Kinn n.a. 

Anm. Es würde zu weit führen, follte bier noch Nüdficht genommen 
werden auf die Theile des tHierifchen Leibes, vie Theile ver Bäume und 
Pflanzen, die Geräthe beim Aderbau, die einzelnen Theile des Haufes, 
des Landes, der Stadt, des Schiffes, der Bewaffnung; ferner auf 
Kleidung, Kleinode, Seräthe, Gefäße, Speife und Trank, Mufttinftru- 
mente u. a. Wörter, deren Gefchtechl fih nur ſchwer unter allgemeine 
Regeln faffen läßt. F 


li. Grammatiſches Geſchlecht abſtracter Gegenſtände. 


$. 427. 


Hierher gehören fowol unleibfiche, wiewol ſinnlich wahrnehmbare 
Gegenflände, wie Schall, Schrei u. a., als auch ganz über- 
ſtunliche Begriffe ausdrückende Subſtantive. Der Unterſchied folder 
Abfractionen von ben leiblichen Dingen, ben eigentlichen Sachen, 


+ 


x 
— (ea ron — — 


ringt in Die A iM das ihaen Gefchlecht 

I Sagen Gabe Ya et * Altar a Ve —* 

ſtalt eine gewiſſe Analogie mit den Weſen, deren isige Ge⸗ 

ſchlecht die Sprache ausdruckt. Die Abſtracta find Ferner Belebuug 
aäͤhig, als etwa einer allegoriſchen. 


§. 428. 


Während bei den ſinnlichen Subſtantiven die Form der Wörter 
nicht besädfichtigt warb; während dort das Geſchlecht viel unſicherer 
iſt, weil die Phantaſie der Sprache fat bloß mit den Sachen Tpielte, 
muß bei den abftracten bie Form befonders berädfigtigt werben: 

‚ bie Phantaſie wird hier durch Formen und Ableitungen gezügelt und 
gehalten. Doc berühren‘ fi die Grenzen ſinnlicher und abfleacter 
- Wörter mehrfach und Taufen ineinander über. 


A. Unabgeleitete Subflantive. 


§. 429. 


- Darunter werben bier ſolche verfiauden, bie ohne Zwiſchenlunfi 
berivativer Buchſtaben aus Berbis gebildet werben, und zwar aus 
ſtarken, vorhandnen oder verlomen, aber mit Weheſcheinlichteit 
nachweisbaren Verbis. 

a) Starke masc.: Dank (goth. Ihagks, ahd. danh, mhd. dane), 
Diebftahl, Stih, Fraß, Geſchmack, Bruch, Spruch, Tritt, 
Beſitz, Deleg, ehe) Schein, Trieb (für Euch), Berweis (für 
Verweiß), ieiß Streit, Neid, Preis, Strei 
Biß, Riß Ritt, Schritt, Stich Genuß, Schluß, Shah, Bug, 
Flug, Trug, Stand, Schlag, Anwachs, Dee m, "Sinn, Befehl, 
Schimpf, Binf, Erwerb, Schall, Kampf, Glanz, Trant, Klang, 
Fund, Fang, —* liner ſhieb (für Unterfgeid), Lauf, Fluch, \ 

: Era, Schlaf u 

) Sterfe fem.: "Babe (goth. giba, ahd. köpa, he. gebe), 
Wahl, Zahl, Scham, Annahme, Dual, Gewahr (Gewahfam), 
Bitte, Sehe (Sehkraft), Gnade, Rache, Sprache, Lage, Frage, - 
—* Traufe, Reue, Sache, Wache, Buße, Muße, Hilfe, 

erberge. 

.c) Starke neutra: Ziel (ahd., mhd. zil), Gebet, Leid, Schloß, 
Geſchoß, Gebot, Ding, Geld, Gefecht, Band, Mand, Hehl 
(kein Hehl haben). 

d) Schwache masc.: Namen (ahd. namo, mhd. nam), Biſſen, 
Glauben, Schaden (im Nom. auch Name, Glaube, Schade 

‚ gefgrieben). . 
$. 430, 


Unabgeleitete, nicht mehr, oder noch nicht ausgemagt, 
auf ſtarke Verba zu bezichende Subſtautive gibt es nicht ſehr 


= q 
[2 
— — —n—n— —— 


vieles 6 moͤgen ihnen auch ſchwache Vecia oder gar keine zur Seite 
Sehen. Hierher gehören: . 
a) Starte mase.: Eid (go Abe, ahb. eid, mh. eit),- Som, 
Gruß, Haß, Hohn Raul, Ras, Krieg, Lohn, Mord, Muth, 
Raub, Raum, Rauſch, Ruf, Run, Saus, Schatz, Schaum, 
Schluf, Tanz, Traum, Bahn, Zupf. 
b) Starke fem.: Weile (gofh. hveila, ahd. huila, mhd. wile), 
Ehe, Ehe, Feier, Furcht, Habe, Hut, Lehre, Mietke, Minne, 
Muhe, Sage, Sorge, Speife, Treue, Zeile, Roth, Zeit, Art. 
0) Starke neutra: Jahr (goth. jer, ahd., mhd. jär), Buch, 
Led, Lob, Gemach, Spiel, Beifpiel. 
d) Schwache fem.: Sage (goth. Saga, ahd. saka, ap. sage), 
Salbe, Woche. 
6. 431. 


- Das folchergeftalt unmittelbar, ohne eintretende Asteitungs- 
elemente, aus dem Verbum erwachfende Subſtantiv ift deffen reines - 
Abbild und drückt vollfommen den darin enthaltenen Begriff aus: 
fhlagen, Schlag; ehren, Ehre. — Hinzugefügte Ableitungen 
fleigern und verändern die Abſtraetion; man fühlt den Unterſchied 
zwilchen Beruf und Bernfung, und zwiſchen jenem Subftantiv 
und dem ſubſtantiviſch gebrauchten Infinitiv: der Ruf und das 
Rufen. Leßterer Täßt fih von jedem Verbum ſetzen. 


$. 432, 

In den mit dem Ablaut gebildeten Subftantiven fcheint ſich unfere 
Sprade. einen Erſatz bereitet zu haben für ihre abgehenden Activ- 
partieipien und Tempora der Vergangenheit. Man betrachte nur die 
maso. Geruch, Geſchmack, Sinn, Lauf, Schritt, Gang, 
Fluß, Flug u. a., und die fem. Rache, Gnade, Klage, Sage, 
Trage u. a. und vergleiche fie mit den entſprechenden Lateinifchen: - 
olfactus, gustus, sensus, cursus, passus, inoessus, fluxus, volatus; 
ultio, propensio, actio, relatio, yquaestio. Im Ganzen ſcheinen vie 
masc. mehr den äußern Vorgang, bie fem. mer bie innere Empfin- 
bung zu bezeichnen. 


B. Abgeleitete Subftantive. 


1) Ableitende einfache Votale. 
§. 433. 


Dies Tonnen nur J und U fein, da A nicht ableitet, E und O 
unurſprünglich find. Aber auch die Ableitungen mit J und U find 
nbd. nicht zahlreich. 

a) Ableitendes J und zwar: 
0. Starte neutra: Reich (ahd. rihhi, mhb. nahe), Sei, 
Heer, Ende, Urtheil, Gerede, Geſpräche, Geſetz. 





ms 


ß. Starke fem.: Hitze (afb. hizka, mie. hitze), Minue 
Sünde, Wonne. 

y. Alle aus Adiectiven gebildete, Abſtraete find ſchwache 
fem.: Güte, Liebe, Länge, Breite, Höhe u.a. Uebrigens 
ift hier von Feiner leituns im ſtrengen Sinne des Wortes 
die Rede, vgl. $. 15. 

b) Ableitendes U. Die Zahl der hierher gehörigen Wörter 
muß vor Alters weit größer gewefen fein, läßt aber an 
den fpätern Subflantiven, da nur der goth. und zum Theil 
ver ahd. Dialelt das U bewahren, nicht ermitteln. Dffen- 
bar gehören hierher: Tod, Luſt, Hunger (goth. dänthus, 
lustus, huhrus). 


2) Confonantifge Ableitungen. 
$. 434. 


Hierbei ift das zweite Capitel 6. 23 f. ſtets zu vergleichen. Ab⸗ 
feitende Formeln find bier: 


Al, bietet masc. und fem., früher auch neutra: ber Wandel, 
. Tadel, Adel, Zweifel, Taumel; die Seele. ($. 26.) 
Sat, faft lauter neutra: das Drangfal, Irrſal, Labſal u. a. 
Wechſel iſt mannlich. ($. 30.) 
An verhält fidy wie Al, nur daß es jetzt auch neutra ibt: ber 
Wucher, Jammer, Zauber, Summer; das Wunder, 
Alter, Laſter. ($. 43.) 
Am, bietet faft nur masc.: Harm, Traum, ($. 50.) 
At, bietet alle Gefchlechter, doch am meiften weibliche: die Roth 
Zu — Mitgift, Haft, Kraft, Ankunft, Berunnft, 
Schrift, Zunft, viele mit —ſchaft; neutral ud: Stift 
und Gift !). Männlich iſt nur Lauft in Zeitläufte. (H. 7%) 

&t, bietet masc. md fem.: der Durft, Froſt, Geiſt, Ber 
luſt, Troſt, Gewinnſt, Wuſt, Zwiſt; die Drau, 
Friſt, Gunſt, Laſt, Lift, Luſt, Schwulſt. ($. 77.) 

Ht, bietet alle Geſchlechter: der Verdacht; das Recht; die 
Andacht, Flucht, Fracht, Gicht, Wat, Frrigt, 
Pracht, Sudt, Wucht, Zudt. ($. 80.) 

Th, infofem davor ein auslantendes 9 ober © der War f ge- 
wichen ift, fo dag th eng an den langen Vocal ber Wurzel 
tritt. Hierher gehören etwa: Muth (ahd. muot), Tod (ahd. 
töt), Flut (add. vluot), Naht (ahd. nät), Glut (ahd. kluot), 
Brut (ab. pruot), Zeit (ahd. zit). 

Ath, bietet nur das neutrale Bild (ahd. piladi). ($. 95.) 

Ith, bietet die fem.: Freude, Gterbe, Begierde. (5 99.) 

Ooth, bietet die fem. : Armut, Demuth, Großmuth. (5. 102.3. 


—19 — 


Ang, uhd. Aberall mit abfiracter Bedeutung, ſind ziemlich zahlreich, 
wie aus $. 140 zu erfehen. , 


BR, dazu gehören: die Angſt, der Eruft, ver Dienfl. ($.139.) 


Anm. 1. Als masc. fieht Gift bei Goethe (Fauf 1, 58): Sch Habe 
ſelbſt den Gift an Kaufente gegeben; und I Jean 
4, 262): Den ſtärkſten Gift kochen. 
Anm. 2. Die Sprache bedient ſich des einfachſten Mittels, Subflantive 
au ſchaffen; ihre äfteften Abftracta find varım männlich, wodurch 
er Borrang sis Geſchlechts ($. 404) befätigt Wir. Das Ableitungs⸗ 
vermbðgen 4 erſt ein zweiter Behelf, deſſen Wirkſamkeit ſteigt, ſobald 
ſich die frühere Production geſchwächt hat. Unter den abgeleiteten Sub⸗ 


ſtantiven ragen bie le. hervor. Jene unabgeleiteten masc. er- 


frheinen auch um ein fühlbares weniger abftract als viefe abgelei- 
teten fem., fie halten noch gleichfam in ver Mitte zwiſchen dem finn- 
lihen und dem abftracten Begriff. 

Anm. 3. Der wichtige Grundſatz, daß dem Abftracten hauptfächlich 
weibl. Geſchlecht zuflehe, muß tief wurzeln, da er auch durch Ber: 
gleichung aller urverwandten Sprachen beftätigt wird, 3.3. vie latein. 
Endungen -ia, -io, -itas, itudo. ' 

Anm. 4 Bei abfiracten Subftantiven iſt es in der Negel die Form, 


welche das Geſchlecht beftimmt und nach fich zieht; bei finnlichen fiegt _ 


das Gefchlecht über die Form, und bei Subftantiven natürliches Ge⸗ 
ſchlechts hat es fie ganz überwältigt. 


C. Geſchlecht aufammengefepter abftracter Subflantive. 


$. 435. 


a der Compofition ift das zweite Wort Hauptfache, nach feinem 
Geflecht ſoll fih alfo das der Zufammenfegung richten. Dies muß 
als Regel anerkannt werden, wobei es jedoch nicht an einzelnen 
Ausnahmen fehlt. Das einfache scaf war wol maͤnnlich, die Zu⸗ 
ſammenſetzungen find ahd., mhd. und uhd. weiblih. Die Zufammen- 
feßungen mit thum fhwanfen: Reichthum, Irrthum, Chriften- 
thbam, Fürſtenthum ($. 174. 226 unter döms). Theil ıfl männ- 
lich (zuweilen neutral), Gegentheil neutral; Reich neutral, Be⸗ 
rei meiß maͤnnlich. Das ahd. heit ifl männlich, die Zuſammen⸗ 
fegemgen find weiblich ($. 174. 226. unter häids). 

Anm. Befonders ſchwankend iſt das Wort Muth, wenn ed mit andern 
Wöürkern, befonders Adjectiven, zufammengefekt wird. Man vgl. 3.2. 
die masc.' Heldenmuth, Frevelmuth, Hohmuth, Stark 
muth, mu Mißmuth, Nebermuth, Unmuth, und 
die fem. Großmuth, Demuth, Wehmuth, Sanftmuth, Yang- 
muatb, Shwermuth, Anmuth,. Wenn vielleicht nicht bei allen, 

. ſo Jäßt ſich doch bei mehrern ver Grund dieſes Wechfels auffinden; man 
vgl. nur den folgenden $. 


D. Abſtracteſte Neutra. 
8. 486. 


Im weiblichen. Geſchlecht liegt eine größere Abſtraction als im 
männlichen, ihr @ipfel ift aber im Neutrum zu fuchen. Das Neutrum 


af (Zitan 


% 


. — 11 — 


if, vermöge feiner Mater, das Unbeftimmte, Aligemeine (6. 448); 
feine Form weiſt es in die Mitte zwiſchen masc. und fem., fo daß 
es bald die lebendigere Flexion des masc. theilt, bald in der unvoll- 
fommneren weiblichen noch mehr erſtarrt, als felbft das fem. 


$, 437. 


Die Abſtraction, son welcher bier die Rede iſt, beſteht in einer 
Ausdehnung bes Geſchlechts auf Wörter, die gar Feine Nomina 
find. Es kann durch ſolche Gefchlechtsertheilung ſelbſt Flexious⸗ 
ſähigkeit des Wortes, das kein Nomen iſt, entſpringen. Aber ame 
das neutrale Geſchlecht kann bier eintreten. Folgende Fülle fiat 
befonders zu merfen: \ 

1) Sronomina find an fich gefehlechtefähig. Einzelne vom ihnen 

kuönnen auch fubftantivifch genommen werben, 3.9. das Ich, 
das vertraulihe Du, das vornehme Bir, 

2) Auf dieſelbe Weife Tönnen einzelne Verbalflerionen fub- 
Rantivifch gefebt werben, 3.8. das Muß, das Iſt, das War; 
das Wache anf, das Vergig mein nicht, das Lebe wohl. Männ- 
lich iſt der Zeitvertreib, 

3) Weit hervorſpringender und entſchiedner iſt die neutrale An» 
wendung des Infinitivs. Die Abfiraction vermindert fich 

in dem Grad, als dem Infinitiv Feine andere, ihrem Begriff 

unäcf fömmende Subſtantivbildung an der Seite fließt. Ver⸗ 
Lungen, Leben find weniger abflract als etwa das Gehen, 
titten. " 

4) Endlich kommen “auch fubflantivifch gebrauchte Partifeln in 
Srwägung: das AG, das Ga. Der Dann, der das Wenn 

‘und das Aber erdacht. Bürger. (Abt von St. Gallen.) 


im. Gefhleht fremder Subflantive 


$. 438. 


Die Aufnahme fremder Wörter iſt natürlich und unvermeidlich; 
fie verletzt kein Nationalgefühl, weit zwilchen allen Völkern em 
gegenfeitiger Austauſch der Sachen und Wörter finttfindet. 


$. 439. 


In der Art und Weife, wie wir noch heute fremde Worter in 
unfere Sprache einlaffen, zeigt ſich jedoch ein bemerklicher Unterſchied. 
Das Altertum verfuhr dabei viel nälver und ungezwungener. Unſer 
Streben geht jetzt dahin, ine fremden Ausbrüde gerade fo. beizu- 
behalten und auszufprechen, wie fie bei dem Volk, von welchem wir 
fie übernehmen, im Gange find; wir meinen bie Irene gegen bas 
fremde Wort zu verlegen, wenn wir ihm etwas an feiner Betonung 
enigieben, einen Buchſtaben darin unterbräden ober fein: Geſchlecht 


” 





— m — . 


_ veränberk, uub. gaben Lieben bie uns ſelbſt. ſchulvige Treue auf, indem 
wie unferm angebornen Sprachorgan alle mögliche Gewalt anthun. 


$. 449, 


Die altventfihe Sprache bediente ſich hier des einer jeden zu- 
‚ Rändigen Rechts, das fremde Wort ihren Werkzeugen und Gewohn- 
heiten zu bequemen: carbunculus wird zu Karfunfel, weil man an 
Funlen dachte; arcubalista zu Armbruft u. a DaB hierbei bes 
urſprunglichen Gefchlechts der Wörter am wenigften gefchont wurde, 


bat fi erwarten. Bei Wörtern, die natürliches Geflecht aus- 


drückten, Konnte freilich Leine Abweichung flatifinden. 
Anm. Nicht ungegründet ift, was in „Archiv für den Unterricht im 
i entſchen“, herausg. von H. Biehoff, 1. Jahm. 3. 9. S. 105 bes 
mertt wird: „Wenn den aufgenommenen Fremdwörtern ein beutfcher 
‚  Anftrich gegeben wird, fo feheinen fie mir die Reinheit und Urfprüng« 
Nlichkeit unfrer Sprache nur um fo grimolicher zu trüben ... die Phans 
tale müht ſich jetzt vergebens ab, eine natürliche Beziehung zwiſchen 
Sage und Bezeichnung Coon Armbraft aus arcubalista) Zu n; bei 
einem Worte, an dem man feinen fremden Urfprung fogleih erſieht, 
verzichtet man von vorne herein auf diefes Bemühen.” — Wi 
Geſchlecht, it es auch mit der Orthographie ver Fremdwörter, und die 
Lauilehre hat bie ger und da auftauchenden Formen Geografie, Filofofie, 
Kitero (Cieero), Korefch (Cyrus) näher zu erörtern. 


A. Beibehaltnes Geſchlecht. 


$. 441. 


Männlich: Zins, Sack, Pſalm, Kohl, Sittich, Karfunkel, Orden. 

2) Weiblich: Natur, Tafel, Elle, Oblate, Kammer, Küche, Krone, 
Pforte, Kette, Sportel, Roſe, Viole, Pappel. 

3) Neutral: Pfund, Oel, Kupfer, Capitel. 


B. Abweichendes Geſchlecht. 


§. 42. 
1) Uebertritt des männl. ins weibliche: Mauer, Pfütze, 


drugt, Rofine, Muskel, Nerve, Mythe, Hymne, Hyacinthe, 
ocke 


2) Uebertritt des weibl. ins neutrale: Fenſter, Almoſen, 
Katheder, Kreuz. Ä . 

3) Nebertritt- des nentr;: ins männliche: Balſam, Alabafter, 

- Mein, Söller, Tribut, Tempel, Lolch, Effig, Lein, Pfeil, 
Breis, Fenchel, Kerbel, Weiber, Senf, Kopf, Pfeffer, Körper, 

u Alter, Kerker. 


9 ughegtritt bes männl. ind neutrale: Paradies, Krokodil, 
e. 
5) Uebertritt des weibl. ins männliche: Anker, Kürbiß, 


e mit dem 


= 


— 13 — 


84 Kampher, Nabel, Purpur, Rh, Saum, Dom, Stoff, 

ialekt. 

6) Uebertritt des neutr. ins weibliche: Orgel, Lille, Marter, 
Pacht, Pfalz, Prämie, Peterfilie, Kirſche, Pflaume, Birne. 

Anm. Hier gibt e8 manche Ausnahmen, von denen rinige — 

werden mögen. Barometer und Thermometer ſind > ch 
neutral, als männlich finden fie fih bei Lichtenberg und EL Bren- 
tano. Das neutrale Genie gebrauht Schiller (in d. Künfl.) 
männlih. Muskel gebrauhen För ſter und Goethe (27, 264) 
männlih. Für die Nerve findet fih auch der Nerv. Katheder 
Beat ädert (3, 457) männlih; das Wort Hört man zuweilen 
auch als lem. 


Anhang. 


$. 443. 


Noch gibt es mehrere Wörter, die bei gleichem Laut und bei 
gleicher Schreibung, aber bei Verfchiedenheit ihrer Bedeutung auch 
ein verſchiednes Gefchlecht annehmen, z. B. 


Der Band (Cinband), das Band (zum Binden); 
— Bauer (Landmann), Bauer (Käfig); 
— Bndel (Höder), ' Budel (metall. Verzierung); 
— Bund (Bündnif), Bund (Gebund); | 
— Chor (Berfammlung), Chor (obere Theil d. Kirche); 
. — Erbe (Erhenve), Erbe (Erbſchaft); 
— Gehalt (Werth), Gehalt nen 
— Harz (Gebirg), Harz (an Bdumen) ; 
— Koller (Krankh. der Pferde), Koller (Wams); 
— Lohn (Belohnung), * Lohn (Zagelohn) ; 
— Meffer (Meffende), Meffer (zum Schneiden) ; 
— Drt (Pak), Ort (Dorf); 
— Schild (Waffe), Schild (an einem Hanfe); 
— Stift (son Metall), Stift (Kloſter); 
— Theil (eines Ganzen), Theil (Antheil) ; 
— Thor (Narr), Thor (Eingang); 
— Berdienft (Kohn), Verdienſt (gute Handlung); 


BESEEEEEEEEEEnE 


— Zeug. (Gewirktes), — Zeng (Werkzeug); 
— Alp (Elfe), die Alp (Berg); 
. — Nur (des Haufes), — Flur (Feld); 
— Geiſel (Bürge), — Geiſel (Peitſche); 
— Haft (an einem Dinge), — Haft (Gefangenſchaft); 
— Heide (Nichtchriſt), — Heide (Wüfle) ; 
— Hat (Kopfbedeckung), — Hut (dee Heerbe); 
— Riefer (Rinnbaden), — Kiefer (Baumart); 
— Runde (Käufer), — Runde Machricht); 
— £eiter (Führer), — Leiter (Treppe); 


— Mafer (Holz), — Mafer (Pode); 


. £) 2° .f« j je . 


“ 


— 1 — 


De Mef (ces Schiffen), die Maft (Mößung); 
— Schwulſt (in der Rede), — Schwulft, Geſchwulſt (Rranfp.); 
— Ser (Laudſee), — See (Meer); 


y 

— Eproſſe (Abtimmling), — Sproffe (einer Reiter) ; 
— Borwand (Vorgeben), — Borwand (Vorberwand) ; 
die Erkenntniß (Einſicht), das Erkenntniß (Urtheilsſpruch); 
— Gift (Mitgift), — Gift (zum Töten); 

— Kuppel (Dad), - — Kuppel (am Degen); 

— Mandel (Krudt), — Mandel (eine Zahl); 

— Mark (Land, Grenze), — Mark (im Knochen); 

— Wehr (Waffe), — Wehr (Damm). | 


Anm Görres (Myſtik 1, 174) fagt: Seine Erbe war im Rechte ' 
der Kindſchaft auf fie übertragen, 


Siebeutes Eapitel, 


Compyaration. 


$. 444. 


Dex Begriff gefleigerter Wörter wird gleichfam erhöht. Darin 
zeigt fich von der Verkleinerung (Diminution) ein Unterſchied, daß 
die Berfleinerung es eigentlich mit Subflantiven, die Comparation 
(Steigerung) eigenitig nur mit Adjectiven zu thun bat. Adjective 
beftimmen die Beſchaffenheit der Subſtantive; diefe Befchaffenheit 

kann nah Stufen eintreten. Der natürliche Begriff des Adjectivs 
ruht in feinem Pofitiv, von ba wird aufgefliegen bie zum Su- 
perlativ. Jener drückt ben erften, dieſer den letzten Punct ber 
Linie aus, 

Anm. Es if alfo weder eine Minderung des Poſitivs, noch eine Stei- 
gerung des Superlativg denkbar. Was z. B. ſchön oder grün heißt, 
wäre gar nicht fo zu nennen, wenn ihm etwas an biefer Eigenſchaft 
mangaiie es fünnte dann höchſtens hübſch oder grünlich heißen. 
De teigerung tiber den Superlatto hinaus, 3. B. dur aller- ifl 
eine unlogifhe Sprachgewohnheit. Auf der hoöchſten Stufe ſteht dieſe 
Steigerung, weun Görres (Myſtik 1, 55) fagt: Recht im Centrum 
der Perfönlichleit flieht der erfle Grund, alle andere tragend, und weil - 
nun der Bater eben fo in ver Gottheit flebt, darum wird viefer aller- 
centraffte auch unter fein Zeichen geftellt erfcheinen. Die Ausdrücke 
weniger fhön, wenigſt ſchön feine Berriugerung son ſchön, 
fondern Steigerung des verneinenden Poſitivs nicht ſchön. 


$. 445. . 
Zwiſchen dem Pofitio und Superlativ Tiegt eine unbeſtimmbare 
Dienge er —— —— ur ven Mbiparabis —— 
werden; ner u oß der_ein wenig über 
er kan buy Monk mc leader — 
— u 
fi Mora He hehe Mater —* U Wim, 





+. 





175 — 


ruͤckt, ſondern au der weit. davon entfernt uud beinahe der 
on fie if. Einzelne Grade würden ſich genau une mit Orbistele 
zahlen bezeichnen laſſen. 


I. Adjectiveomparation. 
6. 446. 


Charaller des Comparativs iſt urſprünglich S, woraus dann 
das St des Superlativs hervorgieng; fpäter trat a flatt S ein, 
während das St des Superlative fi rein erhalten Hat!). Für die 
Flexion aller Eomparative gilt das organifche Geſetz, daß fie nur 
ber ſchwachen — fähig find; erft im Myd. hebt die ſtarke 
Form am daneben zuläffig zu werben, und ndd. kann von jedem 
Comparativ beiderlei Declination Rattfinden, Den Euperlativ ge- 
bührt beiderlei Flexion. 


Anm. 1. Den Uebergang des S in R, der fih auch font findet, z. ®. 
ertiefen, erkor, hat die Lehre von den Buchſtaben zur erörtern. 


§. 447. 


Der vor dem R und St fehende Vocal ift goth. kurzes i ober 
langes 5, ahd. ö, zuweilen A, das i wird Moon oft in & verdünnt, 
mhd. iſt faft durchgängig e, uhd. immer. 3. B. goth. batiza, batist, 
ahd. pezziro, pe3zist, mhd. be3zer, best, nd. beffer, be. 
Diefes e fätft im Superlativ aber aus bei ben abgeleiteten Wörtern 
auf 6, ch, g und ein einfaches I, m, n, r und bei den Sproß- 
wörtern, mit Musnahme derer auf et, t, haft, icht, 3.3. grob, - 


gröbfl; kahl, kahlſt; freudig, freubigft; tugendhaft, tugendhafteſt. 


6. 448. 
Comparativ und Superlativ erfordern in ber Regel den Umlaut 
des Wurzelonrals. Hier find zwei Fälle zu unterfcheiben: 
1) Sole, bie ſchon im Pofitio umlauten, 3.8. grün, fchön, 
bepalten biefen Umlaut auch im Comparativ und Superlativ. 
2) Solide, deren Bofitiv Feinen Umlaut bat, befommen ihn im 
Comparativ und Superlativ, b B. Kalt, alt, lang, ſcharf, 
fromm, groß, geſund, jung u. a 
Keinen Umlaut bekommen folgende: baar, bang, blauk, bloß, 
bunt, dumpf, fahl, falſch, flach, od gemach, gemuth (wolgemutg), 
gerade, glatt, gram, Hohl, Hold, kahl, Farg, Har, knapp, lahm, Ins, 
matt, morſch, nackt, platt, plump, raſch, roh, rund, farht, fanft, 
- fatt, Schlaf, ſchlank, fchroff, ſtolz, ſtarr, flraff, Rum, ftumpf, toll, 
“ voll, wahr, wund, zahm, zart; — alle Compoſita mit -fam, -bar, 
-baft, z. B. mühlam, fruchtbar, zaghaft; — alle biphtongiitgen, 
3 B. blau, braun, taub, laut; — alle mit el, et, en abge- 
Isıteten, 3.8. bunfel, A pr, — an ie) -ig , —— Poſttio 


—— 
— Aa 


— 1720 — 


wit umlautet, z. B. artig, muthig; — die Localadjective, von 
weichen aber nur der Superlativ gebräuchlich, der Comparativ er⸗ 
loſchen iſt, . 8. oberft, unterft. 
Anm. Die Boltsfprache lautet mande der angeführten um, 3.3. bang, 
Har, zart; in der gebildeten Schriftfprade nehmen die unumlautenden 
zu, z. B. zarter, flacher, gefunder. . 


. 8.449, . 

Es iſt einlenchtend, daB aus dem Pofitiv der Comparativ und 
aus biefem der Superlativ fih bildet. Der Superlativ bat alfo 
zwei Kennzeichen, das des Comparativs und das des Süuperlativs, 
d. h. das urfprüngliche S des. Comparatios und das T des Super- 

lativs ). Ein jeder Superlativ feßt einen Comparativ, ein jeder 
Comparativ einen Pofitiv voraus. Der Pofitiv iſt aber oft aus⸗ 
geftorben und dann pflegt die gefleigerten Grade ein Poſitiv anderer 
Wurzel zu ‚begleiten ($. 455). Manche Poſitive Taffen fih gar 
nicht fleigern, 3.98. all, genug, tobt; ebenfo die materiellen Ad- 
jective, 3. B. eifern, golden ($. 64. Anm. 2) ?). u 
Anm. 1. Die prattiihe Regel, ver Comparativ werde durch -er, der 
Superlativ durch -fi aus dem Pofltiv erzeugt, "taugt theoretiich gar 
nicht, weil fe weber das r noch den genauen Zufammenhang des 5 
. in fi mit dem r begreift. on 
Anm. 2, Jean Paul (Kitan 73) fagt fogar bie deinigfte: 


$. 450. 


Unfer heutiger Schriftgebrauch geftattet auch eine Steigerung bes 
Participiums Präter., in welchem mehr adjectiviſcher Sinn vorberrfcht, 
3.8. gelungen, verworfen, geliebt; feltner bei dem Partie. Präf., 
das uns weit verbaler if. Doch fleigern wir 3. B. bebeutend, 
einnehmend, rührend, entzücend, ermunternd. Daß folche abgeleitete 
Formen feinen Umlaut haben, ergibt fih aus $. 448. 


Anm. Die mhd. Sprache geftattet eine ſolche Comparation nicht, fie 
umfchreibt den Comparativ mit baz, 3.8. ba3 gerilen, baz gewahsen. 


I. Steigerung der Abverbien. 
$. 451. Ä 

Bloß adjectivifche Adverbia find der Steigerung fähig, und zwar 

nur nentralacenfativifche (6. 365) und abgeleitete ($. 367), die 

übrigen nicht, d. h. die Aoverbialcomparation befchränft fih auf 

Woverbia der Befchaffenheit. Genau genommen wird auch hier 

das Adverbium nicht gefteigert, fondern aus gefteigertem Grab des 
Adjeetivs gebildet. Ä 


S. 492. 


Der kurze Bocal i (8) iſt der Synkope ausgefegt und dadurch 
wird ſelbſt der weſentliche Conſonant des Comparativs beeinträchtigt. 





_—1NM — 


Nhd. find faſt alle abgelürzten Eomparativabverbien ausgeflorben 
und die Sprache firebt, jede Korm des Adverbiums ber des Adjectivs 
gleich zu machen; daher wird flatt des min nun minder, flatt des 
baz nun beffer gefagt. Doc gelten noch mehr und eher. Der 
Umlaut haftet, wo ihn auch das Adjectiv hat. 


II. Anomale Eomparation. 
$. 48. 

Die geläufigften Adjectiobegriffe zeigen faft in allen Sprachen 
eine uralte und gleihfam vorganifche Unregelmäfigkeit, welche ale 
ein formeller Vorzug betrachtet werben muß, den bie fpätere Sprach- 
ausbildung wieder zu verwiſchen bemüht if. Alle folche Anomala 


‚ betreffen Wörter des häufigftien Gebrauchs. 


Anm. Der Genius der Sprade feheint hier das innere Geheinmis ver 
Borm mit ihrer äußern Schönheit imd Brauchbarkeit glüdlih zu verein. 
aren, Die regelmäßige Bilvung ver Comparation hätte eine, bei 
unabläffiger Wiederholung berfelben Wörter fehe empfindliche, Ein⸗ 
förmigfeit nach fih gezogen. 
. 6. 454. 

Unfere Anomalie besiegt fi auf zwei Stüde: einmal auf bie 
Stammverfchiedenpeit der beiden gefleigerten Grade von dem Pofitiv, 
dann auf die des Mbverbiums von dem Adjeectis. Im erften Fall 
befennen fich jedoch Comparativ und Superlativ faſt immer zu ber 
nemlichen Wurzel und fleben beide dem Pofitin gegenüber. Der 
zweite Fall bat es Lebiglig mit den beiden Pofitiven zu thun, d. h. 
die gefleigerten Grabe des Adverbiums flimmen befländig mit benen 
des Adjectivs, weil alle Aoverbien aus Adjectiven gezogen werden. 


$. 459. 


Die einzelnen Wörter find folgende: 
Gut, beffer, beft. ') 
Viel, mehr, meift. 2) 
Nahe, näher, nächft. 3) 
Hoch, höher, Höchfl. 
Bald, eher, eheft.* 
Gerz, Tieber, Tiebfl. 

Anm. 1. Nicht zu billigen ift es, wenn Rahel (Barnhagen von Enfe) 
fagt: Luftig fen und immer güter. 
nm. 2. Mehr if fa nur Eomparativ von viel, nicht mehr von 
groß, was früher der Fall war. Nur ver Dativ ſindet ſich noch, 
3. B. mit mebrerem Rechte — mit größerem Rechte. 

Anm. 3. Die Unregelmäßigteit befleht hier nur im lebertritt des h in ch, 
wie auch bei hoc, wovon die Lehre von den Eonfonanten Rechenfchaft 


au geben del. 
Anm. A. örres fagt einmal (Myſtik 1, 196): Schaffe ifn balder 
als bald wieder fort. . 
Anm. 5. Früher waren noch mehrere unregelmäßig, 3.3. die Begriffe 
tlein, wenig, übel, alt, jung. 
Kehrein Grammatik. I. 2. | 12 


® 





178 — 


IV. Gemination der Steigerung. 


$. 456. 


Bisweilen wiederholt fih das gewöhnliche Comparationsmittel, 
um befto größern Nachdruck hervorzubringen. Dahin gehört das 
nbd. mehrere !). — Bisweilen beruht die boppelte Steigerung 
auf Verbindung der üblichen Comparationsweife mit einer älteren 
erloſchnen. Nhd. hat man hier die Comparatioform fahren laſſen 
und bloß Poſitiv und Superlativ behalten: Innere, innerfte; 
äußere, äußerfle; obere, oberfle; niedere, niederfte; 
vordere, vorderfte; hintere, hinterſte; untere, unterfte; 
mittlere, mittelfte?). Ä 

Anm. 1. Die gemeine Boltsfprache bildet daraus den Euperl, mehrfl, 
ver fich fedoch auch bei Schiller findet (Kabale u. Liebe 2,2): Die 
mehdreften biefer Unglüdlihen. Poſſelt in feiner Rede auf bie 
300 Pforzheimer fagt: Die mehrften ver andern Fürften. Bürger 
(Borrevde f. Ged. 1778): Wenn meine Lieblingstinvder ven Mehrſten 
aus allen Klaffen anfchaulich und behaglich find. 

Anm. 2. Diefe Adjective prüden Folge und Ordnung in Zeit over Raum 
aus, und find fireng genommen, ihrem Begriff nach, Feiner Steigerung 
fähig: der mittele, mittlere, mittelfte Singer iſt immer 
derfefbe. Allein der Sprachgebrauch hält fehon die Annäherung nad 
oben, unten ac. für ein pofitiveg oben, unten ac., fo daß ein 
Dberes und Oberſtes gedacht und ausgevrüdt werden kann. 

Anm. 3. Die genannten Adfective haben dem Aeußern nach mehr den 
Schein von Compar. und Superl., als von Pofitiven. Der Poftiio 
ergibt fich aber genan aus der ältern Sprache. Mehrere Apjective, welche 
die örtliche Fihtung ausdrüden, zeigen im Ahd. ein ſolches r ſchon im 
Pofitiv, das fie im Comparativ dann vervoppeln, 3.3. innaro, Comp. 
innaröro, Superl, innaröst; üzaro, üsaröro, Üüzaröst. 


V. Steigerung der Zahlwörter. 


§. 457. 


Carbinalzahlen Fönnen nicht gefleigert werden; die Orbinalzahlen 
brüden eine beſtimmte Stelle in der Drbuung aus und fheinen 
infofern unfleigerbar. Wer der erfte ift, kann es nicht in höherem 
Grade fein. Das t in den Ordinalzahlen: zweite, dritte ıc. hat 
fuperlativen Sinn; der andere (zweite) iſt Comparativform, Bon 
zwanzig an tritt die gewöhnliche Superlatioform fte ein. 

Anm. 1. Das Wort hetzt Hat ung Superlativbeveutung, doch haben 
wir au ein letz terer, freilich nur für befonvere Fälle gebräuchlich. 
Bon diefem bildet Goethe (Kauft 2, ©. 122): „Die lestefen hat 
Hercules erfihlagen. 

Anm. 2. Das Pronomen felbe ($. 345) tft außer der Verbindung 
derfelbe jegt ertofipen und durch die Superlativform felbft verprängt. 
Bielleiht find felber und felbft keine Comparationgformen. Das 
feldft erklärt fih aus dem frühern Genitiv selbes.. 


nn] 


q 


— 119 — 


Achtes Capitel. 
Diminution. 
$. 458. 

Diminution oder Verkleinerung findet ſtatt, wenn durch 
eine in dem Wort ſelbſt vorgehende Veranderung dem Begriff von 
feiner vollen Kraft etwas benommen wird. Hauptſaächlich bezieht 
fih dieſe Verminderung auf Hubftantive, wie Die Steigerung auf 


Adjective; doch fönnen zuweilen Adjective, Adverbia und felbft Verba 
verkleinert werden, 


$. 459, 


Das Diminutio hat nicht nur den Ausdruck des Kleineren, Ge 
ringeren, fondern auch des Tieblihen, Koſenden. Daher finden fi 
biminutive Formen mitunter bei großen, erhabnen, heiligen, erwünſchten, 
ſelbſt gefürchteten Oegenfländen angewandt, denen man ſich vertraulich 
nähern und etwas Freundliches abgewinnen will. 


$. 460. 
Daß Beides, das Kleine und das Liebe, in ber Idee ber 


" Diminution liege, beftätigt bie häufig erfolgende auswendige Hinzu⸗ 


fügung diefer Adjective flatt oder neben der inwendigen Diminutiv« 
form, z. B. ein feines Stückchen Brot; ein Fleineg Mei 
ferdenz feine liebe Noth; das Liebe Brot; die lieben 
Sternlein; ber Siebe Gott. In nho. Voltoliedern ſteht oft 
mein Pferdchen nicht für kleines, ſondern liebes Pferdchen. 
Väterchen, Mütterchen, Brüderchen, Schweſterchen drücken 
uns häufig nicht den Begriff des Jungen, fondern des Traulichen, 
Geliebten aus. 


l 


J. Subſtantiviſche Diminution. 


$. 461. 


Weſentliche Kennzeichen der Verkleinerung ſind, nach Verſchieden⸗ 
heit der Mundarten, die Eonſonanten L und K, denen ſich gewöhnlich 
noch ein N zugefelit, Bor der Confonanz gebt ein J ber, und bie 
Natur biefee unter allen des heiterften, Teichteften Vocals iſt auch 
für ben Begriff der Diminution am gefchidteflen. 


a) Diminution mit 8. 
$. 462. 


Die ältere Form ift hier ild, ilo, ili, Die dann mhd. in ele und 
elin übergeht; nhd. wird das e ansgeftoßen und lin in lein ver 
12” 


— 180 —— | 
wandelt, wobei ber Umlaut in umlautbaren. Wörtern unerläßlich iſt, 
. B. Haus, Häuslein (ah. hüs, hüsili, mhd. hüs, hiuselin), 
amm, Tämmlein, Auge, Aeuglein u.a Die von -el 
gebildeten ftnfen beide e und ein I aus: Vogel, Böglein (flatt 
Vögelelein, Vögellein). | 
Anm. 1. Seutzufage if dieſe Dimtnutioform faſt nur bei finnfichen 
Gegenſtänden gebräuchlich, man fagt nicht: Löblein, Freudlein, 
Thätlein; nur in einigen NRevensarten kommen Abftracta vor, 3.3. 
fein Müthlein kühlen. — Alle dieſe Diminutiva auf -Tein —* 
jetzt etwas Feierliches, Poetiſches, und ſind in der gewöhnlichen Proſa 
denen auf —chen gewichen, ausgenoggmen Fräulein. 
Anm. 2. Der Negel nah fällt das e heraus. Manche Schriftfieller, 
- und namentlihd Goethe, behalten es oft bei. So fagt Goethe 4.8. 
Bögelein, Aeugelein, Röffelein, Schlöffelein, Bröfelein, Hempelein, 
Kindelein, fa auch Kinverlein. Diefe Formen ſtehen alle im 1. Bande 
feiner Gedichte, 


b) Diminution mit K. 
$. 463. 


Aus einer, im Mittelniederlänpifchen vielfach gebräuchlichen, Form 
kin, bie auch mhd. wenngleich fparfam vorkommt, bildete ſich das 
uhd. hen, das noch im 16. 17. Jahrh. häufig ein volles ichen 
war, z. B. Sönichen (bei Luther), Wäaldihin md Häusigen 
(bei Opis). Das uhd. hen ſteht faſt nach allen Eonfonanten: 
Theilchen, Lämmchen, Steinhen, Thierchen, Pfeifhen, 
Bübchen, Bräutchen, Rädchen, Herzchen, Häuschen, 


Stückchen, nur nicht nach g und dh, weil ih Jüngchen, Bäch⸗ 


chen nicht wol ausſprechen laͤßt. 
Anm. 1. Alle —chen find, gleich ven ein, neutral. Einigen Eigen⸗ 
namen wird der Umlaut entzogen, 3. B. Carlchen, Malchen. 
Anm. 2. Eigen find folgende Kormen bei Goethe: Fand mein Hol d⸗ 


hen nicht Daheim; muß das Goldchen draußen fein. Mailied 1, S. 89. 


Anm. 3. Die (heffifche und rheinifche) Volksſprache gibt einigen Plural« 
formen -er vor dem Achen: Mädchen, Mäpderhen; Rädchen, 
Räderchen; Kindchen, Kinderchen u. a., eine kühne Fortführung 
des epenthetifchen Plural -er der Neutra, die in Kinderchen zus 
läffiger feheint als in Mäderchen. Ja man verwandelt an einigen 
Orten fogarpen Sg. -hen in Pl. her: Kinderher, Mädercher. 


0) Diminution mit L und K. 
$. 464. 


Zuweilen flehen die beiden Hauptmerkmale der Verfleinerung in 
einem Wort zufammen, welches man eine geminierte Diminution 
heißen fönnte, nach Art der geminierten Steigerung ($. 456). Diefe 
Art findet ſich vorzüglich nach Gutturalen: Säckelchen, Jüngel- 
hen, Bädhelhen Aus der beſſern Schriftſprache find bie 
-eleinden, z. B. Söhneleinchen, verbannt. 


— ——öö 





PR \ 


—— 181 — 


Anm, 1. Die Foren -ing und „tina enthalten nit ſowol eine 
Berminderung ald eine Abflammung; vgl. $. 137. 

Anm. 2. Diminutiva anf bloßes i finden fih im Schweizer Dialekt, 

. z. B. Aehni (Epni) bei Schiller, Zell 3, 1. 


Il. Adjectiviſche Diminution. 


$. 465. 


Hier find zwei verſchiedne Fälle denkbar, je nachdem das ver⸗ 
Heinerte Adjectiv ein folches bleibt oder zum Subflantio wird, Zu 
letzterer Claſſe gehören: Trauthen, Lieben, Jüngling, 
Liebling, Frühling u.a. Genau betrasptet gibt es in unferer 
Schriftſprache keine verfleinerten Adjective. Vie Formen: ſüßlich, 
rünlich u. a. haben wol etwas Diminutives, das aber haupt⸗ 
—7**— in dem mittleren I, nicht in dem folgenden hen begründet 
ift, und ſich auf unterliegende Verba, füßeln, grüneln, zurüd- 
führen mag. Es wird dadurch der Begriff von Annäherung an 
Geſchmack und Farbe ausgebrüdt ($. 144). 


IH. Berbaldpiminution. 


$. 466. 


Hält man zu lachen, fpotten, ſchnitzen, flreihen n. a. 
die Kormen lädheln, fpötteln, ſchnitzeln, fireiheln; fo 
enthalten letztere unverkennbar diminutive Bebentung, welche in I 
begründet ift ($. 36). Einigen fcheint fein diminutiver Sinn, ſondern 
bloß frequentativer zuzuſtehen. Indeſſen ift oft bie Wiederholung 
einer Handlung gewiffermaßen eine Zerflüdelung und Verkleinerung 
ihres Begriffs. 


IV. Diminution zufammengefegter Eigennamen. 


$. 467. \ 


Die Formen chen und Tein find felten, doch hört man z. B. 
Conrädchen. Hier tritt nun befonders bei männlichen Namen ein 
eignes Verfahren ein. Aus Friedrich, Heinrih, Conrad, 
Gottfried wird ein vertrauliches Fris, Heinz, Cunz, Götz. 
Andere analoge dauern nur als verbunfelte Gefchlechtsnamen, wie 
Atz, Dies (aus Ulrich, Dietrich). Die ihnen gum Grund Tiegende 

Verkleinerung entfpringt dadurch, daß der zweite Theil der Zuſammen⸗ 
fegung wegfällt und unberüdficytigt bleibt, der erfle aber durch ein 
binzutretendes 3, gewöhnlich auch mit Verluſt der zweiten Muta, 
eigenthümlich modificiert wird, 


$. 468. 
Wie in gewiſſen Zuſammenſetzungen das zweite Wort, ſonſt der 
Haupttheil lebendiger Compoſition, tonlos werden kann, z. B. in 


- 


Nachbar; To muß in Eigennamen, deren zweites Wort leicht einer 
gewiffen Verallgemeinerung ausgefegt ifl, eben weil eine große Menge . 
ähnlicher Bildungen damit erfolgt, das erfle Wort in der Betonung 
überwiegen. — In fremden Eigennamen pflegt. umgekehrt vornen 
abgefchnitten zu werden: Tips, Hannes, Sepp; Clas aus 
Philipp, Sohannes, Joſeph, Nicolaus. — Ueber unfere verkürzten _ 
Srauennamen Mine, Jette, Line u. a. vgl. oben $. 411. 





Neuutes Capitel. 
Negatio'n. 


$. 469. 


Allgemein betrachtet, iſt in jedem Gegenſatz eine Negation ent⸗ 
halten: gut, übel; Berg, Thal; Tag, Nacht. Zuweilen kann daher 
eine negative Form dieſen Gegenſatz ausdrücken, z. B. nicht gut 

für übel. 


$. 470, 


Im Grund fagt jedoch der Gegenfab etwas Schärferes aus als 
ber bloß verneinende Satz. Jeder Gegenfah enthält wol eine Ne- 
gation, aber nicht jede Negation einen Gegenſatz. Das Wefen ber 
. eigentlichen Negation befteht alfo in der logiſchen Leugnung eines 

Satzes. Durch nicht gut wird das pofitive gut zwar aufgehoben, 
aber es wird unbeſtimmt gelaffen, ob übel oder mittelmäßig 
eintreten fol. 


$. 471. 


Bei Sat und Gegenſatz Tann man auch umkehren, den Gegen⸗ 
fat zum Sag und diefen zum Gegenſatz machen; bei der Negation 
st Pofition die überwiegende Regel, Negation die Ausnahme. Alte 
Negation if aus dem Grunde ber Pofition aufgefliegen und feht 
fie voraus. 


$. 472, 


. Die Negation ift nichts Neues, fondern eine bloße Modification 
der Pofition, die dur eine Einſchaltung in den pofitiven Sag 
erfolgt. Urfprünglich befteht dieſe Einfchaltung in einer möglichft 
einfachen Partifel von eben fo fchneller als ficherer Wirkung. 
Allmälich aber pflegt diefe verneinende Partikel fi auf das engfte " 
mit andern Wörtern zu verbinden. Oft auch erfcheinen in ihrem 
Geleit finnliche verftärfende Subftantive, welde fogar die negierende 
Kraft von ihr ab und auf fich felbft ziehen können. 


— IS —— 


J. Einfache Negation. 
§. 473. 


Die conſonantiſche Negation gründet ſich weſentlich auf N, dem 
noch ein kurzer Vocal beigegeben wird, ihre urſprüngliche Formel in 
deutſcher Sprache lautet ni. Regel iſt, daß die Negation überall 
unmittelbar vor dem Verbum des Satzes ſteht, was im Goth. und 
Ahd. auch der Fall iſt. Im Mhd. findet ſich ne und en, beide vor 
dem Verbum. Mancherlei Gründe wirkten, um allmaͤlich (ſeit dem 
13. Jahrh.) die einfache Negation vor dem Verbum zu untergraben. 

d. ift fie vollfommen erlofhen und muß überall durch das 
nachfolgende, anfänglich bloß verftärfende, nicht erfebt werden.  - 
Anm. Ein ver Sprache nachtheiliges Ereignis: wir haben bie einfache, 
gefünige Form einer fo oft nöthigen Partikel mit einer fchwerfälligen 
vertauſcht; wir haben ihr den natürlihen Plag vor dem Berbum ent- 


zogen und find darum mancher feinen Wendungen verluftig worden, die 
in der älteren Sprache möglich waren. 


Il. Berftärfende Negation. 


$. 474, 
Die Verftärfung der Verneinung ift doppelter Art: entweder wird 


durch Anwendung zweier negierenden Partikeln ein größerer Nachdruck 


hervorgebracht, oder der negierende Sinn durch Zufügung eines 
pofitiven Wortes gehoben, das die Negation begleitet, Hierbei 
ereignet ſich denn nicht felten, daß die eigentliche Negatiopartifel 
untergebt und ihre verneinende Kraft ganz von dem pofitiven Wort 
angezogen wird. 


$. 475. 


Der erfte Fall, daß fih zwei Negationen in einem Satze 
häufen, ohne dadurch deffen Sinn in einen pofitiven umzukehren, 
fommt oft in unfrer alten Sprache vor; auch in der neuen, wenn 
gleich nicht fo oft, z. B. Reine Beſſere wiffen fie nicht. (LXeffing.) 

ur fein Berluft nicht droht. (Reffing.) Reine Luft von feiner 
Seite, (Goethe.) Dan fieht, daß er an nichts feinen Antheil 
nimmt. (Goethe) Iſt fie (die Sonne) niemals nicht auf und 
niemals untergegangen, (Klopſtock.) Alles ift Partei und nirgend 
fein Richter. (Schiller) Das visputirt ihm Niemand nit. 
(Schiller) Nie feine Mutter büßte fo viel ein. (Tieck.) Diefe 
burften aber auch bei feiner KRatechismusprüfung in der Nachmittagse 


kirche nicht fehlen. (Arndt) Das iſt Fein Spielzeug nicht. (Cha- 
miſſo.) Zu dem zweiten Fall, in welchem fi die Negation durch 


einen pofitiven Ausdruck flärkt, gehören die Redensarten: Ich 


. frage den Teufel darnach; das taugt den Henker; oder: ich frage 


nicht den Teufel darnach; das taugt nicht den Henfer, 


Anm. Diefe Conftructton begegnet am meiften bei ven Dichtern des 
13. Jahrh., die den verneinenden Ausdruck des Satzes überall vurch 


— 184 — 


ein hinzugefügtes Bild zu heben ſuchten, 3. B. daz hulfe niht ein 

lat; ern gzbe drumbe niht ein strö; nü wil ich achten niht 
ein spriu; ich were niht einer böne wört, er ahte niht 
ein wicke; g&ben niht ein nu3schaln; din rede hilfet niht 
ein ei u.a. — Unfre Bollsfprache gebrauspt noch mehr ſolche Redens⸗ 
arten als unfre Schriftiprache, 3. B. das if feine Bohne, keine 
Dfeife Tabak, Teinen Schuß Pulver werth ua. 


I. Prohibitivnegation. 
, | $. 476. 

Im verbietenden Sinne werben früber theils die negierenden 
Partikeln, theils einige befondere gebraucht. Nhd. iſt die einfache 
Berneinung unmöglih und das nicht kann dem Imperativ nur 
nachgefebt werden: ſorge nicht. Indirecte Negativpartifeln find 
daß nicht, auf daß nicht. 


Zehutes Eapitel. 
Frag,e und Antwort. 


$. 477, 


Hierher gehören Frage und Antwort nur, infofern fie auf bie 
Form der dazu dienenden Wörter Einfluß haben. Das Weitere 
darüber, wie auch über die Negation, fällt der Syntar auheim. 


1) Frage. 
$. 478. 


An fich betrachtet gibt es zweierlei Arten der Frage. Die Eine 
will durch die Antwort Auskunft und Beſcheid über irgend etwas 
erhalten, ohne daß damit bejaht oder verneint zu werben braucht; 
die Andere hingegen verlangt den bejahenden oder verneinenden Ent- 
ſchluß des Antwortenden zu vernehmen. Dort fommt es auf den 
erfragten Gegenftand, hier auf das Wollen over Wiffen bed Be⸗ 
fragten an: Wen Tiebfl du? Liebft du ihn? Die erfle, oder ob- 
jective Frage wird in ber Regel durch den Anlaut, bie zweite, 
oder fubjective, durch ein Suffir ausgebrüft. Auf die objective 
Frage iſt eine vielfache Antwort möglich, die fubjective erwartet Ja 
oder Nein. — Endlich find alle Fragen direct oder indirect. 


6. 479, | 


Das Hrincip objectiver Frage erſcheint bei der Bildung des 
Interrogativpronomens und der daraus abgeleiteten Par⸗ 


rm 





— — — — — 
‘ 


— iss — 


tikeln. Dieſen Wörtern klebt die Frage weſentlich an. In unferer 
Sprache begründen die Eonfonanten hv den Fraganlaut, was 
fih allmaͤlich ſchwächte und in w übergieng ($. 342). — Unter den 
Suffiren, die bei der fubjertiven Frage in Betracht kommen, 
fiebt das goth. -u oben an, woraus fih nu, aus ni-u (Ilatein. 
non-ne) bildete. Diefes nu hat Feine beftimmte fragende Keaft, 
bängt fih an fragende und ausrufende Partikeln, um deren Eindrad 
zu erhöhen, und zieht den Begriff einer zweiten Unbeflimmtheit, die 
halb Frage, Halb Interjection iſt, nach ſich. Auf ſolche Weife 
pflegen wir unfer nun hinter andern Partifeln einzufchalten: wolan 
nun! was nun? ja es an und für fih bald ahmahnend, Bald 
fragend zu verwenden: nun! nun? 


Anm. Die Bollsfprache fagt nu? na? no? 


2) Antwort. 


$.AR. 


Hier handelt es fih nit um die Antwort auf objective 
Fragen, wofür es feine befondern Partifeln gibt, fondern bloß um 
die Antwort, welche auf fubjective Fragen folgt. Diefe kann 
entiveber bejahen oder verneinen. Die Bejahung ergeht. auf dreierlei 
Weife, entweder durch bloße Wiederholung des in der Frage aus⸗ 
gebrüdten Hauptworts, d. h. des Worte, worauf das Gewicht der 
Trage Liegt, oder durch eine bloße zufichernde Partikel, oder Are 
durch Verbindung der erften und zweiten Weife, 3. B. Willſt du. 
Sch will; willſt du? Ja; willft du? Sa ich will. — Gtatt ber 
einfachen zufichernden Partikel ſteht in feinerer Redeweiſe eine ver 
ftärkte: ja wol! freifich! ja freilich! freilich wol! — Die Berneinung 
wird ausgebrüdt durch nein! was goth. n& iſt, eine Formel, die 
fi) weder in ber hochdeutſchen Sprache des Volks, noch in der des 
vertraulichen Umgangs völlig hat ausrotten lafſen. 


- 


[4 


Berbefferungen. 


© 2. 3.8.9.0. iva f. tra. 

.— .29 » = Confonantanlaut f. Eonfonantenlaut. Ä 

4.6. = ſetze nach u. ſ. w. hinzu: aber unterblieben; der Lefer - 
wird dieſelbe leicht ergänzen. 

- 74. = 20. = » Namenwerden f. Nomenwerben. 

« 92. » 10. v. u. nad f. noch. 

» 98. =» 13. -» « ausfallenvden f. aushaltenden. 


= 


Drud von C. P. Melzer in Leipzig. 


Kehrein's Grammatik 


der 


neuhochdeutſchen Sprache. 


Srammatif 
Der neuhochdeutſchen Sprache 





nach 
Jacob Grimms 


deutſcher Grammatif 


bearbeitet 


von 


Joſeph Kehrein, 


Profeffor am herzoglich naſſauiſchen Sumyaflum au Hadamar, des Vereins zur Erforfhun 
der rheinifchen Geſchichte und Alterthümer Pr Ma u correfpondirendem und der Geſellſcha 
für deutfche Sprache zu Berlin außwärtigem Mitglieve, 


Zweiter Theil 
Syntar. 





Leipzig, 1852. 
Berlag von Otto Wigand. 





— 2 — —— 


Vorrede. 


Ueber die Wichtigkeit einer tüchtigen Kenntniß feiner deut⸗ 
ſchen Mutterfprache für Seven, der auf Bildung Anſpruch 
macht, hier reden zu wollen, hieße einen fchwachen Nachflang 
von bem geben,. was tüchtige Gelehrte Gehaltuolles bereits 
barüber geiprochen haben. 

NRücfichtlich der Art und Weife, ber Methode, des 
grammatifchen Syflemß, die deutſche Sprache zu flubieren, 
haben fich, meines Wiſſens, drei Hauptrichtungen geltend 
gemacht: die empirifche, die philofophifche, die hifto- 
rifche. Jener, als deren Repräfentant Adelung gelten Tann, 
trat eigentlich die philofophifche, als deren Repräfentant 
K. F. Beder dafteht, entgegen, und fuchte die Sprache mehr 
zu eonftruieren, indem fie von ben Formen bed Denkens 
ausging, um bie richtigen Formen der Sprache zu finden. 
Man ging und geht darin aber vielfach zu weit, indem nur 
das gelten fol, was mit dem aufgeftellten Syftem überein« 
ftimmt, wobei eine Sortentwirfelung der Sprache kaum 


möglich ift. Zwiſchen beiden Methoden fteht die hifkorifche, 


— vv — 


als deren Schöpfer 3. Grimm anzufehen. Diefe Methobe 
hat, wie die empirifche, hohe Achtung vor der Sprache, er- 
fennt aber auch, wie die philofophifche, die Logifche Einheit 
im Bau der Sprache an. Weitere belehrende Bemerkungen 
hierüber finden fich in der Deutfchen Vierteljahr- Schrift, 
1840. 4. 9. mitgetheilt von A. Schott. 

Sch halte den von Grimm eingefchlagenen Weg für den, 
der und bie meifte Belehrung gewährt, ver uns in der Werf- 
ftätte des ewig fchaffenden Sprachgeiftes einzuführen am beften 
geeignet if, und zwar vorzüglich deshalb, weil dieſer hochver- 
diente Gelehrte dem Sprachgenius nicht engumzäunte Gren⸗ 
zen fteckt, über die er nicht hinausdarf, ſondern weil er mit 
finniger Beobachtung und feharfem Bli das poetifche Ver⸗ 
mögen, bie finnliche Lebendigkeit, den noch immer fortfchrei- 
tenden Entwickelungsgang ber Sprache verfolgt und nur 
vor Abwegen zu warnen fucht. 

Noch Niemand, dem es wirklich um Belehrung zu thun 
war, wird bad nun bereit aus 4 Bänden, nahe an 4000 
Seiten beitehbende Werf Grimms unbeftiedigt aus der Hand 
gelegt haben. Gelängnet mag jedoch nicht werden, daß nicht 
Jedermann Zeit und Muße hat, das inhaltreiche Werf Grimms 
ganz zu fludieren: der Eine wählt diefen, ber Andere jenen 
ber behandelten Dialekte zum befondern Studium; einer nicht 
geringen Anzahl Leſer ift e8 vorzüglich um das Neuhoch— 
beutfche zu thun. Einem mir von mehrern Seiten geäußer- 
ten Wunfche zu genügen, bejonder8 aber die gehaltvollen 
Lehren des großen Sprachforjchers nach meinen Kräften wei- 
ter verbreiten und mehr in die Schule einführen zu hel- 
fen, unternahm id) ed, mit des Vf. gütigfter Erlaubniß, fein 
Werk für dad Neuhochbeutfche in einer felbfändigen Form 
zu bearbeiten. — ch befolgte dabei ganz den Weg, welchen 


— — 


der gelehrte Vf. in ſeinem großen Werk eingeſchlagen, ſuchte 
die Regeln mit ſeinen Worten oder doch wenigſtens in 
feinem Sinne wiederzugeben und bie Regeln jelbft durch 
zahlreiche Beiſpicle aus unfern beſſern Schriftftellern zu er- 
läutern und anfchaulich zu machen. 

Ich glaubte es hierbei der Sache felbft ſchuldig zu fein, 
aush auf die andern beſſern Grammatiken NRüdficht zu nehmen 
und in Anmerfungen einen und denandern Punct etwas naͤher zu 
beleuchten, ver fich bei dem Leſen der zahlreichen Quellen als 
beachtenöwerth barbot. — Namentlich wurde bei dem Ab- 
Schnitt über die Bedeutung der Präpofitionen $. 245 f. 
außer Adelung u. a. vorzüglich Beder benugt; wie mir 
denn biefer verdiente Gelehrte außer andern trefflichen Winfen 
auch manches nöthige Beifpiel an die Hand gab, das ich 
dann freilich erft in dem Echriftfteller felbft aufjuchen mußte, 
weil ich nach meinem Plan nicht allein ven Vf., fondern auch 
bie Stelle in feinen Werfen angeben wollte, wo das ange- 
führte Beifpiel zu finden ift. Diefe nähere Angabe fchien mir 
befonders aus zwei Gründen rathfam: einmal um dem Leſer 
ein etwaiges Nachfchlagen zu erleichtern, dann aber und haupt- 
fachlich deshalb, weil mancher Schriftfteller, und hier nament- 
lich Goethe, in feinen frühern Werfen vielfach anders ſchrieb 
als in feinen fpätern. 

Ueber die benugten Quellen giebt nachfolgendes Ver⸗ 
zeichniß Auskunft. Sch glaubte bis auf Leſſing zurückgehen 
zu müfjen, ber gegen bie frühern fo wie gegen jeine Mitzeit 
bis zur Gegenwart herab in origineller Kraft und Reinheit 
daſteht. Von Herder, Wieland, Voß und J. Paul habe 
ich jedesmal nur ein, glaube aber das wichtigfte Werf benutzt. 
Bon neuern und neueften Dichtern wurde Uhland bejonders 
berüdfichtigt: und zwar vorzüglich deshalb, weil er manche 


— — — N ——— 
* 


fonft veraltete Form wieder ins Leben einführte. — Die 
übrigen neuern und neueſten Schriftſteller — wer kann fie alle 
leſen? Wer mag manches von dieſem und jenem Gewagte 
ſchon als Stoff der Syntax benutzen? — Bei der zweiten 
Abtheilung, der Lehre von dem mehrfachen Satze, wer⸗ 
den theilweiſe andere Schriftfleller, beſonders Proſaiker 
(Redner und: Hiſtoriker) als Quellen zu berüdfichtigen fein. 


Der Berfaifer. 


©uetten 


u $. G. ‚Alois ara 1803): 


K. M. = Kiki Meſflade, Sun 8; 1746. 1778. 


8. €. Seting (1139-1781), °.'- rn 
2. Aj. = Leſſings Alte Iungfer, Luſtſp. I 0-00 0. 170. 
| R3 = Emilie Galotti, Tr. 5... - * een, I. 
5% Ze nenn. 217. 
3. Juden, L. 1. : ren 1 
Ig. = der junge Gelehrte, & 3. . - nn UT, 
8 z=alon .. 0000. ee ee, RE 
IM me Mama von Barnheln, L. 8. 2 37 1708, 
u Ka RR BELETIINT 
R. = Nathan, wand. On. = ne. 17 


Yh. — Philotas, Tr. 1......... nn st WÄRSOE 
SH. = Schatz, L. en eh TOD 


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« m. ielaud 4138-1913): - u ai 


= Wielands Oberon, rom, am in 2 Sr ie , 1720, 


6. +. ae (1748-1808). 
1 Pe=Hmbers Speen —*Rꝛèè& Ice —2RR —* 


9. =. v. Soethe (1749--1832).. trend 
G. €. = Goethes Egmoht, Trab. arg ten ern .KTOR. 
1... Fauſt 1. 2 Ehe meer ns 17904831. 
in Delhi. Un nen nn TE 
5: Ob; za. Hermann und-Dovoiban. “ni. Cine. nn ie RIO 
J. ne dr IR, 
Sehen zn Wapıpeit man Dichtnug Cu end 
% = Big, Meifers Lehrjahre, Roman. . . - 1794-17%. 
Nt. == Eugenie, od. d. natürliche Tochter, Tr. 5. - - - 1808 
St. = Stella, SHE 2. 2. 000000 . ST 
2%. — Toranato Taflo, Tr.. 1B7. 
Bi. = W. Neiſters Wanderjahre, Roman. . - . 18211829. 
Bl. . == Werthers Leiden, Roman. oo... 0000. 0. IT 
Dr, = Wahlverwandtiſchaften, Roman - - » « . . . - 1800. ' 


L 


— WM —— 


S. Bom. = Schillers Braut von Deffina, Zr. . 2 . ' +» s 1803. 


DE = Don Karlos, Tr. 3... 0000. 00. 187. 
F. = Fiesko's Verſchwörung, Tr. 85. .... .. 1783, 

Ivo. = Sungfrgu von Orleang, 25... 0. + 1801. _ 
8. = Rabale und Tiebe, Tr. 5. 1784. 
-  R = Wallenfleins Lager. » 2200er. 1800.- 
P. = Piccolomini, Schi Sir dh + midi nee . BBOR 
ia. "= Mäuber, xx. R: Por BF TG hen Ale, d 1781. 
St. = Maria Stuart, Tr. ann 4800. 
er... ‚> Ballenfleins Top, ar. EI nr BON 
AUT U. *Wilhelm Tel, Sch. 5. * 53 1804. 


Aus bem Abfall ver Niederlande Buch 2 u, 4 Branche; "Tomonte 
Hinrichtung; Alba's "Zug; Belagerung son Antwerpen· — Aus 
vem 30jäfr." Kriege Hin und. wiedrr. La 


4 « ; ut 


5%. ‚Voß (1751-1926), n u : | 
io: &..== Boßens, Luile, Jandl. Ayp«. 3, Bopl,, im. Mei. za 1795, 


Sük Panl Fr. Richter‘ Wiss) 
lan Jean Pads“ Sit ; Roman.” nf Pre: 2. 1800-1803. 


„ri 


. 0.8 0 + bb 8 9! MP — ff » n.# — 
9. ubland AST). rn ui im. or 


Hẽ? Uhl. ⸗ Uhland. . tn 


Anmerkung Bei Klopſtock kapfenfe ie;. mi rg 4 Keipzig 
1839, 12. — BeiFeffing. der Ausg. Carlsruhe 1828. 8. ur. alten 
Zungfer, vie bier fehlt, einer frühern Ausgabe.) — Bei Wieland ver 
Ausg. Carlsruhe 1815. 8. — Bei HerverierYlusgi Citlenferte20. S. 

Bei’ But he. der. Ausg. Stutig. is Tüb. 1827, 42, Si iller 

der Ausg, Stüttg. u. Tüb. 1823. 12. — Bei Voß. der ch eipzig 
1837, 12. — Bei 3. Yanl der Busg, Bier t6oT. Be Beranh 
bet. Ausg: Stuttg. 1840. 125 7 mine = =“ * 

Bel den dramatiſchen Berten iſt nach Aſubn ifo Ruftritten· (Acten 
rer Beenen), ‚bei Goethes Jauft jesoch nach Theil und Sekte, bei-den Ro⸗ 
were ‚nach. Büchern und Capiteln citirt. —Eintzeinen Gebichte vvn Klop⸗ 
ſtoch Leſſing, Goethe, Schiller, Upland, Bürger; Salis / Matthiſon, Hölty, 
Elaudins, Stolberg, Rückert find pach hen · Uebirſchrcun angefühert, 


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Kir »ı.73 ‚! . . ten ... — . | . — 2 a 
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Einteitung.. - 2 4 man ein an ai 6-41 
eb. Erſter Abſchuitt. -Berbum im. einfachen Ba . 
Erſtes Capitel, Old au enden ent 
a) Astivum,, eo... ... rennen Be 
'“b) Paſſivum. ee — Bar 09 Fu ..* „13 
'c) Medium. - Zr 0 6 Pe Er Po Per . . 000 oe’. en „» 16 
d) Medlaltntranfitioe, meviafpaflor Beutung: u. .. De . „21 


2* 
— 


— —5 Modus.. .* 
a) Inpicativ. . el .. . * ES Er 7, 
. M Eönfanete . p 
Inperatis ......3 46 

a) Zufnitlo 3 23325 

1) Reiner Juſinitiv.. 3 

‚ . 2) präpofltiönaler Infinitib. "el en, 


wc. DD Arufatio, . > ee aie en me er een 
bh Rominpip. NE u 00R 
— een ern 
————.rr rd 
:@) Praſens.. zer einige BEN Tre ee» 
R b) Präteritum... . EDER Zur Ze ZupR IuPE Sr. ZU „DEE BE BEE Ze Zu BE Zu Zu BE BEE Zu zu 5 „ 
. Ellipfen. des Auxiliaraæ.. ovo .. oe — — — —— 
. 6) Futirum.. at dee „ 100 
Biertes. Gapitel. Numerus, ... ebene 
Fünftes. Sapitel.. Perfon. u urn. mn 109 - 
a). Derfönlide Pronomina. .- sure. see ner 111 
3) Unperfönliche Provomina.... .. er . —. 114 
Imperſonalia...... —R —B— „ 121 
N . Zweiter: Abſchnitt. Romen im eian den u DE ' 
Erſtes Eapttel: Begriff des Romens.. TE, 130 
Nominalellipſen. 0... Vo, „en, sl, „137 
a om Capitel. Genus und Rheru, . a 


a. 0 [Te BB 37 LE 2. ? it 


Mrittes, avi. Pronomeann.. EP HA SEE DEE IE DE Ze SU Zr Ze DE U 
db). Perfönlihes Prongmen, . 0... 0 era. "rn pr 
I .a) Reflerive Form. co... eure. f: Eu tn ‚.„, 457 
‚coc, .D) Geſchlechtige Form. =. ee asp ngt sun 3109 
642) Poſſeſſives Rronomen. ..r A Weiten EU ID, 40 


u or 
; 


N 


. 7 Ks t . 
ae | Ss. 25 1x 
. * 8 


— X — 
Biertes Capitel. Die Übrigen Pronomina. - 
| 1) Artilel.. 0 000 0... 616 
a) Form bes Artileld, . | vo) —X m .. oo... .. 164 
b) Gebrauch des Arlilele.. © oo 00 oe Senne en ey 166, 
‚r Dr Eigeutlihe Demonfrativa,. - - 2 00 00 ee .3, 18 
3) Interrogettvpronsmen. wii. Asissint a 9 BYE oo „4181. 
7 4) Unbeftimute Pronomina .. 0.0.0 ve) ee IR 
Fünftes Capitel. Flexion. . vr —8————— 47 184 
1). Weggeworfene ſtarke Flexion.. einen 186 
2) Subfantiocafus ohne Slerion.. 0. 0.0 nenne ern BT 
b) Adiectivcaſus ohne wen en 0. 00.» . . „ 1% 
2). Starte und fhwache Form. . - .- -. ... ...... |: GB: 
a) Schwache Form...» > uo 0er. .... |: -> 
d) Starke Börm.. one. 5 53236 
Sehfes Capitel. kaſus. . . .... ...... er.» MR 
‚.A) Berbaltedion. .. » > 0 ve nern. ne, 208 
4) Romimnatd. . ee. . ernennen 204 
5 Acxuſativ......... nen O6 
3 Den nn nn nn 
. DA. ee ee rer en. 27 
By Rominaliechin. .. 2... TE en 231 
..  P) Genitiv. u. oo ' 
. a) Venitiv abhängig von Subſtantiven. ... “si, 2832 
"DM. et. a 4Adjectiven.. .. „233 
c) — Pronominen. „234 
— en Buhkwärkem ee, 285 
. 9) Dativ. FE Ze .“ a 
) Dativ, espängig von Sußftantiven, rien 236 
: b)- - Üdlesliven. vente 5.297 
3) Ascufativ.. Deere 238 
J Y 2 Accufatio abhängig son Adjectiven. 4 5 239 
‘© Partilelrechion, -. -. .- - Pe ... ne. BO 
A eG eo... RD 
2) Conjunctionen und. Snierjeetionen. 41 
or 3) Präpofitionen.. - 22 u lo. .. ey 2 
8) Rection ber Sräpofitionen. . rn 244 
b) Bedeutung ber Irkpefltionen.. 3:= =.% © ery.en ne 245 
ei. 0) Gebrauch Ger Präpofitionen. » > + to ec ne u 2a 
ui 2 Pripofikionen neben Berbiö.....-... +. Pen ng 
1. ) beim Subftantiv. Kowen ... : .. .: 81 
7) beim’ Adjectiv. : 324 „1290 
2-0) bet Sronpm. „ Zahfiwörten und Siperitiorn. sit, 300 
Whebintee Eapitel: Abſolute Caſus. Ten Bas 
Mpfointe Romina; 2 ©. 5 © —B enededee ec 5802 
Abſolutes Subſt. und Anfecho: or een ann in, 30 


Abſolute Parkicipias =... 


Ka BE SE SE EEE EU 


tee Earpitel,- Mooreb- und Mdfkchduen wei sw una” 





—. 
[3 


en m ED pin a ee HH a = u 


Erfie Abtheilung: 


Syntar des einfachen Sates. 


er 


Syntar. 


Einleitung. 


| 6 I. - 

Laut, Wurzel, Wort, Bildung und Flerion bes Wortes enthal- 
ten Sinn und Bedeutung, bie aber erft durch das Gefchäft des Den- 
fens Iebendig werben. Reden heißt Gedachtes ausfprechen. Jeder 
Gedanke verbindet ejnen Gegenftand mit einer Borftellung ; jeber 
Satz ber Rede fordert daher ein Subject und ein Prädicat. 


” . $. 2. 

Weſentlich gibt es nur zwei Wortarten, Nomina und Berba, - 

Nomen iſt das Subject, welches ausfagt ‚oder von dem ausgefagt 

wird; Berbum iſt die Ausſage. Das Berbum fchließt Die Ausfage 

num entweder vollſtändig in fih, 3. B. Ser Menſch Tebt, ober es 

Hefert eine bloße Copnla, durch welche dem Subjert ein anderes 

Nomen prädicirt wird, 3.8. Gott ift ein Geiſt; der Menſch iſt 
unſterblich. Dies beigelegte Nomen nennen wir Prädicat. 


Anm. Partikeln find nichts als Nomina, zuweilen Verba, mehr ober 
weniger bervumfelt. | 
$. 3. 


Das Subject wird unterfchieden in Cafus rectus (Nom., Bor.) 
und obliquns (Gen., Dat., Aec.); beim Actioum ifl, dem Begriffe- 
nach, der obliquus abhängig vom rectus, beim Paffivum der rectus yu rc". 
som obliquus. Des Eaf. rect. entbehrt auch nicht ber einfae 
Sad, der obliquus kann Häufig mangeln. Der Caſ. rect. iſt im .r. 
Werbum euthalken, oder gehört dazu; bloß Participia ober Infini 

ive beziehen ſich auf oblique Caſus. , 
3 - $. 4. 
Einfach heißt der Sag, wenn er nur einen Caſ. rect. als 
Subjeet und eine Ausfage in fich fchließt, z. B. Sch lebe; ich Tiebe 
dich; wir Tieben euch. Wir Iaffen aber auch den mehrere Subjecte 
und Prädieate unmittelbar durch Conjunction verfnüpfenden Sag 
einfad fein, 3. B. Menfchen und Thiere atbmen; ber Baum blüht 
und trägt. Sind auf andere als bie eben bezeichnete Werfe Caſus 
recti und Berba gehäuft, fo iſt ber Satz mehrfach, 3. DB. der Menſch 
- geht, der Vogel fliegt; ich Iehe, wenn Gott will; bitte in, daß er 
omme. 
Kehrein Grammatitk. II. 1. | 1 


‚ 


x 


— 2 — 


u $. 9. | 

Die Wärme der Rede beruht auf der Ausſage. Wir würden 
fhweigen, wenn wir nichts von den Gegenfländen auszufagen, wir 
würden fie nicht benennen, wenn wir ihre Cigesfchaften nicht zu 
melden hätten. — Der Caf. vect. (mie der obliq.) Mann oft zugleich 
in der Berbalform enthalten fein; bloße Imperative, wie lauf! geh! 
(ja der einzige Buchſtabe i im Latein.) bilden vollfländige Säge. 
Nie vermag umgefehrt im Nomen die Ausfuge zu fleden; etwas 
anders find Ellipſen. Die Syntar bat alfo die Verbalverhäktniffe 
vor den nominalen abzuhandeln. 


Erfter Abichnitt. 


Verbum im einfahen Satz. 

| 5. 6 
Hier find in fünf Capiteln Genus, Modus, Tempus, Numerus 
Perfon zu betrachten. Die bebeutenderen Berbalwirlungen 
entfalten fih erſt im mehrfachen Sap, während die nominalen 
faft ſchon im einfachen zu erſchöpfen find. | 
Anm. In Sprachen mit volllommner Flerion würden dieſe Berhältnifie 
wenig oder Teine Erwägung fordern, Mit. der reichen Fülle ihrer For- 
men richten die urverwandten älteren Sprachen einfach aus, was Wir 
bus — *2— äußere Mittel, beſonbers wurd imfchreibungen, gu 
n haben. 


Erftes Enpitel. 
—Gen u 6. 
6, 7. 

Jedes Verbum drüdt eine innere Thätigfeit aus; bleibt biefe 
bei dem thätigen Wefen felbft flehen, fo heißt das Verbum intram- 
ſitiv, wendet fie fih aber auf einen andern Gegenſtand, tranfi- 
tiv. Das Tranfitiv kann dur Erhebung des von ihm abhängi 
Caſ. oblig. zum reet., wobei denn ber vorige reet. ein obliq. wird, 
in ein Paffivum umgegoffen werben. Der Sat: Ich liebe dich, iſt, 
obenhin genommen, gleichbebeutend mit: Du wirft von mir geliebt. 

hr feinerer Unterfehied läuft dahin aus, daß jener den Begriff des 
rkens, diefer den der Wirkung hervorhebt. - 
nm. F bentfihen Se i —* ein ebene, Da fsumt 
ei en ir rt eine on He e em Au er 

* ler FR bei Kira 5 einige Sapıy. foäter war 

e en, | 
’ 6.8, ' 
Das intranfitive Verbum bezeichnet eine fliffe, innere Thatig⸗ 
keit⸗ das tranſitive ein ſich außerndes Wirken, Handeln. fe 


— — — 
3. 


fern nitt jene Thatigkeit ſich in ſich felber rührt, ober Gegenftand 
dieſer Einwirkung wieder dee Wirkende ſelbſt ifi, ber Thuende gleich⸗ 
fam zwei Eindruͤcke, des Thuns und Leidens, an ſich zu empfin- 
den bat, entipringt ein gemiſchter Mittelzuſtand, das Medium. 
Anm, Einige Sprachen haben für den wichen Activ and Paſſiv ſchwe⸗ 
benden Begriff eine eigene Form, das Medium, entwickelt. Auf 
welche Weife die beutihe Sprache ſich dem Wefen des Mediums zu 
nähern furht, wird Die folgende Unterſuchung Tehren. 


$. 9.- u Ä 


Activ und Paffiv find entweder beſtimmt oder unbeſtimmt. 
iſt das Aetiv, wenn das Dbjert, auf welches feine Thaͤ⸗ 
tigfeit geht, im Say ansgebrüct wird, z. B. 3 Tiebe dich; unbe- 
Fimmt ift es, fo oft dies nicht gefchieht, 3.3. Ich liebe. Beſtimmt 
dad Baffiv in dem Saß, welchem der aufs Verbum bezügliche 
Caſ. oblig. nicht fehlt, 3. B. Ich werde von bir geliebt; unbes 
ſtimmt ift es, wenn ex fehlt, 3. B. Ich werbe geliebt. 

‘Anm. Oft fießt beim beftimmten Paffiv Feine Präpoſttion, ſondern nach 
"  Jatein, Diehterweife ver bloße Datid: Aber, unhörbar den Engeln, nur 
ſJich und dem Sohne vernommen, ſprach der ewige Bater. EM. 
4 140. Diefe Couſtruction findet ſich bei Klopfod fehr oft, 


in 9) Artivum. 
u S. 10. 


7 Das Actioum hat die vollfte, reichfte Form, deren Darſtellung 
die eigentliche Grammatik Tiefert. Hier. fann nur noch, außer der 
Bedeutung, von ihrer Umfchreibung die Rebe fein, infofern fie 

durch das gefammte Activum reicht. — Wie bereits angedentet, fo 
ftent die active Form das thätige Sein des Subfectes dar. 

'S ift ein Alzeller Mann, er bat fein’ Ehr vertheidigt und den 
Wolfenſchieß erſchlagen. S. U. 1, 1. Drum fieht er jebes 
Bievermannes Glück mit ſcheelen Augen an. ©. TI. 1,2. Ich 
ſoll dich heut nicht fallen, nicht verfiehn. S. P. 5,1. Du 
haft den Oueftenberg bei mir gefehn; noch kennſt Du nur fein 

. Dffentlich Gefchäft; auch ein geheimes hat er mitgebradt. ©. P. 
- 5,1. Du haft mich bier als einen Wüthenden getroffen. ©, 

T. 2, 4. Die Meinigen ſeh' ich in dringender Gefahr. G. 3. 4,5. 


S. II. 


Wenn dar Begriff bes Verbums in das Participium Praͤſens und 
das Verbum ſubſſantivum (fein) aufgelöft wird, fo entſpringt ein 
regerer Ausdruck der Eontinnität, des Nicht⸗Aufhörens der Handlung. 
Wer eſſend iſt, ner. ißt in einem fort, wer effend war, ber aß 
nicht bioß einen Biffen, fondern war noch im Eſſen begriffen. Un⸗ 
fexer nenhochdeutfchen Sprache iſt dieſe Umſchreibung fremd geworden. 
Sagen wir: das. ift einleuchtend, das war überzeugend, 
fo fteben ums dieſe Participia adjectiviſh. .. 
10 


— 4 —. 


Aum. Ich war mir Sie in dem Borginenier nicht vermuthend. 
L. Eg. 2,7. Und fo will ich denn eioig ich Lieben, wie ſchweigend 
du mir au, wie verſtummend du biſt. K. M. 4, 818. Diele Bei- 
fpiele find, obgleich darin Verbalkraft gefpürt wird, doch mehr ad⸗ 
jeettoif , ai z. 3. das mittelhochd. minnende wären; bitende bin; 

arbende sin. 


$. 12, 


Andere, der frühern Sprache angehörende Umfchreibungen find 
werben mit dem Part. Präf. 3. 3. er wirt weinende; werben 
mit dem Infinitiv: er wart weinen, (Der Herr zu Petro fagen 
was. H. Sachs (+ 1576): Sanct Peter mit d. Geiß.) und bie 
ber Auriliarbedeutung von werben nahe Tiegende von kommen, 
die auch im Neuhochdeutſchen noch gebrauhlih fl. Kommen ges 
ſellt fih vorzüglich zum Part. Präter, der eine Bewegung ausdrü⸗ 
enden Berba. 
Egmont fam mit einigen auf ven Markt geritten. G. E. 4. 
Ein Reiter kommt berangetrabt. ©. F. 2, 127. Das Frauen- 

. zimmer fam ihnen entgegen getreten. G. Lj. 2, 4. Ein junger 
Mann fam durch den Wald gefhlihen. G. %. 2, 4. Eilig 
kamen Bebienten gefprungen. ©. %. 3, 3. Als wenn bie 
Säfte angefahren fämen. ©. %. 3, 12. Schwäne fommen 
aus den Buchten hergeſchwommen. G. F. 2, 126. Da kommſt 
du ſchon berborgebänft. G. F. 1, 77. Zu Taufenden fommen ' 
wir getanzt. ©. F. 2, 93. Heulend kommt ber Sturm ge- 
flogen, S. Glocke. Er fah mich daher gefhritten fommen. 
©. T. 3, 1. Die Wetterbähe kommen geraufht und ge- 
fhoffen. © Bom 


Anm. So gebraucht Uhl auch gehen: Dann geht’s durch Tannenwäl⸗ 
der in’s grüne Thal gefprengt. Der Neberfall im Wildbad. 


b) Paſſivum. 
63. Ä 
Die paffive Form brüct nicht die Thätigfeit des Subjectes, 
fondern die des Objectes aus, wobei jedoch auf den Unterfchled des 
beflimmten und unbeflimmten Paſſivums ($. 9.) Rückſicht zu 
nehmen iſt. 
Ferrara ward mit Rom und mit Florenz von meinem Bater 
diel gepriefen. ©. T. 1, 1. Er (ver Becher) könnte kredenzt 
fein von der Liebe meiner Schwefter. S. St. 1,6. Verord⸗ 
net ift, daß jeder Angeffagte durch Geſchworne von Seines⸗ 
gleichen ſoll gerichtet werben. ©. St. 1,7. Durd Eine 
bintre Pforte führe” ich Euch, die nur durch Einen Daun ver- 
theibigt wird. S. T. 5, 2. — Raum wird in meinen Armen 
mir ein Bruder wundervoll und fchnell geheilt. G. J. 4,5. Ein 
Effen wird gegeben auf dem Schloß. S. T. 5, 2. 


+ 








— 5 — 


S. MM. 


Sirnd bie Umſchreibungen des Activums nicht nothwendig, ſon⸗ 
dern find fie hervorgerufen aus abweichender auxiliariſcher Bedeu⸗ 
tung, bie fih im häufigen Gebrauch verallgemeinerte ; fo ift Die Um⸗ 
ſchreibung im Paffioum durchaus nöthig, da felbft die älteſte 
Sprache, die gothifche, nur einzelne unumfchriebene - Paffioformen 


zeigt. Die althochdeutſche Sprache umfchreibt das Palfivum mit _ 


wesan und werdan, in der mittelhuchbeutichen bat werden entfchie- 
den den Sieg davon getragen; bie neuhochdeutſche Umfchreibung 
verleiht dem Prajens wird, dem Imperfect ward und wurbe, 
dem Perfect ift worden, dem Plusquamperfect war worden. 


Anm. Diefes worden neben dem Partic. 3.8. if geliebt worden, 


bat Luther in der Bibelüberfeßung noch nicht, wol neben Adiectiven 
und Subflantiven, 3. B. Er iſt reich worden, if dein Knecht 
worden. — Die Lehre mancher Grammatitr: Geworden flehe 
tn Verbindung mit Subft. und Abf., worden in Berbinpung mit dem 

artic.“ wird von den Schriftfiellern nicht gewahrt. ©. 3. 2, 1 fagt: 

enn was ich worden wär, Z. 4,2: Später wär’ es nur um deſto 
ſchlimmer worden; und in dem Gedicht „Die Mufageten’’ (2, 
100): Endlich iſt es Sommer worden. BeiH. 1, 6. heißt es: Das 
einzige mittellänpifche Meet, wie fehr if es die Beflimmerin ves 


ganzen Europa worden. % N. 1, 3, fast: Schatz meiſter big ich. 


et ihm worden. 
J 


u $. 15. . | 
Da, wo wir bloß iſt oder war dem Partic. Präter. zufügen, 
ſteht das Partie. mehr adjectiviſch, z. B. Alles iſt verloren; alle 
Brunnen waren erſchöpft. Doc unterbleibt worden, auch im 


‚wirklich paffiven Sal, überall, wenn durch das Präteritum nicht. 


Bas Borübergehen, fonbern das Fortdauern eines bewirkten 
Zuftandes dargeſtellt wird, z. B. der Feind iſt gefchlagen, der Kö⸗ 
nig zieht als Sieger heim; die Ruhe war hergeftellt, alle Gefchäfte 
nahmen ihren gewohnten Gang. Sobal⸗ aber der Zufland aufge» 
hört Bat, iſt worden unentbebrtic, z. B. Sch bin oft verleumdet 


worden, und habe gefchwiegen. Dem Infinitiv Präter. Paſſivi iſt 


worden auf gleiche Weiſe bald erläßlich bald nöthig, z. B. die Ruhe 
ſoll Hergefteflt fein, und foll bergeflellt worden Fin Der Im⸗ 
perativ meivet werben, 3. B. Sei gelobt! nicht werde gelobt! 
Der Zufinitiv nimmt nur werben an, alſo gegrüßt werben, nicht 


gegrüßt fein. 


Iſt mein Prozeß entfchieden? S. St. 1, 2. Die Königin iſt 

ermorbet auf dee Londner Straße. S. St. 3, 7. Du bift ganz 

beranbt. ©. St. 1, 2. Seid mir gegrüßt, befreund’te Schaa- 

ren! Sch. Kr. d. Ibycus. Gegrüßet r id mir, eble Herrn, ge- 

grüßt ihr, ſchöne Damen! G. Sänger. 

Anm. Steht bei dem Inf. fein, fo ſteht das Partic, mehr adjectiviſch, 
3. B. Ich mag von Dir miht bedient fein. L. Mfg. 1, 1. 


— 6 — 


>) Medium. 9 


8. 16. zu u 


- 


Das beftimmte Paffioum war eme Umſetzung des tranfitf- 
ven Activums, es forderte jederzeit zwei Gegenſtaͤnde, ben thuen= 
den und den leidenden. Wenn aber nur ein Subjeet iſt, das 
feine Richtung gegen ſich felbft nimmt, fo entfpringt das Medium 
(Reflerioum), das fowol aus dem tranfitisen als intranfitiven Bere 


bum erwachfen kann, im der deutſchen Sprache übrigens jedesmal . 


amſchrieben werden muß. 
nm. Das Medium kann bloß in das unbeſtimmte, mie in das bes 
ftimmte Paffio übertragen werben. Man hüte ſich, bie Begriffe us 
tranfitiv und Medium zu mengen. Das \ntranf. ift bie auf kei⸗ 
nen andern Gegenſtand, au nicht auf fich ſelbſt bezogene Thätigkeit. 
Nicht alle Sprachen befitzen für den Medialbegriff eine eigene Form; 
eine fofche wird fich zwiſchen ver activen und paffiven im ber Mitte 
haltend von beiden einzelne Itzlonen entnehmen, wie wir Died z. B. 
an der griechiſchen Sprache ſehen. 83* 


. I7. 


In allen Sprachen kann ein Verbum durch Beifügung des per⸗ 
ſönlichen Pronomens auf ſich ſelbſt zurückgewieſen werben, nem⸗ 


lich des Pronomens, welches der Perſon des Verbums im Satz 


entſpricht. Das Subject des Verbums wird dadurch zügleich fein 


nächftes Object. Aus dieſer Zurückführung erwächſt jedoch kein 


formelles Medium, ſondern nur ein materieller Erſatz dafür. 


Die Zmüdführung fest ein noch unbeſtimmtes Aetivum voraus, Das - 


eben erſt durch fie beftimmt werden fol. Der Mebiafbegriff: Ich 
nenne mich, ſteht gleich dem unbeflimmten palfiven: ch werde 
genannt. 


Anm. Ein fhon fir em anderes Object beſtimmtes Verbum läßt Pr . 


in fein Med. wandeln, fo wie fein Meb. in ein beftimmtea Patlo 
übertyagbar if. Der Begriff des beftimmten Activs: Ich nenne 


dich, muß ſich in ven befimmten paffiven umfeben; Du wirft von 


mir genamt, dad von mir iſt dabei unerläßlich. 


6. 18. wre 

Die dem Medium natürliche Unbeftinmthert oder Objechiofiäfet 
bringt mit fih, daß anf der die Stelle des Mebiums_ vertretenden 
Beziehung bes perfünlichen Pronomens zu feinem Subject Fein 
Nachdruck Tiege, denn fonft bleibt die Bedentung activ. Der Sab: 
Er tödtet fich (interficit se ipsum) iſt fein medialer und darf nicht 
mit dem paffiven: Er wird getöbtet, taufchen, weil hier daran gele⸗ 
gen ift, die Handlung fühlbar auf das Subjert zu bezishen: Man 
pflegt im medialen Ausdruck das bezügliche Pronsmen unbetont 
zu laffen, im aetivon zu betonen, z. B. Sch nenne mich (nbmi- 
nor), ich nenne mich (nomind- me); er fürdtet ſich, d. h. er am- 
pfinbet Furcht, ey fürchtet ſich, d. h. er fühlt Furcht vor fich- ſelpft. 
Anm. Wir lernen bierans, dad Med. if 


ei 
Hervorhebung der Innerlichkeit des Berbalbegriffs, und vefto leichter bes 





ne gelinbe, milde, poetiſche 


— 7 — 


rachver wiſecruvg aniſche Ferm für 
ersten ER, e + 281 geſtellt und — werden, konnte. 
Einzelne Sätze können medial ober activ zu nehmen fein, ven imfän- 
ven nach, und auch hieraus ergibt ſich das vielfache Neberftreifen des 
Med. in achven ober pafſtven Sinn. 


g. 19. 


Das die organiſche Form des Mediums erſetzen helfende pre⸗ 
nomen läßt ſich ſowol tranfltiven als intranſitiven Verbis hinzu⸗ 
fügen. Bei tranſitiven geſchieht es am gewöhnlichſten und nur auf 
fie ra fich der vorhin angegebene Unterfchieb zwifchen Betonung 
und Nicht Tritt das Pronomen zu intranfitinen, Ans 
es faft ee und Fönnte Entbehrt werden, ohne — ich d 
Sinn bedeutend änderte: es iſt eine Zugabe von leiſer Wirkung, 

wie fle dem Weſen des Medinms grade entſpricht, 3.2. Exr eilt 
Kb... Durch das teaufitive Verbum Tann dabei ein tranfitiner 
Begriff dargeſtellt, oder der tenufitive Begriff als ein paffiner ges 
nommen werben, woher aber fein thaͤtiges Sein binzugebacht wird. 
Was fich der Tell getraut, das Fonntet Ihr wicht wagen? 
©. &I. 1, 1. Da Öffnet ſich behend ein zweites Thor. ©. 
Handſchuh. Nun erfältt ſich mir ein altes Wort ver Weiſſa⸗ 
gung. ©.3op. 4, 4. Die Pflanze kehrt freudig ſich zum Lichte, 
S. X. 1, 4. Der Trefflihe ließ ſelber 19 berab, bie hoben 
GBloupensichren: wir gu deuten, ©, St. 1, 6. : Ihr habt End 
dem Gericht bee Zweinndyierzig unterworfen S. St. 4, FR 
Hier zündete ſich froh das ſchoͤne Licht der Wiſſenſchaft, des 
freien Denkens an. G. T. 1,1. Es trägt en ‚und Ben 
ter Sinn mit wenig Kunſt ſich felber vor. ®. 7. 
der Sommer ſig pexfünbet, Roſenknoſpe * — 
G. F. 2, 26. Ans Stiefeln machen ſich leicht Vanto —* G. 
G. 4. Ein Yafteruolies Leben büßt ſich in Mangel und Ernie⸗ 
drigung. ©. St. 1, 1. Pforten bauen ſich aus grünen Zwei⸗ 
gen, und fm bie Säule windet fi ber Kranz. ©. oo, 4, 1. 
Wie wird bie Veſte denn ſich nennen, bie wir ba bau'n? ©. 
U. 1,3. Du rühmſt did deines fihern Blicks. S. Zt. 3,3. 


Schwer lenken ſich die heftigen Gemüther. ©. T. N 6. Das . 


gegenwärt’ge Unglüd trägt fi leicht. S. T. 4, 9 


$. 20. 

Sollen einige Hauptoorfiellungen angegeben werben, denen das 
Medium zufagt, To find es die Berba: Gehen, kommen, werden, 
ruhen, fleben, ſitzen, Ipregen, freuen, trauern, reuen, zür⸗ 
nen, [hämen, fürchten, kleiden, wachen, baben uns en 
Ir ihnen allen liegt der Begriff wiederholentlicher, täglicher, ein 
acher Handlung, die fih auf das Subject zurädhezieht, wenn 
wicht ausbrüdlih ein vefleriveg Vronomen dabeiſteht. — Die ı 47 
ſche, mie die alt⸗ und mittelhochdentſche Sprache ‚bat nach: einen ve- 
flaxiv geſetzten Dativ und Aceuſativ, ja die althochd. bet einen: falr 


* 








— 8 — 


hen’ Genitiv. Im Neuhochdeutſchen hat ver Gebrauch des Reflexi⸗ 
vums ſehr abgenommen; Gen. und Dat. kommen gar nicht mehr 
vor, bei fürten ſteht jetzt auch der Acc. flatt des frühern Da- 
tivs. Nothwendig iſt das Pronomen noch bei: Schämen, freuen, 
erinnern, befinnen, wundern, wenden, fputen, rühmen, 
fleiden, wafchen, nennen (gemein B fohreiben) u. a.; nicht 
mehr zufäffig bei: Meiden, zürnen (bo ſich erzürnen), büßen, 
wähnen. Beide Werfen treten ein bei: Eilen, ruhen (fich aus“ 
ruhen), nahen, getrauen, J 


d) Medialintranfitive, medialpaffive Bedeutung. 
| $, 21. u 


Das Medium vermag in unferer Sprache durch das bloße ii 
kranfitive Activum ausgebrüdt zu werden, denn bie Begriffe beiber 
find fih verwandt: — Es gibt nun Verba, die bloß intranfitio ver⸗ 
wandt werden: Sein, werden, fommen, wadfen,. hunger, 
dürften, blühen, erwarmen u..a. ine große Anzahl iſt Hof 
. tanfitio: Effen, trinfen, greifen, Tieben, wärmen, grämen 
R. a., bei welchen allen nach dem Gegenſtand ihrer Thätigfeit ge⸗ 
fragt "wird, Will fich der Medialbegriff an tranfitiven entwickeln, 
ſo bedarf er dazu des refleriven Pronomens; biefes Tann auch mit 


intranfitiven verbunden werben, häufig entiprecden fchon die baaren 


intenfitiven Verba ungefähr der medialen Bedeutung. 


$, 22, | oo 
Gewiſſe Berba, und voraus ftarfformige, ftehn den. Umſtänden 
nach bald intranfitio bald tranfitiv, 3. B. ſchlagen ift- intraufitiv 
in der Redensart: Er Sch aus ber Art; braten in: Der Apfel 


brätz kochen in: Das Waller kocht. Brechen bedeutet tranfitio _ 


etwas zerbrechen, intranlitio entzweigehn, ebenſo reifen in: 
ber Faden riß; Schießen in: Thränen fehoffen ihm aus den Augen; 
[Heiden foviel als. weggehn. Doch haben auch ſchwachformige 
diefe Doppelnatur, 3. B. bleichen, glühen, rollen, heilen. 
$. 23, | 
Es gibt nun auch Activa, welche neben dem tranfitiven Sinn 
einen paffiven entwickeln (und in tiefer Beziehung einen Vergleich 
mit den latein. vapulo und veneo verflatten, wiewol dieſe nur paſ⸗ 
ſiv und nicht daneben auch actio gebraucht werden). Zuvoͤrderſt ge⸗ 
hört hierher heißen, bei dem die paſſive Bedeutung jedoch über⸗ 
wiegt. Wo ſich die Rede auf ein beſtimmtes Object richtet, muß 
das reine Aetiv gebraucht werben, : z.B. Sch heiße dich meinen 
Freund; das Thier wird von den Leuten Sonnenkalb geheifen. Die 


Begriffe beginnen-und endigen find medialpaſſiviſch: Das Spiel 


begimnt; das Lied hebt any die Zwietracht endet; die Erzählung 


— 9 — 


ſchließt. Se en imd laſſen haben in beſondern Redensarien 
gleichfalls paſſive Bedeutung. 
Ih heiße ber reichſte Daun in ber getauften aoen. ©. Dt. 
1, 6. Ich möchte nicht heute Vater heißen. G. Hd. 2, 87. 
Was ihr den Geiſt Zeiten heißt, das iſt im Srund ber 
Herren eigner Geiſt. ©. 8. 1, 38. Ihr ſebt blaß, gnaͤdi 
Frau. G. G. 2. Es fieht in meinem Bufen nächtig. 8 
1, 192. Da ih in dem Wahne fland, es Tiefe gelehrt. L. Ig. 
3, 7. Er fann nah, ob es ſehr laſſe, fo in den Garten zu 
—— 35. Der alles vergeſſende Künſtlereifer ließ ihr ſo 
old 62. 


e) Genus des Infinitins, 
6. 24. 


Der Infisitio ift eine Art Subſtantivierung des Verbums, veffen 
regereß Neben dabei aufhört; ber perfönliche Ausdruck und der Nu⸗ 
meräs ‚gehn verlosen, eine Uebertragung ber Tempusunterſchiede iſt 
dabei noch denkbar. Hier fragt es ſich nun, wie und in welcher 
Weile das Genus am Inf. erſcheine. Die beutfhe Sprache ift nur 
einer einzigen Form bes Inf. fähig; fie muß Das Genus am. Inf. 
. entweder umfchreiben, oder ganz unausgebrüdt Yaffen. . 


§. 25. " 


Umföreibungen des Inf, Paff. laufen ven für dem Indirativ 
angewandten analog: Geliebt Werben, ich werde geliebt. Weit 
wichtiger ſcheint die Erforſchung der Fälle, in melden bie paffive 
Bedeutung bes Inf. gar nicht bezeichnet, d. 5. bie active Form un 
für die palfive verwendet wird. Wir haben bereits (6. 23.) 
ben, daß einzelne Verba überall neben dem activen einen * 
Sinn an ſich tragen. 


S. 26. 


. Range begründet iſt in unferer Sprache, nach den Verbis hö« 
ren und fehen den activen Juf. zugleich paſſiviſch zu gebrauchen; 
Sch höre erzählen (narrari); ih ſah ihn mit Füßen treten. (cal- 
sari).. Daß bier nicht etwa ein Subſtantiv ausgelaffen fei,. von 
we Them der actide Inf. abhänge, ergibt ſich aus der Statthaftig« 
keitdes obliquen beflimmenden Cafus: Sc höre von Dir erzäh⸗ 
len; ich fa den Mann von Räubern.würgen. 

i : Bir ſehen alles Elend über den Unglücklichen zuf ammenfäle- 
gen. L. % 3 Hört ihr Kinderlieder fingen. ©. F. 2 
Es ſchmergte mich Phaft⸗ dieſe ſchönen Sachen —— * 
ſehen. G. Lj. 1, 17. Ich hörte gern von Gott reden. 
Lj. 6. Leute fahen verfgiehnee an äthe nach dem Klofter tra- 
gen. ©. DE."E/ 9. : Auch Meiten hört man u Heren 
2 nicht beſonders heeifen. e. H 6. . 


. 


— 


— 10 — 


Anm. re bie e er | 

werden —RT telle A und IE Ih BEE N 
ein anveres, gleichbebeuk es Vert ſetzen, Fr dre ls 
gen, ih fah den sung aben kann nid getee t werben: 30 Yers 


ien, fo kann der Dat. der Welt jene Verbindung beneiben 
ei. entſchuldigen, da dieſes Verbum im artiven Sinn den Acc. bei 
bh ba 


$. 27. 


- Teich. giweldentig iſt die Bedeutung bes Juf. hinter den Vabis 
taffen und heißen; erfi der Zufammenhang gibt zu erfennen, ob 
bie active oder paffive gemeint werde. Durch Iaffen in Verbin 
dung mit einem Nefleriopeonomen wird das Leiden als ein vom 
Subject gewolltes oder doch zugelaffenes dargeſtellt. 

omer läßt feine Helden von den Männern, wie fie Neflor in 

einer Ingend gekannt hatte, noch an Stärke weit übertreffen. 

2.2. 12. Der Dichter laͤßt ihn von der ſchützenden ‚Gottheit 
: in einen dicken Nebel oder in Nacht Hüllen und fa davon füh⸗ 
ren. L. L. 12. Der iſt fein Ehreumann, der ben Gebieter läßt 
verachten. S. Bom. Bald darauf machte ihn biefer zum Un- 
terfömige von Neapel, wo er ben Verführungen des —2** er⸗ 
lag, und einen Geiſt, den fein Schickſal gebengt hatte, von ber 
Wolluſt übermannen Tief. S " Sranvella. Eine Durchlauchtig⸗ 
feit läßt er fich nennen ©. 21 
Anum. Aush in den un ae ab * aet aſ⸗ 
fiver Sm. Die Duelle gl * ie Kern, a je 

niedriger Mauer gefaßt, böpfen bequemlich vd. 5, 158, 

Sauer war das Bulk, gefund zu trinten den —* G. 

f) Genus der Partieipien. 
6. 28. 


Das Partieipium, noch mehr als der Inf., ſchwebt zwiſchen dem 
Begriff des Nomens und Verbums, es muß darum geneigt ſein, den 
—** beſtimmten Sinn der Verbalform aufzugeben. Dazu kommt 
bie Armut unſerer Sprache an Participien: fie hat mr ein einziges 
für das Jetiv ‚ und aus ihrer ganzen altern Palfofesien iſt er 
gerade nichts als das Yartic. verblieben. Wie nahe Iag es, 
untereinander in der Bedeutung ſich aushelfen zu laſſen! Dabei iR 
nicht zu überfeben, daß fich beide Partie. au nach dem Tempus 
unterfheiden, folglich das Partie. Praͤter. im Actio und das Partie: 
Präf. im Pafſiv nur umfihrieben, nicht bezeichnet werben Tönnten, 
wären nicht Hebertragungen der Bedeutung ausnahmoweiſe gefat- 
tet worden. 


$. 29. 


Unſer Sartie, Präſ. wird unmittelbar aus dem. Inf. gebifbet, 
in der ſtarken Conjugation hat es ganz deſſen Laut, in der ſchwa⸗ 


— 1 — 


den:ganz zellen. haraliexiſteſcher Bocal; mau dauf ibm alſo, gleich 
dem 87 ſelhſe da mo das Verhum entſchieden trauſitis iR, ng 
weilen intranfitisifch paffive Bedeutung zutrauen. Kin zweiter 
davon verfihiedener Fall ift der, daß Vartieipia Präf. ferbft in» 
kranfitiven Berba eines geiwiffen paſſiviſchen Siunes fähig wer- 
hen (F. 31,), den man am deutlichſten relativ umſchreibt. 

n mi Bon. diefer vorbabenden Herbſtreiſe ja nichts. geben. 


24 v. 1, 


Anm. In ber Bortafpraße, im Eanzfeifigt und in Büchern ver lebten - 


Jahrh. finden fih Häufig: Die unterhabenpe Mannfeft; 3 mein 
tragendes Amt; eine melkende Kuh; effende und trinkende 
Waare; anziehende Kleider; beſorgende Geſahr; ſtillendes 


Kind ug, 
g. 30, 


Jeht ſehen wir etwas ſchleppend das Wort zu vor das Partie. 
. und ſagen eine zu beſorgende Gefahr. Es iſt aber nur 
ſcheinbar daffelbe Partie., weil dieſe Form ans einer Art Gerun⸗ 
dium mit zu entſprungen und höchſt unorganiſch wieber zu einem 
Partie., d. 5. zum Adjectiv geworben iſt. Dem Sinne nach uuter- 
iheiven fig die mit zu gebifbeten Redensarten von dem eben 
29.) ‚berüheten Fall darin, daß fie ‚einen flärtern Begriff des 
Sellens und Müffens, mit den rein paffivifhen ausdrücken. 
Die zu tragende Sorge muf getragen werben, bie tragende 
wird getragen. Da u Sana au nit überall beide Weiten fich 
pertteten; es Tapt ſich z. B. flatt ausnehmend gefallen‘ nicht fa- 
ger guszunehmend gefafen. 

Die Nachahmung ıfl angeboren, der Nachzuahmende wird nicht 
Tee erfannt. G. Lj. 7, 9. Wenn bort das Gränzenlofe als 
 nmüberwinidliches Sinbernig erſcheint, fo ſetzt hier 8* Einfach⸗ 

begraͤnzte beinahe no fchwerer zu überwindende Hinderniſſe 
. entgegen. ©. Wi. 3, 12. 

ae Die gerundivifche Form hat ven Mißgri beigeführt, die fal⸗ 
Anale des — rt fut. pass. ———— ve aus d en 
“ gerınd, ae diefeg ang dem. part. praes. act. gebildet wird) hat ihn 
efeftigt. Unfer Partic. Präſ. Tiebend entſpricht dem latein. amans, 
— we em amandus. 
$. 31. 


. Bei dem Vartie. Präſ. intranſitiver Berba. iſt das Berfohren 
fühner. Man Bann den Sim am nächſten durch die Praͤpoſition 
‚worin. over wobei umſchreiben, und darf das Partic. dem Sinne 
nach nie gerade auf das Subftantio beziehen, mit welchem es con⸗ 
ſiruiert iſt. Dahin gehören die Redensarten: wolſchlafende, wol⸗ 

eruhende Nacht wünſchen; keine bleibende Stätte haben; eine 

winbeinde Höhe, eine erſtaunende Menge; ein ſirende⸗ 
Leben; eine ſtillſchweigende Bedingung; die fallende Sucht 
ein meitausfehender Dandel u. a. Mittels und. neubschbenifi ie 
fält die Form des partieipialen Aoverbiumg mil. de. des Partio. 


—— 13 — 
Praͤſ. zuſammen, und einzelne Stellen können dauach einer doppel⸗ 
ten Auslegung unterliegen. In der Redensart: die Waare geht 
reißend ab, d. h. daß ſich darum gerifſen wird, iſt dag Adver- 
bium entſchieden. 
Geſtern mußte ich mich wundern, wie Sie ſich nach einer ſchlecht 
ſchlafenden Naht und unter Wolfen von Tabakrauch noch fo 
'ganz gut bei Humor erhielten. ©. u. ©. Briefe. 551. Aber die 
he Draut Tieß im flatternden Scheine des Feuers ihre ſchöne 
Geftalt son Haupt zu Fuße bewundern mit haudſchlagendem 
, Lob. V. 3, 1, 617. ! 


$. 32. 


Das deutſche Partic. Präter. hat zwar in ber Regel paffiven 
Sinn, in einem häufigen Fall aber auch entweder zugleich oder aus- 
ſaoͤließlich netiven: ausfehlieklich bei alfen intranfitiven, 3.3. Ge- 
Iommen, geftorben, gefroren, gewellt. Alle tranfitiven hingegen 
febeinen bei Umfchreibung ihres Präteritums im Activ mit haben 
dem Partie. Präter. activen Sinn beizulegen, 3.8. Ich babe ge«. 
fungen, gefangen, geliebt. Dies ift jedoch Hofer Schein, wo das 
Aetiv beſtimmt geſetzt, d. h. der Gegenftand, auf den die Handlung 
füch richtet, ausgedrückt wird: denn alsdann kommt das Partic. 
richt: in den Caf. rect. des Subjects, fondern in den obliq. des 
Objeets, ift alfo nothwendig ein paſſives. | 
"Aum.. Dies fieht man genan im Franzöſiſchen: Je l’ai pris, je Vai 
‚prise, je les ai prises. So im Althochd. Er haböt in (ihn) _ 
ginomanan | enommen), sia (fie) ginomana, iz (e8) ginomanaz; si 
giminn öt& (fie, eos, geliebt), siö (fie, eas) giminn6td, siu (fie, ea) 
giminn ötiu. Almälid, und fhon im Althochd. erlifcht die Flexion 

der mit dem Hüfswort haben verbumbenen Part, mittel⸗ und neu⸗ 
bhochd. Hört fie.ganz auf. Wir fagen: Ich habe ihn, fie, es, fie (plur.) 

genommen, geliebt, S. unten $. 89, Anm. 


, $.33. . | 


Hiernach kann nun nicht befremben, daß allein ſtehende, an Fein 
Hilfswort geheftete Partie. Präter. die active Vergangenheit aus- 
drüden. Ber intranfitiven fiheint dies ganz natürlich, z. B. 
Geworden, gelegen, gewachfen. Indeſſen iſt nicht jedes Partie. 
Präter. diefer Verba, das mit fein oder haben verbunden noch 
Berbalfraft äußert, gefondert üblich; man bevient ſich in folchen 
Fallen Fieber der mit Partikeln zuſammengeſetzten als der einfachen 
Participien. Es heißt z. B. nicht Teiht: Die geblühte, geduf— 
tete, gewelfte Blume, wol aber die verblühte, ausgeduftete, 
verwelfte. Indeſſen fagt man: Das gefunfene Land, die ein— 
gefunfene Wange, das verfunfene Schiff. Der Sprachgebrauch 
muß bier entfcheiden. Andere Verba find noch: Angefeffen, ver- 
dangen, verwichen, verfloffen, eingetreten, angelommen, 
verfroren, verhalten, abgelebt, abgelaufen, geronnen, 
verzonnen, abgeftanden n. a. m. ' 


— — 18 — 


$. 34. 


Allein auch tranfitive Berba können im Partie. Präter. wie- 
der activen Sim annehmen, 3. B. Erfahren, beritten, ge⸗ 
wandert, gereift, geruht (ausgerubt), gefchworen (die Ge⸗ 
fhwosuen), verſchworen, verſchwiegen, Serichlafen (ein ver- 
ſchlafnes Rind), vergeifen, verlogen, verfeffen (auf etwas), 
serweint (Augen, bie zu lange geweint haben), gedient, ver« 
dient (fogar Bedienter, d. ı. ein Dienender), eingebilbet, bes 
forgt u.a. m. Dabei if bemerfenswerth, daß viele mit ver ge- 
bifpete, durch das Neflerivum medial gewordene Berba in dem activ 
gebrauchten Partic. Prater. das Pronomen jeberzeit wegwerfen. 
Ueberall erlangt das fo gebrauchte Partic. faft adjertivifche Bedeu⸗ 
fung und Tann nicht weiter mit dem Caſus confirniert werben, ben 
das active Verbum regiert, alfo niht: Der das Effen verfchla- 
fene Knabe. Nur in Zufammenfeßungen finden ſich etwa .ehr-, 
pflichtvergeſſen n. a. , 

Der König Tann nicht alle verdiente Männer fennen. 2. M. 
2, 2. Dabei war ex ein ausgelernter Roßarzt. L. M. 3, 2. 
Ein vielverfuhter Menſch Hat viel gelernt; ein träger und 
müßiger weiß nicht, was in ihm Tiegt. 9. 5, 6, 2. Sie blieb 
angezogen und fchlief zulegt, bewegt und ansgeweint wie fie 
war, in ihren Kleidern.ein. ©. Lj. 7, 8. Du bift auf eine voll- 
fommene Bildung fo verfeffen. G. Wi. 1, 4 Willſt vu 
Bielgereifter bier bich Taben. ©. Wandrer und Pächterin. 
Das iſt die Eigenfchaft der guten Handlung, daß fie viele Vor⸗ 
theile auch über den Unverdienten ansbreitet. ©. %. 4, 15. 
Berordnet ift im englifchen Gefeb, daß jeder Angeklagte durch 
Geſchworne von Seinesgleihen Toll gerichtet werben. ©. St. 
1,7. Den heimgekehrten Bollenver (eines Gefchäftes) führt 
fein Weib in den Garten. B. 3, 2, 496. Eher wollt’ ich meine 
Hand dem Geßler fchenfen, als dem naturvergeßnen Sohn 
er Schweiz, der fih zu feinem Werkzeug machen kann. S. 
I. 3, 2. 


[2 


Bweites Capitel. 


Modus. 
6. 35. 


Die deutfche Sprache vermag gleich der lateiniſchen viererlei 
Modus zu bilden; den (griechifchen) Optativ entbehrt fie ebenfalls. 
Allein ihre Flexivnen bes Conjunctivs, Imperativs und Infinitivs 
find weit unvollſtändiger ausgeprägt und zumal im Conjunctiv oft 
der älteren Eigenthümlichfeit verluftig gegangen. Der Indicativ 
Berti dann ben Eonjımetivo beinahe wie bas Activ bie andern 

enera. 


I ‘ _ 


— 14 — 
$., 36. 
Während der lateiniſche Conjunetis formell dem gribchiſchen Mo⸗ 


dus entſpricht, ſtimmt Die Form bes bdeutſchen Conjunctiss gu ber 
bes griechiſchen Optatios. Die Benennung der Form, welche für 


beide Begriffe, des Optativs nnd Conjunctivs, zuſammen dient, iſt 


gleichgiltig: man muß fich aber bes urſprünglichen Verhältniffes ori 
innen, um zu verftehen, daß der griechiſche Optatio faft mar durch 
ben dentſchen Conjunetis amsgebrüdt wirb, der griechiſche Cou⸗ 


— jancho befto häufiger durch den deutſchen Indicativ. 





Anm. In umferer Sprache ſcheint überhaupt sie optatide Form, To welt 

Wwicr hinauf reichen, zugleich für die Modalität des Eonjunetine. 30 sr 

ten. Die beutiehe —* ſollte daher nur von einem Inde 
J mper. und Inf. willen, Doc iſt es nicht rathſam, den hencuin deũ 

prachgebrauch abzuändern. 9 

$. 37. 


Auf das Wirkliche, Sichere gehen Ind. und ine y af di das 
Mögkice, Unſichere Opt. und Conj. Zwifchen Dpt. und Conj. 
lie Lion! ber le daß jener fubfertive, biefer — 58 — Moͤglich⸗ 

in ſich ſchließt. 3. B. Wuͤrfeſt bu! iſt optativiſch: ich wollte 
du würfeſt, conjunctiviſch: geſchähe, daß da ——— Weil aber 
das Subjeetivmögliche oft wünſchend ausgedrückt wird, führt der 
ganze Modus ben Namen Optatio, obgleich er ſich auch auf an⸗ 
bere Faͤlle erſtreckt 


0) Indieativ. 
$. 38. 


Alles, wad geradezu, ohne Zweiſel und Unficherheit gemelbet 
und als ein Wirkliches bezerchuet werben fol, fällt dem Indie. an- 
heim, namentlich auch der Ausruf und die Dirseke Frage. 

Frei athmen macht das Leben nicht allen. G. J. 1, 2. Es 
bil det ein len ſich in der Stille, ſich ein Charakter in dem 
Strom der Zeit. ©. T. 1, 2. Es trägt Verſtand und rechter 
Sinn mit wenig Kunft fich ſelber vor. G. F. 1, 37. Dies Eine 
fühl' ich und erkenn' es klar: das Leben iſt der Güter höch⸗ 
ſtes nicht; der Mebef größtes aber iſt die Schuld. ©. Bom. Die 
Treue if jedem Menfchen, wie der nächfle Blutsfreund; als ih— 
ven Rächer fühlt er fih geboren. S. T. 1, 6. Die Mutter 
bat mir beine Fertigkeit gepriefen; es ſoll eine zarte Stimme, 
bes Wohllauts in dir wohnen. ©. T. 3, 4. — O Anblid der 
. . Glanznacht, Sternheere, wie erhebt ihr! Wie entzüdft du, 
Anſchaunmg der herrlichen Welt! Gott Schöpfer! Wie erbaben 
biſt Du! K. D. Tod Chriſt ift erſtanden! G. F. 1, 44. O 
daß Fein Flügel mich vom Boden hebt! G. F. 1, 59. Wie 
kleine Schritte geht. ein fo großer Lord am dieſem Hof! ©. St. 
2,8. D des Glücklichen, dem ed vergönnt iſt, Eine Luft mit 
Euch zu athmen! ©. St. 1, 6. — Ihr laſ't gewiß ein grie⸗ 


— 15 — 


Gl) Woretſpteld G. F. 1, 36. Iſt dieſes Land bie Wert) - 
Geht hiet allein die Sonne anf? Wo *— wiät hinkommen ? 
Welche Dienfte wirb man mir perpeigen? M.5,5. Kommt 

Ihr mit ganzer Vollmacht? S. T. u man ze zu 
Rand dern Feine Heimat, Teinen Herb —8 Kirche? S. ‚5. 
Soll's losgehn, will der Fürfl was unternehmen? ©. z. 35. 


b) Conjunetiv (Optativ). 
6. 39, 


Der optative Confunctio Ai für das Althochdeutſche und die fpä- 
teen Dialeete im einfachen Sag ein vier facher: 1) der eigent- 
fiche Fat i B. Wollte Gott! (walti Got)! 2) der Iuf- 
fip, 3.2. Ihr ſollt wiffen (wizit) 3, der Eonceffiv, der oft 
wit dem Auf ufamntenfäfl 8 Zeß er gewinne (gewunne 
gerne); 4) ber —— z. B. Kommeſt dit zu mir? 
(quemês zi mir?), je nachdem darin Wunſch, Geheiß, Antaffung 
uber Frage ausgedrückt liegen. Die Bebeutungen Taufen aber nahe 
aneinander, weil eigentfie bei lien vier Fällen eın Wunſch im 
Hintergrund Tiegt. 

Anm. Aus der mittelhochd. Oma ſtehn gm Beifpiele gu Dienft 
als aus der althochd. Dahin ge oͤren z. er bote! 

Na gebe Get uns rät! Got hüste a1 Dir niche doch Got er- 

getze I Woldest du mir helfen! 2, 3. Daz si getän! Sist wille- 

komen! Wizzest! Erloesen wir das grap! Nu läze wir si ri- 

ten! 4. Ob sin wirt niht mit im var? Ob ieman spreche? Wer 

nu der dritte waere? Waz der helt do taete? Ob er zuo den 
ſouwen *1t 07 


6. 40. 
Hettzut e hat fih bie Anficht vielfach feftgefegt, als müffe ber 


optative mm in unferee Sprache auf das Präteritum Eonfum- 
etivi Eingefihränkt werben, als: Ich wollte; 4 wünſchte; kaͤ— 
me er doch; entſchlöfſeſt vu dich dazu; Hätten wir unfere 
Eitern wieber } [&Glüget ihr euch das ans dem Sinn! Wo das 
Präfens Conjunetivi afftg iſt, z. B. in Redensarten wie: Das 
ſei; ich ſei das Opfer; komme er doch; daß ihr's euch aus dem 
Sinn —— wird ein bloßer Juſſiv angenommen. 


§S. 414. 


In der Natur ver Sache und hiſtvriſch gegründet ſcheint das 
nit In ven Form: Das gebe Gott; das verhäte Gott! 
ft ein Wunſch und fein Scheiß ausgebräct, tan bewahre 
alfo dem Optativ feinen freieren, weiteren Begriff, und bringe in 
act ke vaß unfer Präfens Conj. überhaupt —2— eworden iſt, 

feine Form mit der indicativen beinahe — 8 

Gott sräß euch, geſtrenger Her! G. ©. 1. Stärfen ihn 

- alle Heifigen, daß ex fein Befies that! G. E. A. Zwiſchen uns 


4 


. fei Wahrheit! ©. 3. 3, 1. Det Föniglihen Gäten fegne 
Dich Die Göttin! Sie gewähre Sieg und Ruhm und Reich⸗ 
thum und das Wohl der Deinigen und jedes frommen Wunfches 
Fülle dir! G. 3. 1,3. Gott verzeih's meinem lieben Mame! 
G. F. 1, 148. Der Menfh verſuche die Götter nicht und 

begehre nimmer und nimmer zu fchauen, was fie gnädig be- 
beden mit Nacht und Grauen! S. Tauder. Lang Iebe der 
König! Es freue fih, wer da athmet im roſigen Licht! ©. 
Zauber. Schenke mir die ew’ge Gnade Sieg im letzten 
Kampf! S. St. 5, 7. 


6. 42, 


Den Optatiobegriff pflegt einmal bie beginnende, fragende Wort- 
folge auszuzeichnen, von welcher der fünfte Abſchnitt näher ban- 
beit. Ich hätte, ich thäte ift bloß conjunctivifch, Hätte ich, 
thäte sch iſt mehr optativiſch. Sodann dienen beigefügte Parti- 
fein den Optativ hervorzuheben. Vorgeſetzt werben: DO! ad! 
weh! o weh! daß! o Daß! wenn! nachgeſetzt: Doc, nur, 
gerne, vielleicht, Leit, wol, letztere für die Conceffiobe: 
deutung. 
Daßß ih ihren Namen nie gehört hätte! daß er aus dem 
- Buche der Lebendigen vertilgt würde! 2. Mf. 1,9... D daß 
- ‚er. fein Gemüth wie feine Kunſt an deinen Lehren bildel ©, 

„T. 1,2. Hätt' id nur einen Tobtenfhein! ©. F. 1, 148. 
Hätt' ih Doch immer gefihwiegen ımb die reine Stimmung in 
‚ meiner Seele zu erhalten gefuht! ©. %.6. Wenn nur bie 
Ohrring' meine wären! ©. 5. 1,143. Ich fränfe gern 
ein Glas, die Freiheit Hoch zu ehren, wenn eure Weine nur ein 
bißchen beffer wären. &. 5. 1, 112. Daß jest ein Engel mir 
vom Himmel niederfliege! ©. T. 3, 21. Ad, daß Ihr da=- 
mals mir Gehör geſchenkt! S. St. 3, A O wär’ ih nimmer 
über Meer hierher gefchifft! S. Ivo. 2, 6. Frommer Stab! 
D hätt’ ich nimmer mit dem Schwerte dich vertaufht |! Hätt’ 
es nie in deinen Zweigen, heil’ge Eiche, mir geraufht! Wärft 
du nimmer mir erfchienen, hohe Himmelsfönigin! ©. Ivo. A, 1. 


$. 43. 


Endlich wird der Optativ hervorgehoben durch Verba, welche 
den Begriff der Möglichkeit und des Wunfches haben. Mö- 
gen wird babei auf Doppelte Weile gefebt, im Sinn von wollen 
mehr conceffio, dann aber im Präfens und Präteritum und in ge⸗ 
wöhnlicher Wortfolge: Ich möchte kommen; er möge fommen, 
oder im Sinn von können bloß fürs Präteritum in fragender 
Wortfolge: Möchten wir dafein! und indireet fragend: Er möchte 
mich hindern? Auf die letzte Weife ſteht auch können. Umgekehrt 
bat müffen conceffiooptative Bedeutung: Er müffe glädlic fein! 
Er müßte heute noch eintreffen! Wollen ſteht bald conceffio bald 


% 


— 11 — — 


optativ. Andere Berba fmb noch: Wünſchen, gefallen, be- 

lieben. — Die indirecte zweifelhafte fo wie bie höfliche 

Frage erfordern gleichfalls den Eon. und zwar in der kaum⸗ umb 

Tängftvergangnen Zeit. 

Wenn ich euch nur begleiten fönnte! L. Ph. 2. Möge doc 
Hermann fie treffen und fie erquicken und Heiden. G. Hd. 1, 153. 
Ich möchte gern ein Zeugnif Gaben. G. F. 1, 156. Ich 
wünſchte recht gelehrt zu werden. ©. 5. 1, 94. Wie ſehnlich 
wünſcht' ich jene Welt einmal recht nah zu ſehn! G. T.1,4. 
Möge nie ber Tag erfiheinen, wo des rauhen Krieges Horden 
biefes ftille Thal durchtoben! S. Glocke. Ad, aus diefes Tha- 
les Gründen, die der falte Nebel drückt, könnt' ich doch den 
Ausgang finden, ach, wie fühlt’ ih mich beglückt! S. Sehnſucht. 
Es gefalle meiner Königin, fih zu erinneen. S. St. 4, 11. 
Belieb' es euch, mich anzufhauen. G. F. 1, 50. Und mein 
Gefangner wärft denn bu? ©. 5. 1, 73. Dürft’ ih wohl 

dießmal mich entfernen? G. F. 1, 72. 

" Anm. Die Bevemtung diefer den Optativ umfchreibenden Berba reicht 
aber oft ſchon an fih hin, ohne daß es nöthig wäre, fie gt over das 
von ihnen abhängige Berbum, in ven Conj. zu feben, 5.8. Ih wün⸗ 
ſche, daß erfommt. . 


$. 44. 
Drurch dieſe den Optativ umfchreibenden Zeitwörter verwandelt 
fih oft der einfadhe Sat in einen mehrfachen. Der conceffive 
Fall erträgt hier auch das Präfens. 
Das wolle Gott nicht, daß du das vollbringfil ©. T. 2, 3. 
. Da fei Gott für, daß es bis dahin kommen fol! S. $P. 2, 7. 
Berhüte Gott, daß wir den Ruhm befleden! S. St. 2, 3. 


co)» Imperativ 
“ $. 8. . 
Das eigentliche Weſen des Imperativs gründet ſich auf bie 


zweite Perfon: einer oder mehrere werden angerevet und empfan- . 


gen Befehl, Eine dritte, d.h. nicht gegenwärtige Perfon kann 
weder angefehen noch angerebet werden, unmittelbarer Befehl mag 
nicht an fie ergehen. Wenn ihn aber Boten vermitteln, fo bedie- 
nen fich diefe wiederum ber zweiten Perfon, und allen deutſchen Spra- 
hen bat eine Form für die dritte Perfon überflüffig geichienen. An 
fich felbft richtet man feinen Befehl, daher gebricht dem Imperativ 
auch die erfte Perfon. 
: D tönet fort, ihr füßen Himmelslieder! ©, 5. 1, 46. Hört 
Doch, bleibt! Geh’ nad, bedeute fie, bring’ fie zurüd, 
28 koſte, was es wolle. ©. T. 3, 16. Bürg’ du für dich und 
. beinen eignen Leib. ©. TI. 3, 3. Edler Lord von Schrews- 
bury, fagt Ihr uns Eure Meinung! ©. St. 2, 3. Bleibt 
Eurem neuen Herrn getreuer als dem alten! Kommt! Ber- 
Kehrein Grammatik, II. 1. 2 


\ 


_ 18 — 


fprecht mir, die Hand gebt mir barauf, daß Ihe fein Leben 
befhügen, unverlelich wollt bewahren! ©. T. 3, 23. Fliehe 
biefen Baum! Bleib nicht allein, und grabe Feine Wurzeln 
um Mitternacht, bereite Feine Tränke, und ſchreibe keine 
Zeichen in den Sand! ©. Joo. Prol. 2. 

$. 46, 

Der griechifehe und TYateinifhe Imperativ dritter Perfon iſt 
gleichfam ein laut gefprochener Befehl, der ſich um ihre Abweſenheit 
nicht kümmert, fondern ihr doch hinterbracht zu werden erwartet. 
Solche Imperative dritter Perfon müffen überall durch den beut- 
fchen optativifchen Conjunctiv erfegt werden. — Wenn man in ber 
Anrede bie dritte Perfon flatt der zweiten gebraudt, fo be- 
dient man fich ebenfalls des Conjunctivs. 

Ein Tag, den alle Menfchen feiern, ex fer für mich ein Ernte 
‘tag. G. F. 1, 50. Sp ſei's und dabei bleib’ eg. S. St. 4,6. 
Man bind’ ihn an die Linde dort! S. TI. 3, 3. Deß rühme 
der blut'ge Tyrann fich nicht, daß der Freund dem Freunde ge- 
brochen die Pflicht, ev ſchlachte der Opfer zweie, und glaube 
an Liebe und Treue. S. Bürgſch. — Such' Er den redlichem 
Gewinn! Sei Er fein fihellenlauter Thor! ©. F. 1, 37. Seh 
Er mal mih an! S. L.7. Trete Sie näher, mein Rind! ©. 
8.4, 7. Bater, bring’ Er die Tochter weg. ©. K. 2, 6. 
Sehen Sie das Kind als ein fremdes an. ©. gi. 7,8. 
Anm. Nicht vor allen Zeitwörtern kommen Imperative vor. Der neu⸗ 
yodb. Imp. fei! feed! fehlt im Althochd. ganz, ſtigt ſich dagegen 

m rittetg. guimeilen. Bon müffen, mögen, fönnen, follen, 

dürfen gibt es Teine Imperative. Daher gebraucht man bei biefen 
au, was jedoch felten vorlommt, den Eonjunctiv, 3. B. Mögeft 
du glüdlich fein! Zumeilen fleht auch ver Inbicativ, z. B. Du magft 
fragen, Streng genommen iſt die Bedeutung Feine imperativifche. 


$. 47. 


Richtet man den Befehl oder die Aufmunterung an fich ſelbſt, 
fo ſteht die erfle Perfon, over es tritt die noch nicht fehr alte, jetzt 
aber allgemein verbreitete Umfchreibung mit laſſen ein. Statt 
gehen wir fagt man laßt uns gehen! Taf ung gehen, wenn 
nur von zweien bie Rebe fl. Das Ganze ift fihtbar eine Höflich- 
keitsformel, welche die Entſcheidung aus der Hand bes Auffordern- 
den in die des Aufgeforderten zu fpielen fcheint. 

Entfernen wir uns nır gefhwind! ©. F. 1, 125. Stüärzen 
wir uns in das Raufchen der Zeit, in’s Rollen der Begebenheit ! 

. , 88. — Laß uns denken, Egmont! G. € 2 R de 

ung geben, jeber in feine Provinz. G. €. 2. Laßt uns fiher 
gehen, Freunde fuchen! Der Schwede ſagt uns Hülfe zu; laßt 
uns zum Schein fie nutzen! S. T. 8, 15. 





— 19 — 


$. 49. - 


Wenn ein Befehl auf nachdrückliche Weiſe ausgebrücdt werben 
‚ fol, fo braucht man oft den Indicativ flatt des Imperativs 
- wo dann der Imperatiov durch die flärfere Betonung kenutli 

wird. 

. Du nennft mic Herr Baron, fo iſt die Sache gut. ©. F. 1, 
128. Da übernimmt die fpanifchen Regimenter, macht im⸗ 
mer Anftalt und iß niemals fertig, und treiben ſie dich, gegen 
aid zu ziehn, fo ſagſt du Ja und bleibſt gefeffelt ftehn. 

. T. 2, 1. 

Anm. Nachdrücklich ſteht auch zuweilen ſtatt des Imperativs der Con⸗ 
junetiv mit daß, 3. DB. Ich ſeh' es gern, das ſteht dir frei; nur daß 
die Kunft gefällig fe. ©. F. 1, 1h 


$. 49, 


Weil der Imperativ, wenigftens in unferer Sprache, als Form 
die Vergangenheit ausfchließt, und auf etwas Künftiges gerichtet 
wird, fo ergibt fich daraus feine Berührung mit dem Conjunctiv, 
der dann auf die mannigfaltigfte Weife mit dem Futurum im Indi—⸗ 
catio in Gemeinfchaft ſteht. Umfehreibungen des Futur. durch ſol⸗ 
len, ſeltner aber doch zuweilen durch müſſen, können alfo zu- 
gleich für imperativifche Ausdrüde gelten, die dann wie der Indi- 
catio ($. 48.) dem Befehl mehr Nachdruck geben. Auch findey ſich 
unumfchriebene Futura flatt des Imperativs. 

Du ſollſt wiffen, daß ich nicht im Geringſten babei auf dich 
geſehen babe. %. Mia. 1, 6. Du ſollſt hören und nicht er- 
flaunen. 2. Ph. 5. Du felber fol1ft ung fagen, was du vor- 
haſt. S. T. 3, 15. Man ſoll die Ketten vorziehn, das Ge- 
ſchütz aufpflanzen. S. T. 3, 19. Sie ſollen ſich zurüdziehn 
augenblicke, iſt mein Befehl. S. T. 3, 19. Geh Hin! Du 
foItft auf Erden für mi zeugen! ©. Ivo. Prol. 4. — Du 
mußt es dreimal jagen. ©. 5. 1, 79. — Du wirft den Apfel 
fchießen von dem Kopf des Knaben. (So fagt der gebietende 
Geßler.) ©. X. 3, 8. 


$. M. 


Eine bewegte, heftige Aufforderung ſtellen wir zuweilen infini« 
tisifch, 3. B. DO nicht weggehn, Lieber Bater! Junge, dich nicht 
rühren! Dies geht aber nım im Findlichen Ton oder im Ausbruch 
bes höchſten Afferts an. Dergleichen Formen kommen ſchon im Go⸗ 
thiſchen vor, wo fie jedoch wol durch ben griechiichen Tert veran- 
baßt find. 

' Drum nit sanften, Mann! V. 2, 587. 


$. 51. 


- Wir pflegen heutzutage ben Imperativ nicht felten durch bas 
Partie. Präter. anszubrüden: aufgeſchaut, niedergeſchrie— 


-_ 


/ 





— 20 — 


ben! den Hut abgenommen! Dergleichen Redensarten find un- 
ter dem Volk, wie in der höhern Poeſie, und zumal in der Voßi⸗ 
ſchen, fehr hervorgeſucht. Es find umfchriebene Imperative 
. $räter., die ihren guten Grund haben. Schaut auf! heißt: öff- 

net jeßt die Augen; aufgeſchaut! aber: habet fie bereits geöff- 
net, gleich als ſei der Befehl fchon früher ergangen oder befolgt. 


Es ſoll alfo eigentlich Fein neuer, fondern ein fortbauerndber . 


Zuftand dadurch angezeigt werben, 
Ganz gefhwiegen, ober ganz mit der Sprache heraus! L. M. 
2, 9. Die Trommel gerührt! Das Pfeifchen gefpielt! ©. 
E. 1. Nicht Iange gefeiert, frifh! Die Mauerfteine herbei! 
Den Ralf, den Mörtel zugefahren! S. TI. 1, 3. Wohl auf, 
Kameraden, aufs Pferd! In's Feld, in die Freiheit gezogen! 
S. L. 11. Ihr dort außen in ber Welt die Nafen einge- 
fpannt! ©. Graf Eberh. d. Greiner. Roſen auf den Weg 
geftreut und des Harms vergeffen! Hölty, Lebenspflich- 
ten. Die Hand mir nicht ſo gedrüdt! ®. 1, 165. Hurtig 
hinab und ein Körbchen befhleuniget! V. 1, 185. euer 
gezündet und Kaffe gekocht! V. 1, 196. 
Anm. Der Ice. et welches Hilfswort, von dem das Partic. abs 
bängig ift, ausgelaffen fein könne, offenbar kein anveres als habe, 
babetl ober bei intranfitiven, ſei, ſeid! Bat. 6. 99. 


d) Infinitiv. 
6. 52. | | 
Der Infinitiv ift das aus aller Perfönlichfeit tretende, in feiner 


Unbeflimmtheit für jedwede Perfon zugleich gerechte VBerbum: die . 


perfönlichen Kennzeichen der Flexion hören bei ihm auf. — Bon 
dem fubftantivifch gebrauchten, feiner Verbalkraft verluftigen 
‘nf. ift hier Feine Rebe. Diefer fubftantisifhe Inf, nimmt nicht 
den unbeflimmten Artifel zu ſich und auch feinen Plural, 3.3. das 
Laufen erhitzt; ich bin des Sehens müde. Nur wenn er einen 
beftimmten Begriff ausdrückt, mag er den unbeflimmten Artikel, zu- 
weilen auch einen Plural annehmen, 3. B. ein Verlangen, bie 
Vergeben. 
6.93. 


Man kann fih einen ganz unabhängig gefeßten Inf. denken. 
Die oben ($. 50.) aufgeführten gehören hierher, wenn die ſchlep⸗ 
pende Erklärung durch eine Ellipſe nichts gilt. Auch als Ausruf, 
mit oder ohne Frage, findet fih ein unabhängiger Inf. . Abgefehen 
von biefen Ausnahmen hängt fyntaktifch betrachtet der reine Infini⸗ 
tio überall ab von dem im Sab berrfchenden Verbo, und erſt ber 
beclinierte, folglich fubflantivierte Inf. mag auf andere Nomina bes 
zogen werden. 

Ich meines Bruders Kinder niht erfennen?! UN. 5, 8. Ein 
Tempelberr ein Judenmäbchen Lieben! L. N. 3, 10. Er -Ra« 





en 


— 21 — 


the folgen! L. N. 2, 9. Du? Schülerin des Plato! Richt 
begreifen, was bir ein Neuling vorzufhwaßen wagt? ©. T. 
4,1. & Eu‘ retten und befigen! S. T. 3, 6. Ich eines 
Mannes Bild in meinem reinen Bufen tragen? ©. Zoo. 4, 1. 
Anm. Jenes herrſchende Berbum dürfte man das ſtehende nennen, 
den Inf. das liegende, und die ganze Natur ber infinitiven Gon- 
ftruction Tieße ſich fo auffaffen: Jeder einen Inf, enthaltenne Sa ift 
aus pri Sägen zufanmnengefloffen, dergeſtalt daß das Berbum des ab- 
hän gen Sapes zum Liegen gebracht wird. Der einfache a >. 
will ſchlafen, gebt hervor aus dem voppelten: Mein Wille ift,. da 
ich fchlafe. , 
1) Reiner Infinitiv, 
§. 54. 


Der Gebrauch des reinen Inf. mindert ſich allmälich in ber 
Sprache; die ältere kann mit ihm ungleich freier fchalten. Da wo 
das dem nf. verfnüpfte Verbum in Auriliarbeveutung ausfchlägt, 
ober fich ihr nähert, pflegt er am Tängften zu haften. - 


$. 9. 


Weder im Alt= noch Mittelgochdeutfchen findet fih das Verbum 
werden zur Umfchreibung des Futurums; neuhochbeutfch dient es 
ganz gewöhnlich zu diefer Umfchreibung ($. 102.). 

Wie ihn die Welt verehrt, fo wird die Nachwelt ihn verehrend 
nennen. ©. T. 3, 3, Wir werden mit den Schweden uns 
verbinden. ©, T. 2, 2. Zwei Reihe werben blutig un- 
tergehn. S. T. 4, 3. Ihr werbet nicht verlangen, baf 
ich meinen Eid brechen fol. &. ©. 2. In jevem Kleide werd’ 
ih wohl die Pein des engen Erbenlebens fühlen. ©. 5. 1, 80. 
Du wirft mit mir verfahren, wie du Dlacht bafl. ©. T. 3,18. 


$. 56. 


Ale Berba zweiter Anomalie haben urſprünglich ben bioßen 
uf. neben fih. Die Berba wollen und können ſchließen fich 
ihnen in dieſer Beziehung vollkommen an. Für mögen, follen, 
müffen, Dürfen, wollen leidet der aufgeftellte Sab bis auf 
heute in allen deutſchen Sprachen nicht die geringſte Ausnahme. 
Mögen und fönnen Sie mir erflären® ® Wi. 2, 1. 
Wir wollen halten und dauern, feft uns halten und feft 
der ſchönen Güter Befistfum. ©. Hd. 9, 300. Ih will re- 
den wie ein Buch, wenn ich mich vorbereitet habe, und wie ein 
Thor, wenn ich bei guter Laune bin. G. %. 5, 6. Ich mag's 
und will's nit glauben, daß mih der Mar verlafien 
fann. S. T. 3, 18. Was er au bringen mag, er darf 
den Deutern nicht in die Hände fallen. ©. T. 3, 10. Du 
darfft dich deiner Wahl nicht ſchämen. ©. T. 3, A. Edle 
Sänger dürfen nicht ungeehrt von unferm Hofe ziehn. ©. Ivo. 

1,2. ort muß ich halten. S. T. 5, 6. In feiner Nähe 


- 


— 22 — 


darf nichts müßig fein! Was gelten ſoll, muß wirken 

und muß dienen. ©. X. 1, 4. Wer durch's Leben ſich friſch 

Dil ſchlagen, muß zu Schub und Trug gerüflet fein. ©. 
9, 1. 


6. 97. 


.. Den genannten fchließen fih an: Laſſen, heißen, helfen, 
lehren und Ternen, bei denen ber Infinitiv als Object fteht. 
Daffelbe ift der Fall nach fein, haben und thun, jedoch nur in 
befondern Ausdrucksformen. 
Laß mih Inieen, laß mih fhauen, Taß mich fterben, 
laß mid leben. ©. F. 2, 212. Laß mih weinen, an bei- 
nem Herzen heiße Thränen weinen, bu einz’ger Freund, ©. 
DE 1, 2. Heiß mich nicht reden, heiß mih ſchweigen. 
G. Mignon. Noch einmal ein Wunder hoffen, hieße Gott 
verfuhhen. ©. St, 4, 9. Zu fohiffen in dem wüth’gen See! 
Das heißt nicht Gott vertrauen! Das heit Gott verſu— 
hen! S. X. 3, 1. est, Anton, Hilf mir Julianen bei bei- 
nem Herrn recht ſchwarz machen. L. Ig. 2, 11. Gerne will 
ih für ihn forgen helfen. ©. T. 3, 3. Phöbus Hilft fie 
ung verjagen. ©. Parnaf. Nur der innere Trieb, die Luft, 
die Liebe Helfen ung Hinderniffe überwinden. G. %. 1, 14. 
Helft mir die ſtolzen Gemüther zufrieden ſprechen. S. oo. 
2, 2. Das Reben Iehrt uns, weniger mit ung und Andern 
firenge fein. ©. 3. 4, 4 Ruhm und Tadel muß der Menfch 
ertragen lernen ©. T. 1, 2. Don Jugend auf hab’. ich 
gelernt gehorchen. ©. %. 5, 3. Der ift gut'föpfen. ©. 
E. 2. Wie felig, denkt er, wär’s in diefen Hütten wohnen! 
W. 2, 9. Hier ift nicht gut fein. S.U. 1, 3. Es iſt nit 
gut mehr operiren. ©. T. 1,1. Neben fih Hatte fie einen 
Korb ſtehen. G. Wj. 1, 2. Er hatte fhönes langes Haar um 
feinen Naden wehen. Claudius Phidile. Wie fol man fiegen, 
‚nenn man nichts thut, als in den Weinhäufern Tiegen? 
. L. 8. 


Anm. 1. Heißen, lernen und lehren werben von unſern Dich— 
tern, beſonders von Göthe, auch mit zu conſtruiert. Ein Treffen mit 
Waffen, die ich nicht gelernt zu führen. 8. N. 3, 4 Es wäre 
zu münſchen, daß fie von ER gelernt hätten ihrer Pflicht zu ge— 

orchen. G. ©. 3. Ich habe nipt gelernt zu hintergehn. ©. 
.4,1. 3b lehrte dich auch dieſer Fordrung auszuweichen. ©. 
J. 4, 4. Ich habe ohne dich zu leben noch nicht gelernt. S. T. 
3, 23. Mein Herz hat mich geheißen zuthun, fo wie ich genau 
nım erzähle. G. Hp. 2. 12, 
- Anm. 2. Aus Bollslievern ift thäte in den Romanzenton übergegan- 
gen, Zu fhau'n mein Myrtenreis, das ich gum grängben pflanzen 
hät und pflegen thät mit Fleiß. rger: d. a. Suschens 
Traum. Abgeftorben allen Freuden th ät fle jedes Labfal meiden, 
"tHät an ihrem Gram fi weiden. Stolberg: d. Büßende. — Die 
Berbindung von thun mit dem Inf. ſtatt des einfachen Zeitwortes, vie 
man in der Volksſprache ſtündlich Hören Tann, findet fich auch nom in 





— 23 — 


der Schriftſprache und zwar oft gebildeten Perſonen in den Mund ge⸗ 
legt. en Auffallend find bie Beifpiele: Der Geifl, ver im ganzen 
Corps thut leben. S. L. T. Seht, ihr Herrn, das ift alles recht 
- gut, daß jeder das Nähe bedenken thut. ©. 2%. 11. Procefs 
iren tbu’ ich meine Tag nicht mehr. G. ©. 2. Mehr auffallend 
find: Daß ich ſchau' alle Wirkenskraft und Samen, und th u nicht 
mehr in Worten framen. ©. F. 1, 0. Loben thu’ ich ohne Be⸗ 
Denen, , denn warum ſoll ich verſchweigen, wenn mir etwas zuſagt? 
. Bi. 1, 10. 


$. 58. 


Statt bes Partie, Präfens ($. 72.) ſteht der Inf. nach den 
Berbis: Hören, fehen, fühlen, finden, machen, fo wie au 
nach bleiben, geben, (fommen), reiten, fahren, bier je- 

doch nur in befondern Ausdrucksformen. ° 
Ich hörte den Fuchs zum Hirfche fagen. 2. d. Hirſch. Wir 
hatten oft fagen hören. © %. 1,8 Wie gern möcht’ ich 
einmal Humboldten erzählen hören. G. Wo. 2,7. Hört 
ihr jene Brandung flürmen? S. Hero u. Leander, Schnell 
wirft du die Nothwendigkeit verfhwinden, und Recht in Un- 
recht fih verwandeln ſehen. S. St. 2, 3. Ich fühle jun- 
ges heil'ges Lebensglüc neuglühend mir durch Nero’ und Adern 
rinnen. ©. F. 1, 32, Ich drück' an meine Seele dich, ich 
fühle die beinige allmächtig an mir fhlagen. ©. DE. 1, 2. 
Wir fanden die Rranfen und Alten bier auf dem Boden äch⸗ 
zen und jammern. ©. Hd. 1, 149. Wir finden ihn gewiß 
bei jenen Pappeln ftehen. ©. F. 1, 49. Wir wollen fie fie- 
gen madhen. © ©. 3. Ihr Habt mich weiblich. ſchwitzen 
. maden. ©. F. 1, 69. Sie machen uns den dürren Scepter 
bfüben. ©. Ivo. 1, 2. Er bleibt flehn, den Zauber anzu- 
fhauen. W. 1, 18. Wußt' ich nicht, daß ich mit einem Werbe 
handeln ging? ©. 3. 1, 3, eh’ Tieber jagen. ©. T. 
3, T. Indeſſen ihre Pferde frei im Graſe weiden gingen. 
W. 3, 1. Indem ih wandeln geh! W. 4, 14. Lest hin 
mich A wo Fein Liebender fommt weinen. Herber, St. d. V. 
3, 28. 
Anm. 1. Statt der obigen Berba finden fi zuweilen auch einige gleich- 
. bedeutige mit verfelben Conſtruction. Ich ſchau' in dieſen reinen Zü- 
en die wirkende Natur vor meiner Seele Tiegen. ©. F. 1, 32. Wenn 
e den Lorbeer sufeigen, den Sranatapfel fih röthen, Orangen . 


nd Citronen fi entfalten und Früchte in leid aus dem dunkeln 
aub hervorglühend erblidten © Wl. 2, 7. 

Anm. 2. Es kommt hier, befonders bei gehen: auf den Sprachge⸗ 
brauch an, venn viefelben oder ähnliche Eonftructionen finden ſich auch 
mit zu, wobei jeboch der Zwed des Gehens mehr bernorgeho en zu 
werben ſcheint ($. 61.): Und der Kmmbe a8 u jagen. S. Alpen 
jäger. Was gehft vu zu beginnen? W. 4, 33. Der kühn Gebirg’ 
und Wälder durchzuſtreifen ging. ©. 3.5, 3 


— 24 — 
$. 59. 


Zuweilen finden fi zwei abhängige Infinitive, wobei bann 
drei Sätze in einen zufammen gefloffen find, z. B. Er wird un- 
tergehen müſſen; er foll es bleiben Yaffen. Ä — 

Der Künſtler muß fie mit einem Stabe auf die Himmelskugel 
weifen laffen. &. 8%. 10. Sollt' ich von beiden Kälte Tei- 
den müffen? ©. Sonette 4. Er muß mich nidt prellen 
wollen. ©. 8. 1, 5. Site (die Wilden) ſchweigen entweder, 
oder reden im Moment des Intereſſe mit einer unvorbedachten 
Seftigfeit, Sicherheit und Schönheit, die alle wohlftubierte Euro⸗ 
päer allezeit Haben bewundern müffen, und — müffen 


bleiben Laffen. Herber: Ueber Oſſian 8. 


2) Präpofitionaler Infinitv. 
§. 60. 


In unſerer Sprache wird dem Inf. nur die Präpoſition eines 
einzigen Begriffs vorgefeßt, die Präp. zu. Weſentliche Eigenfchaft 
der Präp. iſt Cafusrection: erjcheint alfo eine Präp. vor einem 
Berbum, fo ift eine declinierbare Mittelform erforderlich, wie fie 
das Tateinifche Gerundium, Supinum oder Participium gewähren. 

Anm. Der präpofitionale Inf. wird deshalb auch von-manden Gram⸗ 


matifern, namentlih von K. 5. Beder, unter vem Namen Supi- 
num abgehandelt. 


$. 6l. 


Es gibt nun aber Feine eigentlihe Flerion des Infinitivs; un- 
fer Inf. mit zu iſt zu faffen wie das lateiniſche Gerundium. Die 
Fälle, wo der Inf. mit zu fleht, find beſonders: 

4) Nah den Berben fein und werden, befonders wenn er 
Subjeet des Satzes iſt und nach den Prädicate fleht, z. B. Es 
ift Feine Kunft berühmt zu werden —= berühmt werden ift 
ferne Kunſt. 

2) Nach vielen Zeitwörtern, wo er meift in das Verhältniß ei- 
nes cc. tritt oder eine Abficht ausdrückt. Dahin gehören vor 
andern: Ablaffen, anfangen, anheben, anflagen, 
auffordern, aufhören, ausziehen, befehlen, be- 
fürdten, begehren, beginnen, behaupten, belie- 
ben, berechtigen, bereuen, beſchließen, befhuldi- 
gen, befteben, beftürmen, bewahren, bitten, brau— 
hen, brennen (vor Verlangen), denfen, dienen, drin— 
gen, eilen, empfangen, erlauben, erröthen, erſtau— 
nen, erfudhen, erwarten, fordern, fortfahren, frob- 
Ioden, fürdten, gebieten, gebühren, gefallen, 
geloben, gelüften, genügen, geruben, geftatten, 
geziemen, glauben, glüben (vor Verlangen), haben, 
binreihen, hoffen, jaudzen, kommen, mahnen, 
meinen, nehmen (auf fih), nöthigen, pflegen, ra- 


— 3 — 


then, ſcheinen, fhwören, fenden, ſuchen, taugen, 
thun (zu willen), übernehmen, umgeben, unterlaf- 
fen, verdienen, verdrießen, vergeffen, vergönnen, 
verheißen, verlangen, verleihen, vermeiden, ver- 
mögen, verfäumen, verfpredhen, verftehben, ver- 
fuhen, vorgeben, wähnen, wagen, warnen, wif- 
fen, wünfhen, zögern, zwingen; — fich bedanken, 
bedenfen, begnügen, bereiten, dünken, einbilden, 
entfchließen, gewöhnen, unterfangen, unterfuden, 
vermeffen, weigern; — e8 fällt zu, gilt, kommt 
zu, liegt auf, liegt daran. 
Wenn ich einmal zu fürdten angefangen, hab' ich zu fürd- 
ten aufgehört. S. DE. 1, 6. Heut noch werb’ ih ihn auf- 
fordern, feinen Leumund vor der Welt zu retten. 6.9.5, 3. 
Nicht mächt’ger war ich, als ich vor neun Jahren auszog, dem 
Raifer Deutfchland zu erobern. S. T. 3, 13. In meiner Rö- 
nigin felbfteigne Hand befahl fie mir den Brief zu überge- 
ben. ©, St. 2, 4. Vielleicht befürchtet Ihr, die Sphäre zu 
verfehlen, die Eures Geiftes würdig fl. S. DE. 3, 10. Be— 
ginnft du num zu ſchwanken und zu zweifeln? ©. J. 4, 3. 
Belieb' es Euch mih an zu ſchauen. ©. F. 1, 50. Sucht Eu 
den Poften aus in meinem Königreih, der Euch berechtigt, 
diefem edlen Trieb genug zu thun. ©. Dk. 3, 10. Ich ſchaͤme 
mich einer feigen Klugheit, die mir da zu ſchweigen rieth, wo 
meines Königs Ehre, Gerechtigkeit und Wahrheit laut genug zu 
‚reden mich beftürmten. ©. Dk. 3, 3. Mein guter Stern be- 
wahrte mich davor, die Natter an den Buſen mir zu legen. 
S. St. 3,4. Ich bitte fehr, für Feine fchlecht’re Chriftn mich 
zu halten. S. DE. 1, 3. Englands Harfcher brauchen nichts 
zn ſcheuen als ihr Gewiffen und ihr Parlament. S. St. 1, 2. 
Nicht merken fol ih, wie voll Eifer Dort der Herzog brennt, 
der Gunft zuvorzueilen, die meinem Sohn befchieden war. ©. 
DE. 3, 4. Nicht eher denk' ich dieſes Blatt zu brauden. ©. 
P. 5, 1. Ich erlaube Euch, den Prinzen zu verföhnen. ©. 
DE A, 3. Wer zu bereuen nicht erröthet, wird fi Reue 
. nie erfparen. S. DE. 2, 2. Wie frob erflaun’ ih, Eure Ma- 
jeftät fo ruhig, fo gefaßt zu fehn. S. DE. 3, 4. Der Monarch 
läßt Ihre Majeſtät erfuhen, dem Ambaffaveur von Frankreich 
fein Gehör für heute zu bewilligen. S. DE. 4, 3. Ein wildes 
Dferd erwarte man zu finden. ©. 9. 1, 2. Fährt fie (die 
Stadt) noch fort mit dem gewohnten Muth bem Feind zu wi- 
derſtehn? S. Ivo. 1, 3. Der Prinz froblodt, hintangeſetzt 
zu fein. ©. Df. 2, 10. Wenn ich nicht fuͤrchten müßte, Ihre 
Majeftät durch die Erzählung zu ermüden. S. DE. 1, 4. Sorg’ 
nur, daß du ihm den Kopf recht warm mahft, was zu denken 
gibſt. S. 9. 3, 2. Ihr Auge gebot verfländig zu reden. ©. 
Hd. 7, 5% Doch es gefiel der Vorſehung, mi vor ber Zeit 
ch ——— 


— — 


von meiner ſchönen Pflanzung abzurufen. S. DE, 4, 21. Weil 
man und glaubt zu haben, zu locken meint durch glänzende 
Berfprechen. S. P. 5, 1. Mein Herz glüht, an dem * 
gen zu ſchlagen. S. IJvo. 3, 2. Was Hab’ ich zu erwarten? 
®. Ivo. 1, 5. Er hofft, fie zu,befiten. ©. T. 3, 4. Du 
jauchzeft, der Beleivigte zu fein. S. DE. 2,15. Du kommſt, 
mich der Verzweiflung zu entreißen. S. Jo. 1, 4. Mer 
nimmt's anf ſich, den König zu belehren! S. Df. 2, 10. Ha- 
ben Sie bemerft, wo fie den Schlüffel zur Schatulle gewöhnlich 
zu bemaßren pflegt?..S. Dk. 2, 12. Ein Glanz vom Him- 
mel ſchien die Hohe zu umleuchten. ©. Ivo. 1, 9. ‚Schade, 
daß das Opfer wenig dazu taugt, dem Geift des Opferers ein 
Loblied an zu ſtimmen. S. Dk. 3, 10. Gefest, ih ginge ba- 
. mit um, den meinen (Glauben) auf einen Thron zu Then? ©. 
DE. 4,2, Berdienen Sie, der Welt voranzugehn. ©. DE 
1, 5. Wenn fein erhabnes Herz vergeffen hat für Menfch- 
Lichfeit zu fohlagen. ©. DE. 1, 2. Mir vergönne Ihre Ma- 
jeftät mich fo Yang zu entfernen. S. DE. 1, 3. Zehn Kuraſſiere 
von Pappenheim verlangen dich zu ſprechen. S. T. 3, 14. 
"Bermeiden Sie's, in diefen ernflen Stunden fich öffentlich zu 
zeigen. S. P. 2, 7. Vermöcht' er Hug zu handeln. ©. P 
41, 2. Wie gut verftund’s die Fuge Schreiberin, der Liebe 
einen Boten auszulefen. S. Dk. 2, 4. Darf ich die Bitte aus⸗ 
zufprechen wagen? ©. DE. 2, 2. Er warnte mid, mit Wor- 
- ten und mit Winfen gar fehr auf meiner Hut zu fein. ©. DI. 
2, 7. Sie wußte das Cabinet recht gut auszulegen. ©. %. 
‚41, 17. Wo wir verflummen müffen, zwingen Pflichten. Sie 
zu reden. ©. Df. 2, 12. — Die Tyrannei begnügt fich nicht, 
ihr Werk nur halb zu thun. ©. St. 1, 6. Das allein macht 
ſchon den Werfen, dee fich jever dünkt zu fen. U N. 3, 5. 
Das will ich zu entfcheiden mich nicht unterfangen. ©. DE. 
4, 9. Ich werd’ mich unterfiehn, Euch das zu wehren. ©. 
TI. 1, 2. Wer ift der Menfch, der fih vermeffen will, des 
Zufalls ſchweres Steuer zu regieren und doch nicht der Allwiffende 
zu fein? ©. DE A, 21. — Damalen galt es, Böhmen aus. 
Keindes Hand zu reißen. S. P. 1, 2. 


$. 62, 


Beſonders Häufig fleht der Inf. mit zu mach Adjectiven, vor⸗ 
züglich wenn bdiefelben zu oder genug bei fich haben, und bei ver⸗ 
balen Subftantiven, befonders dann, wenn der uf. fich durch das 
Paſſiv auflöfen läßt. Wo flatt des Adjectivs ein Adverbium ſteht, 
hängt der Inf. nicht von diefem ab, fondern von bem verbalen 
Subſtantiv. Daz ist lanc ze sagene ift das latein. dicere lon- 
gum est, aber daz ist lange ze sagene ift longe dicendum est. 
Neuhochdeutſch, wegen ber meift vericherzten Anverbialform, miſchen 
fi beide Faͤlle: Das iſt Yeicht, ſchwer zu fagen, zu thun. 


. 


— 2 — 


Diele grade Hand iſt zu ſtarr, um beine neuen Thaten zu 
verſiegeln. ©. St. 5, 15. Schwer zu unterſcheiden, noch 
ſchwerer zu ergründen find bie Menfchen. S. DE. 2, 10. Wie 
groß und ſüß (if es) in feines Kindes Tugend unfterblich fort- 
zu dauern! ©, Dk. 2, 2. Karlos ift geſonnen, der Unglüd- 
lichfle in dieſer Welt zu bleiben. S. DE. 1,5. War's un⸗ 
. recht, an_ dem Gaukelbilde mich der Föniglichen Hoffnung zu er- 
u: S. T. 1, 4. Biſt du gemwillt, dies Blatt zu un- 
terfchreiben? S. P. 4, 1. Sie ıft ſchön zugleich und fhred- 
Lich anzufehn. ©. Zoo. 1, 9. (Sch bin) nicht jung genug, 
‚vor Götzen mich zu neigen, und Trotz mit Trotz zu baͤnd'gen, 
alt genug. ©, T. 2, 3. 
Anm. Nah 6. 61. 1. fteht der Inf. mit zn, wenn er Gubj. des Sapes 
ift und nad dem Prädicat ſteht. Daß dieſe Seßung nit fo firen 
‚ von den Schriftfiellern gewahrt wird, mögen u. a. folgende Beifpiels 
beweifen: Es ift vortheilhaft, ven Genius bewirthen. ©. 2. 1, 1. 
Es iſt fo ſchwer, im See ih verdammen. ©. 2, 3, 2. Fin 
5.100 Beyelaunge (13) RR ons: 3 be 
. ruhig bleiben? Shoes beffer fih zu treiben? ' 


$. 63. 

Nah Verben und Subftantiven ſteht endlich der Inf. mit zu, 
wenn er in eins ber Berhältniffe tritt, welche an‘ bem Hauptwort 
durch die abhängigen Cafus vargeftellt werden, alſo flatt des Ge 
nitivs. Dies tritt vornehmlich ein nah dem ausfchließenden Vor- 
wort ohne und dem eine Abficht ftärfer hervorhebenden um zn. 
Hierbin gehören auch die reflexiven Verba, die einen Genitiv regieren. 

zu gefallen war mein höchſter Wunſch, Euch zu ergeben 
. war mein Iebter Zweck. G. T. 1, 3. Es ıft eine Wolluft, eis 
nen großen Mann zu fehn. ©. ©. 1. Wo das Berlangen 
vor zu dringen, zu befiegen, zu erhafchen, feine Fauſt zu brau⸗ 
hen, zu befisen, zu erobern, durch die Seele des jungen Jägers 
glüht. G. E. 5. Nur zu befchäftigt find’ ich ihn, ale daß er 
Zeit und Muße könnte haben, an unfer Gläd zu deufen. ©. 
P. 3, 5. Ihr habt Euch gewaltfam zugeeignet, was ich Euch 
beut noch zu übergeben Willens war. ©. St. 1.2. Das 
Zettelchen fiel, ohne von ihm bemerft zu werben, auf den Bo- 
ben. G. Wo. 1, 14. Er lebt, um beme Jugend zu begraben. 
S. St. 5, 6. Ich erfühne mid, mein Blut für ihre Treue 
zu verbürgen. ©. Df. 2, 2. Bon dem (Brief) ich nie gehört 
zu haben mich entfinne. ©. Dk. 4, 12. 


3) Subject des Infinitivs. 
a) Accufativ mit dem Infinitiv, 
S. 64, 


Hierbei ift das von dem herrſchenden Verbo regierte Subject 
und das mit dem Inf. verbundene nicht zu miſchen. In einzelnen 








— 3 0 — 


galiem. kann es zweifelhaft ober gleichgiltig fein, wohin man ben 

10 e. 3. B. die Säbe: Ich febe dich the ih höre 
* ogel fingen, können aufgeloͤſt werden in: Ich ſehe, wie bu 
brennſt; ich höre den Vogel, wie er ſingt, over in: Ich ſehe, daß 
du brennſt; ich höre, daß ber Vogel fingt. Für unfere — 
deutſche Sprache ſcheint jenes das richtige Verſtaͤndniß. 


Anm. Ich ſehe, wie du brennſt; ic höre den Vogel, wie er fingt, er⸗ 
fordern das latein. Partic., alfo: Gonspicio le flagrantem; audio avem 
-» canentem; bie zweite Art erforvert den acc. c. inf. alfo: Video le 
flagrare, audio avem canere. Daß vie erfe ai unferer Sprache an⸗ 
gemefjener ift, ergibt fi daraus, daß wir z. B. ben Sep: Audio te 
omum exstruere wicht überſetzen önnens 3 höre dich ein Haus 
bauen. Diefe an fih untavelhaft gebilvete Phraſe oe nur in den 
u, befien gelegt werben können, ber das Geräuſch des Bauens . 
yernähme. 


$. 69. 


- Meberall nun, wo ein im Sat ausgebrüdter Acc. nicht 
zum herrſchenden DBerbo, fondern zu dem abhängigen Juf. dergeftalt 
gehört, daß er bei Auflöfung des Ganzen in zwei Sätze den No- 
minatio des zweiten, unabhängigen Satzes gebildet haben würde, iſt 
bie Eonftruction bes Acc. mit dem Inf. vorhanden. Siche⸗ 
ves Kennzeichen dieſer Conſtruction ift, daß fie nie die Präpof. zu 
‚verträgt ($. 68.). Dur diefe Eonftruction werben einfache Sätze 


"aus mehrfachen gebildet. 


$. 66, 


Der reine Inf. enthält erfiens eine vom Gubjert des Satzes 
(dem Caſ. vertud) ausgehende Handlung, z. B. nach den anomalen 
und auxiliaren Wörtern: Ich mag das thun, er geht ſchlafen, u. a. 
Hier wird ſowol intranfitiver Zuftand bezeichnet, als auch tranfitive 
Einwirkung, > B. Er will did lehren. 

Ich mag's und will’s nicht glauben, baß mich ber Mar ver- 
laſſen kann. ©. X. 3, 18. Wußt' ich nicht, daß ich mit einem 
Weibe handeln ging? ©. 3. 1, 3. Suchſt du das Höchſte, 
das Größte? Die Pfarne kann es dich lehren. S. d. Höchſte. 
Andere Beiſpiele $. 56. 57. . 


S. 67. 


Es Liegt zweitens in dem Inf. die Handlung eines andern, auf 
welche eben erſt durch das im Sat herrſchende Subject eingewirft 


werden fol. Sp nah dem nicht auxiliaren thun, nah geben, 


Taffen, bitten, fehen u. m. a. Nur reflerio kann bie Hand- 
Iung fi auf das Subject ſelbſt zurückbeziehen. 
Laß ‚mid weinen, an beinem Herzen heiße Tpränen weinen, _ 
bu einz'ger Freund. ©. DE. 1, 2. Heiß mich nicht reden, 
heiß mih fhweigen. ©. Diignon. Ich fühle junges 
beil’ges Lebensglück englähend. mir durch Nero’ und Adern 


— 239 — 


rinnen. ©. F. 1, 32. Sie mahen uns den dürren Scey- 
ter blühen. ©. Ivo. 1, 2. — Weitere Beilpiele $. 57. 58. 


S. 68. 


Erſteren (den reinen, H. 66.) Inf. könnte man den ſubjecti⸗ 
ven nennen, letzteren, weil das abhängige. Subject objectiv wird, 
den objectiven. Vor beiven, hauptlächlich jedoch vor dem ob- 
jectiven bat fih im Neuhochbeutfchen vielfach die Präpof. zu einge 
drängt, und fo die Eonftruction des Ace. mit dem Inf. verwifcht. 
Das Berbum, von welchem ein Acc. mit dem Inf. abhängt, Hat 
mehr Gewicht und Nachdruck, als das den bloßen oder präpofitio- 
nalen Inf. regierende: Diefes kann auxiliar werden, jenes nicht. 

Wo ein Halbfenner ben Rünftler unter der Natur geblieben 
zu fein, das wahre Pathetifche nicht erreicht zu haben, um 
theilen dürfte. L. L. 1. Andere Beilpiele Tiefert $. 61. 


Anm. In dem lat. Sat: Volo solvere, scio solvere iſt volo und scio 
unbebeutenver, als in volo ut solvas, scio te solvere. Die beiden er- 
fien solvere erfcheinen fubjertiv, vie beiden letzten objectio. 


PB) Nominativ mit dem Infinitiv, 
| $. 69. 


Der Inf. Bat den Nom, neben ſich in mehreren Källen, und zwar: 
1) Wenn auf die Verba erfler und zweiter Anomalie der Begriff 
fein, bleiben oder werden folgt. 
2) Ebenſo wenn nach andern Verbis, die den fubjectiven Juf. 
regieren, fein, bleiben oder werben folgt. 
3) Wenn auf bünfen und fheinen fein, bleiben oder wer- 
den folgt. 
Ich hätte der elfenbeinerne König fein mögen. ©. ©. 1. Je 
der will der Fürft des Haufes fein. L. N. 3, 7. — Ih hoffe 
keines Menſchen Schuldnerin aus dieſer Welt zu ſchei⸗ 
den. S. St. 5, 7. Der ſich vermaß der Schöpfer eines neuen 
goldnen Alters in Spanien zu werden. S. DE. 1,2. — Das 
allein macht ſchon den Werfen, ber fich jeder dünkt zu fein. 
UN. 3, 5. — Siehe weiter $. 205. 
Anm. Fehlerhaft geflatten wir neben obiectiven, d. h. nicht auf ven Eaf. 
ectus beatihen I den Nom., 3. 3. Ich Bari ” — rei 
der letzte anf dem Plate zu fein, flatt den erſten, den letzten. 


e»Partieipia. 
$. 70. 


In Bezug auf die Modalität des Verbums iſt noch zu erwä⸗ 
gen, wie Participia einen andern Modus vertreten fönnen. Ihre 
adjectivifche Natur bringt fie dem fubflantisifchen Juf. am nächften. 
Dan muß unterfcheiven, ob Partic. felbändig für fi, ober in 
Berbindung mit Auxiliaren auftreten. In jenem Falle dürfen fie 


— 


— 30 — 


an die Stelle jedes Modus geſetzt werden und beſonders find die 
abſoluten Partieipia ($. 305.) von großer Wirkung. 
. §. 71. 

Unſer Partic. Präter. dient zur Umſchreibung der Vergangenheit 
(3. Cap.). Bon feiner Zuziehung zur Paſſivumſchreibung tft bereits 
oben ($. 13.) gehandelt worden. Hier ift zu erwägen, in wie fern 
—2 den abhängigen Inf. erſetzen, mit dem ſie ſich vielfach 

erühren. 


$.72, 
Hier find für die neuhochdeutſche Sprache etwa folgende Fälle 
zu bemerfen, bie an Reichhaftigfeit ven mittelhochdeutſchen fehr nach⸗ 
nm: — ' 


1) Partie. Präſens nah finden und fehen. ©. $. 58, wo 
der Inf. ſteht. 

Pehter. nah kommen, wo baffelbe artiven Sinn 
at, 12, . 


3) Partie. Präter. nach Iaffen, wenn durch ein vorgefeßtes un - 
das Partie. negativ geworben, 3. B. unerwogen Taffen. 
4) Partic. Präter, nah bringen und befommen, 3. B. einen 
getragen bringen, etwas geſchenkt befommen. M 
5) Partie. Präter. nah Hören, 3. DB. erzählt hören. 
6) Partic. Präter. nah finden und fehen, bei diefen wie bei 
hören mit paffivem Sinn. Das Partie. Präter. drückt Ber- 
gangenheit, der Inf. Gegenwart aus, 
7) Nah heißen und nennen fleht Partic. Präter, und Inf., 
3. DB. das heißt lügen, gelogen. 
8) Partie. Präter, nach mehrern Aojectiven wie gut, Leicht, 
ſchwer, lieb u. a., 3. B. beffer ift gefchwiegen als gerebet. 
Sie fand den wilden Gottesmann dem hölzernen Kreuze knieend 
nahe. 8. d. Eremit. Sie fanden ihn fragend den bunten 
Henfeltopf. 3. 1, 237. An dem Rande des Hegegrabens fand 
ih „eine weiblihe Geflalt fißend, over vielmehr Yiegend. 
8.8. 1,2. Dann folft du mich Inieend fehen. ©. T. 2,3. 
Das Rind kommt in den Saal getappt. ©. WC 1, 2. — 
Daß er fih brachte zunächft die Braut. zum Haufe geführt, 
®. Hd. 9, 167. Er bringt dem Grafen fein Roß_zurüd, 
befcheiven am Zügel sefäher: ©. Gr. v. Habsb. 56. Sie_be- 
kam täglich etwas geſchenkt. G. %. 3, 7. — Ih höre 
Orleans bedroht. S. Yon. 1, 1. Ich will es nicht geftorben 
fehen! fterben will ich es fehen! L. Mf. 2, 3. Sie fan- 
ben ben Süngling gelehnt an den Wagen. ©. Hd. 6, 220. 
Fern von den Zelten unter einem Baum fand ich ihn eingelchla- 
fen. ©. P. 1, 3, Mit Schreden ſeh' ich fie in tiefes Elend 
Kg hr 7 Za Wohl seinen: Den König den® ig! 
nm. Dahin ließe au wohl rechnen; Den König pen?’ ich krie⸗ 
geriſch gerüftet. ©. 300, 1, 1. s 





— 3 — 


Berbalellipfen. 
6. 73. 


Bei allen Auslaffungen ift fowol die Befchaffenpeit des weg- 
fallenden Wortes als desjenigen, nach dem es wegfällt, zu berädfid- 
tigen. Ausgelaffen werden kann nur, durch deſſen Verſchweigung 
feine Undeutlichkeit erwächſt. Friſche, lebendige Wörter erliegen ber 
Ellipſe nicht, fordern die, deren Sinn burch öftere Wiederkehr er- 
blaßt iſt; an beftimmter Stelle, neben gewiffen andern, ihnen ge- 
wöhnlich verbunpnen Ausbrüden verftehn fie fich gleichfam von ſelbſt. 


$. 74. 


Ellipſen finden ſich zuerſt in Sprihwort, bei der Betheuer⸗ 
ung und in Formeln gedrängter Fragen oder Ausrufungen 
ein; desgleichen in Formeln des Grußes und Glückwunſches. 
Sie helfen der durch Hilfswörter und Wiederholungen erfchöpften 
und gefchwächten Kraft der Rede auf, und gewähren, zur rechten 
Zeit angewandt, nachdruckſame Kürze. Kein Verbum unterliegt hier⸗ 
bei leichter dem Ausfall, als das Hilfswort fein. 

Je Hüger ein Volk (if), je thätiger (if). Fleiß und Gehorſam. 
V. 2, 540. Sie haben gegen fie eine Aufmerkjamfeit, die fie, - 
bei Gott, nicht verdient! ©. %. 5, 10, Zur Sade, wem's 
beliebt! ©. 9. 2, 7. Lichter! Lichter! ©. P. 4, 6. Halt, 
Egmont! deinen Degen! © €. 4. Um Gottes Willen, 
Fährmann, Euern Kahn! S. U. 1, 1. Wer Hopf? Her 
ein! ©. F. 1, 79. Ehrwürdiger Vater, guten Abend! wo- 
ber fo fpät? ©. ©. 1. Das wollt’ ih niht — beim gro- 
Ben Gott des Himmels! S. St. 1, 7. Willkommen, edler 
Herr, auf Libanon willfommen! ®. 1, 21. Glück auf den 
Weg! ©. DE. 2,5 Glüch zum Gefchäft! V. 1, 240. 


$. 75. 


Häufig teitt die Ellipfe des Inf. ein, und zwar hauptfählich in 
folgenden Fällen : oo. " 
9 Nach ſollen und mögen, dem Dat. der Perſon und einem 
ſubſtantiviſchen Pronomen laſſen ſich die Verba helfen, from- 
men, nützen, dienen als ausgefallen denken; doch kommt 
auch ſollen ohne Dativ’ vor, wobei man ſich ein anderes 
Zeitwort denken kann; ja es kann fogar ſoll und dienen 


fehlen. 

2) Sehr gemöhnlich iſt der Ausfall eines Verbums der Bewe⸗ 
gung. Hierher gehört befonders die Formel zum Teufel, 
zum Henfer, die auch als Ausruf, ja fogar bei Fragen ein- 
gefshaltet wird, 

3) Am hänfigften mangelt dee Inf. befonders nach anomalen. 

4) Das Berbum ſprechen fehlt häufig, wohin man auch mande 


Formen des Grußes rechnen kann. 


— 32 — 
Was ſollte Ihnen dieſer Menſch? S. Dk. 5, 10. Wozu 
ſoll das alles? ©. ©. 1. Was ſoll's mit ſolchen Eitelfei- 
ten? ©. Spnette 12. Ich muß zu Felde (ziehen), mein Töch— 
terfein. Uhl. d. Nothhemd. Schüler, wozu biefe undanfbare 
Mühe? X. d. Erſcheinung. Zum Teufel erft das Inſtrument! 
zum Teufel binter drein den Sänger! ©. F. 1, 194. Wil 
einer zu buben Ehren und Würden (fommen), büd’ er fich unter 
die goldnen Bürden. S. L. 11. Vorwärts mußt du (gehen), 
denn rüdwärts kannſt du jebt nicht mehr. .S. T. 1, 3. Was, 
. zum Henker! follen wir dort? ©. L. 11. Was zum Hen- 
fer treibft du für Mummerei? G. ©. 1. Zum Henker! Alle 
Deutfchen fpreden fo. S. T. 2, 5. Alſo (fprah) der Greis N. 


. „öfters. Denn unter uns (fei ed gefagt), er hört fich gern Toben. 


G. %. 4, 16. Meinen beften Dank (fage ich) für biefe Gnade. 
S. Di. 2, 2. 6.76 


Sehr häufig fehlt auch das Partie. ſowol das Präf. als Präter, 
in den verfchtebenartigften Conſtructionen. — Noch können zuleht 
verfchiedene Formen des Verbums fehlen, wie fih aus nachfolgenden 
Beifpielen erfeben läßt, von denen fich jedoch auch manche als ab⸗ 
folute Participia ($. 308.) faffen laſſen. 

Da kommt fie felbft, den Chriftus in der Hand, die Hoffart und 
die Wolluſt in den Herzen (babend). S. St. 1, 1. Sp muf 
ih fallen ın des Feindes Hand, das nahe NRettungsufer im Ge- 
fihte (abend). S. TI. 1, 2. In einem Halbfreis flanden um 
ihn ber fechs ober fieben große Königsbilder, den Zepter in ber 
Hand (Baltend). S. P. 3, 4. Stille Hoffnung im Gefichte (ha⸗ 
bend), faß er da allein. S. Toggenb. Diefes gefagt (habend), 
entblößte der redliche Bater die Scheitel B. 1, 47. Cr fand 
ihn allen, den Kopf in die rechte Hand gelehnt, den Arm auf 
den Tifch geſtemmt (habend). G. Wo. 2, 16. So ift auch mein 
Sohn Dar zurüd (gefommen). S. $. 1, 2. - Schon vom Tur⸗ 
nierplaß zurüd (gefommen)? S. St. 2,1. Was zagt ihr, Sr 
Franken! Auf den Feind (eingehauen)! S. Ivo. 1, 9. Auf! Ihm 
entgegen ‘(geeitt)! S. Ivo. 3, 2. Saturnus- Reich iſt aus (ge- 
gangen, beendet). S. T. 1, 1. Den Ring (gewinnen) und einen 
Hieb (verfett), fo iſt's getan. W. 3, 30. — Wie Iang’ ge 
dacht! Wie wohl bereitet! Wie groB ‚ wie ſchön der Plan! Wie 
. nah’ die Hoffnung ihrem Ziele! G. E. 4. Hinaus in’s weite 
Land! ©. F. 1, 31. Warum von taufend Vätern’ juft eben die⸗ 
: fen Bater mir? ©. Dk. 1, 2. Bei Tafel ein eben fo edles 
- Beiragen und ben Tiebenswürbigften Ton ber Unterhaltung. ©. 
Wi. 1,5. Es iſt beſſer einäugig zum Himmel, ale mit zwei 
Augen in bie Hölle. S. R. 1, 1. Alle Doctores Juris (follen 
leben)! G. ©. 1. Wir haben es mit einem Feden Feinde (zu 
thun). S. 300. 2, 1. Den einen Sieg noch (brauchen wir) 
und der Feind Liegt nieder! S. Ivo. 5, 11. 


— 33 — 
Drittes Capitel. 


Tempus. 
$. 77. 


Wenig Sprachen find für den Ausdruck der Zeitverhältniffe beim 
Berbum fparfamer ausgeftattet als die deutſche: fie befißt nur For⸗ 
men des Präfens und eines einzigen Präteritums. Weder das Fu- 
turum noch die in andern Spracen vielfach gegliederten Stufen der 

. Bergangenheit vermag fie unumfchrieben zu bezeichnen, 


al Präfens. 
$. 78. 


Das Präfens erfcheint, auch feiner Form nad, als Grundlage 
aller übrigen Tempora; es läuft am vollfländigften durch jeben 
- Modus, während andere Tempora nur im Indic. und Eonf. ent- 

halten find, dem Imper. und Inf. ganz abgehn. — Es brüdt bie 

Gegenwart aus, zumeilen aber die ald Gegenwart gedachte Ver⸗ 

amgenpeit ober Zufunft, wovon nachher ($. 79. 101.) die Rede 

ein wird, | 
Weh dem, der fern von Eltern und Gefchwiftern ein einfam Les 
ben führt! Ihm zehrt der Gram das naächſte Glück vor ſei⸗ 
nen Tippen weg. Ihm ſchwärmen abwärts immer bie Ge 
danken nach feines Vaters Hallen. ©. 3. 1, 1. Kine folde 
Stimme brauch’ ich jest, den böfen Damon zu vertreiben, ber 
um mein Haupt die fohwarzen Flügel ſchlägt. S. T. 3, 4. 
Sie Tieben Di und find dem Eide treu. S. T. 2, 7. Leiht- 
bei einander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume ſto⸗ 
Ben fih die Sachen. ©. T. 2, 2. Wer durch's Leben gehet 
ohne Wunfch, fich jeden Zweck verfagen fann, der wohnt im 
Teichten Feuer mit dem Salamander, und hält fi rein im: rei- 
ven Element. S. T. 2, 2. Es gibt nichts Reineres und Wär« 
meres, als unfere erfte Freundſchaft, unfere erſte Liebe, unſer er⸗ 
ſtes Streben nach Wahrheiten, unfer erftes Gefühl für die Na- 
‘ fur. J. 20. 
6. 79. 


. Sehr haͤufig wird das Präſens gebraucht, um vergangene 
Dinge darzuſtellen; man nennt es das erzählende ober Hiflo- 
.rifde Präſens. In der Wärme einer rafchen Erzählung wird 
zwiſchen andere Präterita ein Präfens geftellt, um dem Zuhörer 
das Borgegangene lebendig unter die Augen zu rüden. Auch kann 
das plöglih und unerwartet Eingetretene ſchicklich durch das bloße 
Präfens vorgetragen werben. . 
Anm. Was aber dem leichteren Vortrag, der Profa und dem Drama 
. . Heftattet iſt, veffen wird bie gemeflene epifche Dichtung fich zu ent⸗ 
alten haben : ihr taugt das Präfens nur Eingang Ontufang ber 
Kehrein Grammatik, IL. 1. 3 


+ 


— 34 — — 
Muſen), für Gleichniß und Rede der handelnden Perſonen, nicht für die 
aus des Dichters Munde gehende — % Goethes Herm. 
und Dor. ift fein einziges hiftor. Präfens, in Bo Bens,Luife wird 
bloß zu Anfang des 3. Gef. aus ver Erzählung gemwichen, eine Befchrei- 
bung vorauggefendet und darauf ing Präter. eingelentt. Wieland im 
Dberon, nad welſcher Weife, Hat ihrer im Uebermaß; ſo auch die Ro- 
mane. — Eine wirkungsreiche Abwechſelung zwiſchen Präſ. und Präter. - 
“findet fih in des Sängers Fluch von Uhland. 


$. 80. 


Für den bewegteren Ton ber neueren Bolfslieder eignet fih 
das hiftorifche Prafens fehr, beim Beginn wie in der Mitte, und 
ohne daß es dabei auf Betrachtung abgefehen wäre, wie z. B. 
im Althochdeutfchen bei Otfried: Alles iſt fogleih Handlung. 
Der Dichter geht vom Präfens aus und geräth dann ins Präteritum. 
Es liegt ein Schloß in Defterreich, das iſt ganz wohl erbauet ; 

darinnen liegt ein junger Knab, fein Vater Fam vom Rofen- 
“berg. — Die Königin ſteht im hohen Saal, da brennen ber 
. Kerzen fo viele. Und neben der Königin ſchlürft zur Stund 
Sorbet die fohönfte der Frauen. Da brach ihr die Taffe fo 
‚ bärt an dem. Mund, e8 war ein Graͤuel zu ſchauen. G. Wirk. 
"ind. Ferne Das Waffer raufht’, das Waſſer ſchwoll, 
ein Fifcher ſaß daran, fah nah dem Angel ruhevoll, fühl bis 
ans Herz hinan. Und wie er fitt und wie er laufcht, theitt 
fih die STuth empor; aus dem bewegten Waffer rauſcht ein 
feuchtes Weib hervor, G. d. Fiſcher. 
. Anm. Dog ift die Betrachtung nicht ausgefchloffen. Am Ruheplatz 
der Todten, da pflegt es fill zu fein, man hört nur Jeifes Beten 
bei Kreuz und Leichenſtein; & Döffingen war's anders, vort [ho IT . 
den gansen Zag der fefte Kirchhof wieder von Kampfruf, Stoß und | 
“ Schlag. Uhl, d. Döf. Schlacht. 


$. 81. 


In dem heutigen Stand aller beutfchen Sprachzweige bat viel⸗ 
fache Einwirkung ber claffifchen fo wie ber. neueren fremden Litera- 
tur dieſe Tempusanwenbung freier und manntgfalter begründet. Ue⸗ 
berall, wo der Erzähler feinen Gegenitand näher bringen - oder- das 
Meberrafchende darftellen will, mag er gleih mit dem Präſens be- 
ginnen, oder aus dem Präteritum unmittelbar ins Präfens über- 
geben (wie im Ießten Beifp. $. 80.). 

" Schön den Hals entblößt, kniet' ich auf meinem Mantel, ven | 
Streich erwartend: als mich fchärfer Saladin ins Auge fat, 
mir näher fpringt und winft Man hebt mih auf; Ich 
bin enifeffelt; will ihm danken; ſeh fein ug in Thränen; 
flumm ift er, bin ich; er gebt, ih bleibe. UN. 1, 5. Sm: 
dDiefen Tagen kehrte ein Reifender bei ung em, wir bringen 
nicht weiter in ibn, da er fogleich durch fein Wefen ung Ber- 
trauen einflößt. ©. Wj. 3, 13. Das Haar verwildert Tag 
ber Schotte Kurl auf feinem Lager, Raum erkennt mich. der 


Ä 








; 


— 3 — 
Unglückliche, ſo ſtürzt er zu meinen Füßen. S. St. 5, 13. 
Im Aufruhr Tief die ganze Stadt zufammen, und als ich Bahn 
mir mache durch's Gewühl, da tritt ein bram Bohemerweib 
mich an mit diefem Helm, faßt mich ins Auge fcharf und fpricht. 
©. oo, Prol. 3. Ein neuer Geift verfündigte fogleich den 
neuen Feldherrn. Bergebens lockt man ihn zur Schlacht; er 
gräbt fich tief und tiefer nur im Lager ein, als gält’ es, hier 
ein ewig Haus zu gründen. Verzweifelnd endlih will ver 
König ftürmen; zur Schlachtbanf reißt er feine Völker Hin. 
Durch den Verhack des Lagers, hinter welchen der Tod aus tan- 
ſend Röhren Iauert, will der Niegehemmte flürmend Bahn 
fih bredden. Da ward ein Angriff und ein Widerſtand, wie 
ihn Fein glücklich Auge noch gefehn. Zerriffen endlich führt fein 
Volk der König vom Kampfplatz heim, und nicht ein Fußbreit 
Erde gewann es ihm, das graufe Menfchenopfer. S. P. 2,7. 


bh) Präteritum. 
6. 82. 


Einige Vergütung für die in unferer Sprache gleihfam unaus- 
gearbeitet gelafjene Form ber Vergangenheit wird ihr Durch das rei- 
ner als fonft entfaltete Syſtem der Ablaute, und die damit verlie- 
bene größere Durchfichtigfeit urfprünglicher und abgeleiteter, intran-. 
fitiver und tranfitiver Bedeutungen gewährt. Hier haben wir es 
weſentlich mit der indicativiſchen Vergangenheit zu thun. 


$. 83. 


Im Gothiſchen und Withochdeutfchen wurden Die drei lateini⸗ 
ſchen Präterita einförmig durch das Präteritum (Imperfectum, kaum⸗ 
vergangene Zeit) verbeutfcht, niemals umfchrieben. Im 9. Jahrh. 
zeigen fich bereits Spuren von Umſchreibungen mit haben und dem 
Bartic, Präteritiz gegen Ende des 9. Jahrh. nehmen fie überhand und 
im 10. baben fie ed völlig feſtgeſetzt. Näher lag bie Umſchreibung 
mit ſein, als ſie ſich mit der Paſſivumſchreibung berührt. Sie mag 
gleichzeitig fein mit der Umſchreibung durch haben. Weil man 
den anfitis en Berbis ein Präteritum mit haben bildete, forber- 
ten die intranfitiven ein auf gleicher Stufe ſtehendes mit fein. 


$. 84. - 


Im Neuhochdenifchen laſſen bie mit fern umfchriebenen Präte- 
rita Paſſivi tranfitivee und Präter. Aetioi intranfitiver Verba fich 
daran leicht unterfcheiven, daß jenen noch worden, dieſen aber 
nicht Hinzugefügt werben kann: Ich bin verloren, gefunden war- 
den, hingegen: ch bin gefommen, genefen. Doch barf biefes 
worden, das bie ältere Sprache nicht Fennt, oft unterbleiben und 
im Einzelnen mag dann zweifelhaft fein, welcher von beiden Fällen 
gemeint ſei. ge 


. „tigatus sum.) 


® 


N . 
. 
L 
36. 


8, 


Da unfer beißen medialpaffiver Bedeutung fahig ifl, ſo dürfte 
ich bin geheißen für beide, das Präter. Activi und Paſſivi gel- 
ten können; uns bezeichnet es jedoch mehr das lateiniſche vocor (ich 
nenne mich), als vocatus sum, was durch ich bin geheißen 
worden auszubrüden wäre. Ach bin geworben iſt Umfchrei- 
bung des Präter. Aet., nicht Pal. Wenn wir fagen: Er iſt vor- 
beigegangen und er ift vorbeigegangen worden, fo rührt erfleres 


von dem Intranſitiv, Tedteres von dem Tranfitiv her. Ich bin 


ermübdet ift das neben ich ermüdete flehende periphraftifche Prü- _ 


teritum (langui), aber ih bin ermübet worden ift paffio (defa- 


§. 86. 0 


Was nun die Bedeutung betrifft, fo bemerfe man folgenden Un- 
terfchied. Unfer einfahes Präteritum (imperfectum, kaum⸗ 
vergangene Zeit) bezeichnet das Prädicat als ein in ber Gegenwart 
des Sprechenden vergangenes; es brüsft aber zugleich das Zeit- 
verhältniß des Prädicates zu einer andern Thätigkeit aus und 
ftelit die ausgefagte Thätigfeit als eine in dem relativen ZJeitver- 
bältniffe nicht vollendete dar. Es dient ferner zugleich für 
das Tatein. Imperf., um nicht fowol etwas zu erzählen, als 
vielmehr zu [hildern, zu befhreiben. Daher gebraucht man 
es auch endlich von wiederholten Handlungen der Bergangen- 
beit, um damit einen Zuftand ober eine Gewohnheit dar— 
auftellen. | 

Du Fannteft mich wieber, gleich als ich in den Garten Fam? 
G. F. 1, 165. Einige Monate verfirihen, ehe aus Madrid 
eine Antwort Fam. S. Oranvella. Indem dies unter dem Volke 
geſchah, fing der Minifter an, am Hofe der Regentim zu wan⸗ 
fen. ©. daf, Mein Vater war ein bunfler Ehrenmann, ber 
über die Natur und ihre beil’gen Kreiſe in Redlichkeit, jedoch auf 


feine Weiſe, mit grilienbafter Mühe fann. ©. 3. 1,53. — _ 


’ + 
Hier ſaß ich oft gedankenvoll allein und quälte mich mit Be— 
ten und mit Faſten. ©. F. 1, 57. Bor diefer Linde ſaß ic 
jüngft wie heut, das ſchön Vollbrachte freudig überdenkend, da 
kam daher von Küßnacht, feiner Burg, der Vogt mit feinen Rei- 
figen geritten. Doch ich erhub mich ſchnell, und unterwürfig, 
wie fich’8 gebührt, trat ich dem Herrn entgegen. ©. TI. 1, 2. 
Meſſina theilte fih, die Bruderfehde Löfte alle heil'ge Bande 
der Natur, dem allgemeinen Streit die Lofung gebend; Schwert - 
traf auf Schwert, zum Schlachtfeld ward die Stadt, ja diefe. 


Hallen felbft es Blut. S. Bom. — Wart Ihr doc: 


fonft fo froh, She pflegtet mich zu tröſten; und eher mußt’ 
ih Euren Flatterfinn, als Eure Schwermuth fehelten. S. St..: 
1, 4. Nun fomm’ ich heut in dieſen Tempel, den ich oft betrat, 
um Sieg zu bitten. ©. J. 1, 3. 0: 


« 


% 


L 











— 37 — 


S. 87. 


: Das mit babe und bin gebildete Perfect (völlig vergangene 
Zeit) tritt neben dem einfachen Präteritum für das Iatein. Perfect 
ein, dbergeftalt, daß das erzählende Perfect (griech. Aoriſt) mit dem 
einfachen Präteritum, das (dem griech. Perf. gleiche) eine in der 
Gegenwart des Sprechenden vollendete Thätigfeit ausdrückende 
latein. Perſeet aber mit der deutfchen Umfchreibung ausgebrüdt wird. 


Berlaffen Hab’ ih Feld und Auen. ©. F. 1, 64. Sie feiern 
die Auferftefung des Herrn, denn fie find felber auferftan- 
ben. ©. F. 1, 53. Seid mir willlommen, Sir, in England. 
Ihr habt den großen Weg gemaht, habt Franfreih be- 
reift und Rom und Euch zu Rheims verweilt. S. ©t. 2, 4. 

. Man bat von meinen treuen Rammerfrauen mi getrennt. 
©. St. 1, 2. Biſt du denn nicht mehr Miniſter? Ich bin’s 
gewefen, wie bu fiebfl. S. DE. 5, 3. Gene bat gelebt, 
wenn ich dies Blatt aus meinen Händen gebe. ©. St. 4, 11. 

Geſchloſſen ift das Bündniß mit den Schweden vor wen’gen 
Stunden. ©. T. 2, 6. 


$. 58, 


Das mit hatte und war umfchriebene Plusquamperfect 
(längftvergangne Zeit) entfpricht dem Iatein. Plusq., drückt alfo et 
was Vergangenes und in Bezug auf eine andere gleichfalls ver- 
gangene Thätigfeit Vollendetes aus. 

Mit Spezereien hatten’wir ihn gepflegt, wir feine Treuen 
“Hatten ihn hingelegt. ©. F. 1, 45. Ich zug es auf, und 
. berzlich Tiebt? es mid. Es war nach meines Vaters Tod ge- 
boren. ©. 5.1, 163. Er hatte Feine Ruhe im Schloß ge- 
habt, war fpornflreihs durch's Dorf bis an das Kirchhofthor 

geritten, wo er ftill hielt. ©. Wo. 1, 2. Raum war ih zu 

Haufe angefommen, und hatte meine Eltern mit einer be- 
friedigenden Erzählung erfreut, fo überfiel mich ein Blutſturz. 

G. %. 6. Zur Schmiede ging ein junger Held; er hatte eın 

gutes Schwert befteltt. Uhl. d. Schwert. Eiferſucht, Privat- 
vortheil und Verfihiedenheit der Religion hatte viele von ben 

Großen Tange Zeit getrennt; das gemeinfhaftlihe Schickſal 

ihrer Aurüdfesung und ber Haß gegen den Minifter hatte fie 

wieder verbunden. ©. Granvella. Was ber Abfcheu der gan- 
zen nieberländifchen Nation nicht vermocht hatte, war dem 
geringfhägigen Betragen bes Adels gelungen. S. Granvella, 

Anm. In dem mit bin und Habe zufammengefegten Präter., wie in 

- dem Begriff vollenveter Bergangenpheit, liegt etwas Präfensartiges; das 

Plusq. nähert fir) wieder dem Imperf. Daher begehrt vie Erzählung 

entweder das einfache deutſche Präter. (Imperf.), oder das mit hatte 

und war umfepriebene (Plusa.). Das mit Habe und bin erträgt fie 


nur in demfelben Yale, wo fie auch das einfache Präfens verwendet, 
d. h. wenn fie vergegenwärtigen will, 


— 38 — 


§. 80. 


Die dem auxiliaren Haben und fein hinzutretenden, ven wah⸗ 

‚ren Begriff des Verbums, deffen Tempus umfchrieben werben fo, 

einfchließenden Participia find jederzeit Partic. Präter. ſtarker oder 

Schwacher Form; allein fie befinden fi) in ganz verfchiedener Lage, 

In der Umfchreibung mit haben ift das Partic. Präter. nothwen⸗ 

dig ein obliquer Acenfatio, in der mit fein ein Nommativ; das ' 

“ tranfitive haben fordert jenen, das intranfitive fein biefen Caſus. 

Anm Die mittel- und neuhochdeuiſche Sprache Iaffen freilich die Be- 

fehaffenpeit ver Partie. nicht vecht fichtbar werben, weil fle ihnen_bie 

g Slerion entzogen haben (6. 32. Anm.). War im Althochd. kein af, 

oblig. im Sag enthalten, galt es den bloßen Begriff er nimit (er 

nimmt), unbezogen auf ein anderes Subject, ins Präter. zu umſchrei⸗ 

ben, fo wurde das Partie, in die unflectierte Reutralform ges 

feßt: er habet ginoman. Diefer Fall trat natürlich fehr häufig ein, 

und da ohnehin auch fonft die Sprache oft ven Adjert. und Partic. ihre 

Flexion wegnahm, fo begreift fih, wie allmälich die Unveränderlichkeit 

der zum Verbum haben conftruierten Partic. Präter. allgemeine Res 

gel werden konnte. Für die mit fein umfchriebenen Tempora des Act. 

und Paſſ. ift die Natur des Nom. Har, und auch bier Tieß die ältere 

Sprache dem Partic. feine gebührende Flerion. Wir find davon frühe 
fhon abgewichen und bald zu einem unfleetierten Partie. gelangt. 


6. 9, \ 


Wie ift die Concurrenz und der Wettflreit der beiden Nurilia- 

ven zu erledigen? Der leitende Grundſatz, daß tranfitive Verba 

‚ mit haben, intranfitive mit fein zu umfchreiben, reicht nicht. 
aus, weil gewiffe Verba bald tranfitio bald intranfitio angefehen werben 
und ſich darnach beflimmte Richtungen für die Bildung des Bräter. 
in einem Dialekt fo, in dem andern anders ergeben können. — Die 
Conftruction, mit fein wird erfordert: 

1) Bei den intranfitiven fein und werden; bei ben Verben 
des Entſtehens und Vergehens, deren Begriff als eine 
Beränderung des Zuftandes gedacht wird: entflehen, 
entfpringen, entfpriefen, wachfen, gedeihen, ge- 
rathen, erfheinen; vergehen, verderben, fhwin- 
ben, ſterben; berſten, brechen, faulen, frieren, ge- 
lingen, genefen, gerathen, gerinnen, gefhehen; 
heilen, reifen, reiben, ſcheitern, ſchmelzen, ſchwä— 
ren, ſchwellen, trocknen, erblühen, verblühen, 
welfen u. a. m. 

2) Sp verhalten ſich die Verba des Lichts und Schalls: 
wo ber bloße Urfprung hervorgehoben werben foll, fleht 
fein, wo bie leuchtende, fihallende Thätigfeit, flieht ha— 
ben: die Sonne ift erſchienen, bat gefchienen; die Kohle ift 
verglüht, ihre Wange hat geglüht. 

3) Bei privativer Bebeutung, weil fie leidend iſt, wirb öfter 
fein angewandt, wo bie entiprechende pofitiothätige haben 


— 39 — 


vorzieht: Die Stimme iſt ertönt, das Horn Bat getönt; das 

Waſſer ift verraufeht, hat geraufcht. ' 

4) Wie fi die Borfielungen werden und fommen vielfach 
berühren, fo fteht auch das Werben und Verwerden (ent- 
ftehn und vergehn) dem Kommen und Weggehn in unſerer 

- Beziehung gleih. Drüden fie den Erfolg, die Bewegung . 

"nad oder von einem Drt aus, fo erforbern fie Peine 
bezeichnen fie die bewegende, anhaltende Thätigkeit, fo 
eonfiruieren fie mit haben: Ah bin nah Mainz geritten, 
babe den Fuchs geritten. Doch ertragen nicht alle Berba der 
Bewegung diefe doppelte Conftruction. Bor andern geftatten 
fie: dringen, eilen, fahren, fallen, fliegen, flie- 
ben, fließen, gehn, gelangen, gleiten, hinten, 
jagen, Flimmen, fommen, kriechen, landen, lau- 
fen, quellen, reifen, reiten, rennen, rinnen, rü— 
den, ſcheiden, fhießen, fchleihen, ſchlüpfen, ſchrei— 
ten, fhwimmen, fegeln, finten, fpringen, ab=, 

. auf=, erfieben, fteigen, fioßen, flreihen, treiben, 

. treten, umherirren, waten, ziehen. 

Dein Bater ift zum Schelm an mir geworden. ©. T. 3, 18. 

Sp. verlegen bin ich nie geweſen. ©. F. Vorſp. — Ih bin 

[e 1ehr nicht aus der Art gefhlagen. S. Ion. 1, 2. Waärft 

nimmer mir erſchienen, hohe Himmelsfünigin! S. vo. 

4,1. Was iſt gefhehen? ©. St. 3, 7. — Leer gebrannt 

‚ift die Stätte. ©. Glocke. Hättefl du den Drean burd- 

. fhwommen. ©. 5. 2,74. Biſt du mir entflohn? ©. a. d. 


Entfernte. _ 
$. 91. 


Die Conftruction mit haben tritt ein: 

x Ber allen tranfitiven Berbis, 

2) Bei den tranfitiven und intranfitiven Verbis, die mit dem Re⸗ 
fleriopronomen gebildet find; die intranfitiven empfangen durch 
das im Ace. ftehende Reflertoum eine Zuthat von Aeußerlich- 
keit oder Thätigkeit ($. 8.), die fih für das auriliare fein ‘ 
nicht mehr eignet. 

3) Ber den Verbis des Entflebens und Vergehens, wenn 

. nicht ſowol die Veränderung bes Zuflandes ($. 90, 1.) 
als vielmehr die wirfende Kraft bezeichnet werben foll; die 
abftrarten Begriffe des Anfangens und Aufhörens, als 

keinen finnlihen Zuſtand des Seins bezeichnend, nehmen 
auch nur haben zu fi. . 

4) Bei allen Verbis zweiter Anomalie, weldhe als Begriffe 
innerer Thätigfeit nur haben zu fih nehmen: Sch habe 
gekonnt, gemocht, gegönnt, geburft, geſollt, gemußt, gewußt, 
gewollt. 

5) Die Imperfonalia erfordern haben (f. $. 127.). Hab’ ich den 
Markt und die Straßen doch nie fo einfam geſehen! G. Hp. 


‘ 


.' 
x 
ni 40 [U 0] 


1, 1. Ihr Habt ben großen Weg gemacht, habt Frankreich 
bereift, und Euch in Rheims verweilt. ©. St. 2, 4, — 
Ihr Habt Euch dem Gericht der Zwejundvierzig unterwor⸗ 
fen. ©. St. 1, 7. — Sie mag wohl vor der Zeit gealtert 
haben. ©, St..2, 9. Dein Bater hat nicht gealtert. ©., 
P. 2, 3. (Dagegen: die Städte, die mit der Monarchie ge- 
altert find. ©. Foo. 1, 1.) hr Körper kann noch nicht 
ausgewachſen haben. 8. Ig. 3, 7. 
Anm. 1. Im Lauf der Zeit hat ſich die Anwendung der Auriliaren viel⸗ 
fach verändert. So gebrauchte man früher fein bei: ſchweben, wo 
wir jest Haben anwenden; die Berba: ſchweigen, zurü dfeh- 
ren, fteben, Mr tlegen,. entwerfen conftruierten früher 
mit fein und mit haben, meift in etwas verfehievdener Bedeutung, 
wir gebrauchen nur haben over fein. Stehen conftruiert jegt all» 
gemein mit haben, Luther hat noch fein; auh Schiller wendet 
es noch an: Sch bin vor hohen Karen nie geftanden. 300. 2, 10. 
Sie wären morgen fo vor mir geſtanden. DE. 5, 10, Sigen con⸗ 
firuiert gewöhnlich mit haben, bei 3. Paul fehr oft mit fein, z. B. 
Gern fet er vor dem Spiegel gefeffen. Tit. 121. Folgen con 
- firuieren wir jest mit fein, Luther bat noch haben. 


Anm. 2 Das Berbum begegnen conftruiert mit fein und dem Das 


‘ 


tio der Perfonz; zu dem Acc, der Perfon möchte haben 'erforverlich 
fein. Doc findet fih bei Leſſing 3g. 3, 8 Hat man femald ei- 
nem grauenzimmer fo begegnet? und bei Sch. Ivo. 3, 4. Nur 
Einem Traurigen Hab’ ih begegnet, ımd DE. 3, 3. Ein Gärt⸗ 
ner hatte dem Prinzen vort begegnet. 


$. 92. 


Snfofern die vorhin genannten Anomala ein Präter, Indie. 
flarfer und ſchwacher Conjugation befiten, ſcheint ihnen auch 
ein boppeltes Partie, zu gebühren. Das iſt gothifch, alt= und mit- 
telhochdeutſch auch bei einigen der Fall. Wenn nun neuhochdeutfch 
nicht das allein flehende, fondern das ‚mit dem Inf. verbun- 
dene ($. 56.). Partie. ſcheinbar ſelbſt in den nf. verwandelt 
wird, fo begreift fich eine fo feltfame Structur bloß aus der zu- 
fälligen Aehnlichkeit ſtarker Participialformen mit dem Infinitiv; der 
wirkliche Inf, wäre widerſinnig. Wir fagen: Sch habe es thun 
können, ſollen, wollen, mögen, dürfen, müffen, flatt gekonnt, geſollt 
n. f. w. Den Schein jener Inf. müſſen Partieipialformen ohne ge 
vermittelt haben. | 

Verachtung hab’ ich nie ertragen können. ©. T. 2,6. De 

Gärtner bat beftochen werben follen. S. St, 1, 1. Ihr wißt, 

daß Ihr mich habt ermorden Taffen wollen. ©. St. 3,4. Wer 

bat fich zu feinem hoben Rath gefellen dürfen? Wer Gefeb und 

Regel, wornach es orbnend fpricht, erfennen mögen? G. Nt. 2, 1. 

Anm. So können fich drei Inf. häufen: Ich habe ihn fingen hören 
follen, — Bei wiffen, taugen, vermögen unterbleibt die Frei⸗ 
beit, vielleicht weil wir nunmehr’den von ihnen abhängenden Inf. durch 
su befiimmen: Ich habe es nicht zu fagen gewußt; es hat nicht an⸗ 
zuführen getaugt. Doch hört man ımter dem Boll; Er hat es 
nicht auszurichten wiffen. 








— 41 — 


§. 93. 


Die Anſicht, daß Participialformen ohne ge ($. 92.) den Schein 
jener Inf. vermittelt haben, wird glaublich, weil noch einige andere 
oft gebrauchte flarfe Verba, heißen, laſſen, fehen, zum auti- 
liaren haben confirniert, ihr ge wegwerfen, und dann wieberum 
Gleichheit des Yartic. mit dem Inf. entipringt. Ich habe ihn kom⸗ 
men beißen, es bleiben laſſen, ihn fiichen ſehen flatt geheißen, 
gelaflen, gefehen. 

Der Graf hat mich ſitzen ſehen. ©. %. 3, 10. Ich habe 

- mir von biefen Faiferlichen Forderungen auch erzählen laſſen. 
©. 9. 4, 1. Ich danke dir, Bott, daß du mich ihn haft fehen - 

Iaffen. ©. ©. 1. 

Anm. 1. Doc finden fi Hiervon auch Ausnahmen: Man hatte Alles 
wegaeng en, nur das Köfferchen, unſchlüſſig wo man es hinſtellen ſollte, 
in der Mitte des Zimmers ſtehen gelaſſen. ©. Wo. 2, 17. Run 
reiften alle Früchte, die man damals blühen gefehen. ©. Wv. 2,7. 

Anm. 2. Unter dem Volke hört man öfters auch brauchen und pfle- 
8° 2 at hätte sch nicht zu thun brauchen; er hat es zu thun 


$. 94. 


. Endlich wurde der mißverfiandene Inf. noch auf andere Falle 
erftrecft, die fich Feineswegs (fo wenig als wollen für gewollt) aus 
einer Gfeichheit mit dem Partic. rechtfertigen, auf die Verba hel⸗ 
fen, hören, fühlen, lehren, lernen. 

Ich hab’ es öfters rühmen hören. ©. 5. 1, 36. Ih hab’ 

in England mich an viel gewöhnen lernen. ©. St. 1, 2. Ich 

babe jest Dich Fennen Iernen. ©. F. 1,72. Er habe Schop- 
pen deutlich einen Vers aus einem Hauptlieb fingen und orgeln 

hören. % 121. 

Anm. 1. Die erften Spuren der ganzen Unregelmäfigteit reichen fchon 
ing 13. Jahrh. zurüd, 

Anm. 2. Bei lehren, lernen, fühlen wirb heute das wirttiche 
Partie, vorge ogen, befonders wenn das Auriliar fehlt. Auch bei hö⸗ 
ren findet 7 a8 Partie. Worüber man von ältern Perfonen Hagen 

ehört. G. Wv. 2, 8 Sie hatte in ihrem Leben genugfam einfe- 
en gelernt ©. Wo. 1, 3. Seitdem fle ihn näher kennen gelernt. 
8: 7 h . Ich Habe Langes und Breites ſchwatzen gehört. 


Anm. 3. Im Gebrauch diefer Participialformen find Heutige Schrift- 
fteller oft ungeſchickkt und verwideln fie mit andern fo, daß aller Sinn 
vergeht: „Wir rechnen es dem Vf. zum Verdienſt an, nicht mehr ha⸗ 
ben befiimmen zu wollen,’ ftatt befimmen gewollt zu 

haben. Gött. Gel. Anz. 1822. 896. „Jedes Verb. comp. ſcheint bie 
Reduplication Haben wegwerfen zu können“ flatt wegwer- 
fen gelonnt zu Haben. Struve: Ueb. Deel.u. Con. 161. In 
folhen Fällen forvert die Dentlichkeit, fih ver gewohnten Participials 
formen zu bedienen, das zu läßt fih von haben, dem es angehört, 
nieht trennen, . 











_— 42 —. 
6. 9. 

Unfer Inf. zeugt Fein förmliches Präteritum, ſelbſt fein go- 
thiſches und althochdeutſches findet fi, und doch find die mit Be— 
deutung bes Präfens verfehenen anomalen Präter. fam, mag, 
foll. m. a., infinitiviſch gefebt, nichts anders als urfprüngliche Prä- 
teritafformen. Das Iehren ſchon ihre ablautenden Vocale, die fei- 
nem Präfens geziemen. Wir bedienen uns der Umfchreibung, mei- 
chen jedoch vom Mittelhochdeutſchen vielfah ab. Wo mittelhochd. 
das Präter. Conjunetivi ſteht, pflegen wir jetzt den Sag umzuftellen, 


d. 5. das auriliare haben zum herrfihenden Verbum, das Partie, - 


Präter. zum Inf. und das anomale Berbum zu jenem ſcheinbaren 
Inf. flatt Des Partie. zu machen. Aus ich möhte gesehen hän 
wird: Ich hätte fehen mögen; aus ich kunde- baz gelobet hän wird 
„Ich hätte beffer loben Fünnen; aus ich dürfte hän gegert wird: 
Ich hätte begehren dürfen. Iſt das mittelh. anomale Präter.- der 
Indic., ‘fo können wir entweder das Präfens Inf, gebrauchen, 
oder auf ähnliche Weife umftellen: die er muose hän verlorn wird: 
Die er verlieren mußte oder bat verlieren müffen. 

Jetzt hätte fie fih mehr Augen wünſchen mögen. W. 3, 40. 

Anm. Diefe mittelh. Anwendung des umfchriebenen Präter. Inf. berupt 


in dem Gefühl, daß das anomale Präter, vie Bergangenheit nicht be⸗ 
fimmt genug ausdrücke. 


$. 96, 


Bir verfahren übrigens auch noch neuhochdeutſch nach mittel- 
hochdeutſcher Weife, wiewol feltner: Das wollte ich hiermit ausge- 
jprochen haben = das habe ich ausfprechen wollen; das will ich 
dir gefchentt haben — das habe ich dir frhenfen wollen; das mag 
ich nicht gefagt haben — das habe ich nicht fagen mögen. In je= 
nem Fall bat man es gefagt und will es nicht Wort haben, in die= 
fem bat man es nicht gejagt. 

Ich wollt' Euch nicht gerathen haben. S. P. 4, 4. 
Anm. Den Unterfchlen drückt das franzöfifhe je ne veux pas l’avoir 

dit und je n’ai pas voulu lo dire aus, . 


Eflipfen des Auriliars, 
§. 97, 


Des Auriliars entbehrt kaum die ältere Sprache, auch nicht im 
relativen Sat. Nur wo zwei gleichartige ‚Verba, durch Partikeln 
verfaüpft, unmittelbar auf einander folgen, braucht das Hilfswort 
nur einmal ausgebrüct zu werden: Er hete sich gelenket und ge- 
schepfet;; hast empfüeret und gerücket; er bat gegeffen und ge- 
trunfen; er iſt gehüpft und gefprungen. Sollen aber Verba ver- 
bunden werben, denen verſchiednes Auriliare gebührt, fo iſt fie un- 


ftatthaft, 3. B. wenn man fagen wollte: Er iſt gefommen und (hat) 


gefiegt; er bat gefchlafen und (ifl) erwacht. 


— — 


— 43 — 


\ $. 8. ee 
Außer dem angegebnen Fall erlaubt die ältere Sprache nie ben 
Wegfall. Reuhochdeutich aber ift, feit den fchlefifchen Dichtern (alfo etwa 
feit dem erften Viertel des 17. Jahrh.) hergebracht, das dem Partic. 
unmittelbar folgende (nie das vorausgehende) habe ober bin 
manchmal zu unterbrüden, vorzüglich in indirecter, relativer Rebe: 
Der Ring, den du mir gegeben (haft); er wird es thun, fobalb wir 
uns erklärt (haben); fobald ihr ihm willfährig geiworben (feld). 

Gleichwol Hat dieſe Ellipſe nicht durchdringen können. 

Es ſchien, daß die Kunſt, die ſich nicht an ihnen (hat) zeigen 

fönnen, es an den Bildſäulen ihrer Sriefterinnen (hat) einbrin- 

wollen. 2. L. 9. Ad, daß Ihr damals mir Gehör geſchenkt 
hättet)! S. St. 3, 4. Mein Bruder ıfl gefällig, daß er uns 

in diefen Tagen ſchon aufs Land gebracht (hat). ©. X. 1, 1. 

O fähft du, voller Mondenſchein, zum letztenmal auf meine Pein, 

Ben ich fo manche Mitternacht an diefem Pult herangewacht (habe). 
. F. 1, 30. 

Anm. Der fihleppenden Auriliarhäufung entriethe man gern, aber bie 
Sprache firäubt ſich wider Duntelpeiten und Zweideutigkeiten, die dabes 
enifpringen können. Häufig fällt uns die 3. Perf. Sing., bie 2. und 
3. * mit der Participialform zuſammen, z. B. erblickt, vertraut, 
und dann dient das Hilfswort, den Zweifel Em löfen. Auch wegen des 
Wechſels beider Auxiliare ſcheint die Auslaſſung bedenklich, z. B. Der 
Wagen, in dem wir gefahren (ſind, oder haben). — Hierhin gehört, 
obwol ſelten, auch die Gleichheit des activen und paſſiven Präter. Vor 
dem Dorf, wo ich geboren, ſteht ein uralt Muttergottes⸗Bild. S. 
u * X id, bier aus dem ganzen Zufammenhang ber paffive 


6. 9. 


Bei dem imperatioifchen Ausdruck ſcheint häufig das Auriliar 
ausgelaffen, wie bereitd ($. 51.) bemerkt worden. Ob übrigens 
dabei wirklich ein Hiffswort fehle, Täßt fich allerdings noch fra= 
gen. In der älteren Sprache müßte erft die unelliptiihe Redens⸗ 
art nachgewiefen werden. 


co) Futurum. 
6. 100, 


Das Zeitverhältnig der Zukunft wird durch das Futurum 
ausgedrückt, d. h. fprechen wir von einer Handlung, bie erft Fünftig 
gefhehen wird, fo bebienen wir uns des Futurums. Da unfere 
Sprache aber Feiner eignen Form für das Futurum fähig iſt, fo läßt 
fie e8 alfo entweder ganz unausgedrückt, d. h. bedient N an feiner 
Stelle anderer Tempora, oder fie umfchreibt es. 


$. 101. 


In der älteften Zeit gereicht das Präſens Indie. zugleig 
für den Begriff des Suturums, Selbſt bei ben mittelhochd. Dich⸗ 





— 44 
tern und neuhochdeutſch wird noch häufig das Präfens für das 
Futur. gebraucht, wenn entweder das Zeitverhältuiß nicht foll her⸗ 
porgehoben werden, oder auf eine andere Weile fchon ausgedrückt iſt. 

Er wird auf mich fluchen, wo ich ihm das Buch nicht bald 
bringe. 8. Io. 3, 1. Wenn ih dann vor Scham flerbe 
und unbebauert hinab zu den Schatten ſchleiche, wie finfter 
und ſtolz werden die Helden bei mir oprüberziehen! L. Ph. 2. 
Aber ich gehe herum, fie aufzufuchen, und fomme wieder, fobald 
ich fie finde. ©. Hp. 5, 242. Jetzt laß mich Ins! ich komme 
bald zurüd. ©. F. 1, 74. Gleih morgen verlang’ ich Au«- 
dienz bei meinem Bater. ©. DE. 1,7. Das Schloß erflei- 

- gen wir in dieſer Nacht, der Schlüffel bin ih mächtig. Wir 
enpren die Hüter, reißen dich aus demer Kammer. ©, 
\ t. 3, 6. 





s. 102. | 


Die neuhochdeutſche Sprache, und fie allein unter allen, pflegt 
das Futur, burh werden zu umfchreiben ($. 55.), Me rem 
mittelbochdeutfche Sprache kennt es nicht, d. h. fie confleuiert wer- 
den nie mit dem Inf., fie hat dafür follen. Der Zeitpunct, wo 
dies neuhochd. futurifhe werben auffam, muß für ben gelten, 
wo bie organiſche und beffere Umfchreibung durch follen in Ab- 
nahme geriet. Gewonnen ift baber gerade nichts, fondern eher 
verloren, weil die Paſſivumſchreibung ſchon überflüffig viele 
werden in unfere Rede bringt, und Abwechfelung zwifchen wer- 
den für das Präfens Paſſivi und follen für das Futur, Activi 
früherhin günftiger war. | 


§. 103, 


In der Bedeutung findet allerdings ein Unterſchied flatt zwi⸗ 
ſchen den drei neuhochdeutſchen Weifen, das Futur, mit follen, 
wollen und werben auszubrüden. Wollen bezeichnet mehr 
den freien Entichluß, ſollen das imperativifche Futur, werden 
mehr die reine, abftracte Zukunft; wollen fagt vorzüglich der er- 
ften, follen ver zweiten, werden ber dritten Perfon zu, und 
infofern hat die neuhochdeutſche Sprache den Begriff der Zufunft 
genauer erfchöpft als eine der übrigen. In vielen Fällen fteht freie 
Wahl zu unter allen, vollen ift jedoch am meiften befchränft. 

‘hr werdet nicht verlangen, daß ich meinen Eid brechen fol. 

&. ©. 2. Heiliger Gott, was will aus dem allem werben? 

G. &1. Was wollen fie denn herausoerhören, wenn 

Einer unfhuldig iſt? G. E. 4. Wir wollen bald eine Urfadhe 

wiber ihn haben. G. ©. 4. Wir Hoffen, daß er (der Samen) 

erblühben ſoll zu fohönerm Loos. S. Glocke. Nicht ohne Fol- 

gen ſoll das Beithiel bleiben, denk' ich, Das ich gebe. S. P. 4, A. 


N 


— u — 


$. 104. 


Das fo genannte Futur. eraetum (vergangene Zufunft) un⸗ 
terfcheidet fih von dem gewöhnlichen indicativen Futur. dadurch, 
daß es mit dem Präter. des Inf. umfchrieben wird. Das Prädi- 
cat wird hierbei als eine Thaͤtigkeit dargeftellt, die zwar in ber Ge— 
genwart des Sprechenden zufünftig, aber zugleich einer andern 
ebenfalls zufünftigen Thätigkeit vorangegangen und in dies 
ſem relativen Zeitverhältniffe ooITendet if. Dan macht von die 
fem Futur. insgemein nur dann Gebraudh, ‚wenn die Vollendung 
der Thaͤtigkeit fol hervorgehoben werben, fonft ſteht meiftens bafür 
bas Derfert. Setzt man flatt: Ich werbe gewefen fein, geliebt 
haben die Hilfsverba in den Conj., fo erwächſt ein Conditionale: 
Sch würbe gewefen fein, geliebt haben, das mit der Umſchreibung 
des Plusq. Ich wäre geweien, hätte geliebt eoncurriert, wie ich 
wäre mit ich würde fein. | 
Ach freilih werden fie ihn wohl haben umbringen wollen. 
8, J. 1, 2. Ich bin gewiß, daß der erfahrne Kenner beim er- 

fien Blide wird getefen haben, was ich ihm taugen Fann, 
was nicht. S. DE. 3, 10. — Nicht eher denk' ich dieſes Blatt 
zu brauchen, bis eine That gethan ift, die unwiderfprechlich den 
. Hochverrath bezeugt. ©. 9. 5, 1. Ihr / Schreiben ſoll zugleich 
mein Creditiv fein, mit dem ich mich einftelle, ſobald ich e8 er-- 
halten habe. ©. Wi. 1, 6. ü 
"Anm Die noch Täfigeren Paffioumfchreibungen: Ich werde gelicht 
worben fein u. a. finden fih mehr bei ven Grammatikern, als In der, 
— A Schriftſteller und des Volles. — Ein Weiteres beim mehr- 


viertes Capitel. 


Numerus. 
§. 105. 


Der Rumerus iſt bei der Conjugation wie bei der Derlination 
ein zweifacher, Singularis (Einzahl, Einheit) und Pluralis 
(Mebrzahl, Mehrheit). Des Dualis (Zweizahl) iſt nur noch bie 
gothiſche Sprache einigermaßen mächtig. Wo in den übrigen Spra- 
hen ber Ort wäre zum Dual des Verbums, ſetzen fie entweder 
den Plur., ober conflruieren das Berbum zu einer ber beiben Per- 
fonen des Sing., 3. B. Nun fende (oder fendet) uns, Bater 
und Sohn, den rechten Geift herab! Für die beiden andern Zah- 
Ien ift die Negel, daß mit einem Subject im Sing. das Verbum 


im Sing., mit einem im Pur. das Berbum im Par. verbun- 


den wird. 
Ich vergeffe feinen, mit dem ich einmalWorte hab' gewech⸗ 
felt. ©. T. 3, 15. Es muß auch ſolche Käuze geben. ©. F. 
1, 182. Der König fendet mich hierher und beut der Prie⸗ 


V. 


— 4 — 


ſerin Dianens Gruß und Heil. ©. J. 1, 2. Den eblen Stolz, 
daß bu dir ſelbſt nicht g — derzeih’ ich dir, fo fehr 
ich dich bedaure. ©. J. 1, 2. — Rudenz und ih, wir tru— 
gen fie felbander aus ben Slanımen. S. TI. 5, 1. Ein braver 
Reiter und ein rechter Regen fommen überall durd. ©. ©. 3. 
Auch Eſterhazy, damit Deodat erklären jetzt, man müſſ' 
dem vof gehorchen. S. T. 2, 5. 


$. 106. 


Wenn in dem Subject die erſte Perſon mit der zweiten 
ober dritten verbunden ift, jo ſteht das Verbum regelmäßig in 
ber erfien; ift bie zweite mif ber dritten verbunden, in ber 
weiten Perfon Blur. Gewöhnlich werben jedoch die zwei Per- 
onen ſchon durch den Plur. des Perfonalpronomens zufammengefaßt. 


Der dba und ih wir find aus Eger. S. L. 11. Prinz 


Karls und id begegnen biefen Mittag und im Vorgema 
der. Königin. ©. nr 2, 10. Ich und mein Ramerad niftel- 

‚ten uns an ihn. ©. ©. 1. Was bu und ich dereinſt im Him⸗ 
mel hoffen. ©. DE. 1, 2. Auch wir, ich und der Bater, 
faben ſchöne Tage. ©. T. 3, 3. Mit was für Einmuth wir 
damals, du, mein Bater, und ich und ber Geift die Erlöfung 

befchloffen. K. M. 1, 9. 

Anm. An Ausnahmen fehlt ed übrigens hier nicht. Was kann es mir 
jest helfen, daß du und mein Vater einſt Freunde waren! L. Ph. 3. 
Ich weiß Welke nichts, als daß du und mein Bater in Krieg ver- 
widelt find. 2.95. 7. Du und die Welt eben im Tu J N 8. 

Wo er und Ich zufammen kam. Herver St. d. V. 0, 


$. 107. , 


, + 


Zu einem Subject im Sing., welches aber an fich. felbft ober 


wegen eines ihm verbundenen Adjectivs ben Begriff ber Mehrheit 


enthält, Fann das Berbum im Plur. conflruiert werben; nothwen⸗ 


dig gefchieht es nicht, fondern häufig bleibt auch das Berbum im 
Sing. ſtehen. Bei den Eollectiven: Menge, Haufen, und ben 
unbeftimmten Zahlwörtern Paar md Dutzend dürfen wir, zumal 
bei ‚binzugefügtem Genitiv Pur. den Plur. des Verbums gebrauchen. 

Bei Shmwarm ift der Sing, gebräuchlicher. Auch dürfte noch 
Reihe hierher zu ziehen fein. 


Ein balt Hundert ſolcher Anmerkungen machen einen Philo⸗ 
logen. %. 3g. 1, 2. Dergleichen (Bücher) aus der ‚Pomannj- 


ſchen Offiein eine ganze Reihe daſtanden. G. Bl. 1, 8. 
. Paar Rippen find entzwei. G. ©. 3. 


§. 108, 


Sieht ei ein Subſtantiv im Plural, fo verftattet bie ältere Sprache 


das Verbum im Singular; jetzt ſetzen wie ben Plural: Kinder find 


der Mutter Freude, — Sieden zwei ober mehrere Subftantive im 








— 41 — 


Ging.;, fo erfaubt bie ältere Sprache den Sing. Neuhochdeutſch if 
es. völlig einerlei, zu fagen: Wind und Meer gehorcht oder ge- 
borchen ihm. Ob das Verbum dem Subſt. vorausgehe oder 
folge, darauf kommt nichts an; wol aber Fommt es darauf an, 
ob das Berbum in der Mitte flehe, denn alsdann ſcheint nur 
der Sing. zuläffig. — Ein Subft. im Sing., das andere im Plur. 
ertragen in der älteren Sprache gleichfalls den Sing. des Verbums, 
ohne daß es dabei auf defjen Stellung ſelbſt ankommt. Hier un⸗ 
terfcheidet fih der neuere Sprachgebrauch von bem früheren, daß er 
zu zwei Pluralen Subft. gar fein Berbum im Sing. geflattet (mas 


- im Mittel. mitunter eintritt), zu einem fingularen und. pIuralen 


“amd alle feine Freunde. ©. E. 5. Die größten Rau 


\ 


nur dann, wenn das Verbum dem fingularen Subſt. nahe fleht. 
Das plurale Verbum leidet verfchiedene Stellung. 
Die Künſte find das Salz der Erde. G. Wi. 2,8. — Es 
ſollte Meer und Land nicht Einem dienen. ©. T. 1,5. Der 
Sekten Feindfhaft, der Partheien Wuth, der alte Neid, die Ei- 
ferfuht macht Friede. ©, T. 1, 6. In feinem Antlıb war 
Hoheit, Seelenruh’ und Ernft und Erbarmen. 8. M. 1, 138. 
Graf Altringer und Gallas erhalten in ber Pflicht ihr Meines 
Heer. ©. 9. 1, 3. Glück und Unglück breiteten fi nicht fo 
unaufhaltfam weiter. 9. 1, 6. — Wie e8 die Weife verlangt 
und Artigfeit. V. 1, 93. — Und fo Tag zerbrocdhen der Wagen, 
und hilflos die Menſchen. &. Hd. 1, 144. Oranien mer 
eute find 
'angefteckt, der Adel, das Volf, die Soldaten. ©. E. 1. Omöch— 
ten gie Hand und diefe hellen Locken bir fichtbar fein! K. Koͤ⸗ 
nig. Luiſe. 
an m. Ni Regel mancher Grammatiker, „daß das Berbum int Sing. 
ſtehe, wenn zwei over mehrere Subj. fo gedacht würden, daß bie 
Mehrheit als eine Geſammtheit gewiffermaßen unter einem Begriffe 
gufanmengetapt würde, ’’ wird von den Schriftſtellern nicht beachtet. 
iefe gebrauchen in dem fo beftimmten Fall auch ven Plur., ja fie 
wenden meh den Sing. an, wenn die Subjecte ald geſchieden ge- 
dacht werden. An ihrer Spitze ſteht ver fromme Frinas von Can 
ie ury, der weife Talbot und Howard, der des Reiches Flotten führt. 


+ * ’ ° 


Sünften Eapitel. 


Perſon. 
$. 109, 
Wenn die vollere Geflaltung der Verbalflerion in unverkennba⸗ 
rer Derührung fleht zu dem perfönlichen Pronomen, fo ergibt ſich, 
baß in ben Perfonen des Verbums zugleich fchon der Caſus rertus 


des perfönlichen Pronominalbegriffs enthalten fein werde, — So 


lange das Gefühl ober Nachgefühl diefes Verhältniffes in der Ber- 
balflerion lebt, ſcheint das Subject des Sates, zumal für die dem 
Dörenden und Rebenden fleis gegenwärtige erſte und zweite 


— 48 — 


Perſon immer auch in dem bloßen Verbum hinlanglich ausgebrückt, 
ohne daß es eines geſonderten Pronomens bedürfte. Der erſten 


Perſon wird an ſich Fein Nomen beigefügt, außer bei ſtarkem Nach⸗ 


druck, und dann nie ohne Pronomen darneben, 3. B. Ich der Herr 
will das, Die zweite Perfon hat zwar häufig das Nomen in ber 
Anrede bei fih, 3. B. Brich, mein Herz! Rind, höre des Vaters 
Stimme! und auch ein bu mag hinzugefügt werben; es geht 
aber wiederum nicht zum Verſtändniß der Verbalform. | 
wefende dritte Perfon muß zuerft durch ein Nomen in die Rede 
eingeführt fein, dann aber kann fie gleichfalls in ber Verbalform 
ſelbſt haften. | 


$. 110. 


In ihrem entrücteren Altertfum genügte der veutfchen Sprache 
wie der griech. und. Yatein.) für alle Perfonen die reine Verbal⸗ 
orm. Bloß da, wo ein befonderes Gewicht auf die Perfon fallen 
plfte, wurde ein Pronomen ausgebrüdt, feine Wirkung war dann 
vefto flärker. Uns Heutzutage, Die wir das Pronomen faft überall 
hinzugeben, bleibt, von andern äußerlichen Mitteln abgefehen, nichts 
übrig als Dur erhöhte Betonung ober gar Wiederholung 
jenen Nachdruck zu erzeugen. . 

Anm. Zwiſchen ver fpäteren Inentbeprlichfeit und dem frügeren über⸗ 
flüſſigen Auftreten des Pronomens liegt eine Menge von Beſtimmun⸗ 

‚gen. Daher haben ſich bis jetzt noch einige Formen erhalten, die das 

ronomen entrathen. 


a) Perſönliche Pronomina. 
$. III. 


Der Imperativ ($. 45.), weil Geheiß und Befehl ſich an 
Gegenwärtige richten, auch durch den Ton hervorgehoben werben, 
entbehrt am allerleichteften das Pronomen. Es widerfirebt nicht 
feinem Begriff, fondern es kann, und zwar ſchon in der älteflen Zeit, 
ihm nachdrücklich zugefellt werben, 3. B. Gebt voran, geht ihr 
«voran! Wo wir das höfliche Er und Sie der dritten Perfon flatt 
der zweiten gebrauchen, fann der Imp. nur durch den Conj. aus⸗ 
gedrüct werben, und dann iſt uns das Pronomen Rena 2. 
Thue Er das! Hierin Liegt übrigens fein wahrer Imperativ ($. 46.). 
Du bringe fröhlich jest der Glücklichen das theure Pfand zu- 
rüf! S. Bom. Tritt du dennoch hervor. ©. 5. 2, 189 
Ich babe dir bei meinem Vater gefchworen; ſchwöre du mir 
bei deinem Sohn! L. WM. 5. Stirb du nur! % Ph. 8. Aber 

du ordne den Tiſch und fpute dich, Tiebe Sufannal 2. 3, 1, 
666. — Andere Beifp, bietet $. 45. u. 46. 


$. 112, 


Dem Imp. zunächft fleht der optative Conj., und auch bei 
ihm Kat fich Lange Zeit die Entbehrlichkeit des Pronomens behauptet, 


e ab 


‘ 





_ 49 — 
vorzugsweiſe in: dan Perſonen, welche mangelnde imperat. For⸗ 
men erſetzen. 
1) Unter allen Perſonen tt Feine optativiſcher als die auffordernde, 
wimſchende erfte Perfon Plur., fie enträth daher gleich 
dem Imper. des perſönlichen Pronomens. Im Neuhschbeut- 
ſchen hat ſich jedoch der Sprachgebrauch dahin feſtgeſtellt, daß 
das Pronomen unerläßlich iſt, es ſei denn, daß zwei Fälle un⸗ 
mittelbar auf einander folgen, dann reicht es hin, wenn wir 
das erſtemal ſteht, z. B. Nun geben wir und fäumen nicht! 
Häufig wird die Umfchreibung mit laßt uns ($. 47.) vor- 


gezogen. . 
2) Ferner kann bie dritte Perfon. Sing. und Plur. in der äl- 
teren Sprache. das Pronomen fparen. Neuhochdeutſch kann es 
nicht entbehrt werben, außer etwa, wenn unmittelbar auf das 
Berbum ein beflimmendes Nelativum folgt, 3. B. Das thue, 
wer da will! Doc fehlt Hier nicht ſowol ein perfönliches er, 
als ein demonfträtives mit in das wer aufgenommene ber. 
Den Teufel Halte, wer ihn hält. &. 5. 1, 74. Träume, 
wer träumen mag. ©. F. 2, 239. Es Tebe, wer fi tapfer 
hält. G. F. 1, 176, Es leugne, wer es will. L. Lobſpr. d. 
th. Geſchl. Singe, wem Geſang gegeben, in dem deutſchen 
Dichterwald! Uhl. freie Kunſt. Liege, wer will, mitten in ber. 
Bahn. S. 8. 11. Reif dann, was mag. ©. P. 1, 2. In 
:fein: friebländifch Lager komme, wer von dem Kriege Böſes 
. denfen will: ©. P. 1, 2. 


.$. 113, 


Der Indie. entbehrte in ber früheren Sprache oft das Prono- 
men, wo uns baffelbe jest unerläßlih if. Für bie neuhochdeutſche 
Sprache dauert eigentlich nım der mittelhochd. Fall fort, daß, wenn 
zwei Berka durch ‚eine Eonjunchon, am gewöhnlichften und, ver- 
inupft find, bloß. das eine des Nomens oder Pronomens bevarf, 
3. B. Der König fam und fiegte; alle jubelten, tanzten und ſpran⸗ 
gen; das Hoffe:amd. wünfche ih, — Die erfte Perfon darf in ei- 
nigen Formeln ohne Pronomen flehn, 3. B. Bitte, banfe; auch im 
Iaufmännifchen Styl, 3. B. Anbei überfende. (Goethes fpätere 
Proſa neigt fih nicht felten. zu folder Auslaffung des ich, fie fin- 

bet ſich aber auch vielfach in feinen Gebichten.) Auch bei der zwei⸗ 
ten. Berfon pflegt vertrauliche Rede oder Balladenton das Du zu 
unterdrüden. —. Weit ungewöhnlicher ift die Auslaflung für bie 
Dritte Perſon; doch hat die neuere Poeſie, befonders bie Voßiſche, 
in eblem, feierlihem Ton eingeführt: Sprach's, wobei aber das 
sbtique es nicht wegbleiben barf. 

Sie. fengen, brennen und morden. ©. G. 4, — Hab’ oft einen 
dumpfen, duſtern Sinn. G. Ehriflel. Habe nun, ah! Philoſo⸗ 
: :pBie durch ausflubirt.. G. F. 1, 29. Dank' euch, edler Her! 
© Und: bin vor der Hanb nur bemütbiger Bruder, ©. ©. 1. 

Kehrein Grammatik. 11. 1. | 4 


- Mach. diefer Entwicelung des allmälich Zum beinahe nothwendi- 


— 50 — 
SB alte, Gott Hatte mich, zum Gärtiner gemacht G. O. ‚Em 


Duplicat diefes Briefes fende un Herfilienz an diefen Fraund 
*ſichreibe noch einiges, : welches. ex mittheilen wird. "©. Wii B; 6. 


Muß heute: Garſau noch erreichen, ©. U. 1, 2: Bin au 


dabei. Su L. 8. — Die Thür' iſt offen, Haft freien Lauf. G. F. 


4, 6b Maßt dich mur recht erbärmlich ſtellen; ſind dir gar 
:todere, leichte Geſellen. ©. L. 1. — Wollen ſehen, was es 
gibt. Wolken. dns Beſte hoffen. ©. G. 1. - Was fir Grün⸗ 
rock' mögen das fein? Treten. ganz ſchmuck und ſttattlich ein. 
S. VCH 5. Zee BE Zee A E 
00) ‚Anperfönlige Pronomina 
et 8. 114. EEE 


Fk Begleiter. ver Verbalflerion. gewordenen perfünlichen Pronomens- 


nd noch einige Puncte näher auszuführen, welche bloß die hritte 
Perſen beiveffen. N ” 
en $. 115. nn 


. D 


4. Mat. Sobald ohne. Bezug auf ein beſtimmtes Subj. im 
Allgemeinen auägejagt werden: fol, was zugleich: von mehreren gel⸗ 


ten kann, iſt in deutfcher „Zunge: fchon feit ange bie Ausdrucksweiſe 
durch man bergebracht. Urfprünglich ift dabei ein Begriff der Mehr⸗ 
heit. gedacht, z. B. Man sagt, d. b. nicht bloß ein Einzelner, Un⸗ 
genannter fagt es, fondern mehrere. Daher drücken wir andy: visfelbe 


- Bedeutung durch den Plur. aus: Die Leute fagen, auch durch den 


Sing. der Collectiven: Das Bor, die Menge fagt. Sehr häufig 
wird auch Dig. gehe. Perſon Plur. darunfer verſtanden. 
da älen een §. 116. on. 


|) BA . . 
jetzt syur Amfchreibung folcher Baffive, deren Caſ. obliq. unansge⸗ 
drückt; iſt;. ber Verſchweigung eines handalnden Surf. Iommt die 
NMennungeines ganz unbeftünmt gelaſſenen in ver. Wirkmg faſt 
giaich. Sind im Paſſiv beide, das leidende und das thätige 


7, Diefeh man gereicht von. der althochdeutſchen geriode an bie . 


Subz.'angeneben, ſo fann fein abſtrartes man eintreten. Eben ſo 


wenig. Tlaftnfindet ed, wenn der ansgelaffne Caf. ohlig. fih gar 
nicht. auf, handelnde Menſchen bezieht, Der ben Säben: Deine 
Sunde würbe ‚bir (von Gott) vergeben; er mmrde (von ber Glut) 


arcjengt, ft: Feine Umfchreibung durch man: möglich. 


Dem’ Nähften müß man helfen. ©. Zt. 1,.1. . Erteagen: muß 
»man, Mas: der Simmel fenbet. S. TI. 1,2 Was kann es 

(Reicefter) thun, und was bedarf man fein? S. St. 3, 6.: Au 
mill eman ihn ſchon öfters, im biefer Geſtalt geſehen haben, S. 
DE: 8,.0. Wenn ich bebenle, wie man wenig iſt, und mas 
man iſt, das blieb: man Aubern ſchuldig. © T. 1,1. Man 
mag nöd fo. siegezagen leben, ſo wird man, che man ſich's 


1...) 


— x — 


verſitht, ein Sihulduer ader ein Glaͤubiger. G. Wo. 4,4. If 
nen iſt nicht zu helfen, und fie hindern uns, daf mon ng felbft 
Hi. G. Wr. 1, 3. — Für todt bob man mich auf. ©, Rt. 
KL As ich no ein Knabe war, fperrie man mich ein. ©. 
.d 9, Amadis. Still und eng und ruhig auferzpgen wirft man 
‚uns Auf Ziamal in die zeit, G. a. Lottchen. — — ſtört 
"an mich. L. Ig. 3, 3. Die Bibel ließ man ihr, das Herz 
‘ya. befleen. 5. &. 1, 1. Das Pferd iſt Ey Walde —*8 

den, man hat's nicht wieder gefunden. Ubl. J. Rechberger. Man 
- börk, der Männer Jauchzen, der Heexden wild Geſchrei. Man 
führt dahin die Knechte mit fü gerem Geleit. Uhl. Schlacht b. 

Rertlingen. 

F. 117. 


. 2) Es. Unſere Sprache verwendet. bie Neutralform des Ab⸗ 
jectivs, vorzüglich aber des Pronomens da, wo entweder ein Be zug 
auf das männliche und weibliche Geſchlecht zugleich nothwendig wird, 
oder Unentſchiedenheit der Perfon flatt findet. Jenes iſt frei ich in 
ber neuhochdeutſchen Sprache nicht mehr wahrzunehmen, weil bie ei⸗ 
genthümliche Flexion des neutralen Blur. im Adjectiv und Prono- 
men völlig erlofchen ıft. 

‚Anm. Der Grundfatz ſſt Ubrigens ridiga und ergibt ſich in ſeiner Wahr⸗ 

peit ang dem Gothifchen, dem Alt- und Mittelhochd. Folgende mittelh. 

Up. mögen genkigen.. Ir zwei (Gerwan und Bene); für masc. 
heißk. die Form zw£ene, für. dem. zwö, für neutr. zwei; Kappe, 
swert und sporn wurden diu u ur. v. der, die, daz) verlorn. 


TE No am a des 18. Sahıh- man zwee (und zween) für 
masc., zwo für fem., zwei f r — uaden ſich u. a. 
noch. bet Voß mb Kiopfot Häufi 

e .. . * $. * 


Das Pronomen es (zuweilen auch das, dies) kann allen drei 
Serfonen bes Sing. wie Plur. buch das Berbum fein als Praͤdi⸗ 
cat verknüpft werben, wenn in dem Sat bie frühere Unficherheit ber 
Perſon aufgehoben wir. 3. B. Der Thäter war vorher unbefannt 
oder nicht genannt, und num folgt: Ich bin es, bu bift es; ihr 
feid es, die ihr den Zorn des Himmels auf euch gerufen habt. 
Pie bezeichnet. es das vorher unbeftimmt Geweſene. 

‚& [deint ein verflänbiger Jüngling ; und fo werden die Eltern 
28 fein. ©, Hd. 7, 163. Iſt's jener Tanfalıs, ben Jupiter zu 
Nath und Tafel zog? Er ift es. ©. 3. 1, 3. Was damals 
"Wunder geweſen, iſt es jetzt nicht mehr? ©. Df. 3, 4. Sie 
iſt wirklich wohl verbrannt? Wenn fie es wäre, —* Ihr von 
mie es hören! 2, N. 1, 1. Kennſt du den Elenden? Ich bin 


8. 3. 55. 
S. 119, 


Dalfetse neutrale Pronomen es Tann num and als feheinbares 
und unbejtimmtes Sub. in den Beginn bes Satzes gefent und Bor- 


lduſer des eigentlichen Subz. werden, bas dadurch in das Berhält- 
niß eines Pradicats zu jenem Pronomen tritt; z. B. Es flarb der 
König; fett der König ſtarb. - Die anhebende Rede läßt noch -un- 
fiher, welche Beſchaffenheit es um das wirkliche. Subj. habe, und 
ſtellt ein unbeflimmtes Weſen vornen hin, das fich gleich barauf in 
ein beſtimmtes auflöſt. Diefer umbeftimmte Beginn ift nicht we⸗ 
fentiicher als der anbeflimmte Ausgang ($. 118.) Er wird bloß 
dann gewählt, wenn mit einer gewilfen Emphafe, vie freilich durch 
den häufigen Gebrauch an Stärke verlor, gefprochen werben fol. 
Mußt' e8 fo raſch gehorcht fein? S. T. 5, 11. Es reden und 
"tränmen bie Menſchen viel von beffern Fünftigen Tagen. S. Hoff- 
nung. Es ift heut Simons und Judä. ©. TI. 1,1. Es.war 
ein gutes Jahr. S. P. 1, 2. Es wanfen ganze Regimenter. 
S. P. 58, 1. Run fauft es und brauft es das wüthige Heer. 
. ©. d. get. Eckart. Es zogen drei Burfche wohl über den Rhein. 
Uhl. d. Wirthin Töchterlein. Es ging an einem Morgen ein - 
“ Ritter über die Au. Uhl. d. Ring. Es pflückte Blümlein man- 
nigfalt ein Mägdlein auf der Tichten Au, Uhl. d. Kranz. 


| $. 120. 


. Das Neutrafpronnmen es hat wahrfcheinlih feine erfle Anwen⸗ 
"dung da gefunden, wo fonft gar fein Subj. ausgebrüdt gewefen 
wäre, d. h. in Säben, wo ein umbeftinmtes Reutrum zu verftehen 
und zu ergänzen wäre, namentlich bei den fo genannten unperfün- 
Iihen Verbis; Es regnet, donnert u. a. Der zweite Schritt war, 
viefes es auf Fälle zu erfireden, wo fein Neutrum, fondern ein 
Maseulinum oder Femininum ausgedrücktes Subi. iſt: Es ſpricht 
ber Herr; es rauſcht die Welle. Drittens endlich bediente man ſich 
feiner, wenn Subj. und Berbum im Plur. flehen: Es fagen die 
Lente. Ueberall jedoch nur vor ber dritten Perfon ann ein fol- 
ches es zu fliehen kommen. | 


Imperfonalia 
$. 12l. . 


Gewiſſe Berba werben nicht anders als unperſönlich, d. h. 
lepiglich entweder im Inf., der Feine Perfon bezeichnen fann, oder 
in ber dritken Perfon des Sing. gebraudht. Diefe ift aber nur 
in dem unbeflimmten Neutrum denkbar, weshalb das unbeftimmte 
Neutralpronomen es damm auch vertreten darf. Die unperfönfichen 
Berba beruhen alſo in dem Begriff, nicht etwa in befectiven 
ormen; mande Verba Fünnen perfünlih und unperfönlich ge- 
raucht werben, viele aber gelten nur unperfönlih. - Zu 
Anm. Grammatiſch betrachtet if bie dritte Perfon Sing. auch eine 
Perſon, und infofern fchiene ver Namen untreffend; logiſch erwogen 
ſoll das unbeftimmte Neutrum hier alle wirkliche Perfönlichkeit aus⸗ 
.. .ſchließen, und das rerpifertiget ihn, s 


”, vo 


’ 





+‘ 


— s53 — 


. 122. 

Entweder ſtehn nun bie nuperſönlichen oegba voöllig abfolut, 
uber es tritt eine non ihrem Begriff abhängige Beziehung, an oblt 
quem Cafus, hinzu. Jene Art find vorzüglich Die Imperfonalia, 
welde Naturereigniffe audorüren, unb zwar: . 

1) Anbruch oder Schluß des Tages umſchreiben: Es wird Re 
gen, es wird dunkel, Doch wohl auch es taget. 

2). Iabreszeiten: Es wird Sommer. "Der Boltebiit fiat aus: 
es femmert, ‘wie mitteldeutſch eꝛ sumeret. - : 

3) Lufterfcheinungen: Es donnert, thauf, pe ” 

4) Winde: Es ſtürmt, ebbet, friert, iſt kalt. 

5) Ohne abhängiges Pronomen ſtehn auch gewöhnlich De Im⸗ 
—— — welche das bloße Ereigniß ausdrücken: Es 
geſchieht, kommt vor. 

Abend ward's und wurde Morgen. S. d. Pilgrim. Log 

wird es auf die dickſte Nacht. ©. 309. 3, 2. Wenn es in ber 
Seele tagt, ©. 5. 2, 233. . Hei in deines Nacht fol es bir 
. kagen. © U.1,4 — &s- hagelt fhwer. ©. Tl. 4, 1. 

Es donnert, fauft und Fracht rings um fie ber. W. 2, 30. 

Plöglih Donnerte es einmal durch den blauen Himmel über 

Das Meer ber. 3. 109. Wo es bräutlich gläns und hallet, 

wo es in der Seele maiet. Uhl. An d. Tod. Uns es fauft 

und dröhnt von ferne. S. Hero u. Leander, — Bon eier 

Fahrt Fehrt ſich' s nicht immer wieder. S. a 1, 1. kebhaft 

träumt ſich's unter dieſem Baum. ©. Jon. 4, 9, 


.. Anm. Einige der hier genamten Imperf. können auch ein perſönl. Pro⸗ 


nomen bei fih haben, namenttig einen: ‚fegenamnten € dat. commodi ; Es 
tagt mir zu frühe; es geſchieht mir. 


$. 123. 


Bier iſt auch das feltfame neuhochdeutſche es gibt anzuführen, 
dem man weder ih der älteren Sprache begegnen wird, noch in den 
andern heutigen Dialeften ganz auf unfere Weiſe. Es Hat den 
Acc. der Sache neben fi, was man jedoch nur im Ace, Ging. ber 
männlichen Subft. gewahren fann: Es gibt einen Wald Namens 
Solling. Die halbfuturiſche Bebentung ſcheint die urfprimgliche. 
Es gibt heuer einen guten Wein, iſt nicht viel anders als: Die 
Trauben geben einen guten Wein. Das erflärt den Acc. hinreichend. 


-Man wandte aber hernach die Redensart auf Fälle des bloßen 


Borhbandenfeins, nicht des Erſtehns und Hervorge— 
brachtwerdens an. 
Es gibt böſe Geiſter, die in des Menſchen smoertwaßrter 
Bruft fih augenblidiih ihren Wohnflg nehmen. ©. St. 1, 4. 
Es gibt ein andres Glüd und andre Freuden. S. P. 
1,4. Es gibt im Menfchenfeben Augenblide, wo Dem 
Meltgeift näber tft als fonft. S. T. 2,3... Es gibt no 
. fen, doch keine Ritter gibt es mehr. S. DE 1, 4. 


— 5 — 
§. 124. 


Zu ben Imperſonalien, bei welchen nothwendig das abhängige 
Pronomen, meiſt im Aor., zuweilen aber auch im Dat., ausgedrückt 
wird, gehören vor allem bie innerlihen Empfinpungen bed 
Hungers und Durfles, des Schläferns, der Ohnmacht, des Ekels, 
Verdruſſes, der Reue, des Mitleids, aber auch der Luft, des Be⸗ 
bagens und Verlangens. DEE: oo. 

Sobald mich hungert vder burflet, werke uch. bei Ihnen 
fein. 2%. 3. 16. Ich weiß, es reut dich nacht, : wenn du dich 
öffneft. ©. T. 2, 3. Mich Tüflete nad. einem Menſchen ©. 
DE. 5. 10. Mich Hat Herzlich verlangt, mit Euch bieß 
Mahl noch zu Halten. K. M. A, 1074. Mich verlangte 
eine’ heitre Stunde im Tieben Kreis ber Meinen zu verleben. ©. 

T. 3, 4. Der ift eben fo übel dran, Dem es immer nad ber 

Waare gelüftet, als ber, dem ber Kauf reut, wenn ex bie 

Waaren in Händen hat. ©. %. 6. Da treibt’s ibn, ben 

föftlihen Preis zu erwerben. S. Taucher. - Darob erbarmt’s 

ben Hirten bes alten, Hohen Herrn. Uhl. db. Ueberf. im Wildbad. 


6.38%. 

Die Vorftellungen von Aerger, Ueberbruß, Unmwillen ꝛc. haben 
flets den Acc. bei dem Imperſonale und den Gen. der Sade, — 
Nirgends aber findet fich größere Unſicherheik fir ‚ben. cc, , oder 
Dat. des Pronomens als bei den Imperſ. ber innern, geifti- 
gen Empfindungen bed Scheineng, Dünfens, Ahnens Jwei- 
felns, Erinnerns, Träumens, Wunderns; doch herrſcht der Dat. bei 
den meiſten vor. . .. 17 Ze 

Mein edler Feldherr, den des Blutes jammert. ©. Ivo. 1, 

11. Tief dauert mich euer. V. 3, 2, 136. — Mir ah— 


net ein unglücksvoller Augenblick. S. DI. 1, Mir Bat: von 


biefen Königen und Schlachten und Kriegesthaten nur geträumt, 
©. Ivo. 4, 9. Ich muß befennen, daß mir däucht, daß ſie 
bem guten Oretchen gleicht. ©, F. 1, 218; Das Gräfe, 6 
blicket hinüber, es dünkt ihn, als läg' er im eber. G. Hoch⸗ 
zeitlied. Mix dünkte bald, zwei Kinder ſäh' ich ſpielen. Uhl. 
e. Abend, Ich will wählen, was das Beffere wich dünkt. ©. 

t. 2, 3. | ' 


. 


$.. 126. | 


In den bisher angeführten Fällen waren bie Imperſ. immer ein⸗ 
zelne Verba; es gibt aber nun auch ſolche, die aus Subftanfiven 
oder Adfectiven und dem fubftantiven fein fo wie mit einigem an- 
bern Berbis erzeugt werden, und dieſelbe Conſtruction darbieten : 
Mir iſt Mangel daran; mir iſt noth; mir iſt Ernft damit u. a. .'Ei- 
nigemal vertritt Baben, nehmen uber fangen, zuiellet'.g e- 
ben ober thun die Stelle des mit einem Nomen amd. Dem cc, 


U 








der: Perſon verbandenen ſein: Mich“ nimmt's under; wid: ommi 
Rene. e any mich flicht der Fürwitz. 

Ich habe nie gezweifelt, daß mm fein. Fortfonımen ir ber "Melt 
finden könne, wenn eBeinem Ernft ıfl. ©, * 1, 16: Cs 
iſt mir Eruſt mit meiner Seligkeit. ©. Lj. 6, Es h auan mir 
--Teib-um Meine ‚Dbeften. So. P. 2 7. Ee iß sm nit ium 

des Kaiſers Dienſt. S. U 6. ; ni 

$. 127. 
Nah Aufzählung der Imperſonalien ift noch zu bemerfen: 

1) Das auf BP site Präter. wird mit haben gebilbet: Es 
bat getag t, Feregnet: mir hand zeekelt, gegrauet. 

2) Sn biefen len ſteht uns die Wahl frei zwifchen perfönli- 
chem und unperfänlickem Anodruck: Ich frikre'— mid friert; 
Ich beliebe = mir beliebt. Genau genommen befteht aber 
eine Berfchiedenheit des Sinns: das perfönlihe Wort iſt inni⸗ 
ger als das unperſönliche, welches gleichfam erſt een unbefeimm- 

. tes Drittes fest, wodurch auf das Subj. eingewirkt wird. 

3) Wenig ober Feine Verbaͤ werben nur unperfünltä 

„braucht. Wir ſagen: Mich reut, verdrießt, erbarmt t, 
" dber auch: Di reueſt mich, diefe Schritte ——* * 
dieſe Dinge ſcheinen mir abgethan, Ber Bert Feftete —* 

Herder Sdeen 8, 4; 

4) Die Unperfönkichfeft iſt defto entſchichner, ſobals ein Son, der 
Sache oder ein Präpofi tionalverhältuig binzutritt: Es reuet 
mich biefer Handlung es vlargt wich nach dir. 

5) Streng genömmen 1* Es wird Nacht, es nimmt mich 
Wunder u. a. feine: änperf., fie umschreiben, erfehen bloß ei- 
gentliche Imperſ. 

6) Dur Berfchiebung des gefntigen Pronsmens wird das 
unbeſtimmte es unnöthig : rauet vor ber Götter Neide. 
G. Ring d. Polykrates. Imperſ., Die Fein: yerſantige⸗ Pie 

| ‚homen begleiten, müſſen e 8 Haben: es regnet. 

rx m 8. i2. — 

En mag ame Schluß der Grörterung aller einefnen Petſonen 
vemen werden, daß ſie gegenſeitig einander zuweilen vertreten kön⸗ 
nen. Die erſte Perſon kann nie ar die Stelle der zweiten oder 
dritten gefeßt werben. — Das unbeflimmte man der dritten 

Perſon kann mitunter im vornehmen und verſteckten Ton die erfte 

und zweite Perfon bezeichnen: Man wird das gerne thun; man 
geht wohl mit? Wirhtiger iſt der Gebrauch. der "zweiten: Derfon 

fatt der erſten: Laß, laßt uns gehn! ($. 47.) für gehn mir) u 

Im Epos wird bie britte Perfon nicht felten, durch förmiiches 

Aureden, in bie zweite verwandelt, ohne daß bieß ben erzähleuden 

Ton ſtört. Bei Voß tritt fogar eine bloße Ansebe und ein Pror 

anmen zweiter: Perſon ohne Verbum ein. 


0} 


— 56. 


Denn er im gramenden Haare Die glich, mildreden der 

Spener! V. 3, 1, 78. Wo dich, redlicher Greis, am⸗ 
ſchwebeten Träume ber Ahndung. V. 2, 24. Alſo redeteſt 

Du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau. V. öfters. Aber du 
ſagteſt indeß, ehrwürdiger Richter, zu Hermann. &. :Hb.. 7, 
174. Aber du zauderteſt noch, vorſichtiger Rachbar, und 
ſagteſt. ©. Hd. 6, 298. oo. ee 


Zweiter Ubfchnitt 
Romen im einfaden Satz. | 
$. 129, 


Was von. vem Verbum, in Bezug auf den einfachen Satz, zu 
erörtern war, ließ fich Alles unter die Grunderfcheinungen ber Ver⸗ 
balform bringen, überall wurde das DVerbum .babei als uyab- 
hängig gedacht, und die Betrachtung feiner Abhängigkeit bleibt 
dem dritten Abjchnitt vorbehalten. Der einfache Sat gewährt Feine 
Lage, in welcher das Verbum regiert erfchiene, den Inf. abgerech⸗ 
net. Anders iſt es beim Nomen, deſſen Abhängigfeitsverhältniffe 


ſich meiſt ſchon im einfachen Sat entfalten. 


Erfies Eapitel 
Begriff bes Nomens. 
8.10, 


Das Subftantiv gibt den Namen, das Adjectiv die Bes 


fhaffenheit eines Gegenflandes an, Sicher war auch jenes bei 
feinem Urfprung von einer Cigenfchaft des benannten Dinges aus- 
gegangen, beren Bebeutung ſich allmälich verbunfelte und in einen 
oielfeitigeren Begriff auflöfte, während der einfeitige Sinn des Ad- 
jectios fefter beharrt,. Aus diefer Urfache fünnen einer Sprache eher 
fremde Subftantiva zugeführt werben als Adjectiva, welche größere 
Berftändlichfeit fordern. Eben darum veralten auch Adi, leichter, 
weil, fobald ihre Bedeutung erbleicht, ihre Anwendung lot, . . 


Ss: 131. 


Obwohl beide, Subftantio und Adjertiv, aus dem Verbum ent- 
fprießen, ſo ſteht feiner burchfichtigeren Bedeutung wegen das ein- 
fache Adf. dem Stamm noch näher als das einfache. Subft., und 
auch ſyntaktiſch ift Diefes engere Band zwifchen Verbum und Abf. 
zu erfennen. Die frühere Sprache bedarf weniger Adj., je mehr 
Berba ihr noch eigen find; das Verbum felbft prädiciert was nach⸗ 





ber dad Mor. mit fein uuefchreibt,. 3.3. maket, latein. viget, d. R 
it ſtark. Die Sonderung bes adjectiviſchen Begriffs wurde aber zeif- 
wendig, weil er mehr das ruhige Berhältniß zu bezeichnen - bat, 
das Verbum mehr das thätige. In dieſem Stan find bie Säge: 
Der Baum jiſt grün, das Feuer ift heiß, fühlbar verſchieden von: 

Der Baum grünt, das Zeuer brennt, vobichen fe oft em und 
daſſelbe ausfagen. 3r „oo. 


$. 132. 


Den Berbis iſt das eigne Vermögen eines unmittelbaren lieber- 
ganges in das Nomen durch bie Partic. verliehen, aber fo Tange 
sm Bartic. ber Verbalbegriff waltet, drückt er das Verhältuiß ber 
Handlung immer Tebhafter aus ale das Nomen: in grünend liegt 
mehr als in grün. Deraltete, im Nomen haftende Partie. haben 
fih dem fefteren Nommalbegriff genähert. So find unfere Subfleut. 
Freund, Feind aus alten Partic. Präf. hervorgegangen, in Deir. 
. Sand ift ſelbſt die vollere Endung bewahrt, während andere nur in 
Eigennamen verhärtet fortvauern: Wigand, Wieland, Voland, 
Derend. Urfprüngliche Partic. Präter. find unfere Abi. eigen, 
fund, gewiß, unfere Subftant. Macht, Schuld, Kunf, Lift. 

Anm. Wie fih das Sub. Macht, Schuld mit dem älteren Adj. 

maht, sculd berührt, fo find noch viele andere Uebergänge des Subft. 
In das Adj. und umgelehrt, nach Form und Bedeutung, wahrzunehmen. 


6. 133. 


Subftantiva, die den Charakter ober die Lebensart eines Men⸗ 
. [gen von übeler Seite ausdrücken, nähern fih oft dem Adj., 3. 2. 

er Dann iſt ein Lügner, Spötter, Räuber, Dieb, Effer, Trin- 
fer, — Schwache Abjectiva nehmen fubftantivifche Bedeutung an: 
Der Reiche, bie Blinde, das Junge drückt uns aus: Der reide 
Mann, die blinde Frau, das junge Thier. — Auch im Freund - nnd 
‚Berwanbdtichaftsverhältnig ſteht einigen Adjectiven Subſtantivbedeu⸗ 
fung zu: Der und die Geliebte, Liebſte. 


§. 134. 
Einzelne Masculina und Neutra, ſeltner Feminina, ſtarker Form 
pflegen, voraus in mittelhochdeutſcher Sprache, umgekehrt adjecti⸗ 
piſch verwendet zu werben. Dahin gehört z. B. Richt: Der Lichte 
Tag, an dem Iichten Galgen, und Ernft, das bald ſubſtantiviſch 
bald. adjectiviſch ſteht. 

$. 135. 
In gewiſſen allen Tiebt die ältere Sprache das Subftantiv als 
Praͤdicat zu feßen, wo wir uns hente eines Adjechos bedienen, z. B. 
:daz sint unsinne, das iſt unfinmig, unklug. Nenhochveutich fa- 
gen wir übrigens auch no: Es ift ein. Ruhm, eine Ehre für 
rühmlich, ehrenvoll; fo auh en Wunder, en Jammer, 





x 


+ 


ne Freud e, eine Laſt. — Hier Find auch zu erwaͤhnen die Sub- 
fansioh ‚bie mit ganz und all verbunden adjertiviſch gebraucht 
den * R 


War ich nicht ganz. Ohr, fo oft es dir gefiel, von deinem Glau⸗ 

Venbhelden mi: zu unterhalten? 2%. N; 3. 1. Es iſt billig, daß 

pie duch Fleiß und Anſtrengung zugleich die. Diittel: etwerben, 
unſre Bedürfniſſe zu befriedigen, da wir doch. einmal nicht ganz 
Gef ſind. G. 9.41. : —- 

ln er 286ß6ß6. 

. Anſet in den Partic. berühren ſich Verhum and Nomen auch in 

ven Inf, Der ſubſtantivifch geſetzte Inf. (F. 52.) nimmt die Nas 

rur eines Neutrums an: das Haffen, Lieben. Werben bie Juf. 

refterivet Verba ſubſtantiviſch, ſo pflegt das Pronomen wegzufallen: 

Frenen und Trauern bat feine Zeit; Erinnern iſt füß, richtiger als 

ich freuen, ſich erinnern. — Das Purtic, Bräter... ſteht zuweilen 

freie abſtractes Nomen : das heißt gefchmäht, gelogen == ıft Schmach, 
ge. re 

ie Nsominaleflipfen. | 


— Alle gehen bloß das Subſtantiv oder Pronomen an; ber 
Ausfall des prädicierenden, nicht die Sache, bloß die Eigenfchaft 
angebenden Adjectivs würde niemand erratben; doch findet fich 
Die Auslaſſung von alt. Hauptfällfe der Nominalellipfen find: 
1) Es fcheint,. daß in gewiffen Nebensarten,. gleichſam um ihn 
bar allzuhäufigen Gebrauch nicht zu entheiligen, der Name 
. Gottes ausgelaffen wurde und wird, 3. B, behüte! bewahre! 
2) Im Gegenſatz dazu fehlt oft der Name des Böſen, des Teu—⸗ 
fels, der. aus Beratung nicht ausgefprochen wird. 
. 3): Das Subftantio feät neden dem Gen., den es regiert. Die 
Begriffe Haus, Geſchlecht, Familie Laffen fich nach folchen 
Gen, am leichteften ergänzen. | a 
4) Das Subftantiv fehlt neben dem Adjectiv, zu welchem es ge- 
hört, fobald durch den adjectiviſchen Begriff der fubftantivrfche 

"> gmgedeutet wird: die Rechte (Hand), alle: Biere (Hände und 
U Züße) ſtiecke. u a 
5) In der Nedensakt: den Kuͤrzern "ziehen fehlt Halm ober 

"Stab nach der alten Sitte das Lobſen mit Halmen oder Staͤ⸗ 

ben. — In der Revensart: den Zehnten geben fehlt Theil. 
6) Können einzelne Pronomina und Subftantiva fehlen, wenn es 
der Zufammenhang erlaubt. 

: Daß dich dieſer und jener! 2, Fg. 1, 5. (Hier er das Subft. 
und. Berbum.) Auch Palamedes, Ajax Telamons (Sohn), fie fahn 
des Baterlanves Tag.nicht. wieder. ©. J. 2, 2. Er wägt in 

"ber: ſchreckenden Rechte dann den Mond und die Sonne, in ber 
Wünten die Mourgenfterke. 8. M. 2, 492. - Da lag’ er,. fireft’ 





— — — — — — — - 


. — ss — 


“alle Bier über ſeine Gefellen. ©. ©, 3. Ich war zehn Jahce 


(at), "als ber Grofivater farb. ©. ej. 4, 17.: Wir 


> som. achtzehn (Jahren) find unverwäftbar heutigen —— 2, 


: 400, Ich liebe (dem) ‚wer mir Ontes thut. S 


Bweites Capitel. 


Genus und Numerus. 
1) Genus. J . | “ 
$, 138. 
Das grammatiſche Geſchlecht iſt in anferer Wi⸗ iu ber griech. 


und latein.) Sprade em breifahes, Den unberechenbaren Vor⸗ 
theil diefer aatürlichen, die geſammte Flexion durchdringenden Un⸗ 


terſcheidung deckt aber die — vollftändiger auf. Ohae den 


Wechſel der drei Formen wuͤrde nicht nur der Wohllaut ver Worte, 
fordern much die Sicherheit aller Conſtructionen der aͤlteren Sprache 
Soßertheile verloren gehen. 


$. 139. 


"Dem Pronomen ber erften und zweiten Perfon, fo wie bem 
Reflenioum, ſteht gar kein Geſchlecht zu, eben weil: fie für alle die⸗ 
nen. Das feldfländige Subſtantiv bedarf immer nur eines ber ‚drei 
Geſchlechter, ‚die aber für einzelne Begriffe ſchwanken Tönnen. Je⸗ 
des der übrigen Pronomina und ſämmilich e Adſectiva ſind des drei⸗ 


fachen Geſchlechts theilhaftig, weil ſie ſi ch na dem Genus der 


Subſtantiva zu richten ‚haben, 


$. 140. 


& 8 gift d bie befannte Regel, daß alle Anjectiva und alle 
geſchlechtigen Pronpmina zu dem Genus bes Subflantivs 


“ Aimmen müffen, auf weldes fie fich beziehen. Diefe Be- 


iehung kann eintreten im Berhältufß des Prädicats, ober im mehr- 
—** und namentlich im relativen Satz. Ein prädieirtes Sub- 
ftantiv braucht fih durchaus nicht nach dem Genus feines Subj. 
zu richten: Der König ift Die Hoffnung bes Reiches; bie Fran iſt 
ein Engel; dieſer Berg iſt ein unüberfleigliches Hiübernif. Wo 
übrigens, ohne dem Sinn zu ſchaden, die Uebereinſtimmung eintre⸗ 
ten kann, tritt fie auch ein: ber Adler ii der rönig der Bügel 
(aquila est rogina avium). - 
Anm... Alle Ausnahmen, bie von —* 
. Partic. und Pron. einfreten ,. —E hier der —— ei 


dabei genöthigt, inzelne Vclest aus dem mehrfachen vr — X Anſp x 
‚2 nehmen. 


3 


su. Pr 


felten darf son dem graͤmmatiſchen Gaſchlecht des 
un abgewichen werben, wenn die Bedeatung auf ein 


h 2 


n 


s 


\— 60 — 


mie nafürleche s führd: Der Sinn ‚überwiegt die Form. 


Hauptfall ft, wenn aus. der Unbeftimmtheit bes‘ Meutrams. fih ein 
maͤnnliches oder weibliches Gefchlecht entwichelt.: Hierher. gehöre 
die Beinen "weiblichen Beariff enthaltenden neutralen Wörter : 
Weib, Weiblein, Fräulein, Frauenzimmer, Mädchen, 
Mädel, Mägdlein, Tößterlein,: Sängferden, Lieb— 
hen und das beide Gefthlechter andeutende Kind, zu denen wir 


—* nur den neutralen Axtikel ſetzen, datm aber ein weibliches 


ronomen folgen laſſen, fie überhaupt als Feminina hetrachten. 
Penelopeia redet zu mir, bie treuſte der Weiber. ©. Euphro⸗ 
fyna. Ein Weiblein, grau von Haaren, dort an dem Ro— 
den Spann, ſie hatte wohl nichts erfahren vom ſtrengen Spin- 
: ‚delbann. Uhl. Mährchen. Wenn das Fräulein jebt fchon weiß, 
was fie gu Mittag ſpeiſen foll, fo iſt es um ihren Appetit ge- 
ſchehen. % M. 2, 8. Das Fräulein Schnell die Kette um i h⸗ 


zen Naden band. Uhl. drei Fräulein. Das Frauenziumer, 


die.es mit betrifft, iſt nicht ungeneigt, eine Art von Berglei- 
chung einzugehen. L. Mſ. 1, 7. Jenes Mädchen iſt's, das 
vertriebene, Die du gewählt haft. ©. Hd. 4, 210. Ich ſeh', 
fo iſt's ein liebes Maͤdchen; ich fragte fie. &. Rettung. Das 
braune Mädel das. erfuhr, vergingen ihr Die Sinnen. ©. der 
untreue Knabe. Ein Mägdlein fiset an Ufers Grün, und fie 
. ſeufzt hinaus in die finftere Macht. ©. d. Mädchens Klage, 
Bott Lohn’ es dem Juͤngferchen, daß fie fo gut if. V. 3, 
: 4, 655. Mein Töchterleim Tiegt anf ver Todtenbahr. Und 
als: ſie traten zur Kammer hinein, da lag fie in einem ſchwar⸗ 
en Schrein. Uhl. d. Wirthin Töchterlein. Mein Lieben, fie 
* was ich ihr dichtete, mir. G. Sommer 20. (1, 395.) 
Mit Inbrunſt herzte ver Greis fein freundliches Kind (2uife), 
auf dem Schoofle fie wiegend. DO. 1, 59. . 
: Anm. Zuweilen iſt es :erfaubt, "vem fem. ein masc. zu verbinden, bo 
- tritt dieſer Fall felten ein. Ich bin Euer König (fagt Maria). © 
St, 3, 4. Du warſt die Königin, fie (nifabetg) het Berbreger., 
S. St. 3, 6.  Diefe Eonftruction frheint dem Femin. mehr Kraft zu 
.verleihen. 
Dr S. 142, 4a 
Nicht anders dürfte nah Dimtinutiven des männlichen 
Begriffs ein maännliches Pronomen flehn; doch wüßte ich es 
nicht aufzumerfen nah Männlein, Herrlein, Söhnlein; wol 
nah Gräflein und dem bereits oben angeführten Kind. — Bel 
unfern heutigen verffeinerten Eigennamen neutraler Form und weib⸗ 
lichen Begriffs ſchwankt der Artifel: das und die Mariechen, doch 
fcheint der Gebrauch ſich immer mehr für die weibliche Form zu 
entfcheiden; Diminutiva männlicher Bebeufung leiden nur das 
Neutrum: Das Fritchen. 
„Das Gräflein, es blicket hinüber, 28 dünkt ihn, als‘ Täg’ 


⸗ 








— 6 — 


als ein fremdes an, und geben. Sie deflo „genauer auf ihn Acht. 

"G.%.T. 8. Wir Yatten beide eine Zeit Tang geſchwiegen, als 
Lieshen, die ih nicht hatte heranlommen fehen, überraſchend 
vor ung trat. G. Wi. 3, 13. . 


u $. 143. 

Wenn Zahlwörter mit einer Präpofition den Begriff ver 
Theilung ausdrücken, fo fest fie unfere Sprache (wie bie griech.) 
ind Neutrum. Deutlich ergibt ſich dies aus den mittelbochbeutfchen 
Formen: en zwei ($. 117. Anm.), en driu, en vierin, was lan- 
ter Neutra find. Neuhochbeutfch iſt mit der pluralen Neutralform 
biefe Ausprucsweife verloren, und nur das verhärtete ent zwei 
geblieben. Jenen Plur. entfpricht der Sing, en ein. Dan zählte 
ſchon althochbeutfch einez, zvei u. f. f. im Neutrum, wie wir heute 
fagen: Es ſchlägt eins, zwei m. |. w. (Die Glocke fie donnert 
ein mädtiges Eins. ©. Todtentanz.) — An diefe Verwendungen 
des neutralen Adjectivs im bloßen Nationalverhältniß reipt fih nun . 
eine bes neutralen Pronomens, weldes im fürmliden Satz 
als Subj. vder als Prädicat die Stelle eines andern Gefchlechts 
einnehmen Tann. n nt 
Anm. Bon dem perfönlichen Pronomen e 8 neben dem Berbum der vrit- 

ten Perfon, auch wenn ein männliches oder weibliches oder gar ein 
plurales Subjeet. im Sab erfcheint, war 6. 117 f., und von feinem 
Gebrauch bei Imperſ. $. 121 f. bereits die Rede. — 


i $. 144. . 
Dirie Nominativqualität des es erhellt unverleunkar aus Saͤtzen, 

in welchen fein auftritt: Es ift ein Mann; es ıft wahr, nnd de 
gebührt ihm flärfere Bedeutung. Man Tönnte umfchreiben: Das, 
son bem ih reden will, ift ein Dann; etwad, das ich -fagen 
werbe, ift wahr. Hier braucht es aus dem umgeftellten Sabe nuht 
zw verſchwinden (wie $. 127, 6): Ich bin es, von den Die Rede 
geht. Auf gleiche Weiſe kann es in abhängigen. Sägen na Con⸗ 
jauctionen haften: Wenn ich es bin. Auch das es der wirklichen 
Imperſ., die Fein perfönliches Pronomen begleitet, ($. 127, 6) 
weicht bei der Satzwendung nicht: Es fiheint, daß es. fhmeie. 


$. 145 


Man achte das begleitende nominative es nicht zu vermengen, 
1) weder mit dem ſich auf ein wirkliches Neutrum beziehenden; 
ein ſolches es kann nicht verfchwinden, ſondern mu auch bei 
‚ ber Umftellung haften: Ein Ding, es heißet Tugend, Tu⸗ 
gend heißet es; " 
2) noch mit dem accuſativiſchen, im Sat bebeutfameren, welches 
auch wol vorausftehn und mit dem begleitenden 'e8 zufammen 
vorkommen kann, z.B. wenn wir auf bie Frage: Negnet es? 
bejahend erwiebern: Es thut's. Hier ſteht t han qurilia⸗ 


— 


U 


— 62 — 


riſch (G. 57.) and das zweite es geruſativiſch „für ben Inf. 

regnen. So auch: Man ſollt' Euch alle haffen, und ih 

thu'es. auch. J. Paul. 133. an 
$. 146. - . 


Gleich dem Neutrum des perfönlien Pronomens ſteht nur, in 
ähnlich, objectiner Beziefung, mit entſchiednerem Nachdruck, aber 
nur bei dem fuhftantiven Verbum fein und Subftantiven des Mens 
trum bemouüftranfiver Pronomina: Das ift der Mann, 
das ift die Frau, von denen gerebet wurde. Das hier find meine Kit- 
der; diefes find bie Leute; jenes find bie Häuſer; iſt die ſes nicht 
der Berg, auf ben wir fleigen? Wir dürfen jedoch auch ſagen: ver 
— "te Mann; biete dort ift die Frau. Aber die gewöhn⸗ 

geht gern in ben unbeftimmten Nentralauehrut über. , 

iater, das war ein rechter Held. L. d. Frieger. Wolf. 

er den Augenblick ergreift, das iſt der rechte Mann, 

, 99. Sieh, das ift Egmont, ver größte da! G. E. 5. 

3 des Kaiſers Hand und Siegel. ©. T. 2, 5. Das 

ie Richter, S. St. 1,7. Siehft du, da war ein Schnei- 

Stuttgart, der war ein trefflicher Bogenfhüg. ©: G. 1. 

Anm. Do finden fih auch andere Zeitwörter in Verbindung mit einem 

BEE, De Tan nie, Ser heine ne 
- (bie Mehebnflere) DEHEL, wie eln Gefenfieber. ©. 8, Hi. 

$. 147. 


Am deutlichſten hat ſich endlich bei dem Interrogativpro— 
nomen die ⸗bjertive Beziehung entfaltet; wir bebienen .umd bes 
was-eingefägränfter als des das. Dem. das iſt ber König ſteha 
ein was ift ber König? ner in fo fern parallel, als barin. etwas 
Dbjectives, gewiſſermaßen Sachliches (quid est rex?) liegt. Wirk 
ar fo let wer und zwar, teil es defectis iſt 
für jedes @efchlecht und jede Zahl: Wer if ver König? Wer tft 
die Königin? Wer if. das Rind? Mer find bie Männer? Die 
Frage: Was: iR das Kind? würde eine Dofinition des. Kindes: ber 
& —— ſachlichen Fragen gilt was für alle Geſchlechter im 

ing. ur. . . 
Der Chevalier de Ta Marliniere? Wer ift das? L. M. A, 6. 
Ber ift fie denn, biefe Braut? 8. €. 4,5. Sie wiffen doch 
„wohl, wer bie.Herren waren? 8. Ig. 1, 4. Wer if der 
Man? ©. ©. 1. Wer feid ihr? (zum Chor der Frauen ge⸗ 
‚ jagt). ©. 5. 2, 190. Wer find bie Eltern, bie dich zeugten? 
©. oo. 1, 10. Wer ich bin? Ich hab's nie Fönnen erfahren, 
S. W. 11. Was ift er, biefer Bruder? Ein Soldat ? Ein 
Geiſtlicher ? L. N. 5, 5. ‚ i 
i ü eutrum allgemein bi 1, au o ein 
Fee Dun 5 Kon — i— Ge dem ee 
ectiviſteren ent don frithe an ein Grundzug imferer Sprache, in 
+ Welhent-vielleiht die veale Geffanumg des Boltes ſich ſpiegelt. 





— 63 — 


Dune dRUmMeraR 
, . 148:- a 


‚Einige Subflantisg find nur im Sing., andere nur um, "fur. 
aebraͤuchlich. Nur des Sing. fähig erſchenen . - 
>» Eigennamen, die einem beſtimmten — be elegt 

Fu, ‚einzeluen Menſchen, a (in der F F 
Wäidern, Bergen, Ländern, Oertern eher elbe 

., Cigenname: auf mehrere. übertragen wird, dann er — im 

Plur. ſtehn: die Otione Deutſchlands. 

2) Subftantiva, beren Vorftellung für das Individuum zwar von 
der Einheit ausgeht, wie Mund, Naſe, Herz, kömen, 
von mehrern Individuen gebraucht, den Plural — 

.3) Subftautisa des Begriffe ber Maffı e: Fleiſch, Blut, Milch, 

Sand, Garn, Gold u. a: haben als ſolche keinen Plural; 

werben fie im Blur. gebraucht, fo nehmen fie die Bedeutung 

eines Gattungshegriffs an: die Golde, Holze. 

4) Die Heutige Sprache verjogt vielen abſtracten Subffan- 
“  Fiven den Plural, 5. B. Verſtand, Bernunft, Wille, 
Zorn, Glück, Dank, "rote, Ruhm, Hunger, Darft, 
heſonders aber den aus Anjectiven gebildeten Femininen: Güse, 
Liebe, Rothe, Schwärze, ‚obgleich vor Gräfe, Höhe 
der Plur. flatt findet. Ber diefen allem iſt der Spraqhge⸗ 
brauch einzige Regel. 

5) Bei Gewicht, Maß und Zahl gebrauchen wir, eate ei⸗ 
nen ſcheinbaren Sing. für den Plur. ſelbſt folder Subſtan⸗ 
tioa, die in andern Faͤllen ihren Plur. gehörig bezeichnen: 
. .. Drei Pfund ſchwer, fieben Fuß tief, zwei-Faß Bier, hun⸗ 
ber Mann find gefangen. — Die Zeitmafe, fo wie bie 

Maße weiblichen Geſchlechts nehmen bie an malenbungen 
an: Drei Monate, ſechs Ellen, ſieben Meilen Bet 

Jahx find beide Formen gebraͤuchlich. Die Namen der Min 
zen ſtehn nur im Plur. 

Ang. In einigen: gern, wie Pfund, Bud, aß, Mas at E6 
. der ’alte dem S ing, gel he Blur. neutr, bewahrt, in andern 

Pli. mascul. Aler (flott Xeder), in Mann: Sie mittel. Krone 
. Komm, vie in .allen len und Caſ. ımwerändert Maun iſt. En 

‚und Hg D nurbe- fehlerhaft in die nämlichz Analogie gebracht. it⸗ 

—* ch nur drier hende breit, siben vüeze lanc., Von 
en neuhochd. Schriftftellem "wird" bel verfſchiednen ber genen 
er zuweilen auch ein wirklicher (mit fcheinbarer) Plitr. gebraucht, 

be ner bei Präpofitionen: Ein europäiſches Schaaf befam au Boss 

J izs der guten Hoffnung einen Schwanz von neunzehn pfunden. 


u §. 149, 


„Ns, nur im Pliral gebräuchlich erſcheinen: 
1) Die Namen einiger Feſte, weil. ſie ‚mehrere Tage Sögreifen, 

alfo den Begriff einer Mehrheit in fih fchließen: Faſten, 
Serien, Dftern, Pfingſten, Weihnachten. — Auf 


— 7 TEE | 
gleiche Weife wird ver Plur. Wochen von der Zeit des Rindiet 


tes und Wehen von dem fich oft wiederholenden Geburts⸗ 


ſchmerz gejagt. 

2) Die Sranfheitsßenennungen: Blattern, Maſern, Rö⸗ 
theln haben die Mehrheit, weil fich dabei eine Vielheit von 
Blattern und Flecken aͤußert. 


3) Aus: demfelben Grunde des. gewöhnlichen Vorlonmens in der 


Mehrzahl gelten noch andere Subſtantiva im Plur. Ahnen, 
Eltern, Gebrüder, Geſchwiſter, Gliedmaßen, Ho- 
. sen, Alpen u. a; nichts aber hindert: von einigen den 
" - Sing. zu gebrauchen. 

Anm. f. Genau erwogen gibt es alſo wenig oder keine Subſt., die 
m: auf den ‚Ding, oder Blur. eingefehränft wären. Entweder ifl 
ie Form des einen Numerus veraltet amd läßt fich hiſtvrifch nachwei⸗ 
fen, oder es beſtehn eigne- Modificationen bes Sinnes für den Plur., 
die der Begriff von Mehrheit und Wiederholung und andere und ver⸗ 

borgne Urſachen veranlaßten. 
um ingſten braudt Luther noch im Sing. Aehnlich Jean 
aut nf DB Ein Pfingften,. wie ich's jetzt beſchreiben will, 
ap, d ; fhtvarze Ritter: Pfingften war, bag Feſt der Freude. ©. 

N. Zucs 1, : Bfingften, das Tieblihe Feft, war gekommen. 
hm. 3 Die a: ımb mittelh. Sprache e fegen ge ern die Sem. Wonne, 
“ Ehre, Minne, Gnade, Huld, ee R eue, Pflege in ven 
Plur., fo oft .aud ihr Sing. vorkemmt. Neudbochd. haben fich noch 
einzefne erhalten, die jedoch den Schein ver ſonſt verlornen weiblichen 
3 een Derlination yaben:- Aus Gnaden, zu Saanden, Au 
u rem. . 


. 190. 


na Lieſer Erörteräng des allgemeinen Verhaltniſſet zwiſchen 
Sing. und Plur. iſt nun nu ihre ſyntaktiſche Abhängigkeit zu. prü- 
fen. — Ein prädiciertes Subftantiv hat fich ſchon etwas 
mehr nah dem Numerus als nah dem Genus des Subjects 
zu richten. Mit einen Subject im Plur. mag unbedenklich. ein un- 
perfönliches Prädicat im Sing. verbunden werden: Ihr ſeid 
das Salz der Erbe; wir find ein Spiel ber Winde; alle Häu- 
fer. waren ein- Keuter. Bon allem in der Mehrheit Enthaltnen wird 
etwas Gemeinſchaftliches ausgeſagt. Ein perfünlier Ging. des 
Fraͤdicats würde aber dem Plur. des‘ Subjects widerflreiten: hr 
Alle feid Löwen, nit ein Löwe. Weniger unangemeſſen kann 
für ben Plur. ber Mate ber beigelegte Sing. erlgeinen: Ihr 
ferd ein tapfrer Mann! | 


Anm. Schwerer. conftruiert unfere Sprache den Plur. zu einem Sing. 
des Su unierte. Lateinifch läßt fi fagen: vulnera tofus erat; wir fa= 
gen nicht: Er war ganz Wunden, ſondern eine Wunde. — Ran 
verwechfele nicht das vorausgeftellte Präbirat mit dem Subj.; z. B 
wenn wir ſagen: das wüthende Meer find die Leidenſchaften, wo ger 
venſqh aften das Subj. bilden. 


F 
* al, . ... un ° Ver 


N 


—6 — 


Drittes Eapitel, 


Pronomen. 
.$. 151, 


Eigentlihe Beſtimmung des Pronomens ıfl, das Nomen zu ver- 
treten, deſſen befländige Wiederholung Iäftig fallen würde. Es ift 
bie frübfte und unentbehrlichfte Abftraction aller Spraden, an die 
Stelle der Eigennamen und Appellativa leichte und gefüge Wörter 
zu feßen, welche die lebendige Bedeutung jener mäßigen und ba- 
durch ber freien Rede den Weg bahnen. — Die Pronomina find 
aber jo alt als die Sprache eine Gefchichte Hat, ja ihre Flexionen 
fheinen größtentheils Urformen, die mit allen andern des Nomens 
gemeinfchaftlih Taufen, oder ihnen felbft voran gehn. Außerdem 
ftebt nun dem Pronomen ein anderer Beruf zu: es ift allmälich 
zum Begleiter der Flerion geworden, und zwar flübt das perfün- 
liche die verbale, das demonftrative die nominale. 

Anm, Ohne Pronomina würde die Rebe ganz unbeholfen und ohne Hin⸗ 
Ä run bfeiben, weil fich die näheren von ven ferneren Geftalten gar 
nit fonvdern und hervorheben Zönnten. — Auf werde Weife fih das 


perſönliche Pronomen an das Berbum gefchloffen, ift S. 109 f. erör- 
tert worden; das relative fällt immer dem mehrfachen Sa zu und 
gehört in den dritten Abſchnitt. 


1) Perſönliches Pronomen. 
. 6. 152, 


Das perfönliche Pronomen erzeigt ſich darin noch fuhftantivifcher 
als die übrigen, daß es für bie beiden erſten Perfonen, wie für 
bie dritte reflerive, der adjectivifchen Spaltung in drei Gefchlechter 
nicht unterliegt. Es läßt fich auch als Subflantivabftractum faffen: 
das Ih, das Du, ein Er, eine Sie. 


$. 153. 


Es gibt nur drei Perfonen in der Grammatik. Die erfte 
kann fich jedoch zuweilen als zweite feten, Die weite als dritte 
geſetzt werben. Jenes findet fiatt, wenn der Menſch in Gedanken 
ſich gleichfam fpaltet und ein Geſpräch mit fich felbft beginnt. Häu⸗ 
fig ſteht auch, befonvers in der Volksfprache, der Eigennamen in 
ber britten Perfon flatt des perfönlichen Pronomens der erflen Per- 
fon und zeigt fo des perfönlichen Pronomens nahes Verhaͤltniß zu 
dem Eigennamen. 
Da —* ih alſo zu mir ſelbſt: So vielen. gebieteſt du! Sie 
folgen deinen Sternen u. f. f. S. T. 1, 3. Und was iſt bein 
Beginnen? Haft du dir's auch redlich ſelbſt befannt u. f. f. ©. 
T. 1, 4. (So fagt Wallenftein zu ſich ſelbſt. Vgl. noh ©. T. 
:.3, 3, wo Leonore einen ganzen Monolog an fih ın ber zwei⸗ 
- " Kehrein Grammatik. II. 1. 5 





— 66 — 


ten Perſon richtet. — Euer Franz (d. i. ich euer Franz) wieb 

fein Leben dran jeßen, das eurige zu verlängern. ©. R. 1, 1. 

Umarme mich, meine geltebte Julienne, vergib, daß Linda 
_ unartig gewefen! (So fagt- Linda ſelbſt.) J. 125. 


.$. 154. 


Manche das einfache Pronomen vertretende Ausdrucke ſind aus 
Stolz, Demut oder Unterwürfigkeit hervorgegangen und haben ſich, 
unter verſchilednen Ständen, zum Theil als Titel geltend gemacht. 
Sp verfnüpfen ſich mit Poffeffiven oder auch mit Genitiven die 
Subftantiva: Majeftät, Hoheit, Durchlaucht, Gnade, Liebde, 
ee Feſte u. a. m. Beſcheiden heißt es meine Wenigkeit 

ir id. - 
Wir bitten Eure Kaiſerliche Majeftät um Hilfe, G. G. 3. Eure 
Königlihe Majeſtät find außer fih und feheinen. tief bewegt. 
S. Df. 2, 3. Wenn Ihro Majeftät mir erlauben wollen. ©. 
%. 1, 2. Wenn Eure Hoheit Sich des letzteren Turnieres 
noch entfinnen. S. DE 1, 1. Eure Gna den find befannt für 

. einen hohen Kriegsfürften. ©. T. 1, 5. Kommen Ew. Gnaden 
doch ja fchnell herüber! G. Wo. 1, 2. Alles iſt recht ſchön ge- 
worden und muß Ew. Gnaden gefallen. G. Wo. 1, 1. Der 
Beſuch, den ih’ Em. Gnaden und Liebden zugebacht habe, 
wird nicht übel vermerft werben. G. %. 6. Was Eure Fürft- 
lichkeit bewegen mag. ©. T. 1, 5. Gefällt es Eurer Herr- 
Liäteit, Lordmarſchall, bei pro Majeftät mich einzuführen? 

S. 6t. 4, 2. — Zwar mit meiner Wenigfeit kann fie fcher- 
zen fo viel fie will. L. M. 2, 2 


S .. 15. 
Wir beſitzen vier Stufen für die Anrede: 


1) Du wird von Eltern gegen die Kinder, von Eheleuten, Ge⸗ 
ſchwiſtern, Freunden und Cameraden unter einander, von der 
Herrſchaft gegen vertrautere Dienſtboten gebraucht. Vorherr⸗ 
ſchend duzen auch Kinder ihre Eltern, nach älterer Weife gilt 
auch noch das Sie des Plurals. 

2) In den nicht unter 1. begriffenen Fällen waltet das plurale 
Ste, felbft gegen Geringere. 

3) Nur die Geringften erhalten Er und Sie im Ging; Ihr 
fommt ausnahmsweife unter Gleichen vor. 

4) Im Affert kann flatt des Sie ein berabfeßenbes Du, nit 
aber ftatt des Du fo plößlich ein entfremdendes Ihr oder Sie 
angewandt werden. Doc tritt das Ihr und Gie ftatt des 
Du befonders im ironifchen Ton nicht felten ein. 3. 2. 
Sp lang ih Dich hatte — Geht! Ih habe Euch nichts mehr‘ 
zu fagen. ©. ©. 2. (So fogt der Biſchof zu Weislingen.) 
In & Fauſt 1, 173 geht ber fonft den Fauſt duzen de Me- 


— 67 — 


phiſtopheles aus dem Du in das Ihr, aus dieſem in das Er 
und dann wieder in das Du über. 

5) In einigen Gegenden, namentlich in Tirol, bat das ganze 
Volk an dem Du feflgehalten. 

6) In die ernfte und edle Poefie iſt das Sie faum eingelaflen 
worden „(die dramatifhe und den Roman ausgenommen), wol 
aber Ihr und ſelbſt Er. Uebrigens fteht das begleitende Ad- 

ieectiv oder Partie, bei Sie wie bei Ihr im Sing. Glüd- 
licher, der Ihr feid, der Sie find! 

Anm. Statt der Belfpiele, die bier nicht nöthig ſcheinen, (unter denen: 
Sie haben recht Seine Noth mit mir! J. Paul Titan 29 zu den 
auffallendſten gerechnet werben dürfte, vgl. übrigens 6. 161. Anm.) 
mag eine kurze Gefchichte viefer Höflichleitsformen hier Plaß 
finden. — Anfänglih fprah 'man im Sing. Der röm. umd. byzant. 
Canzleiſtyl griff zuerft verrüdend und flörend bei uns ein. (Berfchieven, 

. und wol noch älter if@ ver Pur. der Schriftiteller, vie, ven Leſer in 

Gedanken habend, fih gleihfam mit ihm zur Mehrzahl vereinigen.) 
Allmälich drang diefer Plur. vor in die Schreiben der Bifchöfe, Aebte, 
Herzöge, Fürften, Grafen, Freiherren. it der erften Perf. hat alfo 
der unnatürliche Dur. angehoben. Die Anrede mit vem Plur. 2. Perf. 
war unter geiwiffen Umſtänden feit dem 9. Jahrh. in Deutfchland üb⸗ 
lich; unter, dem ganzen Bolt hatte fie fich aber fchwerlich ſchon ver- 
breitet. Das majeftätifhe wirzen if in der Poeſie des 12. und 13, 

ahrh. Überall gemieden; einige Gedichte des 12. Jahrh. enthalten 
ih auch des irzens. Gegenfeitiges duzen galt unter Seitenver⸗ 
wandten; Eltern gaben ven Kindern du, der Bater empfing von Sohn 
und Tochter ir, die Mutter vom Sohn ir, von der Tohter gewöhn⸗ 
lich du, weil zwiſchen Mutter und Tochter größere Bertraulichkeit forts 
dauert. Eheleute irzen fih, Liebende, Minnewerbende nennen ſich ir, 
eben aber Leicht in pas vertrauliche du über; der Geringere gibt dem 
Göperen ir und erhält du zurüd; zwifchen Freunden und Gefellen gilt 
du; Frauen, Getitlihe und Srenive erhalten ir, dafür find Frauen 
und Geiſtliche gegen Geringere leicht höflicher als Männer und Welt 
liche; perfonificirte Wefen werben vom Dichter geirzt, z. B. Frau 
Minne, fie aber duzen; das gemeine Bolt bleibt noch bei dem duzen 
ſtehn; Teidenfrhaftlihe, bewegte Rebe achtet der Sitte nicht und ent« 
zieht bald trauliches du, bald höfifches ir. — Im Laufe des 14., 15., 
16. Jahrh. blieben vie Berhältniffe der Anrede ungefähr wie fie das 


B. geregelt hatte, nur daß bei Königen, Fürften und andern Trägern’ 


hoher Würden im 15. und 16. Jahrh. die Zitel Majeftät, Gna- 
ben, Strenge, Fefte, Weisheit und dgl. überhandnahmen. — 
Etwa im Beginn des 17. Jahrh. gab, wahrfcheinfich nach, franzöftfchem 
Beifpiel, die Benennung Herr und $rau nicht mehr wie früher eine 
wirkliche Superivrität des aingerebeken über den Anredenden zu erken⸗ 
nen, fondern fant zu einem bloßen Höflichleitsgeichen herab. In un« 
mittelbarer Anrede hieß fih nun mit dieſem Titel das Pronomen ihr 
verbinden; allein man fing an, fie gleih den übrigen höhern Titeln 
indireet in der 3. Perf. zu verwenden, und als fie immer weiter um 
fih griffen, bald mit ausgelaßnem Subſtant. das baare Pron. er und 
fie, zu dem Berbum 3. Perf. conſtruiert, ſtatt der directen Anrede zu 
feßen. Diefes er over fie überbot denn nun die Höflichkeit des ihr, 
welches fortan eine bloße Dittelftufe ver Vertraulichkeit over Gering- 
[Häßung äbgab, während du die unterſte Stufe ausprüdte. — Hierbei 
lieb die Berfchraubung ver natürlichen Pronominalverhältniffe aber 
noch nicht ſtehn. Gegen ven Schluß bes 17. Jahrh. wurde eine neue 
Steigerung erfonnen, die mit er,.ihr, du eine Zeit lang zu kämpfen 


5* 


14 





— 68 — 


hatte, endlich aber, ungefähr zwiſchen 1730 — 1740, den Sieg davon 
trug und durch den jegt mächtig eintretenden Aufſchwung der Proſa in 
unferer Sprache, leider befeftigt wurde. In jener Zeit kam nämlich 
als die feinfte Höflichkeit auf, das er und fie der 3. Perf. aus dem 
Sing, in den Plur. zu rüden, wonach fich denn auch das Berbum zn 
richten hatte: ftatt du bift fagte man Sie find! — Das neuhochd. 
plur. Sie ſcheint eine baare Berfündigung wider Sinn und Gefhmad, 
wobei man höchſtens gewann, daß nun beide, im er und fie getrenn- 
ten Gefchlechter wieder auf gleihen Zuß famen. Neben dieſem plur. 
Sie behielt man aber auch ihr, er, fie bei, nur mit etwas veräns 
derter „ebeutung. Etwa um 1780 behauptet noch das er, fie (fing.) 
ven bisherigen Rang vor vem Ihr. Heutzutage ift dag Er wieder un- 
ter das Ihr herabgefunfen. Die in der, vorigen Periode geerzt wur- 
den, erhalten jegt plur. Sie, bie damals Geirzten aber Er. Ihr 
hat wieder eine edlere Geltung, Gleichſtehende, in höhern Ständen, 
bedienen fich feiner nicht felten. 


$. 16. 5 


Wenn ein Pronominalbegriff dritter Perfon fih auf den im Satz 
ausgebrüdten oder verftanpnen Caf. rectus bezieht, fo muß das 
Reflerivum, geht er aber auf eine andere dritte Perfon, fo muß 
das geſchlechtige Pronomen gefebt werben: "Die Erde bewegt ſich; 
ber Blitz hat ihn erfihlagen. Diefer Grundfag erfährt nur Dadurch 
Einfchränfung, wenn außer dem Berbum des Caf. rectus noch eine 
andere Berbalform im Sat erfcheint, und es ſich um das auf fie 
bezügliche Pronomen handelt. Dann ift der einfache Sat zujam- 
mengefloffen aus einem mehrfachen, und es kann Widerſtreit ent- 
fpringen zwifchen der Beziehung auf das ſtehende ($. 53. Anm.) 
oder auf das liegende Verbum. Das Tiegende Verbum ift ent- 
weder ein Inf. oder ein Partie. Präſ. Die Nectionsfraft des Iie- 
genden Berbums ift zwar durch Die des ſtehenden gedämpft, allein 
nicht völlig überwältigt" und der alte Zwilchenfag wirft gleichfam 
nah. Iſt der Sag durch Auflöfung bergeftellt, fo herrſcht Fein 
Zweifel über die Beziehung des Pronomens. 


a) Reflerive Form. 
$. 157. — 

Die wichtigſte Veränderung gegen die früheren Dialekte iſt im 
Neuhochdeutſchen inſofern eingetreten, als nun für den Dativ Sing. 
und Plur. in allen Geſchlechtern die Accuſatioform ſich gilt. Da⸗ 
mit wurde die Reflexivform wieder in ihr altes Recht gewieſen, und 
das ihm, ihr, ihnen auf den unreflexiven Sinn eingeſchränkt. 
— Doch findet man zuweilen, ſelbſt bei unſern beſſern Schrift⸗ 
ſtellern, das geſchlechtige Pronomen, wo man das reflexive er⸗ 
wartet hätte; aber der Sprachgebrauch hat ſich allmälich ver⸗ 
ändert. 

Wer ſich Knall und Fall ihm ſelbſt zu leben nicht entſchließen 
kann, der lebet Andrer Sklav auf immer. L. N. 2, 9. Daß die 
Menſchen ihrem eignen Willen entſagten und Geſetze über ſie herr⸗ 
ſchen laſſen wollten. H. 4, 4. — Der Mörder bietet felbft ſich 








dar. ©. Ar. d. Ibyeus. Nimm diefen Kranz! es ift ber Lohn 
der Demuth, die ſich felbft bezwungen. ©. K. m. d. Drachen. 
Alle flurmerprobten Schiffe bergen fich in fihrer Bucht. S. Hero 
und Leander. Unter den Wurzeln des Baums bricht er (der Gieß⸗ 
bach) entrüftet fich Bahn. S. Spaziergang. 


$. 158, 


Zu dem Inf. oder obliquen Partie, Bräf. conflruieren wir un⸗ 
bedenklich ein auf ihr Subject bezügliches veflerives fich: Laffet das. 
Feuer ich ausbrennen; wir fehn den Himmel fich aufflären; er 
beobachtete den vom Himmel herab fich fenfenden Nebel; man ge- 
dachte der fich entfernenden Freunde. Doch auf den Caf. rectus 
ein folches [ich zu beziehen, wagen wir nicht mehr, fondern ge— 
brauchen. das gefchlechtige Pronomen: Er bat feinen Freund, ihm 
(nicht fih) zu Tagen. — Der Genitiv fein (oder feiner), auf Per- 
fonen bezüglich und von Verbis abhängig, Tann refleriv oder unre- 
flexiv gejegt werden. Statt des alt- und mittelhochbeutfchen neu- 
tralen es gebrauchen wir bie relative Form deffen, z. B. Er iſt 
deffen froh Tautet althochdeutſch: er ist es frö, mittelhochdeutſch 
auf dreifache Weife: er ist es vrö, er ist sin vro, er ist des vrö. 
Er Tief die Sache eine Weile auf ſich berufen. ©. %. A, 19. 
Der gute alte Mann liegt krank am Podagra, feine Leute find 
‚in biefer Gegend neu, und ich helfe ihnen gerne fich einrichten. 
G. Lj. 7, 5. — Ras kann er thun, und was bedarf man fein? 
S. St. 3, 6. 
Anm. Das Pron. ſich im Plur. hat oft eine reciproke Bedeutung: 
Wenn ſich die Fürſten befehden, müſſen die Diener ſich morden und 
tödten. S. Bvm. 


b) Geſchlechtige Form. 
$. 159. 


Neuhochdeutſch hat durch die völlige Zulaffung des fich für den 
refleriven Dativ das gefchlechtige Pronomen (er, fie, es) beinahe 
wieder feine natürliche Begrenzung erlangt: in ſich (in se) fleht 
ab von in ihm (in eo). Der Genitiv es für männliche und neu- 

teale Form iſt, wie bereits ($. 158.) bemerft, verfcherzt; vertreten 
wird er bald durch fein, bald durch deffen. Der dem gefchlecdhti« 
gen Pronomen angehörige Genitiv ihrer wird zugleich in refle- 
xiver Bedeutung gebraucht: Sie ift fih ihrer (ſelbſt) bewußt. 

Oft adelt er (Taffo), was uns gemein erfihienen, und das Ge- 

fhätte wird vor ihm zu nidts. ©. T. 1,1. Ad fie (die 

Prinzeffin) verliert, umd denkſt du zu gewinnen? ©. T. 3, 3. 

Was Tann er thun, umd was bevarf man fein? ©. St. 3, 6. 

Was fol ich thun, um ihrer werth zu fen? G. T. 2,2. Doc 
- war an Wiffenfchaft, an rechtem Sinn ihr (der Mutter) Feine 
. beider Töchter gleih. ©. T. 1, 1. Mir ſcheint auch ihn das 
: Birffihe gewaltfam anzuziehn. ©. T. 1, 1. Ich habe fie 





— 70 — 


(Leonoren) geſehen. G. T. 4, 1. Ich freue, mich, wenn kluge 

Männer ſprechen, daß ich verſtehen kann, wie ſie es meinen. 

Anm. Der hochdeutſche Dialekt Hat fich bemüht, bie Unterſcheidung zwi⸗ 
Icpen dem refleriven und unrefleriven Pronomen aufrecht Er erhalten, 
obgleich es nicht ganz damit gelungen, und ſtatt der organischen Refle« 
xivform des Dativs zulebt die accufativifche aufgegriffen worden ift. 


2) Doffeffives Pronomen. 
$. 150, 


Aus dem Genitiv der perfönlichen Pronomina werben abjeetivifche 
abgeleitet, welche ſich bequem’ zu Subftantiven conſtruieren Taffen, 
während jener Gen. felbft ſich mit Verbis verbinde Auf alle 
Doffeffiva erflreckt fih folgende Bemerkung: Mit Subſtantiven ver⸗ 
- bindet unfere Sprache (gleich der Iatein.) von frühfter Zeit an nicht 
den Gen. des perfönlichen Pronomens, fondern überall das adjecti- 
viſche Poffeffivoum Die mittelbochdeutfchen Dichter pflegen 
unflectierte Adjectiva den Subftantiven nachzufeßen; Das gilt auch 
von den Pofleffiven. Heute iſt dieſe Nachſetzung unftatthaft ($. 177.), 
oder würde felbft in Liedern affeetiert alterthümlich klingen. Uhland 
bevient ſich der Nachſetzung nicht felten, was im Vocativ der An- 
rede noch am beften geht. . 

Willkommen, Lieber Golpfchmied mein! U. d. Goldſch. Töchter⸗ 
lein. Steh auf, du Schwefter mein! U. Kl. Roland. Biel 
Danf, du Schäfer mein! U. d. Schäfer. 

Anm. In Bater unfer ift unfer kein Gen., ſondern alterthümliche 

Nachſetzung des Poſſeſſivs. 

$. 161. - 


Was die neuhochdeutfche Lage der beiden Poſſeſſivpronomina ber 
dritten Perfon fein und ihr betrifft, fo merke man: 

1) Das Poffeffio fein: behält den Umfang bei, der ihm in ber 
‚alts und mittelhochbeutfchen Periobe angewiefen war, d. h. 
es bezieht fich nur auf ein männliches oder .neutrales Subject 
im Singular. | 

3 Der mittelbochdentfche Gen. ir lautet ihrer (wie aus ben 
Gen. min, din, sin, meiner, beiner, feiner geivorden) und dauert 
in Berbalconftruetionen fort: Er nimmt fih ihrer (ejus) an, 
oder neben Adjectiven: Ihrer aller (eorum omnium) Wol- 
fart u. dgl. wie unfer aller (3.8. Gott iſt unfer aller 
Sonne. 3. 125.). Ber Subftant. gilt überall das flectierbare 


oſſeſſiv. 

3) Neben ſein wird (nach Wolframs mittelh. Weiſe) auf ent⸗ 
ferntere Subjecte der Gen. des Demonſtrativums, jedoch nicht 
in der Artikelform, ſondern in der des Relativs, bezogen da, 
wo ſonſt Zweidentigkeit oder Unſinn erwachſen könnte: Mir 
begegnete ber Gärtner mit feinem Bruder und deſſen Frau. 
Iſt aber nur Bezug auf ein drittes Subj., fo Hingt deſſen 





— 71 — 


ſteif und wird ſein vorgezogen: Der Mann und ſeine (nicht 
deſſen) Frau; wol ſteht bei vornehmen Perſonen: Der König 
und deſſen Gemahlin. 

4) Wie zwiſchen fein und deſſen darf num auch zwiſchen ihr 

“ und deren unterfchieden werden: "Die Gräfin, ihre Verwal⸗ 

terin und beren Tochter; die Fürften, ibre Unterthanen und 

beren Abgaben. Dagegen heißt es: Der Graf, feine Ber- 

walterin und ihre Tochter, bei ganz gleicher Entfernung bes 
Subjects, weil hier das erfte ihr megfällt. 

As meine Hunde, wuthentbramnt, an feinen Bauch mit grimm’- 

- gen Biffen fih warfen. S. K. m. d. Dracden. Kennſt du das Haus? 

Auf Säulen ruht fein Dach. G. Mignon. Ihre Neigung zu 

dem werthen Manne ift ihren andern Leivenfchaften gleich. ©, 

T. 8, 3. — Die Leinwand iſt für Geld nicht zu Haben, wenn 

man ihrer bedarf. G. Hd. 1, 24. — Ich ehre jeden Mann und 

fein Verdienſt. G. T. 1, 1. Seine Leichtigkeit, faft in allen 
lebenden Sprachen Eorrefpondenz zu führen, gab feinem Bater 
und Deffen Handelsfreund inımer mehr Hoffuung. G. Lj. 2, 3. 

— Der Minifter nahm den Hauptmann und beffen Komödien— 

zettel des abendlichen Spiels gütig auf. %. 38. Wir bewunber- 

ten die Ankunft der Faiferlichen Commiffarien und deren Auf- 
fahrt. ©. Leben 5. 

Anm. Die Volksſprache gibt dem Poſſeſſiv fein zuweilen im reflertven 
Hall feine alte organtiche Ausdehnung auf jedes Genus und jeven Nu- 
merus; felbft in einzelnen Sprichwörtern der Schriftſprache fißen bier- 
von noch Spuren fell: Sein Thor kennt jeve Kuh; Untreue ſchlägt 
feinen eignen Herrn. — Hierher mag auch gezogen werden ein Del 
fpiel, worin fein flatt mein in reflerivem Sinn auf die erfie Per- 
fon geht: Wenn ich auf Syläge mas gegeben hätte, wäre fein Tag 
nichts aus mir geworden. ©. E. 3. 


$. 162, 


Noch mögen einige allgemeine Bemerkungen über das perfönliche 
und pofjeffive Pronomen hier Plab finden. \ 

1) Unter dem Volke hört. man noch häufig das in ber Schrift- 
fpradde von den Grammatifern geächtete, Feineswegs aber noch 
von den Schriftftellern felbft überall vermiedene, ja 3. B. von 
Sean Pant geliebte: Des Baters fein Buch, der Mutter ihr 
Kleid; — dem Bater fein Buch; in der Mutter ihrem Bett. 

2) We perfönlichen Pronomina Fönnen durch den Zuſatz von 
ſelbſt (und felber) verftärft werden, nicht aber die Poffefli- 
ven; Sch, du, er; meiner, mir felbft. 2 

3) Den Poſſeſſiven fügt man zur Berftärkung das Adjectiv eigen 

‚ bei: Dein eignes Haus. Ä 
- 4) Heute pflegen wir nach Verbis, zumal Imperativen, ben Da- 
tio bes Pronomens beider Perfonen, jedoch vorzüglich der er- 

‚ . ften, nicht felten einzufchalten, ohne daß ihm überall eine be- 
ſtimmte Beziehung zukomme: es iſt dadurch auf eine ganz un- 


— 72 — 


beſtimmte Weiſe eine Theilnahme des Sprechenden oder Ange⸗ 
ſprochenen angedeutet. 
Sch mach' mir an des Illo feinem Stuhl zu thun. S. P. 4, 5. 
Ihr artet mehr nach eures Vaters Geiſt, als nah der Mut- 
ter ihrem. ©. T. 3, 2. Iſt doch feine Menagerie fo bunt, 


als meiner Lili ihre. ©. Lili's Park. Aus der Kindheit 


bleiben unferm Herzen oft Tage unvergänglich, bie jebes andere 
vergeffen hätte; fo ging diefer nie aus Albano's feinem. J. 
12. Dieſe Gefchichte blies viele Lampen an Falterle's Ehren- 
pforte ans und an Wehmeier’s feiner an. J. 16. Zugedeckt 


durch den Fußboden der alten Welt, welder, der römiſchen 


Paulkirche ihrem gleih, aus Marmortrümmern voll abge- 
brochener Infchriften befteht. 3. 17. — Du felber. folft ung 
fagen, was du vorhaſt. ©. T. 3, 15. Selber geb’ ich, und 
will mein Schicfal felber erfahren. G. Hd. 6, 277. Ich bin 


verföhnt, ich bin wieder bei mir felber. ©. %.4,20.— Di - 


beißt bein eigen Herz ihm freundlich und vertraulich zu begeg- 

nen. G. % 1, 2. Diefe ihre eignen Gedanken beweiſen. 

8, 2,6. Meiner eignen Bruft geheime tiefe Wunder öffnen 

ſich. G. F. 1, 170. — Das laßt mir einen rechten Advocaten 

fen! 8%. Mfg. 2, 6. Mußt dich nur recht erbärmlich ftellen, 's 

find dir gar lockere, Teichte Gefellen. S. L. 1. Es find end 

gar troßige Kameraden. ©.-2. 1.. In der blut'gen Schlacht bei 
Lützen ritt er euch unter des Feuers Bliden auf und nieder mit 
fühlem Blut. S.% 6. Was noch durchbrach, ſchlugen euch 
auf der Flucht die Bauerweiber mit Hacken und Miſtgabeln todt. 

G. E. 1. Verweine mir beine ſchönen Augen nicht. G. Lj. 1, 

12. Wo mir Amalie wagt, mein armes Kind zu verſpotten! 

V. 2, 415. Aber du ſchläfſt mir, Dirne, bei duftenden Blu— 

men im Zimmer!.B. 2, 576. Dann mir gelacht aus bem Her: 

zen, wie Landvolk! Dann mir geplaubert! V. 2, 431. 

Anm. In den unter 4 angegebnen Formen gefällt ri befonbers Voß, 
in den unter 1 mit dem Gen. beſonders J. Paul. Die letztern machen 
die Rede, wie mir's ſcheint, geründeter; vie erſtern bringen mehr Le⸗ 
ben und Theilnahme in dieſelbe. 


Diertes Capitel. - 


Die übrigen Pronomina. 
1) Artikel. 
6. 163. . 

‚ Näachft dem perfönlichen Pronomen zieht das demonſtra—⸗ 
tive die Aufmerffamfeit auf fi, vor allen der fogenannte Artikel. 
Der Artifel, in feinem Urfprung, iſt nichts als ein demon⸗ 
ſtratives Pronomen, und nur allmälich zu einer faft beveutungslofen 
grammatifchen Form berabgefunfen. Gleich dem perfönlichen Pro- 
nomen beim Verbum fteht er anfangs beim Nomen, in befonberen 


Tr ———— — mn en - 
⸗ 





— 73 — 


Fällen, als herzugerufner ſeltner Geleiter nachdruckſam; ſonſt iſt er 
meiftentheils eine ungelenke Form, ein Bild ſchmuckloſer Gründlich⸗ 
keit. Man kann nie ſagen, daß ber Artikel die Nominalflexion ver⸗ 
. trete; die Kraft, verlorne Caſus zu erſetzen, beruht in Präpofitionen. 
Aber der Artikel, indem er die dem übrigen Nomen ganz oder meift 
erloſchene Flexion an fich ſelbſt fefthält (wiewol auch dies nicht 
nothwendig gefchieht), erleichtert und regelt dieſen Erſatz. 
Anm. Die geihwächte Flerion des Nomens hat ven Artikel nicht zuerft 
herbeigeführt, wol aber fih an ihm geftügt, ihn feilgehalten und ver⸗ 
vieffäffigt . 151.). \ 


a) Formen des Artikels. 
$. : 164. 


Der Artifel tritt fowol dem Subftantiv hinzu als dem Adjectiv, 
ja er fann auch andere Pronomina näher beftimmen helfen. Ge— 
wöhnlich aber erhält er feine Stelle vor dieſen Wörtern, unmittel- 
bar, doch ohne Anlehnung, die nur in feltnen Fällen flat findet. 
Endlich verfieht auch die Carbinalzahl ein das Amt eines unbe- 
ffimmten Artikels. 

Das eben ift ner Fluch der böfen That, daß fie, fortzeugend, 

Böſes muß gebähren. S. P. 5, 1. Der brave Mann denft 

an fich felbft zuletzt; vertrau' auf Bott und rette Den Bedräng- 

ten. ©, TI: 1, 1. Ich drück' an meine Seele dich, ich fühle 
die deinige almäblig an mir fchlagen. S. Df. 1,2. Man 
fpricht vergebens viel, um zu verfagen: ber Andre Hört von 

Allem nur das Nein. ©. %. 1, 3. Es bildet ein Talent fi 

in ber Stille, fih ein Charakter in dem Strom der Zeit. ©. 

T. 1, 2. 

$. 169. " 

Im Mittelhochdeutfchen wird, metrifcher Gründe wegen, oft das 
anlautende D bes Artifeld mweggeworfen und ber Vocal bes Arti- 
fels zugleich geſchwächt, daz geht über in dez und diz. Unſere 
- heutige Schriftfprache läßt zwar die präpofitionellen Anfehnungen 
im, am, vom, zum, beim, unterm, überm, binterm gelten, . 
ſtraubt fi aber (befonders wenn man nur die Regeln mandyer 
Grammatifer Hört) gegen vorm, aufm, aufm u. a., obgleich 
fie ın Aller Munde find. Bon den weiblichen beſteht das ein- 
ige zur; bie pluralen find faft ſämmtlich verfchwunben. Inter 
den accuſativiſchen dauern fort: ans, ins, ums, fürs, aufs, 
durchs. Daß übrigens die Schriftfteller, und zwar die beffern, hier 
nicht fo efel find, als manche Grammatifer, mögen nachfolgende 

zahlreihe Beiſpiele darthun. 

Unſere ſchöne Ordnung liegt mit dem Nähzeuge unter'm Nacht— 

tiſche. L. Fg. 2, 1. Nachher die erſten Tage ſahen wir ihn 

unter'n Palmen auf und nieder wandeln. U RN. 1, 1.- Zwar 
bin ich feit geraumer Zeit ein wenig über'n Fuß mit ihm ge-- 


x 


s 


— 71 — 


fpannt. 2. N. 2, 2. Wider Willen Täuft’s ihm eiskalt über’n 
Rücken. W. 1, 16. Bor’m Sonnenftraßl geborgen. W. 4, 19. 
Alſo kamen fie weiter zum Nllerheiligften Gottes. K. M. 1, 
329. Heiß ift der Kampf um’s Kleinod. K. an d. Dichter m. 
Zeit. — Der Weislingen, der dem Götz auf’n Dienft lauert, 
ift oben auf'm Schloß beim Herm Grafen. © ©. 1. Daf 
ich ihnen über’n Kopf kommen werde, G. ©. 4. Paff! Schof 
ihn einer vor'n Kopf. G. ©. 5. Es dreht mir alles vor’m 
Geſicht. G. G. 5. Wir wollen ihre Geduld fürsn Narren hal⸗ 
tn. G. ©, 3. Komm ber, wenn du's Herz haft. ©. ©. 1. 
Und der wilde Knabe brach's Röslein auf der Heiden. G. Hei- 
benröslein. Sie ziehen mir vor's Schloß G. ©. 3. Sie hat- 
ten ben Hut üher'm Ohr. ©. E. 4. Du birgt ihn nicht 
vor’m Bli der Immerwachen. ©. %. 3, 1. Mir läuft em 
Schauer über’n ganzen Leib. ©. 5. 1, 142. Ihm wird es 
unter'n Händen weich. G. F. 2, 53. Mit dem Bündelcen 
aufm Rüden. ©. Wi. 1, 8. — Diefe Landfchmaruzer, die bie 
Füße beftändig unter'm Tiſch des Kaiſers haben. ©. 9. 1, 2. 
Die Menfchen verftehen fih auf’s Flicken una auf’s Stüdeln. 
S. P. 1, 2. Sie treibt der Eifer nicht für's Vaterland, ©. 
P. 1, 2. Ueber'm Herrfcher vergißt er nur den Diener. ©. 
9. 1, 4. „So haben wir den Anlaß zu einem Bündniß wi. 
der’n Hof. ©. P. 3, 1. Euer Eidam bat ihn-über’n See 
geflüchtet. S. TI. 1, 4. Die Städte, die unter'n Schirm bes 
‚ Adlers fih geflüdtet. S. TI. 2, 1. oo 

Anm. 1. Die Zahl diefer Beifpiele Tieße ſich noch fehr vermehren; mit 
im, am, vom, ans, ins, zur wurden Beifpiele, weil fie zu zahl« 
reich find, abfichtlich weggelaflen. Auch bei Uhland finven fi Dine 


term, unterm u. a. Falſcher Anftand Hat uns viefer behilflichen 


Kürzungen meiftentheild beraubt, und droht uns deren immer noch mehr 
zu berauben. 
Anm. 2. Verſchieden von den accufativifchen ans, ins, aufs (mitteln. 


anz, inz, üfz) find die genitivifchen ans, ins, aufs (mitteld. ans, - 


ins, U) = an, in, auf, des, 3. Bd. ins Meiftere Namen. 


b) Gebraud des Artifels. 
$. 166. 


Sprachen, die den Artikel nicht Fennen, legen dem Nomen noch 
. überall einen individuellen Sinn bei, der Feiner Hervorhebung be- 
darf. Wenn die durch den Artikel hervorgehobne Bezeichnung ein- 
zelner Nomina fortfchreitet und ſich fo fehr häuft, daß fie Regel 
wird, fo treten die unbezeichnet gelaflenen nur in eine allgemeine 
Bedeutung; auf ber andern Seite verliert bie eigentliche Demon» 
firation an Kraft. Der Artikel Hält zwifchen beiden die Mitte, 
Anm. In der goth. und griech. Sprache empfangen die Nomina durch 
ven Artikel ihre Beſtimmtheit, vd. h. fie rüden der Anfıhauung des 
Hörenvden oder Redenden näher, während die davon unbegleiteten ferner 
ſtehn bleiben und allgemeinere Oeitung haben. Bei feiner erfien Nen- 
nung pflegt das Wort noch ohne Artikel, hernach aber als eingeführt 


3 — 


und befannt mit ihm aufzutreten. — Im Lauf der Zeit entwidelte ſich 
noch der unbeftimmte Artikel, fo daß wir jegt ein dreifaches 
Berpältniß haben: Nomina ohne Artikel, mit dem beftimmten und mit 
dem unbeftimmten Artikel. 





$. 167. 


Setzung und Auslaffung des Nrtifels im Neubochdeutfchen mö- 
gen nachfolgende Bemerkungen erörtern. — Das Wort Gott be- 
banptet ſich ohne Artikel, auch im nachgejegten Genitiv. Auch beißt 
es noh Gott Vater neben Gott der Sohn, wiewol mitun- 
ter auch Bott der Vater gehört wird, Allgemein flieht Gott 
der Herr, und nur im Vocativ Herr Gott! Steht noch ein 
Adjectiv vor dem Worte Gott, fo kann, den Vocativ ausgenom- 
men, ber Artikel nicht entbehrt werben. — Perfonificationen 
ern fih des Artikels, befonders im Romanzen- und Mär- 

enton, - 

Alſo kamen fie weiter zum Allerheiligften Gottes... Licht- 

helles Glänzen wacht inwendig um Gottes Geheimniß. 8. M. 

1, 329. ann denk' ich es ganz, daß du ewig mich fchufft, 

Herr, Herr Gott! K. d. Unendlihen. — Knabe ſprach: id 

breche did, Nöslein anf der Heiden! Röslein fpradh: ich ſteche 

bich, daß bu ewig denkſt au mid. ©. Heidenröslein. 


$. 169. . 


Eigennamen der Perſonen fiehn im af. rectus gewöhnlich 
ohne Artikel; doch der vertrauliche Ton des Umgangs, fo. wie über- 
haupt die fih Außernde Theilnahme fügt ihn oft Hinzu. Im obli- 
quen Lafus‘ enträth feiner die Schriftiprache häufig nicht. Zwar im 
Gen. heißt es: Goethes Werke, auch wol im Acc. deutſcher Na- 
men: Jh Iefe Schilfern, Goethen, aber ım Acc. fremder, 
wie im Dativ aller Namen ift dem Artikel kaum auszuweichen, 
weil die Flerion mangelt ober abgenugt ifl. — In der Anrede 
Herr und Frau laffen wir den Artikel weg. Steht der Eigen» 
namen im Plural, oder fteht ein Adfectio vor bemfelben, ober fteht 
endlich der Namen eines Schriftflellers fintt feiner Werke, fo kann 
der Artikel nicht entbehrt werden. — Fluß- und Bergnamen, 
fo wie die Namen der Meere, See’n, Wälder und (meiftens) . 
Monate haben ven Artikel, außer wenn mehrere hinter einanber 
ſtehn: Rhein und Main fließen bei Mainz zufammen. — Län- 
der, Derter und Städte meiden den Artikel, wenn fein Ab- 
Jeetio bei ihnen fleht, ausgenommen: Die Schweiz, die Tür 
ei u. a. a. 

Ein frommer Knecht war Fridolin. S. Gang n. d. Eiſenh. 
Zu Dionys dem Tyrannen ſchlich Möros, den Dolch im Ge- 
wande, S. Bürgſchaft. Ich mag’s und will's nicht glauben, daß 
mih der Mar verlaffen kann. S. T. 3, 18. Der Tell ge 
fangen abgeführt nach Küßnacht. S. TI. 4, 1. So kommt ber 
Carl nah Haus, ©. d. glüdl, Gatten. — Den Terzky trefft 


— 76 — 


ihr bier, den Tiefenbach. S. P. 1,1. Barmherzigkeit, Herr 
Landvogt! ©. TI. 4, 3. Ein Anſchlag auf Die Doria muß 
den Grafen in Achen halten. ©. F. 1, 3. Der getreuher— 
ige Berlichingen gab unerhört nach, wie er immer thut, wenn 
er im Bortheil. ifl. ©. ©. 1. — Seh’ ih die Reuß? Sie floß 
bei meiner That. ©. TI. 5, 2: So immer fteigend fommt Ihr 
auf die Höhen Des Gotthardto. ©. U. 5, 2. Wir haben 
jest Aprıl! Mai — Junius. — im Julius, ganz recht, 
und fpäteftens zu Anfang des Augufts find Sie in Brüffel. 
S. Df 2, 5 — Franken, Schwaben, der Oberrhein 
und die angränzenden Kinder werben von übermüthigen und küh— 
nen Rittern verheeret. ©. In fohnellen Lauf durchzog ich 
Frankreich, pas jensiefene Italien mit heißemn Wunſche 
ſuchend. S. St. 
$. 169. 


Titelhafte Appellativa vor Eigennamen, in ber Rede 
einmal eingeführt, entbehren den. Artifel: Raifer Heinrich, Mei- 
fter Walther, Herr Dietrih, Vater Lebrecht, Bruder Auguflin; 
Frau Müller, Mutter Weber, Schwefter Agathe. Nicht aber 
Tießen fih Kind, Sohn, Tochter auf gleiche Weife ‚vorfeßen, 
weil dieſe Feine Würde ausdrücken. Senen Titeln ift eigen, daß 
fie im Gen. unverändert bleiben und die Flexion des Namens 
binreiht: Rönig Heinrichs Thaten. 

Wie Gottes Cherub vor dem Paradies, flieht Herzog Alba 

vor dem Thron. S. DE 1, 6. Wäre Freundin Therefe, 

was fe ii G. %. 8, 3, — Albrechts fürſtliche Ge⸗ 

mahlin, Graf —*X edle es gatte ſo — nicht eben 

fp empfangen werben follen! ©. P. 2 

Anm Auch Bater und Mutter Aehn, ſondere im vertraulichen 
Ton, und zwar mehr bei en „ern Artikel: Müktergen 
bringt ung ein Gläschen. G. Hd. 1 


$. 170. 


Allgemeine Begriffe, wie fie z. B. in Sprichwörtern häu⸗ 
fig niedergelegt find, überheben fich bes Ffrtifets, zumal Abftvacta, 
wie Freude, Liebe, Tugend, Glück, Freundſchaft u. a. — 
Auch bei fein und werben mangelt ber Artikel, wenn Fein per- 
fönliches Subftantiv präbiciert wird: Es ift Tag, wird Win- 
ter. — Da der Plur. eine Vielheit bezeichnet, minder individuell 
als der Sing. ifl, fo darf er oft den Artikel weglaffen, wo in ber 
Sing. nothwendig feßt: Der Storch niſtet auf dem Dad, 
Störche niften auf Dächern; ih will einen Brief ſchreiben 
und einen Boten fenden, ih will Briefe fohreiben und Bo— 
ten jenden. — Hiermit bewährt fih, daß einzelne Subſt. zwar 
ben Artifel begehren, zwei neben einander flehende ihn aber auf- 
geben Fönnen: Leib und Seele halten zufammen. Das allein 
ftebende Subſt. ſtützt fih gu ben Artikel, beive verknüpfte gewähren . 


F 


— 77 — 
fi einander Halt, und noch feſteren, ſobald Alliteration und Reim 
einwirken: Wind und Wetter, Stein und Bein. Hieran 
ſchließt ſich die Auslaſſung des Artikels, wenn mehrere Dinge 
ſchnell hinter einander hergezählt werden. 
Gehorſam iſt des Chriſten Schmuck. S. K. m. d. Drachen. — 
Tag wird es auf die dickſte Nacht. S. Ivo. 3, 2. Geben iſt 
Sade bes Reihen. &. Hd. 1, 15. — Wie Seel’ und Leib 
fo ſchön zufammen paflen. G. F. 2, 106. Alles hat feine Zeit:- 
. Winter und Sommer, Herbft und Frühling, Jugend 
und Alter, Wirfen und Ruhe. 9. 1, 4 Ordnung lehrt 
Euch Zeit gewinnen. ©. F. 1, 95. Und Roß und Reiter 
fah ich niemals wieder. ©. T. 2, 3. In feinem Auntlitz war 
Hoheit, Seelenruh’ und Ernſt und Erbarmung, als er 
vor Gott fland. K. M. 1, 138. 


$. 171. 


Ein Nomen, von welhem zuerft geredet wird, bat 

feinen oder den unbeftimmten Artifel, während der Wieder- 
holung der beftimmte zufagt. — Berwandt ſcheint damit der 
. nft eintretende beftimmte Artifel bei Subft. in den Caſ. obliq. 
des Plur., wo der Sing. den unbeftlimmten bat. — Der un 
- beftimmte Artikel ($. 182.) lebt überhaupt zur Bezeichnung eines 
unbeftimmten Einzelweſens und bei Eigennamen, wenn 
fie als Battungsnamen gebraudht werden und in fo fern ein 
- anbeftimmtes Einzelweſen bezeichnet werben foll. - 
Es war ein König in Thule gar treu bis an fein Grab, bem 
fterbend feine Buhle einen gulpnen Becher gab ... Und als er 
fam zu fterben, zählt’ er feine Stäpt’ im Reich, gönnt’ Alles fei- 
nen Erben, den Becher nicht zugleih. G. König in Thule. — 
Ein edler Mana wirb dur ein gutes Wort der Frauen weit 
geführt. ©. 3. 1, 2. — Ein Winkelried war's, ber dem 
Drachen ſchlug. S. Tl. 2, 2. 


$. 172, 


Oblique Caſus ſtehn ohne Artikel: . 

1). Der Genitiv bei Nachſetzung: Mann Gottes, Marl 
Goldes c(chier jedoch gewöhnlich mit -aufgehobnem Gen. ein 
Faß Eſſig); auch in dem abverbialen Ausdruck Zeit Lebens. 
— Vorſtehend unzähligemal: Gottes Güte, Königs 
Wort, und in allen Fällen, wo fih uneigentliche Compo- 
fition bildet: Mit Gemſenfreche. (Goethe 3, 88.). Diefer 
Gen. kann auch in die Mitte genommen werben: Die Könige- 
hurg.- Däufig geleitet den vor⸗ oder nachgeſetzten Gen. 
‚der Artitel: Des Vaters Freude, bie Freude des Vaters, 

2) Den Acc. ohne Artikel haben mehrere Berba bei fi: 
Schatten werfen, Frucht bringen u. a. Einige ftehn 
bloß im Pur. fo: Trauben Iefen, Beeren pflüden u. a., 


‘N 





west der Sing. auf etwas zu Einzelnes und Beflimmtes geht. 


Zwei Sing. können eher. des Artikels entbehren: Beere und - 


Traube brechen. Alſo famen fie weiter zum Allerheilig- 
ſten Gottes. K. M. 1, 329. Sch brachte die Flaſchen 
Weines ımd Biers hervor. G. Hd. 2, 78. Da rief ich 


flehend Gottes Mutter an. ©. Yon. 1, 10. Geberden- 


ſpaͤher und Gefchichtenträger haben bes Uebels mehr auf diefer 
Melt gethan, als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht 
fonnten. S. Dk. 1, 1. — Nicht ohne Schaubern greift des 
Menfhen Hand in des Geſchicks geheimnißoolle Urne. 
©. T. 1,4 Ernſt ift der Anblid der Nothwendig— 
feit. ©. T. 1, 4. — Da ein uralter Baum dem Hirten und 
ber Hirtin Schatten gab. ©. T. 2, 1. | 

Anm. Sn Desiehung auf den Artikel bei 1. find für beide Subft._fie- 
ben Fälle denkbar: 1) Baum Waldes; 2) Waldes Baum; 3) Baum 
des Waldes; 4) der Baum Waldes; 5) der Waldes Ban; 6) bes 
Waldes Baum; 7) ver Baum des Waldes, unter denen nur 2, 3, 6, 
7 zuläffig find. Der feinere Gebrauch hat jedesmal zu mählen unter 
biefen vier Formen, leiſe Unterſchiede hängen daran, weshalb ſich auch 
nicht wol feſte Regeln darüber aufſtellen laſſen. Goethes Worte: 
„Die athmet rings Gefühl ver Stille“ (F. 1, 139) würden ſchon ges 
ſchwächt, wollte man ſagen: „das Gefühl der Stille’ und noch mehr 
dur „der Stille Gefühl”. Die Algemeinheit „Gefühl“ will ven Ar- 
tifel nicht, die Beftimmtpeit „der Stille’ will ihn; das Allgemeine aber 
gebt voraus und wird dann auf das Defondere angewandt. Eine uns 
eigentliche Compoſition „Stillegefühl“ wäre ganz unerträglich, die ge= 
Tingere Dichter ficher gewählt hätten, . 


$. 173. 


- Bei präpoſitionalen Formen fehlt der Artikel‘ fehr oft: 
Ueber Land, zu Waffer, vor Liebe, in Furcht; noch öfter wenn 
zwei Subft. verbunden ſtehn: Auf Tod und Leben. Die meiften 
und geläufigften Formeln, die man jedoch aus dem Gebrauch Fennen 
lernen muß, gelten, wie fchon im Mittelhochdeutfchen, für die Prä- 
pofition zu, befonders wenn dabei eine Abficht oder die Weife 
“einer Bewegung angegeben if. — Unfer zurüd und über- 
haupt haben ganz die Enge ber Partikel, man fühlt nicht mehr die 
anfänglichen Formen: zu Rüde, über Haupt. 

Zorn festen die alten Rünftler auf Ernft herab. . L. 2. Es 
- war dem Weltfchöpfer nicht genug, daß die Erde in Licht und 

Schatten, daß das menfchliche Leben in Tag und Nacht ver- 

theift würde. H. 1, 4. Dean ift gewohnt, die Nationen der. Erbe 

Erde in Jäger», Fiſcher-, Hirten- und Aderleute abzu- 

tbeilen. 9. 8, 3. Ein Maun zu Fuß, ein Mann zu Pferd. 

W. 2, 3. Zu jagen über Stod und Stein, durch Wald 

und Buſch und über Zaun und Graben. W. 2, 29. Der 

König Karl faß einft zw Tifch. Uhl. Rol. Schildträger. Krieg 

ft zwifchen Tift und Argwohn; nur zwifchen Glauben 

und Vertrau'n ift Friede. S. T. 3, 18. D wär’ ich nimmer 


über Meer bierher geihifft! S. Ivo. 2, 6. Die Chriftenheit 
trauert in Sad und Aſche. ©. % 8. Ach gehe über Land 
und bleibe bei esnem Haufen Bolfes fieben. G. €. 1. Wir ſtrit⸗ 
ten lange hinüber heruber. Mann für Mann, Pferd gegen 
Pferd, Haufe mit Haufe ©. €. 1. Er ment, daß em 
tüchtiger General bald mit Volk und Adel, Bürgern und 
Bauern: fertig werden fünne. ©. E. 3. Die Kinder fpranigen 
von Fels zu Fels, über Stod und Stein. G. Bi. 1,3. 


$. 174. 


Die Zahl ver befondern Begriffe, die ven Artikel faft über- 
‚ all verlangen, bat fih, gegen- das Mittelhochdeutſche gehalten, 
gemehrt, weil Deutlichkeit und Mare Verſtändlichkeit vielfach an die 
Stelle der frühern mehr phantafiereichen Freiheit getreten. Der 
CanzleiftyI und das Lied wagen noch mande fonft nicht ge- 
ftattete Weglaſſung: Kläger brachte vor, Knabe fprach, ich breche 
dich (Goethe, Heidenröslein); Suppe kocht und fievet ein, Bra- 
ten will verbrennen. (G. Offene Tafel.) — Die alt- und mittel- 
hochventfhe Wiederholung des Ironomens zeigt fih noch im. 
ungezwungner Proſa hin und wieder, in der Poeſie und befon- 
ders im Volkslied ift fie häufiger: Das Rad das ift gebro- 
hen; das Heer es fommt gezogen (Goethe 1, 129.). Die Rede 
gewinnt dadurch Ruhe und Nachdruck. 
Der liebe Gott, der weiß, wie ſauer mir der Antrag ward. 
N. 4,1. Der Reitknecht der bin ih. UN. 4,7. Und 
du willſt des Meſſias Leib, den wilft du erwürgen? K. M. 
2, 682. Die Ratte, die rafchle fo Tange fie mag! ©. Hoch⸗ 


= zeitlied. Der Saus und Braus, macht denn der ben Solba- 


ten aus? S. L. 6. — Das wilde Heer es fommt. ©. F. 
2, 54. Die Hulden fie fommen von burfliger Jagd. G. d. 
getr. Earl. Das Wunder es dauert zum morgenden Tag. 
G. daſ. Der Kirchhof er liegt wie am Tage. ©. Todten- 
tanz. Diefe Seftalten, ich formte fie felbfl. ©. röm. Eleg. 
13. Die Tugend, fie iſt fein Ieerer Schal. ©. Worte d, 
Glaub. Diefes Blatt, ih leg's in ame Hände. ©. St, 
5, 14. Das einzige mittelländsfche Meer, wie fehr ift es die 
Beftimmerin des ganzen Europa worden! H. 1, 6. — inter des 
Friedländers Rriegspanieren, da bin ich gewiß zu victorifiren. 
S. L. 6. Im Ganım, da fiht bie Macht. ©. 2. 11. 


$. 175. . 
-Bei zwei fi verfnüpfenden Subftantiven kommen fol- 


\ - 


gende Fälle vor; 1) beide ohne Artifel: Land und Leute, Fürften 


und Völker; 2) beide mit dem Artikel: Der König und die Köni—⸗ 
gin; 3) das erfte mit dem Artikel, das zweite ohne benfelben: Der 
Herr und Vater, die Riefen. und Zwerge; 4) das erfle ohne Arti- 
el, das zweite mit demfelben bürfte kaum vorkommen, etwa nur in: 


‘ 








— 80 — 


Gott iſt der Schöpfer Himmels und der Erde, was man zuweilen 
hört. (Doch vgl. unten ©. F. 1, 204.) Hierher dürfte man auch 
- die bereits (6. 170.) angeführte Aufzählung' rechnen. | 
Es Sollte Meer und Land nicht Einem dienen. ©. X. 1, 5. 
— Dem Herrn gehört das Wild und das Gefieder. ©. 
1.3, 3. Ich bat die Himmlifchen, ven Muth und Arm, das 
Glück des großen Königes mir zu verleifn. G. %. 5, 3. Der 
- Griehe wendet oft fein Yüftern Auge den fernen Schäben ber 
Barbaren zu, dem golpnen Felle, Pferden‘, ſchönen Töchtern. 
G. J. 5, 3. — Kauz und Kibitz und der Häher, find fie alle 
wach geblieben? ©. F. 1, 204. — Mit großen Berfprechen wer- 
ben Väter, Kinder, Verwandte, Freunde, Dienfiboten eingele- 
dm, ©. €, 4. 
- 6. 176. j 
Sind Adjectiva und Subflantiva verbunden, fo 
fann der Artikel fehlen ober. ftehn (erfteres jedoch ſeltner, befon- 
berg im Vocativ), der beflimmte oder unbeflimmte eintreten, oder 
auch das Adjectiv mit dem Artifel dem mit dem Artikel verfehnen 
Subftantiv nachfolgen: blinder Mann, ein blinder Mann, der blinde 
Mann, der Mann der Blinde. | 


. Blinder, alter Bater! du Fannft den Tag ber Freiheit nicht 


mehr ſchauen, du ſollſt ihn hören. S. TI. 1, 4. Frommer Stab! 


hätt’ ich nimmer mit dem Schwerte dich vertauſcht! S. Jon. 4,1. 


Jung Roland nahm in großer Haft das Schwert in beide Hände. 
Uhl. Rol. Schildträger. Heraus in eure Schatten, rege Wipfel 
bes alten, heil'gen, bihtbelaubten Haines, tee’ ich 
noch jebt mit fchauderndem Gefühl. G. J. 1, 1. Ein frommer 
Knecht war Fridolin. S. Bang n. d. Eiſenh. — Den Feld» 


herrn hatten wir noch nicht gejehn, den allvermögenden, in | 


jenem Lager. ©. P. 1, 3. Heut haft du den Bater bir, ben 
glücklichen, verpflichtet. ©. P. 2, 4. " 


$. 177. ° 


- Die Poſſeſſiva werden ohne Artikel vorgefegt, weder nadı- 
gefest nad articuliert; doch finden ſich in manchen dem Al- 
tertbum nachahmenden Liedern Ausnahmen, befonders bei Uhland. 

Roland gedacht’ im Herzen fein. Uhl. Rol. Schildträger. Jung⸗ 

frau dort, im bimmlifchen Schein, nimm auf meine Seel’ in die 


Hände dein. Uhl. d. Knaben Tod, Da fteh’ ich, ach! mit der 


Liebe mein. Uhl. Abſchied. 


2) Eigentlide Demonſtrativa. 
$. 178. 


Es Taffen ſich Drei Demonftrativnorftellungen fondern : die bloß 
anzeigende, welde das hier und dort unentfchieden laͤßt, und 
zwei andere, bie Richtung nach der Nähe oder Ferne fchär- 


— 


Cd 


— 81 — 


fer ausſprechende: ber. (da), dieſer (Hier), jener (dort). Die- 
fer und jener machen den Gegenſatz, der hält neutral die Mitte 
zwifchen beiden. | 
Der Ca) iſt's, das ft er! Der rettete die Königin! S. St. 
‚4, 11. Dies war fein offnes, fprechendes Auge; dies feine 
ernfte, vebliche Miene; dies fein edler Anftand. L. Ph. 3. Seht, 
‚bier flieht der Jungling, dem wir die Gaben verbanfen, dieſe 
- Hülle des Kinds, und jene willlommene Speife. ©. Hd. 7, 157. 


$. 179. 


Aus dem Demonftratiopronomen der, Die, das erzeugte ſich 
der Artifel ($. 163.); in nicht wenigen Fällen bleibt die Grenze 
zwifchen beiden zweifelhaft, in andern berühren und vertreten fich 
bie demonftrativen und perfönlichen Pronomina. Wo wir heute Ins ' 


bend, klagend, ſcheltend, Subftantiven und Apjectiven das Demon- 


flratio beilegen: der Held! der Glückliche! die Elende! wird mit« 
telhochdeutſch das perfönlihe Pronomen (er, si) geſetzt. Da im 
ganz gleicher Rage die Pronomina erfler und zweiter Perfon 
ſtehn: ich Armer! du Elender! fo fiheint auch das Pronomen der 
dritten Perſon angemeflener als das Demonftratio, aber es ift neu 
hochdeutſch nicht gebräuchlich zu fagen: Er Glücklicher! Sie Elende! 
für die dritte Perfon. Die Formen finden fih nur in der höfiſchen 
Sprechart flatt der zweiten Perfon. ($. 155. 
D des Glüdlihen, dem es vergönnt iſt, Eine Luft mit Euch 
‚zu athmen. S. St: 1,6. D mid Vergeßlichen! L. N. 3, 2. 
Anm. Herder und Klopftod gebrauchen öfters das Demonflrativ, 
wo man, nach dem gewöhnlichen Gebrauch, den Artikel erwartet. Die- 
fer fagt 3. 3. in ver Gel. Republit 2. Morgen: In Bergleihung mit 
denen vielen wichtigen Sachen; viefer in Sp. 8. 5: Nur in denen 
Klimaten und Ständen fiedhet ver Menfh, wo ein entträftender Mü- 
Biggang die Körper lebendig begräbt. — In dem letzteren Beifpiel er- 
wartete man wol ein betontes den, wenn auch kein denen. 


S. 1%. 


Tritt Sonderung ber Begriffe ein, fo Fann fie verfchie- 

bentlih ausgedrückt werben: 

1) Duch Wiederholung des Demonftratios: der und ber; es 
find zwar verfhiedne Gegenflände, aber gleichartige 

‚ gemeint. 

2) Steht das zweite. Demonftratio (diefer) neben dem erften (der), 
fo wird dadurch das unmittelbar Nabe an ein eiwas Ablie- 

gendes ausgedrückt: Dies und das. 

3) Das dritte Demonſtrativ (jener) und das erſte (ber) verbun« 

den drüden ben Begriff des Fernen und Nähern aus: Der und 
jener, jener und der. 

4) Häufiger verbinden fich das britte (jener) und zweite (dieſer), 
ber Berne und Nähe als entſchiedner Gegenfab: Jener und 
diefer. 

Kehrein Grammatik. IL. 1. " 6 








— 32 — 


8) Oft verbinden ſich auch alle drei mit einander, das Naͤchſte, 


Nahe und Ferne zu bezeichnen: Ich meine biefen, ben und 
jenen. . 
Was die und die für fremde Mienen an fi nahm. L. d. Ere- ‘ 
mit. Bon Zeit zu Zeit fehlen ihm bald der, bald diefer, 
bafd der dritte würbiger des Ringe. UN. 3, 7. Wir find nicht 
- mehr beim erfien Glas; drum benfen wir gern an Dies und 
das, was rauſchet und mas branfet. Uhl. Trinklied. Gleich fing’ 
ich. am von diefen und von jenen nothwend’gen Dingen fonft. 
mi zu entwöhnen. G. Sonette 6. , 


3) Interrogatinpronomen, 
$. 181. 


Das Interrogativpronomen Tann als Subflantiv (wer, was) und 
als Adjeetiv (welcher, welche, welches, was für einer) ericheinen. 
Zenes bezeichnet das Sein auf eine ganze unbeſtimmte Weiſe, wel- 
her geht auf ein beftimmtes Individuum und was für einer 


‚ beutet auf die Oattung oder Art Hin. — Gleich dem Das ($. 146. 


147.) ſteht das fragende was für den Sing. und Plur. aller Ge- 
ſchlechter. Oft hat es noch den Gen. bei ih: Was machſt bu 
bier Gutes? Was Raths? obgleich man jenes Adi. (Gutes) 
auch für den Nom. gelten Iaffen fönnte, — Eigenheit der altſächſi⸗ 
fhen Sprade ift, das Neutrum des Interrogativums gern in ben 
Deginn des Satzes unmittelbar vor das perſönliche Pronomen zu 
fielen: huat ik iu seggean mag. Dahin gehören wol auch die neu- 
hochdeutſchen unter dem Volk fo oft gehörten Redensarten: Was 
man doch Alles hört! Was ich euch fagen wollte! 
Wer wagt es, Nittersmann oder Knapp, zu tauchen in dieſen 
Schlund? S. Taucher. Welcher (von den beiven Knaben) iſt's, 
den du am-meiften liebſt? S. TI. 3, 3. Was treibft du für 
Mummerei? ©. G. 1. Was für ein. Landsmann bift du, Jä—⸗ 
ger? S. 8. 11. Was, Muthwillige, treibt ihr des Unfugs? 
V. 3, 1, 299. Was werd’ ich noch Alles erleben müffen! ©. 
L. 5 Was der Junge doc fährt! ©. Ho. 1, 16. 


4) Unbeflimmte Pronomina. 
$. 182. 


Im Ganzen Bat das unbeflimmte ein ($. 171.) lebendigere Be- 
deitung als das beftimmte ber; beginnende Säbe ſchicken jenes 
voraus und laſſen dann erft diefes folgen. — Der Gen. bei dieſem 
unbeftimmten Pronomen finvet flatt: oo 

1) Mit nothwendiger Nachſetzung des ein in: Unſer, euer, ih- 
rer einer. Bei der Borftellung muß in Präppfitionen ‚aufges 
Töft werden: Emer von oder unter ung, euch, ihnen. u 

2) Vor- oder nachgefeht kann ein werben bei Subftantiven: Eis 
ner meiner Leute, meiner Leute einer. 


* 





— 83 — 

3) Die neuhochdeutſche Redensart: ein Leides thun, ober auch 
bloß Leides, Täßt ſich aus der älteren Sprache nicht nadı- 
weifen; man fönnte (wie $. 181.) ein neutrales Adjechiv im 
Acc. darunter verfiehn, doch fcheint die Form mehr ein Gen. 
zu fein, der von ein abhängt. 

Will Einer in ber Welt was erjagen, mag er. fi rühren -und 
mag ſich plagen. ©. 8. 11. Was wollen fie denn heraus ver- 
hören, wenn Einer unſchuldig iſt? ©. E. 4. Es'wollt' ein 

- Pilger hohen Dranges, er wollt’ zur fel’gen Gottesſtadt, zur Stadt 
des himmliſchen Gefanges, die ihm ein Geiſt verheißen bat. Uhl. 
d. Pilger. — Daß unter Einer die Yugen zublinzt. 2. J. 1, 1. 

ommt denn ohne unfer Einer irgend in einem Haufe eine 

Heirath zu Stande? (fagt Tifette) 2. Ig. 2, 10. Er that fi 

ein Leides. 8. Sch. 17. hut euch Liebes hinfort, hut, 

Kinderhen, nimmer euch Leides, bis euch ſcheide der Top! 
.2,6. ° . . 


$. 183. 


Die Orbinalzahl ander, die aber neuhochdeutfch weniger ein 
Drdnungszahlwort ift, als vielmehr eine Unterfheidung 
bes Einen von dem Andern bezeichnet, ift organiſcher Weife 

nur der flarfen Form fähig, nicht der ſchwachen, der Artikel mag 

vorausgehn oder nit. Ohne Artikel hat es bie Bedeutung bes 
latein. alius (ein anderer), mit dem Artifel die des latein. alter 
(der andere). Mittelhochdeutſch riß bei vorgeſetztem Artikel die 
ſchwache Form ein, neuhochdeutich gelten beide Flexionen. Cardi⸗ 
nalzahlen ftehn neuhochdeutſch vor dem ander: Zwei andere, 
Der Gen. wird zu diefem Pronomen gefügt von ber älteften Zeit 
bis heute: Ein anderer feiner Schüler. 

Einer will die Sonne, die den Andern befhmwert. ©. L. 11. 

Sie werden dir Einen um den Andern Iiflig ſtehlen. S. T. 1,3. 

Wo Eines Plab nimmt, muß das Andre rüden. ©. T. 2, 2, 

Einſt z0g nach diefem Schloffe ein edles Sängerpaar, der Ein’ 
in goldnen Locken, der Andre gras von Haar.. Uhl. d. Sängers 
Fluch. Mit fchwächeren Thieren der eine wünſchte langſam zu 

fahren, ein andrer emfig zu eilen. & Hd. 1, 131. 

Anm. Bon dem unbeftiimmten Bronomen man war bereits 6. 115 f. 
die Rede, — Die andern unbeflimmten Für» und Formwörter: Jon 
dbermann, fegliger, jemand, niemand; nichts, etwas; 
etwa, einfl, irgend, nirgend, fe, nie, immer, nimmer 

fommen fontaktifch wenig in Betracht, fie fallen ver Grammatik anheim. 


— 84 — 


SFünftes Capitel. 
| $lexriom — 
$. 184. —— 
Dem geſammten deutſchen Sprachſtamm iſt außer der ſtarken 
(ältern) Zlerion noch eine ſchwache (neuere) eigen. Beide Decli⸗ 


‚ uationsweifen beziehen ſich auf Subflantiva und Anjectiva, mit bem 


Unterfchied jedoch, daß einzelne Subft. jener oder biefer Form zu⸗ 
fallen, alle Adi. hingegen in der Regel beiver zugleich fähig er- 
ſcheinen. | 
Anm. Hieraus folgt, daß die fubftantivifche ſtarke over ſchwache Flexion 
für die Syntax beinahe glei iltig fei, bie abjectioifege aber durch in 
Abhängigkeit von Berhältniffen der Eonftruction eben bier erſt ihre 
rechte Bedeutung erlange. ’ 


$. 185. 


Die ftarfe Flexion erblicken wir, fo weit bie Gefchichte unfe- 
rer Sprache hinaufrüden kann, in fortfchreitender Auflöſung; nicht 
wenige Fälle geftatten e8 dem Nomen, ihr völlig zu entjagen. Die 
ſchwache hat ihre Kennzeichen hervorzuheben gewußt und erleidet 
fein Schwanfen, gleich einzelnen flarfen Formen. An ihre Stelle 
tritt nie Flexionsloſigkeit. 


- 
n 


1) „Weggeworfene ftarfe Slerion. 
§. 186. 


Hier wird nur die flarfe Declination ins Auge gefaßt, infofern 
ihre Erfcheinungen die baare, unflectierte Wortgeftalt dar- 
flellen. Unter Flerion wird bier jebwebe Vermehrung ver- 
ftanden, die das Nomen zum Ausorud feiner Genus- und Cafus- 
verhältniffe empfängt, ſowol das dem Caſ. rectus eigne Gefchlechts- 
fennzeichen, als die Zeichen der Obligquität (Abhängigkeit)... Jener 
Abwurf der Flerion hat, anfangs noch gering, in der Folge immer 
größere Fortſchritte gemacht. 


a) Subflantivcafus ohne Flerion. 
$. 1857. 


Alle gothiichen Neutra Iaffen den Nom. und Acc. Sing. um 
fleetiert; in den übrigen beutfhen Sprachen (mit Ausnahme ber 
Altnord.) ift diefer flerionslofe Nom. und Acc. Sing. für ſämmiliche 
ftarfe Subft. männlichen und ſächlichen Geſchlechts Regel geworben, 
und er hat gleichfalls flatt in der weiblichen Declination. 

Hab’ ih den Markt und die Straßen doch nie fo einfam ge- 
fehen! G. Hd. 1, 1. Vater, nicht gerne verfchenf’ ich die ab⸗ 
getragene Leinwand; denn fie iſt zu manchem Gebrauch und 





85 — 


für Geld nicht zu haben, wenn man ihrer bedarf. ©. baf. 23. 
jeglicher führet pas Schnupftuch und wiſcht fih den Schweiß 
ab, ©, daf. 41. 18. 


Die Titel wachfen vielfach mit den. Eigennamen gleichfam zu 
einem Begriff zufammen und dann wird im Gen. ($. 169.) erft 
das lebte Wort flectirt: König Heinrichs, wenn ber Artikel 
wegbleibt; ſteht er, fo pflegen wir, gegen die mittelhochbeutfche 
Weiſe, das Appellativ zu flectieren, den Eigennamen nit: Des 
Königs Artus (mittelh. des künec Artüses). Folgt auf den 
.. Eigennamen eine Präpofition mit Ortsnamen, fo wird jener flectiert: 

Die Lieder Walthers von der Vogelweide, und nur da, wo beim 
neuen Briefadel die Präpofition finnlos geſetzt wird, tritt das 
genitisifche 8 hinten nach: Friedrih von Schillers Werke. Aechn- 
lich verhält es fih bei Seßung von Ländernamen: Des Königs 
von Dänemark Sammlung, Bon mehrern Eigennamen (Bor - oder 
Zunamen) wird bloß ber letzte flectiert: Johann Heinrichs, Ja- 
cob Grimms. | 
Aum. Die Declination der Eigennamen, worüber bie Grammatit 
. nähere Auskunft zu geben hat, iſt in ver neuhochd. Sprade fehr ver- 

worren und unberhinint, Die beften Schriftfieller weichen von einander 
_ ab, ja ein und berfelbe Schriftfteller declintert mitunter einen und den⸗ 

felben Eigennamen auf verſchiedne Weife. Am meiften Unſicherheit 

herrſcht in der Declination ver neigen Eigennamen. So finvet fi 

. B. bei Schiller: Des Herzogs Alexander von Parma und des 
| Ssringen Aleranders von Yarına, 


$. 189, 


Neuhochdeutſch pflegen wir dem von Subftantiven der Thei- 
lung oder VBereinzelung abhängigen nachgefebten Gen. die 
männliche und neutrale Form zu entziehen (6. 232, 7.): Ein Stüd 
Brot, ein Trunk Wein, In gewähltem Ausprud, in der Poeſie 
findet aber auch die Flexion flatt: Trunk Weines, und fo allem 
in der älteren Sprache. — Neuhochdeutſche Masculina und Nentra 
dürfen im Dativ bie Flexion Fürzen oder behaupten: Dem Manne, 
dem Mann; dem Buche, dem Buchs die Feminina haben fie 
flets eingebüßt: Der Hand, der Kraft (mittel. unflectiert hant, 
kraft, fleetiert hende, krefte). — Im Plur. fleetieren neuhochdeutſch 
alle Gefchlechter, außer da, wo aus andern Gründen das Flexions⸗e 
abgeworfen ift: Die Becher, Engel. 2 
Sonn’ ihnen doch das Fleckchen Land. S. P. 2, 5. Ich gebe 

: jeder dreißig Ader Randes. S. Zoo. Prol. 1. Laß mir den 
beften Becher Weins in burem Golde reichen. G. d. Sän- 

. ger. — Ich möchte dir im fremden Gebiet gern was Gefälli- 
ges thun. G. röm. Eleg. 13. Stoff zum Liede, wo nimmſt 
du ihn ber? G. röm. Eleg. 13. Ach daB wir doch dem reinen 
ſtillen Wink des Herzens nachzugehn fo fehr verlernen! G. T. 
3, 2. Ich folge froh dem Winke. ©. T. 4, 1. 








— 85 


d) Adjectivcafus ohne Flerion. 
$. 1X. | 


Die neuhochdeutſche Syntar iſt in dieſer Lehre regelmäßiger, aber 
auch fleifer geworben, als die guthifche, alt- und mittelhochdeutſche. 
Das Nachflellen der Adjectiva ($. 194.) Hat großentheils aufgehört 
und damit ihr unflectierter Gebrauch. Hauptunterſchied bleibt Die 
attributive oder prädicative Sekung. 


$. 191. 


Das attributive Adjectiv laſſen wir heute faft überall 
feinem Subftantivo vorangehn. Was alt- und mittelbochveutfch 
für die Profa galt, ift nur für die Rede allgemein eingeführt. 
Dem voranfchreitenden Adj. wird nun alle Flexion zu Theil, deren 
das Adj. heute fähig iſt; nur dem Poffeffivum und dem unbeflimm- 
- ten Artikel —* fie im Nom..Sing. des männlichen und neutra= 

Ien Gefchlechts nothwendig entzogen: Ein Mann, ein Kind (nicht 

einer M. eines R.), ebenfo mein Bater, mein Haus (nit 

meiner B, meines H.). Im Nom. des weiblichen Gefchlechts 
und fonft überall muß die Flerion zutreten. _ 

"Anm. Selbft Ableitungen mit er geben im Nom. masc. die Flexion 
nicht auf, aller Härte zum Troß: Ein heiterer Morgen; fein hei- 
terey Morgen brach an (mittelh. würbe der Pofitiv heiter, der Com⸗ 
parativ heitere lauten). — (3. Paul erlaubt firh zumeilen eine. Kür⸗ 
zung, ſo 3. B. Das au von Andern gebrauchte mehre, wofür rich— 
figer m eh und Zitan 93 ſagt er: Tester war ipm einmal 
begegnet, wofür wir fonft gewöhnlich Teßterer ſagen; freilich ift hier 





+ 


von feinem attrib. Adj. die Rede) 


$. 192, 


Das Wort all wird vor dem Artikel, vor Demonfirativen 
und Pofjeffiven noch unflectiert im Nom. des männlichen und neu- 
tralen Gefchlechts zugelaffen: ALL der Jammer; all mein Gelb; 
fhwieriger fchon im Nom. bes weiblichen Geſchlechts: ALL die 
Freude, und in obliquen Caf. all den Sammer, - Weniger. gut 
ſcheint die Form alle, die Adelung vorzieht, Gellert, Leſ— 
fing und Herder meiſt gebrauchen, auch Goethe öfters anwen⸗ 
bet, beſonders da, wo es der Vers zu fordern ſcheint. In den ſpä⸗ 
tern Schriften braucht Goethe häufig die Form alle die. 

Alle das fabelhafte Wunderbare. L. L. 3. All dieſes Boll. 

gehorcht Friedländiſchen Hauptleuten. ©. P. 1, 2. All mein 
Ehrgeiz war nur meine Liebe. ©. TU. 3, 2. All mein Erbe 
liegt in ihrem Reich. S. Joo. 1, 2. — Wie lach’ ich all ver 
Tröbelwagre. ©. Iebend. Andenken. — Mein Herz hungert bei 
all dem Vollauf der Sinne. © 8. 2%, 1. Doch in aller 
diefer Weife, ©. a. d, Erwählte. Er.follte ih mit all fei- 
nem Wi verwinbern. G. ©. 2; Lothariv fprach wenig zu all 
biefem. ©. %. 7, 6: (ſonſt ſteht allem dieſem und die 


J 








“ _— 87 — 
fen). Bet alle feinem Elend. ©. %. 7, 4. Bei all eu 
rer Gewiffenhaftigfeit. G. %. 5, 10. Da faßt’s mich mit all 
der ſchrecklichen Verworrenheit. ©. Stl. 5, 1. Der Eörperliche 
Schmerz in aller feiner entflellenden Heftigfeit war mit der 
höchſten Schönheit nicht zu verbinden. L. L. 2. — Alle den 
Pus. L. L. 8. Sind wir uns felbft nicht und alle das Unfre 
den Elementen ſchuldig? H. 1, 3. Du wolltefl allen biefen 
Glanz verlaffen! S. Jvo. 4, 9. Iſt es nicht die Liebe zu ihm, 
bie euh all den Gram maht? S. R. 1,1. Er verfehwendete 
alle feine Kräfte, all fein Vermögen. ©. WI, 1, 26. Mat. 
All den QTumult Iindert der Anblick eines folchen Geſchöpfs. ©. 
Dt. 1, 27. Mai! Sie follen nicht .weggehn, ohne all mein, 
.Unglück zu wiffen. ©. %. 4, 16. — Alle die fchönen Linien 
gehen verloren. 2. % 2. ALL die blinfenden Augen. ©. Stl. 
2, 1. All die verhaßten Hülfen des: Standes. S. R. 1, 3, 
Die Winde wehn durch alle die Zimmer. ©. Hochzeitlied. Bis 
er fih alle die Fertigkeiten erwarb, H. 2, 2. — Allen den 
finnlihen Empfindungen. H. 5, 3. ch grubs mit allen den 
Würzlein aus. ©. Gefunden. Die Größe behält Philoktet bei 
‚allen feinen Marten. 8. 8. 3. Bon all ben rüfligen 
Bauern wird emfig nachgeſchürt. Uhl. d. 3 Könige zu 9. 


Anm. Die Form alle sinn aus dem alten Inftrumentalis hervor : mit, 
von alle dem, und läßt fi alfo nicht wol auf anvere-Eafus er» 


ſtrecken. 
§. 193. 


Heute verſtattet es wol der vertrauliche Ton, das neutrale es 
bei Aojectiven abzuftreifen: Ein Lieb Kind, zumal bei Anreben: 
lieb Kind! Auch ohne begleitenpes ein flieht kalt Eifen u. a,, ber 
fonders in fprishwörtlicher Rede. Bei mehrſylbigen Adjectiven, zu- 
al bei denen auf ig fo wie bei Participien geflatten fich neuere 
Dichter unbedenklich die Kürzung: ein traurig Herz, ein wohler- 
zogen Kind; befonders wenn einſylbige Adj. mit mehrſylbigen Subft. 
. verbunden werben: ein froh Gelingen, härter lautet ein froh 
Herz. — Stoßen zwei Adi. ımit gleicher Flexion unmittelbar auf 
einander, fo läßt ſich zuweslen die des erflen ablegen: ein weiß 
und fihwarzes Feld, Im Canzleiſtyl iſt diefe Verkürzung alther- 
gebracht: Großherzoglich heſſiſche Regierung. 

Heilbringend, vorbedentungsvolle Namen. ©. P. 1, 4. Lieb 
Knabe, biſt men! S. TI. 1, 1. Er war em ſtolz verdrieß— 
lich fohwerer Narr. ©. Ivo. 1, 2. Cr bringt fein treu alt- 
- . englifh Herz zurüd, ©. St. 1,3. Ein unglüdfelig ſchmerz— 
voll Wieverfehn! S. St, 5, 1. — Den Regenbogen halten Ber- 
- gifmeinniht und Maiblumen auf ihren blay und weißen Dlätt- 
“hen. J. 125. — Lieb Kind! Mein artig Herz! Mein einzig 
Weſen! G. Spnette 10. Es iſt ja wohl nichts unſchuldiger, als 
‚ein geiftlich Lied. ©. &. 1, Sp ein Fieb Ding im Arm zu 
haben. ©. F. 4, 152. Bin doch ein arm unmiffend Kind, 


’ 88 
- n “ 


G. F. 1, 169. Gut Ding will Welle haben. ©. Wi. 1, 3. 
Ein Wundergut, das ich mehr ald den Befig ererbt errung- 
ner Güter pflege. ©. Nt. 1, 1. Erft blieb Eugenie ein un- 
beventend, unbefanntes Kim. © Nt. 2,1. Diefer 
hatte einen heitern Gefang angeflimmt, und dadurch ruhige Stun- 
‚den auf der wert umd breiten Wellenfahrt gar innig belebt. 
G. Wi. 2,7. In ftill und feuhten Buchten. ©. $. 2, 110. 
Sn far und trüben Tagen. ©. F. 2, 242. Ein lang und 
breites Volksgewicht. G. 5. 2, 214. In ber Flein und 
en Welt... Sn der alt und neuen Zeit. ©. Anfworten 
1, 39). | 
Anm. 1. Da Adverb. und Adj. in dieſer abgelürzten Form fich häufig 
nicht umterfcheiden, fo muß man aus dem Sinn. erratben, ob das erfte 
abgekürzte Wort ein wirkliches Adj. oder wie'in: ver blau gefärbte 
Abenphimunel ein Adv. -fei. 


Anm. 2. An vie Adf. ein weiß und ſchwarzes Felp, auf Hau und 
weißen Blättchen erinnern ſteht bei Goethe Iph. 5, 6: Bon tau⸗ 
fend durchgeweinten Tag’ und Nächten ſchweigt der Dieter. 


$. 194. 


Nachſetzen dürfen wir felbft Poffeffiva nicht ($. 177.), es fei 
benn in ber Anrede: Bater unfer! In Kirhen- und Volkslie⸗ 
dern findet fih haufig: O Jefu zart! Ein Mündlein roth! Neb- 
lich iſt die Nachfegung des Wortes felig! Mein Vater felig. 
Goethe, befonders aber Uhland erlauben fich nad älterer Jette 
öfter die Nachſetzung des Adjectivs. Die Wendung geht an, mäßig 
gebraucht, jemehr ſich das Gedicht dem Volkston nähert. — Bei 
Nennung der Münzen pflegen wir das die Währung ausbrüdende 
Adi. nachfolgen zu laſſen: Zwei Gulden rheiniſch. — Verſchie⸗ 
den davon iſt der Fall ($. 176.), wo das Adj. mit dem Artikel, 
ober auch gewiffermaßen in abfoluter Form nachfolgt und eine Art 
Ellipſe bildet: Er trat auf die Steine, gelegt für die Schritte 
der Wandrer. (Voß Luife 1, 130.) Hier tritt das Adi. in flectier- 
ter und unflectierter Form auf. 

Ein Knabe Hatt’ ein armes Mädel jung gar oft in Arm ge- 
nommen. G. d. untreue Knabe. Es hatt’ ein Knab’ eine Tanbe 
zart. ©. Dilet. u. Rritifer. Einen rotben Mantel feiden, 
eine goldne Kron’ er trug. Uhl. d. j. König u. d. Schaͤferin. 
Er feget die Krone golden in ihr nußbraunes Haar. Uhl. 
daſ. Helene füß! Helene traut! Uhl. d. Goldſch. Töchterlein. 
Here Walther ſprach, ein Ritter Fühn. Uhl. d. traurige Turner, 
Der Hauptmann führt im Schild ein Röslein roth von Golde 
und einen Eber wild. Uhl. Veberfal im Wildbad. Mein wer⸗ 
thes Ringlein golden! Uhl. d. Ring. — Unferen Schmaus 
wird zieren ein Korb großmächtiger Erbbeern, fpanifcher, weiß 
und roth, der Ananaswärze vergleichbar. B. 1,154. Was ihr 
‘predigt, find Worte des Lebens, bündige, tröſtungsvolle, 
befruchtende! 8. 1, 254. An dir Geſellen unhold, barſch 





‘. 


_— 89 — 
und tolt, ift wahrlich wenig zu verlieren. G. F. 1, 178. Die 
Blide, frei und feſſellos, ergehen fih in ungemeffnen Raͤu⸗ 
men, ©, St. 3, 1. 


$. 195. 

Das prädicative Adjeetiv bleibt neuhochdentſch immer 
unfleetiert und unterfiheidet-fih dadurch von dem attribntiven, 
nicht aber oon dem Adverbium. Meift flieht es nah: Der Tag 
iſt ſchön, Doch auch zuweilen vor: Schön if der Tag; ebenfo im 
obliquen Cafus: Er ſchlug ihn todt, weinte fih fatt, weinte ſich 
bie Augen roth. — Einzelne Flexionen haben ſich als feftftehend 
aus dem Mittelhochbeutfchen erhalten, obwol mande Schriftfteller, 
beſonders %. Paul, die flexionsloſe Form vorziehen oder Doch zwi⸗ 
hen beiden wechfeln. So fagen: wir: Der Anger ſteht voller Blu⸗ 


‚men, das Haus iſt voller Wäffers. Dex gemeine Mann con- 


firuiert auch Halber fo: die Nacht ift halber Hin; ich habe mein 
Geld halber ausgegeben. 0 
Nur in Entwürfen bift du tapfer, feig in Thaten? S. T. 1, 
7. Die Kunſt iſt Tang, und kurz iſt unfer Leben. G. F. 1, 37. 
— Drydens Ode auf den Cäcifientag ift voller mufifalifchen Ge- 
mälde. L. L. 15. Führe fie mir als beine. Nachahmerin voller 
Entzückung, voll unfterbliher Kraft, in verflärter Schönheit ent⸗ 
gegen. K. M. 1, 11, Jetzt da der Himmel voller Sterne glüht. 
G. F. 1, 198. Das Stück war voller Handlung, aber ohne 
Schilderung wahrer Charaktere. ©. %. 2, 3. Er fagte mit einem 
ganzen Paradies voll Iiebender Freundlichkeit auf dem Geſichte. 
J. 13. Welh ein Menſch voll verlebten Lebens. 3. 47. Auch 
Herder gebraucht öfters voll mit dem Dat., z. B. St. d. 2. 
3, 24r Boll fo ſuͤßem Schwur; 3, 31: Ein Jahre voll bitterm 
. Web; 3, 7: Haus voll rothem Vieh. 
Anm. Beder (4. ©. 278) fagt: „Man gebraucht voll (häufig 
auch voller) insgemein nur dann mit dem Accufatio, wenn das Ob⸗ 
ject fein Attribut bei fih Hat, 3. B, der Beutel ift voll Gelb.” 
Schwerlih dürfte Geld bier im Acc. flehn, es ſcheint eher ein abge⸗ 
fürzter Genitiv, va voll fonft mit dem Gen. oder mit von und dem 
Dativ eonftruiert wird. (Sollte es kein Drudfehler fein, wenn es bei 
% Paul Titan 2 Heißt: Bol deutſchem Feuerkoff?) : 


$. 1%, 


Unabhängige Adjective werben gewöhnlich, jemehr fie die 
Stelle von Subftantiven vertreten, flectiert: Ein Blinder, oder 
im Plur. ohne Artikel: Blinde. Doc ift zu beachten, daß zwei 
formelhaft verbunpne Adi. zuweilen als ein zufammengehöriger Col⸗ 
lectio behandelt werben und bann ſelbſt im obliquen Caſus unflec- 
tiert bleiben: Klein und Groß meldete ſich; man hört von Jung 


und Alt behaupten. 


: Sp ward für- Alt und Juus orgt. H. 3, 5. Alt und Yung 
beftärmt mich mit Problemen. ©. F. 2, 106. Wo Groß und 


— 0 — 


Klein fih kreuz und quer befehbeten. ©, F. 2, 260. Dex fein 
Leben lang geſchwankt hat zwifchen Bös und Gut. ©. Ivo. 2, 2.. 
War zwiſchen Gut und Uebel und Wahr und Falſch die 
Scheidewand gefallen? S. DE. 5, 10. 


2) Starfeund ſchwache Form. . 
| $. 197. 


Während in ber Regel alle Adjectiva beider Formen, ber 
ſtarken um fhwaden, fähig find, fehn wir der einen ober ber 
andern einzelne Subftantiva überwiefen. Ueberhaupt genommen ıft 
vie Zahl der ſchwachen Subft. weit geringer als die der ftar- 
fen; fie war eine bloß ergänzende Fortbildung, bie nicht den Um— 
fang der älteren (flarken) erlangen Fonnte. Bei dem ſchwachen Subft, 
herrſcht das Perfönliche vor; damit hängt zufammen, daß ſchwache 
Adj. gern ſubſtantiviſche Geltung annehmen: Da verfeßt der gute 
Blinde (Wieland Ob. 6, 81.) | | 

Anm. Da die fhwache Form bloß eine ergänzende Fortbildung if, 
fo erHlärt ſich daraus, wie jeßt biefelbe in vielen Fällen vorherrfcht, 
wo früher pie ſtarke gemwaltet. 

a) Schwache Form. 
§. 198. | 

Oberfter Grundſatz ift: dem beftimmten Artikel folgt 
ſchwache Form des attributiven Adjectivs, mag nun: 

1) Daſſelbe fuhflantivifch flehn: der, die, das Gute, oder mit ' 

einem Subftantiv verbunden fein: der gute Maun, die gute | 

- Frau, das gute Kind. 

2) Hinter das Subſt. treten Artikel und Adi, ur als feierliche 

: Epitheta der Eigennamen: Dtto der erfte, nicht aber Band 

der erfte. (Etwas anders. ift es, wenn hinter dem mit dem 
Artikel verfehnen Subft. Artifel und Adj. nachfolgen, $. 176.194). 
3) Zwei oder mehr Adj. behaupten nach dem Artifel burchgängig - 
ſchwache Form: der gute blinde Mann. .. 
. 4) Schwache Form erfordern neuhochdeutſch au dieſer, jener, 
jeder und jeglicher. — Bei alle ſchwankt der Spradhge- 
brauh im Nom. und Acc, Plur., neigt jedoch mehr zur ſchwa⸗ 
hen Form, wie auch bei viele, mehrere und wenige. — 
Einige und etliche haben im Nom.” und Ace, Pur, nur 
die flarfe Form nach ſich. 
5) Im Nom. Sing. ſteht nach dem unflectierten mauch die ſtarke 
Form: manch tapfrer Held, nach fleetierten aber die ſchwache: 
mancher tapfre Held. In den obliquen Caſus waltet die 
ſchwache Form vor: manches ſchönen Tages, manchem be- 

-deutenden Worte. Im Nom. und Ace. Des Pur. herrſcht 

bie ftarfe vor, wie auch bei ſolche, welche, felbige. - 

6) Wie mit manch fo verhält es ſich auch mit viel, wenig, 

mehr, weniger: flehn fie unflectiert, fo hat Das Adi. bie - 





⸗ 


— 91 


ſtarke Form, fleetiert erforbern ſie die ſchwache. Nicht an⸗ 
ders iſt es mit ein, kein, mein, dein, ſein, ihr, unſer, 
euer, denen im Nom. des männlichen und im Nom. und Ace. 
des neutralen Gefchlechts die Flexion fehlt; in diefem Fall er- 
‚ „fordern fie die ſtarke, fonft die ſchwache Korm. 
 &r hätte nicht das Schredlidhe gethan, die Guten hätten 
Kraft bei ihm behalten, nicht in der Schlechten Garn wär’ er 
gefallen. S. T. 1, 7. — Diefe neuen, ſaubern Forderun⸗ 
gen, die diefer Queftenberger mitbringt. ©. P. 1, 1. Laffet uns 
alle enge Gevanfenformen verläuguen. ©. 1, 4. Alle bie- 
hberigen Erfahrungen. 9. 2, 3. Alle unangenehmen Em- 
pfindungen. G. 8%. 1, 9. Alle abentbeuerlihen Reize. 
G. %. 4, 5. Wenige dürre Früchte gediehen. H.2, 2. Ohne 
einige menſchliche Sitten. 9. 4, 6, 6. — Mand. gutes 
Mädchen bedarf des ſchützenden Mannes. G. H0.2,103. Mande . 
gute Menſchen. G. Lj. 3, 2. Er ſendete mir manch angeneh— 
mes Buch. G. Lj. 6. Welch zügelloſer Troß! S. P. 1, 3. 
Welch andrer Schuld verklagt dich dein Gewiſſen? S. St. 5, 7. 
Welche ſchöne Gegenden breiten ſich in der Mitte Aſiens nie⸗ 
der. H. 1, 7. Ich könnt' ihm recht viel Böſes dafür thun. 
S. P. 2, 5. Zur Schmiede ging ein junger Held, er hatt' 
ein gutes Schwert beſtellt. Uhl. d. Schwert. Du wirſt diesmal 
noch dein altes Amt verwalten. S. P. 2, 4. 
‚Anm, Keine Regeln in der Syntax find fo ſchwer feflzuftellen, als bie 
über flarfe und N hivane Declination der Adj., weil die Schriftfteller - 
weder unter einander, noch jeder mit fich einig if. So gebraucht z. B. 
Goethe nah alle fat durchgängig die ſchwache, J. Yanl vie 
ſtarke und Schiller nah Belieben bald die ſtarke bald vie ſchwache 
orm. — Ziemlich allgemeine Anwendung findet die Regel, wie Schmitt⸗ 
enner (Gram. 'f. Gelehrtenſchulen) fie aufſtellt: „Nach ver ſch wa⸗ 
hen Deck. gegen die Adjective, wenn ein oder mehre mit vollftän- 
digen Fleriongslauten verfehene Beſtimmungswörter des Subfl. 
„vor ihnen ſtehen.“— Der Wohllaut möchte befonders ji berüdfich- 
tigen fein, — Die Regel, welche Beder (6. 254) aufſtellt, daß das 
Adi. nah alle im Non. und Acc. PL. die ſtarke Form babe, wenn 
der Hauptton auf dem Adf. Liege, ift gar unſicher. 


b) Starfe Form. 
$. 19. 


Dem dburd feinen beftimmten Artikel, wie über- 
baupt durch Fein oder doch ein unflertiertes Beflim- 
mungswort gebunbnen attributinen Adjectiv gebühßrt 
ftarfe Form. — Eimige geflatten fih, eines vermeintlichen Wohl- 

lauts wegen, im Gen. Sing. des männlichen und neutralen Ge⸗ 
fchlechts ohne Artikel ſchwache Flerion, weder im Gen. Sing. 
weiblichen noch im Gen. Pur. aller Gefchlechter. 
Seid gegrüßt mit Frühlingswonne, blauer Himmel, goldne 
Sonne! Uhl. im Herbſte. Dort Liegt fie wohl in ſchöner Ruh 
und glüht in ſüßem Traum. Uhl. Nachts. Er war beim König 





! N — 


zwei volle Stunden. ©. DE. 4, 4. An dem Ufer ſteh' ich 
Tange Tage, das Land der Griechen mit den Angen fuchend. 
®. 3. 1, 1. — Wo er ſich nur nicht entichloffen hat, mich fe- 


ſtes us. bei fih zu erwarten. L. Mf. 2, 1. Sodann. flreichen 


die Winde über große Erdſtriche erfrormen Landes hin. 9. 1,7. 


Anm. BoPB Hat durchgängig die ſtarke Form: fröhliches Laufs, un⸗ 
bemmbares Schwunges, keckes Geflügeld u. a. Klopftod hat 
mehr die ſtarke ale die Meaut Form; Gpethe in den frühern Wer- 
ten mehr, bie flarfe, in ven fpätern mehr die ſchwache. — Eigen ift 
Lei. N. 3,7. „Ich will nicht unterfuhen, ob dich nicht fonft — 
wohn keit mir dies Erbieten freier Dings zu thun. eie 
geroifermaßen abverbialifche, Form erinnert an as, 


$. 200. 


AS einzelne Fälle find noch zu beachten: 

1) Neuhochdeutſch hat der Vor. Sing. nur die flarfe Flexion: 
Lieber Freund! Im Plur. herrſcht fie gleichfalls vor: Liebe 
Freunde! Doch findet fih auch bin und wieber bie f chwache: 
Lieben Freunde! (So ſteht z. B. in Schillers Ged. „An 
die Freunde“ in mehreren —*— ., andere haben liebe. Lie— 
ben Brüder, lieben Herren! Herder St. d. V. 7, 51.) 

2) Wenn auf perfönliche Pronomina unmittelbar ein Adjectivum 
folgt, fo ſcheint der Sraanismus unferer Sprache die ſchwache 
Form zu fordern. Im Sing. bat fih hier jedoch, namentlich 
im Nom. und Dativ, die flarfe Form feſtgeſetzt. Im Nom, 
Pur. fteht die flarfe Form: Ihr Arme! Holgt ein Subſt. 
auf das Adjertiv, fo herrfcht die ſchwache vor, obwol auch 
die ſtarke ſich nicht felten findet: Ihr armen Leute! Gen. 
und Dativ Plur. kommen fehr felten vor. 

3) Anders ift der Fall, wenn nad) einem Poffeffivum ($.198, 6). 
weitere Adjectiva folgen. Hier herricht im Gothiſchen ſtarke 
Form, im Alt⸗ und Mittelhochdeutfchen bald ftarfe bald 
ſchwache, neuhochbeutfch fleht nur im Nom. Sing. bes männ- 
lichen und im Nom. und Ace. Sing. bes neutralen Geſchlechts 
ftarfe (der Nom. des weiblichen Geſchlechts ift zweideutig), 
fonft durchgängig ſchwache Form: Mein guter Freund, un⸗ 
fern geliebten Vater, feine klugen Anſchläge. 

4) Beim unbeſtimmten Artikel ($. 198, 6.) tritt im Nom. 
Sing. ftarfe, im Gen. und Dativ fhwade Form ein; der 
Acc. kommt nit in Betracht, weil er beim männlichen und 

weiblichen Geſchlecht beide Formen vermengt, und es fi) von 
ſelbſt verfteht, daß- der Ace. des Neutrums zum Rom. flimme: 
Ein guter Mann, einem guten Mann. Im obliquen Ca⸗ 
fus hat alfo der unbeftimmte Artifel ganz die Wirkung des be- 
ftimmten. Mehrere Adj. hinter einander folgen berfelben Re⸗ 
gel: Ein guter gerechter Mann. 

5) ertonTine Adi., die infubftantivifhe Bedeutung 

. übergehn, db. h. fefbftändig, ohne Subftantiv verwendet wer- 





— 93 — 


ben, pflegten früher. ſchwache Form anzunehmen; neuhoch⸗ 
deutſch verhalten ſie ſich ganz wie die Adj., haben alſo bald 
ſtarke, bald ſchwache Form, nach dem unbeſtimmten ein alſo 
im Nom. nur ſtarke Form: Ein Blinder (mittelh. ein blinde). 
6) Nach den Grundzahlwörtern zwei, drei, vier u. ſ. f. Bat 


das Adj. die Flexion flarfer Korm; nur wenn zwei und 


drei flectiext find, bat es die ſchwache: Zwei kummervolle 
Tage, zweier kummervollen Zage. Aber auch hier finden 
fih Ausnahmen; 
7) Wenn zwei Adj. ohne vorbergehendes Beilimmungswort bes 
Subft. auf einander folgen, und beide einander beigeorbnet 
find, fo haben fie beide die ſtarke Form; iſt das zweite dem 
.erften untergeordnet, d. h. ift das erſte ein Attribut des 
mit dem andern Adj. fhon zu einem Begriff verbundnen 
Subft., fo gebt, Nom. Sing. und Pur. und Are. Pur. aus- 
genommen, das zweite nach der ſchwachen, das erfle durch⸗ 
gängig. nach ber flarfen Korn. Auch dieſe Regel ift nicht ohne Aus- 
nahmen, befonders da, es für ben Leſer ſchwer iſt, jedesmal zu fin- 
den, ob unter- oder beigeorbnetes Verhältniß zu verſtehen: 
Unglücklicher, verführter Yüngling, flih! ©. St. 1, 6. 
— Du überglüdlider Menfh! J. 35. Was hat man bir, 
bu armes Kind getban? ©. Mignon. Was bleibt mir Un- 
lücklichem übrig? © %. 1, 2. O mid Bergefliden! 
8. N. 3, 2. Diefe Schönheit blendete mich Armen ganz. ©. 
3. 2, 212. Du im Himmel! Hilf mir armen ſchwarzen 
Mann, Claudius: d. Schwarze in d. Zuderplantage. Ihr ſeid 
allzugütig, ihr Lieben Leute. L. %. 2. Gebet indeß von ung 
aus, ihr hohen Engel.vder Throne. 8. M. 1, 441. Habt ihr 
euch jebo befonnen, ihr thörichten Kinder? V. 1, 351. Ihr 
lieben Holden Muſen! G. Muſenſohn. Spredt, ihr ho— 
ben Palläfte! G. röm. Eleg. 1. Wer nie fein Brod mit Thrä- 
nen af, wer nie bie kummervollen Nächte auf feinem Bette wei⸗ 
nend ſaß, der kennt euch nicht, ihr himmliſchen Mädte! ©. 
Lj. 2, 13. — Schaut den Ewigen an, ihr vorerwählte Ge- 
rechte, heilige Kinder. 8. M. 1, 408. Jener von euch, ihr 
erhbabene Wefen, heilig befungene Tag. K. M. 1, 457. Ge- 
grüßet ſeid mir, edle Herrn, gegrüßt ihr ſchöne Damen! ©. 
.d. Sänger. (In 8%. 2,11. ſteht: Gegr. f. ihr hoben Harn!) 
Wir Weife ber Welt! V. 2, 209. Wir ſchwachen Werk⸗ 
zenge wiſſen fonft den Mund am allerwenigften zu gebrauchen. 2. 
Fg. 3, 8. Günſtig iſt diefe Tage für ung europäiſche Räu— 
ber. 9. 1, 6. — Mir entdeckt's fein eigner Mund. ©. P. 1, 
3. Du wirft Diesmal noch dein altes Amt verwalten. S. P. 


N 


.2, 4. Ad, meine guten Lieben Freunde! U. N. 5. 8. — 


Ah ein ſchöner Schimmel! Das ift ein garfliger Drade! 
G. ©, 1. Einft hatt? ich einen ſchönen Traum. ©. F. 1, 215. 


— Wir beiden Gemädlichen fahren. B. 1, 38. Das aber 


* 


‘ 
- v 
. oo. . L 
— — — 


iſt der Fluch der böfen That, daß ſie fortzeugend Böſes muß 

gebaren. S. P. 5, 1. Das Irdiſche, Gemeine magſt du 
—* ‚das Nächſte mit dem Nächſten klug verknüpfen. S. P. 
2,6. — Er war beim König zwei volle Stunden. ©. Dk. 
4, 4. Er ftand feiernd am Eingang zwoer umbufteter Ce— 
bern. E.M: 1, 56. — Sind dir gar lockere, Leichte Gefellen. 
© 2. 1. Süße Taue Lüfte wehen ... Er fommt mit. off- 
nem heitrem Blide. ©. d. Parnaß. Unter den Vätern war 
einer von hohem, denfendem Anfehn. K. M. 1, 718. Er- - 
hebe dich fanft mit ſtillem bebenden Säufen 8. M. 1, 
558. Ihn fiehft du mit hohem erhabenen Lächeln K. M. 

2, 375. Prometheus formte aus niedergefhlagnem wei- 
hen Thon. H. 1, 4. In regem prächtigen Streit. G. $. 
2, 126, Dann ruht, mit flillem liebevollen entzückten 
Blick, der junge Mann auf ihr, und feine Seele ſchwillt, und 
ſüße Thränen rollen die dunkle Wang’ herab. W. 8, 47. Der 
Fremde erfundigte ſich nach den Befigern verſchiedner großen 
Gebäude. ©. %. 1, 17. 


$. 201. 


Dem präbicativen Adi. gebührt flarfe Form. In der 
Ausfage Tiegt etwas Allgemeines, das auf ein beftimmtes Subf. 
angewendet‘ werben foll: Die Aepfel find roth. Daher eignet fich 
auch am meiften bas Prädicat, die Flexion abzumerfen. ($. 195.) — 
Das Prädicat fommt am meiften im Caf. rectus vor neben fein 
und werden; es kann aber auch in jedem Caf. obliquus erfrheinen, 
namentlich find die abfoluten Participien ($.305.) als prä- 
Dicative Formen zu betrachten. 
Was grau vor Alter ift, das iſt ihm (dem Menfchen) göttlich. 
S. T. 1,4. Wie arm bift du, wie bettelarm geworben, feit- 
dem du niemand Tiebft als did. S. Dk. 2, 15. Flavio flürzte 
- herein’ in ſchauderhafter Geftalt, verworrenes Hauptes, zer- 
festes Kleines. ©. Wi. 2, 5. *6* 


Sechstes Capitel. 
Caſus. 
6. 202. 


. Die Lehre vom abhängigen Cafus kann unter brei Ge⸗ 
ſichtspunkte gebracht werden, je nachdem ibn ein Berbum, ein an- 
deres Nomen ober eine Bartifel erfordert. Vorzüglich kommen 
bie obliquen Caſus in Betracht, aber auh Nom. und Bor. gehn 
nicht ganz Teer aus. Genitiviſche und dativiſche Steucturen flim- 
men oft zufammen und entfernen fich von denen des Nom. und Ace, 
Berhältniffe des Gen. und Dat. fordern am früheflen bie Zuziehung 


— 95 — 


\ R 
von Prüpofitionen. Allgemein betrachtet find Nom. und Mer. ruhi- 
ger ‚ fläter, Gen. und Dat. beweglicher, Tebendiger. - In jenen 
amert ber Ausdruck des Geſchlechts anhaltender fort. 


A) Verbalrection. 
5.203. 


Das Berbum des Sabes äußert feine Einwirkung auf das dar⸗ 
in enthaltene Nomen dadurch, daß es einen beſtimmten Cafus bes- 
felben begehrt. Es können aber zwei. oder drei Beziehungen auf 
einmal durch das nämliche Verbum ausgedrückt werben, d. 5. es 
vermag zwei oder drei verſchiedne Caſus hinter einander- zu regie- 
ren, 3. B. Er gab der Göttin den Apfel. Auf den Borcativ än- 
Bern Berba feinen Einfluß. 


I) Nominativ. 
$. 204. 


. Subjeet iſt der Nominafiv in zahliofen Fällen, beim activen, 
intranfitiven und pafliven Verbum. Diefe Verhältniffe bebürfen fei- 
ner weitern Darftelung. — Stehn zwei Nom. im Sab, fo Iaf- 
fen fih Subj. und Prädicat Teicht erfennen: Das Kind wird des 
Baterd Erbe; das Kind wird groß. Steht nur einer ausge- 
brüdt, fo Fommt es. darauf an, ob im Verbum zugleich das Subj. 
enthalten ift, und dann bildet jener Nom. zugleich das Präbdicat: 
Er ward König. Heißt es aber: Streit entfprang, fo ift dieſer 
Nom. Subj., ob wir gleich diefe Nedensart umzuwandeln pflegen 
in die faft iventifhe: Es entfprang Streit. Hier tritt das vor⸗ 
ausgeſchickte es ſubjectiv auf und Streit präbicatio, 

Der Tag bricht an und Mars regiert die Stunde. ©. T. 1,1. 

"In dem Gedanken bloß gefiel ich mir. S. T. 1, 4. Eines Man- 

‚nes Tugend erprobt allein die Stunde der Gefahr. ©. Gt. 

1, 7. Iſt der holde Lenz erfihienen? Hat die Erde ſich ver- 
jüngt? ©. Klage d. Ceres. Schön find und ehrenvoll des Patrio- 
‚ten Wunden! Mit höhrer Schöne ſchmückt der Tod den Chri- 

fien! 2. Königin Luiſe. Durch eine hintre Pforte führ' ih Euch, 
. die nur durch einen Dann vertheidigt wird. ©. T. 5, 2. 


. $. 205. 


‚AS einzelne Fälle, in welchen der Nom. erfcheint, bemerfe man: 

1) Bei fein, bleiben und werden: Das Kind ift (bleibt, 
wird) des Vaters Erbe. 

2) Ber [Seinen und dünken: Er Scheint (punkt fih) Der 

rößte, 

3) Bei heißen: Er hieß der Große. Ä " 

4) Bei allen eines Praͤdicats fähigen Paſſivis, beſonders bei 

- genannt und gebeißen werben: Er wird König ge 
nannt, geheißen. Auch bei dem Partie. Präter,, dem an 


- 


— in — 
fih yaffive Bedeutung zufteht, kann ein folder Nom.’ erfchei- 
I Pb zwar unbedenklich, ſobald das Partic. ſelbſt im — 
ſteht: König Karl, genannt der Große. Im obliquen 

Caſus pflegt das Prädicat den Caſus des Partic. beizubehal- 
ten: Bon dem König Karl, genannt dem Großen. (In ei⸗ 
nem Zwifchenfat wäre vielleicht erlaubt: Von dem König Karl, 
genannt der Große?) 

5) Bei einigen Verbis, namentlich bei gehn und flerben und 
ben ihnen vielfach gleichbedeutenden kommen, erfheinen, 
fallen u. a., wozu wir meuhochbeutfch jedoch meiſt als feßen: 
Da wurde ih als Tram empfangen; fie geht, fie flirbt als 
Jungfrau. 

6) Das adjectiviſche Prädicat kann viel freier nicht nur 
bei- fein und werben im Nom, ſtehn, ſondern auch bei an- 
bern Berbis, z. B. gehn, ftehn, liegen, kommen, fah- 
ren, leben u. a., wo jedoch neuhochdeutfch immer die un- 
a Form ſteht: Er Tiegt tobt (mittelh. er liget töt und 
töter). 

1) Ich hätte der elfenbeinerne König fein mögen. ©. 

G. 1. Die Künfte find das Salz ber Erde. ©. Wi. 2, 8. 

Das Amt des Fürften ifl Fein geringeres, als Gott zu fein 

unter den Menfhen, ein höherer Genius in einer flerbli- 

hen Bildung. 9. 9, 4, 3. Karlos ift gefonnen, der Unglüd- 

Tichfte in diefer Welt zu bleiben. ©. Dk. 1, 5. Und ich 

ward ein warmer Held. ©. d. n. Amabis. Der wird nicht 

fein Vater, G. ©. 1. Der fi vermaf, der Schöpfer eines 
nenen goldnen Alters in Spanien zu werden. ©. DE. 1, 2. — 

2) Der fih felbft ein Dichter fheint. ©, T. 4, 2. Wir 

fheinen redt beglüdte Schäferinnen. G. T. 1,1. & 

wird ein großer Prinz bis an fein Ende [heinen. S. T. 

1, 7. Das allein macht fchon den Weifen, der fich jeder dünkt 

zu. fein. L. N. 3, 5.3 wähle, was das Beffere mich dünkt. 

©. St. 2, 3. — 3) Ich heiße der reihfie Mann in der 
getauften Welt. S. Df. 1, 6. Ob ihr ein Freund wollt hei— 

Ben ober Feind bes Kaiſers? ©. T. 2, 5. Ich möchte nicht 

heute Vater heißen. ©. Hb. 2,87. — 4) Sie hätt’ e8 nie 

von mir erfahren, daß fie eine Chriſtin geboren fei und 
feine Jüdin. L. N. 3, 10. Du bift Fein Sünder geb 
ren. 8. M. 4, 428. Sp will ih ein Verbrecher Lieber als 
ein Thor von Ihren Augen geben. ©. Df.3, 10. Ein Ab- 

georbneter der ganzen Menfchheit umarm’ ih Sie. S. DI. 

1, 2. Ich ftand der nächſte feinem Herzen. ©. T. 1, 7. 

Sin!’ ein ergebnes Opfer am Altare. S. St. 5, 7. Die 

Nächſte an ihm felber folft du gehn. S. Ivo. 4, 3. Bift du 

der Oraien eine gefommen?®. F. 2, 188. Nicht ein. Rind 

bin ih erſchienen. ©. F. 2, 241. Weil niemand unfer Reich 

vor dir betrat, ber nit ein blutig Opfer fiel. G. J. 1, 2. 


— 0917 — 


- Wenn in ber Schule du immer der unterfte ſaßeſt. ©. Hp. 2, 
253. Aber Feine von allen erſchien die herriihe Jung— 
frau. ©. Hp. 5, 192. Komm’ ich als Öattin? Komm’ 2 
eine Rönigin? Komm’ ih ein Opfer für des Fürften Schmerz 
G. F. 2, 180. Maria Stuart wird als eine Königin und 
Heldin fterben! S. St. 5, 1. Die gute Sade wird flarf durch 
einen Königsiohn. S. DE. 4, 3. Bleibt Eurem neuen Herrn 
getrener als dem alten. ©. P. 3, 23. ' 
Anm. Bei Nr. 4 wurde es in Frage geftellt, ob man fagen könne: Bor 

dem König Karl, genannt ver Große, Aus unfern als claſſiſch an⸗ 

erfannten Schriftftellern kenne ich kein Beifpiel. In einer Reve W, 
Zor zeks auf den hi. Leopold (Heiins Predigtmagazin 1839, Bv.2, ©. 
337) ſteht aus einer. Bulle des Papftes Innocenz VIII. überfeht: Die 
göttliche Barmherzigkeit‘ hat ein helles Geftirn zum Glanz in der Weit - 
angezündet in dem feeligen Leopold, weiland Markgrafen in Defterreich, 
genannt der Fromme. , 


2) Accuſatiov. 
$. 206. 


Der Aceufativ ift eigentlich Begleiter des Activums; 
er bezeichnet bie Einwirkung des im Verbum enthaltnen Begriffs der 
Thätigkeit auf einen andern, perfönlichen oder fächlichen Gegenftand : 
Der Bater lehrt den Sohn, der Knabe wirft ven Stein. Der 
Acc. gewährt die einfachfte und Teichtefle Obliquierung des Nom., 
und beide Caſus flehn in Wechfelbeziehung. Jeder Sat mit Nom., 
activem Verbum und Acc, ift umfeßbar in einen mit Nom., paffi- 
vem Verbum und präpofitionalem Dativ: Der Sohn wird von 
dem Vater gelehrt. 


$. 27. 

Intranſitive Verba, beren Thätigfeit innerlich bleibt, nicht 
auf einen andern übergeht, leiden feinen Acc., aufer den des Re- 
flerios, wodurch gerade ihre Intranfition verflärkt wird: Ich freue 


mich, er fhämt ſich. Durch baffelbe Refleriv können auch Tran- 


fitioa auf fich felbft zurücfgelenft werben: Sch berge mich, er be- 
weg! ſich. 
ie Tyrannei begnügt ſich nicht, ihr Werk nur halb zu 
thun. S. St. 1, 6. Du rühmſt Dich deines ſichern Blicks. 
S. U. 3, 3. Sp konntet Ihr an einem Manne handeln, an 
dem ſich Gottes Hand fichtbar verfündigt? ©, TI. 3, 3. 
Alle flurmerprobten Schiffe bergen fich in fihrer Bucht. ©. 
Herv und Leander. 


$. 208, 


Einfache Rection des Acc. haben unzählige Tranfitiva, 
bon benen manche etwas Formelles annehmen, r nur in be- 
ffimmten Conſtructionen gebräushlich find. abin gehören 
vor andern. etwa: bauen, ben Ader, das Land, eine Straße; be- 

Kehrein Grammatik, IL. 1. - 7 _ 


— 98 — 

gehn, eine That, ein Feſt; bieten, Sicherheit, Schutz, Geld; 
brechen, Che, Eid, Vertrag, Wort; führen (im Schilde), Liſt, 
Trug, Böſes; geben, Mühe, Rath, Segen, Schatten, Raum; _ 
gerben, Haut, Kell; gewinnen, Blätter, Heu, Erz, Ruhm; 
“baben, Danf, Streit; halten, Vieh (weniger im Sinn von 
weiden, als ımterhalten), Ruhe, Wache, Rath, Maß, Mund; 
heben (an- und erheben) Krieg, Streit, Geſang; Iaffen, Aber, 
Blut, Seufzer (es ift dabei an Feine Ellipfe von fließen, fal- 
len, gehn zu benfen); Teiften, Dienft, Eid, Gewähr, DBer- 
sicht; machen ıft häufig, befonders da es oft an die Stelle des 
mittelh. ſchaffen tritt: oft weicht es jevoch dem thun, wie in: 
Wunder u. a.; nehmen, Abfıhien, Anlauf, Bad, Beifpiel, Ende, 
Frau, Freiheit, Flucht, Mühe, Platz, Oberhand, Nath, Schaden, 
Sitz, Trunk, Urlaub, Weg; ſchlagen, Zelt, Brüde, Schwert, 
"Raute, Harfe, Trommel, Ball, Geld, Feuer, Holz, Rad, Kreuz, 
Burzelbaum ; fpinnen, Garn, Verrath; ftellen, Fallen, Nebe, 
Briefe; ftiften, Brand, Unheil, Elend, Uebel, Gefellfchaft, Klo— 
fter; ſuchen, den Boden (d. i. fallen), Bett, Ruhe, Thüre; thun, 
Bitte, Abbitte, Abbruch, Buße, Fall, Fang, Gefallen, Hieb, Ge— 
winnft, Reife, Schaden, Schnitt, Seufzer, Streich, Willen, Zug; 
tragen, Angſt, Laſt, Schmerz, Sorge; werfen, Junge, Licht, 
Schatten; wirfen, Teig, Tuh, Wunder, 

Anm. In der frühern Sprache waren noch manche Comftructionen im- 
Gebrauch, die heute ſich nicht mehr finden, 3. B. mittelh. daz ambet 
tuon, den boten tuon (einen Boten ſchicken), den brien tuon (ven 

. Brei kochen), daz criuze tuon (das Zeichen dr8 Kreuzes machen), 

. „ Jaster tuon u. v. a. Selbſt Gewinnſt thun wird man nicht oft hö- 
ren. Bei G. Wahlo. 1, 2 ſteht: Er that einen anfehnlichen Lotte- 
riegewinnft, 

" ‘ $. 209, 


Bei einer Beziehung auf das Object tritt jedoch ein Unterfchieb 
ein zwifchen ganzer ober theilweifer Abhängigkeit: richtet 
fih die Einwirkung auf den Gegenftand überhaupt, fo bleibt ber 
Ace, wenn aber nur auf einen unbeflimmten Theil veflelben, fo 
nimmt das Verbum den Öen. an. Es find vorzüglich die Verba, 
welche haben, nehmen, genießen, effen, trinfenu.f,. w. 
ausprüden; ber Ace. bei ihnen bedeutet ungetheiltes Haben, vollen 
Genuß des Objectes, von welddem die Rede iſt, das freilich ſelbſt 
wieder Theil eines größeren Ganzen fein. mag ($. 223). 

Die fpätern Sprachen haben des Klangs noch wohl. K. an 
J. H. Voß. Als fie der Speife nunmehr fih gefättiget 
und des Getränfes. V. 1, 520. Dann folft du erſt deines 
ganzen Siegs genießen. ©. St. 2,9. 


$. 210. 


Piele Sntranfitiva haben einen Acc. m gewiſſen Redens⸗ 
‚ arten bei fih: fih einen Buckel lachen; andere (und dahin 
gehören auch mande Tranfitiva) nehmen einen Acer. gleide. 


1 
— 9 — 


ober verwandter Bed entung zu fi: Thraänen weinen, 
eine ruhigen Tod fterden. 


O, wie fchaudert u biefen Ball in Gedanken noch einmal 
zu ſtür zen. % Ph. Sie ſtarb viel lange Tage! Und jeder 


war ned Todes wer, ben fie. geſtorben iſt. K. Königin Luiſe. 


Cr ſtirbt den langen Marterkod. W. 10, 16. Er blicket 


. fpradlofen Dauk. W. 8. 30. Der Zufall fpielt zuweilen fpl- 
de Spiele. W. 1, 25. Sie haben um ſonf den harten Kampf 


mit der Natur‘ gerungen. ©. Df. 3, 10. Thränen füßer 
Sehnſucht wirſt du weinen. S. —* 3, 4. Weg mit biefen 
Steinen, fie blitzen Höllenflammen in mein Herz! ©. K. 


.2, 2. Rampft emen edlen Kampf! S. St. 2, 8. Den zeitlis 
"then: Tod ftirbfi’du fir dieſe That, willſt du auch noch ben 


ew’gen dafür fterben? ©. St. 5, 7. Sie werben Theil an dem 
Rampfe nehmen, ven ich gegen mich ſelbſt ftreite. G. Lj. 4, 15. 


$. 211. - 
Die ältere Sprache gebraucht einige Berba, deren intranfi- 


tiver Sinn vorherrfcht, zuweilen tranſitiv, und fügt ihnen dann 
ben obiectiven Acc. bei. Unſere Dichter erlauben ſich manıh- 
mal diefelbe Freiheit; gewöhnlich aber bevienen wir uns dafür zu⸗ 
fammengefeßter Verba, namentlich ber mit ber Vorſylbe be, die da⸗ 
durch mehr tranſitiv werben, oder Wir conflruieren mit Präpofi tio⸗ 
nen: weinen, ſorgen, fäumen, wundern u. a., die mittel⸗ 
odbeuiie den Acc. zu fi fi ch nehmen. 


Ha, täubet euch Taubheit? K. d. Jacobiner. Der Todien Schatten 
finftern den Abendſtern. K. d. Unvergeßliche. Verirrte mig 


Tauſchung? K. An Gott. Er klaget einen beſeſſenen Mann, K 
„M. 2, 87. Wenn ih den König irrte? ©. DE 5, 3. Ich 
werde feine neiden. M. 7,77. Welche Fürftin neidete nicht 


na arme Elärchen um ben Platz an feinem Herzen! ©. €. 
— Beil man den unerfchöpften Meiftern pie Lorbeern nür 


umfonft begeizt. L. Für wen ich finge. Ih bewundre bes 
‚ Königs luſt'gen Beichtiger. ©. DE. 1, 1. Ich weiß, daß hun- 


dert Augen gedungen Im, mich zu bewadhen. ©. DE. 1, 1. 


Wen beweinen Sie? ©. DE 1, 6. Den allgemeinen 
Fahrweg der Gedanken befrete beine Zeitung nidt. ©. DE 


2, 4 — Wie fohmerzlih Tacht der Edle über dieſen Ernſt und 


"über Kronen und Gräber und Alles! % 47. Deut ı an bie 
Nähe des Allwiſſenden! ©. St. 5, 7.- 


8. 212. 
Setha, deren Einwirkung hauptſaͤchlich auf Berfonen gerich⸗ 


tet Pe die Begriffe von Hilfe, Dienft, Ehre, Anbetung, 
Folge, Lehr, Segen enthaltend, regieren einen weniger objec⸗ 
tiven Ice. ‚ welcher darum zuweilen‘, beſenders in der frühern Spra⸗ 
che, in den Dat. und Gen. überſchwankt: Dein Glaube hat dir 


7*8 


— 10 — 


geholfen; was Hilft es mich (uud mir)? Auf gleiche Weife 

haben die entgegenftehende Begriffe ausprüdenden Berba, als [ch el- 
ten, verleugnen, verrathen, verderben u. a. den Acc. 
der Perfon bei fich. 

Was Hilft dir das? L. N. 2, 1. Ich möchte Die Leute gerne 

fhonen, G. ©. 3, 

Anm. 1. Wenn eine Perfon Gegenſtand des Berbums ift, fo wird flatt 
des Acc. gern der Dativ gefept. Der Ausprud erfiheint dann perſön⸗ 
licher und lebhafter. Es ift eine glückliche Gabe ver älteren (weniger 
der neueren) Sprache, daß fie zu dem einen oder dem andern Caſus 
gesifen darf, je nachdem fie die ruhig erfolgende Einwirkung auf ein 

biect, oder das fubjectivere Verhältniß bezeichnen wil, Was Hilft 
mich das? ift objectiver geredet, was Hirt mir dag? perfönlicher. 
— Biele Berba haben im Neuhochd. den Acc. verloren und falen nun 
dem Dat. anheim. 

Anm. 2. Anlommen und anwandeln erfordern den Acc. der Per⸗ 
fon, doch finvet fih auch ver Dat. bei antommen: Daß keine Sorge 

mich mehr anwandelt. ©. %.6. Mir kommt ein eigen Grauen 

an bei diefem Segen! S. Ivo. Prol, 2. Es kommt ein unbelann« 
te8 Grauen fie alle an. W. 2, 36, 


$. 213. 
Wir haben bisher die Verba erwogen, neben welchen im Sat 


ein einziger abhängiger Acc. erfcheint, obgleich er den Umfländen - 


nach durch den Gen. und Dativ vertreten werben fann. Nunmehr 


bleibt zu betrachten, in wiefern berfelbe Sab zwei Acr., oder ne⸗ 


ben dem Acc. einen Gen. und Dat. enthalten dürfe. 


$. 214. 


Die Conſtruction bes Doppelten Acc. ift ſchon in un- 
ferer älteften Sprache weit befchränfter als in der Iateinifchen, we- 
nigftens für den Fall zweier Subftantive. Häufig tritt ber 
zweite Acc. auf als adjectiviſches Präbicat, — . Zwei Subfl. flehn 
im ec. bei lehren, fragen, beißen, nennen, ſchelten, 
fhimpfen, fehen, zuweilen aud bei glauben, fühlen, fin- 
den. Der eine Acc. iſt meift ein Acc. ber Perfon, der andere 
ver Sache; doch können auch beide perfönlich ſtehn. Häufig wird 
der zweite Acc. dur als (vgl. $. 205, 5.) eingeführt, over auch 
mit demfelben eine Präpnfition verbunden, beſonders bei ernennen 
($. 261.) und ähnl. 

Merden Sie mich aber diefe Tugend in aller ihrer Lauter⸗ 

feit Ichren? 8. Fg. 1,1. Wer hat dich ſolche Streich' 

gelehrt? Uhl. ſchwäb. Kunde. Was ihr den Geift der Zei- 
ten heißt, das ift der Herren eigner Geiſt. ©. F. 1, 38. Ita⸗ 
lien nennt Zeinen großen Namen, den dieſes Haus nicht feinen 
Gaſt genannt. ©. T. 1, 1. Den er ben Mörder feines 

Baters nennt. S. Ivo. 1,5. Erläßt fih nennen ben Wal- 

Ienftein. ©. Lager 8, Der ſich den Guten fhelten Iäßt. 

©, 300. 2, 2. Ms ih mich einen Fremdling fah in die- 


\) 


- 


— 11 — 


Sem Kreiſe. S. P. 3, 4. Nun fand er fi den erfien Was 
henden in feinen Befitzungen. G. Wo. 1, 14. Bielleicht wäre 
ib ber, den bu mich glaubfl. L. Ph. 3. Noch fühl’ ich mich 
benfelben, der ih war. S. T. 3, 13. Wenn einen Freund, 
. den du emft reich geglaubt, auf einmal du als einen Bett- 
ler fändeſt? G. T. 4,2. Den Marquis bat man mir als 
. einen guten Menfhengerühbmt. S. DE. 4, 14. Ich fenne 
dich als einen wadern Streiter. ®. 1, 44. , 


Anm. 1. Bei weifen und verfhweigen, die früher zwei Acc. res 
ierten, feßen wir nun einen Acc. der Sache und einen Datio der 


erfon. 

Anm. 2. Geht lehren in belehren über, fo erforbert ed ven Ace. 
der Perfon, den Gen. der Sache: Es käme nur auf eures gleichen an, 
mich eines beffern zu belehren, ©. 5. 1, 164. Du biſt noch 
jung genug, daß gute Zucht dich eines -beffern Wegs beleh— 
ten famn. ©. 2.2, 3, 

Anm, 3. Bei lehren fordern einige Grammatiker irrig einen Dativ 
der Perfon, obfchon fie auf die Autorität Goethes fih Ligen tönnen, 
der einen Dat. ver Perfon aber nur beim Pronomen gebraudt, 
fo viel ich wahrgenommen babe: Das Leben Iehret jedem, was er 
fe. ©. T. 2,3. Sie lehrte ihm Heine Lieder. G. Lj. 5, 1. Ohne Zwei- 

fel if er (ein beſtimmter Seelenzuftand) das, was einem jeden Tehrt, 
daß ein Gott fer. ©. Lj. 6. 

Anm. 4. Nicht mol nachzuahmen if Goethe in dem Satz: Sie erklet⸗ 
terte den Maft und erzeigte fih als ein Fühner Matrofe, 
Wi. 2, 7. Zwar conftruieren mande Schriftſteller fih erweifen, 
119 egoeigen mit als und dem Nom., was aber ſchwerlich zu bil⸗ 
igen ift. 


8,215, 


Oft ſteht der zweite Acc. adjectiviſch. Beide Acc. können auf 
Perſonen oder Sachen gehn, und einigemal entfpinnen fi) dann 
Doppelte Conftructionen, da zu perfönlichem Acc. die Sache im Gen., 
zu ſächlichem die Perfon im Dat. gefügt zu werben pflegt. Faßt 
man das Formelhafte befonders ins Auge, fv dürften folgenve 
Eonftrurtionen vor andern berüdfichtigt werden: Rund thun; frei, 
los, reich machen; feil haben; voll, Teer, frei laſſen; 
frei, los, ledig ſprechen; tobt, Tebendig, gefund, krank 
finden, fehn,-antreffen; tobt, lahm, krumm ſchlagen; 
fich fatt, blind, die Augen roth weinen; ſich fatt, Frank, 
gefund lachen; fi fatt effen, fehn, fi voll trinken; 
2 fteif fisen; fih müde gehn; fi warm tragen; fid 
todt arbeiten; einen bloß deden u. a. 
Stolz; will ih den Spanier. ©. Df. 3, 10. Ih glaubt’ 
im Befig der fehönften Königin ihn glücklich. S. Di. 2, 11. 
Schlagt ven Hund todt, G. ©. 1. Könnt’ ich doch in beinem 
Thau gefund mich baden! ©. 8. 1, 30. Man ſieht fid 
Teicht an Wald und Feldern fatt. G. F. 1, 60. Jetzt laß mid 
los. ©. F. 1, 74. Sie wollten fich nun zufanmen dodt la- 
hen. ©. Wi. 3, 8. Drauf figen fie, fich recht fatt zu kla— 
gen und zu weinen. W. 9, 21. Da nenneſt uns aunbän- 


- 
n 


— 11 — 


big, roh, gefühllns? ©. T. 2, 1. Verlaßne Bräute rin- 
gen umfonft die Hände wund. Salis, d. Grab. Wird es ihn 
glücklich machen? Nein, aber thätiger fol es. ihn ma- 
hen und entſchloßner. ©. DE. 4, 3. Die Königin Mut- 
ter fand ih krank. ©. DE. 1, 4. Geſchieden von jeder an- 
dern Freude, als ihre Tochter glücklich zu wiffen S.Dk. 
1,4. Du haft mich frei erflärt. G. 8,4, 4. Ich muß. mid 
leichter reiten ums Herz herum. ©. K. 2, 1. Ich fah mein 
Auge blind. Bürger, Schön Suschen. Da will ich mich ‚wie- 
ver geſcheidt oder völlig rafend gaffen. ©. ©. 1. 
$. 216: 

Aehnlich den im vorigen $. angegebenen Conftructionen find die 
Wendungen: Das Blatt voll ſchreiben; einen voll Waſ— 
fers fhütten; den Brunnen leer ſchöpfen; das Schwert 
. ftumpf hauen; das Meffer fharf wegen; das Tuch roth 
färben; das Rind groß ziehen; Das Korn fein mahlen 
u. a. Lauter echt deutfche Redensarten, oft aus lebhaftem Gefühl 
entfprungeu und auf fühner Vereinigung bes Adjectivs und Ver— 
bums zu einem activen Begriff beruhend. Noch frifcher mußten fie 
fein, fo Yang das Adjectiv fleetiert wurde, Kaum läßt fich über- 
fehn, wie auch bier gewiffe Adjective vortreten, namentlich voll, 
fatt, todt, gefund. Sie können ſich fogar manchmal vertreten: 
fatt lachen — todt lachen, während in andern Formeln das Berbum 
wechfeln mag, los bringen = Ins machen. 

Bis wir den Kahn vom Ufer los gebunden. ©. TU. 1, 1. 
Cr ſchnallt den goldnen Helm ſich Ins. Uhl. Gretchens Freu⸗ 
de. Euer Biſchof lärmte dem Kaiſer die Ohren voll, ©: 


5. 
$. 217. 


Partie. Präſ., vorzüglich aber Bräter. werben häufig als 
zweiter Acc. einem erften beigefügt ($. 72.). Folgende Verba kom⸗ 
men bier in Betraht: haben früher mit dem Partie. Praf., jest 
mit dem nf, ($. 58.)5 finden, ſehen und hören mit den Par⸗ 
fit. Praf. und Präter. (auch wol mit dem Inf); bringen mit 
dem Partic. Präter, u a i 

Neben ſich hatte fie einen Korb ſtehen. G. Wj. 1, 2. — Ich 
ſah das junge ſtolze Blut in feine Wangen ſteigen, feinen 
Bufen von fürftlichen Entfchläffen wallen, fah’ fein trunfnes 
Aug durch die Verfammlung fliegen, m Wonne brechen. ©. 
DE. 1, 1. Mit Schreden feh’ ich fie in tiefes Elend berab- 
geflürzt. ©. ©t. 2, 8. Wir finden ihn gewiß bei jenen- Pap— 
peln ſtehn. ©. F. 1, 49. Sie fanden den Jüngling ge- 
- lehnt an ben Wagen ©. Hd. 6, 220: Dann folft du mid 
fnieend ſehen. ©. T. 2, 3. Sie fanden ifn tragend ben 
bunten Henfeltopf. V. 1, 237. Wie gerne möcht’ ich einmal 
Humboldten erzählen hören. ©. Wo. %:7. 


— 103 — 
6. 216. 


Neben dem Acc. Tann aber nun zugleich ein Gen. oder Dat. 
vom Verbum des Sabes regiert werden. Grundſatz iſt bier: Wenn 
Acc. und Gen, züfammen erfcheinen, fo tft der Acc. perfönlich, der 
Gen. fachlich; wenn aber Acc. und Dat. zufammen ftehn, der Acc. 
ſächlich, der Dat, perfönlih. Beide Structuren können zumeilen 
taufchen: Was es auch fei, dein Leben ſichr' ich dir, weil Ihr 
mich meines Lebens habt gefihert. (Schiller, Tell 3, 3.) 
In beiden Fällen iſt der Acc. der eigentliche Caſus bes Verbums; 
bei der aceufatioifch = genitioifchen Conftruction Liegt alfo der Nach— 
druck auf der Perfon, bei der Dativifch - aceufativifchen auf der Sache, 
Das. perfönliche Berhältniß tritt vor in: Ich beraube dich beines 
Geldes, das objective (fachliche) in: Ich raube dir dein Geld. 
Der Unterſchied erhellt noch klarer bei Umfehung in ben pafliven 

Ausdruck: Du wirft Deines Geldes beraubt, bein Geld wird 
Dir geraubt. 
'$. 219, 


Die wichtigften einen Acc. und Gen. zugleich zegierenden Berba 
feinen folgende zu fein: Anflagen, belehren ($..214, 2), 
berauben, beſchuldigen, bezichtigen, entbinden, ent- 
bhößen, entheben, entEfleiden, entladen, entlaffen,. 
entlaften, entledigen, entfegen, entwöhnen, erledi- 
gen, losſprechen, mahnen, überführen, überbeben, 
überzeugen, »erflagen, verfihern, verträften, ver— 
weifen, würdigen, zeiben. Neuhochdeutſch haben fih tie 
Sale dieſer Eonftruction fehr gemindert, und entweder find flatt des 
Gen. Präpofitionen im Gebrauch, wie bei entbinden, entblö— 
Ben, entladen, entlaffen, entfleiden, entfegen, ent- 
wöhnen, Losfpreden,überführen, überzeugen, verfi- 
bern die Präpof. von, bei vertröften auf, bi mahnen 
an, bei bitten um, oder bie Perſon wird in ben Dat., die 
Sache in den Ace. geftellt, wie bei fparen, zumuthen, bereiten 
u. a., die mittelbochdeutfch alle den Acc. und Gen. erforderten. 

Welh audrer Sünde klagt das Herz dich an? S. St. 5,7. 

Geheimnißvoll am lichten Tag laͤßt ſich Natur des Schleiers 

nicht berauben. ©. F. 1, 42. Ich muß des langen Un— 

muths mich entladen. ©. St. 2, 8. Des Eides gegen mic 
eutlaff’ sch fie. ©. Zoo. 1, 5. Iſt keine Stelle, wo ich mei- 
ner Thränen mich entlaften darf, ©. DE. 1, 2. Der Her- 
. 309 kann fih des Gedränges Faumerlebigen. ©. Ion. 3, 
..2. Die Armen verführt, verwildert, aller Zucht entwöhnt. 

S. 9. 1, 3, Ihr zwangt mit frechem Poffenfpiel die Richter, .. 

den Schuldigen des Mordes loszuſprechen. S. Weld 

andrer Schuld verklagt dich dein Geniffen? ©. &t. 5,7. - 

Haft du dich des Deodat und Tiefenbah verfidert? ©. P.- 

2, 6. Wir ſelbſt wnden bes Landes vermiefen ©. R. 2, 

3. Welcher Sünde zeiht Dich dem Gewiſſen. S. St. 5, 7, 


N 
’ 
— 104 — 
x 
® 


Anm. Wie im Latein. die Pronomina manche Eigentpümlichleit in ber 
Gafusiehre Haben, fo ift e8 auch im Deutfhen. Denn daraus iſt es 
Doch wol zu erflären, wenn Sch. DE. 4, 3 fagt: Was ich höchſtens 
Sie zeihen könnte. 

$. 220. g 


Acc. und Dat. neben einander beherrfcht ein Verbum auf zwei- 
fache Weife, je nachdem in diefem Dat, der Begriff des eigentli- 
chen (Iatein.) Dat. oder Ablatios enthalten iſt. Doc ift letztere 
Eonftruction, weil uns der reine Abl. fehlt, im Neuhochdeutfchen 
nicht mehr vorhanden. Der eigentlichen Dat. und Acc. in einem 
Sat ift eine unendliche Menge. So vft das accufativifche Object 
einem Subject genähert oder entfernt werben fol, jfindet ber 
Dat. flatt: Sch bringe, gebe, zeige, berge, entziehe, nehme bir 
den Apfel; ich fage, melde, Teifte, brecde dir das Wort. Alle 
Solche Verba gehn zugleih auf eine Sache und auf eine Perfon. 
Bezieht fi) dagegen die Handlung bloß auf die Sache, ober bloß 
auf die Perfon, 3. B. Ich bebaue das Land, liebe den Vo— 
ter, fo iſt der perfönfiche Dat. unzuläffig, es fei denn ein fo ge- 
nannter Dat. commodi: Ich baue dir (für Dich, deinetwegen) 

das Land, 

Wenn wir's dem Herrn nur überreden. ©. 9. 3, 1. Es 

hat mir Qualen genug gekoſtet. S. St. 2, 8. Hat fie mir 

nicht meines Vaters Liebe ſchon gefoftet? S. DE 1, 1. 

Wenn es ihm nichts als den Umſturz der Gefehe Eoftet? 

S. Di, 1, 5. Nicht ihrem guten Willen dank’ ich die— 

fes Amt. ©. T. 1, 7. Diefer Herzog ſchlug die Väter 

tbnen und die Söhne, ©, Soon. 3, 2. 

Anm. Der Acc. der Perfon bei toften ift felten: Er hätt’ es nimmer . 
aufgegeben, und koſtets ihn das eigne Leben. UL Schwäb. 
Kunde. (Bol. 5. 228, 9.) s. 21 u 


Außer den bereits oben ($. 124.) bemerkten Imperf., die dem 
Acc. der Perfon regieren, gehören noch hierher viele andere, in fo 
fern fie eine active Bedeutung haben: Es ängſtigt, ärgert, be 
fremdet, betrifft, befällt, betrübt, dauert, burftet, er- 
barmt, ergößt, fihtan, freut, friert, gebt an, gelüftet, 
gerent, bungert, jammert, judt, kommt an, fränft, 

ämmert, fhaudert, ſchläfert, ſchmerzt, flicht, treibt, 
verlangt, verdrießt, wandelt an, wundert, ziert. 
Darob erbarmt’s den Hirten bes alten, hoben Herrn. Uhl. 
d. Ueberfall im Wildbad. Da treibt’s ihn, den Föftlichen Preis 
zu erwerben. S. Taucher. Juckt dich zum brittenmal das Fell? 
G. F. 1, 49. 
3) Genitiv. 
$. 222, 


Der Nee, zeigt die vollſte, entfchiedenfte Bewältigung eines 
Gegenſtandes durch den im Verbum bes Satzſubjectes enthaltnen 


+; 


[EEE Ente une Zn Tr EEE — ⏑ — —— — 


— 1055 — 


Begriff. Geringere Objectiviſierung liegt in dem Gen., bie thä- 
tige Kraft wird dabei gleichſam nur verſucht und angehoben, nicht 
erſchöpft. Der Acc. drückt reine, ſichere Wirkungen aus, der 
Gen. gehemmte, modifieierte. In den jüngern Sprachen hat ſich 
bie Rection des Acc. größtentheils erhalten, die bes Gen. meiſt 
verloren und iſt einer präpofitionalen gewichen. Dem Ace. fagen 
: tranfitive, den Gen. intranfitive oder refleriotranfitioa Verba zu; . 
wenn biefelben Verba bald den einen oder den andern dieſer Caſus 
fordern, fo erfcheinen fie dort tranfitiv, bier intranfitiv. Außer die- 
fer Berührung des Gen. mit dem.Ace. tritt aber auch eine mit. 
dein Dativ ein, 


$. 223, 


Den ($. 209.) angegebenen Accufatioeonflruchionen zur Seite 
finden fi, wie bereits port bemerkt, genitistihe. — Haben hat 
nur den pronsminalen Gen. in alter Weiſe: Sch babe deffen, 
fonft fagen wir: Ich babe davon. In der Dichterfprache: Sch 
babenoh des Mutes; „die älteren Sprachen haben bes Klangs 
noch wohl.” (Klopft. an J. 9. Voß.) — Sp auch drehen: Ich 
barf der Blumen breden, und die Berba genießen, bringen 
und ähnl. - Der Gen. drüdt immer den Begriff einer Theilung 
aus und daraus ergibt fich eine merkliche Verfchiedenheit accufativi- 
fcher und genitivifcher Struretur. Neuhochdeutfch Taffen wir auch oft 
noch den Artifel aus: Blumen brechen, Brot effen, gegenüber 

- dem beftimmten Ausoruf: Die Blumen breden, das Brot 
effen. Beides find Ace., aber der unarticulierte Ausbrud iſt allge- 
mein unbeflimmt, ber partitive nur theifweife. 

Sorgſam brachte die Mutter des Flaren herrlihen Wei- 
nes. G. Hd. 1, 166. Unfere Kühe folen ungedroſchener 
Garben ſich weidlich ſättigen. V. 3, 1, 645. Sie tranken 
des köſtlichen Biſchofs. V. 3, 1, 698. Dem Erzeuger jetzt, 
dem großen, gießt Neoptolem des Weines. S. Siegesfeſt. 
Hepraucht der Zeit, fie geht fo ſchnell von hinnen. ©. F. 
5. 
§. 224, 


Bei den Verbis ſein und werden findet ſich ein Gen., den 
man den prädicativen nennen dürfte, weil er ſich leicht im. ein 
fubflantivifches oder adjectivifches Prädicat auflöfen läßt: Frohes 
Mutes fen, andern Sinnes werben... Etwas Partitives Fiegt 
in vielen hierher gehörigen Redensarten. Hänfig tritt auch bier 
die Präpoſ. von ein. Sein und werden drüden ferner einen 
Befib aus und erfordern bann bie befibende Perfon im Genitiv. 

Sein Sohn if hier guter Dinge. % Sch. 12, Ihr habt Euch 
gevaltiam zugeeignet, was ich Euch noch heut zu übergeben 
iltens war. S. St. 1, 2. Ihr wart fonft immer fo ge- 
fhwinder Zunge ©. ©t. 3, 2. Eliſabeth iſt meines- 
Stammes, meines Gefhlehts und Ranges. ©. St. 
ee Brhatlzmich a BET 


— 106° — 


1, 1. Das iſt bei uns Rechtens. ©. St. 1, 7. Welches 
Blutes rühmt ſie ſich zu ſein? S. Bom. Wir ſind alle des 
Todes! S. Ivo. 2, 5. Ich bin ganz Ihrer Meinung. S. 
DE 4, 3. Hier iſt meines Bleibens nicht. ©. T. 4, 3. 
Seid gutes Muths. G. ©. 1. — Dieſes Haus iſt meines 
Herrn des Raifers. S. U. 1, 4 Der Boden ift des Kai— 
fers. ©. F. 2, 17. Eduards werd’ ich nie. &. Wo. 2, 14. . 

Anm. Für willens fein fagt Leffing einmal (Alte Jungfer 1,4): Die 
bat nbch viel vor ihrem Tod in willens, was nicht nachzuahmen. _ 
So ſteht auch ©. G. 3: Ich Hielt hinter einer Scheuer, in willeng, 

fie follten bei mir vorbeiziehn. 


\ $. 225, 


Andere Verba, die den Gen.,. theilweife jedoch auch den Ace. 
regieren, Yaffen ſich unter folgende Begriffe bringen; u 

1) Die Berba: warten, erwarten, harren, hüten, wal- 

ten, pissen, gewohnen. ' 

2) Die Berba der Innern Empfindung: hören, fühlen, 
dbenfen, gedenfen, erwähnen, vergeffen, fi be- 
finnen, ſich entſinnen, fih (und, einen andern) er- 
innern, fih freuen (erfreuen), trauern, gewal- 
ren, wahrnehmen und das imperfonale es jammert, 

3) Die Berba helfen und ſchonen, deren Begriff vorzugs- 
weiſe auf Perfonen geht, haben flatt des Acc. gern den Gen. 
oder Dativ. Dahin kant man auch fparen rechnen, das 
aber vielfach mit den partitiven ($. 222.) zufammenfältt. 

4) Die Berba ſich bedienen und brauchen, befonders in 
‚der Redensart es braucht. 

5) Die Berba desBeginnens und fih Erfühnens, als: be- 

innen, fih anmaßen, fi annehmen, ſich beflei- 
Ben (Sefleißigen), fih bemädtigen, fi bemeiftern, fid 
erdreiften, fich erfrechen, fich erfühnen, fi unter-- 
fangen, fih unterwinden, fi vermeffen, fi ver- 
wegen. 

6) Die Verba lachen, ſpotten, fhimpfen, meift mit per- 
fönfihem Object. | | 
7) Die intranfitiven Begriffe genefen, -fih erholen, erle 
- bigt werden. ($. 219.) 
8) Die Berba leben und erben, aber nur. in befondern Ne- 

Densarten, befonders wenn bie. Art und Weife angegeben ift. 
: 9) Das Berbum ſpielen hat neuhochdeutfch den Acc., und nur 
noch bei Rinderfpielen wird der Gen. zuweilen gehört: Ver— 
ſteckens fpielen. — 

10) Die Privativa, zumal intranſitive: bedürfen, entbeh— 
ren, entrathen, ſich begeben, ſich entäußern, fich 
entſchlagen, ſich enthalten, ſich erwehren, erman— 
geln (mangeln). 


> 


ad 
’ 


— 1017 — 


f1) Die Berba achten, begebren, wahren, verfehlen, 
ſichern ($..218,), gendeßen ($. 209.), ſtrafen, gelü- 
fen, Ti ſcheuen, freilich meiſt nur in befonbern Rebens— 
arten. 

12. Die Reflexiva ſich beſcheiden, entblöden, entbrechen, 


erbarmen, getröſten, rühmen, ſchämen, überheben, 
verſehen, wehren, weigern, wundern. 


4) Willſt du wicht der Blümlein warten? S. Alpenjäger. 


Ihrer wartet noch ein ſchwerer Kampf. S. St. 5, 3. Die 
. Hirten pflegten nes Viehes zu warten. G. Hd. 4, 58, Die 
. Gefabren, die.nun der Gefhwifter warten. ©. %. 3, 1 


Fernando erwartete des frohen Augenblide ©. DE 
1, 4. Vortheile und Nachtheile erwarten überall feiner. 
9.1, 4 Der Hahn harrte des Wurfs. V. 1, 12. Des 
größern Schatzes waltet fein Bater. S N. 1, 3. Sekt 
pflegt fie einen Augenblik der Ruhe. ©. St. 5, 1. Mit 
ihnen pfleg’ ih Raths. ©. Tu, 1, * Sie ſucht des 
Manns zu pflegen und zu warten V. 3, 2, 249. — 
2) Daß er deufen fol des Eid es S. Dk. 4, 21. GedenPf, 
o Rönig, deines edeln Wortes! ©. J. 1, 3. Auch ward peute 


- Morgen ber Königin ſehr väthfelhaft erwähnt, ©. — 4, 4. 
Vergeßt mein nicht, wie ich eurer nicht vergeffe. ©. ©. 1. 


Befinnt Euh eines Beffern ©. T. 1,6, Da befinn’ 
ich mid fo eben eines Mohren. L. N. 2, 2. Wenn Eure 


Heoheit Sich des letzteren Turniers zu Saragoffa noch ent⸗ 


finnen. ©. DE. 1,1. Ich denke, Sie erinnern ſich ber 


. ‚Briefe. S. DE 4, 9. Sch erinnere mich mit Freuden mei— 


ner Jugend. ©. 8.1. 9, weder glüdlihen Tage 


‘ erinnert mich beine ‚blühende Jugend! 2. Ph. 3. Weil der 


Jefapt doch ſchwerlich der Billigkeit fich zu erfreuen hat. 
DE 4, 9. Ich freue mi der ſchönen Blätter aud. 


E 5 T. 1,1. Und wie ih eines Felſenriffs gewahre. ©. 


‚4 4. D nimm ber Stunde wahr, eh’ fie entichlüpft. 
. ©8325 Doch ee biefes halbe Jahr nehmt ja der 


| beften Ordnung wahr. ©. $. 1, 97. Mein edler Feldherr, 


ben des Blutes jammert. ©. on. 1, 11. — 3) Schont 


ver 


feines Schmerzens. ©. TI. 1,.4. Unter — und Liebes⸗ 
reden ſparte man des Weines nicht. ©. Wi. 3, 6. — 
4) Du verloren, wenn du dich nicht ſchnell der Macht be— 


dienſt. S. T. 1, 7. Kein Menſch kann ſagen, ob er nicht des 


Helmes braußt: ©. Yo. Pool. 3. Im Guts zu thun, 
Abraucht's feiner Ueberlegung ©. % 5,3. O dieſes 


Hans braucht. feines -Meifters mehr! S. St. 5, 2. Der 
Srasen braucht's nicht. ©, P. 4, 7. — 5) Deiner hei- 


Figen Zeichen, o Wahrheit, Hat der Betrug fih angemaßt. 


S. Spaziergang. Mancher Fabriken befliß man ſich da 


— 108 — 


und manches Gewerbes. ©. Hp. 1, 58. Es iſt ver Fluch 
der Hohen, daß die Niedern fih ihres offnen Ohrs bemäd- 
tigen. ©. Bom. Nicht um di jedes Greuels zu erfre- 
hen. ©. TI. 4, 3. Nur Graf Leſter durfte ſich an dieſem Hofe 
ſolcher That erfühnen. ©. St. 4, 6. Wie Tann ich ſol⸗ 
ber. That mih unterwinden? ©. Son. 1, 10. Wenn ber 
Squire fih diefer That vermeffen hat. ©. St.5, 4. Sol⸗ 
her Gewaltthat hätte der Tyranı fih verwogen? S. U. 
4, 2. — 6) Warum dürfen: wir ihrer laden! ©. L. 11. 
Des Mütterhen lachten fie alle. V. 1, 348. Doch wollen 
wir bes Zufalls künftig lachen. ©. 5. 2, 105. Sie ſpot⸗ 
ten meiner, Prin! ©. DE. 1, 1. Sidingen, Selbis, Ber⸗ 
Iihingen fpotten des Faiferlihen Anſehens. G. G. 1. — 
7) Sein Weib, ein ihm ſehr liebes Weſen, war eines Kinb- 

leins erft genefen. Langbein d. Hirte v. Oppersheim. — 
8) Wir Teben der fchönften Hoffnung. ©. Wi. 3, 12. Un . 
terbeffen fann man Hungers flerben. ©. Lj. 4, 2. Sie foll 
des Todes fterben. ©. DE. 3,4. Sie Teben und fterben. 
eines frühzeitigen Pflanzentodes. H. 3, 1. Er verwef’t 
eines langfamen, elenden, unnatürlihen Todes. H. 8, 5. — 
9) Die Knaben fpielten indeß Verftedens durch bie kaum⸗ 
erhellten Fichtenflämme. ©. Wi. 1, 4. — 10) Zweier Au— 
genblicde nur bedarf’s, mich mit bir zu verfländigen. ©. 
St. 4, 6. Der Mann bedarf der Geduld, er bedarf auch 
des veinen, immer gleichen, ruhigen Sinns und des graben 
Verſtandes. G. Hd. 5, 25. Niemand fäume zu geben in bie- 
fen Tagen, und Niemand weig’re fi) anzunehmen; denn Niemand 
weiß, wie Tang er Des Aders entbehrt und des Gartens. 
G. HD. 6, 201. Mein Haus entbehrt des Baters. ©. Tl. 
1, 3. Ihrer Diienfte kann ich nicht entrathen. ©. St. 1, 2, 
Die haben ihres Adels, fih begeben. ©. DE. 3, 10. Be- 
gib der fremden Waffen dich. W. 12,5. Ich begebe mid 
des Vorrechts meiner Würde. ©. St. 4, 6. Muß ein zar- 
tes Weib fi) ihres angebornen Rechts entänfern? ©. J. 
5, 3. Wer treulss fih des Dankes will entfchlagen, dem 
fehlt des Lügners freche Stirne nicht. S. Ivo. 2,2. Wer fann 
dabei der Thränen fih enthalten? W. 6, 72. Daß mein 
junger Ritter der überlegnen Macht mit Mühe fih erwehrt. 
W. 1, 58. Wie man der Landesfeinde muthig fih erwehrt. 
©. U. 1, 2. Daß fie der blutigen alten Opfer mangelt. 
G. J. 1, 2. — 11) ®ir ahten nicht des Weges. G. J. 2, 1. 
Wenn Sanct Beit in Perfon meiner begehrte. ©. G. 1. Der. 
weileZalbot, ber bes Siegels wahret. ©. St. 1,7. Es würde 
fie fohmerzen, Deines Anblicks fo zu verfeblen. L. E. 2,4. 
Laß mich der neuen Freiheit genießen! S. St. 3, 1. Gott, 
firafe mich nicht meiner Sünden! L. Fauſtin. Daß der 
füßen Frucht euch ja nicht vor der Zeit gelüfte. W. 1, 3. 


— 109 — 


D felige Raſt, wie verlang' ich bein! Uhl. d. König a. d. Thurme. 
Faſt ſcheu' ih mih des Sonderlings. UN. 2,5. — 12) O9 
erbarme meiner jammervollen eltern dich! ©. Yon. 2, 7. 
Gott erbarme fih des Landes! ©: Ivo. Prol. 3. Der 
Landmann rühme fih des Pflugs. S. DE. 3,10. Def rüh 
me der biut’ge Tyrann ſich nicht! S. Bürgfchaft. Ich fehe wohl, 
baf du des Heinen Dienfts dich ſchämeſt. W. 6, 83. Ich 
ſchäme mih der Unerfabrenbeit und meiner Jugend 
nicht. ©. T. 2, 3. Ihr werdet Eu fo blutig Eurer Madt 
sicht überhehen. ©. St. 3, 4. Der einer folden Scene fi 
nicht versah. W. 1, 67. Seines Lebens wehret fidh der 
Menſch. H. 8, 4. Wehre- deines Lebens did! S. Jos. 2, 7. 
Das ift unjer Herrenrecht zu Arras, und Fein fchönes Weib darf 
fih der Sitte weigern. ©. Ivo. 3, 3. j 
Anm. 1. Mehrere der genannten Berba ertragen auch andere Conſtru⸗ 
ctionen; fo flieht bei: achten, bevürfen, begehren, brauden, 
entbehren, erwähnen, genießen, pflegen, onen, Vers 
fehlen, vergeffen, wahrnehmen, warten (pflegen), in ber 
gewöhnlichen Heve öfters der Acc. Andere conſtruieren mit Präpoſi⸗ 
tionen, fo: ahten, harren, warten mit auf; laden, ſpot⸗ 
ten, walten, fi erbarmen, ſich freuen, ſich wundern 
mit über; fih enthalten mit von, 


Anm. 2. Bei fih erinnern findet fih auch ein accufat. Pronomen 
(vgl. $. 219, Anm.): Ich erinnere mich' s recht aut. ©. P. 1, 2. 
Nur das mußt’ er fich immer erinnern. 3. Paul 82, ' 

Anm. 3, Wie bei dem angegebnen es jammert, fo flebt auch bei 
andern Imperſ. wie: es gelüftet, veut, dauert, lohnt vie 
Sache im Gen. oder auch im Dat. mit Präpof. Vgl. 6. 124 f. 


$. 226. 


Der Drt und die Richtung in Beziehung auf ein anderes 
Sein wird gewöhnlich dur Präpofitionen ausgebrüdt. In eini- 
gen Redensarten bat fish der Gen. feftgeftellt, namentlich in ver 
Medensart bes Weges geben, kommen, die merklich verfchie- 
den iſt von feinen Weg geben. Gehe deinen Weg heißt fo 
viel als: verfolge Deinen Weg, bleib ihm treu; gebe Deines Wegs 
heißt bloß: made dich auf, geh fort! Der Acc. hat das Erfchöpfen, 
der Gen. das Anheben auszubrüden. 

Wir andern alle zogen indeffen unfern Weg. W. 1,32. Ih 
ziehe rüflig meiner Straßen. Uhl. Abreife. Da Tam des 

Wegs ein Mütterhen gegangen. W. 4, 36. Des Wegs 

fam er. S. X. 1,1. Mit. der Hand winkt’ er mir fchweigend, 
meines-Wegs zu gehn. ©. TU. 3, 1. Laßt jeden feines 
Pfades gehen. ©. E. 1. Nun ift der Freund feiner Wege 
gegangen. ©. %. 4, 14. 


— ‚110 m 


4) Dratio. 
| $. 227, 


Die Richtung des Acc. war völlig obiectiv, und Diefer Caſus 
behandelt Perfonen fo fehr wie Sachen, daß fie in das beherrichte 
Subject eines paffiven Sates verwandelt werden können. Auch der 
Gen. iſt Objecho, nur in fohmächeren Grade, und: felbft -Die per- 
fönlicgen Gen. empfangen diefen gelindern objectiven Anflug, . Um- 
gekehrt hat der Dat, ſeinem Wefen nach etwas Perſönliches, 
und fächliche Dative erhalten gleichfam perfönliche Färbung. 


$. 228, 


Die Perba, die den Dativ regieren, find eben fo wenig aufzu- 
zählen als jene, die den er. erfordern. Es find vorzüglich Die 
Vorſtellungen des Näherns und Entfernens, der Liebe md 
des Haffes, des Nubens und des Schadens, die auf- bie 
‚ Frage wem den Dativ erfordern. Eine große Anzahl derſelben iſt 
mit den Vorſylben er, ver, ent und den trennbaren Präpofitionen 
ab, an, auf, bei, noch, vor, zu zufammengefebt. Folgende 
teanfitive und intranfitive Dürften die wichtigften ſein: — 

1) Die Verba der Liebe und des Haſſes, als: flehen, hul— 

digen, Eofen, ſchmeicheln, drohen, fluchen, zürnen. 
2) Die Berba des Nupens und Schadens, als: behagen, 

beiftehn, beifpringen, dienen, frommen, belfen, 
nützen, opfern, weihben, winmen; beneiden, ſcha— 

ben, trotzen. — 

3) Die Verba des Gerätheanlegens, des Lager- nnd 
Nahrunggebeng, als: betten, fireuen, vorgeben, 
vorlegen, vorfegen. ' 

4) Die Berba des Sagens und Abfagens, als: ankündi⸗ 

.. gen, anfagen, antragen, antworten, beiflimmen, 
befennen, danken, erwiebern, geloben, geflebn, 
melden, offenbaren, ratben, fagen, zufagen, zu— 
ffimmen, zuſprechen, zureden, :zuerfennen; abra- 
then, abfagen, entfagen, aufkündigen, wider- 
ſprechen. F 

5) Die Verba des Hörens, Glaubens und Gehorchens, 

Als: hören, horchen, lauſchen, zuhören; glauben, 
trauen; folgen, geboren, ’ 

. 6) Die Berba nes Näherns mb Entfernens, des Gebens 
amd Entziehens, ald: anmeffen, begegnen, beiwoh— 
nen, erfcheinen (feinen), nahen, nähern, berei- 
nen, vergleichen, zeigen, zueilen, zuſehn; anfbür- 
den, aufladen, auflegen, ausliefern (liefern), bei- 
fügen, beilegen, beimiſchen, beiwohnen, borgen, 
bringen, erweifen, geben, leihen, leiften, reichen, 
fhenfen, fhiden, fenden, zuwenden; entfallen, 


— 11141 — 


entfernen, entfliehen, entgehn, entſinken, ent- 
wenden, entziehen, nachſtehn, nehmen, rauben, 
ſtehlen, unterfhlagen, weichen n. a. j . 

7) Die Berba des Gefallens und Mißfallens, als: be 

 bagen, gefallen, genügen, zufagen; mißfallen, 
widern, widerftehn. . 

8) Die Verba des Erfaubens, Befehlens und Verbie- 
tens, als: auffchließen, aufthun, einräumen, er- 
Taffen, erlauben, eröffnen, geftatten, gewähren, 
nachgeben, nachſehn, vergönnen, verfpreden, ver- 
zeihben, zugeftehn; auftragen, befehlen, gebieten;. 
abfhlagen, verbieten, verfagen, wehren, weigern, 

9) Die Verba bezahlen, gelten, Toften ($.220.), nach a h⸗ 
men, rufen und verfichern erfordern nach ihrer verfchieb- 
nen Bedeutung verfchiepne Caſus. Bezahlen erforbert den 
Acc. der Sache und den Dat. der Perfon. Iſt jedoch die Sache 
mit emer Präpofition confiruiert oder ganz ausgelaffen, fo 

. fteht die Berfon auch im Acc. Selten erfordert in der Be: 
beufung von werth fein den Acc. der Sache und den Dat. 
‘ver Perſon; tritt aber die Perſon an die Stelle der Sache, fo 
folfte man fie tm Acc. erwarten; die Schriftfteller ziehen aber 
häufig den Dat. vor. Bei nahahmen fteht im Allgemeinen 
bie Sache im Acc., die Perfon im Dat.; aber man findet auch, 
wenn bie Sache fehlt, die Perfon, die dann gewiffermaßen an 
die Stelle der Sache tritt, nicht felten im Ace., ohne daß da⸗ 
bei immer an ein nahäffen gedacht wird, wie mande Gram- 
matifer behaupten. Rufen hat in der Bedeutung von zuru- 
fen den Dat., in der Bedeutung von herbeirufen ben Acc. 
der Perfon. Berfichern erforvert in ver Bedeutung von gewiß 

machen ben Dat., in der Bebentung von fiher machen den 
Acc. der Perſon. Vebrigens fagen wir häufig: Ich verfichere 
Sie, ih Fann dich verfihern, fo auch Leffing öfters, 
3.2. in ber alten Jungfer. 2, 3. 


4) Der Held lauſchte ihren (ver Dichter) Gefängen, und 


ber Ueberwinder der Welt hHuldigte dem Dichter. ©. %. 
2, 2. Unrecht leiden fhmeihhelt großen Seelen. ©. DI. 
2, 15. Der Strafe denfe, die bie heil'ge Kirche der mangel- 
haften Beichte droht! ©. St. 5, 7. So fluch' ih allem, 
mas die Seele mit Lock- und Gaukelwerk umfpannt. ©. F. 1, 
81. — 2) Dein Bater dient dem Könige. ©. DE. 2, 4. 
Was frommt Euch dieß Geräte? S. oo. Prol. 3. Was 
half dem unfrer Mutter ihre Klugheit? G. T. 3, 2. Ver⸗ 


"folgt den Verbrecher! Euch ift er geweiht! G. J. 3, 1. Was 


wir ihm benetideten. ©. DE. 1, 4. — 3) Er fest die efle 


ſchaudervolle Speife dem Bater vor. ©, J. 1, 3. — 4) Wenn 
mir für ein Vergehen Beſtrafung angekündigt ward. S. Dk. 
1, 2. Und danket dem rettenden Gotte. S. Biürgſchaft. 


— in — 


Selbft: ven Fuͤrſtenmantel, den: ich trage, verdank' ih Dien- 
ſten, die Verbrechen ſind. S. T. 1,7. Daft du dem Könige 
das Huge Wort vermelden laſſen? ©. J. 4, 4. Noch kann 
ich es mir und darf es mir nicht fagen,- daß ihr verlyren fein ! 
.G. J. 3, 1. Sie waren mein, mir zugefprocden von zwei 
großen Thronen, mir zuerkannt von Himmel und Natur. ©. 
Dk. 1,5. Er fol dem Kaiſer oder Euch entfagen. S. T. 
3, 2. — 5) Id Einfamer horche vergebens ihrer Stimme 
und ihrem fommenden Fußtritt. V. 3, 1, 349. Die Jungfrau 
Iaufchte nächtlichem Geſange. Uhl. Maiklage. Bertrau’ 
ihm, fer ihm dankbar! ©. %. 1, 2. Zwar .feh’ ich nicht, wie 
ih dem Rath des Treuen folgen fol. ©. J. 1, 2. Sag’ 
nicht, du müffeft der Nothwendigfeit gehorchen und dem. 
Dringen deines Bolfs: S. St. 2, 3. — 6) Dich heißt dein 
eigen Herz ihm freundlich und vertraulich zu begegnen. ©. %. 
1, 2. Wohntet Ihr dem Ritterfpiel nidt bei? S. ©t. 
2,1. Rann ih ihm nicht ein Retter willfommen erfcheinen. 
S. Bürgſchaft. Diefe Sonne fheinet meinen Leiden. ©. 
5. 1,84. Wie konnt’ ich ohne Zeugen mich ihr nahn? ©. DE 
1,2% Sp fol mid der Tod ibm vereinen. S. Bürgfchaft. 
Den Dichter tell’ mir vor, ber Homeren, Birgilen fi 
vergleichen darf. G. T. 2, 3. Zeiget Euch zum Abſchied 
dem Infanten ©. DE 2,3. Sie ap dem Rampfe zu. 
S. Df. 1, 1. Er Liefert fihb aus dem Tyrannen ©. 
Bürgſchaft. Ich könnt' euch auch von den meinigen borgen. 
G. G. 1. Ich könnt’ eud ein hübfches Kleid geben. G. ©. 1. 
Körper und Stimme leiht die Schrift dem ſſummen Gedan- 
fen. ©. Spaziergang. Es flieht bei Euch, dem Vater einen 
großen Dienft zu Leiften. ©. T. 3, 2. Laßt mir den beflen 
Becher Weins in purem Golde reihen. ©. d. Sänger. Drei 
Tage will ih bir ſchenken. S. Bürgfchaft. Die heilen Zeichen 
‚ fendet uns Apoll. ©.%.4,4. Wende meinem Freunde 
dein Gemüth zu. ©. J. 3, 1. Daß allen Ruderern das 
Herz entſank. S. Tl. 4, 1. Schaf uns Luft, daß wir, den 
. Schab dem Volk entwendend, fliehn. ©. 3. 4, 4. Sehr 
gerne fteht Rarlos dem Minifter nad. ©, Dk. 2, 1. Ich un- 
terfchlage der Freundſchaft mein gefährliches Geheimniß. 
.S. Dk. 5, 3. Und die Gebilde der Nacht weichen dem ta- 

genden Licht. S. Spaziergang. — 7) Es gefalle meiner 
Königin. ©. St. 4, 11. Daß fie nie erfahre, wie fehr fie 
ihrem Sohn mißfällt. S. DE. 1, 1. — 8) Nur die Wol- 
Inft ſchloß dem Laſter ihre Herzen auf. ©. DE. 1,9. Daß 
dem beängfligten Gewiffen bie Kirche eine Zuflucht aufge- 
than. S. Df. 1, 1. Dir ift die Strafe erlaffen. ©. Bürg- 
Schaft. Ich erlaube Euch, ben Prinzen zu verföhnen. ©. DI. 
2, 3. Ich rufe Dianen an, bie ihren Schuß der Priefterin 
gewiß gewährt. ©. %. 1,2. Doch mir vergönne Ihre 





\ — 113 — 


Majeftät. S. DI. 1, 3. Verfprechen Sie mir difes? ©. 

1,2. Thu', was fie dir gebieten. 2, 

. 9 DO Mahler! Mahler! rief ich Taut, belohn' dir Gott dein Ran 
len! Und nur bie allerihönfte Braut Fann dich für und bezah- 
‚ Ten. ©. Renner u. Enthuſiaſt. Wem galt das? Ich glaube 
min © DE 5,3. Es gilt dein leben, du junger Knab. 

Uhl. d. Knaben To. Haft du umfonft den Zodiaf, die Him- 

melsfugel auf diefen Wänden nachgeahmt. ST. 1, 7. 
. Sp ahbmen fie Die Unſchuld fiegreic. nad. ©. Ivo. 2, 10. 
- Der Dieter fol den Künſtler nahgeahmt haben ... Vir⸗ 

gil babe die Künſtler nahgeahmt . A Der Dichter fol 
dem Künſtler nachgeahmt haben. L. L. 6. Bir ah— 
‚men ihm (dem Ewigen) nach, wir ſehen die Gründe, warum 
wir ihn.in diefer Organifation nicht anders erkennen und 
. nahahmen können. 9. 4, 6, 6. Gleichwohl ahmt' er ihn 
.(Bstt) nad. KL. M. 2, 283. Wol den Schöpfer af 
met ihr nach, ihr Götter der ee G. der Park (2, 133). 
.Deutſchland ahmte mih nad, ©. Epigr. 34. Did ruft 
“der Herr zu einem anderen Geſchaͤft. S. Se Proi. 1,10. Ruft 
ber Mutter, fie ſoll Blutwurzel bringen. ©. ©. 5. Haft du 
bich des Deodat und Tiefenbah verfihert? ©. 9. 2,6. Ye 
besmal verfigerte man mir, j wäre ein Glück, daß biefes 
Uebel nun für immer vorüber fe. ©. ie Sie, ibm meine 
Unterwerfung zu verfihern. ©. DE. 4 

$. 229. \ 

Wir haben bereits (K. 124 f.) mehrere Imperſ. gehabt, die theils 
den Acc., theils den Dat. der Perſon erfordern. Der Dativ kommt befon- 
berg vor bei folgenden, die eine neutrale Bedeutung haben, oft aber auch 
herſonin ſtehn können: Es ahnet, begegnet, bekommt, beliebt, 

behagt, entfaällt, entgeht, fehlt, gebricht, gebuͤhrt, 
gedeiht, gefällt, gehört, gelingt, genügt, geräth, ge- 
ſchieht, geziemt, gilt (mir gleich), glüdt, grant, hilft, 
fommt (mir vor), Foftet, mangelt, nüßt, ſchaudert, fhwin- 
delt, träumt, ziemt, und bei allen intranfitiven, die unperfün- 
lich behandelt werben Können, 35. DB. lohnen, verzeihen u.a. 
.. ‚Mir ahnt ein unglücksvoller Augendlid. S. Dk. 1, 2. Das, 
ſagteſt du, gebührt dem Rönigsfohne. ©. Dr. 1, 2. Und 
wenn es uns glüft. ©. 5. 1, 125. Jedem fommt fie 
wie fein Liebchen vor. 81 u. Es manrgelte dem 
Glück der Eltern noch ein Sohn. ©. %. 1, 3. Jh mag nicht 
bin, mir graut es vor. bem Orte. ©. 5 1, 49. Deinem 
"Schwager ziemt’s, fih groß und fürſtlich zu beweiſen. S. 
‚4. 


Anm, Wenn Fr. Ruckert in „d. Begrüßung auf dem Kynaſt“ fagt:. 
O weh der feigen Ritter, die dor dem Brautritt graut! fo gehört 
diefe Eonfiruction zu ven mancherlei Eigenheiten biefes pradaeipand- 
- ten Dichter. Bgl. übrigens $. 219, u. 5. 225, Anm. 2. 

Kebrein Grammatik II. 1. | 8 


' , “ — — 114 — 


Ber den bisher genannten Zeitwörtern war zur Ergänzung bes 
Prädicatsbegriffes mehr oder weniger ein perfönliches Object im 
Dat. nöthig. Der Dativ wirb aber außerbem nicht felten gebrandht, 
wo jene Ergänzung gerade nicht nöthig fl, das nicht ergänzende 
Dbject aber zu den Prädicat in einer Beziehung flebt, welche nur 
als ein Perfonenverhältniß kann gebacht werben, und zwar meiſt im 
Verhältniß des Nutzens oder Schadens 

Du haft fir Andre viel gelebt, leb' endlich einmal dir felber. 
©. T. 2,2. Sein Herz ſchlug der ganzen Menfchheit. ©. 
Dt. 5, 9. Berzweifle Feiner je, dem in ber trübften Nacht ver 
Hoffnung letzte Steme ſchwinden! W. f, 27. Es grünt 
uns fein Halm, es wächlt feine Saat. S. L. 11. Ihren be- 
deutet diefes Opfer nichts. S. DE. 3, 10. Die Uhr ſchlägt 
feinem Glücklichen. S. 9. 3, 3. Die Fremde haft du 
mir verföhnt. ©. Ivo. 3, 4, Dir blüht gewiß das ſchönſte 
Glück der Erde, ©. Ivo. 3, 4. Bin ih derſelbe denn nicht 
mehr, dem bier fonft alle Thüren fprangen. ©. DI. 4, 22. 


B. Rominalrection. 


$. 231. 

Nomina hängen von einander ab. Hier kommen vorzüglich Gen. 
und Dat. in Betracht, weniger der Acc., welcher bei der Berbal- 
rection gerade bie bedeutendſte Stelle einnahm. Inſofern fteht die 
'nominale Abhängigkeit der verbalen gegenüber ; fie wendet fi) vor- 
zugsweile an die bewegten, Iebhaften Cafus, beim Verbum herrſcht 
der rubigere Acc. vor. 


1. Genitiv. 
a) Genitiv, abhängig von Suflantiven. 

Jeder zu einem, gleichviel in welchem Caſus ſtehenden, Sub- 
ftantio gehörige Gen. drückt eine Verbindung beider‘ Gegenflände, 
eine nähere Beftimmung jenes Cafus aus. Folgende Fälle möchten 
vor andern zu erwägen fein: | 

4) Berwandtfhaft, zumal Abftammung und Urfprung. 


2) Herrſchaft, Beſitz, Eigenthum. Bei Benennung der 


Regimenter wird jedoch der Name bes Anführers ohne Flexions⸗ 
zeichen geſetzt. 

3) Ausfluß dieſes Eigenthum und Beſitz bezeichnenden Gen. iſt 
der pronominale, neben dem Poſſefſtvum geltende: In meiner, 
des öffentlichen Schreibers, Gegenwart. 

4) Art und Beſchaffenheit. Die neuhochdeutſche Sprache 


bedient ſich hier meiſt der Präpoſition von oder zuſammenge⸗ 
ſetzter Wörter. Der höhere Styl ſagt jedoch im Plural: Ein 


Mann herrlicher, aber smausgebildeter Anlage. 





— 15 — 


5) In zahlloſen Fällen gibt der Gen. eine Eigenfchaft an; er ift 
amgefehrt ein Gegenftand, welcher durch das Subſt., von wel- 
dem er abhängt, gefchilbert wird, 3. B. die LRinge des 
Weges, die Rühle des Regens. So brüdt auch der herr- 
fihende Cafus aus, wa® von dem im Gen. enthaltnen Gegen- 
fland bewirkt oder gefeiftet wird. \ 

6) Andere Gen. Löfen fi in mehrfahe Präpofitionalver— 
hältniſſe auf: die Vögel des Waldes. 

7) Neuhochdeutſch pflegen wir dem von Subſt. der Theilung 
oder Bereinzelung abhängigen nachgefebten Gen. die männ- 
liche und neutrale Endung zu entziehen (6. 189.). Im ge- 
wählten Ausbrud findet fih auch der flectierte Gen., ohne daß 
dabei dem Subft. immer. ein Adj. nötbig ifl, wie manche Gram- 
matifer behaupten. 

8 In Subſt. deren Verbalfinn noch rege ift, fann active oder 

paſſive Bedeutung gelegen fein, wodurch auch der mit ih- 

. en verknüpfte Gen. ziweideutig wird. Den Zweifel hebt Ge- 
brauch oder Zufammenhang der Rede: Die Ermahnung des 
Sünders (ifl an den ©. gerichtet), die Ermahnung des 
PeaBer (gebt von dem Pr. aus). Der fnbflantiviich ge⸗ 
este Inf. behauptet in der Regel activen Sinn; doch fagen ° 
wir auch unbedenklich mit palfivem Sinn: das Begraben 
der Todten. 


- 9) Verſchiedne Subft. werben formelhaft mit Gen., befonders plu⸗ 


! 


rolen, zu Erhebung des Begriffs verbunden. Oft ‚ver- 
treten fie einen adjectiviſchen Superlativ: Bater aller Armen 
und Unglüclihen; ein Kind des Glücks, des Todes. 
1) Den (Schub) Hat des Friedlands Gattin nicht zu hoffen. 
© T. 3, 4. Grüß den Vater und Vaters Brüder. ©. 8. 7. 


Er iſt guter leute Kind. S. L. 7. Du Ausıng aller töbt- 
- Ti feinen Kräfte. ©. 5. 1, 42. — 2) Wir, in Feindes 
Land, mußten derweil ums fhlecht bequemen. S. 8. 6. Du, Geift 


der Erde, bif mir näher. G. 5. 1, 33. Der Terzky det der 
Mutter Ehrehweine preisgegeben. ©. 9. 3, 1. Ich bin doch 


an bekannt in allen dunkeln Eden dieſes Hauſes. ©. P. 


8, 4. Sch bin des Kaiſers Offizier, fo ang’ ihm beliebt, 
des Raifers General zu bleiben; und bin des Friedlands 
Knecht, fo bald es ihm gefallen wird, fein eigner Herr zu fein. 


S. P. 4, 4. Ihrem Beifpiel folgen die Regimenter Tiefen- 


bach, Toscana. © T. 3, 15. — 3) Das fonnte nur durch 
feine, des Aufnehmenden, Kräfte beflimmt werben. 9.9, 1. 


Ich wi bir alfo nur geſtehn, daß ich es aus feinem eignen, des _ 


: Fürften, Munde habe. 5.9.5, 1.— 4) Aus allen Randen treffen 
bier Raufluftige zufammen, um Geſchoͤpfe edler Abkunft, forg- 
+ fältiger Zucht ih zuzueignen. ©, Wi. 2, 9. Eilig teodnet’ 


ee ab die Thräne, der Jüngling edlen Gefühles. G. Hp. 


: 4, 66. Gewiß waren es Männer göttliger Natur, bie 


8 


— 416 — 


zuerft lehrten, gegen Schuldige gelind, gegen Verbrecher ſchonend, 
gegen Unmenſchen menſchlich zu fein! ©. Wi. 1, 4. Beeren 
wilder Art all ihre Koſt. W. 1, 5. Jetzo erhuben fih neue 
geheimnißsolle Geſpräche ſchickſalenthüllenden Inhalts. 
K. M. 1, 188. Ungern vermiff’ ich ihn doch den alten cattune- 
nen Schlafrock, ächt oſtindiſchen Stoffs. ©. Hp. 1,33, Die 
Adreffe feines Briefes führte ihn an ein Haus von alter, ernfter 
Bauart, doch wohlerhalten und reinlihen Aufehns. ©. Wi. 1, 
12. — 5, 6) Der Vortrag macht des Redners Glück. ©. 
8. 1, 37. Der Freunde Eifer iſt's, der mich zu Grunde 
richtet, nicht der Haß der Feinde. ©.T. 3, 16. Er wies im 
Vertrauen mir Briefe vor der Schweden und der Sacſen. 
S. P. 5,1. Wie flrafbar auh des Fürften Zwecke waren. 
S. P. 5, 1. — 7) Du wollteſt fie am Ende mit einen elen- 
den Stück Geldes abfertigen. ©. 9. 2, 5. Ein Herz, wie 
Eures, wiegt Tonnen Goldes auf. ©. P. 4, 4. Es bleibt 
nichts übrig, als eine Handvoll leichten Staubs. ©. Ivo. 3, 6. 
Sch brachte die Flaſchen Weins und Bieres hervor. ©. Hp. 
2, 78. — 8) Uns gebe die Erinn’rung fhöner Zeit neue 
Kraft. G. J. 2, 1. Der Unterricht meiner Lehrer bauerte 
fort. ©. Lj. 1, 8. Stets warſt du mir der Bringer irgend e i⸗ 
ner f[hönen Freude. © P. 2, 4 Man zeihe Sie verweg- 
ner Meberfihreitung der anvertrauten Vollmacht, frevent- 
licher Berhöhnung höch ſter Faiferliher Befehle. S. P. 1, 2. 


d) Genitiv, abhängig von Adjectiven. 
$. 233. le 
... Die Zahl der Adj., die den Gen. regieren, hat fich gegen bie 
frühere Sprache gemindert. Viele nehmen dort das fie näher be- 
fiimmende Subft. im Gen. zu fi, wo wir heute die früher ſchon 
hin und wieder auftretenden Präpof. von und an.gebraucdhen, wie 
bie Adi. der Farbe, ver Näffe und Dürre, ber Stärke und 
Schwäche nu. a. Andere nehmen ven Gen. zu firh, geflatten aber 
auch die Conftruction mit Präpofitionen, wie fähig, befugt, 
froh, voll, rein u. a.; wieder andere eonftruieren. meiſt den 
Ace. wie inne, anfihtig, gewohnt, gewahr, Ins. Mit 
dem Gen. werben jetzt noch vor andern confleniert bie Adjective: 
anfichtig, bebürftig, befliffen, befugt, begierig, be— 
nöthigt, berichtet, bewußt, eingebenf, eimig, :em- 
‚pfängig, fähig, frei, froh, gefällt, gewährt, gewär« 
tig, gewahr, gewahrt, gewiß, gewohnt, habhaft, inne, 
funbig, ledig, leer; los, mächtig, müde, nöthig, unth, 
quitt, rein, hatt, fchuldig, ſicher, theilbaftig, über 
brüßig, überboben, uabefümmert, unwiffend, ver 
dächtig, verluftig, vermutbendb, voll, werth, würdig, 
and ihre Sproßformen mit ug, wie unfähig, unwürdig u a. 
Auch das veraltete verblichen (des Todes) gehört hierher, fo wie 


— 11 —. 


wiele aus folchen Zeitwörtern, welche ben Gen. regieren, gebifbete 
Arj., wie beſchuldigt, verflagt, verwiefen u. a. und bie 
Partic. Praͤſ. derſelben Zeitwörter. 


Als der Herr mein anſichtig ward. ©. TI. 3, 1. Die Hengſte 
rannten nach Haufe, begierig des Stalles. ©. Hd. 6, 313. 
Die Steuerlente wiffen vor großer Furcht nicht Rath’ und find 
des Fahrens nicht wohl berichtet. ©. TU. 4,1. Der 
Unfhuld, des unverführten Willens mir bewußt. ©. T. 
4,4 Schon ift man Handels einig. ©. DE. 2, 8. Wenn 
wir, ber größeften Wärme und Kälte gleih empfängig, 
durch die weiten Regionen des Himmels fchiffen Fönnten. 9. 1, 2. 
Gebt ift die Seele ihrer Bande frei. ©. Ivo. 3, 5. Mun⸗ 
ter entbrennt, bes a Ana froh, das freie Gewerbe, 
S. Spaziergang. Aber weſſen bas Gefäß iſt gefüllt, davon 
es fprudelt und überquillt. ©. 2. 8, Ih warb meines Wun- 
ſches gewährt. ©. ©. 2. Die Starken fichn gehorchend je- 
bes Winks gewärtig. ©. F. 2, 223. (Des Dichters Winf 
gewärtig melodiſch Flingt bie Durchgefpielte Leyer. G. Sonette 3.) 
Kaum wird die ritterlide Schaar der beiden Reifigen ge- 
wahr. W. 3, 2. Dan wird bier einer wohlgebauten Stadt. 
gewahr. G. Wj. 2,9. Es wäre mein und meines Det 
hens übel gewahrt geweien. G. ©. 3. Wer hat euch deſ⸗ 
fen. fp gewiß gemadt? ©. DE. 3, 10. ‚Schon Tängft ge- 
wohnt der wunderbarften Dinge. ©. 5. 2, 75. Nicht des 
Schwerts gewohnt ift diefe Hand. ©. Ivo. 2, 7." Er iſt 
bes Zwanges ungewohnt. ©, Df. 2, 10. Sie werben 
ihres Wahnes inne werden. ©. Ivo. 5, & Großer. 
Dinge werd’ ih inne. Uhl. Wunder. Ich bin des MWegs 
nicht Fundig. ©. TU. 5, 2. Alles Zweifels ledig, rein 
von Schuld läg' ih in meiner flillen Gruft, ©. St. 4,9. 
Alles Troftes leer. W. 9, 1. Nun bift du los der all- 
auläftigen Schwere ©. F. 2, 49. Sie fonnte der augen- 
licklichen Beforgniffe nicht Ins werden. ©. Wo. 1, 2. 
Der Schlüffel bin ih mädtig. ©. St. 3, 6. Der Tell 
fei frei und feines Armes mächtig. ©. TI. 4, 1. Ich bin 
des Lebens und des Herrſchens müde. S. St. 4, 9. Wie 
konnt' ich auch vermuthen, daß du deiner Königin ſo müde 
wäre? L. N. 2, 1. Sobald ver Menſch Menſch wird, hat er 
‚eines eigentlichen Herrn mehr nöthig. H. 9, 4, 1. Mei—⸗ 
— ner Freundſchaft find Sie quitt. 2. Sch. 3. Nein des 
gerechten, unfhuldigen Bluts. K. M. 4, 529. Ich bin des 
trocknen. Tons nun fatt. ©. F. 1, 99. Auch du hältſt mid 
- der fohweren Sünde fhuldig? ©. Ivo. 5, 4. Des Da- 
- ters, find wir fiber duch den Sohn. ©. T. 3,2. Die Tau- 
. fende, die Diefer großen Stunde theilhaftig find. ©. DE 
3, 10. Ueberdrüßig bin ich diefer Sonne. ©. Yon. 3, 6. 
. Herr Hüon, unvexrhofft des Umwegs überhoben. W. 3, 49. 


= 


% 


118 — 
Des Borgangs unbelümmert. W. 1, 88 Nawiffene 
der eigenen Würde. 8. M. A, 645. Ein Schluß bes Parla- 
ments erflärt dih des Throns verluſtig. S. Ivo. 1, 5. 
Spider Ergebenheit war ich mir wirklich nicht vermu- 
thend. ©, Df. 4, 14. Sein Auge voll Ruhe, voll des um 
wiberftehblihen Feuers ber furchtbaren Tugend, fchredte bie 
Sünder. 8. M. 4, 394. Bin ih Sünd’ger folder Önaden 
werth? ©. Ivo. 1, 10. Ihr feid eurer großen Väter werth. 
G. T. 1, 1. Vielleicht befürchtet ihr, die Sphäre zu verfehlen, 
bie eures Geiftes würdig iſt. ©. DE. 3, 10. 
Anm. Leber voll mit vem Dat, ohne Präpof. $. 195, Anm. 





c) Genitiv, abhängig von Pronominen. 
5. 234. 


Der Gen. beim Pronomen hat etwas Partitives. Wenn’ wir 
fagen: Manche, viele, Binige dieſer Männer, fo follen fie in 
bem Begriff der Menge hervorgehoben werben, baher auch Die Um— 
ſchreibung: von, unter diefen Mämern. War aber die Bor- 
Reg ber Bielheit unangeregt, fo heißt es bloß viele, manche, ei- 
nige Männer, umd dann liegt der Nachdruck auf dem Adj. (Pron.), 
dort auf dem Gen. Im Eingang wird geſagt: Einige Leute, im 
Fortgang: Einige von den Leuten. Doch bei allgemein bekannter 
Mehrheit darf auch ſchon partitiv begonnen werden: Viele unter 
den Menſchen. Der Gen. läßt ſich meiſtens durch die Präpoſ. von, 
einigemal auch durch aus, in, unter umſchreiben. — Dieſer Gen. 
kann nun ſtehn bei dem Interrogativum wer und was ($. 181.), 
bei niemand (anders), beijeber, mander, jeglicher, viele, 
einige. . — 

Seitdem der König ſeinen Sohn verloren, vertraut er Wenigen 
ber Seinemmehr. ©. J. 1,2. Manche ihrer Schiffe 
wırden von der Ebbe übereilt. S. Bel. v. Antw. So viel 
als ihrer find, find Betrüger. 8%. J. 2. Jeder meiner 
Freunde faß froh bei fenem Herzchen. ©. Stirbt d. Fuchs. 


d) Genitiv, abhängig von Zahlwörtern. 
‚$. 235. 


An den Gen. bei Adj. und Pron. fihließt ſich der bei Zahl 
wörtern, die ohnehin mit manden Pron. genau verwandt find. 
Man bat Hier zwifchen einfachen und zufammengefeßten zu unter- 
ſcheiden. Steckt in der Zufammenfegang ein Subſt., fo hängt von 
diefem der beigefügte Gen. ab, ohne Rüdficht auf die ſyntaktiſche 
Bedeutung. Do kann allmalich das verbunfelte Compofitum wie- 
der den Schein einer einfachen Zahl annehmen und dann auch in 
Bezug auf Nection den übrigen gleichfteßn. Mit einer einfachen 
Zah fol entweder bloß gezählt oder der Fleinere Theil einer grö- 
Bern Menge bezeichnet werden. Im letzten Fall iſt der Zahlbegriff 


N 





— 119 — 


partitin und das Subſt. kommt in den Gen. Nenhochdeutſch 
fällt die Form bes Gen. Plur. durchgängig zuſammen mit ber bes 
Nom. und Acc. und nur der Artikel hebt für dieſen Cafus die Par- 
titteconfiruction hervor: Zwei ber Männer, Unfer einer. Hänfig 


tritt hier bie Praͤpof. von ein. 


Es zogen drei Burſche wohl über den Rhein. Uhl. d. Wir⸗ 
thin Tochterlein. — Drei Biertel der Armee vernahmen 
Sie. S. P. 1,93. Auch im Lager gibt es der braven Männer 
genug, ©. P. 5, 1. Er könnte daran denken, dreißig Tau- 
ſend geprüfter Truppen, —E Sol da ten von Eid 
und Pflicht und Ehre wegzulocken? 5, 1. — Hoch ſtellte 
Sie bie Vorſicht, — höher, Prinz, Bi Millionen Ihrer 
. andern Brüder S. Df. I 5. Erbitte Dir von ihm vier 
feiner Backenzähne. W. 1, 67. Ein natürlich Gift, das’ 
. neun ganzer Jahre it. ® 8, 3. (Aber es ift bach was 
ganz eigenes, neun ganze Jahre weg fein. 2. Sch. I.) Wenn 
unjer eins am Spinnen war. ©. * 1, 87. Vor Ilios ver⸗ 
bracht' er langer Jahre zehn. ©. F. 2 201. So ſind — 
F r drei über anfehnliche Landesftreden zu gebieten befugt. G 
j. 3, 12. 


2) Datim 
J a) Dativ, abhängig som Subftantiven. 
$. 236, 


Beim Dat. berrfchen: wieder perſonliche Berhältniffe im Gegen⸗ 
ſatß zu den objectiven des Gen. vor. — Ein eigentlicher Dat. wird 
—3* — neben Subſt. ſtehn können, in welchen ein verbaler oder 
—— Begriff lebendig iſt, von dem der Dat. abhängt. Ein 
Dat. iſt denkbar und findet ſich wol auch bei den Subſt. Nachbar, 
Vorläufer, Helfer, Rathgeber, Beiſtand u. a. 
Orions Amme war die Ur-Urenkelin. ©. F. 2, 0 Sy 
ſprich von Seylla, Teiblih dir Gefhwifterfind ©. F. 2, 
1 Er iſt ein Mufter Bürgern und Bauern, ©. Hd. 
14 » 


» Dativ, abhängig von Adjectiven: 
$. 237, 


Die hierher gehörigen Adj. beziehen fi meiſtens auf Perſonen 
und erinnern in ihren Begriffen vielfach an die den Dat. regieren⸗ 
den Verba ($. 228.). Sie laſſen ſich m folgende Claſſen trennen: 
1) Adj. Ber Güte, Milde, Strenge, Härte; 2) Adi. der 
Nähe und Kerne; 3) ber Aehnlichkeit, Gleichheit, Un- 
ähnlichkeit und Ungleichheit; 4) Adj. ber Angemeffen- 
deit and Einſtimmung; 5) dj. der Gemeinfhaft; 6) Adj. 
der Runde;. 7) Ay. ber Möglichkeit. Folgende bürften bie 
gebränchlichſten fein: abgeneigt, abhold, abtrünnig, ähn- - 


vs 


* 


— 120 — 


lich, angeboren, angemeſſen, angenehm, angeftammt,: 


anhängig, anſtändig, anſtößig, ärgerlich, bange, be— 
denklich, begreifli, bebaglich, behilflich, bekannt, 
bequem, beſchieden; beſchwerlich, bewußt, dank— 
—bar, deutlich, dienlih, dienſtbar, dunkel, eigen, ein— 
leuchtend, ekelhaft, empfindlich, entbehrlich, erge— 
ben, erinnerlich, erlaubt, erſprießlich, erwünſcht, 
feind, ferne, förderlich, fremd, gefährlich, gehorſam, 
geläufig, gelegen, gemäß, gemein (gemeinſam), ge— 


neigt, gefund, getreu, gewachſen, geweiht, gewogen, 


glaublih, gleich, gleihgiltig, gnädig, günſtig, gut, 
heilig, heilfam, hei, hinderlich, Hold, Falt, Flar, koſt— 
bar, fund, lächerlich, Täftig, Leicht, Lieb, möglich, 
nachtheilig, nabe, nöthig, nützlich, peinlich, räthſel— 
haft, rathſam, rädfländbig, rühmlich, faner, ſchädlich, 
ſchimpflich, ſchmeichelhaft, ſchmerzhaft, ſchrecklich, 
ſchuldig, ſchwer, theuer, treu, übel, überflüſſig, über— 


legen, übrig, nnerwartet, unfreund, unterthän, un 


tertbänig, unverhofft, verächtlich, verantwortlich, ver- 
bindlih, verdächtig, verberblidh, verdrießlich, ver- 


gönnt, verhaßt, verftändlich, verwandt, vortheilhaft, 


wahrſcheinlich, warm, werth, widtig, widerlich, wi- 
drig, willfommen, wohl, zugethban, zuträglid; dann 
ihre Sproßformen mit un und noch andern, welche von Verben ge= 
bildet find, die den Dativ regieren, | 


Sitta iſt ganz ſich ferbft nur ähnlich. UN. 5,6. Nicht 
wohlanftändig wär mir’s, die Verwandte in Mangel zu 
fehn: vorwerfend wär’ mir ihres Mangels Anblid, S. St. 
2,9. Ihm mot’ es wohl befannt fein. S. DF.2,5. Wenn 
du ſterblich bift, wie ich, und Waffen dich verwunden, To Fann’s 
auh meinem Arm beſchieden fein. S. Ivo. 2, 7. ' Biel 
it mir bewußt. ©. 5. 1, 81. Unfer Regiment und bie an- 


dern vier find ihm ergeben und gewogen. © % 2. Den: 


Grafen möchten fie auch gern meinem Mann feind-machen. 
G. ©. 1. As man hörte vom Rechte der Menfchen, das allen 
gemein fei. &. Hr. 6, 9. Sein Hz if Dem Bolfe nicht 
geneigt; warum iſt alle Welt nem Grafen Egmont fo hold? 


‚1. Mein Herz, nur einem Einzigen geweiht, um- 


ſchloß die ganze Welt. ©. Di. 4, 21. Ein Oepeimmif, das je- 
nen flarfen Giften gleich die Schale fprengt. S. DE. 2, 4, 
Wie gnädig ber Inſant dir ıfl. S. Dk. 2, 4. Noch iſt das 


Glück ung günftig. ©. DE. 2, 10. Ich wußt' es wohl, daß. 


bu mir gut geblieben. ©. DE. 5, 1. Diefes Ufer ward bir 
hold und freundlich. ©.%. 1,2. Ob mir nidt manch Ge- 
heimniß würde fund. ©. F. 1, 30. Bier nah fühl ich mid 
dir. ©. F. 1,35. Der liebe Gott, der weiß, wie ſauer mir 
der Antrag ward. URN. 1,4. Wem eine Thräne dir theuer 





2 


" — 11 — 


| MS. Di 1,2. ‚Sp-Tang verehren wir die Lüge, der Rolle 

tren. ©. DE. 1,7. Der Bater, der dem Fürſten fo un- 
I freund iſt. ©. L. 4. Ihr fein nicht dieſer Königin un— 
terthan. ©. St. 3, 1. Du kannſt das Urtheil über die nicht 
fprehen, die bir mit .unterthbänig if: S. St. 2, 3. Dann 
geht das Cantoniren an, dem Bauer eine Laſt, verbrießlid 
jedem Edelmann, und Bürgern gar verhaßt. ©. Rriegs- 
glück. Was ihn Euch widrig macht, macht mir ihn werth. 
S. St. 1, 3 Die meiften find mir zugethan. ©. DE. 1,2. 


3) Accuſativ. 
$. 238. 


Nur in wenigen und feltnen Fällen wird Abhängigkeit des Acc. 
von einem andern Nomen des Gates behauptet werben fönnen. Er 
ift der Cafus des Verbums, wie der Gen. des Nomens. Da, wo 
Nomina ihre angeftammte Verbalfraft befonders ‚rege erhalten ha- 
den, mögen fie auch noch den Acc. regieren. — Der Acc. beim. 
Subftantiv flände zu vermuthen neben ſolchen Subfl., die ans 
Verbis abgeleitet den Begriff der Handlung perfönlich faffen, fich 

aalſo faft wie Participia verhalten. ber er läßt fih mit Sicher⸗ 
beit nicht einmal in ben älteren Sprachen (alt= m. mittelhochd.) 
nachweifen. | | 


* 


J 


‚Aceuſativ bei Adjeetiven. 
6. 239. 


Einige Adj., bie in der älteren Sprache ben Gen. bei ſich ha- 
ben und ihn theilweife auh jetzt noch geftatten ($. 233.), nehmen 
num mehr ben Acc. an. Dahin gehören außer den Adj., welde bie 
Größe eines Gegenſtandes nad) Raum und Zeit angeben, wie alt, 
lang, die, od, breit, tief, weit, groß, ſchwer, befon- 
vers folgenbe: anfichtig, gewahr, gewohnt, inne, los, 
müde, reich, fatt, werth. 

Sobald mich die Räuber anfıhtig wurden. L. J. 4, 2. Als 
- 2 die Blinde aus Blumenbühl auſichtig wurbe J. 87. 
Das Fränlein wird den Wirth gewahr. L. M. 2, 8. Ja 
felo Die Thürme ber Stabt wollte einer gewahr werben. 
G. Wo. 1, 9. Den Künftler wird man nicht gewahr. ©. 
DE. 3, 10. . Spät war er die fleigende Erwärmung bes 
linken verhluteten Armes inne geworden. 3.8. Ich will Gott 
danfen, wenn ich die Narren wieder aus dem Haufe [od 
bin. 2%. Ig. 3, 16. Wie wir die fpanifhen Befagungen 
[08 waren, holten wir wieder Athem. G. E. 1. Wer ein Ie- 
bel los fein will, der weiß immer, was er will. ©. Wo, 1, 2. 
Ein eigner Hard, ein braves Weib, ſind Gold und Perlen 
werth. ©. 5. 1,164. Bin ich die ritterlihe Rechte nicht: 
wertb? ©. ©. 1. Er Tieß. auf bem Boden berfelben einen 


— 12 — 


hohlen Kaſten yon Dxunverfleiien manern, ber fünf Shube 
breit, vierthalb Hoch amd vierzig lang war. ©, Belager. v. 
Antwerpen. FL 


0) Partikelrection. 
1) Adverbien. 
$. 240, 


- Waren e8 ſchon in der frühern Sprache nur wenige Abverbia, 
bie, weil fie dem Verbum eine Beſtimmung hinzufügen (mie die 
Adi. den Subft.), einen Caſus een fo find es neuhochdeutſch 

noch wenigere. — Adverbia der Bielheit oder Wenigfeit, die 
mit dem neutralen Acc. erzeugt werben, regieren den Gen. Ge- 
wöhnlich aber verliert neuhochdeutfch der Gen. bei allen diefen Wör- 
tern feine Flexion: Mehr Mut, mehr Geld, wenig Glüd, ein 
wenig Athbem, genug Wein, — Gleich dem interrogativen Pro- 
nomen ($. 181. 234.) haben auch die barans gebildeten Drtsad- 
gerbien ben Gen. bei fih: Woher des Landes? woher des 
eges? W 
Bin ich denn nicht Frauenzimmers genug? L. J. 1, 10. 
Das Studiren iſt mir Vergnügens genug. L. Ig. 1, 2. 
Hätte ich nicht Gelds genug gegeben? G. ©. 1. Wie noch 
der Bäfte mehr? ©. P. 1, 2. Biel Glücks, Herr Pfar- 
rer von Seldorf! V. 2, 468, 


2) Eonjunctionen und Interjectionen. 
“ $. 241. 


Diefe geht im Grunde der Caſus nichts am. Sie treten in bie 
Rede ein und Laffen jeden fonft woher abhängigen Cafus unmittel- 
bar auf ſich folgen, 3. B. nad ber hinter Comparativen gefehten 
. Partikel Denn oder als mögen alle Caſus ſtehn, welche bie Con» 

ſtruction erforbert: Er iſt älter als ich; ich erwähne Tieber fein 
als dein; ich gebe mehr bir als ihm; ich liebe ihn flärfer als 
dich. — Oſt iſt die Grenze zwiſchen Eonjunction und Präpofition 
fhwanfend, z. B. das weiß niemand außer mir (Präpof.), außer 
ich (Conj.). Bon ben Interjectionen find befonders wohl und 
weh! zu bemerken, jenes mehr Adverbium, dieſes bloß Interjechion 
ſubſtantiviſches Urfprunge. Weh bat gewöhnlich den Dat., wohl 
den Dat. und Acc. der Perfon neben ſich, aber .auch einen Nom. 
der Perſon und außer dem perfönlichen Bafus Gen. der Sache, 

Nom. oder vielmehr Vor. im Zuruf. Die Ausrufe O und Ad! 

geflatten alle Caſus. 

Weh dem, ber fern von Eltern und Gefchwiftern ein einfam 
Leben führt! ©. 3. 1, 1. O weh der Lüge! ©, J. 4, 1. 
Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle bewahrt die kind⸗ 

ich reine Seele. ©. Kraniche d. Ib. D des Gewühlo. V. 


— 13 — 
1, 185. O des Glüdlichen, dem es vengännt iſt, Eine Luft 


aut Euch zu athmen. S. St. 1, 6. O mich Vergeßlichen., 


R. 3, 2. Wohl ans des Königs, den wir ha’n. Claudius: 
. Die Biene. 
3) Präpoſitionen. 
9.22, 


‚ Während Abverbien Unabhängigkeit im Satz behaupten, Con- 
junctionen auf die Verknüpfung einzelner Glieder des Sages, haupt- 
fächlih aber mehrerer Sätze unter einander gerichtet find, erſchei⸗ 
nen Präpofitionen als weientliches Clement des einfachen Satzes. 
— Alle Präpofitionen regieren Cafus. Spntaftifch be- 
trachtet ſtehn aber erft.Präpof. und ihr Cafus zufammen dem flec- 
tierten Nomen gleich, das fie vertreten. In der Regel vermitteln 
fie die Beziehung eines Verbums oder andern Nomens auf das von 
ihnen regierte Nomen. Die Rectionskraft liegt nicht allein in ber 
Prapofition, fonft könnte z. B. in nicht zwei Caſus regieren. 


6. 243. 


. Ueber Urfprung und Bildung der Präpofitionen hat die 
Grammatif Rechenfchaft zu geben, die Eytwicdlung ihrer Nection 
. fällt der Syntar anheim. Rad dem bisher befolgten Gange follen 
nun zuerft bie Präpofitionen abgehandelt‘ werden, welche mit dem 
Berbum, dann die mit dem Nomen conſtruiert werden und zulebt 
die abverbiafen, aber nur nach ihren bedeutendſten und lehrreichſten 


Erſcheinungen, da an eine Erfchöpfung der zahlreichen Falle nicht. 


u denken tft. Doch möge biefer Betrachtung eine allgemeine Ueber⸗ 
—* ihrer Bedeutung und der von ihnen regierten Caſus 
vorausgehn. 


a) Rection der Präpoſitionen. 
$. 244. 

Borerft zerfallen alle Präpofitisnen in eigentlihe: Aus, 
. außer, bei, mit, nach, ob, von, zu, burd, für, gegen, 
um, wider, an, auf, hinter, in, über, unter, vor, und 
uneigentlihe: Halben, oberhalb, diesſeits n. a., bie 
jedoch, da fie fontaftifch beſtimmte Caſus erfordern, bier zufam- 
mengenommen werben. 

Äsrer Rection nach zerfallen fie in: 

1) Präpofitionen mit dem Genitiv: Anſtatt (fait), halb, 
(halben, halber), außerhalb, innerhalb, oberhalb, un- 
terhalb, diesſeits (diesfert), jenfeits (jenfeit), Fraft, 
laut, mittels (vermittels, vermitteifl), unfern, unge: 
achtet, unweit, um — willen, vermöge, von — 

- wegen, während, wegen. 

2) Präpofitionen mit dem Dativ: Aus, außer, binnen, 
entgegen, gegenüber (genüber), gemäß, mit, nad, 


— 114 — 


nahf, nebſt, fammt (zufammt), feit, von, zu, zu— 

wider. F 

3) Praͤpoſitionen mit dem Acrcuſativ: Bis, Durch (qhindurch), 
entlang, für, gegen (gen), ohne, fonder, um, wider. 

4) Präppfitionen mit dem Genitiv und Dativ: Längs (ſeltner 

. mit dem Dat.), ob, trotz (feltner mit dem Dat.), zufolge. 

5) Präpofitionen mit dem Dativ und Accufatio: An, anf, bei, 
hinter, in, inner, neben, ober, unter, über, vor, 
zwiſchen. 0 


Anm. 1. Theilweife regieren die Präpofitionen früher andere Caſus. 
Diefe Rection hat fich ‘in ‚einzelnen Germen noch {a ei ‚als: außer 
Landes, unter Weges, indeſſen, unterveffen, laut Brie— 
fen, vor Alters, . 


Anm. 2, Ohne erträgt feine Conftruction mit dem Dativ; doch 
findet fih nicht felten opnedem bei ven _beffern Schriftftellern, z. B. 
bei Goethe Lehrj. 3, 9. Melina, ver ſich ohnedem nicht zu beifen 
wußte, und 7, 8: Es tft ohnedem jetzt ganz einerlei, Ber Leſſing 
(Nath. 2, 5) fand früher: Mein Leben war mir ohnedem in dieſem 
Augenblide Yäftig; in der Carlsruher Ausg. flieht jebt ohnedies. 
Mit nachgefegtem ohne fagt man Zweifels ohne — Während 

ebt fehlerhaft mit dem Dativ bei 3. Pant Titan 13: Ich ging 
wichtigen Begebniffen entgegen, die während dem Zurüdtras . 
gen des Tafelgeſchirres vorfielen. Uebrigens kann man auch häufig 
während dem wie oyng dem hören und Iefen. Die Pronomina 
fheinen manche Freiheit in Anfpruch zu nehmen. Vgl. $. 219, Anm. 
225, Anm. 2. — Entlang forbert ven Acc. Schiller gebraucht es 
einmal (in ver Braut von Meflina) fehlerhaft mit dem Genitiv: 
Wir hatten frhon den ganzen Zag gejagt entlang des Walpge- 
birges. — Statt mit dem Dat. ſteht bei G. Deutſcher Parnaß 
Wild Gelächter ſtatt der Liebe ſüßem Wahn; vielleicht um bie fonft 
eintretenden 2 Gen. zu verhüten? — Jenſeit flebt bei Herder Et. 

78.8. 1, 10 mit dem Dat. Jenfeit jenem Hügel ſäum' ich. — 

Bei wegen Tieft man gar oft fehlerhaft ven Dat, 


b) Bedeutung ber Präpoſitionen. 
| 5.265, 


Ab, außerhalb, innerhalb, oberhalb, unterhalb, 
ob, ober, diesfeits, jenfeits, entlang, längs, gegen= 

über, hinter, vor, neben, nähft, unfern, unweit, 
zwiſchen. | 

Die genannten. Präpofitionen haben das Gemeinfame, daß fie 
ſich fämmtlih auf emen Ort beziehen auf die Frage wo, wohin, 
woher; einige haben außerdem noch andre Bedeutungen. 

Ab ift nur in Zufammenfegungen mit Subſt. und Partikeln 
noch gebräuchlich und bezeichnet auf eine unbeflimmte Weiſe bie 
Richtung woher. 

Einen goldnen Becher werf! ih hinab. S. Taucher. Ich bin vom 
Berg der Hirtenfnab’, ſeh' auf die Schlöffer al’ herab. Uhl. 
d. Knaben Berglid. 


— 153 — — 

Außerhalb, innerhalb, oberhalb, unterhalb bezeidh- 
nen beflimmter als außer, in, ober (über), unter bie äußere, 
innere, obere, untere Seite. 

Spolchen Feierlichkeiten folgte in guter Jahreszeit manches luſt⸗ 
reichere Feft außerhalb der Stadt unter freiem Himmel. ©. 
- Reben. Wir andern, bie wir in ber Stadt geblieben waren, um 
biefe Pracht innerhalb der Mauern und Strafen noch mehr 
zu bewundern. ©. Leben 5. Die ganze Schiffbrüde wurde von 
diefen Schwimmern (Barfen) gevedt, welche fowol oberhalb 
als unterhalb der Brüde angebracht waren. S. Belag. ». 
ntw. 
Als Zeitpräpoſ. beſchränkt innerhalb die Zeitbeſtimmung 
auf einen Zeitraum, auf eine beſtimmte Friſt. 
Der Herzog landete innerhalb acht Tagen in Genua. ©. Al⸗ 
ba's Zug u. d. Niederl. 
Ob ift für die Proſa veraltet, aber für die Poefie geabelt; 
es ift gleichbedeutend mit über, jeboch ohne Beziehung auf eine 
Flaͤche, die über zufommt. 
Db dem Altar hing eine Mutter Gottes. ©. P. 3, 3. 

Ob flieht auch als canfale Präpofition in ‚ber Bebeutung von 
wegen mit bem Gen. ’ 

Jedes Biedermannes Herz ıft kummervoll ob der tyrannifchen 
Gewalt. S. Tl. 2,.1. Ihr ſeid verwundert ob des feltfamen 
‚ Geräths. ©. Ivo. Prol, 3. | 


Anm. Selten ſteht bei vem caufalen ob ver Dat. Entrüßet fand ich 
dieſe graden Seelen ob dem gewaltſam neuen Regiment. ©. 2,2 


Ober iſt wenig mehr gebräuchlich; es bezieht fih auf ben 
Raum und ift faſt gleichbedentend mit oberhalb; jebt flieht dafür 
meiſt über. | 

Diesfeits und jenfeits, d. h. auf diefer und jener Seite 
irgend eines Gegenſtandes. . 

Indem er jenfeits des Nheinfiroms gegen biefe Stadt (Mainz) 

vorrückte, hatte fi) der Landgraf von Heffen- Cafe biesfeits 

bes Fluſſes derſelben ‚genähert. S. 30jaͤhr. Kr. 3. 

Anm. Manche Grammatiter wollen, irrig, nur die ſeit und jem- 


| feit als Präpof., dagegen die sSfeits und jenfeits als Adverb. 
.. gelten laſſen. 


ntlang und Tängs bezeichnen beſtimmter als an die Nähe 

in Beziefung auf einen nad der Länge ausgedehnten Gegenfland. 

Der Herzog Tieß die Wachen längs dem ganzen Ufer verbop- 
peln. S. Belag. v. Antw. 

Gegenüber, wofür manchmal auch bloß über fleht, bezeich- 
net einen Ort nach feiner Lage von einem gegebnen aus. 

Gegen Frankfurt Liegt ein Ding über, beißt Sachſenhauſen. 

®. ©. 1. Links am See, dem Mytenflein grad über, Tiegt 

eine Matte. S. U. 1, 4. Man flelle fie (vie. Zeugen) mir ge- 
genüber. ©, St. 1, 7. 0 


A. 


— 126 — 


Hinter (und vor) bezeichnen Ort und Richtung in Beziehung 
auf den Gegenſtand von vorn und hinten, mag babei eine Rufe 
“oder Bewegung verftanden werben. 
Sp blieb er bald ein gutes Stück hinter dem Heereszug zurüd. 
uhl. 1gwän. Kunde. Steh vorwärts, Werner, amd nit hinter 
dich! S. TU. 1, 2. Bor diefer Linde ſaß ich jüngſt wie heut. 
S. U. 4, 2. Und voor den edlen Meifter tritt ber ‚Sängling 
mit befeheidnem Schritt. S. Rampf m. d. Dr. 

Neben bezeichnet das Verhalten bei einem Gegenftand oder 
zur Seite deſſelben im eigentlichen und übertragnen Sinn; in letz⸗ 
terer Bedeutung ſteht es faſt gleichbedeutend mit außer: Du ſollſt 
keine fremden Götter neben mir haben. Mit dem ec. drückt es 
‚mehr den Endpunkt einer Bewegung aus. - 

Seine ſtolzen Dehme flanden neben ihn. ©. Joo. 1, 5. Habt 
&r nicht bößern Stolz, als neben diefen Hirten zu I vepieren 
Tl. 2, 1. Manchmal fegte fie fih neben mich. ©. Leben 5 
ft drüdt beſtimmter als nad eine Folge, eine Abſtufung 
aus; * trapoß bezeichnet es bie Nähe eines Orts zu einem 
andern: &r wohnt auf einem Landgut nächft der Stadt. .- 
Und nähft dem Leben was erflehft du dir? G. Nt. 4, 2. 

Unfern und unmeit begeichnen beftimmter als bei, aber un⸗ 

beftimmter als nächft die Nähe, , 
Auch die Blockhäuſer unweit dem Flecken Millebro waren von 
ihnen befest worden. ©. Belag. v. Antw, Unfern von Klo⸗ 
fier der Barmherzigen trennt’ ih mid von ihr. S. Bam, 

Zwiſchen bezeichnet einen Ort zwiſchen zwei Gegenflänben 
ober Perfonen, wird jedoch zuweilen auch von mehrern gebraucht. 

Der Etikette bange Scheivewand iſt zwiſchen Sohn und Bater 
eingefunfen. ©. Dk. 2, 2. Zugleich zog fih zallenfiein in die 
teile Ehene zwiſ gen dem Shnfgraben und Lützen. © . 80jähr., 


$. 246. u 


ı Binnen, inner, feit, während 
Diefe Präpofitionen beziehen ſich fänmitich auf ein Berhältnif 
der Zeit. Binnen befchränft wie innerhalb ($. 245.) die Zeit- 
beffimmung auf einen Zeitramm. 
Die Briefe Iauten, daß Karlos binnen Mitternacht und Mor- 
en Madrid verlaffen ſoll. S. DE 5, 8. Bean binnen biefer 
— fein Heer im Feld erſchien. ©. Ivo. 1 


Inner ift wenig mehr gebräuchlich und Rebe in der Bedeutung 


von binnen. 


Anm. Früher hatte dieſe Präpof. noch eine weitere ——— 9* 
man aus folgenden Beifpielen_ des Dbie CH 1639) erfeht: ie a 
e find verfloffen inner. Freud' und guter Luft. — Wer feinem 
3 Se traut, herrſcht inner großen Bäuen. 
Seit bezeichnet wie binnen und während ein Zeitver ww 
niß. Wenn dieſe Präpoſ. mit Benennung eines Zeitpuntt 


— 17 — 


verbunden ift, ſo bezeichnet fie den Anfang einer Zeitdauer; 


tb fie mit der Benennung: eines Zeitranmes verbunden, bie 


Zeitdaner bis zur Gegenwart des Sprechenden. 


Seit dem Unglüdstag zu Regensburg ift ein unfläter, ungefell’- 


ger Geift, argwoͤhniſch, finfter, über ifn gekommen. S. T. 3, 
. Da kennſt ihn erſt feit heut. S. 9. 3, 5. Seit biefem 
Tage fehweigt mir jeder Mund. S. St. 1, 2. 
Während drückt ein Zeitverhältnig aus mit Hindentung a 


uf 
eine fortlaufende Daner; Tebtere fehlt der fonft vielfach gleichbe- 


deutenden Praͤpoſ. unter. 
So daß waͤhrend des air Rändigen Kampfes alle Regimenter 
zum Angriff kamen. S. Während diefer Erzählung hatte Ma- 
riane alle ihre Freundlichkeit aufgeboten. ©. %. 1, 8. 
$. 247, ' 


Aus, halb (halben, halber), Eraft, Sant, mittels: 


(vermittelfl), troß, um — willen, ungeachtet, vers 
möge, wegen (von wegen), wider, zumwiber, zufolge. 
“Die genannten Präpofitionen drücken ein cauſales Verhaͤltniß 
aus, und zwar (von, vor, dur) vermöge, mittels mehr 
einen realen; wegen, halb, fraft, um — willen mehr ei- 
un moraliſchen; (an, nah) Iaut, zufolge mehr einen Io- 
gifhen Grund; ans hat alle drei Bedeutungen; eine mehr a d⸗ 


- verfatio-moralifche Bedeutung haben wider, zuwider, troß, 


ungeachtet. 

Ans Hat mancherlei Bedeutungen. Es bezeichnet einen Ort, 
in veſſen Innerm eine Bewegung ober Handlung ihren Anfang 
nimmt, fer es in eigentlichem ober übertragnem Sinn. 

Aus der Wolle firömt der Regen. S. Glocke. Kalt her bläst 
es aus dem Wetterloch. S. TI. 1, 1. Dann reißt mi ans 


— 


einem Elend, in das: unzeitige Hälfe ums beide flürzen könnte. 


®. ©. 3, . 

As caufale Präpof. bezeichnet es 1} einen Innern, morali⸗ 
ſchen Beweggrund der Handlung ; 2) einen Grund der Erfennt- 
niß und 3) einen Stoff, woraus etwas befleht. 

Niemals kann es gefchehn, aus tauſend Grunden niemals. S. 
Dk. 1, 3. — Erſparen Sie's, uns aus dem Zeitungsblatt zu 
melden, was wir ſchaudernd ſelbſt erlebt. S. P. 2, 7. — Mit 
mehr Sorgfalt fuchen bie Bettelweiber nicht die Lumpen aus 
denm Kehricht, als fo ein Schelmenfabrifant aus Heinen, fehie- 
fen Anzeigen und Umftänden fi) endlich eine Vogelſchen zuſam⸗ 
menlünftelt. G. E. 4. 
Noch dient aus bei einer Auswahl (wie aus dem Beiſpiel 


"son ©. zu erfehen), und beim Zeitverhältnif. 


Eine alte große Stadt fol drunter Liegen aus ber Heiden Zeit, 
. Tl. 5, 1. 

Sa (halben, - halber), wegen (von — wegen) mb 
um — willen bezeichnen einen moralifchen, mehr äußern Grand. 


— 18 — 


Wegen bezeichnet ferner einen realen Grund, wenn es gls wir⸗ 
fend oder hindernd ſteht. Um — willen flieht befonders, wenn 
ein Zwed und vorab die Befriedigung einer Perfon als Be- 
weggrund angegeben ift. 
Ganz befonders rühmt man ihn wegen feiner Stärfe im Dis- 
putiren. G. ©. 1. Eine jeve Mahlzeit warb ein Feſt, das ſowol 
wegen ber Koſten, ald wegen ber Unbequemlichkeit nicht oft 

‚wiederholt werben Fonnte. ©. 2%. 1, 11. Als man diefes Schiff 

in See brachte, fand fih’s, daß es feiner unbehilflichen Größe 
- wegen fchlechferdings nicht zu Ienfen ſei. ©. Belag. v. Autw. 

— Um meiner Rube willen erflären Sie fich deutlicher. ©. 

DE. 4, 21. Wißt ihe noch, wie ihr um bes Pfalzgrafen wil- 

len Conrad Schotten feind. wart, und nad) ‚Haßfurt auf die 

Faſtnacht reiten wollte? ©. ©. 3. 

Anm 1. Um — willen bient auch bei einem Ausruf: Aber um's 
Himmels willen, Mutter! ift denn Alles unnfg, was-ung nicht un⸗ 
, — mittelbar. Geld in ven Beutel bringt? &. %. 1, 2. 

Anm. 2. Da wegen früher als Subfl. mit, der Präpof. von F 
braucht ward, bat fi dieſe Conſtruction in einigen Ausdrücken erhal« 
- ten: Bitten Gie von meinetwegen ven Monarchen. ©. Di. 2, il. 

- Anm. 3. Die Berbiapung um — halder it nit mehr gebräuchlich. 
Gottſched (* 1766). fagt noch: Um des Wohlſtands halber. 
+ Reraft, d. h. durch die Kraft einer Sache, hebt die mit eisen 
Grunde gegebne moralische Nothwenbigfeit hervor. on 
- Bis Sie dur ein Verfprechen ſich gebunden, kraft Ihres Tönig- 

Iihen Arms zu meiner Genugthuung den Thäter mir ya flellen. 

S. Di. 4, 9. Die. Familie des Grafen (Egmont) erhielt nach⸗ 

ber alle ipre Güter zurück, die kraft des Urtheils dem königli⸗ 

chen Fiskus heimgefallen waren. S. Egmonts Hinrichtung. 

Laut, d. h. nad dem Laut, bezeichnet die Uebereinfiimmung 
mit einem in Wort oder Schrift ausgedrückten Grund. 

Andre Briefe melden, daß eine Flotte Solimans. bereits von 

Rhodus ausgelaufen, den Monarchen von Spanien laut des 
geihtohnen Bundes, im mittelländ'ſchen Meere anzugreifen. ©. 

ie 5, . J — oo. 

Mittels (vermittelſt), d. b. durch das Mittel, bezeichnet be- 
ſtimmter als durch das Verhaͤliniß eines Mittels, wodurch etwas 


geſchieht. ... 
8 — — dieſer Verſuch (die Damme zwiſchen Lillo und Stabrvef 
zu ſchleifen), fo mochte ber Herzog von Parma immerhin die 
Schelde vermittelft feiner Schiffbrüde hüten. ©, Belag. v. 
Troß, wider, zuwider und ungeachtet bezeichnen bie 
:Berhältniffe eines adverfativ.- maralifhen Grundes; um-, 
geachtetund trotz brüden jedoch zuweilen. auch einen abverfatio - 
realen Grund aus. Wider bezeichnet. auch bie Richtung wo- 
bin, meift um Haß und Widerſtand auszudrücken; auch fteht 
wider, wenn ber Nachtheil einer. Perfon ald Zweck einer Thätig⸗ 


— 1219) — _ 
Trotz meiner Auffiht, meinem fcharfen Suchen, noch Koflbar- 
feiten, noch geheime Schäte. ©. ‚St. 1, 1. Der Jude ließ ſich 
nichts ableihen tro tz allen misgeftellten Wechjeln. 3. 13. — Die 
‘ Sterne lügen nicht; das aber iſt gefchehen wider Sternenlauf 
‚und Schickſal. S. T. 3, 9. Dan halt mich hier gefangen wi- 
ber alle Völkerrechte. S. St. 1, 7. Das weißt bu nicht, daß 
Briefe, in der Königin Schatulle gefunden, wider dich gezeugt. 
. ©, DE 5, 3, — :Da man bie Klotte, des günftigen Windes 
ungeachtet, gar Feine Bewegung machen ſah. S. Belag. v. 
Antw. 


- Bermöge, d. b. durch das Vermögen, bezeichnet eine befon- 
dere Befchaffenheit eines Dinges als den Grund des Präbicats. 

Bermöge feiner Nechtlichleit will der Deutfche Niemanden in 

feinem wohlerworbnen Eigenthum flören; vermöge feiner Ber 

fonnenheit Täßt er fich nicht durch Chimären flören; und ver- 
möge feiner Gradheit Haft er alle Imagination. ©. 

Zufolge drüdt eine moralifche wie Logifche Nothwendigkeit aus. 
Zufolge diefer neuen Rommiffion war ihm Macht verlichen, 
nah eignem Gutdünken Krieg zu führen, Feſtungen zu bauen, 

u. ſ. f.. S. Mba’s Rüſtung und Zug. 


Bei, bis, innerhalb. 

Diefe Präpofitionen. haben das Gemeinfhaftlihe, daß fie auf 
Orts- und Zeitverhältniffe fich beziehen. - 

Bei drückt auf unbeftimmte Weife die Nähe (Ruhe und Bewe- 
gung) aus fowol eines Dries als Einer Zeit. Als Präpof. der 
Zeit wird fie bei folhen Zeitbeflimmungen gebraucht, die nicht zu 
den eigentlihen Zeitbenennungen gehören; aus der frübern 
Zeit bat fih bei Zeitbenennungen biefe Präpofition nur in 
‚ einigen Formeln erhalten: Bei Tag, bei Nadıt. 
Zu Hirſchau bei dem Abte, da kehrt der Ritter ein. Uhl. Ueberf. 
im Wildbad, Ber Brud fiel König Albrecht dur Mörders 
Hand. S. U. 3, 1. Es war die Schlacht bei Gravelingen. 
©. E. 1. Selbft die wüthenden Burgundier erglüheten vor 
Scham bei diefem Anblid. S. Ivo. 1, 5. 'S iſt juſt, wie's 
beim Einhauen geht. S. 2. 11. _ | 

Noch fteht bei, in verfchiepnen andern Bedeutungen, die ſich 
* mehr oder minder auf die Grundidee der Nähe zurüdführen Yafien, 
um eine Everiftenz auszudrüden: Der Geizhals iſt arm bei all fei- 
nen Schäßen; bei der Angabe einer Eigenfchaft, durch welche oder 
trotz welcher etwas möglich ift: Bei aller Borficht iſt er doch be⸗ 
trogen worden; um den Beſitz anzuzeigen: Er hat ihn beim Leben 
‚ erhalten; um den Anfang einer Handlung auszudrüden: Bert bir 
fange ich an; um bie ungefähre Dauer anzugeben: Bei fehs Wo⸗ 
chen blieb er da; und zulegt um ein Mittel. zu bezeichnen, wo wir 
jebt mehr die Prapofition mit anwenden: Er rief mih beim Nas 
men; bes allem Guten laß dich befchwören. 
Kehrein Grammatik. U. 1. 


— 130 — 


Bis bezeichnet, meiſt mit andern Präpoſitionen verbunden, die 
Grenze einer räumlichen Bewegung oder Ausdehnung, ſo wie den 
Endpunkt einer Zeitdauer. Bei einigen Zeitbenennungen und adver⸗ 
bialen Formen ſteht bis ohne andere Präpoſ.: bis Oſtern, bis heute. 

Der Herzog warf ſich ſelbſt bis an die Bruſt in's Waſſer. S. 

Belag. v. Antw. Als die Flotte bis auf zweitauſend Schritte 

nahe gekommen war. S. daſ. Zwiſchen Lillo und Stabroek ſtreckt 

ſich eine große etwas abhängige Ebene bis nach Antwerpen. S. 

daſ. Sp konnte die ganze Ebene bis faſt unter die Mauern von 

Antwerpen befahren werden. ©. daf. Wir hatten von ben erſten Er- 

zeugniffen des Frühlings bis zu den lebten des Herbſtes Genuß 

und Freude. G. Leben 4. — Bis bierher bin ich ohne Schuld. 

S. Dk. 5, 3. Es wird bis morgen ruhen können. ©. 9. 4, 7. 
Innerhalb wurde $. 245. bereits erörtert. . 
- $. 249. 

Sammt, nebft, mit, ohne, fonder \ 

Die drei erſten der genannten Präpof. brüden eine Verbindung, 
bie zwei Jeßten eine Trennung aus; fammt und fonder, mit 
und ohne bilden Gegenſätze. 

Sammt unterfcheidet fih von nebft dadurch, daf es bie Zu- 
fammenftellung von Gegenftänden bezeichnet, welche an fich ſchon 
auf irgend eine Weife verbunden und wechfelfeitig ‚einander ange- 
hörig gedacht werden. Der Präpof. ſammt geht deshalb oft mit, 
voran, ja zuweilen auch zu. 

Mich fammt meinem Regiment bring’ ich dem Herzog. ©. P. 

4, 4. Den rennt’ ih fammt dem Pferde nieder. ©. ©. 1. 

O Unvernunft des blinden Elements! Mußt du, um Einen Schul- 

bigen zu treffen, das Schiff mit fammt dem Steuermann verder- 

ben! ©. TI. 4, 1. Sie follen beine Knechte aus dem Gefäng- 
niß und dich zufammt ihnen auf deinen Eid nach beiner Burg 

‘ziehen laſſen. G. ©. 4. 
Nebſt bezeichnet nur eine Verbindung von nicht gerabe immer 

zu einander gehörigen Dingen und ift fo mit und fehr verwandt, 

Man hatte mir nebft mehreren Verwandten in dem Römer ſelbſt 

einen guten Plab angewiejen. G. Leben 5. Die Stadt fah den - 

Hunger nebft feinem ganzen Gefolge mit ſchrecklichen Schritten - 

fih nähern. ©. Belag. v. Antw. 

Anm. Im der eigentlichen Bedeutung von neben iſt nebft jeßt unge⸗ 
bräuchlich. Withof gt 1789) fagt noch: Bor ihm liegt der Top, 
nebft ihm liegt vers Leben. 

Mit dat verfchiepne Bedeutungen, bie aber in ber Orunbibee 
einer: Gejellichaft, einer Gleichzeitigkeit, eines gemeinfshaftlichen 
Handels mehr oder minder übereinftimmen. Cs ſteht nur in ber 
Bedeutung einer wirflichen Gefellfchaft, eines wirklichen Zuſammen⸗ 
feins, mohin auch die Bedeutung eines Beſitzes gehört: Mit 
einem Schaden zur Welt kommen; fo wie bie gemeinfchaftliche Theil- 
nahme an den Umftänden eines Andern: Mit einem leiden, ſich freuen, 


De} 


— 131 — 


Da mußt’ er mit dem frommen Heer durch ein Gebirge, ‚ wüft 
und Teer. Uhl. ſchwäb. Runde. Mit ihnen Beiden pfleg’ ich Raths. 
S. U. 1, 2. Er ritt mit einer filbernen Schüffel durch die 
- Schranken bis zu der großen Bretterhütte und fam bald mit 

verbecftem Gericht wieder beroor. ©. Leben 5. 

Hauptanwendung der Prapof. mit iſt, um ein Mittel oder 
Werkzeug zu bezeichnen. Verwandt damit iſt bie Anwendung bei 
einer Materie: Mit Gold einfaffen. 

Der Riefe mit der Stange flug. Uhl. Roland Schildtr. Ru 

dolph von Palm durchrennt ihn mit dem Speer. ©. TI. 5, 1. 
Du ſprichſt mit deinen Wimpern, deinem Zeigefinger, ich höre 
dir mit Blicken zu. ©. Dk. 2, 4. Die follen wir gleich an uns 
locken mit gutem Schlud und guten Broden. ©. L. 2 . 
Sehr häufig ſteht mit, um_eine Art und Weile ansjübrüden, 
Sprecht mit Gelaffenpeit. S. St. 3, 2. Drum fieht er jedes 
Bievermannes Glück mit fcherlen Augen gift'ger Mißgunft an. 
S. U. 1, 2. Ich aber blieb mit kummervoller Seele. ©. TU. 
4,2. es dem ‚ie der mit kühnem Anſtand fehritt die Mäd- 
tige. © vo. 
Ohne ilet ein Nichtdaſein, einen Dlangel, eine Aus- 
fchlieBung. Es bezeichnet ferner wie mit eine Art und Weiſe, je- 
doch verneinend. 
Mit oder ohne Klaufel! gilt mir gleih! S. P. 4, 4. Nicht 
ohne Schauder greift des Menſchen Hand in bes Oraide ges 
heimnißvolle Urne. ©. T. 1, 4. Ohne die Saat erblüht ihm 
die Ernte. S. Bom 

Sonder ift ziemlich veraltet und nur in gewiſſen Formeln noch 
gebraͤuchlich: Sonder Zweifet, ſonder Gleichen. Doch ſteht 
noch bet Herder St. d. V. 2, 17: Laͤßt dein geliebtes Baͤumchen 
ſtehen ſonder Frucht und Blüthe . 


$. 20, 

An, in, um. 

Diefe drei Präpof. dienen, befonders an, zu fehr verſchiednen 
Bezeichnungen. An vereinigt ſo ziemlich die Bedeutungen von in 
und nahe und ſteht zuerſt örtlich, um ein Daſein ober eine Be- 
wegung bei ober in einem Drte zu bezeichnen, fei barunter num ein 
bioßes Dafein, oder eine Berührung, oder eine Nähe bei einem 
nach der Länge ausgedehnten Gegen and ‚ alſo an beffen Seiten- 
fläche verſtanden. 

Sie find mir dicht ſchon a den Serien, ©. U. 1, 1. Und als 
fie kamen an die Reuß. S. TI. 5, 1. Darf ich an meinen Kar⸗ 
los eine Bitte wagen? S. DI, 1, 2. Febt wird er an's Kreuz 
geſchlagen. S. Bürgſchaft. Und er kommt an's finſtre Raͤuber 
haus, Uhl. d. Knaben Tod, Sch that, was jeder freie Dann’ 
an meinem Platz. S. TI. 1, 1. Am Rubeplat ber Tobten, ba 
pflegt « es ſtill zu fein. ust. Döff. Schlacht. 
9* 


— 13j2 — 

» An bezeichnet ferner, eine Reihenfolge: Jetzt iſt's an ung; 
einen Beſitz: Was Ih an dir habe; ein Amtsverhältniß; 
eine beiläufige Zahl, — 
Als Zeitpräpof. dient an, um einen Zeitpunct anzugeben. 

Und wie war die Aufnahme fonft am Hofe? ©. P. 2, 2. Die 
Lieferungen, die an taufend Piſtolen Euch tragen? S. 9. 4, 7. 
An einem Morgen ift der Herzog fort. ©. €. 1, 7. Eine ge⸗ 
heime Unterrebung, die der Prinz am Abend feiner Flucht zu 
Stande bringen fsllte. ©. Dk. 5, 8. Es iſt ein übles Zeichen, 
wenn Ihr an Werktagen feiert. G. €, 2. 
. Ms caufale Präpof. bezeichnet an einen Erfenntnißgrund, 
der von einer äußern Erfcheinung hergenommen ıft, oder auch wenn 
eine Sache angegeben ift, wo ein Berhalten flattfindet: Am Kopfe 
leiden, oder ein Vorzug bezeichnet werden foll: An Tugend einen 

‚übertreffen. | 

An dreien goldnen Lilien iſt's (das Schwert) zu kennen. ©. 
‚So. 1, 10. Die braune Liefel kenn' sh am Geläute. S. TI. 
1, 1..©p. ferne fie (die Nachwelt) an Euch, wie ich mit Men- 
fhen e8 gehalten, als ich einen fand. ©. DE. 3, 10. Man 
bört’s am Ton. S. U 11. 
Auch gebraucht man an, um eine Art und Weiſe auszudrücken, 
aber nur bei Superlativen. 
Am Tiebften ſpräch' ich ihn allein. S. T. 4, 9. Wir verletzen 
am erflen die, die wir am zärtften Iieben. G. T. 3, 4. 
In wird im Allgemeinen gebraucht, um ‚einen Ort, eine Zeit, 
einen „Zuftand näher zu bezeichnen. Als Präpofition des Orts 
brüdt in das Sein in einem Ort und auch Die Bewegung, Rich- 
tung nad diefem Drt, aus. 
Was im Menfchen nicht ift, Fommt auch nicht aus ihm. ©. 
Hd. 3, 3. Ich hatte Holz gefällt im Wald. ©. TI. 1, 1. Ihr 
feid mein Saft zu Schwyß, ich in Quzern der Eure. ©, TI. 1, 
2. Geſchworen hat fie (die Königin von Ungarn), ganze Zeu⸗— 
gungen hinab zu fenden in des Vaters Grab, in Blut fich wie 
” in Maienthau zu baden. ©. TI. 5. 1. 

Als Zeitpräpof. bezeichnet in Zeitbenennungen, welde einen 
Zeitraum ausdrucken, Tiege berfelbe in der Vergangenheit, Gegen: 
wart oder Zufunft, 

- Wir haben in. den Tagen unfers Glanzes dem’ Schmeichler ein 
zu willig Obr geliehen. ©. St. 1, 4. Und als fie (die Mutter 
Gottes) in der dritten Nacht erfchien. S. Ivo. 1, 10. Und ein 
Augenblick zerträmmert, was wir in Jahren bauten? ©. DE 
2, 10. In einer Stunde feh’ ich ihn bangen. ©. 8. 10. Wir . 
müſſen das Werf in diefen nächſten Tagen weiter fördern, als 

es in Jahren nicht gebieh. S. P. 3, 1. 
> Einen Zuftand bezeichnet in mit verfihiepnen Conftructionen. 
Dann reißt mich aus meinem Elend, in das unzeitige Hülfe 
“uns beide flürzen könnte. G. ©. 3. Und wie er erwacht im- feli- 


> 


4 


Ss D 


— 133 — 
ger Luft, ©. TU. ji 1. Dort kommt ein Mann in voller Haft 
 gelanien. ©. U. 1, 1. In banger Furcht Tieß. ich fie dort allem. 
om, 
Noch bezeichnet in ein Hilfsmittel: Einen im Zaum halten; 


einen Stoff: Er arbeitet in Gold; eine Geflalt: Blumen in einen 
Strauß binden; eine unbeftimmte” Zahl: Das banert fihon in die 


Hg Jahr. 


m, das fich häufig noch mit her und herum verbindet, be- 
zeichnet eine Richtung in Beziehung auf ben Gegenſatz von Innen 
und Außen; oft auch bloß das wo eines Ortes. 
Sie dreht um bie ſchnurrende Spindel den Faden. S. Glocke. 
Ich will linker Hand um bie Höhe ziehn. ©. ©. 3. Um das 
Roß des Ritters fchweben, um das Esif bie Sorgen her. ©. 
Siegesfeft. Des ganzen Gaues Bauern fiehn um den Ort ge- 
fhaart. Uhl. d. 3 Kön. v. 9. Unb um ihn bie ‚ Grogen 
‚der Krone. ©. Handſchuh. In einem Halbkreis fanden gem ihn 
ber ſechs oder fieben große Königsbilder. ©. P. 3, man 
hatte um die Stadt herum viele neue Schanzen ———— 
Belag. v. Antw. 

* ans Zeit- und Zahlpräpof. bezeichnet um das Beiläufige, Un 

gefähr 


Sk Hab’ ih um Mitternacht mich vor das Bild ber Hochge⸗ 
benedeiten geworfen. ©. DE 1, 2. wißt ihr, daß wir ſchon 
um hundert geſchmolzen ſind? 6. ©. 

Noch bezeichnet um eine Eigenſ Saft: Es iſt was Schönes 
um bie Tugend; ben Gegenſtand eines Wiffens, Fühlens und 
Begehrens: & weiß darum, iſt ängſtlich darum, bemüht 
fich barum, and beſonders den Wechſel, Tauſch, Preis, 


Verlu 


um ein Geringes ſteht er Euch zu Kaufe. ©. Ivo. Prol. 3. 
Nein! wir haben um Judas Lohn, um Hin ah Gold und Sil⸗ 
ber, den König auf der Wahlftatt nicht gelaſſen. S. T. 1, 5 
Biel gefordert! Prag! Ser’s um Eger! S. %. 1, 5. 

$. 251. 


Bor, nad, über, unter, auf, zu. 

Diefe Präpof. beziehen ſich auf Orts- und Zeitverhält-. 
niſſe, meift auch auf caufale, oder drücken auch theilweiſe ein 
Maf oder eine Weiſe aus. 

Bor als Präpof. des Ortes iſt bereits bei Hinter ($. 245.) 
erörtert. - 
Als Zeitpräpof. bezeichnet vor das Prädicat als ein der Zeit- 


Penn vorangehendes. 


Er iſt geſonnen, vor Abend in Madrid noch einzutreten. ©. 
Dr. 1, 1. Ich thät's vor Kurzem felbft erleben. ©. 2. 7. Wir 
Hanben als _ Gemeine vor dreißig Jahren bei.Röln am —* 

S. L. 7. Bor und nach ihm riß der Fanatismus feine Schlacht- 
opfer zum Altare, S. Granvella. 


. _ “ 134° . 


s Als caufale Bräpof. drüdt vor einen realen Grund aus 

. 247. .. . 

Sie weinen vor Schmerz und Freude. S. Bürgſchaft. D bie 
ihr bier verfammelt fleht und vor Entfeßen und vor Bewund- 
sung ſtaunt. S. DE 5, 4. Er kennt vor lauter Gelehrfamfeit 


feinen Bater nit. ©. ©. 1. Man kam vor lauter Sehen, 


Deuten amd Hinweifen gar nicht zu fich ſelbſt. &. Leben 5. 

Noch bezeichnet vor einen Vorzug: Schön vor allen Yüng- 
lingen war er. ©. Amalia (R. 3, 1). | ’ 

Nach bezeichnet die Richtung wohin, nicht bei Perfonen, wol 
aber bei Orts⸗, Länder-, Fluß⸗ und Bergnamen, wie auch bei 
den Namen der Himmels- und andern Gegenden. Oft iſt mit der 
räumlichen Richtung zugleich hie Abficht verbunden, wo dann nach 
auch bei Berfonen ſteht: Nach einem ſchicken. | 

Als ihn des Amtes Pflichten bald darauf nach Tranfreich riefen, 
ſandt' er mih nad Rheims. S. St. 1, 6. Er war-Tags vor- 
ber nach. Bamberg geritten. G. ©. 2. Einft zug nach biefem 
Schloſſe ein edles Sängerpaar. Uhl. Sängers Fluch. Und Diefe 
Wolfen, die nach Mittag jagen, fie fuchen Franfreichs fernen 
Ocean. S. St. 3, 1. Ste hießen fatteln ihre Pferd’, zu reiten 
. nad dem Riefen. Uhl. Roland Scildtr. J . 

Als Zeitpräpof. iſt nach ber Gegenfab von vor, bezeichnet 
das Zeitverhältniß jedoch mehr auf eine allgemeine Weiſe. 

Nach gehörter Meffe bringt ihn in’s Nabinet zu mir. S. Dk. 
3, 8. Wo wir nur durchgekommen find, erzählen Kinder und 





Kindeskind nach hundert und aber hundert Jahren von dem - 


Holt und feinen Schaaren. ©. L. 6. 

Nach bezeichnet ferner eine Folge, eine Ordnung, wie auch 
eine Art und Weife. j 

Laßt ung tagen nach den alten Bräuden. ©. TI. 2, 2. Da 
geht Alles nach Kriegesfitt. S. L. 6. Das Gebot befolgt Ihr 
nach dem Wort. ©. 8. 8. Ihr artet mehr nach Eures Vaters 
Geiſt. S. T. 3, 2. Hat er gerichtet nach gerechtem Spruch? 
S. TI. 5, 1. Leiſe nach des Liebes Klange füget fih der Stein 
zum Stein. ©. d. eleuſ. Feft. 

As Eaufalpräpof. bezeichnet nach ($. 247.) einen logiſchen 
Grund als Webereinfiimmung des Urtheils mit einem Grund; 
auch den realen rund einer Benennung, fo wie den mora— 
liſchen Grund in befondern Ausbrüden: Nach Luft u. a. 

Was hat er verdient? Nach des Geſetzes Wort den Tod. G. 

. 2, 7 Nach dem Hunde nennt ſich's (das Carcer) bis die— 

en Tag. S. % 7. Sein Solo muß dem Soldaten werben, 

barnad heit er: S. P. 2, 7. Ich bin der Bogen, den man 
ur fpannen dürfe nach Gefallen? S. DE. 3, 4. 

Neber bezeichnet Ort und Richtung in Beziehung auf den Ge- 
genfag von oben und unten. Es ſteht auch in bifblicher Be- 
beutung: Ueber etwas fprechen. 


BG 


N 


_ — 1 39 — 


lleber mir hing fehroff die Felswand, ©. TI. 3, 1. Kein beff- 
rer Mann ift über dieſe Sanelle —8 gegangen. ©. Th. 1, 
4. Weber allen Gipfeln ft Ruh. ©, Wand. Nachtlied. le 
ber ber Befchreibung da vergeff” —* den ganzen Krieg. ©. P. 
2, 7. Ex hatte ſchon einigemal über bie Behandlung einer fol- 
chen Aufgabe mit mir geſprochen. G. Lebens. 

Als Zeitpräpof. bezeichnet über die Gleichzeitigkeit eines Prä- 
dieats mit einer Zeitbefimmung, oft auch die Gleichzeitigkeit eines 
er Berhältniffes: Laffet die Sonne nicht über euern Zorn 
unterge x 

Der Friede wird Tommen über Nacht. S. L. 11. 
Oft drückt über ein Verhältniß von Zahl, Maß und Menge 
aus; zuletzt hat es noch die örtliche Bebentung von jenfeits, 


— 


Ernſt über feine Jahre war fein Sinn. ©. Ja über’s Leben 


noch geht die Ehr! S. L. 11. So a es frech der Banden, 
berger drüben über'm See. ©. U. 1 
Unter ſteht als Präpof. des he "m Gegenſatz zu über, 
welcher Gegenſatz jedoch auch öfter fehlt: Unter allen. Verwandt 
damit iſt die Bedeutung einer Herrſchaft, einer Gewalt. 


Unter dieſes Joch wird man euch beugen. ©. TI. 1, 3. Wenn 


Ihr die Keller erft gefeben unter den Thürmen. S. TI. 1, 3. 


Auch drüben unterm Wald gebt Schweres vor. ©. TI. 1, 4.. 
Um unterm Schein serehter Züchtigung die alten Freiheits- - 


briefe zu vertilgen. ©. TI. 2. Unter des Herrn großen 
Thaten allen hat mir das Stüdien befonders gefallen. S. L. 7. 
Wie über fo bezeichnet auch unter ein Berdälmif von Zahl, 
Maß und Menge. 
Sp verorbnete der Rath, daß insfünftige die Schiffe nie unter 
einer beflimmten Zahl ſich hinauswagen follten. S. Belag. v. 
Antw. 
Als Zeitpräpoſ. bezeichnet unter wie während ($. 246.) 


einen folchen Zeitraum, der nicht zu ben eigentlichen Zeitbes- 


nennungen gehört. 
Wir find geboren unter gleichen Sternen. S. P. 2 
Auf bezeichnet als Präpof. des Ortes die —— Berůh⸗ 
rung von oben, ſei es im Stande der Ruhe oder der Bewegung. 
Eh' ihr den Fuß geſetzt auf dieſe Schwelle. S. TI. 1, 4. Sieh, 
wie das Schifflen auf den Wellen ſchwankt. S. TIL. 1, 1. 
"Bunt von Gaben auf den Garben Tiegt der Kranz. ©. Glode. 
Als Zeitpraͤpoſ. bezeichnet auf einen Zeitpunkt oder eine Zeit⸗ 
Dauer einer andern Thätigkeit, die durch das Präbirat angedeutet 
wird. 
Du verlierft mich, Karl, -auf viele "Jahre , — Thoren nennen es 
auf ewig. ©. DE. 5, 3. Es Fomme wenig Geld ein; er könne 
auf die Woche bie verlangte Summe ſchwerlich ſchicken. G. E. 2, 
Auch ſteht auf, um ein genau beſtimmtes Zeitverhältniß anzu⸗ 
geben: Sei auf die Stunde da; ſo wie auch, um mit der Zeit⸗ 


| — 136 — 


folge zugleih einen Wechſel oder ein caufales Verhaͤltniß zu be⸗ 


zeichnen 

Auf blut'ge Schlachten folgt Geſang und Tanz. ©. Ivo. 4, 1. 

Auf nos Zeugniß meiner Hausbedienten verdammt man mich. 

©. St. 1, 7. Auf mein Geheiß entfernte fih die Fürftin. S. 

DE 1, 6.,Die Königin anf das Getöfe öffnet das Zimmer. 

©. DI; 2, 10. 

Zulest fleht auf no bei bem adverbialiſch gebrauchten Su⸗ 
perlativ (wie an $. 250.), und um eine Art und Weiſe auszu⸗ 
bei Reh, wober aber die Subfl. Art, Weiſe, Weg immer da- 
ei 

Im Angefiht des ganzen Hofgefindes ward fie (die Strafe) auf 

Sflavenart an deinem Karl vollzogen. S. Dk. 1, 2. Weil ich 

e8 nicht gewohnt bin, auf Delinquentenweife verhören mich zu 

laſſen. ©. DE. 4,9. Er ſelbſt vertraute mir, was ih zwar 

längſt auf anderm Weg fehon in Erfahrung bradte. S. P. 5, 

1. Alles war aufs gennuefe verfundfchaftet. ©, ©. 1. \ 

Zu bezeichnet eine Richtung wohin, beſonders bei Perfonen- 
namen, und im Gegenfat zu von den Endpunet einer Bewegung; 
auch den Ort wo, jedoch nur bei den Eigennamen von Städten 
und Dörfern, ımd bei Haus, wenn es die Heimat beventet. 

Wie Einen der rauhe Kriegesbefen fegt und fchüttelt von Ort 

zu Ort. ©. L. 5. Bon Stunde zu Stunde gewartet er mit hof- 
fender Seele der Wiederkehr. S. Bürgfehaft. Dem Pilger, ber 
zum Öntteepaufe wait. ©. TU. 1, 2. Ich geh’ zum Biſchof 
von Konſtanz. G. ©, 1. Ihr feid mein Saft zu Schwyß, ich 
in Ruzern der ©. TI. 1, 2. Studiren jegt viel Deutfche 

von Adel zu Bologna? ©. ©. 1. 

3u wurbe früher mit dieſer Bedeutung auch bei Sahnamen 
gebraucht, welcher Gebrauch fih in einzelnen Formen erhalten hat: 
3u Bette, zu Felde u. a., welde jeßt oft zugleich eine Abficht 
ausdrüden; ferner in: Zum Himmel, zur Hölle fahren, zu Orunde - 
gehn, zur "Welt fommen u. a. 

Bring’ ihn zu Bettl S. P. 4, 7. Wo Friedland in Perfon zu 

Felde z0g. ©. 9. 2, 7. Zu Liſch, Vater. G. G. 

Zu wird oft in einer Bedeutung gebraucht, die niät bloß als 
eine räumliche Richtung gedacht if. So bezeichnet es ein Erlan- 
gen: Zut Ruhe, zu Ehren, zu Gelve, zu Schaden fommen, zu 
Stande bringen; eine Berbindung in: Der Garten gehört zu 
dem Haufe, zum Fleiſch Brod effen u. a. 

Als Präpof. der Zeit war zu früher mehr im Gebrauch als 
jest, indem fie bei denjenigen Zeitbeftimmungen gebraucht wurde, 
welche wir jeßt durch in ($. 250.) und bei ($. 248.) bezeichnen. 
Diefer Gebrauch hat fich bei Er und Mal und einigen 'befon=. 
bern Ausprüden erhalten. 

Zu Anfang des Auguſts find Sie in Brüffel S. DE 2, 5. 


” 


1 — 








‘ 


— 1377 — 


n As wir im Lonvre zum letzten Mal uns ſahen. ©. DI. 1, 4. 
| Und verläßt fie zur felben Stunde. S. Handſchuh. 


Zu bezeichnet die Weife einer Ortsbewegung in ben Aus- 


drüden: zu Fuße gehn, zu Pferde, zu Wafler reifen u. a. 

Zu dient ferner, um einen Zwed zu bezeichnen. 

Könnt Ihr's läugnen, daß jene Acte zu meinem Untergang er- 
. fonnen iſt? S. St. 1, 7. Der Fürſt entdeckte redlich dir fein 

Herz zu einem böfen Zweck, und du willſt ihn zu einem guten 

Zwei betrogen haben. ©. 9. 5, 1. Ze 

Zuletzt drüdt zu eine Wirkung aus, durch welche bie Inten⸗ 
fität einer Thätigfeit fol bezeichnet werben. 

Das Heer war zum Erbarmen. ©. 9. 2, 7. Himmelhoch jauch- 

zend, zum Tode betrübt, G. €, 3, | 


| $. 252, 
| | "Für, flatt, gegen, wiber ($. 247.), gemäß, außer. 
- Diefe fechs Präpofitionen Taffen ſich nicht unter einen allge- 


meinen Begriff bringen, wenn auch einige davon in einzelnen Punc- 
ten verwandter Bedeutung find. ’ 


Für drückt wie gegen und wider die Richtung wohin aug, 


bezeichnet fie aber nicht als die Richtung einer räumlichen Bewe- 
gung, fondern als die Beflimmung der Thätigfeit zum Vortheil eis, 
nes Objects, einer Perfon. \ 
*. Wer ſolch ein Herz an ſeinen Buſen drückt, der kann für Herd 
und Hof mit Freuden fechten. ©. Tl. 1, 2. Dem frommen 
| Mönch, der für fein Kloſter fammelt. S. TI. 1, 2. Der Voigt 
ift ihm gehäffig, weil er flets für Recht und Freiheit redlich hat 
geſtritten. S. TI. '1, 4. Für feine Thorheit ſchickt ihm Peru 
Go, für feine Lafter zieht fein Hof ihm Teufel. ©. DE. 1, 
9. Nette dich für andern! Das Königreih iſt dein Beruf; 
für dich zu flerben war der meinige, ©. Dk. 5, 3. 
\ Für bezeichnet ferner eine Stellvertretung, eimen Preis, eine 
Beftimmung. 
Dem Schweden fol fein Wort für beines gelten. ©. T. 1, 3. 
Als Zeitpräpof. fleht für nur in einzelnen Redensarten: für 
peute ‚ für jest; Dagegen drückt es öfters eine Beſchrän— 
ung aus. 


Der Graf von Hoorn beantwortete feine Anklage Punkt für ' 


- Punkt, S. Egmonts u. Hoorns Hinricht. Für's Erſte wollen 
"Seine Majeftät, daß die Armee ohn' Aufſchub Böhmen räume. 
S. 9.2, 7. ' 
Anm. Bor und für waren urfprünglich zwei Formen für einen 
Begriff. Im Laufe der Zeit haben beide fih von einander getrennt, 
werden übrigens, wenn man den heutigen Sprachgebrauch berüd- 
fihtigt, von unſern beften Schriftfteflern zuweilen verwechfelt, z. B.: 
Wir fiehn vor unſre Weiber, unfre Kinder! ©. U. 2, 2, Da ver 
hängt’ es Gott, daß ſolch ein Ungemwitter her fürbrach aus des Gott⸗ 
- hardts Schlünden. S. U. 4, 1. In was für einer fpeint für 


nn EEE SE VE 
’ 


n / 


keine Präp. zu ſein, weil kein Caſus davon abhängt. Der Redebrauch 
iſt wahrſcheinlich durch ein Mißverſtändniß entſtanden, indem für in: 
Was thuſt du für ein Zeichen? was gibſt du mir für einen Beſcheid? 
“eine wirkliche air. ift, und nur auf andere Conflfuctionen übertra⸗ 
gen wurde. inigemal flieht vor, 3. B.: Ich weiß überhaupt nicht, 
was ih vor einen Antheil dran nehme. ©. ©. 2. \ 
Statt und anflatt bezeichnen beftimmter als für eine, Stell- 
vertretung. | 
Auch er beftieg ein fchönes Roß, dem zu beiven Seiten des Sat- 
'tels anflatt der Piftolenhalftern ein paar prächtige Beutel be- 
feftigt hingen. ©. Leben 5. Aber anftatt diefer unnatürlichen 
Verbindung waren bie nörblichen Provinzen in eine deſto engere 
Union zu Utrecht getreten. S. Belag. v. Antw. 
Gegen (entgegen) und wider bezeichnen die Richtung wohin; 
gegen unterfcheidet dabei das Verhältni des Gegenftandes nicht. 
Ich Tann nicht fleuern gegen Stwm und Wellen. ©. TU. 1, 
1. Der König ritt herab vom Stein zu Baden, gen Rheinfelo 
zu ziehn. S. TI. 5, 1. Ihr fteigt hinauf, dem Strom ber Reuß 
entgegen. ©. TI. 5, 2. Wenn ih mih gegen fie verpflich- 
ten dr, fo müffen fie’ auh gegen mid. ©. P. 2, 6. 
Gegen bezeichnet ferner einen Taufch, eine Bergleihung, 
eine beiläufrge Beſtimmung an Zeit und Zahl und den 
„Nachtheil einer Perſon, wenn er als Zweck der Thätigkeit dar⸗ 
geſtellt wird. 
Ein Kind nur bin ih gegen ſolche Waffen. S. T. 3, 9. Gran⸗ 
vella's Verwaltung war noch barmherzig 'gegen die feines Nach- 
folgers. S. Granvella. Das Feld war ein großer Strich Weibe- 
land, auf welchem jährlich gegen zwölf taufend Ochſen gemä⸗ 
ſtet wurden. ©, Belag. v. Antw. Ich habe gegen Menfchen, 
hicht gegen Sturm und Klippen fie gefendet. S. DE. 3, 6. 
Gemäf bezeichnet eine Uebereinſtimmung, wie die Beſchaffen⸗ 
heit, das Verhältniß es erfordert; daher auch eine, Weife, wo es 
- für nah ſteht. \ 
Er Tebte feiner Geſinnung und feinem Stande gemäß fehr ein- 


fach. ©. 
. Außer bezeichnet wie in ($. 250.) und aus ($. 247.) Ort 
“and Richtung in Beziehung auf sinen eingefchloffenen Raum; in 
ift dabei als Ausdruck der Richtung dem aus und als Ausdrud 
des Orts dem außer entgegengefebt. 
Diefes ‚diente mie zu einem neuen Vorwande, außer dem 
- Haufe zu fein. ©. Leben. 5. 
Außer (in, aus) wird insbefondere gebraucht, wenn bie 
nich räumlichen Beziehungen zu einem Zuſtande bezeichnet werben. 
‚Dein Bruder ift außer Gefahr. G. ©. 5. 
Außer bezeichnet auch im Gegenfat mit nebft ($. 249.) bie 
——Ausſchließung. 
Außer dem eigentlichen Magiſtrate waren in der Stadt noch 
eine Menge Corporationen vorhanden, S. Belag. v. Antw, 


— 


—8 
1 - 
° 


— 139) —. 


Durch, von. 
Dieſe Präpof. haben Das mit einander gemein, daß fie ört⸗ 
liche und eaufale ($. 247.) Verhältniſſe ausdrücken. 
Durch bezeichnet mit um ($. 250.) die Rich tung in Bezie⸗ 
bung auf ben Gegenfat von Innen und Außen. Ferner bezeich- 
net Durch das Mittel zu einer von dem Subfecte beabfichtig- 


- ten Wirkung. 


Nein, es war des Windes MWehen, ber durch diefe Pappeln 
fhwirt. S. Erwartung. Rräftiglich arbeitet fi der Wackre 
Durch die Brandung. ©, I. 1,1. Drauf als der Fürft dard 
ein geadert Feld Hinreitet. S. XI. 5, 1.— Denkt Ihr, daß fie 
ſich durch einen Eid gebunden glauben werben, den Ihr ihnen 
durch Gaukelkünſte“ abgeliſtet? S. P. 3, 1. Denken Sie nicht 
etwa, daß ih durch Rügenfünfte, gleifinerifche Gefälligfeit in 
Ieine Gunft mich ſtahl, Durch Heuchelworte fein Berteauen naͤhre. 
1, 3 


Bon bezeichnet bie Richtung woher, bie Trennung auf bie all« 
gemeinfle Weife; baun auch den Anfangopunct jeder Bewegung und 


‚jeder Ausdehnung in Raum und Zeit, 


Der Tell holt ein verlornes Lamm vom Abgrund. ©. TI. 1, 3. 
Der Schieferdeder iſt vom Dach geflürzt. S. TI. 1, 3. Der 
glatten Pferde wohlgenährte Zucht ift von den Bergen glüdlich 
heimgebracht. ©. TI. 1, 2. So herrſcht fein Befehl vom letz⸗ 
ten fernen Poften, der an die Dünen branden hört den Belt, 
bis zu der Wade, die ihr Schilderhaus Kat aufgerichtet an der 
Raiferburg. ©. P. 1, 2%. 

Als caufale Präpof. bezeichnet von den thätigen Grund einer 
Wirkung, welche als eine von dem Subject erlittene Wirkung 
gedacht wird. " 

Und von ber unendlichen Mühe ermattet finfen die ſeniee. S. 
Bürgſchaft. Die Fürftin entvedit uns ein Geheimniß, das fie 
eben von uns erfahren folltee S. DE._2, 12. Mein Kopf 
glüht von durchwachter Naht. S. Df. 3, 2. 

Noch dient von, um einen Stoff, einen Theil von einem 
Ganzen, eine Befchaffenheit, einen Urfprung, den Inhalt - 
einer Rede zu bezeichnen. 

Er trägt ein Koller von Elendshaut. S. 8. 7. Die Himid- 
tung von 25 edeln Nieberländern war das ſchreckliche Borfpiel - 
von dem Schidfale, welches beive Grafen erwartete. S. Com. 
Hinricht. Warft fo Tieblih von Gefiht. ©. F. 2, 38. Trlan- 
ben Sie mir, daß ich nun von mir und meinen Schieffalen rede. 
G. Lj. 4, 15. Er iſt von altlombarbifchem Geſchlecht. S. P. 3,8. 


C. Gebrauch der Präpoſitionen. 
§. 251. 


Wie in den vorhergehenden $$. der Gebrauch bee Praͤpoſ. 
zuweilen mit berücdfichtigt werben mußte, fo wirb Hier auch mitun- 


x 





4 


x 


— 10 — 


ter auf bie Bebentung berfelben Hingewiefen werben müflen. - Die 
Präpofitionalconftenctionen nach ben regierten Caſus aufzuführen 
iſt zu unficher, deshalb mögen bie Begriffe und das öftere Vor- 
fommen bie Reihenfolge beftimmen. 


1) Präapofitionen neben Verbis. 
$. 259, 


Bei ven Intranfitiven der finnlichen Bewegung er⸗ 
fordert die Richtung wohin den Acc., das wo den Dat., doch 
aur bei ſolchen Präpof., welche fih die Freiheit beider Caſus be- 
wahrt Haben. Iſt die Rection auf einen Cafus beſchraͤnkt, fo ſteht 
biefer, unbefümmert um bie Richtung. Namentlich gilt dies von 
ber Präpof. zu ($. 251.), die gewöhnlih wohin ausbrüdt und 
bennoch. immer den Dat. bei fih bat. Hierher gehörige Verba find 
befonders: fahren, liegen, fliehen, deren gehn, fe - 
ven, fommen, kriechen, laufen, reifen, reiten, rennen, 
rinnen, "Tchleihen, ſchreiten, fhweben, ſchwimmen, 
ſpringen, wandeln, wandern, wanken u. a. 

Boll fügen Schwindels flieg’ ih nach dem Platze. S. DI. 2,5 

Ich ging im Walde IB für mi bin. ©. Gefunden. Du gehft 
nicht nad Blandern? S De 2,5. Ich geb’ zum Biſchof 

von Konſtanz. ©. ©. 1. Und er fommt an's Ufer mit wan- 
. berndem Stab. S. Bürgfhaft. Da Tief ich an ein fließend 


Waſſer. ©. Rettung. Wißt ihr no wie ihr nach Haßfurt auf 


die Faftnacht reiten wollte? ©. ©. 3. Roland ritt hin⸗ 
term Bater her. Uhl. Rol. Schildtr. - An die Thüre will ich 
ſchleichen. © %. 5, 14. Laßt meine Garden unter bie 
Waffen treten. ©. DE 5, 9. Dem Pilger, der zum Gottes⸗ 


Haufe wallt. S. TI. 1, 2. Die Eumeniden ziehn zum Tar⸗ 


tarus. G. J. 3. Und vor den edlen Meifter tritt der Jüng⸗ 

ling. S. 8. m. d. Drachen. In des Papillons Geftalt Fate 

ich. zu den vielgeliebten Stellen über a uelen ‚an bie Quellen, 
um den Hügel, durch den Wald, G. Schadenfreude, 


$. 256, 


Bei den Intranfitiobegriffen fallen, ſinken, ſtürzen berührt 
fih das wohin und wo fehr nahe: Er fällt auf dem Boden bin, 
anf den Boden hin; jenes bezeichnet mehr den Act des’ Fallens, 
dieſes mehr den Ort des Gefallenſeins. 

Doch eh ih ſinke in die Nichtigkeit. S. T. 1,7. Da finkt 

er an's Ufer und weint und 7% S. Bürgfchaft. In der Jung- 

frau Hand bift du gefallen. ©. Jon. 2,7. © ſtürzen fi 

ganze Herden zu üren Sub. ©. Rurs Park. Sie ſtürzen 

einander über die Nacken. ©. daſ. Aber matt auf unſre Zo— 
. nen faällt der Sonne e fürdges Licht. S. Punfchlied. 





— 141 — 


$. 257. 


Diie Tranſitiva legen, ſetzen, ſtellen Haben m ber heutigen 
Sprache ftets Präpof. mit dem Acc. nach fih. ” Sind diefe Berba 
mit hinter oder nieder verbunden, fo kann mitunter der Dat. 
- folgen flatt des gleich zuläffigen Ace. 

Eh' Ihr den Fuß gefest auf biefe Schwelle. S. TI. 1, 4. 
Komm, laß’ dich nieder zu-uns auf diefen Kanapee. W. 1, 8. 
Schon acht Monate Legt fih der Schwarm uns in die Betten 
md in die Ställe. ©. %. 1. O legt mich nicht in's bunfle 
Grab, nicht unter die grüne Erd’ hinab! Uhl. Frühlingsruhe. 


$. 238. 
Der intranfitivfte aller Verbalbegriffe, das Verbum fein, be— 
‚ gehrt nad Präpof. ven Dat. für den Ausdruck finnliher Raumver- 
bältyiffe wie für die Abſtraction. Zuweilen flebt der Acc, dann 
ſcheint aber ein Wort zu fehlen. 

Sei im Beſitze und du wohnſt im Recht. S. T. 1, 4. Bin 
ih in oder über ber Erde? J. 59. Was im Menfchen nicht 
iſt, kommt auch nicht aus ihm. ©. Hd. 3, 3. Du bifl zu 
Sotheringhay, Königin. S. St. 3, 4. Er meint, wie wir im 
Schleſien waren. S. P. 2,7. Im deiner Bruft find deines 
Schickſals Sterne. ©. P. 2, 6. Mein Bruder ift in voller 
Srende. ©. G. 1. Ich will reben wie ein Thor, wenn ich bei 
guter Laune bin. ©. %. 5, 6. Wär’ ih bei Gel, fo wär 
ih bei Sinnen. ©. F. 1, 122, Du biſt fchon wieder über 
diefen Papieren? G. %. 1, 10. Sp weit das Leben über das 
Gemälde ift, fo weit ift der Dichter über den Maler (erha⸗ 
ben). L. 8. 1, 3, 


$. 259. 


Werben, ein dem fein naher Begriff, hat auch in ber Eon- 
fruction überall damit große Aehnlichkeit; zwar brüdt es nicht bie 
volle Ruhe des Seins aus, fondern deren Entflehn, wobei man 
fih oft ein wohin denken kann. Viele der mit werden gebilde- 
ten Redensarten entfprechen einfachen Imperativformen, z. B. an⸗ 
fangen, ‚ausbrechen. Althergebracht in unſerer Sprache iſ werden 
mit zu, für den Begriff der Verwandlung. Statt des präbi- 
cierenden Nom. ($. 205.) tritt zu mit dem Dat. ein. Cine 
dritte Ausdrucksweiſe -ift, das Prädicat als Subject und das vorige ' 
Subj. in den Dat. mit der Praͤpoſ. aus zu feßen. — Andere Berba 
ber Berwandlung erfordern die Präpoſ. in. 

Dein Bater ift zum Schelm an mir geworden, ©. T. 3, 18. 
Zum Berräther werde nidt, ©. T. 2, 2. Da wurde Lei—⸗ 
ben oft Genuß, und felbft das traurige Gefühl zur Harmonie. 
G. T. 3, 2. Bon Natur befigen wir feinen Fehler, der nicht 
zur Tugend, Feine Tugend, die nicht zum Fehler werben. 


® 
* 








— 142 — 


könnte. G. Wi. 1, 10. Wenn aus dem Herrn ein Bräutigam 
wird, fo iſt fie geborgen. G. Hd. 7, 192. Was fol aus ihr 
num werden? W. 9, 2. Sn welches wilde Thier wir ung 
umgefleidet fehen! W.2, 11. Berwandle bis dahin mein 
Herz in Falten Stein! W. 6, 22. “ 


$. 260. 


. Herfunft und Urfprung auszudrüden, nehmen fein (und 
werben) die Präpof. aus und von zu ſich; desgleichen um eine 
Art und Beſchaffenheit zu bezeichnen, mo jeboch neben von 
auch der bloße Gen. eintritt ($. 232, 4.). 


Er ift von altlombardifchem Geſchlecht. S. V. 3, 8. Wo feid . 
ihr ber, bochgelahrter Herr?. Bon Franffurt am Main, Yhro - 
. 1. 


Eminenz zu dienen. ©. © 
6. 261. 

Wie bei werben, gleichfam dem Paffivum von tun und ma- 
Ken, die Präpof. zu den Nom., fo umfchreibt fie bei machen den 
Acc. Dahin gehören auch Die Berba wählen, ernennen, aus- 
rufen, beftellen u. a. Früher gehörte auch thun hierher, das 
aber jeßt verloren ift und nur noch in ber etwas anders genom⸗ 


menen Redensart: es ıft um uns getban, fortbefteht, wofür aber 


feat felten das gleichbedeutende: es iſt um uns gefhehn, ge- 

est wird. 

Der Zwang der Zeiten machte mich zu ihrem Gegner. ©. St. 
2, 8. Mich wählte er zu feines Testen Willens Vollſtreckerin. 
S. Di. 5, 11. Weil er einen armen Teufel zum Schelmen 
verhört Hatte. & E. 4. Der Schelm figt überall im Bor- 
theil; auf dem Armenfünderftühlchen Hat er den Richter zum 
Narren; auf dem Richterſtuhl macht er den Inquiſiten mit Luft 
zum Verbrecher. G. E. 4. Er beftellet fih zum Bormund, 
daß er mih zum Rind erniebrige, ben er zum Knecht nicht 
zwingen fomte. © T. 4,5. Ich aber foll zum Meißel mich 
erniedrigen, wo ich der Künſtler fönnte fein. S. DE. 3, 10. 


Beil hi; en Srumd nicht über Dinge will zum Richter feßen, - 


bie u. 4, 8. Nachdem man ihn zu Borbeaur zum 

Herzog ausgerufen. W. 1, 29. — Um des Jahres Ernte 
iſt's gethan. S. 9. 1, 4. Cs fei um mih gethan. ©. F. 
1, 26. — Juſt um diefen Brief war mir’s- zu than. ©. DE. 
=% \ 


$. 262, 


Die Verba ſtehn, fiben, Tiegen, ruben, bleiben, woh— 
nen u; aͤhnl. drüden, wie fein ($. 258.), den Begriff der Ruhe 
aus und erfahren aͤhnliche Eonftruction. — Beruhen fordert den 
Dat., obgleich einige den Acc. dazu confiruieren: Das beruht auf 
den (fintt dem) Grund. Bei fich fügen, gründen find beibe 


— — 





— — 


—— — ——* 
” \ 


— 11.0. 


Caſus zutffg, weil durch bag Neflerioprongmen der tranſttive Aus 


druck wieder intranfitiver wird. 

Nachmittage ſaßen wir junges Volt im Kühlen. ©. Sticbt d. 
Fuchs. In der Eiche Schatten ſaß ich gern. ©. Yen. 1, 10. 
Die. Königin ſaß auf des Pallaſtes mittlerer Tribüne. S. DE. 
1, 1. Ich will felber zu Gerichte fihen. ©. DE. 3, 4. Sie 
fliehen in Gedanken, S. DE. 1, 1. Er kann nidt lebenfin 
dem Hauch der Grüfte. S. TI. 4, 2. Ein tiefer Sinn wohnt 
in ben alten Bräuchen. ©. St. {, 7. Es Hingt fo ſchön, was 
unfre Bäter thaten, wenn eg in flillen Abendſchatten ruhend 
ber Jüngling mit dem Ton ber Harfe ſchlurft. G. J. 2, 1. Sie 
lagen in Garniſon zu Brieg. ©. L. Max, bleibe bei 
mi! S. T. 3, 18. Thronend auf ‚Shane Sitz ſchwingt 
Chronion ſeinen Blitz! S. Triumph d. 

Anm. Noch etwas tranſitive Kraft ſcheinen J ihn und liegen in folg. 


Beifp. aus Uhl. zu haben, Lieg’ ih in' s tiefe Gras hinein, Früh⸗ 
lingsruhe. — Sie ſaßen in’s Blumenland. d. Traum. 


—— $. 263, 


Im Gegenfag zu den eben genannten Verbig ver Ruhe, und 
verwandt mit ben intranfitiven der finnlihen Bewegung 
($. 256.) erfordern die Verba erfireden, auspehnen, verlän- 
gern u. ähnl. verſchiedene Präpof. über, auf, nad, bis. 

Ihre Nachahmung erfirede fih anf die ganze fichtbare Natur, 
L. L. 3. Zwifchen Lillo und Stabroek ftredt fih eine große 
etwas abpängige Ebene bis nach Antwerpen. ©. Bel. v. Antw. 


§. 264. 


Bei nehmen unterſcheiden wir neuhochdeutſch das unbeſtimmte: 
Eine Frau, ein Weib nehmen von dem beflimmtien: ‚Eine zur 
rau, zum Weibe nehmen. Aehnliche Conſtructionen finden ſich bei 
geben, haben und bitten: Einen zum König geben, einen 


zu Gaſt bitten, eine zur Frau haben. Das prädicativ hinzu | 


gefügte Nomen pflegt einen präpofitionellen Ausdruck zu erhalten; 
bie Eigenfchaft des Prädicats wird dadurch fchärfer hervorgehoben, 
als wenn ber doppelte Ace. flünde. (Vgl. $. 261.) 
Sp nehmet auch mich zum Genoffen an. ©. Birgſchaft. Der 
Shnen das größte Reich per Welt zum Erben gibt. ©. DE. 
‚5. Ich könnte mit Im leben, ob ich ihn gleich nicht zum 
dann: haben möchte. ©, G. 2. Da hatt’ einen Lerl zu 
Gaſt. G. Recenſent. 


$. 265. 


Es unterſcheiden ſich zwei Aeußerungen bes Redevermögens: ſa⸗ 
gen und ſprechen, je nachdem der Nachdruck auf das: Mitge⸗ 
tbeilte oder auf ben. Mittheilenden fällt. Man hört eiwas 
fagen, aber einen ſprechenz dort wird das Geſagte, ba 





— 14 
Materielle, hier der Redende, das Formelle, bemerkt und 
beroorgehboben. ‘Der Stumme kann überhaupt nicht ſprech en, 


der Sprechende oft etwas nicht fagen, wofür er den geeigne- 


ten Ausprud nicht findet. Sagen geht über in die Begriffe er- 
zählen, melden, anführen, verkünden, zeihen, befen- 
nen; fprecdhen erhöht und veredelt fih in veben. — Was nun bie 
Eonfruction in Bezug auf den betrifft, an welchen fi die Rede 
richtet, fo fleht fagen mit dem Dat., ſprechen erforbert die 
Präpof. zu; doc wechfeln beide auch mitunter in ber Conftruction, 
wenn fie m ihren Begriffen für einander gefeßt werben, wi der und 
gegen (8. 252.) bezeichnen ein feindliches, für ein freundfchaftli- 
ches Berhältniß (dat. commodi u. incommodi). Beziehen fich dieſe 
Berba auf bie dritte Perfon oder: auf eine Sache, ſo erforbern fie 
bie Präpof. von, über ($. 251. 253). 


Und zu mir felber ſprach ich dann. ©. Bürgſch. Ss er 


unten an ber Treppe und fagte Ieife zu ihm. G. ©. J 

aber will zu deinem Herzen reden. S. St. 4, 6. F will 

für Sekten aeugen. S. Siegesfefl. Ich redete für eure 

Freiheit. & ©. 2. Es reden und träumen die Menfchen viel 
von beffern fünften Tagen. ©, Hoffnung. Die Dichter fa- 
gen und von einem Speer, der eine Wunde, die er Ieroft se 
Ühfagen, durch freundliche Berührung heilen konnte. G. T. 

Er hatte ſchon einigemal über die Behandlung einer — —* 
‚gabe mit mir geſprochen. ©. Leben 5. Ich habe mir von bie- 
ſen Taiferlihen Forderungen auch erzählen laſſen. S. 9. 1, 1 


$. 266. 


Das innere bei. fich felbfi Denfen wird am kraͤftigſten durch 
eine Medialform, ober das fie erfeßende perfönliche Pron. im Dativ 
ausgedrückt: fi denken, vorftellen, einbilden. Der Ge- 
genftand des Denkens fommt gewöhnlich in den Gen. ($. 225.), 
- oft auch in den ec, ober nimmt bie Präpof. an, auf, über, zu 
fid. — Wiſſen und verftehn geflatten um, auf und von. 
Seeut mich, daß bu fo fleißig am deinen Schöpfer denkſt. ©. 

8. 1, 3. Den?’ an die Nähe des Allwiffenden. ©. St. 5, 7. 
Sie wollen nicht auf Ihre Rettung denken? S. Di. 4, 13. 


' 


al Dane über bie Leute nicht denken, bie mir woplimollen. 


Er finnet fill auf unerhörte galt. G. J. 1, 3. 

Dt Bolt, was das denkt. G. E. 1. Weiß die Königin 

am diefe Neigung? ©. DE. 1, 2. Wer fih auf Schlöffer gut 

verfände! S. Df. 2, 12. we; altes Weib verftehe mehr 
von der Sympathie als ich. ©. 


$. 267. 


Die Begriffe des Sinnens und Denfens gehn über in bie 


von Sorge, Furcht, Freude, Trauer, wobei mancherlei 
Praͤpoſ. ſtehn "tönen, beſonders über, vor, an. 





— 145 — 


Wie ſchmerzlich Tacht der Edle über dieſen Ernſt und über 


Kronen und Gräber und alles! J. 47. Ich kann mich nur über 
ven Menfchen freuen, der weiß, was ihm und andern nüße ift, 
und feine Willkühr zu befchränfen arbeitet. ©. %. 1, 17. Mir 
rauet vor ber Götter Neide. ©. Ring d. Pol. Trug dich dein 
ferd fo Leicht herein, und [heute vor dem Blutgeruche nicht? ©. . 


-€.4. Es thut mir leid um meine Oberflen. ©. 9.2,7. Daß 


fich Herz und Auge weide an dem wohlgelungnen Bild. S. Glocke. 
War’s unrecht, an dem Gaufelbilde mich der königlichen Hoff- 
nung zu. ergöben? S.T. 1, 4. Es iſt mir mehr um Euch 
als mich. W. 2, 12. | 

. 268. BE 
Die Berba des Bittens, Begebrens, Strebeng, Fra- 


gens u, ahnl. conſtruieren theils mit dem Acc., theils mit Präpof., 


b 


efonders mit nach und um. 


Mit heißen Thränen wirft du dich dereinſt heim fehnen nad 
den väterlichen Bergen. ©. TI. 2,1. Sie fehne fih zu den 


Ihrigen. 3. 62. Nach Ehre geizt die Jugend. ©; ©t. 2, 7. 


Ich walle zu einem flerbenden Mann, der nach ber Himmelskoſt 
ſchmachtet. ©. Gr. v. Habsb. Sie fpioniren nach Bor- 


-theit über mih. G. ©. 1. Nach Freiheit firebt der Mann, 


das Weib nad Sitte. ©. T. 2, 1. Fragt einen Soldaten 
nad feinen Wunden. ©. E. 4. Was fragt ein Miethling nad 
dem Königreich, das nie fein eigen wird? ©. DE. 2, 2. Sieh 
die Menfchen, wie fie nach Gluck und Vergnügen rennen! ©. 


%. 2, 2. Es find die Flandrifchen Provinzen, die feierlich um 


Rettung Sie befürmen. ©. Df. 1, 2. Ich bitte dich um 
einen Freund. ©. Df. 3, 5. Sie ſucht mit trübem Blid nad 
einem Ort. W..8, 60. Ihr iſt's genug, daß er darnach zu 
Bangen fhent. W. 6, 27. Er Tenfgete nad —*8 
Iſchia. J. 108. So ſeh' ich ihn nach Lanz' und Schwertern 
greifen. G. E. 5. 


5.288. 


Bei den mit obigen verwandten Begriffen Faufen und wer- 


ben ſteht mittelhochdeutfch um und nach, jenes‘ vor Perfonen, die⸗ 

ſes voor Sachen. Neuhochdeutſch fteht immer um, wenn der Ge- 
'genftand der Werbung bezeichnet werben foll: Man wirbt bei einem 

-am etwas; Fauft etwas bei oder von einem. Dei dem Kaufpreis 
fagen wir für und um in gleichem Sinne. 


Da fommt das ganze Städtchen und feilſcht wirbt mit hellem 
Hauf um's Allerlei im Laͤdchen. G. d. Goldſchmiedsgeſell. Nicht 
niedriger gedenk' ich fie als um ein Königsſeepter Ioszufhla- 
gen. ©. T. 3, 4. Um ein Geringes ſteht er (ver Helm) Euch 
zu Rauf. S. Ion. Prol. 3. Die Feigen, bie um bih war. 
ben, fie verließen dich. S. Jvo. 5, 9. Das war der Mann, 


E Kehrein Grammatik. II. 1. . 40 . 


i — 146 — 


mit dem ich um die Pferde ſollte handeln. ©. P. 1,2. Gie 
buhlten um den Siegesfranz. S. Graf Eberhard d. Er. 


S. 270. 


Die Berba ftreiten, Fämpfen, prahblen, fih rühmen. 
u. ähnl. erfordern nach ihrem verſchiednen Sinn die Präapof. mit, 
wider, gegen. ' u 
- Der Affe prahlte gegen den Fuchs, 8. d. Affe u. d. Fuchs. 
Du wollteft als ein Ritter fämpfen um dein Reid. ©. Ivo. 
“41,5. Ring’ um jeden Fußbreit Erde. ©. Jon. 1, 5, Wie 
viel er fih mit der Erob’rung wußte. ©. DE. 5, 9. Das 
würde um allen Ruhm der Welt Fein junger Ritter wagen. ®. 
1, 9. Der Soldat jest um feine Ehre fit. S.% 11. Weil 
ich nicht Füftern war, mit Eurer Majeſtät um diefe Freiheit mich 
zu fireiten. ©, DE A, 9, 


$. 271, 


Die Berba klagen, murren, zürnen, richten und herr- 
ſchen erfordern meift die Präpof. über, klagen nimmt auch ge- 
geh und bei, murren und zürnen nehmen auf und richten 
auch den Ace. zu fih. — u 

Die weltlichen Stände, meine Nachbarn, haben alle einen Zahn 

auf mid. G. ©. 2%. Vater Zeus, der über alle Götter 

herrſcht in Nethers Höhn, ©. d. eleuf Feſt. Sch kann au 

"über biefe Ießte Schwäche fiegen. ©. Dk. 4,9. Du gebie 

teft über Tod und Leben. S. Laura am Clavier. . 


$. 272, 


Die Berba kleiden und anziehen fordern an. für ben Kör⸗ 
pertheil, in für den Stoff, worin man fich kleidet. Diefelbe Con⸗ 
firuetion mit in tritt ein, wenn Fleiden in übertragener Be— 
deutung ftebt. " | 6 
Auch ſie, die alte Königin, ſieht man in Stahl gekleidet 
durch das Lager reiten. S. Ivo. Prol. 3. In rauhes Erz ſollſt 
du die Glieder ſchnüren. ©. daſ. 4. Und ihre Fantaſie in 
Grün ſich wieder kleidet. W. 8, 64. Wie der hohe Epomeo 
vor ihnen ganz in Weinlanb und Frühlingsblumen gekleidet 
fand. %. 110. Sch bin nicht vorbereitet, was ich als Bürger 
deſer Welt gedacht, in Worte Ihres Unterthans zu kleiden. 


10. 


$. 273. j 
Die Berba leben, Leiden, fterben u. ähnl. erforbern nach 


verſchiednem Sinn das erfte meift von, bie andern an-und vor. — 
Zeugen und gebären ceonfiruieren mit den Präpof. von und mit... 


Mein Vater eilte zu dem verwundeten Freund, ber an einem flarfen 


- 


= 


.. — 17 — 


Wundfieber recht krank darnieder lag. ©. Lj. 6. Jauchzend 
ſieht Europa feinen Feind an ſelbſtgeſchlagnen⸗Wunden ſich ver- 
biuten. ©. Df. 3, 10. j 


S.374. . 


- Die Verba der Sinne fehen, hören, horchen, riechen, 
Ihmeden erfordern bei ber unmittelbaren Richtung des Sinnes 
‚die Präpof. nah. In etwas verändertem Sinne kommt fehen 
auch mit durch und auf, hören mit auf und zu vor. \ 

Sao höre denn und,acht’ auf meine Rebe. ©. TI. 1,2. Es 
horcht ein ftilfes Herz auf jedes Tages, jeder Stunde War⸗ 
nung. ©. T. 2, 3. Wie oft Hab’ ih nach dir gehorcht, ge- 
fragt. ©. E. 5.- Das Stühlen riet fo nad armen Sim- 

dern. G. ©. 4 Glaub’ mir und hör’ auf eines Mannes 

Wort: G. J. 1,2. Sie fpähen bang nad des Kozytus 

Brücke. S. Gruppe a. d. Tartarus, \ 


- 


S 


$. 275. 


Das Verbum helfen und verhelfen erforbert den Dat. der 

‚ Yerfon und gewöhnlich den Dat. ber. Sache mit der Präpof. zu. 

Sich verdient machen verlangt bie Perfon im Ace. mit um; 

. besgleichen ſteht um bei beneiden, nm die Sache zu bezeichnen, 

- 3b half euch yon einem Feind und mir zu einem Pferd, ©. 

®. 3. Ich hatt? es nicht um dih verdient. ©. DE 1, 2. 

: Ihe machtet um meine Krone euch verdient. ©. DE. 3, 10. 

Ich babe Deinesgleichen flets beneidet um dieſes Vorrecht ber 
Vertraulichkeit. ö. Dr. 1,9. —— 


8. 276. 


Die Verba warten, harren, hoffen, glauben, bauen, 
trauen, beſtehen u. ähnl. können in verſchiednen Conſtructionen 
die Präpoſ. an und auf zu ſich nehmen, geſtatten jedoch theilweiſe 
auch den Acc. oder Gen. ohne Praͤpoſ. 

An ſolcher Namen echte Währung glaubt das Voll. S. TI. 

1, 4: Bang harrte der Lehrling auf Licht. ©. r. Eleg. 12. 
Erhörung wartet auf ben Furchtſamen. S. Di. 2,4. Ich 

hoffe auf firenges Recht von meinen ird'ſchen Richtern. ©. St. ° 
1,7. Ich verlaffe mich auf mich und auf meine beiden off 
nen Augen. ©. St. 2, 7. Trogt nicht auf Euer Redt. ©. 


St. 3, 3. Wer auf Gott vertraut umd die gelenfe Kraft, 


ber ringt fich Teicht aus jeder Fahr und Noth. ©. Th.8, 1. 

: Der -Daupbin verzweifelt an des Himmels Schub. S. Ivo. 

2, 2. Die Frauenzimmer beftanden auf ein Paar golbner 

Schwingen. ©. %. 8, 2. Da fie noch jebt auf Frankreichs 

Hülfe pocht. ©. St. 2,9. Ich zählte auf euch. G. ©. 2. 
10* 


- 


I} 


— 148 — 
g. 277. 


Hauptanwendung ber vor Werkzeugen. ſtehenden Präpof. iſt mit; 
älter feheint gleichwol die gefellige Bebentung ($. 249.), Verbin⸗ 
dung und Bereinigung, wofür jeßt häufig in und zu ſteht: Laß 

mich mit, in Frieden; ftelle ihn zu Frieden. 0 
Was die Natur deinem Geift nicht offenbaren mag, das zwingft 
du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben. ©. F. 1, 42. 
Sie find mit Geiftern, mit Dämonen einverftanden. S. DE 
2,8. Sieb, wie mit Taufchendem Mund und weitgeöffnetem 
Auge die Hörer alle paffen. W, 1, 8. Dies Auge hat fein frü- 
bes Grab mit treuen Zähren begoffen. W. 1, 24. Und füllet 
mit duftenden Schäten bie Raven. S. Glinde. Und ehe das 
dritte Morgenroth fcheint, hat er ſchnell mit- bem Gatten die 
Schwefter vereint. S. Bürgſchaft. 2 | 


$. 278. . 


Die Verba der Trennung und Befreiung erfordern bie 
Präpoſ. von, um ben Gegenftand zu bezeichnen, von dem ein an- 
drer fich "entfernt... Außer den auch mit dem Gen. conſtruierten: 
entbinden, losſprechen u. a., von benen bereits oben ($. 219.) 
die Rede war, gehören hierher noch: befreien, erretten, erlö— 
fen, heilen, trennen, fi erholen — - 

Ach könnt’ ich doch von allem Wilfensqualm entladen in dei⸗ 
nem Thau gefund mich baden! ©. F. 1,30. Entbinden 
nicht unfre Geſetze von folden Schwüren? G. G. 2. Das Heer 
entwöhnte Fängft vom harten Opfer fein Gemüth. ©. J. 4, 2. 
Ihr fagt euch alfo von dem Fürften 108? © T. 2, 5. Dies 
Manıfeft fpricht los das Heer von des Gehorfams Bflichten. 
©. T. 2, 6. Zwei Seelen wohnen, ad! ın meiner Bruft, die 
eine will fih von der andern trennen. ©. 5. 1, 60. Heute 
ſoll ich’8 befreien von feinen Freunden. ©. P. 1,2. Wer 
errettet mih von feiner Wuth! S. St. 4, 6. 


$. 279. 


Mit den Verbis der Trennung find die des Verluſtes ver- 
wandt, in den Redensarten: um etwas fommen, einen um etwas 
bringen u. ähnl., wo der Verluft durch die Praͤpoſ. um bezeichnet 
wird (vgl. $. 261.). Oft wird das Prädicat bloß durch das Ver- 
bum fein ausgebrüdt, indem das Partie, von fommen oder brin- 
gen binzugebacht wird. | 

Das vergeben mir die Wiener nicht, dag ich um ein Spektakel 
fie betrog. ©. P. 2, 7. Gethan iſt's um ihr theures Land, 
S. DE. 1, 2. Ich bin um meinen Schlummer. ©, Dk. 3, 1, 
Soft find Sie um Ihren Purpur. S. DI. 1, 1. 


\ 


— us — 
| 18. | 


‚. Einige Partitivbegriffe pflegen flatt des Gen. der Sache 
auch die Präpof. an zu fich zu nehmen: mangeln, fehlen, ge⸗ 
brechen. Die Präpof. drüdt gleich dem ältern Gen. hier wieder 
das Partitive aus, im Gegenfab zu dem Cafus rectus: Es mangelt 
mir bie Luft, geht Auf den Begriff der Totalität. — Theilweife ver- 
wandt damit find die Berba weichen, nadhftehn, wenn angege- 
ben wird, worin man geringer ift, worin man einem andern nach⸗ 

ftebt, wo gleichfalls die Präpof. an erfordert wird. 

- An Büchern fehlt’S, den Geift zu unterhalten. ©. St. 1, 1. 
An Fleiß und Mühe bat es nicht gefehlt. G. T. 4, A. Dann 
ſoll's an gefälligem Betragen nicht gebreden. ©. T. 1, 6. 
An frofem Muth und Willen weich’ ich feinem. G. T. 2, 3. 
An Eifer gab er feinem Märt’rer nach. W. 6, 24. 


2) Präpvfitionen neben dem Nomen. 


a) Bei Subftantiven. 
nn $. 281, 
Wie die Nomindlrecton für den bloßen Caſus viel unbedeuten- 
ber ift als die verbale ($. 231.), fo flehn auch die Beziehungen 
des Nomens auf die Präpoſ. denen des Verbums an Einfluß und 
Wichtigkeit nah. Wenn ein objectives Sabverhältnif, in welchem 
die Beziehung durch eine Präpof. ausgebrüdt wird, in ein attribu= 
tives verwandelt, d.h. wenn flatt des Verbums ein Subftantivum 
geſetzt wird, fo treten hei letzterem diefelben, Präpof. ein, welche das 
Verbum erfordert. As Hauptfälle dürften nachfolgende gelten. 


$. 230, 


Den von Subft. abhängenden Gen. ($. 232.) umfchreibt in ber 
. neubochbeutfchen Sprache oft die Präpof. von (aber lange nicht fo 
häufig als ihn das franz. de, das engl. of, das niederl. van ver- 
treten hilft). Die gemeine Mundart geftattet fi) übrigens biefes 
von öfter als die Schriftfpradhe; erftere fagt: Der Vater von die- 
fem Kind, die Spite von dem Berge, was Ießtere nicht wol wagt. 
Doch unterfcheiden fi Hier die Schriftfteller von einander, Wie- 
land z. B. geflattet fich jenes von häufig, wo andere den Gen. 
fegen. Dieſe Präpof. zeigt fih gewöhnlich bei dem Begriff der 
Bath des Gebietens, bes Dienens und ber Theil- 
nahme. 

Das hätte die Geduld von einem Heil'gen morden können! 
W. 1, 42. . Das Ende naht von deinem Sünbenleben. W. 3, 
33. Du fiehft das Ziel von meinem langen Lauf. W. A, 34. 
Ich bin die Mutter von der Amme ber fchönen Rezia. W. 
4, 42. Die Sonne hatte bald ben dritten Theil vollbracht von 
ihrem Lauf. W. 5, 6. — Dort fimt in bauger Nacht, ein 


. 


\ 








— 150 — 


Sklav von flüht’gem Ruhm von Amt auf Aemter bin. 2. 
Auf e. vornehme Vermähl. Zeitlebens ſoll ih ein Gefangner 
fein von diefem Namen. ©. P. 2, 4. Und bann kann ber 
befte Nitter nichts machen, wenn er niht Herr von feinen 


Handlungen if. G. ©. 3. Sie fol Königin von meinen 


Schlöffern werd. G. ©. 3. Ihr feid der Herr vom 

ı Hans. ©. F. 1, 203. ” Ich fragte fie, ob fie die Mutter von 

den Kindern wäre. G. WI. 1, 27. Mai. hr feib gewiß ber 

- Richter von diefen flühtigen Männern? ©. Hp. 5, 

224. Sch bin eine Freundin von Geſchichten. S. Df. 1,4. 

Anm.’ Wie in vem Bſpl. M. 4, 42. gebrauchen auch andere Schrift: 

ſteller die Präpoſ. von, um den doppelten Gen. zu vermeiden: Das 

Glück von einem Zaufend tapfrer Heldenherzen. S. : Die legte Hoff: 

nung von Atreus Stammg ruht auf pm allein, G. 3.5, 3. Dort 

’ fegneten vielleicht des Vaters Thränen einft ben edelſten von Deutfch- 
landg Söhnen. Matihiffon: Elegge.— 


N j . 6. 283. " ” 
Bor örtlichen Eigennamen brüdt vom weniger Herr- 


— ſchaft und Eigenthum, als Herkunft und Abflammung - 


aus. — Auch in manden andern Fällen zeigt von, vor örtlichen 

- und perfönlichen Begriffen, Herfommen und Urfprung an: Ein 

Kuß von deinen Lippen; zwar wäre ber Gen. zuläffig, die Prä- 
poſ. iſt aber Tebhafter, 

. Sp fein ihr Götz von Berlichingen! G. ©. 1. Franz von 
Sitingen hält vor dem Schlag und läßt euch fagen: er habe 
gehört, wie die Herrn von Heilbronn allen Vorſchub thäten, 

G. G. 4 Es kommen bald Kaufleute oon Bamberg und 
Nürnberg aus der Frankfurter Meſſe. G. G. 2. Ich geh’ 
zum Bifchof von Conſtanz. ©. ©. 1. Und dies geheimniß- 


- solle Bud von Noftradamug eigner Hand, iſt dir es nicht 


_ Geleit genug? &. F. 1, 31. Er befaß trefflihe Gemälde von 


N 


den beften Meiftern. ©. %. 1, 17. Ich babe mir herz⸗ 


Yihen Danf von guten Bürgern verdiene. ©. Hd. 3, 34, 
Ein Glanz vom Himmel fohien die Hohe zu umleuchten. ©. 
Ivo. 1, 9. Bringft du mir von ihrem Munde ein herzlich 
Lebewohl? G. Nt. 3, 4. Kalt wird ber Kuß von deinem 
Munde, matt der Drud von beiner Hand. ©, d. Abſchied. 


$. 284. 


Bon bezeichnet ferner den Stoff, woraus etwas befleht, ge- 
macht ift ($. 253.). Solche Stoffe werben aber immer allgemein 
genommen und haben feinen Artikel. — Diefen unbeſtimmten, ar- 

- tikellofen Ausdruck mittelft von verwenden wir auch noch in ver- 
ſchiednen andern Fällen, gegenüber dem beftimmten und articnlierten 
Gen.: Ein Geräufh von Menfchen, eine Fülle von Gedanken u. a. 

- In Haft und Eile bauet der Soldat von Leinwand feine 
leichte Stadt, ©. P. 1, 4. Deinem Bilde von Marmor hier 


- 


| — 1511 — . 
möcht’ ich Dich wohl vergleichen. ©. Sonette 4. Den Laubgang 


erftieg man auf Stufen von unbehauenen Platten. ©, Hd. 4, 
28. Herr Hüon läßt am Feuerherd auf einer Banf von Moog 


fih nieder. W. 1, 28. — O welder Abgrund von Abfcheu - 


Iichfeiten! ©. St. 4, 6. Gewiß umgibt ein fohöner Kreis dich 
von Aehnlichen. ©. Nt. 4, 1. Cr fchwebte in einer Fülle . 
von Hoffnungen. ©. %. 1,11. In weldes Meer von 
Jam mer ſtürzt fie euch! W. 1, 4. 

| - $. 255, 
Um eine Art oder Beſchaffenheit auszudrücken, Fönnen wir 


ben bloßen Gen. feßen ($. 232, 4), vder auch mit der Präpof. von 


eonftruieren. — Verwandt damit feheint der Gebrauch, daß wir 
neuhochdeutſch zur Steigerung des Begriffes zwei perfönliche Wör- . 


ter durch von mit einander verfnüpfen: Ein Engel von einem 
"Weide — ein englisches Weib. — Endlich ſteht von in feiner 


eigentlichen Bedeutung ($. 253.) nach den Subft. Abſtand, Ent- 
fernung, Trennung u. ähnl. 
Der Mann von Ehre gibt fchon erröthend, aber er nimmt 
nicht errötbend J. 58. Plötzlich fland vor ihm en Mann von 
rauber Geſtalt. W. 1, 19. hr felbft erflärtet fonft den 
Schotten Kurl für einen Mann von Tugend und Gewiſ— 
fen, ©. &t. 1,7. Das Pferd ward ein edleres, rafıhes, mu- 
thiges Thier von vieler Wärme, von wenigem Schlaf. 9. 
4,1, 6 — Wahrlich ein Engel von Weib! V. 3, 2, 339. 
. Schurfe voneinem Wirth, U M. 1,1. Er wollte nun- 
mehr beirathen, und zwar einen rechten Teufel von einer Fran, 
2.39. 1, 6. Diefen Felfen von einem Dann hätten die 
Athenienſer verachten follen? 2.2%,3. Da Schelm von Sper- 
ling! V.' 2,-391. Obendrein bat mih der Schelm von 
Schneider noch fiten laſſen. ©. 8. 1,6. Schaffopf von 


/ 


einem Gauner! ©. F. 1, 9. Laß doch ſehen, ob mich ein 


Starrfopf von Sohn meiftert! S. K. 1,7. Das ift eine 
Pracht von einem Becher! © 9. 4,5. Meine Hunde 
von Reitern. ©. ©. 3. Dem Hafen von Bräutigam 
das Fräulein wegzublafen. W. 4, 63. 


$. 286, 


Nah der Präpoſ. von foheint zu den weiteften Umfang neben 
Subft. zu haben. Es wird dadurch vor Ortsnamen Wohnſtätte 
und Aufenthalt angegeben, wobei es zuweilen mit in wechfelt. 
Verwandt damit ift Die Bedeutung des zu bei Subfl, der Bewe- 


‘gung, wo es öfters mit nach tauſcht ($. 251.): Die Reife zur - 


Hochzeit, ver Gang nach dem Eifenhammer. Noch drückt zu, wie 
manchmal au von, das Gehörige aus. 0. 

Ihr fein mein Gaſt zu Schwytz. S. TI. 1, 2. Haben Sie be- 
. merkt, wo fie den Schlüffel zur Schatulle gewöhnlich zu bes 


N 


— 152 — 


wahren pflegt? S. Dk. 2, 12. Gebt heraus die Schlüſſel alle 
von den Städten. S. Ivo. 1, 11. Er trat die Wallfahrt 
an zum werthen heil'gen Grabe. W. 1, 11. 

S. 297. 

Wie die Verba des Herrſcheus ($. 271.), jo werben auch bie 
Subſt. König, Fürft, Herr, Richter u. ähnl. mit über ver- 
bunden, um eine Gewalt auszudrücken. — Auch flieht über für 
bes in ob, um das Meberfreffen auszudrüden: Noth über 
alle Noth. ' 

Er wird fich feines Vortheils über uns erfehen. G. ©. 2, 
Der wäre fein Meifter über vie Geiſter. ©. F. 1, 68. Im 
England ift Fein Richter über fie. ©. St. 1, 1. Botihaft 
ah! vom Triumph des Laſters über die Tugend. 2. Eintritt 

d. % 1752. 
288 


$. s * 
Nach ſteht manchmal für zu ($. 286.): Die Wallfahrt nach 
der Kirche, dann überhaupt bei Subfl. des Strebens und Ber- 
Yangens wie die gleichbedeutenden Verba ($. 268.) — So fleht 
auch um, befonders bei Subft., denen noch Berbalfraft innwohnt: 
Sorge um das Geld, Kampf um bas land. - 
Driefe nach Brabant erbricht der König. S. DE. 2, 15. Wir 
find begriffen auf vem Weg nach Rheims. S. Ivo. 3, 4. Hier 
ift Fein beichwerliches Streben nach verfagter Größe. ©. ©. 1. 
Er fühlte einen neuen Zug nad Bamberg. G. G. 2. Da er 
bisher die Kunftrichter fehr wenig genust hatte, fo erneuerte ſich 
fene Begierde nach Belehrung. ©. %. 1,'10. Der Iebhafte 
Trieb nach Amerika im Anfang des 18. Jahrh. war groß. ©. 
Wi. 1, 7. Da befiel ihn fein alter Durft nach einem einzigen 
erfihütternden Guß aus dem Füllhorn ber Natur, J. 1 
Anm. Zuweilen ſteht auf ftatt na, um eine Richtung, Bewegung 
. auszudrüden: Gegen Abend veranlaßte Charlotte einen Spazter- 
gang auf die neuen Anlagen. ©, Wv, 1, 3. 


$. 239. 


An fleht mit dem Dat. bei Iobenden oder fcheltenden Subft., 
benen faft abjectivifche Bedeutung zufteht: Ein Löwe an Mut. — 
An mit dem Acc, erflärt fih aus der den Subft. noch anflebenden 
Berbalfraft: Der Glaube an Gott. — Aus diefer Verbalfraft laͤßt 
fih, wie bereits oben (6. 281.) bemerft der Gebrauch, vieler Prä- 
pof. bei dem Subſt. erflären. Ein großer Theil der Verba, bie 
eine Präpof. zu fih nehmen (vgl. $. 255 f.), laͤßt fih in Subfl. 
verwandeln, die dann biefelben Präpof. erfordern. Borzügliche Anr 
wendung finden die Präpoſ. an, auf, in, nah, vor, über. 

Der Gedanfe an diefe fchrediiche Begebenheit Täßt mir Feine 
Rufe. &. E. 1. Im Glauben an meiner Gründe fliegende 
Gewalt. S. St. 1, 7. Zulegt im Blauen blieb ein Augenwei- 
den au fernentwichnen lichten Sinfterniffen. ©. Sonette 7. Ich 


v * 


du 





— 153 


weiß nunmehr, daß Euer gutes Recht an England Euer ganzes 
Unredt iſt. S. St. 1, 6. Werner hörte, wie ſehr man Sie mit 
Ihren Forderungen an bie Kriegskaſſe aufzieht. 2. M. 1, 4. — 
Das Vertrauen ift bin auf meine Ehre. S. Ivo. 1,6. Als 
bano's Sehnen nach dem milden Lande der Jugend wuchs im- 
mer höher. 3. 102. Oper überwog die Furcht vor der Macht 
bes Minifters den Abſcheu vor feiner aka: ©. Gran- 


vella. Die wiederholten Beſchwerden über feine Gewalt. ' 


©. daf, Es hat mir in meinem Leben fo nichts einen Stich 
ins Herz gegeben. ©. 5. 1, 182. Noch einmal fattelt mir den 
' Kuppogrofen ihr Mufen zum Ritt ins alte romantiſche Land! 
+ 1, 1. 
b) Bei Adjectiven. 
$. 290. 


Bei der Betrachtung der Präpof, neben Adi. muß Rüdficht ge- 


nommen werben auf ben fogenannten Inftrumentalis, einen 


Caſus, der dem Iatein. Ablativ entfpricht, und fih im Goth., An- 


gelſächſ. und Altnord. nachweifen läßt. Im Alt- und Mittelhoch- 
beutfchen ſteht dafür der Gen. over es treten Präpof. ein; im Neu- 
hochd. haben die Präpof. den Sieg völlig davon getragen. Die 
hierher gehörigen Adj. laſſen ſich unter folgende Begriffe bringen: 
1) Ad. der Gleichheit erfordern an und mit; 2) Abj. der 


©röße conſtruieren mit an und von; 3) Adj. der Befleibung 


mit an und mit; A) Adi. des Reichthums mit an; 5) Adj. 
ber Weisheit und die verwandten des Alters und der Yu- 
gend mit an und in; 6) Adj. der Krankheit, Ermattung 
mit von. — Da die Vortheil und Nusen ausdrückende Prä- 


pof. für bei unzähligen Adi. eintreten kann, fo fol biefelbe hier 


übergangen und nur auf die Praͤpoſ. an, auf, gegen, in, mit, 


nah, von, vor, über, um und zu Rückſicht genommen werben. 


“ 


$. 29]. 
Die Präpoſ. an nnterfcheibet fich fehr von zu, welche Geſchick, 


Fug und Neigung zu einer Sache ausbrüdtz an aber ſchildert gute 
und ſchlechte Eigenfchaften an etwas. Zumal fleht an bei Priva- - 


tiobegriffen, wo an und von einigemal getaufcht werben, woraus 
bie Berührung zwifchen beiden Präpof. erhellt. An ſteht num be= 
fonders bei folgenden Adj., die (wie aus $. 233. u. 237. erhellt) 
wie noch mehrere in den folgenden $$. zu erwähnende ın andern 
Eonfructionen theilweiſe auch: einen Gen. oder Dat. geftatten: 
ähnlich (auch mit in), alt, arm, blind, bloß, frudtbar, 
gefhubt (mit), gefund (zu), gleich, grau, groß (von), grün, 
ter, jung, klein (von), Flug, krank (von), frumm, kühn, 
lahm, leer, (minorenn), nadet, nah, veih, [huld, 


- 


ſchwach, fhwer (zu), ſtark (zu), taub, überlegen, un 


ſchuldig, verfümmelt, wei, wohl. 


m 


— 154. — 


Arm m Bentel, krank am Herzen fehleppt’ ich meine langen. 
Tage. G. Schabgräber. ı Die gegenwärt’ge Zeit iſt noch an 
mehrern Munderdingen frudtbar. S. Di. 4, 3. Doc war 
an Wiffenfchaft, an rechtem Sinn ihr feine beider Töchter, je- 
mals gleid. ©. T. 1,.1. Ein Edelmann, an Weisheit ziem- 
lich grün, — ſehr grau an Bart und Haaren. W. 6, 2 
Er fühlt fih nun an Muth und Glauben zwiefah kühn. W. 
„1, 11. Die Freunde werden irr an bir. ©. © 2,5 & 
war minorenn an Berfland oder an Jahren. © .®. 2. Die 
mir die Naͤchſten find an Blut, verlaffen mid. S. Son. 1, 5. 
Ich bin noch immer reich an "Freunden. © T. 3, 10. Er 
war an Glanben ſtark, wiewohl an Kenntniß ſchwach. W. e 
24. An dem ganzen Unglüd iſt er doch nur allein ſchuld. 
€. 1. An Grimm und Stärfe war wie an Erfahrenpeit ei 
Gegner offenbar mir überlegen. W. 1, 57 


$. 292, 


Faft alle Adj., welche mit der Präpoſ. auf conſtruieren, be⸗ 
zeichnen eine aufgeregte Gemüthsſtimmung, fei es nun Zorn und 
Erbitterung,. oder Kühnheit und Stolz. Folgende Adj. (die theil- 


Ed 


-weife auch andere Präpof. zu fich nehmen) dürften vor. andern fo 


gebraucht werden: argwöhniſch, er eiferſüchtig, erbit- 
tert, erbof’t, erzürnt (über), gefaßt, Fühn (auch mit an 
und gegen),neibifc, ſtolz, ungehalten (über), verſeſſen, 
vorbereitet (zu), zornig. 
Ich war recht böſ' auf mich, daß ih auf euch nicht böfer 
werben konnte. ©. F. 1, 165. Fu erfennt ‚ber Pöbel nicht, 


ans des. —28 urück. S. Diana, —3 — auf Ihren q gro⸗ 
Ben Führer, hielt die Eilenden parid ° % 1; 3. Auf folde 
Botfchaft war ich Yängft gefaßt. S ‚6. Kühn auf 


eprüfte Schwingen. X. d. Sperling. - Der Herzog, ſtolz auf 
Feiner Tochter Werth, läßt nah und nah fie Öffentlich erſcheinen. 
G. Nt. 2,1. Man ift immer gern auf Frau, Tochter und 
Sohn —— ungehalten. J. 58. Darauf war ich nicht vor⸗ 
bereitet. S. Dk. 4, 21. - 
$. 293. 

Die mit gegen (zuweilen auch mit wider) eonfiruierten Adf. - 
brüden ein freundliches oder feindliches Verhältnig zweier Perfonen 
(ſelten Perfonen und Sachen) zu einander aus. Hierher gehören 
befonders: Aufrichtig, barſch, blöde, empfindlich, frech, 
freundlich, fühllos, gelind, an gnädig, groß, 
hart, fühn, offen, raub, verfäloff 

Ich bitt' Euch, ſeid wicht fo barſch und Dub gegen ben git- 

ten Dam; Ihr feid ja fonft gegen Alle freund. €. 2. 


- 


N 


— 155 —- 


‚Sie deben einen alten Groll gegen Euch. Und ih wider 
fi. G. ©. 2. Mein Ehrgeiz war es, der mih gegen Yu- 
gend ‚und Schönheit fühllos machte, ©. St. 2, 8. Dear Kö⸗ 
nig war gegen Sie nidt gnäbig,-nur gereht, ©. DE, 
3, 7. * 


— §. 294. 


Wie bereits früher (F. 250.) bemerkt, bezeichnet in außer 
Ort und Zeit einen Zuſtand, eine Beſchaffenheit. In Teh- 
terer Bedeutung fteht es befonvers bei Adij., um Erfahrenheit, 
Befhaffenheit, Charakter auszubrüden. Hierher gehören 
befonders die Adij. bewandert, brav, Deutlich, bunte, 
einfach, einig, entzwei, erfahren, feig, feft, fremd, 
froh (mehr mit über), gelehrt, genau, gefhidt, ge 
übt, glei, groß, binderlih, Flar, Plein, klug, 
mächtig, mäßig, fanft, ſtark, fireng, tapfer, überlegen, 
unterfhieden, aceurat, verfunfen, vertieft. 

pe-nennt Euh fremd in Englands Reichsgeſetzen; in Eng- 

lands Unglück fein Ihr ſehr bewandert. ©, St. 1, 7. In 


dieſem einz’gen Punkte find fie eins, in allen andern trennt fie 


biut’ger Streit. S. Dom. Und es fommt der Gott der Effe, 

bochgelehrt in Erz und Thon. ©. d. eleuf. Feſt. Hier-faß 

sh oft an Hoffnung reih, im Glauben fefl. © F. 1, 57. 

Nur, in Entfehlüffen bit du tapfer, feig in Thaten? S. T. 

1, 7. Drum muß auch ein Bürger in Waffen geübt fein. ©. 

E. 1. Sieif in allem mäßig, was fie thut. ©. €, 1. Und 
- meine Mutter iſt in allen Stüden fo aceurat. ©. F. 1, 162. 

"Berfunfen war ih in die frommen Sagen. Uhl. An Kerner. 
2 $. 299. 

Die Präpof. mit Hat eine doppelte Natur ($. 249); fie be- 
zeichnet eine Gefellfchaft und drüdt dann bei aus, 3. B. Du bifl 
blind mit fehenden Augen (S. T. 2, 3.); bei Adj. brüdt fie 
meift ein inftrumentales Verhältniß aus, und fleht vorzüglich bei: . 


- Angethban, befleidet, beſchuht, einverflanden, fertig, 


gefüllt, geizig (mad), gerüftet (gegen), Farg, ſparſam, 


verfhwenderifch, vergnügt, zufrieden. 


Angethan mit einem Sterbekleide fchlummert Röschen. Hölty 
Elegie. Sie find mit Gerflern, mit Dämonen einverflan- 
ben. ©, DE 2, 8 Mit dem da werden Sie nit fertig... 
S. 9. 1, 4. Eure Mutter will wiffen, wie man in Madrib 
mit Euch zufrieden fe. ©. DE 1, 4 Weil er mit ben 
Merkmalen feiner Gunft weder karg, noch verſchwenderiſch 
war. ©, Ich bin ein Kind und mit dem Spiele ber heiteren 

. Natur vergnügt. Uhl. d. fanften Tage. 

$. 296 


Die Bräpof. nach fleht befonders hei Berbis bes Streb ens 
und Begehrens ($. 268.) und fo auch bei ben wenigen Adj. 


ba 


| — 16 — 


beffefben Begriffes, als: burflig, geizig, begierig, lüſtern 
nach etwas. — Etwas verwandt dem Sinne nad ift um bei be- 
forgt und befümmert. — And die mit wor verbundnen Adj. 
‚blaß, bleich, roth, ficher drücken, ſich er ausgenommen, eine 
innere Gemüthsaufregung aus (lat. prae). Wird bloß die Farbe 
berüdjichtigt, fo kann bier auh von ſtehn: Er iſt blaß, bleich, 
soth oon Farbe. ‘ 
So ift er flets um meine Gunft beforgt. ©. T. 1, 2. Was 
wollt ihr? ruft er vor Schreden bleich. S. Bürgfchaft. Vor 
Berräthern, vor Ueberfall find wir doch fiher? ©. DE. 2, 14. 


$. 297. 


Bon größerem Umfang ift der Gebrauch der Präpnf. von, bie 
zuweilen mit vor ($. 296.) wechfeln kann. Bon bei Ad. iſt 
bald ſchildernd, bald caufal ($. 253.) und fleht befonders bei 
folgenden Adij.: Abtrünnig, angenehm, beieligt, blaß, 
bleih, bunt, entblößt, entbunden, entfleidet, entla- 
den, entlaffen, entfegt, entwöhnt, frei, gelb, gefäl- 

- Fig (gegen), gefittet, gut, häßlich, herb, lieblich, I o8- 
eſprochen, matt, müde, ermüdet, rein, roth, fatt, 
auer, ſchön, ſchwarz, fteif, ftattlıch, füß, trunfen, 
verfihert, voll, überführt, überzeugt, widerlich, wis 
. Angenebm von Geflalt, gefittet von Natur, gefällig 
von Herzen aus, follte er das Muſter ver Jugend fein und bie 
. Rreude der Welt werben. G. %. 4, 3. Beſeligt von dem 
Wundervollen. Uhl. d. Dichters Abendgang. Bunt von Farben 

s auf den Garben Hiegt der Kranz. ©. Glocke. Entblößt find 
von DVertheidigern die Mauern. ©. Ivo. 1, 3. Und von der 
unendlichen Mühe ermattet finfen die Kniee. S. Bürgfchaft. 

Cr fühlt’ auf einmal fih von allem Gram entbunden. W. 

8, 23. Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle bewahrt 
die Findlich reine Seele! S. Kraniche d. Ib. Warft fo lieblich 
von Geſicht. ©. F. 2, 28. Alle Hände ruhen müde von dem 
thränenvollen Streit. ©. Raffandra. Er ift von hoher Wonne 
trunfen, er iſt von füßen Sgmerien matt, Uhl. d. Pilger. 

Auh vom Schaume rein muß die Mifchung fein. S. Glinde. 

Sie ift ftattlich von Gliedern. V. 1, 582. Im Vorübereilen 
grüßen fih mit Blicken, voll von Schmerz. Uhl. Maiklage. 


$. 288. 


Die Präpoſ. über hat (nah $. 251.) verfchiedene Bedeutun⸗ 
gen, und fo wird fie auch bei Adi. verſchiedenes Sinnes angewen- 
det, vorzüglich jedoch bei Adj., welche eine geiftige Aufregung, 
eine gereiste Gemüthsſtimmung bezeichnen, in welcher Bedeutung 
auch anf ($. 292.) und um ($. 296.) ſtehn. Hierher gehören 

‚ befonders: Aergerlich, aufgebradt, bange, bedenklich, 





— 157 


beruhigt, beſtürzt, betrübt, einig, entrüßet, entzün- 
det, erfreut, erhaben, erſchreckt, erfiaunt, erzürnt, 
froh, mürrifh,- unwillig, verwundert. (Bgl. die Zeit 
wörter $..267. 271.) 

Die Stände. aufgebracht über den Kaiſer. ©. Wären nur 
erft die Niederländer über ihre Verfaffung beruhigt. G. €. 
1. Etwas Iebt in des Weibes Seele, das über allen Schein 
erhaben ifl. ©. DE. 3, 10. Sie war beftürzt über meinen 
Antrag. ©. ©. 3. | 


$. 2. 


Bereits oben ($. 291.) wurde bemerft, daß die von an ſich 
unterjcheivende Praͤpoſ. zu Geſchick, Fug und Neigung zu einer 
. Sache ausbrüde. Häufig verwenben wir biefes zu vor Infin.: 
Gut zu effen, leicht zu —* (Bol. $. 62.) — — 

Viele Adj. geſtatten beiderlei Gebrauch, einige nur den letzten, 
andere den. erſten. Hier find befonders zu erwähnen: Befugt, 
behilflich, bequem, bereit, beflimmt, dienlich, dicn- 

fam, fähig, faul, förderlih, geboren, geeignet, ge- 
neigt, getsiet, gefund, geweiht, gewillt, gut, nütz⸗ 
lich, ſchnell, tauglich, träge. 

Ich bin zu flerben bereit. S. Bürgichaft. Ihr ſeid geſchick— 

ter zu enerm Gefhäft. ©. ©. 1. Geneigt zum gegenfeiti- 

gen Bund. M. 1, 8. Und bin ich nicht geboren zu hohem ' 
Heldenthum. Uhl, Lieb e. d. Sängers. j 


c) Bei Pronominen, Zahlwörtern und Superlativen, 
$. 300. 


Statt des alten Gen. bei Demonflrativen: Die ber Leute, 
braucht die fpätere Sprache die Präpof. von und unter. Mittel« 
hochdeutſch fand ſich dieſe Eonftruction häufig vor Ortsnamen: der 
üz Osterriche. (Etwas ähnlich fleht bei J. Kerner, freilich mit 
einer Ellipfe: Und es rief der Her von Sadfen, der voR 
Baiern, der vom Rhein.) Nicht anders erfeben von und unter 
den Gen, bei wer, welder, jeder, mancher ($. 234.) — 
Auch bei Zahlwörtern, Tarbinal- wie Orbinalzahlen, ſtehn flatt 
des Gen. ($. 235.) nicht felten die Prapof. unter und von. — 
Bei dem Superlatio, befonders wenn er fubflantivifch flebt, Tann 
‚ein Gen. gebraucht. werben; nicht felten wird aber biefer ‚Gen. 
burh unter und von erfeßt. 

Ich weiß doch, was mir ein jeder von Euch gilt. S. T. 2, 
3. Den aus Mailand follen wir hinbegleiten. Den Infanten | 
Das ift ja kurios! S. L. 11. Wer kömmt no von ben’ An- 
bern? ©. T. 2, 5. Wer unter diefön, die du Freunde nennft, 
darf deinem Bruder fich zur Seite fiellen? S. Bom. Den möcht’ 
ih wiffen, der der Treufte mir von Allen iſt. S. T. 2, 3. 
Wohlauf, du Schönfte von Allen, laß ein Stiäußlein herun⸗ 


— 158 — | 


ter fallen. Uhl. Abſchied. Viele von den Hauptlenten und Ge- 
neralen Reiten aus ihren eigenen Kaffen-die Regimenter. ©. 


Siebentes Gapitel. 


Abſolute Caſus. 
$. 301. 


Abſolute Caſus ſind, welche nicht regiert werden. Wenn ein 
Caſus weder abhängig zu machen iſt von dem herrſchenden Verbo, 
noch von einem Nomen ober einer Partikel des Satzes, fo verdient 
er jene Benennung. Sole abfolute Caſus haben die Rattır ıdes 
Adverbiums, und man darf alle aus dem Nomen entiproffene Ad⸗ 
verbia abfolute Caſus heißen. j 
Anm. Beſtimmung des Adv. ift überhaupt eine Nebenvorflellung aus⸗ 
zuprüden, entweder rafch und gebrängt, oder Br einem belebteren Bild 
erweitert. Jedwedes Adv. könnte in einen felbfändigen Satz entfaltet 
werden ‚und trägt den Keim dazu bei fih: Ich thue es gern = meil 
ich begehrte es zu thunz ich fomme Nachts = wenn ed Nacht wird. 
— Bird der abfolute Caſus durch präpofitionalen Ausdruck umſchrie⸗ 
ben, fo gehört die Präpofition mit in den abfoluten Begriff, und püft 
ihn beroorbringen, z. B. mit Freuden, bei Leibe, . 


Abfolute Nomina. 
$. 302, . ‘ 


Es ift ſchwer zu fagen, ob ein Cafus im Sab abverbial flehe 
oder von einem Worte des Satzes regiert werde. Der Zweifel 
trifft befonders die Modalitätsadverbien, welde auf die 
Tragen wo? wohin? wann? wie viel? wie hoch? wie alt? "wie 
Yange?: antworten: Sie werben durch Caſus ausgedrückt. Die. 
örtlichen Adv. des wohin und wo fchließen ſich unverfennbar 
dem Berbo des Satzes oder einem verbalen Subft. an; fie find 
als in Abhängigkeit ſtehend zu betrachten: Ich gehe in die Stadt, 
auf das Rand; Die Reife in die Stadt; ich beiße in den 
Apfel, der biß in Den Apfel. Se abflracter fie werben, befto 
mehr nehmen fie Adverbialnatur an: Der Gang an den, Berg, nicht 
mehr zu Berg. — Soll das Verhältniß der Zeit beftimmt wer- 
ben, , pflegt auf die Frage wann? in ber alten Sprache ein 
Gen., auf wie lange? ein cs. zu folgen. Neuhochd. fagen 
wir: den Tag, auf den Tag, an dem Tag, zuweilen noch 
des Tags. Der Ace. bezeichnet die Dauer der Zeit. Diefer 
Acc. ift bei Intranfit. dauern, leben, währen, welde feinen 
Aec. zu rögieren vermögen, abfoluter und abverbialer Natur. Aber 

auch Tranfit. Fönnen außer dem von ihnen regierten Mer. einen an- 
‚dern abfoluten neben fih haben: Er haut den ganzen Tag 
Holz, fehreibt Die Nacht Briefe. \ 





⸗ 


zukommt. 


— 159. — — 
| $.308. 


Bei dem Adj. alt, hoch u. a. ſcheint der Gen. ablarzue 


der Acc. abſoluter zu fein: Fingers breit, Finger breit. Die frü- 


here Spr. feßte bier licher den Gen., die fpätere bebient ſich mehr 
bes Acc. ($. 239.) — Die Rebensarten: Etwas auf deutſch 
ſagen und aͤhnl. find für abfolute zu halten, wobei fi jeboch das 


Verhältniß der früheren Sprache zur. jeßigen mehrfach geändert hat. 
— Oft, und jemehr die Cafusformen zufammenfallen, Tann zwei- 
deutig fein, welcher Cafus abfolut ſtehe; in den fpäteren Sprachen 
entſcheidet dann der vorgefeßte Artikel, der feinem abfoluten Caſus 


Abfolutes Subfl. und Adij. 
$. 304 


Hier finden ſich befonders abfofute Gen. hanptfächfich bei finn- 


Nlichen Gegenfländen, die von ihnen nicht auf andere übertragen 


find: Lichter Lohe brennen, gleicher, ebner Erde wohnen. 
Nur mit Wetfe Fönnen wir eine Menge mehrfylhiger, auch ab- 
firacter Ad. verbinden: Thörichter, hartherziger, treuber- 
ziger, granfamer, biebifcher, unglüdlidher, unverant— 
wortliher Weiſe; mit Furzen, einfylbigen Adj. gefchieht es 
nicht Teicht. 


Wo er fih nur nit sutiöteffen bat, mich feſtes Fußes bei | 


fih zu erwarten. L. ‚4. Ihr feid ja heut wie nafles 
Stroh, und brennt fonft immer lichterloh. G. 8 1, 1083. 
Drein wirft man feurige Kraͤnze, wie flattert's lichterloh! 


Uhl. D. 3 Könige v. H. Durch unfre Mitte ging. er ſtillen 


BGeiſts. ©. T. 4, 2. Des Morgens ging Lucidar feften Ent- 


ſchluſſes hinab mit dem Vater zu ſprechen. G. Wi. 1, 8. Ihre 
Lebe winden naffen Blickes ihrer Freundin einen. Tobten- 
franz. -Hölty, Elegie. Und zu Ritter Delorges fpottender 
Weiſ' wendet fih Fräulein Kunigunde. S. Handſchuh. Ich 
left? Euch jede Sicherheit, die Ihr vernünft'ger Weiſe 
von mir fordern möget. S. T. 1,5. - ‚ 

Ä Abſolute Participia 

$. 305. 


- 


Wenn Nomina fih Partieipia. zugefellen und mit ihnen in ben 


Sat, ohne von deſſen Eonftruction berührt zu werben, eintreten, 
fo entfpringt ein Nebenbild, das die Rebe anfchauficher zufammen- 
drängt. Der einfache erzählende Ton führt Gegenflände und Er- 
eigniffe unverflochten nach einander auf, und ſchwächt Die voraus« 
gehende durch die folgende Vorftellung; ein gewählter, Fünftlicher 
Bortrag ordnet und gruppiert bie einzelnen Objecte, und ftellt je- 
des in ein befonderes angemeffenes Licht.  - 
Anm. Berindert man ven latein. Sab aperuit januam et intravit iu 
- apertä januä intravit, fo gewinnt durch 8 
lung der Hauptgedanke an Kraft. 


.- . - 


. 


efeitigung der Nebenvorftel- 


g. 306. 
Neuhochdeuſch haben wir drei abſolute Caſus bei Parcipien: : 
Gen., Dat. und Acc. Abſolute Gen. finden ſich im Sing. umb 


Blur: Klingendes Spiels ausziehen; ſtehendes Fußes 
antworten; fliegenbes Haare laufen; verhängtes Zügels 


“reiten; gefenftes Hauptes reden; — unverridteter Din- 
ge; verwichener Tage. Manche Sormen find hier veraltet, 


die früher gebräuchlich waren, 3. B. währender meiner Rränk 
heit, ungendter Dinge, verrüdter Tagen (neulih). In 


vielen hat das Partic. nur adjectivifchattributiven Sinn. In der 


abjofuten Redensart meines, unferes Wiffens fehlt eim Par- 

ticipium. 
Er will eilenden Fußes vorüberfliehn. S. Dürgfgaft Reif’ 
bin nah Wein zum Kaiſer ee außes. ©. T. 1, 7. 

Nach Uri fahr" ih ſtehnden 

wie gerne gehen Mir hin, eilenden Fußes. ©. F. 2, 206. 
Flavio flürzte herein in ſchauderhafter Geftalt, verworrenes 
Hauptes, zerfesten Kleides. ©. Wi. 2, 5. Wenn er jebt 
den furchtbar braufenden Sturmwind ſehnſuchtsvoll, Hinf infen- 
des Arms vor fi über zu führen am traurigen Bach' arbei⸗ 
tet. Kl. M. 2, 376. 


$. 307. 


Bloßer Dat., abſolut gefegt, findet ſich faft nirgends, man. 


müßte denn die Conftruction von unbewußt hierher nehmen: Er 
gelangte, mir unbewußt, in bas Zimmer. Der Dat. ſcheint 
aber weniger neben unbewußt und bamit auf gleicher Linie zu 
ſtehn, als davon abzuhängen, weil man fagt: Das iſt mir be- 
mußt, nicht bewußt, unbewußt. — Häufiger fiehn Präpoſ. 


. and Dat., bei anbrechender Nat, nah gethaner Arbeit. 
Vieleicht kam va, ibm felbft unbewußt, ein andrer ge- - 


beimer Antrieb. G. Wo. 2, 6. Alle Borgefühle, die ich jemals 

über die — * und. ihre Gchidfale gehabt, die mich von 

. Sugend auf, mir felbft unbemerft, begleiteten , finde 9 in 

Shakeſpears Stücken erfüllt und entwickelt. G. Lj. 3, 11. Er 

— Heß, nach eingeſehenem Briefe, das Pferd —* G. 

Wo. 2, 11. Wilhelm hatte kaum ſeine Stube erreicht, als er 

. feine Kleider abwarf und nach ausgelöſchtem Lichte in's 

Bett eilte. ©. %. 5, 12. Der Sänger ergriff nad geendig— 

tem Liebe ein Glas. ©. %. 2, 11. Ste flohen nad voll- 

brachter That auf fünf verfchieunen Straßen auseinander. ©. 
TlI. 5, 1. Barum ſchied er auch vor aufgelöſ'ter Verwir— 

rung? ©. Wi. 2, 11. 

Anm Mit unbewußt dürfte unbemerkt einigermaßen verglichen 
werben. Auch Könnte man vielleicht unbeſchadet hierher ziehen: Das 
kann re thun, unbeſchadet Bergen und ae Berbin- 
ung 


— 


\ 


ußes gleich. S, Tl. 1, 2. .: 


% 


—— 161 — 


8. 308. 
Abſolute Acc. finden fih häufiger: Dies gefagt; feinen, 
ausgenommen; Faum geredet das Wort; den Einband 
mitgerehnet. Die heutige Sprache braucht diefe Conftruction 
gern zur Schilderung einer Geberde oder Kleidung beiftehn, fi: 
gen und aͤhnl. Die neuhochd. abfolut gefegten Partic. Präter. 
find beinahe ſaͤmmtlich tranfitiver, den Acc. regierender Verba. 
Wollte man hier Eeinen a bfoluten Acc. gelten laſſen, ſo muͤßte 
man feine Zuflucht zur Ellipſe ($. 76.) nehmen. 
Und diefes nun auf den Laofoon angewendet, fo ift die 
Urfache Elar, die ich fuche. 8. 2. 2. Nicht mehr die holde De: 
nus; nicht mehr das. Haar mit goldenen Spangen geheftet; 
von feinem azurnen Gewande umflattert. & 2%. 8. Alle Befehle: 
haber haben mir Gründe gefagt, ausgenommen die jungen. 
2. Ph. 5. Diefes gefagt, entblößte der redlihe Water Die 
Scheitel. V. 1, 47. 


Adtes Capitel. 
AUbverb und Adjectiv. 
$. 309. 


Subftantive werden durch Adjective, Verba durch Adverbia nä- 
ber beftimmt, d. h. das Adj. ergänzt den Begriff des Eubjects, 
das Adv. den des Pradicats. Das Adi. erfcheint dann bloß at⸗ 
tributiv, eine dem Subject ſchon zuerfannte Eigenfchaft ausdruͤ⸗ 
dend. Das Adv. modificiert die Ausfage des Verbums, bildet alfo 
einen Theit des Praͤdicats. 

$. 310, 

Nimmt aber das Verbum fubflantivum, d. h. die Verbalabſtrac⸗ 
tion, ben Plag lebendiger Verba ein, fo muß es durch andere Wör: 
ter belebt werden. Dies find gewöhnlich wiederum Abjectiva, allein 
prädicative, und ihnen Eönnen gleichfalls Adv. zutreten, fo tie 
Adv. fih zu Adv. gefellen mag. Begleiten Adv. attributive Adj., 
fo hat man ſich eine vorausgegangene Prädicierung hinzuzudenken. 
Noch leichter gefelle fich das Adv. zu dem feine Verbalkraft nicht, 
bergenden Particip. Andrerfeits laffen außer dem Verbum fubflan- 
tivum verfchiedene Verba Begleitungen des Adj. ſtatt des Adv. zu, 
was den fubftantiven Nachdruck erhöht, den prädicativen ſchwaͤcht. 

$. 311. 

Adjectiva treten alfo neben Subftantiv und Verbum, Adverbia 
neben Verbum, Particip, Adjectiv, Adverb, ja zumeilen neben Subft. 
auf, in welchen adjectivifche Bedeutung rege iſt. Die ähnliche und 
gleiche Anwendung beider läßt aber Webergriffe und Schwanfungen 
der Conftruction erwarten. 

Kehrein Grammatik. II. 1. 11 


— 162 — 


$. 312. 

Bei der Unterſuchung dieſer Concurrenz zwiſchen adjectiviſchem 
und adverbialem Ausdruck ſind beſonders jene Adv. zu beruͤckſichtigen, 
welche unmittelbar aus Adj. entſpringen und ihnen parallel laufen 
($. 301.); nicht die übrigen durch abſolute Caſus und Praͤpoſitionen 
aus Subſt. erzeugten. Die Geſchichte unſerer Sprache lehrt nun, 
daß die Form der Beſchaffenheitsadverbia gleich der Flexion der Adj. 
haͤufig verſchwindet und beſonders neuhochdeutſch viele Adv. und Adj. 
anſcheinend zuſammenfallen. Weil aber die Flexionsloſigkeit der Adj. 
hauptſaͤchlich beim praͤdicierten Adj. vortritt (F. 195.), und Adverbia, 
ihrer Natur nach, das Praͤdicat begleiten, fo muß dadurch jene Berüh- 
rung und Vermifchung beider Nebetheile noch mehr begünftigt werben. 


$. 313. 


Wenn manche Grammatiker, namentlih Adelung, behaupten, 
daß neuhochdeutfch alle prädicierten Adjectiva Adverbien feien, fo ift 
dieſer Sag ganz irrig. Augenfcheinlic hat fich das Gefühl für den . 
adverbialen Ausdrud geſchwaͤcht, und viele Adj. und Adv. fallen der 
Flexion nach, die beiden fehlt, oft anfcheinend zufammen. 

Anm. Dem Gothen fchied fih Adj. und Adv. genau. Althochdeutfch 
behaupten gwar die Adv. auf o ihr volles Recht neben den unflectierten 
Adj.; ale aber o in e verbünnt wurde und mittelhochd. nach kurzen 
Sylben zu verftummen begann, reißt die Scheidemand zwilchen Adj. 
und Adv. immer mehr ein. Im Neuhochd. findet fi das mittelh. e 
noch mitunter bei Dichtern, z. B. Er bind’t ihn aufrecht fefte, 
uHl, Sängers Fluch, und bei andern. 


$. 314. 


Das Verbum fubftantivum (fein) hat zwar meiftentheils 
Adi. neben fih, in manchen Fällen aber auh Adv. Wenn nit 
die Eigenfchaft ſelbſt, fondern in welcher Eigenſchaft fi) etwas ver: 
halte, prädiciere werden fol, fleht Adv. Wenn du gefund bift, ift 
ed gut, bene est, wo bonum nicht mit gleicher Bedeutung gefagt 
werden koͤnnte. Mittelh. würde man fagen daz ist wol, übele 
(verfchieden von dem Adj. übel.) Neuhochd. gebrauchen wir gut 
für bonum und bene. Im Superl. am beften zeigt fich das Adv. 
deutlicher. In den Redensarten: Es ift genug, umfonft, ver: 
gebens iſt nur adverbialer Sinn. In den Formen: Es ift [pät, 
fruͤh, überwiegt das Adj., doch hört man noch unter dem Volk das 
untadelhafte Adv. fpat und fruh. 

Anm. Auch Goethe gebraudt ſpat, dagegen babe ih fruh nicht bei 
ihm gefunden. Früh oder fpat, es Eonnte fi) nicht halten, wir muß⸗ 

ten brechen. ©. T. 4, 2. Ich muß laufen früh und [pat. ©. F. 1, 162. 

$. 315. 


Häufig ſchwanken Adi. und Adv. in den größtentheild unper⸗ 
lönlihen Formeln, welchen der Dativ des Subjects beigefügt wird: 


— 163 — 


Es ift mir lieb, Leid, recht, gut, wol. Bei Somparativen 
find Adv. und Abi. noch unfi cherer, und alle Sprachen treten hier 
gern ins Adj. uͤber. 

$, 316. 

Das Verbum werben kann neben denſelben Adv. und Adi. 
auftreten, welche fein zulaſſen. Da ber Begriff von werden fi 
dem von gefhehen nähert, fo ſagt Ihm das Abe. eigentlich noch 
mehr zu als dem abflcacteren fein. Freilich laͤßt ſich auch bier aus 
der Form fauer in: Es wird mir ſauer, weber Adi. noch Adv. 
genau erkennen. (Die mittelh. Dichter ziehen meift die Adjectivform 
sur, Flecke und Reinbote dagegen bad adverbiale süre vor.) 


$. 317. 


Bei den Redensarten: Mir ergeht, mir geſchieht fcheint 
das Adv. vorzumiegen, wenn dies anders nicht duch ein Subft. 
Leid, Lieb, oder durch die präpofitionalen Adverbien zu Liebe, zu 
Reid vertreten wird. Verwandt damit iſt das active thun in ver 
fchiedenen Redensarten, wo jedoch früher das Adv. vorherrfchte, wie 
die Formen übele, leide, liebe, unrehte, rehte, bescheidenlichen, 
vrümeclichen, höveschlichen, sanfte u. a. darthun. 


$. 318. 


Das Verbum haben ſtand im Gothifchen intranfitiv in Ver⸗ 
bindung mit dem Adv. Die fpäteren Dialekte und namentlich der 
neuhochdeutfche fegen gehaben mit reflerivem Pronomen mich, 
dich, ſich. Das die Weife des ſich Gehabens ausdrüdende Be: 
flimmungswort ift natürlich ein Adv. Aehnliche Formeln find wie 
geht’8? wie fleht’8? was madıt? 

$. 319. 

Die Verba gehn, ſtehn, figen, liegen haben zwar gemöhn: 
lich Adv. der Befchaffenheit (qualitatis) neben ſich, koͤnnen diefe aber 
zumeilen in das lebendigere perfönliche Adi. umfegen, wie man 
Latein. fagt: eo tutus, sto erecetus, sedeo tranquillus, jaceo 
supinus. Kraͤftiger wirkt hier das flectierte Adj., wie es goth. 
überall, alth., mittelh. und felbft neuhochd. vorzüglich gern bei gehn, 
ſtehn, figen und liegen erfcheint. 

Anm. Der Unterfchied diefer Kormen läßt fich natürlich aus den frühern 

Sprachen beffer erkennen. Wenn es dort (mittelh.) abverbial heißt: 

Sin muot stuont hö, fo heißt es adjectivifch Sin muot stuont höch. 

Slectiert erjcheint das Adj. in: da ligist in disem Wazzer kalter unde 

nazzer; die da wunde lagen. Hans Sachs (T 1576) fagt: er stund 

stiller, wo wir 'ftill und flille fagen. Weil es ungewöhnlich war, 
dem präbicativen Mascul. —er zu verleihen, nahm man es, mo 
es fich zeigte, nicht für flerivifh, fondern: dem Adj. felbft zuftändig, 
daher auch dem Femin. verbleibend, Dies zeigt fi heute noch in 
voller, vgl. $. 198. 


— 164 — 


$. 320. 


Unferm neuhochd. ber Mond ſcheint belt, das Licht brennt heil 
ift das Adv. nicht mehr anzufehn. — Bei fingen hat die alte 
Sprache Adj., wenn ber Gegenftand, Adv., wenn die Art und 
Meife des Lieds bezeichnet werden fol: Er fang Eurz ober lang, 
wo Abdj., er fang lieblih, ſchoͤn, wo Abo. erfordert wird. — Adv. 
zu Subft. ($. 3411.) fügt unfere Sprache höchftens dann, wenn in 
dem Subft. noch ber Begriff des Adj. rege ift, aus welchem e8 geleitet 
wurde, 5. B. diu ir unmäzen (immodice) schoene was vil wilen 
kunt (Nib. 46, 1.), weil unmäzen schoene (immodice puleher) gefagt 
wird. Das neuhochd. Ihre Schönheit ohne Gleichen ift ſchon 
ein verfchledner Ausdrud, weil die Prapof. mit dem Nomen zwar ein 
Adv. vertreten mag, fich aber weit freier im Sag bemegt. 


Drud von Otto Wigand in Leipzig. 


Srammatif 
der neuhochdeutſchen Sprade 
nach | 
Iacob Grimms 


deutſcher Grammatik 


bearbeitet 


von 


Joſeph Kehrein, 


Profefior am herzoglich naſſauiſchen Gymnaſium zu Hadamar, des Vereins zur Erforſchun 
der rheinifchen Geſchichte und Alterthümer zu Mainz correfpondierendem und der ah: 
für deutfche Sprache zu Berlin auswärtigem Mitgliede. 


Zweiter Theil: 
Syntar. 


Zweite Abtheilung: 
Syntar bes mehrfachen Sapes, 





Leipzig, 1852. 
Berlag von Otto Wigand. 





Zweite Abtheilung: 


Syntax des mehrfachen Sages. 


x 


Vorrede. 


Nach langem Zögern übergebe ich dem nachſichtigen Leſer 
vorliegendes Bändchen meiner Grammatik, das die Syntar 
des mehrfachen Sated umfaßt. Meinem früheren Vorſatze 
gemäß follte dasfelbe erſt nach Beendigung bed betreffenden 
Bandes von Grimms Grammatif erfcheinen. Wie viel mein 
Buch dadurch gewonnen hätte, weiß vielleicht Niemand mehr 
ald ich. Aber wie ich von dem hochverehrten Schöpfer unfe- 
rer hiftorifchen Grammatik felbft weiß, wird derfelbe fchwerlich 
in den erften Jahren die harrenden Freunde mit der längfl erwar- 
teten Syntar des mehrfachen Satzes erfreuen. Dies beftimmte 
mich, nicht Länger zu zögern. Möchte e8 mir gelungen fein, 
auf dem neuen Felde nicht ganz erfolglo8 gearbeitet zu haben! 

Die mir zu Gebote geweſenen Hilfämittel habe ich ge= 
wiflenhaft zu Rathe gezogen: außer Götzinger, Koch, 
Edler u. A., befonderd K. F. Becker, deifen Hauptverbienft 
ja gerade in der Entwickelung der Saplehre liegt. Bon ihm 
habe ich namentlich mehrere Hauptbeſtimmungen und Einthei- 
lungen entlehnt; die ‚Wortfolge‘ und die „Interpunktion“ 
ift faft nur ein Auszug aus ihm, Für die Konjunftion und 
bietet Lehmann (Marienwerber Oymnaftalprogramm 1840), 


—— vu — 


Ellipſe der Konjunktion daß. 
Unterbrochene Konftruttion (Anakoluthie) oo... 
Indirekte Frage . . ne. 


‘ 
‘ 
‘ 
v ‘ 
« 


‘ “ [2 ‘. [2 


Viertes Kapitel: Adverbialfäge . ren 
1. Adverbialfäge des Raums . . : 2... 
2. Abverbialfäße der Beit. . - 
a) Die Ausfagen bes Haupt: und Nebenfatzes fi find gleichzeitig 
b) Die Ausfage des Nebenſatzes geht der bes Hauptſatzes 
voran .. 
c) Die Ausſage des Nebenſatze folgt der des Hauptfages nad) 
3. Abverbialfäge ber Weile . - «2... . 
4. Abverbialfäße des Grunde . . » 
Fünfte Kapitel: Periode . . . » 
echötes Kapitels Wortfolge . . » 
BSiebentes Kapitels Interpunttion 


‘ 


O v O ‘ 
2 + v ‘ [0 o 
v v “ ‘ ‘ ‘ v 
v ‘ ‘ [2 ‘ ‘ ‘ “ 
[0 ‘ ‘ v ‘ + 


— — — — —— 


Abkürzungen. 


Bon alt: und mittelhochdeutfchen Werken erwähne id nur: 


I = Isidorus de nativitate Domini (8. Zahrh.). 

K — Keros Interlinearverfion der Benebictinerregel (8. Jahrh.). 
0. == Otfrieds Evangelienharmonie (9. Jahrh.). 

T. — Tatians Svangelienharmonie (9. Sahrh.). 

N. — Notkers Pfalmenüberfegung (10. Jahrh.). 

Bo. == Boethius de consolatione philosophiae (14. Zahrh.). 

W. = Rillirams Erklärung bes hohen Liedes (11. Zahrh.). 


Hild. — Lied von Hildebrand und Hadubrand (8—9. Zahrh.). 
Musp. — Muspilli oder vom jüngften Gericht (9. Jahrh.). 
Annol, = Leben des hl. Anno (12. Zahrh.). 


Kr. == König Rother (12. Jahrh.). 

Tl. = Titurel Wolframs von Efchenbacdh (13. Jahrh.). 

Ah. = Der arme Heinrich von Hartmann von Aue (13, Jahrh.). 
Hz. == Halbfuters Lied von dem Strite ze Sempach (14. Iahrh.). 
Vw. = Veit Webers Lied von dem Siege bei Murten (15. Jahrh.). 


Andere alt= und mittelhochdeutfche Werke, 3. B. Barzival, das Nibe⸗ 
lungenlied zc. find vollftändiger angeführt. W. Wadernagels Lefes 
buch ift mit W angeführt. ©.27— 31 geben Proben aus dem fiebenten, 31—63 
aus dem achten, 67—110 aus dem neunten, 111—131 aus dem zehnten, 131 
—161 aus dem elften, 161—304 aus dem zwölften, 305—788 aus dem drei- 
zehnten, 789—948 aus dem vierzehnten, von ba bis zum Schluß aus bem 
fünfzehnten Jahrhundert. Ich bemerke dies hier, damit der minder kundige 
Lefer gleich wiſſe, aus welcher Zeit ein angeführtes Beifpiel ftammt. 

415—17, Jahrh. 

A. = Ghronica von Aventinus. Frankfurt 1580, 

Agm. — P. Abrahams heilſames Gemiſch Gemaſch. Würzburg 1704, 

Ahp. = Deſſen Huy! und Pfuy! der Welt. Daf. 1707. 

Aj. = Deffen Judas der Erg-Schelm. Bonn 1687. 1. Band. 

Am, = Deſſen Merdd Wienn, Wien 1680. 

B. == 4, Bibelüberfegung (o. O. u. 3. vielleicht Nürnberg 1470— 73). 

C. Liederbuch der Clara Häglerin 47074), herausg. v. Haltaus, 
Leipzig 1840, 

Fg. = Fiſchart, Gargantua ıc, 1882. 

Gb. — Ehriftlihe Bilgerfchafft von Geiler von Kaifersberg. Straß⸗ 
burg 1512 

Gg. = Deffen Sranatapfel. Augsburg 1810. 

Gs. = Deffen der feelen Parabig, Straßburg 1510, 


— iM — 


hg. == Herrn von Hoffmannsmwaldau und andrer beutfchen auserlefener 
und bißher ungedruckter Gedichte 16. Theil. Leipz. 1697—1709, 


L. = Luthers Bibelüberfeßung. Wittenberg 1543. 
Op. —Opitz, deutfche Poemata etc. 
Ss. = Das andere Buch Sehr Herrliche Schöne artliche und gebundene 


Gedicht manderlay Art. Durd Hans Sachſen. Nürnberg 1560, 
Sp. = Simplieissimus. Nürnberg 1685, 


Die Schriftfteller aus dem 18—19, Jahrh. find theild ohne Abkürzung anz 
geführt, theils aus den Thl. I. Abthl. 1. gegebenen Abkürzungen Eenntlich. 


- 


“ — — 


Einleitung. 


8. 1. 


Einfach beißt der Sag, wenn er nur ein Subjekt und eine 
Ausſage in ſich fehließt, 3. B. Ich lebe; ich Liebe dich; wir lieben 


euch. Wir liegen (Sram. U. 1, $.4) aber auch den mehrere Subjekte 


und Prädikate unmittelbar durch Konjunftion verfnüpfenden Sag 
einfach fein, z. B. Menſchen und Thiere athmen; der Baum bluͤht 
und traͤgt. 


$. 2. 


Die zuletzt genannte Art von Saͤtzen nennt man auch zuſam⸗ 
mengezogene Saͤtze. Sie koͤnnen Subjekt oder Praͤdikat oder 
ein anderes in demſelben grammatiſchen Verhaͤltniß ſtehendes Glied, 
einfach oder ausgebildet, mit einander gemein haben. 


Ich hab' den Inhalt Ihrer Sendung zwar vernommen, Queſtenberg, und 
wohl erwogen, auch meinen Schluß gefaßt. S. P. 3, 7. Und drinnen 
waltet bie zühtige Hausfrau, bie Mutter der Kinder, und berrfchet 
weife im häuslichen Kreife, und [ehret die Mädchen, und wehret den Kna⸗ 
ben. S. Glocke. Seinfhneller Abfhiebvon der Weltficherte 
dem deutfchen Reiche die freiheit und ihm felbft den fhönften Ruhm. 
©. 30. Kr. 3. B. — Meifter rührt ſich und Gefelle in ber Freiheit 
heil'gem Schuß. S. Glocke. Der Sekten Feindſchaft, der Parteien Wuth, 
der alte Neid, die Eiferſucht ma ht Friede. S. T. 1, 6. Graf Altringer 
und Gallas erhalten in der Pflicht ihr Meines Heer. &.9.1,3. und 
fo lag zerbrochen der Wagen und hilflos die Menfhen. G. Hd. 1, 144. 
D möchten dieſe Hand und diefe hellen Locken dir fihtbar fein ! Klops 
ftod, Königin Luife. — Dem dunkeln Schoß ber heil’gen Erde ver: 
trauen wir der Hände That, vertraut ber Sämann feine Saat. &. Glocke. 
Aller Drten ſah man Zruppen marjchieren, wurde Geld eingetrieben, 
wurden Soldaten geworben, ©. Abf.d.R. 4.8. Sowol die Breite des 
Stroms... ald die reißende Gewalt beöfelben... [hienen jeden Ber: 
ſuch diefer Art unausführbar zu machen. ©. Bel, v. Antw. 


$. 3. 


Von den genannten find Die ausgebildeten (beteideten, 
erweiterten) Säge zu unterfheiden, deren Eigenthuͤmlichkeit 
darin befteht, daß zu einem Glied oder zu allen Gliedern des einfachen 

Kehrein Grammatik. IL. 2. 1 


— 2 — 


Satzes irgend eine naͤhere Beſtimmung, Erklaͤrung oder Ergaͤnzung 
tritt, als: ein vom Verbum abhaͤngiger Kaſus als (naͤheres oder ent⸗ 
fernteres) Objekt, eine adverbiale oder praͤpoſitionale Beſtimmung, 
ein adjektiviſches oder ſubſtantiviſches Attribut. — Dieſe Verhaͤltniſſe 
ſind bereits alle bei dem einfachen Satze eroͤrtert. 

Der Feige liebt das Leben. S. St. 3,6. Dann ſollſt Du erſt Deines 
ganzen Siegs genießen. Daf. 2,9. Wohntet Shr dem Ritter: 
fpiel nicht bei? Daf. 2,1. Ich warb meines Wunſches gewährt. 
G. G. 2. Er ift ein Mufter Bürgern und Bauern. ©. Hd. 3, 54. 

Sein Herz ift dem Volke nicht geneigt. &. E. 1. Bin id die rit- 
terlihe Rechte nicht werth? 8. &. 1. — Run fand er fih den er⸗ 
fien Wachenden in feinen Befigungen. &. Wo. 1,14. Man fieht 

» fi Leicht an Wald und Feldern fatt. G. 8. 1,60. Welch andrer 
Sünde klagt das Herz Dich an? ©. &t.35,7. Haft Du Dich bes 
Deodat und Tiefenbach verfihert? S. P. 2,6. Diefer Herzog 
ſchlug die Väter ihnen und bie Söhne. ©. oo. 3,2. — Bor 
diefes Linde faß ich jüngft wie Heut. © 81.14, Aus der Wolle 
flrömt der Regen. ©. Glocke. Ich muß laufen früh und fpat. ©. F. 
1, 182. — Süßer Wohltaut fchläft in der Saiten Gold. S. Graf 
v. H. Berwandte find fih alte ſarken Seelen. S. P. 4,2, Chr: 
furt gebüpet dem Boten Deines Kaifers. Daf. 1,4 @ines. 
Mannes Tugend erprobt allein die Stunde der Gefahr. ©. St.1, 7. 


$. 4, 


Sind auf andere ald die ($. 1) genannte Weife Subjekte und 
Berba gehäuft, fo ift der Sag ein mehrfacher (mehrgliederiger, 
zufammengefegter), Die einzelnen Säge des mehrfachen Sages hei- 
Ben feine Glieder. 

Das Alte ſtürzt, ed ändert fich die Zeit, und neues Leben blüht aus den 
Ruinen. S. Tl. 4, 2. Muth zeigt auch der Mameluck; Gehorfam ift 
des Chriften Shmud. ©. Kampfm. d. Dr. Wo rohe Kräfte finnlos 
walten, va Eann fich kein Gebild geftalten. ©. Glocke. Unſere Mteifter 
nennen wir billig die, von benen wir immer lernen. ©. Bar. u. 
Nefler. 2. Sch Habe nie gefehen, daß glädtiche Menfchen wären undant: 
bar gewefen. Daf. 3. Ein Zeder, weil er fpricht, glaubt auch über die 
Sprache fprechen zu lönnen. Daf. 2. Die Freigebigkeit erwirbt einem 
jeden Gunft, vorzüglich wenn fie von Demuth begleitet wird. Daf. 2. 


$. 9. 


Die mehrfahen Säge find zweifacher Art. Werben zwei 
oder mehrere Säge, deren jeder grammatifch volftändig iſt, d. h. die 
dem einfachen Sage grammatiſch nothmwendigen Theile hat, und einen 
vollftändigen Sinn ausdrüdt, mit einander verbunden; fo nennt man 
daB Gange eine Sagverbindung. Die einzelnen Säge in der 
Sagserbindung heißen betgeorbnete Säge, und find Haupt: 

aͤtze. 

l Sn zitterte die Schweiz für ihre Freiheit, aber das treulofe Glück ver: 
ließ ihn (Karl den Kühnen) in drei ſchrecklichen Schlachten, und der 
ſchwindelnde Exoberer ging unter den Lebenden und Todten nerloran, S. 
Abf. d. N. 1. B. Die Gefinnung ift Löblih, und wahr ift auch bie. Ge⸗ 


* 3 
— —— 


ſchichte. G. Hd. 2, 189. Baloͤ weite ein näherer oder entfernter Brand 
uns aus unferm häuslichen Frieden, bald fegte ein entdecktes großes Ver: 
brechen, deffen unterfuhung und Beftrafung die Stadt auf Diele Wochen 
in Unruhe. G. Leben 4. B. Der Hohen Demuth leuchtet hell dort oben; 
Du beugteft Dich, drum hat er Dich erhoben. ©. Ivo. #, 10. Zede 
Provinz liebt ihren Dialekt: denn er iſt doch eigentlich des Element, in 
welchem die Seele ihren Athem ſchöpft. G. Leben 6. B. 


8. 6. 


Werden zwei oder mehrere Saͤtze, deren jeder zwar grammatiſch 
vollſtaͤndig iſt, d. h. die dem einfachen Satze grammatiſch nothwendi⸗ 
gen Theile hat, aber nicht fuͤr ſich, ſondern erſt im Zuſammenhang 
mit den andern Saͤtzen einen vollſtaͤndigen Sinn gibt, mit einander 
verbunden; ſo nennt man das Ganze ein Saggefüge Die ein⸗ 
zelnen Saͤtze im Satzgefuͤge find theils übergeordnete, theils 
untergeordnete, auch Hauptſaͤtze und Nebenſaͤtze, Vor: 
der- und Nachſaͤtze genannt. 


Auch Eure Schreiber, Kurl und Rau, erhaͤrten mit einem Eid, daß es bie 
Briefe feien, die fie aus Eurem Munde niederfhhrieben. ©. St. 1,7. 
Ob fie die Stadt gewonnen, ihrer Race Ziel erreicht, vernahm ich nicht. 
G. J. 1, 3. Weh dem, der fern von Eltern und Gefchmiftern ein ein= 
fam Leben führt! Daf. 1,1. Ein edler Menſch zieht edle Menfchen an 
und weiß fie feft zu halten, wie ihr thut. ©. &.1,1. Und während 
ihn die Rache fucht, genießt er feines Frevels Frucht. ©. Kraniche d. Sb. 
Dem König follte nichts Geheimniß fein; und ob er's gleich nicht for- 
dert, fühle er's doch, und fühle es tief in Fi großen Seele, da ß Du 
forgfältig Dich vor ihm verwahrft. G. J 


Erſter Abſchnitt. 
Satzverbindung. 


8.7. 

Zeitz und Modusverhältnifie find in der Sagverbin- 
dung, da die einzelnen Säge als Hauptfäge ($. 5) im Allgemeinen 
an MWerthe gleich find, diefelben, wie im einfachen Sage. 


Da fteht Dein Haus, reich, wie ein Edelſitz; von ſchoͤnem Stammholz tft 
es neu gezimmert und nad dem Richtmaß ordentlih gefügt; von 
vielen Fenftern glänzt es wohnlich hell, mit bunten Wappenfchildern 
iſt's bemahlt. S. Tl. 1, 2. Man hebt mich auf; ih binentfef: 
felt; willihm danken; fep’ fein Aug’ in Thraͤnen; ſtumm ift er, bin 
ih; er gebt, ich bleibe. L. N. 1,8. Die Königin ſteht im hohen 
Saal, da brennen der Kerzen fo viele. Und neben der Königin [hlürft 
zur Stand Sorbet bie (hönfte der Brauen. Da drad) ihr die Zaffe fo 
hart an dem Mund, e8 war ein Gräuel zu [hauen & Wirkung ind. 8. 
— Frommer Stab! o hätt’ ich nimmer mit bem Schwerte Dich vers 
tauſcht! Hätt’ ed nie in Deinen Zweigen, heil’ge Eiche, mir ge= 
rauſcht! wär Du nimmer mir erf'hienen, hohe Himmelskoͤnigin! 
S. Ivo. 4, 1. . 

| 


Vorrede. 


Nach langem Zögern übergebe ich dem nachſichtigen Leſer 
vorliegendes Bändchen meiner Grammatik, das die Syntar 
des mehrfachen Satzes umfaßt. Meinem früheren Vorſatze 
. gemäß ſollte dasſelbe erſt nach Beendigung des betreffenden 
Bandes von Grimms Grammatik erfcheinen. Wie viel mein 
Buch dadurch gewonnen hätte, weiß vielleicht Niemand mehr 
als ich. Aber wie ich von dem hochverehrten Schöpfer unfe- 
rer hiftorifchen Grammatik felbft weiß, wird derſelbe fchwerlich 
in den erften Jahren die harrenden Freunde mit der längfl erwar- 
teten Syntar des mehrfachen Satzes erfreuen. Dies beftimmte 
mich, nicht Tänger zu zögern. Möchte e8 mir gelungen fein, 
auf dem neuen Felde nicht ganz erfolglo8 gearbeitet zu haben! 

Die mir zu Gebote gewefenen Hilfsmittel habe ich ge— 
wiflenhaft zu Rathe gezogen: außer Göhinger, Koch, 
Edler u. U., befonders K. F. Becker, deifen Hauptverbienft 
ja gerade in der Entwidelung der Saplehre Liegt. Bon ihm 
habe ich namentlich mehrere Hauptbeitimmungen und Einthei- 
lungen entlehnt; die ‚Wortfolge‘ und die „Interpunktion“ 
ift faft nur ein Auszug aus ihm. Für die Konjunftion und 
bietet Lehmann (Marienwerder Gymnafialprogramm 1840), 


—  W 





für daß, namentlich im Mittelhochdeutfchen, Hornig (For- 
men und gebrauch des satzartikels oder der conjunction 
da3 bei Hartmann von Aue, Programm von Brandenburg 
a. d. 9. 1847), für das Relativ Teipel (Jahrb. für 
Philolog. u. Pädag. Suppl. 6, 188 f. 7, 285 f. 503 f., 
Archiv f. d. St. d. n. Spr. I. 2, 345 f. V. 2, 330 f., 
Coesfelder Oymnafialprogramm 1841) und Lehmann (Ma— 
rienwerber Gymnafialprogramm 1849), für die einzelnen Kon- 
junftionen Graff, Benede- Müller, Wadernagel, 
Meigand (in ihren Wörterbüchern) reiche Belehrung. 

Bei ber Syntar des mehrfachen Satzes habe ich mehr, 
als ich bei der Syntar des einfachen Satzes wollte und Fonnte, 
die Sprache des 15— 17. Jahrhunderts berücfichtigt und fo, 
wie ich hoffe, zur Aufbellung einzelner Punkte der Grammatif 
einen Eleinen Beitrag geliefert, 3. B. zur Lehre von dem Re—⸗— 
lativ und zur Lehre von manchen Konjunftionen, 

In Bezug auf die Mittheilung von Beifpielen mußte 
ich bier weiter zurückgehen, als dies bei der Syntar bed ein- 
fachen Saged nöthig war, da dort Grimm eine reiche Aus— 
wahl gothilcher, alt= und mittelhochdeutfcher Beifpiele bietet. 
Die älteren Beifpiele habe ich meift aus dem altdeutichen Lefe- 
buche von W. Warernagel genommen, und für minder 
fundige Lefer eine neuhochdeutſche Überfegung beigefchrieben. 


Hadamar, den 12. September 1851, 
J. Kehrein. 





“ 


— 


Inhalt. 


Einleitung - >» > oo or Er 


Erfter Abfchnitt. 


Sapverbindung . nen 
Erftes Kapitel: Gleichgeſtellte Säge ren. 
1. Die einzelnen Süße ftehen fich gleih . . 
2. Die beigeorbneten Säge find Theile eines allgemeinen Sebankens 
3. Der zweite Sag enthält eine Erweiterung ober Beichräntung 
Zweites Kapitels Entgegengeftellte Säße . 
1. Der on erften Sage wird durch den des zweiten auf: 
gehoben . . » 
2. Dem een Satze wird ein anderer im Inhalt widerfprechen: 
ber beigefügt . . 
3. Der Inhalt des erften Satzes wird durch den zweiten Vefgränft 
Drittes Kapitels Begründete Säbe. . . 2. .. 


Zweiter Abſchnitt. 


Sapgefüge. . . er. . 
Erftes Kapitel: Modus: und Beitoergäteiffe ne 
4. Modusverhältnifle- »- « - . . 

a) Indilativ. -. » . W 

b) Konjunktiv (Optativ) . .. 


s “ “ s v 


c) Konditionalis... 


.e +‘ ‘ .'® +‘ + 


‘ 
‘ 
L 2 
[2 
v 


...”see 
..06e.ne.o 


2. Zeitverhältniffe -. . » . + .. 

a) Im SIndilativ . . . 

b) Sm Konjunktiv (Optativ)' und Konditionalis 

Zweites Kapitel: Relativfüpe . . . 
Form, Bedeutung und Gebrauch des Relativs i im Allgemeinen 
Neuhochbeutfcher Gebrauch des Nelativs im Befondern 

A. Ein Relativfag in Verbindung mit einem Hauptſate .. 


«* 0 ‘ + “ 0 ‘ 
‘ 
+ 


Ellipfe und Attraltion . _. . . 

B. Mehrere Relativfäge in Verbindung mit einem dauptfatz 

a) Relativſatzverbindung.... ee 2 ey 

b) Relativfapgefüte > 2 0 0 or ern ne. 

Drittes Kapitels Kafusfüte . . - .. 


Form, Bedeutung und Gebrauch der Konjunktion daß 
Abhaͤngige Rede (oratio obliqua) - » «vv 0... 


—— vu — 


Ellipfe der Konjunktion daß . 
Unterbrochene Konftruktion (Anakoluthie) 
Indirekte Frage . ee. 
Viertes Kapitel: Adverbialfäge . re. 
1. Adverbialfäge des Raums . » .. 
2. Adverbialfäße der Beit. . » 
a) Die Ausfagen des Haupt: und Nebenfatzes fi find gleichzeitig 
b) Die Ausfage des Nebenfages geht der des Hauptjages 
voran . » 
c) Die Ausfage des Hebenfages folgt der bes vaupijſabet nach 
3. Adverbialſätze der Weiſe ... 
4. Adverbialſätze des Grundes . . . 
günftes Kapitel: Periode . . » . 
echstes Kapitels Wortfolge . . . . -» 
BSiebentes Kapitels Interpunftiin . . 


...... 4 
. ee eo. 
Dr vr vr 0 

. 


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oe ee. tr eo 
L 2 ‘ . ‘ 
+ ‘ ‘ ‘ . 


‘ + ’ 


8.191 
„„ 192 
‚, 193 
‚„ 198 
‚, 196 
„, 198 
„204 


„212 
„216 
„„ 219 
„227 
‚„ 239 
‚„ 246 
‚266 


— 


Abkürzungen. 


Von alt⸗ und mittelhochdeutſchen Werken erwaͤhne ich nur: 


I == Isidorus de nativitate Domini (8. Jahrh.). 

K — Keros Interlinearverfion der Benedictinerregel (8. Jahrh.). 
0. == Otfrieds Evangelienharmonie (9. Sahrh.). 

T. — Tatians Evangelienharmonie (9. Jahrh.). 

N. — Notkers Pfalmenüberfegung (10. Jahrh.). 

Bo. == Boethius de consolatione philosophiae (11. Zahrh.). 

W. = Willirams Erklärung bes hohen Liebes (11. Jahrh.). 


Hild. — Lied von Hildebrand und Habubrand (8—9. Zahrh.). 
Musp. = Muspilli oder vom jüngften Gericht (9. Jahrh.). 
Annol. = £eben des hl. Anno (12. Iahrh.). 


Kr. == König Rother (12. Jahrh.). 

Tl. = Titurel Wolframs von Efchenbady (13. Zahrh.). 

Ah. == Der arme Heinrich von Hartmann von Aue (13. Jahrh.). 
Hz. == Halbfuters Lied von dem Strite ze Sempach (14. Jahrh.). 
Vw. == Veit Webers Lied von bem Siege bei Murten (15. Jahrh.). 


Andere alt= und mittelhochdeutiche Werke, z. B. Barzival, das Nibe⸗ 
lungenlied zc. find vollftändiger angeführt. W. Wadernagels Lefes 
buch ift mit W angeführt. ©. 27— 31 geben Proben aus dem fiebenten, 31—63 
aus dem achten, 67—110 aus dem neunten, 111—131 aus dem zehnten, 131 
— 161 aus dem elften, 161—304 aus dem zwölften, 305— 788 aus dem drei⸗ 
zehnten, 789—948 aus dem vierzehnten, von ba bis zum Schluß aus dem 
fünfzehnten Zahrhunbert. Ich bemerke dies bier, bamit der minder Tundige 
Lefer gleich wiſſe, aus welcher Zeit ein angeführtes Beifpiel ftammt. 

15—17, Sahrh. 
A. == Chronica von Aventinus, Frankfurt 1880, 


Agm. = 9. Abrahams heilfames Gemiſch Gemaſch. Würzburg 1704, 
Ahp. = Deffen Huy! und Yfuy! der Welt. Daf. 1707. 


Aj. = Deſſen Judas der Erg:Schelm. Bonn 1687. 1. Band. 

Am. = Deffen Merds Wienn, Wien 1680. 

B. == 4, Bibelüberfegung (0.D. u. 3. vielleicht Nürnberg 1470— 73). 
C. = Liederbuch der Clara Häglerin (1470— 71), herausg. v. Haltaus, 


Leipzig 1840, 
Fg. = Fiſchart, Gargantua ꝛc. 1882.- 
Gb. — Ehriftlihe Bilgerfhafft von Geiler von Kaifersberg. Straß⸗ 
burg 1512. 
Gg. = Deffen Granatapfel. Augsburg 1810. 
Gs. = Deffen der feelen Paradiß. Straßburg 1510, 


— MM — 


hg. == Heren von Hoffmannswaldau und andrer deutſchen auserleſener 
und bißher ungedruckter Gedichte 1 —6. Theil. Leipz. 1607 -1709. 
L. == Luthers Bibelüberſetzung. Wittenberg 1543. 
Op. = Opitz, beutfche Poemata etc. 
. — Das andere Buch Sehr Herrliche Schöne artliche und gebundene 
Gedicht manderlay Art. Durch Hans Sachen. Nürnberg 1560, 
Sp. = Simplicissimus, Nürnberg 1688, 


Die Schriftftellee aus dem 18—19, Zahrh. find theild ohne Abkürzung an⸗ 
geführt, theils aus den Thl. II. Abthl. 4. gegebenen Abkürzungen Eenntlich. 


- 


v 


Einleitung. 


$. 1. 


Einfad heißt der Sag, wenn er nur ein Subjeft und eine 
Ausfage in fi) fehließt, 3. B. Ich Lebe; ich Liebe dich; wir lieben 


euch. Wir ließen (Sram. U. 1, $.4) aber auch den mehrere Subjekte 


und Prädikate unmittelbar durch Konjunftion verfnüpfenden Sag 
einfach fein, z. B. Menfhen und Thiere athmen; der Baum blüht 
und trägt. 


$. 2.- 


Die zulegt genannte Art von Sägen nennt man auch zuſam⸗ 
mengezogene Säge Sie können Subjekt oder Prädikat‘ oder 
ein anderes in demfelben grammatifhen Verhaͤltniß ftehendes Glied, 
einfach oder ausgebildet, mit einander gemein haben. 


Ich hab’ den Inhalt Ihrer Sendung zwar vernommen, Queftenberg, und 
wohl erwogen, auch meinen Schluß gefaßt. S. P. 3,7. Und drinnen 
waltet diezühtige Hausfrau, die Mutter der Kinder, und herrfchet 
weife im häuslichen Kreife, und lehret bie Mädchen, und wehret den Kna⸗ 
ben. S. Glocke. Seinfhneller Abſchied von der Weltſicherte 

> dem beutfchen Reiche die Freiheit und ihm ſelbſt den ſchoͤnſten Ruhm. 
S. 30j. Kr. 3. B. — Meifter rührt fih und Gefelle in der Kreiheit 
heil'gem Schuß. ©. Glocke. Der Sekten Keindfchaft, der Parteien Wuth, 
der alte Neid, die Eiferfuht macht Friede. S. 2. 1, 6. Graf Altringer 
und Gallas erhalten in der Pflicht ihr Heines Heer. ©. 9.1, 3. Und 
fo lag gerbrochen der Wagen und hilftos die Menfchen. G. Hp. 1, 144, 
O möchten dieſe Hand und diefe hellen Locken bir fichtbar fein! Klop⸗ 
ſtock, Königin Luife. — Dem dunkeln Schoß der heiligen Erde ver: 
trauen wir ber Hände That, vertraut ber Sämann feine Saat. S. Glocke. 
Aller Orten fah man Truppen marfchieren, wurbe Geld eingetrieben, 
wurden Soldaten geworben, S. Abf. d. N 4. B. Sowol die Breite des 
Stroms... als die reißende Gewalt desſelben.. ſchienen jeden Ber⸗ 
ſuch dieſer Artunausführbar zu machen. ©. Bel, v. Antw. 


8. 3. 


Von den genannten find die ausgebildeten (bekleideten, 
erweiterten) Säge zu unterfeheiden, deren Eigenthuͤmlichkeit 
darin befteht, daß zu einem Glied oder zu allen Gliedern des einfachen 

Kehrein Grammatik, II. 2. 1 


— 2 — 


Satzes irgend eine naͤhere Beſtimmung, Erklaͤrung oder Ergaͤnzung 
tritt, als: ein vom Verbum abhaͤngiger Kaſus als (näheres oder ent- 
fernteres) Objekt, eine adverbiale oder praͤpoſitionale Beſtimmung, 
ein adjektiviſches oder ſubſtantiviſches Attribut. — Dieſe Verhaͤltniſſe 
ſind bereits alle bei dem einfachen Satze eroͤrtert. 

Der Feige liebt das Leben. S. St. 3,6. Dann ſollſt Du erſt Deines 
ganzen Siegs genießen. Daf. 2,9. Wohntet Ihr dem Ritter— 
fpiel nicht bei? Daf. 2,1. Ich warb meines Wunſches gewährt. 
G. G. 2. Er ift ein Mufter Bürgern und Bauern. ©. Hd. 3, 54. 

Sein Herz ift dem Volke nicht geneigt. ©. &.1. Bin ih die rit- 
terlihe Rechte nieht werth? G. &. 1. — Run fand er fihdener- 
fen Wachenden in feinen Befigungen. &. Wo. 1,14. Mean fteht 

ſich leicht an Wald und Feldern fatt. G. F. 1, 60. Weldy andrer 
Sünde klagt das Herz Dich an?! ©. &t.5,7. Haft Du Did bes 
Deobat und Tiefenbach verfihert? S. P. 2,6. Diefer Herzog 
fhlug die Väter ihnen und die Söhne. SG. Ivo. 3, — Bor 
diefes Linde faß ich jüngft wie heut. S. SL.1,2. Aus der Molke 
ftrömt der Regen. ©. Glocke. Ich muß laufen früh und [pat. ©. $. 
4, 4162. — Süßer Wohllaut fchläft in ber Saiten Gold. ©. Graf 
v. H. Berwandte find fih alte Karten Seelen. S. P. 4,2. Chr 
furcht gebüprt dem Boten Deines Kaifers. Daf. 1,4 @ines. 
Mannes Tugend erprobt allein die Stunde der Gefahr. S. St. 1,7. 


$. 4. 


Sind auf andere ald die ($. 1) genannte Weife Subjekte und 
Berba gehäuft, fo ift dee Sag ein mehrfacher (mehrgliederiger, 
zufammengefegter), Die einzelnen Säge des mehrfachen Sages hei⸗ 
Ben feine Glieder. 

Das Alte fürzt, ed ändert fich die Zeit, und neues Leben blüht aus den 
Ruinen. S. Tl. 4, 2. Muth zeigt auch der Mamelud; Gehorfam ift 
des Shriften Shmud. S. Kampf m. d. Dr. Wo rohe Kräfte finnlos 
walten, da kann ſich Fein Gebild geftalten. ©. Glocke. Unſere Meifter 
nennen wir billig bie, von denen mir immer lernen. G. Bar. u. 
Reflex. 2. Sch Habe nie gefehen, daß glückliche Menfchen wären undank⸗ 
bar gewefen. Daf. 3. Ein Zeder, weil er fpricht, glaubt auch über bie 
Sprache fprechen zu können. Daf. 2. Die Kreigebigkeit erwirbt einem 
jeden Gunft, vorzüglich wenn fie von Demuth begleitet wird. Daf. 2. 


$. 9. 


Die mehrfachen Säge find zweifacher Art. Werden zwei 
oder mehrere Säge, deren jeder grammatifch vollftändig iſt, d. h. die 
dem einfachen Sage grammatiſch nothmwendigen Theile hat, und einen 
volftändigen Sinn ausdrüdt, mit einander verbunden; fo nennt man 
das Ganze eine Sagverbindung. Die einzelnen Säge In der 
Sagserbindung heißen befgeordbnete Säge, und find Haupt: 
fäße. 

Schon zitterte die Schweiz für ihre Kreiheit, aber bas treulofe Glück ver: 
lieg. ihn (Karl den Kühnen) in drei ſchrecklichen Schlachten, und ber 
ſchwindelnde Eroberer ging unter den Lebenden und Todten nerloran, &. 
Abf. d. N. 1. B. Die Sefinnung iſt Löblich, und wahr ift auch bie. Ge⸗ 





— 3 — 


ſchichte. G. Hd. 2, 139. Bald weäte ein näherer ober entfernter Brand 
uns aus unferm häuslichen Srieden, bald fegte ein entdedtis großes Ver: 
brechen, deffen unterfuhung und Beftrafung die Stadt auf viele Wochen 
in Unruhe. ©. Leben 4. B. Der Hohen Demuth leuchtet hell dort oben; 
Du beugteft Dich, drum hat er Dich erhoben. S. Zoo. t, 16. Herde 
Provinz liebt ihren Dialekt: benn er doch eigentlidy des Element, in 
welchem die Seele ihren Athem ſchöpft. G. Leben 6. B. 


$. 6. 


Werben zwei oder mehrere Säge, deren jeder zwar grammatifch 
vollftändig ift, d. h. die dem einfachen Sage grammatiſch nothwendi- 
gen Theile hat, aber nicht für fich, fondern erft im Zufammenhang 
mit den andern Sägen einen vollftändigen Sinn gibt, mit einander 
derbunden;, fo nennt man das Sanze ein Saggefüge. Die ein: 
zelnen Säge im Sapgefüge find theild übergeordnete, theils 
untergeordnete, auch Dauptfäge und Nedenfäge, Vor: 
der: und Nachſaͤtze genannt. 

Auch Eure Schreiber, Kurl und Rau, erhärten mit einem Eid, daß es bie 
Briefe feien, die fie aus Eurem Munde niederfchrieben. ©. St. 1,7. 
Ob fie die Stadt gewonnen, ihrer Rache Ziel erreicht, vernahm ich nicht. 
G. J. 1, 3. Weh dem, der fern von Eltern und Gefchmiftern ein ein 
fam Leben führt! Daf. 1, 1. Em edler Menſch zieht edle Menichen an 
und weiß fie feft zu halten, wie ihr thut. G. &. 1,1. Und während 
ihn die Rache fucht, genießt er feines Frevels Frucht. ©. Kraniche d. Ib. 
Dem König follte nichts Geheimniß fein; und ob er’& gleich nicht for⸗ 
dert, fühlt er’s doch, und fühlt es tief in fe großen Seele, daß Du 
forgfältig Dich vor ihm verwahrft. G. 3 


Erfter Abſchnitt. 
Satverbindung. 
8. 7. 
zeit— und Modusverhältniffe find in der Satzverbin⸗ 
dung, da die einzelnen Säge als Hauptfäge ($. 5) im Allgemeinen 


an Werthe gleich find, diefelben, wie im einfachen Sage. 


Da fteht Dein Haus, reich, wie ein Edelfiß; von fchönem Stammholz tft 
es neu gezimmert und nach dem Richtmaß ordentlich gefügt; von 
vielen Fenftern glänzt es wohnlich heil; mit bunten Wappenfchilbern 
iſt's bemahlt. S,81.1,2. Man Hebt mich auf; ih binentfefs 
felt; will ihm danken; ſeh' fein Aug’ in Thranen; ſtumm ifter, bin 
ih; er geht, ich bleibe. ER. 1,5, Die Königin ftehet im hohen 
Saal, dabrennen der Kerzen fo viele. Und neben der Königin ſchlürft 
zur Stund Sorbet die ſchoönſte der Frauen. Da brach ihr die Taſſe fo 

haurt an dem Mund, es war ein Graͤuel zu ſchauen. & Wirkung in db. F. 
— Frommer Stab! o hätt’ ic nimmer mit dem Schwerte Dich vers 
tauſcht! Hätt’ ed nie in Deinen Zweigen, heil'ge Eiche, mir ges 
rauſcht! Bär Du nimmer mir erfchienen, hohe Himmelskoͤnigin! 
S. 390, 4, 1. R 

1 


8. 8. 


Die beigeorbneten Säge können in einem dreifachen Verhaͤltniß 
zu einander ſtehen. Der eine Satz iſt 1) dem andern steige, 
ein Gedanke erweitert den andern (logifches Verhaͤltniß der Uber: 
einffimmung); 2) entgegengeftellt, ein Gedanke hebt den andern. 
auf oder befhränkt ihn (logifches Verhältniß des Segenfages); 
3) durch den andern begründet (kauſales Verhältniß). 

Wir ftehen bier ftatt einer Landsgemeine, und koͤnnen gelten für ein ganzes 
Boll. S. &1.2,2. Hier kniet' ich vor dem Chriftusbilde, und reinigte 
mein Herz von Sünde. ©. Kampf m. d. Dr. Nie lag eine fo große 
Entſcheidung in eines Menſchen Hand; gie „iifeete eines Menfchen Ver⸗ 

blendung fo viel Verberben. ©. 30. Kr. 1.8. — Beihwagen konnte 
Dich der Plauderer. Sch aber will zu Deinem Herzen reden. S. St. 4, 6 
Fürwahr, ih muß Dich glücklich fchägen, doch, ſpricht er, zittr' ich —* 
Dein Heil. S. Ring d. P. — Furcht ſoll das Haupt des Glücklichen um⸗ 
ſchweben: denn ewig wanket des Geſchickes Wage. S. T. 8, 4 Du 
machſt Dir Müh' und mir var Du Schmerzen: vergebens beides: 
darum laß mich nun. G. 3,4 


Erſtes Rapitel. 
1. Sleichgeftellte Säge. 
8. 9. 


Die gleichgeftellten Säge können in einem dreifachen Verhaͤltniß 
zu einander flehen: 

1) Die einzelnen Säge ſtehen fich gleich, jeder enthält für fich 
einen befondern Gedanken, alle zufammen einen allgemeinen. Der 
Werth der einzelnen Säge, die Steigerung des einen im VBerhältniß 
zum andern kann dabei noch befonders hervorgehoben werden. — 
Diefes Verhaͤltniß bezeichnen die kopulativen Konjunftionen: 
und, auh, zudem, außerdem, überdies, überdem, 
niht allein — fondern auch, nicht bloß — fondern 
auch, nicht nur — fondernaud, fowol — als, weder — 
weder, noch — noch, weder — noch. 


8. 10. 


und. Allen deutſchen Sprachen, die gothiſche und nordiſche 
ausgenommen, iſt die verbindende Partikel und eigen; ſie lautet ahd. 
anti, enti, inti, unta, unte, mbd. unde, unt, altſ. endi, agſ. engl. and, 
tft wahrfcheinlih mit der goth. Präpofition and, der ahd. mhd. nhb. 
untrennbaren Partikel ant, ent (ant, ent) verwandt und überfegt fruͤ⸗ 
ber das lat. et (und) und at (aber). Sie verbindet einzelne Worte 
‚ und ganze Säge, fteht gern bei Wiederholung des gleichen Wortes 
und dei der Alliteration?); führt nad einem Zwifchenfage den unter: 
brochenen Sag weiter ); faßt den Reſt des Gleichartigen zufammen 


— z — 


(und ſonſt, überhaupt)®); ſteht erklaͤrend im Sinne von und 
zwar, namlich 4; ſteht vor dem Relativ, vor und nad) andern 
Konjunktionen in Nebenfägen, dem Anfcheine nad) überflüffig, in der 
Mirktichkeit aber beide Säge enger miteinander verbindend 5); ver- 
teitt die Stelle anderer Konjunktionen in verfchiedenen Sagverbin- 
dungen und Saggefügen ©). . 
1) er (der zagel) gevrös im ie ba3 unde ba3 (der Schwanz gefror ihm je befs 
fer und beffer). Reinh. 754 bei W. 210,17. Was die und die für fremde 
Mienen an fih nahm. Leffing, der Eremit. Es dröhnt und dröhnte 
dumpf heran. Bürger, Lied v. br. M. Und heller und heller, wie Stur⸗ 
mesfaufen, hört man's näher und immer näher braufen. ©. Taucher. 
Und diefe Sorge macht ihn lieb und lieber ... Verwoͤhnt ihn nur und 
immer mehr und mehr. ©. T. 3, 4. Sie wiederholte fih aber und 
abermals, was fie feit jenem unerwarteten Vorſchlag des Grafen oft genug 
bei fih um und um gewendet hatte. &. Wo. 1, 11. Dies falfche Herz 
bringt Lug und Zrug in den wahrhaft’gen Himmel. S. T. 3,9. — 
2) dune (du nicht) weist ouch rehte wa3 dü tuost, sit dü benamen (für: 
wahr, bei Namen) sterben muost, daz dA diz lesterliche leben, daz dir got 
hät gegeben, niht vil willeclichen treist (trägft), und ouch dar zuo niht en- 
weist (weißt), obe dich diss kindes töt ernert (heil macht). Ah. bei W. 
352, 31 f. Es gibt im Menfchenleben Augenblide, wo er dem Weltgeift 
näher ift, als fonft, und eine Frage frei hat an das Schidfal. S. T. 2,3. 
— 3) hie is (iſt) sö ville herzogen un de vorsten (Fürften) in deme hove. 
Kr. bei W. 226, 31. An einem Morgen ift der Herzog fort, auf feinen 
Schloͤſſern wird es nun lebendig, dort wird er jagen, bau’n, Geftütte hal⸗ 
ten, fich eine Hofftatt gründen, gold'ne Schlüffel austheilen, gaftfrei große 
Tafel geben, und kurz ein großer König fein im Kleinen! S. T. 1,7. — 
M) stn name was gar erkennelich, und hiez der herre Heinrich. . Ab. bei 
W. 333, 2. — 5) das ander sper (Speer) das sol man breise (preifen), 
vnd das (das fie) got in sein seitten stachen also ser. W. 1031, 11 aus 
d. 18. Jahrh. min hertz ist aller fröwden voll, darumb ich aber singen sol 
und wie es ist ergangen. Kr. bei W. 1049, 27. he (hei!) und kosts uns 
lib und leben, die Switzer wend (wollen) wir zwingen. As. bei W. 921, 19. 
daz ich iu triuwe leiste, und mir selber doch die meiste. Ab. bei W. 342, 
16. Er hätt’ es nimmer aufgegeben, und Eoftet’s ihn das eigne Leben. 
Uhland, ſchw. Kunde. Der ainem yglichen gibt nach dem vnd ain 
yeglicher gefchictt ift. Ge, 32b. Abſolon nad dem und er verfänet 
ward mit bauuid feinem vatter mocht dannocht nit komen fur fein ange- 
ficht. Gg, 28b. dem ieger find die bunſchuͤ gerecht, und aber dem affen 
fint fie nit gerecht. Gb, 97a. mit dem ich reden folt als offt und ich 
wolt. C. II. 6, 118. von ir will ih nymmer wenden, bie weil ond 
ich das leben han. C. II. 44, 12. er hat nit ein fun, nicht ein brüber. 
und yedoch hört er nit vff zearbeiten. B. Pred. A, 8. vergib ons vnſer 
ſchüld als und wir vergeben onfern fchuldigern. B, Matth. 6, 12. daß 
er ehe vnd das Gefchrey recht außkaͤme ſchon etwas außgerichtet bett. 
A, 326b. — 6) nu hol dA zim (zu ihm) die troestlichen fröud, unde (daß) 
er sorge über dich niht verhenge. Tl. bei W. A26, 4. und wirt din schame 
harte (fehr) grö3, die da von schulden (mit Recht) danne hast unde (daß, 
wenn) naket vor mir stäst. Ah. bei W. 348, 36. Was hat getragen dich 
zu landt, durch das wallende meer mit sand, vnnd (während, wiewol) doch 
keyn Schwab nie drüber kam. W. 999, 7. aus d. 15. Zahrh. 


Anm „Das und ift die einfachfte Verbindung ; es verfnüpft fogar das 
Verfchiedenartigfte (Himmel und Hölle, Leib und Seele) und iſt eben fo 








_ 


6 _ 


einfältigliches, Tindlich gemüthliches (daher ein Liebling ber Bibel und 
Luthers), befcheidenes, unbefangenes, ald Fühnes und muthiges Weſens 
und poetifcher Natur.” Lehmann. — „Darum ift diefem Worte auch 
in ber älteften und heiligften Sprache eine Macht und Gewalt gegeben, 
wie in einer andern. Sprachkundige wiffen, daß es nicht bloß dis Stelle 
faft aller andern fogenannten Partikeln vertreten Tann, indem es z. B. 
zwar,fogar, aber, dennoch, ober und entweder, nämlich, 
weil,deshalb, daß und bamit, wenn und dann ausdrüdt und 
bezeichnet, fondern fogar die Gegenwart in Zukunft und die Zukunft in 
Gegenwart, den Befehl in die Ausführung, Wollen in That verwandelt. 
Es ift ein recht Eönigliches Wort und in biefer Sprache göttliches Ge⸗ 
ſchlechts; es deutet auf etwas Unvollenbetes hin, bas aber vollendet wers 
den wird.” Krummacher: „Das Wörtlein UND Cine Geburts: 
tagsfeier.“ 
8. 11. 


Neuhochdeutſch iſt der Gebrauch des und beſchraͤnkter als 
fruͤher; es findet Anwendung in kopulativem ($. 12), adver— 
ſativem ($. 20) und faufalem ($. 20) Verhältniß. 


$. 12. 


Und wird Lopulativ gebraucht, wenn Säge von gleihem 
Merth mit einander verbunden werben. 

"Der Gärtner entfernte fih eilig, und Eduard folgte bald. &. Wo. 1,1. 
Hier ward Petrarch bewirthet, hier gepflegt, und Arioft fand feine Mufter 
hier. G. T. 1,1. Die Kifche fpringen, und das Waflerhuhn taucht 
unter. ©. 21.1, 1. Die Blume ift hinweg aus meinem Leben, und kalt 
und farblos ſeh' ich's vor mir liegen. ©. %. 5,3. Empfangt iyn (den 
Degen) neu zurüd aus meiner Band, und braucht ihn flets mit Ehre für 
das Recht. Daf. 2, 6. Mich fchuf aus gröberm Stoffe die Natur, und 
zu ber Erde zieht mich die Begierde, Daf. 2, 2. Denn aus Gemeinem 
ift ber Menſch gemacht, und die Gewohnpeit nennt er feine Amme. Daf. 
1,4. Der König wird die Truppen laffen fchwören, und Alles wird in 
feiner Ordnung bleiben. Daf. 1, 7. 


$. 13. 


Merden mehr ald zwei Säge von gleihem Werth mit einan⸗ 
der verbunden; fo fleht und (polyſyndetiſch) vor mehreren oder allen 
Sägen, wenn die Verbindung derfelben zu Einem Gedanken befonders 
hervorgehoben werden folk. 

Du ſiehſt mich Lächelnd an, Eleonore, und ſiehſt dich felber an und Lädhelft 
wieder. G. T. 1, 1. Da pfeift es und geigt ed und Elinget und Hirrt, 
G. Hochzeitlied. Und drinnen waltet bie züchtige Hausfrau, die Mutter 
der Kinder, und herrfchet weiſe im häuslichen Kreife, und lehret die 
Mädchen, und mwehret den Knaben, und reget ohn’ Ende die fleißigen 

Ande, und mehrt den Gewinn mit ordnendem Sinn, und füllet mit 

chätzen bie duftenden Laden, und dreht um die fehnursende Spindel den 

Faden, und fammelt im veinlich geglätteten Schrein bie fchimmernde 
Molle, den fchneeigen Lein, und füge: zum Guten den Glanz und. den 
Schimmer, unb ruhet nimmer, ©. &lode. 

Anm. Die fhimmernde Wolle, der fchneeige Lein werben in den &chrein 
gelegt, aber gefondert; zum Guten fügt bie Hausfrau den Glanz und. ben 
Schimmer: darum fehlt bort und, das hier fleht. 


$. 14. 


Soll von zwei oder mehreren verbundenen Sägen von glei: 
chem Werth jeder als befonders wichtig beachtet, auf jeden die Auf: 
merkſamkeit befonders hingelenkt werden; fo flehen fie ohne Verbin: 
dungspartifel (afpndetifch) neben einander. In der erzählenden und 
befchreibenden Darftelung wird von diefer Verbindungsart öfters 
Gebrauch gemacht. 

Die Kunſt ift Iang, das Leben Furz, das Urtheil fchwierig, die Gelegenheit 
flüchtig. ©. %. 7,9. Nun fand er fich unmittelbar an feiner rauen 
Thüre, eine fonberbare Verwechſelung ging in feiner Seele vor, er fuchte 
bie Thüre aufzudrehen, er fand fie verfchloffen, er pochte leife an, Char⸗ 
lotte hörte nicht. &. Wo. 1, 11. Der König fprach’s, der Page lief; 

der Knabe Fam, ber König rief: Laßt mir herein den Alten! G. der Saͤn⸗ 
ger. Er rufte mit lechzender Stimme: Mich dürſtet! Ruft's, trank, 
dürftete, bebte, ward Bleicher, biuyfete, rufte: Water, in deine Hände be: 
fehl ich meine Seele, K. M. 10, 1048. Hartnädig und ungewiß ringt 
mit dem Defpotismus die Freiheit; mörberifche Schlachten werden gefoch- 
ten; eine glänzende Heldenreihe wechfelt auf dem Felde der Ehre; lan: 
dern und Brabant war die Schule, die dem Eommenden Sahrhundert 
Feldherrn erzog. S. Abf. d. N. Einleitung. Frankreich, ohne den Frieden 

offenbar und foͤrmlich ˖zu brechen, flellte einen Bringen vom Gebläte an 
die Spige der niederländiichen Rebellen, bie Operationen der Letztern 
wurden größtentheile mit franzöfifchem Gelde und Zruppen vollführt. Daf. 
Die ſchwere Zuchtruthe des Deſpotismus hängt über ihm, eine willfür: 
liche Gewalt droht die Grundpfeiler feines Glüdes einzureigen, der Be⸗ 
wahrer feiner Gefege wird fein Tyrann. Daf. Flackernd fleigt die Feuer⸗ 
fäule, durch der Straßen lange Beile wächft es fort mit Windeseile; ko⸗ 
chend, wie aus Ofens Nahen, glühn die Lüfte, Balken Erachen, Pfoften 
ftürzen, Yenfter Elirren, Kinder jammern, Mütter irren, Zhiere wimmern 
unter Trümmern, Alles rennet, rettet, flüchtet, taghell ift die Nacht ge- 
lichtet; durch der Hände lange Kette um die Wette fliegt der Eimer; hoch 
im Bogen fprigen Quellen Wafferwogen. S. Glocke. 


$. 15. 


Werden mehrere Säge von gleihem Werth mit einander ver: 
bunden ohne die ($. 13—14) genannten Rüdfichten, fo fleht in der 
Negel nur: vor dem legten Sage die Konjunftion. Diefe Verbin: 
bungsmeife findet übrigens auch häufig in dem 8. 14 angegebenen 
Fall Anwendung. | | 

Der Frühling war in feiner völligen Gervlichkeit erſchienen; ein frühzeitiges 

Gewitter, das den ganzen Tag gedroht hatte, ging flürmifch an den Ber⸗ 

. gen nieder, ber Regen z0g nad) dem Lande, die Sonne trat wieder in 
ihrem Glanze hervor, und auf bem grauen Grunde erfchien der herrliche 
Bogen. G. 2. 7,41. Er artieulirte gut, fprach gemäßigt aus, fisigerte 
den Ton ftufenweife, und überſchrie fich nicht in den heftigflen Stellen, 

Daf. 5,9. Die Shore fpalten fich, die Gitter fpringen, die Mauer flürzt 

von ihren Händen ein, und der Freiheit des eindrechenden Tages fteigt 

Egmont fröhlih entgegen. G. E. 6. Da fkampften Pferde, glänzten 

Helm und Schilde, da brängten fich die Snappen, da erflang Trompeten⸗ 

ſchall, und Lanzen krachten fplitternd, getroffen tönten Helm und Schilde, 

Staub, auf einen Augenblick, umhüllte wirbelnd des Siegers Ehre, des 


— — — — — — 


— 8 — 


Beſiegten Schande. G. T. 2, 1. Am Himmel iſt geſchaͤftige Bewegung, 
des Thurmes Fahne jagt der Wind, ſchnell geht der Wolken Zug, die 
Mondesſichel wankt, und durch Die Nacht zuckt ungewiſſe Helle. S. T. 8, 3. 
An dem naͤmlichen Tage, wo die zweite Bittſchrift eingereicht wurde, trak⸗ 
tierte Brederode die Verſchwornen im Kuilemburgiſchen Hauſe; gegen 
300 Säfte waren zugegen; die Trunkenheit machte fie muthwillig, und 
ihre Bravour flieg mit ihrer Menge. ©. Abf. d. N. 3. B. 

Anm. 1. Das Beifpiel aus Goethes Zaffo 2, 1 flellt und zwei Bilder 
(da — Zrompetenfchall, und — Schande) dar, die paffend mit und ver- 
bunden find. 

Anm. 2. Die in $. 14—18 angeführten Säge, wie andere, in benen eine 
Konjunktion (und, nämlich, deswegen, daher ꝛc.) fehlt, nennt A. Va⸗ 
renne (ber deutſche Yeriodenbau, im Saganer Programm von 1843) 
abgetrennte Säge. Sie treten aus ber Satzverbindung heraus, neh⸗ 
men das unabhängige Wefen des Hauptfages an und empfangen baher 
alle Merkmale des legtern. Grund der Abtrennung iſt das Hervorbes . 
ben eines Gedankens (Urtheils) über einen andern mit ihm verbundenen. 


$. 16. 


Zumellen flieht und im Anfang eines Sages, und zwar in zwei⸗ 
facher Weife: entweder folgt ein zweites und (polyfpndetifch) nach, 
wodurd das erfte und mit dem zweiten in eine Art Wechfelbeziehung 
tritt, oder e8 wird dadurch eine engere Verbindung mit dem vorher: 
gehenden Sage angedeutet. 

Und es wallet und fiedet und braufet und zifcht, wie wenn Waffer mit 
Feuer fich mengt. ©. Taucher. Wer ift der Beherzte, ich frage wieder, 
zu tauchen in biefe Ziefe nieder?! Und die Ritter, die Knappen um ihn 
ber vernehmen’s, und fchweigen fill, fehen hinab in das wilde Meer, und 
keiner den Becher gewinnen will. Und der König zum brittenmal wies 
der fraget: Iſt keiner, der fi hinunter waget? Daf. 

Anm. Diefes und im Anfang einer Strophe gebraucht Schiller befonders 
häufig im Zaucher und in der Bürgfhaft. — Am Anfange eines 
Abfchnittes nach Beendigung ber bireften Rebe des Einen zur Ankündi⸗ 
gung ber direkten Rebe bed Andern gebraucht Goethe diefes und oft in 
Hermann und Dorothea, Voß in ber Überfegung der homerifchen Gedichte. 


Befonders häufig ſteht diefes und in allen Bibelüberfegungen, ſchon gleich 
im Anfang der Genefis. 


8. 17. 


Goethe liebt es vor Anden, und zwar bis zum übermaß, 
nicht allein einzelne Säge und Periodentheile, fondern auch ganze 
Perioden, ja ganze Abfchnitte und fogar ganze Gedichte und Briefe 
mit und einzuleiten. — Steht diefes und im Anfange eines (vor: 
züglich Inrifchen) Gedichtes oder eines vertraulichen Briefes; fo ift 
dies Daraus zu erklären, daß der Verfaſſer fich einige (oder Tängere) 
Zeit mit den barzuftellenden Gedanfen und Gefühlen oder mit dem 
Freunde befchäftigt hat, und nun zur Feder greift und bei einem 
Hauptpunfte anfängt, «der in der ganzen Kette der Gedanken und 
Gefühle mit dem Vorhergehenden (aber nun Ausgelaffenen) innigft 


JJ 


een 


— 9 — 


zuſammenhaͤngt, in der ſchriftlichen Darſtellung aber faſt als abge⸗ 
riſſen erſcheint. 


Und doch haben ſie Recht, die ich ſchelte. G. Wink. Und morgen faͤllt 
St. Martins Feſt. G. Gutmann. Und wenn wir unterſchieden haben. 
G. Wohl zu merken. Und was im Pend-Nameh ſteht, iſt Dir aus der 
Bruſt geſchrieben. G. Tafkir Nameh. Und friſche Nahrung, neues Blut 
ſaug' ich aus freier Welt; wie iſt Natur ſo hold und gut, die mich am 
Buſen hält! G. auf dem See. Und wieder ſchwankt die ernſte Wage, 
der alte Kampf belebt ſich neu. Uhland, ben Landſtänden. 

Anm. Dies find ſämmtlich Anfänge von Gedichten, die oft mit einem vor- 
hergehenden in Berbindung ftehen. Herder beginnt: Abendlied, Die 
Sonne, Der Mond, Die Vorfehung, Mondesgang, Mabera u. a. mit ınd, 
Auch bei W. Müller, Heine, Shamiffo, & Schwab, Arnd 
u. %. finden fi) Gedichte, welche mit umd anfangen. 


$. 18. 


Nicht fo häufig als die einleitende Verbindung mit einfachem 
undift bei Goethe bie mit und fo, doch häufiger als bei irgend 
einem andern Schriftfteller. — Auch am Schluß eines Ganzen, fei 
es ein einzelnes Gedicht oder fragmentarifche Zufammenftellung ıc., 
liebe Goethe und fo in hohem Grade, vorzugsweife am Schluß von 
vertraulichen Briefen. Gerne verbindet Goethe noch denn damit. 


Und fo fag’ ich zum letzten Male. ©. Ultimatum. Und fo geichah’s! 
©. Epilog zu Schillers Glode. Und fo finden wir ung wieder in dem 
heitern bunten Reih’n, und es fol ber Kranz der Lieder frifch und grün 
geflochten fein. S. Gunſt d. A. — und fo fihmang er ſich aufs Pferd, 
ohne den Gaffee abzuwarten. G. Wp. 1,2. Und fo gelangte man 
denn über Felſen, durch Bufch und Gefträuch zur ledten Höhe. Daf. 1,3. 
und fo follte mir denn kurz vor dem Schluffe ein fonderbares Aben⸗ 
teuer befchert fein, wovon ich fogleich umftändliche Nachricht ertheile, 
G. ital. Reife Palermo den 13. u. 14. April 1787. 

Anm. 1. Nicht allein in der Proſa, fondern aud in ber Poefie Goethes 
herrfcht das und fo, freilich in einigen Dichtungen feltner, 3.8. in 
Taſſo, Eugenie, Kauft 1. Thl., am feltenften in der Iphigenie, in andern 
wieder auffallend mehr, z. B. in Kauft 2. Thl., Hermann und Dorothea 
und in vielen Bleineren Gedichten. — In Goethes Briefen an Schiller 
kommt, nach Lehmanns Unterfuhung, und fo niemals am Anfange 
eines Briefes, auch nur felten in der Mitte und am Ende vor; auch und 
nie am Anfange. Ein Beweis dafür, dag Goethe fpäterhin immer mehr 
das behagliche und fo lieb gewonnen, oder auch dafür, daß er fich in der 

. Korrefpondeng mit Schiller weniger hat gehen laffen, ala es bei Zelter 
gefchehen konnte. 

Anm. 2 Zur Erklärung diefes und und auch anderer Konjunkttionen im 
Anfange fagt Lehmann (in einer lehrreichen „Abhandlung über Goethes 
Lieblingswenbungen und Lieblingsausdrüde,” Marienwerder Programm 
1840) fharffinnig: 1) Oft kann eine einzeln ftehende Sentenz oder ein 
einzelnes Epigramm zwar an fich als ein Ganzes betrachtet werben, aber 
fein einleitendes und oder aber u. f. w. deutet zugleich auf den bald 
mehr bald minder lofen Zufammenhang mit ber vorausgehenden Sentenz 
oder dem vorausgehenden Epigramm bin, fo daB die Konjunktion fich 
nicht auf etwas Ausgelaffenes, fondern auf das Vorangefchidte bezieht. , 
2) Ein gleicher Gebrauch findet fich bei ganzen Eleineren, bald mehr bald 


— 1 — 


minder felbfifländigen Gedichten. 3) Auf dieſelbe Weife leitet Goethe 
ſolche Epiloge ein, welche die Aufführung eines Stüdes ſchließen. A) Im 
Drama felbft finden wir nun den Übergang von den fo eben genannten 
drei Stufen zu jener Ellipfe, bie fich auf etwas bezieht, das gar nicht mit⸗ 
getheilt ift, doch aber als vorangegangen hinzugedahht werden muß. 
Goethe leitet nämlich zuweilen ganze Auftritte mit und ein und fegt fie 
demnach mit demjenigen auch in formelle Verbindung, was fih ber Zu⸗ 
hörer oder Lefer ald Ergänzung zwilchen dem alfo eingeleiteten Auftritt 
und der früheren Scene aus dem Zufammenhange felbft hinzu denken muß. 
5) So ift demnach jegt die höchfte Stufe jener Ellipfe (am Anfang von 
ala Briefen’sc.) erklaͤrbar, und der Schritt zu ihr leicht und na⸗ 
rlich. 


8. 19. 

Und wird auch in Verbindung mit einer andern Konjunktion, 
beſonders bei kauſalen und adverſativen Verhaͤltniſſen gebraucht, wenn 
der Logifche (d. h. der durch den Ton bezeichnete) Werth nicht be: 
fonders hervorgehoben, vielmehr der zweite Sag, obwol faufaler oder 
adverfativer Art, mit dem erften in Verbindung gebracht werden ſoll. 
Hier teitt oft Bufammenziehung der Säge ($. 2) ein. Der Gebrauch 
des und neben andern Konjunktionen ift nun befchränfter als fruͤ⸗ 
ber ($. 10). 

Dem Iſolani haſt Du auch getraut, und war der Erfie doch, ber Dich ver⸗ 
ließ. S. T. 3,7. Vieles wünfcht fich der Menfch, und doch bedarf er 
nur wenig. ©. Hd. 8, 13. Und dennoch denkſt Du wohl bei biefen 
Worten ganz etwas anders, als ich fagen will. ©. T. 2,3. Da man 
auch die gewöhnlichen und demungeachtet nur zu oft überrafchenden 
Nothfälle durchdachte. G. Wo. 1,4. Und wenn wir denn auch Lieb’ 
um Liebe taufchten, belobnten wir das ſchoͤne Herz nicht billig? G. T. 3, A. 
Und weil fie fo viel Recht gehabt, fei ihr Unrecht mit Recht begabt. 
G. zahme Kenien V. Und als die Fifche gefotten waren, bereitet man 
große Hefte. G. Politica. Beſonders war fie forgfältig, alle Zugluft ab: 
zumwehren, gegen die er eine übertriebene Empfindlichkeit zeigte, und 
deshalb mit feiner Frau, der es nicht Iuftig genug fein fonnte, manch: 
mus in Widerfpruch gerieth. ©. Wv. 1, 7. Ein in natürlicher Wahrheit 
und Großheit, obgleich wild und unbehaglich ausgebildetes Talent ift 


Lord Byron, und deßwegen kaum ein anderes ihm vergleichbar. G. 
Mar. u. Refler. 1. 


$. 20. 


Mie früher ($. 10), fo wird auch neuhochdeutfh und flatt an: 
derer, befonders Eaufaler und adverfativer Konjunktionen 
gebraueht, um dadurch das logiſche Berhättniß der Säge hervorzu: 
heben. 

Aber difz fag ich nach vergebung und nit nach gebot. B. 1. Kor. 7, 6. 
Solches Tage ich aus vergunft, on d nicht aus Gebot. L. — Denn folder 
Weihung Feier anzuordnen gehört ber Briefterin, und nicht dem König. 
G. J. 4, 4. Gr fülltenoch das Haus, er beliebte noch die Spaziergänge, 
und er follte fort, das alfes follte leer werden! &.Wp.1,11. Gr fcheint 
fi uns zu nahn, und bleibt ung fern; er feheint ung anzufehn, und 
Geifter mögen an unfrer Stelle feltfam ihm erfcheinen. G. &. 1,1. Wir 


— . 1 —- - 


fheingn den Mann zu lieben, und wir lieben une mit iym daB Höchfle, 
was wir lieben Fönnen, Daf. Verſuche Deine Pflicht zu thun, und Du 
weißt gleich was an Dir ift. G. Betracht. Sch fah auf Dich, und meinte 
niht. ©. DE 4,2. Urtheilt, ob ich mein Herz bezwingen Tann: ich fah 
den Weind, und ich erichlug ihn nicht. ©. ZU. 2,2. Baters Pfeil ging 
mir am Leben hart vorbei, und ich hab’ nicht gezittert. Dat. 8,2. Mei⸗ 
nem Haupte war der Streich gebeobet, und das Eure fällt! S. St. 3,4. 
Die Beichwerden Brabants forderten einen ftaatäflugen Mittler: Phi⸗ 
lipp der Zweite fandte ihnen einen Denker, und die Loſung bes Krieges 
war gegeben. &. Abf. d.R. Einteitung. 


$. 21. 

Auch (ahd. auh, ouh, mhd. ouch, altf. mnl. nnl. ök, ook, altfrſ. 
ac, agf. eäc, engl. eke, altn, ok, og, auk, ſchwed. ach, ock, daͤn. og, unter 
fi mit einzelnen Verſchiedenheiten) ift ein ſeitenes Beifpiel einleuchten- 
den Bufammenhangs mit Lebendiger Wurzel; fie feheint ein Nomen, 
das undgefähe das Latein. augmentum (Bermehrung) bedeutet und vom 
goth. Aukan, ahd. ouhliön, agf. edcan, altn. auka, fat. augere (ver: 
mehren) abflammt. Diefe Konjunktion druͤckt in ber fräheren Speache 
die latein. Konjunktionen quoque, etiam aus, die auch weniger zur 
eigentlihen Berbindung der Worte und Säge, als zur nachdruͤck⸗ 
lihen Hervorhebung hinzutretender Begriffe dienen. Auch 
flebt darum bei Komparativen im Sinne unferese noch (mie lat. 
etiam).)), in erweiternden und fleigernden Boneeffiv: 2) und Affirma: 
tivfaͤtzen 3), fetbft in Gegenfägen im Sinne unferes aber, jedoch ?). 
1) Föne diu (deshalb) sldog er hoetium. ünde stnen suer (Schrwäher) sym- 

maehum. tnde dä} 6Guh uuirsera uuäs (und was noch wirfcher, ſchlim⸗ 
mer war). iohannem den hähes (Pabſt). Bo. bei W. 139, 26. diu sorge 
diu ist min eines niet (die Sorge ift nicht allein mein): si tuot ouch 
meren liuten we. W.374, 35. — 2) dar zuo sö liebet er ouoh si swä mite 
(womit) er ouch möhte. Ah. bei W. 329, 38. — 3) ez ist ouch ein 
jüngelinc, sprach diu wülpin (Wölfin) Herrät. W. 652, 9. siu verblibent 
als also siu sint. Ouch wie wenig frübt bringet das minnecliche liden 
.. vosers herren an den liuten. Tauler bei W. 868,38. — 4) Sie des auuar 
ni rohhitup, enti fuorun im sum in siin dorf, sum auh za sinemo eaufe, 
andre auh sume kafengun dea sine scalcha enti dea gabonto arslogun. W. 
46, 16. (Aus einer Überf. des Evang. des hl. Matth. 22, 5 aus dem 8. 
Jahrhe, bei B.: vnd fie verſumtens vnd giengen ber ein in fin borf. der 
anber in fin gefhäffte aber die andern hielten fin knecht fie erfchlügen fie 
und pinigten ſie mit lafler. Bei L.: Aber fie verachteten das, Vnd gien- 
gen hin, Einer auff feinen Acer, Der ander zu feiner Hantierung. Etliche 
aber griffen feine Knechte, hoͤneten vnd toͤdten fie.) Boife (vaufe) des 
krudes (Krautes) das unter dime hoebte (deinem Haupte) gewachsen if: 
weme du das zu trinkene gibest, der wert gesunt von allerlei krangkeit: 
och muf he (er) dor zu offenberlich bekennen alles das he gethaen hat: 
- anders bilft es en nichsnicht. W. 99%, 29 f. aus dem 45, Jahrh. 
Anm. Das goth. äuk drückt das latein. nam, enim (denn) aus. 


$. 22, 


Neuhochdeutſch ſteht aucd in beigeordneten Sägen, menn 
der zweite Sag im Verhältnig zum erften hervorgehoben werden 


‘ 


— 18 — 


ſoll. Die Verbindung und auch bezeichnet neben der Hervorhe⸗ 
bung (Steigerung) zugleich eine Erweiterung des vorangehenden Ge⸗ 
dankens. 


Nichts im Leben, außer Geſundheit und Tugend, iſt ſchätzenswerther, als 
Kenntniß und Wiſſen; auch iſt nichts fo leicht zu erreichen und fo wohl⸗ 
feil zu erhandeln. &. Mar. u. Refler. 5. Unfern Oberhofprediger, ber 
ein trefflicher Dann war, hörte ich mit großer Neigung; aucd feine Col⸗ 
legen waren mir werth. ©. Lj. 6. In den fchmwebifchen Kriegsgefegen 
wurde die Mäßigkeit befohlen, auch erblidte man im fchmwebifchen Lager 
weder Silber noch Gold. ©. 305. Kr. 2.3. Doc nicht genug, daß bie- 
fer heut’ge Zag Jedem von beiden einen Bruder fchentt; auch eine 
Schwefter hat er Euch geboren. ©. Bom. — vnaußſchidenliche Liebe ber 
freünd und auch ber feind. Gg. 67a. Die Gefinnung ift löblih, und 
wahr ift auch bie Geſchichte. G. Hd. 2, 159. Ich weiß es, der Menfch 
fou immer ftreben zum Beflern; und, wie wir fehen, er ftrebt auch im- 
mer dem Höheren nad. Daf. 5, 6. Wir fcheinen recht beglückte Schäfe- 
rinnen, und find auch wie die Glücklichen befchäftigt. ©. T. 1,1. In⸗ 
beffen ift es eine Epoche, die ung zur Befinnung auffordert, die uns ernft= 
lich ermahnt, an das Befte fämmtlicher Mitglieder unferes Beinen Zir⸗ 
telö zu denken und auch irgend eine Aufopferung nicht zu verfagen. 
G. Wvo. 1, 16. 


83. 


Das Verhältniß der libereinffimmung eines Gedankens mit 
einem andern, mitunter aus dem VBorhergehenden zu entnehmenden, 
Gedanken wird oft bloß durch den auf auch liegenden Redeton 
hervorgehoben. 


(Antonio:) Schreib’ es dem Glück vor andern Göttern zu, fo hör’ ich's gern, 
benn feine Wahl ift blind. (Taſſo:) Auch die Gerechtigkeit trägt eine 
Binde, und fchliegt die Augen jedem Blendwerk zu. ©. T. 2,3. Dem 
Iſolani haft Du auch getraut, und war der Erfte doch, der Dich verließ. 
S. T. 3, 7. (Kuoni:) 's ift ein Hausvater, und hat Weib und Kinder? 
(Ruodi:) Was? Ich Hab’ auch ein Leben zu verlieren, hab’ Weib und 
Kind daheim, wie er. S. Tl. 1, 1. Da ift der Zeu, er führt das Ruder 
auch; ber fol mir's zeugen, ob bie Fahrt zu wagen. Daf. (Ruodi:) 
Ein unvernünft’ges Vieh — (Werni:) Iſt bald gefagt. Das Zhier hat 
auch Vernunft. Daf. 


8. 24. 


Ein Glied eines einfachen Sages und das Verhaͤltniß der liber: 
einftimmung mit einem hinzugebachten Begriff wird oft dadurch be: 
fondere hervorgehoben, daß auch mit untergeordnetem Zone 
mit dem durch den Redeton hervorgehobenen Gliede des Sages ver: 
bunden wird. 

Es ſchont der Krieg auch niht das zarte Kindlein in der Wiege. 
S. Tl. 1,2. Auch drüben unterm Wald geht Schweres vor. Daf. 
1,4. Nicht lüftern jugendlihes Blut, mich treibt des höchften Jam⸗ 
mers fchmerzliche Gewalt, was auch den Stein des Felfen muß er⸗ 
barmen. Daf. 


— 48 — 


$. 25. 


Wie und ($. 17), fo fleht auch, jedoch ſeltner (weil eine Ver: 
bindung mit Steigerung ausdrüdend), auch im Anfang eines Ab: 
fchnittes, ja eines Gedichte. 

Auch ich fland auf einem ber hohen Felfengeflade. Klopftod, mein Thal, 
Auch ich war in Arkadien geboren; auch mir hat die Natur an meiner 
Wiege Freude zugefhworen; auch ich war in Arkabien geboren, doch 
Thraͤnen gab ber kurze Lenz mir nur, ©. Refignation. Auch Kleift iſt 
bin * weit herum erſchallen, ihr Muſen an dem Oderſtrom! uz, auf 

leifte Tod. 


$. 26, 


Verſtaͤrkt wird in der früheren Sprache auch durch joh und 30 
sama, was dem neuhochdeutfchen desgleihen auch, desfelbi: 
gengleihen auch. ähnlich ift, das auc eine Berftärkung be⸗ 
zeichnet. 

Thoh häbet er uns gizéigot joh ouh mit bilide giböt uuio uuir thoh düan 
scoltin, öba uuir ig uuoltin (doch hat er ung gezeigt und audy mit Bild ges 
boten, wie wir doch thun follten, ob [wann] wir eö wollten). O. II, 3 
bei W. 91, 27. so sama auh uuard chiguhedan (ward gefagt). 1. 8, 7. — 
Ire Priefter aber bringen das vmb, bas jnen gegeben wird, Desglei: 
hen auch jre Weibe praffen dauon. L. Baruch 6, 27. Vnd er nam das 
brot, dandtet und brachs, vnd gabs jnen, vnd ſprach, Das tft mein Leib, 
der fur euch gegeben wird, Das thut zu meinem Gedechtnis. Desſel⸗ 
bigen gleihen auch den Keldh, nach dem Abentmal, ond ſprach, Das 
ift der Kelch, das newe Teſtament in meinem Blut, das fur euch vergoffen 
wird, L. Luk. 22, 19 f. 


$. 27. 


Zudem, außerdem, überdies, überdem. Der Unter: 
ſchied diefer finnverwandten Konjunktionen liegt in den Präpofitionen 
zu, außer, über. — Zu (goth. du, ahd. zi, za, zuo, mhd. z&, 
zuo, altf. agſ. afſ. 18, 16, mul. und nnl. le, toe, engl. nnd. to) bedeu⸗ 
tet urfprünglih das Hin einer Richtung oder Bewegung ale Gegen: 
fag des von — weg. — Außer (ahd. üyar, mhd. üser, aff. üter, 
Weiterbildung von aus ftatt auf, goth. ut, ahd. mhd. ü3, altn. agf. 
üt, hol. uit, engl. out) bedeutet überhaupt nicht in demjenigen, wor: 
auf als in Rede ftehend Bezug genommen wird. — Über (goth. 
ufar, ahd. up(b)ar, mhd. über, altf. obhar, agf. ofer, aff. ovir, hol, 
din. engl. over, altn. yfir, ſchwed. öfver, griech. une, lat. supra, 
Weiterbildung von goth. uf, ahd. op(b)a, mhd. obe, altn. of, griech. 
drö, lat. sub) hat zunächft den Raumbegriff Höher als ein beftimmter 
Gegenftand, dann den Begriff des Hindurch nad) Raum und Zei. — 
Zudem drüdt einfach aus, daß dem Vorhergehenden noch etwas hin: 
zugefügt werde. Außerdem bezeichnet das zu einem Vorhandenen 
Hinzukommende als nicht in demfelben enthalten und von bemfelben 
ausgefchloffen, als ein Anderes zu dem Vorhandenen. Überdies 


—2 


— i« — 


8. 31. 


Bloß (ahd. ploʒ ⸗ ſtolz, mhd. bloz) iſt eigentlich ein Adjektiv 
im (eigentlichen und figuͤrlichen) Sinne von nackt, unverhuͤllt, 
nicht bekleidet, dann nicht bewaffnet. Schon mhd. wird 
das Adjektiv bloz (nicht ein Adverbium bloze) einem Subſtantiv vor⸗ 
geſetzt, um jedes andere Subſtantiv von der Rede auszuſchließen. 
In gleichem Sinne gebrauchen wir das juͤngere Adverbium bloß — 
nicht Anderes als, ohne alles Andere: es ſchließt ſomit alles Andere, 
insbeſondere als Zugehoͤriges oder als zugehoͤrig Gedachtes aus. 


ich sanc hie vor den vrouwen umb ir blögen gruoz. Ms. 1, 117. sol ioh s0 
verderben unde alsö gar ersterben, da3 von mir niht werde wan ein bloziu 
erde. Barl. 34, 38. 


| 8. 32, 

Nur ift urfprünglich ein verbales Adverbium, zufammenge- 
floffen aus ber einfachen Verneinungspartitel ni und der alten Präte- 
ritalform des Konjunktivs wäri, und lautet urfprünglich, wo es im= 
mer nach einem verneinenden Sage fteht, (10. Sahrh.) niuusri, fpäter 
(11—12. Sahrh.) ne wäre, newäre, newære, noch fpäter newer, 
niwer, nüwer, nuwer, neuer, niur, newr, nuer, nur. Neuhochdeutſch 
bedeutet nur fo viel als nichts weiter als das Genannte. 

Anm. Andere Anwendungen des nhd. nur, ald: wo es eine Zulaflung 
(er mag nur kommen), eine Mahnung (thue es nur auch), einen mit be= 
forglichem Zweifel verbundenen Wunfch (wenn er nur zu Haufe ift), eine 


nachdrückliche Beflimmung (wer nur kam, fand Aufnahme) ausdrüdt, 
kommen bier nicht in Betracht. | 


$. 33. 

Sol ein Gedanke durch einen andern Gedanken nicht nur an 
Umfang erweitert, fondern auch gefleigert werden, mas zumeilen 
noch duch einen Gegenſatz gefchieht; fo gebraucht man nhd. die 
Berbindungspartiteln nicht allein —, nicht bloß —, nidt 
nur — ſondernauch. — Nidhtallein zeigt Erweiterung über 
ein Genanntes an und eine Vermehrung duch Anderes; nicht bloß 
deutet auf eine Zugabe, die als ein Zugehöriges dargeftellt oder zu 
denen iſt; nicht nur fieht auf eine Erweiterung in Beziehung des 
Größenverhältniffes und fo auf eine weitere Zugabe. 

Sch bin bereyt nit allein gebunden werden. [under auch fterben. B. 
Apſtl. 21, 13, Bei L.: ich bin bereit, nicht allein mid zu binden 
lafien, fondern auch zu fterben. er verjagt obgenannten Alerander 
nicht allein, fondern nam jm auch ſein Landt. A.103b, Denn da bu 
nicht allein Liborens namens-feſt, befondern auch fie felbft ung wie: 
der [hauen Läft. hg. 2,29. Der euch nicht nur den leib bekehrt, befons 
bern auch den geift. hg. 4,254, — Mir hat die Mutter nicht Leinwand 
allein auf den Wagen gegeben, bamit ich den Nadten bekleide, fon: 
bern fie fügte dazu noch Speif und manches Getränke. ©. Hd. 2, 67. 
Man hatte nicht allein die Küche für die nächfte Zeit mit folchen Waa⸗ 
ven verforgt, ſon dern auch ung Kindern bergleichen Geſchirr im Kleinen 


. — 11 — 


zu ſpielender Beichäftigung eingekauft. G. Leben 1.8. — Seine (Eg⸗ 
monts) Entfernung hätte ihm nicht bloß die reichen Einkünfte von zwei 
Statthalterfchaften gekoſtet; fie Hätte iyn auch zugleich um den Belle 
aller feiner Güter gebradht. S. Abf. d. N. Sie (die Porträtmaler) follen 
nicht bloß darfiellen, wie fie einen Menfchen faffen, fondern wie je 
ber ihn faffen würde. ©. Wly. 2,2. Bei den Zhieren und der Pflanze 
gibt die Natur nicht bloß die Beftimmung an, fondern führt fie 
auch allein aus, ©. Nicht bloß der Stolz bes Menfchen füllt den 
Raum mit Geiftern, mit geheimnißvollen Kräften: auch für ein liebend 

. Herz ift die gemeine Natur zu eng. S. 9.3, 4 — Er hatte mir fo viel 
vorerzählt, daß ich ihn nicht nur für unterrichtet, fondbern auch für 
begründet halten mußte. ©. Leben 3. B. Der Abgang ber Schiffe hin 
derte nicht nur, den König weiter zu verfolgen, fonder.n feste auch 
den Sieger noch in Gefahr, die gemachten Eroberungen zu verlieren. 
©. 30j. Kr. 2.8. | 

. Anm. 1. Zumeilen fehlen einzelne Worte (au, Fondern), zumeilen 
find noch andere zur näheren Beftimmung beigegeben, wie aus den mit: 
getheilten Beifpielen zu erjeben. . 

Anm. 2. Bei Luther Eommt, fo viel ih vermuthe, nur nicht allein 
vor; Friſius hat in feinem Wörterbuch bei non modo, non solum, non 
tantum immer nit allein — funderaud; Goethe gebraudyt öfter 

nichtallein, als nicht bloß, nicht nur. 

Anm. 3. Klopſtock (Meſſias A, 57) ſagt abweichend: „Nicht die Klug⸗ 
beit allein, noch viel was Höhres gebeut uns.“ 


$. 34. 


Sa, foger, felbft werden oft flatt der genannten Konjunktio⸗ 
nen gebraudht, um das Verhältniß der Steigerung auf eine nad: 
druͤckliche Meife hervorzuheben. Ja iſt dabei ſchwaͤcher ale feLbft, 
biefes ſchwaͤcher als ſogar — in dem Grade bereit. 

Wider ihn im Heer der Feinde kämpft fein nächſter Better und fein erfter 
Peer, ja feine Rabenmutter führt es an. ©. Ivo. Prol. 1. Dttilie hatte 
fchnell die ganze Ordnung eingefehen, ja,. was noch mehr ift, empfunden. 
G. Wv. 1,6. Nicht umfonft hatte fie fo vieles Geväde mitgebracht, ja 
es war ihr noch manches gefolgt. Daf. 2,4. — Der Graf übte die firengfte 
Uneigennüsigkeit; felbft Gaben, die feiner Stelle gebührten, lehnte er 
ab. &. Alle Wefen leben vom Lichte, jedes glüdliche Gefchöpf, die Pflanze 
felbft kehrt freudig fi) zum Lichte, ©. 1. 1,4 Der Rhythmus hat 

. etwas BZauberifches; Togar macht er uns glauben, das Erhabene gehöre 
uns an. G. — Nach dem Innern des Landes zu kamen mehrere neue 

. Dörfer zum Vorſchein; den filbernen Streifen des Fluſſes erblickte man 
deutlich, ja felbft die Thürme der Hauptftadt wollte einer gewahr 
werden. G. Wv. 1,9. . Denn wenn der Smaragd durch feine herrliche 
Karbe dem Gefiht wohl thut, ja fogar einige Heilkraft an diefem edeln 
Sinn ausübt; fo wirkt die menfchliche Schönheit noch mit weit größerer 
Gewalt auf den äußern und innern Sinn. Daf. 1, 6. 


$. 35. 


Sowol — als (auch), ſowol — (als) wie (auch). — 

So (goth. sve, ahd. mhd. sö, der alte Modalis, d. i. Kaſus det Art 
und Weife des verlornen Demonftrativs goth. sva, ahd. su) bedeutet 
in der Befhaffenheit, in dem Grade. Daraus it als 
Kehrein Grammatik. II. 2. 2 | 


— 8 — 


Beſiegten Schande. ©. T. 2,1. Am Himmel iſt geſchaͤftige Bewegung, 
bes Thurmes Fahne jagt der Wind, ſchnell geht der Wollen Zug, bie 

. Mondesfichel wankt, und durch die Nacht zudt ungewiſſe Helle. S. T. 8, 3. 
An dem nämlichen Tage, wo die zweite Bittfchrift eingereicht wurbe, trak⸗ 
tierte Brederode die VBerfchwornen im Ruilemburgifchen Haufe; gegen 
300 Säfte waren zugegen; die Trunkenheit machte fie muthwillig, und 
ihre Bravour flieg mit ihrer Menge. ©. Abf. d. N. 3. B. 

Anm. 1. Das Beifpiel aus Goethes Zaffo 2, 1 flellt uns zwei Bilder 
(da — Trompetenfhall, und — Schande) bar, die paflend mit und vers 
bunden find. 

Anm. 2. Diein $. 14—18 angeführten Säge, wie andere, in benen eine 
Konjunktion (und, nämlich, deswegen, baher ꝛc.) fehlt, nennt 4. Va⸗ 
renne (ber deutfche Periodenbau, im Saganer Programm von 1843) 
abgetrennte Sätze. Sie treten aus der Sagverbindung heraus, neh= 
men das unabhängige Wefen des Hauptfages an und empfangen daher 
alle Merkmale des letztern. Grund der Abtrennung ift das Hervorhes . 
ben eines Gedankens (Urtheils) über einen andern mit ihm verbundenen. 


$. 16. 


Zumeilen flieht und im Anfang eines Sages, und zwar in zwei: 
facher Weife: entweder folgt ein zweites und (polyſyndetiſch) nad, 
wodurch das erfie und mit dem zweiten in eine Art Wechfelbeziehung 
tritt, oder e8 wird Dadurch eine engere Verbindung mit dem vorher: 
gehenden Sage angedeutet. 

Und es wallet und fiebet und braufet und zifcht, wie wenn Waſſer mit 
Teuer fich mengt. ©. Taucher. Wer ift der Beherzte, ich frage wieder, 
zu tauchen in biefe Tiefe nieder? Und die Ritter, die Knappen um ihn 
ber vernehmen’s, und fchmweigen ftill, fehen hinab in das wilde Meer, und 
keiner den Becher gewinnen will. Und ber König zum drittenmal wies 
der fraget: Iſt keiner, der fi) hinunter waget? Daf. 


Anm. Diefed und im Anfang einer Strophe gebraucht Schiller befonders 
häufig im Taucher und in der Bürgfhaft. — Am Anfange eines 
Abfchnittes nach Beendigung der direkten Rebe des Einen zur Ankuͤndi⸗ 
gung ber direkten Rede des Andern gebraucht Goethe diefes und oft in 
‚Hermann und Dorothea, Voß in der Überfegung der homerifchen Gedichte. 
Befonders häufig ſteht diefes und in allen Bibelüberſetzungen, fchon gleich 
im Anfang ber Genefis. 


$. 17, 


Goethe liebt es vor Andern, und zwar bis zum übermaß, 
nicht allein einzelne Säge und Perlodentheile, fondern auch ganze 
Perioden, ja ganze Abfchnitte und fogar ganze Gedichte und Briefe 
mit und einzuleiten. — Steht diefes und im Anfange eines (vor: 
züglich lyriſchen) Gedichtes oder eines vertraulichen Briefes; fo ift 
dies daraus zu erklären, daß ber Verfaffer fich einige (oder längere) 
Zeit mit den darzuftellenden Gedanken und Gefühlen oder mit dem 
Freunde befchäftigt hat, und nun zur Feder greift und bei einem 
Hauptpunkte anfängt, «der in der ganzen Kette der Gedanken und 
Gefühle mit dem Vorhergehenden (aber nun Ausgelaffenen) innigft 


- 


— 9 ung] J 


zuſammenhaͤngt, in der ſchriftlichen Darſtellung aber faſt als abge⸗ 
riſſen erſcheint. 


und doch haben fie Recht, die ich ſchelte. G. Mint. Und morgen fällt 
St. Martins Fefl. G. Gutmann. Und wenn wir unterfchieden haben. 
G. Wohl zu merken. Und was im Pend-Nameh ſteht, ift Dir aus der 
Bruft gefchrieben. &. Tafkir Nameh. Und frifche Nahrung, neues Blut 
faug’ ich aus freier Welt; wie ift Natur fo hold und gut, die mih am 
Bufen hält! G. auf dem See. Und wieder ſchwankt die ernfte Mage, 
der alte Kampf belebt fich neu. Uhland, den Landftänden. 

Anm. Dies find ſämmtlich Anfänge von Gedichten, die oft mit einem vor⸗ 
hergehenden in Verbindung ftehen. Herder beginnt: Abendlied, Die 
Sonne, Der Mond, Die Vorfehung, Mondesgang, Madera u. a. mit ırnd. 
Auch bei W. Müller, Heine, Chamiſſo, &. Schwab, Arnbt 
u. X. finden ſich Gedichte, welche mit umd anfangen. 


8. 18. 


Nicht fo häufig als die einleitende Verbindung mit einfachem 
und ift bei Goethe die mit und fo, boch häufiger als bei irgend 
einem andern Schriftſteller. — Auch am Schluß eines Ganzen, fei 
es ein einzelnes Gedicht oder fragmentarifche Zufammenftellung ıc., 
liebt Goethe und fo in hohem Grade, vorzugsweife am Schluß von 
vertraulichen Briefen. Gerne verbindet Goethe noch denn bamit. 


und fo fag’ ich zum legten Male. G. Ultimatum. Und fo gefchah’s! 
G. Epilog zu Schillers Glode. Und fo finden wir uns wieder in dem 
heitern bunten Reih’n, und es foll der Kranz ber Lieder frifch und grün 
geflochten fein. S. Gunft d. A. — Und fo fhmang er fih aufs Pferd, 
ohne den Caffee abzuwarten. G. Wp. 1,2. Und fo gelangte man 
denn über Felſen, durch Bufch und Gefträuch zur legten Höhe. Daf.1,3. 
und fo follte mir denn kurz vor dem Schluffe ein fonberbares Aben⸗ 
teuer befchert fein, wovon ich fogleich umftändliche Nachricht ertheile, 
G. ital. Reife Palermo ben 13. u. 14. April 1787. 

Anm. 4. Nicht allein in der Profa, fondern auch in der Poeſie Goethes 
berrfcht das und fo, freilich in einigen Dichtungen feltner, z. B. in 
Zaffo, Eugenie, Kauft 1. Thl., am feltenften in der Iphigenie, in andern 
wieder auffallend mehr, 3. B. in Kauft 2. Thl., Hermann und Dorothea 
und in vielen Eleineren Gedichten. — In Goethe Briefen an Schiller 
kommt, nach Lehmanns Unterfuchung, und fo niemald am Anfange 
eines Briefes, auch nur felten in der Mitte und am Ende vor; auh und 
nie am Anfange. Ein Beweis dafür, daß Goethe fpäterhin immer mehr 
das behagliche und fo lieb gewonnen, oder auch bafür, daß er fich in der 

. Korrefpondenz mit Schiller weniger hat gehen lafien, als es bei Zelter 
gefchehen Eonnte. 

Anm. 2. Zur Erklärung diefes und und auch anderer Konjunftionen im 
Anfange fagt Lehmann (in einer lehrreichen „Abhandlung über Goethes 
Lieblingswendungen und Lieblingsausdrüde,” Marienwerder Programm 
1840) Icharflinnig: 1) Oft kann eine einzeln ſtehende Sentenz oder ein 
einzelnes Epigramm zwar an ſich als ein Ganzes betrachtet werben, aber 
fein einleitendes und oder aber u. f. w. deutet zugleich auf ben bald 
mehr bald minder lofen Zufammenhang mit der vorausgehenden Sentenz 
oder dem vorausgehenden Epigramm hin, fo daB die Konjunktion fich 
nicht auf etwas Ausgelaffenes, fondern auf das Vorangefchickte bezieht. | 
2) Ein gleicher Gebrauch findet ſich bei ganzen Eleineren, bald mehr bald 


— 10 — 


minder ſelbſtſtaͤndigen Gedichten. 3) Auf dieſelbe Weiſe leitet Goethe 
ſolche Epiloge ein, welche die Aufführung eines Stückes ſchließen. ) Im 
Drama felbft finden wir nun den Übergang von ben fo eben genannten 
drei Stufen zu jener Ellipfe, die fich auf etwas bezieht, das gar nicht mit: 
getheilt ift, Doch aber als vorangegangen hinzugedacht werden muß. 
Goethe leitet nämlich zuweilen ganze Auftritte mit und ein und fest fie 
demnach mit demjenigen auch in formelle Verbindung, was fich der Zu: 
hörer oder Lejer als Ergänzung zwifchen dem alfo eingeleiteten Auftritt 
und der früheren Scene aus dem Zuſammenhange felbft hinzu denken muß. 
5) So ift demnach jent die höchfte Stufe jener Ellipfe (am Anfang von 
Pe Briefen’zc.) erflächar, und der Schritt zu ihr leicht und na⸗ 
rlich. 


8. 19, 

Und wird auch in Verbindung mit einer andern Konjunktion, 
beſonders bei kauſalen und adverſativen Verhaͤltniſſen gebraucht, wenn 
der Logifche (d. h. der durch den Ton bezeichnete) Werth nicht be: 
fomders hervorgehoben, vielmehr der zweite Sag, obwol Eaufaler oder 
adverfativer Art, mit dem erften in Verbindung gebracht werden fol. 
Hier teitt oft Bufammenziehung der Säge ($. 2) ein. Der Gebtauch 
des und neben andern Konjunktionen ift nun beſchtaͤnkter als fruͤ⸗ 
her ($. 10). 

Dem Sfolani haft Du auch getraut, und war ber Erfte doch, ber Dich ver⸗ 
ließ. ©. T. 3, 7, Vieles wünfcht fich der Menfh, und doch bedarf er 
nur wenig. ©. Hd. 8,13, Und dennoch denkſt Du wohl bei biefen 
Worten ganz etwas anders, als ich jagen will. G. 2. 2,3, Da man 
auch die gewöhnlichen und demungeachtet nur zu oft überrafchenden 
Nothfälle durchdachte. G. Wp. 1,4. Und wenn wir denn auch Lieb' 
um Liebe taufchten, belohnten wir das fchöne Herz nicht billig? G. T. 3,4. 
Und weil fie fo viel Recht gehabt, fei ihr Unrecht mit Recht begabt. 
G. zahme Zenien V. Und als die Fifche gefotten waren, bereitet man 
große Feſte. G. Politica. Beſonders mar fie forgfältig, alle Zugluft ab⸗ 
zuwehren, gegen die er eine übertriebene Empfindlichkeit zeigte, und 
deshalb mit feiner Frau, der es nicht luftig genug fein konnte, manch- 
mul in Widerfpruch gerieth. G. Wp. 1, 7. Ein in natürlicher Wahrheit 
und Großheit, obgleich wild und unbehaglich ausgebildetes Talent ift 
Lord Byron, und deßwegen kaum ein anderes ihm vergleihber. ©. 
Mar. u. Refler. 1. 


$. 20. 

Wie früher ($. 10), fo wird auch neuhochdeutfh und flatt an: 
derer, befonders Eaufaler und adverfativer Koniunktionen 
gebraucht, um dadurch das Logifche Verhaͤltniß der Saͤtze hervorzu⸗ 
heben. 

Aber bifz fag ich nach vergebung und nit nach gebot. B. 4. Kor. 7, 6. 
Solches fage ich aus vergunft, und nicht aus Gebot. L. — Denn folder 
Weihung Feier anzuordnen gehört der Briefterin, und nicht dem König. 
G. J. 4, 4. Cr fülltenod das Haug, er belebte noch die Spaziergänge, 
und er follte fort, das alles follte leer werden! G.Wp.1,11. Gr fcheint 
fih uns zu nahn, und bleibt uns fern; er feheint und anzufehn, und 
Geifter mögen an unfrer Stelle feltfam ihm erfheinen. ©. T. 41,1. Wir 


ſcheinen den Mann zu lieben, und wir lieben nur mit ihm das Hoͤchſte, 
was wir lieben Fönnen, Daf. Berfuche Deine Pflicht zu thun, und Du 
weißt gleich was an Die ift. G. Betracht. Ich fah auf Dich, und weinte 
nicht. ©. DE 1, 2. Urtheilt, ob ich mein Herz bezwingen Tann: ich fah 
den Beind, und ich erſchlug ihn nicht, S. 1.2, 2. Vaters Pfeil ging 
mir am Leben hart vorbei, und ich hab’ nicht gezittert. Daf. 5,2. Mei: 
nem Haupte war ber Streich gebrohet, und das Eure fallt! S. St. 3,4. 
Die Befchwerden Brabants forderten einen ſtaatsklugen Mittler: Phi⸗ 
lipp der Zweite fandte ihnen einen Denker, und bie Loſung bed Krieges 
war gegeben. &. Abf. d. R. Einteitung. 


$. 21. 


Auch (ahd. auh, ouh, mhd. ouch, altf. mnl. nnl. ök, ook, altfef. 
ac, agf. eäc, engl. eke, altn, ok, og, auk, ſchwed. ach, ock, daͤn. og, unter 
fih mit einzelnen Verfchiedenheiten) ift ein ſeltenes Beifpiel einleuchten- 
den Zuſammenhangs mit lebendiger Wurzel; fie fcheint ein Nomen, 
das ungefähe das latein. augmentum (Vermehrung) bedeutet und vom 
goth. Aukan, ahd. oubliôn, agf. eäcan, altn. auka, fat. augere (ver: 
mehren) abflammt. Diefe Konjunktion druͤckt in der fräheren Speache 
die latein. Konjunftionen quoque, etiam aus, die auch weniger zur 
eigentlichen Verbindung der Worte und Säge, als zur nachdruͤck⸗ 
lihen Hervorhebung hinzutretender Begriffe dienen. Auch 
ftebt darum bei Komparativen im Sinne unferede noch (mie lat. 
etiam).t), in erweiternden und fleigernden Boneeffiv:?) und Affıcma: 
tiofägen 3), fetbft in Gegenfägen im Sinne unferes aber, jedoch ®). 
4) Föne diu (deshalb) sldog er hoetium. ünde sinen suer (Schwäher) sym- 
maehum. tnde dä} 6uh uuirsera uuäs (und was noch wirfcher, ſchlim⸗ 
mer war). iohannem den hähes (Pabft). Bo. bei W. 139, 26. diu sorge 
diu ıst min eines niet (die Sorge ift nicht allein mein): ei tuet ouch 
meren liuten we. W.374, 35. — 2) dar zuo sö liebet er ouch si swä mite 
(womit) er ouch möbte. Ah. bei W. 329, 38. — 3) e3 ist ouch ein 
jüngeline, sprach diu wülpin (Wölfin) Herrät. W. 652, 9. siu verblibent 
als also siu sint. Ouch wie wenig früht bringet das minnecliche liden 

.. vnsers herren an den liuten. Zauler bei W. 868,38. — 4) Sie des auuar 
ni rohhitup, enti fuorun im sum in sin dorf, sum auh za sinemo eaufe, 
andre auh sume kafengun dea sine scalcha enti dea gabonte arslogun. W. 
46, 16. (Aus einer Überf. des Evang. des hi. Matth. 22, 5 aus dem 8. 
Jahrh. bei B.: vnd fie verſumtens vnd giengen ber ein in fin dorf. ber 
ander in fin gefchäffte aber die andern hielten fin Enecht fie erfchlügen fie 
vnd pinigten fie mit laſter. Bei L.: Aber fie verachteten das, Bnd gien- 
gen hin, Einer auff feinen Adler, Der ander zu feiner Hantierumg. Etlicho 
aber griffen feine Knechte, hoͤneten vnd toͤdten fie.) Koife (raufe) des 
krudes (Krautes) das unter dime hoebte (deinem Haupte) gewachsen iß: 
weme du das zu trinkene gibest, der wert gesunt von allerlei krangkeit : 
och muß he (er) dor zu offenberlich bekennen alles das he gethaen hat: 

- anders hilft es en nichsnicht. W. 995, 29 f. aus dem 45, Jahrh. 

Anm. Das goth. äuk drüdt das latein. nam, enim (denn) aus. 


$. 22, 


Neuhochdeutſch ſteht auch in beigeordneten Sägen, menn 
der zweite Sag im Verhältniß zum erften hervorgehoben werden 


⸗ 


— 11 — 


fol. Die Verbindung und auch bezeichnet neben der Hervorhe⸗ 
bung (Steigerung) zugleich eine Erweiterung des vorangehenden Ge: 
dankens. 


Nichts im Leben, außer Geſundheit und Tugend, iſt ſchaͤtzenswerther, als 
Kenntniß und Wiſſen; auch ift nichts fo Leicht zu erreichen und fo wohl⸗ 
feil zu erhandeln. &. Mar. u. Reflex. 5. Unfern Oberhofprebiger, ber 
ein trefflicher Mann war, hörte ich mit großer Neigung; auch feine Gol- 
legen waren mir werth. G. Lj. 6. In den fehmwedifchen Kriegsgeſetzen 
wurde die Mäßigkeit befohlen; auch erblidte man im fchwebifchen Lager 
weder Silber nody Gold. &. 305. Kr. 2.3. Doc nicht genug, baß bie 
fer heut’ge Tag Jedem von beiden einen Bruder ſchenkt; auch eine 
Schweſter hat er Euch geboren. S. Bom. — vnaußfchidenliche Liebe der 
freund vnd auch ber feind. Gg. 674. Die Gefinnung ift löblih, und 
wahr ift auch die Gefhichte. ©. Hd. 2, 1859. Ich weiß es, dee Menfch 
fol immer ftreben zum Beſſern; und, wie wir fehen, er ftrebt auch im⸗ 
mer dem Höheren nad. Daf. 5, 6. Wir fcheinen recht beglückte Schäfes 
rinnen, und find auch wie die Glücklichen befchäftigt. ©. T. 1,1. In⸗ 
deſſen ift es eine Epoche, die ung zur Befinnung auffordert, die ung ernft- 
ich ermahnt, an das Befte fammtlicher Mitglieder unferes Beinen Zir⸗ 
teils zu denken und auch irgend eine Aufopferung nicht zu verfagen. 
G. Wr. 1, 16. 


8. 23. 


Das BVerhältniß dee lbereinftimmung eines Gedankens mit 
einem andern, mitunter aus dem Vorhergehenden zu entnehmenden, 
Gedanken wird oft bloß duch ben auf auch liegenden Redeton 
hervorgehoben. 


(Antonio:) Schreib’ es dem Glück vor andern Göttern zu, fo hör’ ich's gern, 
denn feine Wahl ift blind. (Taſſo:) Auch die Gerechtigkeit trägt eine 
Binde, und Tchließt die Augen jedem Blendwerk zu. ©. T. 2,3. Dem 
Iſolani haft Du auch getraut, und war der Erfte doch, der Dich verließ. 
S. T. 3, 7. (Kuoni:) ’8 ift ein Hausvater, und hat Weib und Kinder? 
(Ruodi:) Was? Ich Hab’ auch ein Leben zu verlieren, hab’ Weib und 
Kind daheim, wie er. ©. Zt. 1,1. Da ift der Tell, er führt das Ruder 
auch; ber foll mir’s zeugen, ob die Fahrt zu wagen. Daf. (Ruodi:) 
Ein unvernünft’ges Vieh — (Werni:) Iſt bald gefagt. Das Thier hat 
auch Vernunft. Daf. 


$. 24. 


Ein Glied eines einfachen Sages und das Verhältniß der Über- 
einſtimmung mit einem hinzugedachten Begriff wird oft dadurch be⸗ 
fonders hervorgehoben, daß auc mit untergeordnetem Tone 
mit dem durch den Medeton hervorgehobenen Gliede des Sages ver: 
bunden wird. 

Es fchont der Krieg auch nit das zarte Rindlein in der Wiege. 
©. 31.1,2. Auch drüben unterm Wald geht Schweres vor. Daf. 
1,4. Richt Lüftern jugendbliches Blut, mich treibt des höchſten Jam⸗ 


mers fchmerzliche Gewalt, was auch den Stein bes Felſen muß er⸗ 
barmen. Daf. 


— 418 — 


8. 25, 


Wie und ($. 17), fo fleht auch, jedoch feltner (weil eine Ver: 
bindung mit Steigerung ausdrüdend), auch im Anfang eines Ab- 
fchnittes, ja eines Gedichte. - 

Auch ih ftand auf einem der hohen Felfengeftade. Klopſtock, mein Thal, 
Auc ich war in Arkadien geboren, auch mir hat bie Natur an meiner 
Wiege Freude zugefhmworen; auch id war in Arkadien geboren, doch 
Thränen gab der Eurze Lenz mir nur. ©. Refignation. Auch Kleift ift 
bin —* weit herum erfchallen, ihr Muſen an dem Oberftrom! Uz, auf 

eiſts Tod. | 


$. 26. 


Verftärkt wird in der früheren Sprache auch durch joh und sd 
sama, was dem neuhochdeutfchen desgleihen auch, desfelbi- 
gengleihen auch. ähnlich iſt, das auch eine Verftärkung be: 
zeichnet, 

Thoh häbet er uns gizeigot joh oub mit bilide giböt uuio uuir thoh düan 
scoltin, öba uuir i3 uuoltin (doch hat er uns gezeigt und auch mit Bilb ge⸗ 
boten, wie wir doch thun follten, ob [wann] wir e8 wollten). O. IH, 3 
bei W. 91, 27. so sama auh uuard chigubedan (ward gefagt). 1. 8, 7. — 
Ire Priefter aber bringen das vmb, das jnen gegeben wird, Desgleis 
hen auch jre Weibe prafien dauon, L. Baruch 6, 27. Vnd er nam das 
brot, dandet vnd brachs, und gabs jnen, und ſprach, Das iſt mein Leib, 
ber fur euch gegeben wird, Das thut zu meinem Gedechtnis. Desſel⸗ 
bigen gleihen auch den Kelch, nach dem Abentmal, vnd fprach, Das 
ift der Kelch, das newe Teſtament in meinem Blut, bas fur euch vergofien 
wird, L. Lu, 22, 19 f. 


§. 27. 


Zudem, außerdem, überdies, überdem. Der Unter: 
ſchied diefer finnverwandten Konjunktionen liegt in den Präpofitionen 
zu, außer, über. — Zu (goth. du, ahd. zi, za, zuo, mhd. z&, 
zuo, altf. agf.’aff. t&, 16, mn. und nnl. te, toe, engl. nnd. to) bedeu⸗ 
tet urfprünglih das Hin einer Richtung oder Bewegung als Gegen: 
fag des von — weg. — Außer (ahd. üzar, mhd. üzer, aff. üter, 
Weiterbildung von aus ftatt auf, goth. ut, ahd. mhd. ü3, alten. agf. 
üt, holl. uit, engl. out) bedeutet überhaupt nicht in demjenigen, wor: 
auf als in Rede ftehend Bezug genommen wird. — über (goth. 
ufar, ahd. up(b)ar, mhd. über, altf. obhar, agf. ofer, aff. ovir, holl. 
daͤn. engl. over, altn. yfir, ſchwed. öfver, griech. dnree, lat. supra, 
Meiterbildung von goth. uf, ahd. op(b)a, mhd. obe, altn. of, griech. 
vrrö, lat. sub) hat zunächft den Raumbegriff höher als ein beftimmter 
Gegenftand, dann den Begriff des Hindurdy nad) Raum und Zeit. — 
Zudem drüdt einfach aus, daß dem Vorhergehenden noch etwas hin: 
zugefügt werde. Außerdem bezeichnet das zu einem Vorhandenen 
Hinzukommende als nicht in demfelben enthalten und von bemfelben 
ausgefchloffen, als ein Anderes zu dem Vorhandenen. Überdies 


— 41 — 


(minder gut uͤber dem) bezeichnet das Hinzukommende als ein Mehr 
zu dem ſchon Vorhandenen, was noch uüͤber dieſes hinaus vorhan⸗ 
den iſt. 
Anm. Früher (15—16. Jahrh.) lauten die Formen etwas andere, hei B. 
hierüber, bei L. dazu. Iſrahel ift geflohen vor den philiftim ond ein 
groffer val ift gefchehen under dem vold und hieruber ofni vnd phinees 
bein zwen fun feind tod, vnnd die arch des herrn tft gefangen. B. 1. Rön. 
(Samı.) 4, 17. Beil.: Iſrahel iſt geflohen fur den Philiſtern, vnd ift 
eine groffe Schlacht im volck gefchehen, und deine zwern GSoͤne Hophni 
und Pinnhas find geftorben, Dazu, die Lade Gottes iſt genomen. — 
Friſius (Wörterbuch 1568) überfest das lat. insuper buch darüber, 
vber das, weyter und praeterea durch yber das, dbarzü,zü dem, 
— Auch Leffing fagt: Dazu if es mir nicht um fie felbft zu thun. 


8. 28. 


Die genannten deei Konjunktionen bezeichrien den verbundenen 
Sag als eine erweiternde Zugabe zu dem Gedanken bes andern 
Satzes, und heben ihn als einen folchen hervor. Bas Demonftrativ 
fächlien Gefchlechts, mit dem dieſe Konjunktionen zufammengefegt 
find, tweifet immer auf den ganzen vorhergehenden Sag, und nicht 
auf ein befonderes Glied desfetben zuruͤck 


Stets ift die Sprache kecker als die That, und Mandyer, der in blindem 
Eifer jegt zu jedem Aeußerften entichloffen feheint, find’t unerwartet in 
ber Bouſt ein Herz, fpricht man bed Frevels wahren Namen aus; zu dem 
gang unvertheibigt find wir widt. S. 9. 1, 3; Lehre bu mich Meine 
Leute kennen. Sechzehnmal bin ich zu Feld gezogen mib dum Alten y zu⸗ 
dem — ich hab’ fein Horofcop geftellt, wir find geboren unter gleichen 
Sternen. Daf. 2,6. Seekaz übernahm ländliche Scenen (zu mahlen), 
worin die Greife und Kinder, unmittelbar nach der Natur gemahlt, ganz 
Berrlich glüͤckten; die Junglinge wollten tim nicht eben fo gerathen, fie 

.. waren meift.gu hager; und bie Frauen mißflelen aus dev entgegengeſetzten 

Urſache. Denn da er eine Eleine dide, gute aber unangenehme Perfon 
zur Frau hatte, die ihm außer fich felbft nicht wohl ein Modell zuließ, fo 
wollte nichts SGefälliges zu Stande kommen. Zudem war er genöthigt 
gewefen, über das Maß feiner Figuren hinaus zu gehen. G. Leben 3. 8. 
— Indeffen blieben. fie (die Juden in Frankfurt) doch das auserwählte 
Volt Gottes, und gingen, wie es nun mochte gekommen fein, zum Un: 
denken der älteften Zeiten umher. Außerdem waren fie ja auch Men- 
ſchen, thätig, gefällig, und felbft dem Tigenfinn, womit fie an ihren Ge: 
bräuchen hingen, Fonnte man feine Achtung nicht verfagen. Überdief 
waren bie Mäbchen. hübſch, nnd mochten es wohl leiden, wenn ein Chriy 
fienfnabe ihnen am Sabbath auf dem Kifcherfelde .begegnend, firh freumb« 
lic) und aufmerkjam bewies. Daf. 4.3. Gogar in ber täglichen Socie⸗ 
tät... muß ein folder (Mann) höchſt willfommen mit einwirken. Über: 
Bem fpielte er den Slügel höchft anmuthig. G. Wj. 3, 14. Als Karl der 
Fünfte in ben Fall kam, zwifchen beiden Religionsparteien zu wählen, 
hatte ſich Die neue Religion noch nicht bei ihm im Achtung fegen. Tönnen, 
und überdem mar zu einer gütlichen Vergleichung beider Kirchen das 
mals noch die wahrfcheinlichfte Hoffnung opthanben, ©. 30. 8.1.8. , 


s 


— EU — 


$. 29 


Micht allein —, nicht bloß —, nicht nur — ſondern 
auch. — Das verftärkende auch ift bereitd ($. 24) erklaͤrt. — 
Sondern (mit unorganifcdjem sr, goth. sundro, ahd. suntar, sumlir, 
sunter, mbb. sunder, fo noch im 14 — 15. Jahrh., fpäter fondern, 
befondern, altn. sundr, agf. sundor) ift urſpruͤnglich ein Adver⸗ 
bium: befonders, gefondert, einzeln, für fi) abgefchloffen von An: 
derm; feit dem 9. Jahrhundert Konjunftion ala Bertreter des ſich 
allmälih verlierenden üs3an (außen); mhd. gewoͤhnlich Präpofition 
(nhd. ſondei, von engerem Begriff ats das finnverwandte ohne). 
Sondern üÜberfegt das lat. sed, bezieht fidy aber immer auf ein 
unmittelbar vorhergehend Verneintes, und fegt an bie Stelle des durch 
diefe Derneinung Aufgehobenen ein Anderes im Gegenfag oder Wi⸗ 
derſpruch zu jenem. 

Zum. 1. Über bie Wurzel von fonbern ift man nis einig Wacker⸗ 
aget faßt es als eine Komparativbildung des lat. sine (ohne); Graff 
ben t an eine Bildung aus dem Suffix sun, das die Richtung wohin 
ausdrückt; Weigand möchte es mit goth. sunja = Wahrheit, alfo = 
in Wahrheit, in der That, zufammenftellen. 
Anm. 2. Früher hieß ed nieht ein — nube (d. f. ni ibu = nidht 06) joh, 
58. nlteht än tremor, nube ioh füli chome in miniu bdia (nit ein 
Zittern, fondern eine Fäulnig komme in mein Gebein). N. Haba. 3, 16 
bei W. 130, 23. 3m 15—16. Jahrh. kommt fonder, funder auch 
im Sinn von aber vor, z. DB. ich achte din nichsnicht zu wibe: sunder 
das du mich vorsmatest (verfchmäheteft), unde minen bruder namest, der 
mir unglich waß an aller hande fromekeit (Jüchtigkeit), das sol mir um- 
mer (immer) leıt sin. W. 989, 39 f. der herre bekante alle missetat, 
sunder vorsweig das he (er) an siner frowen getaen hatte. W. 996, 41 f. 
Daraus erflärt es fich, wenn es bei Geiler (Gb. Ab), mit Vestaufchung 
des ſondern mit aber, heißt: biefer mantel fol nit alleyn wyt fon, 
aber er fol o uch bar zu hoch fin. 


$. 30. 


Allein (ahd. alles ein, mhd. al ein, allein, mnd. allen) iſt zus 
fammengefest aus all — gänzlidy und ein — abgetrennt für fid) und 
fern von Anderem feiner Art. Das Wort wird, feüher als Adver⸗ 
bium, dann auch (wie aud) das einfache al) als Konjunktion gebraucht 
in dem Sinne von gleichviel ob, wenn, wenn aud, ob- 
glei; bier und da fieht es auch für aber. Neuhochdeutſches 
allein zählt und fehließt jedes Andere aus, oder Tchränft wenigſtens 
das Behauptete durch etwas Wibeiſteeitendes ein. 


Al ne wären sie niht riche sie wArn dech guote knehte. En. Aß63. Allein 
st mir ir baggen leit, e3 ist jedoch ir wipheib. Parz. 114, 24. — zarte vat- 
ter tuo ınir hie. wie du wilt. deg hab von mir ein fries (freies) urioup. 
allein erlass mich dez iemerlichen scheidens. W. 881, 23 f. aus dem 
14, Jahrh. 


L 


— di — 


$. 31. 


Bloß (ahd. plö3 == ftolz, mhd. bloʒ) iſt eigentlich ein Adjektiv 
im (eigentlichen und figurlichen) Sinne von nadt, unverhüllt, 
nicht befleidet, dann nicht bewaffnet. Schon mhd. wird 
das Adjektiv bloz (nicht ein Adverbium bloze) einem Subftantiv vor: 
gefest, um jedes andere Subftantiv von der Rede auszufchließen. 
In gleihem Sinne gebrauchen wir das jüngere Adverbium bloß — 
nicht Anderes als, ohne alles Andere: es ſchließt ſomit alles Andere, 


insbefondere als Zugehöriges oder als zugehörig Gedachtes aus. 
ich sanc hie vor den vrouwen umb ir blözen gruog. Ms. 1, 1417. sol.ioh s6 
verderben unde alsö gar ersterben, da} von mir niht werde wan ein blöziu 
erde. Barl. 34, 38. 


8. 32. 

Nur ift urfprünglich ein verbales Adverbium, zufammenges 
floffen aus der einfachen Verneinungspartifel ni und der alten Präte- 
eitalform des Konjunftivs wäri, und lautet urfprünglich, wo e8 im⸗ 
mer nad) einem verneinenden Sage ſteht, (10. Jahrh.) niuuäri, fpäter 
(11—12. Jahrh.) ne wäre, newäre, newære, noch fpäter newer, 
niwer, nüwer, nuwer, neuer, niur, newr, nuer, nur. Neuhochdeutſch 
bedeutet nur fo viel als nichts weiter als das Genannte. 

Anm. Andere Anwendungen bes nhd. nur, ald: wo es eine Bulaffung 
(er mag nur kommen), eine Mahnung (thue es nur auch), einen mit be= 
forglichem Zweifel verbundenen Wunſch (wenn er nur zu Haufe ift), eine 


nachdrückliche Beſtimmung (wer nur sam, fand Aufnahme) ausdrückt, 
tommen hier nicht in Betracht. 


$.. 33. 

Sol ein Gedanke durch einen andern Gedanken nicht nur an 
Umfang erweitert, fondern auch gefleigert werden, was zumeilen 
noch duch einen Gegenſatz gefchieht; fo gebraucht man nhd. die 
Berbindungspartiten nicht allein —, nicht blog —, nicht 
nur — ſondern auch. — Nicht allein zeigt Erweiterung Über 
ein Genanntes an und eine Vermehrung duch Anderes; nicht bloß 
deutet auf eine Zugabe, die ald ein Zugehoͤriges bdargeftellt oder zu 
denken ift; nicht nur fieht auf eine Erweiterung in Beziehung des 
Größenverhältniffes und fo auf eine weitere Zugabe. 

Sch bin bereyt nit allein gebunden werden. funder auch fterben. B. 
Apſtl. 21, 13. Beil.: ich bin bereit, nicht allein mich zu binden 
laſſen, f ondern auch zu ſterben. er verjagt obgenannten Alexander 
nicht allein, ſondern nam jm auch fein Landt. A.103b. Denn da bu 
nicht allein Liborens namens⸗feſt, befondern auch fie ſelbſt ung wies 
ber fehauen laͤſt. hg. 2,29. Der euch nicht nur ben leib befehrt, befon= 
bern auch den geift. he. 4,254, — Mir hat die Mutter nicht Leinwand 
allein auf den Wagen gegeben, damit ich ben Nackten bekleide, ſon⸗ 
dern fie fügte dazu noch Speif und manches Getränke, G. Hb. 2, 67. 
Man hatte nicht allein die Küche für die nächte Zeit mit ſolchen Waa⸗ 
ven verforgt, ſon dern auch ung Kindern dergleichen Geſchirr im Kleinen 


_ — 17 — 


zu ſpielender Beſchaͤftigung eingekauft. ©. Leben 1.8. — Seine (Eg⸗ 
monts) Entfernung hätte ihm nicht bloß die reichen Einkünfte von zwei 
Statthalterfchaften gekoftet; fie Hätte iypn auch zugleich um den Belig 
aller feiner Güter gebradt. ©. Abf. d. N. Sie (die Porträtmaler) ſollen 
nicht bloß darſtellen, wie fie einen Menſchen faſſen, ſondern wie je 
der ihn faffen würde. G. Wly. 2, 2. Bei den Thieren und der Pflanze 
gibt die Natur nicht bloß die Beftimmung an, fondern führt fie 
auch allein aus. ©. Nicht bloß der Stolz bes Menfchen füllt den 
Raum mit Geiſtern, mit geheimnißvollen Kräften: auch für ein liebend 

. Herz ift die gemeine Natur zu eng. S. P. 3, 4. — Er hatte mir fo viel 
vorerzählt, daß ic ihn nicht nur für unterrichtet, fondern aud für 
begründet halten mußte. &. Leben 3. B. Der Abgang der Schiffe hin- 
bertenicht nur, den König weiter zu verfolgen, ſondern feste auch 
den Sieger noch in Gefahr, die gemachten Eroberungen zu verlieren. 
©. 30j. Kr. 2. B. 

. Anm..1. Zuweilen fehlen einzelne Worte (aud, fondern), zuweilen 
find noch andere zur näheren Beftimmung beigegeben, wie aus den mit: 
getheilten Beifpielen zu erjehen. - 

Anm. 2. Bei Luther kommt, fo viel ich vermuthe, nur nidyt allein 
vor; Krifius hat in feinem Wörterbuch bei non modo, non solum, non 
tantum immer nit allein — funderaud; Goethe gebraucht öfter 

nichtallein, als nicht bloß, nicht nur. 

Anm. 3, Kiopfiod (Meifiad 4, 57) fagt abweichend: „Nicht bie Klug: 
beit allein, noch viel was Höhres gebeut ung.“ 


$. 34. 


Sa, fogar, felbft werden oft flatt der genannten Konjunktio⸗ 
nen gebraucht, um das Verhältniß der Steigerung auf eine nach⸗ 
druͤckliche MWeife hervorzuheben. Ja iſt dabei [hwächer als felbft, 
dieſes ſchwaͤcher als fogar — in dem Grade bereit. 

Wider ihn im Deer der Feinde kämpft fein nächfter Better und fein erfter 
Peer, ja feine Rabenmutter führt es an. S. Ivo, Prol. 1. Ottilie hatte 
ſchnell die ganze Ordnung eingefehen, ja,. was noch mehr ift, empfunden, 
G. Wo. 1,6. Nicht umfonft hatte fie fo vieles Geväde mitgebracht, ja 
e8 war ihr noch manches gefolgt. Daf. 2,4. — Der Graf übte die ſtrengſte 
Uneigennügigkeit; ſelbſt Gaben, die feiner Stelle gebührten, lehnte er 
ab. G. Alle Wefen leben vom Lichte, jedes glüdliche Gefchöpf, die Pflanze - 
ſelbſt kehrt freudig fi zum Lichte. ©. ZI. 1,4. Der Rhythmus hat 

. etwas Zauberifches; Togar macht er uns glauben, das Erhabene gehöre 
uns an. G. — Nach dem Innern des Landes zu kamen mehrere neue 
Dörfer zum Vorſchein; den filbernen Streifen des Fluſſes erblictte man 
deutlich; ja felbft die Thürme der Hauptftadbt wollte einer gewahr 
werden. ©. Wo. 1,9. ‚Denn wenn ber Smaragd durch feine herrliche 
Karbe dem Geficht wohl thut, ja fogar einige Heilkraft an diefem edeln 
Sinn ausübt; fo wirft die menfchliche Schönheit noch mit weit größerer 
Gewalt auf den äußern und innern Sinn. Daf. 1, 6. 


$. 35. 


Sowol — als (auch), ſowol — (als) wie (auch). — 
So (goth. sve, ahd mhd. so, der alte Modalis, d. i. Kaſus der Art 
und Weiſe des verlornen Demonſtrativs goth. sva, ahd. su) bedeutet 


in der Beſchaffenheit, in dem Grade. Daraus iſt als 
Kehrein Grammatik. IL 2. 2 


—B — 


gebitdet (ahd. also, mhd. abse, als) und bezeichnet (wegen at $. 30) 
eine völlige Gleichheit, eine völlige Übereinftimmung. — Wie (goth. 
hväiva, d. i. hve — äiva, ahd. huuido, hwieo, huio, hwio, uuido, wio, 
mhd. wie, zufammengezogen aus goth. hv&,.ahd. huuid, hwid, dem 
alten Modalis von goth. hvas, ahd. hutr, wer und dem Adverbium 
der Zeit je, goth. äiva, ahd. io, mhd. ie) fleht urfpränglich von der 
Zeit, und ift dann übergegangen auf die allgemeine Bedeutung: nad) 
Art, in der Weife. — ALS vergleicht dem Grade und_der Bez - 
fhaffenheit, wie bloß der Beſchaffenheit nah. Als wie ft nad: 
druͤcklicher als beide. 


8. 36. 


Sowol — als (auch) gehdet der Form nad) zu den unter: 
ordnenden Konjunktionen; das Demonftrativ ſo und das Relativ 
als bezeichnen die unterorbnende Verbindung Man zählt jedoch 
diefe Konjunktion nad) ihrer Bedeutung zu den kopulativen 
(verbindenden) Konjunktionen. Sie unterfcheidet fich von den $. 29 
angegebenen Konjunktionen dadurch, daß fie nicht, wie dieſe, eine 
Steigerung, fondern eine Gleihfegung bezeichnet und biefe 
befonders hervorhebt. Der Begriff des gleichen Grades des ange: 
reiheten Sages wird durch als, der der gleihen Weife duch wie 
ausgedruͤckt. Das auch dient zur fikrferen Hervorhebung ber Ver: 
bindung, Sm 15—16. Jahrh. findet fih oft als wol — lalß. 
In Bezug auf die Sagbildung iſt zu bemerken, daß bei ſowo — 
als beide Säge zufammengezogen werden (9. 2). — Goethe ge 
braucht auch bloßes fo und [fo — als. 0 

Alswol in den hülsen väffern als in den fteynyn. B. 2. Mof. 7; 19. 
Dem armen als wol als dem reichen. S. 19a. — Diefer, nicht unbe: 
kannt ſowol mit den angenehmften Gaben felbft al8 mit der beften Art 
fie zu überreichen, beftellte fogleich in der Stabt den niedlichften Koffer. 
G. Wo. 4, 14. Es begegnete manches unerwartete Glück ſowol uns 
als auch Freunden und Nachbarn. G. Leben 11.8. Unter allen Stäbten 
Brabants war Antwerpen bie wichtigfte, ſowol durch ihren Reichthum, 
ihre Volksmenge und ihre Macht, als durch ihre Lage an dem Ausflug 
ber Schelde. ©. Bel. v. Antw. — Das Bufterbild der Männer, ſo ber 
rauen, in deutlichen Geftalten will er fchauen. G. F. 2, 71. Du fenbeft 
mich ing Leere, damit ich dort fo Kunft als Kraft vermehre. Daf. 2, 74. 
Das Untre fo das Obre fchließt er auf. Daf. 2, 96, 


8, 37, 


Weder — noch. Die Konjunktion noch (goth. nih, ahd. 
noh, mhd. noch, altf. nöc, n&, agf. n&, eigentlid) näge, zuſammenge⸗ 
floffen -aus der einfachen Verneinung ni und uh = und) bedeutet 
eigentlih und micht (Lat. neque), iſt verneinende Konjunktion (von 
dem Adverbium noch), goth. aauh, ahd. noh, mhb. noch unterfchieden) 
und ſteht fruͤher korrelativ n o ch — noch. Später trat weder ein 


193 —— Ä 


(nahd, wider, verkürzt aus newäder, enwäder, ahd. niwöder, nihnddar, 
aus ni und dem Pronomen goth. hvathar, ahd. huddar, wedar, mhb. 
wöder == wer von beiden, lat. uter), das zunaͤchſt feiner von bei- 
den bedeutet und dann Eorrelativ weber — weder flieht. — Neu- 
hochdeutſch ift gemöhnlicher weder — noch (nicht noch — weber), 
das zwei Saͤtze voͤllig gleich ſtellt, indem der Inhalt beider verneint 
wird. 
Das ir noch an diſem berge noch in iheruſalem anbet ben vatter. B. 
Joh. 4, 24. dasir weder auff dieſem Berge, noch zu Jerufalem wer⸗ 
den den Wuter anbeten. L. Bey dieſem voltke gilt noch harffe noch ge⸗ 
ſang. hg. 2, 324. wo noch tag fioth fonne dich beſcheint. be. 1, 179. 
Koch Stand, noch Alter wird gefpart. Wieland, Ob. 5,47. Noch 
Kranz, noch Diadem am Haupt ihr prangt. A. W. v. Schlegel, Bund 
d. Kirche mit d. Kuͤnſte. (Hida:) Ber nimmit's auf ſich, den König zu 
belehren? (Domingo: Noch Sie, hod ih. ©. DE 2,10. — Alſo 
ward weder der Arkerbau verfäumpt, weder nachreifung den friegen 
onterlaffen. A. 24b. Daß fie weder Heine, weder gruMe Zähne haben. 
Agin. 293. Bin weder Sräulein, weder ſchön. ©. F. 4, 133: Gie 
tettet weder Hoffnung, weder Furcht. G. 3.3, 1. — Täy neuneder 
ne ist chot nöh übel (dad weder ift gut noch übel). W. 134, 87 aus d, 
11. Jahrh. dd} wir armennesgen hewetir habetbn gotes hulde noch 
der engile minne (daß wir atıhe Menſchen weder Hatten Gottes Hukd nod) 
Ber Engel Liebe). W. 104, 28 aus d. 12. Jahrh. Er hat weder feinem 
Bater noch Anherrn haddgefchlagen. A. 1746. Da wir weber reih 
noch heiter genug find. ©. Wo. 2,1. Weder zu erzählen, noch zu 
befchreiben ift die Herrlichkeit einer Bollmondnacht wie wir fle genoffen. 
G. ital, Reife, Neapel 5. März. . 


$. 38. 


Der Bedeutung nad follte weber — weder, weder — nod) 
aur von zmei Perfonen oder Dingen ſtehen; man gebraucht diefe 
Konjunktion jedoch auch von mehreren verneinenden Sägen. Der 
folgende Sag wird gewöhnlich mit noch angereiht, feltener wird eine 
neue Intgegenftellung mit weder — noch begonnen. . 


tu ne uueder sint chot n6h übel reht n6h ünreht (bie weder find gut 
noch übel, (weder) recht noch unrecht). W. 136, 5 aus d. 11. Zahrh. 
Da noch Feigen noch Weinftöcd n od Granatepffel find. L. 4. Mof. 20,5. 
Noch Zeit, noch Land, noch Schwang vermag auf die Natur. Haller, 
über db. Urfprung d. Übels 3. B. Sch will fie weder bir, mein Bruber, 
noch Hafl, hoch ber Kaffe ſchenken. Leffing, N. d. W. 2,2. Sch Tann 
mit ihm nicht rechten, kann ihn weder verklagen, noch mid, felbft ver: 
theidigen, noch ihm jest genug zu thun mich erbieten. G. T. 2, 4. Doth 
das, was bie Natur allein verleiht, was jeglicher Bemühung, jedem Stre⸗ 
ben ſtets unerreichbar bleibt, wa8 weder Gold, noch Schwert, noch 
Zugheit noch Beharrlichkeit erzwingen kann, das wird er nie verzeihn. 
Daſ. 4, 2. | 





$. 39. 


Statt: weder, noch flieht im erften Glied oft eine andere Me: 
gation, zumeilen fehlt fie ganz. Statt weder, noch im zweiten 
2* 


_— 22 — 
Glied fteht früher auch oder, und fein, auch kein, viel we- 


niger. 

Und swer deheine (irgend eine) schult bie lat (läßt) unverebenet (nicht eben 
gemacht), wie der stät (fteht) dort, da er pfant noch bürgen hät! Walther 
v. d. ®. Jon (wahrlich nicht) meine ich niht die huoben (Hufen Landes) 
noch der herren golt! Derfelbe. — it follend nit forgfaltig fein eüwer 
feelen was ir eßfent, noch eümerm leichnam wo mitt ir werd bekleidet. 
Gs. 35a. Nit ſyt forgfam üwer fele was ſy aͤſzt. noch ümerm lyb wa 

mit ir yn anthund, B. Matth. 6, 25. Du folt nit wucher von jm nemen 
noc vberfag. B. 3. Mof. 25, 36. Du folt jm dein geld nicht auff 
wucher thun, noch beine jpeife auff vberfag austhun. L. Da dich nies 
mand ſchuͤtzt noch verfpricht. S. Ada, Ich habe nicht gelernt zu hin= 
terhalten, noch jemand etwas abzuliften. G. 3.4,1. Kein Laut, noch 
Geräuſch von Redenden wurde durch die Verſammlung gehört. Klopftod, 
M. 4, 100.— dem sint die engel noch die frowen holt. Walther v. d. V. 
der engel, tiuvel noch der man, ir keinz einn vlöch (einen Floh) gema- 
chen kan. Freidenk bei W. 529, 25. des hoert man jar lang me (mehr) 
die vogel jung noch alt. W. 965, 39 aus d. 15. Jahrh. — ich mag nu 
fain güt werd mer tün, weder mit faften, oder annder Eeftigung des 
leibes. Gg. 98b. darumb foltu dich das nit erfchreden oder dich dar 
ab rumpffen. Gb. 73a. der weder vmb das Römifch reich oder den 
Keyſer nit ein fchnip gebe. A. 140a. wir wollen weder wiflen, oder 
verftehen, woher es kommen. Sp. 1,13. er traute weder dem Weib, 
vielmeniger ben Dienſt-Botten. Aj. 46. bie Boͤck tragen weder 
Mol, und geben auch Fein Milch. Ahp. 146. 


$. 40. 


2) Die beigeordneten Säge find Theile eines allgemeinen fie 
enthaltenden Gedanfend. Die Ergänzung und Sonderung 
werden bald mehr bald minder hervorgehoben. Zur Bezeichnung die: 
fer Verhältniffe dienen die partitiven und ordinativen (thei- 
lenden und ordnnenden) Konjunktionen: theils — theils, eines: 
theils — anderntheild, zum Theil— zum Theil, einer: 
feits — andererfeits, bald — bald, jest — jegt, nun 
— nun, ferner — dann — endblid, erſtens — zwei: 
tens ꝛc. 


g. 41. 


Theils — theils, einestheils — anderntheils, zum 
Theil — zum Theil flellen die Säge als Theile Eines Gedankens 
neben einander im Raume dar. Wenn fie aber einen Theileines 
Dinges bezeichnen, fo find fie nicht als Konjunftionen, fondern ale 
Adverbien anzufehen. Zum Theil befcheänft fidy bloß auf einen 
Theil, und ſteht fowol für ſich allein, als auch Eorrelativ, aber hier 
mehr in Beziehung auf das gemeinfhaftliche Hauptwort unter Ans 
gabe von Theilen des durch dasfelbe ausgedrüdten Dinges, während 
theils — theils allgemein unter Einen Gedanken theilend ordnet. 
Einerfeits — andererfeits weift auf eine beflimmte Stelle 
(Seite) im Raum hin. 


— 


— 2 — 


- Über fünftauſend waren theits'gefangeh, theils verwundet. ©; 30j. Kr. 
2.8. Einzelne detafchirte Corps vertheilten fich längs der ganzen bra= 
bantifhen Seite, theils um die Dämme zu befegen, theils bie Päffe, 
zu Lande zu verfperren. ©. Bel. v. Antm. Shr Hofflaat vermehrte ſich 
täglich, theils weil ihr Treiben fo Manchen anregte und angog, theils 
weil fie fich Andere durch Gefälligfeit und Wohlthun zu verbinden wußte. 
G. Wv. 2,1. Sie ftanden nicht in Reihen, fondern familienweife natürs 
lich gruppirt, theils mie es der Abend forderte befchäftigt, theils auf 
neuen Bänken ausruhend. Daf. 1, 9. Sie kamen erft einige Zeit nad) 
einander, theils damit das Vergnügen des Publicums länger dauere, 
theils auch weil es immer bdiefelben alterthümlichen Virtuoſen waren, 
G. Leben 1.8. Was Erfreuliches an Waldung, Buſch, an Wiefen, Bach und 
Seen fih Phantafie zufammendrängen mag, genießen wir, zum Theil 
als unfer eignes, zum Theil als allgemeines Gut. G. Nt. 2,1. Karl 
IV. wurde zu ihrer (der Reichsgefege) Erneuerung veranlaft, einer⸗ 
feits durch die vielen unredlichen Fehden des Herrenftandes, anderer» 
feits durch die zunehmenden Stäbtebündniffe. Pfiſter, Gefch. d. Teut⸗ 
fchen 3, 232, - 


Anm. 1. Früher fand theils auch fubftantivifch im Nominativ oder 
mit einem Genitiv verbunden (mie lat. partim — alii). Theils Leute 
nennen ihn zum Spott den Unverftand. Cronegk. theils bauten durch 
gebet an ihrer männer heil, theils übten fie zc. hg. 4, 279. theils 
verkaufften Kleider und was fie fonft Lieb hatten, andere aber gewan⸗ 

. nen das Geld wieder ab. Sp. 2, 20. 

Anm. 2. Abweichend im zweiten Gab, denfelben mehr hervorhebend, fagt 
Goethe: Nach meinen eigenen Beſitzungen fehne ich mich nicht zurüd, 
theils aus politifchen Urfachen, vorzüglich aber weil mein Sohn, 
für den ich alles eingerichtet, an allem keinen Theil nimmt. Wo. 2, 10. 
Näheres Tann man von ihr nicht erfahren, theils weil fie zu jung war, 
um Ort und Namen genau angeben zu können, befonders aber, weil 
fie einen Schwur gethan hat, feinem lebendigen Menſchen ihre Wohnung 
und Herkunft näher zu bezeichnen. Lj. 8, 3. 


g. 42. 


Bald — bald, jetzt — jeßt, nun — num (früher aud) 
etwan — etiwan, d. i. manchmal — mandmal, je — je, b. 1. 
zur einen, zur andern, Zeit) ftellen die Säge ald Theile eines Ganzen 
nach einander in der Zeit dar. Bald war früher ein Adjektiv (goth. 
balths, ahd. pald, mhd. balt, agf. bald, altn. balld, ball) mit der Be: 
deutung kuͤhn, und bedeutet nun als Zeitadverbium (ahd. paldo, 
mbd. balde) überhaupt in Eurzer Zeit. Bald — bald fteht von 
einer in kurzer Zeit erfolgenden Abwechfelung oder Veränderung. — 
Fest (ahd. iezuo, mhd. iezuo, ieze, iezent, iezunt, iezet) bedeutet 
überhaupt zu diefer (gegenwärtigen) Zeit. Jetzt — jetzt bezeichnet - 
alfo eine noch rafchere Abmwechfelung als bald — bald. — Nun 
(goth. nd, ahd. nd, nawa, agf. nd, altn. nd, nüna, engl. now, mhd. 
nü, nuo, nuwe, nuon) wird gern und gewöhnlich in Beziehung auf 
vorhandene Dinge und Vorausgehendes gefagt (alfo von relativer 
Zeit). Run — nun ift nicht fehr im Gebrauch. — Als Korrelativa 


“...o 


[5 


- 


— 92 — 
werden einzelne der genannten Konjunktionen vertauftcht, auch. zuweilen 


durch andere Woͤrter vertreten. 


Er huͤpfft bald nunter, bald herauff. be. 1, 224, Sie, glühend bald, 
bald bla wie eine Büfte. Wieland, Db. 5,40. Bald läßt ex ba ein 
Stüd, bald eines dort. G. T. 2, 4. Bald medte ein näherer oder ent⸗ 
fernter Brand une aus unferm häuslichen Frieden, bakd fegte ein ents 

—veckteg großes Verbrechen, beflen Unterfuchung und Beftrafung die Stadt 
auf viele Wocden in Unruhe. ©. Leben 4. B. Denn bei ihm war es auch 
nur Spiel, welches defto Länger dauern konnte, als fie es ihm gleichfalls 
ſpielend erwieberte, ihn bald anzog, bald abſtieß, bald hervorrief, 
bald hintanfegte. ©. Leben 14.3. Indem ee nun bald mit Ehdrlot- 
ten und Dttitien, bald mit Gärtnern und Jägern, öfters mit feinem 
Begleiter, und manchmal allein die Gegend durchſtrich. G. Wo. 2, 10. 
Nach einer unruhigen Nacht, die unfer Freund theils machend, theils 
von fihmeren Träumen geängftigt, zubrachte, in denen er Marianen 
bald in aller Schönheit, bald in. kümmerlicher Geſtald, jetzt mit 
einem Kinde auf bem Arm, bald desfelben beraubt jah, war der Morgen 
kaum angebroden, als Mignon ſchon mit einem Schneider hereintrat. 
G. Lehrj. 2, 9. — Das Schwert friffet itzt diefen int jenen. L. 2. Kön. 
(Sam.) 11,25. Alle bedürfen wir in jedem Alter jetzt der Sporen, bes 
Zügels jest. Herder. — Dem Scherz nun, und nun Hochgeſang von 
der begeifterten Kippe ftrömt. Küttner. — nun bifen ond yzund den 
verzeret das ſchwert. B. 2. Kön. 11,25. Ein bladbalg, dev jest wam⸗ 
pet, bald wieder fchlampet. Agm. 396. Bakd finge diefen, o Mufe, 
jenen jetz t. Mamler. Er fcglief- bald Augenblide, ban.n. wacht’ er wie- 
ber. Klopſtod, M. 4% — je worden fie erichlagen, je kamen fie wider 
heim. A. 246. ett wan ſo ſingt fie, etmean fo naféet fie, Gg. 89a. 

Anm. Abb. naflzan, nafzon, agf. heappian, mob. napferen = [chläferig 
fein, iſt in der füdd. Volks ſprache noch erhalten. Geiler fagt feibf (Gg. 
9a): Das heist entnafgen, wunn aind anfecht zufehlaffen. 


$. Ad. 


Die ordinativen (ordnenden) Konjunktionen ferner, weis 
ter, dann, bierauf, bernach, nachher, endlich ıc., erft, 
erttlich, arftens, zweitens, drittens. ıc. führen die eimzelnen 
Saͤtze hinter einanbes,auf, die legten nach einer beflimmten Reihenz 
ßolge, die erſten ohne Hervorhabung biefer beſtimmten Reihen— 
fobge. 

nom ar ſt kruttet es (dad keimende Korn), dar woch wachſſet der eher (die 
Ahre). Gb. 1823. — Der Epiker und Dramatiker find beide den allgemei— 
nen poetifchen Gefegen unterworfen, befonders dem Geſetze der Einheit 
und dem Gefege der Entfaltung; ferner bedandeln fie beibe äuntiche 
Gegenſtaͤnde. ©. über ep. u, dram. Dichtung. Die Wolken teennten ſich 
nad und nad, hier und da erfchien der blaye Himmel, und endlich bes 
leuchtete die Sonne unfere Bahn. G. ital, Reife Velletri 22. Febr. An: 
fänglich duldete Dttilie die Begleitung des Kindes; dann faßte fie 
felbft Neigung zu ihm; endlich trennten fie fi nicht mehr. &. Wo. 
1,417. Das ift Weibergunft! Erſt brütet fio, mit Mutterwaͤrme, unfera 
liebften Hoffnungen an; dann, gleich einer unbeftändigen Henne, verläßt, 
fie das Neft und übergibt ihre ſchon keimende Nachkommenſchaft dem Tode 
und der Verwefung. &. ©. 2. Erft trennt ung der Wohlftand auf Mo⸗ 
note, hernach der Zwiſt auf ewig. Dusch. - Die Menſchen leben ein 


\ 


33 “ 
— D — — — 
i 


nachlaͤſſiges Schlaraffenleben: erſtlich haben die Thüren keine Schloͤſſer; 
der Wirth aber verſicherte, ich könnte ganz ruhig ſein, und wenn alles 
was ich bei mir Hätte aus Diamanten beſtaͤnde; zweitens find die Fen⸗ 
ſter mie Oelpapier ſtatt Glasſcheiben geſchloſſen; drittens fehlt eine 
hoͤchſt nöthige Bequemlichkeit, fo daß man dem Naturzuſtande hier ziem⸗ 
lich nahe kommt. ©. ital. Reife 12. Sept, 


$. AA. 


3) Bu den kopulativen (verbindenden) Konjunftionen ge: 
hören, auch nämlich, als, wie, die eine nähere Beſtimmung eines 
Begriffs bezeichuen, und dann gebraucht werden, wenn der zweite Sag 

‚eine Erklärung, eine Erweiterung oder Beſchraͤnkung 
nicht des erflen Sages, fondern mur eines feiner Glieder enthält. — 
Mämlic, (ahd. namliko, mhd. namlich, nemlich) gibt von dem Ge: 
gebenen beflimmt an, was man nur darunter verflanden wiſſen will, 
fagt e8 gleichfam beſtimmk mit Namen. — Als ($. 35) führe bei: 
fpielsweife an, ohne die zugefügten Beifpiele alle aufzählen zu wollen, 
und ſteht immer vor der Erläuterung. — Wie ($. 35) wird zumei: 

* fen erläuternd gefagt, bezeichnet aber nur bie Üpnlichkeit in den Bei: 

- fpieten mir dem Gegebenen. 

Sechs ſolcher biſchöflichen Sitze in Antwerpen, nämlich Herzogenbufch, 
Gent, Brügges, Ypern und Ruͤhremonde, ftehen unter dem Erzftifte zu 
Mecheln. S. Abf.d. N. Auch bin ich dieſer edeln Geſellſchaft durch frü- 
here Unterhaltung genauer bekannt. Der Fürft nämlich fragte bei un: 
ferer erften Bekanntſchaft, womit ich mich jest befchäftige. ©. ital. Reife 
Neapel 1. März. — Mehr dergleichen unfchuldige Naturgegenfländ:, als 
Schmetterlinge und Käfer, wurden herbeigefhafft. &. Leben 4.83. — 
Das Geſyräch war lebhaft und abwechfelnd, wie denn in Gegenwart fol: 
her Perfonen alles und nichts zu intereffiren fcheint. G. Wiv. 1, 10, 
Lebensgewandte Edelleute, wie Hagedorn, flattliche Bürger, wie Brockes, 
entfchiedene Gelehrte, wie Haller, erfchienen unter den Erften ber Ras 
tion, den Vornehmſten und Gefchägteften gleich. G. Leben 10,8. 


Zweites Kapitel. 
2. Entgegengeflellte Säge 


6, 45, 


. Die entgegengeftellten Säge können, wie die gleichgeftellten ($. 9), 
in einem dreifachen Verhältniß zu eimander flehen: 

1) Der Inhalt des erſton Sages wird Durch den des zweiten aufge 
oben, ber dabei eine bloße Steigenung oden einen völligen Gegen: 
fag enthalten kann. Diefes Verhältniß bezeichnen die adverfatis 
wen (einen Gegenfag bezeichnenden) Komjunktionen: niht — fon: 
bern, nicht — vielmehr. 


_ — 234 — 
416 - 


4 


Nicht — fondern ($. 29) wird befonders gebraucht, wenn 
eine bejahende Ausfage durch den Gegenfag mehrähervorgehoben wer⸗ 
den foll. 


unte nescäment sih äbo nteth mines eröces unte minero märtiro: sunter 
ste güollichent sih dar äna (und fie fchämen ſich durchaus nicht meines 
Kreuzes und meiner Marter, fondern fie rühmen fich deren, d. i. derfel- 
ben). WI. 4, 3 bei W. 158,8. er hat nit gott lieb, funder ſich felber. 
Gs. Aa. das die gehen (der Füße) nit dört vßhin gagelen, funder daß, 
fie fich recht vnd fchlecht dem fhü nod) richten. Gb. 90b. "ber feinen aig- 
nen willen nit gethon hat, befonder den willen feines himlifchen vas 
ters. Gg. Aa. das folnicht geffen, ſon dern mit fewr verbrennet wer: 
den. L. 3. Mof. 7, 19. fleifh ond blut hat dir das nicht offenbart, 
Sondern mein Vater im Himel. L. Matth. 16,17. Sie haben nicht 
dich, ſon dern mich verworffen. L. 1. Kön. (Sam.) 8, 7. — Nicht ber 
in’s Dorf Hereingehende, fondern der Herausgehende erhält etwas. G. 
Wo. 1,6. Sie ließ mir die Zeit nicht, das Einzelne näher zu betrach- 
ten, fondern nahm den einen Kaften unter den Arm, und ich padte den 
andern auf. &. Leben 2. B. Man muß reden und fich rühren, nit um 
zu überwinden, ſondern fi auf feinem Poften zu erhalten. G. Mar. u. 
Reflex. 2. 

Anm. 1. Statt fondern fteht in der früheren Sprache ($. 29. Anm. 2) 
auh aber ($. 55). — Andere Kormen find früher nieth — nobe, näls 
‚nieht —nube, niuwet — wan, niut — sundirbäre abir, nalles — ouh, nalles 
— üyjan, z. B. Doʒ neuuärt älli3 nteth sines indanches, nöbe näh sinemo 
uuillen (das nicht ward alles nicht feines Undanfes d. h. gegen feinen 
Willen, fondern nad) feinem Willen). WI. bei W. 155, 25. älle orationes 
pezeichenent to eteuuäz. näls nteht natürlicho. nübe äfter gelübedo 
(alle Reden bezeichnen je [immer] etwas, nicht natürlich, fondern nad 
Gelübde d. i. Verabredung). W. 135, 12 aus d, 11. Sahrh. niuwet vone 
deheinen rehtin werchin diu wir selbe getän haben, wan näch siner mich- 
belen erbarmede hät er uns gehaltin (nicht von irgend rechten Werken, 
die wir felber gethan haben, fondern nad) feiner großen Erbarmung hat 
er uns erhalten). W. 193, 5 aus d. 12. Jahrh. Der fride wart gechundit 
an der erde den mennisgen, unde niutallen, sundirbäre abir den die 
da wärin .guotis willin (der Friede ward verfündet an [auf] der Erde den 
Menfchen, und nicht allen, fondern denen, die da waren guten Willens). 
Daf. 194,28. — fleyſch ond blut hat dire nit eroffent. aber min vatter 
der in den himeln ift, B. Matth. 16, 17. das werde nit gegeflen aber 
verbrant. B. 3. Mof. 7,19. Wie fie habent dich nit verworffen aber 
mich. B. 1. Kön. 8, 7. 

Anm. 2. Altere Beifpiele der andern Formen f. bei Graff unter nalles, 

d. i. ni alles. I, 217. 


8. 47. 


Nicht — vielmehr bezeichnet einen ſchwaͤchern Gegenſatz, 
ale nicht — ſondern, und oft nur eine Steigerung des Gedans 
tens. 

Man Ärger fih an denen nicht, vielmehr fey man Hergbetcäbt. Sp. 1, 

26. Das (überflüffig) bift du nicht, das kannſt du nimmer werben! 

Du weißt vielmehr wie gern der Fürft mit dir, wie gern die Fürftin 

mit dir lebt. G. T. 4, 2. Auch gab er wiederholt zu erkennen, baß man 


— 28 — 


deßwegen, weil ſolche Verſuche nicht jedermann gelaͤngen, die Sache nicht 
aufgeben, ja vielmehr nur deſto ernſthafter und gründlicher unters 
fuchen müßte. ©. Wo. 2, 11. 

Anm. Statt vielmehr fteht früher mehr. — Die haltung ift nit bie 
tugent götlicher lieby, mer fo ift ein zeichen der lieby. Gs. db. nit an 
beinem fründ, mer an bir felber. Gs. 7a. 


- $. 48. ' . 


Statt nicht ſteht oft auch ein anderes verneinendes Wort. — 
Im zweiten Glied fehlt mitunter fondern oder vielmehr; zu: 
weilen fliehen fondern und vielmehr zur Verflärkung bei ein: 
ander. 

Das Kind gab Fein Zeichen von Schmerz von fi, es beruhigte fih viels 
mehr nah und nah. &. Bei der Keftigkeit feines Charakters hatte er 
fih gewöhnt, in der Unterredung Niemand zu’ wiberfprechen, viel⸗ 
mehr die Meinung eines Jeden freundlich anzuhören. G. Lj. 6. Wir 
erklären zugleich, daß wir weitentfernt find, gegen den König, unfern 

Herrn, etwas Gefeswidriges damit zu meinen; vielmehr ift es unfer 

- _ allex unveränderlicher Vorſad, fein Tönigliches Regiment zu unterftügen 
und zu vertheidigen. ©. Abf. d. N. 3. B. — Nicht Haß und Radıe 
fhärfen ihren Dolch; die liebevolle Schwefter wird zur That gezwungen. 

G. J. 3, 1. Wenig nur, doch etwas, nicht mit Worten, mit ber That 
wünfcht” ich's zu fein. G. 3. 2,1. Es ift nicht genug, daß man fein 

‚ Leben für einen Freund wagen Eönne, man muß auch im Nothfall feine 
Überzeugung für ihn verläugnen. ©. %. 7,4 Nicht deine Klugheit 
ftegte über meine, dein fchlechtes Herz hat über ntein gerades ben ſchänd⸗ 
lichen Zriumph davon getragen. S. T. 3,9. — Keinesmwegs gedenke 
ich daher in diefen erſten Büchern meine Zugendgefchichte völlig abzu⸗ 
fchließen, fondern ich werde vielmehr noch fpäterhin manchen Faden 
aufnehmen und fortleiten, der ſich unbemerkt durch die erften Zahre ſchon 
hindurchzog. ©. Leben 2.8. 


8. 49. 


2) Dem erften Sage wird ein anderer im Inhalt widerfprechen: 
der beigefügt, fo daß die Annahme des einen die Verneinung bes an: 
dern in fich ſchließt. Dieſes Verhältniß bezeichnen die Konjunktionen 
oder, entweder — ober, fonft, denn. 


8. 50. 


N) 

Oder (goth. äiththäu, thäu, ahd. Ede, &ddo, ärdo, ärdu, Erdho, 
odho, odo, alde, mhbd. ode, oder, alde, alder, or, altf. &fihö, &fthuo, 
mni. ofte, nnl. ofte, oft, of, aff. jeftha, tha, agf. odhähe, engl. or, 
aftn. edha, ſchwed. dän. eller) überfegt im Gothiſchen bald das tat. 
aut, griech. 7 (oder), bald das griech. ed de ur (wenn aber nicht), bald 
das unbeftimmt machende av, ift im_Althochdeutfchen auf aut, sive 
(oder) eingefchräntt, wird neuhochdeutfch gebraucht, wenn zwei Ge- 
danken, deren jeder als ein für fich möglicher gedacht wird, mit einan⸗ 
der verbunden werden, fo daß die Annahme des einen die Vermerfung 
des andern bedingt. Man gebraucht oder befonder3 dann, wenn 


% 
. 
[U UL U] —J — — 


man nur bezeichnen will, daß das Urtheil zwiſchen zwei maͤglichen 

Ausſagen unentfchieden iſt. 
Ob er huͤnſch oder edel ſy von geſchlecht. Gs. 199a. Iſt fie den Inhalt des 
Blättihens gewahr worden, oder irrt fie fih an der Aehnlichkeit ber 
Hände. G. Wv. 1, 13. Wie oft habe ich dich im Stillen getabelt, daß 
du diefen oder jenen Menfchen anders behandelteft, daß du in diefem oder 
jenem Kalle dich anders betrugeft, als ich würde gethan haben. &. Auf 
des Glückes großer Wage fteht die Junge felten ein: du mußt fteigen 
ober finten, du mußt herrfchen und gewinnen, ober Bienen und verlie- 
ven, leiden oder triumphiren, Amboß oder Hammer fein. G., ein ande= 
red Eophtifches Lied, Ein fpanifher König mußte ein rechtgläubiger 
Prinz fein, oder er mußte von diefem Throne fleigen. S. 307. Kr. 1.8. 
Anm. Für oder fteht aber in folgendem Beifpiel: darum weiß ich fafk 
auch nicht, ob ich fol thraͤnen ſchicken, ob aber hülf und rath fey. be. 

3, 235, Siehe unten 6. BB. 


6. 51. 


Entweder — oder, Entweder (ahd. einweder aus ein⸗ 
huödar, mhd. eintwöder aus eindewäder, mittelniederl. Enweder) ift 
eigintlidy ein zufammengezogenes Pronomen und bedeutet eins von 
beiden (lat. alteruter, f. weder 8.37), mit nachfolgender Thetlung 
bush oder ($. 50). Später wurde das unflektierte Neutrum im 
Sinn einer Konjunftien, einem nachfolgenden oder gegenüberftchend, 
gedraudt. Neuhochdeutſch wird durch entweder — oder das 
Verhaͤltniß ber beiden Säge fhärfer hervorgehoben, als durch bas 
blaße oder. 

- sude ta bendte söl einuueder sin An des lebentin lichamin. stechi älde 
" gesüudeda (und je [immer] bei Noth [notwendig] fol eins von beiden 
fein an dea Lebenden Leichnam [Körper], Siechthum oder Geſundheit). W. 
133, 37 aus d. 11. Jahrh. die sich von dirre werlt (diefer Welt) habent 
gezogen: eintweder diu schrift ist gelogen, oder si choment (fommen) 
in ein vil michel (große) nöt. W. 223, 2 aus d. 12. Jahrh. den weinden 
(Weinenden) vmme ire sunde wirt gelobet da3 hymelriche vnde wirt ver- 
geben die schult des fegefiures antsweder ein teil ader zu male. W. 
854, 191 aus d. 14. Jahrh. entweders so gant (gehen) si enweg eder 
kerent die achselen dar oder antwurtent etwag anders. W. 90%, & aus b. 
14. Zahrh. do müß er eintwebers ab weg von der fehar weichen, 
oder aber er fye ftillen. Gs. 173a. Vnd eintweder ih mas tr nit 
wirdig. oder villicht fie warn min nit wirdig. B. Tobias 3, 19. Vnd 
entweder bin ich je oder fie find meiner nicht werd gemefen. L. — 
Entweder das Gegenwärtige hält. und mit Gewalt an fi, oder wir 
verlieren unge in die Vergangenheit. G.Wv. 2,8. Entweder hatte 
der Same. bes Mißtrauens, den bie Regentin unter ben Abel ausgeftreut 
hatte, Shon Wurzel gefchlagen, oder überwog die Furcht vor ber Macht 
des Miniſters den. Abfcheu vor-feiner Verwaltung. S. Abf. d. N. 2. B. 
Entmeher es find außerordentliche Handlungen und Situationen, ober 
es find Leidenfchaften, oder es find Charaktere, die dem tragifchen Dich- 
ter zum Stoff dienen. ©. über Egmont. 


$. 52. 


Sonſt (mhd. sust, sunst, sonst, wahrfcheinlich zu. dem goth. 
Pronomen, sa — der gehörig) hezeichnet ein Anderes als das, mag 


— HI — 


— 


genannt wirb. Werden zwei Gedanken, deren jeder ais ein moͤglicher 
gedacht wird, mit einander ſo verbunden, daß durch die Wirklichkeit 
des einen die Wirklichkeit des andern aufgehoben wird; ſo werden die 
Saͤtze duch ſonſt, oder durch deun (goth. altſ. Haan, ahd. mhd. 
danns, denne, agf. thon == dann, denn) verbunden Son ſt bezeich⸗ 
net den vorangehenden, denn den nachfolgenden Gedanken aks den 
aufhebenden Grund. Statt denn mird oft ein ganzer Sag: es fei 
denn, gewählt. \ 


das er mich nam gefangen, das macht ein schirmschlag (Rechterftreich): sunst 
wers vmb mich ergangen. W. 1086, 35. aus d. 18. Jahrh. Ich ſchone 
dich; denn ſonſt würde ich dir fagen: Iſt's edel, fo zu reden, wie du 
forichft ? G. T. 8, 2. Sage das nicht, Maria, ih muß fonft fürchten, 
Du empfindeft weniaer ſtark als ih. ©. G. 1. Der Menfc muß bei dem 
Glauben nerharzen, daß dag Unbegreifliche hegreiflich ſei; er würde fonft 
nicht forfchen. G. Befraht. im Sinne d. Wanderer. Wer keine Liebe 
fühlt, muß ſchmeichetn termen, fonft kommt er nicht aus. &. Mar. u. 
Roflex. 3. D zwingen Sit die nie benetzten Augen noch zeitig Thraͤnen 
einggleneen, tonft, ſo uſt möchten Sie's in einer harten Stunde noch 
nachzuholen haben, S. Dk. 2. 2. Mon muß on tapfer greifen, fonfl 
hält er nirgends ſtill. Uhland, d. Schenk v.2&. — man nennt kein fü 
blümi, fy hab denn ein bleflin. Gs. 225b. if mit vns gerähehen, e® 
f ev denn ſach, daß wir uns anders in die Sache fchidden. A. 14a. wie 
muüg (mögen) wir befteen vor irem antliß es ſyn denn das du vns helf⸗ 

feſt. B. 1. Macchab. 3, 53. Wie koͤnnen wir fur jenen bleiben, Du helf⸗ 
feft one denn. L. 36 Yaffe dih nitnur du gefegneff mich. B. 1. Mof. 

32, 26. Ich las dich nicht, bu fegeneft urih denn. L. Und kommt man 

- Hin um etwas zu echalten, erhält man nichts, man. bringe benn maß 
bie, ©.8.1,4 Sant jr ein Schlaf auf meine Augenlicher, ih hätte 

ade n am Abend biefeg Tags berechnet, wie bie Kerzen meiner Wölfer in 
meinen fernften Qimmelsftrichen Ichlagen? S. DE. 1,6. Sie fprechen 
den König nicht, Sie hätten die Vorfiht denn gebraucht, fh die Er⸗ 

laubniß beim. Chevalier von Pofa auszuwirken. Daf. A, 22. Ruhig (ges 
denke ich mich zu nerhalten); e& fei denn, daß er ich an meiner Ehre 
oder meinen @ütern wergreife. S 


8. 53. 


Man madhıt von der Konjunktion fonft auf diefe Weife insbefondere 
Sebrauh, wenn man eine moralifhe Nothwendigkeit oder 
auch die Logifhe Wirklichkeit einer Aysfage durdy eine 
Folge des angenommenen Gegenfage& hernorhehen mil, 


‚Mady Frieden mit dem Devzog von Burgund! fonft kenn' ich keine Ret: 
tung mehr für dich. S. Ivo. 1,6. Und jetzo And wir bier mit Beindes 
Geleit, daß wir dein fürfllich Herz anfleken, deiner Stadt bich zu erbar: 
men, unb Hilf’ zu fenden bimmen bdiefer Frift, Fanft übergibt er fie am 
zwölften Tage. ar. 41,3. (Ich) muß demnach darauf beftehen, daß 
Herzog Friedland förmtich, unmwiberruflich breche mit. dem Kaifer, fon ft 
iym kein ſchwediſch Volk vertrauet wird. S. T. 1,8. Dreimal dürfen 
Sie rathen, aber nicht Ren: Sie Bönnten mich fonft durch ben ganzen 
Kalender duchführen. &. Wi. 5, 1%. (Margarete:) Es (dad Mittel) 
wird ihe hoffentlich nicht idjaden! € Bau), Bürd’ ih fonfb, Liebchen, 
din es sachen? G. 3. #, 184. 


Aä 





— 28 


Anm. 1. Statt fonft wirb oft auch entweder — ober und ober ge⸗ 
braucht, — Eine Krone will ich fehn auf ihrem Haupte, ober will nicht 
leben. ©. W. Zod. 3, 4. Du fchießeft oder flirbft mit deinem Knaben. 
©. 21.3, 3, | 

Anm. 2. Andere mit fonft finnverwandte Ausdrüde find: das ftärkere 
widrigeng; anders (adverbialer Genitiv, fchon ahd. im Sinne von 
fonft, außerdem) = im andern Falle, ald der in dem verbundenen 
Sage angegebene befagt, außer und ausgenommen, welche den 
Sag, den fie einleiten, geradezu ald Ausnahme hervorheben. — Man 
faflet auch nicht Moft in alte Schleuche, Anders die fchleuche zureiffen, 
vnd der moft wird verſchuͤtt. L. Matth. 9, 147. Noch fie legen ben 
nuwen wyn ix bie alten vaſz. in anderwyß die vaſz werbent zerbro= 
den ond der win wirt vergoffen,. B. 


$. 54. , 


3) Der Inhalt des erften Sages oder die aus demfelben gezo= 
gene Folgerung wird durch den zweiten Sag beſchraͤnkt. Dieſes Ver: 
haͤltniß bezeichnen die Konjunktionen aber, allein, dagegen, 
bingegen,dodh,jedodh,dennoch, jiedennoch, indeß, in⸗ 
deſſen, deſſenungeachtet, demungeachtet, gleichwol, 
nichtsdeſtoweniger. 


—8. 858. 


Aber (ahd. afar, avar, afur, avur, avir, abur, abor, abir, aber, 
avo, ava, ave, abo, abe, ab, mhd. aver, ave, aber, abe, baier. afer, 
nnd. awer, awerst, Awerst) war zunaͤchſt ein Zeitadverbium und be: 
zeichnete eine Wiederholung: abermals, wieder 1); dann ein 
Adverbium der Entgegnung: wiederum, von ber andern 
Seite, dagegen, befonders bei Wechfelreden 2); murbe bann eine 
abverfative Konjunftion im Sinne des eine Befchränkung bezeichnen:' 
den jedoch, und fteht als folche fowol im Anfang des Sages 3), ale 
auch hinter den Anfangsworten desfelben 2); fleht in Fragen bes Zwei⸗ 
fel83), in bedingten Sägen); verbindet ſich mit disjunktivem 
ober), mit fopulativem und ($. 10) 8), mit adverfativem do ch 9), 
und deutet auch bloß den Kortfchritt der Nede an, wenn die Rede auf 
einen andern Gegenftand übergeht, und wenn etwas Unermartetes foll 
bezeichnet werben 19). 

4. auur gqhuidit kescrift (abermals fagt die Schrift). K., reg. ben. 7 bei 
W. 38, 29. tou mit vollen aber triufet af die rösen. Kw. bei W. 700, 
12. Sie beftand aber und abermals darauf. G. Wv. 2,7. Wo 
wir nur Durchgefommen find, erzählen Kinder und Kindeskind nach hun- 
dert und aber hundert Jahren von dem Holk noch und feinen Scharen. 
S. 8.6. — 2. so waren wir aber (unfererfeits) erlöst. Jw. 234. Haflig 
fprang er (Reineke, der Beflerung verfprochen hatte) hinter ihm (dem 
Hahn) drein ; es ftoben die Federn, Aber Grünbart entrüftet vermies 
ibm den fehändlihen Rüdfall. G. R. Fuchs 3, 423. Aber Lupardus 
begann, des Königs naher Verwandter. Daf. 6, 371. — 3. die burg 
hi3 her (er) Colonia (Köln): avir na (nach) selbe demo namin stnin (feis 
nem Namen) ist sie geheijin Agripptne. Annolied bei W. 184, 29. Und 


- 


— 9 — 


als6 habent sie 86 maniger ley namen, daz eʒ nieman volleenden mag. Aber 
swie maniger ley namen sie haben, s0 heijent sie über al kezer. Berthold 
v. R. bei W. 676, 29. Er näherte ſich mit erneuten Anflrengungen dem 
Ufer, aber leider fühlte er fich in einiger Entfernung davon angehalten. 
G. Wo. 1,12. Er fragte nach mehreren Arbeitern: man verfprady fie 
und ftellte fie im Laufe des Tages. Aber auch diefe find ihm nicht genug, 
um feine Borfäge fchleunig ausgeführt zu fehen. Daf. 1,13. — 4. sie 
des auuar ni rohhitun (fie deſſen aber nicht achteten). W. A6, 16. Aber 
fie verachteten das, Vnd giengen hin, Einer auff feinen Ader, Der ander 
zu feiner Hantierung. Etliche aber griffen feine Knechte, höneten fie 
und tödten fie. L. Matth. 22, 5. Sie riefen: Noch mehr! Mein Bor: 
rath aber war aufgegehrt. G. Leben 1.8. — 5. JA herre, wie schoene! 
wart aber ie so schoenes ıbt (etwas)? Berthold v. R. bei W. 668, 27. 

- Drum weiß ich faft auch nicht, ob ich fol thränen ſchicken, ob aber huͤlf 

. und rath fey. hg. 3, 235. — 6. s6 du dih sündonten irbilgest. s0 gnä- 
dest du äber riuuonten (fo du dich über die Sündenden erzürneft, fo be: 
gnadeft du aber die Reuenden). N. Habac. 3, 2 bei W. 127, 18. (So du 
bift zornig du wirft gedenken der erbärmd. B. Wenn Zrübfal da ift, So 
dendeftu der Barmhergigkeit, L.) — 7. Swer mit den värsten wil gene- 
sen, der muoz ein lösser (Lofer ? Kaufcher?) dike wesen, od aber lange 
sin ein gast. Freidank bei W. 533, 13. Do müß er eintweders ab weg 
von der fchar weichen, oder aber ex fye ftilen. Gs. 173a. — 8. ünde 
ist Aber diu zünga. iro instrumentum (und ift aber die Zunge ihr Werk: 
zeug). W. 135, 31 aus d. 11. Jahrh. und dö ir vater aber tete vil 
manige dro unde bete (Drohung und Bitte), daz si e3 im wolte sagen, si 
sprach. Ah. bei W. 333, 37. dem ieger find die buntfchü gerecht, vnd 
aber dem affen fint fie nit gerecht. Gb. 97a. — 9. Wir wollen fie be: 
wunbern, aber uns doch zufanrmen freuen. G. Wp. 1,8. Der zwar 
nicht gewöhnlich, aber do ch öfter alg es wünfchenswerth war, fein Ber: 
gnügen, feine Gefprächigkeit, feine Thätigkeit durch einen gelegentlichen 
Weingenuß zu fleigern pflegte. Daf. 1,17. Man hatte mir, nicht gerade 
ins Gefiht, aber doch wohl im Rüden, den Vorwurf gemacht. Daf. 
1,18. — 10. bidbiu auur chisalboda dhih got dhiin got mit freuuuidhu 
olee fora dinem chilothzssom. I. 3 bei W. 32,17. (Pfalm 44,8. Darumb 
got din got der hat dich gefalbet mit dem Öl der frödenn vor binen mit 
gefellen. B. Darumb hat dich Gott, dein Gott, gefalbet mit dem Freu⸗ 
denoͤle, mehr denn beine Gefellen. L.) Daz ist aue der ameizjin geslähte 
(Geſchlecht). W. 165, 15 aus d. 12. Jahrh. Uns der Graf zur Erbe ſich 
neiget hin, das Haupt mit Demuth entblößet, zu verehren mit gläubi- 
gem Chriftenfinn, was alle Menfchen erlöfet. Ein Bächlein aber 
raufchte burch’8 Feld, von des Gießbachs reißenden Fluten gefchwellt. S., 
Graf v. 9. Hier ift nicht länger Sicherheit für mich. Wo aber bleibt 
Pa Sohn? S. Aber fehen Sie einmal! Ihr Diener fteht noch da. 
Leſſing. 


8. 56. 


Aber bezeichnet neuhochdeutſch, als adverſative Konjunktion, das 
Verhaͤltniß des Gegenſatzes auf die allgemeinſte Weiſe, naͤmlich: 
a) einen wirklichen Gegenſatz, durch den ein Gedanke unmittelbar oder 
mittelbar beſchraͤnkt wird; b) einen Gegenſatz, durch den ein Ge⸗ 
danke nicht beſchraͤnkt, ſondern nur hervorgehoben wird; c) eine 
Verſchiedenheit, die nur als ein Gegenſatz dargeſtellt, und 
badbuch hervorgehoben wird. 


LI 
— 89 — — 
N 


Bie Regierung war erbtich, aber ver Sohn dewt wicht eher, ale nad feier- 


Ich beſchwornor Konflikution in die Rechte des Vaters. &, Abf. d. N, 
1. B. Der Herzog von Parma Eannte zwar den Mißmuth feiner Trup⸗ 
pen, aber er kannte auch ihren Gehorfam. &. Bel. v. Antw. Wiglins 
war ein Gelehrter, aber kein Denker; ein erfahrner Geſchäftsmann, 
aber Bein erleuchteter Kopf. ©. Abf. d. N. 2.3. Im großes Unglüd 
lernt ein edles Hertz fi finden; aber wehe thut's, bes Lebens Kleine 
Zierden zu entbehuen. &. St.4,1. Das Beben ift ber Güter höchſtes 
nicht; der Übel größtes aber ift bie Schuld, S. Bom. Dies fagemd ritt 
er trutziglich von bannen, ich aber blieb mit kummervoller Sede, das 
Wort bebendend, das der Böfe fprad. S. 81. 1,2. Wir Männer kön: 
nen tapfer fechtend fterben, weich Schickſal aber wird das eure fein,? 
Daſ. 1,2. Erforfcher Ihr die Männer von Schwytz, Ach wii in Uxi 
Freunde werben, men aber fenben wir nach Unterwalden? Dar 1, A. 
Ich habe oft oft geſchoſſen in das Schwarze, und manchen ſchoͤnen Preis 
mir heimgebracht vom Freudenſchießen. Aber Yentı will il) don Mei: 
ſterſchuß thun und das Beſte mur im ganzen Umkrels Bas Sebirgs gewin- 
nen. Daſ. 4, 3. Die fremden Eroberer kommen und gehen; aber wir 
bleiben ſtehen. S. Bom. Das einfach Schöne ſoll ber Kenner ſchaͤtzen; 
Verziertes aber fpricht ber Menge zu. G. Rt. 2,5. Wit hatten bie 
Straße, in welcher unfer Haus ftand, den Hifchgraben nermen bösen; da 
wir aber weder Gtaben noch Hirfche fahen, fo weiten wir biefen Aus⸗ 
druck erklaͤrt wiffen. ©. Leben 1.8. Worte find gut, fie ſind aber nicht 
das Beſte. G. U. 7,09. Niemand weiß, was or Ihut, wenn er rocht han 
delt; aber bes Unrechten find mir uns immer bewußt. Daf. 7,9. Sein 
vafches Weſen beachte manches Gute herdor, aber feine Übetsilung war 
Schuld au mandhem Mißlingen. ©. My. 1, 18. Mer Glädsiche, der 
Behagliche Hat zut reden; aber ſchaͤmen würde er fich, wenn er einfähe, 
wie unerträglich er dem Leidenden wird. Daf. 31, 18. Sie fuchte gu er: 
forfihen, ob einer vor dem andern hiezu den Aulaß gäber aber fe konnte 
feinen lUnterfchleb bemerken. Daf. 1,6 Das Schichſal gewährt uns 
unfte Wünfche, aber auf feine Weile. Daf. 2, 10, 


$. 57. 
Man gebraucht aber gern bei einer Einwenbung, befon: 


ders wenn fie durch die Korm einer Frage hervorgehoben wird. 


Run ja! ich Lieb’ ihn, halt’ ihn 


werth; was aber hat das mit meiner 
Zochter Hand zu fchaffen?! ©. T. 3, h. Einer ber eriten Mathematiker 
fagte, bei Gelegenheit wo man ihm ein phyfifches Kapitel andringlich em= 
pfehlen wollte: aber läßt fich denn gar nichts auf den Galcuf reduieren ? 
G. Ferneres über Mathematik. 


" 8. 58. 
Ähnlich wie und ($. 16) und auch ($. 25) ſteht audy aber 


im Anfang eines Ganzen, wobei an einen vorausgehenden Gedanken 
als Gegenſatz zu denken ifl. 


A 


ber dad iſt meine Freude, daß ich mich zu Bott halte, Kirchenlied (nach 
Pf. 73, 28 als Gegenfag zu 73, 23. Meine Selma, wenn aber ber 
Tod ung Liebende trennt! Klopftod, Selmar und Selma. Aber fo 
wollen wir’s heben an. Herder, ein thüringer Lied. Was kann dir aber 
fehlen, mein theures Waterland? Uhland, Würtentberg. Wie aber 
fann fi Hans van Eyd mit Phidias nus mieffen I G. Modernes. Was 


* 
* - 
. 31 - 
U — — — 


ift denn aber beim Geſpraͤch, dns Herz und Geiſt erfüllet, als daß ein 
echtes Wortgepräg von Aug’ zu Auge quillet! G. Werte 3, 162. 


- 8. 59, 


Oft fehlt das adverfative aber, und der nachfolgende Sag fteht 


abgetrennt ($: 15. Anm. 2.) dem vorhergehenden Sag entgegen. 

Muth zeiget auch der Mameluck; Gehorfam tft des Ehriften Schmud. ©. 
Kampf m. d. Dr. Gin Anbrer wohl besächte fi, bu brüdft bie Augen 
zu und greifft es herghaft an. ©. &. 3, 3. Ertragen muß man, was 
der Himmel fendet; Unbilliges erträgt Eein edles Herz. Daf. 1,2. Du 
glaubft an Menſchlichkeit; es fehont der Krieg auch nicht das zarte Kinds 
lein in der Wiege. Daf. 1,2. Es bildet ein Talent fidy in der Stile, 
fih ein Charakter in bem Strom der Welt. &.%.1,2. - 


5.60. 


Statt aber gebraudht man auh nur ($. 32), wenn eine un: 
mittelbare Beſchraͤnkung des Gedankens bezeichnet wird; zuweilen 
ſtehen verſtaͤrkend nur aber zufammen. 

Philo hatte im Ganzen eine entfernte Ahnlichkeit mit Narciſſen; nur hatte 
eine fromme Erziehung fein Gefühl mehr zufammengehalten und belebt, 
8.2.6.8. ein Verftand war richtig und fein Charakter ftreng, und 
er war darin meinem Vater fehr ähnlich; nur hatte diefer dabei einen 
gewiflen Grad von Weichheit. Daf. Meine Mutter hatte von Jugend 


auf ähnliche Geſinnungen, nur waren fie bei ihr nicht zur Reife gediehen. 


Daf. Eduard fchien ihr Beifall zu geben, nur aber um einigen Auf: 
ſchub zu ſuchen. &. Wo. 1, 16. 


8. 61. 


Allein ($. 29) ‚bezeichnet als adverfative Konjunktion nicht 
eine Beſchraͤnkung des Konceffivfages (dee Einraͤumung), oder eine 
aus ihm gezogene Folgerung, fondern eine Berneinung deffen, mas 
als eine Folge des im Konceffivfag Ausgedruͤckten angefehen wirb. 


Wider meinen Willen zwingt mich bein holder Mund; allein er darf au 
etwas Schmerzlichs fordern und erhält’s. &. 3%. 2,2. Mein Freund, 
die golbne Zeit ift wohl vorbei; allein die Guten bringen fie zurück. 

. T. 2,1. Dan mäge mich, das will ich nicht vermeiden; allein 
Verachtung hab’ ich nicht verdient, Daf. 2, 3. Das, wäs gefchehn ift, 
kränkt mich nicht fo tief; allein das kränkt mich, was es mir bedeutet. 
Daf. 4,2. Gern erkenn’ ich an, Du willft mein Wohl; allein ver: 
lange nicht, daß ich auf Deinem Weg es finden fol. Daf. A, 4 Ber: 
waifte Väter find beflagenswerth; allein verwaifte Kinder find es 
mehr. G. Rt. 1, 6. Erfcien ihr die Sache ganz zu überlaffen; al⸗ 
lein fchon war innerlich fein Entfchluß gefaßt. ©. Wo. 1, 16. Sie ers 
freute fich manchmal einer Wafferfahrt; allein ohne das Kind, weil 
Charlotte deshalb einige Beforgniß zeigte. Daf. 2, 10. Was. das Aeu⸗ 
Bere betraf, Hätte er nur immer abreifen Eönnen, allein fein Gemüth 


war noch durch zwei Hinberniffe gebunden. G. %. 8,7. Da fand ih 


auf den Fluren Blum’ und Aehre, allein den Frühling fand ich nicht 
bei ihnen. Es fangen Vögel und es fummten Bienen, allein fie fangen, 
fummten düſtre Mähre; ed rannen Quellen, body fie waren Zähre; 
06 ladyten Sonnen, bo ch mit drüben Mienen. Rüdert, 


- 


32 - 
. ® 
nn — —— 


8. 62. 


Dagegen und hingegen heben den Gegenſatz von Gedanken 
hervor, die einander weder beſchraͤnken noch aufheben: eine Behaup⸗ 
tung wird der andern ausdruͤcklich entgegengeſetzt. Hingegen iſt 
erſt neuhochdeutſch. Dagegen bezieht in dem demonſtrativen da 
die Entgegenſetzung ſchaͤrfer auf das Voraufgeſagte, und das jetzt 
mehr unuͤbliche hergegen (früher herentgegen) ift dem hin— 
gegen und hiergegen (auch hingegen) entgegengeſetzt. 

Antonio geht frei umher und ſpricht mit ſeinem Fürſten; Taſſo bleibt da⸗ 
gegen verbannt in feinem Zimmer und allein. G. T. 3, 1. Eine all⸗ 
zureichliche Gabe lockt Bettler herbei, anftatt fie abzufertigen; dagegen 
man wohl auf ber Reife, im Vorbeifliegen, einem Armen an ber Straße 
in der Geftalt des zufälligen Glücks erfcheinen und ihm eine überrafchende 

» Gabe zumwerfen mag. G. Wv. 1, 6. In feinem Haufe mußte alles folid 
und maffto fein, der Vorrath reichlich, das Silbergefchirr fehwer, das 
Zafelfervice Eoftbar, Dagegen waren die Gäſte felten. ©. Lj. 1, 14. — 
Der mich beobadhten, und dem ich Hingegen gehorjamen folte. Sp. 2, 
19.. Ein Anderer verficherte, Wilhelm habe die Rolle des Laertes fehr 
gut gefpielt,; Hingegen mit dem Schaufpieler, der den Hamlet untere 
nommen, Zönne man nicht eben fo zufrieden fein. ©. %. 8,15. Das 
Schloß haben bie Alten mit Vernunft hierher gebaut: denn es liegt ges 
fhüst vor den Winden, und nah an allen täglichen Bebürfniffen; ein 
Gebäude Hingegen, mehr zum gefelligen Aufenthalt ald zur Wohnung, 
wird fich dorthin recht wohl fchidten und in der guten Jahreszeit die. ans 
genehmften Stunden gewähren. ©. Wv. 1,7. Jedermann fah darin 
nur eine wohl aufgepugte Naturalienfammlung; ber Knabe hingegen 
wußte befjer was er verfchwieg. ©. Leben 1. B. — Ein Ader, wann er 
nicht fleiſſig gepflügt wird, verwildet, Herentgegen, wann er wader 
gehbet wird, fo bringet er die herrlichften Früchte. Sp. 2, 8. 

Anm. Erifius überfegt (in |. Wörterbuch ©. A456) das lat. e contrario 
durch dDergegen, berwiderumb, Stieler (©. 378) durch hin—⸗ 
gegen, hergegen. 


8. 63. 


Doc) (goth. thauh, ahd. doh, doch, dhoh, thoh, thoc, mhd. 
doch, agſ. dheäh, engl. though, altn. thö, dän. dog, ſchwed. dock, wol 
aus dem goth. Demonftrativ Ihata entfproffen) fteht im Allgemeinen 
in dreifacher Beziehung: 1) als Demonftrativ: doch, bennod, 
und zwar in einem Hauptfage, welcher fich bezieht auf a) einen unter: 
geordneten Sag; b) auf einen Hauptfag, aus welchem der Vorderfag 
zu doc bisweilen zu ergänzen iſt; c) auf einen Sag, ber aus ber 
vorhergehenden ganzen Mebe, oder aus der Gemüthsflimmung bes 
Sprechenden zu ergänzen iſt 1); auch neben Fopulativem und ($. 10. 
19) und adverfativem aber ($. 55); auc in einem untergeordneten 
Sage?); 2) als Relativ: obgleih, wenn auch, mit nachfolgen⸗ 
dem Konjunktiv und Indikativ 3); 3) als Korrelativdoh — doch). 

1. Thoh häbet er uns gizeigot joh ouh mit bilide giböt uuio uuir thoh düan 
scoltin, oba uuir ig unöltin (doch hat er uns gezeigt, und auch mit Bild 


— 33 — 


geboten, wie wir doch thun ſollten, ob wir es wollten). O. IH, 3. bei W 
94, 327. vil maniger suochet (fucht) dur (durch) day jar des er doh niht 
vinden wolde. W. 618, 12 aus d. 13. Jahrh. swer was ze Beärosche komn, 
doch hete Gäwän dA genonmm den pris. Parz. 398, 2. ist im der Iip er- 
storben sö lebt doch iemer stn name. Iw. 9. ich enphähe gerne, als ich 
sol, iwer zuht und iwer meisterschaft: doch hät si alze gröge kraft. Iw. 18. 
da3 hän ich ungedient noch: ich sol iu.gerne volgen doch. Parz. 362, 8. 
dir was doch wol sö röt din har, daz din bluot die bluomen clar niht roeter 
dorfte machen. Parz. 160, 27. nu weig ich doch ein dinc wol. Iw. 254. 
sage durch got, wer weiz eg doch. Iw. 89. — 2. so mac diu küneginne 

vil lützel (wenig) iht bejagen an dir debeines (irgend eines) ruomes, des si 
‚doch willen hät. Nib. 429, 7. — 3. Uuir sähun sinan sterron, ihoh 
uuir thera bürgi irron (wir fahen feinen Stern, doch wir in Bezug auf bie 
Burg, Stadt, irren). O. I, 17 bei W. 88, 2. e; enwas (Mar nicht) niht 
mit wine, doch e3 im glich wsre. Trist. 11677. wir wären gar al ein, 
doch eʒ an drien stücken schein. Parz. 752, 10. der was, doch töt, sö 
minneclich. Parz. 159, 7. — 4. Thö.h mir megi lidolih sprechan uuörto 
gilfh, ni mag ih thöh mit unorte thes löbes queman zi énte (doch mir möge 
der Glieder jedes [prechen lauter Worte, nicht mag ich boch mit Worte bes 
Lobes fommen zu Ende). O. I, 18 bei W. 87,25. doch ez im we von 
herzen tuo, da3 herze stät doch ie dar zuo. Trist. 109. 

Anm. Über den umfaffenderen Gebraud des doc im Althochdeutfchen 
f. Graff V, 68f. 


$. 64. 


Neuhochdeutſch ift der Gebrauch der Konjunktion doc be: 
ſchraͤnkter, als früher. Doc) deutet als adverfative Konjunftion nun 
zunaͤchſt auf die Wirklichkeit im Gegenfag zu der Nichtwirklichkeit, 
und bezeichnet die Aufhebung einer aus dem Konceffivfag (Sag der 
Einräumung) gezogenen Folgerung und hebt den Werth des Adverfa- 
tivfages im Segenfag gegen diefe Folgerung hervor. 

. Verwegen wär es, meine Fauſt zu rühmen, benn fie hat nichts gethan; 
| Doch ich, vertrau’ ihr. G. T. 2, 3. Ich führt’ ihn (ben Degen) nicht mit. 
Ruhm, doch nicht mit Schande. Daf. 2,4. Ich muß ben Zabel, fchöne 
Freundin, dulden, doc die Entfchuld’gung liegt nicht weit bavon. Dal. 
3,4. So prächtig die Krönung Karls bes Siebenten geweſen war, fo 
war do ch die Folge für den guten Kaifer defto trauriger. G. Leben 1.8. 
Es erinnerte diefe Geremonie an jene erften Zeiten, wo bedeutende Hans 
delsftädte fih von den Zöllen, welche mit Handel und Gewerb in gleichem 
Maße zunahmen, wo nicht zu befreien, doch wenigftens eine Milderung 
derfelben zu erlangen fuchten. Daf. 1. B. Wenn aud) die menfchlichen 
Angelegenheiten im Ganzen eine entfchiebene Richtung haben, fo wird es 
doch dem größten und erfahrenften Kenner fchwer fein, fie'mit Zuverläfs 
figkeit vorauszuverkünden; doch Tann man hinterdrein wohl bemerken, 
was auf ein Künftiges bingedeutet hat. Daf. 2.38. — Und wirklich ge: 
rieth man nahe genug hier an einander, doch um als Freund, als Gaft 
fih zu bewirthen. Ganz Deutfchland feufzte unter Kriegeslaft, doch 
Friede war's im Wallenfleinfchen Lager. &. 9. 2, 7. Vom Kaifer frei- 
lich hab’ ich diefen Stab, doch führ’ ich jet ihn als des Reiches Zelbherr. 
Daſ. 2,7. Sch Eonnte Dich der Unfchuld Deines Herzens, dem eignen 
Urtheil ruhig anvertrau'n; doc Deinem Herzen felbft feh’ ich das Net 
verderblich jeht bereiten. Daf. 5, 1. Leicht bei einander wohnen bie Ge⸗ 
danken; doch hart im Raume flogen fi die Sachen. S. T. 2,2. Ih 
Kehrein Grammatik U. 2. 3 


— HE — 


liebe den Herzog nähe, und hab’ dazu nicht utſach, do ch nicht mein Haß 
macht mich zu feinem Moͤrder. Daſ. 4, 8. Bringt feiner Höhelt dies 
Gerchend (Ring). GE ift noch Feine Kette, bindet mich noch nicht; doch 
ann ein Reif draus werben, der mich bindet, S. St. 2, 2, Der Huldi⸗ 
gung des Guößten ift fie werth, doch nie wird fie den Wunſch fo ho er⸗ 
heben. S. Ivo. 3,4 Der Mann it weder, do ch wicht freiem Stands; 
Bein eigner Mann kann Richten fein in Schwytz. S. 2 2,2. 


§. 65. 


Man gebraucht daher insbefondere doch, wenn ber Sprechende 
fainan eignen Gadanken verbeflert, oden bie Nusdehnung, die man 
ihm geben könnte, beſchraͤnkt. 

Es find gewiffe Dinge, die fich das Schickſal hartnädig vornimmt... Doch 
was fag' ich! Eigentlich will das Schickſal meirien eigenen Wunſch wies 
der in den Weg Bringen. G. Wr. 2, 14. Wie ſteht's um Didier, meinen 
alten Karnm'rer? Do ber Getreue fchläft wohl Lange ſchon den erd’gen 
Gi. ©, St. 5,6. Ich wollte gern ben Biedermann erretten, doch 
es iſt rein unmoͤgllch. S. Th. 1,4. Zu jenem Haufe gehet ein; dort 
wohnt der Stauffacher, ein Vater der Bebrängten. Doc ſieh, da ift er 
felber. Daf. 1,9. Was fein muß, das gefchehe, doch nichts drüber. 
Die Voͤgte wollen wie mit ihren Anechten verjagen und bie feften Shlöf- 
fer brechen; doch, wenn es fein mag, ohne Blut. Daf. 2, 2. 


$. 66. 


Das Verhaͤltniß des Gegenſatzes wird mit befondrem Nach: 
druck dadurch hervorgehoben, Daß dem AUbverfativfag die Konjunktion 
doch ale ein. elliptifcher Satz vorangeht. 

Ich hab’ den Inhalt Ihver Senbung zwar vernomnten, Queſtenberg, und 
wohl erwogen, auch meinen Schluß. gefaßt, den nichts mehr aͤndert. 
Doch, es gebührt fich, daß die Kommanbeurs aus Ihrem Mund’ bes 
Kaifers Willen hören. S. P. 2,7. Prag fol und nicht entzmeien. Mein 
Ser Kanzler beanügt fi) mit der Altflabt, Euer Gnaden läßt er den 

atfehin und die Eleine Seite. Doch, Eger muß vor Allem fich uns Öff: 

‚nen, eh’ an Konjunktion zu denken ifl. S. T. 1, 8. Wenn Did) das un⸗ 
gtäd in des Krokodils Gewalt gegeben oder des geflecdten Tigers Klau’n, 

‘ wenn Du ber Löwenmutter junge Brut geraubt, Du koͤnnteſt Mitleib 
finden und Barmherzigkeit; doch, töbtlich iſt's, der Zungfrau zu begegs 
nen. ©. 300.2, 7. Sterben ift nichts; doch, leben und nicht feben, 
das iſt ein ungläd. ©, Z1. 1,4. 


8. 67. 

Jedach (ahd. io doh, ieo doh, ie doh, mhb. iedoeh, zuweilen 
idoeh, &doch) ift eigentlich ein Jeitadverbium — je, d. i. immer bo ch 
($. 35); dann eine adverfative Konjunktion, und bezeichnet als folche 
ben Gegenfag als einen hoͤchſt unbeſtimmten und oft nur als 
einn mögkichen; verneint auch ſowol die mögliche Ausdehnung 
eimer Einraͤumung felbſt, als eine aus ide gezogene Folgerum. Da 
jedoch neuhochdeutſch fo ztemlich in die Bedeutung von aber doc 
übergegangen if, leidet ed aber und und nicht wol mehr wor fich. 
Die Korrelation do — jedoch iſt überhaupt ſehr folten. 


— 38 — 


di wurden Cesari al unterdän: si wärig imi jedoch sorehsam (Sorge erre⸗ 
gen). Annol. bei W. 182, 14. swer ouch danne die lenge mit arbeiten 
eben sol, dem ist jedoch nicht ze wol. Gotfr. Zobgefang bei W. 336, 28. 
unte döh sie sin constituti in seculari actione, diu àne sünta uudsan nemäg, 
sie stegerent je döh gerno mit iro gelöuben, mit gebdte, mit eleemoasyna, 
unte mft änderen uudletäten ze demo gith hüffen (und doch d. i. obgleich fie 
feien geſetzt in weltlihe Hanblung, bie ohne Sünde fein nicht, mag, fie fleis 
gen je doch gerne aufwärts mit ihrem Glauben, mit Gebet, mit Almoſen 
und mit andern Wohlthaten zu dem Zeugnißhaufen). WI. Hobel, A, 2 bei 
W. 187, 8. Vater min, swie (wie) tump ich si, mir wonet jedoch diu 
wize bi. Ab. bei W. 336, 22. — ir habent oc gerdan alles bifg übel. 
Jedoch nit woͤllet pc ſcheyden von dem rugken des herven. B. 1. Kön. 
(Sam.) 12, 20, jr habt zwar bas ubel alles n, doch weiches nicht 

‚ hinder dem herrn ab. L. wir. legten nit van v an er gewannk, izdoch 
din iegklicher ward embloͤſzt zü dem menfchen. B. 4,33, er hat 
nit ein fun, nit ein brüder. und yedoch hört er nit vff ze arbeiten. B. 
Pred. 4, 8. anthoren (portis) feplts Dir wohl, je do ch an thoren (stul- 
tis) nicht. hg. 6, 50. — Gar viele Dinge find in biefer Welt, bie man 
dem Anheen goͤunt und geune qheilt; jebod «8 if ai Schat, Ken man 
bem Hochverdienten gerne gännen mag, ein anderer, den. won. zeit dem 
Höchftverbienten mit gutem Willen niemals theilen wird: der Lorbeer ift 
ed und bie Gunſt der Frauen. ©. T. 3,4. Er entfchieb ſich fein Haus 
zu verlaflen, und zwar widyt ganz ohne Vorbewußt Charlotteng, die er 
jedoch zu täufchen verfiand. G. Wo. 1, 16. Dieſer Umſtand, welcher 
die Meinigen in große Noth verſetzte, gereichte jedoch meinen Mitbuͤr⸗ 
geen zum Bortheil. G. Leben 1. B. Junker, an die Nachahmung ber 
ausführlichften Niederlaͤnder gewoͤhnt, konnte ſich am wenigſten in dieſen 
Tapetonſtyl finden; jedoch bequemte er ſich, für gute Zahlung, mit Blu⸗ 
men und Früchten manche Abtheifung zu verzieren. Daf. 3. B. Gefähr- 
lich ifl’8, den Leu zu wecken, verberblich ift bes Tigers Zahn, jedoch der 
ſchrecklichſte der Schredten, das tft der Menfch in feinem Wahn. ©. Glocke. 

Anm. Sn folgendem Beifpiel aus Schiller (Zell 1, 2) ift der zweite Gag 
abgetrennt, jedoch fehlt (9. KA): Dies Haus erfreut Dich, bad wir neu 
erbauten, der Krieg, der ungeheure, brennt es nieder. 


$. 68. 


Dennoch (ahd. thannanah, mhd. dannoch, ſ. $. 97 und 52) 
ift eigentlich ein Zeltadverbium — zu ber Zeit (bann) wo, 
Bamalsnod, jegtnod; dann verflärkt fogar da no, und 
daraus adverfative Konjunktion, bie nur. eine unmittelhare Nachfolge 
ber Einräumung mit biefer im Gegenfage, nie aber die Verneinung 
bes Grundes, aber fa beſtimmt dew Gegenfag: hervorhebt, wie 
doch | 
- dag geslehte deri ciclopin (det Cyklopen) was danpach in Siciljen. Annol. 

bei W. 181, 22. der in d4 siner huote dannach niht vollecliehen (völ⸗ 
glich} lieg, Iw. hei W. 361, 18. iohannes was den nach nit gelsgt in 
bei Eerdter, B. Joh. 3, 24, dig hrunnen der waller waren dang och nit 
fuͤrbrochen. B. Spr. 8, 2. Johannes wor nad nicht ins Gefengnis 
gelegt. Da bie Brunne noch nicht mit Waffer quollen, L. — (Safe :) 
MÜ Beifall und Verehrung Hör’ ih Did. (Antonio) Unb dennoch 
. benkf Di wohl bei dieſen Morten gang etwas anders, als ich jagen will. 
©. 8.2, Über wie jeder, der eine Übelthat begangen, fürdhten muß, 
3 


* 


daß, ungeachtet alles Abwehrens, fie bennoc an’s Licht kommen werbe: 
fo muß derjenige erwarten, ber in's Geheim das Gute gethan, daß auch 
dieſes wider ſeinen Willen an den Tag komme. ©. Wo. 1,9. Dann 
fouft Du ein Argument ausgefprochen haben, das ftärker iſt als jedes an⸗ 
dere, das ich, wenn ich's auch nicht zugeben, mich ihm nicht ergeben Tann, 
dennoch recht gern aufs neue in Betrachtung und Überlegung ziehen 
will. Daf. 2, 12. Wie ich bei meinem zerftreuten Leben, bei meinem zer⸗ 
ftücelten @ernen, dennoch meinen Geift, meine Gefühle auf einen Punkt 
zu einer ftillen Wirkung verfammelte. ©. Leben 4. B. Beiftehen follen 
fie mir in meinen Plänen, und dennocd nichts dabei zu fiſchen haben. 
S. P. 2,5. (Schrewsbury:) Sie ift die Mächtige. Demüthigt Euch! 
(Maria:) Vor ihe! ich kann es nimmermehr. (Schremsbury:) Thut's 
dennodh! ©. &t. 3,3. Längſt wohl fab ih im Geift mit weiten 
Schritten dad Schredensgefpenft herfchreiten biefer entfeglichen blutigen 
That; dennoch Übergießt mich ein Grauen, da fie vorhanden iſt und 
sefhehn. S. Bom. 


——— | $. 69. 


Jedennoch — aber dennoch ift ſelten, es hebt die Beſchraͤn⸗ 
kung des Voraufgehenden beſonders hervor. 


Ich brenne, Sylvia! ach aber ohne ſchuld! denn du haſt mich entzuͤndet. 
iedennoch leid ich mit geduld den ſchaden, den mein hertz empfindet. hg. 
4, 327. er fcheint zwar ſchlecht, iedennocd ift er treu, be. 4, 117. 
(Wrangel:) Noch mit Erftaunen redet man davon, wie Sie vor Jahren, 

gegen Menfchendenten, ein Heer wie aus dem Nichts hervorgerufen. Ze: 
dennoh — (Wallenftein:) Dennoch? (Wrangel:) Seine Würden 
meint, ein leichter Ding doch möcht’ es fein, ‚mit Nichts in’s Feld zu ſtel⸗ 
len taufend Krieger, ald nur als ein Sechzigtheil davon zum Treubruch 
zu verleiten. S. J. 1, 8. 


8. 70. 


Indeß, indeffen (ahd. innan des, innan thes, inin dös, ın 
des, inne dös, mhd. innen des) find eigentlich genitiviſche Adverbien ber 
Zeit, und zeigen an, daß ein Sein in ber Zeit eines andern Seins 
Statt hat, bedeuten alfo fo viel al8 innerhalb, in der Zwifchen: 
zeit, während beffen. Als adverfative Konjunktionen verneis 
nen fie meiflens eine mögliche Ausdehnung des in der Einrdumung 
Ausgedruͤckten. 


zältun imo ouh innanthés thräto filu liahes (erzählten ihm auch indeß ſehr 
viel Liebes). O. III, 2 bei W. 91, 21. innen des zöch er den arm näher 
. zuo dem libe ba}. Wig. bei W. 463, 17. — Mit welcher Leichtigkeit, mit 
welchem Sinn erfreut fie fich des Gegenwärtigen, in deß ihr Phantafie 
das fünft’ge Glüd mit fchmeichelhaften Dichterfarben mahlt. G. Rt. 1,1. 
Ottilie war indef fen ſchon völlig Herrin des Haushalted. G. MWp..1,8. 
" Da mir denn, indeffen Ihr euch mit Bliden und Worten fehr gut uns 
terhieltet, ein hoͤchſt unerfreuliches Loos zu Theil ward. Daf. 1, 11. 
In deß bie Herrichaft fpeifte, festen fie ihren jauchzenden Zug weiter fort. 
Dof. 1, 15. Wenn Dich Antonio beleidigt hat, fo hat er Dir auf irgend 

: eine Weife genug zu thun, wie Du es fordern wirf. Indeffen, Dein 
Vergehen macht, o Zaffo, Dich zum Gefangnen. ©. T. 2, 4. Bis jegt 
alfo fehle es ihnen an einem giltigen Grunde, biefen feindlichen Weg ein- 


tr 


— 37 — 


zuſclagen; indeſſe {en poeite ven er nit, daß man ihnen zeitig genug einen 
darreichen werte, S f. d 


8. 71. 


Deſſen ungeachtet, depungenichtet (mindergut demum⸗ 
geachtet, da ungeachtet mit dem Genitiv konſtruiert wird) bedeu⸗ 
tet ohne Beachtung, ohne Beruͤckſichtigung des im Voraufgehenden 
Ausgedruͤckten, bezeichnet alſo eine nachdruͤckliche Hervorhebung des 
Adverſativſatzes im Gegenſatze gegen einen im Konceffivfag ausge: 
druͤckten Grund. Das gleichbedeutende deſſen uner achtet kommt 
ſelten mehr vor. 


Allein deßungeacht et hatten ſchon manche Gemeindeglieder früher gemiß- 
billigt, daß man die Bezeichnung, ber Stellen aufgehoben. &. Wo. 2, 1. 
Da man aud) die gewöhnlichen und bemungeadtet nur zu oft über: 
rafchenden NRothfälle durchdachte. Daf. 1, 4. Die Druderkunft war ſchon 
über hundert Jahre erfunden; deſſenungeachtet erſchien ein Bud 
nod als ein heiliges. G. Ich weiß, Du bift nicht für diefe Heirath; 
dbemungeadtet, wenn Du etwas dagegen zu fagen haft, fagen willſt: 
fo.fag’s gerade zu. G. Clavigo 4. 


g. 79, 


Gleichwol drüdt die gleich große Möglichkeit, das gleich⸗ 
große Statthaben der Einräumung gegenüber aus, hebt alfo den Ad: 
verfativfag weniger hervor als bennoch und deſſenungeachtet. 


Gleichwohlen hatte ich Fein thier gefehen, welches 2c. Sp. 1, 6. weldhe 
gleich woln offt kluͤger, als wir Menfchen handeln. Sp. 2, 19. Geſetzt, 
Rauben und Stehlen ſey dir erlaubt oder nicht, ſo weiß ich gleich wol, 
dag es wider das Gefäge der Natur iſt. Sp. &, 15. Die Sache warb 
gleichwol durchgefeht. ©. Leben 4.8. Ihr Verdienſt legte ſie als 
etwas Entſchiedenes zu den Füßen des Koͤnigs nieder; die unbefangene 
Nachwelt dürfte gleichwol Bedenken fragen, biefes gefällige Urtheil 
ohne Einſchraͤnkung zu unterfchreiben. ©. Abf. d. N 


8. 73. 


Nichtsdeſtoweniger (zumeilen auch nichtsdeſtominder) 
hebt den Abverfativfag nachdruͤcklich hervor. 


So es (das Pferd) ſich ſchon wol an dem barn abzerref, nichts deftmins 
der kegt im die halffter hindennach. Ge. 89h. Philipp felbft fing an, 
einen Rathgeber zu meiden, der nur bie Thaten feines Waters lobenswür⸗ 
dig fand; nicht deſtoweniger vertraute er ihm noch zulest feine 
fpanifchen Länder an, als ihn bie Eroberung Portugals nah Liffabon 
forderte. ©. Abf. d. RN. Sein guter Genius ftörte feine Reife noch durch 
ein unvermuthetes Hinderniß, indem ber Marquis von Bergen durch eine 
Bunde außer Stand gefegt wurbe, fie fogleich mit anzutreten; nichts⸗ 
deſtoweniger machte er ſich allein auf den Weg. ©. 


Anm. SFriftus überfegt i in feinem Wörterbuch (von 1568 ©. 868) das lat. 
nihilominus durch nüt deſtminder, nütdeſtweniger. 





— 38 — 
4. 74. 


Wenn bei den Konjunktionen doch, dennoch, d effe nunge⸗ 
achtet, gleichwol neben dem logiſchen (d. h. dem durch den 
Ton bezeichneten) Werthe des Adverſativſatzes zugleich das 
logifche Kb. h. auf der Übetelnſtimmung ober dem Gegenfag be: 
ruhende) Berhaͤltniß des Gegenſatzes fol hervorgehoben wer: 
den; fo gebeaucht man zugleich die Konjunkeion aber (0. 56), wie 
Int. sed, at, verum neben tämen. 

Wir wollen fie bewundern, aber und hoch yufammen. foren, S. Mr. 1,8, 
Er beyeifhnete feinen Abſchied mit Buahe, denn gr wußte, in wahr 
Händen er fie ließ; dennoch aber wurde durch bie Kinrichtun 
Staatsrathes dem aiederiandifchen Adel mehr geſchmeichelt, als wir —* 
Eiaflutßz gegeben. S. Abf. d. R. Biglius wurde ber Praͤfide entenftelle im 

geheimen Retbhe wor entlaffen, mußte fie aber deſſenungeachtet 

noch ganzer vier ze fort verwalten. Das. Es ift wahr, ein Menſch, 
ber fo lebt, wie Sippias, muß fo denken ; und wer To denkt, wie Hippias, 
wuͤrde ungläcdtich fein, wenn er nicht fe leben Ebrmte; aber ih muß 

gleichwol laden, wenn ich an ben Ton ber Anfehlbarkeit denke, mit 
dem er ſprach. wieland. 

Anm. über die Verbindung von doch (früher auch je), dennoch, 
deſſenungeachtet, gleichwol mit und ſ. $. 10. 


s. 75, 


Bei den durch aber, alkein, bad, jedoch, dennach, 
gleichwol, indeffen verbundenen Sägen wird oft der Gegenſas 
zugleich durch die in dem Konceſſivſatze fiehenden Korjunktionen 
zwar, freilich, wos bezeichnet. — Zwar (ab, ri wäre, ai wäre, 
mbb. zewäre, zwär) eigentlih zum Wahren, in Wahrheit; 
dann verfichernde, bekraͤftigende Partikel; fpäter wie eine Gewißheit 
der Finräymung ausdruͤckende Partikel. — Freilich (mhd. vrfliche, 
pom ahd. Adjektis Srilih, dies von frei, goth, frei, .abk. alas. frt, 
mb. vri, agf. frio,. freo, frig, freah, freoh) bedeutet eigentlich Frei; 
dann foviel als ohne Beſchraͤnkung, ohne Bedenken, frei heraus; be- 
fagt bier die Freiheit und Unbedenklichkeit, das Offenbarfein, welche 
is der Einraͤumung liegen. — Wol (abi. mhh. wol, geth. vaila, 
altf. wel, agf. w&ola, altn. ve, engl. wel) bedeutet sigentlih ohne 
Zweifel, gewiß; dann leichtlichz deutet bien mehr aber weni- 
ger auf eine bloße Möglichkeit des Eingeräumten, den Vorbehalt 
eines Zweifels bei fi zulaffend. 
fr habet zwar baß 9— alles gethan, doch weichet nicht hinder dem Herrn 
L. 4. Kbn. (Sam.) 12,20, er ſcheint zwar ſchlecht, ie dennoch 
if er Iren hg. A, 117. effen fol man zwar, gber J Wereffen iſt un⸗ 
geſund. Sp. ‚A. — 3 war fchmeigt * auch von dir; doch haben hin⸗ 
geworfne Motte min elehrt, daß feine Seele feft den Wunſch ergriffen 
bat dich zu befigen. ©. 3.1, 'e. Sie fand zwar bei diefer Unterfurhung 
nichts Heuss, aber manches Bekannte warb ihr bedeutender und auffal= 
Iender. &. Wv. 1,6. Gang konnte ich zwar das Gebicht nicht leſen; 
ed waren aber Stellen, die ic) auswendig wußte. G. &j.1,7. Es hatten 


— 89 — 


ſich zwar ſeit ber Zeit die Umſtuͤnde ſo verändert, es war Tb mancherlei 
vorgefallen, daß jenes dom Augenblick ihm abgedrungene Wort gegen bie 
folgenden Eveigniſſe für aufgehoben gu achten wars dennoch weite ſie⸗ 
auch im entfernteſten Sinne weder etwas wagen, noch etwas vornehmen, 
das ihn verlegen Einnte. Daf. 2, 15. Da es aber freilich nicht immer 
ſchicklich fein mag, und ich nicht jebergeit meine Geſchichte ergähten kann ; 
fo will ich mich künftig mehr gurückhalten. Daf. 1, 6. Docieren Tannfl 
Du Züchtiger freilich nicht, Tehren aber kannſt Du und wirft Du. ©. 
Kom Kaifer freilich hab’ ich diefen Stab; doch führ ich jegt ihn als 
bes Meiches Feldherr. S. P.2,7. Es kann wohl fei, daß der Menſch 
durch Öffentliches und haͤusliches Geſchick gebrofhen wird, allein das 
rüdfihtslofe Schickſal, wenn es die veihen Garben teifft, zerknittert nur 
das Stroh, die Körner aber ſpuͤren nichts davon. G. Wohl ſteht das 
Haus gegimmert und gefügt, doch ach, es wankt der Srund, auf ben wir 
bauten, © 814,2. Es gibt wohl zu diefem ober jenem Geſchaͤft von 
Ratur umnzulängliche Menſchen; Uebereilung und Duͤnkel jedoch find 
gefährliche Dämonen, bie den Faͤhigſten unzulänglich machen. G. . 
Anm. „Endlich gibt es eine Reihe enclitifcher Partikeln, urfprünglicher 
Abverbien, die zugleich Konjunktionen werden, leife, oft kaum überſetz⸗ 
bare, Verbindungen ausbrüdend. Dahin rechne ich das nhb. wohl, 
eben, gerade, nun, freilidh, einmal,” Grimm IIl, 286, 


Drittes Rapitel. 
3, Begründete Säge. 


$. 76, 


Die beigeordneten Säge begründen einander (fliehen in kau⸗ 
falem Verhaͤltniß), wenn der Inhalt des einen als die Urfache für 
den Inhalt des andern zu betrachten if. Der eine Sag enthält den 
Grund, der andere die Folge; daher heißen diefe Saͤtze auch Kaufal: 
und Konſekutivſaͤtze (Urfach: und Folgefäge) Der 
Grund (die Urfache) kann ein realer (ſinnlich anfchaulicher, finnlich 
wahrnehmbarer), ein moralifther (auf Begehren oder Berabfcheuen 
ruhen) ein logiſcher (auf. Erkennen und Urtheilen beruhender) 
fein. In Bezug auf die Stellung ift zu bemerken, daß der den Grund 
“ wie der die Folge enthaltende Sag voran oder nachftehen kann. Die 
bier zu erwähnenden Konjunktionen find: daher, deshalb, des⸗ 
wegen, darum, um bes willen, demnad, fonad, Io: 
mit, mithin, fo, alfo, folglidh, denn. 


8. 77, 


Dahher bedeutet eigentlich von biefem, d. 5. einem beflimmten 
Orte ber, und dient als Konjunktion vorzüglich zue Bezeichnung einer 
natürlichen Wirkung, die aus dem im unmittelbar vorhergehenden 
Gage Ausgedruͤckten hervorgeht, d. h. zur Bezeichnung ber Folge aus 
bem fogenannten realen ober als real gedachten Grunde. 


— 40 — 


Sie wußte recht gut, daß nichts gefährlicher ſei, als ein allzu freies Se⸗ 
ſpraͤch, das einen ftrafbaren oder halbſtrafbaren Zuftand als einen ges 
wöhnlichen, gemeinen, ja löblihen behandelt. Sie fuchte daher nad” 
ihrer gewandten Weile das Geſpraͤch abzulenken. &. Wp. 1,10. Bie 
wollte keinen feierlichen förmlichen Zug, und man fand fih daher in eins 
zelnen PYartieen, ohne Rang und Orbnung, auf dem Play gemächlich ein. 
Daf. 1, 15. Es (das Theater) ift von einem roͤthlichen Marmor gebaut, 
‚ven die Witterung angreift; daher flellt man der Reihe nach die ausges . 
freffenen Stufen immer wieber ber. G. ital. Reife Berona 16. Sept. Ein 
bunfles Gerücht davon hatte fih auch ſchon in dem fpanifchen Lager ver- 
breitet, man war baher auf einen ernftlichen Angriff gefaßt. &. Bel. v. 
Antw, Die böhmifchen Wrüder unterfchieden fi in Nichte von den übri- 
gen Utraquiften; das Urtheil ihrer Verdammung mußte baher alle böh- 
mifhen Konfeffionsverwandten auf gleiche Art treffen. S. 30j. Kr. Liebe 
ift ein Herabfteigen, da die Achtung ein Hinaufllimmen if. Daher 
kann ber Schlimme nichts lieben, ob er gleich Vieles achten muß; daher 
kann ber Gute wenig achten, was er nicht zugleich mit Liebe umfinge. ©. 

über Anmuth und Würde. 


$. 78. 


Deshalb (im 16. Jahrh. derhalb, derhalben, ahd. des 
halp — von deffen Seite, vom ahd. halpa, halba, mhd. halbe, mnd. 
halve, agf. half, healf —= Seite, Richtung) bedeutet von Seiten bes 
im VBorhergehenden Ausgebrüdten, von Seiten oder in Rüdficht der 
im VBorhergehenden ausgedrüdten bewegenden Urfache, weiſt alfo auf 
einen moralifhen Grund. 


Beſonders war fie forafältig, alle Zugluft abzuwehren, gegen bie er eine 
übertriebene Empfindlichkeit zeigte, und des halb mit feiner Krau, ber es 
nicht luftig genug fein Eonnte, manchmal in Widerfpruch gerieth. G. Wo. 
4,7. Diefe wußte zwar um bie Ankunft Zucianens ; im Haufe hatte fie 
deshalb die nöthigften Vorkehrungen: getroffen. Daf. 2, A. Eben fo 
werden bie Steuern fort erhoben, die ber Krieg nöthig machte. Dess 
halb fegte denn auch Darius Codomannus, vorfidhtig, regelmäßige Ab⸗ 
gaben feft, ftatt freiwilliger Geſchenke. ©. Noten z. weftöftl. Divan. 


$. 79. 


Deswegen (wegen fcheint Pluralgenitiv, mhd. wäögene, 
altn. vegna; das nhd. könnte auch Pluraldativ fein von Weg) zeigt 
überhaupt an, daß der vorhergehende Sag den Beweggrund, 
d. h. den moralifchen Grund der That enthalte. 


Du denkſt nur anders, und Du glaubft deswegen ſchon recht zu denken. 
G. J. 4, 4. Jedes Übel foll an der Stelle geheilt werben, wo es zum 
Vorſchein kommt, und man befümmert ſich nicht um jenen Punkt, wo es 
eigentlich feinen Urfprung nimmt, woher es wirt. Deswegen ift es 
fo [hwer Rath zu pflegen, befonders mit ber Menge, die im Täglichen 
ganz verftänbig ift, aber felten weiter fieht als auf Morgen. G. Wo. 1,6. 
Der gewandte Mann, dem es freilich nur darum zu thun war, Ottilien 
zu fprechen, und fie deswegen unter irgend einem Vorwande aus dem 
Zimmer zu loden, wußte fich zu entfchuldigen. Daf. 1,17. Man ift nie 
mals mit einem Porträt zufrieden von Perfonen, die man Eennt. Des: 
wegen habe ich die Porträtmaler immer bedauert. Daf. 3,2. Das 


_.. 4 — 


Wahre ift eine Fackel, aber eine ungeheure, deswegen ſuchen wir alle 
nur blingend fo baran vorbei zu kommen, in Furcht ſogar uns zu ver 
brennen. G. Mar. u. Refler. 2. 


$. 80. 

Darum (ahb. umpi, umbi, mhd. umbe, äfternhd. umb, agf. 
ymbe, ymb, altn, um) bat zunaͤchſt räumliche Bedeutung „um das“, 
dann eine Beziehung auf das im vorhergehenden Sag Ausgebrüdte, 
und wird vorzüglich gebraucht, um einen Beweggrund, d. h. mo: 
ralifhen Grund auszudrüden, zumellen aud), um einen realen 
und logiſchen Grund auszudrüden. 


er zandt vnd hadert, Darum b nennen fie jhn den Greiner. A. 1096. Wie 
er finnt, befüccht’ ich andern harten Schluß von ihm, den unaufhaltbar 
er vollenden wird: denn feine Seel’ ift feft und unbeweglih. Drum 
bitt’ ich dich, vertrau ihm, fei ihm dankbar. G. 3.1, 2. Du machſt bir 
Müh’ und mir erregft du Schmerzen; vergebens Beides: barum laß 
mid nun. Daf. A, 2. Freigebig bieteft du mir fchöne Gaben, und ihren 
Werth erkenn' ich wie ih fol. Drum laß mich zögern eh’ ich fie ergreift. 
G. J. 2, 3. Ihn mußt! ich ehren, barum liebt’ ich ihn. Daf. 3, 2. Ich 
zweifle nicht am Abel der Geburt, nicht am Vermögen, biefes Haufes 
Rechte, die groß und wichtig find, dir zu gewinnen. Drum laßt mid 
bald vernehmen, was ihr denkt. G. Nt. 5,4. DerHohen Demuth leuch⸗ 
tet hell dort oben; bu beugteft bi, drum bat er dich erhoben. &. Ivo. 
1, 10. Aber auch aus entwölkter Höhe kann ber zündende Donner fchla= 
gen. Darum in beinen fröhlichen Zagen fürchte des Unglücks tückiſche 
Nähe! S. Bom. Was er auch bringen mag, er darf den Meutern nicht 
in die Hände fallen. Drum gefhwind, ſchickt einen fihern Boten ihm 
entgegen. S. T. 3, 10. Nichts nennt er fein, als feinen Ritterman- 
tel, drum fieht er jedes Biedermannes Gluͤck mit fcheelen Augen gift’ger 
Mißgunſt an, S. 31. 1,2. Genommen ift bie reiheit, nicht gegeben; 
drum thut ed Noth, ben Baum ihr anzulegen. Daſ. Nirgends durch⸗ 
drang mich dieſe Wahrheit fo lebhaft, ala bei der Gefchichte jenes denk⸗ 
würbigen Aufruhrs, der die vereinigten Niederlande auf immer von ber 
fpanifhen Krone trennte; und Darum achtete ich es bes Verſuches nicht 
unwerth, diefes Tchöne Denkmal bürger!iher Stärke vor der Welt aufzu⸗ 
ſtellen. &. Abf. d. N. Einleitung. 


8. 81. 


Umdeswillen bezeichnet ten im Vorhergehenden ausgedruͤck⸗ 
ten Gegenſtand als etwas Perſoͤnliches, das durch ſeinen Willen 
uns beſtimmt. Dieſe Kauſalkonjunktion kommt ſelten vor. 

Großmaͤchtigſter König und Herr Herr! es entfalle keinem ber Muth um 
deswellen;, wenn Ihro Majeftät mir erlauben wollen, fo will ich bins 
geben und mit dem gewaltigen Riefen in den Streit treten (fagt Davi 

zu Saul in Bezug auf Goliath). ©. Li. 1, 2. 


$. 82. 


Demnach und fonach, eigentlich dem Vorhergehenden nad): 
folgend, find bier ſowol in die Bezeichnung einer auf die im vorher- 
gehenden Sage ausgedruͤckte Thatfache fi ſtuͤtzenden Erkenntniß, 





—ı1 — 


nis auch im die der Angenseftenheit des Einen zu dem Andern uͤber⸗ 
. gegangen. In dern legten Fall leiten beide Wörter den Satz als 
irgend dem Inhalt des vorhergehenden angemeffen ein, deuten 
alfo hiermit das Verhältniß ber Folgerung weniger beſtimmt an, als 
olfo und folglich. Sonach hebt (wegen bes hindeutenden fo) 
den Begriff der Angemeſſenheit fehärfer hervor und bezeidhnet vors 
zugsweife die Größe und Beſchaffenheit des Grundes. 

Etwas mußte nothwendig gefchehen, che der König die Unruhen durch feine 
perfönlihe Gegenwart beizulegen unternahm; es wurden dem nach zwei 
nerfchiedene Schreiben an die Herzogin erlaffen. ©. Abf. d. N. Zwölf 
Regimenter gilt es, ſchwediſch Volk, Mein Kopf mug dafür haften. Alles 
tönnte zulegt nur falfhes Spiel — Muß demnac, darauf beftehn, daß 
Herzog Friedland förmlich, unwiderruflich mit dem Kaifer breche. ©. 2. 
1,8. — Und ſonach meine ritterliche Abſage nur Burg. Leffing. 


6, 83, . J 


Somit und mithin bezeichnen, ohne den Begriff der Ange⸗ 
meſſenheit in fih zu enthalten, das Verhaͤltniß ber Folgerung be: 
flimmter, al8 demnach und ſonach, indem fie die Kolgerung ale 
etwas mit dem Grund Gegebenes darftellen, alfo, daß zugleih mit 
dem einen Sag auch der andere gegeben fi. Somit hebt (wegen 
des hindeutenden fo) fohärfer hervor, und beutet vorgugsweife die 
Stärke und Befchaffenheit des Grundes an. Da aber im Sage be: 
fonders das Prädikat zur Bezeichnung der Beichaffenheit dient, fo 
gehen ſonach und ſomit mehr auf das Prädikat, bemnacdı und 
mithin mehr auf das Banze des vorhergehenden Satzes. 


Der Menfch ift zur zarteften Gefunbheit, zugleich aber zur ftärkften Dauer, 
mithin zur Ausbreitung über die Erbe organifirt. Herder, Ideen. 


§. 84. 


Alſo (ahd. mhd. alsd, f. $. 35) war früher bloß ein Adver⸗ 
bium der Weife all fo, ganz fo, und tft erft im 16. Jahrh. in der 
Bedeutung einer Faufalen Konjunktion in Gebrauch gefommen. Alſo 
hebt zwar die Kolgerung aus dem Vorhergehenden hervor, bezieht diefe 
aber nicht immer auf einen unmittelbar vorangehenden Sag, ſondern 
wird auch da gefest, wo das Worangehende, e8 mag dies nun eine 
Rede fein oder nicht, nicht ſelbſt Grund iſt, fondern nur diefen enchätt 
oder vorausfegt. Alſo wird gern gebraucht, wenn eine Folgerung 
nur in Frage geftellt wird. Alſo folgert auch oft aus den Ausge⸗ 
Lafjenen, oder fehreitet von demfelben fort, fteht darum im Anfang 
eines Ganzen (wie und $. 16, aber $. 58). 

Der Graf wird nicht ausbleiben, er Eommt morgen. Da ift alfo auch bie 
Baroneffe nicht weit. G. Wo. 1,9. (Berzogin:) Er hatte feine Zunge 
mehr für Sie. (Wallenftein:) Die Sonnen alfo feheinen uns nit 
mehr. ©. 9.2, 2. Lieferten fle fich ihrem aufgebrachten Herrn wehrlos 
in die Hände, fo war ihr Untergang gewiß; aber ber Weg ber Waffen 
tonnte ihn menigflens noch zweifelgaft machen; alfo wählten fie das 


Letzte. S. Abf. d. N. 4. B. Eipen ſolchen Vorrath aufzuſchuͤtten fehlte 
es beim Anfang der Belagerung keineswegs weder an Lieferungen noch 
an Geld. Es kam alſo bloß darauf an, zu verhindern, daß nicht einzelne 
von den vehhern Blirgern die Borräthe auflauftn. S. Bel. v. Antw. 
—* außerdem, daß kunt Mangel baran (cm Fahrzengen) war, fo hielt es 
Me ah Fan 7 Verlaſt am Antwerpen norbeigubringen, Gr 
mußte ch alfo einftweilen bamit begnügen, ben Fluß um bie Hälfte ver: 
engt | und den n Durdäugt der z Teinblien Schiffe um fo viel Tchwieriger ge: 
t zu Das alfo Find die Neigungen Lord Peter, die 
ungeftraft Icn mn echlict, daneben Tan anderes Weib ſich magen darf 
gain! ©. dr 4, Alſo das wäre Verbrechen, daß «inf Yropeus 

- ai begeiftert, 2 Martial fh zu mir auch, der verwegne gefellt ? 
Herm. u. Dor. Diefe Tage fcheinen alfo uns beiden nicht die günftig- 

ften gewefen gu fein. G. Briefw. m. Si. A, 234. 

Anm. Am vertraulichen Brief gebrauht Goethe biefes alſo oft im An: 
fang, namentlich in den Briefen an Belter, 5 B. B, ME: Hier kommen 
alfo die Wanderjahre. 3, 229: Alſo guvörberft Süd, 8, 108: Alfo 
will ich nor: allen Dingen melden. &, 150: Zuvorderſt alfo ſchoͤnſten 
Denk, 4,189; Glück alfo und gutes Behegen.: 


8. 86. 


Sp ($. 35) iſt urfprünglich ein Adverbium des Maßes, ber 
Art und Weile, und ſteht neuhochdeutſch, jedoch nicht fehr häufig, als 
Enufale Konjunktion, meiftens in Verbindung mit denn und zwar, 
wie Denn, an der Spige des Satzes, welcher, der Kolgerung nach⸗ 
folgend, den Grund enthält und dieſen Grund befonderd herpochebt. 
Se wird, wie alfo, gem gebucht, wenn eine Folgerung nür in 
Feage geftedt wird. — Wie al ſo ($. 84) ſteht auch fo zumeilen am 
Anfang eines Ganzen, gern in Verbindung mit denn. 

Er Bonn mir nicht mehr trauen; To kann ic) auch mit mehr zuräd. ©. 
{BöR:) Meine Rechte, obgleich ime Kriege wicht unbrauchbar, ift gegen 
den Drad der Liebe unempfindlich: fie iſt eins wit ihrem Handſchuh; ihr 
ſeht, sw it Ciſen. (Martins) &o feib ihr Götz von Berlichingen! ©. ©. 
I. — Sp treibſt dus mit den Schweden nur gum Schein? ©. 2. 3, 15. 
So wißt ihr's nicht, wie dieſer Laͤrmen ind Lager am? Daf.3,10.— So 
haͤtte ich mich benn wieber angezogen. &., Brei. zu Jfflands a. u. m. Zeit. 

So will ih benn auch vermeiden, G. au Zelter 4, 440. So waren wir 

denn an ber Gränze von Frankreich alles franzoͤſiſchen Weſens auf eins 
mal bar umd ledig. G. Echen 14.8. 


8. 86. 


Folglich (ahd. folgitho), friiher ein Adjektiv und Adverdium 
nachfolgend, [päter, bezeichnet als Konjunktion beſtimmt Die 
Solgerung, und verbindet diefe immer unmittelbar mit dem vor: 
angehenden den Grund ausdrüdenden Sage. 

Die Grafichaft Fam an bie Grafen von Habsburg und folglich (darauf) 
an das Hand Defterreich. Bluntfchli, — Da macht ihr einen Streich, zu 
bem man, wenn man ihn als ein Subftantivum betrachtet, verfchiebene 
Abiekting, FACH olglich, wenu man I ale ensund betrachtet, verſchie⸗ 
bene — itate hben Könnte, 8. 8j.8, 7. 


hi 
g. 87. 


Denn ($. 52) gibt als Kaufallonjunktion den Erkenntnig- 
grund an, ift alfo erläuternd, und wich befonderd gefegt, wenn das 
kauſale Urtheil (befonders ein Logifcher, aber auch ein realer und mo⸗ 
ralifcher Grund) im Verhältnig zu dem vorausgehenden Urtheil her⸗ 
vorgehoben wird, verbindet alfo den Sag des Grundes als einen 
Hauptfag. Früher fland denn aud als Eaufales Relativ in un= 
tergeordneten Sägen (da, weil). — Als konjunktionelles Adverbium 
bezeichnet Denn eine Kolgerung aus einem in der vorangehenden 
Rede ausgedrüdten oder auch nur hinzugedacdhten Grunde, und hebt 
das logiſche Verhältniß hervor. | 


. Mihhil götlich ist da3 der man den almahtigun truhtin sinan fater uuesan quidit. 
:karisit denne daz3 allerö mannd uuelih sih selpan des uuirdican gatuoe, 
cotes sun ze uuesan (fehr herrlich ifl, daß der Mann [Menſch] den all- 
mächtigen Herren feinen Vater fein faget. Es geziemt benn [baber, alfo], 
daß aller Männer [Menfchen] jeglicher fich felben würdigen [würdig] thue 
[made] Gottes Sohn zu fein). Pater noster bei W. 83, 14. Ibu sie ant- 
uurdant endi quhedant. in angilo.. Inu ni angil nist anaebanchiliih gote. 
Dhanne so dhrato mihhil undarscheit ist. undar dhera chiscafti chiliih- 
nissu. endi dhes izs al chiscuof (wenn fie antworten und fagen: nach [bem 
Bilb der) Engel; ift nicht [ber] Engel an eben [gang] gleich Gotte, da fo 
fehr großer Unterfchied iſt zwiſchen des Gefchöpfes Gleichniß und bes 
[deffen, der] es all ſchuf?). 1. 3. bei W. 34, 33. Do mit würt ab gon 
bald die ler, dann kunst gespyset würt darch ere. Brant, Narrensch. bei 
W. 1070, 30. — Stand, Ehrifte, für, dann du in (ihn, ben Tod) über: 
wunben haft. Zwingli. benn meldhes tages bu da von ifleft, wirftu ‚bes 
Zobes fterben. L. 1. Mof. 2, 17. Selig find, die da geiftlih Arm find, 
benn das Himelreich ift jr. L. Matth. 5, 3. — Ein einz'ger Reitknecht 
nur war im Geheimniß, wie wir vermuthen; denn auch er ift fort. ©. 
Rt. 3,2. Das Schloß haben bie Alten mit Vernunft bieher gebaut: 
denn es liegt gefhüst vor den Winden und nah an allen täglichen Bes 
dürfniffen. G. Wp. 1,7. Nach und nad) ftellten viele Gäfte fi ein: 
denn man hatte die Einladungen weit umber gefchidt. Daf. 1, 18. 
Laflen Sie ſich's nicht gereuen: denn es haben uns biefe Scherze manche 
vergnügte Stunde gemacht. ©. 8. 1,2. Selbſt ein Unfall, wenn er ihn 
verbrießlich überrafcht, erichrect ihn nicht, benn er weiß ſogleich, was 
für erworbene Vortheile er auf bie andere Wagfchale zu legen hat. Daf. 
1,10. Zum Schein iſt er (der Schaufpieler) berufen, er muß den augen: 
blicklichen Beifall Hoch ſchaͤtzen, denn er erhält Keinen andern Lohn; er 
muß zu glänzen fuchen, denn beswegen fteht er da. Daf. 7,3. Des 
echten Künftlers Lehre fchliegt den Sinn auf; denn wo bie Worte feh⸗ 
Yen, fpricht die That. Daf. 7, 9. Jede Provinz liebt ihren Dialekt: 
denn er ift doch eigentlich dad Element, in welchem bie Seele ihren Athem 
fchöpft.. ©. Leben 6. B. Vieles wünfcht ſich der Menfch, und doch bedarf 
er nur wenig; denn bie Zage find kurz, und befchräntt. der Sterblichen 
Schickſal. G. Hd. 5, 13. Der Augenblid nur entfcheidet über das Leben 
des Menfchen und über fein ganzes Gefhide; Denn nad) langer Bera⸗ 
thung ift doch ein jeder Entfchluß nur Werk des Momente. Daf. 5, 58. 
Furcht fol das Haupt des Glücklichen umfchweben: denn ewig wanket 
bes Sefchides Wage. S. T. 8, 4. Gr hat das Glück von Tauſenden ge⸗ 
gründet, denn koͤniglich war fein Gemüth. Daf. 4, 2. Du felber folft 
6 


‘ 


uns fagen, was du vorhaft, venn bu bil immer wahr mit uns gewefen. 
Daf. 3, 15. Borwärts mußt bu, denn rüdwärts kannſt du nun nicht 
mehr. ©. 9.1, 3. Fremdlinge ftehn fie da auf diefem Boden; der Dienft 
allein ift ihnen Haus und Heimat. Gie treibt der Eifer nicht für's Va⸗ 
terland: denn Zaufende, wie mich, gebar die Fremde. Daf.1,2. Und in 
ber Eiche Schatten faß ich gern, die Herbe weidend; denn mich zog das 
Herz. S. Ivo. 1, 10. Durchziehe London, wenn bie blut'ge That ges 
fhehen, zeige dich dem Volk, das fonft ſich jubelnb um dich her ergoß, du 
wirft ein andres England fehn, ein andres Volk; denn dic umgibt 
nicht mehr die herrliche Gerechtigkeit, die alle Herzen dir befiegte! S. St. 
4,9. Wir haben uns in bes Kampfes Wuth nicht befonnen und nicht 
- berathen; denn 'uns bethörte das braufende Blut. S. Bom. Zürnend 
ergrimmet mir das Herz im Bufen; zu dem Kampf ift die Kauft geballt. 
Denn ich fehe das Haupt ber Mebufen, meines Feindes verhaßte Geftalt. 
Daſ. Du darfft es (dein Haus):zeigen, fo gut bet Reichsfuͤrſt feine Laͤn⸗ 
der zeiget: denn über bir erfennft du keinen Herrn, als nur den Hoͤchſten 
in ber Chriftenheit. ©. 21. 1,2. est iſt uns Muth und fefte Eintradht 
noth; benn feid gewiß, nicht fäumen wird der König, den Tod zu rächen 
Teines Vogts. Daf. 8, 1. — Dies tft der Tag, der mir die Kunde bringt 
von ihrem Anzug; feib denn bereit, die Herrſcher & empfangen. S. 
Bom. Wollen wir einander denn ewig befehden? Daf. Doch, es ge: 
bührt fich, daß die Kommandeurs aus Ihrem Wund des Kaifers Willen 
hören. Gefall’ ed Ihnen denn, ſich Ihres Auftrags vor biefen edlen 
Häuptern zu entledigen. S. 9. 2,7. So wifledenn! Man hintergeht 
Did. Daf. $, 1. Die heil’ge Meſſe Hört’ ich gern, doc) liegt mir krank 
ber Sohn; fo gehe denn, mein Kind, und fprich in Andacht ein Gebet 
für mid. S. Gang n.d. E. Das Verjchweigen wird nichts helfen, fuhr 
er fort: denn es ift alles Thon genugfam bekannt. Was ift denn be: 
kannt? fagte ich. &. Leben 5.8. So flrömt ihr Klagen denn! G. Rt. 
.3,2. So iſt's denn wahr, was, in ber Kindheit ſchon, mir um das 
Ohr geflungen! Daf. 5, 8. 
Anm. Goethe gebraudt gern diefes eingefchobene benn, felbft im An⸗ 
fang eined Ganzen, meift in erbindung mit fo ($. 85) und und 
fo ($. 18). 


8.88. 


Der logifche Werth eines Grundes wird insbefondere oft durch 
die Auslaffung der Konjunftion hervargehoben. 

Und diefe Pflicht (Gehorfam), mein Sohn, verfegt der Meifter, haft Du frech 
verlegt. Den Kampf, ben das Gefeg verfaget, haft Du mit frevlem Muth 
gewaget! S. Kampf m. d. Dr. Sch muß ihn feiner Unſchuld anver: 
trauen. Xerftellung ift der offnen Seele fremd. &; 9.1,3. Di nicht 
hafſ' ich, nicht Du bift mein Feind; Cine Stabt ja hat uns geboren. ©. 
Bum. Der graue Thalvogt kommt; bumpf brüllt der Kirn; der My: 
thenftein zieht feine Haube an, und kalt hei bIäft es aus dem Wetterlodh: 
der Sturm, ich mein’, wirb da fein, eh’ wir’s denken. & 1. 1,1. Die 
Unfchuld bat im Himmel einen Freund: fieh vorwärts, Werner, und nicht 
hinter Dih! Daf. 1,2, Das Was des Kunſtwerks intereffirt die Mens 
fhen mehr, als das Wie: jenes Eönnen fie einzeln ergreifen, diefes im 
Ganzen nicht faſſen. &. Unter allem Diebögefinder find die Narren bie 
fhlimmften;, fie rauben Euch beides, Zeit und Stimmung. G. Betracht. 
im S. d. W. Shakeſpeare ift für aufkeimende Zalente gefährlich zu les 
fen; er nöthigt fie, ihn zu reproduciren, und fie bilden ſich ein, fich felbft 
zu produciren. G. Dar. u. Refler. 1. 


Anm Ahb. für de das Mnufale Benm hwanta, hama, wanta, mhd. 
waude, wan, älternhd. wann, älternennieberd. werte, "welche Formen 
fich fange erhalten haben, 5. B. in ben Bibelüberjegungen Watth. 8,3f.) 
bis ins 16. Jahrh. 


Zweiter Abfchnitt. 
Satzgefüͤge. 


9. 80. 


Das Satz gefüge beſteht nothwendig aus einem Haupt⸗ 
und einem Nebenfag (H. 6). Ieder Nebenfatz, welcher alt un⸗ 
tergeorbnetes GSlied eines Hauptfatzes erſcheint, iſt als eine weitere 
Ausfuͤhrung einer Nebenbeſtimmung eines Gliedes des Hauntſabes 
zu betrachten 


$. 90. 


Diefe Erweiterung eines ober mehrerer —ã bei Daupslages 
iſt verſchieden, und war im Algemeinen dreißacher A 
1) Das Subjekt oder Objekt des —— ober auch 
der ganze Hauptſatz wird durch einen mit dem Relatiupronomen 
(ober einer Velativkonzumnktion) eimgeleiteten Satz emmeitert. 
— Desicht ſich das Metativ auf ein Subſtantiv, ‚fo daß der Nebenſatz 
gleihfam die Stele eines Adjektivs vertritt, fo heiße er auch Ad⸗ 
jeftios oder Attributinfag; bezieht es fich auf ein (meiſt be: 
monftratives) Pronomen, fo heißt ee Subftantivfag 
2) Der Nebenfag enthält ein ergänzendes (näheres oder entfern- 
teres) Objekt, und ift eingeleitet durch die Konjunktion (den Satz⸗ 
artikel) daß, oder ein Fragewort, befonders ob. Diefer Sag heißt 
fubftantivifher Kafusſatz, auch Dbjektafas. 
HD Das Prädikat des Hauptjages wird durch einen mit einer 
Konjunktion eingeleiteten Neobenfag näher beſtimmt. Disfer Sag 
beißt Kdverbialfes. 


$. 91. 


Die VBerhältniffe des Momans in den einzelnen Sägen: des 
Satzgefuͤges find wis im einfachen Sage Dasſelbe iſt der Kal bei 
Genus, Numerus und Perfon bes Verbums Diefe Ver: 
haͤltniſſe bedücfen darum hier keiner weiten‘ Beözterung, wol aber die 
Modus: und. Zaitverh altniſſe 


Erſtes Kapitel. 
Modus und Zeitverhältniffe im Sapgefüge. 
1. Modusperhältniffe. 
$. 92. 


Altes, was geradesu, ohne Zweifel und: Unficheoheit gemeldet und 
als ein Warkliches bezoichnet werden fol, fällt dem Indika tiv am 
beim, namentlich auch der Ausruf und die direkte Frage. 
Nach von Intetjektlonen des Ausrufs pflegt auch die Konjunktion 
daß sen Jndilatis na ſich zu haben, wobet der mehrfache Satz nur 
als Erweiterung aus dem einfachen hervorgeht. 


8. 93. 


Wie der Indikativ auf das MWirklihe, Sichere, fo geht der 
Konjunktiv auf das Wögliche, Unſichere. Zwiſchen Optasin 
und Konjumftiv liegt der Unterfchied, daß jener [ubjeftine, 
diefer objektive Möglichkeit in fi ſchließt. Beide, das Homeriſche 
BarosoHto und AdincFa verdeutſchen mir mit wurfefl du, doch er: 
ſteres bedeutet: ih wollte, du würfefl; legteres: sefhäbe, 
daß du wärfeft! Weil aber das Subjektivmoͤgliche oft wuͤn⸗ 
ſchend ausgedruͤckt wird, führt der ganze Modus auch den Namen 
O 2 tativ. 


8. 94. 


Indikativ und Optativ erfcheinen im einfachen wie im mehrfachen 
Sage; ber Imperativ verträgt nur den unabhängigen, der Zonjumbtiv 
nur. den abhängigen Sag, meniaftens in der deutſchen Sprache. 
Sprachen, die Optativ und Konjunktiv zufammenmerfen, müffen 
dann freilich den Konjunktiv auch für einfache, unabhängige Säge 
zulaffen, d. h. einen folchen, der dem Begriff des Optativs entſpricht; 
namentlich ift der den Smperativ vertretende Konjunktiv nothwendig 
ein optutivifcher. 


$. 95. 


Das Präteritum (Imperfelt) des Konjunktivs führt in 
den romaniſchen Grammatiken den Namm Kondttionalis, der 
von da auch fn die deutfche Grammatik übergegangen ift. Der Kon- 
distonalis fleht in naher Analogie mit dem Futurum. Zuerſt wurde 
ex, win das Futurum, mit ſollen gebildet, und fo gefchieht es noch 


- heute in jenen Dialekten, die ſollon fuͤr das Futurum verwenden. 


Das franzöfifche jaimerais (ich würde lieben) wird neuniederländifch 
gegeben ik zoude beminnen, engliſch i should love, ſchwediſch jag 


— #3 — 


skulle alske, daͤniſch jeg skulde elske; nicht anders mittelhoch⸗ 
deutſch ien solde minnen. Daneben heißt es mhd. aber auch ich 
wolde minnen; ein mhd. ich würde minnen iſt bei den Dichtern 
des 13. Jahrh. ebenfo unerhört, als dag Präfens ich wirde zur Um: 
fchreibung des Futurums. Am 14—15. Jahrh. begegnen einzelne 
Beifpiele: würdent [hägen (aestimarent) Ls. 1,15., im 16. Jahrh. 
ſteht würde fagen in der Sprache faft wie werde fagen. Die bei 
dem mangelnden Umlaut an follte und wollte weniger deutliche 
Eonjunftive Form iſt an würde unverkennbar; der Konditionalis 


muß darum als eine konjunktive Zeit, niche als eine indikative betrach⸗ 


tet werben. — Zu dem erflen Konbitionalis (Imperfekt) kam ſpaͤter 


ein zweiter (Plusquamperfekt): ih würde ſprechen, ich wärbe 


gefprochen haben. 
8. 96. 


Der Bedeutung nad) trifft der Konditionalis, zumal in der frü- 
beten Zeit, noch ganz mit dem einfachen Präteritum (Imperfekt) des 
Konjunktivs zufammen. Das ahd. sö ne stunche iz Not. ps. 5, 11., 
das mhd. disiu zuht gienge billicher über mich Iw. 1678; vor im 
genzse niemen Ben, 380 entfpriht einem nhd. würde es nicht 
flinten; dieſe Zucht würde billiger über mid gehen; vor ihm 
wärde niemand genefen, obgleih wir auch noch heute das eins 
fache Präteritum des Konjunktive (ftänte, gienge, gendfe) brauchen 
dürften, wie ſchon mhd. hätte gefagt werden können solde gän. Beide 
Zempora konkurrieren den Umfländen nah fo, wie im Indikativ 
gieng und ifl gegangen. Nur hat das ältere gienge weitere 
Ausdehnung, und !dßt ſich in vielen Kalten gar nicht durch das jüns 
gere würde gehn vertreten, während für legteres auch meiftentheils 
jenes ftehen kann. Namentlich gebührt dem konditionalen würde 


gehn, würde Lieben niemals optativder Sinn, und dadurch 


unterfcheidet es fi von der Paffivumfchreibung des Präteritums Kon: 
junktivi, die durchaus nicht mit ihm auf gleiche Linie zu flellen und 


viel früher in der Sprache gangbar gewefen if. würdeüfgetän 


(aperiretur) Iw. 1264 u. dgl. findet fich allenthalben im 13. Jahrh. 
und früher, niemal® würde üftuon (aperiret). 


Anm. Beider Umfchreibungen Urfprung ift ein anderer. Würde aufs 
.. gethan erfüllt ganz die Rolle des Präteritums Konjunktivi, und gilt 
auch optativiſch; ein paffiver Konbitionalis verlangt weitere Umſchrei⸗ 
bung buch würbe aufgethan werben, und erſt diefes ſteht dem 
aktiven würde aufthun parallel. Hieraus ergibt ſich zugleich, daß 
würde aufthun ein bloßes in ben Konjunktiv gefegtes warb auf: 


thun fein Tann, wie fich denn diefe einft gebräuchliche indikative Umſchrei⸗ 


bung in ber Sprache nicht behauptet hat. 





— 4909 — 


a) Indikativ. 


$. 97. 


Der Indikativ ſteht im Nebenſatz, wenn der Sprechende das 
Praͤdikat desſelben als etwas wirklich Erkanntes, nach ſeinem Urtheil 
Wirklich Stattfindendes ($. 91) hinſtellen will: Ich weiß, daß er 
kommt, gekommen ift, kommen wird. 

8. 98. 

Im Beſondern erfordern den Indikativ: 

1) Die Nebenſaͤtze des wirklichen Grundes, da der wirk⸗ 
liche Grund von dem Sprechenden auch als ein uctheil gedacht wird. 

2) Die Nebenſaͤtze des moͤglichen Grundes (konditionale 
Nebenſaͤtze). — Hier iſt das im Hauptſatz ausgedruͤckte Urtheil ein 
wirkliches Urtheil des Sprechenden, aber es iſt bedingt durch einen 
Grund, der in dem Nebenſatze nicht, wie.in den Nebenſaͤtzen bes 
Grundes, als ein voirklicher, fonbern nur als ein möglicher darge: 
ftelte wird. Im Lateinifchen und Althochdeutfchen wird hier neben dem 
Indikativ auch der Konjunktiv gebraucht, und durch den Modus ein 
Unterfchied der Bedeutung bezeichnet. Neuhochdeutſch wird der mög: 
liche Grund wie der wirk liche (weil) durd den Indikativ ausge: 
dbrüdt, indem das Verhaͤltniß der Möglichkeit nur durch die Konjunk⸗ 
tion (wenn) bezeichnet wird. (Vgl. weiter $. 182. 232.) 

3) Die Nebenfäge des abverfativen Grundes (Fonceffive 
Mebenfäge). — Die ahd. Sprache gebraucht hier den Konjunktiv, bie 
latein. meiftens auch, die mhd. ſchwankt; die nhd. bezeichnet das Ver⸗ 
bäftnig der Möglichkeit duch Konjunktionen, drüdt aber die 
Wirklichkeit des Prädikats durdy den Sindikativ aus. Der Kon» 
ceffivfag wird, weil er mit feinem Dauptfag in einem Gegenfag 
fteht, ebenfo, wie diefer, als ein wirkliches Urtheil des Sprechenden 
gedacht, und diefes durch den Gegenfag zugleich hervorgehoben. 

4) Die adjektivifhen und fubflantivifhen Relativfäge, die 
ein wirkliches Urtheit des Sprechenden ausdrüden. 

5) Die Adverbialfäge des Zeit: und Raumverhältniffes, welche 
die Wirklichkeit des Pradikats in der Form eines wirklichen Ur- 
theils darftellen. 

6) Die durch die Konjunktion wie verbundenen Abverbialfäge 
der Ähnlichkeit. 

7) Die mit der Konjunktion daß gebildeten Kaſusſaͤtze, die ein 
wirkliches Urtheil des Sprechenden ausdruͤcken, oder deren Aus⸗ 
ſage, wenn ſie auch nur eine moͤgliche iſt, beſonders hervorgehoben 
gar ſoll, letzteres vorzüglid nah fürhten und hoffen (vgl. 

.175 f.). 
8) Nebenfäge, die ein angeführtes Urtheil enthalten, das ale ein 
Kehrein Grammatik. 11. 2. 4 


3 


der Wirklichkeit entfprechendes dargeftellt wird. Man bedient fich 
insgemein des Indikativs, wenn das Pradikat des Dauptfages durch 
wiffen, ſehen, erkennen, betennen, erfahren, beweis 
fen und andere Verba ähnlicher Bedeutung ausgedruͤckt wird, 

9) Nebenſaͤtze, welche ein der Wirklichkeit entfpreihendes Uctheil 
des Sprechenden in der Form einer Frage darftellen (lat. und ahd. 
fteht hier der Konjunktiv, griech. meift der Judikativ); auch jene, in 
denen die in Frage geftellte Ausfage befonderd hervorgehoben wer- 
den foll. - | ' 

10) Solche Nebenfäge, bie zwar mit andern im Konjunktiv 
ftehenden Nebenfägen verbunden find, aber ein wirtitiches Urtheil 
des Sprechenden ausdrüden. Steht auch ber erfte Mebenfag im Ins 
dikativ, und der zweite enthält ein wirkliches Urtheil deß Spiedyenden, 
fo fteht diefer natuͤrlich auch im Indikativ. | 

11) Andere Fälle f. in $. 100. 114. 181. 183 f. 198 f. 


4) aththan ik qvitha izvis ni svaran allis. ni bi himina. anté stols ist guths. 
ulfita, Matth. 8, 34. thanne ih quidu im thag man zi theruhslahti ni suuere 
noh bi hiwile, uuanta her gotes sedal ist. Cod> Sang. aus d. 9. Zahrh. 
Ich sag aber euch ir schült nit sweren alzvmale noch bey dem himel wan er 
ist ein trön gotes. Cod. germ. monac. 832 vom Sahre 1367. mann i 
fag uch ir füllen gang nich& fchweren no by dem hymel. wann er i 
d’ trone gottes. B. Ich aber fage euch, Das jr aller Ding nicht ſchweren 
folt, weder bey dem Himel, denn er ift Gottes fuel. L. — Alle bie 
weil du nit in dir felber gefigeft, und in dich felber goft, fo verlureft 
du die frucht. Gb. 87a. weil aber unfere Meynung war, ſich einmal 
rechtfchaffen mit einander Iuftig zu machen, Eehrten wir im böften Wirts⸗ 
haus ein. Sp. 3,9. — Auch darf ich (In meinem Brief) kurz fein, weil ich mit 
MWenigem Biel fagen kann. G. Wp. 1,5, Man verändert frembe Reden 
beim Wiederholen wohl nur darum fo fehr, weil man fie nicht verſtan⸗ 
den hat. Daf. 2,4 Mean ermwählte diefe Stelle deswegen, weil der 
Strom hier die wenigfte Breite hat. &. Bel. v. Antw. 

2) jabai nu augo thein ainfalth ist. allata leik tbein liuhadein vairthith. 
ufila, Matth. 6, 22, Iſt das din aug wirt einfeltig aller bin lyb wirt 
licht. Be Wenn bein auge einfeltig ift, fo wird dein ganzer Leib liecht 

. fein. L. obathu gotes sun sis, quid these steina thanne zi brote werden 
alle. O. I, 23 (Matth. 4, 8). Biftu den d’ fun gottes fo ſog dz bie 
ftein werden brot. B. Biftu Gottes Son, ſo ſprich, das dieſe ftein brot 
werden. L. ob du begegeft de ochffen dines vyndes oder be eſel fo er 
irt. wiberfüre yn zu ym. B. 1. Mof. 23,4. Wenn du deines Feinds 
Ochſen oder Efel begegneft, das er irret, &o foltu jm benfelben wider 
zu füren. L. wen der fad noſs (naß) ift, fo feind bie ſpreuͤwer feücht. 
Gg. 89a. — Bewahren kannſt du nicht länger dein Kommando, ohne 
Rettung bift du verloren, wenn du's niederlegft. ©. 2. 1,3. Unb 
wenn es (das Unternehmen) glüdt, fo ift es auch verziehn. Daf. 1, 7. 
Du bift verloren, wenn Du Dich nicht ſchnell der Macht bebienft, die 
Du beſitzeſt. Daf. 1, 7. Aufgeopfert hat mich der Kaifer meinen Feinden, 
fallen muß iſt, wenn meine braven Truppen mich nicht retten. Daf. 
3,15. Ich bin entehrt, wenn ung ber Kürft entfömmt. Daf. 8,8. 

3) uuir sähun sinan sterron, thoh uuir thera bürgi irron (wir fahen feinen 
Stern, obgleich wir diefer Burg [Stadt] irren). O.1, 17 bei W. 88, 1. 
ol (obgleich) ne wären sie niht riche sie würn dosh guote kuulıte. En. 


— 31 70o — 


4563. al 41 (obgleich fei) ich nikt ein künegin, ich wil ouh an der suone 
sin (Bühne fein). Trist. 10335. doch wirt ſy offt gedrucket mitt der welt 
weißhayt, wiewol jr lauttere weißhait gu dem leuten fürbricht. Gg.' 
60a. vnd ob er mich toͤdtet, dannocht getram ich in jn. Gg. 72b. — 
Mar e6 gleich nicht möglich, das Werk vieler Monate in wenigen 
Stunden wiederherguftellen ; fo war ſchon Bieles gewonnen, wenn man 
auch nur den Schein davon gu erhalten wußte. &. Bel. v. Antw. Und 
wenn bie andern Negimenter alle fi von bir wenden, wollen wir 
allein dir treu fein, ©. &.3, 15, Wenn er es auch nicht war, ber die 
Sachſen nach Prag lockte, fo war ed doch gewiß fein Bettagen, was ihnen 
bie Einnahme diefer Stabt erleichterte. ©. 305. Kr. 8.8 
4) uuar ist thertäie giboran ist judeno cuning (wo iſt ber geboren ift 
[der] Zuden König)? T. 8 bei W. 96, 26. zit, in deru alle horent 
sina stemma (Beil, in der alle hören feine Stimme). T. 86. Das ich 
vorcht das gefchah mir, B. Job 3, 28. denn bas fd gefurcht habe, 
it ober mich komen. L. Der da hynnympt bie erbarmde von fim 
fruͤnd der verlaſzt die vorcht des Herren. B. 3066,14. Wer barmberkig- 
keit feinem Neheften wegert, der verleſt des Allmechtigen furcht. L. — 
Weh dem, der fern von Eltern und Gefhwiftern ein einfam Keben Lebt! 
G. J. 1, 14. Berſäumt die Zeit nicht, die gemefjen ift! Daf. 3, 3. Da 
‚tömmt der Paladin, ber uns befhüste. ©. 9.2,4. Was Piccolo: 
mini tut, das thun fie au. Daf. 2,6, Wer heute, vom Strome 
fortgeriffen, fid vergißt, wird nüchtern werden, fiedt er ſich allein. 
Daf. 2,6. Ich hatte, was ihm Freiheit fchaffen koönnte. Daf. 2, 7. 
8) ıhia zit discota er fon in 80 ther sterro giuuon uuas queman zin (die Zeit 
eifchte ſerforſchte—j ex von ihnen, fo [wann] der Stern gewohnt war [zu] 
ommen zu ihnen). O. I, 17 bei W. 86, 3. in der werilde aneginne (dev 
Melt Anbeginn) duo (da)licht ward unte stimma, duo diu röne heilige) 
gotis hant dia speehin (meifen) werch geseuph (ſchuf) sö manigvalt, duo 
deilti (theilte) god sini werch (Werke) al in zuei. Annol. bei W. 117, 8. 
Do fy nun diffen flreitt beguben, do zugen fy biß an den pers. Gg. 
6b. Das ain roftias eyßen aUs lang gefegt wirtt büß es wider erfchei: 
nen würt. Gg. 2b. von ir will ich nommer wenden, die weil vnd ich 
das leben han. C. II. 14,12, — das leitit sia sar där iru leid uuirdıt (das 
leitet fie fhnell [dahin], da [Wo] ihr Leid wird). Muspilli17 bei W. 70, 13. 
er lief da er wus erbeijet (abgeftiegen) des Abents. Parz. 247,8 bei W. 419, 
36. — Er betrachtete feine Arbeit mit Vergnügen, ale der Gärtner hin⸗ 
zutrat und fih an dem theilnehmenden Fleiße des Herrn ergetzte. G. Wo. 
1,1. Die linke Wange wird auf einen Augenblic roth, indem die rechte 
bleich wird. Daf. 1,5. Solange ich als Knabe oder Jüngling bei ihr 
lebte, konnte fie der augenblicklichen Beſorgniſſe nicht los werben. Daf. 
1,2. Ich bin des Kaifers Offizier, fo lang’ ihm belicht, des Kaifers 
General zu bleiben, und bin des Friedlands Knecht, Tobald es ihm ges 
fallen wird, fein eigner Herr gu fein. S. P. 4, 4. Seitdem es mir fo 
ſchlecht bekam, dem Thron zu dienen auf bes Reiches Koften, hab’ ich 
vom Neid) ganz anders denten lernen. Daf. 2, 7. Gin zartes Rind noch 
war fie, als Sie gingen. Daf. 3,3. Du, Mar, wirft diesmal noch 
Dein altes Amt verwalten, indes wir hier des Herrn Gefchäfte treis 
den. Daf. 2,4. — Dort in der Schlucht, wo ein ſtarker Bach den Tei⸗ 
den zufiel, lag eine Mühle halb verfledt. ©. Wp. 1,3. Bis er an 
den Ort kam, wo ſich der Pfad nach den neuen Anlagen in zwei Arme 
theilte. Daf. 4, 1. Wo eine junge Saat aufſchoß oder eine lachende 
Ernte winkte, ba gerflörte ein einziger Durdmarfch ben Fleiß eines 
gangen Jahres. S. 30). Kr. 4.8. : 
6) ıhom na tanjeis Armaion. Hi baurnjals ſaura thus syasre thai liutaus tau- 


4* 


—2 — 


jand in gagumthim jah in garunsim. Ulſtla, Matth. 6,2. Darumb fo 
du rhüft ein almüfen nit wolft fingen vor dir mit dem horn als die glyß⸗ 
ner thünd in den fonagogen vnd in den gaflen. Be Wenn du nu Almo⸗ 
fen gibft, foltu nicht Laffen fur dir pofaunen, wie die Heuchler thun, in 
den Schulen vnd auıff ben Gaffen. L. fuire vnsih ersuahtos soso ist 

_ ersuahbit silbar (mit euer prüfteft du uns, wie geprüft ift das Silber). 

L. 7 bei W. 40, 9. — So wie der Chor in die Sprache Leben bringt, 
fo bringt er Ruhe in bie Handlung. ©. Vor, 5. Bom. Bald Eehr’ ich 
felbft zurüd, fie heimguführen, wie’& meiner würdig iſt, und ihr ge⸗ 
bührt. ©. Bom. Bernehm’ ic Dich, jo wenbet fi, o Theurer, wie 
fi) die Blume nach der Sonne wendet, die Seele, von dem Strahle 
Deiner Worte getroffen, fich dem füßen Zroftenad. G. 3.4, 4 . 

7) dag ist rehto paluute dink, da3 der man haret ze gote, enti imo hilfa ni 
quimit (das ift [ein] recht verderblih Ding, daß der Menſch fchreiet zu 
Gott, und ihm Hilfe nicht fommt). Musp. 51 bei W. 71, 27. ich wil eg 
gote klagen, da3 ich min laster muo3 sagen. Erec 4778. fy werbentt 
wiffen das ich bin ber herre. B. Ezech. 39, 6. Sie follens erfaren, das 
ich der Herr bin. L. — Ich bin zufrieden, daß er meiner auch bei diefes 
Namens holdem Klang gedenkt. G. T. 1, 1. Es iſt ein alter Fehler, 
daß er mehr die Einſamkeit als die Geſellſchaft ſucht. Daſ. 1,2. Bes 
gegnet ja, daß fich ein Brief verirrt, daß ein Bedienter aus feinem 
Dienft in einen andern geht, daß ein Papier aus feinen Händen kommt, 
gleich fieht er Abficht. Daf. 1,2. — Wer hat den alten graufamen Gebrauch, 
daß am Alter Dianens jeder Fremde fein Leben blutend läßt, von Jahr 
zu Zahr mit fanfter Überredung aufgehalten?! G. 3.1,2. Ich muß ihm 
Einen ſchicken, daB er mir die Spanier aus Mailand nicht herein läßt. 

S. P. 2, 8. Sie hofft, daß beine ruhmbegier’ge Jugend willfähr’ger 
fein wird, als mein ftarres Alter. ©. St. 2, 7. Ich fürchte, Oberft 
Buttler, man bat mit Euch ein ſchändlich Spiel getrieben. S. T. 2, 6. 
- 8) als sit sinen ernst ersach und da3 erz von herzen sprach. Erec 3838, 
ich sihe wol daz3 dir ernest ist. Gregor 1562. ich weiz wol, daz er 
schaden tuot. Erec 3935. — Ich weiß aber wohl, daß ich nicht ein= 
ichlafen Eonnte, daß ich noch etwas erzählt Haben wollte, daß ich 
noch viel Fragen that, und daß ich nur ungern die Wärterin entließ, 
die und zur Ruhe gebracht hatte. ©. 8. 1,3. Ich fol erkennen, daß 
mich niemand haßt, daß niemand mich verfolgt. G. T. 4, 3. 
ſoll es tief empfinden, wie der Fürſt mit offner Bruft mir feine Gunft 
gewährt. Daf. 4,3. Daß er betrogen iſt, Eann er nicht fehen; 
daß fie Betrüger find, kann ich nicht zeigen. Daf. 4,3. Ich gehe 
feldft zu ihm, fobald id nur von Dir erfahre, daß er ruhig iſt; for 
bald Du glaubft, daß meine Gegenwart das Übel nicht vermehrt. 
Daf. 3, 4. Selbſt das beweift ja ſchon, daß es nur Freundfchaft if, 
was uns belebt. Daf. 3,4. O mie befhämt gefteh’ ih, daß ih Dir 
mit flilem Wiberwillen diene. G. 3.1,1. Wußt' ih nicht, daß ich 
mit einem Weibe handeln ging? Daf. 1,3. Laß Dir diefe Freude ver⸗ 
fihern, daß auch ich eine Griechin bin. Daſ. 2, 2. Und ob er’s gleich 
nicht fordert, fühlt er’d doch, und fühlt es tief in feiner großen Seele, 
daß Du forgfältig Dich vor ihm bewahrft. Daf. 1,2. Womit be: 
zeugft Du, daß Du Agamemnons Sohn und Diefer Bruder bift? Daf. 
8,6. Doc, haben hingeworfne Worte mich belehrt, daß feine Seele 
feft den Wunfch ergriffen hat, Dich zu befigen. Dat. 1,2. Wir aber 
glauben's nicht, daß Du ein Feind und Landeverräther biſt. S. 2. 
3, 15. Es ift erfannt durch vierzig Stimmen gegen zwei, daß Ihr die 
Akte vom vergangnen Zahr gebrochen, bem Geſetz verfallen feid. ©. St. 
- 4,7, Könnt Ihe ed Läugnen, baß jene Akte gu meinem Untergang 


— 63 — 


erſonnen iſt? Daf, 1, 7. Daß es dieſelben find, bie er empfangen, 
hat Babington vor feinem Tod bekannt. Daſ. 1, 7. Ich fühle, daß 
mein Haß verſchwindet. S. Bom. Du ſiehſt, daß Deiner Soͤhne 
| Bruderzwiſt die Stabt empört in bürgerlichem Streit. Daf Nicht abnet 
fie, daß es Don Manuel, Meffinas Fürſt, if. Daf. Mir ift fichre 
| | Kunde zugefommen, baß zwifchen biefen ftolzen Lords von England 
und meinem Better von Burgund nicht Alles mehr fo fteht, wie fonft. 
S. Ivo. 1, 4. Wie fchnell vergeffen ifl’s, daß eben diefer Herzog bie 
Väter ihnen und die Söhne ſchlug. Daf. 3, 2. 
9) Du weißt fo wenig, wer, ald wo Du biſt. G. T. 2,3. Eh’ ich vers 
nommen, wie alles fteht, und was es werden Fann. Daf. 3,1. Du 
weißt, wie viel er gilt und gelten muß. Daf. 4, 2. Urtheilt, ob ich 
mein Herz bezwingen kann. ©. &1. 2,2. Ich will vergeffen, wer Id) 
bin, und was id Litt. S. St. 3, 4. — Kaum weiß ih, was gefhab; 
kaum weiß id, wer von. beiden fchuldig if. G. T. 3,1. So hab’ ich 
doch noch Manches ausztifragen, burch welche Mittel bag Gefchäft gelang. 
Daf. 1,4. Geftehe nur, was Dir am meiften half. Daf. 1,4. Mid 
dünkt, das ift die erfte Krage, wer von ung beiden Recht und Unrecht bat. 
Daf. 2,4 Ob Sur fie anerkennt, ob nicht, Milaby, das ift nur eine 

leere Börmlichkeit. ©, St. 1,7. Kein Menſch vermag zu fagen, ob er 
nicht des Helmes braucht. ©. Zoo. Prol. 3. Wer weiß, ob er in 
biefem Augenblick nicht mein Geftändniß, Deines bloß erwartet. ©. 

3 


.3, 8, 

410) Glaubſt Du wol, was biefer da, Dein Schwager, in Deinem Namen 
unterhanbelt Hat, das werde man nicht Dir auf Rechnung fegen? S. 
T. 1,3. Dein Wort foll ung genügen, daß ed Verrath nicht fei, worauf 
Du finnft. Daf. 3, 15. Seine Würden meint, wenn ich dem Kaifer, 
der mein Herr ift, fo mitfpielen Eann, ich Eönn’ das Gleiche thun am 
Feinde. Daf. 1,5. Man beichuldigt ihn fogar, daß er die billigen Geſin⸗ 

‚ nungen, bie das dringende Anliegen der Staaten dem Monarchen endlich 
abgelodt Hatte, zur Strenge zurüdgeführt habe. ©. Abf. d. N. Dean 
frage fih, ob nicht ein jedes fremde, aus feiner Umgebung geriffene Ge⸗ 
fchöpf einen gewiffen ängftlihen Eindrud auf und macht, der nur durch 
Gewohnheit abgeftumpft wird. ©. Wo. 2, 7. 


b) Konjunftiv (Optativ). 
$. 99. 


Der Konjunktiv enthält nur die Logifhe Moͤglichkeit des 
prädicierenden Urtheils, d. h. er fagt aus, daß das prädicie: 
tende Urtheil der Mirklichkeit entfprechen Eönne, bezeichnet alfo das 
Prädikat 1) als ein ungemiffes, als ein nur in der Vorftellung des 

Sprechenden ftattfindendes ; 2) als ein gemolltes, gemünfchtes ($. 93). 

Anm. „Der Gebrauch des Konjunktivs ift in der deutfchen Sprache mehr, 

als in ben andern Sprachen, und in der neuhochbeutichen mehr, als in 

der altdeutjchen beſchraͤnkt. Dies ift jedoch nicht als Folge einer in ber 

Sprache zunehmenden Verflachung anzufehen. Es fcheint vielmehr, daß 

- der mehr beſchränkte Gebrauch des Konjunktivs in ber beutfchen und be⸗ 

fonders in der neudeutfchen Sprache einen tiefer liegenden Grund hat und, 

wenn auch nicht ganz, doc, großentheils aus der in ihr vorwaltenden logi⸗ 

fhen Richtung zu erklären ift, indem fie in den Nebenfäben den Modus 

mehr von den Verhältniffen des Prädikates des prädizirenden Urtheiles, 

" als von den Verhältniffen und von der Form des Satzes abhängig macht.“ 
Beder, ausführl, Sram. II, 48, 


* 


— BE — 


6. 100. 


Im Befondern erfordern den Konjunktiv: 

4) Die Nebenfüge des möglihen Grundes (konditionale 
Nebenfäge), welche mit Auslaſſung der Konjunktion die Wortfolge 
eines Urtheits haben ($. 182. 232). 

2) Die Nebenfäge des adverfativen Grundes (konceffive 
NMebenfäge), wenn berfelbe in dem Verhaͤltniß logiſcher Möglich: 
keit entweter mit der Wortfolge eines Urtheilsfages, oder in 
der Form eines interrogativen Nebenfages dargeftellt wird. 
— Man braucht in dem hier bezeichneten Kalle jedoch oft flatt des 


Konjunktivs das Hilfeverbum mögen im Indikativ. Solin. 


interrogativen Nebenfägen diefer Art die Logifhe Wirklichkeit 
des adverfutiven Grundes angedeutet werben, fo gebraudht man auch 
wol den Indikativ. 

3) Die adjektiviſchen und fubflantivifchen Nelativfäge, die 
einen Gedanken in dem Berhältniß Logifher Möglichkeit dar: 
fielen. Diefes ift insbefondere meiftens der Fall, wenn der Bezie⸗ 
hungsbegriff des durch den Nebenfag ausgedrüdten Attributes in dem 
Haupffag dur) ein verneinendesd beſtimmtes Pronomen. oder 
durch ein Interrogativpronomen ausgedrüdt iſt. (Wal. 8. 116.) 

4) Die Adverbialfäge des Zeitverhältniffes, welche die 
Konjunktionen ehe und bis haben, wenn die Zeitbeflimmung eine 
zußüunftige ifl, und als eine nur mögliche oder auch als eine 
fehe unbeftimmte gedacht wird, flehen zumellen noch, früher ge: 
woͤhnlich, im Konjunktiv. (Vgl. 8.116. 190.) 

5) Die mit dee Konjunftion daß gebildeten Kafusfäge, beren 
Prädikat als ein gewolltes, gewünfchtes dargeſtellt wird, alfo nach den 
Verben des Wollens, Nihtwolleng, Hoffens, Fuͤrch— 
tens, Zulaffens, Gebietens, Berbietens x. (Bol. $. 
116 175.) 
- 6) Die Adverbialfäge des Jweckes, die jedoch auch, früher wie 
jegt, zuweilen im Indikativ fliehen. (Vgl. $.-116. 187.) 


7) Nebenfage, die ein vom Sprechenden angeführtes Urtheit- 


oder eine von ibm angeführte Frage einer beipeochenen Perfon 
ausdruͤcken. — Eine angeführte Rede des Sprechenden felbft wird im 
Allgemeinen eben fo, wie bie einer befprochenen Perfon duch den 
Konjunktiv bezeichnet ($. 181). 

8) Mebenfäge, die mit einem andern im Konjunktiv flehenden 
Nebenſatze verbunden find, fehen der Regel nad) im Konjunktiv. 

9) Andere Faͤlle f. noch in $. 114. 181. 18% f. 193 f. 222. 

4) Wie Eönnem wir fur jnen bleiben, Du heiffeft ons denn, L. 1. Macch. 
3,53, wie müg wir befteen vor irem antlig es fye benn bas du uns 
heiffeft. B. Ich laffe dich nit nur du gefegneft mid. B. 1.Mof. 32,26. 

Ich las dich nicht, du fegeneft mih denn. L. keyner mag geen in das 


huſz des ſtarcken das zeberoben nur er bind zu dem erfien den ſtarcken 
vnnd dan berobet er fin huſz. B. Mark. 3, 27. Cs kan niemand einem 
ftarden in fein Baus fallen, vnd feinen Hausrat rauben, Es fey denn, 
das er zuuor ben flarden binde, und als denn fein Haus beraube,. L. — 
Und kommt man bin um etwas zu erhalten, erhält man nidyts, man 
bringebenn was mit. G. T. 1,4 

3) Wer du auch feift, fo wünſch' ich Rettung bie und meinem Freunde; 
mir wünſch' Ich fie nicht. G. 3. 3,1. Der ift am glüdlichften, er fei 
ein König ober ein Geringer, dem in feinem Haufe Wohl bereitet ift. 
Daf. 3, 1. Der rafhe Kampf verewigt einen Mann: er falle gleich, 
fo preifet ihn das Lied. Daf. 5, 6. Ich will dich retten, Loft’ es taufend 
Leben. ©. St. 3,6. Damit du wiffeft, wer dir Ruhm verleiht, er fterbe 
oder fiege, ich bin Lionel. S. Ivo. 3, 10. Wie fehr auch Euer Inn'res 
widerftrebe, geborcht ber Zeit und dem Geſez der Stunde, ©. St. 3, 
3. — Was ich mir ferner auch erfireben mag, das Schöne ift doch weg, 
das kommt nicht wieder. ©.3.85,3. Was Sie auch wiffen mögen, die 
Macht ift mein, fie müſſen's niederfchluden. Daf. 1,3. Mag ich hans 
dein, wie ich will, ich werde ein Landeverräther ihnen fein und bleiben, 
Daſ. 1, 3. — Wie ftrafbar auch, bes Kürften Zwecke waren, die Schritte, 
die er öffentlich gethan, verftatteten noch eine milde Deutung. S. P. 5,1. 
Bas Zor aud zu. bereuen habt, in England feid Ihr nicht ſchuldig. 
©. St. 1, 4. 

3) nist liut thaz es biginne (es find nicht Leute, die es beginnen). O. I, 1 bei 
W. 81,33. O herr ich Hab Fein mentjch der mich Leg in den wyer fo dz 
waffer wirt bewegt. B. 306.8,7. Herr, ich habe keinen Menfchen, wenn 
das Waffer ſich beweget, der mich in den Teich Laffe. L. Der wirt re: 
den zü dir die wort in dE du wirft behalten ond alles bin huſz. B. Aftplg. 
41, 1%. Der wirt dir wort fagen, dadurch du felig werdeft, vnd dein 
Hannes Baus. L. Run ift doch nyemant in bim gefchlächt, der do ift 
geheyſſen mit diſem namen. B. Su, 1, 61. Iſt doch niemand in deiner 
Kreundfchafft, ber alfo heiffe. L. — Ihr ſelbſt feid Väter, Häupter 
eines Haufes, und wünfcht euch einen tuaendhaften Sohn, ber eures 
Hauptes heil'ge Bode edre, und euch den Stern bes Auges fromm be: 
wade. ©. &.1, 4 Schickt einen fihern Boten ihm entgegen, der auf 
geheimem Weg ihn zu mir führe. ©. 2. 3,10. Da flößet kein Rachen 
vom fihern Strand, der ihn ſetze an das gewünſchte Land. ©. Bürg- 
fhaft. Doc jegt.... bleibt mir zu Daufe nichts, das mich ergetze. ©. 
J. 1, 3. Gehſt du fie eingeln durch, bu findeft Esinen, der feines Nach⸗ 
barn ſich zu fhämen brauche. ©. ©. 2, 1. 

&) thin gdati} er biuuerbe, er mir ther san irsterbe (bein Gutes eher 
fpende, ehe mir der Sohn erfterbe). O. III, 2 bei W. 91, 7. e ich in 
sehe verderben, ich wil e für in sterben. Ah. bei W. 33%, 31. fo dich 
zorn beweget fo bayt (warte) biß bir das hertz wider gütig werd. Gg. 
179b. Get in bie flat zehand werdent ir yn fünden ee daser vffftige 
in die hoͤche zü effen. wann das volck wirbt nichtt eſſen vnntz das er 
tomme. B. 1. Kön. (Sam.) 9, 13. Wenn jr in die Stad Eompt, fo 
werdet jr jn finden, ehe denn er hin auffgehe auff die Höhe zu effen, 
denn das volck wird micht effen bis er komme. L. wärlich fürwar fag 
ih uch vnt Das zergee*) hymel ond erde Ein büchftab wirt nitt zer: 
geen. B. Matth. 5, 18. denn ich fage euch warlih, bis das Himel vnd 
Erben zurgehe, wird nicht zurgehen ber Eleineft Buchſtabe. L. er tay: 
let dann vnnſer gefe& den mentichen, nur fa hör züm erfien von im und 


— — — — 


Goth. im Indikativ: und thatei usleithith himins. Ahd. bet Tatian im Kon- 
:&+thanne zifare himil. . 


— bb — 


ertenne was bings er thuͤ. B. Joh. 7, 51. Richtet unfer Gefeh auch 
einen Menfchen, ehe man in verhäret, und erfenne, was er thut? L. 

5) Der Herzog forgt dafür, daß auch was Holdes uns das Aug’ ergege. 
S. P. 1, 14. 3b muß darauf beftehn, daß Herzog Friedland förmlich, 
unwiderruflich breche mit bem Kaiſer. S. T. 1,5. Laffen Sie es länger 
nicht gefchehen, daß Hämifche Bosheit Ihre gute Abficht durch giftige, ver⸗ 
haßte Deutung ſchwärze. Daf. 2,2. Der Herzog bittet, daß des alten 
Streits beim erſten Wieberfehn mit keinem Worte Meldung gefcheH’! 
S. 300. 3, 2. Bor allen Dingen ... fordert er, daB ibm Du Chatel 
ausgeliefert werde. Daf. 1,5. Verhüte, daß nicht das Mitleid fie ins 
Leben rufe! ©. St. 2, 3. Würdig iſt's der großen Seele der Eliſa⸗ 
beth, daß fie des Herzens fchönem Triebe folge. Daf. 2,4. Sie will, 
baß man ihm die Berfon der Lady Stuart uneingefchräntt vertraue. 
Daf. 2, 7. Ich beftehe drauf, daß fich der Lord entferne! Daf. 4, 6. 
Doch darf ich hoffen, daß ich nicht nah dem Schein gerichtet werde! 
Daf. 4,6. Drum trag’ ich barauf an, daß ber Vefehl zur Dinrichtung 
gleich ausgefertigt werde! Daf. 4,6. Es ift ber Wille meiner Rönigin, 
dab Euch nichts Billiges verweigert werde. Daf. 8, 8. Go bulde man, 
daß diefer treue Diener mein Herz nach Srantreih bringe zu ben Mei- 
nen. Daf. 5,8. Ich kann nicht leiden, daß du große Seele mit einem 
falfhen Wort betrogen werdeft. &. 3. 3,1. O König! Hindre nicht, 
daß fie die Weihe bes ‚väterlichen Haufes nun vollbringe, mich ber 
entfühnten Halle wiebergebe, mir auf das Haupt bie alte Krone 
drüde! Daf. 5,6. Ich danke bir, und wünſche, daß du mich und mei⸗ 
nen Willen, dir zu dienen, gleich vertraulich prüfen mögeft. &. 2.4, 4. 
Wir denken uns eine Möglichkeit, daß biefer feftverfiegelte Deckel wieder 
aufgehoben werben fönne. G. Wo. 1,9. Wenigſtens finde ich es nicht 
billig, dag Detilie aufgeopfert werde. Daf. 1, 16. Charlotte verlangte 
nun von ihm, er Tolle die Nachricht Eduarden bringen. Daf. 1, 18. 

6) Sie sint götes uuorto Aizig Alu härto, thä3 si thaz gilernen, thaz in thia 
büah zellen (fie find Gottes Wort fleißig viel hart [fehr], daß fie das ler⸗ 
nen, das ihnen die Bücher ırzählen). O. I, 1 bei W. 83, 1. der (stein) 
was gemachet af dem büs da3 der künec artüs da abeizte (abflieg) unde 
vuch af sa3 . Erec 1202. an ein venster st kam, da3 si war neme wer 
dä geriten kame. Erec 1165. waſch bin berge von dem übel das bu 
werdeft behalten. B. Jer. 4, 14. waflche nu dein berg pon ber bosheit, 
Auff das dir geholffen werde. L. das gefek iſt aber ingangen das 
überflüifig wurde die miffetat. B. Röm. 3, 21. Das Geſezt ift aber ne: 
ben ein komen, auff das die funde mechtiger wuͤrde. L. es ift uns 
not, baß wir drauff ſehen, damit wir ons felber nicht triegen. A. 
13b. — O überlaß ihn nicht fi feldft! Damit in feinem Bufen nicht 
der Unmuth reife und dir Entfegen bringe, bu zu fpät an meinen 
treuen Rath mit Reue dentefl. G. G. 1,2. Was foll ich thun, da⸗ 
mit dein Bruder mir vergeben koͤnne, bamit du felbft mir gern ver⸗ 
geben mögeft, damit ihr wieder zu den Euren mich mit Breuben zählen 
möget? ©. T. 44 Damit mein Lieb nur nicht vollkommner 
werde, daß nur mein Name fich nicht mehr verbreite, daß meine 
Neider taufend Schwächen finden, daß man am Enbe meiner ganz 
vergeffe, drum fol ih mih zum Müßiggang gewöhnen. Daf. 8, 5. 
Er eilt heim mit forgender Seele, bamit er die Zrift nicht ver: 
fehle. ©. Bürgfchaft. Jetzt folgt mir, zu bewachen den Eingang, daß 
fein Ungeweihter in diefes Geheimnig bringe, und ber Herrſcher ung 
lobe, S. Bom. Etwas fürchten und hoffen und forgen muß ber Menſch 
für den kommenden Morgen, daß er bie Schwere bes Dafeins ertrage 
und das ermüdende Gleichmaß der Tage, und mit erfrifchendem Windes: 


— 


— m — 


N 


weben träufelnd bewege das ftoddende Leben. Daf. Ziele gut, bag bu 
den Apfel treffeft auf den erften Schuß. ©. I. 3, 3. Bleibt nicht in 
England, dba ß der Britte nicht fein ftolges Herz an eurem Unglüd weide— 
S. St. 8, 6. Damit er ficher feinen Weg verfolge, will der Mo: 
narch, daß hier aus der Armee acht Regimenter ihn zu Pferd begleiten. 
S. P. 2, 7. — Ich muß ihm einen ſchicken, daß er mir bie Spanier aus 
Mailand ‚nicht herein läßt. ©. 9. 2,5 

7)-Quad er io bi nöti lagi däuualonti, * uuäri in theru sübti mit grogeru 
ümmahti (prach, [das] er je [immer] gar ſehr läge dahinſterbend, und 
wäre in der Sucht [Krankheit] mit [in] großer Ohnmacht). O. III, 2 bei 
W. 89, 35. si quädin da 3 her durch sini geile haviti virlorin des heris 
ein michil deile (fie fagten, daß er burch feinen Stolz hätte verloren des 
Heeres ein groß Theil). Annol. bei W. 182, 17. Symon hat verkünt 
wie got heymfücht hab. B. Apftlg. 15, 135. Simon bat erzelet wie 
Gott heimgefuht hat. L. — Der König firaft graufam den gefandten 
Mörder, wähnend, er tödte feines Bruders Sohn. ©. 3.1,3. Wil: 
helm erkundigte fich nach diefem Wanne bei dem Baron, der aber nicht viel 
Gutes von ihm zu fangen wußte. Er habe den Charakter als Major, 
fei eigentlich der Günftling bes Prinzen, verfehe deſſen geheimfte Ge: 
fhäfte und werde für defien rechten Arm gehalten. %.%.3,4 Wer 
fpricht ihm ab, daß er die Menfchen kenne, fie zu gebrauchen wiffe? 
S. P. 1, 4. Der aber ſagt, er ſei es müd', und wolle nichts weiter 
mehr mit bir zu ſchaffen haben; es fei dir nimmer Ernſt mit deinen Re⸗ 
den, du woll'ſt die Schweden nur zum Narren haben. Daf. 2,5. Ein 
Eitbot ift angelommen, meldet, Regensburg fei genommen. ©. Lager 4, 
Denkt Ihr, daß ber königliche Name zum Freibrief dienen Eönne, blut'ge 
Zwietracht in fremdem Lande ſtraflos auszuſäen? ©. St. 1,7. Er ver⸗ 
fluchte ſich und den Gefährten allen Höllengeiftern: er babe falfch ge: 
zeugt, bie Unglüdsbriefe an Babington, die er als echt befchworen, fie 
feien falfch, er Habe andre Worte gefchrieben, als die Königin biktirt, 
der Böswicht Nau hab ihn dazu verleitet. Daf. 5, 13. — Sch Tchrieb 
ihm, daß ich in dem Haufe eines fehr guten Mannes aufgenommen ſei, 
und mit ihm große und fchöne Arbeit verfertige; ih ſuche was zu 
fernen, und hoffe mit meiner Gefchiellichkeit ihm bald Nugen und Ehre 
zu bringen. G. Ben. Gell. 

8) Alfo befahl er ung, bir zu melden, es fei dein Cohn Don Gefar, ber fie 
fende. S. Bom. Er fei hier auf dem Schloß, behaupten fie, und wenn 
du ihn nicht losgebſt, werde man ihn mit dem Schwerte zu befreien 
wiſſen. S. P. 3,18. Die Bäume feien gebannt, fagt er, und wer fie 
ſchädige, dem wachfe feine Hand heraus zum Grabe. ©. Tl. 3, 3. 
Als ich ‚ıhm bies bejahet nach der Wahrheit, hinzugefünt, dag es fein Zeug: 
niß fei, wodurd fie fterbe, fprang er wüthend auf. ©. St. 5, 13. 
So merkte er kaum auf, als man ihm die Nachricht brachte, es f ollte 
ein Knabe geftäupt werben, ber fich eines nächtlichen Einbruchs verdäch⸗ 
fig gemacht Habe, und da er den Rod eines Perückenmachers trage, 
wahrfcheinlicdy mit unter den Meuchleen gewefen fei. G. Lj. 3, 9. Zuerft 
fcherzte fie im allgemeinen über das gute Gtüd, das ihn verfolge, und 
ihn auch, wie fie wohl merke, gegenwärtig hierher gebracht habe; fo= 
dann warf fie ihm auf eine angenehme Art fein Betragen vor, womit er 
fie bisher gequält Habe. Daf. 3, 10. Er brach gegen fich felbft in Bor: 
würfe aus, daß er nur einen Augenblid die hartherzige Kälte Jarno's, 
die ihm aus den Augen herausſehe, habe verkennen und vergeffen 
mögen. Daſ. 3, 14. 


“ 


— st — 


c) Konditionalis. 
$. 101, 


Der Konditionalis hat mit dem Indikativ gemein, daß er ein 
wirkliches Urtheil des Sprechenden ausdrüdt; er unterfcheidet ſich 
vom Indikativ dadurch, daß er immer als Prädikat in dem Verhält: 
niß einer von dem Sprehenden angenommenen Wirklichkeit 
ſteht. — In der eigentlihen Bedeutung des Konditionalig werden bie 
Formen ich würde fprechen, gefprohen haben nur in konditio⸗ 
nalen Sägen und zwar nur in dem Hauptfage gebraucht, 5. B. Wäre 
ih nicht Eranf, fo würde ih ihn beſuchen. Hätte er den Brief 
gefchrieben, fo würde ich ihn erhalten haben. 


$. 102. 


Im Befondern erfordern den Konditionalis: 


1) Die Mebenfäge des möglihen Grundes (Eonditionale Ne: 
benfäge), wenn der Gedanke in dem Verhälmiß der angenomme⸗ 
nen Wirklichkeit fteht ($. 232). 

2) Die Nebenfäge des abverfativen Grundes (Eonceffive Ne: 
benfäge), der in dem Verhaͤltniß angenommener Wirklichkeit 

‚dargeftellt wird. 

3) Die adjektivifchen und fubftantivifhen Relativfäge, deren 
Besiehungsbegriff durch eine Verneinung bezeichnet iſt. 

4) Die Adverbialfäge der Ähnlichkeit, melde die Kon- 
junftion als (als ob, als wenn) haben und den Gedanken in dem 
Berhältniß nur angenommensr Wirklichkeit darſtellen. 

5) Nebenfäge, die ein vom Sprechenden angeführtes Urtheil im 
Berhältnig der nur angenommenen Wirklichkeit darftellen. 

6) Andere Falle f. noch in $. 222. 

1) Kim aber ainer vn wolt jm (dem Aufzuhängenden) librung geben vnd 
huͤb in bey den füffen embor das er nitf bald erworgen folt, der verlen- 
geret jm nur fein marter. Gg. 134a. Wenn Gott diefem nicht fuͤrkom⸗ 
men hett, were ein erfchrediich graufam Mordt ond Lafter vollbracht 
worden. A. 33a. Wann mird das Leben gülte, ih koͤnte nicht. 
Sp. 2, 16. Mancher Soldat fehtete gerne, wenn er auch wuͤſte, baß 
er gewoͤnne. Sp. 2, 27. Denn wann ich folches (Alter) hätte, fagte 
ih bey mir felber, fo nahmeft bu eine fchöne Frau. Sp. 3, 13. — 
MWär’s nicht aus Lieb’ für den Wallenflein, der Kerbinand hätte uns 
nimmer befommen. &. Lager 14. Haͤtt' ich dich früher fo gerecht er⸗ 
tannt, es wäre Vieles ungefchehn geblieben. S. Bom. Unb hätt’ 
ich dir ein fo verſoͤhnlich Herz gewußt, viel Mühe fpart’ ich dann der 
Mutter. Daf. Wenn es bie großen Worte thäten, Herzog, fo hättet 
Ihr allein Frankreich erobert. S. Ivo. 2,1. Wie ſtünd's um euch, 
zoͤg' ich mein Heer zuruͤck? Daf. Richt glauben würd' ichs einer 
ganzen Welt, hätt’ ich’8 nicht felbft gefehn mit meinen Augen. Daf. 
Wenn id nur an mich felbft denken dürfte, würde ich mich hartnädig 
weigern, biefe Gabe anzunehmen. ©. Li. 4, 1. Daß niemand lange 


—— 


— 59 — 
Reden componiren foll, um die Leute zu beſchaͤmen, er müßte ſie denn 
«dor dem Spiegel halten mollen. Daf. 7, 3. 

2) Und wär'“s zu fpät, und wär’ es auch fo weit, daß ein Verbrechen nur 
vom Fall dich rettet; fo falle, falle würbig, wie du ftandfl. ©. T. 2, 2. 
Und wär’ mir auch ein rafches MWörtlein übern Hof entfchlüpft zumel- 
len ; ihr wißt ja, bös war's nicht gemeint. Daf. 2,5. Und könnt’ er 
ſelbſt es auch ertragen, fo zu finten, ich trüg’s nicht, fo geſunken ihn zu 
ſehn. Daf. 3, 10. Du würdeft edel ftets und deiner würdig gebans 
delt Haben; aber Reue foll nicht deiner Seele fchönen Frieden flören. 
Daf. 3, 21. 


3) Das wäre auch ein Kerl, der bei ihm diente und nichts von ihm lernte. 


G. Egm. 1. Und nun dies Blatt ung für die Truppen bürat, ift nichts, . 


was bem Vertrauen noch im Wege ſtünde. S. T. 3, 15. Die Zeit ift 
vorbei, da mich ſolche Reden bezaubert hätten. Leſſing. 


4) er fiong an zu wüthen, alle wär er fohöllig. Gg. 8Ab. Es leben alle 
Menſchen, gleichfam kein Gott wer. A. 1096. Sie ftelleten fih als 
würden fie gefchlagen. L. Joſ. 8, 15. fie ftellend als voͤrchten fie 
fit. B. er erzenget fih. als Horte ers nitt. B. 1. Rdn. (Sam.) 10, 
27. er thet als hoͤret ers nicht. L. erfchien, ob baͤtt' er ſich bloß 
in den forſt verliebt. hg. 4, 163. — Kommt, ſetzt euch, thut als wenn 
ihr za Haufe wärt! G. G. 1. Man glaubt fih nunmehr berechtigt, ſo⸗ 
gar das Wort Wahlvermandtfchaft anzuwenden, weil es wirklich ausſieht, 
al8 wenn ein Berbältniß dem andern vorgezogen, eins vor bem andern 
erwählt würde. &. Wv. 1,4. Ihm war, als wenn ihm ein Stein 
vom Herzen gefallen wäre. Daf. 1, 7. Beſonders ber Schluß war ganz, 
als wenn er ihn felbft gefchrieben Hätte. Daf. 1, 12. Er war fo flolz 
darauf, als ob die Erfindung fein geweſen wäre. Daf. 1,7. Unver: 

ſehen, fremd gekleidet, erreichen fe Mycen, als bräcten fie die Trauer⸗ 
nadhricht von Oreſtens Tode mit feiner Afche. ©. 3. 3,1. Wenn wir 
die Menfchen behandeln, ale wären fie, was fie fein follten, fo Bringen 


wir fie bahin, wohin fie zu bringen find. ©. &j. 8, A. Über'm Herrſcher 


vergißt er nur ben Diener gang und gar, als wär’ mit feiner Würd’ er 
fhon geboren. G. 9. 1, A. 


8) Berede dich, ih wär’ ein Waiſenkind. S. DE. 1,2. Mir melbet er 
aus Ling, er wäre krank; doch hab’ ich fichre Nachricht, daß er zu Frauen: 
berg verſtecktt iſt. &. T. 2,1. Er fragte fo ängftlich, ob Ihr nicht vers 
ſehrt wäret. ©. G. 1. Es hat mir jüngſt geträumt, id L&Y” auf ſtei⸗ 
ler Hoͤh'. Uhland. 


2. Zeitverhaͤltniſſe. 
8. 103. 


Bei den Zeitverhaͤltniſſen des Verbums darf der Gebrauch in 
der hoͤheren Umgangsſprache wie Volksſprache, die auf die Schrift⸗ 
ſprache nicht ohne Einfluß ſind, nicht ganz außer Acht gelaſſen werden. 
Es ſind namentlich drei Punkte dabei ins Auge zu faſſen. 

1) Die Volksfſprache im ſuͤdlichen Deutſchland und einem großen 
Theile Mitteldeutfchlands kennt kein einfaches Präteritum: ich gieng, 
ich ſah; fie gebraucht das umfchriebene: ich bin gegangen, ich 
babe gefehen. Im nördlichen Deutfchland findet fich der entgegen- 
gefegte Gebrauch. 


- 





— 6 — 


2) In der abhängigen (mbireften) Rede nach ich fage, Man 
fagt u. f. w. gebraucht der Bewohner bes fhdlihen Deutfchlands das 
abhängige Verbum im Präfens des Konjunktivs, ohne alle Rüdficht 
darauf, in welcher Tempusform das regierende Verbum vorausgegan= 
gen if. Im nördlichen Deutfchland gebraucht man das abhängige 
Berbum im Präfens des Indikativs oder, und zwar gewöhntither, im 
Präteritum des Konjunktivs. Dort heißt ed: er fagt, er fagte, er 
bat gefagt, er komme; bier: er fagt, er fagte, er hat gefagt, er 
fommt, oder er fäme. 

3) Man gebraucht oft, befonders in der höheren Umgangsfprache, 
flatt des Präfens im Indikativ den Konditionalis, wenn der Spre⸗ 
chende die Wirklichkeit feiner Ausfage nicht hervorheben, und fein Ur- 
theil mit Befcheidenheit ausfprehen will. Man bedient ſich in diefem 
Halle insbefondere der Hilföverben mögen und dürfen. 

Ih wünfchte recht gelehrt zu werden. ©. F. 1, 94. Ich wünſchte, 
fagte Wilhelm darauf, daß durch eure Aeußerungen weder Neid noch 
Eigenliebe durchſchiene, und daß ihr jene Perſonen und ihre Verhält- 
niffe aus dem rechten Gefichtöpunfte betrachtetet. ©. 8%. 4, 2, 
Dürft’ ich wohl diesmal mich entfernen? G. F. 1, 72 

Anm. Dem nicht immer mit Entfchiedenheit auftretenden Römer Gicero 
wurde fchon fein esse videatur flatt est übel gedeutet. Heute bat biefe 
Halbheit, diefe Unentfchiedenheit bei Vielen eine folche Höhe erftiegen, baß 
fie feine Meinung zu äußern wagen, ohne ihr eine ganze Reihe Dinter: 
pförtchen offen zu halten. Nicht die fadeften Beifpiele find folgende: Es 
dürfte vielleicht doch fo fein Eönnen. Es möchte doch vielleicht einige 
Möglichkeit vorhanden fein Eönnen, die Sache fo erklären zu dürfen. Ich 
weiß nicht, ob ich es hoffen zu dürfen wagen fönnte. 


$. 104. 


Sm Sothifhen und früheften Aithochbeutfhen wurden die drei 
lateinifchen Präterita (Imperfekt, Perfekt, Plusquamperfekt) einfoͤr⸗ 
mig durch das Präteritum (Imperfekt) verdeutſcht, niemals umfchrie= 
ben. Im 9. Jahrhundert zeigen ſich bereitd Spuren von Umſchrei⸗ 
bungen mit haben und dem Participium Präteritiz gegen Ende des 
9. Jahrh. nehmen fie überhand und im 10. haben fie ſich völlig feft- - 
gefegt. — Der ältere, weitere, auf mehrere Tempora gerichtete Sinn 
der einfachen Formen ift ſelbſt heute noch nicht ganz vertilgt. Unfer 
Präfens druͤckt noch oft das Futurum, unfer einfaches Präteritum 
zugleich Imperfekt, Perfekt und Plusquamperfekt aus. Dies ift, 
neben dem in $. 103 Gefagten bei der Lehre von den Zeitverhältniffen 
nicht außer Acht zu faffen. 

Gothiſch. Imperf. vas 7» Matth. 27, 86. vesun zoav Matth. 27, 58. 
qvath ZAeye Matth. 9, 21. qvethun ZAeyo» Joh. 9, 8. sat ExaN9Elero 
Joh. 11, 20, — Perf. sat xcxciUPixé Marc. 11,2. qvam &AnAvde. Luc, 
3, 32. gaf Dede Joh. 17, 22. gasahv Eupaxe Luc. 1, 22. rodida 
Aekdinza Joh. 8,40. — Aor. I. sat Exddıce Luc, 19, 30, gaqvemun 
ovynydnoav Matth. 27, 62%. — Aor. II. vas &y&vero Luc. 1,5. qvath 
eine Matth. 8, 10, qvam nAdo» Matth. 8, 17. qyemum 74er Marc. 





— 61 — 


1,29. — In der 4. Bibelüberfegung heißen dieſe Beiſpiele: was.. wa⸗ 

ren.. ſprach.. ſprachen.. fie faß.. iſt geieffen.. ich kam.. ich gab.. er 
hat gefehen.. der ich gefaget hab.. ift gefeffen.. die pharifeer famenten 
fih.. wz (was).. fprady.. ich bin fomen.. fie famen. — Bei Luther 
heißen diefe Beifpiele: war... waren... ſprach.. fprachen.. fie bleib.. 
ift geſeſſen. id bin komen.. ich hab gegeben... er hatte geſehen.. ber ich 
gefagt habe.. ift gefeffen.. die Pharifeer famen.. war.. ſprach.. ich bin 
tomen, . fie famen. 


Althochdeutſch: arteilta (hatte ertheilt) gl. Jun. 201. nd (war geflof: 
fen) Daf. 205. garawida (bereitete) I. 340. dheonodon (dienten) Daf. 
354. wuntarötun (wunderten) T. 43, 3, 


Mittelhochdeutſch: enbeiz (gegeffen hatte) Iw. 62. jach (hatte ge- 
fast) Daf. 622. gesaz (hatte gejeffen) Daf. 773. betrahte (hatte betrach⸗ 
tet) Daf. 774, 


$. 109. 


Die Zeitbeftimmung im Nebenfage hängt mit dem Modus zu: 
fammen. Steht das Verbum des Nebenfages im Indikativ, fo wird 
die Zeit entweder nach dem Sprechenden oder nady der im Hauptſatz 
ausgefprochenen Behauptung beflimmt. Im Konjunktiv iſt ein groͤ⸗ 
Beres Schwanfen ($. 103. 2. 3), weil Konjunktiv und Konditionalie 
bier zu unterfcheiden find, und nicht immer unterfchieden merden. 


En 4 


a) Indikativ. 
6. 106.- 


Das Präfens erfcheint als Grundlage aller übrigen Tempora. 
Es drüdt die Gegenwart aus, zuweilen aber aud) die ald Gegens 
wart gedahte Vergangenheit oder Zukunft, und fleht fomwol 
bei einem abfoluten Zeitverhäftniß im einfachen oder beigeordnneten 
Sag ohne Beziehung auf irgend eine andere Thätigkeit, ald auch im 
relativen Zeitverhältniß im Saggefüge, um die Gleichzeitig: 


"Leit mit einer andern Thätigkeit auszubrüden. ⸗ 


Eine ſolche Stimme brauch' ich jetzt, den böfen Dämon zu vertreiben, 
der um mein Haupt die ſchwarzen Flügel [hlägt. S. T. 3, 4. Wer 
durch's Leben gehet ohne Wunfch, fich jeden Zweck verfagen Tann, ber 
wohnt im leichten Feuer mit dem Salamander, und hält fih rein im 
reinen Element. Daf. 2,2. Wie er winkt mit dem Finger, auf thut 
fich der weite Zwinger. &. Handihuh. Wir fahren zu Berg, wir 
tommen wieder, wenn der Kukuk ruft, wenn erwachen die Lieder, 
wenn mit Blumen bie Erbe ſich kleidet neu, wenn die Brünnlein flie⸗ 
Ben im lieblihen Mat. ©. II. 1,1. Die Schalkpeit lauſcht im Grü- 
nen halb verftedt, die Weisheit Läßt von einer goldnen Wolke von Zeit 
zu Beit erhabne Sprüche tönen, indeß auf wohlgeftimmter Laute mild ber 
Wahnſinn hin und her zu wühlen fcheint, und doch im fchönften Takt 
fih mäßig Hält. Wer neben biefen Mann fi wagen barf, verdient 
für feine Kühnheit fchon den Kranz. G. T. 1, 4 Während ihn bie 
Rechte fuht, genießt er feines Freveld Frucht. S. Kraniche d. I. 
Und weil ih fern bin, führe du mit Elugem Sinn das Regiment des 

Hauſes. ©. 31 1,2, — Aber ih gebe herum, fie aufzufuchen, und 


—ea — 


tomme wieder, fobald ich fie finde. ©. Hd. 8,242. Wenn ih ihn 
begnadige, geſchieht's aus fehuld’ger Achtung gegen meinen Kaifer. 
S. P. 2, 7. Als ih Bahn mir mache durch's Gewühl, da tritt ein 
braun Bohemerweib mih an, faßt mich in’s Auge fcharf und fpricht: 
Gefell, Ihr (uchet einen Helm. ©. Ivo. Prol. 3. Die Sonne gebt un= 
I da ſteht er am Thor und ſieht das Kreuz ſchon erhöhyet. ©. Bürg⸗ 
haft, 


8. 107, 


Das Imperfekt iſt eine relative Zeitform, und bezeichnet 
das Prädikat als ein in der Gegenwart des Sprechenden vergange: 
nes; es druͤckt aber zugleid das Zeitverhältnig des Prädikates zu , 
einer andern Thaͤtigkeit aus und ſtellt die ausgefngte Thaͤtigkeit 
als eine in dem relativen Zeitverhältniffe nicht vollendete dar. 
Es dient ferner zugleich für das lateiniſche Imperfekt, um nicht fo: 
wol etwas zu erzählen, als vielmehe zu [hildern, ju be: 
fhreiben. Daher gebraudht man ed auch endlih von wieder: 
holten Handlungen der Vergangenheit, um damit einen Zuſtand 


oder eine Gewohnheit auszudrüden. 

Mit thiu der heilant gisah thie menigi steig ufan berg. inti mit thiu ber 
gesa3 giengun zi imo sine iungiron. T. Matth. 8, 1 f. Vnd do iefus 
ſach die ſcharenn. do geng er uff einen berg. vmd dba er was gefelfen 
fin iungern genachte fih zu ym. B. Da er aber das Voll fahe, 
gieng er auff einen Berg, ond faste fich, ond feine Jünger tratten 
zujm. L. Indem anfang befchüff got himel onnd erd aber die erd 
was läre vn vnnütz vñ die vinfterufz waren uff de antlig des abgrunts. 
vun der geyft gottes warde getragenn uff bie wafler. un get fprach es 
werde dz liecht vnnd dz liecht ward gemadhet. B. 1. Mof. 1, 1f. Am 
Anfang ſchuff Gott Himel ond Erben. Vnd die Erbe war müft ond 
leer, vnd ed war finfter auff dem Wafler. Vnd Gott ſprach, Es werde 
Liecht, Und es ward Licht. L. — Du fannteft mid wieder, gleich 
als ich in den Garten kam? G. F. 1, 165. Mein Vater war ein dunk⸗ 
ler Ehrenmann, der über die Natur und ihre hril’gen Kreife in NRedlich: 
keit, jedoch auf feine Weife, mit grillenhafter Mühe Tann. Dat. 1, 58. 
Einige Monate verfirihen, ehe aus Madrid eine Antwort fam. ©. 
Sranvella. Indem bies unter bem Volke geſchah, fing der Minifter 
an am Dofe der Regentin zu wanken. Daf. Nachdem Pius der Vierte 
geftorben war, machte Granvella eine Reife nah Rom. Daf. — Ein 
ähnliches Gefühl ergriff mit Heftigkeit unfern Freund, als er das erfte 
Padet eröffnete, und die zertheilten Hefte in’s Feuer warf, die eben 
gewaltfam aufloderten, ale Werner hbereintrat, fich über bie leb⸗ 
bafte Slamme verwunderte und fragte, was hier vorgehe. ©. Li. 
2,2. Als er einige Straßen auf und ab gegangen war, begegnete 
ihm ein Unbelannter, der nach einem gewiffen Bafthofe fragte; Wils 
beim erbot fich, ihm das Haus zu zeigen; der Fremde erkfundigte 
fih nad) dem Namen ber Straße, nad) den Befigern verfihiedener großen 
Gebäude, vor denen fie vorbei gingen, fodann nad einiaen Polizeis 
einrichtungen ber Stadt, und fie waren in einem gang intereffanten Ge⸗ 
fpräche begriffen, als fie am Thore des Wirthöhauſes anlamen. Daf. 
1, 17. Bor diefer Linde ſaß ich jüngft wie heut, das fchön Vollbrachte 
freudig überdentend, da kam daher von Küßnadıt, feiner Burg, der Vogt 
mit feinen Reiſigen geritten. Doch ih erhub mich fchnell, und unters 


würfig, wie ſich's gebührt, trat ich dem Herrn entgegen. S. Tl. 1,2. — 
Wart Ihr doc fonft fo froh, Ihr pflegtet mic zu tröften; und eher 
mußt’ ih Euren Rlatterfinn, ald Eure Schwermuth ſchelten. ©. St. 
1,4. Ihr erſchreckt mich nicht; auf ſolche Botfchaft war ich längſt ge= 
faßt. Daſ. 1,6. Nun komm' ich heut in diefen Tempel, den ich oft bes 
trat, um Sieg gu bitten. ©. 3.1, 3. Was half's den Jünglingen, 
dag fi fie viel wußten, wenn ihnen das befte Lernen fehlte, als ihr Ges 
lerntes gut a nzuwenden? Sie Famen aus der Schule, oder entzogen 
fich fogar ber Ehute, um zu vergeffen. Zum Wohle der Welt etwas zu 
lernen war nicht ihre Zweck: dazu war ihre Seele nicht gebildet, Herder. 


8. 108. 


Das Imperfekt des Indikativs wird oft, mie das lateinifche 
Smperfebt, Perfekt und Plusquamperfekt und wie das griehifhe Im⸗ 
perfekt, flatt des Konditionalie gebraudht; es hat jedod) aledann mei⸗ 
ſtens noch die Bedeutung eines Präteritums. Es ift dies der Tal, 
wenn ausgefagt wird, daß unter gewiſſen Umftänden, alfo bedin⸗ 
gungsweife, etwas gefchehen follte, könnte, oder hätte gefchehen 
- follen, Eönnen, was aber nicht gefchieht ober gefchehen if. Die Aus: 
fage wird dann nicht an eine zu ergänzende Bedingung geknüpft, fon- 
dern das unerfüllte oder unerfüllt gebliebene Sollen, . Können wird als 
ein wirklich vorhanden gewefenes bargeftellt. — In einigen füddeut: 
hen Mundarten (in Baiern und am Mittelrhein) wird das Imperfekt 
nur in der Bedeutung des Konditionalis, und zwar für die Gegen: 
wart gebraucht, indem ſtatt des Imperfekts im Indikativ Immer das 
Perfekt gebraucht wird ($. 103. 1). 

Griffen Sie damals zu, fo wären wir jeht im Gange. G. 8%. 2, 11. 
Wollte er meine Überzeugung nicht flören, fo war ich bie feine; ohne 
biefe Bedingung hätte id; ein Königreich mit ihm ausgeichlagen. Daf. 6. 
War ich, wofür ich gelte, ber Berrätäer, ich hätte mir den guten Schein 
gefpart. ©. T. 1, 4. Warf er das Schwert von fih, er war verloren, 
wie ih es wär’, wenn ich entwaffnete. Dal. 2,2. Wenn bdiefer ſtarke 
Arm euch nicht hereingefühet, ihr ſahet nie den Rauch von einem frän- 
kiſchen Kamine fleigen. &I00.2,1. Trotz eurer Spürkraft war Maria 
Stuart noch heute frei, wenn ich es nicht verhindert. S. St. 4,6. _ Wäre 
das ganze Gewicht feiner Macht auf die vereinigten Provinzen gefallen, 
fo war keine Rettung für ihre Freiheit. S. Abf.d. N. 


Anm. über die ſüddeutſche Volksſprache in diefer Hinficht f. Schmeller: 
die Mundarten Bayerns. München 1821. Nr. 941. 960. 968. 988. 


8. 109. 


Das mit habe und bin gebildete Perfekte tritt neben dem 
einfachen Präteritum (Imperfekt) für das Lateinifhe Perfekt derge: 
fallt ein, daß das erzählende Perfekt (der griechifche Aorift) mit dem 
einfachen Präteritum ($. 107), das (dem griechifchen Perfekt gleiche) 
eine in der Gegenwart des Sprechenden vollendete Thätigkeit aus: 
drüdende Iateinifche Perfett aber mit der deutſchen Umfchreibung, 
dem Perfekt, außgedrüdt wird. Das Perfekt bezeichwet alſo das Praͤ⸗ 


— 64 — 
dikat als ein in ber Gegenwart des Sprechenden vergangenes und 
die Thätigkeit al8 eine in der Gegenwart vollendete, alfo fchlecht- 
weg die Vergangenheit und insbefondere die Wirklichkeit einer 
vergangenen Thätigkeit. — De der Gebrauh fih erſt allmaͤlich 


feftfteltte, fo Eönnen Abweichungen in der früheren Zeit nicht be= 


fremden. 
ir den christänun namun intfangan eigut (die ir ben Shriftennamen em⸗ 
pfangen habt). Exbort. bei W. 52, 9. diu marha ist farprunnan (die 
Mark [Gegend] ift verbrannt). Musp. 120 bei W. 73, 17. ihhaben iz 
füntan in mir, ni fand ih Ifabes uuiht in thir (ich habe es gefunden in 
mir, nicht fand ich Liebes etwas in dir). O. I, 18 bei W. 89,7. — 0 herr 
min gott ob ih di Hab gethon ob die boſzheyt ift in mine henden. ob 
ih hab widergeben de die mir wibergaben die ubeln dinge... Es 
ſy den das ir werbent beferet er hat uſzzogen fin fhwert. er [pans 
net finen bogen vn bereyt yn. Bin er bereyt in ym die vafz dez 
todes. ern. Er tet vff den ſee vn grüb yn vn viel in die grübe bie 
er machet. B. 9.7, 4. 5. 13. 14. 16. Herr mein Bott, Hab ich folchs 
gethban, Bnd ift vnrecht in meinen henden. Hab ich bofes vergolten, 
denen fo friedlich mit mir lebten, Oder die fo mir on vrſach feind wa⸗ 
ren, befhedigt... Wil man fich nicht beferen, So hat er fein- 
Schwert gewept, Bnd feinen Bogen gefpannet, und zielet. Vnd 
hat drauff gelegt tödlich gefchos, Seine Pfeile Hat er zugericht 
zuuerderben ... Er hat eine Gruben gegraben vnd auögefürt, vnd 
ift in bie Gruben gefallen, bie er gemacht hat. L. — Sie feiern 
bie Auferftehung des Herrn, benn fie find felber auferftanden. ©. F. 
4,53. Berlaffen hab’ ich Feld und Auen, bie eine tiefe Nacht be- 
beit, mit ahnungsvollem heil’gem Grauen in ung die beff’re Seele weckt. 
Entichlafen find nun wilde Zriebe, mit jedem ungeftümen Thun; es 
reget ſich die Menſchenliebe, die Liebe Gottes regt ſich nun. Daſ. 1, 64. 
Seid mir willkommen, Sir, in England. Ihr habt den großen Weg ge⸗ 
macht, Habt Frankreich bereif’t und Rom und Euch zu Rheims 
vermweilt. ©. St. 2,4. Doch haben Hingeworfne Worte mich bes: ' 
eoet, ba daß feine Seele feft den Wunnfch ergriffen bat, dich zu befigen. 
3. 1 


! 

Anm. In Folgenden Beifpielen ftände richtiger das Perfelt: Wo kam ber 
Schmud her? Vom obern Stodwerf warb er herabgeworfen... 
Selbft ihre Laute ward ihr genommen. ©: St. 1,4. — In ähnli: 
her Weife gebraucht Schiller öfters das Imperfekt ftatt des Perfekte. 


$. 110. 


Da die vollendete Handlung gewiß ift; fo bezeichnet der 
Sprechende oft eine in der Gegenwart noch zukünftige Handlung mit 
dem Perfekt als eine ſolche, deren ficheres Eintreten und gänzliche 
Vollendung ihm aud nicht im Mindeften zweifelhaft if. In diefen 
Sägen geht dem futurifchen Präfens (Perfekt) immer ein Präfens 
voran. — Vom Perfekt flatt des Lateinifchen zweiten Futu— 


rums ſ. $. 113. 
wirt er des libes gereit (bereit), er hät in schiere hin geleit. Iw. 3418. 
Fordre unfre Häupter, fo ift es aufeinmal gethan. G. Egm. 4. Jene hat 
gelebt, wenn ich dies Blatt aus meinen Händen gebe. ©. St. 4, 11. 
Wenn fie deine Schönheit erblickt, durch Ehrbarkeit bewacht, in Blorie 


— 68s — 


geſtellt durch einen unbefleckten Tugendruf, den ſie, leichtſinnig buhlend, 
von ſich warf, erhoben durch ber Krone Glanz, und jegt durch zarte 

* Bräutlichkeit gefhmüdt, dann hat die Stunde der Vernichtung ihr ge⸗ 
ſchlagen. Daſ. 2,9. 

Anm. Statt des Perfekts gebraucht Luther häufig das die Wirklichkeit 
nachdrücklich bezeichnende Präjens, wo im lateinijchen Zert ein Präteri- 
tum ſteht. — Denn du fchlegft alle meine Feinde. L. Pf. 3,8. Du 
baft gefhlagen. B. Denn du Herr fegeneft die Gerechten, Du kroͤ⸗ 
neft fie mit Gnaden. L. 9. 5, 13. Du gefegeft de gerechten Herre bu 
baft vnſz getrönet. B. Der Herr hoͤret mein flehen, Mein Gebet 
nimpt der Herr an. L. Pf. 6, 10. ver here Hat erhoͤrt mein bit: 
tunge. ber herre empfing mein gebet. B. 


8. 111. 


Das mit Hatte und war umfchriebene Plusquamperfett 
entfpricht dem lateinifchen Plusquamperfekt, drüdt alfo etwas Ver⸗ 
gangenes und in Bezug auf eine andere gleihfalld vergangene 
Thätigkeit Vollendetes aus. — Se weiter wir in der Geſchichte 
der deutfchen Sprache zurüdgehen, defto feltner wird das Plusquam⸗ 
perfekt: feine Stelle wird durd das Perfekt, früher durch das Im: 
perfekt vertreten ($. 104). - 


deri vordirin wtlin mit herin dari cumin wärin ubir meri mit mislichemo 
volke (ren Vordern [Vorfahren] vor Zeiten mit Hceren dahin gefommen 
waren über Mer mit verfchiedenartigem Volke). Annol. bei W. 179, 14. 
— Vnnd darnach bo fie yn Hattentwent. do füret fie yn für den her⸗ 
ten; B. 1. Kön. (Sam.) 1, 24. Sie bracht jn mit jr hin auff, nachdem 
fieinentwenet hatte. L. Do fie yn (den Efel) Hätten gefattett. 
er ftig off. B. 3. Kon. 13, 13. Da fie jm den Ejel fattelten, reit er 
drauff. L. Do er hät gegeffen on getrundn. der wiſſag fattelt 
feinen efel den er hät widerfüret. Doer was heymgegangen. 
eyn lewe ber vand yn an dem weg. B. 3. Kön. 13, 23. Vnd nady dem 
er brot geffen und getrunden hatte, fattelt man den Ejel dem 
Propheten, den er widerumb gefürt.hatte. Vnd da er weg zoch, 
fand jn ein Lewe auff dem wege. L. — Kaum war ich zu Haufe ange⸗ 
‚ Tommen, und hatte meine Eltern mit einer befriedigenden Erzählung 
erfreut, fo überfiel mic ein Blutfturg. ©. Lj. 6. Hier bemerkte man 
erft, daß die Wunde aufgegangen war und ſtark geblutet hatte, 
Daof. 4,9. Er hatte fic eine Zeit lang aufmerkſam betrachtet, ale 
fie fih zu regen anfing. Daf. 4, 10. Was ber Abjcheu der ganzen nie= 
derländijchen Ration nicht vermocht hatte, war dem geringichäßigen 
Betragen bes Adeld gelungen. ©. Granvella. Es war keine Hilfe vors 
anden, fo lange der Minifter nicht vom Ruder der Regierung vertries 
enwar. Daf. Seine Verwendung blieb fruchtlos; Armenterog hatte 
den König überzeugt, daß der Aufenthalt diejes Miniſters in Madrid 
alte Berchwerden der niederländifchen Nation, benen man ihn aufges 
opfert hatte, heftiger wieder zurüdbringen würde. Daf. Nachdem 
ber Kailer Unterhandlungen, Ermahnungen, Drohungen und Befihle 
fruchtlos erfhöpft hatte, den König von Dänemark und den nieder: 
fächfifben Kreis zu Niederlegung der Waffen zu vermögen, fingen die 
eindfeligkeiten an, und Miederdeutſchland wurde nun der Schauplag bes 
Kriegs. ©. 30. Kr. 2.8. 
Kehrein Grammatik. 2 . 5 


— 66 — 


$. 112. 


Das Zeitverhältnig dee Zukunft wird duch das Futurum 
ausgedrückt, d. he fprechen wir von einer Handlung, bie ef kuͤnftig 
geſchehen wird, fo bedienen wir uns des Futurums. — In der aͤlte⸗ 

ften Zeit gereicht das Prafens Indikativi zugleich für den Be: 

griff dee Futurums. Selbſt bei den mittelhochdeutfchen Dichtern 

und neuhochdeutfch wird noch häufig das Präfens für das Futu- 

eum gebraudt, wenn entweder das Zeitverhältniß nicht foll hervor- 

gehoben werden, oder auf eine andere Weiſe 5.8. dur bald, mor- 
gen ıc. ſchon ausgedrüdt ift ($. 106). 

jarvairthith thus faheds jah svegnitha jah managai in gabaurthai is fagi- 

nond. vairthith auk mikils in andvairthja fraujins jah vein jah leithu ni 

drigkid jah ahmins veihis gafulljada nauhthan in wambai aitheins 

seinaizos. Ulfila, Luc. 1, 14f. vn die wirt freud vnd froloden vnd 

vil werden ſich frewe in finer geburt. Wan er wirt groß. vorm her⸗ 

ren ond win ond fur trand wirt er nit trinden ond er wirt erfult 

mit de heylige geift noch von dem lyb finer müter. B. vnd du wirft 

des fremde ond wonne haben, Bnd viel werden fich feiner Geburt 

frewen, Denn er wird Groß fein fur bem Herren, Wein vnd flard 

> Getrende wird er niht trinden. Vnd wird noch in Mutterleibe er- 

füllet werden mit dem heiligen @eift. L. — Er wird auf mi flu= 

hen, wenn ich ihm das Buch nicht bald bringe. Leſſigg, Ig. 3,1. 

Aber ich gehe herum, fie aufzufuchen, und komme wieder, ſobald ich fie 

finde. ©. Hd. 5, 242, — Sch fehe, wie Alles fommen wird, Der 

König von Ungarn wird erfheinen, und es wird fich yon felbft 

verftehen, daß der Herzog geht; nicht der Erklärung wird es erft 
bedürfen. Der König wird die Truppen laffen fchwören, und Alles 

wird in feiner Ordnung bleiben. An einem Morgen ift der Herzog 
fort, auf feinen Schlöffern wird ed num lebendig, dort wird er jagen, 
bau’n, Geſtütte Halten, ſich einen Hofftaat gründen, goldne Schlüf: 
ſel austh eilen, gaftfrei große Zafel geben, und &urz ein großer Kö: 
nig fein im Kleinen! ©. T. 1,7. 


$. 113. 


Das fo genannte Futurum exaktum unterſcheidet ſich von 
dem gewoͤhnlichen indikativen Futurum dadurch, daß es mit dem Prä- 
teritum des Infinitivs umſchrieben wird. Das Praͤdikat wird bier: 
bei als eine Thaͤtigkeit dargeſtellt, die zwar in der Gegenwart des 
Sprechenden zufünftig, aber zugleich einer andern ebenfalls zu⸗ 
kuͤnftigen Thätigkeit vorangegangen und in diefem relativen 
Zeitverhältniffe vollendet if. Man macht von bdiefem, im Alt: 
hochdeutſchen noch unbekannten und insgemein durch das Präfens 
ausgedrüdten, Juturum nur dann Gebrauch, wenn die Vollen⸗ 
dung der Thätigkeit foll hervorgehoben werden, fonft fteht meiſtens 
dafür das Perfekt. — Die noch Läftigeren Paffivumfchreibungen: 
Sch werdegeliebt worben fein wa. finden ſich mehr bei den 
Srammatifern und Überfegern lateinifcher Werke, als in der Sprache 
ber deutſchen Schriftfteller und des Volkes. — Da wir flatt des Zu: 


“ u u Tom u (| 


— — — — — — — 


— 67 — 
turums häufig das Praͤſens gebrauchen ($. 112); fo gebrauchen mir 
folgerichtig flatt des Futurums exakt. das Perfekt, wenn die beiden 
Futura mit einander verbunden werden, alfo: qui prior strinxerit 
ferrum, ejus vietoria erit, mer zuerft das Schwert gezogen hat (oder 
auch zieht), deſſen ift der Sieg. 


sö stt ir schiere gelegen (fo werdet ihr bald unterlegen fein). Iw. 5016. 
da} hat man schiere gesehn. (das wird man gleich gefehen haben). Iw. 


A988. Geet vnd fragt fipfligktich nach dem kinde Vn fo irs habt - 


funde fo widerkundet mird. B. Matth. 2,8. ZSiehet hin, und forfchet 
vleiffig nach dem Kinblin, Vnd wenn jrs findet, fuget mirs wider. L. 
Sp ich aber wider erftee fo will ich üch vorgan in gallilen. B. Matth. 
26, 32. Wenn ich aber aufferflehe, wil ich fur euch hin gehen in 
Balilean. L. waͤſche ich dich dan nit. fo wirft du keinen teyl by mir 
haben. B. Soh. 13,8. Werde ih dih niht waffchen, fo haftu kein 
Zeil mit mir. L. wan wir gebett haben fo wollen wir wieder zu och 
Tummen. B. 1. Mof. 22,5. wenn wir angebetet haben, wollen 
wir wider zu euch Eomen, L. Ic wil nit eſſen, byfz das ich rede min 
wort. B. 1. Moſ. 24, 33. id) wil nicht effen, bis das ich zuuor meine 
Sahe geworben habe. L. Die Könige haben fi mit dem Schwert 
verderbet, und einer wird den andern gefchlagen haben. L. A. Kön. 
3, 23. Die Bünig ftritte wider fich on erfchlügen ſich onder anander. B. 
wenn ich fie genugfam geplagethaben werde, fo will ih fie an eine 
Säule binden, Sp. 3, 6. Wie fie ihre Stunden wohl angewenbet 
werden haben, SKHoffmannswaldau, Eginhard und Emma Vorbericht, 
— Sch bin gewiß, daß der erfahrne Kenner beim erften Blide wird ge: 
lefen haben, was ich ihm taugen Eann, was nicht. ©. DE. 3, 10, 
Doch denket nicht, dag ihr's vollenden werdet, das Eleine Heer! Berges 
bens werdet ihr für euern Feldherrn euch geopfert haben. ©. T. 
3,15. Ja felbft die Mörberhand, die blutig fchredlich, ein unerwartet 
ungeheures Schidfal, dazwiſchen kam, werd’ ih bewaffnet haben! 
©. St. 4,4 Nein, Zell, die Antwort laß ich dir nicht gelten; es wird 
was Anders mohl bedeutet haben. ©. Th. 3,3. Das ift freilich der 
Hauptpunft, Brüderchen, und auf den werde ich dir gleich dienen Eön- 
nen, wenn id) dir vorher das gebührende Lob über deine vortrefflich an⸗ 
gewenbete Zeit werde entrichtet haben. ©. Lj. 5, 2. — Ihe Schrei⸗ 
ben fol zugleich mein Ereditiv fein, mit dem ich mich einftelle, fobald ich 
eserhaltenhabe. G. %.1,6. Ich verfpreche, daß ich nicht eher don 
euch weichen, euch nicht eher verlaffen will, als bis ein jeder feinen Ver: 
luft doppelt und dreifach erfegt ſieht, bis ihr den Zuftand, in dem ihr 
euch, durch weſſen Schuld es mwolle, befindet, völlig vergeffen, und 
mit einem glüdlihern vertaufcht habt. Daf. 3,8. Ich werbe froh 
fein, wenn das Stück morgen gegeben ifl. Daf. 5,10. Richt eher 
den® ich biefes Blatt zu brauchen, bis eine That gethan ift, die un 
wiberfprechlich den Dochverrath bezeugt. ©. 9.5,1. Wenn bie erften 
Runden paffirt find, führt Ihr fie in aller Stille dem Haufe zu. ©. 
T. 8, 2. 

Anm. Becker (ausführl. Gram. II, 40) findet das Futurum exaktum 
noch nicht bei Luther im 16., ja felbfi nicht bei Schottelius im 17, 
Jahrh. — Die oben mitgetheilten Beifpiele aus Luthers Vibelüberſetzung 
(4. Kön. 3,23) und aus dem Simpliciffimus und Hoffmannsmwaldau weis 
fen dasfelbe im 46—17. Jahrh. nach. 


5* 


. 





— 68 


b) Konjunktiv und Konditionalis. 


8. 114. 


Im Konjunktiv, der entweder in der abhängigen Rede 
($. 181) ftehen, oder von dem Verbum des Hauptfages abhängig fein 
£ann, wird das Zeitverhältniß des Pradikates nicht auf die Gegenwart 
des Sprechenden, fondern auf die Zeit bes im Hauptſatze fliehen: 
den Praͤdikates bezogen. Auf die abfoluten BZeitformen des 
Hauptfages folgen im Nebenfage gewoͤhnlich abfolute, auf die 
relativen ebenfo relative Zeitformen. Am Konjunktiv herrſcht 
übrigens bier weit größeres Schwanken als im Indikativ, mas zum 
Theil feinen Grund in den minder fcharf unterfchiedenen Flexions⸗ 
formen hat. 





g. 115. 


Der Gebraud) des Prafens, Perfekts und Futurums 
des Konjunktivs ergibt fih, mit Beachtung des $. 100 Sefagten, aus 
dem Zeitverhältnig des im Hauptfage ſtehenden Praͤdikates. — 
Schwankend ift der Gebrauch, wenn das Prädikat des Hauptfages im 
Imperfekt oder Plusquamperfekt fteht: hier ſteht im Ne: 
benfage meiftens der Konditionalis, oft auch der Konjunktiv, nicht fels 
ten werden beide durcheinander gemifht. Dasſelbe Schwanten findet 
fi) in der angeführten Rede (oratio obliqua $. 181). 

Dazu kam der Beifall der Zufchauer, welche durchaus behaupteten: ob⸗ 
gleich der Lieutenant in Abficht der groben und feinen. Stimme fehr viel 
gethban habe, fo perorire er doch meift zu affectirt und fteif; da⸗ 
gegen fpr * e der neue Anfänger feinen David und Jonathan vortreff⸗ 
lich. ©. 8. 1,6. In der Hige der Erfindung, da ich ganz von meinem 
Gegenftand: durchdrungen war, hatte ih vergejfen, daß doch jeder 
wiffen müffe, was und wo er es zu fagen habe. Daf. 1, 7. Zugleich 
erfahre ich, daß man hierher gekommen fei, die jungen Leute wird: 
lic in Empfang zu nehmen. Daf. 1, 13. Er dadhte nicht anders, als 
daß der Schaufpieler, fobald er mit feiner ; jungen Gattin befreit worden, 
das Theater auffuchen werde. Daf. 1,14. Er fühlte, daß er ein 
anderer Menſch zu werden beginne, Daf. 1,9. Er bat den zaubern: 
den Amtmann heimlich, er möchte doch der Sache ein Ende machen, es 
fei ja alles fo Elar als möglich und bedürfe einer weitern Unterſu⸗ 
hung. Daf. 1,13. Er behauptete, nur ein feltenes Vergnügen _ 
könne bei den Menſchen einen Werth haben, Kinder und Alte wüßten 
nicht zu fhägen, was ihnen Gutes täglid) begegnete, Daſ. 1,4. Mehr 
als Ein dienftfertiger Freund hat mir verfihert, bu Lebteft mit 
einem liederlichen jungen Edelmann, führteft ihm Schaufpielerinnen 
zu, bülfeft ihm fein Geld durchbringen, und feieft fhuld, daß er mit 
feinen fämmtlihen Anverwandten gefpannt fei. Daf. 8, 1. Er dachte, 

daß es ihm doch möglich fei, jeden Augenblick zurüdzufehren. Im Ge⸗ 
gentheil ftellte er ſich Dttilien vor, aus dem Haufe gedrängt, wenn er 
bliebe. G. Wp. 1, 16. Laffen Sie in diefer Ungewißheit des Lebens 
dem bebürftigen Herzen doch nur eine Art von Leitftern, nach welchem es 
binblide, wenn es auch nicht darnach fteuern Tann. Daf. 1, 18, Ders - 


— — 69 — 


gleichen Verhaͤltniſſe, weiß ich wohl, heben ſich nicht auf und bilden ſich 
nicht, ohne dag manches falle, was fteht, ohne daß manches weiche, 
was zu beharren Luft hat. Daf. 2, 12. Iſt denn nicht auch alddann, wenn 
wir uns vornehmen, in bie alten Zuftände zurüdzutehren, manches Uns 
ſchickliche, Unbequeme, Verdrießliche zu übertragen, ohne daß irgend 
etwas Gutes, etwas Heiteres daraus entfpränge? Daf. 1,12. Gr 
vermuthete, hier fei Eduard gegenwärtiger Aufenthalt. Dar. 1, 18. 
Charlotte verlangte nur von ihm, er folle bie Nachricht Eduarden 
bringen und fehen, was zu thun fei. Daf. 1,18. Ih wünjche mir, 
daß ich dem Mächtigen, was ihm gefällt, mit Wahrheit fagen möge. 
G. J. 1, 2. Man rühmet body die Gütige; man glaubet, fie ent: 
fpringe vom Stamm ber Amagonen, fei geflohn, um einem großen 
Unheil zu entgehn. Daf. 2,1. Woher du feift und Eommft, o Jüng⸗ 
ling, ſprich! Daſ. 2,2, So mag der Schwarm denn kommen, daß es 
luſtig in unſern Gärten werde, daß auch mir, wie billig, eine Schöns 
heit in dem Kühlen, wenn ich fie fuche, gern begegnen mag. ©. T. 1,2. 
— Schon feit den Ichten Monden ließ der Greis geheimnißvolle Winte 
fich entfallen, daß nicht mehr ferne fei der Tag, der fie den Shrigen zus 
rüde geben werde. Seit geftern aber ſprach er’s deutlich aus, daß 
” mit der nächften Morgenfonne Strahl ihr Schickſal fich entfcheidend 
werdeldfen S. Bvm. Egmont betheuerte, daß das Ganze nichts 
als ein Zafelfcherz sgoeien fet. S, Abf. d. N. Ziele gut, daß du 
den Apfel treffelt. S. 21. 3,3. Und an dem Ufer merkt' ich feharf 
umher, wo ſich ein Vortheil a uftHät zum Entfpringen. Daſ. 4,1. Das 
wären die Planeten, fagte mir ber Führer, fie vegierten das Ges 
fhid. Drum feien fie als Könige gebildet. S. 9. 3,4 Ich that 
nach Ihrer Borfchrift, führte an, Sie Hätten über ‘unfer Kind be: 
ſtimmt, und möchten gern dem fünftigen Gemahl noch vor dem Feld: 
zug die Verlobte zeigen. Daf. 2,2. Draufrannt’ er an das Kenfter, riß 
es auf mit müthender Gewalt, fchrie in bie Gaſſe hinab, daß alles 
‚Volk zufammen lief: er fei der Schreiber ber Maria, fei der Böswidht, 
der fie fälfchlich angeklagt; er fei verflucht, er fei ein falfcher Zeuge! 
S. St. 5,13. Laß dich beſchwören, übereite nichts, befich!, daß man 
von Neuem unterfude. Dal. 5, 13, Auf die Verfiherung der Re⸗ 
. gentin, daß bie Provinzen einer vollfommenen Ruhe genöffen, und 
von Feiner Seite Widerfegung zu fürchten fei, ep der Herzog einige 
deutſche Regimenter auseinander gehen. S. Abf. d. N 


$. 116. 


Der Gebraud) des Konditionalis ergibt fih zum Theil aus 
bem in 6. 96. 102 Gefagten. — Der Konditionalis ſteht flatt des 
Konjunktivs immer nad) dem Imperfekt und Plusquamperfekt: 

1) In den mit daß gebildeten Kafusfägen, welche dag Objekt 
eines Verbums wünfchen, bitten, gebieten, darbieten, 
zulaſſen, hoffen, fürchten ausbruͤcken, und in den Adverbial⸗ 
ſaͤtzen des Zweckes. (Vgl. $. 100. 5. 6.) 

2) In den adjektiviſchen Relativſaͤtzen. (Vgl. $. 100. 3.) 

3) In den durch die Konjunftionen ehe, bis, als ob verbun: 
denen Adverbialfägen. (Vgl. $. 100. 4.) 

So wäre dir vil waͤger (beffer) du wäreft heraußbliben. Gg. 129a. 

Da forcht er jm, er würde geftrafft. A. 216b. — Zufricden wär 

ich, wenn mein Bolt mid rühmte. ©. 3. 1,3. Denn vieleicht, ach 


— 70 — 


wüßteft du, wer vor dir ſteht, und welch verwünſchtes Haupt du nährſt 
-. und fchügeft, ein Entfegen faßte dein großes Herz mit ſeltnem Schauer 
an, und ftatt die Seite deines Thrones mir zu bieten, triebeft du mich 
vor der Zeit aus deinem Reiche, Daf. 1,3. Es wäre mir der Frühling 
ſehr willtommen, wenn er nicht meine Freundin mir entführte. G. T. 
4,1. Hätt’ uns nicht der Herzog von Urbino die Schwefler weg⸗ 
geführt, uns wären Jahre im fchönen ungetrübten Glüd ver— 
fhwunden. Daf. 2,1. Es täme nur darauf an, daß man fih ver⸗ 
ftändigte. ©. Wo. 1, 16. Er follte fie wenigftens jest nicht wieder: 
fehen; ob er fie je wiederfähe, welche Sicherheit Eonnte er fih dar: 
über verfprehen? Daf. 1,16. Schämen würde er fih, wenn er 
einfähe, wie unerträglich er dem Leidenden wird. Daf.1,18. Würde 
der glüdliche Zuftand, in dem du dich befindeft, dir wohl Freude machen, 
wenn du gehindert wäreft, mich zu befuhen? Daf. 2,12. Dem 
Lord that es leid, ohne daß er darüber verlegen geweſen wäre. 
Daf. 2, 10. Wobei er in der Unfchuld feines Herzens fich ſchon zum 
Voraus lauf über den Eindrud freute, den dergleichen Scenen auf das 
frifche Gemüth Ottiliens machen würden. Daf. 1,10, Wahrfchein: 
lih würde Ihnen aber, wenn das Cabinet ein Eigenthum Ihres Hau: 
fes geblieben wäre, nach und nach ber Sinn für die Werke felbit auf: 
gegangen fein, fo daß Sie nicht immer nur fich felbft und Ihre Nei- 
gung in den Kunftwerfen gefehen hätten. &. %.1,17. Hätte er 
den Hauptfchlüffel. bei fih gehabt, er würde fih nit gehalten 
haben. Daf. 1,17. Wer mir bas vorausgefagt hätte, würde 
mich zur Verzweiflung gebracht haben. Das. 2,2. Ihr Schreiber 
Kurl, ftünd’ er ihr gegenüber, käm' es dazu, das Wort nun auszu—⸗ 
fprechen, an dem ihr Leben hänat, er würde zaghaft zurückziehn, 
fein Geftändnig widerrufen. © St. 1,8. — Die Heinften Umftände 
biefes Zufalls ftehn mir noch vor Augen, als hätte er fich geftern ereig: 
net. &. 21.6. So wargzuermwarten, daß fie (die Nation) fich leichs 
ter dazu verftehen würde, zu Erhaltung bes Friedens, als zu einem 
unterdrücenden und verheerenden Kriege beizutragen. S. Abf. d. N. Weil 
nicht zu hoffen war, daß ber niederländifche Abel eine Mäßigung, die 
er dem Souverän nicht verfagen Eonnte, auch auf einen feiner Diener 
würdeausgedehnt haben. Daf. Man ließ fogar befürditen, 
dag man diefelbe Demüthigung von ihnen verlangen würde, zu 
welcher ihre rebellifchen Vorfahren fich hatten verftehen müffen. Daf. In 
den Provinzen war fein einziger Pla mehr, ber fih den Waffen der 
Regentin nicht unterworfen hätte. Daf. Der Herzog ruft den Mas 
teofen zu, die Mafchine mit Stangen aufzuhalten und die Flammen zu 
löihen, ehe fie das Gebälf ergriffen. Daf. Als wäre der Sieg 
ſchon erfochten, überlieg man fich einer tobenden Fröhlichkeit. Daf. 
Doch hoffte man, die Stadt wenigftens noch fo lange hinzuhalten, bis 
man bas Getreide würde einernten können. Daf. j 


Zweites Sapitel, 
Relativfäge. 
$. 117. 


Der Begriff der Ruͤckbezuͤglichkeit (Melativitdt) wird neuhoch⸗ 
beutfch auf verfchiedene Weife ausgedrüdt: duch das Demonftrativ: 


pronomen der, die, das, durch das Interrogativpronomen wer, 
TE Te re al af ON elek vn 
. x in — [ N 


. * 
— % , 
a EL 2 Ze 


—M — 
was, welcher, welche, welches, durd die Relativpartikeln fo 
und mo. 


8. 118. . 


Das Relativpronomen ift an fich, weil es den in dem Relativfag 
(Adjektivfag) ausgedrüdten Begriff als das Attribut eines Seins be: 
zeichnet, eigentlich ein Adjektivpronomen, wie das lateiniſche qui, das 
sriechifhe 05. Das Relativpronomen bezeichnet jedoch oft zugleich 
das Sein felbft, auf welches das Attribut bezogen wird, d. h. im fol: 
chen Sägen, in welchen das Demonftrativ fehlt, und da muß man 
das Relativ als ein Subftantivpronomen anfehen, 5. B. Wer (ber, 
wer) Pech anrührt, befudelt fh. Was (das, was) ſich fuchet, findet 
ſich. ther mit mir nist (nicht ift), ther ist widar mir. thaz er 
ouh gihorti (hörte), tha3 ther &warto (Gefeghüter,. Priefter) bati 
(bat). | 


Form, Bedeutung und Gebraud der Relativen 
im Allgemeinen. 


| s. 119. 


Der, bie, das (goth. sa, sö, Ihata, ahd. Ih(d)er, th(d)iu, 
th(d)a3, mhd. der, diu, daz) ift eigentlich ein Demonftrativpronomen. 
Aus ihm entwidelte ſich allmälich der bejtimmte Artikel (der, 

- die, das), jedoch mit der Eigenthümlichkeit, daß in einzelnen Kafus 
das Demonftrativpronomen neuhochdeutſch eine vollere Korm bat: 
Gen. Sing. deffen, deren, deffen (ftatt des, der, des), Sen. 
"Pur. derer (ſtatt der), Dat. Plur. denen (ftatt den). 


$. 120, 


Das gothifche Relativ wird meift gebildet vom Demonftrativ 
sa, sö, thata mit Anhaͤngung der Pronominatenklitita ei, alfo saei, 
söei, thatei. Dieſes ei wird auch an die Pronomina erfter und zwei: 
ter Perfon, wie an das gefchlechtige Pronomen der dritten Perfon ge⸗ 
hängt, und es erwaͤchſt daraus relative Bedeutung: ikei (der ich), 
juzei (die ihr), izei (der weicher). — Die älteften ahd. Denkmäler 
verwenden fchon das Demonftrativ der, diu, daz, ohne weiteren Zu— 
fag, ed mag adjektivifch oder fubftantivifcy ftehen, relativ; organifcher 
Weiſe aber nur, wie es ſcheint, und wie auch gothiſch der Fall ift, in 
Bezug auf die dritte Perfon. Es heißt goth. thuei (der du), ahd. 
ih, dd, wir, ir, nicht der ich, der da, die wir, die ir. Ausnahmemeife 
findet fi aber auch bereits im Ahd. das Demonftrativ in relativer 
Anwendung auf die beiden erften Perfonen, namentlich bei Zatian. 


Goth. athäihäit thanzei vilda (er rief herzu welche er wollte). UIf. Luc. 
6, 13. bugei thizei thaurbeima (kaufe deffen wir bedürfen). 305.13, 29. 
sumäi thize thäiei ni käusjand (einige derjenigen, welche nicht koſten). 


— 72 — 


Luc. 9, 27. nivaiht thizei gasehrun (nichts deſſen [das] fie ſahen). 
Luc. 9, 36. 

Ahd. ih tir er töta (der ich dir eher that). N. Boeth. 4. wir dir beidiu 
cbunnen joh irräten joh sähen unt Kildön (bie wir bir beides können ſowol 
errathen als fehen und b.Iden). Daf 260. dü himil enti ärda gauiorah- 
tös enti da mannun sd manac coot forgapi (der du Himmel und Erbe wirk⸗ 
teft [fchufeft] und der du den Menſchen fo manig Gut gabeft). Weffobr. 
Gebet. ir gotes irgöggen eigint (die ihre Gottes vergeffen habt). N. Pf. 
49, 23. — thie thar garo bin (der ich da bereit bin). T. 161, 3. quämet 
zi mir alle thie giarbeitite birut (tommet zu mir alle, die ihre mit Arbeit 
[Mühe] beladen feid). Daf. 67,9. ih bim druhtin dher dhih nemniu 
a, got (ich bin der Herr, der ich dich nenne Israels Gott). 4.3 bei 
W. 34,7, 

Anm. In den ahd. Hymnen wird unfer der du (lat. qui, tu qui) niemals 
durch bloßes da, vielmehr immer durdy da där oder fogar durch bloßes der 
gegeben, das Verbum folgt in zweiter Perfon: da der spreitis (du ber 
breiteft) ; fater da dör inthehis (Water, der du ent[zufammen]hättft) ; 
d&r unsih intpunti (dev uns entbandeſt). — Vgl. weiter Grimm, Bor- 
rede zu den Hymnen und GraffV,20f. 


g. 121. 


In der mhd. Sprache gilt das bloße der, diu, daz gleich demon⸗ 
ftrativ und relativ, und Bann auf alle Perfonen bezogen werden; doc) 
ift die Beziehung auf die dritte Perfon am geläufigften. In der mhd. 
ſehr geläufigen Konftruftion ich bin der, dü bist der folgt auf dör 
das Verbum in der dritten Perfon. Bei ber erften und zweiten Pers 
fon wird häufig ein e3 (e8) eingefchaltet, das dann die dritte Perfon 
des Verbums herbeizuführen fcheint. 


in einer bürge riche, diu was ze santen genant. Nib. 20, A. ich bin der 
hie töt geltt (liegt). Wigal.294. ich binz där hät gewarnet. Nih. 1686, 
2. — Beifpiele, in denen nach ahd. Meife das bloße da, ir genügt, bieten 

die „deutfchen Myſtiker des 14. Jahrh.“, herausgegeben von Fr. Pfeif⸗ 
fer, Leipzig 1845. Des was niht wunder von dir, dA alliu dinc maht diu 
da wilt. 342, 25. Dise sache gehullen alle an diner marter, dü aller 
martrære forme, 347, 31. mit dır, dh ein kröne bist aller eren. 369, 
20. Uwe höchgelobte werden heiligen, ir gote in dirre werlte mit angesten 
unde mit noeten habet gedienet. 370, 35. Mine vriunde, geienket min 
in aller iuwer vreude, ir da} erbe dä niezet. 373.28. 6 güete, dü ein über- 
golt und ein gezierde bist alles des wunders. 374, 21. Herzenlieber herre 
Jesu Kriste, da ein spise bist des gotlichen lebens. 375, 33. - 


g. 122, 


Neuhochdeutih ift der, die, das, wie mhb., Demonſtrativ 
und Kelutiv und kann, wie dort, auf alle Perfonen bezoyen werden. 
— Nachwirkung des früheren relativen Gebrauchs der perfönlichen 
Pronomina ih, du, wir, ihre foheint ed zu fein, daß diefelben un: 
mittelbar nach dem relativ gefegten der, die wiederholt zu werden 
pflegen, nicht wiederholt werden müffen, während bei der_dritten Per: 
fon unnsthig, ja unftatthaft wäre, das er oder fie nochmals auszu⸗ 
drüden. Allmaͤlich durfte auch das zweite ich und du unterbleiben 


ET 


— 73 — 


⁊ 


und geſagt werden: ich der glaube, du der glaubſt, beſonders 
wenn etwa noch ein anderes Wort dazwifchen gefchoben wird. Auf 
mhd. Art das Berbum in dritter Perfon auf ein ich und du folgen 
zu laffen, ift felten, wo nicht das Pronomen es, ein foldher, ober 
das Subftantiv ein Mann vorher eingefchaltet wird: Sch bins, 
dberdasthut; du biftein Mann, der dasthut. S. weiter 
$. 146. 

Wer bift, du der do Inbdeft, betracht dich. Gb. 676. Sch bin es der 
uhs gebuttet. B. 2.Kön.(Sam.) 13,28. (ich habs euch geheiffen. L.) 
ich bins der, herr der ich bih han vßgefüret. B. 1. Mof. 15,7. Ich 
bin der Herr, der dich gefürt bat. L. das ich der Herr bin ewr Gott, 
der euch ausgefüret Hab von ber laſt Egypti. L. 2. Mof. 6, 7. (das ichs 
bin umer got. ich hab uch vEgefürt von dem Eerder ber egiptier. B.) — 
D du, der die Himmel ſchuf und der Thräne gebot, zu bie um Ers 
barmung zu flehen! Klopftod. Du, der auf den Wolfen thront in 
dev Nacht. Arndt. Seid mir gegrüßt, befreundte Scharen, bie mir zur 
See Begleiter waren. ©. Kraniche d. 3. Ich, die bin frei nach aller 
Welt Berichten. Rücdert, gef. Ged. 2, 171. Ich bins, der mich für 
fie zu Geifel gebe. Dal. 4, 349. (Mht. und ich mich der vür st ze gisel 
gehe.) Doch dag du, der Zettelchen gyeib ſt Daſ. 3, 210. Wo ſeid 
ihr Lauben, bie mir gabt? Daf. 2, 327 


$. 133. 


Das relative Subftantivpronomen ift aͤlterhochdeutſch der, die, 
das, aber auch f[hon wer, was ($. 125), befonders bei Geiler 
von Kaifersberg. In der A. Bibelüberfegung fleht der, die, das 
adjektivifch und fubflantivifch, felten kommt das fubftantivifche wer 
vor. "Luther gebraucht noch meiftens der, die, das als relatived 
Subftantivpronomen; jedoch findet fih bei ihm auch fchon wer, 
was, welcher und fo als Relativ. Das Demonftrativ der, die, 
das wird nhd. felten mehr als velativee Subftantivpronomen ge: 
braucht, dafür fteht wer und was. — Den Gebrauh vom 15—17. 
Jahrh. zeizen nachfolgende Beiſpiele. 


der menſch ift torſchtiger (muthiger) on koͤner der da ſchlaffen gethar (zu 
ſchlafen wagt) in einer todtſünd, dann ainer der da fechten tar mitt fiben 
bie auff feinen tod gefchworen haben. Gg. 22a. Fer dich nitt an ben 
falfchn Propheten, der lanber vil ift zu diſen zeitten. Ge. 97b. dz find 
gnaben die gott einem menfchen vergebens gibt. Gs. 56a. ift at-(ewae) 
do, das hochachtenswert fei, das gehört gott zü. Gs. 13a. eyner der do 
gütig ift. Gb. 7b. wan wer bir ed ioch nit gibt, dem gibſt du ed. Gg. 
63a. wer mir nachuolget der wanblet nit in der vinfternuß. Gg. 36h. 
wer chrifto nachuolgen ift ber mag nit jer gan. Gg. 36b. wer auf 
den band will fteigen ber müß ain fchämel haben. Gg. 1076. — Diſz ift 
das wort das der herr het geret uber yn. B. Iſaias 37, 22, vmb dife 
fehuld des Ealbes daſ aaron hat gemacht. B. 2. Mof. 32, 3B. Ich ſchrib 
vf fo die wort die bie erſten tafeln hatten die du haft zerbrochen. B. 
2. Mof. 34,1. diſz ift min lieber fun in dem ich mir geviel. B. Matth. 
3,17. das trand wirt bitter den die es trindent. B. Iſaias 24, 9. 
bas ich vorcht da 8 gefchach mir. B. Job. 3, 25. der da hynnympt bie 
erbermde von fim fruͤnd der verlafzt bie vorcht des herren, B. Job. 6,14. 


— 74 — 


die ding die zuͤm erſten myn ſele nit wolt ruͤren. nu ſyen ſie myn ſpiſe. 
B. Job. 6, 7. der do ſchlecht ein menſchen on wil yn ſchlahen der ſterbe 
des tods. wer aber yn nit hat gehaſſet aber got hat yn dar gebe in ſin 
hend. ſo wil ich dir ſetzen ein ſtat do hyn fol er fliehen ... der do ſchlecht 
fon vatter oder fin müter ber fterb des tods ꝛc. B. 3, Moſ. 21, 12 f. 
Vnd ich derbarme mich dem ich will. B. 2. Moſ. 33, 19. — So iſt das, 
das der Herr von jm redet. L. Iſaias 37,22. Alſo ſtraffte der Herr das 
Volck, das fie das Kalb hatten gemacht, weich 8 Aaron gemadht hatte. L. 
2.Mof. 32,35. das ich die wort darauff fchreibe, die in den erften Tafeln 
waren, welche du zubrochen haft. L. 2. Mof. 34,1. Die ift mein Lie- 
ber Son, An welchem ich wolgefallen habe. 1. Matth. 3, 17. gut 
Getrenck ift bitter denen fo es trinden. L. Iſaias 24,9. Denn das 
ich gefurcht habe, ift ober mich Eomen, und da 8 ich forget, hat mich trof⸗ 
fen. L. Sob. 3, 25. Wer barmherbigkeit feinem Neheften wegert, Der 
verleft bes Xulmechtigen furcht. L. Bob. 6, 14. Was meiner See: 
len wiberete an zurüren, das ift meine Speiſe. L. %06.6,7. Wer 
einen Menſchen ſchlegt das er ſtirbt, der ſol das tods ſterben ꝛc. L. 
2. Moſ. 21, 12 f. wes ich mich erbarme, des erbarme ich mid. L. 

2, Mof. 33, 1. Sie folgen nicht Chriſto, deffen fie fih Nachgänger 
ſchreiben. A. 338b. am ſchwerſten fündiget der, wer fich vmb fein Geld 
Lafter Eauffet. Sp. 3,13. damit ich diejenigen auch genug narvete, bie 
mic zum Narren zu haben vermennten. Sp. 2,7. Was einem jäger 
hurtig (Tchön) ftehet, das ift ein grüner hafel: ſtrauß. hg. 3, 3885. 


$. 124, 


Wer, mas (goth. dreigefchlechtig hvas, hvö, hva, ahd. zwei: 
gefchlechtig hudr, huaz und wer, waz. mhd. wer, waz) tft ein fubftan: 
tivifches Interrogativpronomen, das allgemein fragt (Lat. quis, griech. 
zes), Im Abd. wird wer und was nicht als Relativ gebraucht. 
Es findet fih nur in einer eigentlichen Frage und in interrogativen 
Mebenfägen, wo auch der Lateiner das Interrogativ quis, quid ges 
braucht. Ebenſo iſt es mhd. Das fragende mas fteht goth. ahd. 
mhd. nhd. für den Sing. und Plur. aller Gefchlechter gern mit einem 

Senitiv (goth. nur Plur.) verbunden. 

Goth. ith hvas izvara maurnands mag anaaukan ana vahstu seinana aleina 
eina (aber wer eurer forgend man hinzufügen an feinen Wuchs eine Elle) ? 
uf. Matth. 6, 27. jah athäitands sumana magive frahuh, hva vesi thata 
(und herbeiheißend einen der Anechte fragte er, was wäre das). Daf. 
Luc. 15, 26. 

Ahd. uuer ist nu so uuizzig (ter ift nun fo wisig)? N. 106, 43. her fra- 
gen gistuont fohem uuortum huer sin fater uudri (er zu fragen begann 
mit wenigen Worten, wer fein Vater wäre). Hild. 17 beiW. 65,17. wa3 
thionostes? 0. V, 7. wa3 wortö? T. 129. 

Mhd. waz saget ir mir von manne? Nib. 45,1. wär sol schifmeister sin? 
Nib. 366, A. wagz rätes? Parz. 478, 20. wog salben®? En. 10044. 


8. 125. 


In demfelden Verhältniß, tie das Demonftrativ der, die, 
das nach und nach zum relativen Subflantivpronomen und dann zum 
relativen Adjektivpronomen geworden ift ($. 120 f.), entwidelte ſich 


——— — — — 


— 1 — 


das interrogative Subſtantivpronomen wer, was allmaͤlich zum rela⸗ 
tiven Subſtantivpronomen ($. 123) und zuletzt zum relativen Adjek⸗ 
tivpronomen, jedoch in geringerem Umfang, weil welcher ($. 127) 
bier feine eigentliche Stelle hat. 


> Was ich erwarb, genießen andre mebr als ih. G. 3.1,2. Was man 
Verruchten thut, wird nicht gefegnet. Daf. 1, 2. Die Menfchen fürchtet 
nur wer fie nicht Tennt, und wer fie meidet, wird fie bald verfennen. ©. _ 
T. 1, 2. Daß diefes höchſte Vermögen (die Vernunft), wa 6 der Menfch 
befist, Urfache habe, über fich felbft zu wachen. &. Betracht. im Sinne 
-der Wanderer. Wir kommen an ein Zagmwerf, was den meiften Xus- 
legern viele Mühe gemacht hat. Herder. Das einzige Gefchöpf, was in 
folcher -Korterbung der Gedanken wirkt. Herder. In der einen (Hand) 
die Perüde, die er einem Sänger ausgerauft; in der andern das natür⸗ 
liche Haar, was er darunter angetroffen. J. Paul. Schatullden, was 
ich fand verſteckt. Arndt. 

Anm. 1. Altere Beifpiele f. $. 123. 

‚Anm. 2. Das relative was liebt unter den neueren Schriftftellern befon= 
ders Laube; vgl. deffen „NReifenovellen.“ Zahlreiche Beifpiele dieſes 
was aus verfchiedenen Schriftftellern hat Zeipel zufammengeftellt in 
„N. Jahrb. f. Phil. u. Pädag.“ Suppl. 7, 293 f. 8, 510 f. 


$. 126. 


Um den Begriff des Iateinifchen quisquis, quicunque (mer im: 
mer) auszudrüden, fegte man ahd. vor und nad) wär und way ein so. 
— Mpd. ift das vorausgehende sö zum völligen Praͤfix geworben, 
und dis nachfolgende wird in der Regel ausgelaffen; einigemal wird 
auch da8 Demonfkrativ nachgefegt: swer, swer der. — Nhd. ver: 
Ihwindet das Praͤfix nach und nach. gänzlich, das bloße Interrogativ 
drücdt den unbeftimmten Begriff zugleich aus, oder Diefer wird durch 
andere Partikeln (3. B. etwa, auch $. 238) hervorgehoben. Was 
ift übrigens viel gebräuchlicher als wer. — Das was kommt mhd. 
und auch heute noch felbft im Dativ vor, obmwol felten. — Nach jabäi 
und andern Konjunftionen wird das gothifche hvas, hvö, hva ebenfall& 
ein unbeflimmtes Pronomen. 

&oth. thatei brothar theins habäith hva bi thuk (daß dein Bruder habe was 
gegen dich). Ulf. Matth. 5, 23. jahäf hvas habäi ausona häusjandona, 
gahäusjäi (mer hat Ohren zu hören, höre). Marc. 4, 23. 

AHd. thaz thin bruoder habet sib uua3 uuidar thir. Tat. Matth. 8, 23. Nu 
freuuen sih es älle, so uuer so uuöla uuolle (nun freuen fich deffen alle, 
wer wol wolle). O. I, 1 bei W. 84, 13. dar an gedenke swer sö der 
welle (daran gebenfe wer der wolle). W. 218, 2 aus dem 412. Zahrh. 

Mhd. swa3 sö day ros und ouch den man ze ritter geprüeven (prüfen) kan. 
Trist. 4581. swer ir minne görte. Nib. 158,2. swa3 iemen reden kunde, 
Nib. 54, A. swördörwil. Parz. 99, 16. mit waz3 gelegenheite. Trist. 
8690. mit wa3 gezoges, mit wa3 gesellen? Frauend. 88. 

Nhd. Der ift ein narr der fich vertröft auff wen. S. Brant (13. Jahrh.). 
Würbe fih mer, als bevortheilt, befchweren, der wird dem nehmer fie 
doppelt gewähren. hg. 1, 291. So hat die Sonne nicht Verftand, weiß 
nicht, was fich gebührt; drum muß wer fein, der an der Hand gleich wie 
ein Lamm fie führt. Claudius, Sonnenaufgang. Es ſchien ihn fo zu’ 


| — 176 — 


plagen, als hätt’ er wen erfchlagen. Bürger, die Entführung. Bringt 
wer ein-Irrfal in Schwang. Klopftod, Gelehrtenrepublil. Blumen 
wol’n noch kaum erblüh’n. Blumen, mag's eudy wer verdenken? Fou⸗ 
que, Entfagung. Wundert's wen, daß ird’fhen Sängern felten in der 
Liebe Leben ein beglüdter Stern erglänget? Uhland. Luſtig rollt der 
Magen fort über Stein und Brücken, ſtand nicht wer an feinem Schlag 
mit verweinten Blicken? Lenau. Wagt ed wer, im ſchwanken Mond⸗ 
licht da den Pfad hinaufzumwallen, bebend fieht er feinen Schatten in ben 
graufen Abgrund fallen. Lenau. Geh wer mit. Schlegel⸗Tieckiſche Überf. 
von Shaleipeares Hamlet (Berlin 1831) 2,2. Nehmt Euch wen zu 
Hilfe. Daf. 3,3. Es gäb’ ein rechtes Schaufpiel, rief er aus, wenn 
wer darin ſich mit Euch meffen könnte, Daf. 4,4. — Ich zielte nach 
den Rittern, die, wenn der Bauer was gewann, den lebten Heller wit⸗ 
tern. 9. Gerhard. Wo er was zu kapern fand. Bürger, Raubgraf. 
Bilde mir nicht ein was rechts zu wiffen, bilde mir nicht ein ich konnte 
was lehren. G. F. 1,29. Alle Senfter waren befest, ohne daß den Tag 
über was Befonders vorging. G. Leben 1.3. Es ift was Schredliches 
um einen vorzüglichen Mann, auf den fih die Dummen was zu Gute 
thun. G. Wo. 2,5. Jetzt ift im Dienft der Götter was verfehen, das 
und das Leben wüfte macht. S. Iphigenie 1, 4. — Zu was Beflerem. 
find wir geboren. ©. Hoffnung. Der Graf habe etwas vor, man könne 
aber nicht entdeden, auf was er ausgehe. S. PVieilleville. Die Natur 
wird euch lehren, vor was ihr zu fehaudern habt. G. 2%. 8,9. Eine 
wahre Begebenheit, fie mag übrigens erflärbar fein und zufammenhängen 
mit was fie will. ©. Unterh. d. Zusgew. Es mag kommen, zu was 
es will. Leſſing. An was gebricht's? G. Schwab, das Mahl zu Hei⸗ 
beiberg. j 

Anm Klopftod gebraudt in der Gelehrtenrepublik diefes unbeftimmte 
was fehr oft, z. B. ©. 19, 114, 119, 181, 153, 162, 199, 232, 242, 
291, 300 ber Leipziger Ausg. 1839. Auch in der Mefftade kommt dies 
was öfters vor. Andere Beifpiele hat gefammelt Teipel ind. Jahrb. 
f. Phil. u. Paͤdog. Suppl. 7, 293 f, 8, 510 f. 


$. 127. 

Welcher, weldhe, welches (goth. hveleiks, hveleika, hve- 
leikata, ahd. huelihhär, huslihhiu, huslihba3, mhd. wälcher, welchiu, 
wölche3) ift urfprünglidy ein Snterrogativpronomen, das nad) der 
Beſchaffenheit fragt (lat.. qui). Welcher ift als Korrelativ von fol: 
her zu betrachten. Ahd. bezeichnet welcher meiſtens die Art, zu: 
weilen jedoch aud) das Individuum. Als Interrogativ ſteht es 
in unabhängiger wie in abhängiger Frage. Mhd. fteht welch als In⸗ 
terrogativ, auch als relativifches Subftantiv. Älterneuhochdeutſch 
findet fi welcher hier und da als telatives Adjektivpronomen; fpd- 
ter breitet e8 fich als folches weiter aus und tritt dem relativen der 
gegenüber ($. 123), wird aber auch noch als Interrogativ gebraucht. 
Die Rüdfiht auf die Befhaffenheit, auf die Art follte bei 
dem nhd. Gebraudy von welcher vorwiegend fein, iſt es aber nicht 
immer. Goethe gebraucht lieber das kurze der, alö das längere 


welcher. 
Goth. ith thai mans sildaleikidedun qvithandans. hvileiks ist sa ei jah 
vindos jab marei ufhäusjand imma. Ulf. Matth, 8,27. bes verwunderten 


— 77 — 


ſich die mentſchen vnd ſprachen wer iſt der. wann die winde vnd b% mör 
find im gehorfam. B. Matth, 8, 27. Die Menfchen aber verwunderten 
fi, und ſprachen, Was ift das f ur ein Man, das jm Wind vnd Meer 
gehorſam iſt? L. 

ar. huuelih ist auur nu dhese druhtin fona uuerodheoda druhtine chisen- 
dit (welcher ift aber nun diefer Herr von der Heere Deren gefendet)? I. 3 
bei W. 38, 11. suohhen dhea nu auur huuelih got chiscuofi: odho in 
huuelihhes gotnissu anachiliihhan mannan chifrumidi dhen ir chiscuof 
(fuchen mögen die nun aber, welcher Gott fchüfe, oder in welches Gottheit 
[nach wklches Gottes Bild] er den Menſchen aͤhnlich machte, den er ſchuf). 
Daſ. 34, 30. nu sage mer, vrowe.... wilich under in allen der beste 
gevalle?- K. Rother bei W. 232, 35. 

Mhd. lat sehen welch meister ir sit. Ah. bei W. 3850, 24. wan friesche 
(vernähme) da3 mins herzen trüt, welch ritters leben were, da3 wurde 
mir vil swere. Parz. 117, 24. 

Nhd. welches menfchen leben verachtet wuͤrtt, des ſelben leer oder gebott 
muͤſſen vorab ouch vernütet (vernichtet) werben. Gs. 13b. welden er 
erwelet, der fol jm opffern. L. 4. Mof. 19,8. Weiden die Götter vers 
damnen, der fols widergeben. L. 2.Mof. 23, 9. vnter zwo röhren, wel: 
der fechs aus dem Leuchter gehen. L. 2, Mof. 25, 35. Welcher onter 

. feinen Sönen, an feine flat Priefter wird, der fol fi ie fieben tage anziehen. 

L. 2. Mof. 29, 30. Iſt das ewer Son, weichen jr ſaget, er ſey blind 
geboren? L. Joh. 9, 19. Selig find die, welchen jre vngerechtigkeit 
vergeben find. L. Röm. 4,7. Zu ehren der Helden, bey welcher (quo- 

'rum) zeiten alle ding gemeyn feyn geweien. A. 16b. — Geßler:) Haft 
Du der Kinder mehr? (Zell:) zwei Knaben, Herr. (Geßler:) Und wels 
her if’s, den Du am meiften liebſt? S. 1. 3, 3. Den Grafen fo wie 
die Baroneffe konnte man unter jene hohen (hönen Geftalten zählen, die 
man in einem mittlern Alter faft lieber als in der Jugend flieht ... die 
Neueintretenden, welche unmittelbar aus der Welt kamen, machten ge: 
wiffermaßen mit unfern $reunden eine Art von Gegenfag. G. Wo. 1,10, 
Wenn weiche Perfonen dadurch meift an Anmuth verlieren, fo gewinnen 
biejenigen dadurch unendlich, die wir gewöhnlich als flark und gefaßt 
fennien. Daf. 1, 11. Du Eönnteft Gott danken und did vor der Welt 
groß machen, wenn du in deinem Leben eine fo edle at gethan hätteft, 
„ wie bie ift, um welcher willen ich gefangen ſitze. ©. ©. 4. 

An Mn Andere Beifpiele aus Luther, und fein Berhältnig zu B. ſiehe 

Anm. 2. Aus den Beilpielen Gs. 13b., L. 2. Mof. 25, 38., A. 16b. und 
Goethe ©. A. ergibt fich die Unrichtigkeit der Behauptung mandyer Gram⸗ 
matiker (z. B. Kochs $. 206, Beckers $. 174), daß das Relativ wel: 
her im Genitiv bie Formen bes Demonftrativs beffen, beren ans 
— Fa fann man allerdings zugeben, daß der Genitiv von welcher 
elten i 


$. 128, 


Wie aus swör, swaz allmälic ein unbeflimmtes wer fich ent: 
widelte ($. 126), fo entwidelte fih aus swelh ein unbeflimmtes 
weld. 

Abd. mhb. so wellher so (jeder). Diut. 1, 502b. so nuellkes sd. K. 87a. 
s0 welth wib sö wäri (melches Weib es geivefen). 0.1, 14. si sprächen, 
swelich gedinge er dar umbe wolde. W. 200, 9. söwich schoene wip mir 


denne gebe ir habedanc, der wi ich liljen unde rösen 03 ir wengel schinen, 
Walther v. d. 8. bei W. 388, 1 


NH. Gibt ed auch unter euch welche, die in weißen Kleidern gehen, wie 
die Diener und Dienerinnen, die ihr ung abgefangen habt? Arndt, Abent. 
d. 3. Dietr. Die Hände fagten, warum follen wir allein für euch andern 
arbeiten? Schafft euch felbft Hände, wenn ihr weldye braudht. Campe, 
die Glieder d. m. &. Die Patronen wirrten ihm (Reinhard) durch den 
noch halb trunknen Sinn. Cr fragte ängftlich bei den Zeltfameraden 
umher, ob ihm Niemand weldye leihen wolle oder auf ‘Borg verkaufen... 
Ramerad, Tchrie Reinhard beweglich, du mußt mir helfen. Schenke mir 
welche, oder borge mir welche, oder verfaufe mir welche. Fouqué, 
das Galgenmänndyen. Ich zeigte ihr welche (Zulpen) von den felten= 
ſten. Kind, Zulpen. Alles Quedfitber, das ich noch über das Feuer 
brachte, das verrauchte wirklich, kennſt du welches, das nicht verraudht, 
fo bringe es. Leſſing. Der Sänger des Meffias hat überflüffige Schön- 
heiten, als daß man ihm welche andichten müßte, bie eine find. Leſſing. 
Harpagon hungert feine Kutfchpferde aus? Warum hat er überhaupt 
welhe? A. W. v. Schlegel. Der Mann, welcher fie (feine Frau) gar 
lieb hatte, dachte, es mag koften, was es will, fo willft du ihr doch welche 
(Rapunzeln) fhaffen. Grimm, Rapunzeln (in der frühern Ausgabe). 


$. 129. 


Schon ahd. wird das demonftrative Adverbium fo ($. 35) ftatt 
des relativen Adjektivpronomens gebraucht. Schottel fagt im 
‚17. Jahrh. (von der teutfhen Haubt: Sprache, Braunfchweig 1663. 
©. 543. 735): „Das Bornennwort © iſt unwandelbar, wird alſo 
in allen Zuhlendungen und beiden Zahlen für welcher oder der ge: 
braucht.” Unſere beflen neueren Schriftftellee machen noch davon 
Gebrauch, aber nur im Nominativ und Akkufativ. 


von priesterlichem ampte so wir haben uon göte. W. 299, 18 aus d. 12, Jahrh. 
Vns seit (fagt) sant lucas an dem heiligen &wangelio so wir huto (heute) 
lesen. W. 301, 39. Si zugend mit richem schalle von Sursee uß der statt, 
die selben herren alle, so der hertzog gesamlet hat. Halbsuter bet W. 921, 
418. des danket er den eidgenossen und denen so er gutes gann. Vw. bei 
W. 10856, 3. es fein nicht alle Rarren, fo ein vrtheil fellen. Geiler. Wie 
ein verlaffen aft und zweig, jo verlaffen ward fur den Eindern Iſrael. L. 
Sfaias 17,9. alle die fo Angel ins waffer werffen. Daf. 19, 8. gut 
Getrend ift bitter denen fo es trinden. Daf. 24,9. AU denen fo bie 
veracht leiden. H. S. 63b. in den alten brieffen, fo noch vorhanden, 
finde ich. A. 50a. Das bächle, fo an für van, ward blutfarb. A. 21a. 
der reife Zeug, fo ... das Vold, jo... A, Sta. Dann als in dem groffen 
Brande fo vor 4 Jahren in Mußcow entftanden. %. Diearius (17. Sahrh. ) 
bei W. 3. 672, 21. an denen menſchen, fo gott ſchoͤn gemacht. hg. 3 
200. — Da fommt die Eskorte, fo uns ber Kaifer entgegenfchidt ! —* 
Vieilleville. Der Verfaſſer und der, ſo die Depeſche überbringen ſollte, 
wurden ſogleich fortgeſchafft. Daſ. Wie ihm Vieilleville den Brief zeigte, 
fo er von ſeinem Spion in Luxemburg erhalten. Daſ. In einer Stunde 
fam fchon ihr Vortrab, fo aus ungefähr fehzig Mann beftand. Daf. 
Die Saat, To beine Zagh zertritt. Bürger, der Bauer. Angethan mit 
einem Sterbekleide ſchlummert Röschen, fo der Mutter Freude, fo ber 
Stolz des Dorfes war. Hölty, Elegie a. e. 2. Der Dänenkönig Frotho 
genüber Schwerting faß, mit ftaunender Geberde die Eifenfetten maß, fo 
biefem niederhingen von Hals und Bruft und Hand. Ebert, Schwerting. 
Dazu das Haupt, fo er ihm abgehauen, Uhland, Roland Schidtruger. 


— y99 — 
Anm. Klopſtock gebraucht dieſes fo ſehr oft, z. B. Meſfias 2, 474. 3, 
24. 50 4, 607, 5, 675, 


8. 130. 
„Wo ($. 131) ift ein unabänderliches Relativpronomen für 


“alle drei Gefchlechter und beide Zahlen, jedoch nur für den Nominativ 


iind Akkufativ, vergleichbar dem auf ähnliche Weife verwendeten (in 
füddeutfcher Volksſprache nicht gebräuchlichen) fo. Der Dativ muß 
durch eine Eleine Wendung angegeben werden, 5. B. die Leut' wo me 
damit umgeht.” Schmeller, baier. Wörterbuch 4, 5. — Für die: - 
fe wo fagt die mittelcheinifche Volfsfprache gerne der mg, dekliniert 
dann der im Dativ und Akkufativ Sing. und Plur.: dem wo, 
den wo, die wo. — Das Relativadverbium wo f. d. 149. 

Das Füllen lief weg und legte fi an einen Wagen, wo zwei Ochfen ba= 
vor waren, mittendrein. Grimm, Kinderm. (frühere Auflage). Der ſcheen 
jung Offezier, wo ainer hat erfloche, der wurd begrawe hyt. Arnold, 
Pfingſtmontag 1, 4. 

Anm Wiemwer und welche, fo wird auch wo unbeftimmt (irgendwo) 
gebraucht. — Hier mag ich nicht mehr ftehen, ich will wo anders gehen. 
Rücert, vom Bäumlein. Er pflegte, wenn er ſchweift' im Land, fo oft 
er wo ein Münfter fand, wenn’s offen war, hineinzutreten. Uhlanı, Ri: 
hard o. F. Und ift Bein Fels wo, auf den fie nicht ſtoßen. Klopftod, 
Gelehrtenrepublik. Ich habe einmal wo gelefen. Daf. Sonft wo in 
ber Grammatik, Daf. Sie haben auch einen Druidenfhuh in der Kluft 
wo gefunden, Daf. 


$. 131. 
Schon feit der gothifchen Zeit werden Partikeln. durch Zufam: 
menfegung des Inſtrumentalis mit Prapofitionen gebildet. — Für 


die Verbindungen des interrogativen Subflantivpronomens im Dativ 
(Snftrumentalis) des Neutrums mit einer Präpofition hatte die ahd. 
und mhd. Sprache, wie für biefelben Verbindungen des Demonftra- 
tivg, zwei unterfchiedene Formen. Sie ließ entweder den Dativ (huid, 
hid, diü) der Präpofition nachfolgen: mithuid, zihuid, oder fie ge: 
brauchte flatt des Kafus, und zwar für den Akkufativ wie für den 
Dativ, die Abverbien zur Richtung wohin wara, war, dara, dar (wo⸗ 
bin, dahin) und Ließ fie der Präpofition vorangehen. Daraus bilde: 
ten fich unfere Relativfonjunktionen womit, damit, woran, 
daran ꝛc. 

Goth. duthe ei saci gabairada veihs, haitada sunus guths. Ulf. Luc. 1, 35. 
darumb das heylig dz von dir wirt geborn wirt genennet werben der 
fun gottes. B. Luc. 1,35. Darumb aud) das Heilige, das von dir ges 
boven wird, wird Gottes Son genennet werdem L. 

Abd. zihiugisihis thu (hie fesun in ougen thines bruoder? T. 39,6. was 
fihftu den agen in dem auge dines drüders. B. Matth 7,3. Was 
ſicheſtu aber den Splitter in deines bruders auge? L. senu nu fon thiu 
saliga mih quedent allu cunnu. T. A, 6. ſich ufz dem werden mid) felig 
fagen alle gefihlächt. B..Zuc. 2,48: Sihe, yommu an werden mich felig 





so — 


preifen alle Kinds Tind. L. uuara zuo inphieng er in? N. 77, 71. 
war umbe häs du in irstochin? W. 202, 25. där pägant siu umpi 
(darum ftreiten fie). Musp. 10. Ä 

Mhd. sehs und ahzec türne si sahen drinne stän.... dar inne selbe Prün- 
hilt mit ir ingesinde was. Nıb. 388, A. dä habet ir miner swester liebe 
an getän. Nib. 512, 2. warzuo ist diz guot? Parz. 

Nhd. fant Martha, da bey der herr Jeſus Chriſtus bie auff erd oft fein 
wonung het. Gg. 32a. er wurd von vil fünden behätt darein er täglich 
felt. Gg. 23b. ein fewr, da man vmb ſitzen möge. L. Sfaias 47, 14. 
Diefen Stab nim in deine hand, bamit du Zeichen thun folt. L. 2.Mof. 
4,17. Auff das man fehe dad Brot, damit ich eud) gefpeifet habe. L. 
2. Mof. 16, 32. (dz fie erfennend dz brot mit dem ich uch hab gefll- - 
vet. B.) Der König ward von denen, barauff er alle feine Hoffnung 
gefeßt hatte, verlaffen. A. 2974. Ihm hat Attalus eine groffe vnleyden⸗ 
liche, dar von uns Zeutfchen nicht zureden ift, ſchmach angelegt. A. 85a. 
Aus einer Werdftatt, da man die Leut in fchmid. A. 18b. Sie machten 
auch Erbftäbel, dar inn fie das Getreid möchten behalten. A. 17b. wo⸗ 
mit einer fündiget, damit pflegt einer auch geftrafft zu werden. Sp. 4, 
7. was geheuet mich der Dred, Damit ich nur die Haut verderbe. Sp. 
1,3. was hilfft der Hohe wis, damit dein ehrgeig ftuget? ‚bg. 5, 297. 
— Jenen Spiegel, wodurc den Feind Alerander hat überwunden, 
fammt dem Ringe, durch deffen Zwang Geifter Salomon hielt gebunden; 
auch den Becher, worin Dſchemſchid überblidte die fieben Bäume, bie 
brei Talismane, die nun find fo lange der Welt entfchwunden: lange hatt’ 
ih davon geträumt und nichts Rechtes erfahren können; in der Schenke 
nun hab’ ich jüngft die Kleinodien aufgefunden. Rüdert, gef. Geb. 4,174. 


Anm. 1. Älternhd. Beifpiele bietet Schottel ©. 739, 776., neuere f. 
unten $. 147, 


Anm. 2. Goth. thar und tharuh bedeuten da (ibi), tharei hat relativen 
Sinn wo (ubi), thathrö bedeutet von da. Abd. gilt dar, dhar, thär for 
wol für ibi (da) als relatives ubi (wo); dara, thara, tharasun bedeuten 
dahin, danan, thanan, tbanana, dannan von dba und von wo. Mhd. 
bedeutet da da und wo, dar dahin, dunnen von ba. — Dem goth. 
thar entfpricht fragendes und relative hvar, war wo, dem thathrö ents 
fpricht hrathrö von wo. Ahd. buusr, wär (mo) entſpricht dem där, 
wara (wohin) dem dara, huuanan (von wo) dem dann. Mhd. wa 
(mo) entfpricht dem da, war (wohin) dem dar, wannen (von wo) dem 
dannen. Alle diefe Bildungen ftammen von den Fürwörtern ber ($.119) 
und wer ($. 124). — Das alte war gieng fpäter in wor über, im 
16. Jahrh. findet fih warumb und worumb. Von wor und dar 
fällt jegt vor Eonfonantifdy anlautenden Präpofitionen das r heraus; 
doch findet fich felbft bei Goethe noch wornach. — Unridtig erklärt 
Stieler in feinem Wörterbuh ©. 2572 diefes wor ald eine Zujammenz . 
ziehung aus wodar oder woher, 


Neuhochdeutſcher Sebraud der Relativen im 
Befondern. 


A. Ein Relativfag in Verbindung mit einem Hauptfap. 
8 132, - 


Ein Subftantiv, es mag ein wirkliches Subftantiv oder ein an⸗ 
beres fubftantivifch gebrauchtes Wort fein, kann duch Beifügung 


« 
4 
J 
81 


irgend eines andern Wortes, ober eines ganzen Satzes näher beſtimmt 
werden. Wird das einem Supftantiv beizulegende adjektivifche Attri: 
but in einen Sag umgewandelt durch das Relativ, welches den Me: 
benfag auf fein regierendes Subftantiv (Träger des Relative) be: 
zieht; fo nennt man diefen Sag einen abjeftivifchen Attributiv- oder 
Relativfag. Hier kommen der Relativfag an fich, die Relativ: 
ſabreihe und das Relativſatzgefüge in Betracht. 


8. 133. 


Genus, Numerus und Perſon des Verbums verhalten ſich im 
Relativſatz wie im einfachen Satz; Modus und Tempus muͤſſen, wie 
auch die Beziehungen des Genus und Numerus des Relativs im Ver⸗ 


haͤltniß zum Hauptſatz betrachtet werden. — Über Modus und Tem: 
pus vgl. $. 92 f. 


$. 134. 


Das Relativ richtet fich in Geſchlecht und Zahl nach feinem Traͤ⸗ 
ger im Hauptfag; der Kafus wird durch die Faſſung des Relativfages 
beftimmt. 

Alle fiebenzehn Provinzen waren unter vier Biſchoͤfe vertheilt, welche den 
Erzftiften von Rheims und Köln untergeben waren. ©. Abf. d. N. Wil: 

helm hatte nody einen andern Berührungspunkt mit Philipp dem Zweiten, 
welder wichtiger war. Daf. Vierzig Zahre dauerte ein Krieg, beffen 
glüdliche Endigung Philipp’s fterbendes Auge nicht erfreute. Daf. Laßt 
diefe Halle felbft, Die euch geboren, den Schauplag werden zures Wechfel: 
morde. S. Bom. Ic folge gern dem edeln Beiſpiel, das der Jüngre 
gab. Daſ. So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen ein hoher 
Wille, dem ich mich ergebe. G. J. 1, 1. Die Schmerzen ſind's, die ich 
zu Hülfe rufe. Daf. 4, 2. Stets iſt dein Antheil groß am Großen, das 
du wie dich ſelbſt erkennft. G. 2%. 1,1. Hier ift der Kreis, in bem fi 
meine Seele gern verweilt. Daf. 1, 3. Doch nicht (haben wir) den rei⸗ 
nen Dank, um deſſent willen man die Wohlthat thut. ©. J. 1, 2. 
Weh dem, der fern von Eltern und Gefchwiftern ein einfam geben ‚führt! 
Daf. 1, 1. Weil Niemand unfer Reich vor dir betrat, der an Dianens 
heil’gen Stufen nicht, nad altem Brauch, ein blutig Opfer, fiel. Daf. 
4,2. Ich bin e8 feibft, bin Iphigenie, die mit dir fpricht. Daf. 1,3. 


$. 135. 


Nicht felten darf von dem grammatiſchen Geſchlecht des 
Subſtantivs abgewichen werden, wenn die Bedeutung auf ein ans 
deres natürliches führt: der Sinn überwiegt die Form. Haupt: 
faul ıfl, wenn aus der Unbeflimmtheit des Neutrums ſich ein männ: 
fiches oder, was am häufigften vorfommt, weibliches Gefchlecht ent: 
widelt. Diefe Abweihung vom grammatiſchen Geſchlecht findet ſich 


ſchon ahd. und mhd. 
ist tbiz kind iuer, ther blinter (blind) ward giboraner? O. III, 20. daz 
kindeltn, den ich ia genennet han. Dietz. 480. umb ein wib diu 
guot wäre und erlich. W. 170, 15. da bist daz ander wib, diu uns 
. brähte den lb. W. 198, 43. ein wip näch der min herze ste. W. 
Kehrein Grammatik II. 2. 6 


614, 9. — ein weibsbild, in welche man ſch oͤffters vflegt gu ver⸗ 
gaffen. hg. A, 112. — Die Ungebuld feiner Xlamen zwang ihn bey 
Fräulein, die er fonft niemahl ausführlich reden Tonte, die Gnade zu 
bitten, einmahl alleine bey ihr eingeläffen zu werben. Hoffmannswaldau, 
Eginh. u. Emma. Alles ging durch ein gutes Weib, welche nicht fern 
das Thal hinab wohnte. G. Wj. 1,2. Ich erinnere mich eines ſehr ſcho⸗ 
nen und angenepmen Mädchens, die aber auch bald verſchwand. G 
Leben 1.8. Sin erhöhtes Andenken eines jungen Mädchens, von ber 
er mit vierzehn Jahren geliebe zu fein glaubte, &. nachgel. W. 6, 118. 
Jenes Mädchen iſt's, das vertriebene, die du gewählt haft. G. Hd. 4, 
210, Ein liebes Weibchen, mit ber ich mich vertragen werde. ©. 
Stella 1. Das ift ganz ohne Trage das liebens würdige Dimdien Ot⸗ 
tilie, gegen deren Annäherung du dich nicht Länger vertheibigen darfſt. 
G. Wo. 1,9. Allein er Fündigte ihr die Ankunft eines Frauen zim⸗ 
mers an, bie bier hereinziehen ſollte. Daf. 2, 16. Er fand bald was 
er fuchte in einem Frauenzimmer, das in biefem Augenblid bas 
fhönfte der ganzen Stadt genannt zu werden verbiente, beren Gehalt 
und Wefen das angenehmfte zeigte, und das befte verfpradh. ©. Unter⸗ 
haltungen d. Ausg. Daß er wähnt, früher ein weiblihes Wefen unſe⸗ 
res Kreiſes verlegt zu haben, deren Scidfal ihn jest beunruhigt. ©. 
Wi. 1,11. Vor allen Dingen das Eleine Geſchöpf (Hlerte), verfegte 
ih, die mich in diefen vermänfchten Zuſtand gebracht hat. G. Leben 2. 
Anm. Diefer, auch den Griechen und Römern nicht unbefanäten Ause 
drucksweiſe bedient fi ſchon Uffila (Gal. &, 19), gwar nach dem griech. 
Tert: Texvia uov, gds ndir oda harnilöna meina, thanzei 
aftra fita (meine Kindlein, die ich abermals gebäre). Bgl. weiter Bram. II. 
1, 8. 141 und Grimm IV, 267 f. . 


$. 136. 


Ä Wenn ein Relativfag auf den ganzen Inhalt des Hauptfages, 
nicht auf ein einzelnes Wort besfelben bezogen wird, fo fleht das Re: 
lotiv ins Neuteum. Unfere beften Schriftiteller gebrauchen dabei, 
ohme Unterfchied, was und welches. Häufig wird ber durch den 
Hauptfag ausgedrüdte Gedanke als ein Begriff im einem Subſtan⸗ 
tiv zufammengefaßt, und diefes dann als eine Art Appoſition bei: 
gefügt. 
irri vuorin danderö, unz Ulixis gesindin der eiclops vrag in Siciljen, day Dlixes 
mit spiegin wol gerach, (irre fuhren fie von bannen, bis bes Uyſſes Geſinde 
der Cyclope fraß in Sicilien, das (mas) Ulyffes mit Spießen wol rädhte). 
Annol. bei W. 181, 16. ein gruobe was drin gehouwen, dA man wagzer 03 
nam; dag Isengstne ze schaden quam. Reinh. bei W. 209, 38. das fie 
anzünten ie ſuͤn on ir toͤchter mit dem füer. die ding die ich nit gebat. 
B. Jer. 7,31. Das ſie jve Soͤne und Toͤchter verbrennen, wel chs id 
‚nie geboten babe. L.. Alsbald ſich die @eiftliden ber Oberkeit vnterwin⸗ 
ben, welches ihnen yon Gott verbatten if, &. 148b. feine Doflewt 
heiſſens aller recht, welches gewiß das grüßt verberben ber. n if, 
‚A. 328a. er hoͤrete auff zu pappeln, welches nicht länger wärete, als 
dis er gefüttert Hatte. Sp. 1,9. — Den Reformirten, als den mädıtig- 
ften an Anzahl, fuchte er durch Überredung und Liſt die Waffen aus den 
Händen zu winden, welches ihm enbli mit. vieler Muͤhe gelang. ©. 
A; N. HB. Durch das Anerbieten feiner Vermittlung gefland er 
ihren. Befchwerben ftillfichweigenb einen Grab non Gerechtigkeit zu, wels 
es fe aufmuntern mußte, befta flanbhaften. darauf au. beharren. Daf. 


{ 


— — — — 


— —88 — 


| Cinlenung Ohnippß mußte niit auch Di Aufrechthaltung ihter 


Gebräuche und Gewohnheiten angeloben, welches vor ihm nie verlangt 
worden war. Daf. 1.8. Gr ſelbſt vertraute mir, was ich zwar längft 
auf anderem Weg fchon ta Erfahrung brachte, daß er zum Schweden 
wolle übergehn. ©. 9, 5,1. Sie fpricht euch von der Acht und aller 


wohlverdienten Strafe los, welches ihr mit unterthänigem Dank erken⸗ 


nen werdet. &. G. 4. Rand ſich keine Geſellſchaft von benachbarten Or⸗ 
ten und Gütern, welches Öfters gefchah. &. Wo. 4,4. Sie würden 


auch deswegen nicht fo. gut logiren, als man es ihnen vorher beflimmt 


babe, welches ihm außerordentlich teid thue. G. 2}. 3,3. Der metaline 
ſchwere Ring an einer wohlgefdmigten Pforte Iud fie ein zu Elopfen, wel: 


man vernünftig und ruhig leben will, welches denn doch zuletzt eines 
jeden Menſchen Wunſch und Arbeit bleibt, was foll uns be das auf: 
gevegte Weſen? Daf. 2, A. Eine folche Lüfterne Eitelkeit opfert ben Um⸗ 
ftänden auch wohl etwas auf und, was ich für das Schlimmfte halte, 
nieht alles ift reflectirt und vorfäglich. Daf. 2, 4. Wenn er, weldhes 
noch, göttlicher iſt, untadelhaft fortfährt vor ung zu leben. Klopſtock, M. 
4,231. — So mußte ich unter großem Gelädkter meiner Zuſchauer eben 
wieder abziehen: ein Unfalk, bee mich tief in der Seele kraͤnkte. ©. 
%. 1,7. Zwei und zwanzig Fahnen fpanifcher Garmifon umgaben bas 
Geröfte, eine Borficht, die nicht überfläffig war. &. Hinrichtung 


Egmonts. So follten alle umliegenden Städte Brabants und Flanderns 


in den Plan ber Belagerung mit verwickelt, und ber Fall Antwerpens auf 
den Fall aller dieſer Pläge gegründet werden, ein kühner, und bei— 
nahe ausfhweifender Entwurf, den aber das Genie feines Urhe⸗ 
bers rechtfertigte. ©. Bel. v. Antw. 


fußfag in Appefition mit einem ganzen Sage. Er wird alsdann immer 
buch was, nicht durch welches verbunden“, fo widerſprechen dieſer Regel 
die oben angeführten Beifpiele. Goethe Hat hier faft immer welches. 


" - $. 137. 
Bei dem Subſtantiv im Hatıptfag fleht das Demonſtrativ ins⸗ 


gemein nut, wenn das duch, den Relativſatz ausgedruͤckte Attribut 
befonders hervorgehoben werden foll. 
Aber der ewige Sohn ſah feine Mufter dahingehn, nicht mit dem menfchlis 


hen Auge, mis jemem Auge, mit dem er jedes Wurmes Geburt ... vor: 
herfieht. Klopſtock, M. 4, 923. Er wußte nicht, daß es die Art aller ber 


. Menfchen fei, denen an ihrer innern Bilbung viel gelegen ift, daß fie die 


äußeren Berfältnifie ganı und gar vernachlaͤſſigen. ©. 8. 7, 8: Gr 
wußte recht gut, baß ber Graf einer von denen Leuten war, die, wenn 
fie fragen, eigentlich belehren wolldn. Daf. 8, 10. Zeigt.einen Weg mir 
an aus biefem Drang, hilfreiche Mächte! einen ſolchen zeigt mir 


verwerhfele, die bee Tag erſchafft und flargt ... At ihn Bloß hiekteſt du 


beijenem Sturme dich feſt, des auf dem Regensburger Tag fich gegen 


dich zufammengog ... Dich fiellte das Geſet ber herben Noth an dieſen 
Dläg, den man bir gern verweigert. S. T. 1, 7. 


8, 138, | 
Wenn das durch den Relativſatz (Adjektivſatz F. 90) ausgedtuͤckte 


Atoribut sin. Sein. als ein Individuum (Ebnzelweſen, nicht als 
6 % 


des Felix muthwillig etwas unfanft verrichtete. &. Wi. 1, 10. Wenn 


Anm. Wein Beer (Schulgt. 4. A. S. 362) ſagt: „Oft fleht ein Ka- 


x 


‘en, ben Th vermag zu gehn... Eh mich die Welt mit jenen &lenden 


— 84 — 


eine Art $. 127) bezeichnet und unterfcheibet, fo gebraucht man ins⸗ 


gemein das Relativ der. 

Indem wir Ihnen zu einer Zochter Glüd zu wünfchen haben, die alle jene 
glänzenden Eigenfchaften vereinigt, woburd man in ber Welt empor⸗ 
ſteigt; fo muß ich wenigftens Sie nicht minder glüdlih preifen, Daß 
Ihnen in Ihrer Pflegetochter ein Kind beſchert ift, das zum Wohl, zur 
Zufriedenheit Anderer und gewiß auch zu feinem eigenen Gläd geboren 
ward. G. Wv. 1,3. Wie des Blitzes Funke ficher, fchnell, geleitet an der 
Wetterftange, läuft, herrfcht fein (Wallenfteins) Befehl vom legten fernen 
Poſten, der an die Dünen branden hört den Belt, der in der Etſch 
fruchtbare Thaͤler fieht, bis zu der Wache, die ihr Schilderhaus hat auf: 
gerichtet an der Kaiferburg. ©. P. 1,2. Da kommt der Paladin, ber 
uns befchüste. Daf. 1,4. Sein Geift iſt's, der mich ruft. Es iſt die 
Schaar ber Treuen, die ſich rächend ihm geopfert. &ie wollten auch im 
Zod nicht von ihm laflen, der ihres Lebens Führer war. Das thaten 
die rohen Herzen, und ic) follte leben! Nein! Auch für mich warb jener 
Lorbeerfrang, der beine Todtenbahre fchmüdt, gemunden. S. T. 4, 12. 
Schnell war ber Graben auch, der fi um's Lager zog, von dieſen flürm’: 
fhen Schaaren überflogen. Daf. 4, 10. Denn alle fchwere Thaten, die 
bis jetzt gefchahn, find nur des Argwohns und der Rache Kinder. S. Bvm. 
Mit karger Rede kaum erwiederft bu des Bruders Liebesworte, der gut⸗ 
meinend mit offnem Herzen dir entgegen fommt. Daf. Durch kein Ge: 
lübde war das Herz gefeffelt, das fich auf ewig mir zu eigen gab. Daf. 
Sie hat zwei Söhne, die ſich tödtlich Haffen. Daf. 


. 8.139, 


Menn der Relativfag nicht eigentlich ein das Individuum (Ein: 
zelmwefen) oder die Art unterfcheidendes Attribut ausdrüdt, ſondern 
nur in der Form eines Attribute irgend ein anderes, 3. B. ein kauſa⸗ 
les Verhaͤltniß darſtellt; fo gebraucht man insgemein das Relativ 


Der. 

Dan fei meinem Genius, der (dafür dag er) mich damals in meiner haͤus⸗ 
lichen Verfaffung fo eingefchräntt hielt, G. 8%. 6. Werfäumt die Zeit 
nicht, die (weil fie) gemeſſen iſt. G. So weit geht Niemand, ber (wenn 
er) nicht muß. ©. T. 1,5. Es geziemt der Wittwe, die (wenn fie) den 
Gatten verloren, ihres Lebens Licht und Ruhm, die. fchmarzumflorte 
Rachtgeftalt dem Aug’ der Welt in flillen Mauern zu verbergen. S. Bom. 
Bei der Wahl einer Oberflatthalterin habe er für eine Eingeborne ent: 
fhieden, die (meil fie) in ihre Sitten und Gewohnheiten eingeweiht und 

- ihnen durch Vaterlandsliebe zugethan fei. S. Abf. d. R. 


$. 140, 


Wenn der Relativfag die Art eines Seins bezeichnet und unter 
fheidet, fo gebraudht man zwar auch der (befonders Goethe); aber 
man macht vorzüglich in diefem Falle auch von dem Relativ wel: 
her Gebrauch ($. 127). Zuweilen flieht im Hauptfag das Korrela⸗ 
tiv folder ($. 137). “ 

ze dem wil ich mich ziehen, und solhen ba (Bau, Hausftand) vliehen, den 
da3 viur und der hagel sleht (fchlägt). Ah. bei W. 341, 15. — Nicht an 
die Güter hänge bein Herz, bie das Leben vergänglich zieren! S. Bom. 

Man darf nur alt werben, um milder zu ſein; ich fehe keinen Fehler, den 


’ 


— —— — — — WE — — [u m“ 


— — — — — — — — — 


— g — 


0 


ich nicht auch begangen hätte. G. Mar. u. Reflex. 2. Und wir eilten 
hinzu, und fanden die Kranken und Alten, die zu Hauf und im Bett 
ſchon kaum ihr dauerndes Leiden trügen, hier auf dem Boden, befchädigt, 
ächzen und jammern. G. Hd. 1, 147. Man Tannte den Feind vollfom- 
men, dem man jest gegenüber Kant, und die Bangigkeit, die man ver⸗ 
geblich bekämpfte, zeugte glorreich für feine Stärke. S. 305. Kr. 3.8. 
Ein Krieg, in welchem viele taufend Streiter ihren Untergang fanden. 
S. Abf. d. N. Diefer Monarch ehrte ihn durch ein Vertrauen, wel⸗ 
ches über feine Jahre ging. Daf. Die Heldengröße, mit der fie flarben, 
nahm für den Glauben ein, für welchen fie ftarben. Daf. 


8. 141, " 


Wenn man nad folder die Art beflimmter bezeichnen will, 
fo gebraucht man, aber nur im Nominativ und Akkufativ, flatt wel: 
cher das Relativadverbium wie. — Fehlt folder im Hauptfag, 
fo nimmt wie ein Perfonalpeonomen zu ſich. — Oft drüdt in Sägen 
biefer Art das Adverbium wie das Prädikat, und ein Subftantiv 
ober Subftantivpronomen das Subjeft aus. In diefem Falle wird 
der Relativfag gewöhnlich, mit Auslaffung feines Verbums, mit dem 
Hauptfage zufammengezogen. 

Eine Leidenfchaft, wie fie ihn fonft nicht leicht ergriff, hatte fein ganzes 
Innerfte auf die vollen Wangen hervorgetrieben. G. Wi. 1,4. Eine 
innre Gefelligkeit mit Neigung, wie fie fih unter unfern $reunden er= 
zeugt hatte, wird burch eine größere Geſellſchaft immer nur unangenehm 
unterbrochen. G. Wp. 1,9. Drauf fiel er mir um den Dale, und zeigte 
eine Rührung, wie jener Kleine Dienft fie gar nicht werth war. ©. P. 
1,3. Da ward ein Angriff und ein Widerſtand, wie ihn Fein glüdlich 
Küge noch gefehn. Daſ. 2, 7. — Die verfchloffene Selbſtſucht eines Cha: 
rakters, wie Philipp war. S. Abf. d. N. Ein Staat, wie biefer, Eonnte 
mit Riefenftärke handeln. Daf. Ein Geift, wie der feinige, konnte das 
Soc der Eindlichen Unterwürfigkeit nicht anders, als mit Wiberwillen 
fragen. Daf. Solche Kranke, wie du, verlangen gute Pflege. S. DE. 2,2. 

Anm. Eine flarke Abkürzung erlaubt fih Schiller in folgendem Sage 
. (88. 4, 21): Wenn Sahrhunderte dahin geflohen, wird bie Vorficht 
einen Fürftenfohn, wie er, auf einem Throne, wie feiner, wieder: 
holen. 


8. 142. 


Steht im Hauptfag flatt eines Subftantivs ein Subſtantivpro⸗ 
nomen ($.90. 118. 123), fo gebraucht man die Korrelative: wer — 
der, der — der, das — was, das — weldhes, derjenige 
— mweldher, derjenige — der, dasjenige — das, das— 
jenige — was, jeder — der, jedes — das, jener — der, 
jenes — das. S. weiter $. 146. Ä 


"Wer früh erwirbt, lernt früh den hohen Werth der Holden Güter biefes 
Lebens ſchaͤtzen; wer früh genießt, entbehrt in feinem Leben mit Willen 
nicht was er einmal befaß; und wer befist, der muß gerüftet fein. ©. 
&.1,3. Wer alles und jedes in feiner ganzen Menſchheit thun oder 
genießen: will, wer alles aufier fich zu einer folchen Art von Genuß ver⸗ 
knüpfen toi, der wird feine Zeit nur mit’einem ewig unbefriedigten 


—A — 0 86 — gps 


Strehen binbringen. ®.21.8,7. Wer ein übel loe fein will, her weiß 
immer was er will. G. Wy. 1,9, Wer befiet, dar lerne verlieren; 
wer im Glad if, Der lerne ben Schmerz! ©. Vom, — Web’ dem, ber 
feen von Eltern und Geſchwiſtern ein Anfom Leben führt! &. J. 4,1 . 
Dom lobſt du hen, der was er thut nicht fchäat?!.. Man tadelt den, 
der ſeine Thaten waͤgt. Auch den, der wahren Bert Br ſtolz nicht 
achtet, mie den, ber falſchen Werth zu eitel hebt. Dat. 1 Ich halte 
nichts von bem, der won fich denkt, wie ihn das Bolt — erheben 
möchte. Daſ. 2, 1. Wie gloͤcklich iſt ber über alles, ber, um ſich mie dem 
Schickſal in Einigkeit zu fepen, nicht fein ganzes vorhergehendes Beben 
wegzumwerfen braucht. &. 2. 7,6. Unfere Meifter nennen wir billig die, 
von benen wir immer fernen. G. Mer. u. Refler. 2. Den moͤcht' id) 
wiflen, der der Treuſte mir von Allen ift, die dieſes Lager einſchließt. ©. 
%.2,3. (Ich will) zwiſchen ben glängenben Gtühlen Serer, bie wür⸗ 
biger waren, mit bir bie Erbe zu richten, dunkel hervorgehn. Klopſtock, 
M, 4, 1005. — So laufen wir nah dem, was vor uns flieht. G. J. 
2,1. Das, was fie fo eh zu ihrem Vortheil auslegte, fand ich feines- 
teg8 bedeutend. G. 8. 7, Das höchfte Gluͤck iſt das, welches un⸗ 
ſere Maͤngel verbeſſert und unſere —*— ausgleicht. G. Betraͤht. im 
Sinne d. Wanderer. Was er mix nicht gepflanzt, ba & unte doch freir 
willig mix bie ſchoͤnen Früchte tragen. S. 9. 3,8. — Deßmegen läßt ſich 
bemerken, daß diejenigen, welche Froͤmmigkeit ald Zweck und Ziel 
auffteden, meiftens Heuchler werben. &. Mar. u. Refler 1. Die Pros 
teftanten in diefem Beitraume glihen denjenigen nicht mehr, welde 
Kent Ibre vorher ihr Bekenntniß zu Augsburg übergeben hatten. 
©. 305. Ke. 1.8. — Diejenigen, bie auf Namensbebeutungen aber= 
släubifch find, behaupten ic. ©. Wr. 1,2%. Richts tft unertüäglächer, 
als abgefchuittene Eigenheit von demjenigen, ven dem mau eine 
veine, gehörige Thätigkeit fordern Tann. G. %. 8,4. Wie hoch mäffen 
wir baher diejenigen halten, die biefes mit großen Xufopferungen zu 
befördern fuchen. &. Wi. 1,4. Um uns durch bad, was mie äußerlich 
gewinnen, für basj enige, was wir innerlih entbehven, gewiſſermaßen 
ſchadlos zu Halten. G. Wo. 1, 10. Das wäre für einen jeden gut ge⸗ 
nug, der feinen andern Weg vor ſich ſaͤhe. G. %. 8,5. Gin Ungewitter 
ca ſich über Ihnen zufammen, noch weit bropender als jenes, das 
ie vordbem zu Regensburg geſtuͤrzt. S. P. 2, 2 


g. 143. 


Sehr oft fehlt das ſubſtantiviſche Demonſtrativpronomen im 
Hauptfage, derfelbe mag vor oder nad) dem Nebenfage ftehen, befon: 
ders wenn das Melatin mit bem Demonfltariy in gleichem Kaſus, 
oder do in gleicher Ferm ſtaht. Diefe Eblipſe finder füch ſchan 
im Althochdeutſchen und, wird (wie quch im Lateiniſchen) befondars 
dann angewendet, wenn auf Dem Demonftratiy Fein. beſonderer Mach: 
druck Liegt (J. 1233). — Über die. Ellipfe des Demanftratippronopynt 
in ungleihem Kafus f. $. 151. 

zi imo er ouh tho IAdota thie uufsun man thih sägeta, (z4 ih er auch da iud 
bie Meiſen man oft fagte). O. 1, 2 bei W. 88, 42. dar in mach ar aker- 
jap dena er uuili nerjan (darin mag er fcheren [aufnehmen] den er will 
erhalten). W. 403, 9. zithig thaz gifullit nuurdi thaz giquetan uuas 
thuruh tbie uuigzagen (zu dem bag arfüllet würhe das gefagt war durch 
bie Meiſſager). T. 9: bei W. 190, 17. — hün bu was dig au gehdrt, Ge. 


2 


mn m Du — er m um. 


— 87 — 


443. das im bir ſelbs in: dar. welt vnd hie difit (diesſeit) gottes iſt, müftu 
von bix werffen. Gb. 10h. die got boten (baten) für die in (ihnen) den 
tob antheten. Gb. 33b. ende den bu haft zu fenben. B. 2, Mof. &, 13. 
fende welch &n du. fenden wilt, L. Der fie verbrant bat, fol auch feine 
kleider waſſchen. Lk. 4 Moſ. 19, 8 (un auch ber ber fie Hat verbrant 
ber waſch fin gemand. B.) Wie fol ich fluhen dem Bott nicht fluchet? 
Wie fol ich fehelten Den. der Herr nicht: fchilt? L. 4. Mof. 23,8. In 
welcher wifz flüch ich dem ber Herr nit flücht. Mit waz vrfach verflüch 
ich ben da nit verbant der herr. B. Weil er fahe, das, wer an in kam, 
ftehen blieb. L. 2, Kön. 20, 12. So erbarmet ex fih nu, welches er 
wil, Vnd verffodet welchen er wil. L. Röm. 9, 18. Darumb erbarmt 
er fh wem er will, ond erhertet wen er will. B. wer was gelernt, 
fheut Feine waffen. hg. B, 219, — Träume, wer träumen mag. G. F. 
2, 239. Es lebe, wer ſich tapfer hält. Daf. 1, 176. Dann mag, was 
will und kann gefchehn. Daf. 1, 84. Wer fein Vaterland nicht kennt, 
Mr keinen Masftab für frembe Länder. &, 8. 8,7. Wer fie (die Kunſt) 

alb Eennt, ift immer irre und redet viel; wer fie ganz befigt, mag nur 
thun und redet felten oder fpät. Daf. 7,9. Wer durch’ Leben fich frifch 
will fchlagen, muß zu Schug und Trug gerüftet fein. S. 21. 3,1. Er⸗ 
bringe nicht, was ich verfagen follte. & J. 4,2, Was ich vermochte, 
hab’ ich gern gethan. Daf, Erlaubt ift, was fi ziemt. ©. T. 2,1. 
Was übrig bleibt, das reizt nicht mehr, und was nicht reizt, iſt tobt. 


Daf, | 
g. 144. 
Steht im Hauptfag ein unbeftimmtes Pronomen ober Zahlwort: 


Etwas, Nichts, Alles, Eins, Manches, Einiges, Vie: 
les, Weniges, fo folgt im Nebenſatz was und (befonders oft bei 
Goethe) das, felten welches. 

Manchmal thut fie etwas, das die reine Idee beleidigt, die ich von ihr 


> 


habe. &. Zar. 1, 18, Dennoch wollte fie auch im entfernteflen Sinne 
weder etwas wagen, noch etwas vornehmen, das ihn verlegen Eönnte, 
Daf. 2,18. Wenn au) etwas in mir war, das fih-nadh den ſinnli⸗ 
chen Freuden Hinfehnte, fo konnte ich fie Doch nicht mehr genießen. G. 8. 
6. Inzwiſchen entfpann ſich aus anfcheinenden Kleinigkeiten. etwa, 
bas unferm Berhältaiffe nach und nad fchädlich wurde. Dal. Doch 
war etwas, was ſowohl ihn als feine Schwefter heimlich kraͤnkte. Daf. 
5,16. Ich bereite etwas vor, welches in ber Folge gewiß von großer 
Einwirkung*fein wird. ©. Wi. 3, 3, . Bei einem vorgehabten Kirchen 
bau hat ſich Hinter dem Altar etwas. gefunden, welches der Herr Vers 
faffer ſehr Ho hält. Rabener. — Doch jest... bleibt mir zu Haufe 
nichts, das mich ergebe. ©. 3.141,39. Und nun dies Blatt uns für 
bie Truppen bürgt, iſt nichts, was dem Vertrauen no im Wege 
ftünde. ©. 2. 1, 8. — Du liebft, Diana, deinen halben Bruder ver al: 
lem, was bir Erb’ und Himmel bietet. G. J. 3,3. So hüllt er alles, 
w a8 den Menfchen nur efrwürbig, liebenswürdig machen Tann, ins blü- 
hende Gewand ber Fabel ein. G. J. 1, 4, Alles, was fe an ſich tru⸗ 
gen, war zen. G. Wr, 1, 40. Sein Haushalt ging einen gelafienen und 
einfdzmigen Schritt, und alles, was ſich darin bewegte und ernguerte, _ 
war gerabe bag, mas; niemandem einigen Genuß gab. G. %. 1, 11. 
Es weinte alles, was herum ſtand. ©. Abf. d. N. 1.8. — Es ift nur 
Eins, mas uns retten Tann. ©. Lager 11. — Es kam wohl manches 
vor, das ihm durchaus mißfiel. &. %. 3, 11. Daß fie unter Eh. mans 
des abzuthun hatten, das ihm verborgen fei. Daf, 7,0. So unters 


— 88 — 


hielten ſie ſich iber manches, was ſich in feiner Abweſenheit zugetra⸗ 
gen hatte. Daf. 7,8. Wie manches koͤnnte ich jego mit großer Kälte 
thun, wenn ich nur wollte, was mid) damals irre machte. Daf. 6. — 
An diefen Freund fchreibe (ih) nod einiges, welches er mittheilen 
wird. ©. Wi. 2, 6. — Vieles traf zufammen, bas ich zu unferm Bor: 
theil nugen konnte. G. T. 1,4. Vieles, was fie thaten, machte ihnen 
die Selbftvertheidigung zur Pfliht. &. — Das Wenige, was er 
ſprach, wurde mit einem widrigen Zone atıögeftoßen. S. 

Anm Beder (Schulgr. 4.% ©. 361) faßt die Sache zu eng, wenn 
er bier nur das Subftantiopronomen was angewendet wiſſen will. — 
Ze weiter wir in unferer Sprache rüdwärts gehen, defto mehr finden wir 
das relative Subftantiopronomen ber. S. $. 123 und die dort anges 
führten älterneuhochbeutfchen Beifpiele. 


$. 145. 


Bezieht fi) das Melativpronomen des Nebenfages auf einen 
Superlativ im Hauptfag, fo gebraucht man allgemein das Relativ 


was, felten das. 

Die das Beſte und Größte, was ihnen von außen gebracht werben 
fann, in ihrer Vorftelungsart erft möglichft verkleinern müffen. ©. &. 
8,7. Dem Herrlihften, was auc der Geiſt empfangen, drängt 
immer fremd und fremder Stoff fi an. G. F. 1,40. Das Befte, was 
du wiffen kannſt, darfft du den Buben doch nicht fagen. Daf. 1, 92. Er 
preifet das Höchfte, das Befte, was das Herz fih wünfct, was der 
Sinn begehrt. S. Graf v. H. — Das Schlimmfle, das mir begegnen 
Tann, ift gefangen zu werden. ©. G. 3. 

Anm. Goethe gebrauchte in dem zulegt angeführten Beiſpiel aus Goͤtz 
v. 8. in der 1. und 3. Bearbeitung das Schlimmfte, was. 


8. 146. 


Wenn in dem Hauptfag der Perfonenbegriff durch ein 
Preonomen oder unbeflimmtes Zahlmort bezeichnet wird, fo 
gebraucht man in dem Nebenfag insgemein das Relativ (Demonſtra⸗ 


tiv) der. S. weiter $. 122. 142. 

Warum bin ich’ 8 allein, ber, ungeliebet, auf ewig liebt? Klopſtock, M. 4, 
811. Sch, der ich mich als Tancred vorne an gedacht hatte, fing, allein 
auftretend, einige Verfe aus dem Helbengebichte herzuſqgen an. G. %.1, 
71. Das Thier hat auch Vernunft; das wiffen wir, die wir die Gem; 
fen jagen. ©. &1.1,1. Wer bift du, deren Stimme mir entfeglih 
das Innerfte in feinen Ziefen wendet? G. 3.3,1. Warſt du’s nicht, _ 
ber immer ein neues Stüd Band zu verhandeln hatte, der meine Lieb: 
haberei anzufeuern und zu nugen wußte? &. &. 1, 10. Und dir, rief 
Werner aus, ber du an menfchlichen Dingen fo herzlichen Antheil nimmſt. 
Daf. 1, 10. Sei, fo red’ ich fie an, ſei wieder dein, die himmliſch, die 

du biſt unfterblich erfchaffen! Kiopftod, M. A, 807. Es ift unter eud 
allen, die ihr denn doch nur Raturaliften und Pfufcher feid, Keiner, 
der nicht mehr oder weniger Hoffnung von fih gäbe. G. Lj. 4,19. Sie 
mein’ ich, bie du vor bir fiehft, die Schwefter. &. Bom. Sie ift es, 
die ich liebte, die zur Braut ich mir gewählt. Daf. Sie wollten auch 
im Zod nicht von ihm laffen, ber ihres Lebens Führer war. ©. T. 4, 
12. Den möcht’ ich wiffen, der der Treufte mir von Allen ift, die 
diefes Lager einfchließt. Daf. 2, 3. Denn Biele find bei uns, die feine 
Großmuth und feiner Sitte Freundlichkeit erfahren. Daf. 4, 10. Ich 


— — — — . 
D 





vergefie Keinen, mit dem ich einmal Worte Hab’ aewechfelt. Daſ. 3, 
15. Roc fühl ih mid) denfelben, der ich war! Daf. 3, 13. 


8. 147. 


Bezleht ſi ch auf einen konkreten oder abſtrakten Sachbegriff 
im Hauptfag, derfelbe mag durch ein Eubftantiv, ein unbeitimmtes 
Fuͤrwort oder Zahlwort ausgedrüdt fein, oder aud auf den ganzen 
Pauptfag ein mit einer Präpofition verbundenes Relativpronomen; 
fo verfchmilzt basjelde oft mit der Präpofition in eine f. g. Relativ: 
konjunktion ($. 131). — Statt der Form wo, wor gebraucht 
Goethe bier oft die Form da, dar, die uns jegt mehr demonſtra⸗ 
tiv erſcheint, waͤhrend wo, wor mehr relativ gilt. Fruͤher fand diefe 
Verfchmelzung des Melativs mit einer Präpofition auch dann ſtatt, 
wenn dasſelbe fich auf eine Perfonenbenennung bezog ($. 131), was 
jegt felten vorfommt. 

Daß ein rother Baden durch das Ganze (Tauwerk) durchgeht, woran 
auch die kleinſten Stüde Eenntlich find. ©. Wo. 2,2. Der Nachtiſch 
ward mit ber beften Stimmung genofien, woran der in zierlichen 
Sruchtkörben aufgeftellte Obftreichthum den vorzüglichften Antheil hatte. 
Daf. 1, 10. Nur wenig Aufmerkfamkeit konnte er auf das wichtige Ge: 
ſchäf t wenden, woran gewiflermaßen das Schidfal feines ganzen Ber: 
mögens hing. ©. 8%. 8,2. Die Straße, worauf der Segen wandelt. 
S. P. 1,4. Nebſt einer Kahn’, woraufein Kelch zu fehn. Daf. &, 5. 
Die mit taufend Zweige reich entgegenftredt, worauf ber trunfne 
Geift fich felig wiegt. Daf. 3, 4. Sie werben unvermerft bie gute Mei: 
nung, worauf du jeßo fußeft, untergraben. &.%.1,3. Manches hab’ 
th no, worauf-ich fehr begierig bin, zu fragen. G. z. 4,4. Gewöhnlich 
gefhähe Das nit, worauf man fid fo lange voraus Freue. G. Wo. 1 
10. Run waren es andere Schriften, woraus er vorlas. Daf. 1, 4. 
Es überfällt fie ein Ka tarrh ‚woraus eine Bruſtkrankheit wird. ©. 
8.6. Ein Zimmer, worin man fonft zu mahlen pflegte. Daf. 5,12. 
Nach diefee Verabredung wurden die Bücher Aufgefchlagen, wort n 
man jedesmal ben Grundriß der Gegend gezeichnet fah. G. Wv. 1,6. 
Das Gerücht von einer Schlacht erfchredte fie, worin der Faiferliche 
Oberſt fei gefallen. S. T. 4,9. Inder Minute, worin wir ſprechen. 

Daſ. 3, 4. Das mordend einbricht in die fihre Hürde, worin ber 
Menfch geborgen wohnt. Daf. 1,6. Wir fegen eine Kormel auf, 
worin wir uns dem Herzog insgefammt verfchreiben. S. 8. 3,1. Nun 
gelangte er zum Hauptthale, worein bie Seitenwaffer ſich ergofien. 
8.8]. 3,1. Aber vor den Gewaltthätigkeiten, womit der kan: 
besherr einen gehaßten Unterthan brüden, vor den namenlofen Drang= 
falen, woburc er den Auswandernden ben Abzug erfchweren, vor den 
Fünfttich gelegten Schlingen, worein die Arglift, mit ber Stärke ver- 
bunden, die Gemüther verſtricken kann, konnte der todte Buchſtabe dieſes 

Friedens ihn nicht fhügen. S. 30j. Kr. 1. B. Hier nun liegt mir et⸗ 
was auf dem Herzen, worüber ich aufgeflärt zu fein wünfchte. &. Wi. 
1,10. ‚Außer dem Phyfifchen, das uns oft unübermwindliche Schwie- 

£ rigkeiten in den Weg legt, und worüber ich einen denkenden Arzt zu 
Rathe ziehe. ©. %. 5,16. Der die Urfache, warum man den Freund 
und Mohlthäter bes Kindes herbeigerufen, umftändlicher vorlegen würbe. 
Daf. 8,2. Test hört es auf für ein Leben zu zittern, dem Alles man⸗ 
geln folt, warum ed wuͤnſchenswürdig war. S. Abf. d. R. Einleitung. 





— rra⸗ 
9 


Ein Theil feiner Leute, worunter fi Jarno befonbers auszeichne. 
G. 8%. 3, 8. An welcher (Tafel) acht Generale, worunter Octavio 
Piecolomini, Terzky und Marados figen. S. P. A, 1. (Scene) Sie 
batte fich zu den umgebenden Mädchen lauter hübfche wohlgebilbete Ki - 
guren qusgemählt, worunter fid) jedoch Beine mit ihr auch nur im 
minbeften meſſen konnte. &. Wp. 2,5. — Indeſſen fpielten die Nachbarn 
und Nachbarinnen allerlei Spiele, wobei ſich bie Hände begegnen. 
&. 9.5, 12 Eine Tochter, die alle jene glänzenden Eigenſchaften 
vereinigt, moburd man in der Welt emporfteigt. &. Wo. 1, 3. 
fogar hatte er wegen des Bettelns und anderer Unbequemlichkeiten, 
wodurch bie Anmuth eines Keftes geftört wird, durchaus Vorforge ge⸗ 
teoffen. Daf. 1,14. Sie ahnte nichts von Eduards Drohungen, 
wobdurd ihr ber. Aufenthalt neben Charlottten gefihert war. Daf.1, 17. 
Als er ihre faft übertriebenen Eigenheiten kannte, wodurd fie alles, 
was im mindelten verfänglidy fchien, von fih abzulehnen wußte. Daf. 2,5. 
Zeder müffe ung dafür nehmen, wofür wir uns gaben. ©. %.1, 8. 
Sie haben vergeffen, mir dad Gehäuſe zu geben, wohinein Sie es 
gepaßt wünfhen. Daf. 7, 6. Wie fland er verfleinert. bei folgender 
Stelke, womit es (das Blatt) fich endigte. G. Wr. 1, 18. Gie 
wollte bie Saben, womit er auch fie bedacht, vormweifen. 8. &. 1, 1. 
@r küßte den meflingenen Ring, womit man an ihre Thüre pochte. 
Daſ. 4,17. Wohl feh’ ich den Angel, womit man bi zu fangen 
denkt, ©. 9. b, 1. Sch lobe bie Beſcheidenheit, die Sorge, womit er 
Schritt vor Schritt zum Ziele gebt. ©. 2. 1,2. Nah ber @ile, wos 
mit dee Brief gefchrieben. &. Wo. 1,2. Nie werde ich bie Klarheit 
und Deutlichteit vergeffen, womit er die Angelegenheiten feines 
Hauſes vornahm. G. 2%. 6. Uns mußte die unausſprechliche Anmuth, 
womit fie biefe Poffen vorbrachte, beftochen haben. &. Wi. 1,5. Das 
Shönfte ſucht er aufden Fluren, womit er feine Liebe fchmüdt. ©. 
&lode. Hier follte ein Ru heſitz aufgeführt werben, wonach diejeni⸗ 
gen, die über den See fahren, zu fleuern, hätten. G. Wo. 1, 12. Wir 
geben ihm eine Borfhrift, wornad er fih richtet. &. Lj. 1, 11. 
Er ſchien fih auf alles zu verficehen, wonach er fragte. Daf. 3, 4. 
Der Kneht, wovon ihr fagtet. G. G. 3. In dem gegenwärtigen 
Buftande fühlte fie eine unendliche Leere, wovon fie früher kaum etwas 
geahnet: hatte. G. Wv. 1, 17. Dem Architekten fiel es nicht: ſchwer, fich 
von Charlotten eine mäßige Summe zu erbitten, wovon er bad Aeußere 
ſowol als das Innere im alterthümtichen Sinne herzuftellen gedachte. 
Daf. 3,2. Während Ottilie füch vorzüglich bei ben Gegenden aufhielt, 
wouon Eduard viel gu erzählen pflegte. Daf, 2, 10. Die Schilberei 
ſelbſt, wo vor fie gefeffen, hat ihr abweſender Water bekommen. Lelling, 
E. Gal. 1, 4. Er zitterte knechtiſch vor Bott, weil Gott das Einzige 
war, wovor er zu zittern hatte. ©. Abf. d. N. 1. B. Daß andere ſpaͤ⸗ 
ter und. ſchwerer die Mißgriffe büßen, wozu fie ein jugendlicher. Duͤn⸗ 
kel verleitet hat. G. 4.2, 2% Daß es mir Ernft fei, ein Handwerk 
mfzugeben, woau ich nicht geboren ward. Daf. 2,2, Ein allgemeiner 
Chorgefang erſcholl, wozu ein jebes Glied zuſtimmte. &. Wi. 2, 1. 
Es ik ein Setztes, wozu die Menfchheit gelangen Eonnte. Daf. 2, 
4. — So erblidt ihr hier, wenn in dem Hauptfelde Abraham non feinen 
Böttern in: dee Geſtalt ſchoͤner Zünglinge befucht wird, ben Apollo unter 
ben Hirten Admets oben in der Kriefe; woraus wir lernen Können, daß 
wenn die Götter den. Menfchen erfcheinen, fie gewöhnlich unerlannt unter 
ihnen. wandeln. Daſ. 2, 2. Er bat bie Würbigen, in ihrem Vortrage fort 
zufahren, worin fie deun auch ihm fogleich willfehrten. Daf. 2,1. Relir 
werd. bes Fragens nicht mühe und Jarno gefällig genug, ihm jebe Brage 





— 94 — 


zu beantworten: wobei jedoch Wilhelm zu bemerken glaubte, daß ber 
Echrer nicht durchaus wahr und aufrichtig fel. Daf. 1,3. Kaiſer Fried⸗ 
rich hielt den polen von Sluys zehn Jahre lang gefperrt, wodurch ihr 

anzer Handel gehemmt wurde. S. Abf. d. N. J. B. Die Glieder der 
Kamitle find auf eine Weiſe verlegt, wofür gar kein Erſatz zu denken iſt. 
G. Wy. 2,1, Wir nehmen baher Gelegenheit von kemjenigen, was Ot⸗ 
titie ſich daraus in ihren Heften angemerkt, einiges mitzutheilen, wozu 
wir keinen ſchicklichern Übergang finden, als hurch ein Gleichniß. Daf. 

2,2. — — Wenn Händef vorhanden find, daran dem Reich viel geles 
nifl. ©. ©. 3. Sechs tragen die Bahre, darauf der bedeckte Sarg 
ht. &. Clavigo 5. Es iſt ein Zauberſpiel, ein Nachtgeficht, das mir 

einen Spiegel vorhält, darin ich das Ende meiner Verräthereien 
ahnungsweiſe erkennen fol. Daf. 5. Sie werden eine Klage furchtbar 
draus bereiten, dagegen ich verfiummen muß, S. T. 1,4. Ihr faht 
doc jüngft am Himmel bie drei Monde, davon fid zwei in blut’ge 
Dolchgeſtalt verzogen. Daf. 4,3. Das befreite Serufalem, bavon 
mir Koppens Überſetzung in die Hände fiel, gab meinen herumfchweifen- 
den Gedanken endlich eine beftimmte Richtung. ©, 8. 1, 7. Ebenſo 
bachte fih Wilhelm auch das Häusliche Leben eines Schaufpielers ale eine - 
Reihe von würdigen Handlungen und Befhäftigungen, davon bie 
Erſcheinung auf dem Theater die Außerfte Spige fei. Daf. 1, 18. — Er 
bildete aus ben vielerlei Ideen mit Farben der Liebe ein Gemählbe auf 
Nebelgrund, deffen Geſtalten freilich fehr in einander floffen; dafür aber 
auch das Ganze eine befto reizendere Wirkung that. Daf. 1,9. Sie er- 
zählte neulich als einen Scherz, ihr Vater habe ihr in ihrer Kindheit 
einen Teller an den Kopf geworfen, davon fie noch das Zeichen trage, 
Daf. $. 10. 

Anm, Der doppelte Irrthum, wor, war fei unmittelbar aus was ent- 
ftanden (8.131 Anm. 2), und ma 8 fei nur Bubftantiopronomen ($. 128), 
veranlaßte manche Grammatiker, biefe Verfchmelzung des Relativs mit 
einer Präpofition da für unftatthaft zu erflären, wo dasfelbe fich auf ein 
Subftantip bezieht. — Um dieſen Irrthum zu widerlegen, find bier fo 
viele Veifpiele mitgetheilt. 


$. 148, | 


Steht in dem Hauptfag ein fubftantivifches Demonſtrativpro⸗ 
nomen, auf welches fich ein Melativpronomen bezieht, mit einer Praͤ⸗ 
pofition ; fo wird diefe mit dem Demonfteativpronomen nicht zuſam⸗ 
mengezogen. 

Er ſprach verfchiedenemal mit mir über das, was er für fie und ihre Kin- 
der zu thun denke. &.2j.6. Nun aber gar über das mit Widerfachern 
zu ffreiten, worüber man fih kaum mit Freunden verftand, fchien mir 
unnüg. Daf. 6. Ed war mir auffallend, daß er von dem, worin ber 
Grund aller meiner Handlungen lag, offenbar Eeinen Begriff hatte. Daf. 6. 
Mein Väter fagte mir wenig von dem, was er mit ihm gerebet hatte. 
Daf.6. Alle diefe mehr ald gewöhnlichen Höflichkeiten hielt id mit dem, 
was ich von ber Mutter erfahren hatte, zufammen. Daf. 6. ” 


6, 149. 

Wenn nach einer Benennung von Ort, Zeit oder Weife in 
dem (adjektivifchen). Relativfag ein mit einer Präpofition des Orts⸗ 
und Zeitverhäftniffes oder der Weiſe verbundenes relatives Adjektiv⸗ 
pronomen folgen ſollte; fo gebraucht man ſtatt desſelben oft die Res 


- 


— gg — 


lativadverbia da, wann, ale, wo, wie. ©. weiter 8.130. 131. 


141. 147. 

Nit wölt uch fchägen fchäß in die erde do in der rofl on die milben vers 
wüftent vn da in die dieb vfzgraben vnd verftelen. Aber fehägend uch 
fhäg in den hymel da in noch ber roft noch die milben verwüften. vn 
da in die dieb nit ofzgraben noch verftelen. wann da bin fchag ift da ift 
auch din hertz. B. Matth. 6,19 f. Ir folt euch nicht Schege famlen auff 
Erben, Da fie die Motten und der Roft freffen, und da die Diebe nach 
graben vnd ftelen. Samlet euch aber Schetz im Himel, Da fie weder 
Motten noch roft freffen, und da die Diebe nicht nach graben, noch ftelen, 
Denn wo ewer Schaß ift, da ift auch ewer Herg. L. — Dies ift ber 
Tag, da Zauris feiner Göttin für wunderbare neue Siege dankt. ©. 3. 
1,2. Erinnre mich nicht jener ſchoͤnen Zage, ba mir dein Haus bie 
freie Stätte gab. Daf. 2,1. In erfter Tugend, ba fich kaum bie 
Seele an Vater, Mutter und Gefchwifter band. Daf. 1,2. Der Greis 
denkt ber Zeit mit Freuden, da er in feinen Arm dich fchloß. ©. T. 1,4. 
— Dfhöner Zag, wann endlich der Soldat ins Leben heimkehrt, in 
die Menfchlichkeit. ©. 9. 1, 4. — Zur nämlichen Zeit, als diefer Mo: 
narch wiederholte Verficherungen von dem guten Kortgang biefer Unter: 
handlung erhielt, entdeckte ihm ein aufgefangener Brief die Zreulofigkeit 
diefes Prinzen. ©. Abf.d.R. Des andern Morgens, als fie ſich 
aus dem obern Stod nach den Bäften umfahen, fagte Eduard. G. Wo. 
1,9. Ihr vormaliger Eifer, ihr Heldenfeuer und ihre Mannszucht lie: 
fen in eben dem Grabe nad, als fie ihre Ehre und Pflicht gelöſt zu 
haben glaubten. S. Abf. d. NR. Ein. — Stille führt fie ihn zum Orte, 
wo fein Vater fiel. G. 3. 3,1. Kennft du das Land, wo die Zitronen 
blüh'n? G. Mignon. Lernft du nicht fremde Sprachen in den Ländern 
am beften, wo fie zu Haufe find? &.Wj. 1,4. Doc gibt es Gelegen- 
heiten, wo man ſich innerlich frifch fühlt. Daf. 2, 3. Wir jehen dann 
auf einmal ihn vielleicht am Ziel, wo wir ihn lang gewünfcht zu fehn. 
G. T. 1, 2. Es gibt im Menfchenleben Augenblide, wo er dem 
Weltgeiſt näher ift als fonft. ©. T. 2,3. Zu eben der Zeit, wo die 
Republik Holland um ihr Dafein Lämpfte. ©. Abf. d. N. Einl. In 
einem fo langwierigen Kriege, wo feine entſcheidende Schlacht gefchah. 
Daf. — In eben dem Maße, wie fich die Hilfsquellen der Regierung 
bei der langen Fortdauer bed Krieges erfchönften, fing die Republik eigent- 
tich erft an, ihre Ernte zu halten. Daf. Beide von ber Art, wie fih 
jede gute Gefelfchaft Freunde wünfchen ſollte.G. %. 5, 8. Euer Oheim 
gab das Beifpiel allen Königen der Welt, wie man mit feinen Feinden 
Frieden madt. ©. St. 3, 4. 

Anm. Der Gebrauch eines Relativadverbiums flatt eines Relativprono⸗ 

.mens ift auch den Römern nicht unbekannt. gl. Cic. de sen. 4: nemi- 

nem unde. pro Flacco 26: Athenienses unde. Tusc. disp. 1, 12: Apud 
Graecos indeque. de orat. 1, 45, 199: Apollo dicit se esse eum, unde. 
Quintil. 1, 8: locum ubi. 


$. 150. 


Bezieht fich der MRelativfag auf ein im Nominativ oder Akkuſa⸗ 
tiv. flehendes Mort des Hauptfages; fo kann eine Satz verkuͤr—⸗ 
zung ftattfinden, indem das Melativpronomen wegfaͤllt und das Ber: 


bum des Relativfages in das entfprechende Participium tritt. 
Nach difen bingen fach ich eine groffe fhare die nyemant mocht gezelen .... 
ftannd vor dem thron vñ in dem angefiht des lambs bekleydet mit 





—— 085 — 


7 


wyſſen ſtolen. B. Off. 7, 0. Darnach ſahe ich eine groſſe Schar, melde 
niemand zelen kund ... fur dem Stuel ſtehen d vnd fur dem Lamb, an⸗ 
gethan mit weiſſem Kleide. L. Er gedacht an ſein heiliges Wort, Abra⸗ 
ham ſeinem Knechte geredt. L. Pſ. 108, 12. Daß er den Krieg 
wider die Teutſchen angehaben, und ſchier an im end bracht, abs 
fhuff. A. 1995. — Schreden Euch nicht Babingtons, nit Tiſchburns 
blut’ge Häupter, auf Londons Brüde warnend aufgeftedt?! ©. St. 1, 
6. Ich zweifle nicht, daß ein Gefeg, ausdrüdlich auf mih gemadt, 
verfaßt mich zu verderben, fich gegen mich wird braudyen laffen. Daf. 
4,7.  Diefe Ulmen, mit Reben umfponnen, find fie nicht Kinder uns 
ferer Sonnen? ©. Bom. Jene gewaltigen Wetterbäche, aus des Hagel 
unendlichen Schloßen, aus den Wolfenbrühen zufammengefloffen, . 
kommen finfter geraufcht und gefchoffen. Daf. Dann zum Gewande wählt 
das Kunftgemwebe bes Indiers, hellglänzend wie der Schnee des Aetna. 
Daf. Dazu den Mantel wählt von glängender Seide gewebt, in gleis 
hem Purpur [himmernd. Daſ. Eduard, ungern unterbrochen 
und beunruhigt, ſchalt ihn. G. Wp. 1,6. Eduard drang auf einem 
bewachſenen Pfade weiter vor, wohl wiffend, daß die alte zwifchen Fel⸗ 
fen verftedte Mühle nicht weit abliegen Eonnte. Daf. 1, 7. Er eilte, fi 
flüchtig entfchuldigend, nach Haufe. Daf. 1, 12. Was tft es, das 
diefe Figuren, auch nur obenhin betrachtet, fchon als Bierrath fo er: 
- freulih macht! G. %. 8, 5. 


Ellipfe und Attraftion. 


$. 151. 


Schon feit der gothifchen Zeit wird das Demonftrativpronomen 
oft im Hauptfag ausgelaffen, wenn im Nebenfag ein fid auf dasfelbe 
beziehendes Relativpronomen folgt. Sehr gewoͤhnlich ift diefe Aus: 
laffung, wenn Demonftrativ und Relativ gleiche Form haben (8.143). 
Es fehlt jedoch auch nicht an Beifpielen, in denen ein nicht in glei: 
cher Form ftehendes Demonftratiopronomen ausgelaffen if. Nhd. 


wird übrigens diefe Ellipfe immer feltner. 


daz ist (der) den ir dA meinet. Parz. 98, 28. ahzehen wochen hete gelebt 
(der) des muoter mit dem töde strebt. Parz. 109, 6. do enlie (nicht 
licß) sich niht an sin gemach (der) von dem da3 mare ist arhaben. Lanz. 
1359. do kom (der) von dem ich sprechen wil. Parz. 132, 28. — 
er fot fich Eeiner hand unberwinden (deſſen) das wider fein ambt ift. 
Gs. 56b. das du (den) nit legeft von dem du gelegt bift. Gb. 7a. fo 
wideren wir uns (das) zü bezaten des wir fchuldig find. Gb. Ba. ich 
erbarme mich (dem) dem ich will. vnd ich wird genäbig (dem) in den 
ich mir geualle. B. 2. Moſ. 33, 19. (Wem ich aber gnedig bin, dem 
bin ich gnedig, und wes ich mich erbarme, des erbarme ich mich. L.) 
dem diefes nicht vergunnt (ift, der) bewundert nur dein glängen. hg. 

. 4, 308. — Ich fah (das), worauf mich niemand aufmerkſam gemacht 
hatte. &. Lj. 8, 3. Fragt die Natur, fie wird euh (das) lehren, vor 
was ihr zu fchaudern habt, fie wird euch mit dem ftrengften Finger (da 8) 
zeigen, worüber fie ewig und unwiderruflich ihren Fluch ausſpricht. 
Daf. 8, 3. Unter diefem Reden habe ih (das) erft entfchieden gefühlt, 
wozu ich mich entichließen follte.... Ich will (das) nicht weiter aus: 
führen, warum ich glaube, daß fie zu erlangen fein wird. G. Wo. 1, 
‚18. Der Zürft fragte bei unferer erften Belanntfhaft (nad) dem), 


— — Va — 
worte ich mich jetzt beſchaftige. G. ital. Reife Heapet 1. Marz. Freund: 


Hch wies er mich an, worum es zu thun fei. G. Wj. 2, 19. Liebe 

(den), wer mir Gutes thut. S. Ivo. 2, 2, Wem fie erfcheine (der) 

wird aus un felbft entruͤckt, v ent fie gehörte (der) ward zu Hoch beglückt. 
87. 


v v I 


$. 152, 


* Berfchledener hiervon ift eine andere Konftruftion, welche man 
nicht unpaffend Attraktion (Anziehung) genannt hai, und deren 
Weſen darin befteht, dag das im Nebenſatz ftehende Relativpronomen 
den Kafus des Wortes im Hauptfag annimmt, anf welches es füch be: 
zieht. Auch diefe Konſtruktion ift früher häufiger als jet. 

Dhannne so dhrato mihhil undarscheit ist undar dhera chiscafti chiliihnissu 
endi dhes izs al chiscuof (da fo fehr großer Unterſchied ift unter bes Ge: 
ſchöpfes Gleichniß und des [deffen, der} es all fhuf). Is. 3 bei W. 
34, 35. wa ich iu wette aller der wette der ich in getan han (hier ich euch 
verpfände aller der Verſprechungen der ſder, bie] ich euch gethan habe). 
W. 190, 11. endi sie uuerdant zi scaahche dhem; im aer dheonodon (und 
fie werden zum Raube denen [benen, die] ihm eher dienten). 1. 3 bei 
W. 36, 35. uu& demo in vinstri scal sind virina stuen (weh dem [dem, 
der] in Finſterniß fol feine Sünden büßen). Musp. 48 bei W. 71, 24. 
mit uuörton theti dr thie ältun förasagun zältun (mit Worten den [den, 
die] eher die alten Borherfager. erzählten). O. I, 17 bei W. 88,35. singe 
ab ich dur die mich frout hie berotn (finge aber ich durch die [die, die] 
mich freute hie zuvor). W. 307, 2. to begönda er t&on äl das in lüsta 
(da begann er zu thun alles das ſdas, deffen] ihn gelüftete). Boeth. 

‚ beit W. 139, 24. — Als ich auf der Schwelle faß und meinte, und bir, 
auf was bu fprachft, nicht Rede fland ... Du ſollteſt ſogleich vor jeme 
Schranken treten und Rede ſtehen auf was man fragen wird. H. v. 
Kleiſt, Kätchen v. H. 1,2. Kümmre dich nicht um was ich ſagte, ſchier 
dich nicht um was ih that. W. Alexis, Shakeſpeare u. ſ. Freunde 3,270. 
Ihr ſeid Fein blinder Greis, der artige Sachen in Holz ausſchneidet ohne 
Auge für was Andere thun. Hhlenſchtaͤger, Corregio. — Sie eilt durch 
den Hof zum Thoresgang, dem Wandrer zu bieten Schutz und Raſt, und 
wen's auch fei, zu wärmen und zu laben. Redwitz, Amaranth der Gaft 1. 

Anm. Bgl. weiter Grimm, Vorrede zu ben Hymnen. GraffV, 24. 
Mhd. Wörterb. von Benede- Müller I, 319. Wadernagel, 
guörterh. LXXXIX. Zeipelim Archiv f. d. Stub, d. n. Spr. II. 2, 344, 

. 2, 330, 


8. 153. 

Eine andere, früher auch fehr gebräuchliche Attraktion ift 
biefe, bag der Hauptfag vom Nebenfag angezogen wird. Der Träger 
bes Relative (& 132) tritt aus dem. Hauptfag in den Nebenfag-und 
wird im Haupefag burch ein Demonfleativ vertreten 

den mjnnisten helbelinc den jmer jeman dar keleget, der ne wirt ime njemer 
uersagit (den mindeften Hälbling den immer jemand datlegs, der nicht 
wird ihm nimmer verfagt). Hartm. v. glauben bei W. 247, 7. den 
besten meister er d&- vant, der seite ime zehaht eim seltssne mere (den 
beiten meifter (den) er da fand, ber fagte ihm foglei eine feltfame Märe) 
Ah. bei W. 326,15. — Ain waſſer das am berg ablauffl mitt dem 


"Eu ee om BE 


DT 98 natur ‘ 


darff man kain arbayt haben. Gg. O3. ein fünder, ber fih keren 
wil von fünden, dam iſt es an der erſten nit leicht, Gb. 99a. bie wibers 
fpenigen menfchen, die nyeman beferen mag, denen ift alles güt 
ſchwer zü thün. Gb. 1008. eyner, der do gütig iſt und milt, ven hat _ 
yederman lieb. Gb. 7b. den fteyn den bie buwer verwarffen der ift 
worden zü eym haupt des wynckels. B. Pf. 118, 22. den fein ben bie 
bulut verwurffen der ift gemacht in das houbt des windels. B. Matth. 
21,42. Das ein ygllicher der fie höret: dem werdent klingen bie 
oren. B. Ser. 19, 3. Das wer es hören wird, jm bie Ohren Blingen. L. 
Ein Herr der zu luͤgen Luft hat, bes Diener find alle Gottes. L. Spr. 
29,12, Sin König der die Armen tremlich richtet, des thron wird 
ewiglich beftehen. L. Spr. 29, 14. 
Anm. Die hier erwähnte Attraktion hört man noch oft in der Volks⸗ 
fprache, befonbers am Mittelrhein. 


— 


B. Mehrere Retativfäge in Berbindung mit einem 
| Yauptfag. 
$, 154. 


Bisher war von der Verbindung eines Relativfages mit einem 
Hauptſatze die Rede. Es können aber aud) mehrere Kelativfäge auf 
einen Hauptſatz fich beziehen. Iſt ein Nelativfag eimem andern Re: 
lativſatz beigeerdnet, fo heiße die Verbindung eine Relativfas: 
verbindung, aud Relativfagreihe; fft er einent andern Re: 
lativfag untergeordnet, ein Relativfaggefüge ($. 5. 6). 


Beide bilden befondere Arten von Perioden ($. 239). 


3) Relativfagverbindung. 
8. 155. 


Eine Relativfagverbindung ober Relativfagreibe 
ift eine Verbindung zweier oder mehrerer einander beigeordneter 
Relativfäge ($. 154). Es kommt hierbei befonders der Gebrauch des 
MRelativpronomens der, welcher und dee Relativfon: 
junftionen ($. 131. 147) in Betracht, jedoch weniger deren Ge⸗ 
ſchtecht (F. 135); das Verbum ergidt fi) aus dem früher ($. 92 f.) 
Geſagten. | 

$. 166. 

Werden mehrere (meiſt durch und eng verbundene) Relatiofäge 
am einahder gereiht, die entweher ein gemeinfames Prädikat haben, 
oder verfchiedene Praͤdikate von gleihmäßiger grammatiſcher Kon: 
ſtruktion; fo genügt ein einziges Melativpronomen zu Anfang des er- 
ften Sages.- Die einzelnen Relatiofäge erfcheinen dann als zu fan: 
mengezogene Säge (d. 2,1). Das Nelativpronomen kann wie⸗ 
derhoft werden, a) wenn in der Wiederholung efn befonderer Nady- 
druck oder eine gewiſſe Seierlichkeit Liegen foll, b) wenn die Beziehung 
des zweiten Relativſatzes zum eriten und nach mehr zum Hauptſatz 


— s8s86 — 


durch Wiederholung des Relatlvs verdeutlicht werden fol. Dagegen 
muß das Relativ wiederholt werden, wenn eine Zufammenziehung 
beider Säge möglich ift?). — Soll eine Wiederholung flattfinden, 
fo wechfelt Goethe nicht mit ben Formen der und welcher, fon: 
bern gebraucht der Deutlichkeit und des Wohltlangs wegen beidemal 
ber oder welcher >). 

Was ift der Arbeit Ziel und Preis, der peinlichen, die mir die Zugend ftahl, 
das Herz mir Öbe ließ und unerquidt den Geift, den Feine Bildung nod 
gefhmüdet? S. P. 1, 4. — Ich zürnte dem Schidfal, daß mir’s ben 
Sohn verfagt, der meines Namens und meines Glüdes Erbe koͤnnte fein, 


in einer ftolgen Linie von Zürften mein fchnell verlöfchtes Dafein weiter ' 


leiten. Daf. 2, 3. — Es ift der Süngling, der mit Pfychen fich ver: 
mählte, der mit im Rath der Götter Sig und Stimme hat. G. T. 1, 1. 
Aber einem romantifchen Volke... war eine Religion angemeffen, de: 
ren präctiger Pomp die Sinne gefangen nimmt, deren geheimnißvolle 
Räthſel der Phantaſie einen unendlihen Raum eröffnen, beren vor: 
nehmfte Lehren fich durch malerische Kormen in die Seele einfchmeidheln. 
©. Abf. d. N. 1. B. — Außer ben eigenen Karben ber Körper, welche 
in den Körpern felbft verharren ... gibt, es in der Ratur einige wechſel⸗ 
bare und veränderlihe Farben, welche man emphatifche und erfcheinende 
nennt, und welche ich die glängenden zu nennen pflege. G. Farbenl. 
W. 83,179. Er gab ihre im Scherze allerlei freundliche Namen aus 
fremden Sprachen, Deren mehrere er fehr gut ſprach, und deren eigen: 
thümliche Redensarten er gern ins deutfche Geſpräch miſchte. ©. 2. 6. 

Anm. 1. Bmeifel über die Beiordnung beider Säße können um fo 
feichter entftehen, wenn bie beiden Relativfäge ohne ale Verbindungs⸗ 
partifel, oder durch das entgegenfeßende aber verknüpft find. 

Anm. 2. Indem legten Beijpiel aus Goethe iſt deren im erften Rela⸗ 
tiofag der Partitivgenitiv, beren im zweiten aber nicht. 

Anm. 3. Deutlichkeit und Wohlklang würden wir z. B. in folgendem 
Sage vermiffen: Ein Mann, welcher feinen Freund liebt, der (aber) 
nicht feinen Feind haßt, ift.... | 


$. 157. 


Wenn die Konftruktionen mehrerer (meift buch und eng ver: 
bundener) Relativfäge verfchiedene Kafus des Relativpronomens er: 
fordern; fo ift, bei der nothmwendigen Wiederholung des Relativs, oft 
nicht bloß ein Eleiner Mißklang hörbar, fondern die Auffaſſung des 
Sinnes ift auch etwas erfchwert. Beide Melativa deuten auf Ein 
Subftantiv als ihren Träger hin, jedoch jedes fteht in anderer Bezie⸗ 
bung zu feinem Sage. — Da, mo die beiden Relativpronomina v er: 
[hiedene Kafus haben, die Formen derfelben aber gleichlau: 
tend find, wicd die Auffaffung des Sinnes noch mehr erſchwert. — 
Das Unſchoͤne einer Periode tritt hier zuletzt noch weiter hervor, wenn 
zwijchen den Formen der und welcher abgewechfelt wid. 

Er hat dich verrathen! den bein Wandel gelehrt, der deine Wunder gefes 
ben, dem dein Mund das Geheimfte von jenem Leben enthüllt hat, den 
du würbdigteft, Jünger zu nennen: er hat dich verrathen! Klopflod, M. 
4,996, Es ift das Bild Ihres Vaters, des braven Mannes, den Sie 
kaum gekannt, und der in jebem Sinne eine Stelle in Ihrem Herzen 


— — 


Zzs une u 7 mer vn men om 


Ku 


— 9171 — 

verdient. 8. Wv. 1,7. Daß fie ihn einen fchönen Ruheplatz, den fie 
bei ihren erften Anlagen befonders ausgefucht und verziert hatte, der 
aber feinem Plane entgegenftand, gang gelaffen zerftören ließ. Daf. 1,6. 
Als fie Philinen in den Armen eines jungen Officiers fahen, der eine 
rothe Uniform und weiße Unterkleider an hatte, deffen abgewendetes Ge⸗ 
fiht fie aber nicht fehen Eonnten. ©. Lj. 5, 15. Eines Sohnes, beffen 
fi jedermann erfreuen würde, und den Sie ganz und gar zu vernach⸗ 
läffigen fcheinen. Daf. 7, 7. Sinnt der König, was fein edler Mann, 
der feinen Namen liebt, und dem Verehrung ber Himmlifchen den Bu⸗ 
fen bändiget, je denken follte? ©. J. 1, 2. Er zweifelte nicht einen Au⸗ 
genblick, daß jener Menfc die hat begangen, den er fo manchmal ge⸗ 
fprochen, der ihm fo werth geworden war. &. Werther. Won meinen 
Vorgügen zu reden, deren idy mid) wohl auch zu rühmen habe, und die 
mich zu einem würdigen Mitglied biefer großen Karawane flempeln. ®. 
ı Wi. 3,4. Der Widerwille, diefes herrliche Naturerzeugniß noch weiter 
zu entftellen, firitt mit der Anforderung, welche der wiſſensbegierige 
Mann an fih zu mahen Hat, und welcher fämmtliche Umberfigende 
Genüge leifteten. Daf. 3, 3. — Dann feste fie fih, und die Drangen, 
die ich bei Seite gebracht hatte, die nun die einzigen noch übrigen wa= 
ren, thaten vortreffliche Wirkung. ©. Werther. Diejenigen, welche bie 
Sache näher anging, und denen der Papſt fie lebhaft aufgetragen hatte, 
fanden bald den Thäter. G. B. Cell. 2, 11. Als wären die auf gedachten 
Cartonen vorgeftellten Thaten und Sreigniffe in dem Kriege vorgefallen, 
welchen die Florentiner gegen die Pifaner führten, der fih mit der Erz 
oberung von Pifa endigte. Daf. Anhang IV. Wir fanden Klopftod da⸗ 
felbft, welcher feine alte fittliche Herrfchaft über bie ihn fo hoch verehren⸗ 
den Schüler gar anftändig ausübte, Dem ich denn auch mich gern unter: 

warf. ©, Leben 18.83. 


6. 158. 


Der Mißklang wird unangenehmer, die Unebenheit fühlbarer 
und die Leichtigkeit in Auffaffung ber Beziehungen und fomit über: 


haupt im Verftändniß gehemmter, wenn einer von den beigeordneten - 


Melativfägen nicht mehr von einem einzelnen Kafus des Relativpro- 
nomens, fondern von einer mit dem Relativ verbundenen Präpofition 
eingeleitet wird. — Dieſer Übelftand fleigert fi, wenn es bei dem 
erften Relativfag, noch mehr, wenn es bei zwei oder mehreren Relativ: 
fägen gefchieht. Ä 


Befonders aber warb Laertes von einer Dame angcreizt, bie in der Nach⸗ 
barfchaft ein Gut hatte, gegen die er fih aber äußerft Falt betrug. ©, 
Lj.4,4 Wilhelm hatte auf feinem Wege nach der Stadt bie weiblichen 

.  Gefchöpfe, die er kannte und von denen er gehört hatte, im Sinne, 
Daſ. 7, 8. Natalie hatte verjchiedene Blumen von feltfamer Geftalt ge- 
brochen, die Wilhelmen völlig unbekannt waren und nad deren Na 
men er fragte. Daf. 8, 5. Dich zu verlafien, den ich fo liebe, von dem 
ich ungertrennlich war, und froh gu fein! G. Werther. — Konnte fie fi 
verftellen gegen ben Mann, vor bem fie immer wie ein Eryftallhelles Glas 
offen und frei geftanden, und dem fie Eeine ihrer Empfindungen jemals 
verheimlicht noch .verheimlichen können? Daf. Es fei jener Fig, von 
dem Felix fo viel zu erzählen wußte und ben er fich fo oft als Spiel: 
kameraden zurückwünſchte. ©. Wi. 3, 2. Diefe vier übrigen Figuren 
ftellen bie Künfte vor, an denen fih Ew. Majeftät ergögt und die bei 

Kehrein Grammatik. II. 2. 7 


— v96 — 


Ew. Majeftät alle Unterſtuͤtzung finden. ©. B. Geil 2, 6. Yu der Nähe 
einer Geliebten, von der ich zwar mich zu trennen den Vorſatz gefaßt, 
die mich aber doch, fo lange noch die Möglichkeit war, mich ihr zu naͤ⸗ 
dern, gewaltfam zu fich forderte. ©. Leben 9. B. Schon fah die ganze 
Sefellichaft im Beifte bie neuen Wege fich fchlängeln, aufdenen und in 
deren Nähe man nody die angenehmften Ruhe: und Ausſichtsplaͤtze zu 
entdecken hoffte. G. Wo. 1, 7. Die räuberifhe Bande nämlich hatte 
nicht der mwandernden Truppe, fondern jener Herrfchaft aufgepaßt, bei 
ber fie mit Recht vieles Gelb und Kofkbarkeiten vermuthete, und von 
deren Zug fie genaue Nachricht mußte gehabt haben. ©. Lj. 4, 1. 


$. 159. 


Gleiche Mißſtaͤnde treten ein, wenn Relativfonjunktionen bie 
Eiafeitungen dee Säge werben, und zwar hier um fo mehr, da die 
Beziehung der Relativkonjunktionen zu ihrem Hauptwort (Träger) 
oft noch dunkler ift. — Gefteigert werden diefe Mipflände, wenn eine 
Relativkonjunktion den erſten Nelativfag einleitet, noch mehr, wenn 
e8 bei mehreren gefchieht. 

Daß Truppen, die gewohnt waren, durch den Ungeftüm ihres Angriffs jeden 
Widerſtand zu befiegen, ein Krieg ermüden mußte, der weniger mit Men⸗ 
ſchen als mit Elementen geführt wurde, der mehr die Geduld übte, als 
die Ruhmbegierbe vergnügte, wobei weniger Gefahr als Befchwerlichkeit 
und Mangel zu befämpfen war. ©. Abf. d. N. Einl. Die Straße, die 
der Menſch befährt, worauf der Segen wandelt, diefe folgt der Flüffe 
Lauf. ©. P. 1, 4. Sämmtliche Tauwerke der Föniglichen Flotte, vom 
ftärkften bis zum fchwächlten, find dergeftalt gefponnen,’ dag ein rother 
Faden durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden kann 
ohne alles aufzulöfen, und woran aud) die Eleinften Stüde Eenntlich 
find, daß fie dee Krone gehören. G. Wo. 2,2. Der Alte, in Hoffnung 
eines weitläufigen Journals, beffen Führung er dem Sohne beim Ab⸗ 
ſchiede forgfältig empfohlen, und wozu er ihm ein tabellarifches Schema 
mitgegeben, ſchien über das Stillſchweigen ber erften Zeit ziemlich berue 
bigt. ©. %. 4, 17. Dabei ift aber wohl gethan, mit Maß und Heiter⸗ 
Teit beffen zu erwähnen, was man entweder willig unternimmt, ober 
wozu man ſich genöthigt glaubt, G. Wi. 3,1. — Sie freuten ſich, die 
Zummer wieder zu betreten, wo fie früher fo manchen guten Zag erlebt 
and die fie eine lange Zeit nicht gefehen hatten. G.Wp. 1, 10. Erſtlich 
die nächfte (Welt), wozu die bargeftellten Perfonen gehören, und die 
fie umgiebt. ©, über ep. u. dram. Dichtung. Die hohen Gebirge, welche 
Carlsbad unmittelbar umgeben, find fämmtlid Branit und alfo auch ber 
Hirſchſprung und der Dreifreugberg, welche einander gegenüberftehend 
eine Schlucht bilden, worin fich, bis auf eine gewiffe Höhe, zu beiden 
Seiten ein Uebergangdgebirg bemerken läßt, und wovon in unferm Auf: 
fag zur Joſeph Müller’fhen Sammlung fon umftändlicher gefprochen 
worden. G. Mineralogie Problematifch. 


$. 160. 


Mißklang, Unebenheit und Unklatheit fteigern fich, je mehr Re: 
lativfäge fi) einander beiordnnen, und je mehr der eine oder der andere 
von ihnen oder gar alle nicht bloß weitere Bekleidungen zu fich, ſon⸗ 
dern auch noch untergeordnete Nebenfäge anderer Art in ihre Mitte 


- 


x 
”. 


nehmen oder, was noch Adler iſt, an ihe Ende ſich anfügen und ſomit 
von einander mehr fi entfernen. 


Philipp der Zweite, ber maͤchtigſte Souverän feiner Zeit, beffen gefürdtete 
übermacht ganz Europa zu verfchlingen droht, beffen Schäge die ver: 
einigten Reichthümer aller chriftlichen Könige überfleigen, beifen Flotten 
in allen Meeren gebicten; ein Monarch, deffen gefährlichen Zwecken 
zahleeiche Deere dienen, Heere, die durch lange blutige Kriege und eine 

. zömifche Mannszucht gehärtet, Durch einen trogigen Rationalftolz begeiftert, 
und erhitzt durch das Andenken erfochtener Siege, nah Ehre und Beute 
dürften, und fich unter bem verwegenen Genie ihrer Führer als folgfame 
Glieder bewegen — diefer gefürchtete Menſch, einem hartnädigen Ent: 
murfe hingegeben; Ein Unternehmen die raftlofe Arbeit feines langen 
Regentenlaufes; alle diefe furchtbaren Hilfsmittel auf einen einzigen 
Zweck gerichtet, den er am Abend feine Zage unerfüllt aufgeben muß — 
Philipp der Zweite, mit wenigen ſchwachen Rationen im Kampfe, den er 
nicht endigen fann. ©. Abf. d. N. Einl. Immer Zehrten ihre Gedanken 
wieber zu Werthern, der für fie verloren war, den fie nicht laffen Eonnte, 
den fie leider! fich ſelbſt überlaffen mußte, und dem, wenn er fie verlo= 
ren hatte, nichts mehr übrig blieb. G. Werther. Sie ſah fih nun mit 
dem Dann auf ewig verbunden, deſſen Liebe und Zreue fie Tannte, dem 
fie von Herzen zugethan war, beffen Ruhe, deffen Zuverläffigkeit recht 
vom Himmel bazu beflimmt zu fein fchien, Haß eine wadere Frau das 
Glück ihres Lebens darsuf gründen follte. Daf. Nach meinen eigenen 
Befigungen fehne ich mich nicht zurüd, theils aus politifchen Urfachen, 
vorzäglid aber weil mein Sohn, für den ich alles eigentlich gethan und 
eingerichtet, Dem ich es zu übergeben, mit dem ich ed noch zu genießen 
hoffte, an allem Eeinen Theil nimmt, fondern nad) Indien gegangen ift, 
um fein eben dort, wie mancher andere, höher zu nutzen, oder gar zu 
vergeuden. &. Wo. 2, 10. Dem Manne, der die Welt kennt, der weiß, 
was er barin zu thun, was er von ihr zu hoffen hat, was kann ihm er⸗ 
xünfchter fein, ald eine Gattin zu finden, die überall mit ihm wirkt, 
und die ihm alles vorzubereiten weiß, deren Zhätigkeit basjenige auf: 
nimmt, was bie feinige liegen laflen mußte, deren Geſchäftigkeit fich 
nad) allen Seiten verbreitet, wenn die feinige nur einen geraden Weg fort- 
geben darf. G. &. 7,7. 


8. 161. 


Sm zweiten beigeorbneten Relativfag wird häufig zur Verhütung 
der in den vorhergehenden Paragraphen genannten libelftände, aber 
im MWiderfprudy mit den Forderungen ber Logik und Grammatik 1), 
das MRelativpronomen durch ein perfönliches, demonftratives, oder de⸗ 
ren pofjeffives Pronomen, und die relativifche Konjunktion durch ein 
demonftratived Adverbium vertreten. — Diefer Sprachgebrauch ift 
vorzugsweife den Griechen (denen meiftens avros als Erſatz dient). 
eigen, aber ihnen keineswegs von den Deutfchen nacygebildet, fondern 
beurfundet fich als felbftändig bei ung fchon durch das Alt- und Mit: 
telhochdeutſche und and) noch heutiges Tages durch die Volksſprache 
und die Sprache des gemöhnlichen Lebens 9. — Man vergefle dabei 
nicht, daß der, die, das unfer altefles Relativpronomen iſt 
($.. 119 f.). 7. 


— 100 — 


Die Ciferfucht nagt ihre Bruft wie eine Krankheit, die wir nicht vermögen 
auszutreiben, nicht ihr zu entfliehen, G. Erwin u. Elmire 1,23. Die 
Elemente find daher als Boloffale Gegner zu betrachten, mit benen wir 
ewig zu kaͤmpfen haben, und fie nur durch die höchfte Kraft ded Geiſtes, 
durch Muth und Lift, im einzelnen Fall bewältigen, &. Meteorologie. 
Da droben iſt die Zaube, nmach ber Francesco fo lange gefchhoffen, und 
fie niemals getroffen hat. G. B. Cell. 2, 12. Das Schloß war zum 
Kranktenhaufe umgebildet und fehon mit mehreren Unglüdlichen belegt, 
denen man nicht helfen, fie nicht erquiden Eonnte. ©. Gampagne in 
Frankreich 3. Octbr. Als aber der Kerl auf die Rechte des Bettlers trogte, 
dem man wohl ein Xlmofen verfagen, ihn aber nicht beleidigen dürfe. 
G. Wv. 1,6. — Sch theilte ihm die neuften Scenen bes Kauft mit, die 
er wohl aufzunehmen fchien, fie auch, wie ih nachher vernahm, gegen 
andere Perfonen mit entjchiedenem Beifall beehrt hatte. ©. Leben 18. 8. 
— Diefer Bemühung kam durchaus jene freie, gefellige, bewegliche Lebens: 
art zu Hülfe, welche mich immer mehr anzog, an bie ich mich gemöhnte, - 
und zulegt derfelben mit voller Freiheit geniegen lernte. G. Lebend.8. 
In diefen Augenbliden trat ein anfehnlicher Dann zu ihm, den er, zwar 
als einen feltenen, aber immer als einen ſehr aufmerkfamen Zuhörer und 
Zufchauer bemerkt, und demſelben fchon nachgefragt hatte. &. Wi. 
3,3. Wir flellten eine durch Umftände und guten Willen gefchloffene 
Sefellfchaft vor, die wohl mancher Andere zufällig berühren, aber ſich 
nicht in diefelbe eindrängen Eonnte. ©. Leben 9. B. — Befonders 
aber wollte man ihr Betragen gegen den Fürften nicht rühmen, an beffen 
Stelle fie fich gewiffermaßen gefegt, und gegen feinen Willen kühnlich 
Unverantwortliches unternommen. G. Campagne in Frankreich Detbr. 
Noch einer bedeutenden Familie muß ich gedenken, von ber ich feit mei- 
ner frühften Jugend viel Sonderbares vernahm und von einigen ihrer 
Glieder felbft noch manches Wunderbare erlebte. &. Leben 2.8. Sie 

fragte nach Herren von Riedefel, Bartels, Münter, welche fie ſaͤmmtlich 
Tannte und ihren Charakter und Betragen gar wohl unterfcheidend zu 
würdigen wußte. G. ital, Reife Catania 3. Mat 1787. — Sie (die Bils 
ber) flanden in feinem Schlafzimmer um das große Thronhimmelbette an 
den Wänben gefchichtet übereinander, von wo er, alle Hülfleiftung ab⸗ 
lehnend, fie felbft herholte und dahin wieder zurüdbrachte. G. Tags u. 
Sahreshefte 1805. Ein einzig Mal hatte er eine gewiſſe leidenfchaftliche 
Gontrovers gegen einen ungerechten Zabler eingefchoben, die ich wegließ 
und ein heitered Naturgebicht bafür einlegte. ©. Leben 18.3. Als er 
ein heiteres Landftädtchen Liegen fah, in welchem er zwar Teine Sefchäfte 
batte, aber eben deßwegen fich entfchloß, ein paar Tage dafelbft zu 
verweilen. G. Lj. 2,3. Wo diefer dreihundert Thaler an Melina aus⸗ 
zahlte, welche biefer fogleich dem Rotarius übergab, und bagegen 
das Document über den gefchloffenen Kauf erhielt. Daf. 2, 14. 

Anm. 1. Diefe fordern auch im zweiten Relativfag ein Relatiopronomen. 

Anm. 2. Zahlreiche Beifpiele aus dem Alte, Mittel: und Neuhochdeutſchen 
(bier aus Luther, Zindgref, Dach, P. Gerhard, 3. Rift, 
Klopftod, Rabener, Leffing, Herder, Hammer, Windels 
mann, Hoffmann, Goethe, Schiller, Stolberg, Engel, 
Matthiffon, Voß, Mufäus, 3. Paul, W. v. Humboldt, 
Fichte, A. W. v. Schlegel, Ziel, Riebuhr, Uhland, Pyrker, 
Freiligrath) find gefammelt von Zeipelim Goesfelder Gymnaſial⸗ 
programm von 1841 und von Lehmann im Marienwerber Gymnaſial⸗ 
programm von 1849, 

Anm. 3, Diefe Konftruktionsweife findet ſich, namentlich feit dem vorigen 
Jahrh., weit mehr in ber Profa als in der Poefie und hier mehr in ber 


. ‚— 11 — 


leichteren Gattung der Erzaͤhlung als in ſtreng wiſſenſchaftlichem Styl, 


was Ka natürlihen Grund in dem Streben nad Kürze und Wohls 

lang hat 

Anm. 4. Am bäufigften unter allen neueren Schriftftellern hat Goethe 
diefe Konftruktion gebraucht, befonbers in der Profa und zwar mehr in 
ber leicht hingeworfenen, hiftorifchen Schreibart, als in bem höheren, wif: 
ſenſchaftlichen Styl. Selten läßt er die Verbindungspartikel zwifchen 
den Relativfägen aus; zu folder Verbindung braucht er am häufigften 
und, felten aber, bier und da aud. Wenn er drei Relativfäge in bei: 
orbnende Verbindung bringt, fo fegt er das perfönliche oder demonſtrative 
Pronomen hoͤchſtens in den dritten, nie in den zweiten, auch nie in den 
zweiten und dritten. Was endlich bie Pronomina betrifft, deren er fich 
flatt der Relativa bedient; fo wechfelt er, wie kein anderer Schriftfteller. 
Am häufigften gebraucht er allerdings, wie andere, dad Pronomen er und 
fie im Singular und Plural, naͤchſtdem am Öfteften der und derfelbe, 
‚bin und wieder die adjeftivifchen Pronomina fein und ihr, fehr felten 
diefer. Die Adverbia (Relativkonjunttionen) dahin, dafür, da= 
nad, babei,baran, damit, dafelbft, dadurch, darum, dar- 
über, dagegen, davon entfprechen feiner Vorliebe für die kurze Form 

. bes Relativpronomens der. S. Lehmann a. a. O. ©. 22, 


$. 162, 


Häufig wird, gleichfalls zur Verhütung der genannten Übel: 
ftände, aber ebenfo im Widerſpruch mit den Forderungen der Logit 
und Grammatik, das Relativpronomen im zweiten Relativfage weg⸗ 
gelaffen, dasfelbe mag mit dem Relativpronomen im eriten Relativ: 
fag in einerlei Kafus ftehen follen oder nicht, eine Präpofition bei ſich 
haben oder nit. Dasfelbe gilt von den Relativfonjunktionen. — 
Goethe bietet aud) Beifpiele mit drei beigeorbneten Relativfägen, 
in deren einem oder zweien das Nelativpronomen oder die Relativ: 
konjunktion fehle. — Auch der hier erwähnte Sprachgebrauch iſt 
ſchon ziemlih alt (befonders häufig bei Luther); von keinem 
Schriftftellee des 18—19. Jahrh. iſt er aber häufiger angewendet 
. worden, als von Goethe. 


Niemand aber war ihm gefährlicher gewefen als Jarno, ein Mann, deffen 
heller Verſtand von gegenwärtigen Dingen ein richtiges, flrenges Urtheil 
fällte, (der) dabei aber den Fehler hatte, daß er diefe einzelnen Urtheile 
mit einer Art von Allgemeinheit ausfprad. ©. %. 5, 1. Aus ber Heiter⸗ 
keit eines foldhen Zuftandes mag denn wohl Gellinis guter Humor ent⸗ 
fhringen, den man durchgängig bemerkt, und (ber) wenn er gleich öfters 
getrübt wird, fogleich wieder zum Vorſchein kommt. ©. Anh. z. Cell. 
Dann gingen wir in bie Sirtinifche Capelle, die wir auch hell und heiter, 
die Gemälde (deren Gem. wir) mwohlerleuchtet fanden. G. ital. Reife 
Kom 22. Nov. 1786. Wem's Herze fchlägt in treuer Bruſt und (wer) 
ift fich rein, wie ich bewußt, der. hält mich wohl am höchften. G. Blüm: 
lein Wunbderfchön. Dieſes Anerbieten, das ich für Kein leeres Compli⸗ 
ment halten durfte, und (das) für mich Höchft reigend war, lehnt’ ich je: 
doch dankbarlichſt ab. G. Kamp. in Frankreich Münfter Novbr. — Ich 
erinnere mich feiner nur dunkel; deſto deutlicher aber feiner Auction, der 
ich vom Anfang bis zum Ende beiwohnte und (auf ber ich) theils auf 
‚Befehl meines Vaters, theild aus. eigenem Antrieb manches erſtand. G. 


— 102 — 


Leben 2.8. Endlich mochte die Putzhaͤndlerin alle Geduld verlieren, und 
fuchte mie eigenhändig einen ganzen Pappenkaſten voll Blumen aus, den 
ich meiner Schwefter vorftellen und (aus dem ich) fie felbft follte wählen 
laſſen. Daf. 8.8. — Als ich einen Privatbrief von ihm erhielt, einen 
Brief, vor dem ich niebergefniet, und ben (und deffen) hoben, edeln, 
weifen Sinn (ich) angebetet habe, &. Werther. — Ein Flügel fland in der 
Mitte, an ben fich fogleich die einzige Tochter des Hauſes niederfegte und 
(auf dem fie) mit bedeutender Fertigkeit und Anmuth fpielte. &. Leben 
16.8. — Mean fagte Wilhelmen auch, daß fie alle Morgen ganz früh in 
die Meſſe gebe, wohin er ihr einmal folgte, und (mo er) fie in der Ede 
der Kirche mit dem Roſenkranze knien und anbächtig beten ſah. G. Lj. 2, 
6. Im Mai 1764 reifte Baron Olthoff nah Stodholm, wohin er 
Hackert mit fih nahm und (wo er ihn) bei Hofe bekannt madıte. ©. 
Hackert. — So gab es doch noch manche bürgerliche Stellen, an die 
man Anſpruch machen, (in denen man) ſich einftweilen feftfegen und bie 
Zufunft erwarten konnte. G. Leben 14.8. Sie eröffnete ihm eine Ver⸗ 
legenheit, in der fie fih eben befand, und worüber er bei feinen man⸗ 
cherlei Berhältniffen den beften Rath geben und (wobei er) bie ſchleu⸗ 
nigfte Einleitung zu ihrem Bortheil machen Eonnte. G. Unterh.d. Ausgew. 
— Daß man ihm ein Paar Zimmer im oberſten Stode, bie gewöhnlich 
leer flanden, überließ, in Deren einem wieder die Zufchauer fiben, in dem 
andern (in deren anderm) die Schaufpieler fein, und das Profcenium 
‚abermals bie Deffnung der Thüre ausfüllen follte. G. Lj. 1, 5. 

Anm. Andere Beifpiele aus älterer und neuerer Zeit bieten Teipel und 
Lehmann in bem $. 161. Anm, 3 angef. Programmen, 


$. 163, 


Der Kürze, Leichtigkeit und Glaͤtte wegen ift auch hier eine At⸗ 
traktion eingetreten, die mit der $. 151 erwähnten verwandt if, 
wie aus den mitgetheilten Beifpielen erhellt. — Goethe gebraudgt 
gern zund viel häufiger, als andere Schriftfteller, diefe Korm der Rede, 
mehr jedoch in feinen profaifchen als poetifchen Schriften. — Geſtei⸗ 
gert wird das Unregelmäßige, wenn mehr als zwei Relativfäge beige- 
ordnet, wenn mehr als einer der Melativfage attrahieut, wenn die ats 
trahierenden und attrahierten Säge noch mit andern Nebenfägen vers 


flochten find. 

Nur allzu hoch fland jene, heimlich mir, durch wunderſam Seſchick, ver: 
bundne Frau, um welche noch bein Hof in Zrauer wandelt und (um 
welche er) meiner Brift geheime Schmerzen theilt. G. Nt. 1,1. Ver⸗ 
laffen hab’ ich Feld und Auen, die eine tiefe Nacht bedeckt, (und bie) 
mit ahnungsvollem heil’gem Grauen in ung die beff’re Seele wedt. ©. $. 
1,64. Die Gefellfchaft beftand aus jungen, ziemlich Lärmenden Freun⸗ 
ben, die ein alter Herr noch zu überbieten trachtete und (der) noch wun⸗ 
derlichered Zeug angab, als fie ausübten. G. Leben 11.8. ine zarte 
liebenswürdige Frau hegte im Stillen eine Neigung zu mir, die ich nicht 
gewahrte, und mich eben deßwegen in ihrer wohlthätigen Geſellſchaft 
defto Heiterer und anmuthiger zeigte. Daf. 12.8. Der Bediente hinter- 
ließ Wilhelmen eins von feinen Lichtern, da 8 biefer in Grmangelung eines 
Leuchters auf das Fenftergefims Eleben mußte, und wenigftens bei feinen 
Betrachtungen bie vier Wände bes Zimmers erhellt ſah. &.%. 3,3. Ich 
entkam mit großer Schnelligkeit diefem Handel, von bem ich Ehre genug 
bavon trug und (bei dem ich) das Gluͤck nicht mehr als billig verfuchen 


- 


— Si} — 


wollte. ©. Gel. 1,6. Er lud mich ein, ihm an einigen wichtigen Wer⸗ 
ten zu helfen, wogu ich mich gern entfchloß, und (wobei ich) einen gu⸗ 
ten Verdienſt fand. Daf. 1,9. Ich ging niemals hin, ohne ber Schönen 
eine Blume, eine Frucht oder fonft etwas zu überreihen, welches fie 
"zwar jederzeit mit fehr guter Art annahm und (wofür fie) auf das hoͤf⸗ 
lichfte dankte. ©. Leben 3.3. Auch hielt er mich ernftlicher dazu an, 
als zur Muſik, welche er Dagegen meiner Schweiter vorzüglich anempfapl, 
ja diefelbe außer ihren Lehrfiunden eine ziemliche Zeit des Tages am 
Claviere fefthielt. Daf. 4. B. Sie that einige Fragen an ihn, bie er kurz 
beantwortete, und fich an den Pult flellte, zu fchreiben. &. Werther. 
Diefer that dringende Vorftellungen, worauf der Prinz aber nicht ach⸗ 
tete, fondern vorwärts ritt. G. Camp. in Frankreich 13. Septbr. In⸗ 
deſſen hatte fich der Löwe ganz knapp an das Kind hingelegt und ihm die 
ſchwere rechte Bordertage auf den Schoos gehoben, bie der Knabe fort: 
fingend anmuthig ftreicheite, aber gar bald bemerkte, daß ein fcharfer 
Dornzweig zwifchen ben Ballen eingeftochen war. G. d. Kind m. d. Lös 
wen. — Nie ift etwas für oder gegen diefe Dinge gerebet, gebacht, oder 
geichrieben worden, das ich nicht auffuhhte, beſprach, lad, erwog, ver: 
mehrte, verwarf, und (womit ich) mich unerhört herumplagte. G. 21.6. 
Dazwifchen fließt der Bach, gegen deffen Anfchwellen fich der eine mit 
Steinen, der andere mit Pfählen, wieder einer mit Ballen, und der Nach⸗ 
bar fodann mit Planken verwahren will, keiner aber den andern förbert, 
vielmehr fi) und ben übrigen Schaden und Nachtheil bringt. G. Wv. 
1,6. Dagegen waren mir unter ben Büchern bes Großvaters bie beutfche 
Schaubühne und verfchiedene italieniſch-deutſche Opern in bie Hände ges 
tommen, in bie ich mich fehr vertiefte und jedesmal nur erfi vorne die 
Berfonen überredhnete, und fodann fogleich, ohne weiteres, zur Auffühs 
rung ded Stüdes Ichritt. G. &. 4,6. — So muß ich bir geftehen, daß 
ich Ichon einige Zeit etwas auf dem Herzen habe, was ich bir vertrauen 
muß und möchte, und nicht bagu kommen kann. G. Wo. 1,1, Es 
tonnte niemals fehlen, wenn die Sache zur Sprache Fam, daß der Lord 
nicht feine Gründe dagegen abermalö wiederholte, welche der Begleiter 
befcheiden und geduldig aufnahm, aber body zulegt bei feiner Meinung 
beharrte. Daf. 2, 11. — Jarno, der von bergmännifchen Unternehmuns 
gen und den dazu erforberlichen Kenntniffen und Ihatfähigkeiten den 
Sinn voll hatte, trug Wilhelm auf das genauefte und vollftändigfte mit 
Leidenfcbaft vor, was er fich alles in beiden Welttheilen von folchen 
Kunfteinfihten und Fertigkeiten verfprehe, wovon ſich jedoch der 
Freund, der immer nur im menfchlichen Herzen den wahren Schaß ges 
ſucht, kaum einen Begriff machen Eonnte, vielmehr zuletzt lächelnd ers 
wiederte: So ſtehſt du ja ze. G. Wi. 1, 4. Jeder hatte etwas von dem 
legten Augenblid zu erzählen und mitzutheilen, das fich der alte Herr 
gefallen ließ, auch wohl durch theilnehmende Fragen hervorrief, zulegt 
aber aufftand, und die Befellfchaft, die fich nicht rühren folkte, begrüßend, 
mit den beiden Amtleuten fich entfernte. Daf. 1,6. Iene @ebärbe, bie 
Arme kreuzweis über die Bruft, einen freudigen Blick gen Himmel, das 
ift, was wir unmündigen Kindern auflegen und zugleich das Zeugniß 
von ihnen verlangen, daß ein Gott dba droben fei, der fich in Eltern, Leh⸗ 
tern, Vorgefegten abbildet und offenbart. Daf. 2, 1. Ja fie famen fogar 
ſchon den zweiten Zag, im Ramen bes nun beffer unterrichteten Waters 
mir eine völlige Amneftie auzubieten, die ich zwaer dankbar annahm, al: 
fein den Antrag, daß ich mit ihm ausgehen und bie Reichsinfignien, 
welche man nunmehr den Neugierigen vorzeigte, befchauen follte, hart⸗ 
nädig ablegnte, und verficherte, daß ich weber von der Welt, noch von 
bem Romiſchen Reiche etwas wiſſen wolle, bis mie befannt geworben, wie 


— 4104 — 


jener verbrießliche Handel, der für mic, weiter Feine Folgen haben würbe, 
für meine armen Bekannten ausgegangen. ©. Leben 8.8. Herr Sforza 
brachte mir diefen ruhmoollen Auftrag, wodurcd ich Außerft geflärkt 
ward und denfelben Tag fehr vergnügt zubracdhte, weil dad Bolt auf mich 
mit Kingern wies, und mich dem und jenem als eine neue und wunders 
fame Sache zeigte. G. Eell. 4, 8. 

Anm. Zu ber bier behandelten Attraktion bemerkt Lehmann a. a. D. 
©. 34 in Bezug auf Goethes Sprache: 1) Höchft felten werben ber 
attrahierende und ber attrahierte Sag ohne Bindewort verknüpft, am 
häufigften durch und, fehr oft durch aber, doch, jedoch, dagegen, 
feltner durch fondern, vielmehr, hie und da dur auch. — 2) Über: 
au fteht das beiden gemeinfame Subjekt nur im attrabierenden Sage, nie= 
mals im attrahierten. — 3) Der attrahierende Sag ift weit häufiger von 
einem Relativpronomen, ale von einer Relativkonjunktion eingeleitet. — 
4) In wenigen Stellen kommen zwei, in noch wenigern mehr als zwei 
attrahierte Säge vor. — 5) In vielen Stellen ift ber attrahierende Re⸗ 
latiofag ein Nebenfa bes zweiten, in wenigen bes britten, nie eines hoͤ⸗ 
bern Grades. — 6) Sonftige größere Verwickelungen in dergleichen Pe⸗ 
rioden, befonders Verflechtungen mit fuborbinierten Nebenfägen, fehlen 
allerdings nicht, doch finden fie fih mehr im Gefolge des attrahierten als 
des attrabierenden Sages und hemmen wegen ber Stellung folcher ange⸗ 
hängten Nebenfäge (fie find meiftens angefügt, felten eingefchaltet) wenis 
ger das Verftändniß. — 7) In der poetifchen Sprache kommt biefe fehler: 
hafte Konftruftion hoͤchſt felten vor, befto häufiger in der profaifchen, und 
namentlich in „Dichtung und Wahrheit“, in „Sellini” und in „Wilhelm 
Meifter.” — 8) Wollte man bei folchen Stellen Berichtigungen vornebs 
men, fo würde das, ohne die Relativität der Konſtruktion aufzugeben, oft 
ſchwer halten. Dagegen wird die Grammatik niemals, die firengere Lo⸗ 
sit nur felten gegen Umwandlung der relativifchen Nebenfäge in Haupts 
füge etwas einzuwenden haben. 


$. 164, 


Statt des zweiten beigeorbneten Relativfages gebrauchen 
die Rateiner, mehr noch die Griechen (befonders Homer) und bie 
Deutfchen feit der Alteften Zeit (neuhochd. vorzugsmeife Luther und 
Soethe) öfters einen Hauptſatz. Es wird durch ſolch ein über⸗ 
fpringen in die Hauptfagbildung nicht allein die Weitfchweifigkeit und 
Berwidelung der Nebenfagbildungen zum Vortheil der gedrungenen 
Profa und noch mehr der kurzen und einfachen Poefie vermieden, fon- 
dern auch für gewiffe Verbindungen und In einzelnen Stylgattungen 
eine frifche Lebendigkeit, eine wirkſame Abwechfelung, eine Eräftige, 
einfache Schönheit hereingebracht. 

Er war eine von den Perfonen, die ſchwer zu befriedigen find, und, wenn 
fie zufälliger Weife fi) auf etwas werfen, das ihnen gefällt, fo mahlen 
fie ſich's nachher fo trefflic in ihrem Gehirn aus, daß fie niemals 
glauben, wieder fo etwas Herrliches fehen zu können. G. Cell. 3,3. Eben 
befand ich mich bei den Auguftinern, an einem fehr gefährlichen Orte, ber 
zwar nur fünfhundert Schritte von meinem Schloffe entfernt war, weil 
aber inwendig die Wohnung faft noch einmal fo weit ablag, fo würde 
man, wenn ich auch hätte rufen wollen, mich doch nicht gehört haben. 
Dof. 3,5. Ich ging niemals hin, ohne der Schönen eine Blume, eine 
Frucht oder fonft etwas zu überreichen, welches fie zwar jebergeit mit fehr 


— ilos — 


guter Art annahm und auf das hoͤflichſte dankte; allein ich ſah ihren 
traurigen Blick ſich niemals erheitern, und fand feine Spur, daß fie fonft 
auf mich geachtet hätte. ©. Leben 3. B. Die Frau Markgräfin, in Kün: 
ften und mancherlei guten Kenntniffen thätig und bewandert, wollte auch 
mit anmuthigen Reben eine gewiffe Theilnahme beweifen, wogegen 
wir uns zwar dankbar verhielten, fonnten aber doch zu Haufe ihre 
ſchlechte Yapierfabrilation und Beainfigung des Racdrudere Madlot 
nit ungenedt laffen. G. Leben 18.3 


bb Relativfaggefüge 
$. 165. 


ft ein Relativfag einem andern Relativfag untergeordnet, 
fo heißt die Verbindung beider ein Nelativfaggefüge ($. 154). 


$. 166. 


Deutlihkeit und Wohlklang müffen, wie bei dem gram: 
matifchen Verhältnif Eines Relativfages zu feinem Hauptfage ($. 131), 
fo auch bei demjenigen flattfinden, in welchem ein untergeorbneter 
Relativfag zu feinem übergeordneten Relativfag, und beide zu dem 


Hauptfage ftehen. 
| 8. 167. 


Die Unterordnung des einen Relativfages unter ben andern 
muß aud in der fprachlichen Darftellung (formell) hervorleuchten. 
Der untergeordnete Sag muß weniger umfangreich, weniger gewicht: 
voll auftreten als der übergeorbnete. Fe untergeordneter fein Logifches 
Verhaͤltniß ift, defto mehr muß er auch in der fprachlichen Darftelung 
als unbedeutend erfcheinen. Eine folche geringere Bedeutſamkeit Liegt 
zumeift in der geringeren Bekleidung. 

Er fchied alfo nicht ohne eine gewiffe innere Zufriedenheit; denn wie follte 
der Dichter eine folche Aufmerkſamkeit nicht empfinden, deffen treuflei: 
Biger Arbeit, die fo lange unbeachtet geruht, nun ganz unerwartet eine 
liebenswürdige Aufmerkfamkeit zu Theil wird. G. Wi. 2, 4 


8. 168. 


Wohlklang und Deutlichkeit in der Beziehung verlangen, daß 
man bei zwei Relativfägen, von denen ber eine dem andern unter: 
geordnet ift, nicht diefelben Formen des Relativpronomend gebraudht, 
während die beigeordneten Relativfäge gerne diefelbe Form des 
Relativpronomens gebrauchen ($. 156). Das hier Verlangte wird, 
von unſern beffeen Schriftftellern oft, wenn auch nicht immer ge: 
leiftet. 


Julius ſaͤumte nicht, mit dem Herzog von mir aufs ehrenvollſte zu ſprechen, 
der mir auftrug, ein Modell zu machen zu einem Kaͤſtchen, um das Blut 
Chriſti darin aufzunehmen, von welchem ſie ſagen, daß Longin es nach 
Mantua gebracht habe, G. Sell. 1,8. Er wohnte neben einem Haufe, 


in welchem eine ber flolgeften Sourtifanen ſich aufhielt, bie man jemale 
in Rom reich und belicht gefehen hatte. Daf. 1, 10. — Iſt fie (die üble 
Laune) nicht ein Mißfallen an uns felbft, das immer mit einem Reide 
verknuͤpft ift, Der durch eine thörichte Eitelkeit aufgehetzt wird? G. Wer: 
ther. Diefer Mann bat mich gleihjfam um VBerzeihung, in Gegenwart 
von denen, die mid) kurz darauf, fo wie viele andere, die von ihm gelit- 
ten hatten, auf bas volllommenfte rächten. ©. Gel. 4, 1. Diefe wadern 
Leute, die den großen Lärm nernahmen, der im Wirthähaus indeffen 
entftanden war, glaubten, es fei ein Heer von hundert Dann bafelbft. 
Daf. 1,6. Nun finde ich an feinem Pulfe keine weitere Bewegung, als 
bie ich meinen Mitteln und ber Furcht zufchreiben kann, in Die wir das 
Kind verfegt haben, ©. Li. 8, 10, 


$. 169. 


Ein Übelftand für den Wohlklang wie für das leichte und ſchnelle 
Verſtaͤndniß ift e8, wenn mehr ala zwei Relativfäge in das Verhält- 
niß abftufender Unterordnung treten, mögen fie duch Vermittelung 
anderer zwifchen fie geflellter Nebenfäge oder in unmittelbarer Unter: 
ordnung abgeftuft fein. — Geſteigert wird diefer Übelftand, wenn 
dieſelben Relativpronomina oder Relativfonjunktionen angewendet 
werden, oder wenn die Relativfäge mweitläufige Bekleidungen oder an: 
gehängte Mebenfäge noch höherer Grade haben, oder endlich mit bei: 
geordneten Relativfägen verflodhten find. 


Wehe denen, fagte ich, bie fich der Gewalt bedienen, die fie über ein Herz 
haben, um ihm die einfachen Freuden zu rauben, die aus ihm felbft her: 
vorkeimen. ©. Werther. Da Fam ihr ein Mann zur Hand, ber ein 
großer Diftillirer war, und ihr einige wohleiechende und wunderſame 
Waſſer übergab, welche die Haut glatt mahten, dergleichen man 
fi) niemals in Frankreich bedient hatte. &. Gel, 3, 9, — Mit welchen 
Empfindungen betrachtete Dttilie die fpäteren Blumen, die fich erft an: 
zeigten, deren Glanz und Fülle dereinft an Eduards Geburtötag, bef: 
fen Feier fie fich manchmal verfprach, prangen, ihre Neigung und Dan: 
barkeit ausdrüden follten. ©. Wo. 1, 173. Sodann, fuhr er fort, darf 
ich Hoffen aus jenem herrlich gegründeten Mittelpunct wird man Sie auf 
ben Weg leiten, wo jenes gute Mädchen zu finden iſt, bag einen fo fon: 
dberbaren Eindrud auf Ihren Freund machte, der den Werth eines un 
fhuldigen unglüdlichen Gefchöpfes, durch fittliches Gefühl und Betrad: 

"tung, fo hoch erhöht hat, daß er deffen Dafein zum Zweck feines Lebens 
zu machen genöthigt war. ©. Wi. 1, 12. Diefes Modell ift von einem 
filbeenen Becher genommten, der fo und fo viel wog, Den ich zu der und 
ber Zeit jenem Marktfchreier Meifter Jakob Chirurgus von Capri machte, 
der na Rom kam, fehs Monate bafelbft blieb und mit feiner Salbe 
manche Dugend Herren und Edelleute befchmierte, von benen er mehrere 
taufend Ducaten zog. G. Cell. 3,3. Und als er ihr biefes zugefichert 
hatte, kam er in mein Haus, wo ich ihn in gewiffe untere Zimmer führte, 
in welchen ich das große Thor zufammengefegt hatte, worüber ber 
König fo erftaunte, daß er die Gelegenheit nicht fand, mich auszufchelten, 
wie er ed verfprochen hatte. Daf. 3, 10. 

Anm. 1. ine Beziehung der Beziehung ift-fhon nicht überall leicht auf- 
zufaffen; um wieviel weniger leicht eine Beziehung in ber Beziehung der 
Beziehung, ober nun gar eine Beziehung ber Beziehung in ber Beziehung 
der Beziehung. 


— AT — 


Anm. 2%. So fehr Goethe bie relativen Saͤtze liobt, fo hat er doch bie 
Relativfaggefüge im Allgemeinen fehr vermieden, und ift namentlich höchfl 
felten über ein Gefüge von zwei Relativfägen hinausgegangen. Anbers 

> Wieland, der eine wahre Meifterfchaft im Beziehen der Beziehungen, 
im Einfhachteln der Einfchachtelungen bewiefen hat. 


\ Drittes Kapitel. 
Kafusfäge, 
$. 170. 


Wenn der Nebenfag ein ergänzendes (näheres oder entferntere®) 
Objekt enthält und durch die Konjunktion (den Sagartikel) daß ober 
ein Sragemwort, befonders ob, eingeleitet ift; fo heißt er ein Kafus- 
fag, au Objektsſatz ($. 90). 


Horm, Bedeutung und Gebrauch der Konjunftion 
Daß. 


8. 171. 


‚ Unter den Konjunftionen ift daB mol vom meiteften Umfang. 
Das fteht, als Neutrum des Pronomens der, die, das ($. 119), 
zwifchen der Verbindung ber Nebenfäge durch dag Melativ und ber 
Verbindung durch andere Konjunktionen, und ift eigentlich der Artikel 
vor dem ganzen, gleichfam als ein Subſtantiv gefaßten Sage, da: 
ber au Satzartikel genannt. 


8. 172. 


Pronomen und Konjunktion wurden lange übereinftimmend 
daß (day) gefchrieben; im 15. Jahrh. fieng man an beide zu unter: 
['heiden, wie denn 3. B. in den „Zranslationen oder Zütfchungen” 
von Nikolaus von Wyle (wahrfcheinlihd 1478) die Konjunktion 
meift daz, dz, das Pronomen (der Artikel) das gefchrieben wird. 
In der 4. Bibelüberfegung (147073) ftehen daz, dz, das durch⸗ 
einander für beide Bedeutungen. Albr. von Eyb (Spiegel der Sit- 
ten 1511) und Luther gebrauchen für beide ohne Unterfchied die 
Form das. Fiſchart (Öargantua 1582) ſchreibt die Konjunftion 
meift daß, den Artikel meift das. Im 17. Jahrh. war der Unter- 
fchied beider Kormen ziemlich allgemein angenommen. 


$. 173. 


Alt: und mittelhochdeutfch wird die Konjunktion thaz, day oft 
mit anderen Wörtern zufammengezogen, 3. B. theih, deich — thaz 
ib, das ich; tbeiz, deiz == tha3 e3, day ey; dayte — daʒ dü; days uns 
m das es (Gen, neutr.) uns; da3s einen == day si einen ; deir das er, 


- 


- 


— 108 — 


daz ir; der = day er; des — day eg ıc. Xlterneuhochdeutſch und 
in der heutigen Volksſprache haben fich einige diefer Zufammenziehun: 
gen erhalten, namentlich dafte — daß bu. 


$. 174, 


Die Konjunktion dag wird alt:, mittel: und neuhochbeutfch oft 
noch mit andern Partikeln und Konjunktionen verbunden, befonbers 
mit auf, außer, Dabei, dadurch, dafür, dagegen, da⸗ 
- ber, damit, danach, davon, daran, darauf, daraus, 
Darin, barob, darüber, barum, Darunter, Davor, dazu, 
ftatt, anflatt, weil, wie, indem, nachdem, feitdem, 
bis, ehe, während, ohne, im Falle, fo, nicht u.a. 


8. 175. 


1) Das ſteht in erflärenden oder ergänzenden Nebenfägen, und 
zwar mit bem Indikativ ($. 98) "und Konjunktiv ($. 100). Die 
Stellung des Haupt= und Mebenfages ift dabei eine zweifadhe: ent⸗ 
weber flieht der Hauptfag oder der Nebenfag mit daß voran. 


8. 176, 


Der Nebenfag mit daß tritt zum Verbum bed Hauptfages als 
Subjekt. Hier kann daß allein flehen, oder es innen ihm als Vor: 
läufer bes Subjekt im Hauptfag bie Pronomina es, das, dies 
vorausgehen, oder ber Nebenfag kann zum Subjekt des Hauptfages 
in dem VBerhaltniß eines attributiven Genitivs fliehen. — 


daz ist rehto paluulc dink, da3 der man haret ze gote, enti imo hilfa ni 
quimit (das ift [ein] recht verberblih Ding, daß der Mann [Menfch] 
fehreiet zu Gott, und ihm Hilfe nicht kommt). Musp. 51 bei W. 71, 27. 
mich dunket, daz3 ir habt gestriten und gröge arbeit erliten. Erec 3531. 
als e3 im ze heile geschach, daz er gewsfen (der Waffen) was bloz. Erec 
4721. ouh irte da3 sine vart, da3 diu naht vinster wart. Erec 6738. 
ditz sint gensdeclichiu dinc, da3 ich hie vinde solch spil. Erec 8837. 
nu gedühte ouch den künec zit, da3 er den ritterlichen strit zehant (fo: 
glei) enden wolte, Erec 17351. — daz ir herze niht.zerbrach von 
leide, da was wunder. Erec 6074. daz3 er von siner meisterschaft in sö 
gröje unkraft sines libes was komen, des wart rache hie genomen. Erec 
9218. — und erbarmte in, daz3 sin wip solde bi in dA bestän. Erec 8346. 
e3 mac nimmer geschehen, da3 ich iwer wip werde. Erec 6293. wie 
da3 wsre ergangen, daz in haten gevangen die zwene vAlande (Zeufel). 
Erec 8646. da3 im die schande wer geschehen, da3 er in ligende het 
erslagen. Erec 829. — Vnd es geſchach in den tagen. ein gebot gieng 
vſz von dem keiſer Augufto. dz alle welt wuͤrd befchriben. B, Luk. 2, 1. 
Es begab fich aber zu der Beit, Das ein Gebot von dem Keifer Augufto 
ausgieng, Das alle Welt gefcheat würde. L. — Sch muß bekennen, 
dag mir daͤucht, daß fie dem guten Gretchen gleiht. ©. F. 1, 218. 
Dazu fam, dag man fie nicht gehen hörte. &. Wr. 1, 6. Verordnet 
ift im englifchen Geſetz, daß jeder Angellagte durch Gefchworne von Geis 
nesgleihen ſoll gerichtet werden. S. St, 1,7. Drum tft herkoͤmmlich 


— im — 


feit ber Bäter grauen Zeit, daß vor Gericht kein Britte gegen ben Schot⸗ 
ten, kein Schotte gegen Zenen zeugen barf. Daf. 1,7. Es ift ein alter 
Fehler, bag er mehr bie Einſamkeit als die Gefellfhaft ſucht. &.%.1,2. 
Zwar thut mir's wehe, daß er mich mit fo wenigem Widerſtande hinge⸗ 
geben hat. ©. 30j. Kr. 2. B. Es hat mir fehon früher mißfallen, daß 
er nicht ganz redlich gegen Sie ifl. &. Wo. 1,13. Wie wares zu verz 
tennen, daß beide Frauen fich in einer peinlichen Lage neben einander 
befanden? Daf. 2,15. Das eben ift der Fluch der böfen That, daß 
fie, fortgeugend, immer Böfee muß gebären. S. P. 5,1. Seht, ihr 
Herrn, das ift all recht gut, daß Jeder das Naͤchſte bedenken thut. ©. 
Lager 11. Alfo das iſt mir zulegt für die höchfte Nachficht geworben, 
daß mir das Unangenehmfte gefchicht noch zum Schlufle des Tages! 
G. Hd. 9, 19. Um biefe Zeit kam mir bie Kunde zu, daß Ihr aus 
Talbots Schloß hinweggeführt, und meinem Oheim übergeben worben. 
S. &t.1,6. Sp» ift mein Tod der Welt das ficherfie Zeichen, daß 
ich nichts Gemeines mit den Hunden gehabt habe. G. G. 3. Es war 
Zeit, daß der Hauptmann berauftrat. & Wo. 1,10. Das ihr 
fie Haft, das macht fie mir nicht ſchlechter. ©. T. 2,3. — Es ift vers 
ordnet im vergangnen Jahr, daß man gerichtlich gegen fie verfahre. 
S. St. 1,7. Es ift der Wille meiner Königin, daß Euch nichts Billi⸗ 
ges verweigert werde. Daf. 5, 8. Auch blieb ihm nicht verborgen, bag 
bier eine alte flattlihe Hauskapelle zum Dienfte der Themis verwandelt 
fei. 8. Wj. 2,9. Wie fchwer ift es, daß ber Menſch recht abwäge, 
was man aufopfern muß gegen das, was zu gewinnen iſt! G. Wo. 1, 6, 
Mit wenigen Worten bat er feinen Freund um Berzeihung, daß er heut 
nicht umftändlih ſchreibe. Daf. 1,2. Mir ift die Möglichkeit ſchreck⸗ 
lich, daß irgend ein unvorgefehener Stoß, ein Kal, eine Berührung 
Ihnen ſchädlich und verberblich fein fönnte. Daf. 1, 7. — Drei Dinge 
find bei einem Gebäude zu beachten: daß es am rechten Fleck ſtehe, 
daß es wohl gegründet, daß es volllommen ausgeführt fei. Daf. 1,9. 
Daß fie es gegen ihn am meiften fei, das wollte feiner Selbftliebe fcheiz 
nen. Daf. 1,7. Daß man den Ort verändern müffe, war allzu deut: 
lich. Daf. 2, 18. 


8. 177, Ä 


Der Nebenfag mit dag bilder die genitivifche Ergänzung zum 
Prädikat des Hauptfages. Hier kann (wie $.176) daß allein flehen, 
oder ed kann als Vorläufer des genitivifchen Objekt im Dauptfage 
der Genitiv deffen (dep), früher auch es (von e3) vorausgehen, oder 
der Nebenfag mit daß bilder eine appofitionelle Ergänzung des Ob⸗ 
jektsgenitivs im Hauptfage. 

ich bit iuch, biderber man, sit (feit, da) ir mir sit gewesen guot, da3 ir mir 
volle wol tuot. Erec 4816. ouch sult ir mich. geniezen lan (laffen), daz 
ich iu (euch) stete triuwe leiste. Erec 4553. si wurden wol gewar, da3 
im niht toetliches war. Erec 7028. des swer (fhwöre)-ich wol und wil 
es jehen (jagen), da3 disen frowen beiden ir gemüete was gescheiden. 
Erec 9683. ir sult mich des geniezen lan, da3 ichz durch triwe han ge- _ 
“ tan. Erec 3414. ob mir got der &ren gan, daz ich gesige an disem man. 
Erec 8560. — der gräve bat in fürbaz, daz3 erz lie3e ane har ob er zuo 
ir see. Erec 3746. ich behielt e3 nach dem wäne, ob es minem friunde 
wurde nöt.. da3 ich3 im Iihen (leihen) solde. Erec 599. des bitet alle, 
da3 uns der löon gevalle. Erec 10130. ouch.hete sich vil snelle ir muot 
der zweier zwivel (Zweifel) eins ‚bewegen, da3 ir ze manne were ein 


— 11 ——- 


degen lieber daune ein arger zuge. Erec 2845. — Beſinnen Sie fich, 
Freund, dag Sie in lauter Räthieln zu mitreden. ©.9.1,5. Allein 
wer befcheidet ſich nicht gern, daß reine Bemerkungen feltner find, als 
man glaubt. ©. Einl. zu d. Propyläen. Verzeiht, Milord, daß. ich 
Eud gleich zu Anfang ins Wort muß fallen. ©. &t. 1,7. Das Alles 
mahnet mich, daß ich heute von meinem Glüde [beiden muß. © Ihr 
feid verwundert, daß ich fo fihnell das Herz geändert. ©. Des rühme 
ber biut’ge Tyrann fih nicht, daß der Freund dem Freunde gebrochen bie 
Pflicht. ©. Bürgſchaft. Er hat es keinen Hehl, daß wir um Seinet⸗ 
willen hierher berufen find. ©.9.5,1. Mein Zenge ift der allmächtige 
Gott, daß ich nicht aus Vergnügen fechte. ©. 305. Kr. AB. — Er 
hatte die Entdedung gemacht, daß das diesfeitige Ufer über das jenfeitige 
hbervorrage. Daf. 3. B. In der VBorausfehung, daB es auf die Ver⸗ 
nichtung des Majeftätsbriefes abgefehen fei, bewaffneten die Kreiheits- 
befhüger das gange proteftantifche Böhmen. Daf. 1.8. Ich möchte 
ſchwer zu überreden fein, baß ich an dir ein ſchuldvoll Haupt befchüße, 

.@.3.1,3. Der Menſch muß bei dem Glauben verharren, daß das Un⸗ 
begreifliche begreiflich fei; er würde ſonſt nicht forſchen. G. Betracht. im 
Sinne d. Wanderer. 


8. 178. 


Der Nebenſatz mit daß bildet die Ergaͤnzung zum Dativ des 
Hauptſatzes. 


> da3 kom von dem gemüete, da3 im dehein (feine) werltsache was vor dem 
gemache dä erritterschaft vant. Eree 72581. ern schine dA ie in dem worte, 
da3 ez niemen für in tete. Erec 2737. — Zum Pfande, daf Sie 
mich ehren wollen, fchiden Sie mich mit dem Heer nach Flandern. ©. DE. 
1,2. Ich ſchweige vor Erftaunen, Königin, dag man dein Ohr mit 
Schredniffen erfüllt. S. St.2, 3. Wan gab Euch Schuld, daß Ihr 
zu Rheims die Schulen befucht. Daſ. 2,4. Und zur Gewähr, daß ichs 
bin, die Euch fendet, bringt ihm dieß Schreiben. Duf. 1,6. Seit ber 
Zeit, dag ich Sie nicht gefehen Habe, hat fich vieles geändert. 8%. 
7,3. Er freute fih daran in der Hoffnung, daß der Frühling bald 
alles noch reichlicher beleben würde. & Wo. 1,1. 


8. 179. 


Sm Hauptfage geht eine den Dativ oder Alfufativ vertertende 
demonſtrative Partikel (Demonftrativtonjunftion $. 174) voran, mes 
zu der Mebenfag mit daß die Ergänzung bildet. 


und bite iuch des verre (ferner), daz von iu (euch) min herre dä mite si 
geeret, da ir üf sin hüs keret. Erec 3526. vil ofte kam eg daran, da3 
dirre (diefer) gröje man den minnern vor im dan sluoc. Erec 9155. — Ih 
fuchte mir Dadurch zu helfen, bag ih mih fhonte G. Lj. 6. Bor: 
gen Sie dafür, dag unfer Theil nicht verkürzt werbe. Daf. 8,1. 
Bei den vielen Proben und der weitläufigen Behandlung diefed Stüdes 
waren alle fo da mit befannt gemorben, daß fie ſämmtlich gar leicht mit 
ben Rollen Hätten wechſeln Eönnen. Daf. 5, 43. Ohne daran zu den⸗ 
ten, daß man ein großes Blatt mit zwei Händen anfaffen müffe ©. 
Wo. 2,6. Er freute fih mehr noch darauf, daß es heimlich und ge: 
fit gegen den Willen des Grafen unternomen werden foltte. G. Li. 
8,6. Wahrheitsliebe zeigt fih barin, daß man überall das Gute zu 
finden und zu fchägen weiß. G. Betsacht. im Siane ber Wanderer. 


— — — — — — — 


il g 
—,—— — — 


Darin bin ich dir vorzuziehn, daß ich bein Glück mehr ala du ſelber 
kenne. G. J. 1, 3. Were mein Reich von bifee welt, meine Diener 
würden dro b kempffen, das ich dem Juͤden nicht vberantwortet würde. 
L. Joh. 18, 36. So vereinigte man ſich auch darüber, daß man dem 
Zufall im Roman gar wohl fein Spiel erlauben könne. ©. %. 8, 7. 
Habt ihe nur darum mich fo manches Jahr von Menſchen abgefonbert.. 
daß ich nur meines Hauſes Gräuel Später und tiefer fühlen ſollte? ©. 
3.3,1. Dazu kam, daß man fie nit gehen hörte. &. Wo. 1, 6. 

Anm. Abweichend fagt Goethe, Lj. 7,6: Ich habe vom Sittlichen den 
Begriff als von einer Diät, die eben dadurch nur Diät ifl, wenn ich 
fie zur Lebensregel mache, wenn ich fie das aanze Jahr nicht außer Augen 
laffe. - 


$. 180. 


Der Nebenfag mit da bildet das Objekt des Hauptfages. Hier 
kann (wie $. 176) daß allein flehen, oder es Eönnen ihm als Vor: 
Läufer des Objekte im Hauptfage die Pronomina es, das, dies 
vorausgehen, oder der Mebenfag fteht zum Objekt des Dauptfages in 
dem Verhaͤltniß eines attributiven Genitivs. 


do bevant er werlichen, da; Erer degenes ellen (Heldenmuth) traoc. Erec 
767. ich wil e3 gote klagen, daz ich min laster muo3 sagen. Erec 
4778. ir triwe ir da3 gebot, daz si ze sinem betie gie (gieng). Erec 
3993. doch hät mir got die selde (das Glück) gegeben, da3 sich diu 
rede verkeret bät. Erec 973. — day er rehte erkenne, daz diu. rede 
wese (jei) ungelogen. Erec 7390. und swenne (wenn) erz vobrahte, 
daz3 erz für sich stalte. Erec 7381. doch rate ich iu (euch) mit triwen 
da3, da3 iriuch bedenket ba3. Erec 8582. wie ich hän vernomen von 
im mit leidiu msre, da er bekumbert were. Erec 6974. — ex gebüt, 
das er vſztrag alle ding von dem huſz. B. 3.Mof. 14,36. Da fol ber 
Priefter heiffen, das fie das haus ausreumen. L. ſy werdentt wiflen 
das ich bin der herr, B. Ezech. 39, 6. fie follens erfaren, das ich der 
Herr bin. L. — Sch fol erkennen, daß mid Niemand hast, dag 
Niemand mich verfolgt, daß alle Lift und alles heimliche Gewebe fich 
allein in meinem Kopfe fpinnt und webt! Betennen foll ih, daß 
ich Unrecht habe!.. Daß er betrogen ift, kann er nicht fehen, daß 
fie Betrüger find, kann ich nicht zeigen. G. &.4,3. O wie befhämt 
gefteh' ich, dag ich dir mit flilem Widerwillen diene! G. 3.1, 2. 
Sch eile vor bem König’ und dem Heer, zu melden, dag er kommt, 
und daßes naht. Daf. 1,2. Laß dir diefe Freude verfidhern, daß 
auch ich ein Grieche bin! Daf. 2, 2. Verzeiht, Milord, dag ih 
Euch gleidy zu Anfang ins Wort muß fallen. S. St. 1,7. Wenn id) 
«zugleich bedenke, daß uns feine Gegenwart nicht die mindeſte Unbes 
quemlichkeit verurfaht. ©. Wo. 1,1. Erbemerkte gar bald, daß 
man ihm erfhwerte, fie allein zu fprechen ... Er fühlte, daß er 
ſelbſt durch fein heftiges Treiben die Caſſe zu erfchöpfen auf dem Wege 
war; er tadelte bitter Sharlotten und den Hauptmann, daß fie bei 
bem Gefchäft gegen die erfte Abrede hanbelten. Daf. 4,13. Ich weiß 
aber wohl, daß ich nicht einfchlafen fonnte, daß ich noch etwas erzählt 
haben wollte, daß ich noch viele Fragen that, und daß ich nurtungern 
die Wärterin entließ, bie ung zur Ruhe gebracht hatte. G. Lj. 1,3. 
Sch läugne nicht, bag ich Thereſen herzlich beneidete, daß ich meine 
Neigung zu ibm kaum verbarg, und daß ich ihn nicht zurüdftieg, 
als er auf einmal mich flatt Thereſen zu wählen fhien. Daf. 7,4. Der 


— 12 — 


Glüuckliche glaubt nicht, daß nod Wunder gefhehn. G. Hd. 2, 50. 
Hab ich nit von jeher durch alle Handlungen bew tiefen, bag ich beffer 
als einer fühle, was Deutfchland feinen Regenten ſchuldig iſt? &.@.4. 
Sch will nicht, das er hoffen foll. &. Egm. 1. Dod er erwartet, 
daß du es nicht dul deſt. ©. Ivo. 3,2. Bis ih erhielt durch mät- 
terliches Flehn, daß ſie's zufrieden ind. S. Bom. — Verzeihung für 
dieſe verhaßte Larve, Königin, die mir zu tragen Kampf genug gekoſtet, 
doch der ich's dankte, dag id mich Euch nahen, Euch Hülfe und Erret- 
tung bringen kann. ©. St. 4 6. Mein Vertrag erheifcht’s, daß alle 
Kaiferheere mir gehorchen. S. P. 2, 7. Ob er’s gleich nicht fordert, 
fühlt er’s doch, und fühlt es Hd in feiner großen Seele, daß du ſorg⸗ 
fältig dich vor ihm verwahrfl. G. 3.1,2. Den edlen Stolz, daß 
du bie felbft nicht gnügeft, verzeih’ ich dir. Daf. 1,2. Wer hat den 
alten graufamen Gebraud, daß am Altar Dianene jeder Fremde fein 
Leben blutend läßt, von Jahr zu Jahr mit fanfter Überredung aufge⸗ 
halten? Daf. Ich mache mir Vorwürfe, daß ic ihn betrüge, daß 
ih in feinem Herzen eine vergebliche Hoffnung naͤhre. G. Egm. 1. Man 
bringe die Beweiſe mir herbei, daß ich ſie (die Briefe) ſelbſt diktirt, 
dag ich fie fo diktirt, gerade ſo, wie man geleſen. S. St.1,7. — Und 
denkt Ihr, dag der koͤnigliche Name zum Freibrief dienen tönne, 
blut’ge Zwietracht in frembem Lande ftraflos auszuſäen? Daf. 1,7. Der 
Meditus verlangt ausbrüädlidh, daß fie das Haus auf einige Zeit ver: 
Jaffen folle. G. 8%. 7,4 Er felbft vertraute mir.. baß er zum 
Schweden wolle übergehn. S. 9. 8,1. Wer ſpricht ihm ab, daß er 
die Menfchen kenne, fie zu gebrauchen wiffe! Daf. 1, 4. (Sie) mei: 
nen,baß die Unterfehrift von neulich, die abgeftohlne, ſi ie zu nichts ver⸗ 
binde, ©. T. 2, 8. In der Hitze der Erfindung hatte ich vergeffen, 
daß boch jeder twiffen müffe, was und wo er es zu fagen habe. ©. Ei. 
4,7. Zugleich erfuhr ich, daß man hierher gefommen ſei, die jungen 
Leute wirklich in Empfang zu nehmen. Daf. 1,13. Er fühlte, daß 
er ein anderer Menſch zu werben beginne. Daf. 1,9. Er dachte, 
daß es ihm doch möglich fei. G. Wo. 1,16. Ich wünfche nur, daß 
ich dem Mächtigen, was ihm gefällt, mit Wahrheit jagen möge. ©. 3. 
4,2. Schon feit den Testen Monden ließ der Greis geheimnigvolle Winke 
fü ch entfallen, daß nicht mehr ferne fei der Tag, ber fie den Ihrigen zu⸗ 
rüde geben werde. Seit geftern aber fprach er’& deutlich aus, daß mit 
der naͤchſten Morgenſonne Strahl ihre Schidfal fich entfcheidend werde 
Iöfen. S. Bom. Ic) habe nie gefehen, daß tüchtige Menfchen wä= 
ren undankbar gewefen. ©. Mar. u. Reflex. Nicht ruhig bulbet es, 
dag eure Schwefter des frechen Diebes Beute fei. S. Bom. Seni hatte 
es im den Sternen gelefen, daß bie glänzende Laufbahn feines Herrn 
noch lange nicht geendigt fei, daß om die Zukunft noch ein Tchimmern: 
bes Gluͤck gufbewabre, ©. 30j. Kr. 2.3. — Weitere Beifpiele fiehe 
8. 113. 116 

Anm. Im Lateiniſchen ſteht in der hier beſprochenen Konſtruktion meiſt 
ber Akkuſativ mit dem Infinitiv, ber auch in der früheren deut⸗ 
fhen Sprache vielfach angewenbet wurde, nun aber nicht mehr im Ge: 
brauch iſt. Goth., alt= und mittelhochd. Veifpiele bietet Grimm IV, 
115 f. Älterneuhochd. Beifpiele Habe ich gefammelt im „Archiv für ben 
Unterriht im Deutfchen“ U. 2, 91 f. (Vgl. auch I. 3, 122 f,) und im 
„Archiv für d. Stud. d. neueren Epr. u. Lit.“ VII. A, 383, 


mom — — EEE „m ER A EHE — ——— — — WE En RR ÄÂ Se So CB a 


Abhängige Rede Coratio obliqua). 
$. 181. 


Führt man feine eigene Rede oder die Rede eines Andern nicht in 
der Form, in welcher fie gefprochen worden ift, fondern nur dem Sn: 
halte nach an; fo nennt man dies abhängige (angeführte) Rede 
(oratio obliqua). Zur Einleitung dient ein Berbum des Sagens, wel: 
ches jedoch häufig nur dem Sinnenacd in bem Hauptfag enthalten 
ift, und dann je nad) dem Zufammenhang ergänzt werden muß. Die 
Ausfage (der Kafusfag) fleht im Altdeutfchen meift im Konjunktiv ohne 
baß, im Neuhochdeutfchen im Konjunktiv ohne dag und im Indi⸗ 
kativ und, Konjunktiv mit daß ($. 98. 100, 114). Iſt der Spre: 
chende von der Wahrheit der Rede überzeugt, und fpricht er diefe Über: 
zeugung aus, fo gebraucht er den Indikativ; will er dagegen nur den 
Inhalt der Rede wiedergeben, ohne darüber zu urtheilen, oder zweifelt 
er an der Wahrheit derfelben, fo gebraucht er den Konjunktiv. In 
Bezug auf die Zeitformen herifcht großes Schwanken ($. 115). 

Apoll gab ung das Wort: im Heiligthum der Schweſter fei Zroft und 
Hüf und Rüdkehr dir bereitet. &. 3. 2,1. Ein Landmann bradt’ 
es (die Nachricht) mit von Zirfchenreit, nach Sonnenuntergang hab's 
(das Treffen) angefangen, ein Eaiferlicher Zrupp von Zachan her fei eins 
gebrochen in das ſchwed'ſche Lager, zwei Stunden hab’ das Schießen an⸗ 
‚gehalten, und taufend Kaiferliche ſei'n geblieben. S. &. 4, 4. Auch 
Eiterhazy, Kaunig, Deodat erklären jest, man müff’ dem Hof gehor⸗ 
hen. Daf. 2,4. Sie verlangen ihren Oberft, den Dear, zurüd, er jet 
hier auf dem Schloß, behaupten fie, du halteſt ihn mit Zwang, und 
wenn bu ihn nicht losgebſt, werde man ihn mit dem Schwerte zu be= 
freien wiffen. Daf. 3, 17. Das wären die Planeten, fagte mir mein 
Führer, fie regierten das Gefhid, Drum feien fie ats Könige gebil: 
det. Der äußerfte, ein grämlich finftrer Greis, mit dem trübgelben Schein, 
fei der Saturnus. ©. 9.3,4 Mannenne fie zwar Senatoren, ließ 
er fich öfters gegen feinen Anhang heraus, aber Andere bejisen bie 
Gewalt. Wenn man Geld brauche, oder wenn die Rede davon fei, ber 
eindringenden Kegerei zu wehren, oder das Volk in Ordnung zu erhalten, 
fo Halte man ſich an fie, da fie doch weder den Schag, noch die Gefege 
bewachten, fondern nur die Organe wären, durch welche die beiden 
andern Collegien auf den Staat wirkten. Und doch würden fie allein 
der ganzen Neichsverwaltung gewachfen fein, die man unnöthiger Weife 
unter drei verjchiedene Kammern vertheilt Hätte, wenn fie fich nur unter 
einander verbinden wollten, dem Staatsrathe diefe entriffenen Zweige 
der Regierung wieder einzuperleiben, damit Eine Seele den ganzen Körs 
per belebe, ©. Abf.d.N.2.8. — Er zeigte mir, daß grübelnde 
Vernunft den Menfchen ewig in der Irre leitet, daß feine Augen fehen 
müffen, was das Herz foll glauben, daß ein fihtbar Haupt der Kirche 
Roth thut, dag der Beift der Wahrheit geruht Hat auf den Sasungen 
der Väter. S. St. 1,6. Daß es diefelben (Briefe) find, die er empfan= 
gen, hat Babington vor feinem Zod bekannt. Daf. 1,7. Seit geftern 
fprach er’s deutlich aus, daß mit der nächften Morgenfonne Strahl ihr 
Schickſal fich entfcheidend werde löfen. S. Bom. — Weitere Beijpiele 
f. $. 98, 100. 118. 180, 
Kebrein Grammatik, II. 2 8 


— 114 —— 


$. 182. 


2) Daß (im Fall daß) ſteht in bedingenden (konditio- 
nalen) Nebenſaͤtzen in einer der angegebenen Beziehungen, und 
zwar mit dem Indikativ und Konjunktiv, mit und ohne Megation 
(nicht). Bal. weiter $. 100. 1. 

ist da3 ir sö wise sit, sd lät ir} Ane widerstrit. Erec 3781. hät ab (aber) 
e3 mir got gegeben, daz3 irs wert von geburte sit, sö geruochet läjen den 
strit. Erec 9351. ichn (ich nicht) weig zwiu (wozu) mir daz leben sol, e3n sl 
da3 ich mich des erbol, dag mir von iu (euch) geschehen ist. Erec 126. 
ob des niht enst (nicht fet), da3 ir min leben endet. Erec 9359. und wer 
da3 got hien (Hier in, auf) erde rite, ich wen in genuogte’ (genügte) dA mite. 
Erec 355. e3n st, daj er missesage, sÖö mac niemen des gejehen (jagen). 
Erec 10012. — da 8 (wenn) du tufent werbe (mal) bichteft, es en (nicht) 
hilfet Dich niut (nicht). Zauler bei W. 860, 6. Geſetzt, daß dir folcher 
Reihthumb verbleibt, Sp. 2,14. Gefeht, Rauben und Stehlen fey 
dir erlaubt, Sp. 4, 8. 


$. 183. 


3) Daß flieht in Ausnahmefägen: außer daß, es fei 
denn daß (früher wan, nur); der Nebenfag kann im Indikativ 
oder Konjunktiv ſtehen. (Vgl. weiter $. 100. 1.) — Hierher kann 
auch das eine Stellvertretung, das Einnehmen der Stelle eines An: 
dern anzeigende ftatt Daß, anflatt daß gerechnet werben. 


ich ensage (fage nicht) dir anders nibt wan da3 dir alsam geschiht, Erec 
84. er hæte st im alle gegeben, wan da3 der frowen leben dä mite ge- 
senftet were. Erec 3576. wan daz frou Salde ir was bereit... sö wære 
kumberlich ir vart. Erec 3459. — Wie müg wir befteen vor irem antlig 
es ſye denn das bu on helffeft. B. 1. Macch. 3, 53. (Wie können wir 
fur inen bleiben, Du helffeft ons denn. L.) Es kan niemand einem ftarden 
in fein Haus fallen, ond feinen Hausrat rauben, ES ſey denn, bas er 
zuuor den ftarden binde, ond als benn fein Haus betaube. L. Mark. 
3, 27. (keyner mag geen in dad hufz des flardten das zeberoben nur er 
bind zu dem erften den ſtarcken und dann berobet er fin hufz. B.) es 
ift mit ons gefchehen, es fey denn fach, dag wir ons anders in die 
Sache fhiden. A. 14a. — Unbußfertige (Ketzer) follten das Land räus 
men, jedoch ohne ihre Güter zu verlieren, es fei denn, daß fie fih 
durch Verführung Anderer diefes Vorrechts beraubten. S. Abf. d. N. 
Kaum bedurfte es noch einer Pflege, außer daß Nanny immer zum 
Gießen bereit war. G. Wp. 1,17. — Wenigftens kann ber geringere 
Mahler immer für fich operiren, anflatt dag der mindere Muſiker fi 
mit anderen foeiiren muß, um durch gefellige Leiftung einigen Effekt zu 
thun. ©. Betracht. im Sinne der Wanderer. Der ift verforgt, anftatt 
daß jenes ausgetriebene Wefen noch manche Roth haben Tann, bis es 
wieder unterfommt. ©. Wo, 1, 4. 


$. 184, 


4) Daß fleht in wünfhenden und verwünfhenden 
Sägen. Geht eine Interjektion voran, fo ſteht der Nebenfag im In: 
dikativ oder Konjunktiv; fehlt diefelbe, gewöhnlich im Konjunktin, 


— — — — — — — — — — 


— 15 — 


thaz fr uns ouh gizellet unio iz fuuo buah singet (daß ihr und auch er: 
gählet, wie es euer Buch finget!). O. 1, 17 bei W. 88, 15. st sprächen 
alle w£ der stunt, da z uns min frowe ıe wart kunt! Erec 2996. daz in 
got velle! Erec 3774. got welle, da z iehz niht gelebe! Iw. 4490. — 
mwelle got, das nfmahel lebe. B. 4. Moſ. 17, 18. woͤlte got das wir 
weren todt. B. 4. Mof. 14, 3. ah, das wir geftorben weren. L. 
wolt got wer (wären) wir beliben enhalb des iordans. B. Joſ. 7,7. 
o das wir weren jenfeid des Zordans blieben. L. dz ic) dich vind 
vſzwendig. B. Hohel. 8, 1. 0 das ich dich drauffen fünde. L. — Daß 
ich ihren Namen nie gehört Hätte! daß er aus dem Buche der Lebendis 
geht verfilgt würde! Lefling, M. Sar. Sampf. 1,9. O daß er fein 
Semüth wie feine Kunft an deinen Lehren bilde! ©. T. 1,2. Das 
wolle Gott nieht, daß du bas vollbringſt! S. 8. 2,3. Da fei Gott 
für, daß es bis dahin kommen ſoll! S. P. 2, 7. VBerhüte Gott, daß 
wir den Ruhm befleden! S. &t.2,3. Gebe nur Gott, daß unfer 
unge mit ber 38it brader wird und dem Weislingen nicht nach⸗ 
fhlägt. &.®.t Ab daß ich Georgen nody einmal fähe, mid) an 
feinem Std wärmte! deg db. Das doc) die Jugend immer voiſchen 
ben Extremen ſchwankt! G. ej. 1, 12. 


8. 185. 


5) Daß ſteht in kauſalen Nebenfägen, melde einem 
abſtrakten Subftantiv entfprehen. Die Verhaͤltniſſe eines thäti- 
gen Grundes, eines Mittels und eined unmittelbaren Er: 
fenntnißgrundes werden gewöhnlich duch eine im Hauptſatze 
fiehende Demonftrativfonjunftion: davon, dadurd, 
daraus, daher ($. 179) bezeichnet. Diefe Verbindungen fommen 
fhon im Altdeutſchen vor, jedoch weniger als im Reudeutſchen. 


bi thiu tba3 ih irduälta, thar förna ni gizälta, scäl ih i3 mit uuillen nu 
süma3 hiar irzellen (bei dem daß ich verzögerte, davorn nicht erzählte, foll 
[werde] ich es mit Willen nun zum Theil bier erzählen). O. I, 17 bei W. 
83, 25. ir yirdienit daz afgrunde (den Abgrund, die Hölle) da3 her (ihr) 
mich sö törecht woldit hän. Kr. bei W. 227,4. ir sit wise liute, da3 
ir sö vil hıute gefräget von mim herren. Erec 88. der tage dühte in ze 
lanc, daz3 er ze langern ziten ir minne solde biten (warfen) danne unz 
(bis) an die nsehsten naht. Erec 1847. — Den Mangel an Reiterei wußte 
ee dadurd zu erfegen, Daß er Fußgänger zwiſchen die Reiter ftellte, 
©. 30j. Kr. 2. B. Er zürnt, daß ich mein Geld jegt wage. ©. Ivo, 
1,4. Zrefflich haft bu gehandelt, o Frau, daß du milde den Sohn fort 
f(hidteft, mit alten Zinnen und etwas Efjen und Trinken, um es den 
Armen zu ſpenden. ©. Hd. 1, 13. Ein großes Übel in den Wiffenfchaf: 
. ten, ja überall, entſteht baber, daß die Menfchen, die ein Ideenver⸗ 
mögen baden, zu theoretifiren ſich vermeffen, weil fie nicht begreifen, 
dag noch fo vieles Wiſſen hiezu nicht berechtigt. G. Betracht. im Sinne 
b. Wanderer, 


$. 186, 

6) Daß ſteht in Adverbialfägen der Weife uud der Folge 
(Modal: und Konfektüutivfägen) Die Weife wird angegeben 
durch eine bewirkte Handlung, und dann meift duch fo — daß be: 
geichnet.($. 220). Wird die bewirkte Handlung in Folge des Gra: 

8 * 


— 16 — 


des einer Thätigkeit oder Eigenfchaft verneint, fo fleht zu — als daß. 
Sm Hauptfag kann, fo, alfo, fol, dergeftalt, dermaßen, 
vonder Art (mhbd.so, also, alsus, alse, alsam, als, sus, solch), mit 
nachfolgendem daß, ein Komparativ mit nadhfolgendem als daß, 
zu neben einem Adjektiv mit nachfolgendem als daß flehen oder er: 
gaͤnzt werden. Steht im Hauptſatz ein bloßes Adjektiv oder Partici⸗ 
pium, fo Eann man oft eine Demonftrativfonjunftion ($. 179) dazu 


ergänzen. Der Nebenfag kann im Indikativ oder Konjunktiv fliehen. 
daʒ der man upiles kifrumita, da3 er i3 allag kisaget, denne er zederusuonu 
quimit (das der Menfch Übeles that, daß er es alles fagt, wenn er zu ber 
Sühne [dem Gericht] kommt). Musp. 140 bei W. 73, 37. dag ist allaz 
s0 pald, da3 imo nioman kipägan ni mak (das ift alles fo muthig, daß 
ihm niemand [zu] widerftreiten nicht vermag). Musp. 181 bei W. 74, 10. 
ouch was er dä unerkant, da3 im niemen zuo sprach. Erec 245. sit mir 
min dinc alsö ist komen, da3 mir got hät'benomen den allerliebsten man. 
Erec 6042. und stach in mit solher kraft, daz Käln rehte als ein sac 
under dem rosse lac. Erec4729. und bringet mit im eine maget (ergängze: 
alsö schoene), da3 iu nieman ensaget, daz er keine schoener habe ge- 
sehen. Erec 1255. und seite (fagte) imz3 mit (ergänge: solhem) gedinge, 
daz3 er in da hieze. Erec 3047. — Die prachten ain trauben fo groſſen 
das fy in tum mochten getragen. Gg. 68a. er macht yn gefund dz er 
vedt vnd geſach. B. Matth. 12, 22. Vnd er heilet in, Alfo, das 
ber blinde vnd flumme, beide vedet vnd fahe. L. vn er antwurt im nit - 
zu einem wort, alfo dz fich der richter hart verwundert. B. ah 
27,14. Vnd er antwortet jm nicht uff ein wort, Alſo, das fie (fi!) 
auch der Landpfleger ſer verwunderte. L. — Bei ſolchen Verhaͤlt⸗ 
niſſen waren manche Geſchaͤfte gewiſſermaßen in Stocken gerathen, ſo 
daß fie für nöthig fanden, ſich wieder eine überſicht zu verſchaffen. ©. 
Wp. 1,7. Sie hatte diefen Abend fo viel erlebt, dag diefe Entdedung 
wenig Eindrud auf fie machte. Daf. 1, 18. Er pochte etwas ftärker, 
fo dag Charlotte durd die Nachtitille e8 ganz deutlih vernahm. Daf. 
4,11. Sie (die Abfchrift) ift doch To verfaßt, daß man fie leicht ver⸗ 
wechſelt? S. P. 4, 2. So tief bin ich gefallen, bin fo arm gewor⸗ 
den, daß ih an unfre frahen Kinderjahre dich mahnen muß. ©. DE. 1, 
2. Sind Sie fo beſcheiden, oder haben fo wenig Neugier, daß Sie 
mich nicht auch um mein Geheimnif fragen? &9.3,3. Diefes Schiff 
rannte mit folcher Heftigkeit gegen die Brüde, daß es fie wirklich aus: 
einander [prengte. ©. An der Thüre empfing Charlotte ihren Gemahl 
und ließ ihn dergeſtalt nieberfigen, daß er durch Thür und Fenſter die 
verfchiedenen Bilder, welche die Landfchaft gleichfam im Rahmen zeigten, 
auf einen Blick überfehen koönnte. ©. Wo. 1,1. Schon fein Aeußeres 
war vonder Art, dag es Zutrauen einflößte. Daf.2,1. Die herz: 
lichen Nachrichten von Sorgen, bie fie um meinetwillen gehabt, rührten 
mid dermaßen, daß ich dergleichen Poflen verfhmwor. ©. Leben 
9.8. Er, den die Erfahrung gelehrt hatte, daß die Anfichten der Men: 
fhen viel zu mannigfaltig find, als daß fie auf Einen Punct ver⸗ 
fammelt werden fönnten. G. Wv. 1,3. Nichts war natürlicher, 
als daß einftimmig der Wunfch ausgefprochen wurde. Daf.1,7. Nur 
zubefhäftigt find’ ich ihn, als daß er Zeit und Muße Eönnte bas 
ben, an unfer Glüd zu denken, ©. P. 3,5. Unterft zu oberft fürgt’ ihn 
mein Herr vom Pferd, daß ber Zederbufch im Roth ftad,. G. G. 3. Gu⸗ 
ten Menſchen, fürwahr, ſpricht oft ein himmliſcher Geiſt u d J ſie fuͤh 
hen die Roth, die dem armen Bruder bevorſteht. G. Hd, 2 — dat 


— 0 m 


m zu m 


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— — m — nn Wu — — —— — 


— — —— — — — — — — — — 


— — — — — — —— 
⸗ 


— 117 — 


nicht Diana, -flatt erzürnt zu fein, daß fie ber blut'gen alten Opfer 
mangelt, bein fanft Gebet in reihem Maß erhört? &.3.1,2. Mein 
Bruder ift gefällig, daß er uns in diefen Zaaen fchon auf's Land ge⸗ 
bracht. ©. T. 1, 14. Ich bin zufrieden, daß er meiner auch bei die- 
ſes Namens holdem Klang gedenkt. Daf. 1, 1. Auf dieſe Weife wäret 
ihre Frauen wohl unüberwindlich, verfegte Eduard: erſt verftändig, 
baß man fih gern hingibt, gefühlvoll, daß man euch nicht weh 
thun mag, ahnungsvoll, daß man erfhridt. ©. Wo. 1,1. 
Anm. Etmas elliptifch fagt Leffing: Der Sänger des Meffias hat über= 
Kane: Schönheiten, als baß man ihm welche andichten müßte, bie 
eine find. = 


$. 187. 


7) In Abverbialfägen des Zwedes (Finalfägen) fteht 

im Alt: und Mittelhochdeutfchen die Konjunktion daß. Später fam 

auf daß (bei Luther fehr gewöhnlich, in der 4. Bibelüberfegung 

immer das, daz), noch fpäter Damit (fhon im Wörterbuch des 

Sob. Friſius 1568) auf. Auf daß (das allmälich veraltet) und 

damit heben den Zweck mehr hervor. Soll der Zweck befonders ber: 

vorgehoben merden, fo läßt man im Hauptfag die Demonftrativfon- 

junftion Darum, deshalb vorangehen. — Der Nebenfag kann 
im Indikativ oder Konjunktiv flehen. 

scal imo avar sin lip piqueman, da3 er sin reht alla kirahhon muö33i (e8 

fol [wird] ihm aber [wieder] fein Leib kommen, daß er fein Recht alles 

fagen müffe). Musp. 164 bei W. 74,24. der (stein) was gemachet df dem 

‚ hüs, daz der künec Artos da erbeizte (abftieg) und ouch of sa3. Erec 

4202. ouch was er komen, daz ern (er ihn) zem dritten neme. Erec 

205. — Das gefek ift aber ingangen, das uberfluffig würde die milffe- 

tat. B. Röm. 5, 21. Das Geſetz ift aber neben ein komen, auff das 

die funde mechtiger würde. L. waſch din herke von dem ubel das du 

werbeft behalten. B. Ser. 4, 14. waſſche nu dein her& von der bosheit, 

Auffdas dir geholffen werde. L. fo es wirt gethon, daz ir geloubt 

dz ich8 bin. B. Joh. 13, 19. auff das, wenn es gefchehen ift, das jr 

gleubet. L. damit ih fy fürnemlich nenne (ut eam potissimum no- 

minem). In ber warheyt, Darmit ich die warheit fag (vere ut dicam). 

Krifius, Wörterb. ©. 1414. es ift ons not, daß wir brauff fehen, da= 

mit wir ons felber nicht triegen. A. 13b. — Darf ich Lerſen nach dei⸗ 

nem Sohn ins Klofter ſchicken, daß du ihn noch einmal ſiehſt und feg- 

net? &. 8.5. Nun fchieße nur hin, daß es allewird! G. Egm. 1. 

um fein felbft willen hat er Krieg gerathen, daß der Krieger im Kriege 

gelte. Er hat diefe ungeheure Verwirrung erregt, Damit man feiner 

bedürfe. Daf. 3. Und alfo läßt man ihr fo viel Luft als nöthig, daß 

fih alles mit Glut durchziehe, Damit alles recht gahr werde. ©, 

Wi. 1,4. Das alles gefchah mit deiner Einftimmung, bloß damit wir 

uns felbft leben, bloß damit wir das früh fo fehnlich gewünfchte, end= 

lich fpät erlangte Glück ungeftört genießen möchten. &.Wv.1,1. Bon 

ben Küßen zieht er die Schuhe behend, damit er das Bächlein durch⸗ 

fhritte.. Da fest’ ihn der Graf auf fein ritterlich Pferd,.. daß er 

labe den Kranken. ©. Graf v. 9. Auf dag der Thron Konftantine 

bes Großen doch noch mit Ruhm falle, dazu ſchien das Schidjal den 

männlichen Konftantin XI. aufbehalten zu haben. Rotted. — Darum 

eben bin ich voraus geeilt, vamit ich Euch in Faſſung feßen und ermah⸗ 


4 


— 11) — 


nen möchte. 8. &t.3,3. Darum das dem Leehzenden werde fein 
Heil, fo will ich das Mäfferlein jegt in Eil’ durchwaten mit nadenden 
Füßen. ©. Graf v. 9. Damif mein Lied nur nicht volllommner 
werde, daß nur mein Name fih nicht mehr verbreite, daß meine 
Neider taufend Schmähen finden, daß man am Ende meiner ganz 
vergeffe, drum fol ih mid zum Müßigang gewöhnen. G. T. 85,5. 
Daß dem Menfchen in feinem zerbrechlichen Kahn eben Deshalb das 
Ruder in die Hand gegeben ift, Damit er nicht der Willfür der Wellen, 
fondern dem Willen jeiner Einficht Folge leifle. &. Betracht. im Sinne 
d. Wanderer, 

Anm. Schon im 13. Jahrh. fagt David von Augsburg: wie dä die sun- 
dere (Sünder) niht enschiuhtest (abichredteft), af daz3.da sie be- 
kertest. 


$. 188. 


8) In negativen Modal- und Finalſaͤtzen (}. 186. 187), 
in denen alt: und mittelhochdeutſch die Negation oft fehlt, fleht neu: 
hochdeutſch daß nicht, auf daß nicht, damit nicht. 


er bat sich lazzen, da3 is sinen herren ieht (etwa) dorfte irdriggen (verdrießen). 
W. 171, 24. begenc (begebe) e3 sä ze vlize, da3 ich dirs iht verwige. Erec 
320. daz tet er umbe daz, daz iemen des möhte jehen. Erec 827. — 
bettent, auff das ir nit fallen in verfühung. Gb. 65a. wacht vnd 
bet das ir nit geet in verfüchung. B. Mark. 14,38. Wachet und betet, 
das jir nicht in verfuchung fallet. L. Damit du bih nit ſelbs be⸗ 
triegift. Srifius, Wörterb.S.859, Auffdas es auch nit zur kranck⸗ 
beit [chlahe. Daſ. Lüg daß du nit verbürbift. Daſ. — Hütet 
euch, daß ihr ftille bleibt, da& man euch nicht aud) für Aufiviegler Hält, 
G. Egm. 2. Sprich deutlicher, daß ich nicht länger ſinne. G. J. 3, 1. 
O überlaß ihn nicht fich ſelbſt! damit in feinem Bufen nicht ber Un: 
muth reife. Daf. 1,2. Er eilt beim mit forgender Seele, damit er 
bie Friſt nieht verfehle, ©. Bürgfihaft. 

Anm. Gothifc fteht Hier ei ni und ibai, ah. zumeilen min, meiſtens mit 
odowan verbunden. ©. Grimm III, 741 f. 


8. 189. 


Soll das Berhältnig einer mit dem Prädikat verbundenen Thaͤ⸗ 
tigkeit verneint werden, fo fteht ohne daß, oder ohne zu, biefes 
mit dem Infinitiv. Diefe Konjunktionen werden auch gebraucht, 
wenn der Nebenfag als Wirkung und Kolge des Hauptfages erfcheint, 
fo wie, wenn ausgefagt wich, daß mit dem Mangeln non etwas etwas 
Anderes flattfindet (S und nidht). 


Solche neue Verhältniffe können fruchtbar fein an Glück und an Unglüd, 
ohne daß wir und dabei Verdienft oder Schuld fonderlich zurechnen 
dürfen. ©. Wo. 1,2. Sie fchien aufmerkfam auf das Geſpräch, ohne 
daf fie daran heil genommen hätte. Daf. 1,6. Sie wußte anguord: 
nen, ohne daß fie zu befeblen ſchien. Daf. 1,6. — Mir kam das jo 
fhmerzlich vor, daß ich von jenem Augenblid an niemanden kann etwas 
aus den Händen fallen fehen, ohne mich darnach zu büden. Daf. 1,6. 
Viele verwechieln gar die Mittel und den Zweck, erfeeuen fi) an jenen, 
ohne diejen im Auge zu behalten. Daf. 1, 6. 


— — — —z, — — — — 
* 


€, 


— 4119 — 


8. 190. 


9) Das ſteht zulegt in Zeitfägen, früher auch nah Sub: 
flantiven der Zeit, neuhochdeutfc neben Präpofitionen der Zeit, be: 
fonders während, bis, indem, indeffen, inzwiſchenz aber 
auch bier wird daß immer feltner. — Der Nebenfag kann im Sn: 
dikativ oder Konjunktiv flehen. 


irkAnta tho ther fater sär theiz thiu zft uuas in uuär, tha3 imo ig drühtin so 
gilfaz (erkannte ba der Vater aldbald, daß es bie Zeit war in Wahrheit, 
daß ihm es der Herr fo überließ). O. III, 2 bei W. 92, 15. verfluochet si 
diy stunde, daz ich hinaht enslief. Erec 4093. bi daz (während) 
er da3 gebet nider lie, diu schöne Rebecca zuo gie. W. 169, 15. sold er 
ze einem herren werden gehabt fur daz (feitbem) er der werlt hät wider- 
sagt? W. 224,4. €& daz diu rede entrinne dir ze gshes (zu ſchnell) 03 
dem munde hin, besntt (befchneide) si wol. W. 610, 16. und tbatei 
usleithith himins jah airtha. jota ains aiththau ains striks ni usleithith 
af vitoda. unte allata vairthith. Ulf. Matth. 5,18. er thanne zifare 
bimil inti erda ein i odo ein houbit ni furferit fon thero euuu &r thanne 
sig elliu uuerdent. T. Il. die weil stet himel vnd erd ain puchstab oder 
ain tail eines puchstabes verget nicht an der ee huncz sy allew gesche- 
ehent. Münchener Handſchr. aus d. 18. Sahrh. une das zgergee 
hymel und erde Ein büchftab oder ein ſpitz an einem büchflab wirt nitt 
gergeen, vntz bas alle ding gefchehen. B. bis das himel und Erden 
zurgehe, wird nicht zurgehen der kleineſt büchftab, noch ein Tütel vom 
Geſete, bis das es alles geſchehe. L. — er gebüt bas er vſztrag alle 
ding von dem huſe ee das er ingee in ed, B. 3. Mof. 14, 36. (da fol 
der Priefter heiffen, das fie das haus ausreumen, ehe denn der Priefter 
bin ein gehet. L.) Ich wil nit effen byſz das ich rede min wort. B. 
1. Mof. 36, 33. Ich wil nicht effen bis da 8 ich zuuor meine Sache ge: 
mworben babe. L. — Sieger und Befiegte verbluten, während daß 
ber werdende Wafferftaat den fliehenben Fleiß zu fih Lodte. ©. Abf. 
9. Ein. Dieſe Heinen Kunftgriffe gewannen ihm ihre Liebe, und 
während daß feine Armeen ihre Saatfelder niedertraten, feine 
täuberifchen Hände in ihrem Eigenthume wühlten, während daß feine 
Statthalter presten, feine Nachrichter ſchlachteten, verficherte er fich 
ihrer Herzen durch eine freundliche Miene. Daf. 1.8. Und eher nicht 
ermübdete der Zug, bis daß fie famen in das wilde Thal. ©. 31. 2, 2, 
Indem er fih, inzwifhen daß er es (das Unreine) zu überwinden, 
fuchte, mit ihm aufs innigfte verbunden hat. G. Lj. 2, 9. Dürre Reis 
fer brannten vor ihm in hellen Flammen, indeß baß er einfam ins Gras 
geftrectet mit irrenden Blicken den Himmel durchlief. Geßner. 


Anm, Schiller hat in feinen Gefchichtswerken oft während daß, 
Geßner in feinen Sdilfen indeg daß und während daß. 


Ellipfe der Konjunktion da. 


8. 191. 


Sn den meiften der $. 175 f. angeführten Fällen kann daß 
fehlen, befonders in den $. 180—181 angegebenen Fällen, wie aus 
mebreren früher mitgetheilten und aus andern hier folgenden Beifpie: 
len erhellt. 


— 120 — 


Zu $. 176: mich gedunckt die plag bes vſzſatz ſy in mynem bufz. B. 3. Moſ. 
14,35. &o einem traumet er effe hartes Eyfen. Aj. 2. Mih bünkt, 
ih höre Gewaffnete fih nahen! ©. 3.4,1. Es iſt beffer, ich fage 
nichts weiter. Am beften ift’s, ih komme zu bir. ©. %. 8,4 — 
6. 180: ni uuänju ih, iu lih habbe (nicht wähne [glaube] ich, [daß er] 
noch Leben habe), Hild. 85 bei W. 69, 3. joh bätun io zi nôti man in 
i3 zeigoti (und baten je zu Roth [eifrig, daß] man ihnen es zeigte). O. 
1,17 bei W. 84,28. du solt och wizen, sun min, der stolze küene Lähelin 
dinen fürsten ab ervaht (abfocht) zwei lant. Parz. 128, 3. ich waifz bein 
berg mir gütes gan. C. 1. 39, 80. Sie werden gedenden, wir flies 
ben fur jnen. L. 30f.8,6, (fie wenent vns zeflüchtigen. B.) Ich wenet 
du haͤtteſt fie gelaffen. B. Richt. 18,2. Sch meinet bu wereft jr 
gram worden. L. Wie Eanftu fagen, bu habſt mid lieb. L. Richt. 
16, 15. Wie fprichft du. das du mich lieb Habeft. B. Er begert 
an fie, fie folten jm Gelt leihen. A. 8Ab. da fordhterijm, er würde 
aeftrafft. A. 2166. Ich fage dir, ed liegt in deiner Hand. ©. S3.4,2. 
Ich wette, fie verglich mich mit ihrem Weißfiſch &. ©. 3. Meinft | 
du, ich fei ein Kind?.. Ich ſeh's, ihr feid beſtürzt. ©. Egm. B. 
Sage ihr, ih wünfche die neue Schöpfung zu fehen. ©. Wp. 1, 1. 
Da glauben wir fihon, nun fei es abgethan. Daf. 1,2. Wir haben 
ihr eingebildet, eine fehr gute Freundin halte fich in der Nähe auf, 
verlange fie zu ſehen und erwarte fiejeden Augenblid. &. Lj. 7, 4. 
Ich fürchtete, eine glüdliche Nebenbuhlerin fei irgendwo verftedt, 
Dai.7,6. Sch fürchte, wir find alle betrogen. Daſ. 8, 4. Sch Hoffe, 
Ihr habt des fchönen Mädchens fleißig dabei gedacht, und verfihere 
Euch, fie Hat Euch auch nicht vergeflen. Daf. 8,6. Man wuͤnſchte 
wohl, fie (die Wahl) möchte auf keinen fremden, noch Iutherifchen Herrn 

gefallen fein. ©. 9. 2,2. — $. 182: Geſettt, ih that’s. ©. St. 1,7. 
Und mein' ich nun, id hab’ ihn, weg auf einmal entichlüpft er. S. P. 
3,1. Ich hoff’, es ift noch Alles herzuftellen. Daf. 2, 7. Daß er nicht 
nöthig hat zu fchlagen, um der Welt zu zeigen, er verſteh' zu fliegen. 
Daf. 2, 7. Gefegt, das Schidfal Hätte einen zu einem großen Mahler 
beftimmt, und dem Zufall beliebte eg, feine Jugend in ſchmutzige Hüt⸗ 
ten, Ställe und Scheunen zu ftoßen, glauben Sie, daß ein folher Mann 
fich jemals zur Reinlichkeit, zum Adel, zur Freiheit der Seele erheben 
werde? G. 8j. 2, 9. 


Unterbrodene Konftruftion (Anafoluthie). 


$. 192. 


Wie bei den Melativfägen ($. 163), fo finden fih aud in den 
Kafusfägen mit daß unterbrochene Konftruftionen (Anakoluthien), 
die hauptfächlich darin beftehen, dag im Nacyfag die vom Hauptfag 
geforderte Konſtruktion verlaffen und eine andere gewählt wird. 


In allen gotes geboten ist diu minne de hereste (hehrfte), ane (ohne) die so 
sanctus Paulus sprichet da3 gote nieth gelichen muge (gefallen möge). W. 
187, 31. dat ih dir it nu bi huldt gibu (daß ich es dir nun bei [mit] Huld 
gebe. — Bier fehlt der Hauptfaß). Hild. 66 bei W. 65, 44. ir wigjet 
wol, da3 ein man, der ir iewederz nie gewan, rehte liep noch grögez herze- 
leit, dem ist der munt niht sö gereit rehte ze sprechen dä von, sö dem der 
ir ist gewon. Gregor 617. nü sibe ich dicke, da ein man, der zabel 
(Spiel) sere minnet, swenn er daʒ guot gewinnet, daz er af zabel wägen wil, 
vindet er ein glich geteiltez spil, so dunket er sich harte rich. Gregor 1886. 


— — — — - 





— 121 


— Da warf ich ben Räthen das Papier wieder dar, und fagt’: ih wüßt' 
nicht darnach zu handeln, ich weiß nicht, was mir begegnen mag, das 
ftegt nicht im Zettel, ich muß die Augen felbft aufthun, und fehn, was 
ih zu fchaffen hab. G. G. 3. Ich ward immer heftiger und Heftiger, 
als wenn mich ein Fieber anfiele, und ich ſchwur ihr zulegt, baß, wenn 
fie nicht die Meinige fein, mir diegmal nicht angehören und fih mit mir 
verbinden wolle, fo verlange ich nicht länger zu leben. G. Wi. 3, 6. 
Ich habe gefunden, daß, fo leiht man der Menfchen Imagination in 

- Bewegung fegen kann, fo gern fie fi Mährchen erzählen laffen, eben 
fo felten tft es, eine Art von probuctiver Imagination bei ihnen zu 
finden. G. &. 5, 7. Der Oheim habe fich durch den Abbe überzeugen 
loffen, daß, wenn man an der Erziehung des Menfchen etwas thun 
wolle, müffe man fehen, wohin feine Neigungen und Wünfche gehen. 
Daf. 6. Ich geftehe Shnen, daß, ob ich gleich diefer Kunft ganz entfagt 
babe, fo kann ich mich doch unmöglich bei mir felbft dazu für ganz un= 
fähig halten. Daf. 8,5. Die herzlichen Nachrichten von Sorgen, bie fie 
um meinetwillen gehabt, rührten mich dermaßen, daß ich dergleichen 
Poffen verfchwor, mir aber doch leider in der Folge manchmal etwas Ahn= 
liches habe zu Schulden Eommen laflen. &.Leben9.B. (Der zweite Sug: 
mir aber 2c, ift nicht, wie der erfte, Folge des Hauptfages.) 


Indirekte Frage. 
$. 193. 


Diejenigen Nebenfäge, welche eine Frage ausbrüden, heißen 
interrogative (fragende) Nebenſaͤtze. Drüden Adverbia oder 
Pronomina die Frage aus, fo bleiben diefe; dus Verbum kann im In: 

* ‚difativ oder Konjunktiv fliehen. 


Wie Kirfhen und Beeren ſchmecken, muß man Kinder und Sperlinge 
fragen! ©. Leben 11.8. Eines fchickt fich nicht für alle: fehe jeder wie 
er’s treibe, fehe jeder wo er bleibe, und wer fteht, daß er nicht falle. 
©. Beherzigung. Wie er räufpert und wie er fpudt, das habt 
ihr ihm glüdlich abgegudt! ©, Lager 6. Du fiehft nun ein, wie treu ich 
dir gerathen! ©, St. 4, 8. Man weiß nidt, von wannen er 


— kommt und brauſt. ©. Graf v. H. Der Menſch frage ſich, wozu er 


am beiten tauge. ©. %.6. Niemand wußte eigentlih, worauf es 
bei mir ankam. Daf. Wer fie fei, will fie allein dem König offen 
baren. ©. 300. 1,5. Man mußte nicht, woher fie fam. S. Mäb: 
chen a. d. Fr. 


$. 194. 


Wird die Ausfage in Frage geftellt, fo fleht obz in doppelter 
Srage ob — 0b, 0b — oder, ob — oder ob. — Diefes ob 
iſt goth. iba, hai, ahd. ipu, ibu, upi, ubi, ube, oba, obe, mhd. ube, 
obe, ob, und ift eigentlich der Dativ des Hauptivortes goth. iba, ahd. 
iba — Zmeifel, Bedingung. Ob ift alfo zunaͤchſt Konjunktion des 
Zweifelhaften und ſteht dann (goth. ahd. mhd.) bedingend mit Ein⸗ 
rdumung einer angenommenen Wirklichkeit oder, was damit nahe 
verbunden iſt, in dem Verhättniß einer bedingenden Möglichkeit 
(griech. ei, dar, lat. si wenn). 


! 


“ wwedicativus est ter gespröcheno Ane iba (ohne Bebingung), eonditionalis ter 
gespröcheno mit ibo (mit Bedingung). W. 113,29. — strit uuirdet, übe 
ein män urt si (Streit wird [quaestio est], ob ein Mann frei fei). W. 112, 
20. übiz digm st alde gemeine (ob es eigen fei ober gemein). W. 138, 
13, nu ist ein andere vrage ab daz ewige wort eigenlicher geborn werde in 
eime entsinkende der sele ader in einer geistlicher vroude ader in eime 
heimelichen gekose mit gote ader do ein mensche sine sünde weinet. H. v. 
Fritzlar bei W. 853,27. — 208 fehen, o b fie dir helffen koͤnnen. L. Ser. 
2,28. Ob (wenn) etliher will thün finen willen ber wirt es erkennen 
vou ber lere ob ſy fon ufz gott. ober ob ih ſy rede von mir felber. B. 
30h. 7,17. &o jemand wil des willen thun, ber wird innen werden, ob 
biefe Lere von Bott fey, ober ob ih von mir felbs rede. L. Drum 
weiß ich faft auch nicht, ob ich ſoll thränen ſchicken, eb aber huͤlf und 

rath Tey. he. 3, 235. — Sie fuchte zu erforfchen, o b einer vor dem An⸗ 
dern hiezu den Anlaß gäbe. ©. Wv. 1,7. Wer weiß, ob wir fie nicht 
noch bei einander finden, ober wäs wir fonft für Händel anrichten. 
Dof. 1, 11. Ob man in ber wiffenfchaftlichen Welt noch fo darüber 
denkt, ob es zu ben neuen Lehren paßt, wüßte ich nicht zu fagen. Daf. 
1,4. Euch zu erflären rund und nett, 06 ihr ein Freund wollt heißen, 
oder Feind des Kaifere. ©. 3.2, 5. Und eh’ ber Bag ſich neigt, muß 
fih’8 erklären, ob ich ben Freund, ob ich den Vater follentbehren. ©. 
9.5,3. Er war im Imeifel, ob dieß feine eigene Melodie, fein früheres 
Thema, oder ob fie jest erft fo angepaßt fei. G. Wi. 3, 1. 


Viertes Kapitel. 
Üdverbialfäge. 
$. 195. 


Wird das Prädikat bes Hayptfages durch einen mit einer Kon- 
junktion eingefeiteten Nebenfag näher beflimmt, fo heißt diefer ein 
Adoerbialſatz ($. 90) Nach den verfchiedenen Arten ber be: 
flimmenden Beziehungen kann man die Adverbialfäge eintheilen in: 
1) Adverbialfäge des Raumes, 2) Adverbialfäge ber Zeit, 3) Ab: 
verbialfäge der Weife, 4) Adverbialfäge des Grundes. 


1. Adverbialfäge des Raumes, 
$. 196. 


Das Raumverhältniß tft ein dreifaches: das Sein an, bie 
Bewegung nach und die Bewegung von einem Det: da, wo, 
hier; dahin, wohin, herz; dannen, wannen, binnen. 


$. 197. 


Die Adverbinlfäge des Raumes werden mit ihrem Hauptfage 
durch das im Hauptſatze flebende, oder doch hinzugedachte Demonſtra⸗ 
tin da,dort, dahin, Daher und das im Nebenfage ſtehende Re⸗ 
lativ wo, hier, wohin, woher ($. 131. A. 2) nerbunden. — 
Über das auf Subftantive des Raumes fich beziehende wo f. $. 149. 


— 
= 


.. wr. nn m 7 m vn er 


> — ma wm — —— —— — — — on 


— 133 — 


dag leitit zia sar dar ira leid unirdit, im fuir enti in nstrt (das leitet Fig 
Schnell [dahin] da [wo] ihr Leid wird, in Feuer und in Kinflerniß). Mugp. - 
17 bet W. 70, 14. ich wil iemer dä hin, da ich ganze fröude vinde. Ah. 
bei W. 342, 23. do ez vil küme was getagt gie si dä ir berre slief. Ah. 
bei W. 344, 13. — fauhans grobus aigun jah fuglos himinis sitlans. ith 
sunus mans ni hahaith. war- baubith gein anahnaivjai. Ylf. Matth, 8, 30. 
Die füchs habend hoͤler. vnd die vogel des himets nefter. aber wann ber 
fun des menſchen hat nit ba ee fin hobet anneyge. B. Matth. 8, 20. 
Die Füchfe haben Gräben, vnd die Vögel vnter dem Himel haben Nefter, 
Xber bes Menfchen fon hat nicht, da ex fein heubt hin lege. L.. Wann 
wa zwen ober din find gefament in minem namen bo Yin ich in mit ir. 
B. Matth. 18, 20. Denn wo Zween oder drey perſamtet finb in meinem - 
Namen, Da bin Ich mitten onter jnen. L. — Da, wo beide (Pfade) 
zufammentrafen, fegte er fih für einen Augenblick auf einer wohlanges 
brachten Bank nieder. ©. Wo. 1,1. Die größten Schwierigkeiten lie 
gen da, wo wir fie nicht fuchen. G. Mar. u. Mefler. 8. Dort in der 
Schlucht, wo ein ftarker Bach den Zeichen zufiel, lag eine Mühle halb 
verftedt. G. Wp, 1,3. Sftihnen nirgends wohl, ala wo's recht flach 
iſt. S. P. 1, 4. Wo das geſteckt Hat, Liegt noch mehr... Sie wird ge⸗ 
gerichtet, wo fie frevelte. S. St. 1,1. Wo das Eifen wählt in der 
Berge Schacht, da entfpringen der Erde Gebieter. S. Bom. Wo fie 
mit dem finftern Gatten freudigg Shrengt, flieg ich hin. ©. Klage der Ceres. 
— Daß wir beide nicht mehr jung genug find, um blindlings dahin zu 
gehen, wohin man nicht möchte ober follte. ©. Wo. 1, 16. Wenn wir 
fie (die Menfchen) behandeln, als wären fie, mas fie fein follten, To brins 
gen wir fiedahin, wohin fie zu bringen find. G. Lj. 8,4. Gehn Sie, 
Graf, wohin die Pflicht Sie ruft, S. T. 3,23. Wenn ich mich im 
einer mittleren oder großen Stadt umfehe und bemerke, wo benn die Men- 
fchen fi) hinwenden, um ihren Abend zuzubringen , jo findet ſich immer, 
daß man bahin gebe, wo man grügend begrüßt wird, wo man gerne 
hört und gehört wird, wo man beim gefelligen Seipräch uab Dpiel gewiß 
ift, feine Partie zu finden. G. Diefer Beneral kam ebra qus Ungarn zus 
rüd, bis wohin er dem Grafen Maunpfeld gefolgt war. S. 30). Kr. 
2. B. — Bon Weften, auf des fanften Hügeld Haupte bort, von wo 
die Sonne im Untergang bed Städtchen Mauern mit ihrem legten Gruß 
beftrahlt. Rückert. Wie in den Lüften der Sturmwind fauft, man weiß 
nieht, von wannen gr kommt und brauſt. ©, Graf v. H. Frage nicht, 
woher wir fommen. ©. F. 2,139. Man wußte nit, woher fie kam. 
©. Mädchen a, d. Fr. ' “ 


2. Adverbialfäge der Zeit. 


| 8. 198. 
Die Abverbialfäge dee Beit drüden in dem zufammengefegten 
Sage Zeitverhältniffe des Praͤdikats aus. Diefe find zunaͤchſt Zeit: 
punftund Zeitdauer. 


| $. 199, 

Bei Angabe des Beitpunftes iſt die Ausfage des Meben- 
fages der des Hauptfages 1) gleichzeitig, 2) vorangehend, 
3) nahfolgend. — Bon dem Verhältuiß dee Gleichzeitig: 
keit, welches wirklich aJs eine Zeitbeſtimmung bed Praͤdikgtes 


— 11131 — 


gedacht wird, iſt dasjenige Verhälmiß zu unterfheiden, in welchem 
eine durch einen Nebenfag ausgedrüdte Thätigkeit zwar als dem Praͤ⸗ 
dikate gleichzeitig, aber nicht eigentlich ald eine Zeitbeffimmung 
bes Pradikates, fondern nur ald eine mit dem Prädifate ver: 
bundene Thaͤtigkeit gedacht und dargeftellt wird. 


8. 200. 


Die deutfche Sprache unterfcheidet durch die Konjunktionen die 
Verhältniffe der Gleichzeitigkeit manigfaltiger und beflimmter, als die 
meiften andern Sprachen. Sie unterfcheidet nämlich, ob die Gleich: 
zeitigkeit in die Bergangenheit, Gegenwart ober Zufunft 
geftellt ift, ferner ob die gleichzeitigen Thätigkeiten ale beftimmte 
oder ald nach Dauer und Wiederholung unbeftimmte Thätigkeiten 
gedacht werden, endlich ob die Zeitbeftimmung als ein Zeitpunkt 
oder als ein Zeitraum bezeichnet wird. 


a) Die Ausfagen des Haupt: und Nebenfages find 
gleichzeitig. 
8. 201. 


Das Verhaͤltniß der Gleichzeitigkeit wird ausgedruͤckt duch 
die Konjunktionen wenn (mann), da, ale, nun, wo, indeß, in: 
deffen, unterdeß, unterdeffen, inzwifchen, indem, wie, weil, 
während, fo lange ale. Die Konjunktionen wenn, da, als, wie 
find als die im Nebenfage flehenden Relativadverbien anzufehen, denen 
ein in dem Hauptfage flehendes oder hinzugedachtes Demonſtrativad⸗ 
derbium dann, da, fo entfpridht. 


$. 202, 


Wenn (feltner wann, goth. interrogativ hvan, ahd. huanne, 
huenne, altf. huan, agf. hvonne, mhd. wenne, älternhd. wenn und 
wann) bezeichnet die Gleichzeitigkeit auf die unbeflimmtefte Weife, 
und wird nur gebraucht, wenn die Zeitbeflimmung oder auch die prä: 
dicierte Thätigkeit nach Zeit und Wiederholung unbeftimmt ift. Man 
gebraucht wenn in diefee Bedeutung nur für das Vergangene und 
Gegenmwärtige; das Zukünftige wird nur dann durch wenn bezeich⸗ 
net, wenn eg ein Beſtimmtes iſt. — Die ahd. Sprache hat im Haupt: 
fage ıhö, sö, im Nebenfaße thö, thanne, thanna, danne, denne, s6; 
mhd. ſteht do — do, do — sd, wanne, wenne — sö; älternhbd. fo 
— fo, warn (wenn) — fo, wenn — denn. 

s o thisu uuort tho gähun then küning anaquämun, hintarquam er härto thero 
selbero uuorto (fo [al8] diefe Worte da jähe [eilig] den [zu dem] König an: 
kamen, hinterkam [erfchrad] er hart [jehr] derfelben Worte). O. 1,17 bei 


W.85,17. dar under (unter den Zelten) herren lägen, wanne si raste plA- 
gen. W. 744, 26. des äbendes wan sie släfen gingen, 36 nam Amelius sta 


— — — — — — — m — 


— 128 — 


swert. W. 983, 39. — ſo dich zorn beweget, ſo bayt biß dir das hertz wider 
gütig werd. Gg. 179%. wenn ich das vnd das gethün, denn fo wil ich 
myn fele verforgen. Gb. 48b. vnd wan wir nun angebett haben. fo 
wollen wir wieder zu vch Fummen. B. 1. Mof. 22,5. Vnd wenn wir 
angebetet haben, wollen wir wider zu euch komen. L. vnd fo fufent iar 
werdent volendet fo wirt fathanag vffgelöfzet von fim kercker. B. Offenb, 
20, 7. Wenn taufendb jar volendet find, wird der Satanas los werben 
aus feinem Gefengnis. L. vnd fo fy werdent vol fo nim ſy hin. B. 
4. Kon. 4,4. Wenn du fie gefüllet haft, fo gib fie hin. L. vnd fo id 
fie uſzgewirff ich wird bekert und erbarm mich ie. B. Ser. 12,15. Wenn 
ic) fie nu auögeriffen habe, wil ich mich wiberumb ober fie erbarmen. L. 
wann ich fie genugfam geplaget haben werde, fo will ich fie an eine 
Säule binden. Sp. 3, 6. — Es gehört unter die lobenswürdigen Auf: 
merkſamkeiten, daß wir uns fchnell büden, wenn jemand etwas aus der 
Dand fallen läßt, und es eilig aufzuheben fuchen. G. Wpv. 1, 6. Aber 
wenn das Leben nun felbft bedeutend wird, wenn alles um uns fich bes 
wegt und brauft, Dann wird das Gewitter durch jene Gefpenfter nur noch 
fürchterlicher. Daf. 1, 18. Sonft wenn ber Vater auszog, liebe Kin 
der, dba war ein Zreuen, wenn er wiederfam. ©. 21. 4,3. Wir fahren 
zu Berg, wir kommen wieder, wenn der Kukuk ruft, wenn erwachen 
die Lieder, wenn mit Blumen die Erde ſich Eleidet neu, wenn bie 
Brünnlein fließen im lieblihden Mai’ Daf. 1,1. Sie folgten, wenn 
ber Deribann erging, dem Reichspanier. Daf. 2, 2. Gott hilft nur 
dann, wenn Menfchen nicht mehr helfen. Daf. 2,2. Wann er fi 
dann entkleidet und wenig ausgeruht, und fein Gebet gefprochen, ſo fteigt 
er in bie Flut. Uhland, Überfall im Wildbad, 


$. 203. 


Da (unterfhieden von da $. 197, ahd. dö, thö, dhuo, ur 
fprünglidy ein Akkuſ. des weiblichen Geſchlechts eam fie, bald tune 
dann, da, bald cum da, zeitlich ausdrüdend, bald Partikel des Ge: 
genfaßes, aber, vero, at, autem, altfächl. thuo, altn. agf. iha, mhd. 
dö, duo, mittelniederl. doe, doen, neuniederl. toen, nhd. da, durch 
niederd. Einfluß flatt do) bezieht fi) auf die Zeit und bisweilen auf 
einen urfächlihen Grund ($. 229), Da wird gebraucht, wenn ein 
beftimmtes Ereigniß, eine beftimmte Thätigkeit in der Ber: 
gangenheit oder Gegenwart als Zeitbeflimmung bezeichnet wird. — 
Statt thö fteht ahd. fehr oft sö. 

tho Krist in Galil&a quam, uuard tha3 tho märi sos ig zäm (da Ehriftus nach 
Galilda Fam, ward das da bekannt fo [wie] ed ziemte). O. 11, 2 bei W. 
89, 23. sö6 er giuufsso thar bifänd, uuar drühtin Krist giböran uuard, 
thäht er sar in festi michilo ünkusti (fo [da] er gewiß dba befand, wo Herr 
Shriftus geboren ward, dachte er fchnell in Feſt groß Böfes). O. II, 17 
bei W. 85, 37. do man mir seite (fagte) er waere töt, do viel mir dag 
bluot vonme (von dem) herzen af die sele min. W. 373, 23. dö si urloup 
genämen, si schieden vroeliche dan. Nib. 168, 4. — Do fy nun diffen 
ftreitt behüben do zugen fy biß an den perg. Gg. 64b. berfelbig argt do 
er am todbet lag, ond wart ermant bas er bychten folt, do Fund man nüt 
(nichts) vß im (ihm) bringen. Gb. A8a. bo bie wold ward abgenonis 
men. do giengen bie fün ifrahel. B. 4. Mof. 9, 17. Vnd nachdem fi 
die Wolde auffhub von ber Hütten, fo zogen bie Einder Ifrael. L. Do 
ber brutigam verziechen tät fie fchläffent und fie ſchlieffen all, B. Matth, 


— it — 


3,5. Da nu der Kreutgam verzog, Worben fle Alle fchlefferig, und 
entichlieffen. L.L_ Do fie hetten gefchiffet von papho. fie famen in pergen. 
B. Apſti. 13, 13. Da aber Paulus und die vmb jn waren von Papho 
ſchifften, kamen ie gen Bergen. L. Do fie yn (den Eſel) Hätten gefattelt. 
er ftig off. B. 3. Kön. 13, 13. Da fie ym den Eſel fattelten, reit er 
drauff. L. Ds fie yn hätten geſattelt. er gieng hin. B. 3. Kön. 13, 27. 
Da fie yn gefattelt hatten, zoch er bin. L. — Ich pflanzte ſchon, ba Sie 
noch in der Wiege lagen. &. Wo. 1,9. Im Augenblick, da es (ba6 Ziel) 
erreicht ift, Fällt der Borhang. Daf. 1, 10. Da fie vom Zifche aufſtan⸗ 
den, fahen fie Eduards Reifervagen unter dem Fenfter, Daf. 1, 17. Und 
als ich traurig durch bie Säle ging ber Königeburg, da fah ich Herzog 
Sanfen in einem Erfer weinend ftehn. ©, %. 2,2, Da noch allıs lag 
in weiter Kerne, der Weg fi no unendlich vor dir dehnte, da hHatteft 
du Entiching und Muth. ©, T. 1,7. Als du vor acht Jahren mit 
euer und Schwert durch Deutſchlands Kreife zogſt ... da war es Zeit, 
den folgen Willen dir zu bredyen. Daf. Mit zoͤgerndem Entfehtuß, mit 
wankendem Gemüth zog ich das Schwert; ich that's mit Wiberftreben, 
da es’ in meine Wahl noch war gegeben! Daf. 3, 10. Bin Mädchen 
bringt mit Sieg und eben jest, da nur ein Sötterarm mich retten kann! 
&. Ivo. 4, 9. - So fpeifte fie gu Steriyn ihren Gatten, da fie aus Gold 
mit ihrem Buhlen trank, ©. St. 1,1. — Du ſprichſt mein Urtheil aus, 
da du mich tröftet, Daſ. 1,2. Unglüdlicher, wohl Eannte dich dein Ohm, 
da er dir Land und Leute weigerte! ©. 1. 5,2. Karl verfehlte feine 

Abſicht ganz, da er feinen Sohn ben Flämmingern vorftellte. S. Abf. 
d. N. 1. B. 


\ 


$. 204 


Als ($. 37) drüdt im Allgemeinen eine Gleichzeitigkeit in 
Bezug auf ein Anderes aus, und mwird befonders dann gebraucht, 
wenn die als eine beſtimmte Thaͤtigkeit gedachte Zeitbeſtim— 
mung in die Vergangenheit geftet if. — Zuweilen fleht als 
auch vor einer früheren Thaͤtigkeit. Alte und mittelhochdeutfch ſteht 


fart als auch iho und sd (8. 203). 
also er dare cham (dahin Fam), er irbeizta (flieg ab) bi einem brunnan. W. 
168, 28. des morgenis (Morgens) alsiz (als es) iagete, die wartrean (4 
dö draveten (trabten). W. 259, 18. si bat den riter edele mit ir dannen - 
gän in den palas witen. also day wart getän, do erböt manz den recken mit 
dienste dester bag. Nib. 441, 1. als im' daz watt geseit, ir starke} über- 
müeten was im waerliche leit. Nib. 166, 3. — Schon ben Hals entbiößt, 
kniet' ih auf meinem Mantel, den Streich erwartend: als mich fehärfer 
Salabin ins Auge fast, mic näher fpringt und winkt. Leſſing, Rathan 
4,5. Sein Gefchäft war eben vollendet; ex legte die Seräthfchaften in 
das Futteral zufammen und betrachtete feine Arbeit mit Vergnügen, als 
der Gärtner hinzutrat und ſich an dem theilnehmenden Zleiße des Herrn 
ergeste. G. Wo. 4, 1. Eben ftand das Ehepaar im Begriff, die neuen 
Anlagen herunter nach dem Schloffe zu gehen, als ein Bedienter ihnen 
ihnen haſtig entgegen ftieg. Daf. 1,2. Es waren junge Stämmen, bie 
ich rettete, als mein Vater, bei der Anlage zu einem neum Theil des 
großen Schloßgartens, fie mitten im Sommer ausroden ließ. Daf. 1, 3. 
Wie roh waren fie, alß fie daſelbſt gewiſſermaßen unvermuthet ankamen. 
Daſ. 1, 7. Sie haͤtten wohl noch ein paar Tage wegbleiben koͤnnen, ſagte 
Fr als eben Dttilie wieder hereintrat. Daf. 1,9. Denn als er 
erſt auf der Straße weich ließ, fo war er mir immer in Gedankden geblie⸗ 


— 121 — 


ben .. Und als ich wieder am Brumnen ihn fand, da freut’ ich mich feis 
nes Anblids. G. Hd. 9, 151. Ich zählte zwanzig Jahre, Königin... 
als mich die unbezwingliche Begierde hinaus tried auf das feſte Land. 
S. St. 41,6. Wie wurde mir, als ich ins Innre nun der Kirdye trat! 
Dal. Und als ih kam ins hrimatliche Thal, wo mir der Vettern viel 
verbreitet wohnen, als ich den Vater fand, beraubt und blind, — da 
weint’ ich nicht. ©. It. 2, 2, 


$. 200. 


Nun ($. 42) ift als Zeitadverbium ziemlich veraltet und wich, 
wo es noch Anwendung findet, gern in Beziehung auf vorhandene 
Dinge und Borausgehendes gefagt. In feiner Andeutung der 
Gegenwart verbindet nun eine Hinneigung zur Bezeichnung eines 
Zufammenhangs mit wirklichen oder vorausgefegten Umftänden, Din: 
gen und ihren Veränderungen, welcher Zuſammenhang Faufat ift, 
d. h. eine Urfächlichkeit In diefen Umftänden enthält ($. 230. Nun 
ſteht darum gern ale Konjunktion des Zuſammenhangs, um den Fa⸗ 
den der Rede zu einem Üdergange fortzuführen, eine Folge auszu⸗ 
dbrüden ze. In legterem Sinne ftellt Goethe fogar nun in den An: 
fang eines Sedichtes (vgl. $. 17). 

dat ih dir it nu bi huldi gibu (daß ich dir es nun bei [mit] Huld gebe). Hild. 
66 bei W. 65, 1&. unde als in nieman envant (nicht fand), nA was das 
vil unbewant (übel angewandt, unnüg), swa3 man imo dA gerief. Iw. 3246, 
— Ein Son fol feinen Vater ehren, ond ein Knecht feinen Herrn, Bin 
ih nu Bater, Wo ift meine ehre? Bin ich Herr, Wo fürdht man-mih ? 
L. Malach. 1, 6. Ihr fehet Eure Roth und unjre, Herr, und daß wir 
au’ am Rand des Zodes fchweben. Die Steuerleute aber wiſſen fich vor 
großer Furcht nicht Rath und find des Fahrens nicht wohl berichtet. Nun 
aber ift der Zell ein ftarker Mann und weiß ein Schiff zu fleuern. Wie, 
wenn wir fein jest brauchten in der Roth? S. Tl. 4, 4. — Da bu nun 
Suleika heißeft, follt’ ich auch benamfet fein. &. Suleika-Mameh. Che 
wir nun weiter fchreiten, halte ftil und fieh dich um. G. Inſchriften 18, 


$. 206. 


Wo ($. 149) fleht zumeilen für da ($. 203). 


Ein folder Schritt ift aber dreimal verwerflich, jest, da der Geiſt des 
Aufruhrs ſich verbreitet hat, jegt, wo bie Aebte nichts unterlaffen wers 
den, das Anfehen der Bifchdfe zu verringern. ©, Abf. d. N. 1. B. 


8. 207. 


Indeß, indeffen ($. 70), unterdeg, unterbeffen 
(mhd. under d&s, under diu), inzwifchen (ahd. in zuisken, mhd. 
en zwischen, Dat. Plur. von zwise — je zwei) bezeichnen das Zeite 
verhältniß der in dem Nebenfage ausgedruͤckten Thätigkeit als einen 
Zeitraum. Da fie die Gleichzeitigkeit der Thätigkeiten her: 
vorheben; fo bedient man ſich derfelben befonders dann, wenn ein 
adverfatives Verhaͤltniß foll angedeutet werden. Indeß und 
indeffen bezeichnen biefen Zeitraum überhaupe Unterdeß und 


— 11838 — 


unterdbeffen meifen mehr (als indeß) auf ben Zeitverlauf hin. 
Inzwiſchen ſieht mehr auf die Endpunfte der Zeit, welche das, 
wovon geredet wird, in Beziehung auf die Gleichzeitigkeit von etwas 
Anderm einfchließen; das Wort wird jedoch auch oft fchlechthin, wie 
indeg, von dem Sein in einer Zeit mit Bezug auf ein Gleichzeitiges 
gebraudht. — Indeß daß f. $. 190. 

Die Schalkheit Laufcht im Grünen halb verfteckt, die Weisheit läßt von einer 
goldnen Wolke von Zeit zu Zeit erhabne Sprüche tönen, indeß auf wohl 
geftimmter Laute wild ber Wahnfinn hin und Her zu wühlen fcheint. ©. 
T. 1, 4. Indeß ihr Somplimente drechfelt, kann etwas Nügliches ges 
fhehn. G. F. Vorfpiel. Die fruchtbaren Felder flehen grün und ftill, 
indeß auf dem breiten Wege wildes Gebüfch von Blüthen glänzt. ©. 
ital. Reife Alcamo 419. April 1787. Du, Mar, wirft diesmal noch bein 
altes Amt verwalten, indeß wir hier des Herrn Gefchäfte treiben. &. 9. 
2,5. Genießen Sie Ihr Glück. Vergeſſen Sie die Welt um fih herum. 
Es foll die Sreundfchaft indeffen wahfam für Sie forgen. Daf. 2, 3, 
Sndeffen du geheim auf meine Mörbderhülfe hoffft, fo werden wir zur 
Rettung Frift gewinnen! ©. St. 2, 6. — Der Gapellmeifter ſelbſt ift 
in diefem glüdlihen Wahn, nun geht es drauf los, unterdeß uns ans 
dern immerfort die Ohren gellen. ©. Wi. 3, 6. Seine Meinung alfo fei, 
diefen (Grund) gelaffen zu erwarten, unterdeffen aber auf Alles ein 
wachfames Auge zu haben. ©. Abf. d. N. 4.8. Diefe (Brieftafche) 
ward nun eben von der Gefellfchaft befprochen, von dem nädıjften Nachbar 
aufgenommen, unter großen Lobpreifungen der Reihe nach herumgegeben, 
indeffen die Künftlerin fi mit dem Major von ernften Gegenftänden 
beſprach; ein alter Hausfreund rühmte das beinahe fertige Merk mit 
Übertreibung, doc als folches an den Major kam, fchien fie es als feiner 
Aufmerkfamteit nicht werth von ihm ablehnen zu wollen, wogegen er auf 
eine verbindliche Weife die Verdienſte der Arbeit anzuerkennen verftand, 
inzwifchen der Hausfreund darin ein Penelopeiſch zauderhaftes Werk 
zu fehen glaubte. G. Wi. 2, 3. Nun, ber Patriarch verfprach mir eine 

-  GSiebelei auf Thabor, fobald als eine leer, und bie inzwifchen im 
Klofter mich als Laienbruder bleiben. Leſſing, Nathan 4, 7. 


$. 208. . 


Indem (ahd. in thid, in did, innan did, inin diü, mhd. in diu, 
innen diu, inner diu) wird fo von der Zeit gebraucht, wie indeffen, 
befchräntt aber mehr auf den gleichzeitigen Zeitpunkt, hebt die 


Gleichzeitigkeit mehr hervor. 

ni sint thie {me ouh derjen, in thiu nan fränkon uuerjen (nicht find die ihm 
auch fchaden, indem [fo lange] ihn Kranken vertheidigen). O. I, 1 bei W. 
82, 35. — Haft du meine Frau nicht gefehen? fragte Eduard, indem 
er fich weiter zu gehen anſchickte. G. Wo. 1, 1. Stillichweigend hörten 
fie zu, in dem jedes in fich felbft zurückkehrte. Daf. 1, 3. Die linke 
Wange wird auf einen Augenblid roth, indem bie rechte bleich wird. 
Daf. 1,5. Indem fo die Männer einigermaßen in ihrer Gefchäftigteit 
nachließen, wuchs vielmehr die Thätigkeit der Frauen. Daf. 1,7. Ines 
dem Tag und Nacht das Bombarbement fortgefegt wurbe, mußten die 
Truppen ohne Unterlaß arbeiten, die Dender abzuleiten, von welchen ber 
Stadtgraben fein Waffer erhielt. ©. Bel. v. Antw. Aber indem man’ 
in der Stadt die Ungereimtheit feiner Unternehmung bewies, hatte ber 
Herzog von Parma fie vollendet. Daf. . 


— 19 — 


$. 209. 


Wie (6. 35) fleht eigentlich allgemein von irgend einer Zeit, 
wird dann im Befondern gebraucht von einer fchärfer beſtimmten Zeit 
— in dem gleichen Augenblide, hebt alfo, wie indem, die Gleich: 
zeitigkeit beſonders hervor. 

Und wie er ſitzt und wie er lauſcht, theilt ſich die Flut empor. G. Fiſcher. 
Und wie ich eines Felſenriffs gewahre, das abgeplattet vorſprang in ben 
See, ſchrie ich den Knechten, handlich zuzugehn. ©. 1.A,1. Und wie 
er erwachet in feliger Luft, da fpielen die Waſſer ihm um die Bruft. Daf. 

1,1. Und wie er winkt mit dem Finger, auf thut fich der weite Zwin⸗ 
ger. S. Handſchuh. Und wie er tritt an des Felſen Hang, und blickt in 
den Schlund hinab, die Waſſer, die ſie hinunter ſchlang, die Charybde jetzt 
brüllend wieder gab. S. Taucher. Es (das Volk) droht ihn zu zerrei⸗ 
gen, wie er ſich zeigt. ©, St. 4,2. Und wie er vor Freunden weinte, 
da weinteft du auch vor Freude. Geller. 


$. 210, 


Weil und während bezeichnen, wie ind eß, das Zeitverhält: 
niß der in dem Nebenfag ausgedrüdten Thätigkeit ald einen Zeit: 
raum; fie bezeichnen aber zugleich, daß diefem Zeitraum die Dauer 
der in dem Hauptfag ausgedrüdten Thätigkeit mehr oder weniger ent: 
fpricht. — Weil (gekürzt aus dem adverbialifch gebrauchten Akkuſa⸗ 
tiv goth. hveila, ahd. huutla, mhd. wile — bie Weile, die Zeit hindurch) 
geht auf die vorüberflreichende Zeit, wozu Gleichzeitiges in dem Ber: 
haͤltniß fleht, daß es in jener Zeit gleichfam eingefchloffen iſt, und be: 
zeichnet fo viel al& fo Lange ale. Das Wort veraltet in diefer 
Bedeutung immer mehr; dieweil und diemweilen (ahd. thia huuila, 
mhd. dwil) find faft ganz veraltet. Während (ahd. u. mhd: nicht vor: 
handen, eigentlich abfolutes Participium: währendes, währendem) 
geht auf den ununterbrochenen Verlauf der Zeit oder auf etwas, 
was in der Zeit gefchieht, bis wohin, in dem Verhältniß, daß Gleich: 
zeitiges in diefegeit eingefchloffen if. — W ährend dag f. $. 190. 

und half ouch sinen kenden (Kindern) die wile daz si mochten lebn. En. 
bei W. 290, 8. swaz er halt guoter dinge bigät (begeht, thut) die weile 
er an dem unrecht stät, daz ist vor got verfluochet. W. 220, 16. — von 
ir will id nymmer wenden, dieweil und id das leben han. C. I. 44, 
42. weil wir fur jnen fliehen, folt jr euch auffmachen aus dem hinder⸗ 
halt. L. Joſ. 8, 7. (Darumb fo wir fliehen. B.) Dieweil vnd Con⸗ 
ſtantinus alſo kriegt, machten ein Bund bie Teutſchen. A. 226. Doch 
weil der donner noch aus ihrem munde bliget, fo wird ihr mildes berg 
durch guͤte ſchon beftillt. bg. 1, 20. — Das Eifen muß gefchmiedet wer: 
den, weil es glüht. S. P. 3, 2. Zwar weil der Vater noch gefürchtet 
herrſchte, hielt er durch gleicher Strenge furchtbare Gerechtigkeit die Hef- 
tigbraufenden im Zügel. ©, Bvm. Leb wohl, und weil ich fern bin, 
führe du mit Elugem Sinn das Regiment des Haufes. ©.%1. 1,2. Weil 
dies der Knappe fpricht, fteht mit gejenkter Stirne ber Ritter ba. Wie⸗ 
land, DOberon A, 11. Gefest, wie man Erempel hat, ich hau ihm auch 
den Schädel platt vom Leibe: noch weil er rollt, ſteht fhon an deſſen 
Statt ein andrer da, Daf, 2, 21. (Sie) nimmt das Licht ihm aus der 

Kehrein Grammatik II. 2. 9 


Hand; dieweil noch gang geblendet bindet er flumm fein Rößlein an 
die Wand. Redwitz, Amaranth, der Gaft II. (Sie) Eniet zum Stuhle... 
dDieweilen aus der Sakriftei mit den geheimnigvollen Gaben ein Jüng⸗ 
ling zum Altare fteigt. Daf. der Kirchgang. — Otto ſchwieg und hatte, 
während er fprady, vor ſich bingefehen. G. Wp. 1,7. Die Frauen 
zogen fich auf ihren Flügel zurüd und fanden bafelbft, indem fie füch 
mancherlei vertrauten und zugleich die neuften Formen und Zufchnitte von 
Frühkleidern, Hüten und dergleichen zu muflern anfingen, genugfame 
Unterhaltung, während bie Männer fich um die neuen Reifewagen, mit 
vorgeführten Pferden, befchäftigten. Daf. 1, 10. Und während ihn bie 
Rache fucht, genießt er feines Krevels Frucht. S. Kraniche d. 3, 


$. 211, 


So lange, fo lange als, früher auch als lange, wie 
lange ift allmälicy an die Stelle von weil ($. 210) getreten. 

.da8 ain roſtigs eyßen als Lang gefegt wirtt büß es wider erfcheinen würt. 
Gg. 2b. Der Efel das Gumpen (Springen) nicht läffet, wie lang er 
Sutter genug hat. Ahp. 37. — So lange ich ald Knabe oder Züngling 
bei ihr lebte, Eonnte fie der augenblidlichen Beforgnifle nicht Los werben. 
G. Wo. 1, 2. So lange ich fie unterrichte, fehe ich fie immer gleichen 
Schrittes gehen, langfam, langfam vorwärts, nie zurüd. Daf. 1, 3. 
Lehne, fo lange es noch Zeit ift, den guten Rath nicht ab. Daf. 1, 16. 

Anm. Lang (goth. laggs, ahd. lank, mhd. lanc, altn. langr, ag. lang, 
lang, leng), eigentli was fich hinzieht, wird fchon in der früheften 
Zeit ald Zeitadverbium gebraucht, 3. B. so bruche her (er) es lango. 
Ludwigsl. 12 aus dem 9, Zahrh. 


b) Die Ausfage des Nebenfages geht der des 
Hauptfages voran. 


$. 212. 


Um die Ausfage des Nebenfuges als der des Hauptfages in Be⸗ 
zug auf die Angabe des Zeitpunftes vorangehend zu bezeichnen, 
oder um den Zeitpunkt des Pradikates nach feinem Verhaͤltniß 
zu der durch den Adverbialfag ausgedrudten Zeitbeffimmung 
als einen diefer Zeitbeflimmung nachfolgenden darzuflellen, ge: 
braucht man die Konjunktionen ba, als, nahdem, ſobald als, 
nihtfobatd — als, fowie, faum — fo. 


$. 213. 


u Da und als find $. 203. 204 erklärt. Sie werden neuhoch: 
deutſch felten mehr im Sinne von nahdem gebraudt. — Nach⸗ 
dem (ahd. nah diü, after diü, mit thid) drüdt die Vollendung der 
Handlung des Nebenfages vor dem Beginn der im Hauptfage ge: 
nannten aus. — Vgl. weiter $. 111. 
tho sie thanan arfuorun, girado gotes engil araugta sih Josebe in troume (da 
[nachdem] fie von dannen fuhren [abgereift waren], fiehe Gottes Engel 
ereignete fich ferfchien] Joſeph im Zraume). T. 8 bei W. 98, 23. mit- 
thiu ther heilant giboran uuard in Betleem judeno burgi in tagon Herodes 
thes cuninges, senu tho magi Östana quaman zi Hierusalem (mitdem [nacdh: 


— 421 — 


dem] der Heiland geboren ward ſworden war] in Bethlehem, fber] Juden 
Burg, in [den] Lagen Herobes des Königs, fiehe nun, da Magier [Meife] 
von Oſten kamen zu [nach] Zerufalem). T. 8 bei W. 96, 23. — und bo 
er bet vffgethan das venfter. Helifeus der ſprach. B. 4. Kön. 13, 17. Vnd 
der herr ſprach gu.abram nach dem ond fich Loth hatt gefcheiden von 
jm. B. 1. Mof. 13, 44. Da nu Lot fi von Abram gefcheiden hatte, 
ſprach der Herr zu Abram. L. vnd do er hät getrunden. der wiſſag fat: 
telt finen Efel. :B. 8. Kön. 13, 23. Bnd nach dem er getrunden hatte, 
fattelt man den Efel dem Propheten. L. Vnnd do die wold warb abge: 
nomen bie do bebedt den tabernadel. do giengen bie fün ifrahel. B. 

4. Moſ. 9, 17. Vnd nach dem ſich die Wolde auffhub von der Hütten, 
fo zogen die Tinder Sfrael. L. Rad dem jm biefer Schub nicht gerahten 
wolt, erbacht er einen andern lift. A. 8Ba. Nachdem als nun Keyfer 
Eonftantinus die Land in guten fried gebracht hatt, zohe er gen Conſtan⸗ 
tinopel, A. 234b. — Des andern Tages, als die Seiltänger mit großem 
Geräufch abgezogen waren, fand ſich Mignon fogleich wieder ein. ©. £j. 
2,5. Das Jauchzen vermehrte fih, als er (Dranien) in bie Stadt felbft 
eingeritten war, ©. Abf. d. N. 3. B. — Eduard, ungern unterbrochen 
‚und beunruhigt, fchalt ihn, n * em.er ihn einigemal vergebens gelaffe= 
ner abgewiefen hatte. ©. Wo. 1,6. Man ließ den Knaben eine Art von 
heitrer Montirung machen, bie fie in ben Abendftunden anzogen, nach⸗ 
dem fie fi) durchaus gereinigt und gefäubert hatten. Daf. 1, 17. Deß- 
halb denn auch unfer plaftifcher Anatom, nachdem er einige Zeit geduldig 
zuzuhoͤren ſchien, lebhaft erwiederte. G. Wj. 3, 3. Der Gropfchagmeifter 
war zu Kotheringhay, fogleih nachdem die Unglüdsthat gefhehn war, 
S. St. 4, 4. Nachdem er (Buftav Adolf) das feinige (Kager) dem Schug 
ber Rürnbergifchen Miliz übergeben, rüdte er in voller Schlachtorbnung 
heraus. S. 30j. Kr. 2. B. Jetzt erſt, nachdem die Wuth des Kampfes 
erkaltet if, empfindet man bie ganze Größe bes erlittenen Verluſtes. Daf. 


$. 214, 


Sobald, fobald als und fo wie ($. 209) drüden die unmit: 
‚telbare Aufeinanderfolge zweier Handlungen aus. — Fruͤher gebrauchte 
man in-demfelben Sinne auh alsbald — fo, fobald und. 

Sobald ber apterbug auß dem ayſſen (dev Wunde) gegogen würt ſobald 
haylt er zü. Gg. 1764. Alsbald man fie gewar wirt, fo haumt (eilt) 
er wider davon. A. 254a. Sobald vnd fie einen Lerman im Wald 
höreten. A. 325b. — Da eilt’ ich fort, fobald es möglih war. G. €. 
5. Sobald die Fürften eingetreten find, wird jeder Zugang zum Palaft 
befegt. Daf. A. Sobald fie gemahr wurde, wie viel Zeit ihr übrig 
blieb, bat fie Charlotten, ihre Stunden eintheilen zu dürfen. G. Wo. 
1,6. Sobald eins in's andre greift, wird beides wohlfeiler und ges 
fehwinder bewerfftelligt. Daf. 1,6. Hiezu Fam noch, daß fie gefprächiger 
und offner fihien, fo bald fie fich allein trafen. Daf. 1,7. Sobald der: 
Mangel eintritt, fogleich iſt die Selbftbefchränkfung wiedergegeben. Daf. 2,8, 


$. 215. 


Kaum — fo, kaum — als, kaum — da, nidht fo: 
bald — als, niht Lange — fo heben die unmittelbare Aufein: 
anderfolge zweier Handlungen weniger hervor, als fobald — als, 
fowie ($. 214). Kaum (ahd. chümo, mhd. küme) bedeutet -eigent: 
lich mit Mühe, mitgenauer Noth. 

9* 


— 132 — 


yſaae hat kaum erfüllet das wort, vnd iacob was vſz gegangen, bo Fam. 
efau. B. 1. Mof. 27, 30. Als nu Iſaac volendbet hatte den Segen ober 
Sacob, und Jacob ka um hin aus gegangen war von feinem vater Ifaac, 
Da kam Efau. L. — Kaum hatte er den Sinn der Sache vernommen, 
als er verdrießlich vom Zifhe auffuhr. G. Wo. 1,2. Kaum hatten 
fir) die beiden Gäfte entfernt, als fchon wieder neuer Beſuch eintraf. 
Daſ. 1, 12. Kaum entfaltet die Natur ihre freundlichen Schäge, fo 
find die Kinder dahinterher. Daf. 2,9. Kaum hatten fie vernommen, 
daß die lieben Kinder gerettet feien, fo traten biefe in ihrer fonderbaren 
Verkleidung aus dem Bufch hervor. Daf. 2,10. Kaum aber war er 
allein, fo ftand er auf und ging im Zimmer hin und wieder. Daf. 2, 16. 
Richt fo bald hatte diefer Zeit gewonnen, fich am jenfeitigen Ufer zu 
verfcehangen, als er von vierzehn Kompagnien fpanifcher Dragoner und 
Kürraffiere überfallen wurde. ©. 30). Kr. 3. B. Nicht lange, fo übers 
fiel fie eine Art von Lähmung der Zunge. ©. 8%. 5, 16. Es dauerte 
nic 6 ange, ſo gab man mir noch einen beſondern Aufſeher. G. Le⸗ 
en 6. B. 


e) Die Ausſage des Nebenſatzes folgt der des 
Hauptfages nad. 


$. 216. 


Um die Ausfage des Mebenfages als der des Hauptfages in Be: 
zug auf bie Angabe des Zeitpunktes nachfolgend zu bezeichnen, 
oder um den Zeitpunkt des Prädikates nad feinem Verhältniß zu 
der duch den Adverbialfag ausgedrudten Zeitbeftfimmung als 
einen diefer Zeitbeflimmung vorangehenden durzuftellen, ge: 
braucht man die Konjunktionen ehe und bevor. 


$. 217. 


Ehe (getürzt aus cher, goth. Air, ahd. ser, er, &, mhd. &) zeigt 
allgemein ein Früheres in der Zeit an, meifet dann vergleihend auf 
ein Anderes in der Zeit hin, dem es vorangeht. Bevor (ahd. bifora, 
mhd. bevore), früher Präpofition von Raum und Zeit mit der Be: 
deutung nahe zu vor, wird als Konjunktion befonders da gefeßt, 
wo bie Nähe von etwas Geſchehendem in Bezug zu einem Anbdern 
ausgedrüudt werden fol. — Ehe daß ſ. $. 190. | 


thin gäati3 er biuuerbe, er mir ther sün irsterbe (bein Gutes eher fpende, ehe 
mir der Sohn fterbe). O. II, 2 bei W. 941, 7. € ich in sehe verderhen, 
ich wil € für in sterben. Ah. bei W. 335, 31. — es (dad Hünblein) billet, 
eb ichs geheyß. Gb. 148h. vnd eb die zarten die handſchuͤ füchen und 
erft angethün, fo hant die andern die ding gethon. Gb. 106b. herre gee 
ab ee das min fun fterbe. B. Joh. 4, A9. Herr, kom hinab, ehe denn 
mein Kind ftirbt. L. Ee abraham was da bin ih. B. 30h.8,58. Ehe 
denn Abraham warb, bin ich. L. ich ajz von allen den dingen. ee dz 
du kameſt. B. 1. Mof. 27, 33. ich hab von allem geffen, ehe du kameſt. 
L. daß er ehe vnd das Gefchrey recht außkaͤme ſchon etwas außgerichtet 
heit. A. 326b. — Ste wünfchte er zu fehen, ehe noch Charlotte zurück⸗ 
käme G. Wyv. 1,12. Der Architekt leitete das Ganze, und ehe man 
ſich's verfah, fo hatten die Knaben alle ein gewiffes Geſchick. Daſ. 1, 17. 


— 133 — 


Eh’ fol mein Leben zerreißen, eh’ ich dich laffe! G. Stella 3. Von 
Geſchäften fchon die Rebe, eh’ er noch feines Kindes froh geworben? 
S. P. 2, 3. Seine gütigen Hände fehmüdten mich, noch eh’ das Herz 
bes Vaters mir gefprochen. Daf. 1,4. Das geziemt fich, eh’ man das 
Aeußerfte befchließt! Daf. 1,6. Doc eh’ er nod den Feind gefeben, 
wendet er fchleunig um. Daf. 1,7. Eh’ der Zag, der eben jest am 
Himmel verhängnigvoll heranbricht, untergeht, muß ein entfcheidend 
8008 gefallen fein. Daf. 5, 2. — Er müffe die herannahende Epodye von 
Charlottens Niederfunft erſt vorbeigehen laffen, bevor er wegen Dtti: 
tens irgend eine Entfcheidung hoffen Eönne. G. Wp. 2, 8 Doc be⸗ 
vor wir’ laffen rinnen, betet einen frommen Spruch. ©. Glocke. Ich 
hab’ dein Wort, du wirft nicht eher handeln, bevor du mich, mid) felber 
überzeugt. S. 9. 85,1. 


Anm. Gailers eb fteht für eher. Die Volksfprache hat noch heute hier 
und da die Korm eb und ob. 


$. 218, 


Die Zeitdauer des in dem Hauptfage ſtehenden Prädikates 
wird duch feit, feitdem und bis bezeichnet. Beide bezeichnen 
eine Begränzung der Zeitdauer, indem feit, feitdem den An: 
fangspunft, bis den Endpunkt bezeichnet. Seit ift ahd. 
std, mhd. sit, agf. stıh, und ift ein Eomparatives Adverbium vom goth. 
Adjektiv seihu — Ipät. Bis (ahd. biz) fheint aus bi da3z — nahe 
zu entflanden zu fein. — Bis daß f. $. 190. 

Thiz zeichan deta druhtin Krist. mennisgon zi erist. sid er hera in uuorolt 
quam (dies Zeichen [Wunder] that Herr Chriſtus den Menfchen zu erft, 
feit er Hier in [die] Welt kam). O. II, 8. dä sol ich mime herren werben 
ein ander wip, sid diu ist derstorben der schoenen Helchen lip, Nib. 
1109, 4. in mangen rowen (Betrübniffen) si lac ich ne weig wie mangen 
toc, bi3 ir der töt anz herze quam. En. bei W. 288, 5. — fo dich zorn 
beweget fo bayt (warte) big dir das her& wider gütig werd. Gg. 179b. 
das ain roftigs eyßen als lang gefegt wirtt büß es wider erfcheinen würt. 
Gg. 2b. Diefes war ber erft Schreden, den ich einnahm, feither ich 
mich allein befand. Sp. 6, 23. — Wachend, träumend mwarft bu des Hers 
zens einziges Gefühl, feit ich bei jenem Leichenfeft des Fürften wie eines 
Engels Lichterfcheinung dich zum Erftenmal erblidt. S. Bvm. Vielleicht 
vor wenig Zagen noch; heut nicht mehr, feit der Sefin gefangen figt, 
nicht mehr. ©. T. 1,6. Seitdem der König feinen Sohn verloren, 

. vertraut er Wenigen ber Seinen mehr. &. 3. 1,2. Und fühlt nicht 
Jeglicher ein beffer Loos, feitdem der König, der uns weil’ und tapfer 
fo lang geführet, nun fich auch der Milde in deiner Gegenwart erfreut 
und uns des fehmeigenden Gehorfams Pflicht erleichtert? Daf. 1,2. Wir 
haben uns Fefte hier oben erlaubt, feitdem du die Zimmer verlaffen. 
G. Hochzeitlied. Die Deutfchen Eönnen erft über Literatur urtheilen, 
feitdem fie felbft eine Literatur haben. G. Betracht. im Sinne d. Wan: 
derer. — Beim Lefen und Erzählen hielten fie inne, bis fie wiederkam. 
&. Rp. 1,6. Heben Sie mir es (das Bild) auf, bis wir nach Haufe 
kommen. Daf. 1, 7. Ya er hielt oft längere Pauſen als nöthig, damit er 
nur nicht eher ummendete, bi8 aud) fie zu Ende der Seite gefommen. 
Daf. 1,8. Sch wollte es verfchmeigen, bis es gewiß wäre. Daf. 1, 12. 
Beginne du das heil'ge Werk nicht eh’, bis er's erlaubt. G. J. 4, 2. 
Doch will er mir gönnen drei Zage Zeit, bis ich die Schweiter dem Gat⸗ 


— 1 — 


ten gefreit; fo bleib’ du dem König zum Pfande, bis ich komme, zu loͤ⸗ 
fen die Bande. &. Bürgichaft. Du wirft auf die Sternenftunde warten, 
bis dir die irbifche entflicht! S. P. 2, 6. Beſchließe nichts, bis wir 
zufammen Rath gehalten. Daf. 2, 7. 


3. Adverbialfäge der Weife. 
$. 219. 


Das Verhältniß der Weife wird in den Abverbialfägen entwe- 
der durch eine Wirkung des Prädikates, oder durch eine Ähnlich: 
keit (DVergleihung) bezeichnet. Zur Bezeihnung einer Wirkung 
dienen die Konjunktionen daß, ſo — daß; zur Bezeihnung einer 
Ahntichkeit fo, fo — fo, wie, fo — mie, alſo — mie, ſo — fo 
wie, fo — als, fo — als wie; als, als ob, ale wenn, als 
wie wenn; ale und denn nad Komparativen; je — je, je — 
deſto, je — um fo, je — um befto, um fo — um beflo; nach— 
dem, jenahdem, wie; fofern, infofern, wiefern, inwiefern, 
foweit, infoweit, wieweit, inwieweit. 


$. 220, 


Menn die Weife duch eine Wirkung bezeichnet wirb, fo 
bat der Nebenfag die Konjunktion daß, und in dem Hauptſatze ftebe 
das Demonftrativadverbium fo oder wird ergänzt. — Beifpiele fiehe 
$. 186. 


Die vergleichenden (eine Ähnlichkeit ausbrüdenden) 
Adverbialfäge werden durch das im Hauptfag ausgedrüdte oder hin⸗ 
zugebachte Demonftrativ fo ($. 35), und das im Nebenfage ftehende 
oder hinzugedachte Relativ wie ($. 35) oder als ($. 35) verbunden. 
Wie bezeichnet eine Ühnlichkeit und vergleicht dee Befhaffen: 
heit (Qualität) nah; als bezeichnet eine völlige Gleichheit und 
vergleicht dem Grad und der Befhaffenheit (Quantität und 
Qualität) nah; das verftärkte fo wie weift durch das wiederholte 
fo nachdruͤcklich auf diefes hin; als wie iſt eine nachdruͤckliche Wort: 
fülle, mehr bei Dichten als bet Proſaikern gebräuchlich. — Die frü: 
here Sprache hatte noch einige andere Formen, wie aus nachfolgenden 
Beifpielen erhellt. 

vairthai vilja theins sv& in himina jah ana airthai .. jah aflet uns thatei sku- 
lans sijaima svasve jah veis afletam thaim skulam unsaraim. Ulf. Matth. 
6, 10. 12, uuesä din uuillo, sama sö in himile ist, sama in erdu... 
enti fld} uns unsrö sculdi, sama sö uuir fläggam&s uosrèêm scolöm. Matth. 
6, 10. 12 bei W. 84, 13. 29. din wille der werde. alse in dem himele. 
vn in der erden... vn vorgib vns vosir schulde. also ouch wir vorgebin vn- 
seren schuldigeren. Beheims Bibelüberf. aus bev Mitte d. 14. Jahrhr. 
handſchr. in Leipzig. din will der werd. als Im himel und in der erb.. 
vnd vergib uns onfer ſchuld. als vnd wir vergeben onfern fehuldigern. 


— 1 — 


B. Dein Wille geſchehe, auff Erben, wie im Himel.. Bnd vergib vns 
vnſere Schulde, wie wir vnſern Schuͤldigern vergeben. L . kesuahtoos 
vosih fuire vnsih ersuahtos so so ist ersuahhit silbar (du prüfteft und, durch 
Feuer prüfteft du uns, fo das Silber geprüft ift). K. bei W. 40, 10. — 
Als vil dein ſeel edler iſt dan der leib So vil mer betracht tag und nacht 
got vnd deiner feel zu leben. Gg. 14a. als vill wirt ſy (bie Seele) in⸗ 
prinftiger als vill fy rainer ift Vnd als vilift ſy rainer als vil fy in 
gaiftlichait leben ift. Gg. AAb. als offt der menfch felt als offt mag er 
aufitan. Gg. 5a. du folt nitt vnwirß fein als ettlich hanndig zornig 
menfchen. Gg. 7b. wie du dich im gibft zü erfennen, ale rot (väth) er 
dir aud). Gb. 4653. der müß ſich gegen ynen halten, als ein müter ge: 
gen item kind. Gs. 87a. hab alfo vil kleider, alfo dir not find. Gb. 58a. 
alfo einem bilger not ift eyn hüt, alfo not ift einem menfchen groffe 
gedult. Gb. 89a.- fo fielen alle ding widerumb zů nüten ale ſy nüt 
feind gefein. Gs. 4b. — ich hab gethban als du mir haft geboten. B 

41. Mof. 27, 19. ich hab gethan, wie du mir gefagt haft. L. alfoals . 
der herr het gebotten. alfo tetten fy. B. 2. Mof. 7,6. fie theten, wie 
jnen der Herr geboten hatte, L. als wir gehorfamten moyfi. alfo ges 
borfamen wir auch dir. B. Sof. 1,17. wie wir Mofe gehorfam find 
geweien, So wollen wir dir auch gehorfam fein, L. als fie mir haben 
gethan, alfo tätt ich yn. B. Richt. 15, 11. Wie fie mir gethan haben, 
So hab ich jnen wider getban. L. wie got bat difen gemacht. alfo 
hat er auch den gemacht. B. Pred. 7, 15. die es fo mol auffheben, als 
wie biefer Dragoner. Sp. 2, 29. Sleihmwie aber meine Erfahrenheit 
fchlecht und gering war, als "Eonnte ich auch nichts vechtfchaffenes fchlieffen. 
Sp. 1, 15. — So weit das Auge dem Steome folgen konnte, war alles 
Feuer. ©. Bel, v. Antw. So wenig ber Gärtner fi) durch andere Lieb- 
habereien und Neigungen zerftreuen darf, fo wenig darf der ruhige Gang 
unterbrochen werden, ben die Pflanze zur dauernden ober zur vorübers 
gehenden Vollendung nimmt. G. Wo. 2, 9. So wichtig jede Erfahrung 
in dem kritiſchen Augenblicke für mich war, ſo matt, fo unbedeutend, uns 
wahrſcheinlich wurde bie Erzählung werden, wenn id) einzelne Fälle ans 
führen wollte. G. Lj. 6. So fehr ich Theil an feiner Arbeit nehme, fo 
fehr in manchem Sinne das große Werk mic, freut und freuen muß, fo 
fehr vermehrt fi auch zulegt die Ungebuldb in mir. G. 2.1, So 
langfam fein Geift gebar, fo vollendet waren feine Früchte; fo it fein 
Entfchlug reifte, fo ftandhaft und unerfchütterlich wurde er vollftredt .. 
So fehr fein Gemüth über Schreden und Freude erhoben war, fo unter: 
worfen war eö der Furcht. S. Abf. 8.0.1.8. So ernften Grund du 
haft, dieß Licht zu fliehn, To dringendern hab’ ich, daß ich dir’ gebe. ©. 
9.5,1. Man befände fich auch dafür mie in einer andern und neuen 
Welt. G. Wp. 1, 7. Ich finge, wie der Vogel fingt. &. Sänger. Wie 
bu nicht fordern follteft, folg’ ih nicht. G. T. 2,3. Wie im Laub der 
Vogel fpielet, mag fid) Jeder gütlich hun. ©. Glode. Du nimmft die 
Schüffel von Königs Tiſch, wie man Äpfel bricht vom Baum. Uhland, 
Klein Roland. Wie du ihr heilig warft, fo warft du’s mir. G. J. 1,3, 
Wie ihn die Welt verehrt, fo wird die Nachwelt ihn verehrend nennen. 
G. T. 3,3. Trefflich weiß er den unterſcheidenden Charakter verſchiede⸗ 
ner Arten, ſo in Geſtalt des Ganzen, wie in dem Gang der Zweige, der 
einzelnen Partien der Blätter befriedigend anzudeuten. G. Wi. 

und leiſſ, wie aus himmliſchen Höhen die Stunde des Glückes ine 
fo war fie genaht, ungefehen, und wedte mit Küffen den Freund. ©. Er: 
wartung. Wie fich die Neigung anders wendet, alfo fteigt und_ fällt 
des Urtheils wandelbare ‚Woge. ©. Es ift, wie von dir, nun aud) von 
mir bie Rebe, und fo mie von dem Schidfal, ſo aud von dem guten Na⸗ 


— 136 — 


men zweier Männer. ©. Wp. 2, 12. So wie ber Weihrauch) das Leben 
einer Kohle erfrifchet, fo erfrifchet das Gebet bie Hoffnungen des Herzens. 
G. Mar. u. Refler. 3. Ein jeder Bote ift fo gut als ich. &. Wpv. 1,18, 
So gut und verftändig als der Freund ift, eben fo, Hoffe ich, wird fich 
in ihm auch die Empfindung eines reinen Verbältniffes zu mir entwideln. 
Daf. 2, 15. Gent und Brügges Eündigen Philipp dem Guten den Krieg, 
ber eben fo unglüdlich für fie endigt, als vermeffen er unternommen 
ward. S. Abf. d. N. 1. B. Es liegt die Welt ſo Elar vor feinen Bliden, 
als wie der Vortheil feines eignen Staats. G. T. 1, 4. Du bift fo 
elend nicht, als wie du glaubſt. Daf. 5, 5. 

Anm. Über die goth., ahd. und mhd. Formen vgl. weiter Grimm III, 
43. 283. Graff VI, 11f. Wadernagel, Wörterb. unter sö und 
alsd. | 


$. 222, 


Die Weife des Prädikates wird insgemein durch die Ähnlichkeit 
‚ mit einer Thätigkeit bezeichnet, die als eine wirkliche gedacht und 
dann als eine ſolche durch den Indikativ bezeichnet wird ($. 221); 
fie wird aber oft auch durch die Ähnlichkeit mit einer Thaͤtigkeit be: 
“zeichnet, deren Wirklichkeit ducdy eine andere mögliche oder nur 
angenommene XThätigkeit bedingt if. In diefem Falle wird 
die die Weiſe eigentliche bezeichnende Thaͤtigkeit nicht ausgedruͤckt, 
fondern der hinzugedachte Nebenfag nur durch das Relativ ale, wie 
angedeutet; die bedingende Thätigfeit wird duch einen Eondi- 
tionalen Adverbialfag ausgedrüdt, der, wenn die Bedeutung ale 
eine mögliche dargeftellt wird, durch ob ($. 194), und wenn fie 
nur eine angenommene iſt, auch durch wenn ($. 202) verbun: 
den wird; das Prädikat (Verbum) des Mebenfages fteht in dem er: 
fteen Falle im Konjunktiv ($. 100), in dem legtern im Konbditionalis 
($. 102). Sm Ahd. und Mhd. fleht samo sö, same, sam, was ſich 
in fam und gleichfam lang erhalten hat. 

Ih ne antwurta i3, samo sö ih toub ware (ich antwortete nicht darauf, als 
ob ich taub wäre). N. 37, 15. diu ros näch stichen truogen diu richen 
küneges kint beide für ein ander, sam si wete ein wint. Nib. 184, 1, er 
schein, als ob hie brünne bi der naht ein queckez fiwer. Parz. 71, 12. 
sun, nim des gegen dir komenden war, und senke schöne dinen schaft, als 
ob er st gemälet dar. W. 608, 29. recht glich als ob er'spre:he also. 
W. 958, 41. — bir ift nüßer bu feyefl ein murd, als ob du nit Eunneft 
reden. Gg. 193b. er fieng an zu wütten, alls wär er fchöllig. Gg. 8Ab. 
fie tettend als vörchten fie ſich. B. Joſ. 8, 15. fie ftelleten ſich als wärs 
den fie gefäylagen fur jnen. L. er erzeyget ſich. als horte ers nitt. B. 
1. Kön, 10, 27. erthet als höret ers nicht. L. wir führen ein ſolchs 
Leben, gleichfam weder Zeuffel, noch Fegfeuer, Hell noch Himmel feyn. 
A. 14a. es leben alle Menfchen, gleichfam kein Gott wer. A. 1095. 
er lebt fam wer er gar ynfin. S. 68b. Thier ich mich doch, fam woͤl 
ich fliegen. S. 3a. fie fang ob wolte fie die gange welt bewegen. hg. 1, 
70. er ſchien, ob hätt’ er fich bloß in den forft verliebt. hg. A, 163. — 
Unverſehen, fremd gekleidet, erreichen fie Diycen, als brächten fie die 


Zrauernachricht von Dreftend Tode mit feiner Aſche. &. 3. 3, 1. Ueberm 


Herrſcher vergißt er nur den Diener gang und gar, ale wär" mit feiner 


“.ı 


— 137° — 


Würd’ er fhon geboren. &. P. 1,4. Er war fo flolz darauf, als ob 
die Erfindung fein gewefen wäre. ©. Wp. 1,7. So fchien es, als ob 
‚ihr früher Eindifcher Geift mit allen feinen Züden und Gewaltſamkeiten 
wieder erwachte. Daf. 2, 10. Sch halte Egmont hier, als ob ich ihm 
noch etwas zu fagen hätte. G. E. 4. Es war, als ob die Menfchheit 
auf der Wanderung wäre, mwallfahrtend nach dem Himmelreih. ©.-St. 
1,6. Der Churfürft felbft fchloß fi) mit allen Zruppen, die er hatte 
aufbringen können, in das Zilly’fche Lager ein, gleich ale ob an biefem 
einzigen Poften alle feine Hoffnungen hafteten. ©. 30j. Kr. 3.38. Es 
war mir, al& wenn mich ber Donner in die Erd’ hinein ſchlüg. G. ©.3. 
Meil es wirklich ausfieht, als wenn ein Verhältnig dem andern vorge: 
zogen würde, G. Wy. 1,4. Ihm war, ale wenn ihm ein Stein vom 
Herzen gefallen wäre. Daf. 1,7. Der Schluß war ganz, als wenn er 
ihn felbft gefchrieben hätte. Daf. 1,12. Es fchien ihr, als wenn fie 
wäre und nicht wäre, als wenn fie fich empfände und nicht empfänbe, als 
wenn dieß alles vor ihr, fie vor fich felbft verfchwinden follte. Daf. 2, 3. 
8. 223. 

Die Ungleichheit wird durch das im Nebenſatz als Relativ 
ſtehende als (9. 35) nad) einem im Hauptſatze ſtehenden Komparativ 
und nach ander bezeichnet. Das fruͤher gebrauchte dann (denn) 
($. 52) iſt felten, fo auch wie, als wie; weder ($. 37) und 
wann ($. 202) find ganz außer Gebrauch. Zuweilen fleht im Ne: 
benfag al 8 mit einer Verneinung. 
quitha auk izvis thatei nibai managizo vairthith izvaraizos garaihteins thau 

tbize bokarje jah fareisaie, ni thau quimith in thiudangardjai himine. Ulf. 
Matth. 5, 20. ih quidu iu nisi tha3 ginuhtsamo iuuar reht mer thanne 
thero scribaro inti thero phariseorum ni get ir in himilo rihhi. T. Matth. 
5, 20. Aber ich fag uch nur allein üwer gerechtigkeyt fye mer überfliſſig 
ban der fehriber un der glyſzner fo werbent ir nit ingeen in das rych ber 
hymeln. B. — Als vil dein feel edler ift, van der leib. Gg. 14a. nit 
vörcht mer die wort der menfihen weder das ſchwert gottes. Gb. 167a. 
Sr gewin ift beffer ben der gewin des goldes ond bes ſilbers. B. Sprichw. 
3,14. es ift beſſer omb fie hantieren, weder vmb filber. L.. da was 
mir wol mer wenn nun. B. Oſe. 2, 7. ba mir beffeer war, denn mir 
jest ift. L. Die ift vor mehr befolhen, weder bu kanſt ausrichten. L. 
Sir. 3, 26. wa wir ons nicht anders, dann wie bißher gefchehen, nicht 
dreyn ſchicken. A. 13b. indem ich mich zu gröffern Danfen, weder fie 
waren, gefellete. Sp. 3, 14. beffer, weder zehn Cronen. hg. 1, 183. 
die mehr unfer fchad, als unfer nußen find. hg. 5, 277. — Wir find nie 
entfernter von unfern Wünfchen, als wenn wir uns einbilden dad Ge⸗ 
wünfchte zu befigen. Niemand ift mehr Slave, als der fich für frei hätt, 
ohne es zu fein. G. Wvy. 2, 5. Diefe Verftellung währte aber nicht län: 
ger, als die beiten zugegen waren. ©. %. A, 14. Er erwachte nicht 
eher, als bis er ſich in den Händen feiner geiftlichen Brüder fah. Daf. 8, 
9. Und dennoch denkft du wohl bei diefen Worten ganz etwas anders, 
als ich fagen will. G. T. 2, 3. Regeſt du auf aller Vergangenheit Böz -. 
feftes mehr denn Gutes. G. F. 2, 196. Aber, Knabe, deine Schmach 
wär’ mir herber fiebenmal, denn ber fieben Andern Fall. Stolberg, Lied 
e. fhmwäb. Ritters. Und dag er Elüger ift, als wie man denkt. ©. 2. 
3,4. Wir nehmen den Fußpfad durch's Thal und find eher drüben, wie 
du. G. Wi. 1,9. Es ift ftärker, wie fie. Daf. 3, 10. (Er) muß es 
dann anders machen, wie bie. Engel, T. Witt. Der bod) viel ftärker, 


! 
wie bu, iſt. Voß. — sin vater, des er niht wolde nennen, welt ir die wär- 
heit rehte erkennen, ist tiurr (fheurer) dena kein sin oeheim si (denn 
feiner feiner Oheime fei). Renner bei W. 777, 31. denn fein finn ift 
reiher weber kein Meer. L. Gyr. 24, 39. es ift weifler als 
Bein ding. Kifchart, Gargantua 246. Die Juden waren jm feinder 
denn keinem Ehriften nicht. A. 173b. Der Gefchäftsträger fam zu: 
rüd, er war gefhäftiger und überbrängter, ale nie. ©. Wi. 1,11. 
Denn duentbehrft fie nicht, und leichter wäre fie dir zu entbehren, als fie 
es jenem guten Mann nicht ifl. G. T. 3, 4. Wir müflen das Werk in die⸗ 
fen nächften Zagen weiter fördern, ald es in Jahren nicht gebieh. S. P. 3, 1. 


Anm. 41. Diefes wie, in der Volksſprache fehr gebräuchlich, bezeichnet 


eigentlih eine Ähnlichkeit ($. 221), und ift darum fehlerhaft, wie 
Grimm III, 283 angibt. 


Anm. 2 M.Rapp (Archiv f. d. Stubium d. n. Sprachen u. Literatus 


ren IV, 471) fagt: „Der junge Goethe, zur Zeit, ba fi) fein Styl bil: 
bete, trieb viel franzöftich, zumal zur Zeit, da er fich in Straßburg auf: 
hielt; auch noch in Italien hatte die romanifche Syntar Einfluß auf ſei⸗ 
nen Styl. Dabei hat er fich einige Unarten angewöhnt, bie die deutſche 
Sprache anzunehmen fich weigert. Yür’s erfte bedient er fich einer Ne⸗ 
gazion nach Komparationen, wenn verba sentiendi folgen. „Die Sache 
ging beffer ald wir nicht dachten.“ So fpricht die romanifche Syntax, 
aber die Negazion tft ein Logifcher Überfchuß und widerfpricht gewiſſer⸗ 
maßen unferm grammatifchen Gefeß, baß duplex negatio affırmat. Der 
mitteldeutfchen und. norbbeutfchen Bolksfprache gemäß fagt er freilich auch 
mit offner Doppelnegazion, folche im Kauft: „Daß er an nichts keinen 
Antheil nimmt.“ Und fo öfters. Aber Gretchen ift ein Bürgerskind, 
und ift nach dem Leben gezeichnet. Der Dramatiker ift damit außer Ver: 
antwortung. Nicht fo bei den erftgenannten Fällen, die ihm Niemand 
nachgemadht hat.” — Beide Bemerkungen find hiſtoriſch unbegründet. 
Altere Beifpiele boppelter Negation bietet Grimm II, 726 f.; neuere 
aus dem 15—19. Jahrh. habe ich gefammelt in meiner Gram. I. 2, 
183 f., in dem gen. Archiv II. 2, 87 f. und im allg. naffau. Schulblatt 
2. Zahrg. Nr. 1. 


8. 224. 
Die Gleichheit der in einem möglichen Grade geſtei— 


gertenintern Größe und Stärke zweier Thätigkeiten 
(Intenfität) wird dadurch bezeichnet, daß ein Komparativ im Haupt: 
fage mit dem Demonftrativ defto (ahd. des diu, mhd. däste) und ein 
Komparativ im Nebenfage mit dem Relativ je ($. 35) unmittelbar 
verbunden wird. Je — defto hebt mehr hervor als je — je. An: 
dere Sormen find: je — um fo, je — um deſto, um fo — um 
deito, 


sö si danne ie mè verliesent (verlieren), so si sich ie wirs mugen erwern (je 


fhlimmer mögen erwehren). W. 561, 7. so div creature ie liehter ist, 
so dringet e3 ie me hin vf. W. 770, 30. — Ze höher du bift, je mehr 
bich demätige. L. Sir. 3, 20. (Als vil als du mer grofg bift alfo de: 
mütig di. B.) vnd je lenger je blinder wird. S. 69h. je gelehrter, je 
verfehrter. Am. 93. — Die Schwierigkeiten wachen, je näher man bem 
Ziele fommt. ©. Wo. 2,5. Die Gefälligkeit würde wachfen, je mehr 
man ſich dem Termin der Auffündigung näherte. Daf. 1, 10. In denen 
(Regionen) er fih immer unbehaglicher fühlte, je länger er barin ver- 
weilte. Daf. 4, 18. Doc ach! je mehr ich horchte, mehr unb mehr vers 


— 139) — 


fan ich vor mir ſelbſt. G. 3. 2,1. Je eher bu zu uns zurüde kehrſt, 
je fchöner wirft du uns willlommen fein. Daf. 5, 2. Je mehr man dieg 
einſehen wird, je lebhafter, heftiger, Teidenfchaftlicher wird das Stubium 
der Bergliederung getrieben werden. G. Wj. 3, 3. Je mehr fie das Haus, 
die Menfchen, bie Verhältniffe Eennen lernte, defto lebhafter griff fie ein, 
defto fchneller verftand fie jeden Blid. G. Wv. 1,6. Te mehr man bie 
Sache durchſprach, deſt o günftiger erfchien fie. Daf. 1,7. Ie länger 
man fich umfah, befto mehr Schönes entdedte man. Daf. 2,410, Je 
mehr er dort das Vergnügen der unumfchräntten Gewalt koſtete, und }e 
größer die Meinung war, bie ihm von feinem Selbft aufgebrungen wurde, 
defto ungerner mußte er hier zu der befcheidenen Menfchheit herunters 
fteigen, defto mehr mußte er gereizt werben, dieſes Hinderniß zu beflegen. 
©. Abf. d. N. 1. B. Seine Ehrfurcht gegen fie war um fo tiefer und 
inniger, je weniger fie fih auf andere Wefen vertheilte. Daf. Charlotte 
ließ als Mutter fih um deſto eher eine für andere vielleicht unanges 
nehme Erfcheinung gefallen, als es Xeltern geziemt da zu hoffen, wo 
Fremde nur zu genießen wünſchen. G. Wo. 2,6. Er beftätigte bei fich 
feine Meinung nur um deſto mehr, je mehr er Urfache zu haben glaubte, 
fie dem Eugen Werner in einem günftigen Lichte barzuftellen. G. Lj. 5,2. 
um fo fchneller diefes in ihr vorging, um defto mehr fchmeichekte fie 
äußerlich Eduards Wünfchen. G. Wv. 1, 10. 


8. 225. 


Nachdem ($. 213), je nahdem, wie ($. 35), wienad 
druͤcken die Gemäßheit, die übereinſtimmung des Inhaltes des Neben⸗ 
fages mit dem des Hauptfages aus. 


jah svaleikaim mangaim gajukom rodida du im thata vaurd, svasv& mahtedun 
hausjon. Ulf. Mark, 4, 33. — nachdem vnd du geſchickt bift in deinem 
bergen, alfo feind bein gebärd von auffen. Gg. 89a. Wnd durch viele 
folche Steichniffe faget er jnen das wort, nach dem fie es hören kundten. 
L. Mark, 4,33. (Vnd mit föllihen manigen gelvchnuffen redt er zü yn dz 
wort als ſy es mochten gehören. B.) Bnd fiengen an zu predigen mit 
andern Zungen, nach dem der Geift inen gab aus zu ſprechen. L. Ayftt. 
2,4. (als yn der heilig geyft gab. B.) Ire Güter und Habe verkauff⸗ 
ten fie, ond teileten fie aus vnter alle, nach dem jeberman not war. L. 
Apſtl. 2, 45. Vn verkaufften die befigung. vnd die habe. vn teyiten fie 
allen. nach bem vnd einem yegklichen was dburfft. B. — Wie bu jest 
handelt, find fie gerettet oder find verloren. S. St. 4, 9. Eigentlich 
kommt alles auf die Gefinnungen an; wo diefe find, treten auch die Ge⸗ 
danken hervor, und nach dem fie find, find auch die Gedanken. ©., aus 
Makariens Ardiv. Als man fo viel von ihr erlangt hatte, ließ man ihr, 
doch unter einer gewiſſen Aufficht, die Kreiheit, bald in ihrer Wohnung, 
bald in dem Klofter zu fein, je nahdem fie es für gut bielte. &. Lj. 
8,9. Die Herzen der Zufchauer waren von ben verfchiebenften Empfin- 
dungen bewegt, je nachdem fie bei der Größe des Wageſtücks oder bei 
der Größe bed Mannes verweilten. ©. 30). Kr. 2.8. (Ich fehe) ein 
paar Habichte fliegen von Welten nah Oſten; das ift wohl ein gutes 
Zeihen? „Wienacd du's aufnimmft, je nachdem du dich beträgft.“ 
G. Wj. 2,1. 


$. 226. 


Sofern, inſofern, wiefern, inwiefern, ſoweit, 
inſoweit, wieweit, inwieweit (ahd. sô färro daz, alsò ſerro 


— t40 — 


alsö, sö uuito sö) werden gebraucht, um eine Einſchraͤnkung des einen 
Satzes duch den andern zu bezeichnen. — Die Altern Formen find 
fofern, foweit (fo fern, fo weit) und haben urfprünglich den Be⸗ 
geiff räumlicher Ausdehnung, fern bloß in die Länge, weit nad 
allen Richtungen, giengen dann in den Begriff [ehr über (weit erft 
fpäter, fern ſchon ahd.), alfo fofern = nad) dem Grade, foweit 
— nad der Ausdehnung. Der Unterfchied von fofern und wies 
fern, ſoweit und wiemweit ergibt fi) aus fo und wie $.35. — 
Die Bildungen mit in find erft fpäter entflanden. 

Ich freue feiner guten Meinung mich, fofern fie redlich iſt. ©. 2.1, 4. 
Er ehrt die Wiffenfchaft, fofern fie nust. Daf. 1,4. Ich halte mich 
an die Franzoſen, [ofern fie heiter und zierlich find. G. Wi. 1,5. Nur 
infofern werben die Vermoͤgenden gefchäßt, ald andere durch fie genießen. 
Daf. 1,6. Nur in fo fern kann ich Ihnen, ann ich mir verzeihen, 
wenn wir den Muth haben, unfere Lage zu ändern, G.Wv.1,12. Magft 
du die Augen von den fchönen und freundlichen Ausfichten abwenden, die 
ich uns eröffne, magft du mir, magft bu uns Allen ein frauriges Entfagen 
gebieten, info fern du dir's möglich denkſt, infofern es möglich wäre. 
Daf. 2, 12. Laß uns wenigftens eine Zeit lang verfuchen, in wie fern 
wir auf diefe Weife mit einander ausreichen. Daf. 1,1. Er hat nur 
darauf zu achten, in wiefern der Vortrag vollftändig fei. ©. aus Ma⸗ 
tariens Archiv. Sch will es nicht ausmitteln, in wie weit es gut fei, 
Kinder der Natur in diefem Stüd anheim zu geben. Dippel. 

Anm. Luther hat fofern, niht foweit, 3.3. Joſ. 2, 14: ©o fol 
onfer feele fur euch des tods fein, So fern du unfer Gefchefft nicht vers 
rheteſt. 3. Friſius (Wörterb. 1568) überfest das lat, quatenus durch 
„ie weyt, wie verr, mit was maß, fo verr.” 


4. Abdverbialfäge bes Grundes. 
| $. 227. 

Das Verhältniß eines in einer Eaufalen Beziehung flehenden 
Objektes, welches in dem einfachen Sate durch ein mit reiner Präpo: 
fition verbundenes Subflantiv ausgedrüdt wird, ftellt fih in einem 
Adverbialfage dar, wenn das Subftantiv fi) zu einem Sag er: 
weitere. — Die Eaufalen Beziehungen oder die Gründe Eönnen 
verfchiedener Art fein, wie aus $. 76 erhellt. Die hier in Betracht 
kommenden Konjunftionen find: weil, da, indem, nun, wenn, 
fo, wo, wofern, falls. 


$. 228. 


Weil ($. 210), aus einer Zeitpartitel zu einer Konjunftion 
geworden, welche eizentlid den Grund des Seins anzeigt und fich 
nachher zur allgenieinen Angabe des rundes erweitert, wird gefegt, 
tvenn das Urtheil des Grundes mit dem Urtheile, wozu es gehört, 
und das als ein Folgeurtheil erfcheint, gleihfam als Verbindung des 
Begriffes zum Begriffe gedacht, alfo enger und fo als Nebenfag ver: 
bunden wird. Weit bezeichnet einen realen und moralifhen 
Grund, hebt. befonders das logiſche Verhältniß eines morali= 


— 144 — 


ſchen Grundes hervor, und ſteht insbeſondere auch in der Antwort, 
wenn nach einem Grunde gefragt wird. — Die goth. Sprache ge⸗ 
brauchte unte, die ahd. danta, huanta, die mhd. wande, wan; die 
‚alternhd. bieweil, dDieweilen, alldieweil, fintemal, ſintema— 
‚ten (feit dem Mate). — Zur flärkeren Hervorhebung des Grundes 
geht im Hauptſatz oft dadurch (dies felten), darum, deshalb, des⸗ 
wegen voran. | 


aththan ik quitha izvis ni svaran allis. ni bi himina. unt& stols ist guths. nih 
bi airthai. unte fotubaurd ist fotive is. nih bi iairusaulymai. unte baurgs 
is this mikilins thiudanis. nih bi haubida theinamma svarais. unte ni magt 
ain tagl weit aiththau svart gataujan. Ulf. Matth. 8, 34f. thanne ih quidu 
iu tba3 man zi thuruhslahti ni suucre nah bi himile uuanta her gotes sedal 
ist. noh bi erdu. uuanta scamal ist sinero fuoggo. noh bi hierusalem. 
uuanta siu ist burg thes mihhilen cuninges. noh bi thinemo houbite suueres. 
uuanta thu ni maht ein här thes fahses uui3a3 gituon odo suarz. T. Matth. 
5,34 f, — ich sag aber euch ir schült nit sweren alzvmale noch bey dem 
himel waü er ist ein trön gotes noh bey der erden wan sie ist ein schamel 
seiner fli3j3je. noch bei Irlm wan sie ist ein stat de3 gro3jen küiniges. noch 
bei dem haupt soltu nicht sweren wan du en möhte ein hare weiz noch 
swartz machen. Matth. 5, 34 f. aus einer Münchener Handfchr. v. 1367. 
— mann ih fag uch ir füllen gang nich& fehmeren noch by dem hymel. 
wann er ift der trone gottes noch by der erde. wan fy ift ein ſchaͤmel 
finer füfz. noch by iherufalem wañ fy ift ein flat des groffen Tunigf. 
Noch fchweren by dim haubt wan du magft nit gemachen ein har wyß 
oder ſchwartz. B. Ich aber fage-euch, Das jr aller ding nicht ſchweren 
folt, weder bey dem Himel, denn er ift Gottes fuel. Noch bey der Erben, 
denn fie ift feiner füffe fchemel, Noch bey Serufalem denn fie ift eines 
groffen Koͤniges ftad, Auch foltu nicht bey deinem Heubt fehweren, Denn 
du wermagft nicht ein einige Har weis oder ſchwartz zu maden. L. — 
Wan ernftlich vil haben fich gefliffen ze orden bie reden der Ding die da 
find erfult an uns. B. Luk. 1, 1. Sintemal ſichs vil vnterwunden 
haben, zu ftellen die Rede von den Gefchichten, die unter uns ergangen 
find. L. — Alte die weil du nit in dir felber gefigeft, vnd in dich felber 
goft (gehft), To verlureft du die frucht. Gb. 87a. Er mußte fich ſchaͤmen, daß 
er alfo weichen mußt, noch dennoch, bieweiler ein frifcher junger Herr 
war, wollt er je nicht ablafjen. A. 103b. Wann fehon gefährliche Ange⸗ 
legenheiten fich ereigneten, fo überwand jedoch des Zuli ſchwerer Säcel 
ſolche alle, weil er fich fein Geld dauren lieffe. Sp. 6,6. wetl aber 
unſere Meynung war fich einmal rechtfchaffen miteinander Luftig zu ma⸗ 
chen, fehreten wir im böften Wirtshaus ein. Sp .3,9. — Eduard ſtimmte 
gern bei, weil es mit feinen Abfichten übereintraf. G. Wv.1,13. Eduard 
wollte nicht davon gefprochen haben, weil alles wie von felbft entfprin= 
gen, überrafchen und natürlich erfreuen follte. Daf. 1, 14. Er fehnte 
ſich nach dem Untergang, weil ihm das Dafein unerträglich zu werben 
drohte. Daf. 1,18. Ernahm einigemal die Feder und legte fie nieder, 
weil er nicht einig mit fich werden Eonnte, was er fehreiben follte. Daf. 
1,2. Mand) blutig Treffen wird um nichts gefochten, weil einen Sieg 
der junge Feldherr braucht. S. P. 2, 7. Ich müßte die That vollbrin⸗ 
gen, weilic fie gedacht. ©. T. 1, 4. Diemeil ih bin, muß ich auch 
thätig fein. ©. F. 2, 106. — Ihr ſeht nur nicht die Mauer, die uns ein= 
ſchließt, weit fie der Bäume dicht Gefträuch verftedt. ©. St. 3,1. Zn 
unſer Haus warb er nicht eingeführt, weil mein Vater Niemand. mehr 
zu fehen pflegte. S. 8. 6. Warum waren fie (diefe Dinge) mir nicht 


— u 


unſchulbig? Ich darf wohl antworten, eben wert fie. mir nit unſchuldig 
waren, weil ich nicht, wie Andere meines Gleichen, unbekannt mit mei⸗ 
ner Seele war. Daf. (IUo:) Wie wißt ihr, daß Graf Gallas außen 
bleibt? (Buttler:) Weiler auch mic, gefucht zurüdzuhalten. S. P. 1, 
4. — Auch hatte der Hausfreund bloß dadurch ihre Gunft und erhielt 
fih darin, weil’er Bewegung auf Bewegung einzuleiten wußte. G. Wi. 
3, 10. Dean verändert fremde Reben beim Wiederholen nur darum fo 
fehr, weil man fie nicht verftianden. ©. Wv. 2,4. Was Charlottens 
erften Gemahl betrifft, fo konnte ich ihn deshalb nicht leiden, weil er 
mir das fchönfte Haar auseinander fprengte. Daf. 1, 10. Er hatte bie 
Dienfte feines Hofes des wegen verlaffen, weil nicht Alles nach feinem 
Sinn ging. ©. 2j. 6. | 

Anm. Bezeichnend für die Abnahme der verfchiedenen Kormen von weil 
fingt Goͤckingk: Mein Advocat, Herr Weil, tft ohne Zweifel ein reicher 
Mann; ſchon ärmer ift Diemweil; dem Alldieweil warb wen’ger 
noch zu Theil, und Alldieweilen iſt nun gar ein armer Teufel. 

8. 229, 

Da ($. 203) ift zunaͤchſt Zeitpartifel, drüdt dann das Verhält: 
niß einer mit dem Prädikat verbundenen Thätigkeit aus, und bezeich- 
net als Raufallonjunkftion den Erkenntnißgrund umd den 
Seinsgrund, d. h. die Urfache und hebt befonders bas aus dem 
Grund Sefolgerte hervor. — Die Beitpartifel indem ($. 208) 
wirb zumeilen auch als Kauſalkonjunktion gebraudt, hebt 
aber die Urſaͤchlichkeit (Kaufalität) nur leife hervor. Beide Kon: 
junftionen drüden oft (wie lat. quum) Zeit und Urfache zugleich aus. 

Da es aber freilich nicht immer ſchicklich ſein mag, und ich nicht jederzeit 
meine Gefhichte erzählen kann; fo will ich mich Fünftig mehr zurüdhals 
ten. G. Wv. 1,6. An dem einen Ende bed Dorfes liegt das Wirths⸗ 
haus, an dem andern wohnen ein Paar alte gute Leute, an beiden Drten 
mußt bu eine Eleine Geldfumme niederlegen. Nicht der in’s Dorf Hereins 
gehende, fonbern ber Hinausgehende erhält etwas; und da die beiden 
Häufer zugleich an ben Wegen ſtehen, bie auf das Schloß führen, fo wird 
auch alles, was fi) hinaufwenden wollte, an die beiden Stellen gewieſen. 
Daf. 1,6. Ich glaubte deinen Worten nicht, dba du von ihm mir Boͤſes 
fagteft; kann's noch wen’ger jest, da du bich felbft verleumbeft. ©. 9. 
8,1. Dir blüht gewiß das fchönfte Glück der Erde, da du fo fromm und 
heilig bift. ©. Ivo. 3,4. Du bift doch glüdlih? Ja du mußt es fein, 
da du fo groß bift und geehrt! Daf. 4,9. — Charlotte, ohnehin gewohnt 
die Gegenwart zu nugen, fühlte fich, inbem fie ihren Dann zufrieden 
fah, auch perfönlich gefördert. &. Wv. 1,4. Er follte mit vornehmen 
und reichen Leuten die Langeweile theilen, indem man auf ihn das Zu: 
trauen feßte, daß er fie vertreiben würde. Daf. 1,2. Die Srauenzimmer 
hatten untereinander feltgefegt, franzöftfch zu reden, wenn fie allein wäs 
ren; und Charlotte beharrte um fo mehr dabei, als Dttilie gefprächiger 
in der fremden Sprache war, indem man ihr die Uebung berfelben zur 
Pflicht gemacht hatte, Daf. 1, 6. 


$. 230. 
Nun ($. 205) iſt eigentlich ein Zeitadverbium, wird aber ſchon 
goth., ahd. und mhd. als zeitlichurſaͤchliche (temporalkaufale) 
Konjunktion gebraucht, um mit urfächlichem Anſtrich den übergang 


— i143 — 


von einem Gedanken zum andern zu vermitteln, Folgerungen und 

Shlüffe, wo das Mittel zwifchen Vorder: und Schlußfag hinzu: 

gedacht werden muß, zu bezeichnen, was oft folgernd = grundangebende 

Wendung nimmt. Nhd. wird nun in diefer Bedeutung immer fel- 

ten angemenbet.. 

ith saei nu gatairith aina anabusne thizo minnistono jah laisjai sva mans. sah 
minnista haitada in thiudangardjai himine. Ulf. Matth. 5, 19. ther the 
zilosit eina} fon then minniston biboton inti lerit so man minnisto ist gibei- 
3an in himilo rihhe. T. Matth. 8,19, Darumb mwöllicher ufflöfet ein 
gebot von difen minften gebotten. Und alfo leret die der wirt ber minft 
genennet werden in dem rych der hymeln. B. Wer nu eines von biefen 
fleineften Geboten aufflöfet, und leret die Leute alfo, Der wird der kleinſt 
beiffen im Himelreich. L. der dir nu uuiges uuarn®, nu dih es sö uuel 
lustist (der dich nun Kampfes warne, nun [da] dich es [deffen] fo wohl 
lüftet). Hild. 113 bei W. 66, 25. — O krähe, Freund, nun ich dich 
fröhlich mache. Hagedorn, d. Hahn u. d. Fuchs. Und nun bieß Blatt 
uns für die Truppen bürgt, ift nichts, was dem Vertrauen noch im Wege 
Künde. S. T. 1, 8. Was Tann dich ängfligen, nun du mich Eennft? 

. Bom. | 


$. 231. 


Die Mebenfäge, welche den Zweck angeben, Finalfäge, wer: 
den mit daß, auf daß, bamit verbunden. ©. darüber $. 187. 


$. 232, 


Das Berhältniß der Bedingung wird als das Verhaͤltniß 
eines möglihen Grundes duch die Eonditionalen Mdver: 
bialſaͤtze ausgedruͤkt. Die Eonditionalen Säge ſtehen neuhochdeutſch 
in der Regel im Indikativ, althochdeutſch je nach dem Unterſchied der 
Bedeutung im Indikativ oder Konjunktiv (F. 98. 100. 102). Die. 
konditionalen Säge ftellen das Pradikat eben fo, wie die interro: 
gativen Säge, ald ein nur mögliches dar ($. 98). Daraus er: 
Elärt fich, dag die deutſche Sprache die Bedingung fehr oft in ber 
Form einer Frage darftellt. — Die hier in Betracht kommenden Kon: 
junftionen find: wenn — fo, wo — fo, wofern — fo, fofern 
— fo, dafern — fo, fo — fo, falls — fo, im Falle dag — fo 
($. 182), e8 fei denn — daß ($. 183); wenn anders, fo an: 
ders find felten, ob ($. 194) ift veraltet. 

Anm. Das Demonftrativ fo wird immer audgelaffen, wenn der Nebenfas 
dem Hauptfage nachfolgt; e8 wird aber auch bei vorangehendem Neben⸗ 
faß insgemein nur dann ausgebrüdt, wenn das logiſche Verhält- 


niß hervorgehoben wird; es fleht in dev Regel, wenn der Nebenfag 
die Form eines Frageſagtzes hat. 


$. 233. 


Wenn ($. 202) ift urfprünglich ein Adverbium der Zeit, wurde 
dann (mhd.) in bedingender Zeitbeziehung angewendet, und gilt nun 
ats bedingende (Eonditionale) Konjunktion (flatt des frühen ob 


— 144 — 


$. 194). — Sol das logiſche Verhaͤltniß (Verhältnig der Über: 
einftimmung und des Gegenfages) eines möglichen-(oder aud) wirk⸗ 
lichen) Grundes hervorgehoben werden, fo fteht meiflens wenn — 
fo; oft wird in diefem Falle aud) wenn weggelaffen, und dem 
Sage die Form eines Sragefages, oder eines Heifhefages ge— 
geben. — Man macht von der Korm des Sragefages hier insbefondere 
dann Gebrauch, wenn zugleih das WVerhältnig eines Gegenfages 
duch den Konditionalis bezeichnet ift ($. 102). — Bezeichnet der 
Nebenſatz nicht ſowol das Logifhe Verhältniß eines möglichen 
Grundes, als vielmehr nur eine in dem Verhältniß der Möglichkeit 
mit dem Pradikat verbundene Thaͤtigkeit; fo wird der Ne: 
benfag indgemein nicht durch die Betonung hervorgehoben, geht aber 


dem Hauptfage meiſt voran. 

ith jabai augo thein thata taihsvo ınarzjai thuk. usstagg ita jah vairp af thus. 
uf. Matth. 5,29. oba thin zesuuua ouga thih bisuihhe arlosi i3 thanne 
inti aruuirph i3 fon thir. T. Matth. 5, 29. Vnd ob dich ergert din ge⸗ 
rechts aug. brichesuß. vnnd wirffsvondir. Daf. B. Ergert dich aber dein 
rechts Auge, So reis es aus, vnd wirffs von dir. L. du wirst ein schoene 
wip, obe dir got noch gefüeget eins rehte zuoten riters lip. Nib. 16, 4. — 
ain ſtuck flayfch, das nit gnüg gefotten ift, wenn man das felb pfeßet fo 
widerfchnallet es. Gg. 146b. wen der fad noſs (naß) ift, fo feind die 
fpreümwer feücht. Gg. 89a. denn weneftu, du habeft das hütterlin (Hir- 
tenhund) by dir, jo heftu den tobigen fteüben (Jagdhund) mit dir louffen. 
Gb. 141a. wenn ber menfc in lailait wär und in hörtikait, fo fol er 
fi) der ding vleiffen, die im widerzäm find. Gg. 65a. Wann der menfch 
ſich alfo fürjäch und gedäht So kaͤm jm on zweyffel zu hilff die gnad got⸗ 
ted. Gg..23b. ob jm fein lieb ze lieb ergatt, id) will jm rätten, ob ich 
San. C. 1.141,84 o herr ob ich hab funden gnad yn dinen augen nit 
fürgee dinen Enecht. B. 1. Mof. 18, 3. Herr, hab ich gnade funden fur 
deinen Augen, So gehe nicht fur deinem Knecht ober. L. ob du fichft 
den efel des der dich hafzt Ligen under der bürbde. nit fürgang. B. 2. Mof. 
23,5. Wenn du des, der dich haſſet, Efel fiheft onter feiner laft Ligen, 
Hüt dic) und los in nicht. L. ob du begegeft dem ochffen dines vyndes 
oder dem efel ſo er irt, widerfüre yn zü ym. B. 2. Mof. 23,4 Wenn 
du deines Feinde Ochfen oder Efel begegneft, das er irret, So foltu jm 
denfelben wider zu füren. L. ob aber einer fündet: wir haben ein an- 
räffee by dem vatter. B. 1. Joh. 2,1. Bud ob jemand fündiget, So 
haben wir einen Kurjprecher bey dem Vater. L. wann ob idy rür fin ge= 
wand. So wird ich gefund. B. Mark. 5, 28. Wenn ich nur fein Kleid 
möchte anrhren, So würde ich gefund. L. — Wenn du dich fo unglüd: 
lich nennen willft, fo darf ich dich auch wohl undankbar nennen. ©. 3. 
1,2. Wenn du nad Haufe Rückkehr hoffen kannſt, fo fprech’ ich dich 
von aller Fordrung los. Doch ift der Weg auf ewig dir veriperrt, fo 
bift du mein durdy mehr als Ein Geſetz. Daf. 1,3. Wenn bad die 
Sternenkunft ift, will ich froh zu diefem heiteen Glauben mich befennen. 
S. P. 3, 4. Wenn bie Fühne Kraft nicht ruhen kann, fo mag er käm⸗ 
pfen mit dem Element. Daf. 1,4. Wenn ich mich gegen fie verpflichten 
fol, fo müffen fie's auch gegen mich. Daf. 1,6. Wenn er fallen muß, 
fo Eönnen wir den Preis fo gut verdienen, als ein Andrer, ©. 2. 8, 2. 
Wenn die Glod’ foll auferftehen, muß die Form in Stüde gehen. ©. 
Glode. Wenn ein hoffnungsvoller Sohn, wenn der Befif der liebens- 

. würbigften Gemahlin einem Sterblichen ein Recht zu biefem Namen 


geben, Sire, fo find fie der Gtüdtlichfte durch beides. S. Dk. 3,10. Weiz 
nen kann ich vor euch, wenn anders bie Stimme des Weinens eurem 
Derzen hörbar noch ift, und wenn für die Unfchuld menſchlich vergoffene 
Thränen noch eure Seele bewegen! Klopftod, Meſſ. A, 254. — Haben 
wir gnade fur dir funden, So gib dis Land deinen Knechten. L. A. Mof. 
32,5. Verbarg ich meiner Eltern Namen und mein Haus, o Köntg, 
war's Berlegenheit, nicht Mißtrau'n. G. 3.1, 3. Erreichft du einen 
Theil von feinem Werth, bleibt dir ein Theil auch feines Ruhms gewiß. 
G. T. 2, 1. Wird er dann auch näher Eennen, was du biefe Zeit gelei⸗ 
ftet Haft; fo flelt er dich gewiß dem Dichter an die Seite, den er jest als 
einen Rieſen bir entgegen ftellt. DaT. 2, 1. Iſt fie begeiftert und von 
Gott geſandt; (fo) wird fie den König zu entdeden wiflen. ©. Ivo. 1, 9. 
Und ſteht's nur erft hier unten glüdlich, gebet Acht, fo werden auch bie 
rechten Sterne fcheinen. ©. P. 3, 1. — Wäre es möglich gewefen, den 
Vater zu erheitern ; fo .hätte diefer veränderte Zuftand wenig Druͤckendes 
gehabt. G. Lj. 6. Wie ſtuͤnd's um euch, zög' ich mein Heer zurüd? ©. 
Soo. 2,1. Wären wir ald Zapfere durch andre Zapfere befiegt, wir 
tönnten uns tröften mit dem allgemeinen Schidjal, das immer wechſelnd 
feine Kugel dreht. Daf. 3, 6. Hätt’ ich den kriegeriſchen Zalbot in ber 
Schlacht nicht fallen fehn, fo fagt’ ich, bu wärft Talbot. Daf. 3,9. Hätt’ 
ich dich früher fo gerecht erkannt, es wäre Vieles ungefchehn geblieben. 
S. Bom. Und hätt’ ich dir ein fo verfühnlich Herz gewußt, viel Mühe 
part’ ic) dann der Mutter. Daf. — Gebt ihm den Raum, das Biel wird 
Er ſich fegen. ©. 9.1, 4 Sprich Ia oder Nein, fo find wir fchon zu: 
frieden. S. W. Tod 3,15. Entſage Frankreich! Trage Englands Fahne, 
und du bift frei. ©. Ivo. 5, 10. Seid gerecht, feid gewiffenhaft, wanbelt 
unfträflich, fo werben wir ung in der Ewigkeit wieder begegnen. S. 30j. 
Kr. 2.3. Sage mir, mit wem bu umgebft, fo fage ich dir, wer du bift; 
weiß ich, womit du bich befchäftigft, fo weiß ich, was aus dir werden 
Tann, ©. Mar, u. Refler. 1. — Auch dieſer Illo, dieſer Terzky bürfen 
nicht leben, wenn ber Herzog fällt. ©. T. 4,6. Der Thränen fchuld’- 
gen Zoll will ich Euch redlich nach der Schladht entrichten, wenn ich 
alsdann noch übrig bin. ©. Ivo. 3, 6. Geht, ſpringt ihm bei, wenn 
ihm noch Hülfe frommt. Daf. 3,7. Wer fol Euch Nahrung fuchen? 
Wer Euch fhügen vor wilden Thieren und noch wildern Menfhen? Euch 
pflegen, wenn Ihr Trank und elend werdet? Daf. 5, A. 


$. 234. 


Wo ($.131) und das feltnere fo ($.35) und fo anders heben 
die Bedingung fcharf hervor. Wo fleht gegenwärtig faft nur in der 
Formel woniht — doch. In der Volksſprache ift wo ftatt wenn 
fehr gebräuchlich. — Das neuhochdeutfhe wofeen, wofür auch, wies 
wol felten und mehr hervortretend, das ältere ſofern ($. 226) und 
das neuhochdeutfche dafern ftehen, hebt die Bedingung als eine Ein: 
ſchraͤnkung auf etwas noch Ungewiſſes ſcharf hervor, welche einfchrän- 
ende Beziehung aus der Bezeichnung der Abmeffung in fern her- 
vorgeht. Das neuhocpdeutfhe falls und im Fall vereinzelt das 
Ungewiffe mehr und begeichnet, daß das einzelne Statthaben von 
etwas auf das Ungemwiffe vorausgefegt werde, wodurd ein Anderes 
bedingt wird, 

Kehrein Grammatik. II. 2. 10 


— 146 — 


he wem söltind wir es klagen, wo wir ein sölche busse von Schwitzern müstind 
tragen?.. he wo er das nit het gthan, so wurds deidgnossen (die eidg.) 
han kostet noch mengen biderman. Hs. bei W. 922, 13. 925, 33. s80 
denne der mahtigo khuninc da? mahal kipannit, dara scal queman chunnö 
killhha3 (fo dann der mächtige König das Mahl [Gericht] bannet [einbe= 
ruft], dahin ſoll kommen [der} Gefchlechter jegliches). Musp. 60 bei W. 71, 
wande ich i3 niemer ne gehenge (zugebe), alsö verre sö ih mah. 
W.240,7. — oba tha3 salz aritalet in hiu selzit man i3 thanne. T. Matth. 
5, 13. vnd ob das ſaltz verfchwindet ıc. Be Wo nu das Salg thum 
wird 2c. L. wo er fi nicht entfündigt, fo wird er nicht rein werben. 
L. 4. Mof. 19, 12. denn wo jr nach dem Fleiſch Iebet, fo werbet jr ſter⸗ 
ben müffen. L. Röm. 8, 13. — &o dir jemand einen flreich gibt... fo 
jemand mit dir rechten wil.. fo dich jemand nötiget .. fo jr Fiebet die 
euch lieben ıc. L. Matth. 8,39 f. So du thüft ein almüfen .. fo bu 
beteft .. ob ir vaftet .. fo du vafteft .. ob ir nit vergebt ac. B. Matth. 
6,2f. Wenn bu nu Almofen gibſt.. Wenn du betefl.. Wenn jr 
faftet.. wenn du fafteft.. wo jr aber nit vergebet. L. vnfer fel die fy 
für och in dem tode. yedoch ob du vns nit verrateft und fo ons ber herr 
antwurt difz land. fo füllen wir thin die barmbersigkeit und die warheit 
in dir. B. Sof. 2, 14. Thun wir nicht Barmhersigkeit und trew an bir, 
menn ons der Derr das Land gibt, © o fol onfer feele fur euch bes tods 
fein. Sofern du vnſer Gefchefft nicht verrhateſt. L. Sr aber feid nicht 
fleifchlich, fondern geiftlih, So anders Gottes geift in euch wonet. L. 
Röm. 8,9. — Du gibft dein Find ainer Ammen, fo ed außgefaugt fo 
nympſt du es wider haim. Gg. 197a. fo dich zorn beweget fo bayt biß 
bir das here wider alitig werd. Gg. 179b. doch flieg ih, wo mir recht, 
noch diefe feuffzer aus. hg. 4,59, wofern es fiegens gilt, jo fieg ich 
in bie wette. bg. 5, 202. dafern bein finn zur rache trüge Luft. he. 1, 
287. — Wenn man weiß, wieviel zu einer folchen Anlage erforderlich ift, 
dann theilt man 8 ein, wo nicht auf Wochen, doch wenigftens auf Mo⸗ 
nate.&. Wo. 1,6. Sie fchienen, wo nicht zu empfinden, doch zu ahnen, 
daß die Zeit anfange, ihnen gleichgültig zu werben. Daf. 1, 7. Wo Karl 
dir noch gelüftet, fo follft du tief ins Burgverlies. Bürger. Wo mir 
Amalia wagt, mein armes Kind zu verfpotten! Voß, Luife 2, A1b. Es 
müßt’ gefchehen, wo möglich, eh’ fie dir zuvorfommen. ©. Sie werben 
mich retten, und wo ich ohne Rettung verloren bin, theilnehmend um 
mich weinen. © — So du kämpfeſt ritterlich, freut dein alter Vater 
fih. Stolberg, Lied e. ſchwäv. Ritters. So du Gerechtigkeit vom Him⸗ 
mel hoffeft, ſo erzeig’ fie uns. S. Welcher in thierifcher Brunft fo Viele 
nachlaufen unter unmiederbringlichem Verlufte von Werth umd Würde, 
fo anders fie hievon je etwas befefjen haben. Hift.spolit. Bl. 24, 815. 
— Wofern wir dem Donner, Gottes rächendem Donner zuvorzukom⸗ 
men nicht eilen, wird mit ihm uns Gott zerfchmettern. Klopftod, Meff. 
4, 145. Verzeiht mir, wofern ich, entflammt von ber Größe feiner 
Zhaten, vielleicht nach eurem Sinn zu erhaben von ihm rede. Daf. 4, 
210. &ar manche Zuftände diefer Erdoberfläche würden nie zu erklären 
fein, wofern man nicht größere und Eleinere Gebirgsftredten aus der At: 
mofphäre herunterfallen und weite breite Landfchaften durch fie bededit 
werden laffe. G. Wj. 2, 10. — Vernunft und Wahrheit, feid gebeten, 
dafern man ja an eud) gedenkt, den ſtolzen Reimen nachzutreten. Hage⸗ 
born. Laßt euch, dafern ihr jemahls hörk, wie fehr ich unfre Zeit ver- 
ehrt, dies eurer Väter Lob gefallen. Hagedorn. Es ift immer rührend, 
wenn auch der ſchwache, abgelebte Neftor fich dem ausfordernden Hektor 
ftellen will, Falls Fein jüngerer und flärkerer Grieche mit ihm anzubins 
den fich getraut, Leſſing. Da meine Frau auch) eines böfen Huſtens we⸗ 


⏑ rn er rn 5 A _ ME Se ee _ © 
x 





— 1 — 


gen nicht ausgeht, fo haben Sie wohl die Güte, falls es nöthig, ung bei 

erenissimo des Concerts wegen zu entfchuldigen. ©. Briefm. mit ©. 6,242, 

Anm. In feltner Form fagt Goethe (Kauft 2, 26): Und doch Hoff ich, 
wo nicht allen, aber mancher zu gefallen. 


$. 235. 


Die Eonceffiven (einräumenden) Adverbialfäge brüden das 
Berhältnig eines Grumdes aus. Diefer Grund wird aber hier 
nicht, wie in den eigentlichen Adverbialfägen des Grundes ($. 227 f.), 
dargeſtellt als ein folcher, der die Wirklichkeit, fondern als ein 
folcher, der die Nicht wirklichkeit des in bem Hauptfag Ausge⸗ 
fagten bedingt. Die Wirklichkeit des Ausgefagten kann aber mit 
einem die Nichtwirklichkeit desfelben bedingenden Grunde nur dann 
in einen Gedanken aufgenommen werden, wenn der Grund nur 
ſcheinbar die Nichtwirklichkeit bedingte. Die Konceffivfonjunftio: - 
nen find: obgleih, obfhon, obwol, obzwar, obaudh, wenn 
auch, wenn gleih, wenn [hon, wiemwol, ungeachtet, uners 
achtet, fo auch; Alterneuhochdeutfd) au fo fhon, ob, wenn. 
Sm Hauptfage flieht meift fo, doch, dennoch. — Goth. fteht 
thaulıjaba, ahd. thoh, doh, doh-doh, mhd. doch, zumeilen al, und, 
meift swie, gern mit darauf folgendem doch und wol. 

ik im so usstass jah libains. saei galaubeith du mis, thauhjaba dauthnith, 
libaid. uff. Joh. 11, 25. Ich bin die vrſtend onnd das leben. Der in 
mic) geloubet onnd ob er wäre tod er lebet. B. Ich bin die Aufferfte: 
hung und das Leben, wer an mich gleubet, der wird leben, ob er gleich 
ſtürbe. L. uuir sähun sinan sterron, thoh uuir thera bürgi irron (wir fas 
ben feinen Stern, doch [obgleich] wir diefer Burg [Stadt] irren). O0. 1,17 
bei W. 85, 2. thöh mir megi lidolih sprechan uuörto gilih, ni mag ih 
th6h mit uuorte thes löbes queman zi Ente (doch [obgleich] mir möge ber 
Glieder jedes fprechen lauter Worte, nicht mag [kann] ich doch mit Worte 
bes Lobes kommen zu Ende). 0. 1, 18 bei W. 87, 25. — nein e3n was 
niht mit wine, doch ej im glich ware (nein, e8 [das Gefäß] war nicht mit 
Mein [oangefüllt], doch [mwiewol] es ihm gleich wäre). Tristan 11676. 
swie da mich niht enschiuhest (ſcheuheſt), swie ich niemen liep st dan 
dir, swie vil dins heiles st an wir: dü trüegest doch wol minen töt. Ah. 
bei W. 332, 12. 


F. 236. 


Die unterſcheidenden Begriffe der einzelnen Koneeſſivkonjunktio⸗ 
nen ergeben fi) aus Ihrer Zufammenfegung. Ob ($. 194) fteht be= 
dingend mit Einraͤumung einer angenommenen Wirklichkeit, oder in 
dem Berhältniß einer bedingenden Möglichkeit Wenn ($. 202) 
verbindet den Begriff der Bedingung des angenommenen Falles, der 
angenommenen Wirklichkeit mit der Einraͤumung. Wie (aus swie, 
so hwio $. 35. 235) nimmt gern die Farbe des Begriffs der Weife, 
oder der Vergleihung an und wird vorzüglich gebraudht, wenn 
ber Gegenſatz auf nachdruͤckliche Weife hervorgehoben werden fol. 
So f.$. 35. — Gleich ($.72) hat den Anfteich einer ſelbſt durch 

10* 


A — 


die in ihrer Verfchiedenheit (Ungleichheit) einander entgegenflehenden 
Berhättniffe unbehinderten Einraumung oder auch des unbehinderten 
unmittelbaren Kommens bereit. Schon (ahd. scöno, mhd. schöne, 
früher mit ſchoͤn finnlich einerlei) hat die Bezeichnung einer in An—⸗ 
fehung ber Zeit unverzögerten, oder vielmehr ein unerwartetes Eherfein 
in fich aufnehmenden Einraͤumung. Wol (wohl $. 75) deutet 
mehr auf eine Möglichkeit des Eingeraumten hin und läßt den Vor: 
behalt eines Zweifels zu. Zwar ($. 75) hat den Begriff der Gewiß- 
heit der Einraumung. . Auch ($. 21) ſtellt die Einraumung als fich 
an ein Anderes oder Vorhergehendes wie ein Mehr anfchließend oder 
fleigernd dar. Ungeachtet und unerachtet ($. 71) zeigen Ab- 
mefenheit der Berudfichtigung des in der Einraumung Ausgefagten 
an mit flarker Farbe der Entgegenfegung. — Der Sprachgebrauch 
beachtet die Berfchiedenheiten der genannten Konceffivfonjunktionen 
wenig, und die Schriftfteller fehen felten auf fie und bedienen ſich der 
einen oder andern Konjunktion mehr je nach Geläufigkeit oder Wohl: 


laut. 

Vnd ob er mich tödtet, dannocht getraw ich in jn. Gg. 72b. wann ob ich 
ia bin ongeleret in dem wort aber nitt in der Eunft. B. 2. Kor. 11, 6, 
Vnd ob ich Alber bin mit reden, © o bin ich doch nicht alber in dem cr= 
Eentnie. L. er (David) Eund nicht warm werden, ob man in gleich 
mit Kleidern bedeckt. L. 3. Kön. 1,1. Ob uns der See, ob uns die 
Berge fcheiden und jedes Volk fich für fich felbft regiert; fo find wir Eines 
Namens doch und Blutes. ©. Tl. 2,2. Und ob er’s gleich nicht for⸗ 
dert, fühlt er's doch, daß du forgfältig dich vor ihm verwahrft. &. 3.1, 
2, Gehorchen will ih, ob ich gleich hier noch manches fagen Eönnte. 
G. T. 2, 4. Er hatte fich entfchloffen, eine der ihm angebotenen Stellen 
anzunehmen, ob fie ihm gleich Feineswegg gemäß war. &. Wo. 1,2. 
Man hatte immer ein gutes Verhältniß erhalten, ob man gleich nicht alles 
an feinen Freunden billigte. Dal. 1,9. — ob ih ſchon ſchlem und tem 
biß mitternacht. Gb. 94a. Wan ob idy ia gee in mit des fchatten bes 
tods. ich fuͤrcht nit die ubeln ding. B. Pf. 23,4 Vnd ob ih ſchon 
wandert im finftern Zal, fürchte ich Fein Ungluͤck. . Wiewol ir ha⸗ 
bend gethan dig ding yedoch noch heifche ich ein rach von uch. B. Richt. 
45,7. ob je ſchon das gethan habt, doch wil ich mich an euch felbs 
rechen. L. obfchon kein Geiſt in dem Geftirn fist, vermag dennoch Gott 
fo viel, daß 2c. A. 38h. das dörffen wir auch thun, ob wir fhon Kein 
Einfidler feyn, Sp. 1,12. obfchon fie nicht von importang feyn, find 
fie Doch Luftig zu hören. Sp. 2, 31. Obſchon mein Mann nicht liebt, 
daß man feinen Geburts oder Namenstag feire, fo wird er mir doch heute 
nicht verargen, einem dreifachen efte diefe wenigen Kränze zu widmen. 
8. Wp. 1, 3. Die Gärten lieferten die fchönften Mufter, und obfhon 
die Kränze jehr reich ausgeftattet wurden; fo Fam man doch früher, als 
man gedacht hatte, bamit zu Stande. Daf. 2, 3. — ob er aber mag wi: 
dergelten er wirt widerwertig ond vergiltet kaum dz halbteyl. B. Sir. 
29,7. Vnd ob erö wol vermag, gibt ers kaum die helffte wider. L. 
Vnd wird dir guts gefchehen, ob du auch wol ein Sünder bift. L. Sir. 
3, 14. du folt dic nicht fürchten, ob fie wol ein ungehorfam Haus find. 
L. Ezech. 2,6, — Obz war fie alle die Hoffnung hatten, fo hieß es 
doch zc. Sp. 2,20. Obzwar dieſe (eine inbrünftige Liebe) die Flüchtig- 
keit und Empfindlichkeit in fich hat, und ihre Mutter die Gewogenheit wie 


— 149 — 


die Regen: Bogen in einem Augen⸗Blicke gezeuget wird; fo unterwerfen 
fie doch alle Eluge Leute der Berathichlagung, und eröffnen ihr allererft 
die Pforte des Hertzens nad) einem vernünfftigen Urthel. Eohenftein, Ar: 
min 1.5,113. — Wann ob er o uch ift gefrügiget vſz der Frandheyt. aber 
er lebet vſz des (ſtatt der) Erafft gottes. wann wir find ouch fiech in im 
aber wir leben mit im vſz der Erafft gottes. B. 2. Kor. 13,4. Vnd ob 
er wol gecreugiget ift in der ſchwacheit, So lebet er doch in ber krafft 
Gottes. Vnd ob wir auch ſchwach find in jm, So leben wir doch mit 
jm in der Erafft Gottes, L. ob ir etwas Indent vmb die gerechtigkeit ir 
wert fälig. B. 1. Petr. 3, 14. Vnd ob jr auch leidet vmb Gerechtigkeit 
willen, fo feid je doch felig. L. Aber dennoch, wenn ich duldend trage, 
Heloife, fende mir hinfort, ob auch weinender die Seele zage, fende mir 
dein fanftes Liebeswort. Tiedge. — Ob du hiengſt an min henden tuſent 
filberig pfennig. in feiner wiſz lieſz ich min hend in den fun des künigs. 
B. 2, Sam. 18, 12. Wenn du mir taufent GSilberlinge in meine hand 
gewogen hetteft, fo wolt ich dennoch meine hand nicht an des Konigs 
Sohn gelegt haben. L. Laſſen Sie in diefer Ungemwißheit des Lebens, 
zwifchen diefem Hoffen und Bangen, dem bedürftigen Herzen doch nur eine 
Art von Leitftern, nach welchem es hinblicke, wenn es auch nicht darz 
nad) fteuern kann. G. Wop. 1,18. Warum follten wir nicht wünfchen, 
neben den Unfrigen zu ruhen, und wenn es auch nur für ein Sahrhun= 
dert wäre! Daf. 2,2. Alle, die von diefer Religion dazu getreten waren, 
verließen jest den Bund, der die Ausfchweifungen der Bilderftürmer, 
wennauc, nicht abfichtlich angeftiftet und befördert, doch unftreitig von 
fern veranlaßt hatte. ©. Abf. d. N. 4. B. — Ob ich Erieg mit dir. ye- 
doch will ich reden zü dir die gerechten ding. B. Ser. 12,1. Wenn id) 
gleich mit dir rechten wolt, So behelteftu doch recht, dennoch mus ich vom 
Recht mit dir reden. L.L Wenn du gleich an jm polireft, wie an einem 
Spiegel, fo bleibt er doch roftig. L. Sir. 12, 11. wenn fie gleich alt 
werden, Werben fie dennoch blühen. L. Pf. 92, 15. wenn fie gleich 
alle zuſamen treten, müffen fie dennoch ſich fürchten. L. Sf. 44, 11. daß 
der Menfch fein auffgefegtes Ziel ſchwerlich überfchreiten mag, wann 
gleich ihm fein Ungluͤck lang oder kurtz zuvor durch dergleichen Weiffa- 
gungen angedeutet worden. Sp. 2, 25. Die Welt lag ohnehin fo deut: 
lich vor ihren Augen, daß fie keinen befondern Schmerz empfand, wenn 
gleich jemand fie unbedachtſam und unvorfichtig nöthigte, ihren Blick 
da oder dorthin auf eine unerfreuliche Stelle zu richten. ©. Wo. 2, 10. 
Ich weiß zu wohl, noch bleibt es (das Werk) unvollendet, wenn es auch 
gleich geendigt feheinen möchte. G. T. 1,3. Wenn du mir gleid 


‚ in Briefen fchon gemeldet, was du gethan und wie es dir ergangen; fo 


bab’ ich doch noch Manches auszufragen, durch welche Mittel dag Ge: 
Ihäft gelang. Daf. 1, 4. — Ob die herbergen ftond wider mich min berg 
fürcht fih nit. B. Pſ. 27,3. Wenn fih ſchon ein Heer wider mich legt, 
So fürdhtet fih dennoch mein Hera nicht. L. on fo ir vffhebent umer 
hend. ich abker mine ougen von uch. vn fo ir manigfeltigent üwer gebet 
ich erhör fin nit. B. Sf. 1,15. Vnd wenn jr fhon ewer Hende aus: 
breitet, verberge ich doch meine Augen von euch, Vnd ob jr ſchon viel 
betet, höre ich euch doch nicht. L._ wenn fhon gefährliche Vngelegen—⸗ 
heiten fich ereigneten, fo überwand jedoch des Zuli fehmwerer Sädel alle. 
Sp. 6,6. Auch ich begrüße dich, wenn ich ſchon zürne. G. T. 1, 4. — 
doch wirt fy offt gedrucket mitt der welt weißhayt, wiemol jr lauttere 
weißhait zu dem legten fürbricht. Gg. 604. wiewol er felb wefenlich 
got ift. Gg. Aa. wiemwol got aller ding die erft vrſach ift, noch ift er 
fein vorfach der fünd. Gb. 5b. wiemwol du verhelft dife ding in dim 
bergen yeboch fo weyſz ich das du gedendeft aller ding. B. Job. 10, 13, 


— 150 — 


wiewol bu ſolchs in deinem hertzen verbirgeft, fo weis ich doch, das bu 
bes gebendefl. L._ wiewol fie verberber feyn, noch dannoch nennten fie 
ſich befchhger. A. 16b. wiemwol die Alten kein vberfluß im effen vnd 
trinden gebraucht, haben fie dannoch gemeinglich miteinander geſſen. A. 
183. wiewol fie die gange Welt unter inen hatten, noch blieben fie 
nicht eins. A.227a. wiewol nicht alles zubilligen, fo ift doch auch nicht 
alles zu verunbilligen. Sp. 1,12. Eine Gefchichte, die, wie wohl fie 
mir ſchon vor einigen Sahıen begegnet ift, mid) noch immer in der Erin> 
nerung unruhig macht. G. Wj. 3, 6. Sie gingen zufammen auf Wil⸗ 
helms Zimmer, wo biefer, wiewohl mit einigem Zaubern, feinem Ver⸗ 
ſprechen Genüge leiftete. ©. &. 2, 14. Egmont bat um Urlaub, bie Bä- 
ber in Aachen zu gebrauchen, die der Arzt ihm verordnet habe, wie wol 
er (heißt es in feiner Anklage) ausfah wie die Gefundheit. ©. Abf. d. N. 
3.8. — So groß auch das Vertrauen war, das man in fidh felbft und 
in die erprobte Fänigfeit eines folchen Heerführers ſetzte, fo machten doch 
die erfahrenften Generale kein Geheimniß daraus, wie fehr fie an einem 
glüdlichen Ausſchlag verzweifelten. ©, Bel. v. Antw. — fo die wunden 
fchon zügeheilen, noch bleiben im die moßen (Narben) fein lebtag an fei= 
nem leib. Gs. 63b. fo e8 (das Pferd) fihh ſchon wol von dem barn ab= 
zerret, nichts deftminder kegt (Tchleift) jm die halffter hindennach. Gg.80b. 
— Die Sremben hatten fich entfernt und, ungeachtet man von ihnen 
auf eine fonderbare Weife berührt worben war, boch den Wunſch zurück⸗ 
gelaffen, daß man fie irgendwo wieber antreffen möchte. ©. Wo. 2,11. 


$. 237. 


Die Eonceffiven Abverbiatfäge nehmen ebenfo, wie die konditio⸗ 
nalen (d. 233), oft die Form eines Frageſatzes an. Man gibt 
ihnen diefe Form insgemein, wenn entweder der adverfative 
Grund, oder das adbverfative Verhaͤltniß der Säge foll her: 
vorgehoben werden; insbefondere gefchieht dies, wenn der Gedanke 
buch den Gegenfag einer angenommenen Wirklichkeit 
hervorgehoben wird. 

daft du ioch nit würkliche fünde, nochdann bift du in fünden. Gg. 204b. 
wird gleich der Chlorid gunft geringer, ift doch die gange welt voll ſol⸗ 
Wer dinger, hg. 1,400, Doc haben alle Götter fi) verfammelt, Ge⸗ 
ſchenke feiner Wiege darzubringen: die Grazien find leider ausgeblieben. 
G. T. 2,1. Und käm' bie Hölle felber in die Schranfen, mir fol der 
Muth nicht weichen und nicht wanfen. S. Ivo. 3,9. Und wär's zu 
fpät, und wär’ es auch fo weit, daß ein Verbrechen nur vom Fall dich 
rettet, fo falle! Falle würdig, wie du ſtandſt. ©. T. 2,2. Iſt es gleich 
Nacht, fo leuchtet unfer Recht. ©. 21.2, 2. Iſt gleich die Zahl nicht 
voll, das Herz ift Hier des ganzen Volks. Daf. Sind auch die alten 
Bücher nicht zur Hand, fie find in unfre Herzen eingefchrieben. Daf. Be: 
fiehlt mir gleich die Klugheit und die Pflicht, die ich dem Reich, dem 
Kaifer ſchuldig bin, daß ich mein wahres Herz vor ihm verberge, ein 
falfhes Hab’ ich niemals ihm geheuchelt. S. 9. 1,3. — Doc, Hätt‘ 
auch gleich ein Zufall der Natur fie hingerafft, wir hießen boch die Moͤr⸗ 
der. ©. St. 1,8. Müßt' ich zehn Reiche mit dem Rüden fchauen, ich 
rette mich nicht mit des Freundes Leben. ©. Ivo. 1,6. Ganz England, 
ftrömt es alle feine Bürger auf unfre Küften aus, vermöchte nicht dies 
Reid) zu zwingen, wenn es einig tft. Daf. 2, 2. 





— 151 — 


$. 238. 

Wenn in einem Eonceffiven Sage das Subjekt oder das Präbdi: 
£at oder eine Beflimmung des Pradikats nur in dem DVerhältniß der 
logifhen Möglichkeit gedacht wird, und das adverfative 
Berhältmiß (der Gegenfas) foll hervorgehoben werden; fo begeich- 
net man das Verhaͤltniß der Togifhen Möglichkeit in dem Nebenfage 
durch ein Snterrogativpronomen, meift in Verbindung mit 
auch, und man nennt den Mebenfag einen interrogativen 
Konceffivfag. Diefe Form der Konceffivfäge, befonders mit dem 
interrogativen wie (swie) ift dem Mittelhochdeutfchen fehr geläufig 
($. 236). 

Wie groß dich auch die Königin zu machen verfpricht, trau ihrer Schmei⸗ 
dhelrede nicht. ©. St. 1, 7. Wie glänzend auch die Sachen ihren Feld: 
zug eröffnet hatten, fo rechtfertigte der Erfolg keineswegs die Erwartung. 
©. 305. Kr. Wie weit er auch fpähet und blicket, und die Stimme, die 
rufende, fchicket, da ftößet Fein Rachen vom fichern Strand. ©. Bürgfchaft. 
Und ein Gott ift, ein heiliger Wille Lebt, wie auch der menschliche wanke. 
©. Worte d. Gl. Wie fehr auch Euer Innres widerftrebe, gehorcht der 
Zeit und dem Gefeg der Stunde! ©. St. 3, 3. Sie werben die Geſchenke 
meiner Liebe, wie arm fie find, darum gering nicht achten. Daf. 5, 6. 
Mas Shr auch zu bereuen habt, in England feid Ihr nicht fchuldig. 
Daf. 1,4 Was er aud bringen mag, er barf den Meutern nicht in bie 
Hände fallen. S. W. Tod 3, 10. Was es auch fei, dein Leben fichr' 
ıh dir. S. 31.3,3. Was ihn auch anregt, fein inneres Behagen 
Eommt zum Vorfchein. G. Wo. 2,5. Welch tapfres Haupt auch dies 
fer Helm bebedt, er Tann kein würdigeres zieren. S. Ivo. Prolog 3. 
Welcher er fei, er hat mein Herz erfreut. ©. 


Fünftes Kapitel. 
Periode. 


$. 239. 


Periode (die, minder gut der, lat. periodus, griech. reg/edoc) 
bedeutet eigentlich Umweg, Umgang, Umlauf, Kreislauf. Der Aus: 
druck wurde dann auf befondere Arten von fprachlihen Sägen über: 
tragen, und man bezeichnet damit im weitern Sinne einen jegli=- 
chen in ſich nach allen feinen vorliegenden Beziehun: 
gen abgeſchloſſenen Gedanken. — Jede Periode im engern 
Sinne verbindet zwei einander logiſch untergeordnete 
Urtheile zu Einem Gedanken, und beſteht demnach nothwen— 
dig aus einem Vorderſatze, der insgemein den logiſch untergeord— 
neten Gedanken ausdrüdt, und aus einem Nachſatze, der den 
Hauptgedanken ausdrüdt. 

Anm. Über Wefen und Bedingungen der Periode herrfcht noch immer 
große Meinungsverfchiedenheit, welche hauptfächlich daher rührt, daß 
bald die äußere Form, bald das innere Verhältniß der Gedanken zu fehr, 
oder ausſchließlich berüdfichtigt wird. 


— 152 — 


$. 240. 


Da die Periode offenbar mehr ſtyliſtiſche (chetorifche) als gram- 
matifche Bedeutung hat, fo muß zwifchen dem Vorder- und Nachſatz 
ein gewiſſes Ebenmaß beftehen. Insgemein geht der Grund ald der 
logifch untergeorbnete Gedanke in dem Vorderfage voran; und Der 
andere Gedanke folgt ald Hauptgedanke in dem Nachſatze nach. Wenn 
jedoch ber logifche Werth des wirklichen, möglichen oder adverfativen 
Grundes befonders hervorgehoben wird, fo hat er den Hauptton und 
folgt im Nachſatze nad. Die Periode iſt alsdann eine invertierte 


(umgekehrte) Periode. 

Da es aber freilich nicht immer fehidlich fein mag, und ich nicht jederzeit 
meine Gefchäfte erzählen kann; fo will ich mich Fünftig mehr zurückhalten. 
&.Wp. 1,6. Wenn du nah Haufe Rückkehr hoffen kannſt, fo fprech’ 
ich did) von aller Fordrung los. Doch ift ber Weg auf ewig dir verfperrt, 
fo bift du mein durch mehr ald Ein Geſetz. G. 3.1, 3. Erreichſt du 
einen Theil von feinem Werth, bleibt dir ein Theil auch feines Ruhms ge: 

wiß G. T. 2, 1. Wofern wir dem Donner, Gottes rächendem Donner 
zuvorzulommen nicht cilen, wird mit ihm uns Gott zerfchmettern. RI. 
Meſſ. 4, 145. Befiehlt mir gleich die Klugheit und die Pflicht, die ich 
bem Reich, dem Kaifer fchuldig bin, daß ich mein wahres Herz vor ihm 
verberge; ein falfches hab’ ich niemals ihm geheuchelt! ©. P. 1,3. — 
Eduard ſtimmte gern bei, weil es mit feinen Abfichten übereintraf. G. Wo. 
1, 13. Mand) blutig Zreffen ward um nichts gefochten, weil einen Sieg 
ber junge Feldherr braucht. S. P. 2,7. Dir blüht gewiß das fehönfte 
Glück der Erde, da du fo fromm und heilig bift. ©. Ivo. 3, 4. Gebt, 
fpringt ihm bei, wenn ihm noch Hülfe frommt, Daf. 3, 7. Gar manche 
Zuftände diefer Erdoberfläche würden nie zu erklären fein, wofern man 
nicht größere und Eleinere Gebirgsftreden aus der Atmofphäre herunter: 
fetten und weite breite Landfchaften durch fie bedecit werden laſſe. G. 

j. 2, 10. 


$. 241. 


Die einfache Periode beſteht aus zwei Gliedern, aus einem 
Vorderfag und einem Nachſatz. Beide Glieder (oder doch eins 
berfelben) können nun aber für fi) auch Perioden fein, und als folche 
zu einem größeren periodifchen Ganzen mit einander verbunden werden. 
Diefe Sapform nennt man zufammengefeste Periode. 


Sch müßte die That vollbringen, weil ich fie gedaht?! S. T. 1, 4. Er hatte 
die Dienfte feines Hofes deswegen verlaffen, weil nicht Alles nach feinem 
Sinne ging. G. 8.6. Er ehrt die Wiffenfchaft, fofern fie nutzt. G. 8. 
1,4. Wäre ed möglich gewefen, den Vater zu erheitern; jo hätte biefer 
Zuftand wenig Drüdendes gehabt. &. Lj. 6. Wie ftünd’s um euch, zög’ 
ich mein Heer zurüd? ©. Ivo. 2, 1. — Will man dem Realiften Gerech⸗ 
tigkeit widerfahren laffen, fo muß man ihn nad) dem ganzen Zufammen= 
hange feines Lebens richten; will man fie dem Idealiſten erweifen, fo muß 
man ſich an einzelne Xeußerungen desfelben halten. S. Wenn Außen⸗ 
dinge ung überall nicht zu rühren vermöchten, und kein lebhafteres Ver: 
langen jemald unfere Bruft erwärmte; wenn ein Zuftand ung glüdlicher 
ſchiene, ald der andere, und wir an keinen Befis und gewöhnen könnten ; 
oder auch, wenn jedes Gelüften unferer Sinne geftillet, jeder erwachende 


— 153 — 


Trieb befriedigt und, was uns einmal nothwendig geworben wäre, ung 
nie wieder entriffen würde: mit Recht möchten wir dann bie Kunft zu 
entbehren für eben fo unnüß halten, als lächerlih. Dräfete, der Gewinn 
am Grabe unferer Krühperklärten. 


$. 242, 


Die zufammengefegte Periode Bann gleich= oder ungleich— 
gegliedert fein, d.h. Vorder: und Nachſatz Eönnen gleiche oder un: 
gleiche Zahl von Gliedern haben. Daraus entftehen drei=, vierz, 
fünf, fech8gliederige Perioden; bie beiden legten find übrigens felten. 
Den gleichgegliederten Perioden wird wegen des Ebenmaßes bes Vor: 
derz und Nachfages der Vorzug vor den ungleichgegliederten zuge: 
ftanden. 


$. 243. 


Ein ſchoͤner Periodenbau vermeidet die Häufung von Neben: 
fügen, befonders die Einfchachtelung derfelben, weil fonft die Haupt: 
erforderniffe ‘einer guten Periode, Klarheit und Wohlklang, 
Beeinträchtigt werden. 


g. 241. 


Da eigentlich ale Sasgefüge Perioden find, fo gehören alle 
in den $$. 89-—238 angeführten Beifpiele auch hierher. Es mögen 
übrigens bier, zum ſchnelleren Verſtaͤndniß des ſtyliſtiſchen Baues, 
noch mehre Beifpiele in auffteigender Gtiederzahl ftehen. 

1. Zwar ward ich jung an diefen Strand geführt; doch wohl erinnr' ich 
mich des fcheuen Blids, den ich mit Staunen und mit Bangigkeit auf 
jene Helden warf. G. 3. 3,1. Wenn du mir gleich in Briefen ſchon ges 
meldet, was du gethan und wie es bir ergangen; fo hab’ ich doch noch 
Manches auszufragen,: durch welche Mittel das Gefchäft gelang. G. 2. 
1,4. Ihn mußt’ ich ehren, barum Tiebt’ ich ihn. Daf. 3, 2. Genommen 
ift die Freiheit, nicht gegeben, drum thut es Noth, den Baum ihre anzu: 
legen. ©. Tl. 1, 2. Ganz Zonnte ich zwar das Gedicht nicht leſen; es 
waren aber Stellen, bie ich auswendig wußte. ©. %. 1,7. Vorwärts 
mußt du, denn rückwärts Fannft du nun nicht mehr. ©. 9.1,3. Was 
ih mir ferner auch erftreben mag; das Schöne ift doch weg, das kommt 
nicht wieder. ©. 3.5, 3. 

2. Wie es dem Menfchen eher gelungen ift, von den Gefegen des Weltbaues 
Etwas zu verftchen, ale die Gefege der Witterung einzujehen; wie fie 
beſſer gelernt haben, Finfterniffe an Sonne und Mond, als Regen und 
Wind in unferer Atmoiphäre vorauszufagen: fo haben fie auch über den 
Gang der großen politifchen Angelegenheiten und die Erfolge von Staats: 
handlungen in Abficht des Schickſals der Völker deutlichere Begriffe, als 
über den Lauf und den Erfolg der Kamilien= und perfönlichen Begeben⸗ 
heiten. Garve. — Wollet ihr euch diefe Vortheile fichern: fo laffet euch 
durch die mißlungenen fchreclichen Verſuche, bürgerliches Wohl ohne Ne: 
ligion und Chriftentbum gründen zu wollen, warnen; fo fuchet durch das 
Beifpiel wahrer Krömmigkeit, welches ihr aufftellet, durch die Erziehung, 
die ihr euern Kindern gebet, durch den Eifer, mit welchem ihr über bie 
öffentliche Verehrung Gottes haltet, buch thätige Unterflügung alles 


— Aa — 


deſſen, was zur Ehre des Evangeliums gereichen und die Wirkſamkeit des⸗ 
ſelben befördern kann, religidfen Sinn und wahre chriſtliche Tugend zu 
verbreiten, und dann fürchtet nichts. Reinhard, Predigt am Feſte der Er⸗ 
ſcheinung bei Eröffnung bes allgemeinen Landtages. — Wenn ſich in 
einem glüdlichen friedlichen Zufammenleben Verwandte, Freunde, Haus: 
genoffen, mehr als nöthig und billig iſt, von bem unterhalten, was ge= 
fhieht oder gefchehen foll; wenn fie fich einander ihre Worfäge, Unterneh⸗ 
mungen, Beichäftigungen wiederholt mittheilen, und ohne gerade wechſel⸗ 
feitigen Rath anzunehmen, dody immer das ganze Leben gleichſam rath⸗ 
fhlagend behandeln: fo findet man dagegen, in wichtigen Momenten, eben 
da, wo e8 fcheinen follte, ber Menfch bebürfe fremden Beiftandes, fremder 
Beftätigung am allermeiften, daß.fich die einzelnen auf fich felbft zurück⸗ 
ziehen, jedes für fich zu handeln, jedes auf feine Weife zu wirken ftrebt, 
und indem man fid) einander bie einzelnen Mittel verbirgt, nur erft der 
Ausgang, die Zwecke, das Erreichte wieder zum Gemeingut werden. ©. 
v. 2, 15. 

3. Denn wenn er (Eduard), empfänglidy wie er war, leicht aufloderte, wenn 
fein lebhaftes Begehren zudringlich ward, wenn feine Hartnädigkeit un 
geduldig machen fonnte; fo waren doch alle feine Aeußerungen durch eine 
vollkommene Schonung des andern bergeftalt gemildert, dag man ihn im⸗ 
mer noch liebenswürdig finden mußte, wenn man ihn auch bejchwerlicdh 
fand, G. Wo, 1,2. — Seitdem wir nicht mehr jo glücklich find, bie Reſte 
eines geliebten Gegenftandes eingeurnt an unfere Bruft zu drüden; ba 
wir weder reich noch heiter genug find, fie unverfehrt in großen wohl aus⸗ 
gezierten Sarfophagen zu verwahren; ja da wir nicht einmal in den 
Kirchen mehr Platz für uns und für die Unfrigen finden, fondern hinaus 
in's Freie gewiefen find: fo haben wir alle Urfache, die Art und die Weife, 
bie Sie, meine gnäbige Frau, eingeleitet haben, zu billigen. ©, Wo. 2,1. 
— Wenn ich fonft vom Felſen über ben Fluß bis zu jenen Hügeln das 
fruchtbare Thal überfchaute, und Alles um mich her quellen und keimen 
ſah; wenn ich jene Berge vom Zuß bis zum Gipfel mit hohen, dichten 
Bäumen bekleidet, jene Thäler in ihren mannigfaltigen Krümmungen von 
den Tieblichften Wäldern befchattet fah, und der fanfte Klug zwifchen den 
lispelnden Rohren bahingleitete, und bie lieben Wolken abjpiegelte, bie 
der fanfte Abendwind vom Himmel herüberwiegte, wenn ich dann die 
Vögel um mich den Wald beleben hörte, und die Millionen Mücken⸗ 
ſchwaͤrme im legten Strahl der Sonne muthig tanzten, und ihr lester, 
zudender Bid den fummenden Käfer aus feinem Graſe befreite, und das 
Schwirren und Wehen um mid her auf den Boden aufmerffam machte, 
und das Moos, das meinem harten Zelfen feine Nahrung abzwingt, und 
das Genifte, das den bürren Sandhügel herunter wächſt, mir das innere, 
glühende, heilige Leben der Natur eröffnete: mie faßte ich das Alles in 
mein warmes Herz, fühlte mich in der überfließenden Fülle wie vergöttert, 
und die herrlichften Geſtalten der unendlichen Welt bewegten fich allbelebend 
in meiner Seele. &. Werthers Leiden. — Wenn feine Gegner, die Fürften ber 
Ligue, unter fich felbft getheilt, von ganz verfchiebenem, oft ftreitendem In: 
terefje geleitet, ohne Einftimmigkeit und eben darum auch ohne Nachdruck 
bandelten ; wenn es ihren Feldherrn an Vollmacht, ihren Truppen an Ges 
horfam, ihren zerftreuten Heeren an Zufammenhang fehlte; wenn ber Heer⸗ 
führer von dem Gefengeber und Staatsmann getrennt war: fo war hin⸗ 
gegen in Guſtav Adolph Beides vereinigt, Er die einzige Quelle, aus wel⸗ 
cher alle Autorität floß, das einzige Ziel, auf welches der handelnde Krie= 
ger die Augen richtete, Er allein die Seele feiner ganzen Partei, ber 
satte des Kriegsplans und zugleich der Vollſtrecker desfelben. S. 30j. 

r. 3. B. 


— 


4 


& 


—— 155 — 


Ze mehr wir mit Aeußerungen bes Lafters umgeben find; je Öfter wir bie 
Ausbrüce desfelben mit Augen fehen: deſto leichter vermindert ſich der 
Abfcheu dagegen; befto mehr gewöhnen wir uns an den fchändlichen An⸗ 
blick; defto geneigter werben wir, mitzumachen, was fo häufig gefchieht. 
Reinhard. — Wenn’s Männer gäbe, die ein weiblich Herz su fchägen 
wüßten, bie erfennen möchten, welch einen Holden Scha& von Zreu’ und 
Kiebe der Buſen einer Frau verwahren kann; wenn das Gebädhtniß eins 
zig fehöner Stunden in euern Seelen lebhaft bleiben wollte; wenn euer 
Blick, der fonft durchbringend ift, auch durch den Schleier dringen Eönnte, 
den uns Alter oder Krankheit überwirft, wenn ber Befitz, der ruhig 
machen foll, nach fremden Gütern euch nicht Lüftern machte: dann wär’ 
uns wohl ein fchöner Zag erfchienen, wir feierten dann unfre goldne Zeit. 
G. T. 2,1. — Iſt er in einer Löblichen Freiheit, umgeben von fchönen 


‘und edlen Gegenftänden, in dem Umgange mit guten Menfchen aufge: 


wachen; haben ihn feine Meifter das gelehrt, was er zuerft wiffen mußte, 
um das Mebrige leichter zu begreifen; bat er gelernt, was er nie zu vers 
lernen braucht; wurben feine erften Handlungen fo geleitet, baß er das 
Gute kuͤnftig leichter und bequemer vollbringen Tann, ohne fich irgend 
etwas abgewöhnen zu müffen: fo wird diefer Menfch ein reineres, voll 
kommneres und glüdlicheres Leben führen, als ein anderer, der feine erften 
Sugendfräfte im Widerfland und im Irrthum zugefegt hat. G. 2j. 2,9. 


. Wenn Luciane, meine Zochter, die für die Welt geboren ift, fich dort für 


die Welt bildet; wenn fie Sprachen, Gefchichtliches und was fonft von 
Kenntniſſen ihr mitgetheilt wird, fo wie ihre Noten und Variationen vom 
Blatte wegfpielt, wenn bei einer lebhaften Natur und bei einem glüdlis 
hen Gcdächtniß fie, man möchte wohl fagen, alles vergißt und im Augen⸗ 
blicke fih an afles erinnert; wenn fie durch Freiheit des Betragens, An⸗ 
muth im Zange, fchicliche Bequemlichkeit des Geſpraͤchs fich vor allen 
auszeichnet, und durch ein angebornes herrfchendes Wefen fih zur Könis 
gin des Elcinen Kreifes macht; wenn bie Vorfteherin diefer Anftalt fie ale 
eine kleine Gottheit anfieht, die nun erft unter ihren Händen recht gedeiht, 
die ihr Ehre machen, Zutrauen erwerben und einen Zufluß von andern 
jungen Perſonen verfchaffen wird; wenn die erften Seiten ihrer Briefe 
und Monatöberichte immer nur Hymnen find über die Vortrefflichkeit 
eines folchen Kindes, die ich dann vecht gut in meine Profe zu überfegen 
weiß: fo iſt Dagegen, was fie fehließlich von Ottilien erwähnt, nur immer 
Entfhuldigung auf Entfchuldigung, daß ein übrigens fo fchön heranwach⸗ 
fendes Mädchen fich nicht entwideln, Feine Fähigkeiten und keine Fertig: 
feiten zeigen wolle. G. Wv. 1,2. — Denn nur dann, wenn ung nichts 
die Befonnenheit rauben kann, mit der fih Chriften unter allen Umftän- 
den betragen follen; wenn der Glaube in ung ift, daß alles unter Gottes 
Regierung fteht, und ohne feinen Willen kein Haar von unferm Haupte 
fällt; wenn und der Muth defeelt, den das Vertrauen auf Gottes Regie⸗ 
rung einflößt, und der feft entfchloffen ift, was auch erfolge, unerfchroden 
und treu an feiner Pflicht zu halten: nur dann, wenn wir ung dieſer 
Faſſung bewußt find, werben wir die Veränderungen der Zeit in ihrem 
wahren Licht erbliden, und richtig beurtheilen; nur dann werden wir zu 
Rathe darüber gehen können, welche Vorkehrungen und Maßregeln bie 
Beichaffenheit ber Zeit Heifchen dürfte; nur dann werden wir ung ſtark 
genug fühlen, dem Ungeftüm der Zeit ein flandhaftes Benehmen entgegen 
zu feßen, und von ihren Wohlthaten einen überlegten Gebrauch zu 
machen. Reinhard, Predigt am Fefte der Erfcheinung bei Eröffnung des 
allgemeinen Landtags. — Wer nur denjenigen groß nennt, ber in einem 
ungewöhnlichen Grade Alles iſt, was er foll; wer aus der Anzahl großer 
Monarchen jeden ausflößt, beffen Regierung nicht durch ihn felbft, fon= 


— 


—— 156 — 


dern nur durch das glüdliche, einträchtige Genie vortreffliher Diener 
slänzte, und ber nur weife genug war, fich leiten zu laffen, da er ſelbſt 

. hätte leiten follen; wer, mit unverwandtem Blick auf den einzigen würbi- 
gen Zwed eines Königs, Feine, auch nicht die glänzendften, Thaten be= 
munbert, fobald fie jenem Zwecke entgegenlaufen ,; wer das, einfeitige Ta⸗ 
lent des Krieger von dem manigfaltigen, fo viel andere Talente in fich 
fließenden eines Monarchen unterfcheider: der wird der großen Könige, 
groß im ächten Sinne des Wortes, durch gange Sahrhunderte und unter 
ganzen Nationen, vergebens fuchen; er wird, fchon eh” er fucht, ihrer nur 
Außerft wenige zu finden hoffen. Engel, Lobrede auf Friedrich I. 


$. 245. 


In dem vorangehenden Paragraphen haben wir, wie fihon frü- 
ber, 3.8. 8.160. 169, manche Beifpiele gefehen, in denen, wegen der 
Menge untergeordneter und eingefchachtelter Säge verfchiedener Art, 
Klarheit und Wohlklang mehr oder minder beeinträchtigt werden. 
Hier mögen noch einige Beifpiele mitgetheilt werden, die alles Map 
überfchreiten.. Bei dem Beifpiel aus Rabener darf man Übrigens 
nicht vergeflen, daß es eine fatirifche „Klage wider die weitläuftige 
Schreibart“ ift. 

Wenn fie Abends fchieden, nicht weit vom Wieberfehen, und dann in Nor⸗ 
ben unten am Himmel ſchon bie Roſenknospenzweige binliefen, die unter 
dem Menfchenfchlafe ſchnell nach DOften hinwuchſen, um mit taufend aufge: 
blühten Rofen vom Himmel herabzuhängen, eh’ bie Sonne wieder fam und 
bie Liebe, und wenn fein Freund Karl Nachts bei ihm blieb und er nad) 
einer Stunde fragte, woher das Licht fomme, ob vom Morgen oder vom 
Mond, und wenn er aufbrach, da noch Mond und Morgen in den thauen= 
den Luftwäldern zufammenfchienen, und wenn ihm der Weg, vor einigen 
Stunden zurüdgelegt, ganz neu vorkam und die Abmwefenheit zu lange 
(weil Amors Pfeil halb ein Sefundenzeiger ift, der den Monattag, und 
halb ein Monatzeiger, der bie Sekunde weifet, und weil in der Nähe der 
Geliebten die Eleinfte Abweſenheit Länger dauert als in ihrer Kerne die große), 
und wenn er fie wieder fand: fo war die Erbe ein Sonnenkörper,aus wel: 
chem Strahlen fuhren, fein Herz ftand in lauter Licht, und wie ein Menfch, 
der an einem Frühlingmorgen von dem Frühlingmorgen träumt, ihn nod) 
heller um fich findet, wenn er erwacht, fo fchlug er nach dem feligen Jugend⸗ 
traum von ber Geliebten die Yugen auf vor ihr und verlangte den fchönften 
Traum nicht mehr. 3. Paul, Zitan 67. — Nachdem nun von meinem 
hochgeehrteften Herrn hierdurch ich befehliget zu fein glaube, dasjenige, fo 
zur Außsbefferung der deutfchen Sprache dienet, treufleißigft und pflicht: 
Shuldigfter Maßen beizutragen, mithin ben Vorwurf mit Grunde nicht 
befürchten darf, quod culpa sit, immiscere se rei ad se non pertinenti 1. 36. 
D. de R. I., wenigftens wider den Elaren Inhalt der Gefege laufen würde, 
wenn jemand, daß ich mir diefe Freiheit nehme, übel deuten wollte, quia 
quotiens dubia interpretatio libertatis est, secundum libertatem responden- 
dum erit, 1. 20. ibid. und aber in den bisherigen Monaten obmentionirter 
Schrift ich mipfällig wahrnehmen müflen, daß Diefelben und zwar von 
verfchiedinen Arten der Gelchrfamkeit Regeln und Proben mitaetheilet, 
im Gegentheil, wie die Schreibart männlich und bündig einzurichten fei, 
micht allein gefliffentlicher Weife Feine Anleitung gegeben, eius enim est 
non nolle, qui potest. velle. Ulpianus l. 1. ad Sabin., fondern auch zum 
mehreſten folche Stüde und vorgelegt, in welchen öftermals bie gründ- 


.:-"w- m TI ur Tr 3 Win WR 


— 17 — 


\ 
lihften Sachen durch eine widrige Schreibart efelhaft, die Lefer bei den 
bündigften Beweifen durch eine gerdrießliche Weitläuftigkeit müde gemacht, 
und dasjenige in fünfzig Perioden eingehüllet worden, was doch auf die 
angenehmfte und deutlichfte Art in cinem einzigen Sage vorgetragen wer: 
den Eönnen, follen oder mögen; injustus enim videtur, qui per ambages 
exponit, quod una formula comprendere potest. Pyrrhus Mauritius de Sa- 
tisd. et fidei. Et illa actio est optima, quae brevissima. vid. Lanfrancus de 
Oriano, de dilat. cf. Mantica de convent. it. Loriottus de transact. et Cac- 
cialupa de off. advoc. als habe Ew. Hochedl. folches ich nicht bergen moͤ⸗ 
gen, mit dem Ermahnen, Sie wollen, daß folchem allem abheifliche Maße 
gegeben, und bie bisherige weitläuftige Schreibart geändert, auch alles in 
einer beliebigen Kürze abgefaßt werden möge, gebührende Sorge tragen 
oder, entftehenden Falls, daß ich dieferhalb nach gegenwärfiger Probe 
eigne Regeln entwerfe, und Denenfelben zur Bekanntmachung fürs künf⸗ 


| tig überfende, Sich unfehlbar gewärtigen. Rabener. — Wenn, in dem 


Auge Blig, Zermalmung in dem Rachen, umher Geheul und Blut und 
Tod an feinem Schritt, der Löwe Libyens aus feiner Höhle tritt, den Ser: 
nen ftumme Furcht und mitternächtlihs Wachen, und felbft dem Muthe 
Flucht gebeut, und die Verweſung Peft um feine Stätte ftreut; und wenn 
der Blutftrom nicht den wuthgefpornten Zungen des Gaumens Flammen 
löscht, ihr Orimm die Thierwelt jagt, und banaes Leben brüllt, dem frühe 
Flucht gelungen, und Stärke nicderreißt, die zu verweilen wagt; wenn, 
donnernd, den Orkan der Erde Beben mwedet, und er von Pol zu Pol, 
Verderben zürnend, ftürmt, mit Wolkenñacht die Sonne dedet, und Städt’ 
und Berge wälzt, das Meer an Sterne thürmt, Gewitter in dem Schooß, 
und Blitze auf dem Flügel, dem Elementenbund, und ber Planeten Zügel, 
bei aller Wefen Furcht, ergrimmt, und den Geſang des Alld dem Weifen 
nicht verfliimmt; wenn, wo mit Gold bemalt der Lüfte Sänger wohnet, 
die Sonne, längft entflohn, noch auf dem Pico thronet; wenn dort der 
Alpen Eis die Sinne wonnig trügt, und bald den nahen Lenz, bald dia⸗ 
mantne Seen, wo Himmel fich befchaun, und Eeine Stürme wehen, und 
einen Pharus bald von ewgen Fadeln lügt, den, zu des Pilgers Heil um 
Titans goldnen Wagen zehntaufend Felfenleuchter tragen; wenn dort das 
Roß fein flolzes Haupt befanntem Zügel, freudig, ſchmieget, und eh es in 
die Schlachten flieget, Trotz, Kampfluft und Verderben ſchnaubt; wenn 
feine Ungeduld zu Staub den Kiefel flampfet, und es, entglühet, Wolken 
dampfet, und, braufend, feiner Mähne Pracht dem Sturmwind leiht, und 
wiehernd Flammen facht, und nahe Schlacht und Siege ahnet, und beim 
Zrommetenfchall fi in die Lüfte thürmt, mit furchtbarm Hach! vom 
Reuter ungemahnet, in Lanz und Schwert und Flammen ftürmt; wenn 
junge Reben bier vom Mai gefüßt fi wähnen, im heuchelnden April 
vom Sonnenbli erfreut, und Blüte, die ihr Traun beim erften Nord 
bereut, das Bild der in Gefahr zu Eühnen Unfchuld beut: ihr legtes Lä- 
cheln unter Thränen; wenn wirbeind die Planetenwelt, wie cine Million 
Vulkane die Sonne ewig neu, die Kichfesoceane ans bläuliche Zenith 
durchs Unermeßne prellt; wenn Segen diefer Glob, am Berg, im Quelle 
glühet, und ihm Fein Hälmchen fich im Uranus verftectt, wenn maaßlos 
größere der Urmacht Finger weckt, und, Funken gleich, ins AU myriaden⸗ 
weife ſprühet; wenn unvollendet dort ber fiebenfarbne Kranz, die Segen: 
hand, die jede Jahrszeit Erönet, der Sonnen und Planeten Tanz — das AU 
der Gottheit — dir, dem Lamm und Wurme fröhnet, fo muß, o Freund, 
dein Herz — hier jedes Sinnes Ohr, dem Wort des Ewigen entglimmen ! 
Klein, Athenor 11. Geſang. 


— 158 — 


Sechstes Kapitel. 
Wortfolge. 
6. 246. , 


Die Glieder des Satzes und eines jeden Sagverhältniffes folgen 
in der Rede In einer durdy die Verhältniffe des Gedankens und der 
Begriffe beftimmten Ordnung auf einander, die man die Wort- 
folge des Sages und der Sagverhältniffe nennt. 

Anm. Vergleiht man die Altern Sprachen mit den neueren, und insbe= 
fondere die altdeutfche mit der neubeutfchen ; fo ift e8 auffallend, daß bie 
Wortfolge in den neuern Sprachen überhaupt weniger frei und weit be- 
flimmter ift, als in der älteren. Dis hat feinen Grund zum Theil darin, 
bag in den neuern Sprachen die Logische Seite mehr entwidelt, und da⸗ 
her die Wortfolge, wie andere Kormen logiſcher Verhältniffe, mehr be: 
flimmt ift, zum Theil in dem immer mehr zunehmenden Einfluffe der 
Schriftſprache. 


8. 247. 

Man nennt die Form des Satzes und der Saxtzverhaͤltniſſe, in fo 
fern die geammatifhen Beziehungen ihrer Ölieder auf 
einander duch die Flexion und durch Prapofitionen aus: 
gedruckt find, die grammatifhe Form des Satzes und der Sag: 
verhältniffe. — Man nennt die Form des Satzes und der Satzver⸗ 
bältniffe, in fo fern die Einheit des Gedankens in dem Sage und 
die Einheit des Begriffes in einem Sagverhältniffe und der logiſche 
(d. h. durch den Redeton bezeichnete) Werth der Glieder in dem 
Sage und in den Sagverhältniffen durch die Betonung umd 
Wortfolge und duch die Form des Ausdruds bezeichnet 
werden, bie Logifhe Form des Sages und der Sagverhäftnifie. 


8. 248, 


Die Logifche Form des Sages und der Sapverhältniffe ent: 
fprht insgemein der grammatifchen Form derfelben: der Sag 
und die Sagverhältniffe haben alsdann die ihren Beziehungsverhält: 
niffen entfpeehende Betonung und Wortfolge; man nennt bie 
Erftere die yrammatifhe Betonung und die kegtere die ge: 
meine Wortfolge. — Wenn aber in dem Gedanken des Spre: 
chenden bie den grammatifchen Beziehungsverhältniffen des Sages 
und der Sugverhältniffe entfprechende Unterordnung ber Ölieder 
umgefehrt, oder der logifche Werth eines Gliedes befonders her: 
-vorgehoben wird; fo entfpricht die Logifche Form des Sages nicht 
mehr feiner geammatifchen Form. Die logifche Form wird alddann 
als eine der grammatiſchen nicht mehr entfprechende durch den Rede: 


— 159 — 


ton und durdy eine ungewoͤhnliche Wortfolge bezeichnet, die man 
die umgekehrte Wortfolge (Snverfion) nennt. 


g. 249. 


Die Wortfolge bezeichnet die Einheit des Gedankens in 
dem Sage und die Einheit des Begriffes in dem Sagverhält: 
niffe dadurch, daß die Glieder desfelben Sages und eben fo die Glieder 
desfelben Sagverhältniffes nicht getrennt werden, fondern neben 
einander ſtehen. — Die Wortfolge bezeichnet die Unterord— 
nung, in welcher die Begriffe in den Sagverhältniffen mit einander 
ftehen, dadurch, daß dasjenige Glied, welches den größeren logiſchen 
Werth (ſtaͤrkeren Ton) hat, insgemein dem andern Gliede, das ge- 
ringeren logifchen Werth hat, nachfolgt. 


1. Wortfolge des prädifativen Sagverhältniffee. 
$. 250. 


In der gemeinen Wortfolge des präadikativen Satzverhaͤltniſſes 
nimmt das Subjekt die erfte, die Kopula (das Satzband), d. h. 
das flektierte Verbum die zweite, das Prädikat (die Ausfage), 
fei e8 ein Adjektiv, ein Subjtantiv, ein Infinitiv, ein Participium 
oder das trennbare Formwort eines trennbaren Verbums, die dritte, 
oder bei mangelnder Kopula die zweite Stelle ein. 


Die Kunft ift lang. 

Es ift unmöglich). 

Shr feid ein Meifter. 

Ich kann (nicht) warten. 

Ich will's | verfuchen. 

Das Wafferhuhn taucht unter. 

Die Fifche [pringen. 

Shr | fehet diefen Hut. 

Ihr habet diefen Hut gefehen. 

Er ift krank gewefen. 

Ich habe (das) hören müffen. 

Alles hätte (auch) gefchehen fein Eönnen. 
$. 251. 


Die umgekehrte Wortfolge (Snverfion), bei der das 
Subjekt der Kopula nachfolgt, findet immer Statt, wenn entweder 
das Subjekt, oder das. Prädikat oder die Kopula (die Ausfage des 
Verbums) durch die Wortfolge fol hervorgehoben werden, und wenn 
ein Objekt an die Spige des Sages geftellt wird. 

a) Soll dag Subjekt hervorgehoben werden, fo nimmt e8 die 
Stelle nad) dem Berbum ein; aber das Pronomen es (das, dies) 
tritt alsdann als ſcheinbares grammatiiches Subjekt vor das Verbum. 

b) Soll das Prädikat hervorgehoben werden, fo tritt es vor 
das Verbum an die Spige bed Satzes. 


— 4160 — 

c) Sol die Ausfage des Verbums (Kopula) hervorgehoben wer: 
den, fo teitt das Verbum vor das Subjekt. Diefe Umkehrung wird 
gebraudht: «) in Snterrogativfägen; P) in Imperativ- und Optativ- 
fägen; y) wenn die logifche Wirklichkeit eines Urtheild hervorgehoben 
werden fol. 

d) Ein Objekt wird als der Hauptbegriff des ganzen Satzes 
dadurch hervorgehoben, Daß es an die Spige des ganzen Satzes ge: 
ftellt wird. | 





Es find Verbrechen begangen (worden). 
a) Es zieht die Freude (indie Wohnung) ein. 
Es rollt der Donner. 
Ernft ift das Leben. . 
b) | Zerftreut find die Gefährten. 
Geſiegt hat der Muth. 
Biſt du der Gebieter? 
Willſt du Ernſt machen? 
) Kann das geſchehen? 
“IN Seien Sie | aufrichtig ! 
Möge er (lange) leben! 
MWart Ihr doch fonft ſo froh! 
Marien Stuart , hat fein Glüdlicher beichügt. 
d) < Alte Wappenbücer flug ich auf. 
Nur von Edlem tann Edles ftammen. 
$. 252. 


Sehr oft wird mit derfelben Inverſion des Satzes der Kaſus 
eines Pronomens oder ein adverbiales Formwort mit unter: 
geordneter Betonung an die Spige des Satzes geftelt. Man 
macht von diefer Wortftelung insgemein Gebrauch, wenn das Prä: 
dikat oder aud) das Subjekt joll hervorgehoben werden. Die Eon: 
junftionellen Adverbien, z. B. doch, dennoch, jedoch, zwar, 
indeffen, erfordern, wenn fie an dig Spige des Satzes geftellt wer: 
den, wie ein anderes Adverbium, die umgekehrte Wortfolge. 

Dich ruft ber Herr zu einem anderen Gefchäft. ©. Ivo. 1,10. So muß 
ich fallen in des Feindes Hand. S. Zi. 1,1. Da ift der Tell, er führt 
das Ruder auch. Daf. 1,1. Doc ſchielt' ich feitiwärts, wo mein Schieß⸗ 
zeug lag. Daſ. 4, 1. — Leicht bei einander wohnen die Gedanken; doch 
hart im Raume ftoßen fih die Sahen. ©. I. 2,2. Zwar ſchweigt er 
auch von dir; doch haben hingeworfne Worte mich belehrt. ©. 3. 1, 2. 


$ 253. 

Sn dem praͤdikativen Sagverhältniß kann der Hauptfag 
die gemeine oder umgefehrte Wortfolge haben (8.250); der Ne: 
benfag hat in der Regel die gemeine Wortfolge. — Wenn in dem 
Mebenfage das Verhaͤltniß der logifhen Möglichkeit mit Auslaffung 
ber Konjunktion duch) den. Konjunktiv bezeichnet wird ($. 100. 181), 
bat der Nebenfag die Wortfolge eines Hauptfages. — Wenn in dem 


2 


. 
. 


— At — 


Nebenſatz ein Hilfsverbum oder auch ein anderes mit einem Infinitiv 

verbundenes Verbum in einer zuſammengeſetzten Zeitform ſteht; 

ſo wird gewoͤhnlich, aus rhythmiſchem Grunde, die Ausſage vor das 

Praͤdikat geſtellt. — Soll das Subjekt des Nebenſatzes beſonders 

hervorgehoben werden, ſo gibt man ihm die Stelle des Hauptobiektes 

nach einem oder mehreren Objekten. 

Ich will dich retten, koſt' es tauſend Leben. ©. St. 3, 6. Und kommt man 
hin, um etwas zu erhalten, erhält man nichts, man bringe denn was mit. 
G. T. 1, 4. Ein Eilbot ift angefommen, meldet, Regensburg fei genom⸗ 
men. ©. Lager A. — Was du mir Fünftig magft zu hinterbringen haben, 

- fprich es nie mit Sylben aus, S. Dk. 2, 4. Ihr wißt, dag Ihr mich habt er⸗ 
morden laffen wollen. ©. St. 3,4. — Sollen wir erleiden von dem frem⸗ 
den Knecht, was uns in feiner Macht Fein Kaifer durfte bieten? ©. 
Tl. 2,2. Mir ift fihre Kunde zuaefommen, daß zwifchen biefen flolgen 
Lords von England und meinem Better von Burgund nicht Alles mehr 
fo fteht, wie fonft. ©. Ivo, 1, 4. 


2. Wortfolge des attributiven Sagverhältniffes. 
u $. 254. 


In dem attributiven Sugverhältnig nimmt das Attributiv als 
das Hauptwort im Allgemeinen die Stelle unmittelbar nach dem Sub: 
ftantiv der Beziehung ein. — Das atteibutive Adjektiv geht dem 
Subftantiv der Beziehung voran. — Wenn mehrere einander bei: 
- geordnete Adjektive auf dasfelbe Subflantiv bezogen werden; fo ift 
es gleichgültig, welches vorangehe. Wenn jedoch Eins derfelben den 
Medeton hat, fo läßt man diefes insgemein nachfolgen. — Wenn zwei 
Adjektive einander untergeordnet find; fo geht dasjenige Adjektiv, 
- welches das Attribut des mit dem andern Adjektiv fchon zu Einem 
Begriff verbundenen Subftantive ift, voran. in Pronomen oder 
Zahlwort, mit einem Adjektiv verbunden, geht bemfelben auch voran. 
— Die attributiven Adverbien gehen dem Wort, wozu fie gehören, 
voran. Allein folgt gewöhnlich dem Subſtantiv nad). 


Der Unterricht meiner Lehrer dauerte fort. G. 2%. 1,8. Ein Herz, 
wie Eures, wiegt Tonnen Goldes auf. S. P. 4, 4. Shr felbft er: 
tärtet fonft den Schotten Kurl für einen Mann von Zugend und 
Gewifjen. ©. St. 1, 7. — Zur Schmiede ging ein junger Held, er 
hatt’ ein gutes Schwert beftellt. Uhland, das Schwert. Unglückli— 
her, verführter Züngling, flieh! ©. St. 1,6. Der Fremde erkun⸗ 
digte fich nach den Befigern verfhiedener großer Gebäude. G. ©. 
1, 17. — Du wirft diesmal, noch bein altes Amt verwalten. S. P. 
2,4. Diefe neuen, faubern Korderungen, die diefer Queftenberger 
mitbringt. Daf. 1,1. Alleunangenehmen Empfindungen, ©. ©. 
1,9. Er war beim König zwei volle Stunden. ©. DE. 4,4. — Mit 
einem Berluft von fast zweitaufend Zodten. ©. Euer Kerker ift nur 
um ein klein Weniges erweitert. ©, St. 3, 1. Freiheit ift bei der Macht 
Allein. ©. Lager 9, 

Kehrein Grammatik. II. 2. 11 


— 194 — 
8. 255. 


Soll in dem attributiven Sagverhältniß das Subſtantiv der 
Beziehung, ober das attributive Adjektiv hervorgehoben werden, 
fo wählt man die umgekehrte Wortfolge. 


Der Terzky hat der Mutter Ehrenweine preisgegeben. ©. 9. 3,1. 
Sch bin des Kaifers Sffigien fo lang’ ihm beliebt, des Kaifere 
General zu bleiben. Daf. 4,4 Der Bortrag macht des Redners 
Glück. 8.8.1, 37, — Sie ftand bei ihrem Buhlen füß. G. 5.1, 187. 
Er ſetzet die Krone golden in ihr nuſbraunes Haar. Uhlamd, der junge 
König. An dir Gefellen unhold, barſch und toll, if wahrlich we⸗ 
nig zu verlieren. ©. 5. 1, 171. Unferen Schmaus wird zieren ein Korb 
grogmächtiger Erdbeern, Tr panifher, weiß und roth, der Ananas= 
würge vergleichbar. Voß, Luife 1, 154. Den Feldherrn hatten wir 
noch nicht gefehn, ben allvermögenden, in feinem Lager. ©. P. 
1,3. Jene gewaltigen Wetterbäche, aus bes Hagelö unendlichen Schlof- 
fen, aus den Wolkenbrüchen sufammengefloffen, kommen finfter 
geraufcht. S. Bvm. 

Anm. Vgl. weiter l.2,$.202f. II. 1, $. 176, 191. 194. 232, 


3. Wortfolge des objektiven Sagverhältniffes. 
$. 256. 


Die Stelle des Objektes ift in dem Hauptfage, wie in dem 
Mebenfage, vor dem Prädikat, und wenn das Prädikat durch ein 
einfaches (oder untrennbares) Verbum in einer einfachen Flerions- 
form ausgedruͤckt ift, vor der nicht ausgefüllten Stelle des Praͤdi⸗ 


kates. 
a. Gemeine Wortfolge des Hauptſatzes. 


Du haſt des Herzens Stimme (nicht) bezwungen. 
Du wollteſt allen dieſen Glanz verlaſſen? 
ruft die Menſchen an. 


Er 
Sein Flehen dringt zu keinem Retter. 
b. Umgekehrte Wortfolge des Hauptſatzes. 


Haſt du Nichts verſchwiegen? 7 
Gehen wir nach Kärnthen (nicht) zurück? 
Erkennſt du dieſe Stimme? 
c. Wortfolge des Nebenſatzes. 

Ob Ihr Euern Deren verraten wollt. 
Daß bu mit einem Wort betrogen Eh 
Wenn du ihn (nicht) los 
Wenn ein Lauſcher mich inte 
Wortfolge des zufammengefegten objektiven 

Sapverhältniffes. 

8. 257. 


In dem zufammengefegten objektiven Sabverhaͤltniſſe geht jedes 
Objekt demjenigen Objekte, dem es in logiſchem Werthe zunaͤchſt 


— 163 — 


antergeorbnet ift, voran; und das Hauptobjekt des ganzen Satzver⸗ 

häftniffes nimmt die legte Stelle unmittelbar vor dem Prädikat ein. 

— Insgemein flehen die Formwoͤrter (Hilfsverba, Fuͤr⸗, Zahl⸗, 

Vor⸗ und Bindewoͤrter und Adverbia) vor den Begriffäwdrtern 

(Verbum, Subft., Adi.) ; das beftimmende Objekt vor dem ergän> 

jenden Objekt; der Kafus der Berfon vor dem Kafus der Sache; 

dev Akkuſativ vor dem Genitiv und Dativ; das Orts- und 
Zeitvechältniß vor dem VBerhältniffe der mit dem Präbdifate 
verbundenen Shätigkeit und vor dem Eaufalen VBerbältniffe; 
das Zeitverhältniß vor dem Ortsverhaͤltniſſe; alte beſtim— 
nrenden und alle andern ergänzenden Objekte vor dem Öbjekte 
des ergänzenden Raumverhältniffes. — Unter den Form: 
wörtern fliehen die Pronomina insgemein vor den andern Formwoͤr⸗ 
ten; das Perfonalpronomen fteht vor dem Demonfftativpronomen, 
und das Pronomen es vor jedem andern Pronomen; bei dem Perfo: 
nalpronomen fteht der Kafus der Sache indgemein vor dem Kafus der 

Perſon; das Reflexivpronomen fleht vor jedem andern Pronomen, 

fetbft vor es. — Die Adverdien des Modus und der Zeit flehen 

meiftens unmittelbar vor dem Prädikat. 

Der Bater zeigt dich feinem Ruaben. G. F. 1,57. Ich will mich hier 
zu Deinem Dienſt verbinden. Daf. 1, 84. — Erinnrung hält mich 
nun, mit Findlichem Gefühle, vom legten, ernſten Schritt 
zurüd. Daſ. 1,48. O, glüdlih! wer von feinen Gaben fold 
einen VBortheil ziehen kann. Daf. 1, 57. — Nicht ihrem guten 
Willen dank' ich dieſes Amt. ©. 2.1,7. Es hat mir Qualen 
genug gefoitet, ©. St. 2, 8. — Ihr zwangt mit frechem Poffenfpiel die 
Richter, den Schuldigen des Mordes loszufprehen. S. Dies 
Manifeft Spricht los das Heer von des Gehorſams Pflichten. 
S. T. 2,6. — Du folft in diefen Zagen mit Freuden meine 
Künfte fehn. ©. 5.1, 85. Als ich eine lange Naht in frommer 
Andacht unter diefem Baum gefeffen. ©. Ivo. 4, 10. — Er befand ſich 
indiefem bedenklichen Augenblide an dem äußerftien Ende 
des linken Gerüftes. ©, Bel. v. Antw. Er war Tags vorher nach 
Bamberg geritten. & G. 2. — Ich ſchau' in diefen reinen Zügen die 
wirkende Natur vor meiner Seele liegen. G. %. 1, 32. Konnt’ ic 
bie Schwefter zwifhen Eure wild entblößten Schwerter ftellen? 
©. Bom. — Herr Doctor, dab ift fhön von euch, bag ihr uns heute 
nicht verfchmäht. ©. 5. 1, 55. Laß er uns das nicht zweimal hören! 
©: Lager 8. — Was ihn Euch widrig macht, maht mir ihn werth. 
©. St. 1, 3. Der Herzog kann ſich des &edränges kaum erledigen. 
S. Ivo. 3,2. — Was kann die Welt mir wohl gewähren?! ©, 5. 1,80. 
Doch euch des Schreibeng ja befleißt! Daf. 1, 97, 


$. 258. 


Man gebraucht bei dem zufammengefegten objektiven Satzver⸗ 
haͤltniſſe die umgekehrte Wortfolge, wenn entweder dns Praͤdidat 
als das Hauptwort, oder ein: untergeordnetes Objekt als das 
Hauptwort des objektiven Satzverhaͤltniſſes folk. hervorgehoben: wer⸗ 

11* 


—— 164 





den. — Soll bas Prädikat hervorgehoben werden, fo wird es an 
die Spige des Sapes geftelt. Soll ein untergeordnnetes Objekt 
hervorgehoben werden, fo wird es nad) dem andern Objekt unmittel- 
bar vor das Prädikat geftellt. — Das Hauptobjett und aud ein 
untergeorbnetes Objekt wird als Hauptwort ded ganzen Satzes 
auf zweifache Weife hervorgehoben: a) das Objekt wird (aber nur in 
einem Hauptfag) an die Spige des Satzes geſtellt; b) das Objekt 
wird ganz an das Ende des Sapes geſtellt. 


Beiftehen follen fie mir in meinen Planen. ©. P. 2,5. Wir müflen das 
Werk in dieſen nähften Tagen weiter fördern, als es in Jahren 
nicht gedieh. Daf. 3, 1. — Zufrieden jauchzet Groß und Klein, hier 
bin ih Menſch, hier darf ich's fein. G. F. 1, 54. Mit foldhen 
Schägen kann ich dienen. Daf. 1, 885. Daß fi) Herz und Auge weide 
an dem wohlgelungnen Bild. ©. Glode Es freue fi, wer da 
athmet im rofigen Licht! da unten aber ifl’s fürchterlich, und der 
Menſch verfuche die Götter nicht, und begehre nimmer und nimmer zu 
fchauen, was fie gnädig bededten mit Macht und Grauen. ©, Zaudıer, 


Wortfolge der zufammengefegten Säge, 
$. 259, 


In dem zufammengefegten Sage verhalten fich die Nebenfäge 
in Hinfiht auf ihre Stellung im Allgemeinen ganz fo, wie bie in 
derfelben grammatifchen Beziehung ftehenden Subflantive und Ad: 
jektive. 


8. 260. 


Diejenigen Kaſusſaͤtze, welche das Subjekt des Hauptſatzes 
ausdruͤcken, ſtehen bei der gemeinen Wortfolge an der Spitze des 
Satzes. Soll das Subjekt oder auch das Prädikat des Hauptſatzes 
hervorgehoben werden, fo treten die Kafusfäge in umgekehrter 
Wortfolge an das Ende des Hauptſatzes. — Beifpiele ſ. $. 142 f. 
151. 176 f. 


$. 261, 


Diejenigen Kafusfäge, welche ein ergänzenbes Objekt aus: 
drüden, gehen in der gemeinen Wortfolge dem Prädikat voran, — 
Beifpiele f. $. 142 f. 151. 176 f. 


$. 262. 


Weil die Kafusfäge insgemein den Hauptbegriff des Hauptfages 
ausdrüden, fo treten fie meiftens ganz an das Ende des Sages; und 
diejenigen Kafusfäge, welche den Satzartikel haben, fo wie biejeni- 
gen, welche mit Auslaffung des Sagartikeld die Wortſtellung eines 
Dauptfages haben, ftehen immer am Ende des Hauptfages. — Wenn 
ber Dauptfag oder auch ber Kaſusſatz foll befonders hervorgehoben 


— 165 ——.. 


werben, fo läßt man insgemein den Kafusfab dem Hauptfage voran: 
gehen. — Beifpiele f. $. 142 f. 151. 191. 


$. 263, 


Der Adjektivfag folgt insgemein dem Subftantiv der Bezie⸗ 
bung unmittelbar nad. Wenn jedoch der Adjektivfab den Haupt: 
begriff des ganzen Sages ausdrüdt, fo läßt man ihn insgemein dem 
Praͤdikate nachfolgen. — Beifpiele f. $. 134 f. 


$. 264. 


Die Adverbialfäge ftehen in der gemeinen Wortfolge an der 
ihrem grammatifchen Verhältniffe entfprechenden Stelle vor dem Prä- 
dikate. Wenn aber der Adverbialfag foll hervorgehoben werden, fo 
tritt er indgemein an die Spige des Sages, oder folgt dem Prädikate 
nah. — Beifpiele f. $. 202 f. 


$. 265, 


Wenn bei den Abverbialfägen des wirklichen, möglichen und ab: 
verfativen Grundes das Logifche Verhäftnig hervorgehoben wird; fo 
ift der zufammengefette Sat eine Periode, und der Adverbialfag 
geht insgemein ald VBorderfag dem Hauptſatze als dem Nachſatze 
voran. Nur wenn der logiſche Werth des Adverbialfages befonders 
hervorgehoben wird, folgt der Adverbialfa dem Hauptfaße nah. — 
Beifpiele f. $. 240 f. 

Anm. Es fcheint Nachahmung des Lateinifchen zu fein, wenn Goethe 
(Wo. 2, 14. Wi. 2, 9) fagt: „Doc als fie einige Worte ausfprady, 
die auf eine Zukunft, auf eine Milderung des Schmerzes, auf Hoffnung 
deuteten: Nein! rief Dttilie mit Erhebung: fucht mich nicht zu bewegen, 
nicht zu hintergehen!" „Als nun der Auffeher nach der Urfache einer ge: 
wiflen Berlegenheit und Zerftreuung fragte und dagegen vernahm, baß es 
den Sohn gelte: laffen Sie es nur, fagte er zur Beruhigung des Waters, 
er ift unverloren.” Ähnlich fagt Opitz (Schäfferey Bon der Nimfen 
Hercinie, Breslau 1630. 4. ©. 26. 32): „Ic, hette aus Begiehr faſt an- 
gefangen zu fragen; fie aber, bie es mir am Gefichte anfahe: diefer große 
Strom, fprad fie, der rc.“ „Sie gieng für uns ber, und: befchamet nun, 
fagte fie, das Ort.” „Hierüber trat fiefort, und: Diefer, fagte fie, welchen zc.“ 


Siebentes Kapitel. 
Snterpunftion. 


$. 266. 


Zur Bezeichnung grammatifcher und Logifcher Verhaͤltniſſe bes 
dient ſich die Schriftfprache gewiſſer Zeichen, die man Interpunf: 
tionszeichen (Unterfchetdungszeichen) nennt. Sie find Tonzei⸗ 
hen der Säge, wie die Accente Zonzeichen der Spiben find. Sie 


—— 166 — 


erfcheinen zunaͤchſt ala Zeichen für die größeren oder Eleineren Paufen, 
durch welche in der gefprochenen Rede die von einander unabhängigen 
Säge und die in beiordnender oder unterorbnender Verbindung fte- 
benden Glieder des zufammengefesten Sages gefchieden werden. 


$. 267. 


Die Schriftſprache der Griechen und Römer war ohne Inter: 
punftiongzeichen und gebrauchte erft fpäter den Punkt, noch fpäter 
das Kolon und das Komma: den Punkt, wenn der Sinn ganz zu 
Ende ift; das Kolon, wenn ein Theil zu Ende ift; das Komma trennt 
die Rede bei noch fchwebendem Sinne, wie der griechifche Grammati⸗ 
Ber Laskaris fagt. — Auch in den älteften deutfhen Schriftwerken 
findet man meiftens den Punkt, der aber bei Dichtern (3. B. Otfried) 
nicht die logifche Form der Säte, fondern nur das Ende jedes Verſes 
oder Halbverfes bezeichnet. Dasfelbe gift auch bei den mittelhoch⸗ 
deutfchen Dichtern. Manches deutfche Schriftwerk der frühern Zeit 
bat gar keine Interpunktion, in andern (profaifchen) fteht der Punkt 
oft da, mo eine Scheidung des Sinnes unmöglich iſt. 


$. 268. 


Die frühefte grammatifche Erwähnung und Erörterung unferer 
Interpunktion finde ich bei Nikolaus von Wyle (in der zweiten Zu: 
fchrift zu feinen Zranslationen, wahrfcheinlich 1478 gedrudt). Der: 
fetbe fagt: 90 ift nott wer diſz buͤchlin recht ſchriben leſen oder verfteen 
mil + dag der acht hab und merd vf bie virgel puncten und vnderſchaide 
die alſo hier Inne geſetzet werde ıc. , # # (). dunne das klain erſt 
ffrihlin, befutt ain ſchlechte fündrug ains mortes oder ainer oratz von 
der andern äne volkomenhaif ainches gantzen ſines. Aber die virgel 
alfo ſtende + gibt zemercken ainen vnd'ſchaide zwüſchen den gefehrifte vor 
md näd) gende, alfo doch, daz die vorder geſchriſt denocht ouch nit 
ainchen volkomen fine hät + Dane daz zu des volkomenhaif etwas mer 
hernäd) folgen mus. Aber der punckt alfo finde » gibt zeerkennen dz 
da ſelbs ain volkomner fine beſchloſſen wirt, So befüttet diſer punckt 
alſo gefeb + daz die gefehrift dar von ftende In früg wyſe zemercken iſt. 

Wo aber ain geſchrift mit zwyen krumen ſtrichlin ingezoge wirt als hie 
(hefus criſtus) fo wirt die gehaiſſen pareteſis näch dem latine od' inter: 
pofleio. un ifl ain zuiche dz das fo her näd) folget dienet on gelefen 

werde mag vf das, fo vor d' ingezoge fhrifte geſchribe fieet + + glyder 
wyſe, als ob die felb igezoge ſchriffte nienert alda geſchribe flünd. NIfo 
habe ich mid; diſes puctires hier jnne gebrucht mie mol eflich für diſen 
ſchlechten puncte der alfo fieet + [eßent pernodum alſo gefiguriert ; 

Die aͤlteſten gedruckten Bibelüberfegungen aus dem 15. Jahrh. 
haben meift aur Punkt, Kolon und Trennungszeichen; die zweite 
(um 1466) bat Punkt, Kolen, Frage- und Trennungszeichen ; bie 


— 167 — 


fiebente (Augsburg 1477) hat Punkt, Semikolon, Komma, Frage: 
und Trennungszeihen. Das Semikolon ift das zweite Punktzeihen 
bei Nikolaus von Wyle. Luther gebrauht Punkt, Komma, Frage: 
und Trennungszeihen. Schottel (im J. 1663) führt das Semi: 
kolon an, doc) ift ihm deſſen Gebrauch nody nicht geläufig. 


$. 269. 


Da die Interpunktionszeichen zunaͤchſt die größeren und kleine⸗ 
ten Paufen in ber Mede unterfcheiden follen, die Größe diefer Paufen 
fetbft aber in der Rede nicht immer beflimmt abgemeffen und gefchie: 
den werden Bann; fo werden leicht die in der Mitte liegenden Paufen- 
verhältniffe verwechfelt, und ingbefondere flatt ded Kommas ein Se: 
mitolon, ftatt des Semikolons ein Kolon, oder umgekehrt, gefchrieben. 
Unfere beffern Schriftfteller unterfcheiden oft diefelben Verhaͤltniſſe 
der Säge durch verſchiedene Interpunktionszeichen. So läßt Goethe 
bei Nebenfägen, die fehr Eleine Paufen haben, 3. B. vor Beinen Re: 
lativfagen, vor Eleinen mit daß beginnenden Sägen, das Komma weg, 
wo andere Schriftfteller es fegen. 


$. 970. 


Der (aud) das) Punkt (.), früher auch Zitlein-und Tüpfel 
genannt, lat. punetum, griech. relei« orıyun, bezeichnet die Schluß— 
paufe eines einfachen oder zufammengefesten Satzes, welcher einen 
in fih abgefchloffenen Gedanken ausdrüdt. — Ein Gedanke 
iſt nicht als ein in fi abgefchloffener anzufehen, wenn er durch 
einen andern Gedanken ergänzt wird, der mit ihm in dem logifchen 
Berhältnig der Übereinffimmung oder des Gegenfages fteht. 
($. 9f. A5f.); der Punkt ann daher insgemein nicht wohl vor einer 
beiordnenden Konjunktion flehen. — Wenn jedoch nicht fo fehr 
das logiſche Verhaͤltniß der Gedanken, als vielmehr der Inhalt 
eines jeden der verbundenen Saͤtze (das in ihm ausgefprochene Ur= 
theil) fol hervorgehoben werden; fo wird oft jeder Sag für fich als 
der Ausdrud eines in ſich abgefchloffenen Gedankens dargeftellt, und 
fie werden durch eine Schlußpaufe gefchieden, die durch den Punkt 
bezeichrtet wird. Dies gefchieht insbefondere häufig: a) bei dem Ber: 
hältniffe eines Logifhen Grundes ($. 76 f.) und bei dem Verhaͤlt— 
niffe eines erflärenden Satzes; b) bei denjenigen adverfativen 
BVerhältniffen, bei denen eine mittelbare Beſchraͤnkung des Ge— 
dankens durch die Konjunktionen aber, allein, doch, hingegen 
bezeichnet wird ($. 54 f.); c) bei denjenigen kopulativen Verhaͤlt⸗ 
niffen, welche durch die Konjunftionen und, auch bezeichnet werden 
(8. 10 f.). 

Der König fendet mich hieher und beut der Priefterin Dianens Gruß und 
Heil, G. J. 1, 2. Frei athmen macht das Leben nicht allein, Daf. 1,2, 


— 168 — 


Dieß ift der Zag, da Tauris feiner Göttin für wunderbare neue Siege 
dankt. Daf. 1,2. — Wir haben uns in des Kampfes Wuth nicht befon= 
nen und nicht berathen; denn uns bethörtedas braufende Blut. ©. Bom. 
Vieles wünfcht fich der Menfch, und doch bedarf er nur wenig; denn die 
Tage find kurz, und befchräntt der Sterblichen Schidfal. G. Hb. 8,13. 

— Zürnend ergrimmt mir das Herz im Buſen; zu dem Kampf ift Die 
Fauft geballt. Denn id fehe das Haupt der Medufen, meines Feindes 
verhaßte Geftalt. ©. Bom. Stauffachers Haus verbirgt fih nicht. Zu 
äußerft am offnen Heerweg fteht's, ein wirthlih Dad für alle Wandrer, 
die des Weges fahren. ©. 1. 1,2. — Wilhelm hatte indeflen die Kleine 
Reife vollendet, und überreichte, da er feinen Handeldfreund nicht zu Haufe 
fand, das Empfehlungsfchreiben der Gattin des Abweſenden. Aber auch 
diefe gab ihm auf feine Fragen wenig Beſcheid; ſie war in einer heftigen 
Gemüthsbewegung und das ganze ‚Baus in großer Verwirrung. ©. 2. 
41, 13. — Beifpiele von und. $. 


$. 271. 


Das Komma (,), auh Beiftrih, Einftrich genannt (lat. 
comma, griech. x0 una — Einfänitt, Abſchnitt, Abfchnitt einer Periode), 
‚griech. vroorıyun, iſt das Interpunktionszeichen für die Eleinfte Glie: 
derpaufe. Es wird gebraucht: 

1) in einfachen Sägen zwifchen unverbunbenen gleichartigen Satz⸗ 
gliedern ($. 14 f.); 

2) HeiMebenfägen, die mit ihrem Hauptfage nur in einem gram-= 
matifhen Verhältniffe ſtehen (in Relativfägen, in Kafusfägen 
und daß ıc. f. $. 134 f. 176 f.); 

3) bei verkürzten Sägen, insbefondere: a) wenn atteibutive 
Adjektive und Participien ihrem Beziehungsworte nachfolgen; b) vor 
Subftantiven in Appofition; ec) bei Participien, die zu objektiven 
Sapverhältniffen erweitert find; d) bei präpofitionalen Infinitiven, 
welche verkürzte Säge find (II. 1, $. 61. 76); 

4) in folhen Saggefügen, in denen der Nebenfag nicht als Vor: 
derfag dem Hauptfage vorangeht, und in folchen, in denen er zwar 
vorangeht, aber der Logifhe Werth desfelben und fein logiſches 
Verhaͤltniß zum Hauptfage nicht hervorgehoben wird ($. 176 f. 
228. 233 f.); 
| 5) bei zufammengezogenen Wdverbialfägen. Wenn jedod) 

bei der Zufammenziehung der vergleichenden Adverbialfäge durch 
. wie und als nur ein einfaches Glied des Sages mit dem Hauptfage 
verbunden wird; und wenn das durch wie verbundene Glied den 
Hauptbegriff des Sages ausdrüdt, und als dem Beziehungsbegriffe 
unmittelbar nachfolgt: fo findet gewöhnlich Eeine durch ein Komma 
zu bezeichnende Gtiederpaufe ſtatt ($. 221 f.); | 

6) wenn bei dem adverſativen Verhältniffe ein Gedanke durch 
den Gegenfag unmittelbar befchränft wird, und wenn bei einer 
mittelbaren oder unmittelbaren Beſchraͤnkung weder das Logifche Ver: 





— 169 — 


haͤltniß der Säge, noch der Logifche Werth des Adverſativſatzes ſehr 
hervorgehoben wird (9. 46 f.); 

7) wenn bei einem kauſalen und einem adverfativen Ber: 
bältniffe mit der faufalen oder adverfativen Konjunktion zugleich die 
Konjunktion und verbunden ift (8. 19 f.); 


8) wenn Säge duch die aufhebenden Konjunftionen nit — 
fondern, entweder — oder, fonft, benn (e8 fei denn) verbunden 
find ($. 46 f. 51 f. 183. 234 f.); 

9) wenn bei dem Eopulativen Verhältniffe der logifhe Werth 
der Saͤtze nicht hervorgehoben wird, und die Säge durch und, fowol 
— ale, nicht nur — fondern auch, weder — noch verbunden 


find ($. 29. 35 f.); 

10) bei den zufammrengezogenen Sägen, in denen ber lo= 
gifhe Werth der Glieder nicht hervorgehoben wird; 

11) bei den zufammengezogenen und duch und verbundenen 
Sägen, wenn bie Glieder einen größeren Umfang haben, oder wenn 
ein befonderes Verhaͤltniß, 3. B. das des Gegenfages, hervorgehoben 
wird ($. 20); 

12) bei allen elliptifchen Sägen; 

13) bei allen eingefchalteten Sägen, felbft wenn diefe Haupt: 
füge find. Dasfelbe gilt von ber in die Rede eingefchalteten oder aud) 
voranftehenden Anrede; 

14) wenn das Subjekt ober Objett eines einfachen Satzes dadurch 
hervorgehoben wird, daß es, wie ein Satz, mit einer Gliederpauſe dem 
Satze vorangeht. 


1) Der Sekten Feindſchaft, der Parteien Wuth, der alte Neid, die Eiferſucht 
macht Friede. S. T. 1, 6. Hierher, dorthin ſchwankt die Schlacht. S. 
die Schlacht. — 2) Wie im Laub der Vogel ſpielet, mag ſich Jeder güt⸗ 
lich thun. S. Glocke. Er fragte mich nach vielen Dingen, wann ich ge⸗ 
boren ſei, in welchem Tag und Monat. S. P. 3, 4. Sie wird gerichtet, 
wo fie frevelte. ©. St. 1,1. — 3) Ein koͤnigliches Stirnband, reich an 
Steinen, durchzogen mit den Lilien von Frankreich! ©, St. 1,1. Zum 
Kampf der Wagen und Gefänge zog Ibykus, der Götterfreund. ©. Kra⸗ 
niche d. J. Wir heften uns an feine Sohlen, das furdhtbare Gefchlecht 
ber Nacht. Daf. Im ſchnellen Lauf durchzog ich Frankreich, das gepries 
fene Italien mit heißem Wunſche fuchend. ©. St. 1,6. Diefes bei mir 
denkend, fchlief ih ein. S. T. 2, 3. Heut noch werd’ ich ihn auffordern, 
feinen Leumund vor der Welt zu retten. S. 9. 3,3. — 4) Weil Ihr 
mich meines Lebens habt gefichert, fo will ih Euch die Wahrheit gründe 
lid fagen. ©. 21. 3,3. Er dachte, daß es ihm doch möglich ſei. G. Wo. 
1,16. Wie fünd’s‘ um Euch, zoͤg' ich mein Heer zurüd? ©. 300. 2, 1. 
— 5) Und bald, obgleich entftellt von Wunden, erkennt ber Safffreund 
bon Korinth bie "Züge, die ihm theuer find. ©. Kraniche d. J. Ihr Auge 
war klar wie Kryſtall. G. Sie wiflen fo gut als ich, worauf es ankoͤmmt. 
G. — 6) Keineswegs gebenfe ich daher in diefen erften Büchern meine 
Jugendgeſchichten völlig abzufchließen, fondern ich werde vielmehr noch 
fpäterhin manchen Faden aufnehmen und fortleiten, der ſich unbemerkt 
durch die erften Jahre ſchon hindurchzog. ©. Leben 2.3. Ein fpanifcher 


— 170 —— 


König mußte ein vehtaläubiger Prinz fein, oder er mußte von biefem 
Throne fleigen, ©. 30j. Kr. 1. B. Der Herzog von Parma kannte zwar 
den Mißmuth feiner Truppen, aber er Eannte auch ihren Gehorfam. ©. 
Bel. v. Antw. — 7) Dem Iſolani haft du auch getraut, und war ber 
Erfte doch, der dich verließ. ©. T. 3, 7. Vieles wünfcht fich ber Menſch, 
und doch bedarf er nur wenig. ©. vᷣb. 3, 13. — 8) Richt der ins Dorf 
Hereingehende, fondern ber Herausgehende erhält etwas. G. Wo. 1, 6 
Entweder das Gegenwärtige hält und mit Gewalt an fih, oder wir ver- 
lieren une in bie Bergangenheit. Daf. 2,8. Man muß ihn tapfer grei⸗ 
fen, fonft hält er nirgends ſtill. Uhland, Schenk v. 8. — 9) Ih kann 
mit ihm nicht rechten, kann ihn weder verklagen, noch mich — verthei⸗ 

digen, noch ihm jetzt genug zu thun mich erbieten. G. T. 2, a. Man 
hatte nicht allein die Küche für die nächſte Zeit mit ſolchen Waaren vers 
forgt, fondern auch ung Kindern dergleichen Gefchire im Kleinen zu ſpie⸗ 
lender Befchäftigung eingekauft. G. Leben 1.3. — 10) Die Kunft ift 
lang, das Leben kurz, das Urtheil fchwierig, die Gelegenheit flüchtig. G. 
Lj. 7,9. Vom Schlummer jagt die Furcht mich auf, ich gehe Nachts 
um, wie ein gequälter Geiſt, erprobe des Schloffes Riegel und der Wächter 
Treu, und fehe zitteend jeden Morgen Eommen, der meine Furcht wahr 
machen kann. S. St. 1,1. — 11) Meine Mutter liebte mich nicht, und 
verhehlte es feinen Augenblid. G. %. Denn folcher Weihung Feier an= 
zuordnen gehört der Priefterin, und nicht dem König. &.3.4,4 — 
12) Ad), auf das muthige Roß mich zu ſchwingen, an ben: feöhfichen Zug 
mich zu reihen! ©. St. 3, 1. Ja, ich geſteh's, daß ich die Hoffnung nährte. 

- Daf. 1, 7. — 13) Und ihr, ich weiß es, fteht mir willig bei. G. &. 1,2. 
Laß ung, geliebter Bruder, nicht vergeffen, dag von fich felbft der Menfch 
nicht fcheiden kann. Daf. 1,2. Ah meine Fürftin, Arioftens Lob aus 
feinem Munde hat mid) mehr ergeät, ale daß es mich beleidigt hätte. 
Daf. 2,1. O Fürſt, es übergiebt dein ernftes Wort mich Freien der Ge⸗ 
fangenfchaft. Daf. 2,4, — 14) D diefe wilden Banden, fie find nicht 
Eure Freunde. ©. Bom. Diefe Geftalten, ich formte fie fetöft, G. röm. 
Eleg. 13. Die Tugend, fie ift Eein leerer Schall. S. Worte d. Gl. 


$. 2372, 


Das Semikolon (;), d. i. Halbkolon, auch Strichpunkt 
genannt, iſt das Interpunktionszeichen für eine größere Gliederpauſe 
und wird gebraucht: 


1) bei denjenigen Nebenſaͤtzen, welche als Vorderſaͤtze einer 
Periode mit dem Hauptſatze noch in einem logiſchen Verhaͤlt— 
niſſe ſtehen (F. 240 f.); 

2) wenn der Nebenſatz als Nachſatz einer umgekehrten (in— 
vertierten) Periode durch den Ton hervorgehoben wird (9. 240 f.); 

3) wenn Adverbialfäge des Zeitverhäftniffes und verglei: 
hende Adverbialfäe duch den Ton hervorgehoben find und dem 
Hauptfage vorangehen ($. 202 f. 221 f. 240 f.); 

4) wenn in dem in beiordnender Form zufammengefesten, 
durch eine Konjunktion verbundenen Sage das logifche Ver: 
bältnig, oder ihr logifcher Werth rſache oder Gegenſatz) hervor⸗ 
gehoben wird (9. 54 f. 77 f.)3 





— 17110 — 


5) wenn die in einem kauſalen oder adverſativen Verhaͤltniſſe 
ſtehenden Saͤtze ohne Konjunktion verbunden find ($. 54 f. 77f.); 


6) tvenn bei dem Eopulativen Verhältniffe der Logifche Werth 
der Säge hervorgehoben wird, insbefondere: a) bei den ordinativen 
und partitiven Konjunkttionen ($. 41 f); b) bei den Konjunttionen 
auch, zudem, außerdem, überdies, desgleichen ($. 21 f.); 
c) wenn die Hervorhebung duch die Auslaffung der Konjunttion, 
und wenn eine Steigerung durch ja, fogar, feldft. bezeichnet wird 
($..14. 34); | 

7) wenn in einem zufammengezogenen Sage der logiſche 

Werth oder ein Gegenfag der Glieder hervorgehoben wird, und die 
Glieder zu einem größeren Umfange erweitert find; 

8) in der Hauptpaufe eines mehrfach zufammengefegten Satzes, 
wenn die untergeordneten Gliederpauſen durch ein Komma bezeichnet 
find ($. 240 f.); ' 

9) wenn der logifhe Werth mehrerer in einem Eopulativen 
Verhältniffe verbundener Süße hervorgehoben wird ($. 14). 

4) Befiehlt mir gleich die Klugheit und die Pflicht, die ich dem Reich, dem 
Kaifer fchuldig bin, daß ich mein wahres Herz vor ihm verberge; ein fal: 
fhes hab’ ich niemals ihm geheuchelt! ©. P. 1,3. Da es aber freilich 
nicht immer ſchicklich fein mag, und ich nicht jederzeit meine Gefchichte ers 
zählen kann; fo will ich mich Eünftig mehr zurüdhalten. G. Wo. 1,6. — 
2) Die Schwefter bring’ ich Dir zurüd; müßt’ ich durch alle Länder fie 
und Meere fuchen. ©. Bom. XAufftehen würde Englands ganze Tugend, 
kein Schwert in feiner Scheide müßig bleiben, und die Empörung mit gi⸗ 
gantifchem Haupt durch diefe Friedens inſel ſchreiten; ſähe der Britte feine 
Königin! ©. St, 1, 7. — 3) Als ich den Vater fand, beraubt und blind, 
auf fremdem Stroh, von ber Barmherzigkeit mildthät’ger Menfchen le: 
bend — (5) da meint’ ich nicht. ©. Zt. 2,2. Denn fo wie ihre Alpen 
fort und fort diefelben Kräuter nähren, ihreBrunnen gleichförmia fließen, 
Wolken felbft und Winde den gleichen Strich unwandelbar befolgen, (;) 
fo hat die alte Sitte hier vom Ahn zum Enfel unverändert fort beftanden. 
Daf. — 4) Ein dunkles Gerücht davon hatte fich auch fhon in dem fpa= _ 
nifchen Lager verbreitet, man war daher auf einen ernftlichen Angriff ge= 
faßt. ©. Bel.v. Antw. Genommen ift die Freiheit, nicht gegeben; drum 
thut ed Noth, den Zaum ihr anzulegen. ©. Th. 1,2, Niemand weif, 
was er thut, wenn er recht handelt; aber des Unrechten find wir uns ims 
mer bewußt, ©, %. 7,9. In feinem Haufe mußte alles folid und maffio 
fein, der Vorrath reichlih, das Silbergeſchirr fchwer, das Zafelfervfce 
koſtbar; dagegen waren bie Gaͤſte felten. Daf. 1, 11. — 8) Bon Euch) 

-  ertrag’ ich viel, ich ehre Euer Alter, den Übermuth bes Zünglings trag” 
ich nicht; part mir ben Anblid feiner rohen Sitten. ©. &t.1,3. Ihr 
nennt Euch fremd in Englands Neichsgefegen ; in Englands Unglüd feid 

Ahr ſehr bewandert. Daf. 1,7. — 6) Anfänglich duldete Ottilie die 

Begleitung des Kindes; dann faßte fie ſetbſt Neigung zu ihm; endlich 

trennten fie fich nicht mehr. G. Wo. 1, 17. Doc) nicht genug, daß diefer 

heut’ge Tag Jedem von beiden einen Bruder fchenkt; auch eine Schwefter 
hat er Euch geboren. ©. Bom. Hartnädig und ungewiß ringt mit dem 

Defpotismus die Freiheit; mörberifche Schlachten werben gefochten; eine 

glänzende Heldenreihe wechfelt auf dem Felde ber Ehre; Flandern und 


— 112 — 


Brabant war die Schule, die dem kommenden Jahrhundert Feldheren er: 
309. ©. Abf. d. N. Einl. Nach dem Innern des Landes zu Famen meh: 
rere neue Dörfer zum Vorfchein ; den filbernen Streifen des Fluffes er⸗ 
blickte man deutlich ; ja felbft die Thürme der Hauptftabt wollte einer ge⸗ 
wahr werden. ©. Wv. 1,9. — 7) Unfere Sprache ift flark und zurück⸗ 
prallend, nicht aber rauh und unausſprechlich; tapfer, wie bas Wulf, das 
fie fpricht, und nur Weichlingen furchtbar und fehredlich; nicht unwirth⸗ 
bar gegen Fremde, aber Landftreichern und zu entlegenen Nationen un: 
freundlich anzufbauen. Herder. — 8) Wenn es (das neugeborne Kind) 
ftar& und mohlgebildet war, übergab man es einer Wärterin; war es 
ſchwaͤchlich und mißgeftaltet, fo warf man es in einen Abgrund an bem 
Berge Zaygetud. ©. Lykurg. Wenn du mir gleich in Briefen fchon ge- 
meldet, was du gethan und wie es dir ergangen; fo hab’ ich doch noch 
Manches auszufragen, durch welche Mittel das Gefchäft gelang. &. ©. 
4,4. — 9) Der Herzog von Anfchot, dem bdiefer Vorfchlag vom Grafen 
Egmont mitgetheilt wird, verwirft ihn, mit der flolzen Erklärung, daß 
er von Egmont und Dranien feine Gefege anzunehmen gefonnen fei; daß 
er fid) über Granvella nicht zu befchweren habe, und eö übrigens fehr ver⸗ 
meflen finde, dem Könige vorzufchreiben, wie er fich feiner Minifter bedie⸗ 
nen folle, S. Abf. d. N. 2. B. 


$. 273. 


Das Kolon (:), auch Doppelpunkt genannt, griech. Eon 
orıyun (griech. xwrlov — Glied eines Satzes, einer Periode) bezeichnet 
eine größere Gtliederpaufe als das Semikolon, und wird gebraudt: 

1) um bei einer mehrgliederigen Periode die Dauptpaufe zu be: 
zeichnen, wenn die untergeordneten Sliederpaufen durdy das Semi: 
kolon bezeichnet find ($. 244 f.); 

2) wenn in einem vielfach zufammengefeßten Sage, deffen Glie⸗ 
der in einem Eopulativen Verhältniffe mit einander verbunden find, 
die untergeordneten Glieder durch das Semikolon bezeichnet find; 
find biefe dur das Komma bezeichnet, fo fleht in der Hauptpaufe 
ein Semikolon ($. 14 f.); 

3) wenn in einem zufammengezogenen Sage eine Reihe 
von Sliedern auf Fopulative Weife verbunden und zugleich unter 
einen Ausdrud zufammengefaßt werden, welcher der Reihe nachfolgt, 
oder vorangeht. Die untergeordneten Gliederpaufen werden, je nach: 
dem die Glieder mehr oder weniger hervorgehoben werden, entweder 
durch das Semifolon oder duch) das Komma bezeichnet; 

4) wenn mehrere Eopulativ verbundene Saͤtze einen vorangehenden 
Begriff oder Gedanken nur erklären; desgleichen, wenn zur Erflärung 
eines Satzes, eines Wortes Beifpiele angeführt werden ($. AA); 

5) wenn das nachfolgende Glied eines in beiordnender Form 
zufammengefesten Saßes bucch den Redeton befonders hervorgeho⸗ 
ben wird; 

6) wenn eine gefprochene oder gefchriebene Rede in der Form eines 
Hauptfages wörtlich angeführt wird, und wenn einzelne Wörter 
oder Ausdrücke als folche angeführt werden. 





— 173 — 


41) Was aus biefer Welt ſelbſt hervorgeht, das vermag nicht fie weiter zu 
fördern, das bewegt fich immer nur im alten Kreife; ich Tann deſſen mich 
nicht erfreuen, es täufcht mich nicht mit leerer Erwartung jeder günftige 

Schein: doch wo ich einen Funken des verborgenen Feuers fehe, das früh 
oder ſpaͤt das Alte verzehren und die Welt erneuern wird; da fühl' ich 
mich in Lieb’ und Hoffnung hingezogen, wie zu den geliebten Beichen ber 
fernen Heimat. Scleiermader. — 2) Wie völlig diefe Menfchen mit 
fich felbft unbekannt find; wie fie ihr Gefhäft ohne Nachdenken treiben; 
wie ihre Anforderungen ohne Grängen find, davon hat man feinen Bes 
griff: nicht allein will Jeder der erfte, fondern auch der einzige fein; je- 
der möchte gern alle Übrigen ausfchließen, und fieht nicht, daß er mit 
ihnen zufammen kaum etwas leiftet; jeder dünkt ſich wunderoriginal zu 
fein, und ift unfähig, fich in Etwas zu finden, was außer bem Schlens 
drian iftz dabei eine immerwährende Unruhe nach etwas neuem. &. Lj. 
7,3. — 3) Die Gnade der Großen, die Gunft der Gewaltigen, bie Foͤr⸗ 
derung der Zhätigen, die Neigung der Menge, die Liebe der Einzelnen: 
Alles wandelt auf und nieder, ohne daß wir es fefthalten Eönnen. ©. 
Bei Homer ift der Gefang rauh und prächtig; die Sitten roh und auf 
dem Gipfel menfchlicher Stärke, die Götter niedrig und erhaben; die 
Helden pöbelhaft und groß; die Sprache voll Dürftigkeit und ueberfluß: 
Alles ein Zeuge der Natur, "die durch ihn fang. Herder. — 4) Der Menſch 
ift nun einmal fo: er begehrt alles an fich zu reißen, um nur nach Belie⸗ 
ben damit fchalten und walten zu koͤnnen; das Geld, das er nicht aus⸗ 
gibt, Scheint ihm felten wohl angewendet. G. Kinder wiſſen beim Spiele 
aus allem alles zu machen: ein Stab wird zur Flinte, ein Stückchen Holg 
zum Degen, jedes Bündelchen zur Puppe, und jeder Winkel zur Hütte, 
&.8%.1, 8 — 5) Nicht, wo die goldne Geres lacht und der friedliche 
Pan, der Slurenbehüter: wo das Eifen wächſt in der Berge Schadit, da 
entjpringen der Erde Bebieter. S. Bom. Sch will mid) nicht der Rechen⸗ 
fchaft entziehen: die Richter find es nur, die ich verwerfe, ©. St.1,7. — 
6) Da tritt ein braun Bohemierweib mich an mit diefem Delm, faßt mid) 
* zuge Scharf, und fpricht: Geſell, Ihr fuchet einen Helm. ©. Ivo, 

rol, 3. 


8. 274. 


Der Gedankenftrih (—) hat im Redeton feinen Grund, 
und ift darum in feinem Gebrauche fehr unbeftimmt. Man gebraucht: 
denfelben im Allgemeinen: 

1) oft flatt des Kolons, wenn die fopulativ verbundenen Glieder 
eine größere Anzahl. oder einen größeren Umfang haben, und ihnen die 
Hauptpaufe nadjfolgt; 

2) wenn das nachfolgende Glied eines in beiordnender Form zu: 
fammengefegten Sages durch den Redeton mit großem Nachdrude 
hervorgehoben wird; 

3) wenn ein eingefchalteter Sak durch den Redeton hervorgehoben 
wird, oder einen großen Umfang hat; 

4) um ben Übergang ber Rede auf einen andern Gegenſtand, 
um eine Unterbrechung ber Rede, um die Pauſen des Zweifels 
und des Nachdenkens zu bezeichnen, ober einen Gedanken oder auch 
nur den Hauptbegriff eines Gedankens als etwas Unerwartetes her⸗ 
vorzuheben. 


— 1714 — 


4) Da ben Slawata und ben Martinis, auf die der Kaifer, allen guten Böh- 
men zum Kergerniffe, Gnadengaben häuft — die ſich vom Haube ber ver- 
triebenen Bürger mäften — die von der allgemeinen Fäulniß wachſen, 
alkein im öffentlichen Unglüd ärnten — mit Eöniglihem Prunk dem 
Schmerz des Landes Hohn ſprechen — die und ihresgleichen laßt den 
Krieg bezahlen, den nerberblichen, den fie allein doch angezündet haben. 
S. P. 1, 2. Die ſtärkſten Machtwörter, die reichte Fruchtbarkeit, fühne 
Inverſtonen, einfache Partikeln, der klingendſte Rhythmus, bie ſtaͤrkſte 
Deklamation — Alles belebte die Sprache, um ihr einen ſinnlichen Nach⸗ 
druck zu geben, um ſie zur poetiſchen zu erheben. Herder. — 2) Ich habe 
drauf geharret — Jahre lang mich drauf bereitet, alles hab’ ich mir ge⸗ 
fagt und in’s Gedaächtniß eingefchrieben, wie ich fie rühren wollte und be- 
wegen! ©. &t. 3,3. Eh’ mögen Feu'r und Waffer ſich in Liebe begeg- 
nen umd bas Lamm den Ziger Eüffen — Ich bin zu ſchwer verlegt — fie 
bat zu ſchwer beleidigt — Nie ift zwifhen uns Berföhnung! Daf. — 
3) Die Beihämung gönnt’ ich ihr, daß fie mit eignen Augen — denn der 
Reid hat Icharfe Augen — überzeugt fich fähe, wie fehr fie auch an Adel 
ber Geftalt von dir befiegt wird. Daf. 2, 9. — 4) Du (Dunois) bift in 
deiner angenehmen Laune; ich mill dich nicht drinn flören. — Du &hatel! 
&s find Gefandte da vom alten König Rene, belobte Meifter im Gefang, 
und weit berühmt. ©. Ivo. 1,2. Altes, Alles ſet' ich bran, um fie recht 
groß zu machen — ja in der Minute, worin wir fprechen — und ich follte 
nun, wie ein weichherz'ger Vater, was fich gern hat und liebt, fein bür- 
gerlich zufammengeben? ©. T. 3,4. Es lüftet Keinen, Euer — vierter 
Mann. zu werben, denn Ahr tödtet Eure Freier, wie Eure. Männer! ©, 
&t.3,4 Wie? Feſſelt mich ein Gott an biefen Boden?! Muß ich an: 
bäven, was mir anzufchauen graut? Die Stimme des Dechanten — Er 
eumahnet fie — Sie unterbricht ihn — Horch! — Laut hetet fie — mit 
fefter Stimme — Es wird ſtill — Ganz ftill! Daf. 5, 10. 


$. 275. 


Das Fragezeichen (2) bezeichnet, wie das Ausrufungs- 
zeichen und der Gedankenſtrich, nicht eine Paufe, fondern einen 
gehobenen Redeton und wird gebraucht bei jeder direkten Frage, 
biefelde mag aus einem Wort, einem Sag, oder aus mehreren beige: 
ordneten oder zufammengezogenen Sägen beftehen. 


Des Ibykus, den wir beweinen, den eine Mörderhand erihlug? Was ift’s 
wit ven? Was kann ex meinen?! Was iſt's mit diefem Kranichzug? ©. 
Kraniche d. 3. 


$. 276, 


Das Ausrufungszeichen (!) deutet den in der Mede liegen: 

den Affekt an und wird gebraucht: 

1) nad) einem Ausrufe, d. h. einem elliptifhen Sage, ber einen 
Affekt ausdruͤckt; 

2) nach einem Frageſatz, der einen Affekt ausdruͤckt; 

3) nach einem Urtheilsſatze, der mit einem Urtheile zugleich 
einen Affekt ausdruͤckt; 

4) nach denjenigen Wuͤnſche- und Heiſcheſaͤtzen, in denen ein 
MWunfc oder ein Geheiß mit einem Affekt ausgefprochen wird; 


— 175 — 


5) nad) denjenigen Interjektionen, welhe für fich allein 
einen Affekt ausdrüden ; 

76) nach einer Anrede, welche mit einem Affekt gefprochen, oder 

auch nur durd) den Medeton hervorgehoben wird. 


4) Mich Hinzuführen! Solchen Spott mit mir zu treiben! Der Verräther ! 
Im Triumph vor feiner Buhlerin mich aufzuführen! O fo warb nod) 
kein Weib betrogen, Burleigh! ©. ©t. 4,5. Aus meinen Augen! In 
den Tower — Verräther! Daſ. 4, 6. — 2) Wie Eleine Schritte geht ein fo 
großer Lord an diefem Hof! Daf. 2,8. Was für ein Anblid! Welch 
ein Miederfehen! Daf, 5,4. — 3) Du bift Don Dlanuel nicht! Weh 
mir! Wer bift du! ©. Bom. Lebt wohl, ihr Grotten und ihr Fühlen 
Brunnen! Johanne geht und nimmer kehrt fie wieder! S. Ivo. Prol. 4. 
— 4) Frommer Stab! O hätt’ ich nimmer mit dem Schwerte Did) vers 
taufht! ©. Ivo. 4,1. Was macht ihre, Sir? Welch neue Dreiftigkeit! 
Zurüd von diefem Schrank! ©. St. 1,1. — 5) Weh! fted’ ich in dem 
Kerker noch? Verfluchtes dumpfes Mauerloh! G. F. 1, 30. Juchhe! 
Juchhe! Juchheiſa! Heiſa! He! So ging der Fiedelbogen. Daf. 1, 54. 
— 6) Geh’, falfche gleißnerifche Königin! Wie du die Welt, fo täuſch' 
ih dich. ©. St. 2,6. Man will dich übereilen, Königin! Daf. 4, 9. 
Edler Shrewsburg! Man zwingt mich. Daf. 

Anm. Wenn bie Interjeftion (0, ach, ei) mit dem nachfolgenden Aus: 


drucke des Affektes ohne eine Gliederpaufe unter einem Tonverhältniſſe 


begriffen wird, fo fteht nach derfelben Eein Komma; findet zwifchen der 
Snterjettion und dem Ausdrude des Affektes eine Sliederpaufe ftatt, fo 
wird diefe durch das Komma bezeichnet. — O fähft du, voller Monden= 
fchein, zum legtenmal auf meine Pein! G. %. 1, 30. Ei! wie gepugt! 
das Schöne junge Blut! Daf. 1,51. Ei, das find ja die allerbeften 
Schmwadronen! ©, Lager 11. 


$. 277, 


Das Unführungszeichen („ " und, ) wird gebraucht, wenn 
eine Rede, auch ein Wort, wörtlich angeführt wird. 


„Das Wort ift frei, die That ift ftumm, der Gehorfam blind,” dieß urkund⸗ 


lic) feine Worte find, ©. Lager 6. Mich, Euren Boten, wies man an 
die Räthe, und die entliegen mich mit leerem Troft: „Der Kaifer habe 
diegmal Feine Zeitz er würde fonft einmal wol an uns benfen.“ ©, 
Tl. 2,2, 


8. 278. 

Die Parentheſe (), auch [ ], Klammer, Einſchließungs— 
zeichen genannt, wird gebraucht, wenn in einem Satze nähere Be⸗ 
- flimmungen eines Begriffes, oder Erklärungen eines Wortes einges 
[haltet werden. 


Aber hatte man fchon vor der Ankunft des Succurfes mit Brotmangel käm⸗ 
pfen müffen, jo wuchs diefes Übel nunmehr in beiden Lagern (denn auch 
Wallenftein hatte neue Verftärkfungen aus Baiern an fi gezogen) zu 
einem fchredlichen Grabe an. ©. 30. Kr. 3,8. 


PU) 


⸗ 


Negifter. 


(Die Zahlen bezeichnen die Paragraphen.) 


aber Bf. 74 f, 
allein 30. 61 

ale 35. AA. 149, 204. 213. 223 
als daß 186 

alö ob 222 

als wenn 222 

als wie 221. 223 
als wie wenn 222 
alfo 84 

anders (fonft) 53 
anftatt daß 183 
Afyndeton 14 
Attraftion 152. 163 
auch 21f. 

auf daß 187. 231 
auf daß nicht 188 
ausgenommen 53 
außer 27. 53 

außer daß 183 
außerdem 27 

bald 42 

bevor 217 

bis 218 

bis dag 190 

bloß 31 

da 149, 197. 203. 213, 229 
dafern 234 
dagegen 62 

daher 77. 197 
dahin 197 

damit 187, 231 
damit nicht 188 
dann 43, 52, 223 
darum 80 

daß 170 f. 231 

dag nicht 188 

dazu 27 

demnad 82 


Kehrein Grammatik II. 2. 


demungeadhtet 71 

denn 52, 87. 223 

dennoch 68, 7Af. 

der 119 f. 

dergeftalt daß 186 

derhalben 78 

dermaßen daß 186 

deshalb 78 

defienuneradhtet 71 

deffenungeachtet 71. 74 

deßungeachtet 71 

deswegen 79 

diemweil 210 

doch 63f. 7Af. 

bort 197 

ehe 217 

ehe daß 190 

einerfeits — anbrerfeits 41 

einestheild — anderntheils 41 

Ellipfe des bag 191 

Ellipfe des Relative 143, 151. 162 

endlich 43 

entweder — ober 51 

erft, erfteng, erſtlich 43 

es fei denn daß 183 

falls 234 

ferner 43 

folglich 86 

freilich 75 

gleichwol 72, 7A f, 

bergegen 62 

hernach 43 

hierauf 43 

hingegen 62 

im Fall daß 182. 234 

indem 208. 229 

indem daß 190 

indeß, indeſſen 70. 207 
12 


—