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Full text of "Griechen und Semiten auf dem isthmus von Korinth"

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l^arbarl) College l,il]rarg 



BOUGHT WITH INCOME 



THOMAS WREN WARD 



lum ol $5000 was received in 1S58, 
fae income (o be acDually expendeil 
for Ihe purchase of books." 



1 « 







GRIECHEN UND SEMITEN 



AUF DEM 



ISTHMUS VON KORINTH 



RELIGIONSGESCHICHTLICHE UNTERSUCHUNGEN 

VON 

ERNST ^AASS 

PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT MARBURG 



MIT EINER ABBILDUNG 




BERLIN 1903 

DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER 






Xx)o-A,^rx<./C9 



VM/ f 



HERMANN DIELS 



GEWroMET 



Berlin 1883— 1886. 



INHALT. 



S^ite 

I. Einleitung i 

Ansichten über orientalische Elemente im alt- 
griechischen Götterglauben S. i — 2. — Anlaß 
und Entstehung des Buches S. 3. 

IL Melikertes 4 

1. Ansichten über die Phoenizier in Korinth 
S. 4. — Die phoenizische Athena ebenda 
S. 5 — 6; Athena Hellotis ebenda S. 7. 

2. Die Ansichten über die Phoenizier auf dem 
Isthmus von Korinth beruhen auf der 
Gleichung der Götter Melikertes-Melkart 
S. 8 — 12. — Grundsätzliche Behandlung 
solcher Namengleichungen S. 12; Melite- 
Malta S. 13 — 14. — Die Gleichung Meli- 
kertes-Melkart nur modern S. 15 — 16. 

3. Der Gottesname Melikertes aus dem Grie- 
chischen unrichtig erklärt von Fick-Bechtel 
S. 17 — 19. — Das i nicht euphonisch S. 19 
bis 20, nicht Kasussuffix oder Stammvokal 
S. 20 — 22. — Drei Stämme zur Verfügung, 
[liXi \i£ko^ [xsXstv S. 22 ; ein Durcheinander 
der drei Gruppen hat nirgends stattgefunden 
S. 23. — Meleagros keine Analogie S. 23 
bis 24. — Melikertes von xeipo) und jxsXi 



— VI — 

Seite 

„der den Honig herausschneidet" S. 25 
bis 27. — ,Melikertes* Anrufung des Zauber- 
gottes der Papyri S. 27 — 30; Honig im 
Zauber und sonst S. 31 — 35. — ,Melikertes* 
Beiname des Dichters Simonides S. 35 
bis 42. — Melikertes als Gottesname nur 
Sondername S. 42 — 43. 

4. Bienenpflege in lonien (Homer) S. 44 bis 
45, in Boeotien (Hesiod, Namenkomposita 
auf Inschriften) S. 45 — 46, in der Sage 
S. 46 — 48. — Orts- und Personennamen 
von upov ,Honig* upta ,WabeS besonders 
boeotische aus dem Mythus S. 48 — 52, 
Tev&pT^Scüv &pü)vac '^t^^'t^^ (KTjcpeu?) S. 52 — 53. 
— Bienengötter S. 54 — 55, Bienenheilige 
der Christen S. 55 — 56. — Melikertes als 
Gottesname Rudiment altbäuerlicher Reli- 
gion vom Isthmus S. 56. 

5. Aus der Landschaft Korinth ist Melissus 
als zweiter Name desselben Bienengottes 
überliefert in der delphischen Kolonisations- 
legende von Korcyra und Syrakus S. 57 
bis 65. — Eppich, Bienenkraut, im isth- 
mischen Agon S. 66. — Keine Melikertes- 
darstellungen erhalten; Michelangelos Gio- 
vannino S. 66 — 67, 

IIL Palaemon 68 

I. Meeresengel ,RingerS der die bösen Meeres- 
dämonen niederringt, sonstige Träger des 
Namens S. 68 — 69, nicht ohne weiteres 
dem isthmischen gleichzusetzen S. 69. — 
Analogie des korinthischen Perseus S. 70 
bis 71. — Delphinreiter S. 71 — 73. 



VII — 



Seite 



2. Palaemon auf einem phantastischen Meer- 
tier auf altkorinthischer Scherbe (mit Figur 
S. 75) S. 74—76. 

3. Ihren verschiedenen Funktionen gemäß 
sind Palaemon und Melikertes im isthmi- 
schen Kult zu trennen, Melikertes im Ady- 
tum, Palaemon im Palaemonium (zusammen 
mit den Meeresgöttern Poseidon und 
Leukothea) S. ^^ — 80. — Das Adytum 
Schwurstätte; dazu Analogien S. 80 — 83. — 
Menschenopfer an Palaemon auf Tenedus 
S. 84—85. 

4. Opfer an Meeres- und Windgötter S. 86 
bis 91. 

5. Strandaltar des Melikertes auf dem Isth- 
mus S. 92 — 94. — Die isthmischen Spiele 
zuerst dem Melikertes allein, dann der 
isthmischen Meerestrias Poseidon Leuko- 
thea Palaemon gehörig S. 94 — 95. 

6. Melikertes in Aethiopien S. 96 — 97. 

IV. INO 98 

1. Die Legende in der Odyssee und in der 
großen Poesie überhaupt geht zuletzt auf 
ein verlorenes Epos zurück, das aus der 
isthmischen Tempeldichtung schöpfte S. 98 
bis 100; diese verband die ursprünglich 
getrennten Ino und Leukothea, Palaemon 
und Melikertes durch den Meeressprung 
S. 100 — lOi; sie ist durch die ionische 
Kadmussage beeinflußt S. lOi — 102. 

2. Leukothea ,die weiße Meeresgöttin* und 
Palaemon in lonien S. 103. — Inos Name 
mit Hilfe von Analogien erläutert S. 104 



— vm — 

Seite 

bis io6; Ino Inkubationsgöttin und Orakel- 
göttin in Lakonien S. io6; esthnische und 
altenglische Analogien S. 107 — 109; alles 
Semitische ist fernzuhalten S. 110. — Das 
Paar, die göttliche Mutter mit dem Knaben, 
auch sonst unter verschiedenen Namen 
durch die griechischen Landschaften ver- 
breitet, rein menschlich zu beurteilen S.i 10 
bis III. 

V. Melikertes und Palaemon 112 

Obwol getrennte Wesen sind sie wol nicht 
ganz ohne Beziehung S. 1 1 2 ff. ; Melikertes 
hat neben der rein profanen Berufssphäre 
als Honigschnitter vielleicht eine Art sa- 
kraler als priesterlicher Gott, dazu Ana- 
logien (Deborah, Melissa, [i£Xicjaov6|xoi, Ke- 
pheus, Aristaeus), etwa wie Aristaeus Regen 
und Winde weckt S. 112 — 117. — Exkurs 
über Orion S. 116^. 

VI. Palaemon und Portunus 118 

1. In der Novelle bei Apulejus (Metam. I) 
sind beide getrennt, Portunus griechischer 
Hafengott S. 118 — 120, in der ,Aeneis* V 
V.239ff. sizilischerHafengottS. 120 — 122. — 
Quelle des Apulejus ist die altattische, bei 
Manilius V V. 538 ff. benutzte Andromeda- 
tragödie, die inhaltlich hergestellt wird 
S. 122 — 127. 

2. Ovid ,Metam.* IV V. 51 2 ff. u. s. bietet eine 
aus der isthmischen erwachsene Kult- 
legende, welche einer römischen Tiber- 
filiale des isthmischen Palaemon gilt und 
Gleichung des Palaemon mit dem altitali- 



— IX — 

sehen Portunus, der Ino mit Mater Matuta 
behauptet S. 128 — 130; sonstige Spuren 
im Westen S. 1 30. — Kultverhältnisse auf 
dem römischen Rindermarkt S. 131. — 
Seneka (Oedipus V.445 ^0 ^^^ ^i^^ Plautus- 
interpolation (Rudens V. 161) gehn auf den 
Kult des Palaemon auf dem römischen 
Rindermarkt S. 132. — Die Inhaber der 
beiden erhaltenen Tibertempel S. 132 bis 
133 — 134. — Allgemeine Bedeutung der 
römischen Neugründung des Kults vom 
Isthmus S. 135. 



NACHTRAG. 

S. 37 hätte ich die von Simplicius zur Physik benutzten Krjofa 
des Sponis u. a. erwähnen sollen. 



i. EINLEITUNG. 

Über orientalische Elemente im altgriechischen 
Götterglauben ist seit dem Altertum viel von vielen 
vermutet worden. Solche Vermutungen galten und 
gelten heute in weiten Kreisen als unumstößliche Wahr- 
heiten. Ernst Curtius erklärte noch zuletzt eine Ein- 
schränkung oder Ablehnung der von ihm verfochtenen 
orientalischen Hypothesen für einen wissenschaftlichen 
Rückschritt.^) Öfters ist Einspruch erhoben. Mommsen 
schreibt:^) „Die religiösen Vorstellungen der Phoenizier 
sind formlos und unschön, und ihr Gottesdienst schien 
Lüsternheit und Grausamkeit mehr zu nähren als zu 
bändigen bestimmt; von einer besonderen Einwirkung 
phoenizischer Religion auf andere Völker wird wenigstens 
in der geschichtlich klaren Zeit nichts wahrgenommen." 
Forscher auf dem Gebiet des alten Orients sind zu der 
gleichen Auffassung gelangt wie Mommsen. Mir ist 
das wiederholt versichert worden. Ich will aber ein 
wissenschaftliches Buch nennen, aus welchem sich er- 
gibt erstens, daß uns die phoenizische Religion im 



') Gesammelte Abhandlungen II S. VII. 
a) Rom. Geschichte I5 S. 484. 
Maas«, Griechen u. Semiten. 



— 2 — 

einzelnen recht unbekannt ist, sodann, daß sie auf 
andere Nationen in der Tat kaum eingewirkt hat. Beides 
entnimmt man aus Pietschmanns „Phoeniziern".^) Allein 
für die allgemeine Stimmung sind die Zweifel und die 
Warnungen d6r Berufenen wirkungslos verhallt. Ich 
werde in einer Frage, welche von den Vertretern der 
semitischen Hypothesen innerhalb der griechischen 
Kultur beinahe ohne Ausnahme behandelt oder berührt 
zu werden pflegt, das sehr einfache und dazu jedem 
kontrollierbare Beweismaterial vorlegen. Ich habe die 
Untersuchung auf den festen Grund und Boden der 
Überlieferung, der wirklichen Überlieferung, welcher 
gewöhnlich verlassen wird, zurückgeführt, um eine Ver- 
ständigung zu erzielen. Über richtige oder fehlerhafte 
Methode in der Untersuchung muß es, sollte man 
meinen, möglich bleiben sich zu einigen. Nichts auf 
der Welt ist schlimmer, als eine ungeprüfte Vulgata, 
xapaaast toüc dv&pcüiroü? o& xd TTpayiiaTa, aXkoL xa irepl xwv 
irpaYixaxcüv Soyjiaxa, und nichts unheilvoller als der täu- 
schende Glaube, Grundfragen der griechischen Kultur, 
d. h. aller Kultur, mit Allgemeinbegriffen, einigen Stich- 
worten und starkem Selbstvertrauen ohne Einsatz ent- 
sagender, dem Endziel sich nur allmählich nähernder 
Arbeit abtun zu können. Nicht aus allgemeinen Vor- 
stellungen sollen wir die Einzelheiten regeln, son- 
dern das unbedeutend Einzelne zum Allgemeinen 
zusammenrufen. „Hypothesen sind Wiegenlieder, womit 
der Lehrer seine Schüler einlullt" sagt Goethe. Anders- 
wo hat er dasselbe so ausgedrückt: „Der Jüngling 
glaubt mit einem lebhaften Streben bald in das innere 



') Allgem. Gesch. in Einzeldarstellungen I, IV, 2 (z. B. S. 284). 



— 3 — 

Heiligtum zu dringen; der Mann bemerkt nach langem 
Umherwandeln, daß er sich noch immer in den Vor- 
höfen befindet". Auch ich bin nur in den Vor- 
hof gelangt. Ihn wenigstens habe ich hoffentlich 
erreicht, während ich erkannt habe, daß die, welche 
ich bestreite, noch außen herumschweifen. Was ich 
also vorlegen werde, ist, sei es durch meine Schuld, 
sei es durch die Mangelhaftigkeit der Berichte, nicht 
genügend bestimmt und ausgeprägt; es ist beschränkt 
und der neuen Probleme sind viele. Das noch unge- 
münzte, noch nicht auszählbare Metall erscheint aber 
vielfach und wird auch hier als ein ziemlich lästiger 
Besitz erscheinen. Ich habe darum der Versuchung 
lange widerstanden, eigne Untersuchung dem fest ge- 
wurzelten allgemeinen Vorurteil entgegenzustellen, und 
hätte weiter widerstanden, wenn nicht die Ereignisse 
und Arbeiten der erstvergangenen Jahre mich auf das 
lebhafteste die Gefährlichkeit des Dogmas wieder 
hätten empfinden lassen. Es ist alles noch wie es war; 
nur ist es verworrener geworden. 

Im wesentlichen ist der Grundgedanke der folgen- 
den Kapitel während des unvergeßlichen Frühlings 1889 
in frohen Tagen auf einsamen Wanderungen durch 
Attika und die heiligen Stätten des Peloponnes ge- 
staltet, das Ganze aber erst vor fünf Jahren nieder- 
geschrieben und in Form eines Vortrags in unserem 
Marburger historisch - philologischen Dozentenverein 
einem beteiligten Kreise von Kollegen und Freunden 
im Dezember 1898 mitgeteilt worden. Aus den in- 
zwischen von andern veröffentlichten Arbeiten, die 
sich auf den Gegenstand des Buchs beziehen, habe ich 
darum nur einiges Wenige nachgetragen. 



IL MELIKERTES. 

I. 

Korinth gilt bei vielen, ja fast allgemein als ein 
Mittelpunkt des phoenizischen Götterkultus in Griechen- 
land. Jetzt tragen schon die Handbücher der Mytho- 
logie und der Geschichte diese Anschauung, als sei sie 
zweifellos und Grund zu frohlocken, in alle Kreise. 
Und gewiß: wenn an diesem international-hellenischen 
Religionscentrum, welches durch die großen Festspiele 
seit der frühesten griechischen Zeit bis zum Untergang 
der antiken Welt noch besonders verherrlicht wurde, 
die phoenizischen Händler so tiefe Spuren, wie be- 
hauptet wird, wirklich hinterlassen haben sollten, dann 
ruht die orientalische Hypothese hier auf sicherem 
Grunde, dann haben wir uns auch anderswo ähnlicher 
Dinge zu gewärtigen, dann nur zu: das eigentlich 
Griechische ist dann gleichwertig und gleichbedeutend 
mit dem Semitischen. Kein Wunder, wenn Jakob Burck- 
hardt die Folgerungen in diesem Sinne klar und be- 
stimmt schon gezogen hat. Sogar die Organisation 
der griechischen Polis will er auf das phoenizische Vor- 
bild zurückgeführt wissen.^) Warum auch nicht.? Das 
übrige würde von selber nachfolgen. 



') Griechische Kulturgeschichte I, S. 6i f. 



— 5 — 

Für das Stadtgebiet von Korinth arbeitet diese 
Hypothese wesentlich mit der Athenareligion. Unter 
dem Beinamen „die Phoenizierin" (Ooivixtj) besaß Athena 
in Korinth einen Kult; die Gegend, in welcher der 
Tempel oder der Altar stand, hieß Ootvtxatov,^) auch wol 
der Tempel selbst, wie die Analogien (F^aüxcoiriov 
'EXsüatviov riü&iov AeXcptvtov) nahe legen. Die Ableitung 
wird durch die sprachliche Form erfordert, es heißt ja 
nicht Ootvtxtov; es ist falsch, wenn Ernst Curtius schreibt i^-) 
'Unter den Ortsnamen erinnert das Ootvtxatov an die 
orientalische Niederlassung, unter den Gottesdiensten der 
der phoenizischen AthenaS und wenn andre dies nach- 
gesprochen haben 3). Das scheinbare Doppelzeugnis 
für Korinth, Athena Ooivixtj und Ooivixatov, ist in Wahr- 
heit ein einziges; wir haben es nur mit dem Beinamen 
der Göttin zu tun, von welchem OoivtxaTov erst ab- 
geleitet ist „Athena die Phoenizierin" scheint aber ein- 
leuchtend. Man möchte sich vielleicht entschließen, 
anzunehmen, daß die Korinther eine ihnen aus Phoe- 
nizien zugeführte landfremde Göttin mit ihrer Athena 
gleichgesetzt hätten. Dennoch wäre dies so lange eine 
Übereilung, als Ooivixyj hier noch etwas anderes be- 
deuten kann. In Epidaurus stiftete zur Zeit der Antonine 
ein römischer Senator Antoninus Tempel dem As- 



') Odelberg „Sacra corinthia sicyonia phliasia** p. 30 hat das 
Verhältnis zwischen Athena (t>oisU-q und (Poivixaiov umgekehrt. 
Vgl. Steph. Byz. s. v. (PoivixaTov] 6poz Kopfv^ou. *Ecpopo? xpiaxaiS^- 
xaxoc (Fr. 137). tö lOvixov (Poivixctloc Schol. Lyk. 658 (PoivixTj hk 1^ 
!A^vd ^v Kop(v&ü)i TijjLolTai. Lykophron selbst hatte nur allgemein der 
Athena 4>otv(x7) gedacht. 

*) Peloponnesos II. S. 517. 

3) Z. B. Wilisch, Progr. von Zittau 1875, S. 21 A. 



— 6 — 

klepius und dem Apollo, welche Götter er zur Unter- 
scheidung von den anderen epidaurischen Asklepius- 
und Apollodiensten „die aegyptischen" zubenannte. 
Pausanias hat diese Stiftung lebhaft beschäftigt.^) Der 
Senator wird Filialen griechischer Kulte des Pharaonen- 
landes, wer will heute noch wissen, aus welchen per- 
sönlichen Gründen, nach Epidaurus übertragen haben. 
So wenig aber die beiden Götter des Antoninus durch 
ihren Zunamen als aegyptisch ihrem Ursprünge nach 
bezeichnet sind, so wenig haben wir ein Anrecht, die 
korinthische Athena Phoenike als phoenizisch ihrem 
Ursprünge nach aufzufassen. S. Maria Egiziaca, die 
Nachfolgerin der Mater Matuta am Tiber, ist „aegyp- 
tisch" gewiß nicht ihrem Wesen nach, sondern eher, 
weil dieser Sonderkult aus dem christlichen Aegypten 
oder von aegyptischen Christen in Rom eingerichtet war, 
im Gegensatz zu den vielen sonstigen Marienkulten der 
Stadt Rom. Das Korinth, welches Pausanias geschildert, 
ist die römische Kolonie Laus Julia. Dahin mögen 
Griechen oder Römer oder wer immer die Filiale eines 
in Phoenizien bestehenden, natürlich griechischen, Kult- 
tempels der griechischen Göttin übertragen und zum 
Unterschiede von den Athenen mit den Zunamen 
XaXtvtxtc und'EXXcüxfe „die Phoenizierin" genannt haben. 
Griechisch bleibt diese Athena darum doch; in Phoe- 
nizien wohnten damals viele Hellenen oder hellenisierte 
Angehörige andrer Nationen. Nie und nirgends ist im 



') II, 27 bnöda hl 'AvTtovTvoc, dv^jp t^c auyxXT^Tou ßouX^c, l(p* 
i^fxÄv inoi-qazy, Idxi fx^v 'AaxXTjTriou XouxpcJv, laxi hh Upov dewv o^c 
'E7ri8(i)xac ovojjLC^Couaiv. inoiriaz hl xal 'Tyieictc va6v xal *AaxX7)7riü)i 
%a\ 'ÄTidXXtovi ^TT^xXTjaiv AiyuTrxfoic Weiter erneute er die sog. 
Halle des Kotys und erbaute eine Entbindungsanstalt in Epidaurus. 



— 7 — 

Altertum die griechische Himmelstochter, welche zu 
der Blitzkammer des Zeus allein die Schlüssel fuhrt, 
als Semitin angesprochen worden. Wer das zu be- 
haupten unternimmt, hat die volle Beweislast ohne 
Zeugenhilfe allein zu tragen — wenn er vermag. Es 
sollte doch wirklich für Korinth und seine Kolonien 
schon die eine Tatsache, daß Athena hier als die 
Schutzgöttin des Nationalhelden Perseus fest erscheint, 
ausreichen, um diese Göttin vor jedem semitischen 
Verdacht für immer sicherzustellen. Vielleicht gelingt 
es aber noch, die korinthische Athena anders anzu- 
knüpfen. Sie heißt 'EXXwTta oder 'EXXwxfe, ihr Fest 
*EXXtt)Tia. Das vorausgesetzte 'EXXwtoc ist nach Analogie 
von BowüTo? 'AiroScDT^c öecjTrpcüToc ein Ethnikon und ge- 
hört zu *EXXoc, wie Boicdtoc zu Bow (oder Botov opo?).^) 
^EXXoi, dialektisch für 2eXXot,^) bedeutet die Bewohner- 
schaft von Dodona und Umgebung. Danach wäre 
anzunehmen, daß Athena in ihrem Beinamen 'EXXwTti 
eine Erinnerung an ihre alte Heimat unverloren auf- 
bewahrt hat. Und ich wüßte nicht, was dem entgegen 
wäre.3) Jedenfalls ist Athena in Korinth, wie sonst bei 
den Hellenen, die hellenische Himmelstochter, nicht 
weniger. 4) 



") Kretschmer „Einleitung in die Geschichte der griech. Sprache** 
S. 257. Hesych s. v. 'Apa)T(5c] 'HpaxXijc Tiapd MaxeSdaiv gehört wol 
auch hierher. 

*) Hesych s. v. 'EXXod "EX^Tjvec ol h A(i)6u)V7]i. xal ol lepeic 
S. V. 'EXX(5c ähnlich. 

3) Denselben Beinamen trägt Europa in Kreta (Hesych s. v.). 
S. V. E{)pü)7r(c] T^Traxp^c ist nicht in 'HireiptOTfc zu ändern. 

4) Wilisch (bei Röscher u. d. W. Hellotia) macht die 'A^r^va 
^EXXü)t(c zur Semitin. Seine Methode ist die von Movers inaugurierte. 
Zu wideriegen ist da nichts. 



2. 

Für den Isthmus von Korinth lautet die semitische 
Hypothese so. Die Phoenizier sollen auf den Isthmus 
einen ihrer Hauptgötter, den Stadtgott von Tyrus, ver- 
pflanzt haben. Hier sei er ganz heimisch geworden 
und auch nach seiner im Laufe der Zeit erfolgten 
Unterordnung unter den isthmischen Poseidon ein 
Mittelpunkt der isthmischen Religion und der großen 
international-hellenischen Spiele geblieben. Der Beweis 
liege im Namen. Der von den Hellenen verehrte 
Melikertes vom Isthmus sei eben nichts anderes als 
der tyrische Melkart (Melek-qart „Stadtkönig"), dessen 
Namen die Hellenen ihrer Zunge anbequemt haben. 
Dies etwa die kaum je ernstlich bestrittene Beweis- 
führung, wie ich sie aus den mannigfachen Darstellungen 
des Gegenstandes bei Philologen und Mythologen, 
Historikern und Orientalisten formuliert habe, und zwar 
die ganze Beweisführung. Es ist die Etymologie, die 
den isthmischen Melikertes und den semitischen Melkart 
zusammengeführt hat, sie allein. Was außerdem zum 
Beweise herangezogen worden ist, das betrifft Einzel- 
heiten, welche auch nach der Meinung der Vertreter 
dieser Hypothese an sich ganz unsicher sein würden. 



— 9 — 

So will Blümner „Midakritus", der den Griechen zuerst 
das Blei zugeführt haben soll, in Melikertes umändern.') 
Der Name „Midaserlesen" wird aber durch Bildungen 
wie Theokritos Diokritos Herokritos Demokritos wol 
genügend geschützt, und das Fabelbuch Hygins nennt 
zwar nicht den Midakritus, aber doch den Midas für 
dieselbe Erfindung.^) Solche Varianten sollen wir hin* 
nehmen, ohne zu mäkeln. Die Namengleichung also, nur 
sie, ist und bleibt vielen Forschern eine selbstverständ- 
liche, unbestreitbar richtige Voraussetzung. „Da die 
geschicktesten Orientalisten (wie Movers und Creuzer) 
seit langer Zeit Melikertes und Melkart gleichgesetzt 
haben, dürfen wir das auch", so etwa urteilt De Witte3) 
unter dem Beifall S. Reinachs 4); auf diesen wieder 
beruft sich Usener,5) als hätte jener einen Beweis ge- 
führt oder versucht zu führen. So geht die ganze 
These, wie sie ist, auf das Buch des Theologen Movers 
über die Phönizier oder auf einen früheren ähnlich 
befangenen Vertreter der semitischen Kultur zurück. 
Nachgeprüft ist sie noch nie, aber immer weiterge- 



') Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste IV, 
S. 87 A. Plinius „N. H." VII, 197 „Plumbum ex Cassiteride insula 
primus adportavit Midacritus**. 

*) Fab. 274, 10 „Midas, Cybeles filius, Pliryx plumbum album 
et nigrum primus invenit". Knaack „Hermes** XVI, S. 595 A. 
Mommsen zu Kassiodor „Variae** (M. G. H. Auct. antiqu. XII) praef. p. 
XXI sq. Kremmer „De catalogis heurematum**, p. 71 sq. Amymone 
heiratet nach Hygin „Fab.** CLXX p. 33 B. im Danaidenkatalog 
jpMidamum**, also „Midam** (den Eponymen von Mideia) oder „Mi- 
dylum**, den Eponymen der Midylidai. 

3) Gazette arch. V, 1879, P« 219. 

4) Revue arch. 1898, p. 59. 

5) Sintflutsagen S. 151 ff. 



/ 



— 10 — 

spönnen und weitergegeben, wie eben jetzt der von 
Weizsäcker veröffentlichte Artikel „Palaimon" inRoschers 
mythologischem Wörterbuch für viele zeigen mag. 
Und die Philologen helfen bereitwillig mit W. Christ 
fühlt sich überrascht, „den Semitengott Mehkertes" noch 
nicht in der hesiodischen Theogonie erwähnt zu finden 
und sieht in seinem Fehlen wol gar eine Art chro- 
nologischen Argumentes. I) Nun haben Gesenius — 
ihm folgend Grasberger — und Gruppe^) auch schon 
die sprachliche Entwicklung des semitischen Gottnamens 
auf griechischer Erde vor Augen geführt; ich habe von 
keiner Seite ein Wort der MißbiUigung' gelesen.3) 

Ich will nicht verschweigen, daß zeitweise im Lager 
der Orientalisten Zweifel an der Berechtigung dieser 
These aufgekommen zu sein scheinen. Ed. Meyer 
redete im L Band seiner „Geschichte des Altertums" 
S. 192 vom „Phoenizier" Melikertes sehr sicher. Dann 
liest man IL S. 146 den nicht mehr so zuversichtlichen 
Satz: „Sicher phoenizisch ist außer den Kabiren wol 



>) Griech. Litt.-Gesch. I', S. 72 A. 

*) Grasberger „Studien zu den griechischen Ortsnamen** S. 278. 
Gruppe „Griech. Mythol.** I, S. 135 läßt von dem als phoenizisch 
aufgefaßten Melikertes nach der Art griechischer Komposita eine Kurz- 
form Melikios und daraus Melissos entstehen I Melissa, Perianders 
Frau, soll nach diesem Melkart benannt seini Ihm gilt Learchos, der 
Bruder des Melikertes, als griechische Uebersetzung von Melkart 1 — 
Auch Makareus Makar (Euboea Lesbos) ist als ein aus Melkart ver- 
dorbener Name aufgefaßt worden (Olshausen „Rhein. Mus.** VIII, 
S. 329). Lewy (Semitische Fremdwörter im Griechischen S. 240 flf.) 
hat das alles registriert. 

3) Odelberg „Sacra corinthia sicyonia phliasia", Upsala 1896, p. 142 
denkt an griechischen Ursprung. Wide (Lakonische Kulte S. 230) 
nennt ihn rätselhaft. 



— II — 

nur der am korinthischen Isthmus verehrte Meerdaemon 
Melikertes, dessen Name von dem des syrischen Stadt- 
gottes Melkart, der die Schiffahrt beschirmt, schwerlich 
getrennt werden kann." Das leichte Zugeständnis ist 
aber im Jahre 1896 wieder beseitigt worden. In 
Roschers „mythologischem Wörterbuch" (u. d. W. „Mel- 
qart" S. 2652) redet Meyer so sicher wie vordem: „Die 
Gestalt des griechischen Melikertes ist, wie der Name 
lehrt, 'sicher* aus dem phoenizischen Melkart erwachsen 
und erweist Vielleicht* eine alte phoenizische Ansiedlung 
auf dem Isthmus von Korinth." Das ist ganz die alte, 
besonders von Ernst Curtius zwar nicht erfundene, 
aber zeitlebens mit Energie vertretene Meinung, die er 
zuletzt so zusammenfaßte: „Die eigentümliche Ent- 
wicklung des Volkslebens in Korinth hängt wesentlich 
damit zusammen, daß hier eine phoenizische Ein- 
wanderung in besonderer Stärke stattgefunden hat"^) 
Das bezeugt ihm (neben anderm Scheinbaren) der 
tyrische Melkart. Der Hypothese hat sogar ein Kritiker 
wie v. Gutschmid nicht widerstanden. Thraemer 
schreibt: „Wenn Melikertes, was selbst ein so ent- 
schiedener Gegner der Phoenizierhypothese wie v. Gut- 
schmid gelten lassen wollte, phoenizischer Herkunft 
ist, so muß die Anwesenheit der Sidonier an den 
griechischen Küsten doch über gelegentliches Landen 
zum Zweck des Handels und der Purpurfischerei hin- 
ausgegangen sein."^') Gewiß I Kein Wunder also, wenn 
diese Melikerteshypothese auch dem Verfasser der 



') Studien zur Geschichte von Korinth (in den ,,Ges. Abh." I) 
S. i82f. 

*) Pergamos S. 404. 



— 12 — 

neuesten „Götterlehre" der Griechen O. Gilbert (S. 323 f.) 
so sicher gilt, daß er sie in sein System organisch 
hineingearbeitet hat; und der radikalste Sonnenapostel 
äußert sich so :') „Melikertes, Sohn des Meeres (das ist 
Ino), wie Achilleus und Genossen (die alle Sonnen- 
heroen sindl) wird in einem Kessel gesotten, wie lason 
Pelias Pelops; ähnlich auch Dionysus. Er versinkt im 
Meere wie Aias und Genossen, wird nach seinem Tode 
Patron der Schiffahrt, wie Achilleus und Genossen. 
Daß er trotzdem ursprünglich kein Meerdaemon, sondern 
der Sonnengott war, zeigt sein Name, der ihn dem 
tyrischen Melkart gleichzusetzen zwingt (Röscher II, 
S. 2652)." So die allerneuste Forschung. Es war nicht 
wolgetan, wenn Beloch in der vorzüglichen Unter- 
suchung über die Phoenizier im aegaeischen Meere 
des Melikertes nicht gedachte.*) Wir sehen es deutlich, 
wie die ganze Phoenizierhypothese für den Isthmus am 
Ende auf ihn allein zusammenschrumpft. 

Es ist nicht überflüssig, hier an einen Grundsatz 
zu erinnern, ohne den alles Forschen in der Mythologie 
ein Spielen bleibt. Das Deuten religiöser Namen darf 
aus dem nächstbeteiligten Volkstum und seinem Sprach- 
gebiet nur heraustreten, wenn die Möglichkeit das frag- 
liche Sprachgebilde aus diesem zu begreifen durch 
genügende Gründe ausgeschlossen erscheint. Dieser 
Grundsatz ist einfach und ohne weiteres einleuchtend; 
er beansprucht unverbrüchliches Gesetz zu sein, wollen 
wir nicht allen Boden unter den Füßen verlieren. 



') Seeck „Geschichte des Unterg. d. ant. Welt" II S. $88. 
») Rhein, Mus. 1894 S. iii — 132. 



— 13 — 

Ferner. Vielfach begegnet man lautlichen Identitäten 
bei inhaltlicher Verschiedenheit zwischen Griechen und 
ungriechischen Völkern, auch den Phoeniziem, die uns 
hier allein beschäftigen. Melitah heißt phoenizisch 
„Zufluchtsstätte"; Malta trägt diesen phoenizischen Namen. 
Melite und Varianten sind aber beliebte Bezeichnungen 
für rein griechische Örtlichkeiten und ohne jede Frage 
richtige Bildungen von \i£ki Honig, wie Xitwvyj, der Bei- 
name der Artemis, von x^'^^^i wie ör^pa „die Wildinsel" 
von den dr^pec, wie der Stadtname IIitüyj von den 
Fichten. Der thessalische Flecken MeXiTaia, korrekt von 
MeXttT) abgeleitet, führt im Wappen eine Biene. Es 
hat doch nichts Auffälliges, wenn ein attischer Demos 
Melite „Honigdorf" heißt.^) Der attische Honig war 
berühmt, sogar exportiert. Der Gott Aristaeus, auch 



') An sich könnte Me)iT7] wol auch von der Melisse (p-eX^xeia), 
dem Bienenkraut, genannt sein. Wilamowitz bestreitet die Möglich- 
keit (Philol. Untersuch. I S. 148 f.). Die euböische Stadt Kerinthos 
widerlegt den Einwand: TCT^pivBo? heisst „Bienenkraut". 

Salamis soll inmier noch eine phoenizische Ansiedlung sein, 
weil „salem" phoenizisch „Frieden" heisst. Aber aaXo; ,,die wogende 
Flut" ist ein gutgriechisches Wort, die Endung ap.oc, fem. ap.(? 
gutgriechisches Suffix, z. B. in op)^ap.o? von citp)^(Jc. Es kann Salamis 
sehr wol sein ,,vom Meer umflutet", also Insel, im Gegensatz zur nahen 
attischen Küste so benannt; dX^TiXaxToc noch die Dichter. Ich sage 
nicht, Salamis die Insel muss etymologisch so aufgefasst werden, sie 
kann es aber. Da im übrigen noch Niemand auf dem Eiland Salamis 
phoenizische Einflüsse oder Spuren nachgewiesen, so ist die auswärtige 
Etymologie verwerflich. Allerdings hat man einen phoenizischen Gott 
auf Salamis zu entdecken geglaubt. Wir hören nämlich inschriftlich 
von einem Zeus 'E7ri%o{vio;, der auf Salamis verehrt sei; ob in der 
kyprischen Stadt oder auf der attischen Insel, wird nicht gesagt Man 
nimmt aber an, dass die attische Insel gemeint sei. Gesetzt diese 
Beziehung sei richtig: was lehrt jener Zeus 'Ettixo^vioc, von dem wir 



— 14 — 

Bienengott, soll in Attika den Honig erfunden haben.^) 
Im Demos Melite scheint die in diesen Kreis gehörige 
Nymphe Meliboia als Aias Mutter, auch als das Weib 
des Theseus, wenn nicht lokalisiert, so doch bekannt 
gewesen zu sein.^) Dennoch hat man dieses Melite lange 
als phoenizisch darum betrachtet, weil es ein phoeni- 
zisches Wort Melitah gibt, und das richtig gebildete 
griechische Wort mißachtet. Auf die Nymphe Melite 
vom „Honigberg" (MsXtrsiov opo?) auf Korcyra hat Wila- 
mowitz aufmerksam gemacht,3) und Meliteus ist Eponym 
von Melite „Honigstadt" in Phthia, Immenhausen, wie 
Pape im Namenbuch nicht übel überträgt.4) 

Der tyrische Stadtgott heißt an den Avenigen 
Stellen, wo er innerhalb der Litteraturdenkmäler un- 
zweifelhaft genannt wird, „Melkarthos", nicht Melikertes.5) 

sonst nichts wissen, aus seinem Beinamen für Salamis, und was nicht? 
Zeus 'Ettixo^vio? soll „der gemeinsam (nämlich von Phoeniziem und 
Griechen) verehrte" seinl Die Ergänzung „nämlich von Phoeniziem 
und Griechen" ist vom Uebel. 'Etiixo^vio? ist Zeus, sofern er 6 ^ttI 
t6 xoivov %z6i ist. xoivdv ist das Staatswesen, auch jeder nicht po- 
litische Verein, jedes zwischen mehreren eingegangene Verhältnis. In 
Theben heisst Zeus 'ÜfxoXwios; darin steckt 6jjl($5 und Xad;: das ist 
z. B. ein 'Ettixo^vio?. 

') Plinius„N.H." VII,I99 „Oleum et trapetas (Olivenkelter) Aristaeus 
Atheniensis (invenit), idem mella". Es ist das Nächstliegende, Aristaeus 
in Melite zu denken. Von Melite, der Demeneponyme, berichtet 
übrigens Philochorus bei Harp. s. v. MeX^tt], sie sei xaxÄ MouaaTov A{ou 
ToO 'A7r(J}v)v(i)voc Tochter gewesen. Dios bezweifelt Wilamowitz „Phil. 
Unt." I, S. 148. Ist das etwa 'Apiaxatou? 

«) Ister bei Ath. XIII, 557, Statins „Silv." V, 48, vgl. Toepffer 
„Att. Geneal.", p. 270 ff. In Melite wohnt Eurysakes. 

3) Philol. Unters. I, S. 148. 

4) Röscher u. d. W. 

5) Pape (aus ihm alle späteren) belegt MeX(xap&o; aus Sanchuniathon 
bei Eusebius „Praep. ev." I 10, p. 46 Dind. Allein im alten Parisinus, 



— 15 — 

Kein antiker Zeuge, nicht einer, hat die Gleichung 
Melikertes - Melkart vertreten oder auch nur gekannt. 
Wer den griechischen Kadmus zum Semiten machte, 
konnte sich auf eine griechische Überlieferung, die 
Genealogie, berufen. Zwar bewies und beweist die 
Genealogie nicht, was sie soll, aber sie spricht wenig- 
stens scheinbar für die Semiten. Im Falle des Meli- 
kertes fallt auch dieser und jeder Schein fort Die 
Griechen haben von Götterfremdlingen im isthmischen 
Kulte nichts gewußt. Wir dürfen weitergehen und 
sogar sagen: sie würden in ihrer guten Zeit — speku- 
lative Köpfe wie Herodot ausgenommen — jede dahin 
zielende Behauptung als einen Angriff auf ihre nationale 
Selbständigkeit angesehen haben. Herodot erzählt von 
den Kauniern,^) sie hätten Jahr für Jahr in voller Waffen- 
rüstung kriegerische Umzüge durch ihr Land gehalten, um 
dadurch zu bezeugen, daß sie, den väterlichen Gottheiten 
unbedingt und ausschließlich treu, die eingedrungenen 
Fremdlinge wieder aus dem Lande hinausjagen wollten. 
Wir handeln gewiß nicht im Sinne der Alten, erklärte 
Ernst Curtius,^) wenn wir ihnen zu Ehren eine Grenz- 
sperre durch das aegaeische Meer zu ziehen uns ver- 
pflichtet glauben und als moderne Kaunier alle über- 
seeischen Gottheiten austreiben. Ich will im Bilde 



den ich verglichen habe, steht twi hl Ai^jACtpoüvTi y^vexai M^Xxap^oc 6 
xal*HpctxX7]c. So hat auch Dindorf. Es scheint also, dass die Änderung 
MeX^xctpOoc erst unter dem Einfluss der falschen Gleichung M^XxapOoc- 
MeXix^pT7]c in neuester Zeit entstanden ist. Nonnus kennt den Melkart, 
welchen er „tjrrischen Herakles" nennt, und den Melikertes; aber 
selbst er identifiziert nicht. 

I, 172. 

*) Gesammelte Abh. II, S. 30. 



— i6 — 

bleiben. Die Kaunier vertrieben solche Götter, die sich 
als Fremde auswiesen. Des Philologen Pflicht sollte 
es sein, die Tatsachen auf sich wirken zu lassen, die 
Überlieferung einfach und unbefangen so zu nehmen 
wie sie ist, nichts zwar aus dem Zusammenhange 
der Völkergeschichte zu isolieren, aber ebensowenig 
etwas in eine widerstrebende Verbindung hineinzu- 
zwängen.^) Eine religiöse Xenelasie ist in Sachen des 
Melikertes nicht erforderlich, weil das hellienische 
Wesen und der hellenische Kult des Gottes vom 
Isthmus mit Gründen noch niemals bestritten worden 
sind. Das muß grundsätzlich genügen. „Eine falsche 
Lehre läßt sieht nicht widerlegen; denn sie ruht ja 
auf der Überzeugung, daß das Falsche wahr sei, aber 
das Gegenteil kann und muß man wiederholt aus- 
sprechen" — mit Goethe zu reden. Die Namenähn- 
lichkeit zwischen dem tyrischen Melkart (nur von einer 
Ähnlichkeit ist zu reden) bliebe eine Zufälligkeit auch 
dann, falls sich eine einleuchtende Etymologie aus dem 
Griechischen nicht noch finden lassen sollte. Wie viel 
solcher Namen liegen heute in einem undurchdring- 
lichen Dunkell Der Namenschatz ist das große Buch, 
in welches die Religion wie alle geistige Kultur eines 
Volkes zu einem großen Teile eingetragen steht. Wer 
das zu lesen verstünde 1 



') Ebenda S. 27 f. 



3- 

I. Einen flüchtigen Versuch, den Götternamen Meli- 
kertes aus dem Griechischen organisch zu begreifen, 
haben in der zweiten Auflage ihrer „Griechischen Per- 
sonennamen" Fick und Bechtel gemacht.^) Es ist be- 
achtenswert, daß diese gründlichen Kenner griechischer 
Namenpracht grundsätzlich zugeben, es habe die Form 
MsXixipTTj? griechisches Aussehen. Mir war das eine Be- 
stätigung, aber nur im allgemeinen. Ihre nur als be- 
scheidene Vermutung gegebene Etymologie wird wol 
niemandem gefallen und ist zudem leicht wiederlegbar 
aus dem Material, das Fick und Bechtel in ihrem Buche 
selbst zusammengetragen haben, oder, was hier auf 
dasselbe hinausläuft, aus den Gesetzen der griechischen 
Namenbildung, die sich aus ihren Sammlungen mit ge- 
nügender Sicherheit ableiten lassen. Sie schreiben: 
„Melikertes von \i£ko^ Glied, soviel wie Gliedverhauer", 
und verweisen auf XuatfAsXi^? „Glieder lösend", das ho- 
merische Beiwort des Schlafs; das Femininum Auai\d' 
Xsta ist mythischer Eigenname. Die Übersetzung ist 
wenig geschickt; ich kenne nur einen Fisch „Speck- 



s. 458. 

Maass, Griechen u. Semiten. 



— i8 — 

verhauer". I) Fick-Bechtel denken für den zweiten Teil 
des Kompositums an xstpstv „schneiden",*) wovon nach 
Analogie von xaOapn^^ von xadatpo) d^upri^? von difetpcDS) 
Xi^ikvqq von icpsXXo) IIoXüSsXTrj? von Myo\Lai au(To)8£VT>jc von 
Mvo) u. a. m. xspxi^c „Schnitter" gebildet wäre, wie um- 
gekehrt dÄzpaz/.6\i.T^q „der sich die Haare nicht schneidet", 
und haben wol das Zerlegen der geschlachteten Opfer- 
tiere im Sinne, nicht das xpsavo^Astv, sondern das xcoXoxo- 
[A£rv4) oder xpeaT0[jL£iv;5) Aeschylus drückt das einmal 
auch so aus: xpsoxoTroüai Sdott^vcdv [asXt].^) Vermittelst 
einer weit verbreiteten Art sakraler Hypallage wird der 
Gottheit als Tätigkeit zuerteilt, was ihre Priesterschaft 
oder Gemeinde oder ihre Verehrer im allgemeinen, 
sei es zu ihrer Ehre, sei es zufallig, erleben. Zeus ist 
irgendwo ofTiXa^^^voTOfio?, sofern er gewisse Innenteile des 
Schlachttieres geopfert erhält, d^ixicüp bei Aeschylus 
(Suppl. V. i), wo die Angelandeten (dcptxxopsc V. 242) zu 
ihm beten; Dionysus (üjiT^axT]? dv&pcüTroppaiaxTj?, wo das 
dem Opferstiere abgerissene, noch bluttriefende Fleisch 
roh gegessen wird, wo ihm Menschen geschlachtet 



I) Eine Delphinart (Brehm „Säugetiere" III, 686). 
*) xefpeiv ist „schneiden", nicht eigentlich, wie W. Schmid „Atti- 
cismus" IV, S. 309 will, „scheeren". 

3) Da man in der Zusammensetzung [t.alia'fpi'zai „Brotsammler" 
(vom Bettler, Aristias Fr. 3 N.) und in Sparta iTrTroqfp^Tas vom Reiter- 
anführer sagt, so ließe sich xüjXaxp^TTj; (von xe(ptü) als „Zerstückler" 
des Opfertieres immerhin denken. Der Bindevokal würde keine 
Schwierigkeiten machen. 

4) Dies Verbum, nur in einem anonymen Verse überliefert 
(Ti]fi.05 8' 5t* «{CtJO^ A7]fi.T^T^pax(üXoTOfxeijaiv, vgl. Schneider „Callimachea" II 
p. 785, No. 370), stammt wol aus der hieratischen Sprache. 

5) Aeschylus „Ag." V. 1091. 

6) Aeschylus „Perser" V. 463. 



— 19 — 

werden. Allein gegen die Etymologie ist dennoch ein 
grundsätzliches Bedenken schwerwiegender Art geltend 
zu machen. Es handelt sich um den Vokal zwischen 
den beiden Teilen des viersilbigen Kompositums; Binde- 
vokal kann man nicht sagen, weil es sich noch nicht 
erkennen läßt, ob das i hier nur bindet oder ob es 
stammhaft oder endlich, ob es Kasussuflix ist. Eben 
das ist zu untersuchen. Die Meinungen gehen aus- 
einander. 

2. Mir ist die Ansicht geäußert worden, das t wäre 
hier euphonische Neuerung statt e, es wäre — unter 
der Voraussetzung der Fick-Bechtelschen Etymologie — 
vom Stamme [asXs? „Glied" statt des normalen MeXsxlpxTj? 
(*xspafijx£Xi^c, wie cpftspatYevi^^) ^) aus Gründen des Wolklangs 
MsXtxspTTjc geworden. Das euphonische Bedürfnis einmal 
zugegeben, würde die Sprache nach aller Analogie hier 
kaum zu dem Wechsel des mittleren der drei e mit i 
gelangt sein; MsXoxspxT]? hätte ihr zur Verfügung ge- 
standen, da diese Neutra der dritten Deklination mit 
den o-Stämmen der dies o in der Komposition beinahe 
ausnahmslos bewahrenden zweiten sich im Austausch 
der Formen befinden, wie nicht nur KXspeGf&ivr^c neben 
KXspoGf&svrj? von xXeo?,*) sondern sogar jjlsXottoioc (in 
der Bedeutung „Liederdichter"), [xsXoxuTrsiv „die Glieder 
schlagen" und mancherlei anderes beweist. 3) Der um- 
gekehrte Fall tritt nicht ein: noch niemand hat be- 
wiesen, daß ein s oder i aus der dritten Deklination 



') Aeschylus „Sieben" V. 1054 neben Trepa^TrroXu mit e „Perser" 
V. 65. 

*) W. Schulze „Quaest. ep." p. 41 3. 

3) Aeschylus „Ag." V. 1153. 



2* 



— 20 — 

auf die o-Stämme der zweiten durch das Mittel der 
falschen Analogie übertragen worden ist, obwol in den 
Handschriften dergleichen überliefert und in den Aus- 
gaben zu lesen steht. Allein 2oüGfqevi^c und ^TnctavaxTO«: 
sind in Aeschylus' „Persern" (V. 664. 997) nach der Regel 
in 2oüaoY£vi^? und JirTroavaxxo? zu verbessern: ^ItttcävoJ 
Arj[Aü)va$ AsaßwvaJ *Ep[Aü)va$ MavopoivaJ (d. i. MatavopopavaJ, 
der umgekehrte 'AvaJtjxavSpo?), ITXetaTcüvaJ - nXetaTopava^ 
stehen daneben. Die Sammlung wird ausreichen. 
ApojjLt^^atTTj? „der das Haar wie Dromis trägt" ^) ATjXtap^^T]? 
„der Leiter des Delienfestes" u. ä. erledigen sich ebenso 
leicht; anderes ist unerklärlich oder verdorben,^) und 
die Latinisierungen „Damipho Clitipho thermipolium 
Agrippa" (aus axpoirooT]?) bedeuten für die griechische 
Gewöhnung nichts. 3) 

3. In den Komposita, als deren erster Bestandteil 
ein neutraler Stamm der bezeichneten Art auftritt, kann 
t an sich Kasuszeichen sein, also Lokativ. Lehrreich 
sind die mit u^i gebildeten Zusammensetzungen. Da 
wir ü^j^t r^pt u. a. noch in der Isolierung kennen, da 
6<}^t[A£8ü)v in der Höhe herrschend, T^j^ixpotTT]^ u. a. (wie 
AatxpocTYj? 'Hpi^ovY] aufttYSVT^? vuxTtXajxTn^?) als lokativische 
Komposita aufgefaßt werden müssen, so ist jenes in 
den sicher mit Nomina der dritten gebildeten Kom- 



') CIA. II 963, 42. Crönert „Hermes" 1902, S. 227. 

*) KuTTapiaaicpä; ist unerklärt (Hiller von Gärtringen „Hermes" 1901, 
S. 452 f. Dragoumis „Bulletin de corr. hell." 1900, S. 324). Ebenso 
trotz Usener Syo^vixXo; (Sintflutsagen S. 56). Der Heros von Pheneos 
wird kaum Aocfiii&QtXTjs geheißen haben, wie Pausanias ihn nennt. 

3) Saalfeld „Die Lautgesetze der griech. Lehnworte im Lat." 
S. 75. 85. 



— 21 — 

posita möglicherweise auch sonst manchmal Kasus- 
zeichen.^) Eine Reihe von Fällen aber widerstrebt und 
ist darum schon von andern Forschern ausgesondert 
oder doch als fraglich bezeichnet worden.*) Wenigstens 
in KaXXiGf&svT]? KuSi'jAa^^o? KpaTtSTjfjLoc haben die vorderen 
Stämme KaXXt Kpait Kü8i u. s. w. nicht lokativische, 
sondern sicher adjektivische Bedeutung bei substantivi- 
schem Aussehen; die homerische KoXXtxoXtüVTj ist nicht 
„Schönheitshügel".3) Es scheint die Ansicht, welche 
Parallelstämme auf t zu den natürlichen aufs erkennen 
will, ungenügend begründet, z. T. sogar erweislich un- 
richtig. Wie der alte, anerkannt aus llXsta&eviSac zu ge- 
winnende Name WketaMvriq durch innere Synkope aus 
nXetOTOGf&svTjc, so sind KaXXta&svTj? KaXXiircpaTOc xaXXtarscpavoc 
und KpaxtGf&evT]^ aus den beliebten Superlativbildungen 
KaXXtGfToa&svYj? KaXXtaxoaxpaToc xaXXtGfxoaxecpavo? und Kpaxi- 
oPxoGf&svT]^ entstanden4) und konnten leicht durch das Mittel 
falscher Analogie zunächst inhaltlich gleiche Formungen 
wie KaXXtxpaxTjc, dann andre KoXXtxXr^c KaXXtJAa^^o? KüStxXr^C 
Kü8t'[Aa)(o? (von xüStaxo?) KpaxtSr^fjLo? nach sich ziehen. Die 
ritterliche Freude an Kraft und Kampf würde das weite 



') Das i in Zusammensetzungen mit den Monosyllaba ai5 %i]p 
TTUp (diy^ßoTOs 97]piSa(jLa5 TTup^Tivoos) ist nicht euphonisch, eher stamm- 
haft, wie in 5Xs ('AXifjn^Srjs, vgl. Roediger „De priorum verborum in 
nominibus g^ecis compositione formali," 1866, p. 66 und I. Schmidt 
„Pluralbildung", S. 253). 

*) J. Wackemagel „Vermischte Beiträge zur griech. Sprachkunde" 
(Baseler Rektoratsprogr. 1897) S. 8fF. L. Meyer „Vergl. Gramm, des 
Griech. imd Lat." II, S. 620. 

3) So L. Ehrhardt „Entstehung der hom. Gedichte", S. 391. 479. 

4) Die bei Fick-Bechtel belegten und bezweifelten Frauennamen 
'Apiaxox^s 'Apiaxoxü) sind eigentlich 'Apia(To)Toxf5 und 'Apia(To)Toxti). 
Vgl. xaX>viy^ve\}Xo5. 



— 22 — 

Verbreitungsgebiet der Übertragung erklären können. 
KaUtfiapc ist „der den schönsten Kampf kämpft"; 
KaXXtofTojAa^^o? und ' AptGfxofAa^^o? kommen ja vor, 'ApiGfxo&Tjpo? 
steht bei Fick-Bechtel neben dem boeotischen KaXXt&etpt? 
und KpaTtaTü)va$ neben KaXXtavaJ KaXXtavaaaa, sodaß ein 
KaXXtGfToavaJ KaXXtaToavaaaa erschlossen werden darf; die 
Kurzform im Namen der arkadischen Erdgöttin KaXXtara» 
würde so erklärt. Wir dürfen uns auf Plato berufen, 
als er seinen Idealstaat xaXXtiToXt? nannte (Rep. p. 527 b), 
war ihm die Superlativbedeutung „schönster Staat" 
lebendig. Die Griechen, welche in Sizilien und in 
Thrakien je einen Ort KaUnroXt«: gründeten, dachten 
nur an „die schönste Stadt". KaXXixoXwvTj in der Troas 
ist „schönster Hügel" nicht „Schöneberg" und KaXXtppoYj 
xaXXtvtxo? „schönster Brunnen" u. s. w. Wer verkennt die 
innige Freude der Namengeber.^ Wer zusammenfassend 
diese Namenbildung aufarbeiten will, muß Gruppen 
unterscheiden und für sich betrachten. 

Den Namen MeXtxspxY]«: in diese hier einmal als Ein- 
heit gefaßte Gruppe von Komposita einzuschalten geht, 
obwol man die abstrakte Möglichkeit als solche zugeben 
mag, dennoch in Wirklichkeit nicht an. Bei [asXo? 
„Glied" liegt alles anders wie bei jener Gruppe. Alle 
hier vergleichbaren Neutralstämme auf -s^ stehen allein 
für sich, während mit fiiXoc noch ein anderes Nomen 
[xsXt „Honig" und als dritter der Verbalstamm von [liXeiv 
konkurrieren. MsXt liegt ich weiß nicht in wie vielen 
Kompositionen vor, wie in MsXixXr^? MeXtStopoc jieXtjyxüc 
[xeXqXcüGfGfoc [AsXtppoü?, dieser wenigstens in MeX^SyjfjLOC (AyjfjLO- 
jxiXy]?) und MeXtinroc (neben MeXyjaiYsvTjc MeXT^GftTnroc MsXt^ 
öavSpo? MeXyjGfiavaJ MeXi^aspfxoc). ') Ein Durcheinander 

') Fick-Bechtel, S. 200. Fr. Marx im Rostocker Progr. 1889/90 



— 23 — 

dieser Bildungsgruppen (\UXoz und \iiki) hat nirgends 
und niemals stattgefunden, soweit wir wissen oder auch 
nur vermuten; es ist ein Irrtum, wenn Fick-Bechtel 
dergleichen annehmen. 

4. Den Konkurrenzbildungen mit \i£ki gegenüber 
fallt das Fehlen sicherer Fälle mit piXo? „Glied" hier 
schwer ins Gewicht. Es gibt nur fjLeXoTüTrsiv (die Glieder 
schlagen) und [leXoTrotsiv [iäXottoioc (Liederdichter). Dieterich 
griflf noch auf den Heros Meleager und die aus der 
Zauberei belegte Anrufung [leXioü^o^ zurück; ihm ist 
[xeXioüxoc „der die Glieder, den Leib hat", nämlich wenn 
ihn die Seele verlassen, und Ms^ea^poc „der den Leib 
rafft", Todesdämonen also. Allein der fjLeXtoöp? be- 
nannte Dämon wird seinen Namen oder Beinamen so 
lange von \i£ki empfangen haben, bis das Gegenteil 
eine erwiesene Tatsache ist.') Notwendig wäre nach 
den zahllosen Beispielen wie isjAevoü^^oc xepSoö/o?, auch 
kp\iooyo^ TifjLOü^^o? öü[AOü/oc xTjpoüxo^ (Kripouyßai ist ein 



p. 6 sq. Den MeXirjaiy^VT];, „der für das Geschlecht sorgt", hält Marx 
für einen Epiker, während die auf Ephorus zurückgehende Über- 
lieferung den Namen zu einem zweiten Namen des Homer macht, diesen 
freilich töricht als „Sohn des Flußgottes Meles" deutet; der müßte 
ohne Frage MeXTjToy^vrjc lauten (Marx a. a. O.). Wir wissen aber von 
dem Geschlecht der Homeriden auf Chios, die sich von dem Dichter 
Homer ableiteten (Akusilaus und Hellanikus bei Harpokration u. d. W.). 
Dies Geschlecht mochte seinen Ahnherrn an seinem Feste als MeXirjaiy^vr]; 
anrufen. Das Wort ist wol eine Epiklesis des Homer aus seinem 
chiischen Gentilkulte. 

») Nekyia S. 5 6 f. Dieser Zaubergott erscheint noch einigemale 
in wunderlichen Verbindimgen. Seine Glieder hat eine als „erdauf- 
reißend* (jirfily^to'i) imd „furchtbar" bezeichnete synkretistische Göttin 
in den Hades und aus ihm zurückgebracht Ich weiß mit ihm sonst 



— 24 — 

milesisches Geschlecht)^) Tzokuooyo^ ttoXioü/o? EaTtoö/o? 
vielmehr zu fordern [tJsXooyo^. Also heißt [xsXioüxo? »der 
Honig hat", wie MeXßcopo«: „Honigschenker", MeXtxXr^? 
„Honigberühmt",^) alles Personennamen, welche Fick- 
Bechtel nur irrig zu jasXsiv gestellt haben (p. 20i), und 
das Femininum [AsXea^pfe wenigstens ist die griechische 
Bezeichnung eines in Europa fremden, aus den heißen 
Zonen stammenden Vogels, des Perlhuhns. Das Wort, 
das sich der Ableitung aus dem Griechischen beharr- 
lich widersetzt, wird ein nur griechischer Zunge an- 
bequemter Fremdname sein. Diese Vögel wurden bei 
Milet im Artemisbezirk von Lerus der Gottheit ge- 
halten. Wie so viele Tiernamen 3) mag jAs^ea^pfe und 
folgerichtig [xeXsaYpoc zunächst in dieser kleinasiatischen 
Griechengegend, vielleicht nicht ohne Beziehung auf 
die Artemisreligion ins Leben übernommen worden 
sein. Über die Heimat und Geschichte der Meleager- 
sage ist genaues nicht bekannt Der älteste Zeuge, 
der Dichter der herrlichen Novelle in der Ilias, braucht 
nicht zugleich der Erfinder dieser wundervollen Helden- 
gestalt zu sein. 



nichts anzufangen (Roscher u. d. W.). Auch Meleager soll jetzt die 
Sonne sein; „sein Leben endet, wenn ein Brand erlischt, was seine 
feurige Natur zum Ausdruck bringt". So Seeck II, S. 588. Jacobi 
,, Kompositum »und Nebensatz" S. 59 stellt Mzkiarfpoi zu [ilktiv ohne 
Begründung. 

') Hesych s. v. 

*) Über die These, -xXtjs sei aus Y.ak6i hervorgegangen und 
AioxXt]c heiße „schöner Zeus", läßt sich nicht verhandeln. AioxX^c 
heißt vielmehr „Zeusruhm" (Usener „Sintflutsagen" S. 56 f.). 

3) Penelope Kirke Keleos (S. 31*) Katreus Orion (z. B. bei 
Klitarch bei Strabo XV p. 718, 69) Kypselos sind Vogelnamen (Hehn* 
S. 295 und Thompson „A glossary of greec birds", Oxford 1895, p. 114). 



— 25 — 

5- Alle diese Verhältnisse, auch die Besonderungen, 
betrachtet, ist m. E. die Ableitung des Namens MeXi- 
xsptTj? von [iiXo? an sich nicht geradezu undenkbar, 
dennoch in solchem Grade unwahrscheinlich, daß sie 
abgelehnt werden muß. Dagegen überzeugt die Ab- 
leitung von jxiXi sprachlich ohne weiteres und auf den 
ersten Blick. I) MsXtxEpxT]? ist ^der den Honig schneidet"*), 
üpiaxofAo? zu ihm eine nur dialektische, vielleicht auch 
boeotische Variante, erhalten nur in einer Hesych- 
glosse.3) Genauer bedeuten beide Wortkomposita „der 
durch Herausschneiden Honig gewinnt". J. Wackernagel 
hat so die alte Bildung a^jxaxoopta, der ebenfalls der 
Stamm xsp zu Grunde liegt, als „Blutschneiden" erklärL4) 
Gemeint ist das Vergießen von Blut vermittelst 
Schneidens, wobei das Verhältnis der beiden Kom- 
positionsglieder dem bekanntlich sehr alten Akkusativ 
des Ergebnisses vergleichbar ist 5), wie in MeXtxspxTjc und 
üptaxofxoc. Gradezu jasXi xsjxvetv sagen ApoUonides in 



i) Man hätte auch [xeXiTOx^pTTjs bilden können, hat es aber nicht 
gebildet. Vgl. alfxaToaTayi^; alfi.axoupfe, TravTcJxoXfxos 7rQtvToX(JLOc. Um- 
gekehrt wäre xepaifji^XiTOC zu fordern. 

*) Nachträglich finde ich bei Pape im Namenbuch u. d. W. 
„Melikertes" die Äußerung „eigentlich wol Honigschnitt". Das ist 
freilich nicht möglich (das wäre fi.eX(xepTov oder (jieXfxeppLa), aber die 
richtige Empfindung ist hier doch wie öfter in diesem notwendig zu 
erneuernden Thesaurus der griechischen Namen durchgebrochen. 

3) bpiaxdixos] 6 xd X7]p(a T^fxvwv täv fi.eXiaaüJv. — ßoTotfjios in 
Epidaurus (Thuk. V 52. Wilamowitz „Hermes" 1902, S. 307 f.) „der 
die Rinder kastriert", ßoTctfiiia das Sühnfest dafür (dem Apollo Pythaeus 
gefeiert). 

4) Vermischte Beiträge zur griech. Sprachkunde S. 15 gegen 
Rohde „Psyche" S. 139. 

5) Das bekannteste Beispiel ist 5pxiGt T^(JLveiv. „II." III mehrfach 
cpi>.o'njTa xal opxia utaTo: TafjLOvxe;; vgl. Lachmann ,. Betrachtungen" S, 16. 



— 26 — 

einem die Honigspende an die Gottheit begleitenden 
Gedicht und Nonnus.^) Die deutsche Sprache besitzt 
dieselben Ausdrücke. Man „schneidet den Honig" und 
spricht vom „Honigschnitt" ; „wo solche Bienen bauen, 
da hat der Bauer einen reichen Honigschnitt" citiert 
Jakob Grimm. Seltener finde ich Belege für das 
Brechen des Honigs. Paul bemerkt,^) daß „Zeideler" 
im Mittelhochdeutschen zwar den Bienenzüchter be- 
deute, aber ein junges Verbum „zeideln" erzeugt habe, 
d. i. die Honigwaben ausschneiden. Heyne belegts) 
den Ausdruck „Bienenschneiden" im Sinne von Honig- 
schneiden. Mit gleicher Übertragung sagen die Griechen 
xpoifotv t6 [xiXt, xa xY)pta neben xpo^av tä? [jLsXtaaac.4) Die 
alten Lexika umschreiben ßXiTretv 'zeideln*, d. i. dcpaipstv 
t6 [jLsXi dizh Tü)v xYjpuüv, auch mit zh täv xyjptcüv Tpü*pf3fjLa.5) 
Die ganze Bienenkunst bestand in primitiven Zeiten 
darin, den Honig aus Bäumen und Felsenhöhlen, später 
aus den Körben (&Yjxat GfjXT^vYj atjtßXa [asXittwvsc [xsXiTpocpta)^) 
herauszuschneiden. Der dafür gebräuchliche Ausdruck 
ist wieder xs^Avetv xä xyjpta;7) öptaTopiTv wird nicht ge- 

A.P. VI 2^9. 
2fi.T^veo{ Ix fxe TafjKuv, yXuxepov HpOQ, dypov<5fx' u) Ilfl^^, 

YTjpaioc KXefTtüv aTietae fxeXiaao7r<$vo; 
dfjißpoaftüv lapo« xTjpdiv fx^Xi ttoXXov dfji^X?a{ 
Oüjpov diroifxctvTOU TnjXeTreTeu; d^ik-qi, 
Nonnus V 256 f. 

xal TipoTafJKjjv xTjpoio 7roXuyXü))^iva xaXuTtxprjv 
eßXiaev ai6ka h&pa izokxxs'zayioi toxctoIo. 
*) Deutsches Wörterbuch u. d. W. 

3) Deutsches Wörterbuch u. d. W. „Biene". • 

4) Geop. XV 5 p. 446 B. 

5) Hesych und Timaeus s. v. 

6) Varro „De re rust". III 16, 3. 12. 

7) Nonnus V 256 (A. i). 



— 27 — 

fehlt habeil.i) Lateinisch heißt das favos cultro ^oder 
face seculaj castrare (demetere recidere succidere de- 
secarej?) Über die Form des Imkermessers (ferra- 
inentum)t) wird z. B. bei Kolumella an einer für diese 
Ausdrücke klassischen Stelle eingehend verhandelt.4) 
Die sprachliche Bildung und die Bedeutung des Namens 
„Melikertes" sind klar. 

6. Als sollte eine urkundliche Bestätigung der bis- 
her rein sprachlich geführten Untersuchung nicht aus- 
bleiben: in einem spätgriechischen Zauberpapyrus aus 



') Oben S. 25 Anin. 3. 

*) Vergil „Georg." IV 2^1, favos eximere Plinius im IX. Buche 
beständig. „Favus* scheint soviel wie „cella" zu bedeuten. So er- 
klärt wenigstens Varro das obsolete „favissae" oder „favissae capito- 
linae** (Gellius II 10), denen er OrjaaupcJ? vergleicht. 

3) Der Imker ist „mellarius", griechisch auch fxeXiTp($cpo? fi.eXioupY(5c 
(Geop. XV p. 444 B., ipyaCofJ^^V7]v t6 fx^Xi von der Biene [die Aeschylus 
dvOe(xoupy(55 nennt] „Anecd. Ox." III p. 173 Cr.) fi.eXia(Joupy(5? fxeXiaao- 
Tp(5cpoc fxeXi<J<Jox(J|jL05, je nach den besonderen Umständen. 

4) De re rustica IX 15, 9 (p. 469 Schneider) „Ac si cerae depen- 
dentes in longitudinem decurrunt, eo ferramento quod est simile cultro 
insecandi sunt favi, deinde subiectis duobus bracchiis excipiendi atque 
ita promendi. Sin autem adversi tectis cavearum inhaerent, tunc scal- 
prato ferramento est opus, ut adversa fronte impressi desecentur . . . 
Sed quotcunque favi sunt demessi, eodem die dum tepent conficere 
mel convenit". Und vorher 4 „Sive adapertas alvos inspicies, ut sive 
semipleni favi sint differantur sive iam liquore completi et superpositis 
ceris tanquam operculis obliti demetantur. Dies vero castrandi fere 
matutinus occupandus est. Duobus autem ferramentis ad hunc usum 
opus est, sesquipedali vel paulo ampliore mensura factis, quorum alte- 
rum sit culter oblongus ex utraque parte acie lata, uno capite aduncum 
habens scalprum, alterum prima fronte planum et acutissimum, quo 
melius hoc favi succidantur, illo eradantur, et quidquid sordium deci- 
derit attrahatur," 



— 28 — 

Aegypten, welchen Kenyon^) und' vor ihm Wessely*) 
veröffentlicht, andere Gelehrte mehrfach ganz oder 
z. T. besprochen haben, 3) stehen als Anrede an den 
mit Zeus, Helius und Mithras gleichgesetzten aegyp- 
tischen Heilgott Sarapis die drei Anrufungen [xsXtou^^s 
[jLsXtxspTa [xsXt^svsTtüp in dieser Folge. Die ganze Stelle 
lautet so: iirtxaXoüjxai' as, Zsü ^'HXte Mt&pa 2apam, dvtxTjTS, 
[xsXtou/e [AcXtxspxa jxsXiYevsTwp. Dann folgen die üblichen, 
meist rätselhaften Beschwörungsformeln und allerlei 
Buchstabenreihen. Wiederholung des ersten Kompo- 
sitionsbestandteils in gehäuften Kultbeinamen sind in 
Gebeten bei den Griechen immer üblich gewesen. 
Wir treffen sie in der Zauberlitteratur ungemein oft. 
Dennoch haben die Ausleger die mittelste der drei 
mit demselben [asXi zusammengesetzten Anrufungen des 
Allgottes auf Melkart bezogen. Daß der tyrische Gott 
wie Mithras und Sarapis zur Vervollständigung des All- 
zeus herbeigezogen werden konnte, versteht sich von 
selbst. Er ist hier aber, obwol an sich möglich, weg 
geblieben. Das zeigt die Wortstellung. Im Sinne 
dessen, der die drei Worte jxeXioü^s [AeXtxlpxa jAsXtifsvsTCüp 
so gruppierte, wie geschehen, war [AsXixepxT]^ ein adjek- 
tivisches Beiwort aus dem Kreise derer, von welchen 
es umgeben ist. 4) Ahnlichen Irrtümern ist das erste 
der drei mit Bezug aufeinander gewählten Beiworte 



^) Greec papyri in the British Museum p. 65. 

«) Denkschr. d. Wiener Ak. phil.-hist. Klasse XXXVI S. 127. 

3) Dieterich a. a. O. 

4) Von Herwerden „Lex. graecum suppletorium et dialecticum" 
werden (s. v.) p.eXiyeviTWp und [xzXwjyoz citiert; aber jxeXix^pTTjs fehlt. 
Herwerden ließ es weg, weil er darin, wie die gesammte Vulgata, 
den Melkart sah; p-eXioO^^o; erklärt er richtig. 



— 29 — 

verfallen; „der die Glieder, den Leib hat" ist schon 
früher (S. 23) abgelehnt worden, und [xsXqevsxcDp endlich 
erläutert sich selbst, hat auch niemals eine falsche Auf- 
fassung erfahren, soviel ich weiß. „Der Honig er- 
zeugende"^) tritt neben den „der Honig hat".^) Mir 
will nicht glaublich scheinen, daß die drei kräftigen 
Komposita von [xsXt in übertragenem Sinne etwa als 
gehäufte Koseworte gelten sollen. Die andre Auf- 
fassung in der eigentlichen Bedeutung empfiehlt sich 
auch durch die Analogie. DerMithras- und der Sarapiskult 
kennen, dieser auch zum Zweck der in ihm eifrig be- 
triebenen Heilungen, Honiggenuß und Honigopfer, 3) 
der Zeuskult desgleichen, und Helius nimmt nicht nur 
weinlose Opfer (vyjcpoXta), bei welchen besonders Honig 
zur Verwendung gelangte, sondern auch ganze Honig- 
waben (xTjpta) entgegen. 4) Zur Wiederbelebung war 



') Sonst kenne ich nur Sioyev^rüJp (Eurip. „Bakchen" 120 tctO^ou 
TE KpV]Ta{ Sioyev^Tope? evauXoi). 

*) Wie xTjpoü)^05 (S. 23 f.) neben xrjpoiroid? u. a. „Mellificus" sagt 
Kolumella von den kräuterreichen Bergen IX 8, 7; sonst ist es Bei- 
wort der Biene. 6fi.i}.eT S' avOeai [likifsaa Sav&ov jx^Xi fjiTjSojJiiva Simo- 
nides Fr. 47 B., [x^XiTTav aocpTjv Oefe'j (x^Xito; ^py^cTiv t?) cp6at; ctTi^oeiSev 
Lukian „Halkyon" 7. S. 27 Anm. 3. 

3) Porphyrius ,,De antro Nympharum" p. 66 sq. N. x^^pTjvTcti 6^ 
TAI fi-^XiTi o\ ^10X6^01 Ttpos TioXXa xal oictcpopa au[xßoXa 8id t6 Iy. ttoXXwv 
a^To (JuveaToivai Suvctfjiewv, inii xctl xoct^apTixi]; ^axi 5uvQi[xetüc xctl auv- 
TT]pT]Tix7jc • Tüii yap fjiiXiTi TioXXd <3fi3T]T:Ta [xivEi xocl TÄ ^^pdvia Tpct'jfJiaTa 
^xxaOa^pexai [jl^Xiti . . . oxav [xlv ouv T0T5 T<i Aeovxixd fi.uou[i.^voi? £{; Ta? 
;(erpa? dv^' uSaTO? [x^Xi v^rj^aa&ai ^yX^*"^^' xadapdt; f)^eiv ta; yeTpcz; 
rapaYY^XXouaiv diio Travxös XuTnjpoO xal ßXaTmxou xal p-utJocpou xxX. Sa- 
rapis als Heilgott: Tacitus „Hist." IV 81. Burckhardt „Zeit Konstantins" 
S. 171 f. Deubner „De incub." p. 67 f. Honig im Asklepiusdienst : 
Deubner p. 48. 

4) Im Asklepiusheiligtum des Piraeeus stand auf einem Stein 'HX^wi 



— 30 — 

Honig dienlich, wie die Fabeln melden,^) und den 
zürnenden Hadesgewalten bringen die Frommen den 
alles beschwichtigenden Honigtrank. 

Die Griechen glaubten sicher in gewissen Kreisen, 
dem Gott des Himmels zu verdanken „aerii mellis cae- 
lestia dona".*) Theophrast,3) Probus 4) und andre unter- 
scheiden zwischen dem Blumenhonig der Bienen und 
dem Himmelstau (dspofjLsXt), der besonders in heiligen 
Nächten fallt — bei Goethe wandelt in der Walpurgis- 
nacht das Pärchen durch „Honigtau und Düfte" — 
wieder andre vereinfachen diese Theorie, „quibusdam 
non faciendi mellis scientiam apibus esse, sed colli- 
gendi".5) Plinius^) redet von Himmelsschweiß (caeli 
sudor, sive quaedam siderum saliva, sive purgantis se 
aeris sucus). Den Himmelsschweiß kennt auch die 
elsässische Sage. Es handelt sich also bei dieser Auf- 
fassung nicht um eine unmaßgebliche Ansicht des 
Plinius oder seiner Quelle, sondern um einen alten 
Völkergedanken, wie auch die Sammlungen Roschers?) 



dfpeaTTJpa xTjpfov. Mv7jfi.oa6v7ji dpearTjpa xTjpfov. Wilamowitz „Isyll" 
S. loo. NxjCpaX^wv ist der Eponym solcher VTjcpoiXia, wie IlavS^dov der 
des Festes der IlavSta, gebildet wie MixxaXfwv 'EpeudoXftov AeuxaX(u)V. 

') Das Wort D.auxos ttiüjv fxAi dv^axT] widerspricht der Geschichte 
vom Tode desselben Glaukus im Honigfaß. Es sind eben zwei Ge- 
schichten: die eine erzählt, wie jener Meerdämon im Honigfaß ge- 
ködert ward, die andre, wie er (bei irgend einer anderen Gelegenheit) 
durch Honiggenuß wieder auflebte. Siehe unten. 

») Vergil ,,Georg." IV I. 

3) Fr. 190. 

4) Zu Vergil a. a. O. 

5) Seneka „Epist." 84. 

6) N. H. XI 12, 30. 

7) Nektar imd Ambrosia S. i3fF. 



— 31 — 

und Robert -Tornows^) erkennen lassen. Die Bienen 
tragen den Honig von Zeus dem Menschen zu*) und 
sind in dieser Eigenschaft als Zeus* Botinnen „heilige" 
Wesen. 3) Der Gott verfugt über einen Honigschatz, 
den er selber entstehen läßt, in seinem Hause, im 
Himmel oder in den Wohnungen, welche ihm die 
Menschen dem Himmel nahe in den Grotten der Berge 
bereitet dachten, oder auch an den Blättern der Bäume.4) 



') De apium mellisque apud veteres significatione p. 76 — 90. 
*) „Apes enim ego divinas bestias puto, quae mel vomunt, 
etiamsi dicuntur illud a love afferre" Petron 56. 

3) KTjpoc u»c Upav fi.eXia(Jav Pindar Fr. 123. 

4) Ii| der Omithogonie der Boio (Antoninus Lib. XIX) stand 
folgendes Geschichtchen. Vier Kreter, Laios, Keleos, Kerberos und 
Aigolios, berauben die Honigmonate in der heiligen Zeusgrotte. Da 
straft sie Zeus durch Verwandlung in die so benannten Vögel, denen 
nachgerühmt wird etelv dyadol cpav^vre; xal liriTeXets Tiapd tou« dX)vOuc 
dpvidaCf 5x1 Tou Ai6{ elBov t6 atfioc. Ursprünglich waren diese Vögel 
wol als Überbringer des Göttertranks an die Menschen gedacht, 
wie sonst auch in griechischen Sagen. Die Tauben dfxßpoa^rjv All 
TCOTpl cp^pouaiv (Od. XII 62). Moiro läßt dem Knaben Zeus in die 
idaeische Grotte Ambrosia durch dieselben Tauben vom Okeanos her 
bringen, u. a. m. (Röscher S. 28 ff.). Der indische Somatrank ist 
von einem Vogel herabgeführt worden (Ad. Kuhn „Herabkunft des 
Feuers" S. Ii8f.) Der Specht (xeXeeJs) kehrt in entsprechender Funktion 
bei den alten Indern wieder. Es ist der „Bienenwolf" (Beowulf, 
merops apiaster), welcher den Bienen eifrig nachstellt und mit seinem 
Schnabel ihre Nester in hohlen Bäumen aufklopft (Grimm „D. W." 
u. d. W. „Bienenwolf"). Übrigens haben diese Vögel mythologisch 
bedeutsame Namen : Laios Keleos Kerberos. Bei Justin 44, 4, i heißt 
es von Gargoris, dem Kuretenkönige in den Bergen von Tartessus, 
„mellis colligendi usimi primus invenit". Auch bei Diodor V 65 
haben die Kureten (hier auf Kreta) die Bienenwirtschaft erfunden. 
Also ist der Kuretenname nicht mit Rühl zu beanstanden, aber auch 
„Gargoris" nicht zu ändern. Vgl. »Thompson „Glossary of greec 
birds", 1895, s. v. 



— 32 — 

Juppiter hat am Ende des goldenen Zeitalters „Honig 
von den Blättern herunterträufeln lassen"^) und in 
Vergils IV. Ekloge (30) wird u. a. prophezeit „harte 
Eichen werden Honigtau hervorschwitzen", ein Wunder, 
das bei den römischen Schilderungen der goldenen Zeit 
kaum jemals fehlt. Es stammt aus den griechischen 
Vorbildern und will sagen, daß die damals auf Erden 
genossene Speise die Speise der Götter war, die von 
ihnen selbst bereitet und von den Sterblichen genossen 
ewiges Leben verlieh.^) Auch Dionys soll den Honig 



I) Vergil „Georg." I 131. 

Tü)t AI cp^poucf' 4vY]X^£V e{? Oetüv oixouc fx^Xt. 
Babrios 183. Der Romandichter Antonius Diogenes erzählt (Vita 
Pythagorae 10) von Mnesarchus, er habe auf einer seiner vielen Reisen 
einen Säugling unter einer Weißpappel gefunden, der auf dem Rücken 
liegend unverrückt in die Sonne schaute; in seinem Munde war ein 
kleines dünnes Rohr, durch welches Tau von der Weißpappel hin- 
durchtropfte und ihn nährte. Er nahm ihn in sein Haus und nannte 
ihn Astraeus. In den Sonnenaugen des Astraeus liegt der Beweis für 
seine Göttlichkeit (Rohde „Griech. Roman" S. 264 A.) ; auch der Name 
weist darauf. Ein Gott ist es also, der durch den Tau des Baimies (nach 
Analogien zu urteilen ist dieser Tau nichts als Himmelshonig) ge- 
nährt wird. Fraglich ist es aber, ob Arats Astraeus, der Vater der 
Gestirne, eine leere Abstraktion, den Anlaß zur Einführung bot. Es 
wird gestattet sein, an den tyrischen Himmelsgott Astrochiton zu 
denken (Zeitschrift für christliche Kunst 1899 S. 373 ff.). Die Gunst 
der gallischen Aquitanier erwarb sich Astraeus, indem er sie an dem 
Ab- und Zunehmen seiner Augen das Ab- und Zunehmen des Mondes 
ermessen lehrte und nach dieser Erkenntnis den bisher streitigen 
Wechsel ihrer beiden Könige in der periodisch zu übernehmenden 
Herrschaft regelte. Rohde hat recht (S. 264 A.), wenn er sagt, er sehe 
nicht ein, wieso die Aquitanier dessen bedurften, um die Mondphasen, 
die ihnen Astraeus ja unmittelbar zeigen konnte, zu erkennen. Ich 
denke, hier ist ein Zug rudimentär stehen geblieben, der sich aus der 



- « - 

erfunden haben; bei seiner Epiphanie, wie beim Schwär- 
men seiner Verehrerinnen, entfließt der Erde und den 
Steinen und den Bäumen Honig und Milch,') steigt 
der Himmelssegen zur Erde nieder.^) Nonnus schildert 
Indien als das Märchenland. Da sind Bäume, von 
deren Blättern Bienenhonig des Morgens zur Erde 
niedertropft «c dirö atfißXcov; auf ihren Zweigen sitzen 
die lieblichsten Vögel in großer Zahl, die sich von 
dieser Speise nähren und darum so schön singen, so 
der dem Schwan ähnliche Orion und der Katreus, 
sein Genosse mit rotem Gefieder. 3) Ebenso im himm- 
lischen Jerusalem. Bei Tasso, der tief in die antike 
Weise eingedrungen ist, strömt in Armidas Zauber- 
paradies im Weltmeer (XV. 36) und in dem Zauber- 
walde, den Rinald erstürmt (XVIII. 24), Milch und Honig. 
Usener hat soeben auch aus den altchristlichen Sakra- 
mentsgebräuchen das Motiv erläutert. 4) Wenn dem- 
nach der höchste Himmelsgott in der Zauberlitteratur 
als Schöpfer und Besitzer des Honigs gilt, so ist das 
zu verstehen: Zsü? iraviov aüxic cpapjiaxa [ioüvoc ex^i. Im 



Natur des tyrischen Himmelsgottes erklärt, dessen Augen die Sterne 
sind. Dieser selbst wird schließlich noch erwähnt wieder im Zu- 
sammenhang mit einem Wunder. Durch ein Wunder werden die Be- 
teiligten, sicher der Hauptheld — durch die Gunst einer uns nicht 
näher bezeichneten höheren Macht — in den Heraklestempel zu Tyrus 
von dem anderen Ende der Welt versetzt Astraeus hatte sich das 
gewünscht 

') Rhein. Mus. LVII 1902 S. 177 — 195 (Usener). 

*) Ovids Gewährsmann „Fast** III 736 ff. meint sein „a Baccho 
mella reperta ferunt" zunächst wol etymologisch, da er Liber von li- 
bum ableiten will. 

3) XXVI V. i83ff. Oben S. 31. 

4) A. a. O. S. 177. 

Maass, Griechen u. Semiten. 3 



— 34 — 

gewöhnlichen Leben') und in den M)rthen der Völker 
spielt das Honigmittel als Allerweltsarznei eine bedeut- 
same Rolle. Th. Storm hat das Motiv in einer seiner 
wirksamsten Dichtungen, der „Regentrude", verwendet 
So wurde der höchste Himmelsgott, auch der Allzeus 
der Zauberer, leicht fisXtifsvsTcop und jis^toü/o^. Aus 
Chr. Granander Thomassons „Finnischer Mythologie***) 
teilt Menzer ein finnisches VolksUed mit, 3) in dem die 
Biene so gerufen wird: „Biene, du Weltvögelchen, 
fliege hierher, wohin ich dich rufe, über den Mond, 
unter der Sonne, hinter des Himmels Sternen, neben 
der Achse des Wagengestirns, fliege in den Keller des 
Schöpfers, in des Allmächtigen Vorratskammer, tauche 
deinen Schnabel in Honig, lasse dein Gefieder rauchen, 
bringe Arznei mit deinen Flügeln, den Honig trage im 
Schnabel herbei für böse Eisenwunden, für Wunden, 
die das Feuer macht". Eine Variante (S. 56) lautet im 
zweiten Teile des Volksliedes: „Hole den Honig aus 
Mehtola, die Arznei aus Tapiola, um den Kranken zu 
stärken, dem Siechen Besserung zu verschaffen; salbe 
von oben, salbe von unten". Überirdisch wunderbare 
Heilkraft legte man dem Honig bei, weil er die Götter- 
nahrung ist; aus keinem anderen Grunde spielen die 
Honigspenden bei den Opfern .(als vYjcpaXta und als 
xTjpta TTOTrava [xeXtxta) ihre Rolle. Die Gottheit läßt sich 
gern bewirten, man wartet ihr mit ihrer eigenen Speise 
auf Dasselbe gilt von den Beschwörungen zum Zweck 
der Abwehr, und es ist charakteristisch, daß die Muse, 
welche die Formeln für beides eingibt, auch ihrerseits, 

») Plinius ,N. H.« XI 38. 

*) Übersetzt von Petersen, Reval 1821, S. 56 f. 

3) Vorchristlicher Unsterblichkeitsglaube, 1870, S. 127 f. 



— 35 — 

im Asklepiuskult wenigstens, mit Honigwaben bedacht 
wird.i) Sie gilt eben als Zauberin ; die carniina, die sie 
bringt, sind auch Zauberlieder (eircütöat). Aristaeus, der 
große Bienenwirt, besitzt von den Musen nicht nur die 
Weissagekunst, sondern auch die Heilkunst,*) doch 
wol wesentlich durch Lieder; auch Musik ist Zauber. 
Vor allem aber verfügt dieser Gott über den Regen- und 
Windzauber: die Passatwinde zieht Aristaeus ins Land, 
nachdem er seine Keer die sengende Kraft des Sirius 
„unter Waflfen" beobachten gelehrt hatte. 3) Er verfugt 
über einen wahren Schatz magischer Mittel. S. 86 fF. 

MeXiotlp-njc bedeutet, als Anrufung des Zaubergottes 
zwischen [iäXioü^^o^ und [jLsXtYsvsxa>p gestellt, notwendig den, 
„der durch Ausschneiden der Waben Honig gewinnt." 
Die im Papyrus beliebte Reihenfolge der drei Beiworte 
ist ursprünglich wol nicht ohne eine bestimmte Ab- 
sicht gewählt gewesen. „Der den Honig hat" „der ihn 
durch Schneiden gewinnt" „der ihn erzeugt" — man 
erkennt eine Stellung wie in der Figur des Hysteron 
proteron. 

7. MeXtxepTT)? erscheint als Beiname in der Litteratur 
noch einmal. Wie der Biograph bei Suidas u. d. W. 
berichtet, hatte dem Lyriker Simonides „die Süßigkeit 
seiner Lieder" den Beinamen jisXixipxY)^ eingetragen (iire- 
xXr^&Yj [leXixspTT]^ 8tä xö 7)86). Simonides bezeichnet seine 
Poesien selber als honigsüß (p-eXtaSea Y^püv); sie waren 
auch der Nachwelt wie der Mitwelt unvergessen. Die 



») Oben S. 29 A. 4. 
«) Apollonius II V. 512. 
3) Schol. Apoll. II V. 526. 

3* 



- 36 - 

meisten der lyrischen Dichter, sicher seinen Neffen 
Bakchylides, hat Simonides an Tiefe und innerer Wahr- 
heit der Empfindung, an Wollaut vorf Sprache und 
Vers überragt. Das 8ia xö 7)86 des Biographen beweist, 
daß dieser aus dem ersten Teil jenes simonideischen 
Beinamens [AsXixspxrjc jedenfalls den Honig, jiiXt, heraus- 
gehört hat. Wie sagt Homer von Nestor.^ 
7)8üeTUT]^ dvopouofs Xi^ü? ÜüXwov difopTjTrjC, 
TOü xal oLTzo YXworar^? [ilXtio? yXüxuov pisv aüÖT^. 

Das helle Organ und die honigsüßen Worte machen 
erst zusammen Nestors Beredsamkeit aus; das erste 
allein wäre nur ein halbes Kompliment, mehr dem 
gelegentlichen Loben vorbehalten. Ich finde es hübsch, 
daß Solon seiner Freude über Mimnermus' Vortrag 
dadurch Ausdruck gab, daß er ihn in dem von Diels 
zurückgewonnenen Ausdruck Xt^uaiaxaSTj?, d. i. „heller 
Sänger", nannte, wol beim Symposium. i) Ähnlich 
sprechen die Alten über Simonides auch sonst. 'Suavis 
poeta Simonides' ;^) r^ 2t[i.a)vßeü> ^Xiixspä asXk ?Xa&t;3) 
ETüvse Tspirva TjBujisXicp&o'yyoü Moüaa 2i[i.a)vfSea).4) Von den 
Neueren ist diese Auffassung des ersten Teils des 
simonideischen Beinamens teils einfach gebilligt,5) teils 
ohne Gründe bestritten worden.^) 

Über den zweiten Teil des Kompositums hat der 
Biograph eine Ansicht nicht verlauten lassen. Boeckh 



') Hermes XXXVII 1902 S. 481 ff. 
*) Cicero „De nat. deor.** I 22. 

3) A. P. IX 184. 

4) Ebenda IX 571. 

5) Düker „De Simonide", Utrecht 1768, p. 46. Boeckh zum 
„CIG" II p. 319a. Bergk „Griech. Litt-Gesch." II S. 374A. 

6) Schneidewin in der Vorrede zu seiner Simonidesausgabe. 



— 37 — 

scheint eine von ihm mitgeteilte Konjektur \L&k('^^p{)(; für 
fjLsXtxlpTY)? nicht zu mißbilligen. Allein wir bedürfen 
weder einer Hilfe noch irgend einer Änderung. Simo- 
nides ist „Honigschnitter", seine Gedichte sind „Honig- 
waben", welche aus den Bienenstöcken, den Bäumen 
oder den Felsenhöhlen herausgeschnitten werden. Der 
Gedanke ist schön, die Metapher gar nicht selten. 
Plinius der Ältere klagt in der Vorrede seines Riesen- 
werkes (24) 'inscriptionis apüd Graecos mira felicitas. 
Kr^pibv inscripsere, quod volebant intellegi favom*, eine 
Stelle, die dem wackern Gellius so gefiel, daß er sie 
in der Einleitung zu seinen 'Noctes atticae* nachschrieb 
(6). Buchüberschriften dieser Art, „KYjpta" oder „Favi", 
scheinen allerdings nicht mehr nachweisbar,^) wol aber 
Vergleiche. Im Bilde bleibt ein Dichter der griechischen 
Anthologie QX 190), welcher das kleine Poem der 
Erinna von Lesbus, die „Spindel", geradezu als ein xYjpiov, 
eine Honigwabe,*) bezeichnet. Verbreitet ist der Ver- 
gleich des Dichters mit der Biene bei den Griechen: 

') Babrius sagt Praef. i8f. zu seinem Sohne von den aesopischen 
Fabeln: 

jjieXicJTay^C cjot vwt ti XTjptev Oi^cju), 
TTixpÄv {«{xßoDV cJxXrjpd XüiXa OirjXuvac. 
Noch die gelehrte um 1200 auf dem Odilienberge in den Vogesen 
lebende Herrad von Landsberg schreibt von ihrem für ihre Nonnen 
bestimmten „Hortus deliciarum": „Hunc librum ex diversis sacrae et 
philosophicae scripturae floribus quasi apicula deo inspirante comportavi 
et quasi ... in imum mellifluum favum compaginavi". Vgl. Specht 
„Geschichte des Unterrichtswesens" S. 271 f. Auch die Schrift 
Chr. Engelhardts „Herrad von Landsperg", Stuttg. 181 8, S. 126. 
*) A^cjßiov *Hp(vv7)c T(58e xY]p(ov. zi hi xt |jiixp(^v, 
dXX* ÄXov h. Moucj^tüv xtpvrfjxevov jjiiXtTi. 
ol hi Tpt7)x(J(Jiot TauTTjc (Sziyoi Tcjot ' Ofxi^pcüt xtX. 
Dieselbe Dichterin nennt Leonidas VII 13 (24 Geffcken) 



- 38 - 

wofTTsp [isXirua d[j.ßpoaft(üV [aeX^cov direßoöxeTO xapirov, del cpspov 
^Xüxetav a)i8dv sagt Aristophanes in den „Vögeln" (V. 750) 
von dem alten Tragiker Phrynichus, und in den „Wespen" 
(V. 220) nennt er die Lieder der alten guten Dichter 
dp5(aio[i.sXi(ji8a)vocppuvi)^r^paTa, wo einige antike Erklärer 
überflüssig zweifelten, ob \iikoq oder jilXi vorauszusetzen 
wäre. Das Richtige sah Aristarch: „Phrynichus Phoe- 
nissenlieder waren lieblich wie Honig" ; in den „Phoe- 
nissen" des Euripides wirken sie noch fühlbar nach. 
Sophokles sollen die Komiker, die ihn alle gern hatten, 
den Ehrennamen „Biene" gegeben haben.^) Xenophon 
hieß „die attische Biene",*) und schließlich sind alle 
großen Dichter, alle beredten Menschen „Bienen", nennen 
sich wol auch selber so. Der junge Tasso, von Scipione 
Gonzaga nach Padua berufen, hojBft, „er werde, ein 
Auserwählter unter schönen jungen Bäumchen, wert- 
vollen Honig träufeln, der sich erhalten werde auf dem 
Parnaß der künftigen Geschlechte^^3) [Plato] sagt aller- 
dings im Ion* p. 534 B Xe^oüai yAp St^ttoü&sv irpic "J^fia^ 

0? TTOtYjXat, 8x1 OLTzh [xpY]V(üv] [leXippüXCüV ix MoüdÄV XT^TTWV XIVCÜV 

xal vaircüv Spsirojievoi xä [isXyj f^ptv (pspoüaiv Äoirep a? [liXixxai, 
xal aöxol o5xa> irexop-evoi • xal dX^jö^ X^yoücjiv. Diese Über- 
treibung, die Entartung der Späteren, ist aber der 
großen Dichterzeit fremd. Zwar weiß die bewundernde 



irapOevix^v veaoiSov ^v {)fi.voirdXoiai fji^toaocv 
*Hptvvav Moua^oDV ctvdea Spe7rT0fi.^vav. 
Sie ist also auch in jenem späten Epigramm als Biene, die die Wabe 
selber macht, nicht als diejenige Person gedacht, welche den Honig 
ausschneidet 

») Schol. „Oed. Col." 17; Vita Soph* 

*) Suid. s. V. 

3) Opere V 23. Cecchi „Tasso" S. 76 der Übers. 



— 39 — 

Mitwelt von Pindar und Plato das Wunder zu erzählen, 
daß sie als Säuglinge von Bienen mit Honig genährt 
seien — ein Motiv, das sogar das Christentum in den 
Legenden vom heiligen Ambrosius, auch auf einem 
Hochrelief in S. Ambrogio in Mailand, Dominikus 
Isidorus nicht hat aufgeben wollen — sie selber sind 
nicht so anmaßend, daß sie ihre Dichtungen mit dem 
Süßesten verglichen hätten. Das hat auch Simonides 
nicht getan. Im Gegenteil. Aristides berichtet^) einen 
Ausspruch des Simonides, der ebensosehr von der 
Bescheidenheit wie von dem berechtigten Selbstgefühl 
des Dichters Zeugnis ablegt:*) „d MoGaa yotp o&x diropcDC 
Ys6ei zh TTGtpöv [lovov, dXX' iizipys.'zai Tzdvza &eptCo[i£va" • taüx 
oü SoxsT aoi aacpu)^ 6 ttoiyjtt]^ kaoxhv iiraivcov Xl^stv w? ^^vip-ov 
xal TT^pijiov sfe xä fiiXT]; Aristides sah in dem ausge- 
hobenen Satze ein Selbsturteil. Es liegt ein solches 
in den Worten des Dichters unmittelbar nicht ausge- 
drückt. Aristides mag sich aber seine Meinung aus 
dem weiteren von ihm unterdrückten Zusammenhang 
des Liedes gebildet baben. Simonides hat das Recht zu 
sagen „die Muse kostet kümmerlich nicht das allein, was 
bereit liegt, sondern sie tritt an alles aberntend". Er 
redet von seiner Göttin im Bilde. Was „kostet" denn 



XXVIII 67 (II p. 163 ed. KeU) == Fr. Sim. 46. 

*) Pindar „Pyth." X 54 f. kühn lYxu>fA(u>v ydp awToc ufxvwv in* 
dXXoxe ÄXXov ÄTe [xikicaa {^uvei Xd^ov. Plutarch „De recta ratione 
audiendi'* p. 41 F, vgl. Fr. 47. 

Tuis ex, inclute, chartis, 
floriferis ut apes in saltibus omnia libant, 
omnia nos itidem depascimur aurea dicta 
sagt Lukrez von seiner aus epikureischen Schriften zusammengelesenen 
Schriftstellerei. 



— 40 — 

/ 

die Muse? Welche Frucht erntet sie ab? Den Blumen- 
honig. Die Muse des Simonides ist wie die Biene, die 
von Blume zu Blume fliegt aus den Blüten £av&öv jiiXi 
[iY]8ofiiva; sie macht die Süßigkeit. Dem Dichter ver- 
bleibt die bescheidenere Rolle, den Honig, den die 
Musenbiene zusammengelesen, herauszunehmen und 
der Welt zu übermitteln. Vergessen wir aber nicht, 
daß sich der Dichter aus eigner Wahl und eignem 
Wissen zu dieser Aufgabe verstanden hat, wie er ja 
eingesteht. Es haben nach Simonides auch andre ähn- 
lich gesprochen, nur nicht immer so treu das Bild fest- 
gehalten. Nur einmal noch finde ich in anderer Form 
dasselbe schöne Bild verwendet, wieder in Bezug auf 
Simonides. Ich meine eben den Beinamen, von 
welchem wir ausgingen. Melikertes ist „Honigschnitter". 
Wer so den Dichter benannte, befand sich mit dessen 
eigener Auflfassung in Harmonie; wer Simonides zu einem 
[leXtxlpTT)? machte, ihn also die Honigwaben aus den 
Bienenkörben oder Baumhöhlungen oder Felsen heraus- 
schneiden ließ, der verglich seine Poesie zwar mit dem 
Süßesten, gab ihm persönlich aber nicht das Verdienst 
des letzten ErschafFens, sondern einer höheren Macht, 
der Gottheit. Die Muse verglich er der Biene. Mög- 
lich, daß Simonides es selber war, der sich in einem 
Gedichte so benannte, in demselben etwa, in welchem 
er die Muse zur Biene macht. Die Mit- und Nach- 
welt wäre dann bei dem selbstgewoltten Beinamen ge- 
blieben. Jeder kennt das Wort des Aeschylus, seine 
Tragödien seien nichts als abgeschnittene Stücke von 
Homers großen Mahlzeiten (xejiaj^Yj xa>v [xsycxXwv 'OjiT^poü 
Sewrvcüv). Möglich auch, daß jemand anders gelegentlich 
den Ausdruck nicht geprägt, aber auf Simonides zuerst 



— 41 — 

angewandt hat, wie Solon auf Mimnermus die Neu- 
prägung XqüaicrraSTjc. Wir wissen das nicht Anders 
der Neffe des Simonides, und selbst Pin dar, die nicht 
müde werden, ihre honigsüßen Poesien sich selber als 
Verdienst anzurechnen und anzupreisen: Bakchylides 
will vaai&Tic Xi-^irfbof^o^ [izkidaa sein,') Pindar sagt, stolz, 
ihn und alle überbietend, von seiner Dichtung, sie sei 
jisXiaaoxeüXTwv xTjpuuv YXüxepcoxspo?.*) Doch kommt wenig 
darauf an, ob Simonides das Beiwort „Honigbrecher" 
von sich selber gebraucht hat Ganz in seinem Sinne 
wäre es auch auf ihn übertragen worden. Das genügt 
und das entscheidet 

Traurig, daß sich der Semitengott bis an den Lyriker 
herangewagt Welcker erklärte den Beinamen aus „der 
Geldgier" des Dichters.3) Simonides ließ sich seine 
Lieder gut bezahlen, was sein Recht war. Aber von 
gemeiner Profitsucht des Dichters weiß nicht bloß die 
Anekdote, sondern schon Xenophanes und Pindar, 
Aristophanes und Thukydides.4) Zwar steht alledem 
Pia tos bekanntes Ehrenzeugnis entgegen, und wir müssen 
doch wol eingestehen, daß die viel behauptete Gewinn- 
sucht für uns doch nicht mit Sicherheit erwiesen ist 
Aber das Vorurteil bestand und besteht. Dennoch ist 



>) X lo. Bakchylides nennt sich noch III 96 ixikifXioaaoi Ktji« 
di]$(üv (XIX 10 eiafvETOC Kijia fx^ptfxva).- 

«) Fr. 152 B. Anderswo ähnlich. „Isthm." II 7 f. yXuxetat 
fjLfiXicpOdYYOu Tep(j;i^(Jpac jjiaX0ax<5cptt)voi doiSa^. Auch iJteXtxdfAircuv doi5av II 32. 
ficXicpOdYYOi« doiSatc V 9. p.eX{<ppovoc oxoXteu Fr. 122 B. und „Isthm." 
IV 52 f. Iv 5* Ipaxeivwi fxAixt xal TotaiBe Tifjiai xaX>.{vtxov X^PF*-^ 
dyaTTdCovri „dulci vero melle tinctum etiam hae victoriae hymnum 
amant" Boeckh. 

3) Nach Schneidewin p. XL. 

4) Wilainowitz „Sitzungsber. der Berl. Ak.** 1901 S. 1303 f. 



— 42 — 

die Deutung „geizig und geldgierig wie der lyrische 
Stadtgott'* ein Ding der Unmöglichkeit. Was sollte der 
Semitengott in einem Zusammenhange, in dem nur der 
einzelne Semite passen würde? Sie würde außerdem 
die Richtigkeit der Gleichung Melikertes-Melkart als 
eine im Sinne der Alten feststehende Tatsache voraus- 
setzen, und diese Gleichung gibt es für die Griechen 
selber nie und nirgends. Schlimmer noch ist eine an- 
gebliche Aufbesserung der Welckerschen Auflfassung. 
Gruppe schließt allen Ernstes so:^) Die Griechen 
hörten aus dem Namen des tyrischen Gottes „Melkart" 
fiiXt „Honig" heraus. Sie legten sich daraufhin das 
Fremdwort als [leXtxpot'njc „Honigmischer" zurecht. ^) 
Damit — unverständlich warum — noch nicht zu- 
frieden, änderten sie den falsch gehörten Namen lustig 
weiter. So entstand durch doppelten Fehler schließlich 
[leXtK^p-njc. Diese Schlußreihe will ich ohne Kommentar 
sich selbst überlassen. 

8. Herodot beobachtete, daß in den von ihm als 
allerälteste beurteilten Spuren griechischer Religion die 
Götter nicht solche Namen führten, welche ihr Wesen 



») Griech. Mythol. S. 136. 

*) Pindar hat sich einmal als „Honigmischer" bezeichnet 
„Nem." III 132 iym z6ht toi TrifXTCU) jjiep.iYfjt.^vov [xiki Xeuxwi auv ydXoxTi, 
xipvajjiiva S' lepcj* dfxcpiTcei, TicJfjt.' do(8i[xov AioXTJtaiv Iv TivoaTaiv a6Xu>v. 
Er verwendet den ihm von den süßsingenden Musen (fxeXfcpOoYYOt 1,01.** 
VI 36) gegebenen Honig „Ol.", X. 116 ff. (Nektar „Ol.« VII 7 ff., un- 
bestimmt „Pyth." VIII 57 „Isthm." V 21). Die Musen nähren dort 
den Ruhm des gefeierten Lokrers; mit ihnen zusammen Hand an- 
legend will er das ruhmvolle Volk der Lokrer umfangen, piXiTi 
eOöcvopa irdXtv xaTaßp^j^wv. Seine Hymnen sind ihm juXi^elcpuec auch 
„Ol." XI 5. 



— 43 — 

annähernd erschöpften, sondern nur Beinamen, und wir 
haben zaMreiche Belege von im Kult offiziell gebrauchten 
Anrufungen ohne eigentliche Gesammtbenennungen, falls 
es solche von ihnen überhaupt gegeben hat Der Name 
Melikertes für den Gott des Isthmus ist ein solcher zum 
Kultnamen erhobener, aber das Wesen des Gottes nur 
nach einer Seite bestimmender Sondemame. Erschöpfen 
kann und will er nicht Die Zeugnisse über den Gott 
vom Isthmus lassen keinen Zweifel. Die im Namen allein 
berührte Seite des göttlichen Wesens ist anscheinend 
fremdartig, in Wirklichkeit aber so charakteristisch für 
die Umgebung und die Kultur und die alte Zeit, daß 
sie erläutert werden muß. 



4- 

Die Bienenpflege war in Griechenland von alters 
her verbreitet, besonders auf den Inseln und in Attika, 
aber auch sonst auf dem Festlande. Wie stolz 
klingt der Euripidesvers [isXi(j(jov6[i.ou 2aXa[i.tvo? & ßaaiXeü 
TsXa[iü)vl^) Es war ein Irrtum, wenn Hehn aus dem 
Schweigen Homers einen Schluß auf die Zeit der Ein- 
führung rationeller Bienen Wirtschaft wagte. 2-) In die 
ritterlichen Sitten der homerischen Gesellschaft 'paßt 
der bäuerliche Betrieb der Honiggewinnung nicht Er- 
wähnt wird unter den täglichen Bedürfnissen der Honig 
oft, die Bienen aber selten. 

Einmal im zweiten Iliasbuch innerhalb eines Ver- 
gleichs (V. 87 ff.), wo die Achaeer sich sammeln „wie 
Bienen, welche aus einer Felsschlucht auffliegen" als 
ein frei in der Wildnis lebender, gewaltig großer 
Schwärm, viel größer, als sie aus den Stöcken auf- 
fliegen. Die Stelle schließt die rationelle Honigkultur 
sowenig aus, wie das Fehlen bestimmter Erwähnungen 
den Gebrauch der Schreibkunst oder die Auslese 
einiger weniger Sternbilder eine genauere Kenntnis 
des gestirnten Himmels. Der Dichter aber jenes von 
Aeschylus in den „Persern" (V. 128) nachgebildeten 



') Troades V. 794. 

*) Kulturpflanzen und Haustiere S. iiof. 



— 45 — 

schönen Vergleichs war in lonien gut bekannt. In einem 
nicht minder schönen Vergleiche (V. 144 flf.) schildert 
er das unruhig wogende ikarische Meer, das er also 
aus Erfahrung kannte, und die sich „in der asischen 
Ebene an beiden Ufern des Kayster" sammelnde 
Kranichschaar aus eigenster lebendiger Anschauung. 
Mittelionien, die Gegend etwa von Ephesus bis Chius 
und Samus, war die Heimat des Sängers dieser herr- 
lichen Lieder; schwänereich ist das Mündungsland des 
Kayster wie das Nildelta, heute wie zur Zeit des ho- 
merischen Dichters. Die zweite Stelle steht in der Be- 
schreibung der Nymphengrotte auf Ithaka; „in ihr nisten 
die Bienen" (xi&atßtüaaoücri \i£kicscsai XIII. 106). 

Eine andere Spur führt nach Boeotien. Wieder 
innerhalb eines Vergleichs verrät Hesiods „Theogonie" 
(V. 594 ff.) Kunde von der Bienenkultur, aber der Unter- 
schied von der homerischen Erwähnung ist doch be- 
zeichnend. Er spricht von den Frauen, die von Zeus 
den Männern zur Qual gegeben und doch unentbehr- 
lich seien ; die Männer haben sie zu ernähren, wie die 
fleißigen Arbeitsbienen die Drohnen in den Körben 
und Stöcken, den (Jjit^vtj und (jt'[j.ßXoi, künstlichen Be- 
hältern also. 

Die Bienenpflege hat sich in Religion und Sage, 
wie in den Verhältnissen des Lebens ausgesprochen. 
Bildungen wie Melissus Melisseus Meliton, Melissa Me- 
lite, profane wie sakrale, finden sich durch die griechische 
Welt zerstreut, nirgends häufiger als in der Megaris, 
in Attika und in Boeotien.^) Diese Kultur muß sehr 

") Vgl. Dittenbergers Index zu den „IGS** I. Melissus aus 
Himera ,,IGSr' 333. Der samische Philosoph ist bekannt. Auch jxiXi 
erscheint in den ,.IGS" I sehr häufig in Kompositionen, z. B. Miki- 



- 46 - 

alt sein auch in Boeotien. Das beweist der Dialekt I 
MeXtrusüc würden die historischen Boeoter als solche 
sagen. Die Eigennamen lauten aber regelmäßig auf 
den Steinen MeXtararsüc u. ä., sind also vorboeotisch. Die 
beiden nur durch die Endung unterschiedenen Formen 
\i£kiaao^ und \Lekiaaz6<; bedeuten „Bienenzüchter" ; [leXiaasö^ 
sagt Aristoteles. Auch in dem mythischen Namen 
wechselt die Endung. Für den Vater der Zeus- 
wärterinnen auf Kreta hat der Frisingensis der Hygin- 
fabeln (182) die Form „Melissus", die sog. Astronomie 
Hygins (11. 14) und andre Quellen „Melisseus" ; niemand 
hat das Recht, die eine Stelle aus der andern zu 
ändern. Ebenso kennt die troische Sage einen Me- 
lisseus oder Melissus. ') Zwei „Melissos" genannte Orte 
heißen nach dem Bienenzüchter, einem göttlichen 
Wesen, da die altgriechische Sitte Ortsbenennung nach 
Menschen verbot. Melisseus ist einer der sieben Kory- 
banten von Chalkis, bei Nonnus Abantenführer, der 



8(üpoc aus Megara (auch in Delphi „Bull, de corr. hell." 1898 p. 13. 
14. 25. 56. 60. 65. 99), auch drei MeXiaa((üvec MeX^tüdv MeXtoxi^^oc aus 
Thespiae 1757 und mehrfach MeXiTU). M^Xicjaa MiXcuvoc aus Aigos- 
thena 233 (M^Xwv ist wohl nicht aus MeXtaa(u>v gekürzt, vgl. 216; 218 
erscheint MeXi(Ja(tüv Ai^ocJÖev^TT)?), aus Rhodus „IGI" I 688. Vgl. S. 14. 
Der sagenhafte Athener MiXixoc (nach Aelian Uepl irpovotec bei Suidas 
s. V. dtT^pajxvov und MiXixo?, vgl. Bemhardy II p. 765 A.) heißt bei Pau- 
sanias I 30, i MiXr^;. Er soll sich aus Reue über den Selbstmord 
des von ihm verschmähten Metöken Timagoras wie dieser von dem 
Burgfelsen gestürzt haben. Daher der Altar des Anteros. E. Curtius 
verlegt grundlos den Tod nach Melite (Gesammelte Abh. I S. 296 ff.). 
MArjTOC scheint hier die richtige Form wegen der Kürzimg M^Xtjc* 
Sonst würde MeXiTeu? erwartet werden müssen. Die Ähnlichkeit mit 
der isthmischen Melissusnovelle ist bemerkenswert (unten I 5). 
') Meineke zu Steph. Byz. s. v. 



— 47 — 

aber „auch in Phrygien, Kreta und Athen gewesen 
sei".^) Melisseus von Karien reinigt Triopas^) den 
Herrn vom Triopium; Sühnopfer sind immer wesent- 
lich chthonisch; im chthonischen Ceremoniell hat der 
Honig bei Griechen wie Römern deshalb seine feste 
Stelle. 3) Meliboios ist geläufiger Menschenname; 4) die 
bukolische Poesie hat ihn besonders gern. Die me- 
garisch-attische Heroine Meliboia wurde S. 14 genannt, 
eine ephesische ist auch bezeugt, 5) und in der Oedipus- 
sage spielt ein Meliboios eine dienende Rolle; 
nur daß sein Name leicht verderbt ist^) Oedipus 
wird an der korinthisch-boeotischen Grenze in der 
Bergeinsamkeit ausgesetzt. Da findet ihn, schon auf 
korinthischem Gebiet, ein Bauersmann „Meliboios". 
Dessen Tätigkeit liegt deutlich im Namen. Es ist der 



') XIII135.XXX280. XXXVII 424. Melisseus, Sohn der Kombe 
(Krähe) und des Sokos, eines euboeischen Lokalgottes (öuixo; = 
aaoixoc Helfer, vgl. Hesych. s. v.) u. a. 

») Diodor V 61. 

3) Samter „Familienfeste der Griechen imd Römer" S. 84flf. 

4) Z. B. „Sammlimg der griechischen Dialektinschriften" I S. 106 
(Bechtel). 

5) Sie stürzt sich vom Dache, um sich zu töten: Schol. Verg. 
„Aen." I 720. 

6) Cedrenus I p. 45, wo MeXfßio? überliefert ist. Schneidewin 
(Abh. der Gott. Ges. der Wiss. 1852 S. 193) findet die Notiz albern. 
Dieser dypoTxcJc xic erinnert an Philiskus von Thasus „in desertis apes 
colentem Agrium cognominatum", der auch über Bienen geschrieben 
hat (Plinius „N. H." XI 19). Enmann (bei Röscher u. d. W. Leto 
S. 1970) schreibt von Meliboia, der argivischen Priesterin der Leto: 
„Wir denken an fjiAeo?, was mit fjLötxaio; d>vadc erklärt wird, und ßot, 
die vorauszusetzende Ablautung zu ßi leben. Diese Nebengestalt der 
Leto wäre also ein Wesen, welche das Wesen vergeblich, nichtig 
machte." Sie soll dann soviel sein, als die Fehlgeburtserzeugerini 



- 48 - 

echte rechte Bauersmann „der Honig und Rinder be- 
sitzt", nicht der Honig, also Bienen, züchtende; das 
wäre notwendig [AsXtßocjxo«;. Von Meliteus „Honigmann", 
dem Sohne des Zeus und einer Othrysnymphe, dem 
Gründer von Melite in Phthia, weiß Nikander zu er- 
zählen, i) Ein Stadtteil von Epidamnus hieß nach den 
Bienenstöcken ([xsXkjcjcüvs?) MeXtaatovto*;.^') Hier fabelte 
man von Melissa, der Tochter des Dyrrhachius und Ge- 
liebten des Poseidon. 3) 

Das Material, von welchem hier nur das Wesent- 
lichste vorgelegt worden ist, erweitert sich nicht uner- 
heblich, sobald ein zweites aus der Schriftsprache ver- 
schollenes Wort für Honig und seine Ableitungen ins 
Auge gefaßt werden. 3pov wird mit a|XT^vo<; „Bienen- 
schwarm" „Stock" erklärt und für kretisch ausge- 



») Antoninus Lib. XIII. 

*) Trephonius und Agamedes scheinen eine Art Penaten, Oeol 
xn^aioi, zu sein. Mit dem Honig hat wenigstens der erste zu tun: 
Paus. IX 40 zeigen Bienen dem Saon die Höhle von Lebadeia. Die 
Novelle vom Schatzhause des Rampsinit liegt auf jene übertragen 
schon in der „Telegonie" vor (Wilamowitz „Hom. ünt." S. 186 f.). 
„Während wir von einem Sack voll Geld sprechen, sagt der Grieche: er 
hat einen Bienenkorb voll Geld (oder Schätzen). Hier ist die alte 
Vorstellung des Schatzes beeinflußt und gefärbt durch das Bild vom 
himmlischen Honig: der Bienenkorb ist, wie sein nächster Verwandter das 
„Tischlein deck dich" und der Wundersäckel des Merkurius, des For- 
tunatus u. s. w., ein unversieglicher Schatzbehälter himmlischen Segens.*' 
So Usener „Rh. Mus." 1902 S. 108 ff., er vergleicht Aristophanes 
„Wespen" V. 241, wo es von Laches heißt öffjißXov hi cpaai )^pT]fAdTU)v 
l^eiv änavctQ a{)Tr!v, aus Sicilien mitgebracht. Auch das Schatzhaus 
des H3rrieus wird ursprünglich in die Sphäre wirklich gehören, in 
welche der Name des Besitzers es verweist. 

3) Philo bei Steph. s. v. Auppct^^iov. 



— 49 — 

geben, ^) opta muß Honig oder Honigwabe bedeutet 
haben, wie schon aus dem früher behandelten öpiaxojioc 
zu entnehmen (S. 25). Kretisch kann das Wort aber 
nicht ausschließlich gewesen sein ; das lehren die Eigen- 
namen, welche bald von dpov, bald von öpia abgeleitet 
sind. Tpotoc, Sohn des Aegeus von Sparta,*) ein 
Aegide also, trägt einen Kosenamen etwa aus üpoxofxoc.S) 
Ferner ist Hyria alter Name verschiedener Orte ganz 
in dem Sinne von MsXt-nj MsXtxata, z. B. von Zakynthus, 4) 
von Parus,5) von Seleukeia in Cilicien. Ein Vor- 



') Hesych s. v. 

») Pausanias III 15, 8. Hygin hat „Fab." 170 im Katalog der 
Danaiden „Eiiropomeatlitem*'. Das wird „Eiiroto Meliteum'* o. ä. 
sein. S. 45 fif. 

3) Wie Beaioc Aafxaio? 'Aaxpalo? IlToXefxaTo? 'AXxalos Aialoc 
'laaTo? 'YtJ^aTo? EucpXoioc KwXaTo? KwfjiaToc; sie haben in öeayivijc 
AafjLoiaiTnroc (AafjLaafoxpaTo? u. a.) 'AXxafx^vrjc 'laay'^pac ^YtJ^aycJpac, in 
dem besonders in Rhodus häufigen Eucppaydpac (Hiller von Gärtringen 
im „Hermes" 1902 S. 146), in xwXaxp^Trjc und Ku>fi.ap)roc ihre richtigen 
Vollnamen. (Anders STri^afjLaTo; BpovTaioc 'Ayopaio; BouXaTo; MeXiaaaioc 
(S. 55) 'AaTpairaTo; 'AaxepoTralo; Ilap&evoTraroc 'ISaloc u. a.). Aristaeus, 
der Gott von Keos, wird aus ''Apiaxo; OecJc gekürzt sein; ,,der beste 
Gott" erinnert an den 'Aya&oc Oed« von Epidaurus, den viel verehrten 
*AYaOo8o([Xü)v, auch an die Landes- und Ortsgöttinnen 'Aya^ 'ApfaxT), 
KaXi^ KaXXfoxT) oder Ka>vXiax(i), d. i. wol auch KaXX^cJXTj Oeci o. ä. S. 22. 
Kavvadias „Fouilles" No. 41. In Lebadeia bei der Trephoniushöhle 
war ein oixrjfxa zum Verweilen während der Vorbereitungsfrist, die 
dem Besucher zur Reinigung auferlegt war. x6 hi oixTjfxa AaffjiovcJc xe 
'AyaOou xal Tu^tj? lep(Jv £axiv ^Aya^rjc. Mehr bei Usener S. 344. 
Schillers Gedicht ,An die Freude' gilt „dem guten Geist überm 
Sternenzelt dort oben. Brüder, überm Sternenzelt muß ein guter 
Vater wohnen." 

4) Plin. IV 12, 154. 

5) Steph. s. V. 

Maass, Griechen u. Semiten. 4 



— 50 — 

gebirge Hyris lag bei Chalkedon.^) Am bekanntesten 
ist Orions boeotische Heimatstadt ^Tpta in der Graike 
mit *Tps6? oder 'Tptsü? „dem Honigmann", dem Besitzer 
des von Trephonius und Agamedes erbauten Thesaurus 
(S. 48).2^) Auch in Tanagra, auf Chius und im chiischen 
Kolonialgebiet bei den Bistonen soll Hyrieus oder ein 
Hyrieus gewohnt haben. 3) Thrakien, besonders die 
Istergegend, galt im Altertum für sehr honigreich; 
Herodot hörte bei den Thrakern selber erzählen, daß 
das Reisen jenseits des Ister „durch Massenschwärme 
wilder Bienen" zur Unmöglichkeit würde (V lO). Ein 
Hyreus, Vater des Krinakus, wird aus der lesbischen 



i) Das unteritalische Tpia-Obpia sollen Kreter gegründet haben. 
Der See 'Tpte bei Pleuren (Ovid „Met." VII 371. 380) lautet 9up(r, 
bei Nikander (Anton. Lib. VII); vgl. O. Müller „Rhein. Mus." 1824 
S. 28^9); öupeuc Meleagers Bruder: Apollod. I 7,8. Mir scheint ^Tp^T] 
„Immensee" bei Nikander aus Ovid herzustellen, weil Kyknus der 
Sohn der Seeepomnne ist, mit Rücksicht auf die später zu behandelnde 
Stelle aus Nonnus XXVI 183 ff. "YSpa wäre bei Strabo p. 460, 22, 
falls der gleiche aetolische See gemeint sein sollte, in *Yp(a zu ändern. 
Steph. s. V. XaXxTxi;. 

*) K. O. Müller „Orchomenos" S. 93 A. Seine Gemahlin heißt 
einmal KXovit] vufjicpT] (Apollod. III 10, 3); ßofjtßTjoov xXoviovrai heißt 
es von den Bienen ApoUon. II 133. Ein Boeoterführer Klonios B 495. 
Hysiai fäUt mit Hyria nicht zusammen, wie die chiischen Parallelen zeigen. 

3) Hygin ,,Fab." 195, Schol. Germ. A. P. p. 63 Breysig, Schol. 
Stat. Theb. III 27, wo ,,ad enorionem regem" in „ad Bistoniorum r." 
zu ändern sein dürfte. Überliefert ist bei Hygin „Byrseum", im 
Germanikusscholium (Nigidius) ,,Nisaeum", im Statiusscholium p. 356 
Jahnke ,,Pelargus". Swoboda (P. Nigidii Fig^i rel. p. 119) ist auch 
hier hilflos. Hyrieus ist auch sonst verdorben, bei Hygin „Astr." II 21 
hat der Reginensis „ibyrea", die übrigen Hdss. „yrea", d. i. 'Tpia, 
offenbar richtig. II 34 ,,catrea" „catraea" „chatrea" „cratea", in dem- 
selben Exzerpt Schol. Germ. A. P. ,,caubrisa" p. 93, 13. 164, 10. 
Dies wird (cfaupi^ot (aus 'Ypi^ot) sein, jenes baz^ia Q.pia aus *Ypia). 



— 51 — 

Genealogie durch Hesiod bezeugt^) Ein mythischer 
Poseidonpriester eines halikarnassischen Geschlechts, 
Vater des Nesiotes, ist wieder Hyrieus. Boeckh setzte 
ihn gleich mit dem boeotischen Poseidonsohn aus 
Hyria, dem Vater des Orion. ^) Aber die Genealogie 
widerspricht. Zur Gleichsetzung fallt jetzt jeder Anlaß 
fort. Mehrfach ist hervorgehoben, daß schon die vor- 
boeotische Bevölkerung von Boeotien in der Bienen- 



Schon die gemeinsame griechische Vorlage unsers lateinischen Hygin 
xmd unserer lateinischen Scholien war stark verdorben. Bursian setzt 
in unrichtiger Schätzung der Hdss. „Catrea", eine von vielen Korruptelen. 
Hyrieus steht auch durch Ovids Nacherzählung derselben Geschichte 
vollkommen sicher (Fasten V 499). Robert hat das richtig geltend 
gemacht (Eratosth. p. 165). Das Statiusscholion endlich (p. 356) hat 
„Pelargus"; es wird auch hier verdorbenes Griechisch (ICAYPIOC 
= riEAAPrOC) zu Grunde liegen. Variante „Pelasgus". Zu ändern 
ist in allen diesen spätlateinischen Texten als solchen nicht. Vgl. 
„Tagesgötter" S. 254 A. Die Hyrieusgeschichten von Boeotien Chius 
und Maroneia scheinen uns durch denselben Sammler erhalten zu sein. 
Hygin zitiert für den boeotischen Bienenwirt, Orions Pflegevater^ II 34 
(außer Pindar) einen Aristomachus. Der Schriftsteller ist nicht so 
unbekannt, wie die Hyginerklärer und Litterarhistoriker meinen. Da 
es sich bei Hygin u. d. a. um eine mythische Imkergeschichte handelt, 
so ist es der Solenser aus unbekannter Zeit, welcher als Verfasser von 
MeXicJcJoupifixa bei Plinius XI 19 XIII 131 genannt wird; 58 Jahre seines 
Lebens hatte er sich der Bienenpflege gewidmet (Oder bei Susemihl 
„Alex. Litt.-Gesch." I S. 839). Es ist ein seltenes Zusammentreffen, 
wichtig für die Quellenfrage, daß unser Hygin in seiner von Kolumella 
viel benutzten Schrift ,,Über die Bienen" IX 13, 8 (Fr. 4 Bunte) 
Aristomachus über die Wabenkrankheit erwähnt. Für seine Zeit ergeben 
die Zitate als Terminus ante quem das Jahr + 50 v. Chr. Wer das 
ganze Katasterismenbuch für eratosthenisch hält, muß wegen des 
Kap. XXXII Ar. unter die Quellen des Eratosthenes setzen. Das ist 
stets geschehen. 

>) Schol. T zu ö 544. 

») CIG II 3655. 

4* 



- 52 — 

kultur Hervorragendes geleistet haben muß. Von piXi 
\Uhaaa gebildete Eigennamen sind hier auf den Inschriften 
so häufig wie sonst m. W. nur noch in der Megaris. 
Dieses vorausgesetzt, gewinnt eine Glosse unserer Lexika 
Bedeutung,^) welche (mit leicht verdorbenem Lemma) 
besagt, die Boeoter hätten den Namen oder Spitznamen 
BXtaaoi geführt, d. i. M(£)Xta(joi, nach der Analogie von 
pXtocrxo) £[jLoXov. Der Wechsel zwischen ji und ß in der 
Nachbarschaft von Liquiden ist eine häufige Erscheinung 
auch bei Eigennamen. Die Leute von Blaunda in 
Phrygien heißen auf den Kaisermünzen bald BXauvSlwv, 
bald MXaüvSscüv.^^) BXtanxfe steht neben MeXt(yxtx>3,3) wie 
pXtTxetv neben [AsXtxxstv; die Honigkuchen heißen ßXixia 
und [jLsXiTta.4) Der Priamide „Brissonius" dürfte eher 
BXt(jaci)vtoc (aus MsXtaatovtoc) sein; 5) MsXiaaciivtoc hieß, wie 
S. 48 bemerkt, eine Stadtgegend von Epidamnus. 
Noch ein Heroenname entstammt dieser Kulturregion. 
Aus Hesych ist die Glosse xev&pTjStov aus unbekannter 
Quelle als Name für ein Insekt aufgeführt mit dem Zu- 
satz „einige sehen in ihm die wilde Biene", und dazu 
stimmen die folgenden Glossen xsv&pi^vtov] xriptov und 
Tev&pr^vio)8e<;] ttoXüxsvov o)C xr^piov xal dpaiov. Dazu tritt 
xevftprjVTj selbst in der Bedeutung „Biene". Wenn nun 



») Hesych und Et. Magn. s. v. BXtexoi (Et) BXfaaioi (Hes.) ol 
Boiu)Tol iip(5Tepov IxaXouvTo. Ich habe BX(aaoi als Grundform in beiden 
Brechungen geschrieben. 

4) Crönert im „Hermes" XXXVII, 1902, S. 153. 

3) Keil „Spec. onom." 28, lÜemens „Protr." p. 14. Oben S. 46A. 

4) Hesych. s. v. Auch ßX(Cu) dnh xoO fiiXi fi.eX(C(u Et M. s. v, 

5) Hygin „Fab." 90. Steph. s. v. Dagegen widerstreben M^fAßXic 
MefxßX(apoc BX(ocpoc dieser Ableitimg wie allen sonstigen (Studniczka 
„Kyrene« S. 53). BXte«; Hygin „Fab." 253, Ovid „Met" VH, 386. 



— 53 — 

der Vater des Magnetenführers Prothous vom Pelion 
und Peneus in der Ilias (ü. 756) Tsv&p7j8ci)v genannt 
wird, so bedeutet dieser Name hier offenbar genau 
dasselbe wie jiiXiacjo. Vielleicht darf angenommen 
werden, daß die Bildung Tsvftpr^Scüv südthessalisch ge- 
wesen ist, wie Müp[ii8a)v.^) ftpcovoj hängt mit den ge- 
nannten durch das Gesetz des Lautwandels zusammen; 
unser „Drohne" ist mit dieser durch Hesych für La- 
konien bezeugten und mit xrjcpr^v (xacpav) erläuterten 
Glosse schon von anderer Seite zusammengebracht 
worden.*) Es kann aber sein, daß ftpcovoj und also 
ursprünglich auch unser Drohne nicht immer aus- 
schließlich männliche Bienen bezeichnet haben, wie die 
reduplizierten tevftpTjStov Tsv&pr^vT) lehren, sondern einst 
Gattungsworte gewesen sind, die dann bei den Ger- 
manen auf eine besondere Unterart, die Drohnen, ein- 
geschränkt wurde: ein Hergang, der ja dem Sprach- 
beobachter vielfach entgegentritt. 3) 



«) Das erinnert an die „Spechte" (Meroper, Picenter), „Störche" 
(Pelasger, Kikonen), „Bären" (Arkader), „Robben" (Phoker), „Wölfe" 
(Lykier), Encheleer und Ophioneer, Hirpiner Italer Aquilier Suillier 
Vitellier Korviner. Es ist eben nicht bloß griechisch-italisch, sondern 
ein uralter und tiefsinniger, auch von der heutigen Naturwissenschaft 
vertretener Gedanke, daß alle Lebewesen der Erde, die Pflanzen und 
die Tiere, der Mensch nicht ausgenommen, durch Abstammimg mit- 
einander verkettet sind und eine Entwicklung darstellen. Der Mensch 
wird aus dem Tierreich hergeleitet. Vgl. Liebrecht „Zur Volkskunde" 
S. 304. Mtüler „Geschichte der amerikanischen Urreligionen" S. 180. 

*) Schrader „Sprachvergleichung und Urgeschichte" S. 464. 

3) Vornehmlich das Boeotien der vorgeschichtlichen Zeit ist noch 
an einem andren hierhergehörigen Wortstamme beteiligt Von afji^vo; 
9{A^VT) „Bienenschwarm" „Bienenstock" gibt es eine reduplizierte Bil- 
dung, welche am einfachsten in der Hesychglosse bfjiTJvai] O^xat ver- 
glichen mit afji^vat] täv (uXiacrujv al xTjpoSdj^oi ^i al ^xai vorliegt, 



— 54 — 

Weg und Mittel, den Bienen den Honig abzunehmen, 
hat nach dem frommen Glauben der Griechen wie alles 
Gute den Menschen ein Gott gewiesen. Wir dürfen 
nicht vergessen, welche Bedeutung Honig und Honig- 
meth zumal in der zucker- und weinlosen Frühzeit auch 
bei den Griechen einnehmen mußten und eingenommen 
haben. Hielten sie frommgläubig den Wein und alles 
Gute für Gaben der Gottheit, warum nicht auch den 
Honig? Die Römer haben für ihn eine eigne Göttin 
„Mellona", die Letten die Bienenmutter „Bittismäte", die 
Littauer den Bienengott im allgemeinen und den Gott 
des Honigbruchs im besonderen „Prokorimos".^) Es 
mag hier an den Inselgott der Kreter erinnert werden. 
Sie nannten ihn Zeus, wollten ihn dadurch als Himmels- 



statt *aia[jLfjVai also, wie Xarrnii aus *o(cJT7]fjLt. Der Name 'IafxT]v<5c steht 
neben Sfx^voc, einem lakonischen Flußnamen (Paus. III, 24, 9. In 
den „Sieben" des Aeschylus V. 271 ff. betet Eteokles zu allen Göttern, 
auch A(px7]? TrTjyaT? 068 diz' 'lafxTjvoO. Zu schreiben ist wol tc. )(58aTt 
SfjLT^vou. Auch V. 378 ließe sich n'^pov hi Sfji^vov aus 8* *Ia[X7]V(Jv her- 
stellen). Die *Icj[jLTjv{5e; NufJicpai von Phlya sind dieselben wie die 
BpTaai anderswo (Paus. I, 31). Apollo 'Ia[jLi^vio; besitzt einen merk- 
würdigen Orakelkult. Daß ihn Pausanias oder sein Gewährsmann mit 
l^ü)v T7]V ^TTian^fxTiv erläutert, beweist, wie wenig das Wesen dieses 
altthebanischen Orakelgottes noch verstanden wurde. Es wird dem 
alten Thrienorakel in Delphi irgendwie ähnlich gewesen sein, von dem 
es im „Hermeshymnus" heißt V. 552 ff. xirjpfa ßdöxovxat (die Thrien) 
und dann 

aX h\ Srt [x^v ^uwaiv l8T]8uTat [liki ^XwpcJv, 
Trpocppov^o); I^^Xouöiv dXrj^e^Tjv dyopeueiv. 
Der böse Zaubergreis, der auch die Toten auf Zeit belebt, heißt bei 
Tasso II, I u. s. „Ismeno". Das ist gelehrt. Nicht bloß Pausanias, 
sondern auch die Glosse tafxT] (Hesych s. v.) konnten auf diesen Namen 
führen. Ismeno ist im X. Gesang auch der Zukunft kundig. 
') Usener „Götternamen" S. 88, 99, 106. 



— 55 — 

gott bezeichnen, aber zugleich dachten sie ihn, streng 
genommen widersprechend, in der idaeischen Höhle 
„entrückt" und „begraben", ehrten ihn auch als „Bienen- 
gott", MsXiaaato?. Er ist ein sehr merkwürdiges Zwitter- 
ding, himmlisch und chthonisch zugleich. Auch die 
Keer besaßen einen Gott der Bienenpflege, dem sie 
alles Gute dankten, eine echt patriarchalische Figur ganz 
bäuerlich einfacher Ci vilisation ; für den auserlesen vor- 
nehmen Götterstaat der homerischen Kreise ist er nicht 
vorhanden. Aber das Volk' hat an Aristaeus festge- 
halten; wir finden seine Spuren in Thessalien bis nach 
Arkadien, auch in Attika, auf Euboea, in Kyrene und 
selbst im thrakischen Kolonialland der Griechen bei 
Maroneia. Im Haemus dachte man ihn entrückt, Segen 
emporsendend.^) Die Güte trägt dieser Gott im Namen 
(S. 49^. Aristaeus ist aber nicht bloß der erste Jäger 
und Hirte, Gärtner und Viehzüchter, auch der erste 
Bienenwirt ist er, der Schüler der Brisai. Er hat das 
Herausnehmen des Honigs (xsfxvsiv xa xy)pia), die Her- 
stellung von Bienenstöcken und das Bereiten des Meths 
den Menschen gezeigt. 

Das Christentum führt unter leichter Hülle, die 
den Ursprung nicht verbirgt, die antiken Anschauungen 
auch hier fort. Kirchenheilige übernehmen das Patronat 
der Bienen. Daß die symbolische Deutung das einfach 
klare Verhältnis sofort zu verdunkeln und langweilig 
zu machen beginnt, ist man in der kirchlichen Sphäre 
gewohnt. So wird der heilige Bernhard zugleich zum 

') Plinius ,,N. H." IV, 11,45 kennt auf dem Haemus offenbar 
nach einem Tempel des Gottes einen Ort „Aristaeus". Detlefsen 
(Index s. v.) nennt die Stadt irrig „Aristaeum". 



- 56 - 

Bienenwirt und zum „doctor mellifluus".^) Der Bienen- 
korb gehört schon unter die Attribute des heiligen 
Ambrosius und des Dio Chrysostomus,*) zunächst wol 
kaum in übertragenem Sinne wegen der Süßigkeit 
ihrer Predigt. Auch zur Jungfrau Maria werden die 
Waben mannigfach in Beziehung gebracht.3) 

So lange der Wein den Menschen fehlte, herrschte 
der Honiggott. „Und als der Wein den Griechen längst 
gebracht war, noch als sie sich den weinlosen Barbaren 
des Binnenlandes gegenüber ihrer reich entwickelten 
Kultur freuten, blieben die weinlosen Opfer aus Honig 
und Milch, gewürzt durch Fenchel, Thymian, Pappel- 
blätter und allerlei Bergkräuter, die heiligsten im Lande. 
So sind Altargebräuche und Kultnamen als dauerhafteste 
Zeugnisse alteinfacher Lebenssitten verwendet" schreibt 
Ernst Curtius.4) Schon der Name des „Melikertes" ist ein 
Rudiment altbäuerlicher, am Boden wurzelnder Religion 
der alten bildungslosen Zeiten. Aus Boeotien, dem 
Lande des Honigs, rettet ihn Ino nach dem Isthmus. 
Der Gott trägt — das läßt sich nicht in Abrede stellen 
— die Landeskultur seiner Heimat in seinem ehr- 
würdigen Namen. In Korinth und in der korinthischen 
Religion sind diese selbe Kultur und Religion aber 
auch sonst unvergessen. 



>) Pfleiderer „Attribute der Heiligen" S. i8. 
«) Pfleiderer a. a. O. 

3) Salzer „Sinnbilder und Beiworte Mariens", Linz 1893, S. 489. 

4) Ges. Abh. II, S. 23. 



5- 

Beweis ist die in Korinth spielende Novelle, die 
ich nach ihrer Färbung delphisch nennen möchte; das 
delphische Orakel bringt in ihr die Lösung wie so oft 
auch in der Sage. Die Novelle will die Gründung von 
Syrakus und Korcyra auf ihre Weise erklären. Diese 
Siedlungen fallen nach der glaubwürdigen Ansetzung 
in die Jahre 734 und 733. Archias führte die Kolonie 
nach Syrakus, Chersikrates nach Korcyra. Die Erzählung 
läßt sich zu einem großen Teil aus den Berichten noch 
herstellen.^) Leider betrifft das Verlorene auch einige 
für unsere besonderen Zwecke wesentliche Punkte. Die 
Geschichte lautet so: 

Der mächtige Pheidon wollte seinen Argivern 
die Herrschaft über die ganze Pelopsinsel verschaffen. 
Zuerst wandte er sich gegen Korinth mit versteckter 
List. Unter dem irgendwie motivierten Vorwand 
notwendig ihres Beistandes zu bedürfen bewog er 
die Korinther mit heuchlerischer Freundlichkeit, eine 
Mora von tausend Waflfentragenden na6h Argos zu 



') Alexander von Pleuren bei Meineke „Anal. Alex." p, 219. 
Diodor VIII 8 p. 126 Dind. Plutarcb „Narr, am." 2. Schol. Apollon. 
IV 12 12. Maximus Tyrius „Diss." XXV. 



- 58 - 

entsenden. Ihr Führer war Dexander. Pheidon be- 
absichtigte diese Tausend, den Hauptbestandteil des 
korinthischen Feldheeres, in Argos zu vernichten. 
Die Ausführung des Planes übertrug er einigen seiner 
Vertrauten. Zu diesen gehörte Habron, Gastfreund 
des korinthischen Anführers Dexander von früher her. 
Durch Habron erfuhr Dexander von der Gefahr. So 
mißlang der Anschlag. Die Korinther konnten sich 
noch rechtzeitig aus dem Lande retten. Pheidon 
forschte nach dem Verräter, und Habron zog es vor, 
sich mit seinem Weibe und Gesinde nach Korinth 
in Sicherheit zu bringen. Er siedelte sich in dem 
Dorfe Melissus an. Den ihm hier geborenen Sohn 
nannte er aus Dankbarkeit nach der gastfreien neuen 
Heimat „Melissus". Dessen Sohn Aktaeon zeichnete 
sich durch seine Schönheit und Tugend unter allen 
Altersgenossen aus. Sie hatten ihn alle gern. Viele 
Liebhaber meldeten sich, insbesondere bewarb sich 
der Bakchiade Archias, ein mächtiger und vornehmer 
Mann, um des Jünglings Gunst. Abgewiesen, suchte 
er mit seinem Anhange den Aktaeon des Nachts zu 
entführen. Aber man setzte sich zur Wehr. So 
kämpfen die Parteien, bis Aktaeon im Handgemenge, 
von Freund und Feind hin und her gerissen, getötet 
wurde. Melissus nahm den Leichnam seines Sohnes, 
brachte ihn auf den Marktplatz der Stadt und zeigte 
ihn den Korinthern mit der Bitte um Sühne, aber 
erfolglos. Da wartete er auf das isthmische Poseidon- 
fest, trat, unter die Versammlung, erinnerte die 
Korinther an die ihnen von seinem Vater bewiesene 
Woltat, verfluchte die Bakchiaden und stürzte sich 
vom Felsen ins Meer herab. Sofort befiel Pest und 



— 59 — 

Dürre Land und Stadt. Das Orakel gab zur Antwort; 
Poseidon zürne und würde nicht aufhören, bis der 
Tod des Aktaeon gerächt sei. Archias, der selbst 
als Theore zum Orakel gezogen war, kam nicht mehr 
zurück. Er begab sich nach Sizilien, gründete Syrakus 
und zeugte zwei Töchter, Ortygia und Syrakus. 
Zuletzt wurde er von seinem Geliebten Telephus 
hinterlistig ermordet. So wurde seine Tat an ihm 
selbst furchtbar gesühnt. 

Soweit die Legende. Der von einer bemerkens- 
werten Abneigung gegen die Bakchiaden und den 
Argiver Pheidon zeugende Bericht über die Gründung 
der korinthischen Pflanzstädte Korcyra und Syrakus hat 
in der modernen Geschichtskonstruktion von jeher eine 
gewisse Rolle gespielt. Unger glaubte sie,') nachdem 
Weißenborn sie abgelehnt.^-) Früher noch hatte K. O. 
Müller den Gedanken ausgesprochen,3) es schiene ihm 
manches in ihr mythisch (er meinte die Katastrophe 
des Aktaeon), fügte aber hinzu, den Kern hielte er für 
geschichtliche Wahrheit. Ähnlich schwankte sein 
Schüler Ernst Curtius;4) zwar wäre das Ganze wegen 
gewisser widersprechender Zeugnisse für die Darstellung 
nicht recht brauchbar, aber die Blutschuld der Bak- 
chiaden, das von Archias begangene Verbrechen, wäre 
eine Tatsache. Duncker behandelte den Anfang als 
geschichtliches Zeugnis, das übrige als FabeLS) Holm^) 



') Phüologus XXVIII (1869) S. 414. 
*) Hellen S. i ff. 

3) Aeginetica S. 55 ff. 

4) Griech. Geschichte 1 6 S. 25889. 

5) Geschichte des Altertums V^ S. 387. 400. 

6) Geschichte Siziliens I S. 120. 



— 6o — 

ist hilflos: die Erzählung ist ihm Sage, dennoch sei es 
möglich, daß ähnliches vorgefallen sei und den Anstoß 
zur Auswanderung gegeben habe. Bestimmter urteilte 
O. Gruppe,^) die Aktaeongeschichte wäre aus Bestand- 
teilen der andern, gewöhnlich in Boeotien lokalisierten 
Aktaeonsage und der von MeUkertes wunderlich ge- 
mischt und in ihrer vorliegenden Gestalt erst nach dem 
Sturz der Oligarchie „aus einem historischen Kerne" 
neugestaltet worden. Es ist Zeit, wie man sieht, die 
korinthische Geschichte von diesem Gespenst zu be- 
freien. 

Chronologisch will die Erzählung zu den be- 
glaubigten Daten nicht stimmen. Pheidon von Argos, 
der hier drei Menschenalter vor der Gründung von 
Syrakus und Korcyra gelebt haben soll, also + 830, 
blühte in Wahrheit in der ersten Hälfte des siebenten 
Jahrhunderts. 668 leitete Pheidon nach verbürgter 
Nachricht die olympischen Spiele, war also Herr der 
Altis. Seine Olympiade ist in der Erinnerung der 
Menschen haften geblieben. Steht danach die mit- 
geteilte Geschichte etwa 150 Jahre zu früh, so ist 
sie eben keine Geschichte mehr und hat aus unsren 
Quellen für jene Zeit auszuscheiden. E. Curtius 
neigte sich dagegen zu dem Auskunftsmittel,*) 
den Argiver Pheidon dieser Erzählung, der die große 
Politik treibt, von dem bekannten argivischen Groß- 
politiker zu sondern, obwol wir von einem drei 
Generationen früheren Pheidon nichts wissen. Das 
Mittel richtet sich selbst So haben sich denn mit 



») Griech. Mythologie S. 135 f. 
*) Griech. Geschichte I^ S. 664. 



— 6i — 

Recht einige Forscher dazu verstanden, die Elrzählung 
zu ignorieren.^) Damit ist sie aber nicht abgetan. 
Ist sie nicht Geschichte, so ist sie doch Novelle, und 
tendenziös dazu. Die Novelle aber mufi, wenigstens 
in der frühhellenistischen Zeit, in den gebildeten Kreisen 
bekannt gewesen sein. Alexander von Pleuron, Kalli- 
machus' Zeitgenosse, begnügt sich, auf sie anzuspielen 
(S. 57A.). Er will die Schönheit eines Epheben schildern. 
Da bedient er sich des Vergleichs „Antheus Lieblich- 
keit war noch entzückender als die Schönheit des 
Aktaeon, des Sohnes des Korinthers Melissus, dessen 
Tod den Korinthem zum Segen wurde.« Alexander 
durfte die Novelle, deren er sich andeutend bedient, 
in seinem Leserkreis als allbekannt voraussetzen. Ich 
will die Novelle des Melissus wegen analysieren. 

Pheidons Bemühen, Argos im Peloponnes allmächtig 
zu machen, steht geschichtlich fest und stand dem 
Novellisten von vornherein fest Auch von Differenzen 
mit Korinth wissen wir und wußte er. Die Hilfesendung 
der Tausend war zu motivieren. In unsern lücken- 
haften Exzerpten fehlt die Begründung wol nur zufallig. 
Wahrscheinlich ließ der Novellist Pheidon gegen irgend 
einen Nachbarstaat einen Handstreich vorgeben, bei 
dem Korinth zu seinem eignen Vorteil mitthelfen sollte. 
Das die politische Voraussetzung der Novelle. Nun 
die Einzelheiten. Der korinthische Feldherr Dexander 
ist Habrons Gastfreund, was der Name andeutet, also 
wol andeuten will „der die Männer aufnimmt". Der 



') J. Burckhardt „Griech. Kulturgeschichte" II S. 258 hat sie 
verworfen. 



— 62 — 

Name seines Freundes Habron ist weniger bezeichnend; 
der Begriff der Weichlichkeit wird in griechischen 
Eigennamen nicht so selten zum Ausdruck gebracht 
(0ißp(öv Baüxoiv MaXaxo^ Tpücpwv XXtSwv *Aßp6ßto^ 'Aßpofjia- 
Xo?).^) Habrons Verhalten ist das durch die geheiligte 
Gastfreundschaft gebotene. Habron warnt also, aber 
zu eignem Schaden, den arglosen Freund, welchen 
der schlechte Pheidon hinterlistig ins Verderben ge* 
lockt hat. Darin liegt nichts besonderes an sich. Nur 
die Charakteristik des argivischen Tyrannen ist bemerkens- 
wert. Der Name der Frau des Habron wird in den 
Exzerpten nicht genannt; sie war Argiverin. Sie be- 
kommt in dem korinthischen Dorfe Melissus einen 
Sohn, der nach dem Namen der neuen Heimat aus 
Dankbarkeit Melissus benannt wird. Ein Ort Melissus 
ist für Korinth und Umgebung, auch für den Isthmus, 
sonst nicht bezeugt. Auf der andern Seite fehlt jeder 
Grund und Anhalt in der Erzählung selbst, diesen durch 
die Legende überlieferten Ortsnamen für eine Erfindung 
zu halten und ihn topographisch un verwertet zu lassen, 
wie gemeiniglich geschieht, um so mehr, als der Orts* 
name in der Form MIXXtaao? auf der „Honiginsel" Keos 
wiederkehrt.^) Die beiden Orte schützen sich gegen- 
seitig.3) Wenn man sich an der Gleichheit von Orts- 



1) Bechtel S. 75. 

2) A. 3. Strabo X p. 489. Vgl. Bröndstedt „Reisen und Unter- 
suchungen in Griechenland" I (1826) S. 8. 

3) Museo ital. I p. 2io erscheint auf einer Inschrift aus dem 
Apollotempel von Karthaia auf Keos eine Ortsbestimmung nach dem 
Gau oder Gut Ijx MeXXfoacDi (neben ^p. IlpoßaXtvdouvTt h 'Axx^i Iv 
lepcöt XifjL^vi l[x riexporvTi (heute IleTpouaaot) iy K6Tzp<s}i Ifi ^riy&d Ifx 
<I>u)xe{u)i ip. MeTctXXoic). Halbherr (z. d. St. p. 216) und A. Pridik „De 



- 63 - 

namen und Personennamen gestoßen hat, so ist das 
ungerechtfertigt. Nicht zwar nach beliebigen Personen, 
wol aber nach Göttern und Heroen (seit den make- 
donischen Königen auch nach diesen, dann aber im 
Plural) pflegten die Griechen ihre Ortsnamen zu bilden, 
wie Phalanthus in Arkadien, Panopeus in Phokis, 
Aristaeus auf dem Haemus (S. 5 5 A.), Eury alus bei Syrakus.^). 
Eurymedon heißt ein pamphylischer Fluß, Oromedon, 
„Bergesherr", ein Gigant und zugleich ein Gebirge auf 
Kos, Tityrus ein Berg auf Kreta, auf welchem eine 
Göttin ihren Tempel besaß,^) dieselbe welche Minos 
mit aufdringlicher Liebe verfolgt haben soll, sodaß sie 
ins Meer sprang und nach Aegina entfloh, Aphaea-Dik- 
tynna. Es wird ursprünglich Tityrus selbst, der Berges- 
herr, gewesen sein, welcher die jungfräuliche Göttin 
behelligte, wie die Satyrn das pflegen. Melissus ist 
also auch in der Novelle als eigentlicher Personenname 
zu nehmen, nur als Name einer göttlichen Person, der 
auf das korinthische Dorf erst übertragen wurde, weil 
ein Bienengott, den sie Melissus nannten, dort einen 
Kult besaß. 

Die korinthische Novelle ist aus einem isthmischen 
Lokalmythus in ganz äußerlicher Weise abgeleitet und 



Cei insulae rebus", Dorpat 1892, p. 65 schwanken zwischen M^icJöov 
und M^X>viaaoc. Es ist M^XXiaaoc anzunehmen. Das Doppel X, welches 
Halbherr und Pridik in der Transskription fortlassen, erinnert an Sappho 
S. loo fjieXXf/pooc u. a. W. Schulze,, Quaest. ep." p. 7 denkt an metri- 
schen Zwang ohne Not. Solche Ortsnamen werden stets stark per- 
sönlich empfunden. Pindar sagt „Ol." VI „Ich muß nach Pitane 
eilen, welche dem Poseidon in Liebe gesellt die Euadne gebar." Dies 
ist Natur, Später wird es Figur. 

I) Mommsen „R. G." I S. 619. 

*) Apollodor bei Strabo X 479. 



- 64 - 

ungeschichtlich. Werden wir ähnlichen Erzählungen 
über Korinth und seine Machthaber, die gleichen Haß 
bekunden, z. B. der bekannten Novelle von Periander 
und seinem Weibe, nach dieser Erfahrung noch 
trauen dürfen? Den Verfasser der Novelle von Me- 
lissus und Aktaeon kennen wir nicht, nicht einmal an- 
nähernd seine Zeit. Nur daß er vor 280 v. Chr. lebte, 
wissen wir (S. 56A.). Aber er kann leicht erheblich älter 
sein. Stesichorus (Fr. 44) zeigt, wie stark die impo- 
santen Gestalten der korinthischen Tyrannen die 
Phantasie auch der westlichen Hellenen schon im 
siebenten Jahrhundert beschäftigt haben: bei ihm 
mordet der korinthische Tyrann ein Liebespaar. Aber 
es gibt ein deutliches Erkennungszeichen. Melissus* 
Sohn ist in dieser Legende so schön wie tugendhaft 
Ihn zerreißen die bösen Bakchiaden. Man fühlt sich 
teils an Orpheus erinnert, welchen die verliebten 
Thrakerinnen zerreißen, teils an den gleichnamigen 
Jäger Aktaeon, „den Herr des Vorgebirges", der zwar 
schön war wie Melissus, aber nicht sehr tugendhaft, 
und sich sogar an Artemis vergriff. Da machte die 
Göttin seine Hunde toll, die ihn zerfleischten.^) 
K. O. Müller ließ den Melissussohn aus dem Artemis- 
frevler gemacht sein. Auch die Folgen sind in der 
Novelle dieselben wie im Mythus, Mißwachs und Dürre. 
Aber alles heilt das delphische Orakel. Ich meine, 
man sieht der Novelle das Entstehungsgebiet an. Sie 
ist delphischen Ursprungs. Delphi will die so segens- 
volle Kolonisation von Korcyra und Syrakus bestimmt 

') 'AxTa^ gibt es überall, auch auf Keos (S. 62 Anm. 3) und auf 
dem Isthmus: Sophokles im „Theseus" (Pindarscholien II p. 514B.) 8c 
TiapaxTfov axef^^wv dvr^fjL^pcDaa xvwSdXtov 686v. 



- 65 - 

und geleitet haben. Delphis Ruhm kündet die Erzählung, 
die sich — wegen der priesterlichen Entstehungs- 
sphäre ganz natürlich — zum Teil religiöser Motive 
bedient. Delphis Einwirkung auf die Überlieferitngen 
vor und noch während des V. Jahrhunderts wird jetzt 
immer klarer. Auch das Branchidenorakel bei Milet 
und der dortige Leukotheakult ist durch das Mittel 
genealogischer Erfindung, einer ziemlich dürftigen, eng 
an Delphi angeschlossen worden, i) So kann man sich 
die Vorstellungen im VII. oder VTU. Jahrhundert ge- 
staltet denken. Delphi erhob Anspruch auf die Haupt- 
kulte von Milet, ebenso auf den Ruhm, die Aussendung 
der korinthischen Kolonien nach Korcyra und Syrakus 
veranlaßt zu haben. 

Erwiesen ist jetzt in der korinthischen Landschaft 
ein Lokalgott der Bienenwirtschaft, Melissus. Ist er 
derselbe wie der Melikertes vom Isthmus? Die Kult- 
plätze sind örtlich und der Bedeutung nach verschieden: 
der eine zu einem international-hellenischen allmählich, 
aber schon früh entwickelt, der andre dörflich ver- 
blieben. Nichtsdestoweniger kann bei eigenartiger 
Fortbildung des einen der beiden örtlichen Kulte ur- 
sprüngliche Gleichung sehr wol bestanden haben, weil 
die Annahme, daß eine verhältnismäßig so kleine Land- 
schaft, wie das korinthische Gebiet, zwei Sondergötter 
der Bienenzucht mit fast gleichen Namen, einen Melissus 
und einen Melikertes, besessen habe, so unwahrschein- 
lich ist wie möglich. Auf Keos dagegen steht der 
Ortsgott Melissus neben Aristaeus, „dem besten Gott", 



>) Konon 33. Schol. Stat. „Theb." VIII 198, von Knaack fälsch- 
lich in das kallimacheische Gedicht versetzt (Anal. alex.-rom. p. 49). 
Maass, (Triechen u. Semiten. 5 



— 66 — 

welcher zwar Gott der ganzen reichen Insel, zugleich 
aber auch Heerden- und Bienengott, Melissus also, 
war.i) Diese Gestalten sind unter sich zu trennen, der 
keische Melissus aber und der korinthische Melissus- 
Melikertes ein und derselbe. 

Ob der Isthmus selbst für die Honigkultur einen 
günstigen Boden abgab, darf man fragen und bejahen, 
weil das dort wachsende Bienenkraut (apium asXivov, 
Eppich oder Sellerie) dem Sieger als Kranz überreicht 
wurde. Es war die Pflanze des Orts. Eppich wächst 
in Griechenland wild an Wassergräben und feuchten 
Meeresniederungen (iXeoüsXivov), als irsxpoalXivov (Petersilie) 
auch an steinigen Stellen, als öpsoasXivov auf den Bergen 
und wird dort noch jetzt viel kultiviert Man hielt es 
als eine Glückspflanze gern in Zimmern und schmückt 
heute wie im Altertum die Gräber der Verstorbenen 
mit Eppichkränzen, bestreut sie mit Eppichblättern; 
von einem hoffnungslos darniederliegenden Kranken 
sagte man, „es gibt für ihn nur noch Eppich" (apio 
tndigetjp) Der Eppich war darum chthonischen Wesen 
heilig. 



Als vor einigen Jahrzehnten Michelangelos Gio- 
vannino (jetzt im Berliner Museum) in einem Pisaner 
Palazzo wieder entdeckt wurde, erklärte man die Statue 
für den antiken Bienengott „pastore Aristaeo". Dei^. 



x) Autonoe, sein Weib, „die selbst ersinnende", bezeichnet eine 
Eigenschaft des Gatten, wie Andromache eine des Hektor. Es sind 
dies unselbständige Gestalten, vorhanden nur der Gatten wegen. 

*) Landerer bei J, Lennis „Synopsis der Pflanzenkunde" (Han- 
nover 1877) II S. 731 f. 



«! 



- 6; - 

Künstler hat sich den Jüngling nach der Bibel vorge- 
stellt, wie er sich in der Wüste vom Honig der wilden 
Bienen nährt; er ist im Begriff, den Honig zu sich zu 
nehmen. „In dem oben etwas abgestoßenen Gegen- 
stande, welche er mit der Rechten an den Mund fuhrt, 
hat man eine Rübe, auch wol eine Heuschrecke, zu 
erkennen geglaubt. Die richtige Erklärung fand man 
in Italien bald in dem Hinweise auf die heute noch 
in entlegenen Landesteilen dort erhaltene Gewohnheit 
der Hirten, den wilden Honig in Ziegenhörner aus- 
laufen zu lassen und aus dem Hörn zu trinken. 
Johannes ist im Begriff, das Honighorn, um es auszu- 
schlürfen, zupi Mund zu führen. In gerader Stellung 
ließ er aus der Wabe in der erhobenen Linken den 
Honig in das kleine Hörn in seiner Rechten hinein- 
träufeln. Nun hat er die Linke mit Wabe sinken lassen. 
Die Wabe selbst zeigt regelrechte glatte Schnittform: 
Johannes hat sie aus wildem Bienennest in Fels oder 
Baum herausgeschnitten."^) Als „Melikertes" ist er von 
Michelangelo aufgefaßt. Ein Melikertesbild besaßen 
die Korinther wahrscheinlich; wir besitzen es nicht. 
So mag die Schöpfung Michelangelos für das Verlorene 
eintreten. 



') Bode im „Jahrb. der kgl. preuß. Kunstsammlungen" II i88l 
S. 72 flf. 



5* 



iii. PALAEMON. 

I. 

In der isthmischen Legende führte der Melikeites 
genannte Gott noch einen zweiten Namen „Palaemon". 
Die Legende wird behandelt werden, um das Verhält- 
nis der beiden Namen festzustellen. Jetzt fragen wir, 
was diese zweite Bezeichnung ohne Rücksicht auf den 
Kultnamen Melikertes an $ich bedeutet Das Wort 
heißt „Ringer" und findet sich als Beiname oder Eigen- 
name mythischer Personen häufig'. Herakles hat den 
Beinamen auf einer Inschrift von Koronea,') wie er 
denn Schutzgott der Ringschulen z. B. auf den schönen 
Tonreliefs des Museo Kircheriano ist*) Auch ein 
Heraklessohn Palaemon kommt bei ApoUodor 11 7, 8 
vor, ein Sohn des Hephaestus dieses Namens bei dem- 
selben I 9, 16, ein Argonaut bei Apollonius I 20i2, ein 
Priamide bei dem sog. Hygin „Fab." 90, und schließlich ist 



I) IGS I No. 2874. Lykophron 224 mit Schol. Wilamowitz 
„Herakles"* S. 34. 

*) Die Tagesgötter in Rom und den Provinzen S. 120. Wilamowitz 
denkt an Kontamination des Palaemon und Herakles. Der Beweis ist 
nicht zu erbringen. Richtig Preller-Rohert S. 603 A. 



- 69 - 

von TuaXatficüv ein eigenes Verbum neugebildet iroXaifiovstv; 
Pindar gebraucht es.^) Der waffenlose Nahkampf, 
Faustkampf (pugna) und Ringkampf, ist die altertüm- 
liche Form des Nahkampfes. Ringend bezwingt Herakles 
den Löwen; es ist die älteste seiner zwölf Arbeiten, 
aus Nordgriechenland, wo es noch in geschichtlicher 
Zeit Löwen gab, von der Dorern in ihre späteren Sitze 
mitgebracht. Auch Kyrene würgt den Löwen, als der 
Gott sie erschaut (Xlovri ößpt[i(i)i p.oüvav luaXafoiaav orep 
irf/i<ü]i).^) Es wäre unmöglich, anzunehmen, daß alle 
mythischen Träger des Namens Palaemon auf den 
einen Gott des Isthmus zurückgehen, sich von ihm nur 
diflFerenziert haben sollten. Das Gegenteil lehren die 
Nachrichten, wenn man sie nicht vergewaltigt. Die 
neue Methode liebt in solchen Fällen das Identifizieren. 
Aber für empfehlenswert kann die systematisch starre 
Durchführung eines nur manchmal richtigen Gedankens 
nicht gelten. Das Verständnis der griechischen Helden- 
sage wird durch dergleichen Versuche nicht gefordert. 
Hektor ist für den Verteidiger von Troja ein redender 
Name „der da hält, schützt", sein Wesen in den einen 
Namen vom Dichter ganz eingeschmolzen. Wesen und 
Name sind eins. Ein Dichter hat ihn erfunden und 
schlicht benannt, war sich auch der Namenbildung be- 
wußt 3) Es ist eine Gestalt, so sinnig und tief, wie 



») Pyth. II 113. 

*) Pindar „Pyth." IX 26 f. 

3) Andromache sagt „H." XXIV 729 flf. 

^ ydp dXwXac ^TtfoxoTtoc, Äote fitv a'jti^v (Troja) 

Solo (4, 3) braucht £7t(axo7to« von Athena, die im Epos wieder 
ipoodrroXic heifit 



— 70 — 

wenige in der Weltliteratur. Dennoch ist ''ExTwp auf 
Lesbus Beiname des Zeus, „der Sckützer", also soviel 
wie SüDTT^p SatüTYjc IloXioüjfoc.^) Das ist nur in Ordnung. 
Zumal in Korinth sind redende Götter- und Daemonen- 
namen üblich. 'OcpsXavSpoc Eüvoüc 'Ofißptxos erscheinen 
auf altkorinthischen Vasen des VI. Jahrhunderts. In 
diesen Kreis möchte ich als eine Analogie zum 
korinthischen Palaemon, welcher einerlei in welcher 
Gestalt die Meeresgeister „niederringt", den korinthischen 
Perseus stellen, den Ahnherrn der Persiden. Ihn von 
TrepösTüToXic, dem umgekehrten ircoXftrop&oc, zu sondern, geht 
kaum an; er ist, wie Ilop&aüiv, Alkathous Vater,*) der 
„Eroberer", sofern das Erobern wesentlich ein Zerstören 
ist. Angesichts der Burgen von Tiryns und Mykenae 
begreift sich eine Heldengestalt von einem solchen 
Wesen und mit einem solchen Namen in dem östlichen 
Peloponnes. Perseptolis wenigstens ist auch Name des 
postumen Enkels des Odysseus, gewählt gewiß, wie der 
Name Telemachus, nach einer wesentlichen Funktion 
des Odysseus selbst „Eroberer" sind auch Achilleus 
und so viele, fast alle Helden der Griechen. Perseus, der 
Korinther, trägt einen sehr allgemeinen Ritternamen; 
das Individuelle, was wir an Perseus kennen, ist Zutat 
erst aus dem Sonderleben in der Sage und nicht zum 
wenigsten in der Dichtung, besonders in der von 
Korinth.3) Es ist der korinthische Perseus, soweit wir 



») Sappho Fr. 157 B. bei Hesych s. v. fctxopec] izdaaakoi Iv j^ufidit 
„die Halter" also. SaTucpcb hk tov ACa. Aeu)v{57]c t6v xpox6cpavTOv und 
s. V. AapEioc] bizb üepauiv 6 cpp<Svifit.oc, uic6 hi <I>pu']f«t>v fxTcop, d. L 
Schützer. 

*) Hesiod Fr. 165 Rz. 

3) Etwas Zauberei hat auch P. in Korinth, der Mutterstätte der 



— 71 — 

wissen, dessen Sternbild am Himmel leuchtet Ich will 
die Fälle nicht mehren. Nach allem muß Palaemon, 
wo immer der Name auftritt, durchaus nicht den 
isthmischen Gott meinen. Der isthmische Palaemon 
aber ist gütiger Meeresgott, ein auf einem Delphin 
reitender Meeresengel und „Ringer" zugleich, weil 
jeder gütige Meeresgott die bösen Meeresdämpnen 
niederringt Palaemon ist Gattungsname. Wie sich 
aus den Asuxo&sai die eine Leukothea, wie sich aus den 
Ksvraupoi 2iXt]vo( 'Eptvoec, sogar den 'Ap-dfiiSsc der eine 
Kentaur und Silen, die eine Erinys (als Demeter Erinys) 
und die eine Artemis, so mag sich an verschiedenen 
Orten aus den IlaXatjiovsc der eine IlaXaijMüv ausgelöst 
haben, der also an sich nicht notwendig stets der 
isthmische zu sein braucht, es für uns gewöhnlich wol 
dennoch ist 

Der „Meeresengel" gehört zu dem alten Bestände 
der griechischen Religionsvorstellungen. Manchmal 
hegt er schlafend auf dem Fisch :^) kann die VT^vejjio? 
•]faXi^v7;, kann der dvsfioxotriQc Tcaüaavejios e68av£jioc, der xoijiwv 
xeXaivoGi xüfiaxoc mxpiv pivoc (Aeschylus „Eumeniden" 
V. 832) sinnfälliger überhaupt dargestellt werden ? Ge- 
wöhnlich ist Palaemon Ephebe oder fast Ephebe, 
Säugling wol nur, wo die Inolegende eingewirkt hat 
Der Ephebe erinnert an die schönen Odysseeverse, wo 
der Götterbote dem irrenden Helden entgegentritt 
„einem jungen Manne gleichend, dem der erste Bart 



Zauberei auf dem Festlande, wie es scheint, früh erhalten, sicher auf 
der ja korinthischen Aspis des sog. Hesiod. Das ist ihm verblieben. 
Ich meine die &ihoi xuv^ (die unsichtbar machende Kappe). Dem 
„Rittersmann'' (Aspis V. 216) steht das eigentlich doch schlecht 
') Vgl. die Münztafel in Useners „Sintflutsagen." 



— 72 — 

flaumt, dessen Jugend die lieblichste ist". Wie freut 
sich dieser Dichter an der blühenden Jugend 1 

Neben diesen Typus treten mehrere Nebenformen. 
Ein Mann als Delphinreiter — man nannte ihn „Koi- 
ranos", Herr — begegnet in den Gewässern von Parus ; 
und wenn sonst der Ephebe auch meistens beibehalten 
wird, so pflegt er an verschiedenen Orten noch Flügel 
oder das sehr bezeichnende Attribut der Leier zu er- 
halten oder beides. Die Leier gehört ganz in den 
Ideenkreis dieser schön empfundenen Göttergestalt 
Das Instrument, dessen Wundertöne die Tiere be- 
zaubern und die Steine bewegen, beruhigt (oder hat 
beruhigt) die Wut des Meeres. Auf Apollo weist im 
besonderen nichts, soviel ich sehe; die Leier als eine 
Art Zauber- und Besänftigungsmittel, wie alle Musik 
und alle Rede, eignet auch dem Orpheus und 
dem Hermes, der auch Xi^ioc ist; von ihm hat sie 
Amphion, der Erbauer Thebens, empfangen. Die Meeres- 
wesen stellen sich am natürlichsten in den Meeres- 
tieren dar: und diese lieben die Musik, lassen sich 
durch Töne bezaubern. Daher die Sagen und Novellen 
vom Delphinreiter. Der durch Musik beruhigte Meeres- 
dämon findet in dem den Leierspieler tragenden Fisch 
plastischen Ausdruck: auf Arion ist das Motiv aus 
diesem Kreise erst übertragen und Anlaß zu der 
schönen Novelle geworden. Sodann die Flügel. Daß 
die Flügelknaben in der griechischen Kunst plastischer 
Ausdruck des im Menschen sich regenden Verlangens 
nach Frieden und Glück und Ruhe sind, ist in den 
„Tagesgöttern" ausgeführt (S. 91 ff.). Der geflügelte 
Delphinreiter ist wie der ungeflügelte die ersehnte 
roXT^vTf], oder vielleicht genauer der die Meeresruhe 



— 73 — 

hinaufführende Gott; wir dürfen ihn den Meeresengel 
der Antike nennen. Der Liebesgott als solcher ist 
ganz fernzuhalten. Über die hellenistische Zeit scheint 
von den vorhandenen Münzen keine hinauszuweisen, 
doch wird das Zufall sein. Es sieht gar nicht so aus, 
als wenn der göttliche, das Meer beruhigende Flügel- 
knabe eine erst späte Erscheinungsform des Volks- 
glaubens ist. Nun zurück nach Korinth. 



2. 

Unter den Bruchstücken altkorinthischer Vasen, 
welche das Berliner Antiquarium jüngst erworben, be- 
findet sich ein von E. Pernice^) in den „Antiken Denk- 
mälern" kurz beschriebenes schwarzfiguriges Fragment, 
das mit Erlaubnis der Redaktion des „Jahrbuchs des 
kaiserlich deutschen Instituts" hier wieder abgebildet 
wird. Wir sehen unten den Meeresgrund etwas sche- 
matisch und unwahrscheinlich hoch gezackt, darüber ein 
Seetier, einen Epheben auf dem Rücken, in gravitäti- 
scher Ruhe dahinschwimmend. Das Tier ist kein 
Delphin, erinnert vielmehr durch die Vorderflosse, die 
Schnauzhaare und die ganze Körperform an die Robben, 
ist aber ganz phantastisch weitergebildet und hat einen 
langen dürren Schwanz. Solche Phantasiebestien zeigen 
die altkorinthischen Gefäße auch sonst; auf einem dieser 
Vasenbilder reitet Poseidon selbst am Dreizack kennt- 
lich auf einem drachenartig geschuppten Ungetüm.*) 
Über der hinteren Hälfte des robbenhaften Seetieres 
sieht man einen Delphinkopf (der weitere Leib ist 
weggebrochen); zutraulich schwimmt der viel kleiner 



») II Taf. 39, 8 und „Jahrbuch des Instituts" 1897 S. 40. 
«) Ebenda I Taf. 7 No. 26. 



— 75 — 

gebildete Fisch dem Ketos nach. Der Reiter, dessen 
ephebenhafte Formen trotz des an den weiblichen 
Körper erinnernden Beckens nicht zu verkennen sind, 
ist bis oberhalb der Kniee mit einem kurzen eng- 
anschließenden Hemd von grauer Farbe bekleidet, 
einer Farbe, die auch die der Rückenseite des Ketos 
ist Die gewandfreie linke Hand ist nach dem Halse 
des Tieres hin ausgestreckt, die rechte fehlt auf dem 




Bruchstück, war also mindestens bis zur Schulterhöhe 
nach vorn erhoben : ganz so wie auf so vielen Bildern 
der Delphinreiter. Leider ist der Kopf des Epheben 
auf dem wichtigen Denkmal weggebrochen. Es 
leidet keinen Zweifel, daß wir diesen Reiter mit Recht 
als den isthmischen Falaemon bezeichnen dürfen. Ein 
zweites Tongefafibild gleicher Zeit und gleicher Her- 
kunft zeigt ganz offenbar denselben Meeresgott, epheben- 



- 76 - 

artig gebildet, aber diesmal als Delphinreiter. i) Zu 
ihm stimmen die andern bisher bekannten Denkmäler, 
wesentlich Kaisermünzen aus der Zeit der Laus lulia 
Corinthus, auch die Beschreibung des Pausanias. Ur- 
sprünglich also, muß man annehmen, handelte es sich 
wol gar nicht gerade um den Delphin, sondern allge- 
mein um irgend ein größeres Seewesen als Reittier 
des Gottes. Erst der poetischen Legende, vielleicht 
auch der Einwirkung von Delphi, scheint der Delphin 
hier die Vorherrschaft zu verdanken. Denn die Delphin- 
epiphanie hat auch die delphische Apolloreligion über- 
nommen: der homerische Hymnus läßt das Priester- 
schifF von Knossus nach Krisa durch den Delphin ge- 
leitet werden. Aber sie hat die Epiphanie nicht ge- 
schaffen. Diese ist allgemein ionisch.*) 



I) Antike Denkmäler II Taf. 24 No. 29. 

*) Auch Phalanthus dürfte ursprünglich nicht gerade immer den 
Delphin geritten haben, da der Name (nach der Analogie von 
M^XovOoc {jL^Xac fjL^aiva) mit «pdSXaiva „Wal" zusammenhängen wird. 
Anders Studniczka „Kyrene" S. 183. 



3- 

Der Gott, der Melikertes heißt, stellt den Erdsegen 
dar. Palaenion ist der meerberuhigende Dämon, die 
Genossin der Nereiden, seine Mutter, ein weibliches 
Gegenbild zu seiner Funktion. Ob die beiden in der 
Legende verbundenen Kultnamen demselben Wesen 
ursprünglich zugehört haben? Das ist zu prüfen. 

Auf dem Isthmus hatte Palaemon — diesen Namen 
bieten hier Pausanias und eine Inschrift aus der Kaiser- 
zeit — zwei Tempel. Pausanias berichtet so: 

Innerhalb einer Umfassungsmauer ist zur Linken 
der Tempel des Palaemon, in ihm sind die Kult- 
bilder des Poseidon, der Leukothea und des Palaemon 
selber, ihres Sohnes. Es gibt dort aber auch noch 
einen anderen Tempel, das sog. Adytum. Eine 
Treppe führt in einen Unterraum; dort ist, sagt 
man, Palaemon „geborgen". Wenn hier einer von 
den Korinthern oder ein Fremder einen Falscheid 
geschworen hat, so gibt es für ihn kein Mittel vom 
Eide loszukommen.^) 



') Tou TiepißdXou hi ^axtv Ivt6c IlaXa^fjiovoc ^v dpiaxepat vadc, dyc^- 
[xaxa hl £v a^xuji IloaeiSüiv xal Aeuxo&ia xal «6x6; 6 üaXaffJKüv. faxi 
hl xal dfAXo{^, *A8uxov xaXo^fxevov, xöi&o8oc hl U «6x6 ÖTctJ^eo);, fv^ 
0^ xov riaXa({jLOva xexp6?p&ai cpaa{v. 8c 8' 5v £vxau9a t] KopivO^wv tJ S^voc 
iizlop-Aa 6fji(5a7]i, o68efJL{a h'zh o\ fjiTj^av^ SiacpuyeTv xou 5pxov) II 2, i. 



- 78 - 

Die Worte sichern zunächst einen dem Poseidon 
der Leukothea und dem Palaemon gemeinsamen Tempel- 
dienst. Es ist die Trias der isthmischen Meeresgötter. 
Noch ein späterer Zeuge, der aegyp tische Nonnus, deutet 
diese selbe Trias an; er spricht ausdrücklich allerdings 
nur von Poseidon und dem göttlichen Knaben als 
Altargenossen, und bezeichnet wiederholt als die Funk- 
tion der göttlichen Mutter mit dem Sohne die Beruhi- 
gung der tobenden See. Ihm ist der Knabe ^oXr^vaio? 
und die Mutter gradezu xpaTsoücra x^'^i^ xX>ji8a ^oXi^vr^c'), 



Nero richtete seine isthmischen Lieder zugleich an Amphitrite, Po- 
seidon, Leukothea und Melikertes (Lukian Nero 3). 

Der Schwur auf dem Isthmus begegnet noch einmal, aber das 

Monument ist ein anderes. Nicht das Adytum oder Enhagisterium des 
Delphinreiters, sondern ,,das Grab des Delphins" wird in dieser 

Funktion von dem sog. Hygin (Fab. 194 = Schol. Strozzianum des 
Germanikus bei Robert „Erat" p. 212 sq.) genannt. 

') Nach dem Vorbild wol des Aeschylus, bei welchem Athena 
die Schlüssel zur Blitzkammer des Zeus besitzt „Eumeniden" V. 827. — 
Hermes bringt der Ino, die eben den Melikertes geboren, IX V. 60 ff. 
den Bakchusknaben und verheißt ihr, sie werde sein V. 79 ff, 

oixov dtfjieißofjL^vr) floaiSVjtov, zbakiT] li 
(1)5 0^71? (ü? Takd'zttoi cpaT{Ce«i uSptdc 'Ivw. 
ov) yßo^iioi xEVEüivi xaTaxp6<{^et (Sl Ki&atpcbv, 
ötXXd au NrjpeiSoüv [ila ^{veai. dtvrl hl KdSpioo 
ihzlhi Xü)iTip7)i xaXicTji? NTjp^a Toxr^a, 
TcaiSl xeüii Cwouaa auv dOavdTwt MeXix^pxrjt 
Aeuxo^ir), xpaT^ouaa ^ut^; xXtjTS« ^äXt^vt}« 
euTiXotr); [xe5iouaa [xet AtoXov e6§i($ü)v l£ 
aol Trteuvoc 7:Xe6aeie cpiX^pntopoc eiv dXl vatixT]« 
ßüifxov ha an^aa? 'Evoaf^rOovt %a\ MeXix^pTTjt, 
j^iCwv dfjLcpoTipoiat. OaXaaaaioto hl 8{cppou 

XL VII 359 tXaoc . . . YGtXrjvaio? MeXtxlpxT];. 



— 79 — 

ganz wie der Odysseedichter Ino-Leukothea dem 
Odysseus im Sturme hatte helfen lassen. Diese Ge- 
stalt lebt ähnlich fort und wird leben. „Der Jungfrau 
Maria, Stern des Meeres, brachten sie aus tiefstem 
Herzensgrunde ihre brünstigen Gebete dar" heißt es in 
Pierre Lotis „Islandfischern". Dabei fallt für Nonnus 
ins Gewicht, daß auch in Aegypten der Kult der Leuko- 
thea und ihres Sohnes bezeugt wird.') Auf einer In- 
schrift aus der Kaiserzeit heißt derselbe Tempel „Pa- 
laemonium". Das ist, wie Pausanias es auflöst, nichts 
als Tempel des Palaemon, in Wirklichkeit hier wol 
aber mehr. Er birgt die Kultbilder des Poseidon, der 
Leukothea und des Palaemon. Es sind, wie gesagt, 
die Seegötter vom Isthmus ; auch Palaemon ist Seegott: 
Euripides spricht von einem Gebet an Palaemon, „den 
Herrn der See", (S. 103). Der Wortlaut fallt insofern 
auf, als Palaemon, nicht Melikertes, Name des Meeres- 
gottes ist, wenn Nonnus und andre auch ungenau die 
Namen vermischen oder vertauschen. 

Späte Münzen von Korinth stellen einen Rundbau 
mit Kuppeldach und einer offenen ionischen Halle dar, 
durch welche im Innern ein Knabe auf einem Delphin 
liegend — also wol schlafend — zu sehen ist.*) Das 
ist das Palaemonium, der Gott Gebieter des Meeres, 



X 123 f. Ino springt ins Meer, Iv&ev dpi^yei 

vauxau TrXaCofA^voiai, xal fTrXeTO Ttovriac 'Iv(i) 
NTjpets dcpXofaßoto xußepvi^Teipa yoXVjvtjc. 

I) Unten S. 96 ff. 

*) E. Curtius ,,Peloponnesos" II S. 541. Usener a. a. O. Münz- 
tafel. „Wochenschrift für klass. Philol." 1901 S. 990 f. Svoronos 
„Revue internationale d'arch. num." 1901 (über die Tholos von Epi- 
daurus). 



_ 8o — 

sein „Herr", wie Euripides ihn nennen läßt und die 
parische Abart des Delphinreiters Koipavo? „Herr** 
gradezu bestätigt. 

Daneben nennt Tansanias ein sog. Adytum für 
Palaemon, ihn allein — dieselbe Inschrift spricht 
vom Enhagisterium, was etwa das gleiche bedeutet — , 
in welches ein unterirdischer Zugang an eine Stelle 
fiihrte, wo man sich Palaemon „verborgen" dachte; er 
hatte dort unten sein [li^apov, dvaxxopov, wie man be- 
sonders von den heiligen Räumen chthonischer Götter 
zu sagen pflegte. Diesen Bau als Untergeschoß des 
erstgenannten Palaemoniums aufzufassen scheint der 
Wortlaut des Zeugen zu verbieten; alte Kultstätten — 
ich erinnere an die Kuppelgräber — haben unter- 
irdische Zugänge. 

Göttliche Wesen, entrückte und geborgene, kennen 
wir genügend. Allen gemeinsam ist im Glauben ihrer 
Verehrer die Kraft, Segen und Unsegen aus der Erde 
emporzusenden. Leicht sondern sie sich in zwei 
Gruppen, in echte Lokalgötter, die an der gleichen 
Stelle haften und nur ausnahmsweise übertragbar sind, 
und in Götter von umfänglicherem Machtbereich, 
deren Erscheinen und Wirken nicht eingeschränkt und 
nicht gebunden ist. Meeresgötter verweilen, natürlich 
genug, in Höhlen — so Oceanus in Aeschylus' „Pro- 
metheus" V. 301, Thetis an der Sepiasküste, Koiranos 
(S. 79) — das ist ungefähr dasselbe. Diese Höhlen 
sind dann ihre „Krypten''. Das isthmische Adytum 
war aber zugleich Schwurstelle. Das weist nicht grade 
auf einen Seegott als Inhaber der Stätte, da Seegötter 
das weite Meer durchziehen, nicht am Boden haften; 
soviel ich weiß, werden Seegötter nur mit andersartigen 



— 8i — 

Gottwesen vereinigt bei den Griechen als Eidgötter an- 
gerufen. 

Unter den Eidgöttern der Griechen lassen sich 
Gruppen unterscheiden. Als die sogenannten olym- 
pischen Gottheiten die Vorherrschaft im Götterstaate 
gewannen, schwur man bei ihnen wol vorwiegend. 
Zeus selbst ist^'Opxtoc. Daneben hielt sich die Anrufung 
des ''Opxioc; er ist isoliert auf einem Inschriftstein in 
Thera neben manchen sehr alten Religionsformen 
hervorgekommen. Drittens sind zu Schwurgöttern die 
am Boden haftenden chthonischen Wesen erhoben, 
ebenfalls in sehr alter Zeit. Schwurgott war der Lokal- 
gott der Eleer Sosipolis, in einem Adytum neben der 
Ge-Eileithyia von Olympia verehrt.^) „Wer von den 
Korinthern oder welcher Fremde im Adytum des Gottes 
einen Meineid schwört, findet keine Möglichkeit vom 
Eide loszukommen." Der angerufene Gott, der dort 
in der Erdtiefe wohnt, wird ihn erbarmungslos zur 
Strafe ziehen. Der isthmische Gott war alter Schwur- 
gott. Ein Fremder und gar ein Semite ist er schon aus 
diesem Grunde nie und nimmer gewesen. Und wollte 
man das Widernatürliche annehmen und zum heiligen 
Eidgott der Korinther einen Fremdling nur durch einen 
Gewaltakt machen: es ginge aus einem andern Grunde 

') Pausanias (VI 20) sagt vom Adytum des eleischen Lokal- 
gottes: ii «6x6 2ao8o5 o6x laxiv irX^v tt^i Oepa7teuouar)t tov Oerfv, ItzX t^v 
xecpoX^v %a\ t6 TrpeJawTiov ^cpeiXxuafjiivTji 5?pos Xeuxdv. irapOivoi 8^ ^v twi 
T^C EiXeiBufac uTtofj-ivouaai xal YuvaTxec 5{jlvov aiBouaiv. xa&ayKoy^t 8^ 
xal OufJiic^fjLaTa TtavToia «Otäi, ^7tta7riv8etv <8') 06 vofjifCouatv olvov. xat 
^pxoc Trapd Tü)i 2üiai7r(5Xi8t iizl [Ufiazoii xadiaxTjxev. Übrigens heißt 
Sosipolis nicht eigentlich „stadterhaltend", sondern „Stadterhaltung", 
„Stadtheil", das beweist z.B.Aop47roXic „Stadtspeer" (Name eines Delphiers 
„Bull, de corr. hell." 1898 p. 13). 

Maass, Griechen u. Semiten. O 



— 82 — 

dennoch nicht. Die Hellenen haben verächtlich von 
den phoenizischen Händlern gedacht: über die „fides 
punica" führen nicht erst die Römer Klage. Gewinn- 
gierig, betrügerisch und ehrlos schildert sie schon der 
Dichter des XV. Gesanges der Ilias. Und so geht es 
fort durch die Litteratur: OoivtxsXixxr^v xa\ Xo-^tov dXaCova 
schilt die Komoedie.^) Es befremdet, daß in unsern 
Handbüchern, auch in den von Lipsius neu bearbeiteten 
„Altertümern" Schoemanns (11 S. 72. 278) der ^offenbare 
Semite Melikertes-Melkart', Herrgott der als eidbrüchig 
verschrienen Phoenizier, immer noch als höchster Eid- 
gott auf dem Isthmus von Korinth belassen wird, obwol 
dergleichen in Hellas niemals vorgekommen ist und gar 
nicht hätte vorkommen können, sowenig wie irgendwo 
auf Erden. Den Griechen wird das Widersinnigste zu- 
gemutet ohne jeden Skrupel. Von den lokal nicht be- 
schränkten Erd- und Schwurgöttern sind die Erinyen*) 
und die Praxidikai die bekanntesten.3) In Pheneus 
wurde Demeter mit altertümlichem Ritus in einem 
Adytum, das man „Felsenhaus" hieß, in einem Heilig- 
tum also, verehrt.4) Beim Feste schlug ihr Priester die 
Teilnehmer mit einem Zweigbündel; es ist der Schlag 
mit der Fruchtbarkeit wirkenden Lebensrute, welche 
aus den Resten des deutschen Heidentums Mannhardt 
so schön erläutert hat. Auch die der Göttin aufge- 



') Hesych s. v. 

*) Phaethon läßt seine Mutter schwören (Ovid „Metam." I 763 ff.) 
,,perque suum Meropisque caput taedasque soronim Traderet, oravit, 
veri sibi signa parentis." Nach Haupt sollen das die Hochzeitsfackeln 
der Heliaden sein. Es sind die Fackeln der Erinyen. 

3) Paus. IX 33, 3. 

4) Paus. VIII 15, 3. 



- 83 - 

führten Tänze finden in den ländlichen Bräuchen, die 
Mannhardt behandelt, ihresgleichen. Das Bild der 
Göttin war in Form einer Maske hoch über ihrem 
Felsengemach in Pheneus zu sehn; das erinnert an 
die Demeter iTroixiSta in Korinth,') deren Bild oflFenbar 
außen oben auf dem Tempelhaus irgendwie angebracht 
war. Ich habe die Sitte in den „Tagesgöttern" (S. 97flF.) 
behandelt. Von der pheneatischen Demeter bemerkt 
Pausanias: „ich weiß, daß die Pheneaten zumeist die 
wichtigsten Eide im Felsengemach schwören". Wie diese 
Schwurgöttin nicht nur lokale, sondern allgemein chthoni- 
sche Bedeutung hat, so Artemis Soteira im achaeischen 
Pellene.*) Sie besitzt ein Allerheiligstes, das allen außer 
den Priestern unzugänglich ist; „dieser Göttin schwören 
die Pellenäer die schwersten Schwüre". Diese Beispiele 
bestätigen den chthonischen Charakter des isthmischen 
Adytuminhabers. Man ging zu ihm hinein, um bei dem 
in der Erde hausenden Gotte selbst den Eid abzulegen. 



') Hesych s. v. 

*) Paus. VII 27, 3. In der Münchener „Allg. Zeit" 4. Nov. 1900 
liest man von einem Basutohäuptling: „Moschesch gilt als Schutz- 
geist der Basuto. Sein Grab ist heilig. Nach dem Volksglauben 
wohnt seine Seele auf dem hohen ,Götterberge' Thabo Boschigo — 
dem jGipfel des Lichtes* — dessen schneebedeckte Spitze man vom 
Königskraal zu Masern sehen kann und er wacht mit dem grofien 
Gotte über das Wohl seines Landes. Bei Moschesch schwört der 
Basuto und dieser Schwur gilt auch im Oranje-Staat vor Gericht als 
gesetzmäßig erlaubt." Nach Schol. Pind. „Isthm." p. 515 B. brachten 
Donakinus und Amphimachus Melikertes* Leiche „von der Binsenstelle" 
(dnb T^c S^^oivouvrfac) ans Land. Amphimachus ist natürlich „Kriegs- 
mann", Aovaxivoc „Angler"; denn Wva? ist xdXafxoc 6 dXieuxtxrfc. Auch 
Apollo hieß irgendwo Aovax^x?];, was in der Hesychglosse bei M. Schmidt 
so verdorben ist: Sovätxxav] t)]v 'A7cdXXu)va. Also Sovaxftr^v *Ait. 

6* 



- 84 - 

Sonst hören wir von nächtlichen Feiern an dieser 
Kultstätte auf dem Isthmus; schwarze Kleider trugen 
die Opfernden, das Opfertier war ein schwarzer Stier :') 
ein Sühnopfer also, den Gott zu sänftigen und zu ver- 
söhnen. Dergleichen wurde nie auf dem Altar ver- 
brannt oder gegessen, sondern in der Grube geschlachtet 
und ungenutzt von Gott und Mensch vergraben. Galt 
dies Ritual dem Palaemon oder dem Melikertes? Da 
Palaemon auf Tenedus sogar Kinderopfer empfängt, 
können die isthmischen Stiere sehr wol ihm ge- 
schlachtet sein. Grade Meeres- und Windgötter werden 
gern durch blutige Opfer und traurig düstere Feiern 
gewonnen. Auch Leukothea in Velia zur Zeit des 
Philosophen Xenophanes.^) Das soll hier etwas näher 
ausgeführt werden. Doch werde ich mich wegen der 
korinthischen Analogien mehr an die Windgottheiten 
halten. Leukothea und Palaemon sind vi^vsjxot, YoXTjvaTot, 
geradezu die Person gewordene vt^vsjxo? yoXi^vtj selbst,3) 
wie Aphrodite EuTrXoia und die Nereiden. Von allen 
vier Wesen oder Gruppen von Wesen sagt Alexander 



I) Philostratus ,,Imag." II i6. Statius „Thebais" VI lo — 14 
sagt in einer Aufzählung der vier internationalen Feststätten nach Er- 
wähnung der olympischen und pythischen Spiele: 

Mox circum tristes servata Palaemonis aras 
nigra superstitio, quotiens animosa resumit 
Leucothee gemitus et amica ad litora festa 
tempestate venit: planctu conclamat uterque 
Isthmos, Echioniae responsant fiebile Thebae. 

*) Wide S. 230 f., wo aber das Material nicht gut geordnet ist, 
da zwischen Leukothea und Ino nicht geschieden wird. Auch ist die 
an Paus. III 21, 2 für Ino geknüpfte Kombination verfehlt. 

3) Aeschylus „Ag." V. 740. 



- 8s - 

von Myndus^) „die halkyonischen Vögel seien von den 
Nereiden und Leukothea, Palaemon und Aphrodite gern 
gesehen". Wenn die Halkyonen brüten, ist das Meer 
still, lautet die antike SchifFerregel. Aphrodite und 
Palaemon allein aus dieser Gruppe vereinigt der Sonder- 
kult der athenischen lobakchen mit andern Göttern in 
der Kaiserzeit.*) 



') Schol. Theokr. VII 57 ^AXxuwv ^oyd-ngp (x^v AWXou %a\ Ka- 
vtt)ßr)c, f\)'^^ hi KVjuxo;. § 'AXifavSpo? hi cpTjaiv 6 M6v8ioc, 5ti «Stt] 
decBv Xikrf^s. NTjp^iSag (NTjpTjföwv die Hdss.) Aeuxo^^av IlaXa^piova 
'AcppoS^TTjv. Im Text steht nur: „die Halkyonen sind den Nereiden 
lieb vor allen Seevögeln"; es handelt sich dort um eine Fahrt von 
Kos nach Lesbus vorbei an der ionischen Küste. In einem zweiten 
Scholion heißt es, Theokrit rechne zu den Nereiden Leukothea Palae- 
mon Aphrodite (Kiyzi hk. (xal aäd,} AeuxoOiav DoXa^piova *Acppo8{T7]v). 
Das ist aus der falschen Lesart NTjpVjiSüiv des ersten Scholions heraus- 
gesponnen. Alexander von Myndus wird die Verhältnisse seiner 
Heimat vor allem berücksichtigt haben. Vgl. unten Kap. VI über 
Apulejus. Die Verbindung bei den lobakchen IlaXaffJLüJV 'AcppoSfxT] geht 
auf ionische Seegottheiten. 

•) Orpheus Kap. 11. 



4. 

In Korinth gab es ein Geschlecht oder eine Ge- 
nossenschaft von „Windstillern" ('AvsixoxoTxai),') ebenso 
in Athen die EüSavsjxot;^) und wenn Theseus auf dem 
Isthmus den „Fichtenbeuger" und bei den skeironischen 
Felsen den Skeiron, ihren Eponymen, bewältigt, so sehen 
diese Unholde mehr nach Sturmdämonen als nach etwas 
anderm aus. Skeiron ist zugleich Lokalname auch für 
den von jenen Felsen blasenden Wind. Der „freund- 
liche Heilgott" (Eüajxspuüv) von Titane, einer Stadt, die 
einen hervorragenden Windekult „mit den Zaubersprüchen 
der Medea" hatte,3) ist in dieser Funktion eben Winde- 



») Hesych s. v. 'AvefjioxoTTat o\ dvifjLooc xoifjifCovTec. y^voc hl toi- 
oOxdv cpaaiv uTtdp^etv h Kopfvdwi. ToepfFer a. a. O. Bei Paus. II «i, 8 
ist für T:oi[xaiviaiv (von den Nereiden) wol xoifJLav^fxiatv zu schreiben. 

») Hesych s. v. Ev)8fl^vefjL05. ToepfFer „Att. Geneal." S. iio ff. 
Hygin „Fab." 170 im Danaidenkatalog ,,£rate Eudemonem". Ist das 
„Erato Heudanemum", die Kamene und der die Winde magisch durch 
„carmina" stillende Daemon? 

3) Paus. II 12, I. ßu)fjL($; ^axiv *Av^fjL(i)v, ^cp o5 xolc 'Av^fxoic 6 
lepeuc fxtät vuxxl dvd ttSv Itoc Ouei. hpäi hi xa\ aXXa dirdppTjTa de ß^ 
Opou; T^aaapac i^fxepoufjievoc twv 7n>eüfjLciT(i)v t6 ^piov, xal 8^ xal Mt)- 
8efa;, (b; X^youaiv, ^ttwiS«; indihti. Ein Altar der Winde stand auf 
dem Markte in Koroneia. Aeneis III 120 schlachtet Aeneas „nigram 



- 87 - 

bändigen Maleatas „der von Malea'' kommt in der 
attischen Sage vor; es ist der Gott des gefürchteten 
Kaps. Im Piraeeus hatte er seinen Kult neben Apollo. 
Apollo von Malea, jetzt durch Isylls Gedichte für Epi- 
daurus belegt, wird als rettender Gott desselben Malea 
angebetet worden sein; auch in der Kynuria und in 
Lakonien besaß er Kulte.') Die Windstille zu beseitigen, 
die Windgötter aus ihren Erdlöchern herauszulocken, 
opfern die Griechen Iphigenie, nach den Kyprien der 
Artemis. Noch Vergil weiß, daß das Menschenopfer den 
Winden galt:^^) sie haben alle recht; das Verhältnis 
ist in Aulis dasselbe, wie zwischen den Winden und 
Athena ( Avs\i.wzi<;) in Mothone.3) Poseidon *AacpaX£io^,4) 
Juppiter optimus maximus tempestatium divinarum 
potens oder lOM auctor bonarum tempestatium o. ä. 
sind auch nicht verschieden.5) Endlich Athena. Sie 
verfügt über die Winde. Sie ist „die den Winden ge- 
bietende Göttin" ('Avsixwtk;) im messenischen Mothone^) 
und in den Phaeakenliedern der Odyssee.7) Diese, in 

Hiemi pecudem, Zephyris felicibus albam". V 772 erhalten die Tempe- 
states ein weibliches Lamm. Die Stelle hat mit Ilias III 120 nichts 
zu tun, wie Stengel im „Herm." XVI S. 350 will. 

') Das Material bei Wilamowitz „Isyll" S. 100. Maleatas als 
Vater der lakonischen Erigone ist auch „der von Malea". 

*) II 116 „sanguine placastis Ventos et virgine caesa". 

3) Anm. 6. 

4) Bei Appian V 98 opfert Augustus 'Av^fjiotc e^Sfoic xal 'Acrcpa- 
Xe{ü)t IloaeiSüJvi xal dxufxovt OaXotaar)!. Damit vergleichen sich die drei 
antiatischen Altäre an die „Venti, Neptunus und Tranquillitas" : dieselbe 
Verbindung wie in Korinth (Paus. II i); oben S. 78. 

5) CIL X 2609 und sonst. Tempestas hat in Rom einen Tempel 
bei der Porta Kapena: Ovid „Fast." VI 193 f. 

6) Paus. IV 35, 8. 

7) V 382 ff. 



— 88 — 

manchem eine Art Paralleldichtung zur Episode von 
Kalypso und Ino-Leukothea, kennen auch die zürnende, 
Sturm sendende Athena, wie die Nosten. Die lonier 
haben sie verehrt; in ihrer Religion steht mitten inne 
wie selbstverständlich der Dichter der Phaeakenlieder. 
Ebenso werden anderswo Artemis und ebenso Apollo, 
dieser z. B. noch in der Argonautensage auf Anaphe, 
als Winde stillende oder sendende Götter aufgefaßt 

Die Menschenopfer an die Winde oder die sie 
stillenden Götter der Griechen haben den Neueren von 
jeher mißfallen; die Griechen sollen auch sie von den 
Phoeniziern entlehnt haben.^) Es ist das ewig neue 
Vorurteil, daß die natürlichsten Empfindungen religiöser 
Menschen zwar anderswo ursprünglich, aber bei den 
Hellenen semitische Entlehnung sein müssen. Die 
Frage ist in Kürze zu prüfen. Die Delphier errichten 
bei sich auf einen Orakelspruch hin den Winden einen 
Altar, als Xerxes gegen Griechenland zieht:*) „so kommt 
es, daß die Delphier noch zu Herodots Zeit die Winde 
durch näher nicht bezeichnete Riten versöhnten". In 
Delphi bestand also seit dem Perserzug eine Religion 
„der Winde", erst seitdem. Für andre Gegenden beweist 
Delphi nichts. Athen besitzt seit derselben Zeit am 
Ilissus einen Tempel des Boreas.3) Sehr wol können 
vereinzelte Windgottheiten, wie Boreas in Athen, in 
Delphi schon vor den Perserkriegen Verehrung genossen 
haben; Herodot spricht von dem delphischen All- 
gemeinkult „der Winde". Der Tempel des Boreas 
stammt aus jener auch in religiöser Hinsicht großen 

Stengel „Hermes" XVI S. 346 ff. 
») Herodot VII 178 f. 
3) Herodot VII 189. 



- 89 - 

und reichen Zeit Athens. Herodot fügt hinzu: „Boreas 
war schon früher Bunddfegenosse der Athener gewesen". 
Warum die Möglichkeit leugnen, daß der Räuber der 
attischen Oreithyia schon vordem seinen Altar am Ilissus 
besessen hat? Aber eben nur einen Altar. Ohne Zweifel 
werden auch die Perser Windopfer gekannt haben. Wenn 
aber „dem Winde der Thetis und den Nereiden" während 
eines Sturmes von ihnen geopfert wird,') so war das Opfer 
an Thetis und an die Nereiden jedenfalls ein griechisches; 
diese Wesen sind ja Winde besänftigend. Windopfer 
und Nereidenopfer gehören innerlich zusammen. Soll 
man annehmen, daß zwar das Opfer an den Sturmgott 
ein persisches, das an die ihn sänftigenden Nereiden 
ein griechisches war.^ Es mag da jedem unbenommen 
bleiben, zu wählen, was er will; man sollte nur nichts 
an sich Unhellenisches in dem Sühnopfer an den Sturm- 
wind erblicken. „Bringt ein schwarzes Lamm: ein 
Sturm will ausgehen" (xücpo)^ Y°^p Ixßaivsiv TrapacjxsüaCsxat).^) 
Das sollte genügen: das schwarze Sühnopfer an den 
Sturmwind ist altattische Sitte; xücptoc ist Sturm, 
Tücpaovtov Windloch. Es verdrießt unter Verweis auf 
Movers „Phönizier" I S. 524 ff. sich sagen zu lassen: 
„daß bei Aristophanes phoenizischer Einfluß vorliegt, 
bedarf keines Beweises". Hypothesen, die in sich un- 
wahrscheinlich sind, bedürfen recht sehr eines Beweises. 
Der Athener Xenophon kannte den Boreaskult aus 
seiner Heimat; läßt er ihm auf seinem Rückzuge im 



I) VII 191 iiikipoLi YÄp i)(tl[i.aZt xpeTc TiXoi hl Ivzoiid xe ttoi- 
euvrec twi 'AvifjKüt ol fi-ötyct, irpoc hi Toixotai xal t^i 0^ti xal T^iai 
NTjp^iat Ouovrec firauaav xxX. 

») Frösche V. 847. ßopeaa[xo( am Ilissus; Herodot VII 189. Ebenso 
in Megalopolis: Paus. VIII 36, 4. 



- 90 - 

fremden Lande „auf Rat eines der Seher im Heere ein 
blutiges Opfer darbringen", so liegt nicht der mindeste 
Anlaß vor, Ungriechisches zu vermuten, das an sich 
nicht undenkbar wäre. Also Phoenizisches begegnete 
bisher innerhalb der griechischen Religiosität den Wind- 
göttern gegenüber überhaupt nicht Den phoenizischen 
Einfluß soll aber die Art des Opfers beweisen. Menelaus 
schlachtet in der herodotischen Erzählung den Winden 
Menschen.^) Themistokles wird genötigt, vor Beginn 
der Seeschlacht gefangene Perser zu opfern.*) Man 
sollte meinen, aus allem diesen sei neu zu folgern, was 
wir hinlänglich auch sonst wissen, daß die Hellenen 
die grause Institution der Menschenopfer im Falle der 
Not gekannt haben. Allein es soll nicht sein. Pausa- 
nias,3) oder vielmehr der von ihm berichtete delphische 
Orakelspruch, nennt die Menschenopfer „eine fremd- 
artige Opferweise", Sophokles geradezu „barbarisch" 
(Fr. 122). Das sind sie der fortgeschrittenen griechischen 
Humanität gewesen, aber griechisch bleiben sie darum 
doch, wie grade der, welcher sie am schärfsten ver- 
urteilt hat, eben durch die Art seiner Absage unmittel- 
bar bezeugt.4) Es ist das Ritual der Griechen gewiß 
nicht in allem vorbildlich, soll und will es nicht sein. 
Unliebsame Sitten ohne genügenden Grund für Import 
zu erklären und auf irgendwelche Orientalen abzuladen 



II 119. 

*) Plutarch „Themist." 13 und „Aristides" 9. 

3) VII 19, 8. 

4) Pelopidas bei Plutarch 21. Stengel S. 347 hat ihn unrichtig 
eingeschätzt. Noch der Byzantiner Eustathius p. 298 Herch. bezeugt 
den Brauch, einen Menschen im Sturm zu opfern. Auch er ist falsch 
beurteilt. 



— 91 — 

ist ungerecht gegen beide Teile und unwissenschaftlich 
dazu. Die Menschenopfer hatten Tieropfer neben oder 
nach sich, je nachdem;^) solche meint wol Homer, 
wenn er seinen Achill dem Boreas und Zephyrus schöne 
Opfer versprechen läßt.*) 

Die chthonischen Gottheiten pflegen außer den 
blutigen Sühnopfern noch Spenden oder statt ihrer 
Opferkuchen zu erhalten. So nehmen in Titane die 
Windgötter, die aus Erdlöchern kommen und darum 
Giganten heißen,3) in vier Gruben nächtlicherweile 
geheime Opfer entgegen, „welche ihre Wildheit mildern 
sollen''; auch wurden Beschwörungsformeln, die angeb- 
lich von der großen Zauberin Medea stammten, der 
Heliustochter, und als aus Korinth bezogen galten, vom 
Priester dabei hergesagt (S. 87'^. Beachtenswert, daß 
Medeas Schwester Kirke auch in der Darstellung der 
Odyssee über die Winde verfügt :4) ein Zug, welcher 
von Kirke auf ihr Gegenstück Kalypso übergegangen 
ist. In Attika erhielten die Windgötter auf einem be- 
sonderen Altar einen Honigkuchen; ob daneben Sühn- 
opfer wie in Titane, wissen wir nicht mehr. Die 
Heudanemoi werden, wie ihre Lehrmeisterin Medea 
und Euamerion von Titane, über reiche und mannich- 
fache Beschwörungsmittel verfügt haben. 



') Stengel S. 347 f- 

*) II. XXIII 195. 

3) Aeschylus .,Ag." V. 692. 

4) txfjievov o&pov T:Xr)afaTiov (XII 149). 



5- 

Pausanias erwähnt noch einen abseits am Strande 
befindlichen Altar „des Melikertes". Er kann auch 
Palaemon meinen; der Legende folgend, glaubt er ja 
an die Gleichheit der beiden Gestalten. Tieferes, etwa 
die ursprüngliche Trennung der Kultpersonen, zu ver- 
muten sind wir nicht berechtigt. Genau die Altarstelle 
gibt Pausanias nicht an. Von Krommyon aus den 
Isthmus betretend spricht er zuerst von diesem Altar 
und der neben ihm einsam wachsenden Fichte, die 
auch sonst erwähnt wird.^) Soviel ist aus dem Wort- 
laut zu entnehmen, daß Altar und Fichte vom Palae- 
monium,^^) dem Sammelpunkt der isthmischen Fest- 



') Die koische Inschrift 58, 7 Paton tt^tuv i% 'la^jjLOto üaXa^fjLOvi 
TTUxvd XoXeuaav kann auf die einsame Strandfichte, aber auch auf den 
Fichtenhain des Isthmus gehn. 

*) CIG. I II 04 (:= CIG. Peloponnesi I 203) aus etwa hadriani- 
scher Zeit: 0eotc TiaTpfoic xal t^i Traxptöt. IldTiXioc Aixfvioc IloitXCou 
üföc AifxiXtei IlpEiaxoc lououevTiavds, dp^iepeuc 8id ßfou, xdc xorraXuaeic 
Totc dTio TT^s oixou(x^v7]c ^Til Toc 'laOfxia Tcapayeivofx^voic dOXT^xatc xax- 
eaxeuaaev. h aOxoc xal x6 riaXaip-dviov abv xotc TtpooxoajjLi^jjLaatv xal 
x6 'Eva*)fiaxT^ptov xal xrjv lepdv eiaoSov xal xouc xöiv TiaxpCcüv ^ewv ßu>fiouc 
(luv xöji TieptßdXwi xal Tcpovdwi, xal xouc IvxpiXTjpfouc oixouc xal tou 
HXfou xov vaov xal x6 Iv ai)xwi dyaXfxa xal x6v 7rep{ßoXov xdv xe TtepC- 
ßoXov XT]; Upa; vdrof]; xal xou; ^v aOx^i vaou; Ai^fxTjxpoc xal KdpT]c xal 



— 93 — 

Versammlung, etwas entfernt war. Sonst spricht von 
diesem Altar niemand, auch nicht Aristides in seiner 
isthmischen Poseidonrede. Aristides hat den Namen 
Melikertrfs nicht; der Gott vom Isthmus, dessen Eigen- 
schaft als Schwurgott er bestätigt, ist ihm „Palaemon".') 
Das kann Zufall sein, der Strandaltar kann, muß aber 
nicht notwendig dem Seegott zugewiesen werden. 
Wieder bleibt eine Hauptsache leider ganz ungewiß. 
Alt und ehrwürdig wird der Altar gewesen sein, wie 
die Altäre von Olympia, die uns E. Curtius verstehen 
gelehrt hat 

Melikertes und Palaemon auf dem Isthmus sind 
eigentlich zwei Götter: Palaemonium und wol auch 
der Strandaltar gehörten dem das ganze weite Meer 
durchziehenden Seegott Palaemon, das Adytum mit 
seiner Krypta dem an den Ort gebannten, Segen licr- 
vorsendenden Erdgott Melikertes, einem We»en, wie 
Melissus auf Keos, Trephonius in Lebadeia, u. a. m. 



xal Trpovaoi; ^t«üv {oiar/ h:fh{ivt xot z'/*^ 'tw?*i zffi VJjtrr^i vm zifi 
K((pTj; xal To lÜ.vjrz&fvtvj^ tliul z^ irf^^'iti/i 7m zi •^'nt^i^'^/izfi, dytäU' 
mauern) {«ro seWjiäv xal TfilaeJ/n^v^ ^AiJil:^*^n irxnrfA^yffiVt, i^rM 

») I p. 45 D, Da« zsifjnym.t BrwJj^tück 3y> ftct», ^fiM'^A^ 

Sterblichkeit meines, a]>er audb dij^u Wi iUsu f^^cUl^Ui^u M/tiftäci4; 
^t'jU'S^ai ist an iicli nidLit ac^wtftwdi^ ir////fAXf. KWiiiiwu.iM** ^/d^M 
ähnlich von den Kieum, 4k ibr«* Z^nw ^^^fs^jr^/^m ^ewi U^^ucü, widc 
die Legende den Paiaeart* r«;«üu Jt^iüuu«. />a* j^^f^i^^ wvj /amw 
Veiständnis. 01>fai S, 55, K <#<> dtir ;>A*UvJ/' Hvjf«** t4>tU/> ttU^ /*/.> 
die Worte ./^aod t<>«.uu< wrvcfit äuUt , j>«/üu y^h i^wpijf4^ *:)UteU HmU/' 
vers, wogegen lick^ hfJotsX y, i^ A^ 



— 94 — 

Diese Kultwesen haften am Boden, aber in der 
Legende wenigstens erreichen sie ihren Ort manchmal 
erst durch Wanderung. Aphaea, die Göttin von Aegina, 
gelangt von Kreta auf ihre Insel, flüchtig wie Ino, und 
verschwindet an der Stätte, wo nachmals ihr Tempel 
stand, im Erdboden. Auge wird von Tegea nebst 
Telephus an die mysische Küste verschlagen, Kyrene 
aus Thessalien nach Libyen. Es sind dies Ortsgötter, 
welche aus der alten Heimat auf dem Festlande in die 
neue überführt gedacht sind. 

Wem gehörten die isthmischen Spiele, bevor sie 
auf Poseidon übergingen, Palaemon oder Melikertes .»^ 
Um die Frage zu entscheiden, sind folgende Punkte 
zu erwägen. Erstens: Palaemon und Leukothea wurden 
mit Poseidon in demselben Tempel gemeinsam als 
Meerestrias verehrt. Es wird also, seitdem die Spiele 
dem Poseidon zugewiesen waren, an Ehren auch für 
Leukothea und Palaemon an jenen selben Spielen nicht 
gefehlt haben. Daraus scheint sich freilich sicheres noch 
nicht zu ergeben. Hinzukommt aber, daß die Spiele 
niemals Palaemonia, dagegen einmal „Melicertia" ge- 
nannt worden sind (S. 8o). Danach galten die isthmi- 
schen Spiele anfanglich wol dem Melikertes allein, später 
dem Poseidon nebst seinen Tempelinsassen Leukothea 
und Palaemon; Leukothea besaß auch in Milet einen 
Agon: Konon berichtet (33) von gymnischen Knaben- 
spielen, die ihr dort auf ihren Wunsch eingerichtet 
worden seien. ^) 



") Ed. Meyer behauptet II S. 147, Melikertes sei als solcher 
auch in Milet verehrt worden, mit Berufung auf Konon 33. Dort steht 
von ihm, auch von Ino nichts, sondern von Leukothea, die ihren Kult 



— 95 — 

Der Charakter der altisthmischen Festfeier des 
Melikertes würde sich leicht vorstellen lassen: es wird 
ein ländlich einfaches fröhliches Fest gewesen sein von 
patriarchalischem Zuschnitt. Erst als Palaemon, dann 
die Trias Poseidon Leukothea Palaemon, die isthmische 
Feier überkamen, wurde sie international -hellenisch. 
Oder soll man lieber sagen: erst als die Feier auf dem 
Isthmus international-hellenisch geworden war, schob 
sich die Meerestrias, vor allem der kleine Meeresengel, 
an die Stelle des lokalen Erdgottes ein.? Ob aber und 
wie weit und in welcher Weise Melikertes auch später 
noch beim isthmischen Feste beachtet worden ist, dies 
und anderes entzieht sich unserer Kenntnis. 



nebst Knabenagon durch den Ahnherrn des Branchidengeschlechts in 
Milet selbst veranlaßt. 



6. 

Wo Statius die Orakel des Ammon und des 
Branchus erwähnt, „der dem Vater an Ehre gleich ist", 
hat der Scholiast eine wesentlich aus der Periegese 
des Metrodorus — wol des Skepsiers aus dem I. Jahr- 
hundert V. Chr. — geschöpfte, sehr verdorbene wert- 
volle Anmerkung, in welcher er neben andern griechi- 
schen Kultfilialen in Aegypten den Melikertes erwähnt 
(Theb. III 479). Der Gedankengang des Erklärers ist 
dieser. Die isthmischen Spiele seien nicht Spiele zu 
Ehren des Melikertes und zur Sühne seines Todes ; er- 
funden seien die „Melicertia" als solche: dem Poseidon 
gehörten sie. Denn Melikertes sei nicht im Meere 
umgekommen, vielmehr vom Isthmus aus zu Schiff 
nach Aethiopien gelangt und vom Landeskönige mit 
Ehren empfangen worden. Danach lautete die Le- 
gende eines aegyptischen Melikerteskultes so. Nachdem 
der Knabe nach dem Isthmus — gleichviel wie — 
gekommen war und dort seinen Kult erhalten hatte, 
begab er sich zu dem Könige Aethiopiens^) und wurde 



») „Boeotien" ist von mir in „Aethiopien" geändert worden. 
Bei Philodem „A. P." V 131 ist ,,aethiopisch" in „oskisch" entstellt 
und zu schreiben Al^OTziri h' zl OXwpa für zl 8* 'Ottix^ xal (Oh 



— 97 — 

vom aethiopischen Könige aufgenommen; d. h. er er- 
hielt dort Verehrung. Nichts kann in diesem Falle 
sichrer sein als eine Art Sagenkontamination; die Her- 
leitung der irgendwo in Aegypten bestehenden Filiale 
des isthmischen Melikerteskultus mag legendarisch sein. 
Eine Spur aber ist in der aegyptischen Stadt Leukothea 
vorhanden.^) In ähnlich kontaminierter Sagenfassung 
springt Diktynna, von Minos verfolgt, bei Kreta ins 
Meer, wird von Fischern gerettet und empfangt den 
Beinamen Diktynna. Damit sollte diese Geschichte zu 
Ende sein.^^) Bei Antoninus aber besteigt das Mädchen 
nach diesem Vorfall ein Schiff, erlebt noch ein Liebes- 
abenteuer und verschwindet endlich auf Aegina an der 
Stätte ihres jetzt von Furtwängler wiedergefundenen 
Tempels (S. 63). 

Die Stiftungszeit der aegyptischen Melikertesfiliale 
ist nicht sicher zu ermitteln. Da aber die im Scholion 
vorher erwähnten drei „berühmten" Tempel Gründungen 
oder Erneuerungen des ersten Ptolemaeers sind, näm- 
lich ein Heliusheiligtum, das Ammonium und das 
Branchidenorakel bei Alexandrien,3) so wird man immer- 
hin gut tun, über + 300 v. Chr. nicht ohne Not hinaus-, 
aber auch nicht herabzugehn. 



Plinius „N. H." V 60 von Ritschi „Bonner Jahrb." XXXVII 
1864 S. 85 A. nicht verwertet. 

») Vgl. das Schol. zu Statius IX 632 p. 423 J. 
3) Jahreshefte des österr. Inst. 1902, Novemberheft. 



Maass, Griechen u. Semiten. 



IV. INO. 

I. 

Die älteste Erwähnung der Ino-Leukothea, Kadmus' 
Tochter, steht in dem Kalypsoliede der Odyssee; sein 
Verfasser war ein lonier. Wie die dort mitgeteilte 
Genealogie beweist, wird Inos Geschichte bereits als 
bekannt vorausgesetzt. Durch Pindar,i) durch den 
Athamas des Aeschylus, auch durch die andern Tragiker 
und die Alexandriner,^^) endlich durch die Kunstdenk- 



') Der den Pindar betreffende Rekonstruktionsversucli Bethes im 
„Genethliakon Gottingense" p. 32 scheint mir im einzelnen zu un- 
sicher, um verwertet werden zu können. 

*) Kallimachus Fr. 103 (Crusius in „Fleckeisens Jahrb." 1887 
S. 243 und im Tübinger Programm 1895 S. 15 ff. Den anonymen 
Vers im „Et. M." s. v. Buvr]] Buvr] 1^ Aeuxod^a ^ *Iv(&, ©rov *B6v7]c 
xaTaX^xxptai a^^rj^aarjc* beziehe ich auf Begleiterinnen der Ino [Ovid 
„Metam." IV 542 — 561] oder Priesterinnen. Vgl. Meineke „Anal, 
alex." p. 123 adn. Fr. an. 82 Sehn.). Kallimachus läßt Herakles bei 
der Stiftung der Nemeen an den „viel älteren" Melikertesagon erinnern 
und — das Geschichtliche eher umkehrend — sagen, daß der dort 
einst übliche Fichtenkranz dem aus den nemeischen Spielen entlehnten 
Eppich später gewichen sei. An die Verse des Kallimachus setzt 
Euphorien an, jener handelt von der Einsetzung der Nemeen, dieser 
von der Gründung der isthmischen Spiele zu Ehren des Melikeites 



— 99 — 

mäler ist sie auch uns vertraut: Ino, Weib des Athamas, 
wird wegen der von ihr übernommenen Pflege des 
seiner Mutter beraubten Dionysusknaben von Hera 
gehaßt und verfolgt Ihr Gemahl verfallt durch Hera 
in Wahnsinn und mordet seine beiden Kinder, während 
sich Ino ins Meer stürzt. Oder auch Ino wird von 
Wahnsinn ergriffen; sie ist es selbst, die den jüngeren 
ihrer Söhne, den Säugling Melikertes, tötet, mit dem 
Leichnam davoneilt und nördlich des Isthmus bei 
Megara von einer Klippe ins Meer springt Sie wird 
wie ihr Kind zur Göttlichkeit erhöht, zur Meeresgöttin 
Leukothea und als solche in Megara verehrt Melikertes 
wird auf dem Isthmus durch einen Delphin gelandet 
und auch seinerseits zu einem Gotte, eben Melikertes, 
erhoben. Ein Agon wird ihm gestiftet und der Sieger 
mit Bienenkraut bekränzt 

Die mitgeteilte Geschichte erfahrt in einigen Zügen 
und Einzelheiten wol noch leichte Abänderungen; ich 
lasse sie aber beiseite, da diese an sich kaum be- 
deutend und sonst nicht ergiebig sind. Auf Grund 
der Quellenuntersuchung ist wol zu sagen, daß unsere 
Berichte, die ja im wesentlichen eins sind, durch 
Zwischenglieder, wie Pindar die Tragödie und Euphorion, 
auf eine altepische Darstellung zurückgehn. Diese 
epische Fassung beruht zum Teil auf thebanischer 



Fr. 47. Dort legen irgendwelche Menschen den Leichnam des kleinen 
Melikertes bei der Strandfichte nieder: diese liefert die Siegerkränze, 
bis der Eppich von Nemea her eindrang. Wer sind diejenigen, die 
den Leichnam finden? Wer stiftet den Melikertesagon? Das Bruchstück 
schweigt Theseus Agonstifter auf dem Isthmus: Plutarch 25. Hygin 
„Fab.'* 273, der neben Theseus noch „Eratocles" (?) nennt. Oben 
S. 86. 



— 100 

Genealogie ; Ino gehört als Kadmustochter nach Theben, 
nicht so als Athamas' Weib. Es ist das nicht unwichtig, 
da Ino noch anderswo vorkommt Entstanden braucht 
das zu erschließende Epos nicht in Theben oder am 
Kopaissee zu sein (S. 107^, wenn auch der Thebaner 
Pindar in einem verlornen isthmischen Siegesgedicht eben 
die durch das Epos gegebene Genealogie vertrat. Jenes 
alte Gedicht war eben auch Pindars Quelle. Auch auf 
dem Isthmus war diese durch das Epos, die Tragödie, 
Pindar und die Alexandriner verbreitete Fassung der 
Genealogie und der Legende die allgemein aufge- 
nommene. Aristides hat sie in seiner Festrede zu Ehren 
des isthmischen Poseidon sogar bekämpft; so fest 
wurzelte sie an Ort und Stelle. Nicht aus Wahnsinn, 
sagt er, sondern aus Liebe zu Poseidon habe Leukothea 
sich mit Melikertes ins Meer gestürzt. Sie sei nicht 
Göttin erst geworden, sondern wie vorher geblieben. 
Den Melikertes habe Poseidon an Sohnes Statt an- 
genommen. Religion ist diese Travestie natürlich nie 
geworden. Wir können kaum anders als annehmen, 
daß auch die auf dem Isthmus geläufige Tempelsage 
so wie Pindar u. d. a. erzählte. Auf die Kultverhält- 
nisse aber hat sie dort in keiner Form umgestaltend 
eingewirkt; der Dichter macht eben Kulte nicht, wol 
aber bestimmt dichterische Behandlung manchmal die 
Wahl der Kulte mit. 

Der Zweck der Erzählung ist klar. Durch einen 
Einzelvorgang will sie erklären, wie die Kadmustochter 
Ino zu Leukothea, und wie ihr und des Athamas Sohn 
Melikertes zum isthmischen Seegott und zugleich zum 
isthmischen Festgott geworden ist. Die Sage unter- 
scheidet, wie so oft, deutlich die Individuen und die 



— lOI — 

Paare: Ino und Leukothea, Melikertes und Palaemon, 
die jedes zu einem dritten Wesen kontaminiert werden, 
etwa wie Apollo in Amyklae mit dem Lokalgotte 
Hyakinthus zu einem Apollo Hyakinthus verschmolzen 
ist, wie anderswo Zeus und Apollo mit Aristaeus zu 
einem Apollo Aristaeus und Zeus Aristaeus, wie Zeus 
und Amphiaraus, Zeus und Eubuleus zu Zeus Amphia- 
raus, Zeus Eubuleus. 

Die Sage bedient sich sowol bei Ino als bei ihrem 
Sohne des aus vielen ähnlichen Legenden wolbekannten 
Seesprungs. Ich darf hier an Dionysus erinnern, der 
durch dasselbe Motiv zum Meeresgott (er heißt grade- 
zu üsXaYto?),^) an Aegeus, der so zum Eponymen des 
aegaeischen Meeres,^) vielleicht auch an Mastusius 
erinnern, der so zum Eponymen der mastusischen See 
und des Kaps Mastusia auf dem Chersonnes, eigentlich 
des Chersonnes selbst, geworden sein soll,3) alle nach 
schmerzlichen Erlebnissen, auch hierin dem Melikertes 
gleich. 

In der Megaris springt Ino mit dem Knaben ins 
Meer; soweit läßt die Sage sie von Theben oder 



') Ich habe dafür Theopomps Zeugnis im „Hannes" 1887 S. 70 flf. 
hervorgezogen und weitere Spuren aufgezeigt. Dagegen ist aus einer 
vorgefaßten falschen Theorie heraus geeifert worden. Ich kann damit 
zufrieden sein; aber — wer mich nicht verstehen kann, der lerne 
besser lesen. 

*) Hygin „Fab." 242, Schol. Verg. „Aen." III 74 aus demselben 
Mythographen. Die Seesprungsagen behandelt — nicht vollständig 
(es fehlt z. B. Helle) — Wide in der „Festschrift für Benndoif" 
S. 13 — 20. 

3) Hygin „Astr." II 40 aus einer Rühmovelle Phylarchs, Lyko- 
phron 534 xmd Plinius „N. H." IV 49. 72 nennen nur die äußerste 
Spitze des Chersonnes „Mastusia". 



— I02 — 

Orchomenus laufen. Damit entsteht eine Schwierigkeit, 
sofern eine Doppelung des Fluchtmotives geschaffen 
wird: erstens das Laufen bis in die Megaris und 
zweitens der Seesprung. Das scheint auch mir bedeut- 
sam. Nun ist Athamas (und also wol auch Ino, des 
Kadmus Tochter) auch in Teos wolbekannt. Hier wird 
die Geschichte entstanden, dann in die „Thebais" ein- 
gefügt worden sein, wie die kleinasiatisch-griechischen 
Lokalsagen in die „Ilias". Dadurch wurde der Aus- 
gangspunkt der Inoflucht am Ende nach Boeotien ver- 
legt, von wo die kadmeischen Geschlechter loniehs 
stammten oder stammen wollten.^) 



') Hesiod „Theog." 975 fF. nennt die vier Kadmustöchter, kennt 
vielleicht auch ihre Söhne und unter ihnen Melikertes: wodurch ein 
voraeschyleisches Zeugnis für Melikertes wahrscheinlich wird. Siehe 
unten S. 126. 



2. 

Melikertes und Palaemon werden in der Legende, 
wie wir sie allein kennen, gleichgesetzt und zum Sohne 
des Athamas und der Ino, Kadmus* Tochter, erhoben. 
Das ist durch einen Willen und auch durch einen Akt 
geschehen. Nichts weist aber auf den isthmischen Kult 
als die Heimat auch dieser Verknüpfung und ihres Ur- 
hebers, alles eher wieder auf lonien. In lonien ist die 
Meeresgöttin Leukothea, sind überhaupt die Leukotheai 
in Kult und Sage gefeiert. Palaemon, der Delphin- 
reitende Meeresengel, ist auch an den ionischen Ge- 
staden und darüber hinaus verbreitet oder doch be- 
kannt; in Tenedus macht man ihn sogar durch 
Menschenopfer willig (S. 84 ff.). Möglich, daß Palaemon 
der Ephebe, eher zum Sohne der Leukothea geworden 
ist, als zum Sohne der Ino, und daß dies frühere 
Stadium in den Euripidesversen 

(5 irovTtac irai Asüxo&lac, veoiv cpüXaJ, 
Ssairoxa IIaXaT|iov, TXsa)^ r^\iXv ^svoü 
angedeutet wird: Worte, in denen die Gottesfürchtigen 
unter den Hirten am taurischen Strande beim Anblick 
des Orest und Pylades ihre Angst ausdrücken. Auf 
jenes zweite weist jedenfalls die Hesychglosse: 'Iva^^sta] 



— 104 — 

eoptT] Asüxoöia? h Kpr^zr^i (lrr^^) gctto 'Ivgc^^oü hoffe ich durch 
die leichte Ergänzung des Artikels formell hergestellt 
zu haben ;^) über ihren Inhalt hat wol niemals ein 
Zweifel bestanden. Sie will den Namen eines kretischen 
Festes erklären, der 'hdyeioLy welches der Leukothea 
galt. Da diese aber, gleichviel warum, Ino zubenannt 
zu werden pflegt, so muß eine sprachliche Verbindung 
zwischen der Kurzform 'Ivcü und dem Festnamen 'hdyzia 
obwalten. Man könnte sich das Verhältnis analog dem 
zwischen dem Fest der Pandia und dem Pandion, dem 
attischen Eponymen dieses Festes, dem zwischen dem 
Opfer der Nr^cpccXta und dem NTjcpaXwov, dem Opfertag 
EtxaSsc und dem EixaSiwv bestehenden denken, Ino also 
mit hypokoristischem Namen als eine Bezeichnung der 
Festinhaberin auffassen wollen. Etwas anderes der 
Verfasser der Glosse. Ihm ist Ino tj dizh 'hdyoo „die 
vom Inachus". Die Bildung ist die gewöhnliche. So 
kennen wir Saficü Müxovü) Tüapcü 'Hirsiptt) Uop^oi^) Arjp^ 
(das Kurzform sein kann, es aber nicht zu sein braucht) 
Boio) (die mythische Seherin, d. i. y] dizh Botoü opoü?) 
EupcüTtt» „die vom Eurotas", KTjcpiööw „die vom 
Kephissos",3) Ntjöcü „die von der oder den Inseln", 



i) Die beachtenswerte Wortstellung wie Cauer 2 no 275 toc 
"Hpas lapd; e{(xi t5c iviziUioi oder Kuvfoxoc fxe dv^07]xe (&pTOCfi.oc J^ipycüv 
SexctTav. zäi Oedi i^fxi t«? üoccpfac. IlvuTfXXac T^fxl Tdc nvuxaydpau 
TtaiSdc W. Schulze „Philol. Wochenschr." 1890 Nov. S. 26 ff. des 
Separatabzugs. Es ist die alte, auch idg., Wortstellung. 

*) Appendix Probi p. 195 Keil zählt hintereinander auf: PjTgo 
Mycono Allecto Calypso Clio Samo Gyaro Dido Celaeno Sappho Erato 
lo Epiro Inerito. Aus dem letzten Wort machte Keil „Manto** ; es ist 
natürlich „In(o) Eri(c)to". So wol auch Aätco „die von Aaxoc (auf 
Kreta). Diese Bildungen sind also nicht alle Kurzformen, aber manche. 

3) Neben BopuaOevf; *A7ro>^(üv{c Muse in dem korinthischen Epos 



— 105 — 

'ApY<« „das Argiverschiflf" neben "Apyo?, wie Kr^Tw neben 
Kr^To? u. s. f.^) Der zu Grunde liegende Flußname 
Inachos spottet jedem Deutungsversuch; die Endung 
erinnert an Qi^payo^ (neben ötßpwv öt'ßpo?)*), aber nicht 
mehr. Mit dem argivischen Flusse hat Ino nichts zu 
tun, soweit wir wissen. Ein Inachus fließt aber in Ost- 
boeotien und aus dieser Gegend läßt die Sage wenig- 
stens Ino südwärts nach dem molurischen Felsen oder 
an die Westseite des Isthmus entfliehen. Nach Plutarchs) 
hatte sich Glaukia, des Skamander Tochter, in Deimachus 
verliebt, als er mit Herakles gegen Troja gezogen war. 
Deimachus fallt im Kampfe. Die von ihm schwangere 
Glaukia wird von Herakles nach Eleon mit zurück- 
genommen. Ihr Sohn, den sie nach ihrem Vater 
Skamander nennt, wird König von Eleon, nimmt ein 
Weib und bekommt drei Töchter. Nach sich selbst 
nennt er das Flüßchen Inachus bei Eleon in Skaman- 
der um, nach seinem Weibe die nahe Quelle Akidusa,4) 
nach der Mutter den Bach Glaukia; die drei Töchter 
wurden als „die drei Jungfrauen" noch zu Plutarchs 
Zeit irgendwie verehrt. Eine Lokalsage also trotz der 
Doppelung des Skamander, eine alte und echte, eine 
Lokalsage von der Westküste des Euripus aus der 
nächsten Umgegend von Tanagra. Den troischen 
Sagenzusatz ausgeschieden, bleiben Inachus Glaukia und 



des sog. Eumelus. Vgl. meine „Aratea" p. 211 und Vitelli „Studi di 
filologia classica" I p. 92. Über Neso: Lykophron 1465. 

*) Häufig sind dergl, Namen in den Nereidenverzeichnissen, 
*) Bechtel ,,Griech. Personennamen aus Spitznamen" S. 75. 
Röscher u. d. W. OM^ikoi will 'Iva) mit „vinum" zusammenbringen. 

3) Quaest. graecae 41 (II p. 344 Bern.), 

4) 'AxiooOaaa wird „stachelreich" heißen, von ofxic „Spitze". 



— io6 — 

Akidusa für sich allein, alles Wasser und Wasserwesen 
derselben Gegend. 

Vielleicht ist 'Ivw also Kurzname zu 'Iva^to „Inachus- 
nymphe". Aber ihrem Wesen nach ist sie mehr. Sie 
ist bei Alkman, der für Sparta dichtet, Seegöttin,^) 
das kann nach S. lOOfF. unursprünglich sein; im 
Inneren Lakoniens aber besitzt sie in Thalamai ein 
Inkubationsorakel,*) wie das Erd- und Heilgötter pflegen, 
eine heilige Grotte in Brasiai,3) einen heiligen See bei 
Epidaurus Limera4) mit einem Wasserorakel eigener 
Art. Der Fragende warf Gerstenbrote in den See; ver- 
schwanden sie in der Tiefe, so war das Zeichen günstig, 
warf der See die Brote auf die Wasseroberfläche zurück, 
so war das ein schlimmes Zeichen. Aus diesem 
Wasserorakel allein läßt sich ein Schluß auf das Wesen 
der Göttin nicht ziehen. Heilige Seen und Teiche be- 
sitzen nicht bloß Wassergottheiten, z. B. auch Demeter 
bei Eleusis. Nicht bei den Griechen, aber anderswo 
hat sogar der Donnergott ein Orakel dieser Art Die 
Analogie mahnt aber zur Vorsicht. Chr. Ganander 



') Fr. 84 'Ivüi ^aXaaaofx^Soiaav dizb fi.(ia8ü)v. Wide „Lakonische 
Kulte" S. 228 flf. Nach Seeck (a. a. O.) ist Ino einfach „das Meer". 
Zwischen dem Element und seinem Beherrscher kennt S. keinen Unter- 
schied. Die Griechen machen aber diesen Unterschied. Sie haben 
auch die Sonne und den Mond nicht angebetet, sondern die hinter 
den Elementen stehenden Gottheiten trotz Seeck. Aristides XLVI 
(II p. 373 K.) will Inos Erhebimg zur Seegöttin nicht glauben; er 
stößt sich an der Vermenschlichung der Gestalt. Tieferes liegt nicht 
zu Grunde. Anders Preller-Robert S. 601 2 und Rohde „Psyche"^ 
S. 682. 

«) Paus. III 26, I. 

3) Paus. III 24, 4. Wide S. 227 flf. 

4) Paus. III 23, 8. 



— I07 — 

Thomasson berichtet von den Esthen:^) „An einem 
Bache bei Dorpat wurde folgendes Augurium, um das 
Wetter zu erfahren, angestellt. Man setzte drei Körbe 
ins Wasser und beobachtete, welche Gattung von 
Fischen sich in dem mittelsten finge. War es ein 
Fisch ohne Schuppen, z. B. eine Quappe oder auch 
ein Krebs und dergleichen, so befürchtete man ein 
unfruchtbares Jahr, opferte einen Ochsen und setzte 
die Körbe wieder ins Wasser. Fand sich wieder in 
dem mittelsten ein schuppenloser Fisch, so wurde 
abermals ein Ochse geopfert, und zum drittenmal die 
Körbe ins Wasser gesetzt, und im Falle, daß das 
Augurium nochmals ungünstig ausfiel, endlich ein Kind 
geopfert. Und dann ergab man sich geduldig dem 
Schicksal. Heilig war dem Donnergotte der Donners- 
tag. An demselben enthielt man sich aller Arbeit, an 
demselben sann man auf Zaubereien mancherlei Art; 
nur am Abend ward gesponnen, um dadurch den 
Heerden Gedeihen zu verschaffen." Ebensowenig 
möchte ich einen nur in dichterischer Behandlung der 
Inosage überlieferten, aber in einer nordischen Erzählung 
wiederkehrenden Zug verwerten,^^) obwol die Möglich- 
keit zuzugeben ist, daß er das Wesen der Göttin berührt 
Ino soll die Weiber ihres Reiches am Kopaissee den 
auszusäenden Weizen zu rösten angestiftet und eine 
Hungersnot bewirkt haben.3) Das Motiv kehrt ähnHch in 



') Finnische Mythologie, übers, von Petersen, S. lo. 

*) Euripides „Phrixus" Fr. 819 ff. 

3) Nach Heraklides „Politien" Fr. 53 Rose besorgten bei den 
Athamanen die Frauen das Feld. Athamas weist durch seinen Namen 
tlber Theben hinaus; lokalisiert wird er im „athamantischen Gefilde" im 
Osten des Kopaissees, verflochten in die blutigen Kultsagen vom 



— io8 — 

der Legende von der irrenden Demeter wieder.^) In 
einer altenglischen Sage finden sich die wesentlichen 
Züge der Inogeschichten beisammen.*) Die Überein- 
stimmung wird erweisen, daß Motive dieser Art im 
Sagenschatz der Völker bereit lagen und an sich nicht 
ohne weiteres als originelle Erfindung einzelner anzu- 
sprechen sind. Jemand belauscht drei Nächte in einem 
Haferfeld eine tanzende Wasserfrau, erfahrt dadurch 
die Mittel, sich ihrer zu bemächtigen, und macht sie 
mit ihrem Willen zu seinem Weibe. Sie verspricht so 
lange bei ihm zu bleiben, wie er sie nicht schlagen 
werde. Als dieses geschehen, entflieht sie mit ihren 
Kindern. Nur ihr Sohn Triunis Nagelauc wird nach 
der einen Version vom Vater der Fliehenden entrissen 
und zurückgehalten. Er wird, erwachsen, Gefolgsmann 
eines mächtigen Königs. Nach der andern entkommt 
die Mutter mit ihm in den See, wo er bei ihr lebt. 



Laphystion. Sein Volk sind, wie der Name lehrt, die Athamanen, die 
von Theben unterworfen wurden. „Wo safien ihre Fürsten, die dem 
Apollon in dessen Hochgebirge das Ptoon in der Höhle stifteten? 
Dicht unter dem Ptoon liegt auf einer Insel des Kopaissees vor dem 
athamanischen Gefilde die Herrenburg, die großartigste Ruine der 
Heroenzeit in Hellas. Das Schloß des Athamas und der Themisto ist 
es". (Wilamowitz „Hermes" 1891 S. 204 A.). Wilamowitz denkt 
an Arne. Auch am Kopaissee mag man sich von Ino und ihrem 
Sohne Learchus erzählt haben, einer an Zagreus wenigstens er- 
innernden Gestalt; ob auch von Melikertes, steht dahin. Siehe oben 
S. 102. 

') Ovid „Metam." ^V 480 f. „Arvaque iussit fallere depositum 
vitiataque semina fecit". 

*) Walter Mapes „Nugae curialium" ed. Th. Wright II ii p. 79 
(De apparentiis fantasticis), ungenau bei Liebrecht „Zur VoJkskande" 
S. 30. 



— 109 — 

Diese zweite Wendung der Sage hat bei ihrem aus- 
gesprochenem Heidentum wol allen Anspruch auf Ur- 
sprünglichkeit, so sehr sich der christliche Bericht- 
erstatter gegen sie auflehnen mag.^) 

Einzelne Züge verbinden die altheidnischen 
Religionen in Nord und Süd, auch in West und Ost: 
denn auch der Orient liefert eine Analogie. Mehr aber 
als eine Analogie ist es nicht. Die syrische Atargatis 
flüchtet mit ihrem Knaben vor dem Unhold Typhon 
in ihren See. Der Einblick in einen sehr alten Völker- 
gedanken ist wol wertvoll, hilft im einzelnen aber nicht 
fort. So bleibt für Ino doch nur die lakonische Sitte 
des Tempelschlafs zum Zwecke der Zukunftserkundung. 
Als Seegöttin ist sie allem Anschein nach unur- 
sprünglich, erst durch Verbindung mit Leukothea ge- 
worden. Soviel dürfen wir, ohne uns der Leicht- 
fertigkeit schuldig zu machen, der ionischen Legende von 



") Er sagt: „Quod autem aiunt Triunem a matre sua servatum 
et cum ipsa in lacu illa vivere, unde supra mentio est, immo et men- 
dacium puto, quod de non inveiito fingi potest error eiusmodi". 
Frauentanz auf dem Acker ist altheidnischer Ritus, von Mannhardt 
„Feld- und Waldkulte" I S. 253 aus dem deutschen Aberglauben er- 
läutert. So schrieb man in Westphalen für das Gedeihen des Flachses 
vor, daß die Weiber am Lichtmeßtage im Freien auf dem Acker 
tanzten. Bei diesem Tanze trugen sie Holundergerten in den Händen, 
mit denen sie auf die Männer schlugen. Man weckte durch das 
Schlagen die Zeugungskraft, durch das Tanzen die im Boden 
schlummernd gedachten Wachstumsgeister. So verehrten die Pheneaten 
in den arkadischen Bergen die „tanzende" Demeter — das be- 
deutet wol Arjfx-j^TTjp Ki5apfo(. Im Kult dieser Ackergöttin wieder- 
holen sich auch die Rutenschläge, nur daß der Priester in dieser 
Funktion die Göttin auch äußerlich durch das Anlegen der Maske 
vertritt. 



— HO — 

der Entstehung des isthmischen Kultes glauben.^) Semi- 
tisches aber hat sich an Ino sowenig wie an ihrem 
Knaben entdecken lassen. Behauptet ist es wiederholt, 
mißraten stets und nie gelungen, nicht für einen Augen- 
blick, obwol für Ino wenigstens das Material seit 
Ritschis Abhandlung in der Hauptsache leicht zu über- 
sehen war.^) Ich will der These nicht unrecht tun 
und ihre letzte Gestaltung im Wortlaut wiederholen — 
4n bunten Bildern wenig Klarheit, nur Irrtum und kein 
Fünkchen Wahrheit* Man schreibt: „Es ist schwerlich 
zufällig, daß Tiresias den Odysseus beim Hades auf- 
sucht, Ogygus, nach dem Ogygia die Insel der Kalypso 
ihren Namen hat, Ino Leukothea, mit deren Schleier 
sich Odysseus zu den Phaeaken rettet, und Rhadamanthys, 
der Doppelgänger des Odysseus, alle in Boeotien 
heimisch sind, und daß ferner die Griechen gerade von 
Aulis in Boeotien aus nach Troja fahren, vielleicht 
auch nicht, daß Theben, das siebentorige, die Stadt des 
Tiresias ist, die Stadt des diesem entsprechenden 
Eabani aber, das siebenmaurige Erech, eine irdische 
Manifestation der Unterwelt mit 7 Mauern und 7 Toren, 
bezw. 2^7 Toren." AidTzoxoL IlaXatfjLOv, tXscü? fjixtv ^evoü. 

Das Paar, die Mutter mit dem göttlichen Knaben, 
ist der altgriechischen Religion auf das innigste ver- 
traut. Wir finden es in vielen griechischen Land- 
schaften, unter sehr verschiedenen Namen eine und 



>) Auf Lemnos gibt es ein Fest 'Ivjvia. Das sind schwerlich 
*Ivü)ia (Hesych s. v.). 

«) Bonner Jahrbücher XXXVII 1864 S. 73 ff. Gegen seine Auf- 
fassung der Neuwieder Bronze als Ino-Leukothea ist allerdings mit 
Recht Einspruch erhoben worden; vgl. Ribbeck „Ritschi" II S. 307 ff. 



— III — 

dieselbe Erscheinungsform der Göttlichkeit, meist aber 
nicht unter den Olympiern, sondern unter den Erdgott- 
heiten. Es kann keine ungerechtere Behauptung geben 
als die, daß die hellenische Mutter mit dem Gottesknaben 
orientalische Entlehnung sei. Atargatis und Ichthys, 
das syrische Paar, sind bei den Griechen kaum be- 
achtet. Um so lieber hätten die modernen Wortführer 
der semitischen Hypothese das Paar vom Isthmus für 
den Orient zurückbehalten. Dies Paar ist hellenisch, 
bei den Hellenen häufig. Dabei fällt auf, daß ge- 
wöhnlich der göttliche Vater des Knaben wie gleich- 
gültig bei Seite steht oder fehlt. Die Wurzeln dieses 
ganzen Glaubens ruhn unergründet tief im Aller- 
heiligsten der reinen Menschennatur. An diesen 
knüpft das Christentum an. Sinne, Gedanken und 
Gemüt, das ganze Innenleben der christlichen Welt, 
besaß eine göttliche Mutter mit einem zarten Kinde 
Wunder wirkend, allein lange Zeit als Jungfrau Königin 
und Göttin, nicht aber als Gattin. Spät und nur sehr 
allmählich will an die Stelle dieses Paares voller 
Wunder der Erwachsene, sittlich Wirkende treten, um 
durch Leben und Leiden die Menschheit zum Guten 
und Wahren zu erziehen. 



V. MELIKERTES UND 
PALAEMON. 

Im Kult von Korinth haben Melikertes und Palae- 
mon anscheinend selbständig nebeneinander bestanden. 
Die Legende hat die Ortsgemeinschaft zu» einer Wesens- 
gleichheit umgeformt oder doch vertreten. Sie ist niemals 
eine ausreichende Beglaubigung. Vielleicht läßt sich 
eine innere Beziehung zwischen den beiden Wesen 
erkennen, durch welche die Gleichung erleichtert 
werden konnte. 

Melikertes „der Honigschnitter" hat, wie seine 
Namensverwandten, zunächst eine rein profane Berufs- 
sphäre, daneben aber auch eine sakrale, oder er konnte 
sie haben. Bedeutsam sind die sakralen Namen Melissa 
und Verwandtes. Nicht nur, daß Göttinnen (Selene 
und Artemis) so heißen,^) von einer Demeterpriesterin 
Melissa weiß ein Mythograph; sie wurde von den 
Feinden der Demetermysterien auf dem Isthmus von 
Korinth zerrissen.*) Perianders Gattin Lyside trug 



>) Porphyrius „De antro Nympharum" i8. 
») Servius zur „Aen." I 430. 



— 113 — 

ebenfalls im Korinthischen den Priesternamen Melissa.^) 
Im delphischen Dienste kam der Name für die Pythia 
vor.^) Und so geht es fort in vereinzelten Spuren bis 
in Ariosts „Rasenden Roland" mit seiner z. T. nach 
der vergilischen Sibylle geschaffenen Zauberin Melissa. 
Priesterliche Personen beschäftigen sich auch heute 
gern mit Bienenzucht Um sich zur Prophetie zu be- 
geistern, mögen Seher und Seherinnen Honig genossen 
haben; für Delphi ist es bezeugt. „Biene" (Deborah) 
nennt sich wol in diesem Sinne die altjüdische^Wahr- 
sagerin und Sängerin, iaofrjvs? „Bienenkönige" hießen 
in Ephesus die Artemisdiener, genauer „die ihr, der 
Biene, die Speise bereiten", ol ttjI 'ApTS[jLt8t laxtaxops? x^t 
'Ecpsatai Yiv6[jL£vot, wie Pausanias sie schildert.3) Tenthredon 
und Kepheus (S. 53) werden dem Sinne nach nicht 
verschieden sein; xrjcpr^v zeigt auch dieselbe Endung wie 
iacn^v. König über Götter und Menschen kann daai^v 
wol nur unursprünglich bedeuten4) und Bienenkönig 
eigentlich überhaupt nicht, da ein Bienenschwarm 
nur über eine Königin verfügt. »Von dem priester- 
lichen Bienenstaate" der Artemis erhielt Ephesus die 
Biene als Wappen und Münzbild.5) Indessen berechtigt 
die Äußerung des Pausanias keineswegs, die Priester- 



') Herodot V 92. Lyside ist wol AuaiSi^fXT] o. ä. Eine Priamus- 
tochter dieses Namens bei Hygin „Fab." 90. 

4) Pindar „Pyth." IV 60. Lobeck „Agl." II p. 817. Eine ab- 
surde Deutung bei O. Gilbert „Griech. Götterlehre" S. 99. Vgl. Usener 
„Rh. Mus." 1902 S. 179. 

3) vm 13, I. 

4) Kallimachus im Zeushymnus V. 66. 

5) R. V. Schneider „Führer durch die Ausstellimg von Fund- 
stücken aus ßphesus im griechischen Tempel im Wiener Volksgarten", 
Wien 1902, S. Ulf. 

Maass, Griechen u. Semiten. o 



- fi4 - 

Schaft der ephesischen Artemis auf männliche Personen 
zu beschränken; das Gegenteil versteht sich eigentlich 
von selbst Für den Orient überhaupt läßt sich ein 
Zeugnis dafür noch gewinnen. In einem sogar von 
Lobeck verkannten Aeschylusfragment^) aus den 
„Priesterinnen" wird der Chor, die Priesterinnen, als 
[AsXiaaovojjLot angeredet (sücpapÄiTs, \izhcscsoy6\Loi • 86[jlov 'Apxe- 
[JL180? TzikcL^ orYsiv). Der Sinn der Stelle ist unvollständig, 
aber daß die [AsXiaaovojjLot „Bienenpflegerinnen" zum 
Artemistempel gehören, leuchtet dennoch ein: Artemis 
ist die hier gepflegte „Biene". Herodot erzählte nicht 
als erster von den Persern,*) sie hätten bei den Griechen 
„Kephenen" geheißen und diesen Namen wie jene von 
Kepheus, Andromedas Vater, abgeleitet, dem Sohne 
Baals, welcher durch Perses, den Sohn der Andromeda 
und des Perseus, Ahnherr des Perservolkes geworden 
wäre. Eigentlich war doch wol Perseus, der korinthische 
Nationalheld, als solcher unter den Helden der dorischen 
Hexapolis Südkleinasiens, der persische Ahnherr. Die 
merkwürdige Genealogie erinnert nicht sowol an die 
phthiotischen Ameisensöhne (MüpjjLi86vs?), auch nicht an 
die sonstigen Ableitungen der Menschen von Insekten 
(S. 52 f.), sondern an den Priesterstaat in Ephesus, in 
dem hdriv&q und [xsXiaaat der Bienenkönigin und Stadt- 



I) A. a. O. Fr. 87 N. 2 jieXiaaovdfxot 'Apt^fxtSoc wie Zoqfp^oc 
ßo^Tac, ßouxoXetv SaßötCiov. Die Konjektur 7roXia9ovd(jioi ist hier sehr 
überflüssig. Dies Kompositum und seine Parallelen (tcoXiOOOu^oc u. a.) 
ist organisch wol nicht zu erklären. Sollte es nach der Analogie von 
fieXiaaov(^fxoc gebildet sein? So ist Tz6\z(5(ii nachgemacht dem Datiy 
iTteaat (Schulze p. 134). 

*) VII 61. 150. Dem entsprechend bezeichnet Aeschylus in 
den „Persern" V. 79 dies Volk als ^puacJ^ovo? jeverf. 



— 115 — 

göttin dienten; die ganze Bevölkerung ist darin begriffen 
und vertreten. Eine Biene (xTjcpEüc x^'fT^v) Stadtkönig 
oder Landesherr, das ist charakteristisch. Aethiopien 
ist ein sehr allgemeiner Name. Wo die Sonne aufgeht, 
müssen die Menschen verbrannte Gesichter haben, 
meinten die lonier naiv, erzählt die Ilias. Diese 
Aethiopen sind nichts als die Orientalen, vom Stand- 
punkt des loniers etwa im VIET. Jahrhundert genommen. 
Ebensowenig will es bedeuten, wenn der Name Kepheus 
auch auf dem griechischen Festlande vorkommt, z. B. 
in Tegea; der Name ist an und für sich nicht an einen 
bestimmten Ort gebunden. Schwerlich wird sich eine 
Küstengegend finden lassen, wo die Verbindung 
griechischer und persisch-babylonischer Elemente sich 
kräftiger und friedlicher vollzogen hätte als eben in 
Ephesus. „Die Politik von Ephesus wurde durch die 
Interessen des Heiligtums bestimmt, das nach wie 
vor den Asiaten so willig wie den Hellenen auf- 
nahm, Xerxes' Kinder behütete und zugleich Boten zu 
den olympischen Festspielen sandte" schreibt von 
Schneider. 

Es wird in diesem Zusammenhange nicht unan- 
gemessen sein, an etwas anderes zu erinnern. Auch 
die griechischen Kulte haben, und nicht bloß strich- 
weise, einen starken Beisatz von Zauberwerk. Die 
Hymnen sind vielfach Bannungen; üjjlvov dxoüonr^t xovSs 
SsafjLiov (JsOsv („Eumeniden" V. 305), Beschwörungen 
nichts als „zu bestimmten Handlungen gesungene 
Lieder," iTuwiSat'; im „Agamemnon" nennt Aeschylus 
die geopferte Iphigenie iTrcoiSiv Opyjtxuov drjjjLaTtüv (V. 1418). 
Besonders der Honig ködert. Honig gehört beinahe 

ständig zum Zauberapparat. Man gewinnt die schwierig 

8» 



— ii6 — 

gewordene Gottheit, sobald man ihr ihre Lieblingsspeise, 
ihre Speise vorsetzt. Der Honig ist auch hier die 
Götterspeise. Um die Heilgottheiten sich willig zu 
machen, verwendeten die Asklepiuspriester Honig, 
Honigwaben und Honigkuchen. Besonders die Götter 
von Wind und Wetter erhalten gern Honig und Honig- 
kuchen als Opfer. Wenn Glaukus in das Honigfafi 
fallt, so ist das wol nur legendarischer Ausdruck für 
das Gebanntsein durch den Honigköder; Glaukus ist 
Meeresgott.^) Aristaeus, Honiggott des Keer, wie 
Melikertes der Isthmier, opfert auf dem Pelium dem 
Zeus, auf daß er die Etesien schicke.*) 



') Glaukus TTiojv (x£Xi Marq sagt das Sprichwort Sein Tod in 
einem Honigfaß und seine wunderbare Errettung ist in der bekannten 
Geschichte novellistisch dargestellt, die ihn darum als sterblichen Sohn 
des Minos einführt; vgl. Gaedechens „Arch. Zeitung" XVIII (1860) 
S. 70 fF. und bei Röscher, wo wunderlich genug dieser Glaukus der 
Novelle vom Seegott gesondert wird. Die Fesselung des Ares durch 
die Aloaden und Bergung im Faß und folgende finnische Sage legt 
die Vermutung nahe, daß der zukunftskundige Meergott durch den 
Honigmeth ursprünglich nur geködert, in das Faß nur gebannt worden 
war, wie Kronus durch Zeus, wie Triton durch die Tanagraeer (dieser 
nach Paus. IX 20, 4 vermittelst eines weingefüllten Krugs) ; Zweck der 
Köderung scheint das Verkünden der Zukunft in dem zugfnmdeliegen- 
den Mythus gewesen zu sein. Thomasson S. 80 f. (vgl. S. 107) : „Wesi- 
Hisi ist ein böser Geist im Wasser (wie Glaukus). Der Aberglaube 
spricht noch heutigen Tages, er könne diesen Geist durch Zauberei 
in irgend ein Gefäß bringen. Wozu? Um anderen Menschen durch 
ihn Schande zuzufügen. Besonders werden Diebe von ihm geplagt". 
Zingerie „Arch.-epigr. Mitt." XVII 1894 S. 119 ff. 

^) Zeus Ikmaios auf Keos, Spender der Passatwinde: Schol. ApolL 
II 522. Mit Honig scheint auch Hyrieus die drei Götter bewirtet zu 
haben. Die schmutzige Wendung aber der Oriongeburt entstammt 
falscher Etymologie. Der Name ist im Homer als 'Qp{a)v, im Pindar 
und Athenaeus als 'üap^ojv überliefert, imd 'Qap{a)v haben Nauck, 



— 117 — 

Es gibt also eine gewisse Beziehung zwischen dem 
altisthmischen Melikertes und Palaemon. Zur Gleich- 
setzung der Wesen aber genügt das alles nicht. Sie 
sind zu trennen. 



W. Schulze u. a. für die Homerverse gefordert. Ich glaube, mit Un- 
recht. Am Oriongestim ist das Wesentliche, also Ursprüngliche, der 
Schwertgürtel immer gewesen — daher Sicpi^pr^c 'Qpfcuv Euripides „Ion" 
V. II 53 u. a. — und also auch für den ersten Anfang vorauszusetzen, 
wie die Ähre im Gestirn der Jungfrau u. s. w. Der Schwertgürtel 
der Griechen ist, zum Unterschied von der Ct»>v7] imter der Brust, ein 
über die rechte Schulter getragenes Gehänge dopT^p, eigentlich *depT^p 
(wie yovect neben yeveci) ; neben diesem gibt es aopoc in der Bedeutimg 
,, Träger" „Heber" (Hesych u. d. W.). „Der mit dem Schwertgurt" 
wäre nach vielen Analogien dopfwv (i)p{(uv. Als Eigenname kommt 
das Wort in dem karischen Xpuadiüp vor „der mit goldenem Gehänge" 
)fP'jaciopoc als Beiwort z. B. des Apollo „II." V 509. Auch an ^xer/jOpoc 
TreSdopoc, auvdopo? (auvwpic) auvdcup sei erinnert; Ti(xc(U)p Tifxätopo? aber 
ist verschieden (Aesch. „Ag." 514. 1280, „Suppl." 44), vgl. W. Schulze 
p. 18. 206. 305. 474. Die Orionsagen sind alle nachträglich auf- 
gewachsen (so auch Robert „Erat, catast." p. 246); und dem Sternbild 
ist die Keule jedenfalls von allem Anfang fremd, wenn sie die Nekyia 
auch schon kennt. lonien scheint die Heimat des Sternbildes und 
also auch des Namenß zu sein, Telamon „Schildriemen" oder „Schwert- 
riemen" ist wol die nächste Parallele. Übrigens ist Orion auch Vogel- 
name, „der mit dem Gürtel"; oben S. 33 und Hesych s. v. Die Römer 
sagen statt Orion geradezu lugula 'Band* von iungo, wie fig^lus von fingo. 



VI. PALAEMON UND 
PORTUNUS. 

I. 

I. Apulejus beginnt seine Novelle von Amor und 
Psyche mit folgender Einleitung. „In einer Stadt lebte 
ein Königspaar mit drei Töchtern. Die beiden ältesten, 
mäßig schön, verheirateten sich schnell. Psyche, die 
jüngste, überstrahlte an Schönheit sogar Aphrodite, wie 
das Volk rühmte. Darüber zürnte die Göttin. Sie 
verließ das Land und begab sich an das Ende der Welt 
mit ihrer Begleitung." Dies kaum aus einem andern 
Grunde, als um die Woltat ihrer Gegenwart dem un- 
dankbaren Lande der Psyche nicht mehr zu gönnen. 
In ihrem Gefolge befinden sich der Nereidenchor, 
Portunus mit struppigem Bart (caerulis barbis hispidus), 
die fischleibige Salacia und der kleine Delphinreiter 
Palaemon, endlich lustige Scharen blasender Tritonen. 
Hier fallt auf, daß der männlich bärtige Portunus und 
der kleine Palaemon getrennt, nicht gleich gedacht 
werden, wie das in der noch zu behandelnden römischen 
Legende der Fall ist. Sodann dürfte das Lokal von 



— 119 — 

einiger Bedeutung sein. Die Heimat der Psyche denkt 
sich der Verfasser der Novelle irgendwo im Osten: 
Psyches Vater befragt das milesische Orakel, wohnt also 
unter den östlichen Griechen. Der Oceanus, an welchen 
sich von dort her Aphrodite mit ihrer Gesellschaft be- 
gibt, würde im Sinne des Madaurensers das atlantische 
Meer sein, im Sinne einer älteren Darstellung, falls es 
eine ältere gab, der äußerste Teil des westlichen 
Mittelmeerbeckens wenigstens sein können. Salacia, 
die römische Genossin Neptuns, entspricht nach der 
üblichen Auffassung der griechischen Amphitrite.^) Es 
muß gesagt werden, daß das bei Apulejus einmal ein- 
geführte Motiv nicht ausgenutzt wird. Wie künstlerisch 
und wirksam das Bild an sich ist, zeigt nicht nur 
Raffaels Meeresfahrt der Galatea in der Farnesina, 
sondern seine Verwertung in Camoens' „Lusiaden" VI, 
der mit dieser um einige verwandte Wesen vermehrten 
Gesellschaft der Meeresgötter den indischen Ocean 
bevölkert, während ihn Vasco de Gama durchfahrt, 
neben Venus und ihren Nymphen, welche die Wind- 
götter durch ihre Reize besänftigen, kommen hier 
Salacia Ino und Palaemon vor, „der schöne Knabe, 
der auch den Göttern wurde beigezählt. Bald läuft er 
vor ihr her an dem Gestade, mit schönen Muscheln 
spielend, die das Meer, das salzge, stets erzeugt; bald 
auf dem Sande umhalset er die schöne Panopea" (23). 

Die Auswanderung Aphrodites widerstrebt, genau 
genommen, dem Verlauf der apulejanischen No- 
velle. Denn wenn die Taube der Göttin bis an den 
Ocean hin die Untreue des in Psyche verliebten Amor 



I) Wissowa „Religion und Kultus der Römer" S. 250 f. 253. 



— 120 — 

meldet und Aphrodite daraufhin sofort dahin zurück- 
eilt, von wo sie eben mit allem Gefolge ausgewandert 
war, so leuchtet ein, daß der Schriftsteller, sei es nun 
Apulejus selbst, sei es ein früherer, das schöne Motiv 
ich will nicht sagen verdorben, aber doch ignoriert 
hat. Es ist der Geschichte, in der wir es finden, eigent- 
lich fremd, anderswoher entnommen: wie die Ocean- 
fahrt der Götter in der zweiten Hälfte des ersten Ilias- 
buchs zu dem Anfang desselben Buchs nicht stimmt 
Auch hier unterscheiden wir also, so zu sagen, zwei 
Hände wenigstens. Entlehnt wird Aphrodites Ocean- 
fahrt aus einem Zusammenhange sein, der etwa so ge- 
lautet zu haben scheint. Die Göttin, beleidigt, weil 
ein sterbliches Mädchen ihr vorgezogen ist, verläßt mit 
allen ihren Begleitern die Küsten des ungastlichen 
Landes, um es zu strafen. Da sie hier nicht bloß als 
Schönheits- und Liebesgöttin, sondern zugleich als 
Seefahrtsgöttin aufgefaßt war, so gehen mit der EuicXoia 
Nereiden und Tritonen, Amphitrite (Salacia) und der 
kleine Meeresengel Palaemon, endlich Portunus nach 
dem fernen Westen. 

Wer ist hier Portunus.?* Jedenfalls nicht der 
römische Gott des Tiberhafens. Es ist der Schutzgott 
der Häfen überhaupt, den die Griechen Aifievi-nj? o. ä. 
nennen. Das zeigt der Zusammenhang der Apulejus- 
novelle. Aber auch ein andrer Zeuge, den ich ein- 
schalten will, weil sein Portunus mit dem Tibergott gleich- 
gesetzt zu werden pflegt In der „Aeneis" V V. 239 flF. 
werden die Leichenspiele für Anchises geschildert, die 
Aeneas am Berge Eryx, wo ein Anchisesheroum neben 
dem Heiligtum der Aphrodite errichtet wurde (V. 760), 
mit Gepränge abhielt. Unter andern wurde ein Wett- 



— 121 — 

fahren der Schiffe veranstaltet und mit einem Gebet 
des einen Kämpfers „an die zur See mächtigen Gott- 
heiten" eingeleitet^) V. 240 ff folgt dem Gebet die 
Erhörung; „ihn vernahm unten auf dem Grunde des 
Meeres der Chor der Nereiden, des Phorkus Kinder, 
und die jungfräuliche Panopea, und Vater Portunus 
trieb das Schiff des Betenden selber mit starker Hand 
zur Eile; es flog schneller dahin wie ein Pfeil" Von 
jeher ist dieser vertraulich als „Vater Portunus" an- 
gerufene Gott mit dem Portunus am Tiber, dem 
römischen Hafengott, gleichgesetzt worden. Wie wäre 
das möglich, wenn dieser der Lokalgott, nichts als 
Lokalgott, des stadtrömischen Anlegeplatzes am Flusse 
war? Wie käme er in oder an das Meer? Wie in die 
sizilischen Gewässer unter Nereiden?*) Der „Vater 
Portunus" Vergils ist vielmehr Schutzgott des sizilischen 
Hafens, bei welchem das Wettfahren der troischen 
Schiffe stattfand. 

Nun sind die guten Geister der See und sogar der 
Häfen bei Apulejus fort; da sind ungehindert die 
schlimmen; denn die Nereiden bändigen und regieren 
sie, etwa wie Thetis im ersten Iliasbuch den Briareos. 
Sie erscheinen, und die Verheerung der Küsten durch 
Wasserfluten beginnt. Das ist bis in gewisse Einzel- 
heiten der Inhalt einer bestimmten Fassung der 



') V. 235 „Di, quibus imperium pelagi est, quorum aequora curro". 

«) Jordan bemerkt in der Neubearbeitung der Prellerschen „My- 
thologie" (II S. 124 A.), Portunus sei später ganz als der meer- 
beherrschende Neptun gedacht Jordan wird sich hier der Vergil- 
stelle erinnert haben, die er S. 324 — aber in anderem Sinne — 
verwendet. S. 133. 



— 122 — 

Andromedasage.^) Ihr ist der Eingang der Psyche- 
novelle im allgemeinen wenigstens nachgebildet bis 
auf das Orakel, welches die Vermählung der Tochter 
mit einem schrecklichen Wesen befiehlt 

2. Die „Andromeden" des Sophokles und des 
Euripides können für Apulejus nicht maßgebend ge- 
wesen sein, da in ihnen die Nereiden, nicht aber 
Aphrodite, die beleidigten waren, auch die Aussetzung, . 
nicht die Vermählung der Andromeda mit dem Ketos 
Leitmotiv gewesen ist. Dagegen hat zur Zeit des 
Augustus Manilius im fünften Buche eine im wesent- 
lichen entsprechende Einlage über Andromedas Aus- 
setzung und Befreiung V. 538 ff.*) Er erzählt teils, 
teils deutet er folgendes an. „Eine furchtbare Schuld 
der Eltern der Andromeda brachte über das Aethiopen- 
land schwere Oberschwemmungsnot Das Orakel be- 
fragt verlangte die Vermählung ihrer einzigen Tochter 
und Erbin mit dem Meeresungeheuer. Bräutlich ge- 
schmückt wurde sie an den Uferfelsen gebunden. 
Perseus erscheint; eben hatte er die Gorgo erlegt. Er 
erfahrt von ihr ihr Schicksal, verliebt sich, sucht die Eltern 
auf, die trauernd fern von der Meeresküste in dem Palast 
weilen, und erwirkt die Zugelobung der Andromeda, falls 
er den Freier aus dem Meere erlegen werde. Dann kehrt 
er, wie er gekommen, auf den Flügelschuhen durch 



') Vgl. Robert „Eratosth. Cat. rel." p. 232 und oben S. 70 und 
124 A. I. 

>) Möller hat den hohen Wert der manilischen Andromeda im 
allgemeinen richtig geschätzt, aber an Euripides, Ovid u. a. als Vor- 
lagen gedacht „Stud. Manil." p. 4. 



— 123 — 

die Luft an die Küste zurück. Das Ungeheuer naht, 
der Kampf beginnt. Endlich wendet es sich langsam 
zur Flucht aufs hohe Meer; erst da gelingt die völlige 
Vernichtung.^) In doppelter Sorge um sich und um 
Perseus hat Andromeda als einzige Zuschauerin den 
Kampf mit angesehen. Jetzt kehrt der Sieger zurück, 
löst ihre Fesseln und nimmt sie mit sich als seine ihm 
von den Eltern angelobte Braut." Der Bericht bei 
Manilius bedarf in zweifacher Beziehung einer Er- 
läuterung. Erstens die eigentümlichen Raum- und 
Zeitverhältnisse. Zwei Szenen, genauer vielleicht drei, 
werden in der Erzählung angedeutet: i. der Inhalt des 
Orakels, nachdem die Verwüstung der Küsten durch 
Sturmfluten begonnen hatte; 2. Perseus' Werbung um 
Andromeda bei den Eltern daheim, nachdem er An- 
dromeda gefesselt auf dem Uferfelsen gesehen und 
lieb gewonnen hatte; 3. Andromeda dem Perseus nach 
der Tötung des Ketos übergeben. Das sind die Zeit- 
und Raumverhältnisse, welche in der einfach ver- 



») Bei Manilius V V. 613 steckt in „perfundit liquido Perseus in 
mannore corpus" ein Fehler, da der Sieger das Ketos nicht mit Wasser 
begießt, er durchsticht es, also „pertundit". — Vor den Tragikern 
führt Perseus das Schwert (so in der hesiodischen, dem Ursprünge 
nach korinthischen ,,Aspis" V. 221 f. fjieXc?v5eT0V ctop fxeiTO ^otXxiou h. 
TeXcc(X(I)voc) und auf der selinuntischen Metope. Auf der korinthischen 
Vase erlegt er das Ketos durch Steinwürfe, die ihm Andromeda zu- 
sammenträgt; vgl. Robert „Arch. Zeit." 1878 S. 16. Die Harpe dient 
zum Kopfabschneiden und zum Stechen. Sie taucht als Waffe zuerst 
bei den Tragikern auf, vielleicht schon bei Phrynichus, der eine 
„Andromedjf" geschrieben hatte (Suidas s.v.; anders Robert S. 16 A.). 
Vorher ist diese Waffe als babylonisch bezeugt: Marduk bekämpft mit 
dem Sichelschwerdt die siebenköpfige Tiamat (H. Zimmern „Biblische 
und babylonische Urgeschichte" S. 13. 15). 



— 124 — 

laufenden Erzählung des Manilius befremden und be- 
fremden müssen. Es ist bei Manilius, und es wäre in 
jeder erzählenden Behandlung des Vorfalls unbegreif- 
lich, wie Perseus in der Stunde der äußersten Gefahr, 
wo jeden Augenblick das Ketos erscheinen und die 
Braut sich holen wird, Gewicht darauf legen kann, erst 
ein förmliches Eheversprechen von den fernen Eltern 
zu erlangen. Zu diesem ^Zweck muß er Andromeda 
auf eine kürzere Zeitfrist jedenfalls sich selbst und dem 
Zufall überlassen. Weiß Perseus, daß er nicht zu spät 
zurückkommen wird? Warum die Umständlichkeit? 
Warum sich nicht, wie das z. B. bei Euripides angelegt 
war, mit Andromedas Einwilligung, die ihm sicher 
ist, begnügen? Die Umständlichkeit ist nicht zwar zu 
beseitigen, aber in ihrem Dasein zu erklären. Und 
alles wird verständlich, sowie die manilische Erzählung 
in eine szenische Handlung umgesetzt und angenommen 
wird, daß diese nicht am Meeresufer bei der gefesselten 
Andromeda, sondern fern von ihr vor dem Palast des 
Kepheus gespielt wurde, daß sowol das erste Zu- 
sammensein des Perseus und der Andromeda, als auch 
der Kampf des Perseus mit dem Ketos und das allem 
diesen vorausliegende Orakel als Berichterstattungen 
oder Wiedererzählungen eingeführt waren. Die Eltern 
waren es, denen ein Bote die Antwort des Gottes, 
Perseus seine Werbung und Andromeda die Vernichtung 
des Ketos berichtete. Das führt ab von der „Andro- 
meda" des Euripides, die wir gut kennen; diese spielte 
ganz am Ufer. Es läßt sich aber „nach der Weise der 
altattischen Bühne sehr wol ein Stück denken, das 
bei gleichem Inhalt wie die euripideische Andromeda 
sich vor dem Palast des Kepheus abspielte; es konnte 



— 125 — 

in einem solchen Stücke Andromeda zuerst auftreten, 
wie sie zum Felsen geführt wird, und dann mit ihrem 
Befreier Perseus zurückkehren. Das wäre in der Tat 
mehr im Geschmack der altattischen Tragödie, als die 
bei Euripides beliebte, aus der Parodie der aristo- 
phanischen Thesmophoriazusen bekannte Art. Bei 
Euripides spielt das Stück am Meere und war Andro- 
meda von Anfang an auf der Bühne anwesend mit 
ausgebreiteten Armen an den Felsen geschmi'edet"^) 
Sodann: „Die furchtbare Schuld" der Eltern, auf 
welche Manilius hinweist V. 540, wird man zunächst 
geneigt sein, auf die beleidigte Schönheit der Nereiden 
zu beziehn. Allein, wo diese in den Andromeda- 
geschichten sonst hervortreten, pflegt Aussetzung, nicht 
Vermählung, der Grundgedanke zu sein. Unnatürliche 
Heirat ist dagegen ein sehr gewöhnliches Strafmittel 
der Aphrodite; es ist ihre Rache. So werden wir auf 
einen Anfang der Andromedageschichte wie die 
Psychenovelle des Apulejus gewiesen. Die Eltern 
hatten ihr Kind für schöner ausgegeben, als selbst 
Aphrodite: daher die Verheerung durch das Ketos, das 
die Meeresgöttin (das ist Aphrodite hier zugleich) ent- 
sendet. Die Not wird sich enden nur durch die Ver- 
mählung des schönen Kindes mit dem Ketos, verkündet 
Apollo den trostlosen Eltern. Wol läßt sich denken, 
daß der Weggang der Aphrodite und ihres ganzen 
Seegefolges an den Ocean gleichfalls der Andromeda- 
geschichte angehört. Die erzürnte Göttin verläßt das 
undankbare Aethiopenvolk, um im fernen Westen ein 
neues Reich zu begründen. Wesentlich ist auch, daß 



■ 

I) Robert „Arch. Zeit." a. a. O. (oben S. 122 A. i). 



— 126 — 

bei Manilius Perseus die Andromeda an den Himmel 
„nach sich zieht". Das Perseusbild war, so scheint es 
also, vor [dem Katasterismus der Andromeda — dieser 
Fassung zufolge — schon vorhanden; der andern Mit- 
glieder der Perseusgruppe — Kassiepea Kepheus Ketos 
— wird in diesem Zusammenhange des Manilius sehr 
bezeichnend keinerlei Erwähnung getan.^) Endlich fallt 
die zeitliche Verbindung des Ketoskampfes mit dem 
Gorgoabenteuer auf. „Noch troff das Sichelschwert 
vom Blute der Gorgo; da traf Perseus auf das Ketos, 
eine zweite Gorgo: so furchtbar war es." 

Die Quelle des Manilius und des apulejanischen 
Novelleneingangs zu ermitteln ist heute schwerlich 
möglich. Dem altattischen Sagenschatze, auch der 
altattischen Poesie ist Perseus wolbekannt. Aeschylus 
hat ihn in den erhaltenen Dramen mehrfach mit Aus- 
zeichnung, aber nur flüchtig erwähnt und das Gorgo- 
abenteuer sogar als Mittelpunkt einer Trilogie, der 
Perseustrilogie, behandelt. Der Kampf mit dem Ketos 
fehlte hier. Ein Perservers deutet aber an, daß 
Aeschylus die Verbindung des Perseus und der Perser, 
die Ehe mit Andromeda, gekannt und anerkannt hat 
(S. 113*). Eine „Andromeda" soll Phrynichus auf die 
Bühne gebracht haben (S. 122). Einen „Perseus" führte 
Aristias 467 auf Aeschylus' „Priesterinnen" mögen die 
Andromedasage oder einen sehr ähnlichen Stoff behandelt 
haben (Fr. 86). Mehr wissen wir nicht Manilius' dra- 
matische Quelle bleibt unbekannt. Ihr entstammt aber 
wol die älteste Erwähnung des Palaemon, vielleicht 



») Robert „Erat." p. 246. 



— 127 — 

auch die Unterscheidung von Portun us-Ai[jLsvtx7i?. Aber 
das eine bleibt bestehen, und das ist hier wesentlich: 
Perseus ist sammt seinen göttlichen Beschützern Athena 
und Hermes eine korinthische Sagenfigur (S. 6. 70), 
das Andromedaabenteuer ist im Kulturkreise von 
Korinth entstanden. Kassiope, die andre Namensform 
von Kassiepea, ist die Eponyme von Kassiope, einem 
Hafen auf der korinthischen Insel Korcyra. 



2. 

I. Ovid läßt Metam rV V. 5 1 2 ff. Ino mit dem 
Knaben vor Athamas unter den bekannten Umständen 
aus Boeotien entfliehn. „Es ragt da eine Klippe weit 
ins Meer hinaus. Von hier stürzt sich Ino hinunter 
mit dem Knaben. Da bittet Venus den Neptun, sich 
der Unglücklichen, die herumgeworfen seien „in lonio 
immenso" (V. 535), zu erbarmen. Neptun erhöht 
die beiden zu Göttern, nimmt sie in seinen Thiasus 
von Meereswesen auf, wie wir das an der einen der 
isthmischen Kultstätten vollzogen sahen.^) Das ionische 
Meer kann auch hier nur der südliche Teil des 
adriatischen sein; es ist unter keinen Umständen zwischen 
Megara und Korinth im Osten zu suchen. Man kann 
nicht anders als annehmen, daß der nicht mit seinem 
Namen bezeichnete Fels nicht an der Küste des 
saronischen, sondern am korinthischen Meerbusen be- 
legen war. Und dazu stimmt eine andre ovidische 
Erzählung.2^) Ino flieht nach ihr unter den gleichen 



Oben S. 77ff. 

4) Fast. VI V. 5CX) ff. Zu dem Verse des Statius „Theb." 
VII 97 „Nee sua pinigero magis adnatet umbra Lechaeo", d. i. das 
fichtenreiche Lechaeum soll von seinem dort angelandeten Schatten 
(er meint den toten Melikertes) nicht mehr haben als Nemea von Dir, 



— 129 — 

Verhältnissen vor Athamas aus Theben, den Melikertes, 
den sie der Wiege entrafft hat, auf dem Arm. „Da 
ist", heißt es dann, „eine schmale Landzunge zwischen 
zwei Meeren. Dorthin kam sie und warf sich ins Meer 
vom hohen Felsen. Panope und die andern Nereiden 
nahmen sie bei sich auf Noch waren sie, Ino und 
der Knabe, nicht an den Tiber gelangt; sie kamen aber 
am Ende dahin." Zweifellos wird ein Fels auf dem 
Isthmus als Sprungstelle bezeichnet; Mutter und Sohn 
sollen nach Italien entkommen. Damit ist auch die 
Auffassung des zuerst behandelten Metamorphosenverses 



Archemorus", bemerkt der Scholiast: „Licet alibi ,undam' legamus, 
tarnen melius ,umbram* accipimus propter Melicertem, qui se de 
Lechaeo monte praecipitavit in mare. In cuius honorem agon cele- 
bratur Isthmiacus, cuius victores pinu coronantur". Es ist nicht zu 
sagen, ob „de Lechaeo monte" im eigentlichen Sinne zu nehmen und 
ein Kap Lechaeum gegen den korinthischen Golf zu als die Stelle 
zu betrachten ist, von welcher der Seesprung des Melikertes erfolgte. 
An sich wol möglich, daß die abweichende Ortsbestimmung erst aus 
dem Statiusverse gemacht ist, welcher mit „pinigerum Lechaeum" 
leicht nach Römerunsitte nichts als den Isthmus gemeint haben wird. 
Verwendbar ist dies Scholion also nicht. Auf das eben genannte 
Scholion verweist eins zu IV 59, das aber anders geartet ist. Zu den 
Worten ,,Inoas Ephyre solata querelas" liest man: „Ephyre ipsa est 
quae Corinthus quae Dyrrhachium; in qua mater Palaemonis colitur. 
Huic (dem P.) templum civitas prima Ephyre dedit, quia de Scironibus 
(scyradibus Hdss.) petris se Ino, uxor Athamantis, praecipitavit in mare. 
Et cum corpus filii Melicertae Corinthum fuisset appulsum, de habitu 
contemplati reg^s fuisse fUium humaverunt. Cui humato institutum 
fertur lustrale certamen, quod Isthmicum vocant, ut quidam volunt. 
Ita solata est Ephyre matris querelas". Aus diesem Scholion und dem 
zu VII 421 (= Hygin „Fab." 2 Schluß) schöpfte der Mythographus 
Vaticanus II (79 p. 102 Bode). I|ygin und Statiuscholion ergänzen 
sich, wie öfters, zu einer und derselben vollständigen Fassung der 
lateinischen Bearbeitung der betreffenden Fabel. 

Maass, Griechen u. Semiten. 9 



— 130 — 

gesichert. Zwischen beiden Zeugnissen besteht vollste 
Einigkeit, beidemale wird die römische, sicher eine 
westliche Kultlegende berichtet. 

Am Euripus ist der Schiffergott Glaukus zu Hause, 
durch die Teilnahme Anthedons an der chalkidischen 
Kolonisation nach dem Westen getragen. Glaukus, der 
Chalkidier (so dürfen wir ihn wol nennen), liebt den 
korinthischen Melikertes-Palaemon, sagt unsre Über- 
lieferung, und Parthenius nennt beide nebeneinander 
als Meeresgötter. ^) Das kann sich aus den Beziehungen 
zwischen Isthmus und Euripus erklären, ebensogut aber 
auch aus den Verhältnissen der westlichen Kolonien 
chalkidischer und korinthischer Nationalität in Sizilien 
und Unteritalien. Leukotheakulte sind im Westen 
mehrfach bekannt. Eine Insel Leukothea liegt bei 
Sorrent 

Nun sind Ino-Leukothea und Melikertes-Palaemon 
an den Tiberhafen der Stadt Rom gelangt und mit 
dem Gott Portunus und der Frauenschützerin Mater 
Matuta gleichgesetzt, besser: ihnen angegliedert oder 
beigeordnet worden. Die Gestaltenpaare decken sich 
natürlich gar nicht Mater Matuta wurde erst seitdem 
zu einer Meeresgottheit, und Portunus ist zunächst 



I) Gaedechens „Glaukus der Meergott" S. 214. Von Glaukus, 
der in der isthmischen Rennbahn der Tapfl^SiTnroc war (E, Pemice „Fest- 
schrift für Benndorf ' S. 79 fF. Paus. VI 20, 15 ff.), sagt Nikanor bei 
Ath. VI! 296 D, er sei in Glaukus umgenannt worden, der Chrono- 
graph bei Klemens (Strom. I 137), Glaukus habe die isthmische Feier 
für M. eingerichtet. Glaukus erscheint neben M. auch auf Bildwerken 
und einmal in der Litteratur bei Parthenius Fr. 33 M. rXa^coi xal 
NTjpTJt xal e?vaX(u)t MeXix^pT7)i (daraus „Glauco et Panopeae et Inoo 
Melicertae" Virgil ,, Georg." I 437). Daraus schöpft wieder Camoens 
(oben S. 118). 



— 131 — 

dunkel. Die Kultgegend aber bestimmt sich durch 
Ovids anschauliche Schilderung, die keinen Zweifel läßt. 
Wer bei Karmentis einkehrt, sich mit Herakles — der 
mit den Geryonesrindern grade auf dem stadtrömischen 
Boden angelangt war — unterhält und den Thyiaden- 
lärm im Stimulahain vom „nahen Aventin" wider- 
hallen hört: der befindet sich unzweifelhaft auf oder 
an dem Forum boarium. Der Süden der Stadt war 
sehr belebt nicht bloß wegen de^ Hafens und der 
Werft, sondern auch wegen der vielen alten Heiligtümer 
des Rindermarktes und seiner Umgebung bis zum 
Aventin Caelius und Palatin; die Verkäufer der Götter- 
kränze hatten auf dem Platze vor dem Portunustempel 
am Pons Aemilius beim Rindermarkte ihren Stand.^) 
Besonders waren fremde Gottheiten angesiedelt: der 
älteste unter ihnen an dieser Stätte Herakles, aus einer 
griechischen Gegend eingeführt, hatte hier seinen Altar 
und seinen Rundtempel. Es ist nicht zufallig, wenn 
die bei Ovid erhaltene Legende Ino mit ihrem Sohne 
bei ihrer Ankunft in Rom am Tiberufer grade von 
Herakles empfangen werden läßt: er war der Schutz- 
patron des „Rindermarktes". 

Über das Fortbestehen des Tiberkultes stehen zwei 
Zeugnisse zur Verfügung. Bei Seneka „Oedipus" 
V. 445 ff. nennt der thebanische Chor aus römischer 

') Fronto I 6 p. 19 „Coronae alia dignitate sunt, in Portunio 
cum a coronariis veneunt, alia, cum a sacerdotibus in templo porri- 
guntur". Hülsen p. 263. Es ist auch Tempelplatz. Varro ,,De lingua 
latina" V 145 meldet, daß der römische Fischmarkt längs des Tiber 
„ad iunium" gewesen sei. Daß damit die Gegend am Rindermarkt be- 
zeichnet wird, ist anerkannt. Hülsen wollte in der in der übernächsten 
Anm. genannten Schrift die augenscheinlich verderbte Ortsbestimmung 
zu „ad Portunium^ ergänzen. 

9» 



— 132 — 

Vorstellung den Sohn der „Herrin des Meeres und der 
Nereiden" einen Fremden (advena) und ein Plautusleser 
fügte der Stelle im „Rudens" (V, i6of.), wo Palaemon 
nach griechischer Auffassung und also aus der griechi- 
schen Vorlage Begleiter Neptuns heißt, der angerufen 
wird, als der Sprecher zwei schiffbrüchige Frauen im 
Kahn erblickt, in seinem Exemplar die Worte hinzu 
'welcher Genosse des Herakles genannt wird* (qui Her- 
culis socius esse dicitur). Sie stehn heute im Text 
trotz der Prosa.^) Nur in Rom ist Palaemon Genosse 
des Herakles. Die Interpolation oder Glosse ist 
ein guter Beleg für das Fortbestehen der römischen 
Filiale des korinthischen Palaemon in der Kaiserzeit. 

Am Tiber in der Gegend des alten Rindermarktes 
liegen noch heute zwei gut erhaltene kleine Tempel, 
beide herrenlos und zu vergeben, beide, wie gesagt 
wird, aus der letzten Zeit der Republik, der runde, 
ursprünglich dem heiligen Stephanus, jetzt der S. Maria 
del Sole, der andre der S. Maria Egiziaca geweiht. Es 
ist mehrfach, zuletzt von Hülsen, vermutet, aber nie ge- 
glaubt worden, daß der runde Tempel, ein Bau korinthi- 
scher Ordnung, dem Palaemon-Portunus, der rechteckige 
ionische der Ino-Mater Matuta angehört habe.*) 

2. Am II. Juni feierten die Mütter der Mater Ma- 
tuta, d. i. Ino-Leukothea nach der Legende bei Ovid, 
das Matralienfest. Portunalien wurden am 17. August 

I) Was Leo vergleicht, ist andrer Art (II p. 316A.); der „Ringer" 
Herakles hat mit dem Gott Palaemon gar nichts zu tun. Ebensowenig 
freilich der Argiver Palaemon, welchen Statius in der „Thebais" VIII 
V. 134 f. zum Freunde des Adrast fingiert (trotz Carter im Suppl. zu 
Roschers „Myth. Lex." p. 80). Vgl. S. 68. 

*) In dem lichtvollen Aufsatz ,,I1 foro boario e le sue adiacenze'* 
(Diss. della pontificia Accademia romana, serie II tom. VI, Rom 1896). 



— 133 — 

dem Portunus begangen „an der aemilischen Brücke" 
nach Ausweis der alten Kalender; das ist der mit dem 
isthmischen Palaemon gleichgesetzte italische Gott 
Einige unter den Antoninen geschlagene Münzen^) 
zeigen mehrere Gebäude dieser Gegend des Tiberufers, 
den Aeskulaptempel mit dem Advent der heiligen 
Schlange, die Schiffshäuser und hinter ihnen in der 
Richtung des erhaltenen Rundtempels einen ungewiß 
worauf sitzenden Knaben mit ausgestreckter Hand. Es 
ist Palaemon. 

Wer ist Portunus? Geantwortet wird „der Gott 
der Anlegestelle in dieser Tibergegend". Also eigent- 
lich der Tiber selbst, der denn auch auf der den Hafen 
abschließenden Insel seinen Tempel besaß und auch 
auf den oben genannten Münzen als Lokalgott der Hafen- 
gegend aufgefaßt wird. Die Spaltung in zwei Wesen, 
den Tiber selbst und den Hafengott, ist dennoch sicher. 
Die Portunalien am 17. August, dem Tag des Janus, 
und der Flamen Portunalis beweisen nicht bloß das 
Alter, sondern auch die römische Ursprünglichkeit des 
Portunus. Das ist allgemein zugegeben. Neben diesen 
Gott des Tiberhafens der Stadt Rom trat der dort land- 
fremde Meeresengel, der Knabe Palaemon. Von wo ist 
er dorthin gekommen .f^ Man sollte meinen, vom Isthmus 
von Korinth, wegen der Gleichsetzung mit Melikertes in 
der allerdings erst aus der letzten Zeit der Republik 
stammenden römischen Kultlegende: eine Gleichung, 
welche auf dem Isthmus, aber nicht ausschließlich dort, 
geglaubt worden ist. Das Zusammentreffen entscheidet. 
Das Groteske in der Gleichsetzung haben die neueren 

*) Hülsen a. a. O. Andre Exemplare bei Dressel in Sallets 
,, Zeitschrift" 19CX) Taf. i. 



— 134 — 

Mythologen richtig herausgefühlt. Ich weiß Jordans 
Worten (I S. 324) „Destoweniger paßte Portunus zu 
MeUkertes-Palaemon. Indessen wurden auch sie gleich- 
gesetzt und der Hafengott Pater Portunus dadurch (Vir- 
gil V V. 241) zum Kinde" nur hinzuzufügen, daß Portu- 
nus auch durch sein einmal erwähntes Attribut der 
dreizackigen Harpune eher dem Poseidon, welcher den 
Dreizack führt, als dem Meeresengel Palaemon an- 
geglichen wird..^) 

3. Für die Verteilung der beiden erhaltenen Tempel 
am Tiber läßt sich folgendes gewinnen. Der Rund- 
tempel darf wegen des isthmischen Gegenstücks dem 
Palaemon zugewiesen werden. Doch bleibt ungewiß, 
ob Palaemon ihn mit Portunus teilte oder ob Portunus 
ein eigenes Heiligtum besaß, daß dann für unsre 
Kenntnis verschwunden wäre; auch Melikertes hatte 
neben Palaemon auf dem Isthmus in derselben Um- 
fassungsmauer seinen Sondertempel. Dem Anschein 
nach gehörte der rechteckige der (mit Ino-Leukothea 
vereinigten) altitalischen Frauengottheit Mater Matuta. 
So würden denn, wie Hülsen es wollte, die altehr- 
würdigen Gotteshäuser am Flusse ihre Namen und 
ihre Bedeutung zurückempfangen haben. 



') S. 120I. Martianus Kapella V i p. 138 Eyss. Athamas hört bei 
Ovid „Fast." VI V. 556 von einer Sklavin „agricolis semina tosta dari"; 
bei Hygin heißt es, Ino habe sich mit den Müttern verschworen, „ut 
fruges, in sementem quas darent, torrerent". V, 545. 7 verkilndet 
Karmentis „Leucothea Grajis, Matuta vocabere nostris; Quem nos Por- 
tunum, sua lingua Palaemona dicet". Hygin sagt "Quam Liber Leu- 
cotheam voluit appellari, nos matrem Matutam dicimus; Melicertem 
autem deum Palaemonem, quem nos Portunum dicimus". Das ist 
die römische Legende mit Anklang an Ovid, 



— 135 — 

„Rom ist der Ort, in dem sich für unsre Ansicht 
das ganze Altertum in eins zusammenzieht", sagte 
W. V. Humboldt zu Goethe; nicht immer nur fiir unsem 
Eindruck, von welchem das meiste ja uns und nicht 
dem Gegenstande angehören würde. In unserm Falle 
und unzähligemale war und ist Rom ein Lebendiges, 
das wie mit elementarer Gewalt aus der Welt das 
Große und Charakteristische in sich aufnimmt und 
festhält. Welche hellenische Stätte könnte aber im 
Sinne des römischen Betrachters während der Aus- 
gangszeit der Republik charakteristischer erschienen 
sein, als die international-hellenische Feststätte der 
neuen, Nordgriechenland und den Peloponnes, Orient 
und Occident verbindenden Römerkolonie Laus Julia 
Corinthus auf dem Isthmus? 



Bedeutendere Zeugen vom alten Rom gibt es viel 
im neuen, anmutenderes aber und stimmungsvolleres 
wird aus der Antike inmitten eines bunten und harm- 
losen, von den Fremden nicht beunruhigten, unver- 
fälscht italienischen Volkslebens in Rom nicht geschaut, 
als jene stattliche Ruinenreihe von der Piazza Monta- 
nara bis zur Bocca della veritä, vom Marcellustheater 
bis zu den beiden stillen Tempeln am Tiber. Die 
griechische Religion hat sich hier um den Ausgang 
der Republik der altrömischen gesellt. Die Semiten 
aber sind hier wie auf dem Isthmus von Korinth gänz- 
lich unbeteiligt.