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CL-^Ä^^o. T 3 <^, 3
l^arbarl) College l,il]rarg
BOUGHT WITH INCOME
THOMAS WREN WARD
lum ol $5000 was received in 1S58,
fae income (o be acDually expendeil
for Ihe purchase of books."
1 «
GRIECHEN UND SEMITEN
AUF DEM
ISTHMUS VON KORINTH
RELIGIONSGESCHICHTLICHE UNTERSUCHUNGEN
VON
ERNST ^AASS
PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT MARBURG
MIT EINER ABBILDUNG
BERLIN 1903
DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER
Xx)o-A,^rx<./C9
VM/ f
HERMANN DIELS
GEWroMET
Berlin 1883— 1886.
INHALT.
S^ite
I. Einleitung i
Ansichten über orientalische Elemente im alt-
griechischen Götterglauben S. i — 2. — Anlaß
und Entstehung des Buches S. 3.
IL Melikertes 4
1. Ansichten über die Phoenizier in Korinth
S. 4. — Die phoenizische Athena ebenda
S. 5 — 6; Athena Hellotis ebenda S. 7.
2. Die Ansichten über die Phoenizier auf dem
Isthmus von Korinth beruhen auf der
Gleichung der Götter Melikertes-Melkart
S. 8 — 12. — Grundsätzliche Behandlung
solcher Namengleichungen S. 12; Melite-
Malta S. 13 — 14. — Die Gleichung Meli-
kertes-Melkart nur modern S. 15 — 16.
3. Der Gottesname Melikertes aus dem Grie-
chischen unrichtig erklärt von Fick-Bechtel
S. 17 — 19. — Das i nicht euphonisch S. 19
bis 20, nicht Kasussuffix oder Stammvokal
S. 20 — 22. — Drei Stämme zur Verfügung,
[liXi \i£ko^ [xsXstv S. 22 ; ein Durcheinander
der drei Gruppen hat nirgends stattgefunden
S. 23. — Meleagros keine Analogie S. 23
bis 24. — Melikertes von xeipo) und jxsXi
— VI —
Seite
„der den Honig herausschneidet" S. 25
bis 27. — ,Melikertes* Anrufung des Zauber-
gottes der Papyri S. 27 — 30; Honig im
Zauber und sonst S. 31 — 35. — ,Melikertes*
Beiname des Dichters Simonides S. 35
bis 42. — Melikertes als Gottesname nur
Sondername S. 42 — 43.
4. Bienenpflege in lonien (Homer) S. 44 bis
45, in Boeotien (Hesiod, Namenkomposita
auf Inschriften) S. 45 — 46, in der Sage
S. 46 — 48. — Orts- und Personennamen
von upov ,Honig* upta ,WabeS besonders
boeotische aus dem Mythus S. 48 — 52,
Tev&pT^Scüv &pü)vac '^t^^'t^^ (KTjcpeu?) S. 52 — 53.
— Bienengötter S. 54 — 55, Bienenheilige
der Christen S. 55 — 56. — Melikertes als
Gottesname Rudiment altbäuerlicher Reli-
gion vom Isthmus S. 56.
5. Aus der Landschaft Korinth ist Melissus
als zweiter Name desselben Bienengottes
überliefert in der delphischen Kolonisations-
legende von Korcyra und Syrakus S. 57
bis 65. — Eppich, Bienenkraut, im isth-
mischen Agon S. 66. — Keine Melikertes-
darstellungen erhalten; Michelangelos Gio-
vannino S. 66 — 67,
IIL Palaemon 68
I. Meeresengel ,RingerS der die bösen Meeres-
dämonen niederringt, sonstige Träger des
Namens S. 68 — 69, nicht ohne weiteres
dem isthmischen gleichzusetzen S. 69. —
Analogie des korinthischen Perseus S. 70
bis 71. — Delphinreiter S. 71 — 73.
VII —
Seite
2. Palaemon auf einem phantastischen Meer-
tier auf altkorinthischer Scherbe (mit Figur
S. 75) S. 74—76.
3. Ihren verschiedenen Funktionen gemäß
sind Palaemon und Melikertes im isthmi-
schen Kult zu trennen, Melikertes im Ady-
tum, Palaemon im Palaemonium (zusammen
mit den Meeresgöttern Poseidon und
Leukothea) S. ^^ — 80. — Das Adytum
Schwurstätte; dazu Analogien S. 80 — 83. —
Menschenopfer an Palaemon auf Tenedus
S. 84—85.
4. Opfer an Meeres- und Windgötter S. 86
bis 91.
5. Strandaltar des Melikertes auf dem Isth-
mus S. 92 — 94. — Die isthmischen Spiele
zuerst dem Melikertes allein, dann der
isthmischen Meerestrias Poseidon Leuko-
thea Palaemon gehörig S. 94 — 95.
6. Melikertes in Aethiopien S. 96 — 97.
IV. INO 98
1. Die Legende in der Odyssee und in der
großen Poesie überhaupt geht zuletzt auf
ein verlorenes Epos zurück, das aus der
isthmischen Tempeldichtung schöpfte S. 98
bis 100; diese verband die ursprünglich
getrennten Ino und Leukothea, Palaemon
und Melikertes durch den Meeressprung
S. 100 — lOi; sie ist durch die ionische
Kadmussage beeinflußt S. lOi — 102.
2. Leukothea ,die weiße Meeresgöttin* und
Palaemon in lonien S. 103. — Inos Name
mit Hilfe von Analogien erläutert S. 104
— vm —
Seite
bis io6; Ino Inkubationsgöttin und Orakel-
göttin in Lakonien S. io6; esthnische und
altenglische Analogien S. 107 — 109; alles
Semitische ist fernzuhalten S. 110. — Das
Paar, die göttliche Mutter mit dem Knaben,
auch sonst unter verschiedenen Namen
durch die griechischen Landschaften ver-
breitet, rein menschlich zu beurteilen S.i 10
bis III.
V. Melikertes und Palaemon 112
Obwol getrennte Wesen sind sie wol nicht
ganz ohne Beziehung S. 1 1 2 ff. ; Melikertes
hat neben der rein profanen Berufssphäre
als Honigschnitter vielleicht eine Art sa-
kraler als priesterlicher Gott, dazu Ana-
logien (Deborah, Melissa, [i£Xicjaov6|xoi, Ke-
pheus, Aristaeus), etwa wie Aristaeus Regen
und Winde weckt S. 112 — 117. — Exkurs
über Orion S. 116^.
VI. Palaemon und Portunus 118
1. In der Novelle bei Apulejus (Metam. I)
sind beide getrennt, Portunus griechischer
Hafengott S. 118 — 120, in der ,Aeneis* V
V.239ff. sizilischerHafengottS. 120 — 122. —
Quelle des Apulejus ist die altattische, bei
Manilius V V. 538 ff. benutzte Andromeda-
tragödie, die inhaltlich hergestellt wird
S. 122 — 127.
2. Ovid ,Metam.* IV V. 51 2 ff. u. s. bietet eine
aus der isthmischen erwachsene Kult-
legende, welche einer römischen Tiber-
filiale des isthmischen Palaemon gilt und
Gleichung des Palaemon mit dem altitali-
— IX —
sehen Portunus, der Ino mit Mater Matuta
behauptet S. 128 — 130; sonstige Spuren
im Westen S. 1 30. — Kultverhältnisse auf
dem römischen Rindermarkt S. 131. —
Seneka (Oedipus V.445 ^0 ^^^ ^i^^ Plautus-
interpolation (Rudens V. 161) gehn auf den
Kult des Palaemon auf dem römischen
Rindermarkt S. 132. — Die Inhaber der
beiden erhaltenen Tibertempel S. 132 bis
133 — 134. — Allgemeine Bedeutung der
römischen Neugründung des Kults vom
Isthmus S. 135.
NACHTRAG.
S. 37 hätte ich die von Simplicius zur Physik benutzten Krjofa
des Sponis u. a. erwähnen sollen.
i. EINLEITUNG.
Über orientalische Elemente im altgriechischen
Götterglauben ist seit dem Altertum viel von vielen
vermutet worden. Solche Vermutungen galten und
gelten heute in weiten Kreisen als unumstößliche Wahr-
heiten. Ernst Curtius erklärte noch zuletzt eine Ein-
schränkung oder Ablehnung der von ihm verfochtenen
orientalischen Hypothesen für einen wissenschaftlichen
Rückschritt.^) Öfters ist Einspruch erhoben. Mommsen
schreibt:^) „Die religiösen Vorstellungen der Phoenizier
sind formlos und unschön, und ihr Gottesdienst schien
Lüsternheit und Grausamkeit mehr zu nähren als zu
bändigen bestimmt; von einer besonderen Einwirkung
phoenizischer Religion auf andere Völker wird wenigstens
in der geschichtlich klaren Zeit nichts wahrgenommen."
Forscher auf dem Gebiet des alten Orients sind zu der
gleichen Auffassung gelangt wie Mommsen. Mir ist
das wiederholt versichert worden. Ich will aber ein
wissenschaftliches Buch nennen, aus welchem sich er-
gibt erstens, daß uns die phoenizische Religion im
') Gesammelte Abhandlungen II S. VII.
a) Rom. Geschichte I5 S. 484.
Maas«, Griechen u. Semiten.
— 2 —
einzelnen recht unbekannt ist, sodann, daß sie auf
andere Nationen in der Tat kaum eingewirkt hat. Beides
entnimmt man aus Pietschmanns „Phoeniziern".^) Allein
für die allgemeine Stimmung sind die Zweifel und die
Warnungen d6r Berufenen wirkungslos verhallt. Ich
werde in einer Frage, welche von den Vertretern der
semitischen Hypothesen innerhalb der griechischen
Kultur beinahe ohne Ausnahme behandelt oder berührt
zu werden pflegt, das sehr einfache und dazu jedem
kontrollierbare Beweismaterial vorlegen. Ich habe die
Untersuchung auf den festen Grund und Boden der
Überlieferung, der wirklichen Überlieferung, welcher
gewöhnlich verlassen wird, zurückgeführt, um eine Ver-
ständigung zu erzielen. Über richtige oder fehlerhafte
Methode in der Untersuchung muß es, sollte man
meinen, möglich bleiben sich zu einigen. Nichts auf
der Welt ist schlimmer, als eine ungeprüfte Vulgata,
xapaaast toüc dv&pcüiroü? o& xd TTpayiiaTa, aXkoL xa irepl xwv
irpaYixaxcüv Soyjiaxa, und nichts unheilvoller als der täu-
schende Glaube, Grundfragen der griechischen Kultur,
d. h. aller Kultur, mit Allgemeinbegriffen, einigen Stich-
worten und starkem Selbstvertrauen ohne Einsatz ent-
sagender, dem Endziel sich nur allmählich nähernder
Arbeit abtun zu können. Nicht aus allgemeinen Vor-
stellungen sollen wir die Einzelheiten regeln, son-
dern das unbedeutend Einzelne zum Allgemeinen
zusammenrufen. „Hypothesen sind Wiegenlieder, womit
der Lehrer seine Schüler einlullt" sagt Goethe. Anders-
wo hat er dasselbe so ausgedrückt: „Der Jüngling
glaubt mit einem lebhaften Streben bald in das innere
') Allgem. Gesch. in Einzeldarstellungen I, IV, 2 (z. B. S. 284).
— 3 —
Heiligtum zu dringen; der Mann bemerkt nach langem
Umherwandeln, daß er sich noch immer in den Vor-
höfen befindet". Auch ich bin nur in den Vor-
hof gelangt. Ihn wenigstens habe ich hoffentlich
erreicht, während ich erkannt habe, daß die, welche
ich bestreite, noch außen herumschweifen. Was ich
also vorlegen werde, ist, sei es durch meine Schuld,
sei es durch die Mangelhaftigkeit der Berichte, nicht
genügend bestimmt und ausgeprägt; es ist beschränkt
und der neuen Probleme sind viele. Das noch unge-
münzte, noch nicht auszählbare Metall erscheint aber
vielfach und wird auch hier als ein ziemlich lästiger
Besitz erscheinen. Ich habe darum der Versuchung
lange widerstanden, eigne Untersuchung dem fest ge-
wurzelten allgemeinen Vorurteil entgegenzustellen, und
hätte weiter widerstanden, wenn nicht die Ereignisse
und Arbeiten der erstvergangenen Jahre mich auf das
lebhafteste die Gefährlichkeit des Dogmas wieder
hätten empfinden lassen. Es ist alles noch wie es war;
nur ist es verworrener geworden.
Im wesentlichen ist der Grundgedanke der folgen-
den Kapitel während des unvergeßlichen Frühlings 1889
in frohen Tagen auf einsamen Wanderungen durch
Attika und die heiligen Stätten des Peloponnes ge-
staltet, das Ganze aber erst vor fünf Jahren nieder-
geschrieben und in Form eines Vortrags in unserem
Marburger historisch - philologischen Dozentenverein
einem beteiligten Kreise von Kollegen und Freunden
im Dezember 1898 mitgeteilt worden. Aus den in-
zwischen von andern veröffentlichten Arbeiten, die
sich auf den Gegenstand des Buchs beziehen, habe ich
darum nur einiges Wenige nachgetragen.
IL MELIKERTES.
I.
Korinth gilt bei vielen, ja fast allgemein als ein
Mittelpunkt des phoenizischen Götterkultus in Griechen-
land. Jetzt tragen schon die Handbücher der Mytho-
logie und der Geschichte diese Anschauung, als sei sie
zweifellos und Grund zu frohlocken, in alle Kreise.
Und gewiß: wenn an diesem international-hellenischen
Religionscentrum, welches durch die großen Festspiele
seit der frühesten griechischen Zeit bis zum Untergang
der antiken Welt noch besonders verherrlicht wurde,
die phoenizischen Händler so tiefe Spuren, wie be-
hauptet wird, wirklich hinterlassen haben sollten, dann
ruht die orientalische Hypothese hier auf sicherem
Grunde, dann haben wir uns auch anderswo ähnlicher
Dinge zu gewärtigen, dann nur zu: das eigentlich
Griechische ist dann gleichwertig und gleichbedeutend
mit dem Semitischen. Kein Wunder, wenn Jakob Burck-
hardt die Folgerungen in diesem Sinne klar und be-
stimmt schon gezogen hat. Sogar die Organisation
der griechischen Polis will er auf das phoenizische Vor-
bild zurückgeführt wissen.^) Warum auch nicht.? Das
übrige würde von selber nachfolgen.
') Griechische Kulturgeschichte I, S. 6i f.
— 5 —
Für das Stadtgebiet von Korinth arbeitet diese
Hypothese wesentlich mit der Athenareligion. Unter
dem Beinamen „die Phoenizierin" (Ooivixtj) besaß Athena
in Korinth einen Kult; die Gegend, in welcher der
Tempel oder der Altar stand, hieß Ootvtxatov,^) auch wol
der Tempel selbst, wie die Analogien (F^aüxcoiriov
'EXsüatviov riü&iov AeXcptvtov) nahe legen. Die Ableitung
wird durch die sprachliche Form erfordert, es heißt ja
nicht Ootvtxtov; es ist falsch, wenn Ernst Curtius schreibt i^-)
'Unter den Ortsnamen erinnert das Ootvtxatov an die
orientalische Niederlassung, unter den Gottesdiensten der
der phoenizischen AthenaS und wenn andre dies nach-
gesprochen haben 3). Das scheinbare Doppelzeugnis
für Korinth, Athena Ooivixtj und Ooivixatov, ist in Wahr-
heit ein einziges; wir haben es nur mit dem Beinamen
der Göttin zu tun, von welchem OoivtxaTov erst ab-
geleitet ist „Athena die Phoenizierin" scheint aber ein-
leuchtend. Man möchte sich vielleicht entschließen,
anzunehmen, daß die Korinther eine ihnen aus Phoe-
nizien zugeführte landfremde Göttin mit ihrer Athena
gleichgesetzt hätten. Dennoch wäre dies so lange eine
Übereilung, als Ooivixyj hier noch etwas anderes be-
deuten kann. In Epidaurus stiftete zur Zeit der Antonine
ein römischer Senator Antoninus Tempel dem As-
') Odelberg „Sacra corinthia sicyonia phliasia** p. 30 hat das
Verhältnis zwischen Athena (t>oisU-q und (Poivixaiov umgekehrt.
Vgl. Steph. Byz. s. v. (PoivixaTov] 6poz Kopfv^ou. *Ecpopo? xpiaxaiS^-
xaxoc (Fr. 137). tö lOvixov (Poivixctloc Schol. Lyk. 658 (PoivixTj hk 1^
!A^vd ^v Kop(v&ü)i TijjLolTai. Lykophron selbst hatte nur allgemein der
Athena 4>otv(x7) gedacht.
*) Peloponnesos II. S. 517.
3) Z. B. Wilisch, Progr. von Zittau 1875, S. 21 A.
— 6 —
klepius und dem Apollo, welche Götter er zur Unter-
scheidung von den anderen epidaurischen Asklepius-
und Apollodiensten „die aegyptischen" zubenannte.
Pausanias hat diese Stiftung lebhaft beschäftigt.^) Der
Senator wird Filialen griechischer Kulte des Pharaonen-
landes, wer will heute noch wissen, aus welchen per-
sönlichen Gründen, nach Epidaurus übertragen haben.
So wenig aber die beiden Götter des Antoninus durch
ihren Zunamen als aegyptisch ihrem Ursprünge nach
bezeichnet sind, so wenig haben wir ein Anrecht, die
korinthische Athena Phoenike als phoenizisch ihrem
Ursprünge nach aufzufassen. S. Maria Egiziaca, die
Nachfolgerin der Mater Matuta am Tiber, ist „aegyp-
tisch" gewiß nicht ihrem Wesen nach, sondern eher,
weil dieser Sonderkult aus dem christlichen Aegypten
oder von aegyptischen Christen in Rom eingerichtet war,
im Gegensatz zu den vielen sonstigen Marienkulten der
Stadt Rom. Das Korinth, welches Pausanias geschildert,
ist die römische Kolonie Laus Julia. Dahin mögen
Griechen oder Römer oder wer immer die Filiale eines
in Phoenizien bestehenden, natürlich griechischen, Kult-
tempels der griechischen Göttin übertragen und zum
Unterschiede von den Athenen mit den Zunamen
XaXtvtxtc und'EXXcüxfe „die Phoenizierin" genannt haben.
Griechisch bleibt diese Athena darum doch; in Phoe-
nizien wohnten damals viele Hellenen oder hellenisierte
Angehörige andrer Nationen. Nie und nirgends ist im
') II, 27 bnöda hl 'AvTtovTvoc, dv^jp t^c auyxXT^Tou ßouX^c, l(p*
i^fxÄv inoi-qazy, Idxi fx^v 'AaxXTjTriou XouxpcJv, laxi hh Upov dewv o^c
'E7ri8(i)xac ovojjLC^Couaiv. inoiriaz hl xal 'Tyieictc va6v xal *AaxX7)7riü)i
%a\ 'ÄTidXXtovi ^TT^xXTjaiv AiyuTrxfoic Weiter erneute er die sog.
Halle des Kotys und erbaute eine Entbindungsanstalt in Epidaurus.
— 7 —
Altertum die griechische Himmelstochter, welche zu
der Blitzkammer des Zeus allein die Schlüssel fuhrt,
als Semitin angesprochen worden. Wer das zu be-
haupten unternimmt, hat die volle Beweislast ohne
Zeugenhilfe allein zu tragen — wenn er vermag. Es
sollte doch wirklich für Korinth und seine Kolonien
schon die eine Tatsache, daß Athena hier als die
Schutzgöttin des Nationalhelden Perseus fest erscheint,
ausreichen, um diese Göttin vor jedem semitischen
Verdacht für immer sicherzustellen. Vielleicht gelingt
es aber noch, die korinthische Athena anders anzu-
knüpfen. Sie heißt 'EXXwTta oder 'EXXwxfe, ihr Fest
*EXXtt)Tia. Das vorausgesetzte 'EXXwtoc ist nach Analogie
von BowüTo? 'AiroScDT^c öecjTrpcüToc ein Ethnikon und ge-
hört zu *EXXoc, wie Boicdtoc zu Bow (oder Botov opo?).^)
^EXXoi, dialektisch für 2eXXot,^) bedeutet die Bewohner-
schaft von Dodona und Umgebung. Danach wäre
anzunehmen, daß Athena in ihrem Beinamen 'EXXwTti
eine Erinnerung an ihre alte Heimat unverloren auf-
bewahrt hat. Und ich wüßte nicht, was dem entgegen
wäre.3) Jedenfalls ist Athena in Korinth, wie sonst bei
den Hellenen, die hellenische Himmelstochter, nicht
weniger. 4)
") Kretschmer „Einleitung in die Geschichte der griech. Sprache**
S. 257. Hesych s. v. 'Apa)T(5c] 'HpaxXijc Tiapd MaxeSdaiv gehört wol
auch hierher.
*) Hesych s. v. 'EXXod "EX^Tjvec ol h A(i)6u)V7]i. xal ol lepeic
S. V. 'EXX(5c ähnlich.
3) Denselben Beinamen trägt Europa in Kreta (Hesych s. v.).
S. V. E{)pü)7r(c] T^Traxp^c ist nicht in 'HireiptOTfc zu ändern.
4) Wilisch (bei Röscher u. d. W. Hellotia) macht die 'A^r^va
^EXXü)t(c zur Semitin. Seine Methode ist die von Movers inaugurierte.
Zu wideriegen ist da nichts.
2.
Für den Isthmus von Korinth lautet die semitische
Hypothese so. Die Phoenizier sollen auf den Isthmus
einen ihrer Hauptgötter, den Stadtgott von Tyrus, ver-
pflanzt haben. Hier sei er ganz heimisch geworden
und auch nach seiner im Laufe der Zeit erfolgten
Unterordnung unter den isthmischen Poseidon ein
Mittelpunkt der isthmischen Religion und der großen
international-hellenischen Spiele geblieben. Der Beweis
liege im Namen. Der von den Hellenen verehrte
Melikertes vom Isthmus sei eben nichts anderes als
der tyrische Melkart (Melek-qart „Stadtkönig"), dessen
Namen die Hellenen ihrer Zunge anbequemt haben.
Dies etwa die kaum je ernstlich bestrittene Beweis-
führung, wie ich sie aus den mannigfachen Darstellungen
des Gegenstandes bei Philologen und Mythologen,
Historikern und Orientalisten formuliert habe, und zwar
die ganze Beweisführung. Es ist die Etymologie, die
den isthmischen Melikertes und den semitischen Melkart
zusammengeführt hat, sie allein. Was außerdem zum
Beweise herangezogen worden ist, das betrifft Einzel-
heiten, welche auch nach der Meinung der Vertreter
dieser Hypothese an sich ganz unsicher sein würden.
— 9 —
So will Blümner „Midakritus", der den Griechen zuerst
das Blei zugeführt haben soll, in Melikertes umändern.')
Der Name „Midaserlesen" wird aber durch Bildungen
wie Theokritos Diokritos Herokritos Demokritos wol
genügend geschützt, und das Fabelbuch Hygins nennt
zwar nicht den Midakritus, aber doch den Midas für
dieselbe Erfindung.^) Solche Varianten sollen wir hin*
nehmen, ohne zu mäkeln. Die Namengleichung also, nur
sie, ist und bleibt vielen Forschern eine selbstverständ-
liche, unbestreitbar richtige Voraussetzung. „Da die
geschicktesten Orientalisten (wie Movers und Creuzer)
seit langer Zeit Melikertes und Melkart gleichgesetzt
haben, dürfen wir das auch", so etwa urteilt De Witte3)
unter dem Beifall S. Reinachs 4); auf diesen wieder
beruft sich Usener,5) als hätte jener einen Beweis ge-
führt oder versucht zu führen. So geht die ganze
These, wie sie ist, auf das Buch des Theologen Movers
über die Phönizier oder auf einen früheren ähnlich
befangenen Vertreter der semitischen Kultur zurück.
Nachgeprüft ist sie noch nie, aber immer weiterge-
') Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste IV,
S. 87 A. Plinius „N. H." VII, 197 „Plumbum ex Cassiteride insula
primus adportavit Midacritus**.
*) Fab. 274, 10 „Midas, Cybeles filius, Pliryx plumbum album
et nigrum primus invenit". Knaack „Hermes** XVI, S. 595 A.
Mommsen zu Kassiodor „Variae** (M. G. H. Auct. antiqu. XII) praef. p.
XXI sq. Kremmer „De catalogis heurematum**, p. 71 sq. Amymone
heiratet nach Hygin „Fab.** CLXX p. 33 B. im Danaidenkatalog
jpMidamum**, also „Midam** (den Eponymen von Mideia) oder „Mi-
dylum**, den Eponymen der Midylidai.
3) Gazette arch. V, 1879, P« 219.
4) Revue arch. 1898, p. 59.
5) Sintflutsagen S. 151 ff.
/
— 10 —
spönnen und weitergegeben, wie eben jetzt der von
Weizsäcker veröffentlichte Artikel „Palaimon" inRoschers
mythologischem Wörterbuch für viele zeigen mag.
Und die Philologen helfen bereitwillig mit W. Christ
fühlt sich überrascht, „den Semitengott Mehkertes" noch
nicht in der hesiodischen Theogonie erwähnt zu finden
und sieht in seinem Fehlen wol gar eine Art chro-
nologischen Argumentes. I) Nun haben Gesenius —
ihm folgend Grasberger — und Gruppe^) auch schon
die sprachliche Entwicklung des semitischen Gottnamens
auf griechischer Erde vor Augen geführt; ich habe von
keiner Seite ein Wort der MißbiUigung' gelesen.3)
Ich will nicht verschweigen, daß zeitweise im Lager
der Orientalisten Zweifel an der Berechtigung dieser
These aufgekommen zu sein scheinen. Ed. Meyer
redete im L Band seiner „Geschichte des Altertums"
S. 192 vom „Phoenizier" Melikertes sehr sicher. Dann
liest man IL S. 146 den nicht mehr so zuversichtlichen
Satz: „Sicher phoenizisch ist außer den Kabiren wol
>) Griech. Litt.-Gesch. I', S. 72 A.
*) Grasberger „Studien zu den griechischen Ortsnamen** S. 278.
Gruppe „Griech. Mythol.** I, S. 135 läßt von dem als phoenizisch
aufgefaßten Melikertes nach der Art griechischer Komposita eine Kurz-
form Melikios und daraus Melissos entstehen I Melissa, Perianders
Frau, soll nach diesem Melkart benannt seini Ihm gilt Learchos, der
Bruder des Melikertes, als griechische Uebersetzung von Melkart 1 —
Auch Makareus Makar (Euboea Lesbos) ist als ein aus Melkart ver-
dorbener Name aufgefaßt worden (Olshausen „Rhein. Mus.** VIII,
S. 329). Lewy (Semitische Fremdwörter im Griechischen S. 240 flf.)
hat das alles registriert.
3) Odelberg „Sacra corinthia sicyonia phliasia", Upsala 1896, p. 142
denkt an griechischen Ursprung. Wide (Lakonische Kulte S. 230)
nennt ihn rätselhaft.
— II —
nur der am korinthischen Isthmus verehrte Meerdaemon
Melikertes, dessen Name von dem des syrischen Stadt-
gottes Melkart, der die Schiffahrt beschirmt, schwerlich
getrennt werden kann." Das leichte Zugeständnis ist
aber im Jahre 1896 wieder beseitigt worden. In
Roschers „mythologischem Wörterbuch" (u. d. W. „Mel-
qart" S. 2652) redet Meyer so sicher wie vordem: „Die
Gestalt des griechischen Melikertes ist, wie der Name
lehrt, 'sicher* aus dem phoenizischen Melkart erwachsen
und erweist Vielleicht* eine alte phoenizische Ansiedlung
auf dem Isthmus von Korinth." Das ist ganz die alte,
besonders von Ernst Curtius zwar nicht erfundene,
aber zeitlebens mit Energie vertretene Meinung, die er
zuletzt so zusammenfaßte: „Die eigentümliche Ent-
wicklung des Volkslebens in Korinth hängt wesentlich
damit zusammen, daß hier eine phoenizische Ein-
wanderung in besonderer Stärke stattgefunden hat"^)
Das bezeugt ihm (neben anderm Scheinbaren) der
tyrische Melkart. Der Hypothese hat sogar ein Kritiker
wie v. Gutschmid nicht widerstanden. Thraemer
schreibt: „Wenn Melikertes, was selbst ein so ent-
schiedener Gegner der Phoenizierhypothese wie v. Gut-
schmid gelten lassen wollte, phoenizischer Herkunft
ist, so muß die Anwesenheit der Sidonier an den
griechischen Küsten doch über gelegentliches Landen
zum Zweck des Handels und der Purpurfischerei hin-
ausgegangen sein."^') Gewiß I Kein Wunder also, wenn
diese Melikerteshypothese auch dem Verfasser der
') Studien zur Geschichte von Korinth (in den ,,Ges. Abh." I)
S. i82f.
*) Pergamos S. 404.
— 12 —
neuesten „Götterlehre" der Griechen O. Gilbert (S. 323 f.)
so sicher gilt, daß er sie in sein System organisch
hineingearbeitet hat; und der radikalste Sonnenapostel
äußert sich so :') „Melikertes, Sohn des Meeres (das ist
Ino), wie Achilleus und Genossen (die alle Sonnen-
heroen sindl) wird in einem Kessel gesotten, wie lason
Pelias Pelops; ähnlich auch Dionysus. Er versinkt im
Meere wie Aias und Genossen, wird nach seinem Tode
Patron der Schiffahrt, wie Achilleus und Genossen.
Daß er trotzdem ursprünglich kein Meerdaemon, sondern
der Sonnengott war, zeigt sein Name, der ihn dem
tyrischen Melkart gleichzusetzen zwingt (Röscher II,
S. 2652)." So die allerneuste Forschung. Es war nicht
wolgetan, wenn Beloch in der vorzüglichen Unter-
suchung über die Phoenizier im aegaeischen Meere
des Melikertes nicht gedachte.*) Wir sehen es deutlich,
wie die ganze Phoenizierhypothese für den Isthmus am
Ende auf ihn allein zusammenschrumpft.
Es ist nicht überflüssig, hier an einen Grundsatz
zu erinnern, ohne den alles Forschen in der Mythologie
ein Spielen bleibt. Das Deuten religiöser Namen darf
aus dem nächstbeteiligten Volkstum und seinem Sprach-
gebiet nur heraustreten, wenn die Möglichkeit das frag-
liche Sprachgebilde aus diesem zu begreifen durch
genügende Gründe ausgeschlossen erscheint. Dieser
Grundsatz ist einfach und ohne weiteres einleuchtend;
er beansprucht unverbrüchliches Gesetz zu sein, wollen
wir nicht allen Boden unter den Füßen verlieren.
') Seeck „Geschichte des Unterg. d. ant. Welt" II S. $88.
») Rhein, Mus. 1894 S. iii — 132.
— 13 —
Ferner. Vielfach begegnet man lautlichen Identitäten
bei inhaltlicher Verschiedenheit zwischen Griechen und
ungriechischen Völkern, auch den Phoeniziem, die uns
hier allein beschäftigen. Melitah heißt phoenizisch
„Zufluchtsstätte"; Malta trägt diesen phoenizischen Namen.
Melite und Varianten sind aber beliebte Bezeichnungen
für rein griechische Örtlichkeiten und ohne jede Frage
richtige Bildungen von \i£ki Honig, wie Xitwvyj, der Bei-
name der Artemis, von x^'^^^i wie ör^pa „die Wildinsel"
von den dr^pec, wie der Stadtname IIitüyj von den
Fichten. Der thessalische Flecken MeXiTaia, korrekt von
MeXttT) abgeleitet, führt im Wappen eine Biene. Es
hat doch nichts Auffälliges, wenn ein attischer Demos
Melite „Honigdorf" heißt.^) Der attische Honig war
berühmt, sogar exportiert. Der Gott Aristaeus, auch
') An sich könnte Me)iT7] wol auch von der Melisse (p-eX^xeia),
dem Bienenkraut, genannt sein. Wilamowitz bestreitet die Möglich-
keit (Philol. Untersuch. I S. 148 f.). Die euböische Stadt Kerinthos
widerlegt den Einwand: TCT^pivBo? heisst „Bienenkraut".
Salamis soll inmier noch eine phoenizische Ansiedlung sein,
weil „salem" phoenizisch „Frieden" heisst. Aber aaXo; ,,die wogende
Flut" ist ein gutgriechisches Wort, die Endung ap.oc, fem. ap.(?
gutgriechisches Suffix, z. B. in op)^ap.o? von citp)^(Jc. Es kann Salamis
sehr wol sein ,,vom Meer umflutet", also Insel, im Gegensatz zur nahen
attischen Küste so benannt; dX^TiXaxToc noch die Dichter. Ich sage
nicht, Salamis die Insel muss etymologisch so aufgefasst werden, sie
kann es aber. Da im übrigen noch Niemand auf dem Eiland Salamis
phoenizische Einflüsse oder Spuren nachgewiesen, so ist die auswärtige
Etymologie verwerflich. Allerdings hat man einen phoenizischen Gott
auf Salamis zu entdecken geglaubt. Wir hören nämlich inschriftlich
von einem Zeus 'E7ri%o{vio;, der auf Salamis verehrt sei; ob in der
kyprischen Stadt oder auf der attischen Insel, wird nicht gesagt Man
nimmt aber an, dass die attische Insel gemeint sei. Gesetzt diese
Beziehung sei richtig: was lehrt jener Zeus 'Ettixo^vioc, von dem wir
— 14 —
Bienengott, soll in Attika den Honig erfunden haben.^)
Im Demos Melite scheint die in diesen Kreis gehörige
Nymphe Meliboia als Aias Mutter, auch als das Weib
des Theseus, wenn nicht lokalisiert, so doch bekannt
gewesen zu sein.^) Dennoch hat man dieses Melite lange
als phoenizisch darum betrachtet, weil es ein phoeni-
zisches Wort Melitah gibt, und das richtig gebildete
griechische Wort mißachtet. Auf die Nymphe Melite
vom „Honigberg" (MsXtrsiov opo?) auf Korcyra hat Wila-
mowitz aufmerksam gemacht,3) und Meliteus ist Eponym
von Melite „Honigstadt" in Phthia, Immenhausen, wie
Pape im Namenbuch nicht übel überträgt.4)
Der tyrische Stadtgott heißt an den Avenigen
Stellen, wo er innerhalb der Litteraturdenkmäler un-
zweifelhaft genannt wird, „Melkarthos", nicht Melikertes.5)
sonst nichts wissen, aus seinem Beinamen für Salamis, und was nicht?
Zeus 'Ettixo^vio? soll „der gemeinsam (nämlich von Phoeniziem und
Griechen) verehrte" seinl Die Ergänzung „nämlich von Phoeniziem
und Griechen" ist vom Uebel. 'Etiixo^vio? ist Zeus, sofern er 6 ^ttI
t6 xoivov %z6i ist. xoivdv ist das Staatswesen, auch jeder nicht po-
litische Verein, jedes zwischen mehreren eingegangene Verhältnis. In
Theben heisst Zeus 'ÜfxoXwios; darin steckt 6jjl($5 und Xad;: das ist
z. B. ein 'Ettixo^vio?.
') Plinius„N.H." VII,I99 „Oleum et trapetas (Olivenkelter) Aristaeus
Atheniensis (invenit), idem mella". Es ist das Nächstliegende, Aristaeus
in Melite zu denken. Von Melite, der Demeneponyme, berichtet
übrigens Philochorus bei Harp. s. v. MeX^tt], sie sei xaxÄ MouaaTov A{ou
ToO 'A7r(J}v)v(i)voc Tochter gewesen. Dios bezweifelt Wilamowitz „Phil.
Unt." I, S. 148. Ist das etwa 'Apiaxatou?
«) Ister bei Ath. XIII, 557, Statins „Silv." V, 48, vgl. Toepffer
„Att. Geneal.", p. 270 ff. In Melite wohnt Eurysakes.
3) Philol. Unters. I, S. 148.
4) Röscher u. d. W.
5) Pape (aus ihm alle späteren) belegt MeX(xap&o; aus Sanchuniathon
bei Eusebius „Praep. ev." I 10, p. 46 Dind. Allein im alten Parisinus,
— 15 —
Kein antiker Zeuge, nicht einer, hat die Gleichung
Melikertes - Melkart vertreten oder auch nur gekannt.
Wer den griechischen Kadmus zum Semiten machte,
konnte sich auf eine griechische Überlieferung, die
Genealogie, berufen. Zwar bewies und beweist die
Genealogie nicht, was sie soll, aber sie spricht wenig-
stens scheinbar für die Semiten. Im Falle des Meli-
kertes fallt auch dieser und jeder Schein fort Die
Griechen haben von Götterfremdlingen im isthmischen
Kulte nichts gewußt. Wir dürfen weitergehen und
sogar sagen: sie würden in ihrer guten Zeit — speku-
lative Köpfe wie Herodot ausgenommen — jede dahin
zielende Behauptung als einen Angriff auf ihre nationale
Selbständigkeit angesehen haben. Herodot erzählt von
den Kauniern,^) sie hätten Jahr für Jahr in voller Waffen-
rüstung kriegerische Umzüge durch ihr Land gehalten, um
dadurch zu bezeugen, daß sie, den väterlichen Gottheiten
unbedingt und ausschließlich treu, die eingedrungenen
Fremdlinge wieder aus dem Lande hinausjagen wollten.
Wir handeln gewiß nicht im Sinne der Alten, erklärte
Ernst Curtius,^) wenn wir ihnen zu Ehren eine Grenz-
sperre durch das aegaeische Meer zu ziehen uns ver-
pflichtet glauben und als moderne Kaunier alle über-
seeischen Gottheiten austreiben. Ich will im Bilde
den ich verglichen habe, steht twi hl Ai^jACtpoüvTi y^vexai M^Xxap^oc 6
xal*HpctxX7]c. So hat auch Dindorf. Es scheint also, dass die Änderung
MeX^xctpOoc erst unter dem Einfluss der falschen Gleichung M^XxapOoc-
MeXix^pT7]c in neuester Zeit entstanden ist. Nonnus kennt den Melkart,
welchen er „tjrrischen Herakles" nennt, und den Melikertes; aber
selbst er identifiziert nicht.
I, 172.
*) Gesammelte Abh. II, S. 30.
— i6 —
bleiben. Die Kaunier vertrieben solche Götter, die sich
als Fremde auswiesen. Des Philologen Pflicht sollte
es sein, die Tatsachen auf sich wirken zu lassen, die
Überlieferung einfach und unbefangen so zu nehmen
wie sie ist, nichts zwar aus dem Zusammenhange
der Völkergeschichte zu isolieren, aber ebensowenig
etwas in eine widerstrebende Verbindung hineinzu-
zwängen.^) Eine religiöse Xenelasie ist in Sachen des
Melikertes nicht erforderlich, weil das hellienische
Wesen und der hellenische Kult des Gottes vom
Isthmus mit Gründen noch niemals bestritten worden
sind. Das muß grundsätzlich genügen. „Eine falsche
Lehre läßt sieht nicht widerlegen; denn sie ruht ja
auf der Überzeugung, daß das Falsche wahr sei, aber
das Gegenteil kann und muß man wiederholt aus-
sprechen" — mit Goethe zu reden. Die Namenähn-
lichkeit zwischen dem tyrischen Melkart (nur von einer
Ähnlichkeit ist zu reden) bliebe eine Zufälligkeit auch
dann, falls sich eine einleuchtende Etymologie aus dem
Griechischen nicht noch finden lassen sollte. Wie viel
solcher Namen liegen heute in einem undurchdring-
lichen Dunkell Der Namenschatz ist das große Buch,
in welches die Religion wie alle geistige Kultur eines
Volkes zu einem großen Teile eingetragen steht. Wer
das zu lesen verstünde 1
') Ebenda S. 27 f.
3-
I. Einen flüchtigen Versuch, den Götternamen Meli-
kertes aus dem Griechischen organisch zu begreifen,
haben in der zweiten Auflage ihrer „Griechischen Per-
sonennamen" Fick und Bechtel gemacht.^) Es ist be-
achtenswert, daß diese gründlichen Kenner griechischer
Namenpracht grundsätzlich zugeben, es habe die Form
MsXixipTTj? griechisches Aussehen. Mir war das eine Be-
stätigung, aber nur im allgemeinen. Ihre nur als be-
scheidene Vermutung gegebene Etymologie wird wol
niemandem gefallen und ist zudem leicht wiederlegbar
aus dem Material, das Fick und Bechtel in ihrem Buche
selbst zusammengetragen haben, oder, was hier auf
dasselbe hinausläuft, aus den Gesetzen der griechischen
Namenbildung, die sich aus ihren Sammlungen mit ge-
nügender Sicherheit ableiten lassen. Sie schreiben:
„Melikertes von \i£ko^ Glied, soviel wie Gliedverhauer",
und verweisen auf XuatfAsXi^? „Glieder lösend", das ho-
merische Beiwort des Schlafs; das Femininum Auai\d'
Xsta ist mythischer Eigenname. Die Übersetzung ist
wenig geschickt; ich kenne nur einen Fisch „Speck-
s. 458.
Maass, Griechen u. Semiten.
— i8 —
verhauer". I) Fick-Bechtel denken für den zweiten Teil
des Kompositums an xstpstv „schneiden",*) wovon nach
Analogie von xaOapn^^ von xadatpo) d^upri^? von difetpcDS)
Xi^ikvqq von icpsXXo) IIoXüSsXTrj? von Myo\Lai au(To)8£VT>jc von
Mvo) u. a. m. xspxi^c „Schnitter" gebildet wäre, wie um-
gekehrt dÄzpaz/.6\i.T^q „der sich die Haare nicht schneidet",
und haben wol das Zerlegen der geschlachteten Opfer-
tiere im Sinne, nicht das xpsavo^Astv, sondern das xcoXoxo-
[A£rv4) oder xpeaT0[jL£iv;5) Aeschylus drückt das einmal
auch so aus: xpsoxoTroüai Sdott^vcdv [asXt].^) Vermittelst
einer weit verbreiteten Art sakraler Hypallage wird der
Gottheit als Tätigkeit zuerteilt, was ihre Priesterschaft
oder Gemeinde oder ihre Verehrer im allgemeinen,
sei es zu ihrer Ehre, sei es zufallig, erleben. Zeus ist
irgendwo ofTiXa^^^voTOfio?, sofern er gewisse Innenteile des
Schlachttieres geopfert erhält, d^ixicüp bei Aeschylus
(Suppl. V. i), wo die Angelandeten (dcptxxopsc V. 242) zu
ihm beten; Dionysus (üjiT^axT]? dv&pcüTroppaiaxTj?, wo das
dem Opferstiere abgerissene, noch bluttriefende Fleisch
roh gegessen wird, wo ihm Menschen geschlachtet
I) Eine Delphinart (Brehm „Säugetiere" III, 686).
*) xefpeiv ist „schneiden", nicht eigentlich, wie W. Schmid „Atti-
cismus" IV, S. 309 will, „scheeren".
3) Da man in der Zusammensetzung [t.alia'fpi'zai „Brotsammler"
(vom Bettler, Aristias Fr. 3 N.) und in Sparta iTrTroqfp^Tas vom Reiter-
anführer sagt, so ließe sich xüjXaxp^TTj; (von xe(ptü) als „Zerstückler"
des Opfertieres immerhin denken. Der Bindevokal würde keine
Schwierigkeiten machen.
4) Dies Verbum, nur in einem anonymen Verse überliefert
(Ti]fi.05 8' 5t* «{CtJO^ A7]fi.T^T^pax(üXoTOfxeijaiv, vgl. Schneider „Callimachea" II
p. 785, No. 370), stammt wol aus der hieratischen Sprache.
5) Aeschylus „Ag." V. 1091.
6) Aeschylus „Perser" V. 463.
— 19 —
werden. Allein gegen die Etymologie ist dennoch ein
grundsätzliches Bedenken schwerwiegender Art geltend
zu machen. Es handelt sich um den Vokal zwischen
den beiden Teilen des viersilbigen Kompositums; Binde-
vokal kann man nicht sagen, weil es sich noch nicht
erkennen läßt, ob das i hier nur bindet oder ob es
stammhaft oder endlich, ob es Kasussuflix ist. Eben
das ist zu untersuchen. Die Meinungen gehen aus-
einander.
2. Mir ist die Ansicht geäußert worden, das t wäre
hier euphonische Neuerung statt e, es wäre — unter
der Voraussetzung der Fick-Bechtelschen Etymologie —
vom Stamme [asXs? „Glied" statt des normalen MeXsxlpxTj?
(*xspafijx£Xi^c, wie cpftspatYevi^^) ^) aus Gründen des Wolklangs
MsXtxspTTjc geworden. Das euphonische Bedürfnis einmal
zugegeben, würde die Sprache nach aller Analogie hier
kaum zu dem Wechsel des mittleren der drei e mit i
gelangt sein; MsXoxspxT]? hätte ihr zur Verfügung ge-
standen, da diese Neutra der dritten Deklination mit
den o-Stämmen der dies o in der Komposition beinahe
ausnahmslos bewahrenden zweiten sich im Austausch
der Formen befinden, wie nicht nur KXspeGf&ivr^c neben
KXspoGf&svrj? von xXeo?,*) sondern sogar jjlsXottoioc (in
der Bedeutung „Liederdichter"), [xsXoxuTrsiv „die Glieder
schlagen" und mancherlei anderes beweist. 3) Der um-
gekehrte Fall tritt nicht ein: noch niemand hat be-
wiesen, daß ein s oder i aus der dritten Deklination
') Aeschylus „Sieben" V. 1054 neben Trepa^TrroXu mit e „Perser"
V. 65.
*) W. Schulze „Quaest. ep." p. 41 3.
3) Aeschylus „Ag." V. 1153.
2*
— 20 —
auf die o-Stämme der zweiten durch das Mittel der
falschen Analogie übertragen worden ist, obwol in den
Handschriften dergleichen überliefert und in den Aus-
gaben zu lesen steht. Allein 2oüGfqevi^c und ^TnctavaxTO«:
sind in Aeschylus' „Persern" (V. 664. 997) nach der Regel
in 2oüaoY£vi^? und JirTroavaxxo? zu verbessern: ^ItttcävoJ
Arj[Aü)va$ AsaßwvaJ *Ep[Aü)va$ MavopoivaJ (d. i. MatavopopavaJ,
der umgekehrte 'AvaJtjxavSpo?), ITXetaTcüvaJ - nXetaTopava^
stehen daneben. Die Sammlung wird ausreichen.
ApojjLt^^atTTj? „der das Haar wie Dromis trägt" ^) ATjXtap^^T]?
„der Leiter des Delienfestes" u. ä. erledigen sich ebenso
leicht; anderes ist unerklärlich oder verdorben,^) und
die Latinisierungen „Damipho Clitipho thermipolium
Agrippa" (aus axpoirooT]?) bedeuten für die griechische
Gewöhnung nichts. 3)
3. In den Komposita, als deren erster Bestandteil
ein neutraler Stamm der bezeichneten Art auftritt, kann
t an sich Kasuszeichen sein, also Lokativ. Lehrreich
sind die mit u^i gebildeten Zusammensetzungen. Da
wir ü^j^t r^pt u. a. noch in der Isolierung kennen, da
6<}^t[A£8ü)v in der Höhe herrschend, T^j^ixpotTT]^ u. a. (wie
AatxpocTYj? 'Hpi^ovY] aufttYSVT^? vuxTtXajxTn^?) als lokativische
Komposita aufgefaßt werden müssen, so ist jenes in
den sicher mit Nomina der dritten gebildeten Kom-
') CIA. II 963, 42. Crönert „Hermes" 1902, S. 227.
*) KuTTapiaaicpä; ist unerklärt (Hiller von Gärtringen „Hermes" 1901,
S. 452 f. Dragoumis „Bulletin de corr. hell." 1900, S. 324). Ebenso
trotz Usener Syo^vixXo; (Sintflutsagen S. 56). Der Heros von Pheneos
wird kaum Aocfiii&QtXTjs geheißen haben, wie Pausanias ihn nennt.
3) Saalfeld „Die Lautgesetze der griech. Lehnworte im Lat."
S. 75. 85.
— 21 —
posita möglicherweise auch sonst manchmal Kasus-
zeichen.^) Eine Reihe von Fällen aber widerstrebt und
ist darum schon von andern Forschern ausgesondert
oder doch als fraglich bezeichnet worden.*) Wenigstens
in KaXXiGf&svT]? KuSi'jAa^^o? KpaTtSTjfjLoc haben die vorderen
Stämme KaXXt Kpait Kü8i u. s. w. nicht lokativische,
sondern sicher adjektivische Bedeutung bei substantivi-
schem Aussehen; die homerische KoXXtxoXtüVTj ist nicht
„Schönheitshügel".3) Es scheint die Ansicht, welche
Parallelstämme auf t zu den natürlichen aufs erkennen
will, ungenügend begründet, z. T. sogar erweislich un-
richtig. Wie der alte, anerkannt aus llXsta&eviSac zu ge-
winnende Name WketaMvriq durch innere Synkope aus
nXetOTOGf&svTjc, so sind KaXXta&svTj? KaXXiircpaTOc xaXXtarscpavoc
und KpaxtGf&evT]^ aus den beliebten Superlativbildungen
KaXXtGfToa&svYj? KaXXtaxoaxpaToc xaXXtGfxoaxecpavo? und Kpaxi-
oPxoGf&svT]^ entstanden4) und konnten leicht durch das Mittel
falscher Analogie zunächst inhaltlich gleiche Formungen
wie KaXXtxpaxTjc, dann andre KoXXtxXr^c KaXXtJAa^^o? KüStxXr^C
Kü8t'[Aa)(o? (von xüStaxo?) KpaxtSr^fjLo? nach sich ziehen. Die
ritterliche Freude an Kraft und Kampf würde das weite
') Das i in Zusammensetzungen mit den Monosyllaba ai5 %i]p
TTUp (diy^ßoTOs 97]piSa(jLa5 TTup^Tivoos) ist nicht euphonisch, eher stamm-
haft, wie in 5Xs ('AXifjn^Srjs, vgl. Roediger „De priorum verborum in
nominibus g^ecis compositione formali," 1866, p. 66 und I. Schmidt
„Pluralbildung", S. 253).
*) J. Wackemagel „Vermischte Beiträge zur griech. Sprachkunde"
(Baseler Rektoratsprogr. 1897) S. 8fF. L. Meyer „Vergl. Gramm, des
Griech. imd Lat." II, S. 620.
3) So L. Ehrhardt „Entstehung der hom. Gedichte", S. 391. 479.
4) Die bei Fick-Bechtel belegten und bezweifelten Frauennamen
'Apiaxox^s 'Apiaxoxü) sind eigentlich 'Apia(To)Toxf5 und 'Apia(To)Toxti).
Vgl. xaX>viy^ve\}Xo5.
— 22 —
Verbreitungsgebiet der Übertragung erklären können.
KaUtfiapc ist „der den schönsten Kampf kämpft";
KaXXtofTojAa^^o? und ' AptGfxofAa^^o? kommen ja vor, 'ApiGfxo&Tjpo?
steht bei Fick-Bechtel neben dem boeotischen KaXXt&etpt?
und KpaTtaTü)va$ neben KaXXtavaJ KaXXtavaaaa, sodaß ein
KaXXtGfToavaJ KaXXtaToavaaaa erschlossen werden darf; die
Kurzform im Namen der arkadischen Erdgöttin KaXXtara»
würde so erklärt. Wir dürfen uns auf Plato berufen,
als er seinen Idealstaat xaXXtiToXt? nannte (Rep. p. 527 b),
war ihm die Superlativbedeutung „schönster Staat"
lebendig. Die Griechen, welche in Sizilien und in
Thrakien je einen Ort KaUnroXt«: gründeten, dachten
nur an „die schönste Stadt". KaXXixoXwvTj in der Troas
ist „schönster Hügel" nicht „Schöneberg" und KaXXtppoYj
xaXXtvtxo? „schönster Brunnen" u. s. w. Wer verkennt die
innige Freude der Namengeber.^ Wer zusammenfassend
diese Namenbildung aufarbeiten will, muß Gruppen
unterscheiden und für sich betrachten.
Den Namen MeXtxspxY]«: in diese hier einmal als Ein-
heit gefaßte Gruppe von Komposita einzuschalten geht,
obwol man die abstrakte Möglichkeit als solche zugeben
mag, dennoch in Wirklichkeit nicht an. Bei [asXo?
„Glied" liegt alles anders wie bei jener Gruppe. Alle
hier vergleichbaren Neutralstämme auf -s^ stehen allein
für sich, während mit fiiXoc noch ein anderes Nomen
[xsXt „Honig" und als dritter der Verbalstamm von [liXeiv
konkurrieren. MsXt liegt ich weiß nicht in wie vielen
Kompositionen vor, wie in MsXixXr^? MeXtStopoc jieXtjyxüc
[xeXqXcüGfGfoc [AsXtppoü?, dieser wenigstens in MeX^SyjfjLOC (AyjfjLO-
jxiXy]?) und MeXtinroc (neben MeXyjaiYsvTjc MeXT^GftTnroc MsXt^
öavSpo? MeXyjGfiavaJ MeXi^aspfxoc). ') Ein Durcheinander
') Fick-Bechtel, S. 200. Fr. Marx im Rostocker Progr. 1889/90
— 23 —
dieser Bildungsgruppen (\UXoz und \iiki) hat nirgends
und niemals stattgefunden, soweit wir wissen oder auch
nur vermuten; es ist ein Irrtum, wenn Fick-Bechtel
dergleichen annehmen.
4. Den Konkurrenzbildungen mit \i£ki gegenüber
fallt das Fehlen sicherer Fälle mit piXo? „Glied" hier
schwer ins Gewicht. Es gibt nur fjLeXoTüTrsiv (die Glieder
schlagen) und [leXoTrotsiv [iäXottoioc (Liederdichter). Dieterich
griflf noch auf den Heros Meleager und die aus der
Zauberei belegte Anrufung [leXioü^o^ zurück; ihm ist
[xeXioüxoc „der die Glieder, den Leib hat", nämlich wenn
ihn die Seele verlassen, und Ms^ea^poc „der den Leib
rafft", Todesdämonen also. Allein der fjLeXtoöp? be-
nannte Dämon wird seinen Namen oder Beinamen so
lange von \i£ki empfangen haben, bis das Gegenteil
eine erwiesene Tatsache ist.') Notwendig wäre nach
den zahllosen Beispielen wie isjAevoü^^oc xepSoö/o?, auch
kp\iooyo^ TifjLOü^^o? öü[AOü/oc xTjpoüxo^ (Kripouyßai ist ein
p. 6 sq. Den MeXirjaiy^VT];, „der für das Geschlecht sorgt", hält Marx
für einen Epiker, während die auf Ephorus zurückgehende Über-
lieferung den Namen zu einem zweiten Namen des Homer macht, diesen
freilich töricht als „Sohn des Flußgottes Meles" deutet; der müßte
ohne Frage MeXTjToy^vrjc lauten (Marx a. a. O.). Wir wissen aber von
dem Geschlecht der Homeriden auf Chios, die sich von dem Dichter
Homer ableiteten (Akusilaus und Hellanikus bei Harpokration u. d. W.).
Dies Geschlecht mochte seinen Ahnherrn an seinem Feste als MeXirjaiy^vr];
anrufen. Das Wort ist wol eine Epiklesis des Homer aus seinem
chiischen Gentilkulte.
») Nekyia S. 5 6 f. Dieser Zaubergott erscheint noch einigemale
in wunderlichen Verbindimgen. Seine Glieder hat eine als „erdauf-
reißend* (jirfily^to'i) imd „furchtbar" bezeichnete synkretistische Göttin
in den Hades und aus ihm zurückgebracht Ich weiß mit ihm sonst
— 24 —
milesisches Geschlecht)^) Tzokuooyo^ ttoXioü/o? EaTtoö/o?
vielmehr zu fordern [tJsXooyo^. Also heißt [xsXioüxo? »der
Honig hat", wie MeXßcopo«: „Honigschenker", MeXtxXr^?
„Honigberühmt",^) alles Personennamen, welche Fick-
Bechtel nur irrig zu jasXsiv gestellt haben (p. 20i), und
das Femininum [AsXea^pfe wenigstens ist die griechische
Bezeichnung eines in Europa fremden, aus den heißen
Zonen stammenden Vogels, des Perlhuhns. Das Wort,
das sich der Ableitung aus dem Griechischen beharr-
lich widersetzt, wird ein nur griechischer Zunge an-
bequemter Fremdname sein. Diese Vögel wurden bei
Milet im Artemisbezirk von Lerus der Gottheit ge-
halten. Wie so viele Tiernamen 3) mag jAs^ea^pfe und
folgerichtig [xeXsaYpoc zunächst in dieser kleinasiatischen
Griechengegend, vielleicht nicht ohne Beziehung auf
die Artemisreligion ins Leben übernommen worden
sein. Über die Heimat und Geschichte der Meleager-
sage ist genaues nicht bekannt Der älteste Zeuge,
der Dichter der herrlichen Novelle in der Ilias, braucht
nicht zugleich der Erfinder dieser wundervollen Helden-
gestalt zu sein.
nichts anzufangen (Roscher u. d. W.). Auch Meleager soll jetzt die
Sonne sein; „sein Leben endet, wenn ein Brand erlischt, was seine
feurige Natur zum Ausdruck bringt". So Seeck II, S. 588. Jacobi
,, Kompositum »und Nebensatz" S. 59 stellt Mzkiarfpoi zu [ilktiv ohne
Begründung.
') Hesych s. v.
*) Über die These, -xXtjs sei aus Y.ak6i hervorgegangen und
AioxXt]c heiße „schöner Zeus", läßt sich nicht verhandeln. AioxX^c
heißt vielmehr „Zeusruhm" (Usener „Sintflutsagen" S. 56 f.).
3) Penelope Kirke Keleos (S. 31*) Katreus Orion (z. B. bei
Klitarch bei Strabo XV p. 718, 69) Kypselos sind Vogelnamen (Hehn*
S. 295 und Thompson „A glossary of greec birds", Oxford 1895, p. 114).
— 25 —
5- Alle diese Verhältnisse, auch die Besonderungen,
betrachtet, ist m. E. die Ableitung des Namens MeXi-
xsptTj? von [iiXo? an sich nicht geradezu undenkbar,
dennoch in solchem Grade unwahrscheinlich, daß sie
abgelehnt werden muß. Dagegen überzeugt die Ab-
leitung von jxiXi sprachlich ohne weiteres und auf den
ersten Blick. I) MsXtxEpxT]? ist ^der den Honig schneidet"*),
üpiaxofAo? zu ihm eine nur dialektische, vielleicht auch
boeotische Variante, erhalten nur in einer Hesych-
glosse.3) Genauer bedeuten beide Wortkomposita „der
durch Herausschneiden Honig gewinnt". J. Wackernagel
hat so die alte Bildung a^jxaxoopta, der ebenfalls der
Stamm xsp zu Grunde liegt, als „Blutschneiden" erklärL4)
Gemeint ist das Vergießen von Blut vermittelst
Schneidens, wobei das Verhältnis der beiden Kom-
positionsglieder dem bekanntlich sehr alten Akkusativ
des Ergebnisses vergleichbar ist 5), wie in MeXtxspxTjc und
üptaxofxoc. Gradezu jasXi xsjxvetv sagen ApoUonides in
i) Man hätte auch [xeXiTOx^pTTjs bilden können, hat es aber nicht
gebildet. Vgl. alfxaToaTayi^; alfi.axoupfe, TravTcJxoXfxos 7rQtvToX(JLOc. Um-
gekehrt wäre xepaifji^XiTOC zu fordern.
*) Nachträglich finde ich bei Pape im Namenbuch u. d. W.
„Melikertes" die Äußerung „eigentlich wol Honigschnitt". Das ist
freilich nicht möglich (das wäre fi.eX(xepTov oder (jieXfxeppLa), aber die
richtige Empfindung ist hier doch wie öfter in diesem notwendig zu
erneuernden Thesaurus der griechischen Namen durchgebrochen.
3) bpiaxdixos] 6 xd X7]p(a T^fxvwv täv fi.eXiaaüJv. — ßoTotfjios in
Epidaurus (Thuk. V 52. Wilamowitz „Hermes" 1902, S. 307 f.) „der
die Rinder kastriert", ßoTctfiiia das Sühnfest dafür (dem Apollo Pythaeus
gefeiert).
4) Vermischte Beiträge zur griech. Sprachkunde S. 15 gegen
Rohde „Psyche" S. 139.
5) Das bekannteste Beispiel ist 5pxiGt T^(JLveiv. „II." III mehrfach
cpi>.o'njTa xal opxia utaTo: TafjLOvxe;; vgl. Lachmann ,. Betrachtungen" S, 16.
— 26 —
einem die Honigspende an die Gottheit begleitenden
Gedicht und Nonnus.^) Die deutsche Sprache besitzt
dieselben Ausdrücke. Man „schneidet den Honig" und
spricht vom „Honigschnitt" ; „wo solche Bienen bauen,
da hat der Bauer einen reichen Honigschnitt" citiert
Jakob Grimm. Seltener finde ich Belege für das
Brechen des Honigs. Paul bemerkt,^) daß „Zeideler"
im Mittelhochdeutschen zwar den Bienenzüchter be-
deute, aber ein junges Verbum „zeideln" erzeugt habe,
d. i. die Honigwaben ausschneiden. Heyne belegts)
den Ausdruck „Bienenschneiden" im Sinne von Honig-
schneiden. Mit gleicher Übertragung sagen die Griechen
xpoifotv t6 [xiXt, xa xY)pta neben xpo^av tä? [jLsXtaaac.4) Die
alten Lexika umschreiben ßXiTretv 'zeideln*, d. i. dcpaipstv
t6 [jLsXi dizh Tü)v xYjpuüv, auch mit zh täv xyjptcüv Tpü*pf3fjLa.5)
Die ganze Bienenkunst bestand in primitiven Zeiten
darin, den Honig aus Bäumen und Felsenhöhlen, später
aus den Körben (&Yjxat GfjXT^vYj atjtßXa [asXittwvsc [xsXiTpocpta)^)
herauszuschneiden. Der dafür gebräuchliche Ausdruck
ist wieder xs^Avetv xä xyjpta;7) öptaTopiTv wird nicht ge-
A.P. VI 2^9.
2fi.T^veo{ Ix fxe TafjKuv, yXuxepov HpOQ, dypov<5fx' u) Ilfl^^,
YTjpaioc KXefTtüv aTietae fxeXiaao7r<$vo;
dfjißpoaftüv lapo« xTjpdiv fx^Xi ttoXXov dfji^X?a{
Oüjpov diroifxctvTOU TnjXeTreTeu; d^ik-qi,
Nonnus V 256 f.
xal TipoTafJKjjv xTjpoio 7roXuyXü))^iva xaXuTtxprjv
eßXiaev ai6ka h&pa izokxxs'zayioi toxctoIo.
*) Deutsches Wörterbuch u. d. W.
3) Deutsches Wörterbuch u. d. W. „Biene". •
4) Geop. XV 5 p. 446 B.
5) Hesych und Timaeus s. v.
6) Varro „De re rust". III 16, 3. 12.
7) Nonnus V 256 (A. i).
— 27 —
fehlt habeil.i) Lateinisch heißt das favos cultro ^oder
face seculaj castrare (demetere recidere succidere de-
secarej?) Über die Form des Imkermessers (ferra-
inentum)t) wird z. B. bei Kolumella an einer für diese
Ausdrücke klassischen Stelle eingehend verhandelt.4)
Die sprachliche Bildung und die Bedeutung des Namens
„Melikertes" sind klar.
6. Als sollte eine urkundliche Bestätigung der bis-
her rein sprachlich geführten Untersuchung nicht aus-
bleiben: in einem spätgriechischen Zauberpapyrus aus
') Oben S. 25 Anin. 3.
*) Vergil „Georg." IV 2^1, favos eximere Plinius im IX. Buche
beständig. „Favus* scheint soviel wie „cella" zu bedeuten. So er-
klärt wenigstens Varro das obsolete „favissae" oder „favissae capito-
linae** (Gellius II 10), denen er OrjaaupcJ? vergleicht.
3) Der Imker ist „mellarius", griechisch auch fxeXiTp($cpo? fi.eXioupY(5c
(Geop. XV p. 444 B., ipyaCofJ^^V7]v t6 fx^Xi von der Biene [die Aeschylus
dvOe(xoupy(55 nennt] „Anecd. Ox." III p. 173 Cr.) fi.eXia(Joupy(5? fxeXiaao-
Tp(5cpoc fxeXi<J<Jox(J|jL05, je nach den besonderen Umständen.
4) De re rustica IX 15, 9 (p. 469 Schneider) „Ac si cerae depen-
dentes in longitudinem decurrunt, eo ferramento quod est simile cultro
insecandi sunt favi, deinde subiectis duobus bracchiis excipiendi atque
ita promendi. Sin autem adversi tectis cavearum inhaerent, tunc scal-
prato ferramento est opus, ut adversa fronte impressi desecentur . . .
Sed quotcunque favi sunt demessi, eodem die dum tepent conficere
mel convenit". Und vorher 4 „Sive adapertas alvos inspicies, ut sive
semipleni favi sint differantur sive iam liquore completi et superpositis
ceris tanquam operculis obliti demetantur. Dies vero castrandi fere
matutinus occupandus est. Duobus autem ferramentis ad hunc usum
opus est, sesquipedali vel paulo ampliore mensura factis, quorum alte-
rum sit culter oblongus ex utraque parte acie lata, uno capite aduncum
habens scalprum, alterum prima fronte planum et acutissimum, quo
melius hoc favi succidantur, illo eradantur, et quidquid sordium deci-
derit attrahatur,"
— 28 —
Aegypten, welchen Kenyon^) und' vor ihm Wessely*)
veröffentlicht, andere Gelehrte mehrfach ganz oder
z. T. besprochen haben, 3) stehen als Anrede an den
mit Zeus, Helius und Mithras gleichgesetzten aegyp-
tischen Heilgott Sarapis die drei Anrufungen [xsXtou^^s
[jLsXtxspTa [xsXt^svsTtüp in dieser Folge. Die ganze Stelle
lautet so: iirtxaXoüjxai' as, Zsü ^'HXte Mt&pa 2apam, dvtxTjTS,
[xsXtou/e [AcXtxspxa jxsXiYevsTwp. Dann folgen die üblichen,
meist rätselhaften Beschwörungsformeln und allerlei
Buchstabenreihen. Wiederholung des ersten Kompo-
sitionsbestandteils in gehäuften Kultbeinamen sind in
Gebeten bei den Griechen immer üblich gewesen.
Wir treffen sie in der Zauberlitteratur ungemein oft.
Dennoch haben die Ausleger die mittelste der drei
mit demselben [asXi zusammengesetzten Anrufungen des
Allgottes auf Melkart bezogen. Daß der tyrische Gott
wie Mithras und Sarapis zur Vervollständigung des All-
zeus herbeigezogen werden konnte, versteht sich von
selbst. Er ist hier aber, obwol an sich möglich, weg
geblieben. Das zeigt die Wortstellung. Im Sinne
dessen, der die drei Worte jxeXioü^s [AeXtxlpxa jAsXtifsvsTCüp
so gruppierte, wie geschehen, war [AsXixepxT]^ ein adjek-
tivisches Beiwort aus dem Kreise derer, von welchen
es umgeben ist. 4) Ahnlichen Irrtümern ist das erste
der drei mit Bezug aufeinander gewählten Beiworte
^) Greec papyri in the British Museum p. 65.
«) Denkschr. d. Wiener Ak. phil.-hist. Klasse XXXVI S. 127.
3) Dieterich a. a. O.
4) Von Herwerden „Lex. graecum suppletorium et dialecticum"
werden (s. v.) p.eXiyeviTWp und [xzXwjyoz citiert; aber jxeXix^pTTjs fehlt.
Herwerden ließ es weg, weil er darin, wie die gesammte Vulgata,
den Melkart sah; p-eXioO^^o; erklärt er richtig.
— 29 —
verfallen; „der die Glieder, den Leib hat" ist schon
früher (S. 23) abgelehnt worden, und [xsXqevsxcDp endlich
erläutert sich selbst, hat auch niemals eine falsche Auf-
fassung erfahren, soviel ich weiß. „Der Honig er-
zeugende"^) tritt neben den „der Honig hat".^) Mir
will nicht glaublich scheinen, daß die drei kräftigen
Komposita von [xsXt in übertragenem Sinne etwa als
gehäufte Koseworte gelten sollen. Die andre Auf-
fassung in der eigentlichen Bedeutung empfiehlt sich
auch durch die Analogie. DerMithras- und der Sarapiskult
kennen, dieser auch zum Zweck der in ihm eifrig be-
triebenen Heilungen, Honiggenuß und Honigopfer, 3)
der Zeuskult desgleichen, und Helius nimmt nicht nur
weinlose Opfer (vyjcpoXta), bei welchen besonders Honig
zur Verwendung gelangte, sondern auch ganze Honig-
waben (xTjpta) entgegen. 4) Zur Wiederbelebung war
') Sonst kenne ich nur Sioyev^rüJp (Eurip. „Bakchen" 120 tctO^ou
TE KpV]Ta{ Sioyev^Tope? evauXoi).
*) Wie xTjpoü)^05 (S. 23 f.) neben xrjpoiroid? u. a. „Mellificus" sagt
Kolumella von den kräuterreichen Bergen IX 8, 7; sonst ist es Bei-
wort der Biene. 6fi.i}.eT S' avOeai [likifsaa Sav&ov jx^Xi fjiTjSojJiiva Simo-
nides Fr. 47 B., [x^XiTTav aocpTjv Oefe'j (x^Xito; ^py^cTiv t?) cp6at; ctTi^oeiSev
Lukian „Halkyon" 7. S. 27 Anm. 3.
3) Porphyrius ,,De antro Nympharum" p. 66 sq. N. x^^pTjvTcti 6^
TAI fi-^XiTi o\ ^10X6^01 Ttpos TioXXa xal oictcpopa au[xßoXa 8id t6 Iy. ttoXXwv
a^To (JuveaToivai Suvctfjiewv, inii xctl xoct^apTixi]; ^axi 5uvQi[xetüc xctl auv-
TT]pT]Tix7jc • Tüii yap fjiiXiTi TioXXd <3fi3T]T:Ta [xivEi xocl TÄ ^^pdvia Tpct'jfJiaTa
^xxaOa^pexai [jl^Xiti . . . oxav [xlv ouv T0T5 T<i Aeovxixd fi.uou[i.^voi? £{; Ta?
;(erpa? dv^' uSaTO? [x^Xi v^rj^aa&ai ^yX^*"^^' xadapdt; f)^eiv ta; yeTpcz;
rapaYY^XXouaiv diio Travxös XuTnjpoO xal ßXaTmxou xal p-utJocpou xxX. Sa-
rapis als Heilgott: Tacitus „Hist." IV 81. Burckhardt „Zeit Konstantins"
S. 171 f. Deubner „De incub." p. 67 f. Honig im Asklepiusdienst :
Deubner p. 48.
4) Im Asklepiusheiligtum des Piraeeus stand auf einem Stein 'HX^wi
— 30 —
Honig dienlich, wie die Fabeln melden,^) und den
zürnenden Hadesgewalten bringen die Frommen den
alles beschwichtigenden Honigtrank.
Die Griechen glaubten sicher in gewissen Kreisen,
dem Gott des Himmels zu verdanken „aerii mellis cae-
lestia dona".*) Theophrast,3) Probus 4) und andre unter-
scheiden zwischen dem Blumenhonig der Bienen und
dem Himmelstau (dspofjLsXt), der besonders in heiligen
Nächten fallt — bei Goethe wandelt in der Walpurgis-
nacht das Pärchen durch „Honigtau und Düfte" —
wieder andre vereinfachen diese Theorie, „quibusdam
non faciendi mellis scientiam apibus esse, sed colli-
gendi".5) Plinius^) redet von Himmelsschweiß (caeli
sudor, sive quaedam siderum saliva, sive purgantis se
aeris sucus). Den Himmelsschweiß kennt auch die
elsässische Sage. Es handelt sich also bei dieser Auf-
fassung nicht um eine unmaßgebliche Ansicht des
Plinius oder seiner Quelle, sondern um einen alten
Völkergedanken, wie auch die Sammlungen Roschers?)
dfpeaTTJpa xTjpfov. Mv7jfi.oa6v7ji dpearTjpa xTjpfov. Wilamowitz „Isyll"
S. loo. NxjCpaX^wv ist der Eponym solcher VTjcpoiXia, wie IlavS^dov der
des Festes der IlavSta, gebildet wie MixxaXfwv 'EpeudoXftov AeuxaX(u)V.
') Das Wort D.auxos ttiüjv fxAi dv^axT] widerspricht der Geschichte
vom Tode desselben Glaukus im Honigfaß. Es sind eben zwei Ge-
schichten: die eine erzählt, wie jener Meerdämon im Honigfaß ge-
ködert ward, die andre, wie er (bei irgend einer anderen Gelegenheit)
durch Honiggenuß wieder auflebte. Siehe unten.
») Vergil ,,Georg." IV I.
3) Fr. 190.
4) Zu Vergil a. a. O.
5) Seneka „Epist." 84.
6) N. H. XI 12, 30.
7) Nektar imd Ambrosia S. i3fF.
— 31 —
und Robert -Tornows^) erkennen lassen. Die Bienen
tragen den Honig von Zeus dem Menschen zu*) und
sind in dieser Eigenschaft als Zeus* Botinnen „heilige"
Wesen. 3) Der Gott verfugt über einen Honigschatz,
den er selber entstehen läßt, in seinem Hause, im
Himmel oder in den Wohnungen, welche ihm die
Menschen dem Himmel nahe in den Grotten der Berge
bereitet dachten, oder auch an den Blättern der Bäume.4)
') De apium mellisque apud veteres significatione p. 76 — 90.
*) „Apes enim ego divinas bestias puto, quae mel vomunt,
etiamsi dicuntur illud a love afferre" Petron 56.
3) KTjpoc u»c Upav fi.eXia(Jav Pindar Fr. 123.
4) Ii| der Omithogonie der Boio (Antoninus Lib. XIX) stand
folgendes Geschichtchen. Vier Kreter, Laios, Keleos, Kerberos und
Aigolios, berauben die Honigmonate in der heiligen Zeusgrotte. Da
straft sie Zeus durch Verwandlung in die so benannten Vögel, denen
nachgerühmt wird etelv dyadol cpav^vre; xal liriTeXets Tiapd tou« dX)vOuc
dpvidaCf 5x1 Tou Ai6{ elBov t6 atfioc. Ursprünglich waren diese Vögel
wol als Überbringer des Göttertranks an die Menschen gedacht,
wie sonst auch in griechischen Sagen. Die Tauben dfxßpoa^rjv All
TCOTpl cp^pouaiv (Od. XII 62). Moiro läßt dem Knaben Zeus in die
idaeische Grotte Ambrosia durch dieselben Tauben vom Okeanos her
bringen, u. a. m. (Röscher S. 28 ff.). Der indische Somatrank ist
von einem Vogel herabgeführt worden (Ad. Kuhn „Herabkunft des
Feuers" S. Ii8f.) Der Specht (xeXeeJs) kehrt in entsprechender Funktion
bei den alten Indern wieder. Es ist der „Bienenwolf" (Beowulf,
merops apiaster), welcher den Bienen eifrig nachstellt und mit seinem
Schnabel ihre Nester in hohlen Bäumen aufklopft (Grimm „D. W."
u. d. W. „Bienenwolf"). Übrigens haben diese Vögel mythologisch
bedeutsame Namen : Laios Keleos Kerberos. Bei Justin 44, 4, i heißt
es von Gargoris, dem Kuretenkönige in den Bergen von Tartessus,
„mellis colligendi usimi primus invenit". Auch bei Diodor V 65
haben die Kureten (hier auf Kreta) die Bienenwirtschaft erfunden.
Also ist der Kuretenname nicht mit Rühl zu beanstanden, aber auch
„Gargoris" nicht zu ändern. Vgl. »Thompson „Glossary of greec
birds", 1895, s. v.
— 32 —
Juppiter hat am Ende des goldenen Zeitalters „Honig
von den Blättern herunterträufeln lassen"^) und in
Vergils IV. Ekloge (30) wird u. a. prophezeit „harte
Eichen werden Honigtau hervorschwitzen", ein Wunder,
das bei den römischen Schilderungen der goldenen Zeit
kaum jemals fehlt. Es stammt aus den griechischen
Vorbildern und will sagen, daß die damals auf Erden
genossene Speise die Speise der Götter war, die von
ihnen selbst bereitet und von den Sterblichen genossen
ewiges Leben verlieh.^) Auch Dionys soll den Honig
I) Vergil „Georg." I 131.
Tü)t AI cp^poucf' 4vY]X^£V e{? Oetüv oixouc fx^Xt.
Babrios 183. Der Romandichter Antonius Diogenes erzählt (Vita
Pythagorae 10) von Mnesarchus, er habe auf einer seiner vielen Reisen
einen Säugling unter einer Weißpappel gefunden, der auf dem Rücken
liegend unverrückt in die Sonne schaute; in seinem Munde war ein
kleines dünnes Rohr, durch welches Tau von der Weißpappel hin-
durchtropfte und ihn nährte. Er nahm ihn in sein Haus und nannte
ihn Astraeus. In den Sonnenaugen des Astraeus liegt der Beweis für
seine Göttlichkeit (Rohde „Griech. Roman" S. 264 A.) ; auch der Name
weist darauf. Ein Gott ist es also, der durch den Tau des Baimies (nach
Analogien zu urteilen ist dieser Tau nichts als Himmelshonig) ge-
nährt wird. Fraglich ist es aber, ob Arats Astraeus, der Vater der
Gestirne, eine leere Abstraktion, den Anlaß zur Einführung bot. Es
wird gestattet sein, an den tyrischen Himmelsgott Astrochiton zu
denken (Zeitschrift für christliche Kunst 1899 S. 373 ff.). Die Gunst
der gallischen Aquitanier erwarb sich Astraeus, indem er sie an dem
Ab- und Zunehmen seiner Augen das Ab- und Zunehmen des Mondes
ermessen lehrte und nach dieser Erkenntnis den bisher streitigen
Wechsel ihrer beiden Könige in der periodisch zu übernehmenden
Herrschaft regelte. Rohde hat recht (S. 264 A.), wenn er sagt, er sehe
nicht ein, wieso die Aquitanier dessen bedurften, um die Mondphasen,
die ihnen Astraeus ja unmittelbar zeigen konnte, zu erkennen. Ich
denke, hier ist ein Zug rudimentär stehen geblieben, der sich aus der
- « -
erfunden haben; bei seiner Epiphanie, wie beim Schwär-
men seiner Verehrerinnen, entfließt der Erde und den
Steinen und den Bäumen Honig und Milch,') steigt
der Himmelssegen zur Erde nieder.^) Nonnus schildert
Indien als das Märchenland. Da sind Bäume, von
deren Blättern Bienenhonig des Morgens zur Erde
niedertropft «c dirö atfißXcov; auf ihren Zweigen sitzen
die lieblichsten Vögel in großer Zahl, die sich von
dieser Speise nähren und darum so schön singen, so
der dem Schwan ähnliche Orion und der Katreus,
sein Genosse mit rotem Gefieder. 3) Ebenso im himm-
lischen Jerusalem. Bei Tasso, der tief in die antike
Weise eingedrungen ist, strömt in Armidas Zauber-
paradies im Weltmeer (XV. 36) und in dem Zauber-
walde, den Rinald erstürmt (XVIII. 24), Milch und Honig.
Usener hat soeben auch aus den altchristlichen Sakra-
mentsgebräuchen das Motiv erläutert. 4) Wenn dem-
nach der höchste Himmelsgott in der Zauberlitteratur
als Schöpfer und Besitzer des Honigs gilt, so ist das
zu verstehen: Zsü? iraviov aüxic cpapjiaxa [ioüvoc ex^i. Im
Natur des tyrischen Himmelsgottes erklärt, dessen Augen die Sterne
sind. Dieser selbst wird schließlich noch erwähnt wieder im Zu-
sammenhang mit einem Wunder. Durch ein Wunder werden die Be-
teiligten, sicher der Hauptheld — durch die Gunst einer uns nicht
näher bezeichneten höheren Macht — in den Heraklestempel zu Tyrus
von dem anderen Ende der Welt versetzt Astraeus hatte sich das
gewünscht
') Rhein. Mus. LVII 1902 S. 177 — 195 (Usener).
*) Ovids Gewährsmann „Fast** III 736 ff. meint sein „a Baccho
mella reperta ferunt" zunächst wol etymologisch, da er Liber von li-
bum ableiten will.
3) XXVI V. i83ff. Oben S. 31.
4) A. a. O. S. 177.
Maass, Griechen u. Semiten. 3
— 34 —
gewöhnlichen Leben') und in den M)rthen der Völker
spielt das Honigmittel als Allerweltsarznei eine bedeut-
same Rolle. Th. Storm hat das Motiv in einer seiner
wirksamsten Dichtungen, der „Regentrude", verwendet
So wurde der höchste Himmelsgott, auch der Allzeus
der Zauberer, leicht fisXtifsvsTcop und jis^toü/o^. Aus
Chr. Granander Thomassons „Finnischer Mythologie***)
teilt Menzer ein finnisches VolksUed mit, 3) in dem die
Biene so gerufen wird: „Biene, du Weltvögelchen,
fliege hierher, wohin ich dich rufe, über den Mond,
unter der Sonne, hinter des Himmels Sternen, neben
der Achse des Wagengestirns, fliege in den Keller des
Schöpfers, in des Allmächtigen Vorratskammer, tauche
deinen Schnabel in Honig, lasse dein Gefieder rauchen,
bringe Arznei mit deinen Flügeln, den Honig trage im
Schnabel herbei für böse Eisenwunden, für Wunden,
die das Feuer macht". Eine Variante (S. 56) lautet im
zweiten Teile des Volksliedes: „Hole den Honig aus
Mehtola, die Arznei aus Tapiola, um den Kranken zu
stärken, dem Siechen Besserung zu verschaffen; salbe
von oben, salbe von unten". Überirdisch wunderbare
Heilkraft legte man dem Honig bei, weil er die Götter-
nahrung ist; aus keinem anderen Grunde spielen die
Honigspenden bei den Opfern .(als vYjcpaXta und als
xTjpta TTOTrava [xeXtxta) ihre Rolle. Die Gottheit läßt sich
gern bewirten, man wartet ihr mit ihrer eigenen Speise
auf Dasselbe gilt von den Beschwörungen zum Zweck
der Abwehr, und es ist charakteristisch, daß die Muse,
welche die Formeln für beides eingibt, auch ihrerseits,
») Plinius ,N. H.« XI 38.
*) Übersetzt von Petersen, Reval 1821, S. 56 f.
3) Vorchristlicher Unsterblichkeitsglaube, 1870, S. 127 f.
— 35 —
im Asklepiuskult wenigstens, mit Honigwaben bedacht
wird.i) Sie gilt eben als Zauberin ; die carniina, die sie
bringt, sind auch Zauberlieder (eircütöat). Aristaeus, der
große Bienenwirt, besitzt von den Musen nicht nur die
Weissagekunst, sondern auch die Heilkunst,*) doch
wol wesentlich durch Lieder; auch Musik ist Zauber.
Vor allem aber verfügt dieser Gott über den Regen- und
Windzauber: die Passatwinde zieht Aristaeus ins Land,
nachdem er seine Keer die sengende Kraft des Sirius
„unter Waflfen" beobachten gelehrt hatte. 3) Er verfugt
über einen wahren Schatz magischer Mittel. S. 86 fF.
MeXiotlp-njc bedeutet, als Anrufung des Zaubergottes
zwischen [iäXioü^^o^ und [jLsXtYsvsxa>p gestellt, notwendig den,
„der durch Ausschneiden der Waben Honig gewinnt."
Die im Papyrus beliebte Reihenfolge der drei Beiworte
ist ursprünglich wol nicht ohne eine bestimmte Ab-
sicht gewählt gewesen. „Der den Honig hat" „der ihn
durch Schneiden gewinnt" „der ihn erzeugt" — man
erkennt eine Stellung wie in der Figur des Hysteron
proteron.
7. MeXtxepTT)? erscheint als Beiname in der Litteratur
noch einmal. Wie der Biograph bei Suidas u. d. W.
berichtet, hatte dem Lyriker Simonides „die Süßigkeit
seiner Lieder" den Beinamen jisXixipxY)^ eingetragen (iire-
xXr^&Yj [leXixspTT]^ 8tä xö 7)86). Simonides bezeichnet seine
Poesien selber als honigsüß (p-eXtaSea Y^püv); sie waren
auch der Nachwelt wie der Mitwelt unvergessen. Die
») Oben S. 29 A. 4.
«) Apollonius II V. 512.
3) Schol. Apoll. II V. 526.
3*
- 36 -
meisten der lyrischen Dichter, sicher seinen Neffen
Bakchylides, hat Simonides an Tiefe und innerer Wahr-
heit der Empfindung, an Wollaut vorf Sprache und
Vers überragt. Das 8ia xö 7)86 des Biographen beweist,
daß dieser aus dem ersten Teil jenes simonideischen
Beinamens [AsXixspxrjc jedenfalls den Honig, jiiXt, heraus-
gehört hat. Wie sagt Homer von Nestor.^
7)8üeTUT]^ dvopouofs Xi^ü? ÜüXwov difopTjTrjC,
TOü xal oLTzo YXworar^? [ilXtio? yXüxuov pisv aüÖT^.
Das helle Organ und die honigsüßen Worte machen
erst zusammen Nestors Beredsamkeit aus; das erste
allein wäre nur ein halbes Kompliment, mehr dem
gelegentlichen Loben vorbehalten. Ich finde es hübsch,
daß Solon seiner Freude über Mimnermus' Vortrag
dadurch Ausdruck gab, daß er ihn in dem von Diels
zurückgewonnenen Ausdruck Xt^uaiaxaSTj?, d. i. „heller
Sänger", nannte, wol beim Symposium. i) Ähnlich
sprechen die Alten über Simonides auch sonst. 'Suavis
poeta Simonides' ;^) r^ 2t[i.a)vßeü> ^Xiixspä asXk ?Xa&t;3)
ETüvse Tspirva TjBujisXicp&o'yyoü Moüaa 2i[i.a)vfSea).4) Von den
Neueren ist diese Auffassung des ersten Teils des
simonideischen Beinamens teils einfach gebilligt,5) teils
ohne Gründe bestritten worden.^)
Über den zweiten Teil des Kompositums hat der
Biograph eine Ansicht nicht verlauten lassen. Boeckh
') Hermes XXXVII 1902 S. 481 ff.
*) Cicero „De nat. deor.** I 22.
3) A. P. IX 184.
4) Ebenda IX 571.
5) Düker „De Simonide", Utrecht 1768, p. 46. Boeckh zum
„CIG" II p. 319a. Bergk „Griech. Litt-Gesch." II S. 374A.
6) Schneidewin in der Vorrede zu seiner Simonidesausgabe.
— 37 —
scheint eine von ihm mitgeteilte Konjektur \L&k('^^p{)(; für
fjLsXtxlpTY)? nicht zu mißbilligen. Allein wir bedürfen
weder einer Hilfe noch irgend einer Änderung. Simo-
nides ist „Honigschnitter", seine Gedichte sind „Honig-
waben", welche aus den Bienenstöcken, den Bäumen
oder den Felsenhöhlen herausgeschnitten werden. Der
Gedanke ist schön, die Metapher gar nicht selten.
Plinius der Ältere klagt in der Vorrede seines Riesen-
werkes (24) 'inscriptionis apüd Graecos mira felicitas.
Kr^pibv inscripsere, quod volebant intellegi favom*, eine
Stelle, die dem wackern Gellius so gefiel, daß er sie
in der Einleitung zu seinen 'Noctes atticae* nachschrieb
(6). Buchüberschriften dieser Art, „KYjpta" oder „Favi",
scheinen allerdings nicht mehr nachweisbar,^) wol aber
Vergleiche. Im Bilde bleibt ein Dichter der griechischen
Anthologie QX 190), welcher das kleine Poem der
Erinna von Lesbus, die „Spindel", geradezu als ein xYjpiov,
eine Honigwabe,*) bezeichnet. Verbreitet ist der Ver-
gleich des Dichters mit der Biene bei den Griechen:
') Babrius sagt Praef. i8f. zu seinem Sohne von den aesopischen
Fabeln:
jjieXicJTay^C cjot vwt ti XTjptev Oi^cju),
TTixpÄv {«{xßoDV cJxXrjpd XüiXa OirjXuvac.
Noch die gelehrte um 1200 auf dem Odilienberge in den Vogesen
lebende Herrad von Landsberg schreibt von ihrem für ihre Nonnen
bestimmten „Hortus deliciarum": „Hunc librum ex diversis sacrae et
philosophicae scripturae floribus quasi apicula deo inspirante comportavi
et quasi ... in imum mellifluum favum compaginavi". Vgl. Specht
„Geschichte des Unterrichtswesens" S. 271 f. Auch die Schrift
Chr. Engelhardts „Herrad von Landsperg", Stuttg. 181 8, S. 126.
*) A^cjßiov *Hp(vv7)c T(58e xY]p(ov. zi hi xt |jiixp(^v,
dXX* ÄXov h. Moucj^tüv xtpvrfjxevov jjiiXtTi.
ol hi Tpt7)x(J(Jiot TauTTjc (Sziyoi Tcjot ' Ofxi^pcüt xtX.
Dieselbe Dichterin nennt Leonidas VII 13 (24 Geffcken)
- 38 -
wofTTsp [isXirua d[j.ßpoaft(üV [aeX^cov direßoöxeTO xapirov, del cpspov
^Xüxetav a)i8dv sagt Aristophanes in den „Vögeln" (V. 750)
von dem alten Tragiker Phrynichus, und in den „Wespen"
(V. 220) nennt er die Lieder der alten guten Dichter
dp5(aio[i.sXi(ji8a)vocppuvi)^r^paTa, wo einige antike Erklärer
überflüssig zweifelten, ob \iikoq oder jilXi vorauszusetzen
wäre. Das Richtige sah Aristarch: „Phrynichus Phoe-
nissenlieder waren lieblich wie Honig" ; in den „Phoe-
nissen" des Euripides wirken sie noch fühlbar nach.
Sophokles sollen die Komiker, die ihn alle gern hatten,
den Ehrennamen „Biene" gegeben haben.^) Xenophon
hieß „die attische Biene",*) und schließlich sind alle
großen Dichter, alle beredten Menschen „Bienen", nennen
sich wol auch selber so. Der junge Tasso, von Scipione
Gonzaga nach Padua berufen, hojBft, „er werde, ein
Auserwählter unter schönen jungen Bäumchen, wert-
vollen Honig träufeln, der sich erhalten werde auf dem
Parnaß der künftigen Geschlechte^^3) [Plato] sagt aller-
dings im Ion* p. 534 B Xe^oüai yAp St^ttoü&sv irpic "J^fia^
0? TTOtYjXat, 8x1 OLTzh [xpY]V(üv] [leXippüXCüV ix MoüdÄV XT^TTWV XIVCÜV
xal vaircüv Spsirojievoi xä [isXyj f^ptv (pspoüaiv Äoirep a? [liXixxai,
xal aöxol o5xa> irexop-evoi • xal dX^jö^ X^yoücjiv. Diese Über-
treibung, die Entartung der Späteren, ist aber der
großen Dichterzeit fremd. Zwar weiß die bewundernde
irapOevix^v veaoiSov ^v {)fi.voirdXoiai fji^toaocv
*Hptvvav Moua^oDV ctvdea Spe7rT0fi.^vav.
Sie ist also auch in jenem späten Epigramm als Biene, die die Wabe
selber macht, nicht als diejenige Person gedacht, welche den Honig
ausschneidet
») Schol. „Oed. Col." 17; Vita Soph*
*) Suid. s. V.
3) Opere V 23. Cecchi „Tasso" S. 76 der Übers.
— 39 —
Mitwelt von Pindar und Plato das Wunder zu erzählen,
daß sie als Säuglinge von Bienen mit Honig genährt
seien — ein Motiv, das sogar das Christentum in den
Legenden vom heiligen Ambrosius, auch auf einem
Hochrelief in S. Ambrogio in Mailand, Dominikus
Isidorus nicht hat aufgeben wollen — sie selber sind
nicht so anmaßend, daß sie ihre Dichtungen mit dem
Süßesten verglichen hätten. Das hat auch Simonides
nicht getan. Im Gegenteil. Aristides berichtet^) einen
Ausspruch des Simonides, der ebensosehr von der
Bescheidenheit wie von dem berechtigten Selbstgefühl
des Dichters Zeugnis ablegt:*) „d MoGaa yotp o&x diropcDC
Ys6ei zh TTGtpöv [lovov, dXX' iizipys.'zai Tzdvza &eptCo[i£va" • taüx
oü SoxsT aoi aacpu)^ 6 ttoiyjtt]^ kaoxhv iiraivcov Xl^stv w? ^^vip-ov
xal TT^pijiov sfe xä fiiXT]; Aristides sah in dem ausge-
hobenen Satze ein Selbsturteil. Es liegt ein solches
in den Worten des Dichters unmittelbar nicht ausge-
drückt. Aristides mag sich aber seine Meinung aus
dem weiteren von ihm unterdrückten Zusammenhang
des Liedes gebildet baben. Simonides hat das Recht zu
sagen „die Muse kostet kümmerlich nicht das allein, was
bereit liegt, sondern sie tritt an alles aberntend". Er
redet von seiner Göttin im Bilde. Was „kostet" denn
XXVIII 67 (II p. 163 ed. KeU) == Fr. Sim. 46.
*) Pindar „Pyth." X 54 f. kühn lYxu>fA(u>v ydp awToc ufxvwv in*
dXXoxe ÄXXov ÄTe [xikicaa {^uvei Xd^ov. Plutarch „De recta ratione
audiendi'* p. 41 F, vgl. Fr. 47.
Tuis ex, inclute, chartis,
floriferis ut apes in saltibus omnia libant,
omnia nos itidem depascimur aurea dicta
sagt Lukrez von seiner aus epikureischen Schriften zusammengelesenen
Schriftstellerei.
— 40 —
/
die Muse? Welche Frucht erntet sie ab? Den Blumen-
honig. Die Muse des Simonides ist wie die Biene, die
von Blume zu Blume fliegt aus den Blüten £av&öv jiiXi
[iY]8ofiiva; sie macht die Süßigkeit. Dem Dichter ver-
bleibt die bescheidenere Rolle, den Honig, den die
Musenbiene zusammengelesen, herauszunehmen und
der Welt zu übermitteln. Vergessen wir aber nicht,
daß sich der Dichter aus eigner Wahl und eignem
Wissen zu dieser Aufgabe verstanden hat, wie er ja
eingesteht. Es haben nach Simonides auch andre ähn-
lich gesprochen, nur nicht immer so treu das Bild fest-
gehalten. Nur einmal noch finde ich in anderer Form
dasselbe schöne Bild verwendet, wieder in Bezug auf
Simonides. Ich meine eben den Beinamen, von
welchem wir ausgingen. Melikertes ist „Honigschnitter".
Wer so den Dichter benannte, befand sich mit dessen
eigener Auflfassung in Harmonie; wer Simonides zu einem
[leXtxlpTT)? machte, ihn also die Honigwaben aus den
Bienenkörben oder Baumhöhlungen oder Felsen heraus-
schneiden ließ, der verglich seine Poesie zwar mit dem
Süßesten, gab ihm persönlich aber nicht das Verdienst
des letzten ErschafFens, sondern einer höheren Macht,
der Gottheit. Die Muse verglich er der Biene. Mög-
lich, daß Simonides es selber war, der sich in einem
Gedichte so benannte, in demselben etwa, in welchem
er die Muse zur Biene macht. Die Mit- und Nach-
welt wäre dann bei dem selbstgewoltten Beinamen ge-
blieben. Jeder kennt das Wort des Aeschylus, seine
Tragödien seien nichts als abgeschnittene Stücke von
Homers großen Mahlzeiten (xejiaj^Yj xa>v [xsycxXwv 'OjiT^poü
Sewrvcüv). Möglich auch, daß jemand anders gelegentlich
den Ausdruck nicht geprägt, aber auf Simonides zuerst
— 41 —
angewandt hat, wie Solon auf Mimnermus die Neu-
prägung XqüaicrraSTjc. Wir wissen das nicht Anders
der Neffe des Simonides, und selbst Pin dar, die nicht
müde werden, ihre honigsüßen Poesien sich selber als
Verdienst anzurechnen und anzupreisen: Bakchylides
will vaai&Tic Xi-^irfbof^o^ [izkidaa sein,') Pindar sagt, stolz,
ihn und alle überbietend, von seiner Dichtung, sie sei
jisXiaaoxeüXTwv xTjpuuv YXüxepcoxspo?.*) Doch kommt wenig
darauf an, ob Simonides das Beiwort „Honigbrecher"
von sich selber gebraucht hat Ganz in seinem Sinne
wäre es auch auf ihn übertragen worden. Das genügt
und das entscheidet
Traurig, daß sich der Semitengott bis an den Lyriker
herangewagt Welcker erklärte den Beinamen aus „der
Geldgier" des Dichters.3) Simonides ließ sich seine
Lieder gut bezahlen, was sein Recht war. Aber von
gemeiner Profitsucht des Dichters weiß nicht bloß die
Anekdote, sondern schon Xenophanes und Pindar,
Aristophanes und Thukydides.4) Zwar steht alledem
Pia tos bekanntes Ehrenzeugnis entgegen, und wir müssen
doch wol eingestehen, daß die viel behauptete Gewinn-
sucht für uns doch nicht mit Sicherheit erwiesen ist
Aber das Vorurteil bestand und besteht. Dennoch ist
>) X lo. Bakchylides nennt sich noch III 96 ixikifXioaaoi Ktji«
di]$(üv (XIX 10 eiafvETOC Kijia fx^ptfxva).-
«) Fr. 152 B. Anderswo ähnlich. „Isthm." II 7 f. yXuxetat
fjLfiXicpOdYYOu Tep(j;i^(Jpac jjiaX0ax<5cptt)voi doiSa^. Auch iJteXtxdfAircuv doi5av II 32.
ficXicpOdYYOi« doiSatc V 9. p.eX{<ppovoc oxoXteu Fr. 122 B. und „Isthm."
IV 52 f. Iv 5* Ipaxeivwi fxAixt xal TotaiBe Tifjiai xaX>.{vtxov X^PF*-^
dyaTTdCovri „dulci vero melle tinctum etiam hae victoriae hymnum
amant" Boeckh.
3) Nach Schneidewin p. XL.
4) Wilainowitz „Sitzungsber. der Berl. Ak.** 1901 S. 1303 f.
— 42 —
die Deutung „geizig und geldgierig wie der lyrische
Stadtgott'* ein Ding der Unmöglichkeit. Was sollte der
Semitengott in einem Zusammenhange, in dem nur der
einzelne Semite passen würde? Sie würde außerdem
die Richtigkeit der Gleichung Melikertes-Melkart als
eine im Sinne der Alten feststehende Tatsache voraus-
setzen, und diese Gleichung gibt es für die Griechen
selber nie und nirgends. Schlimmer noch ist eine an-
gebliche Aufbesserung der Welckerschen Auflfassung.
Gruppe schließt allen Ernstes so:^) Die Griechen
hörten aus dem Namen des tyrischen Gottes „Melkart"
fiiXt „Honig" heraus. Sie legten sich daraufhin das
Fremdwort als [leXtxpot'njc „Honigmischer" zurecht. ^)
Damit — unverständlich warum — noch nicht zu-
frieden, änderten sie den falsch gehörten Namen lustig
weiter. So entstand durch doppelten Fehler schließlich
[leXtK^p-njc. Diese Schlußreihe will ich ohne Kommentar
sich selbst überlassen.
8. Herodot beobachtete, daß in den von ihm als
allerälteste beurteilten Spuren griechischer Religion die
Götter nicht solche Namen führten, welche ihr Wesen
») Griech. Mythol. S. 136.
*) Pindar hat sich einmal als „Honigmischer" bezeichnet
„Nem." III 132 iym z6ht toi TrifXTCU) jjiep.iYfjt.^vov [xiki Xeuxwi auv ydXoxTi,
xipvajjiiva S' lepcj* dfxcpiTcei, TicJfjt.' do(8i[xov AioXTJtaiv Iv TivoaTaiv a6Xu>v.
Er verwendet den ihm von den süßsingenden Musen (fxeXfcpOoYYOt 1,01.**
VI 36) gegebenen Honig „Ol.", X. 116 ff. (Nektar „Ol.« VII 7 ff., un-
bestimmt „Pyth." VIII 57 „Isthm." V 21). Die Musen nähren dort
den Ruhm des gefeierten Lokrers; mit ihnen zusammen Hand an-
legend will er das ruhmvolle Volk der Lokrer umfangen, piXiTi
eOöcvopa irdXtv xaTaßp^j^wv. Seine Hymnen sind ihm juXi^elcpuec auch
„Ol." XI 5.
— 43 —
annähernd erschöpften, sondern nur Beinamen, und wir
haben zaMreiche Belege von im Kult offiziell gebrauchten
Anrufungen ohne eigentliche Gesammtbenennungen, falls
es solche von ihnen überhaupt gegeben hat Der Name
Melikertes für den Gott des Isthmus ist ein solcher zum
Kultnamen erhobener, aber das Wesen des Gottes nur
nach einer Seite bestimmender Sondemame. Erschöpfen
kann und will er nicht Die Zeugnisse über den Gott
vom Isthmus lassen keinen Zweifel. Die im Namen allein
berührte Seite des göttlichen Wesens ist anscheinend
fremdartig, in Wirklichkeit aber so charakteristisch für
die Umgebung und die Kultur und die alte Zeit, daß
sie erläutert werden muß.
4-
Die Bienenpflege war in Griechenland von alters
her verbreitet, besonders auf den Inseln und in Attika,
aber auch sonst auf dem Festlande. Wie stolz
klingt der Euripidesvers [isXi(j(jov6[i.ou 2aXa[i.tvo? & ßaaiXeü
TsXa[iü)vl^) Es war ein Irrtum, wenn Hehn aus dem
Schweigen Homers einen Schluß auf die Zeit der Ein-
führung rationeller Bienen Wirtschaft wagte. 2-) In die
ritterlichen Sitten der homerischen Gesellschaft 'paßt
der bäuerliche Betrieb der Honiggewinnung nicht Er-
wähnt wird unter den täglichen Bedürfnissen der Honig
oft, die Bienen aber selten.
Einmal im zweiten Iliasbuch innerhalb eines Ver-
gleichs (V. 87 ff.), wo die Achaeer sich sammeln „wie
Bienen, welche aus einer Felsschlucht auffliegen" als
ein frei in der Wildnis lebender, gewaltig großer
Schwärm, viel größer, als sie aus den Stöcken auf-
fliegen. Die Stelle schließt die rationelle Honigkultur
sowenig aus, wie das Fehlen bestimmter Erwähnungen
den Gebrauch der Schreibkunst oder die Auslese
einiger weniger Sternbilder eine genauere Kenntnis
des gestirnten Himmels. Der Dichter aber jenes von
Aeschylus in den „Persern" (V. 128) nachgebildeten
') Troades V. 794.
*) Kulturpflanzen und Haustiere S. iiof.
— 45 —
schönen Vergleichs war in lonien gut bekannt. In einem
nicht minder schönen Vergleiche (V. 144 flf.) schildert
er das unruhig wogende ikarische Meer, das er also
aus Erfahrung kannte, und die sich „in der asischen
Ebene an beiden Ufern des Kayster" sammelnde
Kranichschaar aus eigenster lebendiger Anschauung.
Mittelionien, die Gegend etwa von Ephesus bis Chius
und Samus, war die Heimat des Sängers dieser herr-
lichen Lieder; schwänereich ist das Mündungsland des
Kayster wie das Nildelta, heute wie zur Zeit des ho-
merischen Dichters. Die zweite Stelle steht in der Be-
schreibung der Nymphengrotte auf Ithaka; „in ihr nisten
die Bienen" (xi&atßtüaaoücri \i£kicscsai XIII. 106).
Eine andere Spur führt nach Boeotien. Wieder
innerhalb eines Vergleichs verrät Hesiods „Theogonie"
(V. 594 ff.) Kunde von der Bienenkultur, aber der Unter-
schied von der homerischen Erwähnung ist doch be-
zeichnend. Er spricht von den Frauen, die von Zeus
den Männern zur Qual gegeben und doch unentbehr-
lich seien ; die Männer haben sie zu ernähren, wie die
fleißigen Arbeitsbienen die Drohnen in den Körben
und Stöcken, den (Jjit^vtj und (jt'[j.ßXoi, künstlichen Be-
hältern also.
Die Bienenpflege hat sich in Religion und Sage,
wie in den Verhältnissen des Lebens ausgesprochen.
Bildungen wie Melissus Melisseus Meliton, Melissa Me-
lite, profane wie sakrale, finden sich durch die griechische
Welt zerstreut, nirgends häufiger als in der Megaris,
in Attika und in Boeotien.^) Diese Kultur muß sehr
") Vgl. Dittenbergers Index zu den „IGS** I. Melissus aus
Himera ,,IGSr' 333. Der samische Philosoph ist bekannt. Auch jxiXi
erscheint in den ,.IGS" I sehr häufig in Kompositionen, z. B. Miki-
- 46 -
alt sein auch in Boeotien. Das beweist der Dialekt I
MeXtrusüc würden die historischen Boeoter als solche
sagen. Die Eigennamen lauten aber regelmäßig auf
den Steinen MeXtararsüc u. ä., sind also vorboeotisch. Die
beiden nur durch die Endung unterschiedenen Formen
\i£kiaao^ und \Lekiaaz6<; bedeuten „Bienenzüchter" ; [leXiaasö^
sagt Aristoteles. Auch in dem mythischen Namen
wechselt die Endung. Für den Vater der Zeus-
wärterinnen auf Kreta hat der Frisingensis der Hygin-
fabeln (182) die Form „Melissus", die sog. Astronomie
Hygins (11. 14) und andre Quellen „Melisseus" ; niemand
hat das Recht, die eine Stelle aus der andern zu
ändern. Ebenso kennt die troische Sage einen Me-
lisseus oder Melissus. ') Zwei „Melissos" genannte Orte
heißen nach dem Bienenzüchter, einem göttlichen
Wesen, da die altgriechische Sitte Ortsbenennung nach
Menschen verbot. Melisseus ist einer der sieben Kory-
banten von Chalkis, bei Nonnus Abantenführer, der
8(üpoc aus Megara (auch in Delphi „Bull, de corr. hell." 1898 p. 13.
14. 25. 56. 60. 65. 99), auch drei MeXiaa((üvec MeX^tüdv MeXtoxi^^oc aus
Thespiae 1757 und mehrfach MeXiTU). M^Xicjaa MiXcuvoc aus Aigos-
thena 233 (M^Xwv ist wohl nicht aus MeXtaa(u>v gekürzt, vgl. 216; 218
erscheint MeXi(Ja(tüv Ai^ocJÖev^TT)?), aus Rhodus „IGI" I 688. Vgl. S. 14.
Der sagenhafte Athener MiXixoc (nach Aelian Uepl irpovotec bei Suidas
s. V. dtT^pajxvov und MiXixo?, vgl. Bemhardy II p. 765 A.) heißt bei Pau-
sanias I 30, i MiXr^;. Er soll sich aus Reue über den Selbstmord
des von ihm verschmähten Metöken Timagoras wie dieser von dem
Burgfelsen gestürzt haben. Daher der Altar des Anteros. E. Curtius
verlegt grundlos den Tod nach Melite (Gesammelte Abh. I S. 296 ff.).
MArjTOC scheint hier die richtige Form wegen der Kürzimg M^Xtjc*
Sonst würde MeXiTeu? erwartet werden müssen. Die Ähnlichkeit mit
der isthmischen Melissusnovelle ist bemerkenswert (unten I 5).
') Meineke zu Steph. Byz. s. v.
— 47 —
aber „auch in Phrygien, Kreta und Athen gewesen
sei".^) Melisseus von Karien reinigt Triopas^) den
Herrn vom Triopium; Sühnopfer sind immer wesent-
lich chthonisch; im chthonischen Ceremoniell hat der
Honig bei Griechen wie Römern deshalb seine feste
Stelle. 3) Meliboios ist geläufiger Menschenname; 4) die
bukolische Poesie hat ihn besonders gern. Die me-
garisch-attische Heroine Meliboia wurde S. 14 genannt,
eine ephesische ist auch bezeugt, 5) und in der Oedipus-
sage spielt ein Meliboios eine dienende Rolle;
nur daß sein Name leicht verderbt ist^) Oedipus
wird an der korinthisch-boeotischen Grenze in der
Bergeinsamkeit ausgesetzt. Da findet ihn, schon auf
korinthischem Gebiet, ein Bauersmann „Meliboios".
Dessen Tätigkeit liegt deutlich im Namen. Es ist der
') XIII135.XXX280. XXXVII 424. Melisseus, Sohn der Kombe
(Krähe) und des Sokos, eines euboeischen Lokalgottes (öuixo; =
aaoixoc Helfer, vgl. Hesych. s. v.) u. a.
») Diodor V 61.
3) Samter „Familienfeste der Griechen imd Römer" S. 84flf.
4) Z. B. „Sammlimg der griechischen Dialektinschriften" I S. 106
(Bechtel).
5) Sie stürzt sich vom Dache, um sich zu töten: Schol. Verg.
„Aen." I 720.
6) Cedrenus I p. 45, wo MeXfßio? überliefert ist. Schneidewin
(Abh. der Gott. Ges. der Wiss. 1852 S. 193) findet die Notiz albern.
Dieser dypoTxcJc xic erinnert an Philiskus von Thasus „in desertis apes
colentem Agrium cognominatum", der auch über Bienen geschrieben
hat (Plinius „N. H." XI 19). Enmann (bei Röscher u. d. W. Leto
S. 1970) schreibt von Meliboia, der argivischen Priesterin der Leto:
„Wir denken an fjiAeo?, was mit fjLötxaio; d>vadc erklärt wird, und ßot,
die vorauszusetzende Ablautung zu ßi leben. Diese Nebengestalt der
Leto wäre also ein Wesen, welche das Wesen vergeblich, nichtig
machte." Sie soll dann soviel sein, als die Fehlgeburtserzeugerini
- 48 -
echte rechte Bauersmann „der Honig und Rinder be-
sitzt", nicht der Honig, also Bienen, züchtende; das
wäre notwendig [AsXtßocjxo«;. Von Meliteus „Honigmann",
dem Sohne des Zeus und einer Othrysnymphe, dem
Gründer von Melite in Phthia, weiß Nikander zu er-
zählen, i) Ein Stadtteil von Epidamnus hieß nach den
Bienenstöcken ([xsXkjcjcüvs?) MeXtaatovto*;.^') Hier fabelte
man von Melissa, der Tochter des Dyrrhachius und Ge-
liebten des Poseidon. 3)
Das Material, von welchem hier nur das Wesent-
lichste vorgelegt worden ist, erweitert sich nicht uner-
heblich, sobald ein zweites aus der Schriftsprache ver-
schollenes Wort für Honig und seine Ableitungen ins
Auge gefaßt werden. 3pov wird mit a|XT^vo<; „Bienen-
schwarm" „Stock" erklärt und für kretisch ausge-
») Antoninus Lib. XIII.
*) Trephonius und Agamedes scheinen eine Art Penaten, Oeol
xn^aioi, zu sein. Mit dem Honig hat wenigstens der erste zu tun:
Paus. IX 40 zeigen Bienen dem Saon die Höhle von Lebadeia. Die
Novelle vom Schatzhause des Rampsinit liegt auf jene übertragen
schon in der „Telegonie" vor (Wilamowitz „Hom. ünt." S. 186 f.).
„Während wir von einem Sack voll Geld sprechen, sagt der Grieche: er
hat einen Bienenkorb voll Geld (oder Schätzen). Hier ist die alte
Vorstellung des Schatzes beeinflußt und gefärbt durch das Bild vom
himmlischen Honig: der Bienenkorb ist, wie sein nächster Verwandter das
„Tischlein deck dich" und der Wundersäckel des Merkurius, des For-
tunatus u. s. w., ein unversieglicher Schatzbehälter himmlischen Segens.*'
So Usener „Rh. Mus." 1902 S. 108 ff., er vergleicht Aristophanes
„Wespen" V. 241, wo es von Laches heißt öffjißXov hi cpaai )^pT]fAdTU)v
l^eiv änavctQ a{)Tr!v, aus Sicilien mitgebracht. Auch das Schatzhaus
des H3rrieus wird ursprünglich in die Sphäre wirklich gehören, in
welche der Name des Besitzers es verweist.
3) Philo bei Steph. s. v. Auppct^^iov.
— 49 —
geben, ^) opta muß Honig oder Honigwabe bedeutet
haben, wie schon aus dem früher behandelten öpiaxojioc
zu entnehmen (S. 25). Kretisch kann das Wort aber
nicht ausschließlich gewesen sein ; das lehren die Eigen-
namen, welche bald von dpov, bald von öpia abgeleitet
sind. Tpotoc, Sohn des Aegeus von Sparta,*) ein
Aegide also, trägt einen Kosenamen etwa aus üpoxofxoc.S)
Ferner ist Hyria alter Name verschiedener Orte ganz
in dem Sinne von MsXt-nj MsXtxata, z. B. von Zakynthus, 4)
von Parus,5) von Seleukeia in Cilicien. Ein Vor-
') Hesych s. v.
») Pausanias III 15, 8. Hygin hat „Fab." 170 im Katalog der
Danaiden „Eiiropomeatlitem*'. Das wird „Eiiroto Meliteum'* o. ä.
sein. S. 45 fif.
3) Wie Beaioc Aafxaio? 'Aaxpalo? IlToXefxaTo? 'AXxalos Aialoc
'laaTo? 'YtJ^aTo? EucpXoioc KwXaTo? KwfjiaToc; sie haben in öeayivijc
AafjLoiaiTnroc (AafjLaafoxpaTo? u. a.) 'AXxafx^vrjc 'laay'^pac ^YtJ^aycJpac, in
dem besonders in Rhodus häufigen Eucppaydpac (Hiller von Gärtringen
im „Hermes" 1902 S. 146), in xwXaxp^Trjc und Ku>fi.ap)roc ihre richtigen
Vollnamen. (Anders STri^afjLaTo; BpovTaioc 'Ayopaio; BouXaTo; MeXiaaaioc
(S. 55) 'AaTpairaTo; 'AaxepoTralo; Ilap&evoTraroc 'ISaloc u. a.). Aristaeus,
der Gott von Keos, wird aus ''Apiaxo; OecJc gekürzt sein; ,,der beste
Gott" erinnert an den 'Aya&oc Oed« von Epidaurus, den viel verehrten
*AYaOo8o([Xü)v, auch an die Landes- und Ortsgöttinnen 'Aya^ 'ApfaxT),
KaXi^ KaXXfoxT) oder Ka>vXiax(i), d. i. wol auch KaXX^cJXTj Oeci o. ä. S. 22.
Kavvadias „Fouilles" No. 41. In Lebadeia bei der Trephoniushöhle
war ein oixrjfxa zum Verweilen während der Vorbereitungsfrist, die
dem Besucher zur Reinigung auferlegt war. x6 hi oixTjfxa AaffjiovcJc xe
'AyaOou xal Tu^tj? lep(Jv £axiv ^Aya^rjc. Mehr bei Usener S. 344.
Schillers Gedicht ,An die Freude' gilt „dem guten Geist überm
Sternenzelt dort oben. Brüder, überm Sternenzelt muß ein guter
Vater wohnen."
4) Plin. IV 12, 154.
5) Steph. s. V.
Maass, Griechen u. Semiten. 4
— 50 —
gebirge Hyris lag bei Chalkedon.^) Am bekanntesten
ist Orions boeotische Heimatstadt ^Tpta in der Graike
mit *Tps6? oder 'Tptsü? „dem Honigmann", dem Besitzer
des von Trephonius und Agamedes erbauten Thesaurus
(S. 48).2^) Auch in Tanagra, auf Chius und im chiischen
Kolonialgebiet bei den Bistonen soll Hyrieus oder ein
Hyrieus gewohnt haben. 3) Thrakien, besonders die
Istergegend, galt im Altertum für sehr honigreich;
Herodot hörte bei den Thrakern selber erzählen, daß
das Reisen jenseits des Ister „durch Massenschwärme
wilder Bienen" zur Unmöglichkeit würde (V lO). Ein
Hyreus, Vater des Krinakus, wird aus der lesbischen
i) Das unteritalische Tpia-Obpia sollen Kreter gegründet haben.
Der See 'Tpte bei Pleuren (Ovid „Met." VII 371. 380) lautet 9up(r,
bei Nikander (Anton. Lib. VII); vgl. O. Müller „Rhein. Mus." 1824
S. 28^9); öupeuc Meleagers Bruder: Apollod. I 7,8. Mir scheint ^Tp^T]
„Immensee" bei Nikander aus Ovid herzustellen, weil Kyknus der
Sohn der Seeepomnne ist, mit Rücksicht auf die später zu behandelnde
Stelle aus Nonnus XXVI 183 ff. "YSpa wäre bei Strabo p. 460, 22,
falls der gleiche aetolische See gemeint sein sollte, in *Yp(a zu ändern.
Steph. s. V. XaXxTxi;.
*) K. O. Müller „Orchomenos" S. 93 A. Seine Gemahlin heißt
einmal KXovit] vufjicpT] (Apollod. III 10, 3); ßofjtßTjoov xXoviovrai heißt
es von den Bienen ApoUon. II 133. Ein Boeoterführer Klonios B 495.
Hysiai fäUt mit Hyria nicht zusammen, wie die chiischen Parallelen zeigen.
3) Hygin ,,Fab." 195, Schol. Germ. A. P. p. 63 Breysig, Schol.
Stat. Theb. III 27, wo ,,ad enorionem regem" in „ad Bistoniorum r."
zu ändern sein dürfte. Überliefert ist bei Hygin „Byrseum", im
Germanikusscholium (Nigidius) ,,Nisaeum", im Statiusscholium p. 356
Jahnke ,,Pelargus". Swoboda (P. Nigidii Fig^i rel. p. 119) ist auch
hier hilflos. Hyrieus ist auch sonst verdorben, bei Hygin „Astr." II 21
hat der Reginensis „ibyrea", die übrigen Hdss. „yrea", d. i. 'Tpia,
offenbar richtig. II 34 ,,catrea" „catraea" „chatrea" „cratea", in dem-
selben Exzerpt Schol. Germ. A. P. ,,caubrisa" p. 93, 13. 164, 10.
Dies wird (cfaupi^ot (aus 'Ypi^ot) sein, jenes baz^ia Q.pia aus *Ypia).
— 51 —
Genealogie durch Hesiod bezeugt^) Ein mythischer
Poseidonpriester eines halikarnassischen Geschlechts,
Vater des Nesiotes, ist wieder Hyrieus. Boeckh setzte
ihn gleich mit dem boeotischen Poseidonsohn aus
Hyria, dem Vater des Orion. ^) Aber die Genealogie
widerspricht. Zur Gleichsetzung fallt jetzt jeder Anlaß
fort. Mehrfach ist hervorgehoben, daß schon die vor-
boeotische Bevölkerung von Boeotien in der Bienen-
Schon die gemeinsame griechische Vorlage unsers lateinischen Hygin
xmd unserer lateinischen Scholien war stark verdorben. Bursian setzt
in unrichtiger Schätzung der Hdss. „Catrea", eine von vielen Korruptelen.
Hyrieus steht auch durch Ovids Nacherzählung derselben Geschichte
vollkommen sicher (Fasten V 499). Robert hat das richtig geltend
gemacht (Eratosth. p. 165). Das Statiusscholion endlich (p. 356) hat
„Pelargus"; es wird auch hier verdorbenes Griechisch (ICAYPIOC
= riEAAPrOC) zu Grunde liegen. Variante „Pelasgus". Zu ändern
ist in allen diesen spätlateinischen Texten als solchen nicht. Vgl.
„Tagesgötter" S. 254 A. Die Hyrieusgeschichten von Boeotien Chius
und Maroneia scheinen uns durch denselben Sammler erhalten zu sein.
Hygin zitiert für den boeotischen Bienenwirt, Orions Pflegevater^ II 34
(außer Pindar) einen Aristomachus. Der Schriftsteller ist nicht so
unbekannt, wie die Hyginerklärer und Litterarhistoriker meinen. Da
es sich bei Hygin u. d. a. um eine mythische Imkergeschichte handelt,
so ist es der Solenser aus unbekannter Zeit, welcher als Verfasser von
MeXicJcJoupifixa bei Plinius XI 19 XIII 131 genannt wird; 58 Jahre seines
Lebens hatte er sich der Bienenpflege gewidmet (Oder bei Susemihl
„Alex. Litt.-Gesch." I S. 839). Es ist ein seltenes Zusammentreffen,
wichtig für die Quellenfrage, daß unser Hygin in seiner von Kolumella
viel benutzten Schrift ,,Über die Bienen" IX 13, 8 (Fr. 4 Bunte)
Aristomachus über die Wabenkrankheit erwähnt. Für seine Zeit ergeben
die Zitate als Terminus ante quem das Jahr + 50 v. Chr. Wer das
ganze Katasterismenbuch für eratosthenisch hält, muß wegen des
Kap. XXXII Ar. unter die Quellen des Eratosthenes setzen. Das ist
stets geschehen.
>) Schol. T zu ö 544.
») CIG II 3655.
4*
- 52 —
kultur Hervorragendes geleistet haben muß. Von piXi
\Uhaaa gebildete Eigennamen sind hier auf den Inschriften
so häufig wie sonst m. W. nur noch in der Megaris.
Dieses vorausgesetzt, gewinnt eine Glosse unserer Lexika
Bedeutung,^) welche (mit leicht verdorbenem Lemma)
besagt, die Boeoter hätten den Namen oder Spitznamen
BXtaaoi geführt, d. i. M(£)Xta(joi, nach der Analogie von
pXtocrxo) £[jLoXov. Der Wechsel zwischen ji und ß in der
Nachbarschaft von Liquiden ist eine häufige Erscheinung
auch bei Eigennamen. Die Leute von Blaunda in
Phrygien heißen auf den Kaisermünzen bald BXauvSlwv,
bald MXaüvSscüv.^^) BXtanxfe steht neben MeXt(yxtx>3,3) wie
pXtTxetv neben [AsXtxxstv; die Honigkuchen heißen ßXixia
und [jLsXiTta.4) Der Priamide „Brissonius" dürfte eher
BXt(jaci)vtoc (aus MsXtaatovtoc) sein; 5) MsXiaaciivtoc hieß, wie
S. 48 bemerkt, eine Stadtgegend von Epidamnus.
Noch ein Heroenname entstammt dieser Kulturregion.
Aus Hesych ist die Glosse xev&pTjStov aus unbekannter
Quelle als Name für ein Insekt aufgeführt mit dem Zu-
satz „einige sehen in ihm die wilde Biene", und dazu
stimmen die folgenden Glossen xsv&pi^vtov] xriptov und
Tev&pr^vio)8e<;] ttoXüxsvov o)C xr^piov xal dpaiov. Dazu tritt
xevftprjVTj selbst in der Bedeutung „Biene". Wenn nun
») Hesych und Et. Magn. s. v. BXtexoi (Et) BXfaaioi (Hes.) ol
Boiu)Tol iip(5Tepov IxaXouvTo. Ich habe BX(aaoi als Grundform in beiden
Brechungen geschrieben.
4) Crönert im „Hermes" XXXVII, 1902, S. 153.
3) Keil „Spec. onom." 28, lÜemens „Protr." p. 14. Oben S. 46A.
4) Hesych. s. v. Auch ßX(Cu) dnh xoO fiiXi fi.eX(C(u Et M. s. v,
5) Hygin „Fab." 90. Steph. s. v. Dagegen widerstreben M^fAßXic
MefxßX(apoc BX(ocpoc dieser Ableitimg wie allen sonstigen (Studniczka
„Kyrene« S. 53). BXte«; Hygin „Fab." 253, Ovid „Met" VH, 386.
— 53 —
der Vater des Magnetenführers Prothous vom Pelion
und Peneus in der Ilias (ü. 756) Tsv&p7j8ci)v genannt
wird, so bedeutet dieser Name hier offenbar genau
dasselbe wie jiiXiacjo. Vielleicht darf angenommen
werden, daß die Bildung Tsvftpr^Scüv südthessalisch ge-
wesen ist, wie Müp[ii8a)v.^) ftpcovoj hängt mit den ge-
nannten durch das Gesetz des Lautwandels zusammen;
unser „Drohne" ist mit dieser durch Hesych für La-
konien bezeugten und mit xrjcpr^v (xacpav) erläuterten
Glosse schon von anderer Seite zusammengebracht
worden.*) Es kann aber sein, daß ftpcovoj und also
ursprünglich auch unser Drohne nicht immer aus-
schließlich männliche Bienen bezeichnet haben, wie die
reduplizierten tevftpTjStov Tsv&pr^vT) lehren, sondern einst
Gattungsworte gewesen sind, die dann bei den Ger-
manen auf eine besondere Unterart, die Drohnen, ein-
geschränkt wurde: ein Hergang, der ja dem Sprach-
beobachter vielfach entgegentritt. 3)
«) Das erinnert an die „Spechte" (Meroper, Picenter), „Störche"
(Pelasger, Kikonen), „Bären" (Arkader), „Robben" (Phoker), „Wölfe"
(Lykier), Encheleer und Ophioneer, Hirpiner Italer Aquilier Suillier
Vitellier Korviner. Es ist eben nicht bloß griechisch-italisch, sondern
ein uralter und tiefsinniger, auch von der heutigen Naturwissenschaft
vertretener Gedanke, daß alle Lebewesen der Erde, die Pflanzen und
die Tiere, der Mensch nicht ausgenommen, durch Abstammimg mit-
einander verkettet sind und eine Entwicklung darstellen. Der Mensch
wird aus dem Tierreich hergeleitet. Vgl. Liebrecht „Zur Volkskunde"
S. 304. Mtüler „Geschichte der amerikanischen Urreligionen" S. 180.
*) Schrader „Sprachvergleichung und Urgeschichte" S. 464.
3) Vornehmlich das Boeotien der vorgeschichtlichen Zeit ist noch
an einem andren hierhergehörigen Wortstamme beteiligt Von afji^vo;
9{A^VT) „Bienenschwarm" „Bienenstock" gibt es eine reduplizierte Bil-
dung, welche am einfachsten in der Hesychglosse bfjiTJvai] O^xat ver-
glichen mit afji^vat] täv (uXiacrujv al xTjpoSdj^oi ^i al ^xai vorliegt,
— 54 —
Weg und Mittel, den Bienen den Honig abzunehmen,
hat nach dem frommen Glauben der Griechen wie alles
Gute den Menschen ein Gott gewiesen. Wir dürfen
nicht vergessen, welche Bedeutung Honig und Honig-
meth zumal in der zucker- und weinlosen Frühzeit auch
bei den Griechen einnehmen mußten und eingenommen
haben. Hielten sie frommgläubig den Wein und alles
Gute für Gaben der Gottheit, warum nicht auch den
Honig? Die Römer haben für ihn eine eigne Göttin
„Mellona", die Letten die Bienenmutter „Bittismäte", die
Littauer den Bienengott im allgemeinen und den Gott
des Honigbruchs im besonderen „Prokorimos".^) Es
mag hier an den Inselgott der Kreter erinnert werden.
Sie nannten ihn Zeus, wollten ihn dadurch als Himmels-
statt *aia[jLfjVai also, wie Xarrnii aus *o(cJT7]fjLt. Der Name 'IafxT]v<5c steht
neben Sfx^voc, einem lakonischen Flußnamen (Paus. III, 24, 9. In
den „Sieben" des Aeschylus V. 271 ff. betet Eteokles zu allen Göttern,
auch A(px7]? TrTjyaT? 068 diz' 'lafxTjvoO. Zu schreiben ist wol tc. )(58aTt
SfjLT^vou. Auch V. 378 ließe sich n'^pov hi Sfji^vov aus 8* *Ia[X7]V(Jv her-
stellen). Die *Icj[jLTjv{5e; NufJicpai von Phlya sind dieselben wie die
BpTaai anderswo (Paus. I, 31). Apollo 'Ia[jLi^vio; besitzt einen merk-
würdigen Orakelkult. Daß ihn Pausanias oder sein Gewährsmann mit
l^ü)v T7]V ^TTian^fxTiv erläutert, beweist, wie wenig das Wesen dieses
altthebanischen Orakelgottes noch verstanden wurde. Es wird dem
alten Thrienorakel in Delphi irgendwie ähnlich gewesen sein, von dem
es im „Hermeshymnus" heißt V. 552 ff. xirjpfa ßdöxovxat (die Thrien)
und dann
aX h\ Srt [x^v ^uwaiv l8T]8uTat [liki ^XwpcJv,
Trpocppov^o); I^^Xouöiv dXrj^e^Tjv dyopeueiv.
Der böse Zaubergreis, der auch die Toten auf Zeit belebt, heißt bei
Tasso II, I u. s. „Ismeno". Das ist gelehrt. Nicht bloß Pausanias,
sondern auch die Glosse tafxT] (Hesych s. v.) konnten auf diesen Namen
führen. Ismeno ist im X. Gesang auch der Zukunft kundig.
') Usener „Götternamen" S. 88, 99, 106.
— 55 —
gott bezeichnen, aber zugleich dachten sie ihn, streng
genommen widersprechend, in der idaeischen Höhle
„entrückt" und „begraben", ehrten ihn auch als „Bienen-
gott", MsXiaaato?. Er ist ein sehr merkwürdiges Zwitter-
ding, himmlisch und chthonisch zugleich. Auch die
Keer besaßen einen Gott der Bienenpflege, dem sie
alles Gute dankten, eine echt patriarchalische Figur ganz
bäuerlich einfacher Ci vilisation ; für den auserlesen vor-
nehmen Götterstaat der homerischen Kreise ist er nicht
vorhanden. Aber das Volk' hat an Aristaeus festge-
halten; wir finden seine Spuren in Thessalien bis nach
Arkadien, auch in Attika, auf Euboea, in Kyrene und
selbst im thrakischen Kolonialland der Griechen bei
Maroneia. Im Haemus dachte man ihn entrückt, Segen
emporsendend.^) Die Güte trägt dieser Gott im Namen
(S. 49^. Aristaeus ist aber nicht bloß der erste Jäger
und Hirte, Gärtner und Viehzüchter, auch der erste
Bienenwirt ist er, der Schüler der Brisai. Er hat das
Herausnehmen des Honigs (xsfxvsiv xa xy)pia), die Her-
stellung von Bienenstöcken und das Bereiten des Meths
den Menschen gezeigt.
Das Christentum führt unter leichter Hülle, die
den Ursprung nicht verbirgt, die antiken Anschauungen
auch hier fort. Kirchenheilige übernehmen das Patronat
der Bienen. Daß die symbolische Deutung das einfach
klare Verhältnis sofort zu verdunkeln und langweilig
zu machen beginnt, ist man in der kirchlichen Sphäre
gewohnt. So wird der heilige Bernhard zugleich zum
') Plinius ,,N. H." IV, 11,45 kennt auf dem Haemus offenbar
nach einem Tempel des Gottes einen Ort „Aristaeus". Detlefsen
(Index s. v.) nennt die Stadt irrig „Aristaeum".
- 56 -
Bienenwirt und zum „doctor mellifluus".^) Der Bienen-
korb gehört schon unter die Attribute des heiligen
Ambrosius und des Dio Chrysostomus,*) zunächst wol
kaum in übertragenem Sinne wegen der Süßigkeit
ihrer Predigt. Auch zur Jungfrau Maria werden die
Waben mannigfach in Beziehung gebracht.3)
So lange der Wein den Menschen fehlte, herrschte
der Honiggott. „Und als der Wein den Griechen längst
gebracht war, noch als sie sich den weinlosen Barbaren
des Binnenlandes gegenüber ihrer reich entwickelten
Kultur freuten, blieben die weinlosen Opfer aus Honig
und Milch, gewürzt durch Fenchel, Thymian, Pappel-
blätter und allerlei Bergkräuter, die heiligsten im Lande.
So sind Altargebräuche und Kultnamen als dauerhafteste
Zeugnisse alteinfacher Lebenssitten verwendet" schreibt
Ernst Curtius.4) Schon der Name des „Melikertes" ist ein
Rudiment altbäuerlicher, am Boden wurzelnder Religion
der alten bildungslosen Zeiten. Aus Boeotien, dem
Lande des Honigs, rettet ihn Ino nach dem Isthmus.
Der Gott trägt — das läßt sich nicht in Abrede stellen
— die Landeskultur seiner Heimat in seinem ehr-
würdigen Namen. In Korinth und in der korinthischen
Religion sind diese selbe Kultur und Religion aber
auch sonst unvergessen.
>) Pfleiderer „Attribute der Heiligen" S. i8.
«) Pfleiderer a. a. O.
3) Salzer „Sinnbilder und Beiworte Mariens", Linz 1893, S. 489.
4) Ges. Abh. II, S. 23.
5-
Beweis ist die in Korinth spielende Novelle, die
ich nach ihrer Färbung delphisch nennen möchte; das
delphische Orakel bringt in ihr die Lösung wie so oft
auch in der Sage. Die Novelle will die Gründung von
Syrakus und Korcyra auf ihre Weise erklären. Diese
Siedlungen fallen nach der glaubwürdigen Ansetzung
in die Jahre 734 und 733. Archias führte die Kolonie
nach Syrakus, Chersikrates nach Korcyra. Die Erzählung
läßt sich zu einem großen Teil aus den Berichten noch
herstellen.^) Leider betrifft das Verlorene auch einige
für unsere besonderen Zwecke wesentliche Punkte. Die
Geschichte lautet so:
Der mächtige Pheidon wollte seinen Argivern
die Herrschaft über die ganze Pelopsinsel verschaffen.
Zuerst wandte er sich gegen Korinth mit versteckter
List. Unter dem irgendwie motivierten Vorwand
notwendig ihres Beistandes zu bedürfen bewog er
die Korinther mit heuchlerischer Freundlichkeit, eine
Mora von tausend Waflfentragenden na6h Argos zu
') Alexander von Pleuren bei Meineke „Anal. Alex." p, 219.
Diodor VIII 8 p. 126 Dind. Plutarcb „Narr, am." 2. Schol. Apollon.
IV 12 12. Maximus Tyrius „Diss." XXV.
- 58 -
entsenden. Ihr Führer war Dexander. Pheidon be-
absichtigte diese Tausend, den Hauptbestandteil des
korinthischen Feldheeres, in Argos zu vernichten.
Die Ausführung des Planes übertrug er einigen seiner
Vertrauten. Zu diesen gehörte Habron, Gastfreund
des korinthischen Anführers Dexander von früher her.
Durch Habron erfuhr Dexander von der Gefahr. So
mißlang der Anschlag. Die Korinther konnten sich
noch rechtzeitig aus dem Lande retten. Pheidon
forschte nach dem Verräter, und Habron zog es vor,
sich mit seinem Weibe und Gesinde nach Korinth
in Sicherheit zu bringen. Er siedelte sich in dem
Dorfe Melissus an. Den ihm hier geborenen Sohn
nannte er aus Dankbarkeit nach der gastfreien neuen
Heimat „Melissus". Dessen Sohn Aktaeon zeichnete
sich durch seine Schönheit und Tugend unter allen
Altersgenossen aus. Sie hatten ihn alle gern. Viele
Liebhaber meldeten sich, insbesondere bewarb sich
der Bakchiade Archias, ein mächtiger und vornehmer
Mann, um des Jünglings Gunst. Abgewiesen, suchte
er mit seinem Anhange den Aktaeon des Nachts zu
entführen. Aber man setzte sich zur Wehr. So
kämpfen die Parteien, bis Aktaeon im Handgemenge,
von Freund und Feind hin und her gerissen, getötet
wurde. Melissus nahm den Leichnam seines Sohnes,
brachte ihn auf den Marktplatz der Stadt und zeigte
ihn den Korinthern mit der Bitte um Sühne, aber
erfolglos. Da wartete er auf das isthmische Poseidon-
fest, trat, unter die Versammlung, erinnerte die
Korinther an die ihnen von seinem Vater bewiesene
Woltat, verfluchte die Bakchiaden und stürzte sich
vom Felsen ins Meer herab. Sofort befiel Pest und
— 59 —
Dürre Land und Stadt. Das Orakel gab zur Antwort;
Poseidon zürne und würde nicht aufhören, bis der
Tod des Aktaeon gerächt sei. Archias, der selbst
als Theore zum Orakel gezogen war, kam nicht mehr
zurück. Er begab sich nach Sizilien, gründete Syrakus
und zeugte zwei Töchter, Ortygia und Syrakus.
Zuletzt wurde er von seinem Geliebten Telephus
hinterlistig ermordet. So wurde seine Tat an ihm
selbst furchtbar gesühnt.
Soweit die Legende. Der von einer bemerkens-
werten Abneigung gegen die Bakchiaden und den
Argiver Pheidon zeugende Bericht über die Gründung
der korinthischen Pflanzstädte Korcyra und Syrakus hat
in der modernen Geschichtskonstruktion von jeher eine
gewisse Rolle gespielt. Unger glaubte sie,') nachdem
Weißenborn sie abgelehnt.^-) Früher noch hatte K. O.
Müller den Gedanken ausgesprochen,3) es schiene ihm
manches in ihr mythisch (er meinte die Katastrophe
des Aktaeon), fügte aber hinzu, den Kern hielte er für
geschichtliche Wahrheit. Ähnlich schwankte sein
Schüler Ernst Curtius;4) zwar wäre das Ganze wegen
gewisser widersprechender Zeugnisse für die Darstellung
nicht recht brauchbar, aber die Blutschuld der Bak-
chiaden, das von Archias begangene Verbrechen, wäre
eine Tatsache. Duncker behandelte den Anfang als
geschichtliches Zeugnis, das übrige als FabeLS) Holm^)
') Phüologus XXVIII (1869) S. 414.
*) Hellen S. i ff.
3) Aeginetica S. 55 ff.
4) Griech. Geschichte 1 6 S. 25889.
5) Geschichte des Altertums V^ S. 387. 400.
6) Geschichte Siziliens I S. 120.
— 6o —
ist hilflos: die Erzählung ist ihm Sage, dennoch sei es
möglich, daß ähnliches vorgefallen sei und den Anstoß
zur Auswanderung gegeben habe. Bestimmter urteilte
O. Gruppe,^) die Aktaeongeschichte wäre aus Bestand-
teilen der andern, gewöhnlich in Boeotien lokalisierten
Aktaeonsage und der von MeUkertes wunderlich ge-
mischt und in ihrer vorliegenden Gestalt erst nach dem
Sturz der Oligarchie „aus einem historischen Kerne"
neugestaltet worden. Es ist Zeit, wie man sieht, die
korinthische Geschichte von diesem Gespenst zu be-
freien.
Chronologisch will die Erzählung zu den be-
glaubigten Daten nicht stimmen. Pheidon von Argos,
der hier drei Menschenalter vor der Gründung von
Syrakus und Korcyra gelebt haben soll, also + 830,
blühte in Wahrheit in der ersten Hälfte des siebenten
Jahrhunderts. 668 leitete Pheidon nach verbürgter
Nachricht die olympischen Spiele, war also Herr der
Altis. Seine Olympiade ist in der Erinnerung der
Menschen haften geblieben. Steht danach die mit-
geteilte Geschichte etwa 150 Jahre zu früh, so ist
sie eben keine Geschichte mehr und hat aus unsren
Quellen für jene Zeit auszuscheiden. E. Curtius
neigte sich dagegen zu dem Auskunftsmittel,*)
den Argiver Pheidon dieser Erzählung, der die große
Politik treibt, von dem bekannten argivischen Groß-
politiker zu sondern, obwol wir von einem drei
Generationen früheren Pheidon nichts wissen. Das
Mittel richtet sich selbst So haben sich denn mit
») Griech. Mythologie S. 135 f.
*) Griech. Geschichte I^ S. 664.
— 6i —
Recht einige Forscher dazu verstanden, die Elrzählung
zu ignorieren.^) Damit ist sie aber nicht abgetan.
Ist sie nicht Geschichte, so ist sie doch Novelle, und
tendenziös dazu. Die Novelle aber mufi, wenigstens
in der frühhellenistischen Zeit, in den gebildeten Kreisen
bekannt gewesen sein. Alexander von Pleuron, Kalli-
machus' Zeitgenosse, begnügt sich, auf sie anzuspielen
(S. 57A.). Er will die Schönheit eines Epheben schildern.
Da bedient er sich des Vergleichs „Antheus Lieblich-
keit war noch entzückender als die Schönheit des
Aktaeon, des Sohnes des Korinthers Melissus, dessen
Tod den Korinthem zum Segen wurde.« Alexander
durfte die Novelle, deren er sich andeutend bedient,
in seinem Leserkreis als allbekannt voraussetzen. Ich
will die Novelle des Melissus wegen analysieren.
Pheidons Bemühen, Argos im Peloponnes allmächtig
zu machen, steht geschichtlich fest und stand dem
Novellisten von vornherein fest Auch von Differenzen
mit Korinth wissen wir und wußte er. Die Hilfesendung
der Tausend war zu motivieren. In unsern lücken-
haften Exzerpten fehlt die Begründung wol nur zufallig.
Wahrscheinlich ließ der Novellist Pheidon gegen irgend
einen Nachbarstaat einen Handstreich vorgeben, bei
dem Korinth zu seinem eignen Vorteil mitthelfen sollte.
Das die politische Voraussetzung der Novelle. Nun
die Einzelheiten. Der korinthische Feldherr Dexander
ist Habrons Gastfreund, was der Name andeutet, also
wol andeuten will „der die Männer aufnimmt". Der
') J. Burckhardt „Griech. Kulturgeschichte" II S. 258 hat sie
verworfen.
— 62 —
Name seines Freundes Habron ist weniger bezeichnend;
der Begriff der Weichlichkeit wird in griechischen
Eigennamen nicht so selten zum Ausdruck gebracht
(0ißp(öv Baüxoiv MaXaxo^ Tpücpwv XXtSwv *Aßp6ßto^ 'Aßpofjia-
Xo?).^) Habrons Verhalten ist das durch die geheiligte
Gastfreundschaft gebotene. Habron warnt also, aber
zu eignem Schaden, den arglosen Freund, welchen
der schlechte Pheidon hinterlistig ins Verderben ge*
lockt hat. Darin liegt nichts besonderes an sich. Nur
die Charakteristik des argivischen Tyrannen ist bemerkens-
wert. Der Name der Frau des Habron wird in den
Exzerpten nicht genannt; sie war Argiverin. Sie be-
kommt in dem korinthischen Dorfe Melissus einen
Sohn, der nach dem Namen der neuen Heimat aus
Dankbarkeit Melissus benannt wird. Ein Ort Melissus
ist für Korinth und Umgebung, auch für den Isthmus,
sonst nicht bezeugt. Auf der andern Seite fehlt jeder
Grund und Anhalt in der Erzählung selbst, diesen durch
die Legende überlieferten Ortsnamen für eine Erfindung
zu halten und ihn topographisch un verwertet zu lassen,
wie gemeiniglich geschieht, um so mehr, als der Orts*
name in der Form MIXXtaao? auf der „Honiginsel" Keos
wiederkehrt.^) Die beiden Orte schützen sich gegen-
seitig.3) Wenn man sich an der Gleichheit von Orts-
1) Bechtel S. 75.
2) A. 3. Strabo X p. 489. Vgl. Bröndstedt „Reisen und Unter-
suchungen in Griechenland" I (1826) S. 8.
3) Museo ital. I p. 2io erscheint auf einer Inschrift aus dem
Apollotempel von Karthaia auf Keos eine Ortsbestimmung nach dem
Gau oder Gut Ijx MeXXfoacDi (neben ^p. IlpoßaXtvdouvTt h 'Axx^i Iv
lepcöt XifjL^vi l[x riexporvTi (heute IleTpouaaot) iy K6Tzp<s}i Ifi ^riy&d Ifx
<I>u)xe{u)i ip. MeTctXXoic). Halbherr (z. d. St. p. 216) und A. Pridik „De
- 63 -
namen und Personennamen gestoßen hat, so ist das
ungerechtfertigt. Nicht zwar nach beliebigen Personen,
wol aber nach Göttern und Heroen (seit den make-
donischen Königen auch nach diesen, dann aber im
Plural) pflegten die Griechen ihre Ortsnamen zu bilden,
wie Phalanthus in Arkadien, Panopeus in Phokis,
Aristaeus auf dem Haemus (S. 5 5 A.), Eury alus bei Syrakus.^).
Eurymedon heißt ein pamphylischer Fluß, Oromedon,
„Bergesherr", ein Gigant und zugleich ein Gebirge auf
Kos, Tityrus ein Berg auf Kreta, auf welchem eine
Göttin ihren Tempel besaß,^) dieselbe welche Minos
mit aufdringlicher Liebe verfolgt haben soll, sodaß sie
ins Meer sprang und nach Aegina entfloh, Aphaea-Dik-
tynna. Es wird ursprünglich Tityrus selbst, der Berges-
herr, gewesen sein, welcher die jungfräuliche Göttin
behelligte, wie die Satyrn das pflegen. Melissus ist
also auch in der Novelle als eigentlicher Personenname
zu nehmen, nur als Name einer göttlichen Person, der
auf das korinthische Dorf erst übertragen wurde, weil
ein Bienengott, den sie Melissus nannten, dort einen
Kult besaß.
Die korinthische Novelle ist aus einem isthmischen
Lokalmythus in ganz äußerlicher Weise abgeleitet und
Cei insulae rebus", Dorpat 1892, p. 65 schwanken zwischen M^icJöov
und M^X>viaaoc. Es ist M^XXiaaoc anzunehmen. Das Doppel X, welches
Halbherr und Pridik in der Transskription fortlassen, erinnert an Sappho
S. loo fjieXXf/pooc u. a. W. Schulze,, Quaest. ep." p. 7 denkt an metri-
schen Zwang ohne Not. Solche Ortsnamen werden stets stark per-
sönlich empfunden. Pindar sagt „Ol." VI „Ich muß nach Pitane
eilen, welche dem Poseidon in Liebe gesellt die Euadne gebar." Dies
ist Natur, Später wird es Figur.
I) Mommsen „R. G." I S. 619.
*) Apollodor bei Strabo X 479.
- 64 -
ungeschichtlich. Werden wir ähnlichen Erzählungen
über Korinth und seine Machthaber, die gleichen Haß
bekunden, z. B. der bekannten Novelle von Periander
und seinem Weibe, nach dieser Erfahrung noch
trauen dürfen? Den Verfasser der Novelle von Me-
lissus und Aktaeon kennen wir nicht, nicht einmal an-
nähernd seine Zeit. Nur daß er vor 280 v. Chr. lebte,
wissen wir (S. 56A.). Aber er kann leicht erheblich älter
sein. Stesichorus (Fr. 44) zeigt, wie stark die impo-
santen Gestalten der korinthischen Tyrannen die
Phantasie auch der westlichen Hellenen schon im
siebenten Jahrhundert beschäftigt haben: bei ihm
mordet der korinthische Tyrann ein Liebespaar. Aber
es gibt ein deutliches Erkennungszeichen. Melissus*
Sohn ist in dieser Legende so schön wie tugendhaft
Ihn zerreißen die bösen Bakchiaden. Man fühlt sich
teils an Orpheus erinnert, welchen die verliebten
Thrakerinnen zerreißen, teils an den gleichnamigen
Jäger Aktaeon, „den Herr des Vorgebirges", der zwar
schön war wie Melissus, aber nicht sehr tugendhaft,
und sich sogar an Artemis vergriff. Da machte die
Göttin seine Hunde toll, die ihn zerfleischten.^)
K. O. Müller ließ den Melissussohn aus dem Artemis-
frevler gemacht sein. Auch die Folgen sind in der
Novelle dieselben wie im Mythus, Mißwachs und Dürre.
Aber alles heilt das delphische Orakel. Ich meine,
man sieht der Novelle das Entstehungsgebiet an. Sie
ist delphischen Ursprungs. Delphi will die so segens-
volle Kolonisation von Korcyra und Syrakus bestimmt
') 'AxTa^ gibt es überall, auch auf Keos (S. 62 Anm. 3) und auf
dem Isthmus: Sophokles im „Theseus" (Pindarscholien II p. 514B.) 8c
TiapaxTfov axef^^wv dvr^fjL^pcDaa xvwSdXtov 686v.
- 65 -
und geleitet haben. Delphis Ruhm kündet die Erzählung,
die sich — wegen der priesterlichen Entstehungs-
sphäre ganz natürlich — zum Teil religiöser Motive
bedient. Delphis Einwirkung auf die Überlieferitngen
vor und noch während des V. Jahrhunderts wird jetzt
immer klarer. Auch das Branchidenorakel bei Milet
und der dortige Leukotheakult ist durch das Mittel
genealogischer Erfindung, einer ziemlich dürftigen, eng
an Delphi angeschlossen worden, i) So kann man sich
die Vorstellungen im VII. oder VTU. Jahrhundert ge-
staltet denken. Delphi erhob Anspruch auf die Haupt-
kulte von Milet, ebenso auf den Ruhm, die Aussendung
der korinthischen Kolonien nach Korcyra und Syrakus
veranlaßt zu haben.
Erwiesen ist jetzt in der korinthischen Landschaft
ein Lokalgott der Bienenwirtschaft, Melissus. Ist er
derselbe wie der Melikertes vom Isthmus? Die Kult-
plätze sind örtlich und der Bedeutung nach verschieden:
der eine zu einem international-hellenischen allmählich,
aber schon früh entwickelt, der andre dörflich ver-
blieben. Nichtsdestoweniger kann bei eigenartiger
Fortbildung des einen der beiden örtlichen Kulte ur-
sprüngliche Gleichung sehr wol bestanden haben, weil
die Annahme, daß eine verhältnismäßig so kleine Land-
schaft, wie das korinthische Gebiet, zwei Sondergötter
der Bienenzucht mit fast gleichen Namen, einen Melissus
und einen Melikertes, besessen habe, so unwahrschein-
lich ist wie möglich. Auf Keos dagegen steht der
Ortsgott Melissus neben Aristaeus, „dem besten Gott",
>) Konon 33. Schol. Stat. „Theb." VIII 198, von Knaack fälsch-
lich in das kallimacheische Gedicht versetzt (Anal. alex.-rom. p. 49).
Maass, (Triechen u. Semiten. 5
— 66 —
welcher zwar Gott der ganzen reichen Insel, zugleich
aber auch Heerden- und Bienengott, Melissus also,
war.i) Diese Gestalten sind unter sich zu trennen, der
keische Melissus aber und der korinthische Melissus-
Melikertes ein und derselbe.
Ob der Isthmus selbst für die Honigkultur einen
günstigen Boden abgab, darf man fragen und bejahen,
weil das dort wachsende Bienenkraut (apium asXivov,
Eppich oder Sellerie) dem Sieger als Kranz überreicht
wurde. Es war die Pflanze des Orts. Eppich wächst
in Griechenland wild an Wassergräben und feuchten
Meeresniederungen (iXeoüsXivov), als irsxpoalXivov (Petersilie)
auch an steinigen Stellen, als öpsoasXivov auf den Bergen
und wird dort noch jetzt viel kultiviert Man hielt es
als eine Glückspflanze gern in Zimmern und schmückt
heute wie im Altertum die Gräber der Verstorbenen
mit Eppichkränzen, bestreut sie mit Eppichblättern;
von einem hoffnungslos darniederliegenden Kranken
sagte man, „es gibt für ihn nur noch Eppich" (apio
tndigetjp) Der Eppich war darum chthonischen Wesen
heilig.
Als vor einigen Jahrzehnten Michelangelos Gio-
vannino (jetzt im Berliner Museum) in einem Pisaner
Palazzo wieder entdeckt wurde, erklärte man die Statue
für den antiken Bienengott „pastore Aristaeo". Dei^.
x) Autonoe, sein Weib, „die selbst ersinnende", bezeichnet eine
Eigenschaft des Gatten, wie Andromache eine des Hektor. Es sind
dies unselbständige Gestalten, vorhanden nur der Gatten wegen.
*) Landerer bei J, Lennis „Synopsis der Pflanzenkunde" (Han-
nover 1877) II S. 731 f.
«!
- 6; -
Künstler hat sich den Jüngling nach der Bibel vorge-
stellt, wie er sich in der Wüste vom Honig der wilden
Bienen nährt; er ist im Begriff, den Honig zu sich zu
nehmen. „In dem oben etwas abgestoßenen Gegen-
stande, welche er mit der Rechten an den Mund fuhrt,
hat man eine Rübe, auch wol eine Heuschrecke, zu
erkennen geglaubt. Die richtige Erklärung fand man
in Italien bald in dem Hinweise auf die heute noch
in entlegenen Landesteilen dort erhaltene Gewohnheit
der Hirten, den wilden Honig in Ziegenhörner aus-
laufen zu lassen und aus dem Hörn zu trinken.
Johannes ist im Begriff, das Honighorn, um es auszu-
schlürfen, zupi Mund zu führen. In gerader Stellung
ließ er aus der Wabe in der erhobenen Linken den
Honig in das kleine Hörn in seiner Rechten hinein-
träufeln. Nun hat er die Linke mit Wabe sinken lassen.
Die Wabe selbst zeigt regelrechte glatte Schnittform:
Johannes hat sie aus wildem Bienennest in Fels oder
Baum herausgeschnitten."^) Als „Melikertes" ist er von
Michelangelo aufgefaßt. Ein Melikertesbild besaßen
die Korinther wahrscheinlich; wir besitzen es nicht.
So mag die Schöpfung Michelangelos für das Verlorene
eintreten.
') Bode im „Jahrb. der kgl. preuß. Kunstsammlungen" II i88l
S. 72 flf.
5*
iii. PALAEMON.
I.
In der isthmischen Legende führte der Melikeites
genannte Gott noch einen zweiten Namen „Palaemon".
Die Legende wird behandelt werden, um das Verhält-
nis der beiden Namen festzustellen. Jetzt fragen wir,
was diese zweite Bezeichnung ohne Rücksicht auf den
Kultnamen Melikertes an $ich bedeutet Das Wort
heißt „Ringer" und findet sich als Beiname oder Eigen-
name mythischer Personen häufig'. Herakles hat den
Beinamen auf einer Inschrift von Koronea,') wie er
denn Schutzgott der Ringschulen z. B. auf den schönen
Tonreliefs des Museo Kircheriano ist*) Auch ein
Heraklessohn Palaemon kommt bei ApoUodor 11 7, 8
vor, ein Sohn des Hephaestus dieses Namens bei dem-
selben I 9, 16, ein Argonaut bei Apollonius I 20i2, ein
Priamide bei dem sog. Hygin „Fab." 90, und schließlich ist
I) IGS I No. 2874. Lykophron 224 mit Schol. Wilamowitz
„Herakles"* S. 34.
*) Die Tagesgötter in Rom und den Provinzen S. 120. Wilamowitz
denkt an Kontamination des Palaemon und Herakles. Der Beweis ist
nicht zu erbringen. Richtig Preller-Rohert S. 603 A.
- 69 -
von TuaXatficüv ein eigenes Verbum neugebildet iroXaifiovstv;
Pindar gebraucht es.^) Der waffenlose Nahkampf,
Faustkampf (pugna) und Ringkampf, ist die altertüm-
liche Form des Nahkampfes. Ringend bezwingt Herakles
den Löwen; es ist die älteste seiner zwölf Arbeiten,
aus Nordgriechenland, wo es noch in geschichtlicher
Zeit Löwen gab, von der Dorern in ihre späteren Sitze
mitgebracht. Auch Kyrene würgt den Löwen, als der
Gott sie erschaut (Xlovri ößpt[i(i)i p.oüvav luaXafoiaav orep
irf/i<ü]i).^) Es wäre unmöglich, anzunehmen, daß alle
mythischen Träger des Namens Palaemon auf den
einen Gott des Isthmus zurückgehen, sich von ihm nur
diflFerenziert haben sollten. Das Gegenteil lehren die
Nachrichten, wenn man sie nicht vergewaltigt. Die
neue Methode liebt in solchen Fällen das Identifizieren.
Aber für empfehlenswert kann die systematisch starre
Durchführung eines nur manchmal richtigen Gedankens
nicht gelten. Das Verständnis der griechischen Helden-
sage wird durch dergleichen Versuche nicht gefordert.
Hektor ist für den Verteidiger von Troja ein redender
Name „der da hält, schützt", sein Wesen in den einen
Namen vom Dichter ganz eingeschmolzen. Wesen und
Name sind eins. Ein Dichter hat ihn erfunden und
schlicht benannt, war sich auch der Namenbildung be-
wußt 3) Es ist eine Gestalt, so sinnig und tief, wie
») Pyth. II 113.
*) Pindar „Pyth." IX 26 f.
3) Andromache sagt „H." XXIV 729 flf.
^ ydp dXwXac ^TtfoxoTtoc, Äote fitv a'jti^v (Troja)
Solo (4, 3) braucht £7t(axo7to« von Athena, die im Epos wieder
ipoodrroXic heifit
— 70 —
wenige in der Weltliteratur. Dennoch ist ''ExTwp auf
Lesbus Beiname des Zeus, „der Sckützer", also soviel
wie SüDTT^p SatüTYjc IloXioüjfoc.^) Das ist nur in Ordnung.
Zumal in Korinth sind redende Götter- und Daemonen-
namen üblich. 'OcpsXavSpoc Eüvoüc 'Ofißptxos erscheinen
auf altkorinthischen Vasen des VI. Jahrhunderts. In
diesen Kreis möchte ich als eine Analogie zum
korinthischen Palaemon, welcher einerlei in welcher
Gestalt die Meeresgeister „niederringt", den korinthischen
Perseus stellen, den Ahnherrn der Persiden. Ihn von
TrepösTüToXic, dem umgekehrten ircoXftrop&oc, zu sondern, geht
kaum an; er ist, wie Ilop&aüiv, Alkathous Vater,*) der
„Eroberer", sofern das Erobern wesentlich ein Zerstören
ist. Angesichts der Burgen von Tiryns und Mykenae
begreift sich eine Heldengestalt von einem solchen
Wesen und mit einem solchen Namen in dem östlichen
Peloponnes. Perseptolis wenigstens ist auch Name des
postumen Enkels des Odysseus, gewählt gewiß, wie der
Name Telemachus, nach einer wesentlichen Funktion
des Odysseus selbst „Eroberer" sind auch Achilleus
und so viele, fast alle Helden der Griechen. Perseus, der
Korinther, trägt einen sehr allgemeinen Ritternamen;
das Individuelle, was wir an Perseus kennen, ist Zutat
erst aus dem Sonderleben in der Sage und nicht zum
wenigsten in der Dichtung, besonders in der von
Korinth.3) Es ist der korinthische Perseus, soweit wir
») Sappho Fr. 157 B. bei Hesych s. v. fctxopec] izdaaakoi Iv j^ufidit
„die Halter" also. SaTucpcb hk tov ACa. Aeu)v{57]c t6v xpox6cpavTOv und
s. V. AapEioc] bizb üepauiv 6 cpp<Svifit.oc, uic6 hi <I>pu']f«t>v fxTcop, d. L
Schützer.
*) Hesiod Fr. 165 Rz.
3) Etwas Zauberei hat auch P. in Korinth, der Mutterstätte der
— 71 —
wissen, dessen Sternbild am Himmel leuchtet Ich will
die Fälle nicht mehren. Nach allem muß Palaemon,
wo immer der Name auftritt, durchaus nicht den
isthmischen Gott meinen. Der isthmische Palaemon
aber ist gütiger Meeresgott, ein auf einem Delphin
reitender Meeresengel und „Ringer" zugleich, weil
jeder gütige Meeresgott die bösen Meeresdämpnen
niederringt Palaemon ist Gattungsname. Wie sich
aus den Asuxo&sai die eine Leukothea, wie sich aus den
Ksvraupoi 2iXt]vo( 'Eptvoec, sogar den 'Ap-dfiiSsc der eine
Kentaur und Silen, die eine Erinys (als Demeter Erinys)
und die eine Artemis, so mag sich an verschiedenen
Orten aus den IlaXatjiovsc der eine IlaXaijMüv ausgelöst
haben, der also an sich nicht notwendig stets der
isthmische zu sein braucht, es für uns gewöhnlich wol
dennoch ist
Der „Meeresengel" gehört zu dem alten Bestände
der griechischen Religionsvorstellungen. Manchmal
hegt er schlafend auf dem Fisch :^) kann die VT^vejjio?
•]faXi^v7;, kann der dvsfioxotriQc Tcaüaavejios e68av£jioc, der xoijiwv
xeXaivoGi xüfiaxoc mxpiv pivoc (Aeschylus „Eumeniden"
V. 832) sinnfälliger überhaupt dargestellt werden ? Ge-
wöhnlich ist Palaemon Ephebe oder fast Ephebe,
Säugling wol nur, wo die Inolegende eingewirkt hat
Der Ephebe erinnert an die schönen Odysseeverse, wo
der Götterbote dem irrenden Helden entgegentritt
„einem jungen Manne gleichend, dem der erste Bart
Zauberei auf dem Festlande, wie es scheint, früh erhalten, sicher auf
der ja korinthischen Aspis des sog. Hesiod. Das ist ihm verblieben.
Ich meine die &ihoi xuv^ (die unsichtbar machende Kappe). Dem
„Rittersmann'' (Aspis V. 216) steht das eigentlich doch schlecht
') Vgl. die Münztafel in Useners „Sintflutsagen."
— 72 —
flaumt, dessen Jugend die lieblichste ist". Wie freut
sich dieser Dichter an der blühenden Jugend 1
Neben diesen Typus treten mehrere Nebenformen.
Ein Mann als Delphinreiter — man nannte ihn „Koi-
ranos", Herr — begegnet in den Gewässern von Parus ;
und wenn sonst der Ephebe auch meistens beibehalten
wird, so pflegt er an verschiedenen Orten noch Flügel
oder das sehr bezeichnende Attribut der Leier zu er-
halten oder beides. Die Leier gehört ganz in den
Ideenkreis dieser schön empfundenen Göttergestalt
Das Instrument, dessen Wundertöne die Tiere be-
zaubern und die Steine bewegen, beruhigt (oder hat
beruhigt) die Wut des Meeres. Auf Apollo weist im
besonderen nichts, soviel ich sehe; die Leier als eine
Art Zauber- und Besänftigungsmittel, wie alle Musik
und alle Rede, eignet auch dem Orpheus und
dem Hermes, der auch Xi^ioc ist; von ihm hat sie
Amphion, der Erbauer Thebens, empfangen. Die Meeres-
wesen stellen sich am natürlichsten in den Meeres-
tieren dar: und diese lieben die Musik, lassen sich
durch Töne bezaubern. Daher die Sagen und Novellen
vom Delphinreiter. Der durch Musik beruhigte Meeres-
dämon findet in dem den Leierspieler tragenden Fisch
plastischen Ausdruck: auf Arion ist das Motiv aus
diesem Kreise erst übertragen und Anlaß zu der
schönen Novelle geworden. Sodann die Flügel. Daß
die Flügelknaben in der griechischen Kunst plastischer
Ausdruck des im Menschen sich regenden Verlangens
nach Frieden und Glück und Ruhe sind, ist in den
„Tagesgöttern" ausgeführt (S. 91 ff.). Der geflügelte
Delphinreiter ist wie der ungeflügelte die ersehnte
roXT^vTf], oder vielleicht genauer der die Meeresruhe
— 73 —
hinaufführende Gott; wir dürfen ihn den Meeresengel
der Antike nennen. Der Liebesgott als solcher ist
ganz fernzuhalten. Über die hellenistische Zeit scheint
von den vorhandenen Münzen keine hinauszuweisen,
doch wird das Zufall sein. Es sieht gar nicht so aus,
als wenn der göttliche, das Meer beruhigende Flügel-
knabe eine erst späte Erscheinungsform des Volks-
glaubens ist. Nun zurück nach Korinth.
2.
Unter den Bruchstücken altkorinthischer Vasen,
welche das Berliner Antiquarium jüngst erworben, be-
findet sich ein von E. Pernice^) in den „Antiken Denk-
mälern" kurz beschriebenes schwarzfiguriges Fragment,
das mit Erlaubnis der Redaktion des „Jahrbuchs des
kaiserlich deutschen Instituts" hier wieder abgebildet
wird. Wir sehen unten den Meeresgrund etwas sche-
matisch und unwahrscheinlich hoch gezackt, darüber ein
Seetier, einen Epheben auf dem Rücken, in gravitäti-
scher Ruhe dahinschwimmend. Das Tier ist kein
Delphin, erinnert vielmehr durch die Vorderflosse, die
Schnauzhaare und die ganze Körperform an die Robben,
ist aber ganz phantastisch weitergebildet und hat einen
langen dürren Schwanz. Solche Phantasiebestien zeigen
die altkorinthischen Gefäße auch sonst; auf einem dieser
Vasenbilder reitet Poseidon selbst am Dreizack kennt-
lich auf einem drachenartig geschuppten Ungetüm.*)
Über der hinteren Hälfte des robbenhaften Seetieres
sieht man einen Delphinkopf (der weitere Leib ist
weggebrochen); zutraulich schwimmt der viel kleiner
») II Taf. 39, 8 und „Jahrbuch des Instituts" 1897 S. 40.
«) Ebenda I Taf. 7 No. 26.
— 75 —
gebildete Fisch dem Ketos nach. Der Reiter, dessen
ephebenhafte Formen trotz des an den weiblichen
Körper erinnernden Beckens nicht zu verkennen sind,
ist bis oberhalb der Kniee mit einem kurzen eng-
anschließenden Hemd von grauer Farbe bekleidet,
einer Farbe, die auch die der Rückenseite des Ketos
ist Die gewandfreie linke Hand ist nach dem Halse
des Tieres hin ausgestreckt, die rechte fehlt auf dem
Bruchstück, war also mindestens bis zur Schulterhöhe
nach vorn erhoben : ganz so wie auf so vielen Bildern
der Delphinreiter. Leider ist der Kopf des Epheben
auf dem wichtigen Denkmal weggebrochen. Es
leidet keinen Zweifel, daß wir diesen Reiter mit Recht
als den isthmischen Falaemon bezeichnen dürfen. Ein
zweites Tongefafibild gleicher Zeit und gleicher Her-
kunft zeigt ganz offenbar denselben Meeresgott, epheben-
- 76 -
artig gebildet, aber diesmal als Delphinreiter. i) Zu
ihm stimmen die andern bisher bekannten Denkmäler,
wesentlich Kaisermünzen aus der Zeit der Laus lulia
Corinthus, auch die Beschreibung des Pausanias. Ur-
sprünglich also, muß man annehmen, handelte es sich
wol gar nicht gerade um den Delphin, sondern allge-
mein um irgend ein größeres Seewesen als Reittier
des Gottes. Erst der poetischen Legende, vielleicht
auch der Einwirkung von Delphi, scheint der Delphin
hier die Vorherrschaft zu verdanken. Denn die Delphin-
epiphanie hat auch die delphische Apolloreligion über-
nommen: der homerische Hymnus läßt das Priester-
schifF von Knossus nach Krisa durch den Delphin ge-
leitet werden. Aber sie hat die Epiphanie nicht ge-
schaffen. Diese ist allgemein ionisch.*)
I) Antike Denkmäler II Taf. 24 No. 29.
*) Auch Phalanthus dürfte ursprünglich nicht gerade immer den
Delphin geritten haben, da der Name (nach der Analogie von
M^XovOoc {jL^Xac fjL^aiva) mit «pdSXaiva „Wal" zusammenhängen wird.
Anders Studniczka „Kyrene" S. 183.
3-
Der Gott, der Melikertes heißt, stellt den Erdsegen
dar. Palaenion ist der meerberuhigende Dämon, die
Genossin der Nereiden, seine Mutter, ein weibliches
Gegenbild zu seiner Funktion. Ob die beiden in der
Legende verbundenen Kultnamen demselben Wesen
ursprünglich zugehört haben? Das ist zu prüfen.
Auf dem Isthmus hatte Palaemon — diesen Namen
bieten hier Pausanias und eine Inschrift aus der Kaiser-
zeit — zwei Tempel. Pausanias berichtet so:
Innerhalb einer Umfassungsmauer ist zur Linken
der Tempel des Palaemon, in ihm sind die Kult-
bilder des Poseidon, der Leukothea und des Palaemon
selber, ihres Sohnes. Es gibt dort aber auch noch
einen anderen Tempel, das sog. Adytum. Eine
Treppe führt in einen Unterraum; dort ist, sagt
man, Palaemon „geborgen". Wenn hier einer von
den Korinthern oder ein Fremder einen Falscheid
geschworen hat, so gibt es für ihn kein Mittel vom
Eide loszukommen.^)
') Tou TiepißdXou hi ^axtv Ivt6c IlaXa^fjiovoc ^v dpiaxepat vadc, dyc^-
[xaxa hl £v a^xuji IloaeiSüiv xal Aeuxo&ia xal «6x6; 6 üaXaffJKüv. faxi
hl xal dfAXo{^, *A8uxov xaXo^fxevov, xöi&o8oc hl U «6x6 ÖTctJ^eo);, fv^
0^ xov riaXa({jLOva xexp6?p&ai cpaa{v. 8c 8' 5v £vxau9a t] KopivO^wv tJ S^voc
iizlop-Aa 6fji(5a7]i, o68efJL{a h'zh o\ fjiTj^av^ SiacpuyeTv xou 5pxov) II 2, i.
- 78 -
Die Worte sichern zunächst einen dem Poseidon
der Leukothea und dem Palaemon gemeinsamen Tempel-
dienst. Es ist die Trias der isthmischen Meeresgötter.
Noch ein späterer Zeuge, der aegyp tische Nonnus, deutet
diese selbe Trias an; er spricht ausdrücklich allerdings
nur von Poseidon und dem göttlichen Knaben als
Altargenossen, und bezeichnet wiederholt als die Funk-
tion der göttlichen Mutter mit dem Sohne die Beruhi-
gung der tobenden See. Ihm ist der Knabe ^oXr^vaio?
und die Mutter gradezu xpaTsoücra x^'^i^ xX>ji8a ^oXi^vr^c'),
Nero richtete seine isthmischen Lieder zugleich an Amphitrite, Po-
seidon, Leukothea und Melikertes (Lukian Nero 3).
Der Schwur auf dem Isthmus begegnet noch einmal, aber das
Monument ist ein anderes. Nicht das Adytum oder Enhagisterium des
Delphinreiters, sondern ,,das Grab des Delphins" wird in dieser
Funktion von dem sog. Hygin (Fab. 194 = Schol. Strozzianum des
Germanikus bei Robert „Erat" p. 212 sq.) genannt.
') Nach dem Vorbild wol des Aeschylus, bei welchem Athena
die Schlüssel zur Blitzkammer des Zeus besitzt „Eumeniden" V. 827. —
Hermes bringt der Ino, die eben den Melikertes geboren, IX V. 60 ff.
den Bakchusknaben und verheißt ihr, sie werde sein V. 79 ff,
oixov dtfjieißofjL^vr) floaiSVjtov, zbakiT] li
(1)5 0^71? (ü? Takd'zttoi cpaT{Ce«i uSptdc 'Ivw.
ov) yßo^iioi xEVEüivi xaTaxp6<{^et (Sl Ki&atpcbv,
ötXXd au NrjpeiSoüv [ila ^{veai. dtvrl hl KdSpioo
ihzlhi Xü)iTip7)i xaXicTji? NTjp^a Toxr^a,
TcaiSl xeüii Cwouaa auv dOavdTwt MeXix^pxrjt
Aeuxo^ir), xpaT^ouaa ^ut^; xXtjTS« ^äXt^vt}«
euTiXotr); [xe5iouaa [xet AtoXov e6§i($ü)v l£
aol Trteuvoc 7:Xe6aeie cpiX^pntopoc eiv dXl vatixT]«
ßüifxov ha an^aa? 'Evoaf^rOovt %a\ MeXix^pTTjt,
j^iCwv dfjLcpoTipoiat. OaXaaaaioto hl 8{cppou
XL VII 359 tXaoc . . . YGtXrjvaio? MeXtxlpxT];.
— 79 —
ganz wie der Odysseedichter Ino-Leukothea dem
Odysseus im Sturme hatte helfen lassen. Diese Ge-
stalt lebt ähnlich fort und wird leben. „Der Jungfrau
Maria, Stern des Meeres, brachten sie aus tiefstem
Herzensgrunde ihre brünstigen Gebete dar" heißt es in
Pierre Lotis „Islandfischern". Dabei fallt für Nonnus
ins Gewicht, daß auch in Aegypten der Kult der Leuko-
thea und ihres Sohnes bezeugt wird.') Auf einer In-
schrift aus der Kaiserzeit heißt derselbe Tempel „Pa-
laemonium". Das ist, wie Pausanias es auflöst, nichts
als Tempel des Palaemon, in Wirklichkeit hier wol
aber mehr. Er birgt die Kultbilder des Poseidon, der
Leukothea und des Palaemon. Es sind, wie gesagt,
die Seegötter vom Isthmus ; auch Palaemon ist Seegott:
Euripides spricht von einem Gebet an Palaemon, „den
Herrn der See", (S. 103). Der Wortlaut fallt insofern
auf, als Palaemon, nicht Melikertes, Name des Meeres-
gottes ist, wenn Nonnus und andre auch ungenau die
Namen vermischen oder vertauschen.
Späte Münzen von Korinth stellen einen Rundbau
mit Kuppeldach und einer offenen ionischen Halle dar,
durch welche im Innern ein Knabe auf einem Delphin
liegend — also wol schlafend — zu sehen ist.*) Das
ist das Palaemonium, der Gott Gebieter des Meeres,
X 123 f. Ino springt ins Meer, Iv&ev dpi^yei
vauxau TrXaCofA^voiai, xal fTrXeTO Ttovriac 'Iv(i)
NTjpets dcpXofaßoto xußepvi^Teipa yoXVjvtjc.
I) Unten S. 96 ff.
*) E. Curtius ,,Peloponnesos" II S. 541. Usener a. a. O. Münz-
tafel. „Wochenschrift für klass. Philol." 1901 S. 990 f. Svoronos
„Revue internationale d'arch. num." 1901 (über die Tholos von Epi-
daurus).
_ 8o —
sein „Herr", wie Euripides ihn nennen läßt und die
parische Abart des Delphinreiters Koipavo? „Herr**
gradezu bestätigt.
Daneben nennt Tansanias ein sog. Adytum für
Palaemon, ihn allein — dieselbe Inschrift spricht
vom Enhagisterium, was etwa das gleiche bedeutet — ,
in welches ein unterirdischer Zugang an eine Stelle
fiihrte, wo man sich Palaemon „verborgen" dachte; er
hatte dort unten sein [li^apov, dvaxxopov, wie man be-
sonders von den heiligen Räumen chthonischer Götter
zu sagen pflegte. Diesen Bau als Untergeschoß des
erstgenannten Palaemoniums aufzufassen scheint der
Wortlaut des Zeugen zu verbieten; alte Kultstätten —
ich erinnere an die Kuppelgräber — haben unter-
irdische Zugänge.
Göttliche Wesen, entrückte und geborgene, kennen
wir genügend. Allen gemeinsam ist im Glauben ihrer
Verehrer die Kraft, Segen und Unsegen aus der Erde
emporzusenden. Leicht sondern sie sich in zwei
Gruppen, in echte Lokalgötter, die an der gleichen
Stelle haften und nur ausnahmsweise übertragbar sind,
und in Götter von umfänglicherem Machtbereich,
deren Erscheinen und Wirken nicht eingeschränkt und
nicht gebunden ist. Meeresgötter verweilen, natürlich
genug, in Höhlen — so Oceanus in Aeschylus' „Pro-
metheus" V. 301, Thetis an der Sepiasküste, Koiranos
(S. 79) — das ist ungefähr dasselbe. Diese Höhlen
sind dann ihre „Krypten''. Das isthmische Adytum
war aber zugleich Schwurstelle. Das weist nicht grade
auf einen Seegott als Inhaber der Stätte, da Seegötter
das weite Meer durchziehen, nicht am Boden haften;
soviel ich weiß, werden Seegötter nur mit andersartigen
— 8i —
Gottwesen vereinigt bei den Griechen als Eidgötter an-
gerufen.
Unter den Eidgöttern der Griechen lassen sich
Gruppen unterscheiden. Als die sogenannten olym-
pischen Gottheiten die Vorherrschaft im Götterstaate
gewannen, schwur man bei ihnen wol vorwiegend.
Zeus selbst ist^'Opxtoc. Daneben hielt sich die Anrufung
des ''Opxioc; er ist isoliert auf einem Inschriftstein in
Thera neben manchen sehr alten Religionsformen
hervorgekommen. Drittens sind zu Schwurgöttern die
am Boden haftenden chthonischen Wesen erhoben,
ebenfalls in sehr alter Zeit. Schwurgott war der Lokal-
gott der Eleer Sosipolis, in einem Adytum neben der
Ge-Eileithyia von Olympia verehrt.^) „Wer von den
Korinthern oder welcher Fremde im Adytum des Gottes
einen Meineid schwört, findet keine Möglichkeit vom
Eide loszukommen." Der angerufene Gott, der dort
in der Erdtiefe wohnt, wird ihn erbarmungslos zur
Strafe ziehen. Der isthmische Gott war alter Schwur-
gott. Ein Fremder und gar ein Semite ist er schon aus
diesem Grunde nie und nimmer gewesen. Und wollte
man das Widernatürliche annehmen und zum heiligen
Eidgott der Korinther einen Fremdling nur durch einen
Gewaltakt machen: es ginge aus einem andern Grunde
') Pausanias (VI 20) sagt vom Adytum des eleischen Lokal-
gottes: ii «6x6 2ao8o5 o6x laxiv irX^v tt^i Oepa7teuouar)t tov Oerfv, ItzX t^v
xecpoX^v %a\ t6 TrpeJawTiov ^cpeiXxuafjiivTji 5?pos Xeuxdv. irapOivoi 8^ ^v twi
T^C EiXeiBufac uTtofj-ivouaai xal YuvaTxec 5{jlvov aiBouaiv. xa&ayKoy^t 8^
xal OufJiic^fjLaTa TtavToia «Otäi, ^7tta7riv8etv <8') 06 vofjifCouatv olvov. xat
^pxoc Trapd Tü)i 2üiai7r(5Xi8t iizl [Ufiazoii xadiaxTjxev. Übrigens heißt
Sosipolis nicht eigentlich „stadterhaltend", sondern „Stadterhaltung",
„Stadtheil", das beweist z.B.Aop47roXic „Stadtspeer" (Name eines Delphiers
„Bull, de corr. hell." 1898 p. 13).
Maass, Griechen u. Semiten. O
— 82 —
dennoch nicht. Die Hellenen haben verächtlich von
den phoenizischen Händlern gedacht: über die „fides
punica" führen nicht erst die Römer Klage. Gewinn-
gierig, betrügerisch und ehrlos schildert sie schon der
Dichter des XV. Gesanges der Ilias. Und so geht es
fort durch die Litteratur: OoivtxsXixxr^v xa\ Xo-^tov dXaCova
schilt die Komoedie.^) Es befremdet, daß in unsern
Handbüchern, auch in den von Lipsius neu bearbeiteten
„Altertümern" Schoemanns (11 S. 72. 278) der ^offenbare
Semite Melikertes-Melkart', Herrgott der als eidbrüchig
verschrienen Phoenizier, immer noch als höchster Eid-
gott auf dem Isthmus von Korinth belassen wird, obwol
dergleichen in Hellas niemals vorgekommen ist und gar
nicht hätte vorkommen können, sowenig wie irgendwo
auf Erden. Den Griechen wird das Widersinnigste zu-
gemutet ohne jeden Skrupel. Von den lokal nicht be-
schränkten Erd- und Schwurgöttern sind die Erinyen*)
und die Praxidikai die bekanntesten.3) In Pheneus
wurde Demeter mit altertümlichem Ritus in einem
Adytum, das man „Felsenhaus" hieß, in einem Heilig-
tum also, verehrt.4) Beim Feste schlug ihr Priester die
Teilnehmer mit einem Zweigbündel; es ist der Schlag
mit der Fruchtbarkeit wirkenden Lebensrute, welche
aus den Resten des deutschen Heidentums Mannhardt
so schön erläutert hat. Auch die der Göttin aufge-
') Hesych s. v.
*) Phaethon läßt seine Mutter schwören (Ovid „Metam." I 763 ff.)
,,perque suum Meropisque caput taedasque soronim Traderet, oravit,
veri sibi signa parentis." Nach Haupt sollen das die Hochzeitsfackeln
der Heliaden sein. Es sind die Fackeln der Erinyen.
3) Paus. IX 33, 3.
4) Paus. VIII 15, 3.
- 83 -
führten Tänze finden in den ländlichen Bräuchen, die
Mannhardt behandelt, ihresgleichen. Das Bild der
Göttin war in Form einer Maske hoch über ihrem
Felsengemach in Pheneus zu sehn; das erinnert an
die Demeter iTroixiSta in Korinth,') deren Bild oflFenbar
außen oben auf dem Tempelhaus irgendwie angebracht
war. Ich habe die Sitte in den „Tagesgöttern" (S. 97flF.)
behandelt. Von der pheneatischen Demeter bemerkt
Pausanias: „ich weiß, daß die Pheneaten zumeist die
wichtigsten Eide im Felsengemach schwören". Wie diese
Schwurgöttin nicht nur lokale, sondern allgemein chthoni-
sche Bedeutung hat, so Artemis Soteira im achaeischen
Pellene.*) Sie besitzt ein Allerheiligstes, das allen außer
den Priestern unzugänglich ist; „dieser Göttin schwören
die Pellenäer die schwersten Schwüre". Diese Beispiele
bestätigen den chthonischen Charakter des isthmischen
Adytuminhabers. Man ging zu ihm hinein, um bei dem
in der Erde hausenden Gotte selbst den Eid abzulegen.
') Hesych s. v.
*) Paus. VII 27, 3. In der Münchener „Allg. Zeit" 4. Nov. 1900
liest man von einem Basutohäuptling: „Moschesch gilt als Schutz-
geist der Basuto. Sein Grab ist heilig. Nach dem Volksglauben
wohnt seine Seele auf dem hohen ,Götterberge' Thabo Boschigo —
dem jGipfel des Lichtes* — dessen schneebedeckte Spitze man vom
Königskraal zu Masern sehen kann und er wacht mit dem grofien
Gotte über das Wohl seines Landes. Bei Moschesch schwört der
Basuto und dieser Schwur gilt auch im Oranje-Staat vor Gericht als
gesetzmäßig erlaubt." Nach Schol. Pind. „Isthm." p. 515 B. brachten
Donakinus und Amphimachus Melikertes* Leiche „von der Binsenstelle"
(dnb T^c S^^oivouvrfac) ans Land. Amphimachus ist natürlich „Kriegs-
mann", Aovaxivoc „Angler"; denn Wva? ist xdXafxoc 6 dXieuxtxrfc. Auch
Apollo hieß irgendwo Aovax^x?];, was in der Hesychglosse bei M. Schmidt
so verdorben ist: Sovätxxav] t)]v 'A7cdXXu)va. Also Sovaxftr^v *Ait.
6*
- 84 -
Sonst hören wir von nächtlichen Feiern an dieser
Kultstätte auf dem Isthmus; schwarze Kleider trugen
die Opfernden, das Opfertier war ein schwarzer Stier :')
ein Sühnopfer also, den Gott zu sänftigen und zu ver-
söhnen. Dergleichen wurde nie auf dem Altar ver-
brannt oder gegessen, sondern in der Grube geschlachtet
und ungenutzt von Gott und Mensch vergraben. Galt
dies Ritual dem Palaemon oder dem Melikertes? Da
Palaemon auf Tenedus sogar Kinderopfer empfängt,
können die isthmischen Stiere sehr wol ihm ge-
schlachtet sein. Grade Meeres- und Windgötter werden
gern durch blutige Opfer und traurig düstere Feiern
gewonnen. Auch Leukothea in Velia zur Zeit des
Philosophen Xenophanes.^) Das soll hier etwas näher
ausgeführt werden. Doch werde ich mich wegen der
korinthischen Analogien mehr an die Windgottheiten
halten. Leukothea und Palaemon sind vi^vsjxot, YoXTjvaTot,
geradezu die Person gewordene vt^vsjxo? yoXi^vtj selbst,3)
wie Aphrodite EuTrXoia und die Nereiden. Von allen
vier Wesen oder Gruppen von Wesen sagt Alexander
I) Philostratus ,,Imag." II i6. Statius „Thebais" VI lo — 14
sagt in einer Aufzählung der vier internationalen Feststätten nach Er-
wähnung der olympischen und pythischen Spiele:
Mox circum tristes servata Palaemonis aras
nigra superstitio, quotiens animosa resumit
Leucothee gemitus et amica ad litora festa
tempestate venit: planctu conclamat uterque
Isthmos, Echioniae responsant fiebile Thebae.
*) Wide S. 230 f., wo aber das Material nicht gut geordnet ist,
da zwischen Leukothea und Ino nicht geschieden wird. Auch ist die
an Paus. III 21, 2 für Ino geknüpfte Kombination verfehlt.
3) Aeschylus „Ag." V. 740.
- 8s -
von Myndus^) „die halkyonischen Vögel seien von den
Nereiden und Leukothea, Palaemon und Aphrodite gern
gesehen". Wenn die Halkyonen brüten, ist das Meer
still, lautet die antike SchifFerregel. Aphrodite und
Palaemon allein aus dieser Gruppe vereinigt der Sonder-
kult der athenischen lobakchen mit andern Göttern in
der Kaiserzeit.*)
') Schol. Theokr. VII 57 ^AXxuwv ^oyd-ngp (x^v AWXou %a\ Ka-
vtt)ßr)c, f\)'^^ hi KVjuxo;. § 'AXifavSpo? hi cpTjaiv 6 M6v8ioc, 5ti «Stt]
decBv Xikrf^s. NTjp^iSag (NTjpTjföwv die Hdss.) Aeuxo^^av IlaXa^piova
'AcppoS^TTjv. Im Text steht nur: „die Halkyonen sind den Nereiden
lieb vor allen Seevögeln"; es handelt sich dort um eine Fahrt von
Kos nach Lesbus vorbei an der ionischen Küste. In einem zweiten
Scholion heißt es, Theokrit rechne zu den Nereiden Leukothea Palae-
mon Aphrodite (Kiyzi hk. (xal aäd,} AeuxoOiav DoXa^piova *Acppo8{T7]v).
Das ist aus der falschen Lesart NTjpVjiSüiv des ersten Scholions heraus-
gesponnen. Alexander von Myndus wird die Verhältnisse seiner
Heimat vor allem berücksichtigt haben. Vgl. unten Kap. VI über
Apulejus. Die Verbindung bei den lobakchen IlaXaffJLüJV 'AcppoSfxT] geht
auf ionische Seegottheiten.
•) Orpheus Kap. 11.
4.
In Korinth gab es ein Geschlecht oder eine Ge-
nossenschaft von „Windstillern" ('AvsixoxoTxai),') ebenso
in Athen die EüSavsjxot;^) und wenn Theseus auf dem
Isthmus den „Fichtenbeuger" und bei den skeironischen
Felsen den Skeiron, ihren Eponymen, bewältigt, so sehen
diese Unholde mehr nach Sturmdämonen als nach etwas
anderm aus. Skeiron ist zugleich Lokalname auch für
den von jenen Felsen blasenden Wind. Der „freund-
liche Heilgott" (Eüajxspuüv) von Titane, einer Stadt, die
einen hervorragenden Windekult „mit den Zaubersprüchen
der Medea" hatte,3) ist in dieser Funktion eben Winde-
») Hesych s. v. 'AvefjioxoTTat o\ dvifjLooc xoifjifCovTec. y^voc hl toi-
oOxdv cpaaiv uTtdp^etv h Kopfvdwi. ToepfFer a. a. O. Bei Paus. II «i, 8
ist für T:oi[xaiviaiv (von den Nereiden) wol xoifJLav^fxiatv zu schreiben.
») Hesych s. v. Ev)8fl^vefjL05. ToepfFer „Att. Geneal." S. iio ff.
Hygin „Fab." 170 im Danaidenkatalog ,,£rate Eudemonem". Ist das
„Erato Heudanemum", die Kamene und der die Winde magisch durch
„carmina" stillende Daemon?
3) Paus. II 12, I. ßu)fjL($; ^axiv *Av^fjL(i)v, ^cp o5 xolc 'Av^fxoic 6
lepeuc fxtät vuxxl dvd ttSv Itoc Ouei. hpäi hi xa\ aXXa dirdppTjTa de ß^
Opou; T^aaapac i^fxepoufjievoc twv 7n>eüfjLciT(i)v t6 ^piov, xal 8^ xal Mt)-
8efa;, (b; X^youaiv, ^ttwiS«; indihti. Ein Altar der Winde stand auf
dem Markte in Koroneia. Aeneis III 120 schlachtet Aeneas „nigram
- 87 -
bändigen Maleatas „der von Malea'' kommt in der
attischen Sage vor; es ist der Gott des gefürchteten
Kaps. Im Piraeeus hatte er seinen Kult neben Apollo.
Apollo von Malea, jetzt durch Isylls Gedichte für Epi-
daurus belegt, wird als rettender Gott desselben Malea
angebetet worden sein; auch in der Kynuria und in
Lakonien besaß er Kulte.') Die Windstille zu beseitigen,
die Windgötter aus ihren Erdlöchern herauszulocken,
opfern die Griechen Iphigenie, nach den Kyprien der
Artemis. Noch Vergil weiß, daß das Menschenopfer den
Winden galt:^^) sie haben alle recht; das Verhältnis
ist in Aulis dasselbe, wie zwischen den Winden und
Athena ( Avs\i.wzi<;) in Mothone.3) Poseidon *AacpaX£io^,4)
Juppiter optimus maximus tempestatium divinarum
potens oder lOM auctor bonarum tempestatium o. ä.
sind auch nicht verschieden.5) Endlich Athena. Sie
verfügt über die Winde. Sie ist „die den Winden ge-
bietende Göttin" ('Avsixwtk;) im messenischen Mothone^)
und in den Phaeakenliedern der Odyssee.7) Diese, in
Hiemi pecudem, Zephyris felicibus albam". V 772 erhalten die Tempe-
states ein weibliches Lamm. Die Stelle hat mit Ilias III 120 nichts
zu tun, wie Stengel im „Herm." XVI S. 350 will.
') Das Material bei Wilamowitz „Isyll" S. 100. Maleatas als
Vater der lakonischen Erigone ist auch „der von Malea".
*) II 116 „sanguine placastis Ventos et virgine caesa".
3) Anm. 6.
4) Bei Appian V 98 opfert Augustus 'Av^fjiotc e^Sfoic xal 'Acrcpa-
Xe{ü)t IloaeiSüJvi xal dxufxovt OaXotaar)!. Damit vergleichen sich die drei
antiatischen Altäre an die „Venti, Neptunus und Tranquillitas" : dieselbe
Verbindung wie in Korinth (Paus. II i); oben S. 78.
5) CIL X 2609 und sonst. Tempestas hat in Rom einen Tempel
bei der Porta Kapena: Ovid „Fast." VI 193 f.
6) Paus. IV 35, 8.
7) V 382 ff.
— 88 —
manchem eine Art Paralleldichtung zur Episode von
Kalypso und Ino-Leukothea, kennen auch die zürnende,
Sturm sendende Athena, wie die Nosten. Die lonier
haben sie verehrt; in ihrer Religion steht mitten inne
wie selbstverständlich der Dichter der Phaeakenlieder.
Ebenso werden anderswo Artemis und ebenso Apollo,
dieser z. B. noch in der Argonautensage auf Anaphe,
als Winde stillende oder sendende Götter aufgefaßt
Die Menschenopfer an die Winde oder die sie
stillenden Götter der Griechen haben den Neueren von
jeher mißfallen; die Griechen sollen auch sie von den
Phoeniziern entlehnt haben.^) Es ist das ewig neue
Vorurteil, daß die natürlichsten Empfindungen religiöser
Menschen zwar anderswo ursprünglich, aber bei den
Hellenen semitische Entlehnung sein müssen. Die
Frage ist in Kürze zu prüfen. Die Delphier errichten
bei sich auf einen Orakelspruch hin den Winden einen
Altar, als Xerxes gegen Griechenland zieht:*) „so kommt
es, daß die Delphier noch zu Herodots Zeit die Winde
durch näher nicht bezeichnete Riten versöhnten". In
Delphi bestand also seit dem Perserzug eine Religion
„der Winde", erst seitdem. Für andre Gegenden beweist
Delphi nichts. Athen besitzt seit derselben Zeit am
Ilissus einen Tempel des Boreas.3) Sehr wol können
vereinzelte Windgottheiten, wie Boreas in Athen, in
Delphi schon vor den Perserkriegen Verehrung genossen
haben; Herodot spricht von dem delphischen All-
gemeinkult „der Winde". Der Tempel des Boreas
stammt aus jener auch in religiöser Hinsicht großen
Stengel „Hermes" XVI S. 346 ff.
») Herodot VII 178 f.
3) Herodot VII 189.
- 89 -
und reichen Zeit Athens. Herodot fügt hinzu: „Boreas
war schon früher Bunddfegenosse der Athener gewesen".
Warum die Möglichkeit leugnen, daß der Räuber der
attischen Oreithyia schon vordem seinen Altar am Ilissus
besessen hat? Aber eben nur einen Altar. Ohne Zweifel
werden auch die Perser Windopfer gekannt haben. Wenn
aber „dem Winde der Thetis und den Nereiden" während
eines Sturmes von ihnen geopfert wird,') so war das Opfer
an Thetis und an die Nereiden jedenfalls ein griechisches;
diese Wesen sind ja Winde besänftigend. Windopfer
und Nereidenopfer gehören innerlich zusammen. Soll
man annehmen, daß zwar das Opfer an den Sturmgott
ein persisches, das an die ihn sänftigenden Nereiden
ein griechisches war.^ Es mag da jedem unbenommen
bleiben, zu wählen, was er will; man sollte nur nichts
an sich Unhellenisches in dem Sühnopfer an den Sturm-
wind erblicken. „Bringt ein schwarzes Lamm: ein
Sturm will ausgehen" (xücpo)^ Y°^p Ixßaivsiv TrapacjxsüaCsxat).^)
Das sollte genügen: das schwarze Sühnopfer an den
Sturmwind ist altattische Sitte; xücptoc ist Sturm,
Tücpaovtov Windloch. Es verdrießt unter Verweis auf
Movers „Phönizier" I S. 524 ff. sich sagen zu lassen:
„daß bei Aristophanes phoenizischer Einfluß vorliegt,
bedarf keines Beweises". Hypothesen, die in sich un-
wahrscheinlich sind, bedürfen recht sehr eines Beweises.
Der Athener Xenophon kannte den Boreaskult aus
seiner Heimat; läßt er ihm auf seinem Rückzuge im
I) VII 191 iiikipoLi YÄp i)(tl[i.aZt xpeTc TiXoi hl Ivzoiid xe ttoi-
euvrec twi 'AvifjKüt ol fi-ötyct, irpoc hi Toixotai xal t^i 0^ti xal T^iai
NTjp^iat Ouovrec firauaav xxX.
») Frösche V. 847. ßopeaa[xo( am Ilissus; Herodot VII 189. Ebenso
in Megalopolis: Paus. VIII 36, 4.
- 90 -
fremden Lande „auf Rat eines der Seher im Heere ein
blutiges Opfer darbringen", so liegt nicht der mindeste
Anlaß vor, Ungriechisches zu vermuten, das an sich
nicht undenkbar wäre. Also Phoenizisches begegnete
bisher innerhalb der griechischen Religiosität den Wind-
göttern gegenüber überhaupt nicht Den phoenizischen
Einfluß soll aber die Art des Opfers beweisen. Menelaus
schlachtet in der herodotischen Erzählung den Winden
Menschen.^) Themistokles wird genötigt, vor Beginn
der Seeschlacht gefangene Perser zu opfern.*) Man
sollte meinen, aus allem diesen sei neu zu folgern, was
wir hinlänglich auch sonst wissen, daß die Hellenen
die grause Institution der Menschenopfer im Falle der
Not gekannt haben. Allein es soll nicht sein. Pausa-
nias,3) oder vielmehr der von ihm berichtete delphische
Orakelspruch, nennt die Menschenopfer „eine fremd-
artige Opferweise", Sophokles geradezu „barbarisch"
(Fr. 122). Das sind sie der fortgeschrittenen griechischen
Humanität gewesen, aber griechisch bleiben sie darum
doch, wie grade der, welcher sie am schärfsten ver-
urteilt hat, eben durch die Art seiner Absage unmittel-
bar bezeugt.4) Es ist das Ritual der Griechen gewiß
nicht in allem vorbildlich, soll und will es nicht sein.
Unliebsame Sitten ohne genügenden Grund für Import
zu erklären und auf irgendwelche Orientalen abzuladen
II 119.
*) Plutarch „Themist." 13 und „Aristides" 9.
3) VII 19, 8.
4) Pelopidas bei Plutarch 21. Stengel S. 347 hat ihn unrichtig
eingeschätzt. Noch der Byzantiner Eustathius p. 298 Herch. bezeugt
den Brauch, einen Menschen im Sturm zu opfern. Auch er ist falsch
beurteilt.
— 91 —
ist ungerecht gegen beide Teile und unwissenschaftlich
dazu. Die Menschenopfer hatten Tieropfer neben oder
nach sich, je nachdem;^) solche meint wol Homer,
wenn er seinen Achill dem Boreas und Zephyrus schöne
Opfer versprechen läßt.*)
Die chthonischen Gottheiten pflegen außer den
blutigen Sühnopfern noch Spenden oder statt ihrer
Opferkuchen zu erhalten. So nehmen in Titane die
Windgötter, die aus Erdlöchern kommen und darum
Giganten heißen,3) in vier Gruben nächtlicherweile
geheime Opfer entgegen, „welche ihre Wildheit mildern
sollen''; auch wurden Beschwörungsformeln, die angeb-
lich von der großen Zauberin Medea stammten, der
Heliustochter, und als aus Korinth bezogen galten, vom
Priester dabei hergesagt (S. 87'^. Beachtenswert, daß
Medeas Schwester Kirke auch in der Darstellung der
Odyssee über die Winde verfügt :4) ein Zug, welcher
von Kirke auf ihr Gegenstück Kalypso übergegangen
ist. In Attika erhielten die Windgötter auf einem be-
sonderen Altar einen Honigkuchen; ob daneben Sühn-
opfer wie in Titane, wissen wir nicht mehr. Die
Heudanemoi werden, wie ihre Lehrmeisterin Medea
und Euamerion von Titane, über reiche und mannich-
fache Beschwörungsmittel verfügt haben.
') Stengel S. 347 f-
*) II. XXIII 195.
3) Aeschylus .,Ag." V. 692.
4) txfjievov o&pov T:Xr)afaTiov (XII 149).
5-
Pausanias erwähnt noch einen abseits am Strande
befindlichen Altar „des Melikertes". Er kann auch
Palaemon meinen; der Legende folgend, glaubt er ja
an die Gleichheit der beiden Gestalten. Tieferes, etwa
die ursprüngliche Trennung der Kultpersonen, zu ver-
muten sind wir nicht berechtigt. Genau die Altarstelle
gibt Pausanias nicht an. Von Krommyon aus den
Isthmus betretend spricht er zuerst von diesem Altar
und der neben ihm einsam wachsenden Fichte, die
auch sonst erwähnt wird.^) Soviel ist aus dem Wort-
laut zu entnehmen, daß Altar und Fichte vom Palae-
monium,^^) dem Sammelpunkt der isthmischen Fest-
') Die koische Inschrift 58, 7 Paton tt^tuv i% 'la^jjLOto üaXa^fjLOvi
TTUxvd XoXeuaav kann auf die einsame Strandfichte, aber auch auf den
Fichtenhain des Isthmus gehn.
*) CIG. I II 04 (:= CIG. Peloponnesi I 203) aus etwa hadriani-
scher Zeit: 0eotc TiaTpfoic xal t^i Traxptöt. IldTiXioc Aixfvioc IloitXCou
üföc AifxiXtei IlpEiaxoc lououevTiavds, dp^iepeuc 8id ßfou, xdc xorraXuaeic
Totc dTio TT^s oixou(x^v7]c ^Til Toc 'laOfxia Tcapayeivofx^voic dOXT^xatc xax-
eaxeuaaev. h aOxoc xal x6 riaXaip-dviov abv xotc TtpooxoajjLi^jjLaatv xal
x6 'Eva*)fiaxT^ptov xal xrjv lepdv eiaoSov xal xouc xöiv TiaxpCcüv ^ewv ßu>fiouc
(luv xöji TieptßdXwi xal Tcpovdwi, xal xouc IvxpiXTjpfouc oixouc xal tou
HXfou xov vaov xal x6 Iv ai)xwi dyaXfxa xal x6v 7rep{ßoXov xdv xe TtepC-
ßoXov XT]; Upa; vdrof]; xal xou; ^v aOx^i vaou; Ai^fxTjxpoc xal KdpT]c xal
— 93 —
Versammlung, etwas entfernt war. Sonst spricht von
diesem Altar niemand, auch nicht Aristides in seiner
isthmischen Poseidonrede. Aristides hat den Namen
Melikertrfs nicht; der Gott vom Isthmus, dessen Eigen-
schaft als Schwurgott er bestätigt, ist ihm „Palaemon".')
Das kann Zufall sein, der Strandaltar kann, muß aber
nicht notwendig dem Seegott zugewiesen werden.
Wieder bleibt eine Hauptsache leider ganz ungewiß.
Alt und ehrwürdig wird der Altar gewesen sein, wie
die Altäre von Olympia, die uns E. Curtius verstehen
gelehrt hat
Melikertes und Palaemon auf dem Isthmus sind
eigentlich zwei Götter: Palaemonium und wol auch
der Strandaltar gehörten dem das ganze weite Meer
durchziehenden Seegott Palaemon, das Adytum mit
seiner Krypta dem an den Ort gebannten, Segen licr-
vorsendenden Erdgott Melikertes, einem We»en, wie
Melissus auf Keos, Trephonius in Lebadeia, u. a. m.
xal Trpovaoi; ^t«üv {oiar/ h:fh{ivt xot z'/*^ 'tw?*i zffi VJjtrr^i vm zifi
K((pTj; xal To lÜ.vjrz&fvtvj^ tliul z^ irf^^'iti/i 7m zi •^'nt^i^'^/izfi, dytäU'
mauern) {«ro seWjiäv xal TfilaeJ/n^v^ ^AiJil:^*^n irxnrfA^yffiVt, i^rM
») I p. 45 D, Da« zsifjnym.t BrwJj^tück 3y> ftct», ^fiM'^A^
Sterblichkeit meines, a]>er audb dij^u Wi iUsu f^^cUl^Ui^u M/tiftäci4;
^t'jU'S^ai ist an iicli nidLit ac^wtftwdi^ ir////fAXf. KWiiiiwu.iM** ^/d^M
ähnlich von den Kieum, 4k ibr«* Z^nw ^^^fs^jr^/^m ^ewi U^^ucü, widc
die Legende den Paiaeart* r«;«üu Jt^iüuu«. />a* j^^f^i^^ wvj /amw
Veiständnis. 01>fai S, 55, K <#<> dtir ;>A*UvJ/' Hvjf«** t4>tU/> ttU^ /*/.>
die Worte ./^aod t<>«.uu< wrvcfit äuUt , j>«/üu y^h i^wpijf4^ *:)UteU HmU/'
vers, wogegen lick^ hfJotsX y, i^ A^
— 94 —
Diese Kultwesen haften am Boden, aber in der
Legende wenigstens erreichen sie ihren Ort manchmal
erst durch Wanderung. Aphaea, die Göttin von Aegina,
gelangt von Kreta auf ihre Insel, flüchtig wie Ino, und
verschwindet an der Stätte, wo nachmals ihr Tempel
stand, im Erdboden. Auge wird von Tegea nebst
Telephus an die mysische Küste verschlagen, Kyrene
aus Thessalien nach Libyen. Es sind dies Ortsgötter,
welche aus der alten Heimat auf dem Festlande in die
neue überführt gedacht sind.
Wem gehörten die isthmischen Spiele, bevor sie
auf Poseidon übergingen, Palaemon oder Melikertes .»^
Um die Frage zu entscheiden, sind folgende Punkte
zu erwägen. Erstens: Palaemon und Leukothea wurden
mit Poseidon in demselben Tempel gemeinsam als
Meerestrias verehrt. Es wird also, seitdem die Spiele
dem Poseidon zugewiesen waren, an Ehren auch für
Leukothea und Palaemon an jenen selben Spielen nicht
gefehlt haben. Daraus scheint sich freilich sicheres noch
nicht zu ergeben. Hinzukommt aber, daß die Spiele
niemals Palaemonia, dagegen einmal „Melicertia" ge-
nannt worden sind (S. 8o). Danach galten die isthmi-
schen Spiele anfanglich wol dem Melikertes allein, später
dem Poseidon nebst seinen Tempelinsassen Leukothea
und Palaemon; Leukothea besaß auch in Milet einen
Agon: Konon berichtet (33) von gymnischen Knaben-
spielen, die ihr dort auf ihren Wunsch eingerichtet
worden seien. ^)
") Ed. Meyer behauptet II S. 147, Melikertes sei als solcher
auch in Milet verehrt worden, mit Berufung auf Konon 33. Dort steht
von ihm, auch von Ino nichts, sondern von Leukothea, die ihren Kult
— 95 —
Der Charakter der altisthmischen Festfeier des
Melikertes würde sich leicht vorstellen lassen: es wird
ein ländlich einfaches fröhliches Fest gewesen sein von
patriarchalischem Zuschnitt. Erst als Palaemon, dann
die Trias Poseidon Leukothea Palaemon, die isthmische
Feier überkamen, wurde sie international -hellenisch.
Oder soll man lieber sagen: erst als die Feier auf dem
Isthmus international-hellenisch geworden war, schob
sich die Meerestrias, vor allem der kleine Meeresengel,
an die Stelle des lokalen Erdgottes ein.? Ob aber und
wie weit und in welcher Weise Melikertes auch später
noch beim isthmischen Feste beachtet worden ist, dies
und anderes entzieht sich unserer Kenntnis.
nebst Knabenagon durch den Ahnherrn des Branchidengeschlechts in
Milet selbst veranlaßt.
6.
Wo Statius die Orakel des Ammon und des
Branchus erwähnt, „der dem Vater an Ehre gleich ist",
hat der Scholiast eine wesentlich aus der Periegese
des Metrodorus — wol des Skepsiers aus dem I. Jahr-
hundert V. Chr. — geschöpfte, sehr verdorbene wert-
volle Anmerkung, in welcher er neben andern griechi-
schen Kultfilialen in Aegypten den Melikertes erwähnt
(Theb. III 479). Der Gedankengang des Erklärers ist
dieser. Die isthmischen Spiele seien nicht Spiele zu
Ehren des Melikertes und zur Sühne seines Todes ; er-
funden seien die „Melicertia" als solche: dem Poseidon
gehörten sie. Denn Melikertes sei nicht im Meere
umgekommen, vielmehr vom Isthmus aus zu Schiff
nach Aethiopien gelangt und vom Landeskönige mit
Ehren empfangen worden. Danach lautete die Le-
gende eines aegyptischen Melikerteskultes so. Nachdem
der Knabe nach dem Isthmus — gleichviel wie —
gekommen war und dort seinen Kult erhalten hatte,
begab er sich zu dem Könige Aethiopiens^) und wurde
») „Boeotien" ist von mir in „Aethiopien" geändert worden.
Bei Philodem „A. P." V 131 ist ,,aethiopisch" in „oskisch" entstellt
und zu schreiben Al^OTziri h' zl OXwpa für zl 8* 'Ottix^ xal (Oh
— 97 —
vom aethiopischen Könige aufgenommen; d. h. er er-
hielt dort Verehrung. Nichts kann in diesem Falle
sichrer sein als eine Art Sagenkontamination; die Her-
leitung der irgendwo in Aegypten bestehenden Filiale
des isthmischen Melikerteskultus mag legendarisch sein.
Eine Spur aber ist in der aegyptischen Stadt Leukothea
vorhanden.^) In ähnlich kontaminierter Sagenfassung
springt Diktynna, von Minos verfolgt, bei Kreta ins
Meer, wird von Fischern gerettet und empfangt den
Beinamen Diktynna. Damit sollte diese Geschichte zu
Ende sein.^^) Bei Antoninus aber besteigt das Mädchen
nach diesem Vorfall ein Schiff, erlebt noch ein Liebes-
abenteuer und verschwindet endlich auf Aegina an der
Stätte ihres jetzt von Furtwängler wiedergefundenen
Tempels (S. 63).
Die Stiftungszeit der aegyptischen Melikertesfiliale
ist nicht sicher zu ermitteln. Da aber die im Scholion
vorher erwähnten drei „berühmten" Tempel Gründungen
oder Erneuerungen des ersten Ptolemaeers sind, näm-
lich ein Heliusheiligtum, das Ammonium und das
Branchidenorakel bei Alexandrien,3) so wird man immer-
hin gut tun, über + 300 v. Chr. nicht ohne Not hinaus-,
aber auch nicht herabzugehn.
Plinius „N. H." V 60 von Ritschi „Bonner Jahrb." XXXVII
1864 S. 85 A. nicht verwertet.
») Vgl. das Schol. zu Statius IX 632 p. 423 J.
3) Jahreshefte des österr. Inst. 1902, Novemberheft.
Maass, Griechen u. Semiten.
IV. INO.
I.
Die älteste Erwähnung der Ino-Leukothea, Kadmus'
Tochter, steht in dem Kalypsoliede der Odyssee; sein
Verfasser war ein lonier. Wie die dort mitgeteilte
Genealogie beweist, wird Inos Geschichte bereits als
bekannt vorausgesetzt. Durch Pindar,i) durch den
Athamas des Aeschylus, auch durch die andern Tragiker
und die Alexandriner,^^) endlich durch die Kunstdenk-
') Der den Pindar betreffende Rekonstruktionsversucli Bethes im
„Genethliakon Gottingense" p. 32 scheint mir im einzelnen zu un-
sicher, um verwertet werden zu können.
*) Kallimachus Fr. 103 (Crusius in „Fleckeisens Jahrb." 1887
S. 243 und im Tübinger Programm 1895 S. 15 ff. Den anonymen
Vers im „Et. M." s. v. Buvr]] Buvr] 1^ Aeuxod^a ^ *Iv(&, ©rov *B6v7]c
xaTaX^xxptai a^^rj^aarjc* beziehe ich auf Begleiterinnen der Ino [Ovid
„Metam." IV 542 — 561] oder Priesterinnen. Vgl. Meineke „Anal,
alex." p. 123 adn. Fr. an. 82 Sehn.). Kallimachus läßt Herakles bei
der Stiftung der Nemeen an den „viel älteren" Melikertesagon erinnern
und — das Geschichtliche eher umkehrend — sagen, daß der dort
einst übliche Fichtenkranz dem aus den nemeischen Spielen entlehnten
Eppich später gewichen sei. An die Verse des Kallimachus setzt
Euphorien an, jener handelt von der Einsetzung der Nemeen, dieser
von der Gründung der isthmischen Spiele zu Ehren des Melikeites
— 99 —
mäler ist sie auch uns vertraut: Ino, Weib des Athamas,
wird wegen der von ihr übernommenen Pflege des
seiner Mutter beraubten Dionysusknaben von Hera
gehaßt und verfolgt Ihr Gemahl verfallt durch Hera
in Wahnsinn und mordet seine beiden Kinder, während
sich Ino ins Meer stürzt. Oder auch Ino wird von
Wahnsinn ergriffen; sie ist es selbst, die den jüngeren
ihrer Söhne, den Säugling Melikertes, tötet, mit dem
Leichnam davoneilt und nördlich des Isthmus bei
Megara von einer Klippe ins Meer springt Sie wird
wie ihr Kind zur Göttlichkeit erhöht, zur Meeresgöttin
Leukothea und als solche in Megara verehrt Melikertes
wird auf dem Isthmus durch einen Delphin gelandet
und auch seinerseits zu einem Gotte, eben Melikertes,
erhoben. Ein Agon wird ihm gestiftet und der Sieger
mit Bienenkraut bekränzt
Die mitgeteilte Geschichte erfahrt in einigen Zügen
und Einzelheiten wol noch leichte Abänderungen; ich
lasse sie aber beiseite, da diese an sich kaum be-
deutend und sonst nicht ergiebig sind. Auf Grund
der Quellenuntersuchung ist wol zu sagen, daß unsere
Berichte, die ja im wesentlichen eins sind, durch
Zwischenglieder, wie Pindar die Tragödie und Euphorion,
auf eine altepische Darstellung zurückgehn. Diese
epische Fassung beruht zum Teil auf thebanischer
Fr. 47. Dort legen irgendwelche Menschen den Leichnam des kleinen
Melikertes bei der Strandfichte nieder: diese liefert die Siegerkränze,
bis der Eppich von Nemea her eindrang. Wer sind diejenigen, die
den Leichnam finden? Wer stiftet den Melikertesagon? Das Bruchstück
schweigt Theseus Agonstifter auf dem Isthmus: Plutarch 25. Hygin
„Fab.'* 273, der neben Theseus noch „Eratocles" (?) nennt. Oben
S. 86.
— 100
Genealogie ; Ino gehört als Kadmustochter nach Theben,
nicht so als Athamas' Weib. Es ist das nicht unwichtig,
da Ino noch anderswo vorkommt Entstanden braucht
das zu erschließende Epos nicht in Theben oder am
Kopaissee zu sein (S. 107^, wenn auch der Thebaner
Pindar in einem verlornen isthmischen Siegesgedicht eben
die durch das Epos gegebene Genealogie vertrat. Jenes
alte Gedicht war eben auch Pindars Quelle. Auch auf
dem Isthmus war diese durch das Epos, die Tragödie,
Pindar und die Alexandriner verbreitete Fassung der
Genealogie und der Legende die allgemein aufge-
nommene. Aristides hat sie in seiner Festrede zu Ehren
des isthmischen Poseidon sogar bekämpft; so fest
wurzelte sie an Ort und Stelle. Nicht aus Wahnsinn,
sagt er, sondern aus Liebe zu Poseidon habe Leukothea
sich mit Melikertes ins Meer gestürzt. Sie sei nicht
Göttin erst geworden, sondern wie vorher geblieben.
Den Melikertes habe Poseidon an Sohnes Statt an-
genommen. Religion ist diese Travestie natürlich nie
geworden. Wir können kaum anders als annehmen,
daß auch die auf dem Isthmus geläufige Tempelsage
so wie Pindar u. d. a. erzählte. Auf die Kultverhält-
nisse aber hat sie dort in keiner Form umgestaltend
eingewirkt; der Dichter macht eben Kulte nicht, wol
aber bestimmt dichterische Behandlung manchmal die
Wahl der Kulte mit.
Der Zweck der Erzählung ist klar. Durch einen
Einzelvorgang will sie erklären, wie die Kadmustochter
Ino zu Leukothea, und wie ihr und des Athamas Sohn
Melikertes zum isthmischen Seegott und zugleich zum
isthmischen Festgott geworden ist. Die Sage unter-
scheidet, wie so oft, deutlich die Individuen und die
— lOI —
Paare: Ino und Leukothea, Melikertes und Palaemon,
die jedes zu einem dritten Wesen kontaminiert werden,
etwa wie Apollo in Amyklae mit dem Lokalgotte
Hyakinthus zu einem Apollo Hyakinthus verschmolzen
ist, wie anderswo Zeus und Apollo mit Aristaeus zu
einem Apollo Aristaeus und Zeus Aristaeus, wie Zeus
und Amphiaraus, Zeus und Eubuleus zu Zeus Amphia-
raus, Zeus Eubuleus.
Die Sage bedient sich sowol bei Ino als bei ihrem
Sohne des aus vielen ähnlichen Legenden wolbekannten
Seesprungs. Ich darf hier an Dionysus erinnern, der
durch dasselbe Motiv zum Meeresgott (er heißt grade-
zu üsXaYto?),^) an Aegeus, der so zum Eponymen des
aegaeischen Meeres,^) vielleicht auch an Mastusius
erinnern, der so zum Eponymen der mastusischen See
und des Kaps Mastusia auf dem Chersonnes, eigentlich
des Chersonnes selbst, geworden sein soll,3) alle nach
schmerzlichen Erlebnissen, auch hierin dem Melikertes
gleich.
In der Megaris springt Ino mit dem Knaben ins
Meer; soweit läßt die Sage sie von Theben oder
') Ich habe dafür Theopomps Zeugnis im „Hannes" 1887 S. 70 flf.
hervorgezogen und weitere Spuren aufgezeigt. Dagegen ist aus einer
vorgefaßten falschen Theorie heraus geeifert worden. Ich kann damit
zufrieden sein; aber — wer mich nicht verstehen kann, der lerne
besser lesen.
*) Hygin „Fab." 242, Schol. Verg. „Aen." III 74 aus demselben
Mythographen. Die Seesprungsagen behandelt — nicht vollständig
(es fehlt z. B. Helle) — Wide in der „Festschrift für Benndoif"
S. 13 — 20.
3) Hygin „Astr." II 40 aus einer Rühmovelle Phylarchs, Lyko-
phron 534 xmd Plinius „N. H." IV 49. 72 nennen nur die äußerste
Spitze des Chersonnes „Mastusia".
— I02 —
Orchomenus laufen. Damit entsteht eine Schwierigkeit,
sofern eine Doppelung des Fluchtmotives geschaffen
wird: erstens das Laufen bis in die Megaris und
zweitens der Seesprung. Das scheint auch mir bedeut-
sam. Nun ist Athamas (und also wol auch Ino, des
Kadmus Tochter) auch in Teos wolbekannt. Hier wird
die Geschichte entstanden, dann in die „Thebais" ein-
gefügt worden sein, wie die kleinasiatisch-griechischen
Lokalsagen in die „Ilias". Dadurch wurde der Aus-
gangspunkt der Inoflucht am Ende nach Boeotien ver-
legt, von wo die kadmeischen Geschlechter loniehs
stammten oder stammen wollten.^)
') Hesiod „Theog." 975 fF. nennt die vier Kadmustöchter, kennt
vielleicht auch ihre Söhne und unter ihnen Melikertes: wodurch ein
voraeschyleisches Zeugnis für Melikertes wahrscheinlich wird. Siehe
unten S. 126.
2.
Melikertes und Palaemon werden in der Legende,
wie wir sie allein kennen, gleichgesetzt und zum Sohne
des Athamas und der Ino, Kadmus* Tochter, erhoben.
Das ist durch einen Willen und auch durch einen Akt
geschehen. Nichts weist aber auf den isthmischen Kult
als die Heimat auch dieser Verknüpfung und ihres Ur-
hebers, alles eher wieder auf lonien. In lonien ist die
Meeresgöttin Leukothea, sind überhaupt die Leukotheai
in Kult und Sage gefeiert. Palaemon, der Delphin-
reitende Meeresengel, ist auch an den ionischen Ge-
staden und darüber hinaus verbreitet oder doch be-
kannt; in Tenedus macht man ihn sogar durch
Menschenopfer willig (S. 84 ff.). Möglich, daß Palaemon
der Ephebe, eher zum Sohne der Leukothea geworden
ist, als zum Sohne der Ino, und daß dies frühere
Stadium in den Euripidesversen
(5 irovTtac irai Asüxo&lac, veoiv cpüXaJ,
Ssairoxa IIaXaT|iov, TXsa)^ r^\iXv ^svoü
angedeutet wird: Worte, in denen die Gottesfürchtigen
unter den Hirten am taurischen Strande beim Anblick
des Orest und Pylades ihre Angst ausdrücken. Auf
jenes zweite weist jedenfalls die Hesychglosse: 'Iva^^sta]
— 104 —
eoptT] Asüxoöia? h Kpr^zr^i (lrr^^) gctto 'Ivgc^^oü hoffe ich durch
die leichte Ergänzung des Artikels formell hergestellt
zu haben ;^) über ihren Inhalt hat wol niemals ein
Zweifel bestanden. Sie will den Namen eines kretischen
Festes erklären, der 'hdyeioLy welches der Leukothea
galt. Da diese aber, gleichviel warum, Ino zubenannt
zu werden pflegt, so muß eine sprachliche Verbindung
zwischen der Kurzform 'Ivcü und dem Festnamen 'hdyzia
obwalten. Man könnte sich das Verhältnis analog dem
zwischen dem Fest der Pandia und dem Pandion, dem
attischen Eponymen dieses Festes, dem zwischen dem
Opfer der Nr^cpccXta und dem NTjcpaXwov, dem Opfertag
EtxaSsc und dem EixaSiwv bestehenden denken, Ino also
mit hypokoristischem Namen als eine Bezeichnung der
Festinhaberin auffassen wollen. Etwas anderes der
Verfasser der Glosse. Ihm ist Ino tj dizh 'hdyoo „die
vom Inachus". Die Bildung ist die gewöhnliche. So
kennen wir Saficü Müxovü) Tüapcü 'Hirsiptt) Uop^oi^) Arjp^
(das Kurzform sein kann, es aber nicht zu sein braucht)
Boio) (die mythische Seherin, d. i. y] dizh Botoü opoü?)
EupcüTtt» „die vom Eurotas", KTjcpiööw „die vom
Kephissos",3) Ntjöcü „die von der oder den Inseln",
i) Die beachtenswerte Wortstellung wie Cauer 2 no 275 toc
"Hpas lapd; e{(xi t5c iviziUioi oder Kuvfoxoc fxe dv^07]xe (&pTOCfi.oc J^ipycüv
SexctTav. zäi Oedi i^fxi t«? üoccpfac. IlvuTfXXac T^fxl Tdc nvuxaydpau
TtaiSdc W. Schulze „Philol. Wochenschr." 1890 Nov. S. 26 ff. des
Separatabzugs. Es ist die alte, auch idg., Wortstellung.
*) Appendix Probi p. 195 Keil zählt hintereinander auf: PjTgo
Mycono Allecto Calypso Clio Samo Gyaro Dido Celaeno Sappho Erato
lo Epiro Inerito. Aus dem letzten Wort machte Keil „Manto** ; es ist
natürlich „In(o) Eri(c)to". So wol auch Aätco „die von Aaxoc (auf
Kreta). Diese Bildungen sind also nicht alle Kurzformen, aber manche.
3) Neben BopuaOevf; *A7ro>^(üv{c Muse in dem korinthischen Epos
— 105 —
'ApY<« „das Argiverschiflf" neben "Apyo?, wie Kr^Tw neben
Kr^To? u. s. f.^) Der zu Grunde liegende Flußname
Inachos spottet jedem Deutungsversuch; die Endung
erinnert an Qi^payo^ (neben ötßpwv öt'ßpo?)*), aber nicht
mehr. Mit dem argivischen Flusse hat Ino nichts zu
tun, soweit wir wissen. Ein Inachus fließt aber in Ost-
boeotien und aus dieser Gegend läßt die Sage wenig-
stens Ino südwärts nach dem molurischen Felsen oder
an die Westseite des Isthmus entfliehen. Nach Plutarchs)
hatte sich Glaukia, des Skamander Tochter, in Deimachus
verliebt, als er mit Herakles gegen Troja gezogen war.
Deimachus fallt im Kampfe. Die von ihm schwangere
Glaukia wird von Herakles nach Eleon mit zurück-
genommen. Ihr Sohn, den sie nach ihrem Vater
Skamander nennt, wird König von Eleon, nimmt ein
Weib und bekommt drei Töchter. Nach sich selbst
nennt er das Flüßchen Inachus bei Eleon in Skaman-
der um, nach seinem Weibe die nahe Quelle Akidusa,4)
nach der Mutter den Bach Glaukia; die drei Töchter
wurden als „die drei Jungfrauen" noch zu Plutarchs
Zeit irgendwie verehrt. Eine Lokalsage also trotz der
Doppelung des Skamander, eine alte und echte, eine
Lokalsage von der Westküste des Euripus aus der
nächsten Umgegend von Tanagra. Den troischen
Sagenzusatz ausgeschieden, bleiben Inachus Glaukia und
des sog. Eumelus. Vgl. meine „Aratea" p. 211 und Vitelli „Studi di
filologia classica" I p. 92. Über Neso: Lykophron 1465.
*) Häufig sind dergl, Namen in den Nereidenverzeichnissen,
*) Bechtel ,,Griech. Personennamen aus Spitznamen" S. 75.
Röscher u. d. W. OM^ikoi will 'Iva) mit „vinum" zusammenbringen.
3) Quaest. graecae 41 (II p. 344 Bern.),
4) 'AxiooOaaa wird „stachelreich" heißen, von ofxic „Spitze".
— io6 —
Akidusa für sich allein, alles Wasser und Wasserwesen
derselben Gegend.
Vielleicht ist 'Ivw also Kurzname zu 'Iva^to „Inachus-
nymphe". Aber ihrem Wesen nach ist sie mehr. Sie
ist bei Alkman, der für Sparta dichtet, Seegöttin,^)
das kann nach S. lOOfF. unursprünglich sein; im
Inneren Lakoniens aber besitzt sie in Thalamai ein
Inkubationsorakel,*) wie das Erd- und Heilgötter pflegen,
eine heilige Grotte in Brasiai,3) einen heiligen See bei
Epidaurus Limera4) mit einem Wasserorakel eigener
Art. Der Fragende warf Gerstenbrote in den See; ver-
schwanden sie in der Tiefe, so war das Zeichen günstig,
warf der See die Brote auf die Wasseroberfläche zurück,
so war das ein schlimmes Zeichen. Aus diesem
Wasserorakel allein läßt sich ein Schluß auf das Wesen
der Göttin nicht ziehen. Heilige Seen und Teiche be-
sitzen nicht bloß Wassergottheiten, z. B. auch Demeter
bei Eleusis. Nicht bei den Griechen, aber anderswo
hat sogar der Donnergott ein Orakel dieser Art Die
Analogie mahnt aber zur Vorsicht. Chr. Ganander
') Fr. 84 'Ivüi ^aXaaaofx^Soiaav dizb fi.(ia8ü)v. Wide „Lakonische
Kulte" S. 228 flf. Nach Seeck (a. a. O.) ist Ino einfach „das Meer".
Zwischen dem Element und seinem Beherrscher kennt S. keinen Unter-
schied. Die Griechen machen aber diesen Unterschied. Sie haben
auch die Sonne und den Mond nicht angebetet, sondern die hinter
den Elementen stehenden Gottheiten trotz Seeck. Aristides XLVI
(II p. 373 K.) will Inos Erhebimg zur Seegöttin nicht glauben; er
stößt sich an der Vermenschlichung der Gestalt. Tieferes liegt nicht
zu Grunde. Anders Preller-Robert S. 601 2 und Rohde „Psyche"^
S. 682.
«) Paus. III 26, I.
3) Paus. III 24, 4. Wide S. 227 flf.
4) Paus. III 23, 8.
— I07 —
Thomasson berichtet von den Esthen:^) „An einem
Bache bei Dorpat wurde folgendes Augurium, um das
Wetter zu erfahren, angestellt. Man setzte drei Körbe
ins Wasser und beobachtete, welche Gattung von
Fischen sich in dem mittelsten finge. War es ein
Fisch ohne Schuppen, z. B. eine Quappe oder auch
ein Krebs und dergleichen, so befürchtete man ein
unfruchtbares Jahr, opferte einen Ochsen und setzte
die Körbe wieder ins Wasser. Fand sich wieder in
dem mittelsten ein schuppenloser Fisch, so wurde
abermals ein Ochse geopfert, und zum drittenmal die
Körbe ins Wasser gesetzt, und im Falle, daß das
Augurium nochmals ungünstig ausfiel, endlich ein Kind
geopfert. Und dann ergab man sich geduldig dem
Schicksal. Heilig war dem Donnergotte der Donners-
tag. An demselben enthielt man sich aller Arbeit, an
demselben sann man auf Zaubereien mancherlei Art;
nur am Abend ward gesponnen, um dadurch den
Heerden Gedeihen zu verschaffen." Ebensowenig
möchte ich einen nur in dichterischer Behandlung der
Inosage überlieferten, aber in einer nordischen Erzählung
wiederkehrenden Zug verwerten,^^) obwol die Möglich-
keit zuzugeben ist, daß er das Wesen der Göttin berührt
Ino soll die Weiber ihres Reiches am Kopaissee den
auszusäenden Weizen zu rösten angestiftet und eine
Hungersnot bewirkt haben.3) Das Motiv kehrt ähnHch in
') Finnische Mythologie, übers, von Petersen, S. lo.
*) Euripides „Phrixus" Fr. 819 ff.
3) Nach Heraklides „Politien" Fr. 53 Rose besorgten bei den
Athamanen die Frauen das Feld. Athamas weist durch seinen Namen
tlber Theben hinaus; lokalisiert wird er im „athamantischen Gefilde" im
Osten des Kopaissees, verflochten in die blutigen Kultsagen vom
— io8 —
der Legende von der irrenden Demeter wieder.^) In
einer altenglischen Sage finden sich die wesentlichen
Züge der Inogeschichten beisammen.*) Die Überein-
stimmung wird erweisen, daß Motive dieser Art im
Sagenschatz der Völker bereit lagen und an sich nicht
ohne weiteres als originelle Erfindung einzelner anzu-
sprechen sind. Jemand belauscht drei Nächte in einem
Haferfeld eine tanzende Wasserfrau, erfahrt dadurch
die Mittel, sich ihrer zu bemächtigen, und macht sie
mit ihrem Willen zu seinem Weibe. Sie verspricht so
lange bei ihm zu bleiben, wie er sie nicht schlagen
werde. Als dieses geschehen, entflieht sie mit ihren
Kindern. Nur ihr Sohn Triunis Nagelauc wird nach
der einen Version vom Vater der Fliehenden entrissen
und zurückgehalten. Er wird, erwachsen, Gefolgsmann
eines mächtigen Königs. Nach der andern entkommt
die Mutter mit ihm in den See, wo er bei ihr lebt.
Laphystion. Sein Volk sind, wie der Name lehrt, die Athamanen, die
von Theben unterworfen wurden. „Wo safien ihre Fürsten, die dem
Apollon in dessen Hochgebirge das Ptoon in der Höhle stifteten?
Dicht unter dem Ptoon liegt auf einer Insel des Kopaissees vor dem
athamanischen Gefilde die Herrenburg, die großartigste Ruine der
Heroenzeit in Hellas. Das Schloß des Athamas und der Themisto ist
es". (Wilamowitz „Hermes" 1891 S. 204 A.). Wilamowitz denkt
an Arne. Auch am Kopaissee mag man sich von Ino und ihrem
Sohne Learchus erzählt haben, einer an Zagreus wenigstens er-
innernden Gestalt; ob auch von Melikertes, steht dahin. Siehe oben
S. 102.
') Ovid „Metam." ^V 480 f. „Arvaque iussit fallere depositum
vitiataque semina fecit".
*) Walter Mapes „Nugae curialium" ed. Th. Wright II ii p. 79
(De apparentiis fantasticis), ungenau bei Liebrecht „Zur VoJkskande"
S. 30.
— 109 —
Diese zweite Wendung der Sage hat bei ihrem aus-
gesprochenem Heidentum wol allen Anspruch auf Ur-
sprünglichkeit, so sehr sich der christliche Bericht-
erstatter gegen sie auflehnen mag.^)
Einzelne Züge verbinden die altheidnischen
Religionen in Nord und Süd, auch in West und Ost:
denn auch der Orient liefert eine Analogie. Mehr aber
als eine Analogie ist es nicht. Die syrische Atargatis
flüchtet mit ihrem Knaben vor dem Unhold Typhon
in ihren See. Der Einblick in einen sehr alten Völker-
gedanken ist wol wertvoll, hilft im einzelnen aber nicht
fort. So bleibt für Ino doch nur die lakonische Sitte
des Tempelschlafs zum Zwecke der Zukunftserkundung.
Als Seegöttin ist sie allem Anschein nach unur-
sprünglich, erst durch Verbindung mit Leukothea ge-
worden. Soviel dürfen wir, ohne uns der Leicht-
fertigkeit schuldig zu machen, der ionischen Legende von
") Er sagt: „Quod autem aiunt Triunem a matre sua servatum
et cum ipsa in lacu illa vivere, unde supra mentio est, immo et men-
dacium puto, quod de non inveiito fingi potest error eiusmodi".
Frauentanz auf dem Acker ist altheidnischer Ritus, von Mannhardt
„Feld- und Waldkulte" I S. 253 aus dem deutschen Aberglauben er-
läutert. So schrieb man in Westphalen für das Gedeihen des Flachses
vor, daß die Weiber am Lichtmeßtage im Freien auf dem Acker
tanzten. Bei diesem Tanze trugen sie Holundergerten in den Händen,
mit denen sie auf die Männer schlugen. Man weckte durch das
Schlagen die Zeugungskraft, durch das Tanzen die im Boden
schlummernd gedachten Wachstumsgeister. So verehrten die Pheneaten
in den arkadischen Bergen die „tanzende" Demeter — das be-
deutet wol Arjfx-j^TTjp Ki5apfo(. Im Kult dieser Ackergöttin wieder-
holen sich auch die Rutenschläge, nur daß der Priester in dieser
Funktion die Göttin auch äußerlich durch das Anlegen der Maske
vertritt.
— HO —
der Entstehung des isthmischen Kultes glauben.^) Semi-
tisches aber hat sich an Ino sowenig wie an ihrem
Knaben entdecken lassen. Behauptet ist es wiederholt,
mißraten stets und nie gelungen, nicht für einen Augen-
blick, obwol für Ino wenigstens das Material seit
Ritschis Abhandlung in der Hauptsache leicht zu über-
sehen war.^) Ich will der These nicht unrecht tun
und ihre letzte Gestaltung im Wortlaut wiederholen —
4n bunten Bildern wenig Klarheit, nur Irrtum und kein
Fünkchen Wahrheit* Man schreibt: „Es ist schwerlich
zufällig, daß Tiresias den Odysseus beim Hades auf-
sucht, Ogygus, nach dem Ogygia die Insel der Kalypso
ihren Namen hat, Ino Leukothea, mit deren Schleier
sich Odysseus zu den Phaeaken rettet, und Rhadamanthys,
der Doppelgänger des Odysseus, alle in Boeotien
heimisch sind, und daß ferner die Griechen gerade von
Aulis in Boeotien aus nach Troja fahren, vielleicht
auch nicht, daß Theben, das siebentorige, die Stadt des
Tiresias ist, die Stadt des diesem entsprechenden
Eabani aber, das siebenmaurige Erech, eine irdische
Manifestation der Unterwelt mit 7 Mauern und 7 Toren,
bezw. 2^7 Toren." AidTzoxoL IlaXatfjLOv, tXscü? fjixtv ^evoü.
Das Paar, die Mutter mit dem göttlichen Knaben,
ist der altgriechischen Religion auf das innigste ver-
traut. Wir finden es in vielen griechischen Land-
schaften, unter sehr verschiedenen Namen eine und
>) Auf Lemnos gibt es ein Fest 'Ivjvia. Das sind schwerlich
*Ivü)ia (Hesych s. v.).
«) Bonner Jahrbücher XXXVII 1864 S. 73 ff. Gegen seine Auf-
fassung der Neuwieder Bronze als Ino-Leukothea ist allerdings mit
Recht Einspruch erhoben worden; vgl. Ribbeck „Ritschi" II S. 307 ff.
— III —
dieselbe Erscheinungsform der Göttlichkeit, meist aber
nicht unter den Olympiern, sondern unter den Erdgott-
heiten. Es kann keine ungerechtere Behauptung geben
als die, daß die hellenische Mutter mit dem Gottesknaben
orientalische Entlehnung sei. Atargatis und Ichthys,
das syrische Paar, sind bei den Griechen kaum be-
achtet. Um so lieber hätten die modernen Wortführer
der semitischen Hypothese das Paar vom Isthmus für
den Orient zurückbehalten. Dies Paar ist hellenisch,
bei den Hellenen häufig. Dabei fällt auf, daß ge-
wöhnlich der göttliche Vater des Knaben wie gleich-
gültig bei Seite steht oder fehlt. Die Wurzeln dieses
ganzen Glaubens ruhn unergründet tief im Aller-
heiligsten der reinen Menschennatur. An diesen
knüpft das Christentum an. Sinne, Gedanken und
Gemüt, das ganze Innenleben der christlichen Welt,
besaß eine göttliche Mutter mit einem zarten Kinde
Wunder wirkend, allein lange Zeit als Jungfrau Königin
und Göttin, nicht aber als Gattin. Spät und nur sehr
allmählich will an die Stelle dieses Paares voller
Wunder der Erwachsene, sittlich Wirkende treten, um
durch Leben und Leiden die Menschheit zum Guten
und Wahren zu erziehen.
V. MELIKERTES UND
PALAEMON.
Im Kult von Korinth haben Melikertes und Palae-
mon anscheinend selbständig nebeneinander bestanden.
Die Legende hat die Ortsgemeinschaft zu» einer Wesens-
gleichheit umgeformt oder doch vertreten. Sie ist niemals
eine ausreichende Beglaubigung. Vielleicht läßt sich
eine innere Beziehung zwischen den beiden Wesen
erkennen, durch welche die Gleichung erleichtert
werden konnte.
Melikertes „der Honigschnitter" hat, wie seine
Namensverwandten, zunächst eine rein profane Berufs-
sphäre, daneben aber auch eine sakrale, oder er konnte
sie haben. Bedeutsam sind die sakralen Namen Melissa
und Verwandtes. Nicht nur, daß Göttinnen (Selene
und Artemis) so heißen,^) von einer Demeterpriesterin
Melissa weiß ein Mythograph; sie wurde von den
Feinden der Demetermysterien auf dem Isthmus von
Korinth zerrissen.*) Perianders Gattin Lyside trug
>) Porphyrius „De antro Nympharum" i8.
») Servius zur „Aen." I 430.
— 113 —
ebenfalls im Korinthischen den Priesternamen Melissa.^)
Im delphischen Dienste kam der Name für die Pythia
vor.^) Und so geht es fort in vereinzelten Spuren bis
in Ariosts „Rasenden Roland" mit seiner z. T. nach
der vergilischen Sibylle geschaffenen Zauberin Melissa.
Priesterliche Personen beschäftigen sich auch heute
gern mit Bienenzucht Um sich zur Prophetie zu be-
geistern, mögen Seher und Seherinnen Honig genossen
haben; für Delphi ist es bezeugt. „Biene" (Deborah)
nennt sich wol in diesem Sinne die altjüdische^Wahr-
sagerin und Sängerin, iaofrjvs? „Bienenkönige" hießen
in Ephesus die Artemisdiener, genauer „die ihr, der
Biene, die Speise bereiten", ol ttjI 'ApTS[jLt8t laxtaxops? x^t
'Ecpsatai Yiv6[jL£vot, wie Pausanias sie schildert.3) Tenthredon
und Kepheus (S. 53) werden dem Sinne nach nicht
verschieden sein; xrjcpr^v zeigt auch dieselbe Endung wie
iacn^v. König über Götter und Menschen kann daai^v
wol nur unursprünglich bedeuten4) und Bienenkönig
eigentlich überhaupt nicht, da ein Bienenschwarm
nur über eine Königin verfügt. »Von dem priester-
lichen Bienenstaate" der Artemis erhielt Ephesus die
Biene als Wappen und Münzbild.5) Indessen berechtigt
die Äußerung des Pausanias keineswegs, die Priester-
') Herodot V 92. Lyside ist wol AuaiSi^fXT] o. ä. Eine Priamus-
tochter dieses Namens bei Hygin „Fab." 90.
4) Pindar „Pyth." IV 60. Lobeck „Agl." II p. 817. Eine ab-
surde Deutung bei O. Gilbert „Griech. Götterlehre" S. 99. Vgl. Usener
„Rh. Mus." 1902 S. 179.
3) vm 13, I.
4) Kallimachus im Zeushymnus V. 66.
5) R. V. Schneider „Führer durch die Ausstellimg von Fund-
stücken aus ßphesus im griechischen Tempel im Wiener Volksgarten",
Wien 1902, S. Ulf.
Maass, Griechen u. Semiten. o
- fi4 -
Schaft der ephesischen Artemis auf männliche Personen
zu beschränken; das Gegenteil versteht sich eigentlich
von selbst Für den Orient überhaupt läßt sich ein
Zeugnis dafür noch gewinnen. In einem sogar von
Lobeck verkannten Aeschylusfragment^) aus den
„Priesterinnen" wird der Chor, die Priesterinnen, als
[AsXiaaovojjLot angeredet (sücpapÄiTs, \izhcscsoy6\Loi • 86[jlov 'Apxe-
[JL180? TzikcL^ orYsiv). Der Sinn der Stelle ist unvollständig,
aber daß die [AsXiaaovojjLot „Bienenpflegerinnen" zum
Artemistempel gehören, leuchtet dennoch ein: Artemis
ist die hier gepflegte „Biene". Herodot erzählte nicht
als erster von den Persern,*) sie hätten bei den Griechen
„Kephenen" geheißen und diesen Namen wie jene von
Kepheus, Andromedas Vater, abgeleitet, dem Sohne
Baals, welcher durch Perses, den Sohn der Andromeda
und des Perseus, Ahnherr des Perservolkes geworden
wäre. Eigentlich war doch wol Perseus, der korinthische
Nationalheld, als solcher unter den Helden der dorischen
Hexapolis Südkleinasiens, der persische Ahnherr. Die
merkwürdige Genealogie erinnert nicht sowol an die
phthiotischen Ameisensöhne (MüpjjLi86vs?), auch nicht an
die sonstigen Ableitungen der Menschen von Insekten
(S. 52 f.), sondern an den Priesterstaat in Ephesus, in
dem hdriv&q und [xsXiaaat der Bienenkönigin und Stadt-
I) A. a. O. Fr. 87 N. 2 jieXiaaovdfxot 'Apt^fxtSoc wie Zoqfp^oc
ßo^Tac, ßouxoXetv SaßötCiov. Die Konjektur 7roXia9ovd(jioi ist hier sehr
überflüssig. Dies Kompositum und seine Parallelen (tcoXiOOOu^oc u. a.)
ist organisch wol nicht zu erklären. Sollte es nach der Analogie von
fieXiaaov(^fxoc gebildet sein? So ist Tz6\z(5(ii nachgemacht dem Datiy
iTteaat (Schulze p. 134).
*) VII 61. 150. Dem entsprechend bezeichnet Aeschylus in
den „Persern" V. 79 dies Volk als ^puacJ^ovo? jeverf.
— 115 —
göttin dienten; die ganze Bevölkerung ist darin begriffen
und vertreten. Eine Biene (xTjcpEüc x^'fT^v) Stadtkönig
oder Landesherr, das ist charakteristisch. Aethiopien
ist ein sehr allgemeiner Name. Wo die Sonne aufgeht,
müssen die Menschen verbrannte Gesichter haben,
meinten die lonier naiv, erzählt die Ilias. Diese
Aethiopen sind nichts als die Orientalen, vom Stand-
punkt des loniers etwa im VIET. Jahrhundert genommen.
Ebensowenig will es bedeuten, wenn der Name Kepheus
auch auf dem griechischen Festlande vorkommt, z. B.
in Tegea; der Name ist an und für sich nicht an einen
bestimmten Ort gebunden. Schwerlich wird sich eine
Küstengegend finden lassen, wo die Verbindung
griechischer und persisch-babylonischer Elemente sich
kräftiger und friedlicher vollzogen hätte als eben in
Ephesus. „Die Politik von Ephesus wurde durch die
Interessen des Heiligtums bestimmt, das nach wie
vor den Asiaten so willig wie den Hellenen auf-
nahm, Xerxes' Kinder behütete und zugleich Boten zu
den olympischen Festspielen sandte" schreibt von
Schneider.
Es wird in diesem Zusammenhange nicht unan-
gemessen sein, an etwas anderes zu erinnern. Auch
die griechischen Kulte haben, und nicht bloß strich-
weise, einen starken Beisatz von Zauberwerk. Die
Hymnen sind vielfach Bannungen; üjjlvov dxoüonr^t xovSs
SsafjLiov (JsOsv („Eumeniden" V. 305), Beschwörungen
nichts als „zu bestimmten Handlungen gesungene
Lieder," iTuwiSat'; im „Agamemnon" nennt Aeschylus
die geopferte Iphigenie iTrcoiSiv Opyjtxuov drjjjLaTtüv (V. 1418).
Besonders der Honig ködert. Honig gehört beinahe
ständig zum Zauberapparat. Man gewinnt die schwierig
8»
— ii6 —
gewordene Gottheit, sobald man ihr ihre Lieblingsspeise,
ihre Speise vorsetzt. Der Honig ist auch hier die
Götterspeise. Um die Heilgottheiten sich willig zu
machen, verwendeten die Asklepiuspriester Honig,
Honigwaben und Honigkuchen. Besonders die Götter
von Wind und Wetter erhalten gern Honig und Honig-
kuchen als Opfer. Wenn Glaukus in das Honigfafi
fallt, so ist das wol nur legendarischer Ausdruck für
das Gebanntsein durch den Honigköder; Glaukus ist
Meeresgott.^) Aristaeus, Honiggott des Keer, wie
Melikertes der Isthmier, opfert auf dem Pelium dem
Zeus, auf daß er die Etesien schicke.*)
') Glaukus TTiojv (x£Xi Marq sagt das Sprichwort Sein Tod in
einem Honigfaß und seine wunderbare Errettung ist in der bekannten
Geschichte novellistisch dargestellt, die ihn darum als sterblichen Sohn
des Minos einführt; vgl. Gaedechens „Arch. Zeitung" XVIII (1860)
S. 70 fF. und bei Röscher, wo wunderlich genug dieser Glaukus der
Novelle vom Seegott gesondert wird. Die Fesselung des Ares durch
die Aloaden und Bergung im Faß und folgende finnische Sage legt
die Vermutung nahe, daß der zukunftskundige Meergott durch den
Honigmeth ursprünglich nur geködert, in das Faß nur gebannt worden
war, wie Kronus durch Zeus, wie Triton durch die Tanagraeer (dieser
nach Paus. IX 20, 4 vermittelst eines weingefüllten Krugs) ; Zweck der
Köderung scheint das Verkünden der Zukunft in dem zugfnmdeliegen-
den Mythus gewesen zu sein. Thomasson S. 80 f. (vgl. S. 107) : „Wesi-
Hisi ist ein böser Geist im Wasser (wie Glaukus). Der Aberglaube
spricht noch heutigen Tages, er könne diesen Geist durch Zauberei
in irgend ein Gefäß bringen. Wozu? Um anderen Menschen durch
ihn Schande zuzufügen. Besonders werden Diebe von ihm geplagt".
Zingerie „Arch.-epigr. Mitt." XVII 1894 S. 119 ff.
^) Zeus Ikmaios auf Keos, Spender der Passatwinde: Schol. ApolL
II 522. Mit Honig scheint auch Hyrieus die drei Götter bewirtet zu
haben. Die schmutzige Wendung aber der Oriongeburt entstammt
falscher Etymologie. Der Name ist im Homer als 'Qp{a)v, im Pindar
und Athenaeus als 'üap^ojv überliefert, imd 'Qap{a)v haben Nauck,
— 117 —
Es gibt also eine gewisse Beziehung zwischen dem
altisthmischen Melikertes und Palaemon. Zur Gleich-
setzung der Wesen aber genügt das alles nicht. Sie
sind zu trennen.
W. Schulze u. a. für die Homerverse gefordert. Ich glaube, mit Un-
recht. Am Oriongestim ist das Wesentliche, also Ursprüngliche, der
Schwertgürtel immer gewesen — daher Sicpi^pr^c 'Qpfcuv Euripides „Ion"
V. II 53 u. a. — und also auch für den ersten Anfang vorauszusetzen,
wie die Ähre im Gestirn der Jungfrau u. s. w. Der Schwertgürtel
der Griechen ist, zum Unterschied von der Ct»>v7] imter der Brust, ein
über die rechte Schulter getragenes Gehänge dopT^p, eigentlich *depT^p
(wie yovect neben yeveci) ; neben diesem gibt es aopoc in der Bedeutimg
,, Träger" „Heber" (Hesych u. d. W.). „Der mit dem Schwertgurt"
wäre nach vielen Analogien dopfwv (i)p{(uv. Als Eigenname kommt
das Wort in dem karischen Xpuadiüp vor „der mit goldenem Gehänge"
)fP'jaciopoc als Beiwort z. B. des Apollo „II." V 509. Auch an ^xer/jOpoc
TreSdopoc, auvdopo? (auvwpic) auvdcup sei erinnert; Ti(xc(U)p Tifxätopo? aber
ist verschieden (Aesch. „Ag." 514. 1280, „Suppl." 44), vgl. W. Schulze
p. 18. 206. 305. 474. Die Orionsagen sind alle nachträglich auf-
gewachsen (so auch Robert „Erat, catast." p. 246); und dem Sternbild
ist die Keule jedenfalls von allem Anfang fremd, wenn sie die Nekyia
auch schon kennt. lonien scheint die Heimat des Sternbildes und
also auch des Namenß zu sein, Telamon „Schildriemen" oder „Schwert-
riemen" ist wol die nächste Parallele. Übrigens ist Orion auch Vogel-
name, „der mit dem Gürtel"; oben S. 33 und Hesych s. v. Die Römer
sagen statt Orion geradezu lugula 'Band* von iungo, wie fig^lus von fingo.
VI. PALAEMON UND
PORTUNUS.
I.
I. Apulejus beginnt seine Novelle von Amor und
Psyche mit folgender Einleitung. „In einer Stadt lebte
ein Königspaar mit drei Töchtern. Die beiden ältesten,
mäßig schön, verheirateten sich schnell. Psyche, die
jüngste, überstrahlte an Schönheit sogar Aphrodite, wie
das Volk rühmte. Darüber zürnte die Göttin. Sie
verließ das Land und begab sich an das Ende der Welt
mit ihrer Begleitung." Dies kaum aus einem andern
Grunde, als um die Woltat ihrer Gegenwart dem un-
dankbaren Lande der Psyche nicht mehr zu gönnen.
In ihrem Gefolge befinden sich der Nereidenchor,
Portunus mit struppigem Bart (caerulis barbis hispidus),
die fischleibige Salacia und der kleine Delphinreiter
Palaemon, endlich lustige Scharen blasender Tritonen.
Hier fallt auf, daß der männlich bärtige Portunus und
der kleine Palaemon getrennt, nicht gleich gedacht
werden, wie das in der noch zu behandelnden römischen
Legende der Fall ist. Sodann dürfte das Lokal von
— 119 —
einiger Bedeutung sein. Die Heimat der Psyche denkt
sich der Verfasser der Novelle irgendwo im Osten:
Psyches Vater befragt das milesische Orakel, wohnt also
unter den östlichen Griechen. Der Oceanus, an welchen
sich von dort her Aphrodite mit ihrer Gesellschaft be-
gibt, würde im Sinne des Madaurensers das atlantische
Meer sein, im Sinne einer älteren Darstellung, falls es
eine ältere gab, der äußerste Teil des westlichen
Mittelmeerbeckens wenigstens sein können. Salacia,
die römische Genossin Neptuns, entspricht nach der
üblichen Auffassung der griechischen Amphitrite.^) Es
muß gesagt werden, daß das bei Apulejus einmal ein-
geführte Motiv nicht ausgenutzt wird. Wie künstlerisch
und wirksam das Bild an sich ist, zeigt nicht nur
Raffaels Meeresfahrt der Galatea in der Farnesina,
sondern seine Verwertung in Camoens' „Lusiaden" VI,
der mit dieser um einige verwandte Wesen vermehrten
Gesellschaft der Meeresgötter den indischen Ocean
bevölkert, während ihn Vasco de Gama durchfahrt,
neben Venus und ihren Nymphen, welche die Wind-
götter durch ihre Reize besänftigen, kommen hier
Salacia Ino und Palaemon vor, „der schöne Knabe,
der auch den Göttern wurde beigezählt. Bald läuft er
vor ihr her an dem Gestade, mit schönen Muscheln
spielend, die das Meer, das salzge, stets erzeugt; bald
auf dem Sande umhalset er die schöne Panopea" (23).
Die Auswanderung Aphrodites widerstrebt, genau
genommen, dem Verlauf der apulejanischen No-
velle. Denn wenn die Taube der Göttin bis an den
Ocean hin die Untreue des in Psyche verliebten Amor
I) Wissowa „Religion und Kultus der Römer" S. 250 f. 253.
— 120 —
meldet und Aphrodite daraufhin sofort dahin zurück-
eilt, von wo sie eben mit allem Gefolge ausgewandert
war, so leuchtet ein, daß der Schriftsteller, sei es nun
Apulejus selbst, sei es ein früherer, das schöne Motiv
ich will nicht sagen verdorben, aber doch ignoriert
hat. Es ist der Geschichte, in der wir es finden, eigent-
lich fremd, anderswoher entnommen: wie die Ocean-
fahrt der Götter in der zweiten Hälfte des ersten Ilias-
buchs zu dem Anfang desselben Buchs nicht stimmt
Auch hier unterscheiden wir also, so zu sagen, zwei
Hände wenigstens. Entlehnt wird Aphrodites Ocean-
fahrt aus einem Zusammenhange sein, der etwa so ge-
lautet zu haben scheint. Die Göttin, beleidigt, weil
ein sterbliches Mädchen ihr vorgezogen ist, verläßt mit
allen ihren Begleitern die Küsten des ungastlichen
Landes, um es zu strafen. Da sie hier nicht bloß als
Schönheits- und Liebesgöttin, sondern zugleich als
Seefahrtsgöttin aufgefaßt war, so gehen mit der EuicXoia
Nereiden und Tritonen, Amphitrite (Salacia) und der
kleine Meeresengel Palaemon, endlich Portunus nach
dem fernen Westen.
Wer ist hier Portunus.?* Jedenfalls nicht der
römische Gott des Tiberhafens. Es ist der Schutzgott
der Häfen überhaupt, den die Griechen Aifievi-nj? o. ä.
nennen. Das zeigt der Zusammenhang der Apulejus-
novelle. Aber auch ein andrer Zeuge, den ich ein-
schalten will, weil sein Portunus mit dem Tibergott gleich-
gesetzt zu werden pflegt In der „Aeneis" V V. 239 flF.
werden die Leichenspiele für Anchises geschildert, die
Aeneas am Berge Eryx, wo ein Anchisesheroum neben
dem Heiligtum der Aphrodite errichtet wurde (V. 760),
mit Gepränge abhielt. Unter andern wurde ein Wett-
— 121 —
fahren der Schiffe veranstaltet und mit einem Gebet
des einen Kämpfers „an die zur See mächtigen Gott-
heiten" eingeleitet^) V. 240 ff folgt dem Gebet die
Erhörung; „ihn vernahm unten auf dem Grunde des
Meeres der Chor der Nereiden, des Phorkus Kinder,
und die jungfräuliche Panopea, und Vater Portunus
trieb das Schiff des Betenden selber mit starker Hand
zur Eile; es flog schneller dahin wie ein Pfeil" Von
jeher ist dieser vertraulich als „Vater Portunus" an-
gerufene Gott mit dem Portunus am Tiber, dem
römischen Hafengott, gleichgesetzt worden. Wie wäre
das möglich, wenn dieser der Lokalgott, nichts als
Lokalgott, des stadtrömischen Anlegeplatzes am Flusse
war? Wie käme er in oder an das Meer? Wie in die
sizilischen Gewässer unter Nereiden?*) Der „Vater
Portunus" Vergils ist vielmehr Schutzgott des sizilischen
Hafens, bei welchem das Wettfahren der troischen
Schiffe stattfand.
Nun sind die guten Geister der See und sogar der
Häfen bei Apulejus fort; da sind ungehindert die
schlimmen; denn die Nereiden bändigen und regieren
sie, etwa wie Thetis im ersten Iliasbuch den Briareos.
Sie erscheinen, und die Verheerung der Küsten durch
Wasserfluten beginnt. Das ist bis in gewisse Einzel-
heiten der Inhalt einer bestimmten Fassung der
') V. 235 „Di, quibus imperium pelagi est, quorum aequora curro".
«) Jordan bemerkt in der Neubearbeitung der Prellerschen „My-
thologie" (II S. 124 A.), Portunus sei später ganz als der meer-
beherrschende Neptun gedacht Jordan wird sich hier der Vergil-
stelle erinnert haben, die er S. 324 — aber in anderem Sinne —
verwendet. S. 133.
— 122 —
Andromedasage.^) Ihr ist der Eingang der Psyche-
novelle im allgemeinen wenigstens nachgebildet bis
auf das Orakel, welches die Vermählung der Tochter
mit einem schrecklichen Wesen befiehlt
2. Die „Andromeden" des Sophokles und des
Euripides können für Apulejus nicht maßgebend ge-
wesen sein, da in ihnen die Nereiden, nicht aber
Aphrodite, die beleidigten waren, auch die Aussetzung, .
nicht die Vermählung der Andromeda mit dem Ketos
Leitmotiv gewesen ist. Dagegen hat zur Zeit des
Augustus Manilius im fünften Buche eine im wesent-
lichen entsprechende Einlage über Andromedas Aus-
setzung und Befreiung V. 538 ff.*) Er erzählt teils,
teils deutet er folgendes an. „Eine furchtbare Schuld
der Eltern der Andromeda brachte über das Aethiopen-
land schwere Oberschwemmungsnot Das Orakel be-
fragt verlangte die Vermählung ihrer einzigen Tochter
und Erbin mit dem Meeresungeheuer. Bräutlich ge-
schmückt wurde sie an den Uferfelsen gebunden.
Perseus erscheint; eben hatte er die Gorgo erlegt. Er
erfahrt von ihr ihr Schicksal, verliebt sich, sucht die Eltern
auf, die trauernd fern von der Meeresküste in dem Palast
weilen, und erwirkt die Zugelobung der Andromeda, falls
er den Freier aus dem Meere erlegen werde. Dann kehrt
er, wie er gekommen, auf den Flügelschuhen durch
') Vgl. Robert „Eratosth. Cat. rel." p. 232 und oben S. 70 und
124 A. I.
>) Möller hat den hohen Wert der manilischen Andromeda im
allgemeinen richtig geschätzt, aber an Euripides, Ovid u. a. als Vor-
lagen gedacht „Stud. Manil." p. 4.
— 123 —
die Luft an die Küste zurück. Das Ungeheuer naht,
der Kampf beginnt. Endlich wendet es sich langsam
zur Flucht aufs hohe Meer; erst da gelingt die völlige
Vernichtung.^) In doppelter Sorge um sich und um
Perseus hat Andromeda als einzige Zuschauerin den
Kampf mit angesehen. Jetzt kehrt der Sieger zurück,
löst ihre Fesseln und nimmt sie mit sich als seine ihm
von den Eltern angelobte Braut." Der Bericht bei
Manilius bedarf in zweifacher Beziehung einer Er-
läuterung. Erstens die eigentümlichen Raum- und
Zeitverhältnisse. Zwei Szenen, genauer vielleicht drei,
werden in der Erzählung angedeutet: i. der Inhalt des
Orakels, nachdem die Verwüstung der Küsten durch
Sturmfluten begonnen hatte; 2. Perseus' Werbung um
Andromeda bei den Eltern daheim, nachdem er An-
dromeda gefesselt auf dem Uferfelsen gesehen und
lieb gewonnen hatte; 3. Andromeda dem Perseus nach
der Tötung des Ketos übergeben. Das sind die Zeit-
und Raumverhältnisse, welche in der einfach ver-
») Bei Manilius V V. 613 steckt in „perfundit liquido Perseus in
mannore corpus" ein Fehler, da der Sieger das Ketos nicht mit Wasser
begießt, er durchsticht es, also „pertundit". — Vor den Tragikern
führt Perseus das Schwert (so in der hesiodischen, dem Ursprünge
nach korinthischen ,,Aspis" V. 221 f. fjieXc?v5eT0V ctop fxeiTO ^otXxiou h.
TeXcc(X(I)voc) und auf der selinuntischen Metope. Auf der korinthischen
Vase erlegt er das Ketos durch Steinwürfe, die ihm Andromeda zu-
sammenträgt; vgl. Robert „Arch. Zeit." 1878 S. 16. Die Harpe dient
zum Kopfabschneiden und zum Stechen. Sie taucht als Waffe zuerst
bei den Tragikern auf, vielleicht schon bei Phrynichus, der eine
„Andromedjf" geschrieben hatte (Suidas s.v.; anders Robert S. 16 A.).
Vorher ist diese Waffe als babylonisch bezeugt: Marduk bekämpft mit
dem Sichelschwerdt die siebenköpfige Tiamat (H. Zimmern „Biblische
und babylonische Urgeschichte" S. 13. 15).
— 124 —
laufenden Erzählung des Manilius befremden und be-
fremden müssen. Es ist bei Manilius, und es wäre in
jeder erzählenden Behandlung des Vorfalls unbegreif-
lich, wie Perseus in der Stunde der äußersten Gefahr,
wo jeden Augenblick das Ketos erscheinen und die
Braut sich holen wird, Gewicht darauf legen kann, erst
ein förmliches Eheversprechen von den fernen Eltern
zu erlangen. Zu diesem ^Zweck muß er Andromeda
auf eine kürzere Zeitfrist jedenfalls sich selbst und dem
Zufall überlassen. Weiß Perseus, daß er nicht zu spät
zurückkommen wird? Warum die Umständlichkeit?
Warum sich nicht, wie das z. B. bei Euripides angelegt
war, mit Andromedas Einwilligung, die ihm sicher
ist, begnügen? Die Umständlichkeit ist nicht zwar zu
beseitigen, aber in ihrem Dasein zu erklären. Und
alles wird verständlich, sowie die manilische Erzählung
in eine szenische Handlung umgesetzt und angenommen
wird, daß diese nicht am Meeresufer bei der gefesselten
Andromeda, sondern fern von ihr vor dem Palast des
Kepheus gespielt wurde, daß sowol das erste Zu-
sammensein des Perseus und der Andromeda, als auch
der Kampf des Perseus mit dem Ketos und das allem
diesen vorausliegende Orakel als Berichterstattungen
oder Wiedererzählungen eingeführt waren. Die Eltern
waren es, denen ein Bote die Antwort des Gottes,
Perseus seine Werbung und Andromeda die Vernichtung
des Ketos berichtete. Das führt ab von der „Andro-
meda" des Euripides, die wir gut kennen; diese spielte
ganz am Ufer. Es läßt sich aber „nach der Weise der
altattischen Bühne sehr wol ein Stück denken, das
bei gleichem Inhalt wie die euripideische Andromeda
sich vor dem Palast des Kepheus abspielte; es konnte
— 125 —
in einem solchen Stücke Andromeda zuerst auftreten,
wie sie zum Felsen geführt wird, und dann mit ihrem
Befreier Perseus zurückkehren. Das wäre in der Tat
mehr im Geschmack der altattischen Tragödie, als die
bei Euripides beliebte, aus der Parodie der aristo-
phanischen Thesmophoriazusen bekannte Art. Bei
Euripides spielt das Stück am Meere und war Andro-
meda von Anfang an auf der Bühne anwesend mit
ausgebreiteten Armen an den Felsen geschmi'edet"^)
Sodann: „Die furchtbare Schuld" der Eltern, auf
welche Manilius hinweist V. 540, wird man zunächst
geneigt sein, auf die beleidigte Schönheit der Nereiden
zu beziehn. Allein, wo diese in den Andromeda-
geschichten sonst hervortreten, pflegt Aussetzung, nicht
Vermählung, der Grundgedanke zu sein. Unnatürliche
Heirat ist dagegen ein sehr gewöhnliches Strafmittel
der Aphrodite; es ist ihre Rache. So werden wir auf
einen Anfang der Andromedageschichte wie die
Psychenovelle des Apulejus gewiesen. Die Eltern
hatten ihr Kind für schöner ausgegeben, als selbst
Aphrodite: daher die Verheerung durch das Ketos, das
die Meeresgöttin (das ist Aphrodite hier zugleich) ent-
sendet. Die Not wird sich enden nur durch die Ver-
mählung des schönen Kindes mit dem Ketos, verkündet
Apollo den trostlosen Eltern. Wol läßt sich denken,
daß der Weggang der Aphrodite und ihres ganzen
Seegefolges an den Ocean gleichfalls der Andromeda-
geschichte angehört. Die erzürnte Göttin verläßt das
undankbare Aethiopenvolk, um im fernen Westen ein
neues Reich zu begründen. Wesentlich ist auch, daß
■
I) Robert „Arch. Zeit." a. a. O. (oben S. 122 A. i).
— 126 —
bei Manilius Perseus die Andromeda an den Himmel
„nach sich zieht". Das Perseusbild war, so scheint es
also, vor [dem Katasterismus der Andromeda — dieser
Fassung zufolge — schon vorhanden; der andern Mit-
glieder der Perseusgruppe — Kassiepea Kepheus Ketos
— wird in diesem Zusammenhange des Manilius sehr
bezeichnend keinerlei Erwähnung getan.^) Endlich fallt
die zeitliche Verbindung des Ketoskampfes mit dem
Gorgoabenteuer auf. „Noch troff das Sichelschwert
vom Blute der Gorgo; da traf Perseus auf das Ketos,
eine zweite Gorgo: so furchtbar war es."
Die Quelle des Manilius und des apulejanischen
Novelleneingangs zu ermitteln ist heute schwerlich
möglich. Dem altattischen Sagenschatze, auch der
altattischen Poesie ist Perseus wolbekannt. Aeschylus
hat ihn in den erhaltenen Dramen mehrfach mit Aus-
zeichnung, aber nur flüchtig erwähnt und das Gorgo-
abenteuer sogar als Mittelpunkt einer Trilogie, der
Perseustrilogie, behandelt. Der Kampf mit dem Ketos
fehlte hier. Ein Perservers deutet aber an, daß
Aeschylus die Verbindung des Perseus und der Perser,
die Ehe mit Andromeda, gekannt und anerkannt hat
(S. 113*). Eine „Andromeda" soll Phrynichus auf die
Bühne gebracht haben (S. 122). Einen „Perseus" führte
Aristias 467 auf Aeschylus' „Priesterinnen" mögen die
Andromedasage oder einen sehr ähnlichen Stoff behandelt
haben (Fr. 86). Mehr wissen wir nicht Manilius' dra-
matische Quelle bleibt unbekannt. Ihr entstammt aber
wol die älteste Erwähnung des Palaemon, vielleicht
») Robert „Erat." p. 246.
— 127 —
auch die Unterscheidung von Portun us-Ai[jLsvtx7i?. Aber
das eine bleibt bestehen, und das ist hier wesentlich:
Perseus ist sammt seinen göttlichen Beschützern Athena
und Hermes eine korinthische Sagenfigur (S. 6. 70),
das Andromedaabenteuer ist im Kulturkreise von
Korinth entstanden. Kassiope, die andre Namensform
von Kassiepea, ist die Eponyme von Kassiope, einem
Hafen auf der korinthischen Insel Korcyra.
2.
I. Ovid läßt Metam rV V. 5 1 2 ff. Ino mit dem
Knaben vor Athamas unter den bekannten Umständen
aus Boeotien entfliehn. „Es ragt da eine Klippe weit
ins Meer hinaus. Von hier stürzt sich Ino hinunter
mit dem Knaben. Da bittet Venus den Neptun, sich
der Unglücklichen, die herumgeworfen seien „in lonio
immenso" (V. 535), zu erbarmen. Neptun erhöht
die beiden zu Göttern, nimmt sie in seinen Thiasus
von Meereswesen auf, wie wir das an der einen der
isthmischen Kultstätten vollzogen sahen.^) Das ionische
Meer kann auch hier nur der südliche Teil des
adriatischen sein; es ist unter keinen Umständen zwischen
Megara und Korinth im Osten zu suchen. Man kann
nicht anders als annehmen, daß der nicht mit seinem
Namen bezeichnete Fels nicht an der Küste des
saronischen, sondern am korinthischen Meerbusen be-
legen war. Und dazu stimmt eine andre ovidische
Erzählung.2^) Ino flieht nach ihr unter den gleichen
Oben S. 77ff.
4) Fast. VI V. 5CX) ff. Zu dem Verse des Statius „Theb."
VII 97 „Nee sua pinigero magis adnatet umbra Lechaeo", d. i. das
fichtenreiche Lechaeum soll von seinem dort angelandeten Schatten
(er meint den toten Melikertes) nicht mehr haben als Nemea von Dir,
— 129 —
Verhältnissen vor Athamas aus Theben, den Melikertes,
den sie der Wiege entrafft hat, auf dem Arm. „Da
ist", heißt es dann, „eine schmale Landzunge zwischen
zwei Meeren. Dorthin kam sie und warf sich ins Meer
vom hohen Felsen. Panope und die andern Nereiden
nahmen sie bei sich auf Noch waren sie, Ino und
der Knabe, nicht an den Tiber gelangt; sie kamen aber
am Ende dahin." Zweifellos wird ein Fels auf dem
Isthmus als Sprungstelle bezeichnet; Mutter und Sohn
sollen nach Italien entkommen. Damit ist auch die
Auffassung des zuerst behandelten Metamorphosenverses
Archemorus", bemerkt der Scholiast: „Licet alibi ,undam' legamus,
tarnen melius ,umbram* accipimus propter Melicertem, qui se de
Lechaeo monte praecipitavit in mare. In cuius honorem agon cele-
bratur Isthmiacus, cuius victores pinu coronantur". Es ist nicht zu
sagen, ob „de Lechaeo monte" im eigentlichen Sinne zu nehmen und
ein Kap Lechaeum gegen den korinthischen Golf zu als die Stelle
zu betrachten ist, von welcher der Seesprung des Melikertes erfolgte.
An sich wol möglich, daß die abweichende Ortsbestimmung erst aus
dem Statiusverse gemacht ist, welcher mit „pinigerum Lechaeum"
leicht nach Römerunsitte nichts als den Isthmus gemeint haben wird.
Verwendbar ist dies Scholion also nicht. Auf das eben genannte
Scholion verweist eins zu IV 59, das aber anders geartet ist. Zu den
Worten ,,Inoas Ephyre solata querelas" liest man: „Ephyre ipsa est
quae Corinthus quae Dyrrhachium; in qua mater Palaemonis colitur.
Huic (dem P.) templum civitas prima Ephyre dedit, quia de Scironibus
(scyradibus Hdss.) petris se Ino, uxor Athamantis, praecipitavit in mare.
Et cum corpus filii Melicertae Corinthum fuisset appulsum, de habitu
contemplati reg^s fuisse fUium humaverunt. Cui humato institutum
fertur lustrale certamen, quod Isthmicum vocant, ut quidam volunt.
Ita solata est Ephyre matris querelas". Aus diesem Scholion und dem
zu VII 421 (= Hygin „Fab." 2 Schluß) schöpfte der Mythographus
Vaticanus II (79 p. 102 Bode). I|ygin und Statiuscholion ergänzen
sich, wie öfters, zu einer und derselben vollständigen Fassung der
lateinischen Bearbeitung der betreffenden Fabel.
Maass, Griechen u. Semiten. 9
— 130 —
gesichert. Zwischen beiden Zeugnissen besteht vollste
Einigkeit, beidemale wird die römische, sicher eine
westliche Kultlegende berichtet.
Am Euripus ist der Schiffergott Glaukus zu Hause,
durch die Teilnahme Anthedons an der chalkidischen
Kolonisation nach dem Westen getragen. Glaukus, der
Chalkidier (so dürfen wir ihn wol nennen), liebt den
korinthischen Melikertes-Palaemon, sagt unsre Über-
lieferung, und Parthenius nennt beide nebeneinander
als Meeresgötter. ^) Das kann sich aus den Beziehungen
zwischen Isthmus und Euripus erklären, ebensogut aber
auch aus den Verhältnissen der westlichen Kolonien
chalkidischer und korinthischer Nationalität in Sizilien
und Unteritalien. Leukotheakulte sind im Westen
mehrfach bekannt. Eine Insel Leukothea liegt bei
Sorrent
Nun sind Ino-Leukothea und Melikertes-Palaemon
an den Tiberhafen der Stadt Rom gelangt und mit
dem Gott Portunus und der Frauenschützerin Mater
Matuta gleichgesetzt, besser: ihnen angegliedert oder
beigeordnet worden. Die Gestaltenpaare decken sich
natürlich gar nicht Mater Matuta wurde erst seitdem
zu einer Meeresgottheit, und Portunus ist zunächst
I) Gaedechens „Glaukus der Meergott" S. 214. Von Glaukus,
der in der isthmischen Rennbahn der Tapfl^SiTnroc war (E, Pemice „Fest-
schrift für Benndorf ' S. 79 fF. Paus. VI 20, 15 ff.), sagt Nikanor bei
Ath. VI! 296 D, er sei in Glaukus umgenannt worden, der Chrono-
graph bei Klemens (Strom. I 137), Glaukus habe die isthmische Feier
für M. eingerichtet. Glaukus erscheint neben M. auch auf Bildwerken
und einmal in der Litteratur bei Parthenius Fr. 33 M. rXa^coi xal
NTjpTJt xal e?vaX(u)t MeXix^pT7)i (daraus „Glauco et Panopeae et Inoo
Melicertae" Virgil ,, Georg." I 437). Daraus schöpft wieder Camoens
(oben S. 118).
— 131 —
dunkel. Die Kultgegend aber bestimmt sich durch
Ovids anschauliche Schilderung, die keinen Zweifel läßt.
Wer bei Karmentis einkehrt, sich mit Herakles — der
mit den Geryonesrindern grade auf dem stadtrömischen
Boden angelangt war — unterhält und den Thyiaden-
lärm im Stimulahain vom „nahen Aventin" wider-
hallen hört: der befindet sich unzweifelhaft auf oder
an dem Forum boarium. Der Süden der Stadt war
sehr belebt nicht bloß wegen de^ Hafens und der
Werft, sondern auch wegen der vielen alten Heiligtümer
des Rindermarktes und seiner Umgebung bis zum
Aventin Caelius und Palatin; die Verkäufer der Götter-
kränze hatten auf dem Platze vor dem Portunustempel
am Pons Aemilius beim Rindermarkte ihren Stand.^)
Besonders waren fremde Gottheiten angesiedelt: der
älteste unter ihnen an dieser Stätte Herakles, aus einer
griechischen Gegend eingeführt, hatte hier seinen Altar
und seinen Rundtempel. Es ist nicht zufallig, wenn
die bei Ovid erhaltene Legende Ino mit ihrem Sohne
bei ihrer Ankunft in Rom am Tiberufer grade von
Herakles empfangen werden läßt: er war der Schutz-
patron des „Rindermarktes".
Über das Fortbestehen des Tiberkultes stehen zwei
Zeugnisse zur Verfügung. Bei Seneka „Oedipus"
V. 445 ff. nennt der thebanische Chor aus römischer
') Fronto I 6 p. 19 „Coronae alia dignitate sunt, in Portunio
cum a coronariis veneunt, alia, cum a sacerdotibus in templo porri-
guntur". Hülsen p. 263. Es ist auch Tempelplatz. Varro ,,De lingua
latina" V 145 meldet, daß der römische Fischmarkt längs des Tiber
„ad iunium" gewesen sei. Daß damit die Gegend am Rindermarkt be-
zeichnet wird, ist anerkannt. Hülsen wollte in der in der übernächsten
Anm. genannten Schrift die augenscheinlich verderbte Ortsbestimmung
zu „ad Portunium^ ergänzen.
9»
— 132 —
Vorstellung den Sohn der „Herrin des Meeres und der
Nereiden" einen Fremden (advena) und ein Plautusleser
fügte der Stelle im „Rudens" (V, i6of.), wo Palaemon
nach griechischer Auffassung und also aus der griechi-
schen Vorlage Begleiter Neptuns heißt, der angerufen
wird, als der Sprecher zwei schiffbrüchige Frauen im
Kahn erblickt, in seinem Exemplar die Worte hinzu
'welcher Genosse des Herakles genannt wird* (qui Her-
culis socius esse dicitur). Sie stehn heute im Text
trotz der Prosa.^) Nur in Rom ist Palaemon Genosse
des Herakles. Die Interpolation oder Glosse ist
ein guter Beleg für das Fortbestehen der römischen
Filiale des korinthischen Palaemon in der Kaiserzeit.
Am Tiber in der Gegend des alten Rindermarktes
liegen noch heute zwei gut erhaltene kleine Tempel,
beide herrenlos und zu vergeben, beide, wie gesagt
wird, aus der letzten Zeit der Republik, der runde,
ursprünglich dem heiligen Stephanus, jetzt der S. Maria
del Sole, der andre der S. Maria Egiziaca geweiht. Es
ist mehrfach, zuletzt von Hülsen, vermutet, aber nie ge-
glaubt worden, daß der runde Tempel, ein Bau korinthi-
scher Ordnung, dem Palaemon-Portunus, der rechteckige
ionische der Ino-Mater Matuta angehört habe.*)
2. Am II. Juni feierten die Mütter der Mater Ma-
tuta, d. i. Ino-Leukothea nach der Legende bei Ovid,
das Matralienfest. Portunalien wurden am 17. August
I) Was Leo vergleicht, ist andrer Art (II p. 316A.); der „Ringer"
Herakles hat mit dem Gott Palaemon gar nichts zu tun. Ebensowenig
freilich der Argiver Palaemon, welchen Statius in der „Thebais" VIII
V. 134 f. zum Freunde des Adrast fingiert (trotz Carter im Suppl. zu
Roschers „Myth. Lex." p. 80). Vgl. S. 68.
*) In dem lichtvollen Aufsatz ,,I1 foro boario e le sue adiacenze'*
(Diss. della pontificia Accademia romana, serie II tom. VI, Rom 1896).
— 133 —
dem Portunus begangen „an der aemilischen Brücke"
nach Ausweis der alten Kalender; das ist der mit dem
isthmischen Palaemon gleichgesetzte italische Gott
Einige unter den Antoninen geschlagene Münzen^)
zeigen mehrere Gebäude dieser Gegend des Tiberufers,
den Aeskulaptempel mit dem Advent der heiligen
Schlange, die Schiffshäuser und hinter ihnen in der
Richtung des erhaltenen Rundtempels einen ungewiß
worauf sitzenden Knaben mit ausgestreckter Hand. Es
ist Palaemon.
Wer ist Portunus? Geantwortet wird „der Gott
der Anlegestelle in dieser Tibergegend". Also eigent-
lich der Tiber selbst, der denn auch auf der den Hafen
abschließenden Insel seinen Tempel besaß und auch
auf den oben genannten Münzen als Lokalgott der Hafen-
gegend aufgefaßt wird. Die Spaltung in zwei Wesen,
den Tiber selbst und den Hafengott, ist dennoch sicher.
Die Portunalien am 17. August, dem Tag des Janus,
und der Flamen Portunalis beweisen nicht bloß das
Alter, sondern auch die römische Ursprünglichkeit des
Portunus. Das ist allgemein zugegeben. Neben diesen
Gott des Tiberhafens der Stadt Rom trat der dort land-
fremde Meeresengel, der Knabe Palaemon. Von wo ist
er dorthin gekommen .f^ Man sollte meinen, vom Isthmus
von Korinth, wegen der Gleichsetzung mit Melikertes in
der allerdings erst aus der letzten Zeit der Republik
stammenden römischen Kultlegende: eine Gleichung,
welche auf dem Isthmus, aber nicht ausschließlich dort,
geglaubt worden ist. Das Zusammentreffen entscheidet.
Das Groteske in der Gleichsetzung haben die neueren
*) Hülsen a. a. O. Andre Exemplare bei Dressel in Sallets
,, Zeitschrift" 19CX) Taf. i.
— 134 —
Mythologen richtig herausgefühlt. Ich weiß Jordans
Worten (I S. 324) „Destoweniger paßte Portunus zu
MeUkertes-Palaemon. Indessen wurden auch sie gleich-
gesetzt und der Hafengott Pater Portunus dadurch (Vir-
gil V V. 241) zum Kinde" nur hinzuzufügen, daß Portu-
nus auch durch sein einmal erwähntes Attribut der
dreizackigen Harpune eher dem Poseidon, welcher den
Dreizack führt, als dem Meeresengel Palaemon an-
geglichen wird..^)
3. Für die Verteilung der beiden erhaltenen Tempel
am Tiber läßt sich folgendes gewinnen. Der Rund-
tempel darf wegen des isthmischen Gegenstücks dem
Palaemon zugewiesen werden. Doch bleibt ungewiß,
ob Palaemon ihn mit Portunus teilte oder ob Portunus
ein eigenes Heiligtum besaß, daß dann für unsre
Kenntnis verschwunden wäre; auch Melikertes hatte
neben Palaemon auf dem Isthmus in derselben Um-
fassungsmauer seinen Sondertempel. Dem Anschein
nach gehörte der rechteckige der (mit Ino-Leukothea
vereinigten) altitalischen Frauengottheit Mater Matuta.
So würden denn, wie Hülsen es wollte, die altehr-
würdigen Gotteshäuser am Flusse ihre Namen und
ihre Bedeutung zurückempfangen haben.
') S. 120I. Martianus Kapella V i p. 138 Eyss. Athamas hört bei
Ovid „Fast." VI V. 556 von einer Sklavin „agricolis semina tosta dari";
bei Hygin heißt es, Ino habe sich mit den Müttern verschworen, „ut
fruges, in sementem quas darent, torrerent". V, 545. 7 verkilndet
Karmentis „Leucothea Grajis, Matuta vocabere nostris; Quem nos Por-
tunum, sua lingua Palaemona dicet". Hygin sagt "Quam Liber Leu-
cotheam voluit appellari, nos matrem Matutam dicimus; Melicertem
autem deum Palaemonem, quem nos Portunum dicimus". Das ist
die römische Legende mit Anklang an Ovid,
— 135 —
„Rom ist der Ort, in dem sich für unsre Ansicht
das ganze Altertum in eins zusammenzieht", sagte
W. V. Humboldt zu Goethe; nicht immer nur fiir unsem
Eindruck, von welchem das meiste ja uns und nicht
dem Gegenstande angehören würde. In unserm Falle
und unzähligemale war und ist Rom ein Lebendiges,
das wie mit elementarer Gewalt aus der Welt das
Große und Charakteristische in sich aufnimmt und
festhält. Welche hellenische Stätte könnte aber im
Sinne des römischen Betrachters während der Aus-
gangszeit der Republik charakteristischer erschienen
sein, als die international-hellenische Feststätte der
neuen, Nordgriechenland und den Peloponnes, Orient
und Occident verbindenden Römerkolonie Laus Julia
Corinthus auf dem Isthmus?
Bedeutendere Zeugen vom alten Rom gibt es viel
im neuen, anmutenderes aber und stimmungsvolleres
wird aus der Antike inmitten eines bunten und harm-
losen, von den Fremden nicht beunruhigten, unver-
fälscht italienischen Volkslebens in Rom nicht geschaut,
als jene stattliche Ruinenreihe von der Piazza Monta-
nara bis zur Bocca della veritä, vom Marcellustheater
bis zu den beiden stillen Tempeln am Tiber. Die
griechische Religion hat sich hier um den Ausgang
der Republik der altrömischen gesellt. Die Semiten
aber sind hier wie auf dem Isthmus von Korinth gänz-
lich unbeteiligt.